Nationalkultur versus Berufskultur: Eine Kritik der Kulturtheorie und Methodik Hofstedes [1. Aufl.] 9783839431108

Hofstede revisited - this volume takes a critical look at Geert Hofstede's conception of empirical cultural researc

131 71 1MB

German Pages 276 Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Einleitung
A Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell
A.I Der paradigmatische Stellenwer t Hofstedes in der Kulturwissenschaf t
A.II Die wissenschaf tliche Herkunft Hofstedes
A.II.1 Hofstedes unbewusster Anknüpfungspunkt: die Erforschung des National Character
A.II.2 Die Erfindung der Kulturdimensionen nach Edward T. Hall
A.II.3 Hofstedes Forschungsdisziplin: die Cross-Cultural Psychology und ihr methodischer Fokus
A.III Hofstede und seine Kritiker
A.III.1 Kritik am ethnizistischen Kulturbegriff Hofstedes und an seinen Prämissen
A.III.2 Kritik am Konzept Kulturdimension
A.III.3 Kritik an Hofstedes empirischer Methodik
A.IV Die Komplexitätsreduktion und der Anwendungsbezug der Hofsted’schen Erkenntnisse
B Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse
B.I Forschungshypothesen
B.I.1 Forschungshypothesen zum ethnizistischen Kulturbegriff und zu seinen Prämissen
B.I.2 Forschungshypothesen zum Konzept Kulturdimension
B.I.3 Forschungshypothesen zu Hofstedes empirischer Methodik
B.II Forschungsdesign
B.III Abgrenzung des Forschungsdesigns zu jenem anderer Folgestudien
B.IV Fragebogenkonstruktion
B.IV.1 Operationalisierung der latenten Variablen anhand von ref lektiven Verbindungsindikatoren
B.IV.2 Ein Think Aloud-Test
B.IV.3 Übersetzung des Fragebogens auf Französisch
B.IV.4 Ein quantitativer Vortest
B.IV.5 Evaluierung der Qualität des endgültigen Fragebogens
B.V Datenerhebung
B.VI Datenanalyse
B.VI.1 Deskriptive Statistik: Mittelwerte pro Fallgruppe und Item
B.VI.2 Regressionsanalyse: Einf luss von Nationalität, Beruf, Geschlecht und Alter auf die abgefragten Werte
B.VI.3 Tests auf Skalenäquivalenz: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich verstehen
B.VI.4 T-Tests auf signifikante Mittelwertunterschiede: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich beantworten
B.VII Interpretation der Ergebnisse
B.VII.1 Überprüfung der Forschungshypothesen
B.VII.2 Interpretation der Ergebnisse anhand des kollektiven Kulturbegriffs
C Fazit
D Literaturverzeichnis
Recommend Papers

Nationalkultur versus Berufskultur: Eine Kritik der Kulturtheorie und Methodik Hofstedes [1. Aufl.]
 9783839431108

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Lena Schmitz Nationalkultur versus Berufskultur

Kultur und Kollektiv | Band 2

Editorial Die von der Forschungsstelle Kultur- und Kollektivwissenschaft der Universität Regensburg herausgegebene Schriftenreihe »Kultur und Kollektiv« veröffentlicht Monographien im Bereich der Kultur- und Kollektivwissenschaft, die aktuelle Themen auf einem innovativem Theorie-Niveau und in jargonfreier Sprache zur Darstellung bringen. Von der Forschungsstelle wird ebenfalls die Zeitschrift für Kultur- und Kollektivwissenschaft herausgegeben.

Lena Schmitz (Dr. phil.) lebt in Berlin und forscht zur internationalen Verständigung.

Lena Schmitz

Nationalkultur versus Berufskultur Eine Kritik der Kulturtheorie und Methodik Hofstedes

Für meine Oma Mia

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat & Satz: Lena Schmitz Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3110-4 PDF-ISBN 978-3-8394-3110-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Danksagung  | 7 Einleitung  | 9 A Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell  | 15 A.I Der paradigmatische Stellenwer t Hofstedes in der Kulturwissenschaft  | 15 A.II Die wissenschaftliche Herkunft Hofstedes  | 19 A.II.1 Hofstedes unbewusster Anknüpfungspunkt: die Erforschung des National Character | 20 A.II.2 Die Erfindung der Kulturdimensionen nach Edward T. Hall | 22 A.II.3 Hofstedes Forschungsdisziplin: die Cross-Cultural Psychology und ihr methodischer Fokus | 24 A.III Hofstede und seine Kritiker  | 26 A.III.1 Kritik am ethnizistischen Kulturbegriff Hofstedes und an seinen Prämissen | 26 A.III.2 Kritik am Konzept Kulturdimension | 46 A.III.3 Kritik an Hofstedes empirischer Methodik | 65

A.IV Die Komplexitätsreduktion und der Anwendungsbezug der Hofsted’schen Erkenntnisse  | 100 B Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse  | 105 B.I Forschungshypothesen  | 106 B.I.1 Forschungshypothesen zum ethnizistischen Kulturbegriff und zu seinen Prämissen | 106 B.I.2 Forschungshypothesen zum Konzept Kulturdimension | 108 B.I.3 Forschungshypothesen zu Hofstedes empirischer Methodik | 110 B.II Forschungsdesign  | 112

B.III Abgrenzung des Forschungsdesigns zu jenem anderer Folgestudien  | 115

B.IV Fragebogenkonstruktion  | 123 B.IV.1 Operationalisierung der latenten Variablen anhand von reflektiven Verbindungsindikatoren | 123 B.IV.2 Ein Think Aloud-Test | 128 B.IV.3 Übersetzung des Fragebogens auf Französisch | 135 B.IV.4 Ein quantitativer Vortest | 139 B.IV.5 Evaluierung der Qualität des endgültigen Fragebogens | 152 B.V Datenerhebung  | 159 B.VI Datenanalyse  | 16 0 B.VI.1 Deskriptive Statistik: Mittelwerte pro Fallgruppe und Item | 161 B.VI.2 Regressionsanalyse: Einfluss von Nationalität, Beruf, Geschlecht und Alter auf die abgefragten Werte | 177 B.VI.3 Tests auf Skalenäquivalenz: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich verstehen | 183 B.VI.4 T-Tests auf signifikante Mittelwertunterschiede: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich beantworten | 190 B.VII Interpretation der Ergebnisse  | 192 B.VII.1 Überprüfung der Forschungshypothesen | 192 B.VII.2 Interpretation der Ergebnisse anhand des kollektiven Kulturbegriffs | 198

C Fazit  | 249 D Literaturverzeichnis  | 255

Danksagung

Die Zeit, in der ich mich dieser Dissertation gewidmet habe, war sehr bereichernd, begleitet durch gute Gesellschaft und wertvolle fachliche Impulse. Hierfür möchte ich mich bedanken. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Klaus P. Hansen, auf dessen kollektivtheoretischem Ansatz diese Dissertation basiert. Ich bedanke mich für die Zeit, die er der individuellen Betreuung seiner Doktoranden schenkt, für anregende Gespräche und umfassende Unterstützung. Auch der frühzeitige Austausch zur französischen Landeskunde mit meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Walter, war mir eine wichtige Hilfe. Insbesondere sind es zudem die Hansen-Stiftung und die Forschungsstelle Kulturund Kollektivwissenschaft, die das Verfassen dieser Dissertation e­ rmöglicht haben. Mich hauptberuflich der Kulturwissenschaft widmen zu können, wusste ich sehr zu schätzen. Der empirische Teil dieser Arbeit beruht auf einer Befragung unter Studien­ räten und gewerblichen Mitarbeitern in Frankreich und Deutschland. Die beteiligten Schulen waren die Diedrich-Uhlhorn-Realschule, das Erasmus-Gymnasium, Norbert-Gymnasium, Pascal-Gymnasium, Collège Ennemond Richard, Collège Francois Truffant, Collège Jean Rostand, Collège Pierre Joannon, Lycée Marcel Rudloff und das Lycée Saint-Exupéry. Von Unternehmensseite nahmen Villeroy& Boch mit Werken in Mettlach und Valence d’Agen sowie ACO mit Werken in Rendsburg und Notre Dame de l´Isle teil. Ich möchte allen Befragten herzlich für ihre Offenheit danken. Besonderer Dank gilt dem organisatorischen Engagement von Dieter Köck, Martine und Francis Lherault, Peter Meyer, Damien Sanchez und Anne Steinhauser.

8

Nationalkultur versus Berufskultur

Die Forschungsreise nach Frankreich mit Liesbeth Meyer und der Bibliotheks­ alltag mit Ana-Lucia Baldauf bleiben in wunderbarer Erinnerung. Für ihre sorgsame Durchsicht der Dissertation und ihre bereichernde Kritik danke ich zudem Nathalie Licht, Laila Nissen, Swea Starke und meiner Mutter. Auch meinem Vater und meiner Schwester danke ich für ihre immer währende ­Unterstützung.

Berlin, im Juni 2015

Einleitung

Wenn Kultur empirisch erforscht wird, werden fast ausschließlich Nationen oder sonstige ethnische Kollektive ins Visier genommen.1 Das begann bereits mit der Geburtsstunde der Ethnologie zu Anfang des 20. Jahrhunderts und daran hat sich bis heute wenig geändert.2 Zwar wenden die Forscher verschiedenste Methoden an, doch immer mit dem Ziel, Merkmale zu entdecken, welche die erforschte Ethnie oder Nation charakterisieren und von anderen abgrenzen. Während sich beispielsweise die Kulturstandard-Forscher auf dem Wege der Analyse sogenannter »critical incidents«3 bemühen, »die einer Nation gemeinsamen Elemente« 4 zu ermitteln, verfolgen die Autoren der Cross-Cultural Psychology das gleiche Ziel mit Hilfe von standardisierten Befragungen.5 In beiden Fällen werden die aus begrenzter Sicht gewonnenen Erkenntnisse zu Pauschalaussagen ausgeweitet. Die 80 Millionen Deutschen, so lautet beispielsweise eine Erkenntnis der Kulturstandard-Forschung, zeichnen sich durch eine direkte und explizite Kommunikationsweise sowie durch eine starke Regel- und Stabilitätsorientierung aus.6 Die acht Millionen Österreicher, so postulieren Vertreter der Cross-Cultural Psychology, stechen im internationalen Vergleich durch ihre geringe Akzeptanz ungleicher Machtverhältnisse hervor.7 Bei Aussagen über die USA beurteilt man nicht weniger als 300 M ­ illionen

1 | Vgl. Douglas und Craig 2009, S. 125. Vgl. Hansen 2009a, S. 94. Vgl. Nasif et al. 1991, S. 82. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 17 f. 2 | Vgl. Haas 2009, S. 43-47. 3 | Loch und Seidel 2003, S. 314. 4 | Schroll-Machl 2997b, S. 27. 5 | Nicht immer, sondern überwiegend werden standardisierte Befragungen eingesetzt. »While many early studies measured values by means of interviews, essays, or open-ended questions, almost all contemporary cross-cultural studies of values used structured questionnaires« (Smith und Schwartz 1997, S. 81). 6 | Vgl. Schroll-Machl 2007a, S. 73. 7 | Vgl. Hofstede 2009, S. 87.

10

Nationalkultur versus Berufskultur

Menschen. Was im Falle eines vielleicht tausend Personen umfassenden archa­ ischen Stammes, der von den Ethnologen der ersten Stunde analysiert wurde, wahrscheinlich zutraf, kann wohl bei einem komplexen modernen Nationalstaat mit durchlässigen Grenzen nicht mehr so einfach stimmen. Im Zuge eines Paradigmenstreits in den Kulturwissenschaften, der im Nachklang zur ab 1980 einsetzenden »Renaissance des Kulturbegriffs« 8 einsetzte, wird nun die Frage gestellt, was eine Nation ausmacht. 9 Ihre geographischen und formalen Grenzen, so die Initiatoren des Wandels, stimmen nicht zwangsläufig mit kulturellen Gegebenheiten überein. 10 Peter B. Smith und Michael H. Bond, ursprünglich Vertreter eines nationalen Kulturbegriffs, 11 befürchten, dass Subkulturen innerhalb von Nationen vernachlässigt werden. »First, when we compare national cultures, we can lose track of the enormous diversity found within many of the major nations of the world. We should bear in mind that differences found between any two countries might well also be found between carefully selected subcultures within those countries.« 12

Mit »subcultures«, was im Englischen eine neutralere Bedeutung hat als Sub­kulturen im Deutschen, sind hier alle denkbaren intra-nationalen Gruppierungen gemeint, beispielsweise Alters-, Interessens- oder Berufsgruppen. Auch sie, so legt der Paradigmenstreit nahe, drängen sich als Objekt kulturwissenschaftlicher Forschung auf.13 Gesteht man auch ihnen einen Status als

8 | Hansen 2009c, S. 7. 9 | Vgl. Bolten 2004, S. 45. Vgl. Haas 2009a, S. 10. Vgl. Hansen 2009c, S. 7. Vgl. Hansen 2011, S. 15. Vgl. Roth 2013, S. 191. Obgleich der Diskurs um den Kulturbegriff bereits verschiedene Jahrhunderte erlebt hat, bezeichnet Hans Jakob Roth, ein schweizerischer ehemaliger Generalkonsul, noch in seiner Veröffentlichung im Jahre 2013 die moderne Kulturwissenschaft als eigentlich erst im Aufbruch (Vgl. Roth 2013, S. 17). Hansen bezeichnet die Renaissance auch als Neubesinnung auf den Kulturbegriff (Vgl. Hansen 2011, S. 15). 10 | Vgl. Baskerville 2003, S. 6. Vgl. Mc Sweeney 2002b, S. 110 f. Vgl. Myers und Tan 2002, S. 25. Vgl. Scheffer 2009b, S. 24. Vgl. Taras und Steel 2009, S. 50. 11 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 37. 12 | Bond und Smith 1993, S, 37. 13 | Vgl. Hannerz 1992, S. 37. Vgl. Orlovius und Zeutschel 1991, S. 172 f. Vgl. Reisch 1991, S. 77 f. Vgl. Wahrlich 1991, S. 17 und 33.

Einleitung

Kulturträger zu, so verändert das den Blick auf die Nation, die nicht länger als kulturell homogenes Gebilde erscheint.14 Smith und Bond fahren fort: »Second, we risk implying that national cultures are unitary systems free of confusion, conflict and dissent. Within any national culture there will be all manner of divergences in the experiences of the individuals constituting that culture. We shall need to be very careful to avoid implying homogeneity in the life experiences of any two members of a given culture.« 15

Aus dieser Sichtweise ergeben sich neue Fragen. Ist die Nation nur heterogen oder beinhaltet sie auch homogene Elemente? In welchem Verhältnis steht sie zu den Subkulturen? Handelt es sich um nationale Subkulturen oder um autonome? Die vorliegende Arbeit geht diesen Fragen nach und stellt National- und Subkultur in einer empirischen Studie einander gegenüber. Zur Repräsentanz des nationalen Kulturbegriffs wird ein besonders prägnantes16 Beispiel herangezogen: das Kulturdimensionenmodell des niederländischen Sozialpsychologen Geert Hofstede. An ihm lässt sich treffend darstellen, inwiefern der nationale Kulturbegriff als zu verkürzt kritisiert wird. Als Beispiele für das Phänomen Subkultur werden zwei Berufskulturen herausgegriffen, Arbeiter und Lehrer. Denn von Berufskulturen wird angenommen, dass sie zum einen eigenständig und zum anderen durch nationale Besonderheiten geprägt sind. Die vorliegende Arbeit besteht aus zwei miteinander verknüpften Teilen: einem theoretischen und einem empirischen. Der Theorieteil konzentriert sich auf eine kritische Ref lektion von Hofstedes Dimensionenmodell. Zunächst wird seine Basis, der ethnische Kulturbegriff, hinterfragt. Das Modell, so wird belegt, baut auf einigen zweifelhaften Prämissen auf. Sie besagen, dass (a) nationale Kulturen (b) geographisch voneinander abgegrenzt existieren und ihre Mitglieder in (c) einheitlicher Weise und mit (d) deterministischer Kraft kulturell prägen, indem sie ihnen ein (e) kohärentes und statisches Wertesystem einprogrammieren. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die Prämisse (c) gelegt, laut der die Mitglieder einer Nation kulturell einheitlich geprägt sind. Denn diese Annahme, im Folgenden Homogenitätsprämisse genannt, spielt die entscheidende Rolle im Paradigmenstreit. Im Anschluss

14 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 37. Vgl. Gröschke 2007, S. 40. Vgl. Hansen 2009c, S. 8. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 18. Vgl. Triandis 1980b, S. 2 f. Vgl. Welsch 1995, S. 39 ff. Vgl. Widavsky 1989, S. 71 f. 15 | Bond und Smith 1993, S. 37. 16 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 92. Vgl. Nakata 2009, S. 249 f. Vgl. Hofstede 1980, S. 43. Vgl. Hofstede 2009, S. 1. Vgl. Hofstede et al. 2010, S. 337. Vgl. Korman 1985, S. 244. Vgl. Myers und Tan 2002, S. 31.

11

12

Nationalkultur versus Berufskultur

an Hofstedes Kulturbegriff wird das damit verwandte Betrachtungskonzept Kulturdimension beleuchtet. Hierbei werden eine kulturtheoretische und eine methodische Komponente differenziert; beide werden kritisch hinterfragt. Zudem wird geprüft, ob es den Hofsted’schen Kulturdimensionen aufgrund der sich selbst zugesprochenen universellen Anwendbarkeit gelingt, das Problem konzeptioneller Äquivalenz in kulturvergleichenden Studien zu umgehen. Zwei Quellen einer mangelhaften konzeptionellen Äquivalenz werden identifiziert: eine unsaubere Fragebogen-Übersetzung und ungleiche soziale Realitäten der befragten Nationen. In Bezug auf beide Quellen wird überprüft, inwiefern sie im Falle Hofstedes wirksam sind. Zuletzt wird Hofstedes empirische Methodik hinterfragt. Zum einen wird überprüft, ob seine Studie den Ansprüchen der methodologischen Äquivalenz gerecht wird, zum anderen wird die Validität seines Fragebogens getestet. Hierzu wird die Entstehungsgeschichte der Kulturdimensionen zurückverfolgt. Haben die Dimensionen einen fundierten Theoriebezug? Wird die Formulierung der entsprechenden Fragebogen-Items den aktuellen Standards gerecht? Und wie aussagekräftig ist der Zusammenhang, den Hofstede als Beleg einer hohen Konstruktvalidität zwischen seinen Ergebnissen und externen Daten herstellt? Alle Zweifel, die auf theoretischer Ebene diskutiert werden, verlangen auch nach empirischer Überprüfung. Deshalb werden sie in Forschungshypothesen übertragen, die sich anhand der vorliegenden Studie testen lassen. Insbesondere der Hofsted‹schen Grundprämisse, die besagt, dass in sich homogene Nationalkulturen existieren, mangelt es trotz vielfältiger theoretischer Kritik an empirischer Widerlegung. Deshalb fokussiert die Studie diese Prämisse. In einer standardisierten Befragung werden Werteinstellungen von deutschen und französischen Fabrikarbeitern und Lehrern ermittelt und es wird untersucht, welche Werteinstellungen eher mit der Zugehörigkeit zur Nation und welche mit der zum Beruf korrespondieren. Hier zeichnet sich das Forschungsdesiderat ab: Es wird der Anspruch verfolgt, einen empirischen Beitrag zu einer bisher vorwiegend theoretischen Diskussion zu leisten. Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit stellt die Studie vollumfänglich dar, von der Konzeption, Weiterentwicklung und Übersetzung des Fragebogens über die Datenerhebung und –auswertung bis hin zur Interpretation der Ergebnisse. Im Zuge der Auswertung der Daten werden verschiedene statistische Verfahren angewandt. Zunächst wird mittels der Regressionsanalyse verglichen, welchen Einf luss die Nationalität, der Beruf, das Geschlecht und das Alter auf die abgefragten Werte haben. Weiterhin wird anhand der Tests auf Skalenäquivalenz ermittelt, welche Items die deutschen und französischen Lehrer und Arbeiter­unterschiedlich verstehen. Zuletzt bestimmen die Tests auf signifikante Mittelwertunterschiede, welche Items sie unterschiedlich beantworten. Die ermittelten Mittelwertunterschiede liefern die Basis für die abschließende Interpretation der Ergebnisse. In einem ersten Interpretationsschritt werden

Einleitung

an ihnen die anfangs aufgestellten Forschungshypothesen überprüft. In einem zweiten Schritt wird eine Alternative zum nationalen Kulturbegriff auf seine empirische Tragfähigkeit hin getestet: die Kollektivtheorie. Mithilfe der Kollektivtheorie findet die übergeordnete Frage, in welchem Zusammenhang National- und Subkultur zueinander stehen, eine Antwort. Ein Resümee dieser Antwort sowie der Vorschläge zur Weiterentwicklung der Kollektivforschung wird im Fazit vorgenommen.

13

A Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

A.I D er

par adigmatische S tellenwert in der K ulturwissenschaf t

H ofstedes

Zur Einführung in die Thematik skizziert dieses Kapitel das Modell Hofstedes, seine Anwendungsbereiche und seinen Stellenwert in der Kulturwissenschaft. Das Hofsted’sche Dimensionenmodell hat extreme Resonanzen hervorgerufen, im positiven wie im negativen Sinne. Es wird außerordentlich häufig angewandt, jedoch auch hart verurteilt. In jedem Fall ist es unter Kulturwissenschaftlern allseits bekannt. Hofstede selbst darf feststellen: »Since the later 1980s the idea of dimensions of national cultures has become part of […] ›normal science‹«.1 Sein Hauptwerk Culture’s Consequences. Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations Across Nations (1. Auflage 1980, 2. Auflage 2009, cop. 2001) bezeichnet er als einen Klassiker.2 In der Tat ist seine erste Auflage in 17 Sprachen übersetzt worden3 und der Social Science Citation Index verzeichnet allein im Zeitraum der Jahre 1980 bis 1996 eine Anzahl von 1036 Zitaten. 4 Obwohl das annähernd 600 Seiten umfangreiche Werk als umständlich lesbar gilt,5 wird es als das Buch schlechthin gepriesen, welches der interkulturell versierte Leser am liebsten durchgehend zur Hand hat.6 Es wird zitiert, rezensiert, nachgeahmt7 und – das sei von besonderem

1 | Hofstede 2002, S. 2. 2 | Vgl. Hofstede 2009, S. xvii. Barmeyer und Genkova nennen sein Werk bahnbrechend. (Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 122). 3 | Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. xii. 4 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 448. 5 | Vgl. Banai 1982, S. 354. 6 | Ebd., S. 351. 7 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 447. Vgl. Nakata 2009a, S. 3. Vgl. Taras und Steel 2009, S. 41.

16

Nationalkultur versus Berufskultur

Interesse – als Paradigma angewandt. 8 Seine Paradigmatik wird laut dem britischen Finanzwissenschaftler Brendan McSweeney, einem der bekanntesten Kritiker Hofstedes, jedoch nicht ausreichend kritisch reflektiert. Er stellt eine »on-going unquestioning acceptance of Hofstede’s national culture research by his evangelized entourage«9 fest. Hofstedes Erkenntnisse basieren auf einer Datenerhebung in der Firma IBM. Dort wurde zwischen den Jahren 1967 und 1973 eine internationale Umfrage unter den Mitarbeitern durchgeführt. Zwei Befragungsrunden lieferten mehr als 160.000 Fragebögen aus 72 Ländern in 20 Sprachen. 10 Aus diesen Daten leitete Hofstede internationale Vergleichsmaßstäbe in Form seiner vier Kulturdimensionen ab.11 Später nahm er noch eine fünfte hinzu.12 Seine ersten vier Dimensionen benennt er mit Power Distance, Individualism/Collectivism, Masculinity/Femininity und Uncertainty Avoidance. Power Distance trage dem Grundproblem menschlicher Ungleichheit Rechnung und beschreibe den Grad, bis zu dem die Mitglieder einer Nation akzeptieren und erwarten, dass Macht ungleich verteilt ist. Je höher der Power Distance Index ist, desto stärker ist die Akzeptanz ungleicher Machtverhältnisse. Individualism/Collectivism betreffe die menschliche Notwendigkeit, sich in Gruppen integrieren zu müssen. 13 In kollektivistischen Ländern sei die Einbindung in Gemeinschaften stärker. Weiterhin sage der Grad an Masculinity/Femininity aus, ob eher vermeintlich typisch männliche oder weibliche Charakterzüge in einer Kultur vorherrschen. In maskulinen Kulturen werde der Kontrast zwischen den weiblichen und männlichen Eigenschaften stärker ausgelebt, das heißt, die Männer seien außerordentlich wettbewerbs- und leistungsorientiert und die Frauen besonders sanft und sozial. Zuletzt ref lektiere Uncertainty Avoidance, wie eine Nation mit der Ungewissheit der Zukunft umgeht. Je stärker die Ausprägung dieser Dimension, desto eindringlicher versuchen die Bürger der entsprechenden Nation Unklarheiten zu vermeiden. 14 Anhand der Dimensionen kommt Hofstede zu einer Vielfalt an Erkenntnissen, die er in mehreren Formen auf bereitet. Eine erste Auf bereitungsform ist, dass er den Ländern im Hinblick auf eine jede Dimension numerische Werte zuteilt. Anhand dieser Länder-Scores wiederum schafft er nationale Rangfolgen, sogenannte rankings. Beispielsweise, so ist anhand von Tabellen

8 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 53. 9 | McSweeney 2002b, S. 112. 10 | Vgl. Hofstede 2009, S. 41. 11 | Vgl. Ebd., S. 41. 12 | Vgl. Ebd., S. 31. 13 | Vgl. Ebd., S. 29. 14 | Vgl. Ebd., S. xix f. und 29.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

direkt ablesbar, belegt Malaysia in Bezug auf Power Distance mit einem Wert von 104 den ersten und Österreich mit einem Wert von 11 den letzten Rang.15 Eine zweite Auf bereitungsform stellt die häufige Kombination aus Dimensionsausprägungen dar. So ermittelt Hofstede unter anderem: »Catholicism combines strong Uncertainty Avoidance with masculine values, more so than Protestant churches«. 16 Drittens präsentiert er eine Vielzahl an Korrelationen zwischen den Dimensionen und geographischen, wirtschaftlichen, demographischen und politischen Kennwerten. 17 Beispielsweise sei Uncertainty Avoidance tendenziell geringer ausgeprägt in Ländern mit niedrigem Bruttosozialprodukt, hoher Bevölkerungsdichte und tropischem Klima. 18 Eine vierte Auf bereitungsform zeigt die sogenannten Länder-Clusters, also die Gruppen aus Ländern mit einer ähnlichen Dimensionsausprägung. Für die Länder-Clusters formuliert Hofstede schlussendlich als fünfte Auf bereitungsform die sogenannten Typologien. Die Typologien sind Tabellen stellen Länder mit einer extrem hohen Dimensionsausprägung denen mit einer sehr niedrigen gegenüber. Für beide Fälle werden typische Eigenschaften und Verhaltensweisen genannt, die meistens als Gegensätze formuliert sind. Sie beziehen sich auf alle möglichen Lebensbereiche, vom Berufsleben über die Kindererziehung und Schulbildung bis hin zu Glauben und Philosophie. Ein Beispiel sei hier in Bezug auf das Familienleben in individualistischen beziehungsweise kollektivistischen Kulturen genannt. Für extrem individualistische Kulturen postuliert Hofstede: »Marriages supposed to be loved based«, »Privacy is normal« und »Visits are filled with talking«. 19 Im Gegenzug hierzu gelte für extrem kollektivistische Kulturen: »Marriages often arranged«, »Nobody is ever alone« und »Togetherness does not demand speaking«. 20 Bei den Typologien handelt es sich also um Verallgemeinerungen der Hofsted’schen Erkenntnisse auf die jeweiligen Nationen. Sie tragen zur zwiespältigen Resonanz auf das Modell bei. Aufgrund ihrer Übersichtlichkeit, so loben Hofstede und seine Befürworter, eignen sie sich besonders gut für Lehrzwecke. 21 Aufgrund ihrer mangelhaften Fundierung, so die Kritiker, seien sie unseriös. 22

15 | Vgl. Ebd., S. 87. 16 | Hofstede 1998a, S. 25. 17 | Vgl. Hofstede 2009, S. xx. 18 | Vgl. Ebd., S. 179. 19 | Ebd., S. 236. 20 | Ebd., S. 236. 21 | Vgl. Ebd., S. 28. 22 | Vgl. Behrens 2007, S. 2, 6 und 84.

17

18

Nationalkultur versus Berufskultur

Hofstedes Erkenntnisse fungieren als Rahmen für eine Vielzahl von kulturvergleichenden Forschungsarbeiten. 23 Die Liste von Bereichen, in denen seine Dimensionen angewandt werden, scheint endlos. 24 Sie reicht vom Management Controlling 25 über die Organisation von Geschäftsstrategien (Abfindung, Budgetkontrolle, Trainingskonzeption, Konf liktlösung, Innovation, Führungsstile, Beteiligung von Mitarbeitern), 26 die betriebswirtschaftliche Strategieplanung, Arbeitsprofilgestaltung, Motivationspsychologie und Personalentwicklung bis hin zum Marketing. 27 In der internationalen Marktforschung wird anhand der Hofsted’schen Länder-Scores das Konsumverhalten von Ländern unterschieden. Beispielsweise, so eine Erkenntnis, bevorzugen die sogenannten kollektivistisch geprägten Nationen zum einen Produkte, die eher der Anpassung als der Individualisierung dienen und zum anderen Werbeformate, die Familienzusammenhalt und Harmonie darstellen. 28 Sogar bis in die Informatik ist Hofstedes Modell vorgedrungen, so eine Studie, Sie untersuchte interkulturelle Forschungsarbeiten aus dem IT-Bereich und stellte fest, dass 24 aus 36 Erhebungen auf Hofstedes Dimensionen beruhen. 29 Die Bereiche, in denen die Hofsted’schen Erkenntnisse Anwendung finden, sind also beachtlich vielfältig. In derart breiten Anwendungsbereichen, so vermuten kritische Stimmen, werden die Dimensionen jedoch nicht ausreichend kritisch hinterfragt. »While such reliance [on Hofstede’s dimensions] has advanced our ability to conduct theoretically driven cross-cultural studies, it has also allowed us to become lazy«. 30 Die Frage, warum Hofstedes Modell ein solch beachtliches Ausmaß an Verbreitung findet, wird an anderer Stelle den Versuch einer Beantwortung finden (vgl. A.IV). Zweifelsohne, so lässt sich schon an dieser Stelle anmerken, besticht seine Studie zum einen durch ihre Größenordnung. Ein derartiges Mammut-Projekt31 ist kaum in vergleichbarem Ausmaße replizierbar und mag deshalb unanfechtbar scheinen.

23 | Vgl. Blodgett et al. 2008, S. 762. Vgl. Barmeyer 2010, S. 87. 24 | »[…] hundreds of researchers have used the Hofstedean framework to understand culture’s influences on managerial, consumer, and organizational behavior« (Adir et al. 2009, S. 146). 25 | Vgl. Harrison und McKinnon 1999, S. 485. 26 | Vgl. Jones 2007, S. 6. 27 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 453 f. 28 | Vgl. Briley 2009, S. 182. 29 | Vgl. Myers und Tan 2002, S. 25. 30 | Harrison und McKinnon 1999, S. 502. 31 | Vgl. Nakata 2009a, S. 4.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Zum anderen bietet sie einfache Forschungsinstrumente in Form von vorgefertigten Fragebögen und Rechnungsformeln.32 »Hofstede’s provision of a survey questionnaire and operationalization of culture into standardized scores facilitates application in quantitative research. Rival frameworks, even when more nuanced, such as Hall’s high-low context concept, have not gained wide-spread acceptance in part because of the lack of instruments […].« 33

Unter pragmatischen Gesichtspunkten ist es einfach, Hofstede zu replizieren. Der Quantität der Replikationen darf allerdings keine voreilige Bedeutung zugemessen werden. So bemerkt Rachel Baskerville, eine neuseeländische Wirtschaftswissenschaftlerin und entschiedene Kritikerin Hofstedes, dass sein Modell zwar zunehmend im betriebswirtschaftlichen Umfeld, jedoch kaum in der Anthropologie oder in der Soziologie Anwendung findet.34 In diesen weniger pragmatisch orientierten Disziplinen, so ist zu differenzieren, stößt es also auf weniger Zuspruch.

A.II  D ie

wissenschaf tliche

H erkunf t H ofstedes

Die Reaktionen auf Hofstedes Modell sind also extremer und gegensätzlicher Art. Von der einen Seite wird es stark befürwortet und von der anderen heftig kritisiert. Die vorliegende Arbeit fokussiert die Seite der Kritiker. Ihre Kritikpunkte werden im Folgenden in drei Kategorien unterteilt. Sie beziehen sich erstens auf Hofstedes Kulturverständnis, zweitens auf das Betrachtungskonzept Kulturdimension – im Allgemeinen sowie auf seine Dimensionen im Konkreten – und drittens auf sein methodisches Vorgehen. Bevor die Kritikkategorien eingehender diskutiert werden (vgl. A.III), werden sie in diesem Kapitel auf ihre Ursprünge hin zurückverfolgt. Hofstedes Kulturverständnis lehnt an jenes der Nationalcharakter-Forschung an (vgl. A.II.1), sein Konzept der Kulturdimensionen wurde durch den Anthropologen Edward T. Hall bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts initiiert (vgl. A.II.2) und die Kritik an seiner Methodik ist bereits gegenüber seiner Forschungsdisziplin der Cross-Cultural Psychology angeklungen (vgl. A.II.3).

32 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 40. 33 | Nakata 2009a, S. 4. 34 | Baskerville 2003, S. 2.

19

20

Nationalkultur versus Berufskultur

A.II.1 Hofstedes unbewusster Anknüpfungspunkt: die Erforschung des National Character Um mit den Worten Hofstedes zu beginnen: Die Annahme, dass eine Bevölkerung oder ein Teil von ihr kollektive mentale Merkmale besitzt, ist wahrscheinlich so alt wie die Bevölkerungen selbst.35 Das ist unumstritten. Hansen belegt, wie fast jede geistesgeschichtliche Epoche seit der Antike Versuche hervorbringt, Gleichartigkeiten im Verhalten von Völkern zu erklären. Erklärungsansätze umfassen die Vererbungsthese, die Klima- und Geographiethese, die Geschichts- und Institutionenthese, die These der Volksmetaphysik, die These vom Nationalcharakter, die rassistische These und die Mentalitätsthese.36 In ihrer Dissertationsschrift Das Interkulturelle Paradigma (2009) analysiert die Kulturwissenschaftlerin Helene Haas die Entwicklung einer wissenschaftlichen Disziplin zur Erforschung interkultureller Unterschiede. Sie verortet den Ausgangspunkt zu Beginn des letzten Jahrhunderts. »Bereits in den 1920er Jahren gab es erste interdisziplinäre Kulturstudien«,37 initiiert durch den Linguisten und Kulturanthropologen Edward Sapir, der durch seine Culture and Personality-Schule bekannt wurde. Seine Forschungsthese war, dass die Persönlichkeit des Individuums maßgeblich durch sein kulturelles Umfeld beeinflusst ist. »The individual in isolation from society is a psychological fiction. […] The personality needs culture in order to give it its full meanings. It is the culture of a group that gives the meanings to symbolisms without which the individual cannot function, either in relation to himself or to others.« 38

Sapirs Ausgangspunkt lag in der Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Sprache und Kultur.39 Bald regte er zudem eine Zusammenarbeit der kulturanthropologischen und psychoanalytischen Disziplinen an. Psychoanalytiker wie Erik Erikson, Abram Kardiner und Erich Fromm sowie Kulturanthropologen

35 | »Humans have been interested in how culture influences ›naïve psychology‹ (beliefs, customs, ways of life) from the time when they had the leisure to do so, and they have been recording their impressions since Herodotus« (Triandis 1980a, S. ix). Vgl. Hofstede 2007, S. 387. 36 | Vgl. Hansen 2009a, S. 82. 37 | Haas 2009a, S. 17. 38 | Sapir und Irvine 2002, S. 244. 39 | Die Idee, dass Menschen, die eine Sprache teilen, auch eine ähnliche Weltanschauung entwickeln, wurde bekannt als Sapir-Whorf-Hypothese (Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 12 f.).

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

wie Ralph Linton, Ruth Benedict, 40 Margret Mead und Cora Du Bois schlossen sich an, 41 mit dem Ziel »to build a typology of personality from which may come a typology of culture«. 42 Diesen Anspruch stellt auch Hofstede noch zum Ende des 20. Jahrhunderts. Er möchte die Begrifflichkeiten schaffen, anhand derer sich nationale Kulturen einzelner Länder auf den Punkt bringen lassen. 43 Die Erforschung kulturspezifischer Persönlichkeitstypen erreichte in den 1940er Jahren ein neues Stadium. Zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs gab das US-amerikanische Militär Studien zum kulturellen Charakter von Feinden, Alliierten und eigenen Truppen in Auftrag. In diesem Kontext entwickelte die Erforschung des sogenannten national character44 Ansprüche der Praxisnähe und Anwendungsbezogenheit. 45 »Nun soll unser Wissen angewandt werden. Anthropologen sollen mithelfen, die sozialen Probleme der Zeit zu lösen«, 46 erklärte beispielsweise Mead in And Keep Your Powder Dry (1946), einem der Schlüsselwerke dieser Epoche. Den Anspruch an Praxisnähe stellt auch Hofstede einige Jahrzehnte später. Er findet eine Beschäftigung mit interkulturellen Unterschieden gerade zu Zeiten der Globalisierung und internationalen Mobilität unverzichtbar und wirbt mit der praktischen Anwendbarkeit seines Modells. 47 Mit der Zeit beteiligten sich auch Soziologen an der Erforschung nationaler Charaktere. So prägte beispielsweise Alex Inkeles den Begriff der modalen Persönlichkeit als die Summe der in einer Gesellschaft am häufigsten vorkommenden Persönlichkeitsmerkmale. 48 Außergewöhnlich an diesem Konzept ist, dass es erlaubt, manche Merkmale als spezifisch für nationale Untergruppen im Gegensatz zu ganzen Nationen einzustufen: »The tendency to sketch national character in unimodal terms also obscured the extent which particular status groups, most notably religious, occupational and educational groups, might share more personality traits with their common status group across national lines than they shared with their fellow countrymen practicing different religions, pursuing different occupations, or having had markedly different kinds and degrees of education«. 49

40 | Vgl. Benedict 1955. 41 | Vgl. Haas 2009a, S. 17 ff. 42 | Sapir und Irvine 2002, S. 242. 43 | Vgl. Hofstede 1980a, S. 43. 44 | Vgl. Hofstede 2007, S. 387. 45 | Vgl. Haas 2009a, S. 19-32. 46 | Mead 1946, S. 9. 47 | Hofstede 1998d, S. 209. 48 | Vgl. Inkeles 1988, S. 89. 49 | Ebd., S. 91 f.

21

22

Nationalkultur versus Berufskultur

Dessen ungeachtet hielt der Grundtenor der Forscher an der Vorstellung fest, Kulturen seien je nach Nation unterschiedlich.50 Hofstede, der, wenn er Kulturen zu vergleichen gedenkt, Daten aus Nationen vergleicht, übernimmt dieses Kulturverständnis.51 Zwar zieht er nach eigener Aussage den Begriff der national culture jenem des national character vor,52 es sei jedoch betont, dass er in seiner Begriffswahl nicht konsequent ist.53 Weiterhin bezeichnet er zwar die Ergebnisse der Nationalcharakter-Forschung als infundierte Stereotypisierungen,54 es bleibt jedoch unklar, inwiefern sein eigenes Modell diesem Vorwurf entgehen kann. Vor allem, so wird an späterer Stelle noch ausführlicher besprochen (vgl. A.III.2.1), basieren seine ersten vier Dimensionen laut eigener Aussage auf kulturellen Unterscheidungsmerkmalen nach Alex Inkeles und dem Psychologen Daniel J. Levinson aus dem Jahre 1954.55 Also lässt sich schlussfolgern, dass er, wenn auch implizit, das traditionelle Kulturverständnis der Nationalcharakter-Forschung übernommen hat. Es wird im Folgenden als ethnizistisch bezeichnet und als erste Kritikkategorie (vgl. A.III.1) beleuchtet.

A.II.2  Die Erfindung der Kulturdimensionen nach Edward T. Hall In den 1950er Jahren wurde die Kriegswissenschaft unter dem ausschlaggebenden Einfluss des amerikanischen Kulturanthropologen Edward T. Hall in ein friedliches Konzept transformiert. Hall entwickelte interkulturelle Trainingspläne für Entwicklungshelfer, die aus den USA ins Ausland gesandt ­w urden.56 Seine Theorie verdient besondere Erwähnung,57 weil sie die erste war, die – wie später Hofstedes – Dimensionen als interkulturelle Vergleichsmaßstäbe beinhaltet.

50 | »Research on national character, especially that in the ethnographic and psychoanalytic mode, tended to present a picture of national and ethnic groups, characterized by their uniformity and uniqueness«. (Inkeles 1988, S. 90). Vgl. Hansen 2009a, S. 91. 51 | Vgl. Hofstede et al. 2010, S. 337. Vgl. Hofstede 2009, S. 1. Vgl. Korman1985, S. 244. Vgl. Myers und Tan 2002, S. 31. Vgl. Baskerville 2003, S. 8. Vgl. McSweeney 2002b, S. 92. 52 | Vgl. Hofstede 2009, S. 14 f. 53 | Vgl. Hofstede 1980a, S. 43. 54 | Vgl. Hofstede 2009, S. 1. 55 | Vgl. Hofstede et al. 2010, S. 337. 56 | Vgl. Haas 2009a, S. 159 ff. Vgl. Moosmüller 2010, S. 193. 57 | Hall wird mitunter als Pionier interkultureller Forschung genannt (Vgl. Barmeyer 2010, S. 88).

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Das Konzept lässt sich an Halls Dimension der Proxemik veranschaulichen. »Proxemics is the term I have coined for the interrelated observations and theories of man’s use of space as a specialized elaboration of culture«.58 Die Proxemik kann also gewissermaßen als ein Aspekt der non-verbalen Kommunikation verstanden werden,59 der das Verhalten der Interaktionspartner im Raum betrifft. Laut Hall verstehen und regeln Menschen unterschiedlicher Nationalkulturen räumliche Nähe und Distanz auf verschiedene Weise.60 Welche Unterschiede er ihnen zuschreibt, lässt sich am Beispiel der USA und Deutschlands konkretisieren. Der Amerikaner fühle sich solange noch außerhalb eines Hauses, bis er dort eingetreten sei. Der Deutsche empfinde schon das Hineinsehen und -rufen als Eintritt in die Privatsphäre des Hausbewohners. Ferner sei es in den USA, jedoch nicht in Deutschland möglich, als Menschengruppe in einem gefüllten Raum durch gesenkte Stimmen und ein gewisses Maß an räumlicher Distanz eine intime Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Des Weiteren legten die Deutschen mehr Wert auf eine gesicherte Abgrenzung des privaten Lebensraums durch Gartenzäune und doppelte Türen. Zudem hielten sie eher Ordnung im Raum. Die extra schweren Möbel würden nicht verstellt; in der Öffentlichkeit wolle man im wahrsten Sinne des Wortes wissen, wo man steht und deshalb schenke man Menschenschlangen, Grenzschildern und ähnlichem besondere Bedeutung.61 Im Anschluss an die Proxemik entwickelte Hall drei weitere Dimensionen, die des starken beziehungsweise schwachen Kontextes,62 die der Chronemik63 und die der Informationsgeschwindigkeit.64 Hiermit legte er den Grundstein für die folgende Entwicklung weiterer Dimensionsmodelle, unter ihnen das Hofsted’sche. Der Kerngedanke der Modelle, das Betrachtungskonzept Kulturdimension, bildetden Fokus einer weiteren Kritikkategorie (vgl. A.III.2).

58 | Hall 1966, S. 1. 59 | »It is essential that we learn to read the silent communications as easily as the printed ones« (Ebd., S.6). 60 | Vgl. Ebd., S. 3. 61 | Vgl. Ebd., S. 124-129. 62 | Eine ausführliche Erläuterung zu dieser Dimension gibt Hall in Beyond Culture (1976). 63 | Diese Dimension erklärt Hall in The Dance of Life: The Other Dimension of Life (1983). 64 | Diese Dimension wird beschrieben in Hall und Hall: Understanding Cultural Differences (1990).

23

24

Nationalkultur versus Berufskultur

A.II.3 Hofstedes Forschungsdisziplin: die Cross-Cultural Psycholog y und ihr methodischer Fokus Hofstedes Studie ist in die Disziplin der Cross-Cultural Psychology einzuordnen,65 einer amerikanischen Unterdisziplin der Psychologie.66 Sie etablierte sich als Abspaltung der Allgemeinen Psychologie in den 1960er Jahren.67 Ihre Etablierung vollzog sich hauptsächlich in Form einer steigenden Anzahl an Publikationen im Journal of Social Psychology und im International Journal of Psychology bis hin zur Gründung eines eigenständigen Journal of Cross-Cultural Psychology im Jahre 1970.68 Als Schlüsselwerke gelten zudem die Handbooks of Cross-Cultural Psychology.69 Ihr Forschungsanspruch ist neu. Während die Cultural Psychology sich allgemein damit beschäftigt, welche Auswirkungen das kulturelle Umfeld auf die menschliche Psyche hat, konzentriert sich die Cross-Cultural Psychology auf den Vergleich verschiedener Länder.70 Ein jeder Vergleich hat zum Ziel, nationalkulturell71 bedingte Unterschiede in den Einstellungen und der Wahrnehmung des Individuums vorherzusagen.72 Was bei diesem Vergleichskonzept bezeichnend ist, sind weniger die entsprechenden Inhalte als die methodischen Vorgehensweisen. »[…], cross-cultural psychology has defined itself during the past decades not so much by referring to epistemological, theoretical, or content related features, but rather by pointing to its function as a particular methodological strategy for mainstream psychology.« 73

65 | Denn es ist die Grundidee der Cross-Cultural Psychology, universale Vergleichsmaßstäbe zu schaffen um Nationakulturen erforschbar zu machen: »It is essential to establish frameworks of similarity, within which differences can be interpreted« (Triandis 1980b, S. 9). 66 | Vgl. Haas 2009a, S. 82. 67 | Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 3. 68 | Vgl. Ebd., S. 24. 69 | Vgl. Triandis 1980a, S. ix. 70 | Vgl. Triandis 1980b, S. 9. Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1008. Vgl. Genkova 2010, S. 267. 71 | Tatsächlich sind Nationen die vorwiegende Analyseeinheit. Anstatt kulturvergleichender Studien handelt es sich streng genommen um ländervergleichende (Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 18. Vgl. Van de Vivjer 1998, S. 41). 72 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 187. 73 | Jahoda und Krewer 1997, S. 3.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Das heißt, die Cross-Cultural Psychology vertritt wenige spezifische Theorien, stattdessen wurde der Fokus auf die Entwicklung eigener Methoden gelegt.74 Anfangs versuchten viele Studien, ihre Daten anhand offener Interviews zu erheben, bald gewann die geschlossene Umfrage die Oberhand.75 Das prominenteste Beispiel ist Hofstede. Die Methoden sind statistisch geprägt und streben eine quantitative Messbarkeit interkultureller Unterschiede an.76 Das statistische Vorgehen, so sei schon an dieser Stelle angemerkt, wird nicht zwangsläufig konsequent ausgeführt, sondern wirft in einigen Fällen auch Fragen auf.77 Hofstedes groß angelegte Befragung ist ein Paradebeispiel für die Empiriefreudigkeit der Cross-Cultural Psychology. Sie bringt eine beachtliche Vielfalt an Studien hervor,78 denn in Bezug auf fast alle denkbaren Themen wird vermutet, dass sich Nationen sinnvoll vergleichen lassen.79 Beispielsweise publizierte das Journal of Cross-Cultural Psychology eine Studie zur international unterschiedlichen Beurteilung der Attraktivität langer Beine 80 oder eine Forschungsarbeit zur These, dass es nationalkulturell bedingt ist, ob das Zeigen von Emotionen den Blutdruck hebt oder senkt. 81 Während es in den 1980er Jahren noch überschaubar war, mit welchen Themenfeldern sich die Cross-Cultural Psychology beschäftigte, ist es mittlerweile nicht mehr möglich, einen inhaltlichen Rahmen abzustecken. 82 Die scheinbare Willkür der Inhalte ziehe, so bemerken Kritiker, die Standhaftigkeit der theoretischen Modelle in Zweifel. 83 Denn der Fokus auf dem methodischen statt auf dem theoretischen

74 | Vgl. Triandis 1980b, S. 6 f. Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 3. 75 | Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 81. 76 | Vgl. Hofstede 2007, S. 389. 77 | So untersuchten beispielsweise die Wirtschaftswissenschaftler Vasyl Taras und Piers Steel 532 empirische Studien zur Messung von Kultur und stellten fest, dass nur gut die Hälfte genügend Kennwerte der Verteilung wie die Standardabweichung offenlegte (Vgl. Taras und Steel 2009, S. 51). Eine Offenlegung der Standardabweichung stellt sicher, dass ein Länder-Score nicht etwa als Mittelwert aus sehr niedrigen und sehr hohen individuellen Scores errechnet wird, sondern tatsächlich die ursprüngliche Verteilung der Antworten der Befragten widerspiegelt. 78 | Vgl. Genkova 2010, S. 267. 79 | Weitere Beispiele hierfür sind eine Erhebung zur Beurteilung weiblichen Körpergewichts durch Männer in Großbritannien und Indonesien (Vgl. Swami et al. 2001) und eine Studie zur unterschiedlichen Gestik beim Bestellen eines Biers (Vgl. Pika et al. 2009). 80 | Vgl. Sorokowski et al. 2011. 81 | Vgl. Butler et al. 2009, S. 510-517. 82 | Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 4. 83 | Vgl. Janzer 2007, S. 33.

25

26

Nationalkultur versus Berufskultur

Bereich könne zu einer Vernachlässigung des letzteren führen. »Researchers in the field of cross-cultural psychology have admitted that their theoretical models are poorly developed«. 84 Mit diesen Bedenken wird auch Hofstede konfrontiert. Skeptische Stimmen bemerken, dass seine komplizierten statistischen Leistungen seine Theorie zwar aus dem Fokus rücken mögen, 85 sie aber nicht zwangsläufig aufwerten. 86 Baskerville schlussfolgert sogar: »The weak theoretical basis makes it unclear what Hofstede was theorizing; he might not have studied culture at all«. 87 Die Frage, ob seine Methodik eine angemessene Basis für seine Theorie bildet, wird als dritte Kritikkategorie diskutiert werden (vgl. A.III.3).

A.III   H ofstede

und seine

K ritiker

Nachdem ihre traditionellen Ursprünge nachgezeichnet wurden, werden die Kritikkategorien nun detaillierter ausgeführt. Das folgende Kapitel stellt Hofstedes Kritiker und ihre Argumente vor. Das erste Unterkapitel widmet sich seinem Kulturbegriff, das zweite dem Betrachtungskonzept Kulturdimension und das dritte seiner Methodik. Die Ausführung der Kritikkategorien bereitet auf den empirischen Teil vor, dort werden die einzelnen Kritikpunkte in Forschungshypothesen übertragen und anhand einer Studie empirisch überprüft.

A.III.1 Kritik am ethnizistischen Kulturbegriff Hofstedes und an seinen Prämissen Hofstedes Kritiker setzen zunächst an seinem Kulturbegriff an.88 Dieser wird im Folgenden als ethnizistisch bezeichnet, da er die Ethnie, im Besonderen die Nation, als Kulturträger in den Vordergrund stellt. Somit entspricht er dem traditionellen Kulturbegriff, den Haas als auf einer Reihe von Prämissen ­basierend entschlüsselt hat. 89 Im Folgenden werden die einzelnen Prämissen erläutert und es wird jeweils belegt, in welcher Form Hofstedes Dimensionenmodell sie vertritt. Zudem werden den Prämissen Zweifel entgegengebracht, die das Anliegen der vorliegenden Studie begründen. Die Studie hinterfragt

84 | Early 2009, S. 30. 85 | Vgl. Baumgartel und Thomas 1982, S. 192. 86 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 112. 87 | Baskerville 2003, S. 2. 88 | Vgl. Douglas und Craig 2009, S. 125. 89 | Vgl. Haas 2009a.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

den ethnizistischen Kulturbegriff und im Besonderen die These intra-nationaler Homogenität.

A.III.1.1  Die Nation als Kulturträger Hofstede möchte Kulturen vergleichen und vergleicht hierzu Daten verschiedener Nationen. Sein Vorgehen impliziert die Annahme, dass Kultur auf nationaler Ebene existiert und ihre Mitglieder unverkennbar prägt.90 In anderen Worten, einem jeden Land wird eine eigene Kultur zugeordnet. So wird von der deutschen, französischen oder amerikanischen Kultur91 gesprochen und die Begriffe Nation und Kultur werden mithin zu Synonymen.92 Diese Sichtweise ist weit verbreitet93 und wird von Hofstede besonders deutlich vertreten. »Hofstede is the most explicit […] when he defines culture as national culture«.94 Allerdings widersprechen zahlreiche Kritiker der Zuordnung von Kulturen zu Nationen. Sie bringen verschiedene Gegenargumente an. Erstens könne eine Nation losgelöst von einer kulturellen Basis, nämlich ohne eine ethnische und sprachliche Einheit entstehen, wie zum Beispiel im Falle der Schweiz, Indiens95 oder Belgiens.96 Zweitens lasse sich der nationale Hintergrund eines Individuums mit seinem kulturellen nicht gleichsetzen, denn beispielsweise Immigrantenkinder können ihrer auf dem Pass verzeichneten Nation sehr fern sein. Somit komme die Unterteilung von Individuen nach ihrer Nationalität einem »judging a book by its cover«97 gleich. Drittens ändere sich die Zusammensetzung von Nationalstaaten ständig, wie zum Beispiel nach dem Zerfall der Sowjetunion oder dem Kalten Krieg. Das verwirre die Beurteilung entsprechender Nationalkulturen. Denn wie würde Hofstede wohl auf eine Integration Hong Kongs oder Taiwans in China reagieren? Würde er etwa die Werte eines Landes oder gar beider Länder auf China übertragen? Sein Anspruch an numerische Messpräzision verträgt sich nicht gut mit der potentiellen Instabilität des Analysegegenstandes Nation.98

90 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 82. Hofstedes zentrale Definition von Kultur ist »the collective programming of the mind which distinguishes members of one group from another.« (Hofstede et al. 2010, S. 336. Hofstede 2009, S. 9). 91 | Vgl. Beck und Fellinger 1998, S. 49. 92 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 82. 93 | »Sie [Kulturstandards] beziehen sich auf die einer Nation gemeinsamen Elemente«. (Schroll-Machl 2007b, S. 29). Vgl. Bond und Smith 1993, S. 37. 94 | Nakata 2009b, S. 250. 95 | Vgl. Myers und Tan 2002, S. 30 f. 96 | Vgl. Korman 1985, S. 244. 97 | Brannen 2009, S. 87. 98 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 111.

27

28

Nationalkultur versus Berufskultur

Es steht also fest, dass die Ernennung der Nation als Kulturträger ein problembehaftetes Unterfangen ist. Deshalb gab es sogar in den Reihen der Cross-Cultural Psychology durchaus Versuche, die Nation durch einen differenzierteren Kulturträger zu ersetzen. So warb beispielsweise Harry C. Triandis, einer der Mitbegründer der Cross-Cultural Psychology, bereits in den 1980er Jahren für den Begriff der Cultunits, welche die Menschen zusammenfassen, die zu einer bestimmten Zeit an einem Ort die gleiche Sprache sprechen.99 Doch mangels einer breiten Übereinstimmung in der Frage, was außer der Nationalität Kulturen sonst noch unterscheiden könnte, 100 überlebte der Begriff der national culture. Eine Durchsicht der im Journal of Cross-Cultural Psychology publizierten Studien des vergangenen Jahrzehnts zeigt, dass die Nation der bei Weitem häufigste Analysegegenstand ist. Die Mehrzahl der cross-cultural Studien sind also streng genommen ländervergleichende 101 und auch Hofstedes Studie ist in diesem Format gehalten.102 »In most of this book, I use the word culture to refer to national culture; […]«. 103 Er greift zwar, wie er es im Übrigen oft tut, seinen Kritikern vorweg, indem er deren Einwänden Erwähnung schenkt. Dennoch lässt er anschließend weder klärende Widerrede, geschweige denn Umsetzungen in die Tat folgen.104 Diese Strategie hat dazu geführt, dass seine Theorie trotz vielfacher Kritik nie nennenswerte Modifizierungen erfahren hat. 105 Er spricht zwar an, dass der Kulturbegriff theoretisch auf jegliche Form der menschlichen Gemeinschaft anwendbar wäre, 106 behält aber die traditionelle Anschauungsweise der Nation als Kulturträger bei. 107 Das tut er, und hier zeigt sich ein weiteres Charakteristikum seiner Argumentationsweise, aus pragmatischen Gründen. »True [that nations are not the best units for studying culture], but they are usually the only kind of units available for comparison and better than nothing«.108

99 | Vgl. Triandis 1980b, S. 2. 100 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 37. 101 | Rippl und Seipel 2008, S. 18. Vgl. Nasif et al. 1991, S. 82. 102 | Vgl. Myers und Tan 2002, S. 31. Vgl. Baskerville-Morley 2005, S. 391. 103 | Hofstede 2009, S. 1. 104 | »On a few occasions he [Hofstede] has added to his model, but he has never acknowledged any significant errors or weaknesses in that research. Indeed many of his subsequent publications are robust, at times aggressive, defences of his 1980 methods and findings« (McSweeney 2002b, S. 90). 105 | Vgl. Ebd., S. 90. 106 | Vgl. Hofstede 2009, S. 10. 107 | Ebd., S. 1. 108 | Hofstede 2002, S. 2.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Eine weitere Problematik an Hofstedes Verständnis von nationaler Kultur ist, dass er zwar betont, sie finde sich nicht zwangsläufig im Individuum wieder, 109 aber trotzdem ständig Rückschlüsse auf das Verhalten des Einzelnen zieht. Er erklärt nationale Kultur weder als die Summe aller innerhalb eines Landes existenten Subkulturen, 110 deren Existenz er im Übrigen durchaus eingesteht, 111 noch als die Kultur, die alle Bürger einer Nation gemein haben. 112 Im Gegenteil, er beteuert explizit, kulturelle Merkmale nicht in Bezug auf Individuen zu erforschen. »[I]n describing national cultures we refer to the common elements within each nation – the national norm– but we are not describing individuals«. 113 Er versteht nationale Kultur also als eine statistische Durchschnittsgröße, 114 eine national norm, 115 central tendency 116 beziehungsweise als national average.117 Weiterhin geht er davon aus, dass kulturelle Phänomene pro Nation normalverteilt sind und dass die Ausprägungen einzelner Individuen neben dem Höhepunkt der Kurve liegen können. 118 »The national culture questionnaire is not a reliable personality test«. 119 Mit dieser Aussage versucht er zu verhindern, dass er anhand von Einzelbeispielen an Individuen, die seine nationalkulturellen Charakteristika nicht erfüllen, auf die Probe gestellt wird. Allerdings missachtet er seine eigene Schlussfolgerung, dass nationale Kultur als abstrakter Mittelwert nicht das Verhalten einzelner Menschen vorhersagen kann. Denn er rät durchaus dazu, Vorhersagen zu treffen. Beispielsweise eröffnet er, so wurde bereits erwähnt, die Möglichkeit, das Konsumentenverhalten anhand der Dimensionen zu prognostizieren. 120 Konsumenten sind jedoch keine Länder, sondern letzten Endes einzelne Menschen. An anderer Stelle wird die Anwendbarkeit der Länder-Scores im Geschäftsleben betont, vor allem, wenn es um den Kontakt mit Kunden, Angestellten, Zulieferern oder Aktionären gehe. 121 Von Kunden bis hin zu Aktionären handelt es sich in der konkreten Praxis allerdings auch um Individuen. Im Falle beider Beispiele wird

109 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 41. 110 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 92. 111 | Vgl. Hofstede 1998c, S. 174. 112 | Vgl. Hofstede 1998a, S. 5. 113 | Ebd. S. 45. 114 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 93. 115 | Hofstede 1980a, S. 45. 116 | McSweeney 2002b, S. 93. 117 | Taras und Steel 2009, S. 49. 118 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 41. Vgl. Feichtinger 1998, S. 22. 119 | Hofstede 2009, S. 65. 120 | Vgl. Hofstede 1998a, S. 27. 121 | Vgl. Jones 2007, S. 4.

29

30

Nationalkultur versus Berufskultur

das Hofsted’sche Modell also zwangsläufig auf einzelne Personen übertragen. Schlussendlich beziehen sich die Ländertypologien und damit die häufigste Anwendungsform der Dimensionen, immer auf die Verhaltenstendenzen von Individuen. 122 Weitere Zweifel an Hofstedes Prämisse, die Nation sei der Kulturträger, entstehen dadurch, dass er in der Gleichsetzung von Kultur und Nation nicht durchgehend konsequent ist. Sein Kriterium für nationale Kulturen scheint vorwiegend die räumliche Grenzziehung zu sein. 123 Beispielsweise schreibt er Großbritannien, einer Insel, welche die Nationen England, Schottland und Wales umfasst, eine einheitliche nationale Kultur zu.124 Weiterhin fasst er die Länder Äthiopien, Kenia, Tansania und Sambia zu Ost-Afrika und Ghana, Nigeria und Sierra Leone zu West-Afrika zusammen und errechnet hier die Dimensionen-Scores nicht pro Nation, sondern für die Regionen. »Cultural differences in sub-Saharan Africa do not necessary follow the divisions into countries inherited from colonial days, so the East Africa / West Africa distinction may be as good as any«.125 Seine eigene Aussage, dass die Unterteilung nach Nationen oder auch Regionen willkürlich ist, berücksichtigt er jedoch in seiner Analyse nicht weiter.

A.III.1.2 Die geographische Trennungslinie zwischen nationalen Kulturen Hofstede schreibt also räumlichen Territorien, vorwiegend unterteilt nach nationalen Grenzen, Kultur zu. Kultur wiederum definiert er als »the collective programming of the mind that distinguishes the members of one group or category of people from another«.126 In anderen Worten, eine Kultur unterscheide seine Mitglieder von denen einer anderen. Das kündigt die Annahme an, dass eine Inkompatibilität nationaler Kulturen zu Konflikten führt. Diese Annahme bildet eine weitere Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs und hat

122 | Ein weiteres Beispiel ist die Management-Planung, die letztendlich nur von Individuen ausgeführt werden kann. »There is a greater emphasis on long-term planning in Singapore and Hong Kong compared to Australia and the USA, and a greater emphasis on short-term planning in Australia and the USA compared to Singapore and Hong Kong« (Harrison et al. 1994, S. 251). 123 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 92. 124 | Vgl. Hofstede 2009, S. 44. 125 | Ebd., S. 52. 126 | Ebd., S. 9.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

eine lange Tradition. Der Philosoph Wolfgang Welsch führt sie zurück bis auf das Herder’sche Bildnis von Kulturen als Kugeln, die aneinander abprallen.127 »Das Konzept der Interkulturalität macht nicht einmal den Versuch, die [Herder’sche] traditionelle Kulturvorstellung zu überwinden, sondern will sie bloß ergänzen, um ihre problematischen Folgen aufzuzeigen. Es reagiert auf den Umstand, dass die Kugelverfassung der Kulturen notwendig zu Konflikten führt.« 128

Es ist fragwürdig, ob die These, dass nationale Kulturen klar voneinander abgegrenzt existieren, richtig ist.129 Sie wird schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Individuum durch mehrfache Staatsbürgerschaften in mehreren Nationen verortet sein kann.130 Der Anthropogeograph Jörg Scheffer bemängelt eine »Verwechslung von kulturellen und nationalen Grenzen«131 und stellt Einbußen in zweierlei Hinsicht fest. Erstens sei das räumlich vorbestimmte Kollektiv als Untersuchungsobjekt nicht zwingend sinnvoll, da geographische Gemeinsamkeiten nicht logisch auch kulturelle implizieren.132 Zweitens versperre der Fokus auf räumliche Grenzen den Blick auf andere möglicherweise relevante Kollektivarten.133 Als Ausweg aus dem Dilemma, dass jene Kollektive, die sich nicht anhand räumlicher Komponenten konstituieren, vernachlässigt werden, schlägt Scheffer das Konzept der »selektiven Kulturregionalisierung«134 vor. Es dreht die Logik des räumlichen Kulturdenkens um und macht die Kultur selbst zum Regionalisierungskriterium.135 Nicht die Kultur wird der Region zugeschrieben, sondern die Region wird der Kultur unterstellt. Auf Hofstede angewandt würde das bedeuten, dass man nicht für vorregionalisierte Nationen die jeweiligen Dimensionsausprägungen zu bestimmen versucht, sondern für jegliche geographische Verteilung einer Ausprägung offen ist. Die Frage der Trennbarkeit von Kulturen stellt sich besonders im Rahmen einer

127 | Ähnlich ist das Bildnis von Kulturen als Billiardkugeln nach dem Anthropologen Eric Wolf (1982): »National cultures are treated as monolithic entities (billiard balls) made of fixed values that either collide, leading to unsuccessful ventures, or miss grazing each other rolling side by side, thus allowing the cultures to remain unscathed from the interaction« (Brannen 2009, S. 83). 128 | Welsch 1995, S. 40. 129 | Vgl. Askegaard et al. 2009, S. 107. 130 | Vgl. Widavsky 1989, S. 71. 131 | Scheffer 2009b, S. 25. 132 | Vgl. Scheffer 2009c, S. 26. 133 | Vgl. Scheffer 2009c, S. 27. 134 | Scheffer 2009b, S. 28. 135 | Vgl. Scheffer 2009c, S. 31. Vgl. Scheffer 2010, S. 246.

31

32

Nationalkultur versus Berufskultur

Prüfung seines methodischen Vorgehens. Denn im Zuge einer empirischen Gegenüberstellung ist es unabdinglich, dass die Vergleichseinheiten, in seinem Fall die national cultures, voneinander gänzlich unabhängig sind.136 Ein Unterteilungskriterium, hier die räumliche Zugehörigkeit zu einer Nation oder Region, ist als unabhängige Variable dann zulässig, wenn sichergestellt ist, dass es die Befragten sinnvoll voneinander differenziert. Geographische Grenzen trennen zwar klar zwischen Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit der Versuchspersonen.137 Es ist jedoch zweifelhaft, ob das im kulturwissenschaftlichen Kontext zweckmäßig ist.138

A.III.1.3  Die Prämisse intra-nationaler Homogenität Hofstede zieht also kulturelle Trennungslinien zwischen Nationen. Seine Aussage, dass die Kultur einer Nation ihre Mitglieder von denen einer anderen unterscheidet, impliziert die Annahme, dass die Menschen, die derselben Nation angehören, bis zu einem ausreichenden Grad kulturell einheitlich geprägt sind.139 Hier kündigt sich eine dritte Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs an: jene der intra-nationalen Homogenität. Die Annahme intra-nationaler Homogenität hat zwar eine lange Tradition,140 erscheint jedoch etlichen Theoretikern realitätsfern. Anstatt einer nationalen kulturellen Einheit vermutet man, dass auch innerhalb einer Nation unterschiedliche Wertvorstellungen141 kursieren und dass die Vielfalt an Wahlmöglichkeiten und Gruppenzugehörigkeiten des Individuums unüberschaubar groß ist.142 »There is generally more than one culture in one country at one time«.143 Deshalb gewinnt auch die

136 | Vgl. Baskerville 2003, S. 6. 137 | Vgl. Scheffer 2009c, S. 20. 138 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 50. Vgl. Gröschke 2007, S. 40. 139 | Bond und Smith 1998, S. 69, zitiert nach: Rippl und Seipel 2008, S. 19. Die Homogenitätsprämisse wird auch vom Kulturstandard-Ansatz vertreten (Vgl. SchrollMachl 2007b, S. 30. Vgl. Reisch 1991, S. 76). 140 | Hansen verortet sie auch in der culture and personality school und in der Nationalcharakter-Forschung (Vgl. Hansen 2009a, S. 90 f.). Er führt sie zurück bis auf die Herder’sche Volksmetaphysik. (Vgl. Hansen 2009a, S. 9, 87 und 94). 141 | Dass Hofstede Werte als das Herzstück der Kultur begreift, wird unter A.III.1.5 belegt. 142 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 110. Vgl. Gröschke 2007, S. 40. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 18. Wie sieht Hofstede wohl die Prägekraft von Subkollektiven in Kulturen, die er als hochgradig kollektivistisch identifiziert hat? In diesen Fällen misst er den gesellschaftlichen Untergruppen schließlich hohe Relevanz bei (Vgl. Early 2009, S. 21). 143 | Widavsky 1989, S. 71.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

soziologische Erforschung horizontal geschichteter Lebensstile an Konjunktur und findet einschlägige Verwendung in der Marktforschung.144 Und in diesem Sinne spricht Hansen von »Polykollektivität«,145 Welsch von der »Postmoderne als Verfasser radikaler Pluralität«,146 der postkoloniale Theoretiker Homi K. Bhabha von »hybridity«,147 der Soziologe Ulrich Beck von »institutionalisierter Individualisierung«148 und der Sozialanthropologe Ulf Hannerz von »complex cultures«.149 Ihre Konzepte lassen sich dem transnationalen und dem kollektivistischen Kulturbegriff zuordnen und werden an späterer Stelle (vgl. B.VII.2.1) eingehender erläutert. An dieser Stelle wird der grundlegende Zweifel an der Homogenitätsprämisse diskutiert. Er besagt, dass der Mensch nicht bloß durch seinen nationalen Hintergrund geprägt ist, sondern auch durch seine Zugehörigkeit zu weiteren Gruppen.150 Inwiefern sind alle Deutschen oder Franzosen ›gleich‹? Und teilt ein deutscher konservativer Physikprofessor mittleren Alters tatsächlich zwangsläufig weniger Wertvorstellungen mit einem französischen konservativen Physikprofessors mittleren Alters als mit einer deutschen, jungen Erzieherin, die sich in ihrer Freizeit dem Widerstand gegen Atomkraft verschreibt? Könnten nicht Menschen verschiedener Nationen mitunter mehr Gemeinsamkeiten haben als Menschen derselben Nation?151 Die Homogenitätsprämisse ist der essentielle Angriffspunkt von Hofstedes Modell, 152 denn wenn man sie anzweifelt, zweifelt man auch die Aussagekraft seiner Stichprobe an. Die Zusammensetzung der Stichproben, das Sampling, 153 ist ohnehin ein häufiger Kritikpunkt an Studien der Cross-Cultural Psychology.154 Grundsätzlich werden das Random Sampling, das Systematic Sampling und das Convencience Sampling unterschieden. 155 Letztere Methode, die im Deutschen auch Bequemlichkeits- 156 oder Zugänglichkeitsstichprobe 157 genannt wird,

144 | Vgl. Hartmann 1999, S. 11. 145 | Hansen 2009c, S. 11. 146 | Welsch 1987, S. 4. 147 | Bhabha 1990a, S. 4. 148 | Beck 2008, S. 305. 149 | Hannerz 1992, S. 9. 150 | Vgl. Wahrlich 1991, S. 17 und 30. 151 | Vgl. Orlovius 1991, S. 172 f. 152 | Vgl. Jones 2007, S. 7. 153 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 84. 154 | Vgl. Inkeles 1988, S. 93. 155 | Für Details vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 262 f. 156 | Vgl. Haas 2007, S. 15. 157 | Vgl. Genkova 2009, S. 50. Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 145.

33

34

Nationalkultur versus Berufskultur

wandte Hofstede an. 158 Seine Auswahl an Befragten war nicht direkt mit einer Forschungsfrage verbunden, sondern sie war im Rahmen der IBM-Umfrage bereits festgelegt. Die Stichproben pro Land waren unterschiedlich groß und beispielweise im Falle Pakistans grenzwertig klein. 159 An dieser Stelle zeigt sich Hofstede also ein weiteres Mal vorwiegend zweckmäßig orientiert. Sein Pragmatismus wird insbesondere im Falle der sieben arabisch sprechenden Länder deutlich. Die Datenaufzeichnungen der einzelnen Länder gingen verloren und nur noch die Zusammenfassung der ganzen Region war auffindbar. »[S]o I was forced to treat these countries as one region, whereas I might have wanted to keep Egypt and Lebanon separate: now the region is culturally less homogeneous than would be desirable«.160 Der Diskussion von Hofstedes Stichprobe gehen einige grundsätzliche Gedanken voraus. Grundsätzlich mag die Auswertung der Daten einer Bequemlichkeitsstichprobe zulässig sein, solange von einer homogenen Grundpopulation ausgegangen wird. Sie ist jedoch höchst problematisch, sobald man der Grundgesamtheit, in Hofstedes Falle also der Nation, Heterogenität eingesteht. Schließlich kann eine als kulturell vielfältig angenommene Bevölkerung nicht durch einen speziellen Ausschnitt an Befragten widergespiegelt werden. 161 Über sie kann nur eine Stichprobe Auskunft geben, die möglichst viele ihrer Merkmale in möglichst vielen Kombinationen abbildet.162 Ansonsten können die Ergebnisse nicht als repräsentativ gewertet werden 163 beziehungsweise nur sehr eingeschränkt verallgemeinert werden.164 Nähme man also an, dass Hofstedes Grundpopulationen, also die Nationen, heterogen wären, so könnten seine Ergebnisse nur für die von ihm befragte Gruppe der IBM-Beschäftigten mittlerer Ränge Geltung beanspruchen. Sie würden, anstelle einer nationalen Kultur, einen Ausschnitt der IBM-Unternehmenskultur widerspiegeln 165 und man müsste sich fragen, ob sie anders aussähen, wenn Mitarbeiter anderer

158 | Vgl. Haas 2007, S. 15. 159 | In der ersten Befragungsrunde nahmen in Pakistan 37 und in der zweiten 70 IBM-Mitarbeiter teil. (Vgl. Hofstede 1980b, S. 73 und 410, zitiert nach: McSweeney 2002b, S. 94). 160 | Hofstede 2009, S. 52. 161 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 94. Vgl. Nasif at al 1991, S. 84. 162 | Streng genommen ist eine repräsentative Stichprobe nie zu erreichen, da man ihrem Anspruch praktisch nie vollkommen gerecht werden kann (Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 91 f.). 163 | Vgl. Genkova 2009, S. 50 f. Vgl. Nasif et al 1991, S. 84. 164 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 51. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 20. 165 | Vgl. Janzer 2007, S. 29. Vgl. Bond und Smith 1993, S. 42.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Positionen 166 oder eines anderen Unternehmens167 oder gar einer anderen Berufsgruppe befragt worden wären. Zudem wäre zu vermuten, dass die Länder andere Werte erzielt hätten, wenn mehr Frauen oder eine andere Altersgruppe oder Menschen mit einem bestimmten Hobby, einer bestimmten Religion oder einer bestimmten politischen Gesinnung teilgenommen hätten. Um seine Stichprobe zu rechtfertigen, wäre Hofstede also zu raten, die Homogenitätsannahme konsequent zu vertreten. Überwiegend tut er das auch. 168 »[I]t [culture] represents the cultural mental programming that the nationals tend to have in common«. 169 Seine theoretische Argumentation wäre bis hierhin logisch, wenn er sich nicht selber widersprechen würde. So gesteht er an mancher Stelle nationale Heterogenität doch ein. Er stellt fest, »modern nations are too complex and subculturally heterogeneous for their cultures to be determined in this way [by depth-sample studies]«. 170 Das heißt, er verteidigt seine Bequemlichkeitsstichprobe nicht etwa mit dem Argument nationaler Homogenität, sondern lehnt die Herausforderung repräsentative Stichproben zu schaffen gerade aufgrund von zu starker Heterogenität ab. Des Weiteren lobt Hofstede seine Länder-Stichproben als matched samples.171 Mit matched samples meint er Stichproben, die möglichst gleichartige Ausschnitte aus den verschiedenen Ländern darstellen. Sie sollen sich sozusagen nur nach Nationalität unterscheiden, 172 damit die observierten Unterschiede ausschließlich auf die unterschiedlichen Nationalitäten zurückzuführen sind.173 »That these samples are atypical does not matter as long as they are atypical in the same way from one country to another«.174 Der Versuch in vergleichenden Studien vergleichbare Ausschnitte zu befragen ist grundsätzlich legitim, denn Verzerrungseffekte durch nicht berücksichtigte Einf lussvariablen werden zumindest reduziert. 175 Jedoch ist gegen Hofstedes Argumentation zweierlei einzuwenden. Erstens ist die Vergleichbarkeit seiner matched samples nicht sicher gestellt. Denn die beruf liche Stellung als IBM-Mitarbeiter ist in den verschiedenen Ländern nicht zwingend gleichwertig, da sie nicht den gleichen

166 | Vgl. Hansen 2009b, S. 15. 167 | Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 215. 168 | Vgl. Hofstede 2009, S. 10. 169 | Hofstede 1980a, S. 43. 170 | Hofstede 2009, S. 23. 171 | Vgl. Hofstede 2002, S. 2. 172 | Vgl. Jones 2007, S. 6. 173 | Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 264. 174 | Hofstede 2009, S. 24. 175 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 51 f.

35

36

Nationalkultur versus Berufskultur

Ausbildungshintergrund voraussetzt 176 und nicht in den gleichen sozialen Status mündet.177 Beispielsweise dürfte eine Anstellung bei IBM in Ghana einen anderen Lebensstil und eine andere gesellschaftliche Position implizieren als in Belgien oder den USA. Das Problem der Nicht-Vergleichbarkeit von matched samples tritt besonders bei einer Mammut-Studie wie Hofstedes auf, die sehr viele und somit auch sehr unterschiedliche Länder umfasst. 178 Zweitens lösen matched samples, selbst falls sie als solche überzeugen, nicht das Hauptproblem im Rahmen nationaler Heterogenität, nämlich das der Nicht-Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse. 179 Angenommen, der Ausbildungsweg und Lebensstandard der IBM-Mitarbeiter in Ghana wäre tatsächlich mit dem in den USA vergleichbar, wie könnten dann beide Stichproben in angemessener Form ihre jeweiligen Nationen, die ja offensichtlich voneinander unterschiedlich sind, im Ganzen widerspiegeln? Gerade die sozio-ökonomisch schwächer gestellten Länder wie Ghana können offensichtlich schwerlich von einer Stichprobe aus hoch ausgebildeten und gut bezahlten Angestellten repräsentiert werden. 180 Es ist ironisch, dass das Prinzip des Matched Sampling zwar auf der Annahme nationaler Heterogenität basiert, 181 – warum sonst wäre es nötig, nur einen bestimmten Teil der Bevölkerung als Stichprobe zuzulassen? – aber dass gerade diese Annahme bei der Interpretation der Ergebnisse, nämlich bei einer Verallgemeinerung auf die ganze Nation, übergangen wird. 182 Die Diskussion um intra-nationale Homogenität stellt, so das Fazit, Hofstedes Stichprobe und die Verallgemeinerbarkeit seiner Ergebnisse auf ganze Nationen in Frage. Die Alternative zu Letzterem liegt auf der Hand: Merkmale dürfen nur jenen möglichst genau eingegrenzten Gruppen zugeschrieben werden, die sie empirisch gezeigt haben. Zwar sind Verallgemeinerungen im Zuge der Erforschung und Beschreibung menschlicher Gemeinschaften

176 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 96. Vgl. Bond und Smith 1993, S. 30. 177 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 94. 178 | Vgl. Van de Vijver 1998, S. 45. 179 | Vgl. Korman 1985, S. 244. 180 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 51. 181 | Vgl. Ebd., S. 52. 182 | Ein Einwand Hofstedes zum Vorwurf der Nicht-Verallgemeinerbarkeit seiner Erkenntnisse lautet: »What were measured were differences between national cultures [not entire national cultures]« (Hofstede 2009, S. 73). Dieser Einwand erübrigt sich: Erstens könnten auch die observierten interkulturellen Differenzen stichprobenabhängig, nämlich IBM-spezifisch, sein. Zweitens trifft Hofstede sehr wohl Aussagen über einzelne Nationen, nämlich in Form seiner Typologien zu einer Vielzahl an Lebens­ bereichen (Vgl. A.I).

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

unverzichtbar,183 jedoch lassen sich sinnvolle von weniger sinnvollen unterscheiden. Hansen vertritt – in Anlehnung an das Prinzip der dichten Beschreibung des Ethnologen Clifford Geertz184 – das Prinzip der dichten Zuschreibung von Merkmalen zu Kollektiven. Es stellt erstens den Anspruch, dass Verallgemeinerungen so wenig pauschal wie möglich getroffen werden, das heißt, die Grundgesamtheit, auf die Rückschlüsse gezogen werden, wird angemessen eng definiert. Zudem sei zu prüfen, ob die erkannten Merkmale eines beobachteten Kollektivs tatsächlich mit ihm spezifisch verknüpft sind 185 oder ob sie eher auf der Zugehörigkeit der Versuchspersonen zu weiteren Kollektiven beruhen. Außerdem sei auf »innerkollektive Segmentierungen«, 186 in anderen Worten auf die Verteilungswerte, zu achten. Zeigen die Versuchspersonen Extremwerte in beide Richtungen, so bildet ein Mittelwert diese Erkenntnisse nicht realitätsgetreu ab. In diesem Sinne werden im empirischen Teil dieser Arbeit eine möglichst enge Interpretation der Ergebnisse und ein angemessener Verallgemeinerungsgrad angestrebt.

A.III.1.4 Die Prämisse des deterministischen Charakters nationaler Kulturen Die Annahme, dass alle Menschen einer Nation eine einheitliche Kultur teilen, setzt voraus, dass sie keine Alternativen beziehungsweise keine Wahl hatten diese anzunehmen. Laut Vertretern der Cross-Cultural Psychology ist die bedingungslose Internalisierung einer »ready-made Weltanschauung«187 des Umfeldes eine essentielle Bedingung im Sozialisationsprozess.188 Auch Hofstede schreibt der Nationalkultur eine deterministische Kraft zu und vertritt damit eine weitere Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs. »Today we are all conditioned. […] Only to a limited extent can we, in our thinking, step out of the boundaries imposed by our cultural conditioning«.189 Mit fast beschwörendem Beiklang definiert er Kultur als ungeschriebenes Buch an Regeln, das sich tief im Geiste des Einzelnen einniste.190 Die Tiefe, in der Menschen nationalkulturell

183 | Vgl. Hansen 2009b, S. 5 f. 184 | Vgl. Geertz 2007. Vgl. Wolff 2008, S. 87. Vgl. Janzer 2007, S. 31. 185 | Vgl. Hansen 2009b, S. 8. 186 | Ebd., S. 8. 187 | Triandis 1990, S. 34. Vgl. auch Triandis 1980a, S. ix. Laut Kulturstandard-Forschern »bestimmt« (Thomas 2007b, S. 11). das kulturspezifische Orientierungssystem das Wahrnehmen, Denken, Empfinden und Handeln und wirkt somit als »quasi naturgesetzliche Handlungssteuerung« (Krewer 2003, S. 258). 188 | Vgl. Brislin 1990, S. 12-18. 189 | Hofstede 1980a, S. 50. 190 | Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. 36.

37

38

Nationalkultur versus Berufskultur

geprägt werden, wird bereits durch seine Kulturdefinition des collective programming of the mind 191 ausgedrückt. Der Begriff des Programmierens aus der Computersprache impliziert Automatismus und Präzision. Zudem legt sein Buchtitel Culture’s Consequences eine einseitige Wirkungsweise von Kultur auf Menschen nahe. Er impliziert, dass die Kultur der kausale Faktor ist, der den Menschen prägt und nicht umgekehrt.192 Die deterministische Prägekraft der Kultur breitet sich laut Hofstede auf alle denkbaren Lebensbereiche aus.193 In diesem Sinne entwickelte er Ländertypologien vom Sexualleben194 bis hin zum Verhalten im Straßenverkehr.195 Die Annahme solch simpler mono-kausaler Zusammenhänge wird von vielen Seiten angezweifelt. 196 Hofstede, so resümieren Kritiker, vergleicht Daten aus verschiedenen Ländern und beruft sich auf die Unterschiede in diesen Daten. Doch inwiefern, so hinterfragen sie, ist sichergestellt, dass die Unterschiede tatsächlich auf die jeweiligen Nationalkulturen zurückzuführen sind?197 Korrelationen implizieren nicht zwangsläufig Kausalzusammenhänge. Sie können anhand verschiedener Analysen hierauf zurückgeführt werden. Aber nur, weil sich einheitliche Tendenzen zwischen den Befragten einer Nation zeigen, heißt das nicht zwangsläufig, dass ein Kausalzusammenhäng zwischen der Nationalität und dem Antwortverhalten geschweige denn den dahinter stehenden Werten besteht. Das bezweifelt auch McSweeney. Die IBM-Daten, so argumentiert er, seien in vierfacher Hinsicht situationsspezifisch geprägt. Erstens sei eine bestimmte Schicht an Mitarbeitern befragt worden, zweitens hätten die Fragen fast ausschließlich Arbeitsplatzangelegenheiten betroffen, drittens habe die Befragung am Arbeitsplatz selbst stattgefunden und viertens sei sie – weder durch andere Personen, noch an anderem Ort – wiederholt worden. 198 Im Grunde hinterfragt er: Ist der Mensch tatsächlich so eindeutig geprägt, dass seine nationale Kultur unter jeglichen Umständen in ihrer reinen Form abfragbar ist? Die Spannbreite möglicher Einf lussvariablen ist längst nicht erschlossen. 199 Beispielsweise hat Hofstede an anderer Stelle die Existenz von Subkollektiven, das heißt von kulturellen Gruppierungen

191 | Hofstede 2009, S. 1. Hofstede 1980a, S. 43. 192 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 42. Vgl. Taras und Steel 2009, S. 46. 193 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 1366. 194 | Vgl. Hofstede 1998b, S. 103. 195 | Vgl. Hofstede 1998, S. 26. 196 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 12 und S. 167. Vgl. Baskerville 2003, S. 6. 197 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 44. 198 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 107. 199 | Vgl. Jones und Alony 2007, S. 413.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

innerhalb einer Nation, anerkannt, 200 also könnte er auch ihnen prägende Kraft zusprechen. 201 Neben Subkollektiven 202 vernachlässigt er mögliche individuelle Unterschiede203 und nicht-kulturelle Einf lussfaktoren 204 wie physische Rahmenbedingungen 205 oder politische Umstände. 206 Beispielsweise befand sich Europa zu Zeiten der Hofsted’schen Datenerhebung im Kalten Krieg, was laut Kritikern unter anderem die Ausprägung der Power Distance- und Uncertainty Avoidance-Indexe überlagert haben dürfte. 207

A.III.1.5  Die Prämisse der E xistenz nationalkultureller Werte Hofstede geht also jeglicher Gegenargumentation zum Trotz davon aus, dass das Individuum zwangsläufig durch seinen nationalkulturellen Hintergrund determiniert ist.208 Was genau wird geprägt? Hofstedes Antwort lautet: die Werte.209 Der kulturellen Prägung des Individuums unterstellt er sogar modellhaften Charakter. Sein Modell basiert darauf, dass das collective programming of the mind sich auf drei Stufen im Pyramidenformat vollziehe. Auf dem universalen Basisniveau werden allen Menschen über die Gene humane Eigenschaften, wie beispielsweise der Impuls zu lachen, implementiert. Auf der obersten individuellen Stufe entwickeln sich, auch über die Gene, die einzigartigen Persönlichkeitsmerkmale wie das Temperament. Hofstedes Fokus liegt auf der mittleren kollektiven Ebene der Programmierung, dort werden nationale Charakteristika weitergegeben.210 Es stellt sich nun die Frage, was sie

200 | Vgl. Hofstede 2009, S. 23. 201 | Vgl. McSweeney 20002, S. 109. 202 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 20. Vgl. Early 2009, S. 21. Vgl. Brannen 2009, S. 85. 203 | Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1022. Early 2009, S. 24. Vgl. Taras und Steel 2009, S. 47. 204 | Vgl. Douglas und Craig 2009, S. 126 und 132. 205 | Beispielsweise könnte eine niedrige Stellung des Statussymbols Auto auf widrige Straßenverhältnisse, anstatt auf tiefer liegende kulturelle Werte zurückzuführen sein (Vgl. McSweeney 2002b, S. 110). 206 | Beispielsweise ist die Abnahme der Kirchengänge in Spanien in der Zeit nach Francos Diktator nicht als stabiles kulturelles Phänomen zu werten (Vgl. Kondo 1990, S. 301, zitiert nach: McSweeney 2002b, S. 110). 207 | Vgl. Jones 2007, S. 7. 208 | Hofstede 2009, S. 1. 209 | Vgl. Hofstede 2009, S. 48. 210 | Vgl. Ebd., S. 3. Hofstede vermischt allerdings die drei Ebenen: Beispielsweise sagt er, dass Uncertainty Avoidance teilweise auf der individuellen und teilweise auf der kollektiven Stufe verortet sei (Vgl. Ebd., S. 148).

39

40

Nationalkultur versus Berufskultur

im Konkreten beinhalten. Hofstede antwortet mit einer Art ›Zwiebelmodell‹. Die äußerste Schicht nationaler Kultur beinhalte Symbole wie Worte, Gesten, Bilder oder Flaggen. Darunter liegen Heldenvorstellungen und darunter wiederum Rituale. Diese drei äußeren Hülsen manifestieren sich in beobachtbaren Praktiken.211 Der unsichtbare, tiefer liegende Kern, nämlich die Werte, sind für Hofstede der eigentliche kulturelle Hauptgegenstand.212 »Such dominating value systems […] are largely called ›national culture‹«.213 Und die Werte als Herzstück einer jeden Kultur beabsichtigt er zu erforschen.214 »The present [IBM-] study is concerned with questions that can be assumed to represent values«.215 Deshalb nennt er auch seinen Fragebogen Values Survey Module. 216 Die Idee, dass im Sinne einer nationalen Kultur Werte zu erforschen sind, bildet eine weitere Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs und ist weit verbreitet.217 Überspitzt formuliert handelt es sich, so Kritiker, um »an obsession we have with values as cultures«.218 Es stellt sich die Frage, was genau Hofstede unter Werten versteht. Er umschreibt sie als nicht-rationale219 grobe Präferenzen beziehungsweise als Konzepte von Gut und Böse. 220 Er unterscheidet das Wünschenswerte vom tatsächlich Gewünschten, anders ausgedrückt die Werte ideologischen Ausmaßes von denen mit pragmatischer Konsequenz. 221 Erstere findet er relevanter, da sie sich langfristig in der Ausgestaltung der Gesellschaft niederschlagen. 222 Neben Pyramide und Zwiebel bietet er auch für den Wertebegriff ein simples anschauliches Modell, und zwar das des Pfeils.

211 | Vgl. Ebd., S. 11. 212 | Hier knüpft er an Kluckhohn an. »[T]he essential core of culture consists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached values. […]« (Kroeber und Kluckhohn 1952, S. 181, zitiert nach: Triandis 1980b, S. 1). 213 | Hofstede 1979, S. 4. 214 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 41. Vgl. Early 2009, S. 21. Vgl. Adair et al. 2009, S. 146. 215 | Hofstede 2009, S. 48. 216 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 40. 217 | Schroll-Machl sieht Kulturunterschiede in »Grundeinstellungen, Werten und Haltungen«. (Schroll-Machl 2007b, S. 26). Vgl. Myers und Tan 2002, S. 28. Vgl. Nakata 2009b, S. 248 f. Vgl. Bond und Smith 1993, S. 52. Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 79. Vgl. Brislin 1990, S. 12. 218 | Early 2009, S. 24. 219 | Vgl. Hofstede 2009, S. 6. 220 | Vgl. Hofstede 1979, S. 3. 221 | Vgl. Hofstede 2009, S. 6. 222 | Vgl. Hofstede 1979, S. 3.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell »As feeling with arrows to them [attitudes and beliefs], values have both intensity and direction. Mathematically, they have a size and a sign; they can be represented by arrows along a line. If we ›hold‹ a value, this means that the issue involved has some relevance for us (intensity) and that we identify some outcomes as ›good‹ and others as ›bad‹ (direction).« 223

Werte sind also für Hofstede erstens durch ihre Tendenz zu einem Extrempol und zweitens durch ihre Intensität gekennzeichnet. An dieser Stelle zeigt sich sein Bemühen, kulturwissenschaftliche Ideen in mathematischen Termini auszudrücken. Seine Vorliebe für technische Anschauungsweisen durchzieht sein gesamtes Modell. Trotzdem wirft sein Vorgehen Bedenken auf. Zunächst scheint es unlogisch, dass einzig die Werte im Rahmen kulturwissenschaftlicher Forschung von Interesse sind,224 hat Hofstede doch selbst im Rahmen seines Zwiebelmodells eine kulturelle Vielschichtigkeit erklärt.225 Die exklusive Operationalisierung von Kultur anhand von Werten, so befürchten Kritiker, versperrt den Blick auf weitere, möglicherweise relevante Manifestationen.226 Gleichwohl unberechtigt scheint die Annahme, dass Werte – eine kognitiv-emotionale Komponente, die Hofstede selbst als unsichtbar identifiziert hat – 227 quantitativ messbar sind.228 Selbst wenn sie messbar wären, würde die Methode der subjektiven Befragung Zweifel aufwerfen. Denn es ist unklar, ob der Befragte einfach das als wertvoll angibt, was ihm bereits bekannt ist oder was er tatsächlich wünschenswert findet und unter Umständen vermisst.229 In erster Linie ist zweifelhaft, dass Werte überhaupt in nationalspezifischer Form existieren.230 Alternativ nehmen Theoretiker beispielsweise an,

223 | Hofstede 2009, S. 6. 224 | Vgl. Harrison und McKinnon 1999, S. 498. 225 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 40. 226 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 40. Vgl. Harrison und McKinnon 1999, S. 497 f. Als ein alternatives Unterscheidungskriterium schlägt beispielsweise Early cultural intelligence vor (Vgl. Early 2009, S. 33 f.). 227 | Vgl. Hofstede 2009, S. 11. 228 | Vgl. Baskerville 2003, S. 2. Vgl. Fischer et al. 2010, S. 138. Werte dürften in einer kulturvergleichenden Studie besonders schwer zugänglich sein, weil sie nicht direkt abgefragt, sondern operationalisiert werden müssen und weil eine adäquate Operationalisierung zwischen den beteiligten Befragtengruppen variieren könnte (Vgl. A.III.2.3) (Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 80). 229 | Vgl. Behrens 2007, S. 158. 230 | Vgl. Adair et al. 2009, S. 146.

41

42

Nationalkultur versus Berufskultur

dass sie individuums- oder situationsabhängig schwanken.231 Dieser Gedanke wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit weitergeführt. Es wird geprüft, ob und welche Werte nicht nationalspezifisch sind, sondern von Subkollektiv zu Subkollektiv variieren.

A.III.1.5.1  Die Prämisse der Kohärenz nationalkultureller Werte Geht man wie Hofstede von der Existenz nationalspezifischer Werte aus, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Triandis bringt die Antwort der Anhänger der Cross-Cultural Psychology auf den Punkt: »An important aspect of culture is that it does have structure and that it is patterned«.232 Seine Annahme, dass kulturelle Charakteristika in einem schlüssigen System zueinander stehen, ist weit verbreitet und hat eine weitreichende Tradition.233 Sie bildet die weitere grundlegende Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs. Auch Hofstede nimmt eine Kohärenz nationaler Werte an,234 indem er versucht, die verschiedenen Dimensionsausprägungen eines Landes in einen logischen Zusammenhang zueinander zu bringen.235 Beispielsweise stellt er in Bezug auf die Uncertainty Avoidance-Dimension eine musterhafte Verbindung mit der Power Distance-Dimension fest. Beide Konstrukte beziehen sich auf den Umgang mit Autoritäten, Unsicherheitsvermeidung betreffe die Autorität von Regeln und Machtdistanz jene von Personen.236 Länder mit einer römischen Vergangenheit hätten eine starke Ausprägung beider Dimensionen geerbt und vice versa. Tatsächlich hat beispielsweise Frankreich in Europa den höchsten Power Distance-Score und zugleich den höchsten Uncertainty Avoidance-Wert. Allerdings ist auch dieses Schema nicht lückenlos, denn es bestätigt sich zwar für die 17 europäischen Länder, jedoch nicht weltweit. Und selbst

231 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 43 f. Vgl. Briley 2009, S. 189. 232 | Triandis 1980b, S. 2. 233 | Vgl. Reisch 1991, S. 76. Vgl. Schroll-Machl 2007b, S. 27. Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 80. Vgl. Brislin 1990, S. 10. Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 28 f. Vgl. Nakata 2009b, S. 253. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Stephanie Rathje führt ihre Ursprünge bis auf den Herder’schen Begriff der Volksseele zurück (Vgl. Rathje 2009, S. 35). 234 | Vgl. Nakata 2009b, S. 252. 235 | Hofstede liefert folgendes Beispiel: »Catholicism combines strong Uncertainty Avoidance with masculine values, more so than Protestant churches.  […], the percentages of women in parliaments and as government ministers across 22 developed democracies are negatively correlated with first UAI, then MAS, which implies that there are fewer women in these responsible positions in Catholic Christian countries.« (Hofstede 1998a, S. 25). 236 | Vgl. Hofstede 2009, S. 147.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

diese Eingrenzung funktioniert nicht ohne Ausnahmen, denn beispielsweise Deutschland erzielt zwar einen schwachen Power Distance-Score, jedoch einen starken Uncertainty Avoidance-Score.237 Es zeigt sich, dass die Kohärenzannahme zwar die Funktion erfüllen mag, unübersichtliche oder gar ambivalente Strukturen in einfach greif barer Form abzubilden.238 Inwieweit sie jedoch der realen Komplexität noch in Erkenntnis gewinnendem Maße gerecht wird, sei in Frage gestellt.239

A.III.1.5.2  Die Prämisse der Statik nationalkultureller Werte Hofstede, der behauptet nationalspezifische, in sich schlüssige Wertesysteme erkannt zu haben,240 muss sich gegen die Kritik verteidigen, seine Erkenntnisse seien als Momentaufnahmen einer bestimmten Zeit mittlerweile veraltet.241 Also fügt er hinzu, Kultur sei ein statisches Phänomen 242 und übernimmt hiermit die letzte Prämisse des ethnizistischen Kulturbegriffs. »There must be mechanisms in societies that permit the maintenance of stability in cultural patterns across many generations«.243 Diese Annahme konkretisiert er, indem er behauptet, ein kultureller Wandel vor dem Jahre 2100 sei nicht zu erwarten.244 Beide Aussagen sind ein Ausdruck dessen, was die Linguistin Leila Behrens ihm unter dem Stichwort unzulässige »Immunisierungsstrategien«245 vorwirft. Sie bemängelt Hofstedes Tendenz, nicht überprüf bare Behauptungen als Wahrheiten in den Raum zu stellen. »Dass die Dimensionen in inhaltlicher Hinsicht jahrhundertealte Wurzeln haben, ist eine unfalsifizierbare Behauptung par excellence«.246 Auch die Aussage, ein kultureller Wandel sei erst ab dem kommenden Jahrhundert denkbar, sei praktisch schwer zu widerlegen. Zwar wäre theoretisch eine Langzeitstudie möglich, jedoch bleibe ungeklärt, welche Art von Evidenz Hofstede als Wertewandel überhaupt akzeptieren würde.247 Anstatt seiner gewagten These die Möglichkeit zur Überprüfung zu bieten, konstruiert er zu ihrer Aufrechterhaltung weitere Modelle.

237 | Vgl. Ebd., S. 150. 238 | Vgl. Rathje 2009, S. 37. 239 | Vgl. Welsch 1991, S. 24. Vgl. Hauck 2006, S. 16 ff. 240 | Vgl. Hofstede 2009, S. 6. 241 | Vgl. Jones 2007, S. 7. Vgl. Søndergaard 1994, S. 449. Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 123. 242 | Vgl. Moosmüller 2010, S. 212. 243 | Hofstede 2009, S. 10. 244 | Vgl. Ebd., S. 36. 245 | Behrens 2007, S. 60. 246 | Ebd., S. 61. 247 | Vgl. Ebd., S. 61.

43

44

Nationalkultur versus Berufskultur

Zum Thema Wertewandel liefert er ein Modell, das seinem Stil entspricht, mit naturwissenschaftlichem Anschein Unanfechtbarkeit zu suggerieren: das »homeostatic (self-regulating) quasi-equilibrium«.248 Es ist wie folgt aufgebaut: Das Wertesystem einer Bevölkerung präge deren Institutionen, also unter anderem ihre politische Struktur, ihr ökonomisches Gerüst, ihr Schulund Bildungssystem, ihre Familienkonzepte und Rollenverständnisse. Die Institutionen wiederum bestärkten erstens rückwirkend das zugrunde liegende Wertemuster und beeinflussten zweitens seine Entstehungsfaktoren, im Konkreten die geographische, historische, demographische und ökonomische Ausgangslage. So halte sich der Wirkungskreis von alleine aufrecht. Kultureller Wandel sei unwahrscheinlich und am ehesten möglich über externe Einflüsse wie Naturkatastrophen oder technischen Wandel, die auf die Ausgangslage des Wertesystems einwirken könnten.249 Selbst in diesem Fall, so räumt Hofstede weiterhin ein, sei zwar ein Wandel der konkreten IBM-Länder-Scores, nicht aber der Länder-Rankings denkbar.250 Spätestens an dieser Stelle sind Zweifel angebracht. Die vorliegende empirische Studie wird ein Gegenbeispiel zur Hypothese liefern, dass die Länder-Rankings statisch sind. Ohnehin zeigen sich Hofstedes Kritiker von der Nicht-Falsifizierbarkeit seiner Behauptung sowie vom dazugehörigen Modell unbeeindruckt und finden seine These der zeitlichen Stabilität kultureller Wertesysteme nicht überzeugend. 251 Sie ignoriere, so die Argumente der Kritiker, jegliche nationale und ethnische Dynamik 252 sowie die Wirksamkeit sogenannter cohorts. Cohorts bezeichnen die spezifischen Prägungen einer bestimmten Generation oder Altersgruppe durch die Umstände ihres Zeitalters. 253 Als Ausweg schlägt die Psychologin Petia Genkova vor, bei kulturvergleichenden Studien stets von einem aktuellen Kulturmodell zu sprechen. Denn selbst im Rahmen einer vermeintlichen Längsschnittstudie könne man keine Verallgemeinerungen über eine Kultur aufgrund einer Stichprobe in einer bestimmten Zeitspanne aufstellen. 254 Viele Theoretiker zweifeln die Prämisse kultureller Statik nicht nur an, sondern sie widersprechen ihr explizit, indem sie das

248 | Hofstede 2009, S. 13. 249 | Vgl. Hofstede 1980a, S. 43. Vgl. Hofstede 2009, S. 12. 250 | Vgl. Hofstede 2009, S. 36. Die IBM-Daten wurden zweimal im Abstand von sechs Jahre erhoben. Hier gesteht Hofstede »worldwide shifts on some questions« (Hofstede 2009, S. 53). ein. 251 | Krewer bezeichnet sie als »diachronischen Fehlschluss« (Krewer 2003, S. 158). Vgl. McSweeney 2002b, S. 105. Vgl. Briley 2009, S. 183. 252 | Vgl. Baskerville 2003, S. 1. Vgl. Nakata 2009b, S. 252. 253 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 45. 254 | Vgl. Genkova 2010, S. 272.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Gegenteil der kulturellen Dynamik zu ihrem Forschungsgegenstand machen. Schon seit Karl Marx’ Das Kapital (1867) beschäftigen sich Untersuchungen und Theorien mit kulturellem Wandel. 255 Was die Erforschung des Wandels von Werten angeht, so sei als Beispiel die Arbeit des Politologen Ronald F. Inglehart 256 genannt.257 Inglehart stellte einen Wandel von materiellen zu postmateriellen Werten aufgrund sozioökonomischer Veränderungen fest. 258 Eine weitere überzeugende Sichtweise, welche der Annahme kultureller Dynamik Rechnung trägt, ist das Flow-Bildnis nach Hannerz. Selbst wenn Kultur ein ruhiges Bild abgeben möge, verändere sie sich f ließend. »When you see a river from afar, it may look like a blue (or green, or brown) line across a landscape; something of awesome permanence. But at the same time, you cannot step into the same river twice, for it is always moving, and only in this way does it achieve its durability. The same way with culture - even as you perceive structure, it is entirely dependent on ongoing processes. More precisely, the flow occurs in time and has directions. As a whole, it is endless;  externalizations depend on previous interpretations, depending on previous externalizations.« 259

Mit Hannerz’ Bildnis findet die Kritik am ethnizistischen Kulturbegriff Hofstedes an dieser Stelle ihren Abschluss. Der ethnizistische Kulturbegriff wurde basierend auf den Prämissen dargestellt, dass nationale Kulturen geographisch voneinander abgegrenzt und in sich homogen existieren und ihre Mitglieder in deterministischer Form prägen, indem sie ihnen ein kohärentes und statisches Wertesystem einprogrammieren. Es wurde belegt, dass Hofstede diese Prämissen vertritt, zudem wurden die theoretischen Zweifel seiner Kritiker angeführt. Sie werden im empirischen Teil wieder aufgegriffen und zu Fragestellungen umformuliert, die anhand der vorliegenden Studie auch empirisch überprüft werden.

255 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 44. 256 | Vgl. Ingleharts Monographie Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt (1989). 257 | Sie wird im empirischen Teil aufgegriffen, da sie beinhaltet, dass ein Umbruch hin zu Werten der Selbstfindung und –verwirklichung frühzeitiger beziehungsweise stärker in den höheren Bildungsschichten stattgefunden hat. Es wird gezeigt werden, dass sich im Hinblick auf postmaterielle Werte das Berufskollektiv der Studienräte signifikant von dem der Fabrikarbeiter unterscheidet, und zwar nationenübergreifend. 258 | Vgl. Ebd., S. 19. 259 | Hannerz 1992, S. 4.

45

46

Nationalkultur versus Berufskultur

A.III.2  Kritik am Konzept Kulturdimension Die Kritik an Hofstede konzentriert sich nicht nur auf den von ihm ver­wendeten Kulturbegriff, sondern auch auf das Betrachtungskonzept der Kulturdimension. Wenn man die oft nur diffus vorgetragene Kritik bis auf die letzten Grundlagen zurückverfolgt, kristallisieren sich zwei voneinander unabhängige Komponenten des Konzepts heraus, eine kulturtheoretische und eine methodische, die beide den Blick auf die Wirklichkeit stark verzerren. Wie im Folgenden näher erläutert wird, basiert die kulturtheoretische Komponente auf der Annahme, dass universal identische Problemstellungen durch kulturell unterschiedliche Lösungen geregelt werden. Die methodische Komponente betrifft die Bipolarität der Lösungsmöglichkeiten. Beide dienen dem Forschungsdesign der Cross-Cultural Psychology, indem sie das Vergleichsverfahren vereinfachen.

A.III.2.1   D ie kulturtheoretische Komponente des Konzeptes Kulturdimension Die kulturtheoretische Komponente führt Hofstede auf den Kulturanthropologen Clyde K. M. Kluckhohn zurück. Seine Kernthese lautet, dass überall auf der Welt die Gattung Mensch mit denselben Grundproblemen konfrontiert sei, die aber in den einzelnen Ethnien unterschiedlich gelöst würden.260 Hofstede bringt folgendes Zitat: »All cultures constitute so many somewhat distinct answers to essentially the same questions posed by human biology and by the generalities of the human situation. […] Every society’s pattern for living must provide approved and sanctioned ways for dealing with such universal circumstances as the existence of two sexes; the helplessness of infants; the need for satisfaction of the elementary biological requirements such as food, warmth, and sex; the presence of individuals of different ages and of differing physical and other capacities.« 261

Dass die Menschheit aufgrund biologischer Gegebenheiten vor überall identischen Bedingungen steht, mag nachvollziehbar sein. Weniger klar ist allerdings, was mit »generalities of the human situation« gemeint ist. Wahrscheinlich zielt die Formulierung auf das Zusammenleben in Kollektiv-Verbänden, das jenseits der Biologie anzusiedeln ist, ab. Umweltbedingungen können es jedenfalls nicht sein, da diese in den einzelnen Weltregionen unterschiedlich sind. Die Beispiele, die Kluckhohn im obigen Zitat nennt, unterstützen diese Annahme, denn sie lassen sich einerseits auf die Biologie zurückführen,

260 | Vgl. Hofstede 2007, S. 388. 261 | Kluckhohn 1962, S. 317 f., zitiert nach Hofstede 2009, S. 28 f.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

a­ ndererseits auf die Kollektivität. Zweigeschlechtlichkeit und Fortpflanzung, kindliche Hilfsbedürftigkeit und Befriedigung überlebensnotwendiger Bedürfnisse wie Nahrung und Schlaf gehören in den Bereich der Biologie, während der Umgang mit Individuen verschiedenen Alters und verschiedener Fähigkeiten dem Zusammenleben in Kollektiven geschuldet ist. An der kulturtheoretischen Komponente sind jedoch zwei Annahmen zweifelhaft. So berechtigt die Annahme von Universalien sein mag, bleibt doch fraglich, warum die universalen Problemstellungen vordringlich auf der Ebene der Ethnien gelöst werden. Warum wird vor allem den Kulturen, die ethnisch oder völkisch angesehen werden, die Funktion zugesprochen, Lösungen zu fixieren? Diese Funktion kann schließlich auf allen möglichen Ebenen der Kollektivität erfüllt werden. Warum betrachtet man nicht zu allererst das Individuum als Organisator? Warum sind es nicht, von der Ethnie abgesehen, die Subkollektive wie Geschlechter, Generationen, soziale Schicht oder Berufsgruppen, die Lösungen anbieten? Warum wird das Familienkollektiv übergangen, das für die Handhabung der Zweigeschlechtlichkeit sowie für das Verhältnis der Generationen und den Umgang mit Kindern verantwortlich sein könnte? Sind nicht in jeder Familie die Rollenverständnisse beziehungsweise die Machtverhältnisse zwischen Mutter und Vater, der Grad an Integration der Großeltern und die Art der Kindererziehung anders? Noch eine weitere Annahme ist zu hinterfragen. Die kulturtheoretische Komponente geht von einem dienenden Funktionalismus der Kultur aus, 262 so wie es der deshalb viel gescholtene Sozialanthropologe Bronislaw K. Malinowski tat, der erst durch die funktionalistische Prämisse die Wissenschaftlichkeit des Kulturbegriffs gewährleistet sah.263 Dieser Funktionalismus engt Kultur darauf ein, dass, direkt oder indirekt, zugrunde liegende biologische Bedürfnisse erfüllt werden. 264 Während die konstruktivistische Sichtweise sich auf die ordnungs-, orientierungs- und sinnstiftende Komponente der Kultur bezieht, 265 betont die funktionalistische die Zweckdienlichkeit von Kultur: Stets löse sie anthropologisch vorgegebene Probleme.266 Dabei wird ausgeblendet, dass Kultur Probleme nicht nur regelt, sondern mitunter auch erst schafft. 267 Zum einen können kulturelle Regelungen ihrerseits problembehafteter sein als das universale Problem, auf das sie abzielen. Beispielsweise benennt Kluckhohn es als ein universales Problem, dass sich die Geschlechter miteinander arrangieren müssen.

262 | Vgl. 263 | Vgl. 264 | Vgl. 265 | Vgl. 266 | Vgl. 267 | Vgl.

Hansen 2009a, S. 94 f. Malinowski 1944. Vgl. Sahlins 1981, S. 110 f. Vgl. Hansen 2011 , S. 239. Hansen 2011, S. 238 f. Sahlins 1981, S. 288. Vgl. Hansen 2011, S. 273. Hansen 2011, S. 238 f. Hansen 2009a, S. 95.

47

48

Nationalkultur versus Berufskultur

Bei Hofstede klingt das wie folgt: »The duality of the sexes is a fundamental fact with which different societies cope in different ways; […]«. 268 Angenommen, eine Gemeinschaft begegnet dem Grundzustand der natürlichen Zweigeschlechtlichkeit mit Kampf und Unterdrückung, so ist diese Form des Sich-Arrangierens problembehafteter als die Zweigeschlechtlichkeit an sich. »Frauen leiden nicht daran, dass es Männer gibt, sondern leiden am Patriachat«.269 Zum anderen kann Kultur vollkommen neue Problematiken eröffnen, die über die Grundprobleme hinausgehen. Dass man sich beispielsweise Gedanken über seine Geburtstags- oder Hochzeitsfeier macht, lässt sich auf kein anthropologisches Problem zurückführen, sondern ist rein kultureller Art. 270 Das Gesagte gilt auch für Hall, den Pionier der Dimensionen (vgl. A.II.2), der sich zwar nicht explizit auf Kluckhohn beruft, aber dennoch genauso wie Hofstede von ihm beeinf lusst ist. 271 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Hofstede und Hall den Kulturbegriff zu verkürzend funktionalistisch besetzen. 272 Der US-amerikanische Anthropologe Marshall Sahlins fasst zusammen: »Kultur ist von sich aus weder praktisch noch vernünftig; sie ist weder menschlich noch moralisch oder zivilisiert«. 273 Die bisherige Kritik bezog sich auf die kulturtheoretische Komponente im Allgemeinen. Weiterführend wird nun überprüft, ob Hofstede die Kluckhohn’sche Universalientheorie angemessen umsetzt. Er selbst geht davon aus und bezeichnet seine Dimensionen als Lösungsspektren für Grundprobleme. »Each of the five dimensions reflects a basic and enduring anthropological fact about a national society: that society’s specific answer to a general problem with which any human society has to cope.« 274

Dass dieser Anspruch erfüllt wird, ist zu bezweifeln. Hofstede beruft sich zwar auf das Konzept Kluckhohns,275 doch dieser Bezug ist nur die halbe Wahrheit.

268 | Vgl. Hofstede 2009, S. 279. 269 | Hansen 2009a, S. 95. 270 | Vgl. Hansen 2011, S. 271 f. 271 | Vgl. Hall 1959, S. 48 f. und 85. Vgl. Maznevski et al. 2002, S. 278. 272 | Sahlins stellt fest, »daß eine funktionale Erklärung allein niemals ausreichen kann, da der funktionale Wert immer durch das gegebene Kulturschema bedingt ist« (Sahlins 1981, S. 289). 273 | Ebd., S. 276. 274 | Hofstede 1998a, S. 10. «They [the dimensions] reflect basic problems that any society has to cope with but for which solutions differ« (Hofstede 2009, S. xix). 275 | Vgl. Hofstede 2009, S. 9 f. und 28 f. Vgl. Baskerville-Morley 2005, S. 389. Vgl. Nakata 2009a, S. 4. Vgl. Rathje 2009, S. 35.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Denn die Entstehung seiner konkreten Dimensionen geht nicht auf die Universalienproblematik der Anthropologie zurück. In der Anthropologie ist die Universalie ein zwar nicht konkret geklärtes, aber dennoch etabliertes Konzept. Im Jahre 1945 entwickelte der US-amerikanische Anthropologe Georg Peter Murdock eine Liste aus 73 verschiedenen Universalien, die der deutsche Anthropologe Christoph Antweiler ins Deutsche übersetzte. Diese Liste wurde erweitert, modifiziert und es wurden Alternativen entwickelt.276 Folgende Beispiele lassen sich zitieren: Kochen, Spiele, Körperschmuck, Sport, Behausungen, Geburtsnachsorge, Sprache, Gastfreundschaft und religiöse Rituale. Diese Universalien sind konkret und detailliert, Kluckhohns wiederum sind allgemein und grob gegliedert. Beide Arten von Universalien haben in der Anthropologie ihre Berechtigung, Hofstede jedoch richtet seine Dimensionen an keiner von beiden aus, sondern lehnt sie an die sogenannten standard analytic issues von Inkeles und Levinson an. »Sie [die Universalprobleme Kluckhohns] stellen reine, subjektive Theorie dar: Nachfolgende Untersuchungen, die Gesellschaften miteinander verglichen, lieferten nicht dieselben Klassifikationen. […] Die empirischen Ergebnisse [der IBM-Studie] deckten sich erstaunlich genau mit den Bereichen, die von Inkeles und Levinson zwanzig Jahre zuvor vorausgesagt worden waren.« 277

Inkeles und Levinson hatten wie bereits erwähnt (vgl. A.II.1) im Rahmen der Nationalcharakter-Forschung den Begriff der modalen Persönlichkeit geschaffen. Er bezeichnet die in einer Gesellschaft am häufigsten vorkommenden Charaktereigenschaften. Um die modalen Persönlichkeiten verschiedener Nationen empirisch vergleichen zu können, schafften die Autoren ein standardisiertes Analyseschema. Es bestand aus universal anwendbaren Kategorien aus Persönlichkeitseigenschaften, deren Ausprägung für jede Nation zu ermitteln war. »Modal personalities can then be described in terms of the presence or absence, and the patterning, of the various categories«.278 Der Schwierigkeit dieses Anspruchs waren die Beteiligten sich durchaus bewusst: Einerseits sollten die Persönlichkeitsvariablen universal relevant sein, andererseits der Besonderheit der einzelnen Kulturen gerecht werden. Die standard analytic issues hatten Inkeles und Levinson aus einer Literaturanalyse mit dem Schwerpunkt der Werke des Philosophen Theodor Adorno und der Psychologin Else Frenkel-Brunswik abgeleitet.279 Sie umfassen erstens das Verhältnis zu Autoritäten,

276 | Vgl. Antweiler 2009, S. 393-409. 277 | Hofstede 2007, S. 388 f. 278 | Inkeles 1997, S. 44. 279 | Vgl. Ebd., S. 43 ff.

49

50

Nationalkultur versus Berufskultur

z­ weitens die Konzeption des Selbst einschließlich des Geschlechterverständnisses und drittens den Umgang mit Konflikten und Emotionen.280 Diese Analyseeinheiten nun hat Hofstede – nachträglich, als er seine Dimensionen anhand von Faktorenanalysen schon gefunden hatte –, als seine zugrunde liegenden universalen Problembereiche bestimmt. Er legt fest: Power Distance entspricht dem ersten standard analytic issue, Individualism/Collectivism und Masculinity/Femininity orientieren sich beide am zweiten und Uncertainty Avoidance trägt dem dritten Rechnung.281 Diese Zuordnung ist allerdings fragwürdig. Denn es ist ungeklärt, ob es sich bei den standard analytic issues überhaupt um anthropologische Universalien handelt. Es bleibt also zweifelhaft, ob Hofstede die Universalientheorie angemessen umgesetzt hat. An der Umsetzung besteht noch ein weiterer Kritikpunkt. Und zwar klang bereits in Bezug auf Kluckhohn Bedenken an der Annahme an, dass es unbedingt Ethnien sind, die Universalproblemen Rechnung tragen. Hier wiederholt sich der Zweifel daran, dass Kulturdimensionen als Vergleichsmaßstäbe gerade für Nationen geeignet sind. McSweeney stellt fest: »The IBM questionnaires could have been categorized in ways which reflected possible response differences additional or alternative to Hofstede’s triad [nationality, gender, occupation]; for example, race, religion, and first language.« 282

Diese Kritik lässt sich am konkreten Fall der Uncertainty Avoidance-Dimension verdeutlichen. Hier stellt sich die Frage, wieso der Grad an Toleranz gegenüber einer unklaren Zukunft angeblich ausgerechnet zwischen Nationen variiert. Es lässt sich mutmaßen, dass eine hohe beziehungsweise niedrige Unsicherheitsvermeidung eher für andere Kollektivarten bezeichnend ist. Hierzu ist eine Vielfalt an Thesen denkbar. Beispielsweise ist logisch, dass eine Generation, die wirtschaftliche Rezession oder Krieg erfahren hat, Unsicherheiten relativ stark vermeiden möchte. Diese Ausweitung des Anwendungsbereichs von Kulturdimensionen auf verschiedene Kollektivarten bedeutet für den Auf bau empirischer Studien, dass die Versuchspersonen nach allen möglichen Kriterien zusammengefasst werden können. Angenommen, der Prozentsatz an Einkommen, den ein Mensch in seine Altersvorsorge investiert, gilt als ein Außenkriterium einer hohen Unsicherheitsvermeidung. Führt man hierzu eine ländervergleichende Studie durch, erhält man natürlich das Ergebnis, dass die Länder unterschiedlich abschneiden. Denn konzipiert man eine Studie als internationalen Vergleich, ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch ihre

280 | Vgl. Hofstede 2009, S. 31. 281 | Vgl. Hofstede et al. 2010, S. 337. Vgl. Hofstede 1998a, S. 11 f. 282 | McSweeney 2002b, S. 102.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Ergebnisse einen internationalen Vergleich darstellen. Doch genauso sinnvoll ließe sich die Investitionsbereitschaft für Altersvorsorge zwischen Männern und Frauen, zwischen verschiedenen Altersgruppen oder Berufsgruppen, zwischen Katholiken und Protestanten oder zwischen Ledigen und Verheirateten vergleichen. Die Liste ist endlos. Es wäre nicht weniger überraschend, dass sich auch hier statistisch signifikante und theoretisch evidente Unterschiede zeigen. »Each classification would identify ›unique‹ differences which, consistent with Hofstede’s methodology, could have been labeled a particular ›culture‹ or cultural difference on the basis of whatever a priori classification framed the data stratification.« 283

In diesem Sinne plädiert die vorliegende Arbeit für die Erforschung von Subkollektiven und stellt den Stellenwert der Nationalität als gruppenbildendes Kriterium in Frage. Das empirische Projekt wendet die Uncertainty Avoidance-Dimension auf den Vergleich von Deutschen und Franzosen, aber zugleich auch auf den zweier Berufskollektive an und die Unterschiede sind nicht minder deutlich.

A.III.2.2  Die methodische Komponente des Konzeptes Kulturdimension Bisher ist die kulturtheoretische Komponente des Konzeptes Kulturdimension diskutiert worden, also im Konkreten die Annahme, dass ethnische Kollektive sich unterschiedlich aus dem Lösungsspektrum zu universalen Problemen bedienen. Nun wird die Kritik auf die methodische Komponente ausgedehnt. Sie bezieht sich zunächst darauf, dass die Kulturdimensionen so angelegt sind, dass sie das Lösungsspektrum nur in Form einer binären Opposition eröffnen.284 Die Dimension ist kein Kaleidoskop verschiedenster zusammengewürfelter Regelungen eines menschlichen Grundproblems, sondern – deshalb die räumliche Bezeichnung Dimension – legt eine starre Struktur mit einer linearen Alternative fest. Dieses Schema wandte schon Hall an. Ähnlich wie später Hofstede veröffentlichte er Tabellen, in denen sich zwischen Extremen gespannte Dimensionsausprägungen einander gegenüber standen. Beispielsweise unterschied Hall das Zeitverständnis von Kulturen. Als Extrempole nannte er zum einen monochrone Kulturen, deren Mitglieder sich unter anderem an Pläne halten und großen Wert auf Pünktlichkeit legen. Den entgegengesetzten Pol bilden sogenannte polychrone Kulturen, deren Mitglieder im

283 | Ebd., S. 102. 284 | Vgl. Ebd. 2002, S. 105. Vgl. Briley 2009, S. 183 f. Vgl. Bond und Smith 1993, S. 41.

51

52

Nationalkultur versus Berufskultur

Gegenzug Pläne umstoßen und fast immer zu spät kommen.285 Auch Hofstede vertraut auf die Bipolarität seiner Dimensionen.286 Die Kulturdimension Power Distance beispielsweise liegt zwischen den extremen Polen der hohen und niedrigen Autoritätshörigkeit und zwischen den Polen wiederum sind graduelle Abstufungen gespannt. Diese Abstufungen werden auf einer numerischen Skala angeordnet und suggerieren eine im Endeffekt absurde Exaktheit. Wenn Frankreich in Bezug auf Power Distance die Zahl 68 erreicht und Deutschland den Wert 35,287 wie hat man sich den konkreten Unterschied vorzustellen? Indem die Kulturdimensionen binär angelegt sind, lassen sie andere, viel wahrscheinlichere Lösungsarten gar nicht zu. Beispielsweise im Falle der Individualismus/Kollektivismus-Dimension wird eine Kultur zwangsläufig als eher kollektivistisch oder individualistisch eingestuft um dem Problem der Selbstkonzeption Rechnung zu tragen. Gerade im Hinblick auf dieses Problem wäre es jedoch durchaus denkbar, dass die kulturellen Reaktionen sich nicht auf einer Achse bewegen, sondern so verschiedenartig sind, dass ein jeglicher systematischer Vergleich entfällt. Dadurch dass die Modelle starre Analyseschemata festlegen, werden mitunter weitere relevante Eigenheiten des Analysegegenstandes Nation vernachlässigt.288 Beispielsweise ist unbewiesen, dass Hofstedes Dimension der Uncertainty Avoidance, also der Umgang mit Unsicherheit, im Rahmen einer Analyse Deutschlands tatsächlich aussagekräftiger ist als beispielsweise der Umgang mit seiner jungen Vergangenheit. Die deutsche Vergangenheit ist ein Grundproblem, das andere Länder in dieser Form nicht teilen und dass sich deswegen in keinem Lösungsspektrum niederschlägt. Die Bipolarität der Dimensionen bietet also »nur begrenzte Möglichkeiten« 289 an Dimensionsausprägungen und erscheint unnötig einschränkend. Warum also wird sie überhaupt postuliert? Der Grund scheint aucch an dieser Stelle weniger modelltheoretischer als methodisch-pragmatischer Art zu sein, denn erst mithilfe der Bipolarität werden die Dimensionsausprägungen verschiedener Länder quantifizierbar. Sie erlaubt die einfache Gegenüberstellung nationaler Dimensionsausprägungen und macht, so Hansen, das Unvergleichbare vergleichbar. 290 Eine weitere methodische Komponente des Konzeptes Kulturdimension ist zweifelhaft. Das Lösungsspektrum, welches die Dimensionen vorgeben, ist nicht nur bipolar, es ist auch einheitlich für alle denkbaren Subkollektive

285 | Vgl. Hall 1985, S. 36. 286 | Vgl. Gröschke 2007, S. 41. 287 | Vgl. Hofstede 2009, S. 87. 288 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 48 f. 289 | Hansen 2011, S. 251 f. 290 | Vgl. Hansen 2009a, S. 95.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

und Situationen, in die sich das entsprechende Universalproblem erstreckt. 291 Dieses Vorgehen lässt sich am Beispiel der Power Distance-Dimension veranschaulichen. Sie drückt aus, bis zu welchem Grad die weniger mächtigen Mitglieder einer Kultur akzeptieren und erwarten, dass Macht ungleich verteilt ist. 292 Wie in Bezug auf alle Dimensionen ordnet Hofstede den Nationen einen einzigen numerischen Wert zu, 293 ohne dessen Aussagekraft je nach Situation und Subkollektiv weiter zu differenzieren. Gleichzeitig gesteht er ein, dass eine Differenzierung angemessen ist, indem er Lebensbereiche wie Familie, Schule und Arbeit unterscheidet und ihrer Beschreibung jeweils ein eigenes Unterkapitel widmet. 294 Anhand der verschiedenen Unterkapitel sagt er aus, dass eine bestimmte nationale Ausprägung an Machtdistanz in all diesen Lebensbereichen gleich hoch ist und sich dort jeweils unterschiedlich ausdrückt. Diese Aussage ist jedoch in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Erstens ist nicht schlüssig, warum in den verschiedenen Lebensbereichen der gleiche Länder-Score gilt. Ist es nicht theoretisch denkbar, dass im Familienleben die Machtdistanz stärker ist als in der Arbeitswelt, oder umgekehrt? Streng genommen müssten also für die einzelnen Lebensbereiche spezifische Dimensionsausprägungen zugelassen werden. Zweitens lassen sich die Lebensbereiche, nach denen die Dimensionsausprägungen variieren, sogar noch feiner gliedern, und zwar in Situationen. Nicht nur, dass die Machtdistanz auf der Arbeit vielleicht anders ausgeprägt ist als in der Familie, sie ist zudem wahrscheinlich auch höher oder niedriger auf einem Betriebsausf lug als im Bewerbungsgespräch. Neben der Situationsspezifik vernachlässigt Hofstede drittens die Subkollektive. Bereits im Rahmen der Diskussion der nationalen Homogenitätsprämisse (vgl. A.III.1.3) ist kritisiert worden, dass ein einziger numerischer Wert auf alle Berufs- und Altersgruppen, beide Geschlechter und sonstige Subgruppierungen einer Nation angewandt wird.

A.III.2.3 Die universale Anwendbarkeit der Dimensionen als Umgehung des Problems konzeptueller Äquivalenz in kulturenvergleichenden Studien Das Betrachtungskonzept Kulturdimension ist also im Hinblick auf seine kulturtheoretische sowie methodische Komponente zunehmender Kritik ausgesetzt und trotzdem behalten Hofstede und weitere Autoren es bei. Der Anreiz dafür liegt darin, so wird im Folgenden vermutet, dass es den pragmatischen Zweck erfüllt, das Problem konzeptueller Äquivalenz in

291 | Vgl. 292 | Vgl. 293 | Vgl. 294 | Vgl.

Briley 2009, S. 183 f. Hofstede und Hofstede 2005, S. 40 f. Hofstede 2009, S. 87. Ebd., S. 107.

53

54

Nationalkultur versus Berufskultur

kulturenvergleichenden Studien zu umgehen. Bevor dieser Zweck näher erläutert wird, bedarf es vorweg der Einführung einiger zusammenhängender Begriffe. Zunächst wird in der empirischen Sozialforschung das Instrument Fragebogen mitunter als Test bezeichnet.295 Die sogenannte Testkonstruktion, das heißt, wie der Fragebogen gestaltet wird (welche Fragen, wie viele, in welcher Reihenfolge und Sprache, und so weiter), ist von solch ausschlaggebender Bedeutung, dass ein Zweig der empirischen Sozialforschung sich hierauf spezialisiert hat. Ein weiterer wichtiger Begriff ist das Merkmal.296 Das Merkmal ist das, was der Fragebogen in möglichst allen relevanten Facetten operationalisiert, das heißt, messbar macht.297 Ein Test kann prinzipiell alles abfragen und so sind auch entsprechend viele Arten von Merkmalen denkbar, von faktischen Informationen (beispielsweise Einkommen) bis hin zu Persönlichkeitseigenschaften (beispielsweise Religiosität). Die Persönlichkeitseigenschaften werden als Konstrukte gesehen.298 Das heißt, sie sind nicht direkt zugänglich, sondern werden gebildet aus Komponenten (im Falle von Religiosität unter anderem private religiöse Praxis und öffentliche religiöse Praxis), zwischen denen man einen Zusammenhang annimmt. Das Konstrukt – auch Hofstedes Dimensionen sind Konstrukte – verlangt eine begründete Operationalisierung, die seine Komponenten vollständig und repräsentativ abbildet (vgl. A.III.3.2). Was bei den Testtheoretikern Konstrukt heißt, wird im Bereich der Statistik Faktor299 genannt. Unter einem Faktor versteht man ein übergeordnetes Merkmal, das durch eine Reihe von Fragebogen-Items abgefragt wird. Im Zuge der sogenannten Faktorenanalyse300 lässt sich prüfen, welche Items auf den gleichen Faktor laden. Das heißt, es wird berechnet, zwischen welchen Items ein Zusammenhang besteht beziehungsweise welche Items sich im Antwortverhalten bedingen. Von den Items, die auf einen Faktor laden, wird angenommen, dass sie das gleiche übergeordnete Merkmal testen. Wenn das übergeordnete Merkmal wie im obigen Beispiel Religiosität ist, könnte die Faktorenanalyse beweisen, dass das Antwortverhalten in Bezug auf die Fragen »Beten Sie regelmäßig?« und »Gehen Sie regelmäßig in den Gottesdienst?« einen Zusammenhang aufweist. Es wird ein Unterschied gemacht zwischen

295 | Vgl. 296 | Vgl. 297 | Vgl. 298 | Vgl. 299 | Vgl. 300 | Vgl.

Fisseni 1997, S. 297. Vgl. Lienert und Raatz 2998, S. 1 f. Kirchhoff et al. 2010, S. 33. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 109. Ebd., S. 109. Kirchhoff et al. 2010, S. 88 f. Lienert und Raatz 2998, S. 227. Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 84.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

der explorativen Faktorenanalyse,301 der sich auch Hofstede bedient,302 und der konfirmatorischen.303 Bei der letzteren werden im Vorhinein Thesen aufgestellt, welche Items sich auf das gleiche Merkmal beziehen sollten und man versucht die Zusammenhänge zu bestätigen. Dieses Verfahren wird im Rahmen der vorliegenden Studie angewandt (vgl. B.IV.4). Im Rahmen der explorativen Faktorenanalyse hingegen ist der Forscher für jegliche Konstitution von Faktoren offen und interpretiert sie im Nachhinein als inhaltliche Konstrukte. An dieser Stelle ist eine weitere begriff liche Vorbemerkung zu machen. Die Autoren, die sich im Rahmen kulturenvergleichender Studien mit dem Äquivalenzbegriff befassen, beziehen ihn gewöhnlich auf Nationen. Das heißt, es geht ihnen um die Vergleichbarkeit der Forschungskonzepte und -methodik in den beteiligten Ländern. In dieser Arbeit wird der Äquivalenzbegriff nicht auf Nationen bezogen, die ja, wie mehrfach nachgewiesen, nicht homogen sind, sondern auf kleinere Einheiten, die eher Homogenität gewährleisten. Zur Bezeichnung der kleineren Einheiten bietet sich der ohnehin schon erwähnte Begriff des Kollektivs an. Es wurde bereits knapp definiert, und zwar als jegliche Form menschlicher Gemeinschaft, die sich anhand einer partiellen Gemeinsamkeit konstituiert.304 Auch die Nation ist eine Art Kollektiv, sie wird von nun an als Dachkollektiv bezeichnet. Die sogenannten Subkollektive wiederum benennen die menschlichen Gruppierungen innerhalb einer Nation. Nun wird das Augenmerk zurück auf Hofstede gerichtet und auf die Frage, welchen Zweck das Betrachtungskonzept Kulturdimension trotz aller Kritik erfüllt. Hofstede behauptet nicht nur, dass seine Dimensionen sinnvoll mit universalen Problemen verknüpft seien, er schreibt auch den Dimensionen an sich in gewisser Weise eine Art universalen Charakter zu, indem er postuliert, sie seien auf alle nationalen Kulturen gleichermaßen sinnvoll anwendbar. Schließlich geht er davon aus, dass sich für jede nationale Kultur entsprechende Dimensionsausprägungen ermitteln und mit denen anderer Länder vergleichen lassen. Kritiker stellen nicht etwa in Frage, dass sich alle Menschen vergleichen lassen, sofern es sich um biologische Attribute handelt. Ob das auch für kulturelle Merkmale gilt, zweifeln sie allerdings an.305 Angenommen, eine Studie hat zum Ziel, die Menge der Nahrungsaufnahme in verschiedenen Kollektiven zu vergleichen. Im biologischen Bereich wäre es durchaus zulässig, die jeweilige Kalorienaufnahme zu ermitteln und gegenüberzustellen. Indessen wäre es problematisch, die Menge der Nahrungsaufnahme anhand kultureller Kompo-

301 | Vgl. 302 | Vgl. 303 | Vgl. 304 | Vgl. 305 | Vgl.

Bortz und Döring 1995, S. 355 f. Hofstede 2009, S. 45. Bortz und Döring 1995, S. 201 f. Hansen 2009a, S. 27. Janzer 2007, S. 28. Vgl. Harrison und McKinnon 1992, S. 502.

55

56

Nationalkultur versus Berufskultur

nenten zu vergleichen. Gedenkt man beispielsweise, sie anhand des Verzehrs von Reis zu operationalisieren, läuft man Gefahr, dass die Ergebnisse aus verschiedenen Kollektiven nicht vergleichbar sind. Während man vermutlich im asiatischen Raum einen hohen Wert erzielen würde, würde das Ergebnis im westlichen Raum unverhältnismäßig niedrig ausfallen. Der Grund hierfür wäre der Umstand, dass Reis im asiatischen Raum das Grundnahrungsmittel ist und im westlichen nicht. Um im Kulturbereich vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, muss man also genau genommen für jedes Kollektiv die geeignete Operationalisierung des Forschungsgegenstandes finden. Im Hinblick auf das vorliegende Beispiel könnte das heißen, dass in Teilen des westlichen Raums nicht der Verzehr von Reis, sondern der von Kartoffeln oder Nudeln zu ermitteln wäre. Die Vergleichbarkeit des Forschungsgegenstandes im Rahmen kulturenvergleichender Studien wird auch als Äquivalenz bezeichnet.306 Die Herstellung von Äquivalenz ist ein Anspruch, mit dem alle Studien konfrontiert sind und dem sie nie hundertprozentig, sondern nur näherungsweise gerecht werden.307 Je weniger man ihm gerecht wird, desto stärkere Biases,308 also Verzerrungen der Ergebnisse, sind die Folge. Ein Beispiel für die annähernde Herstellung von Äquivalenz ist die Ausgestaltung der internationalen PISA-Studie. Hier wird ein differenzierter Leistungsbegriff verwendet, der für alle beteiligten Länder eigens operationalisiert wird und somit trotz der unterschiedlichen schulischen Curricula internationale Geltung hat.309 Wendet eine Studie Kulturdimensionen als Forschungsmethodik an, umgeht sie die Aufgabe, so annähernd wie möglich Äquivalenz herzustellen. Denn eine Kulturdimension ist durch die Annahme definiert, dass sie auf universalen Problemen basiert und überall gleichermaßen anwendbar ist, 310 das heißt, man setzt ihre Äquivalenz in den beteiligten Kollektiven voraus. Dieses Vorgehen stellt Kritiker jedoch nicht zufrieden.311 Sie bezweifeln, dass Hofstedes Dimensionen tatsächlich als universal anwendbar angenommen werden können und bemängeln somit sein fehlendes Bemühen um die Herstellung von Äquivalenz. Ihre Zweifel werden im Folgenden im Hinblick auf mehrere Äquivalenzarten überprüft. In der kulturenvergleichenden Theorie

306 | Vgl. Krewer 2003, S. 148. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 57. Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1015. 307 | Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 215. Vgl. Haas 2009b, S. 72. Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 190. Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 136. 308 | Barmeyer und Genkova 2010, S. 134. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1014. Van de Vijver und Leung 1997, S. 272. 309 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 69-73. 310 | Vgl. Hofstede 1998a, S.10. 311 | Vgl. Harrison und McKinnon 1999, S. 492. Vgl. Behrens 2007, S. 51.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

gibt es vielfältige Ausdifferenzierungen des Äquivalenzbegriffs, die nicht immer deckungsgleich sind. So wurden im Rahmen einer Studie, die bestehende Literatur analysierte, 52 verschiedene Unterkategorien identifiziert. 312 Die vorliegende Arbeit unterscheidet im Sinne der Sozialwissenschaftler Susanne Rippl und Christian Seipel zwei zentrale Bereiche: die konzeptuelle Äquivalenz und die methodologische.313 Letztere wird im Rahmen der Kritik an Hofstedes empirischer Methodik erörtert (vgl. A.III.3.1), erstere wird nun diskutiert. Die sogenannte konzeptuelle Äquivalenz314 trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Konstrukt in verschiedenen Kollektiven durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Einstellungen repräsentiert sein kann.315 Angenommen, man untersucht das Konstrukt Intelligenz in verschiedenen Kollektiven. Im afrikanischen und asiatischen Raum zielt es auf soziale und im westlichen eher auf kognitive Kompetenzen ab. Eine Abfrage des westlichen Intelligenzbegriffs, der schulisch erlernbare Fähigkeiten beinhaltet, wäre unter anderem für schriftlose Völker sinnlos.316 Also müsste das Intelligenzkonstrukt jeweils eigens instrumentalisiert werden, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse

312 | Vgl. Johnson 1998, S. 3-6. 313 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 67. Diese Untergliederung entspricht Johnsons in interpretative und procedural equivalence (Vgl. Johnson 1998, S. 6 f.).. In diesem Sinne unterteilt auch der Psychologe Fons van de Vijver in construct bias und method bias. Er fügt als dritte Kategorie item bias hinzu. (Vgl. Van de Vijver 1998, S. 44). 314 | Die Begriffe Conceptual Equivalence und Construct Equivalence erscheinen gleichwertig. (Vgl. Little 2000, S. 216) 315 | Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 214. Vgl. Van Herk et al. 2004, S. 347 f. Die konzeptuelle Äquivalenz impliziert die sogenannte strukturelle, die den Fokus darauf legt, ob die interne Struktur der Merkmalsfacetten eines Konstruktes in verschiedenen Kulturen vergleichbar ist (Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1015. Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 261). Sie umfasst auch die sogenannte funktionale, die in den Vordergrund stellt, ob die Konstrukte in den verschiedenen Kulturen eine vergleichbare Funktion erfüllen (Vgl. Nasif et al. 1991, S. 83 f. Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 214. Vgl. Braun 2000, S. 2. Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 137). Wenn funktionale Äquivalenz besteht, dürfen, so Rippl und Seipel, im wahrsten Sinne des Wortes Äpfel mit Birnen verglichen werden, sofern sie in den involvierten Kulturräumen einen gleichwertigen Stellenwert haben (Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 65). 316 | Vgl. Rippl und Seipel 2009, S. 69 ff. Die Abfrage schulisch erlernten Wissens als Intelligenztest wäre schon dann problematisch, wenn die Gruppen aus Befragten zwar zur Schule, aber zu Schulen mit unterschiedlichen Curricula gegangen wären (Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 63 f.).

57

58

Nationalkultur versus Berufskultur

zu erzielen.317 Hofstede erkennt gewissermaßen die Notwendigkeit konzeptueller Äquivalenz an, indem er Forscher, die ihn in Folgestudien zu replizieren gedenken, indirekt auf sie hinweist und davor warnt, die Originalfragen der IBM-Befragung unmodifiziert zu übernehmen. »Questionnaires have to be adapted to their intended respondent population, situation, and period«. 318 Diese korrekte Aussage schützt ihn allerdings nicht vor der Kritik, schon im Rahmen der IBM-Befragung eventuelle Inäquivalenzen zwischen den beteiligten Kollektiven vernachlässigt zu haben. Die konzeptuelle Äquivalenz der Hofsted’schen Dimensionen wird im Folgenden am Fall der Unsicherheitsvermeidung überprüft. In Bezug auf diese Dimension scheint sie nicht gegeben zu sein. Denn erstens, so wird an späterer Stelle belegt werden (vgl. A.III.3.2.1), ist das Konstrukt der Uncertainty Avoidance begriff lich weit gefasst. Dieser Umstand verschärft die Problematik, denn wenn schon unklar ist, was das Konstrukt im eigenen Kollektiv bedeutet, ist eine Abgleichung mit der Begriffsklärung in einem fremden Kontext umso schwieriger. Zweitens, so wird jetzt belegt, bestätigte sich die konzeptuelle Äquivalenz der vier Hofsted’schen Dimensionen auch statistisch nicht. Die Statistik bietet die Möglichkeit, sie anhand von Faktorenanalysen zu überprüfen. Wenn die Befragten verschiedener Kollektive die gleichen Fragen als einen Faktor auffassen, ist das ein Anhaktspunkt für deren konzeptuelle Äquivalenz.319 Auch Hofstede gibt an, seine Dimensionen anhand von Faktorenanalysen identifiziert zu haben. 320 Allerdings fand die Identifizierung nicht eindeutig statt, denn die Faktorenanalyse brachte drei Faktoren hervor und Hofstede schuf vier Dimensionen, indem er einen Faktor in Power Distance und Individualism trennte. Für diese beiden Dimensionen liegt also keine eindeutige statistische Äquivalenz vor. Die mangelnde statistische Unabhängigkeit ist ein erster Kritikpunkt an seinen Dimensionen. Wenn er sich dafür entscheidet, sie anhand einer Faktorenanalyse zu identifizieren, sollte dies auch eindeutig geschehen, so Behrens.321 Darüber hinaus, dass sich eine konzeptuelle Äquivalenz der Hofsted’schen Dimensionen statistisch nicht bestätigt hat, erwies sich gerade das Konstrukt der Unsicherheitsvermeidung als ausdrücklich inäquivalent. Denn hierfür fand sich kein Pendant in einigen asiatischen Ländern. Deshalb wurde das

317 | Weichen die Instrumentalisierungen zu stark voneinander ab, entstehen neue Zweifel: Es wird fragwürdig, ob es sich überhaupt noch um ein einziges Konstrukt handelt (Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 81). 318 | Hofstede 2009, S. 67. Vgl. Hofstede 1998a, S. 20 f. 319 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 188. Vgl. Smith und Schwartz 1997, S. 82. 320 | Vgl. Hofstede 2009, S. 31. 321 | Vgl. Behrens 2007, S. 71.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Dimensionenmodell schließlich auch um die fünfte Dimension erweitert. Die Modellerweiterung wurde initiiert durch die Forschergruppe Chinese Culture Connection (CCC) im Jahre 1987. Sie hatte dem IBM-Fragebogen, der ausschließlich von westlichen Forschern entwickelt worden war, eine ethnozentrische Prägung unterstellt und behauptet, die darin abgefragten Werte seien nicht von Relevanz für Kollektive des asiatischen Raums. 322 Alternativ ließen die Forscher chinesische Informanten deren Werte auflisten und konstruierten daraus gezielt für den östlichen Raum eine Befragung, an der 100 Studenten in 23 Ländern teilnahmen.323 Auch hier ließen sich vier Dimensionen identifizieren, von denen allerdings nur drei den Hofsted’schen entsprachen. Es zeigte sich keine Entsprechung zu jener der Unsicherheitsvermeidung,324 sondern eine andere, die als eine Art Arbeitsdynamik im Sinne von Konfuzius beschrieben wurde.325 Eine hohe Ausprägung dieser Dimension impliziert, dass das entsprechende Land Tugenden wie Sparsamkeit und Beharrlichkeit wertschätzt, während eine niedrige erfasse, dass man eher sozialen Pf lichten nachkommen und das eigene Gesicht wahren möchte.326 Hofstede benannte diese Dimension mit Long-term Orientation, fügte sie als fünfte Dimension seinem Modell hinzu327 und wandte sie fortan auch auf den westlichen Raum an.328 Er gesteht ein: »Theories ref lect the cultural environment in which they are written« 329 und gibt somit eine funktionale Inäquivalenz der Uncertainty Avoidance-Dimension zu.330 Der Modellerweiterung um die fünfte Dimension wird mit Skepsis begegnet. Schließlich spreche Hofstede selbst seinem Vier-Dimensionen-Modell die

322 | Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 270. Darüber hinaus sei erwähnt, dass natürlich auch weitere Replikationsstudien publiziert wurden, die zu dem Ergebnis kamen, dass sich eine, mehrere oder alle Dimensionen nicht bestätigt haben (Vgl. Merritt 2000, S. 295). 323 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 43 f. 324 | Verfechter des Hofsted’schen 5-Dimensionen-Modells begründen das damit, dass man in den östlichen Religionen und Philosophien wie Konfuzianismus, Buddhismus und Hinduismus weniger als in der westlichen Denkweise auf der Suche nach einer absoluten Wahrheit im Sinne der Vermeidung von Unsicherheiten ist (Vgl. Feichtinger 1998, S. 37). 325 | Vgl. Marshall Matthews 2000, S. 117. 326 | Vgl. Harrison et al. 1994, S. 247. 327 | Vgl. Hofstede 2009, S. 69 ff. 328 | Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. 211. 329 | Hofstede 1980a, S. 50 330 | Vgl. Hofstede 211, S. 352, zitiert nach: Behrens 2007, S. 49.

59

60

Nationalkultur versus Berufskultur

anfangs proklamierte universale Anwendbarkeit ab.331 Entweder hätte er es bei vier Dimensionen belassen können, ohne die Erkenntnisse der Chinese Culture Connection zu berücksichtigen, oder er passt sich ihnen an. Doch dann hätte er konsequenterweise die Uncertainty Avoidance-Dimension eliminieren müssen.332 Darüber hinaus werfen Kritiker Hofstede vor, dass auch weitere seiner Dimensionen ethnozentrischer Beschaffenheit sind, dass sie also nicht in allen Kollektiven, die an seiner Studie teilnahmen, konzeptuell äquivalent sind.333 Beispielsweise, so stellt Behrens fest, sei Hofstedes Individualismusbegriff reduziert auf den US-amerikanischen, der die Konzepte der Freiheit, Freizeit und Herausforderung auf eine spezifische Weise verbinde.334 Sie geht sogar so weit, eine abwertende Einstellung Hofstedes gegenüber einigen der von ihm befragten Kollektive festzustellen. Beispielsweise die lateinamerikanischen Länder, so Behrens, stelle er aufgrund seiner persönlichen Distanz zu ihnen in grenzwertiger Weise als befremdlich dar.335 Um konzeptuelle Äquivalenz von vornherein annäherungsweise herzustellen, hätte Hofstede seiner sogenannten level oriented study eine structure oriented study vorausgehen lassen können. Das heißt, er hätte in einer ersten Studie die Vergleichbarkeit der Dimensionskonstrukte in verschiedenen Kollektiven erforschen können, um hierauf basierend erst in einer anschließenden Befragungsrunde den Ländern Werte und Rangplätze zuzuordnen.336 Er hat jedoch beide Schritte in einer einzigen Studie unternommen und bleibt nun mit dem Vorwurf konfrontiert, dass es seinen Dimensionskonstrukten an konzeptueller Äquivalenz mangelt. Der Mangel wird in der Theorie auf zwei Ursachen zurückgeführt: eine unangemessene Übertragung des Master-Fragebogens und Unterschiede in den sozialen Realitäten der beteiligten Kollektive. 337 Beide Ursachen werden im Folgenden erläutert und an Hofstedes Studie überprüft.

A.III.2.3.1 Mangelhafte Fragebogen-Übersetzung als Auslöser mangelnder konzeptueller Äquivalenz Eine Ursache mangelnder konzeptueller Äquivalenz könnte sein, dass die Übersetzungen des IBM-Fragebogens die Originalversion nicht in v­ ergleichbarer

331 | Vgl. Harrison et al. 1994, S. 248. 332 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 106. 333 | Vgl. Jones 2007, S. 5. Vgl. Nasif et al. 1991, S. 82 f. Vgl. Jahoda und Krewer 1997, S. 4. 334 | Vgl. Behrens 2007, S. 10. 335 | Vgl. Ebd., S. 124. 336 | Vgl. Van de Vijver 2002, S. 1. 337 | Vgl. Braun 2000, S. 2. Vgl. Braun und Scott 1998, S. 131.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Bedeutung wiedergeben.338 Um dem entgegenzuwirken, bietet sich grundsätzlich eine Reihe von Strategien an. Beispielsweise wird im Rahmen des vorliegenden empirischen Projektes die vom European Social Survey Programme empfohlene Methode der Teamarbeit339 angewandt. Alternativ empfehlen einige Forscher das Verfahren der Hin- und Rückübersetzung.340 Aber, so bemerken Rippl und Seipel, auch dieses Verfahren bietet keine Garantien.341 Denn eine Rückübersetzung kann auch die richtige Ausgangsversion hervorbringen, wenn wortwörtlich hin und zurück übersetzt wurde, ohne dass Äquivalenz besteht.342 Die Dringlichkeit einer äquivalenten Übertragung bezieht sich auf alle Bestandteile des Fragebogens, von den Instruktionen,343 über die Fragen und Antwortskalen344 bis hin zu grammatikalischen Komponenten wie der Anredeform.345 Von besonderer Bedeutung sind laut Haas die sogenannten Schlüsselkonstrukte, also prägnante Einzelbegriffe, die ein ganzes Konzept beschreiben. Das Konzept könnte schwer übersetzbar sein, weil die Zielsprache entweder gar keinen vergleichbaren Ausdruck kennt oder es anders konnotiert. Als Musterbeispiel für einen solchen Schlüsselbegriff nennt Haas Sehnsucht, ein deutsches Wort, für das schon im Englischen schwerlich ein treffendes Äquivalent zu finden ist.346 Auch Hofstede stand vor der Aufgabe Schlüsselbegriffe übersetzen zu lassen. Er fragte beispielsweise nach Stress als Manifestation von

338 | Vgl. Haas 2009b, S. 62 ff. Den Verzerrungen auf Item-Ebene aufgrund mangelhafter Übersetzung entspricht der Begriff der Item Bias (Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 135). 339 | Vgl. Haas 2009b, S. 68 f. 340 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 30. Vgl. Nasif et al. 1991, S. 85. Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 217.Vgl. Braun und Scott 1998, S. 129 f. 341 | Vgl. Haas 2009b, S. 68. Außerdem münden Rückübersetzungen oft in einer unverständlichen gestelzten Ausdrucksweise (Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 266). 342 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S .110. 343 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 30. 344 | Vgl. Haas 2007, S. 12. Vgl. Haas 2009b, S. 66. Ein Beispiel für kulturspezifische Varianten der Skalierung liefern Rippl und Seipel: In Australien entspreche ein »Yes!!« dem deutschen »Stimme voll und ganz zu«, ein »Yes« entspreche dem »Stimme zu« und so weiter (Rippl und Seipel 2008, S. 108). 345 | Vgl. Haas 2009b, S. 65 f. 346 | Vgl. Ebd., S. 64. Ein Beispiel für einen Schlüsselbegriff, der in verschiedenen Sprachen verschiedene Assoziierungen hervorruft, ist laut Rippl und Seipel das Wort Loyalität, was im Spanischen in sexueller Hinsicht konnotiert sei (Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 74).

61

62

Nationalkultur versus Berufskultur

Unsicherheitsvermeidung und seine Frage hierzu lautete »How often do you feel nervous or tense at work?« 347 Der Begriff der Nervosität scheint auf den ersten Blick einfach in eine Fremdsprache übertragbar, umfasst aber eine nicht eindeutige Vielfalt an Facetten. Der Befragte könnte ihn entweder eher mit körperlichen oder kognitiv-emotionalen Symptomen assoziieren, oder gar beides in seine Antwort mit einbeziehen.348 Wenn schon der Begriff in der Originalsprache mehrdeutig ist, so erweitert sich seine Bedeutungsvielfalt durch Übertragungen in Fremdsprachen umso mehr. Unklar, so Haas, erscheine eine Frage vor allem dort häufig, wo ihr Thema weniger stark im öffentlichen Bewusstsein stehe.349 Angewandt auf die obige Beispielsfrage Hofstedes könnte das heißen, dass das Thema Stress am Arbeitsplatz in einigen Kollektiven Teil des öffentlichen Diskurses sein könnte und beispielsweise im Zusammenhang mit Burn Out-Gefahren in den Medien präsenter sein könnte als in anderen Kollektiven. Behrens geht in der Verurteilung der Beispielfrage noch einen Schritt weiter, indem sie betont, dass diese Frage die Bereitschaft voraussetzt, Schwächen, Krankheiten und Emotionen überhaupt einzugestehen. Das Eingestehen von Schwächen deutet sie als kommunikative Norm, die vielleicht in einigen Kollektiven sanktioniert wird. Angenommen, das ist der Fall, dann sind gerade die Befragten, die aufgrund drohender Sanktionen kein Stressempfinden angeben, jedoch eigentlich diejenigen, die gerade Unsicherheiten vermeiden. Somit verschiebt sich die Aussagekraft der Antworten. Es lässt sich zusammenfassen, das Hofstede die Übersetzungsproblematik vernachlässigt hat.350 In der Tat spricht er zwar wie so oft die Zweifel seiner Kritiker an, aber er verfolgt keinen angemessenen Lösungsansatz. So erwähnt er zwar durchaus die Übersetzungsproblematik von Fragebögen351 und veranschaulicht sie sogar noch treffend am schwer übersetzbaren Begriff des achievement.352 Allerdings zeigt er sich ein weiteres Mal pragmatisch und lehnt Strategien wie jene der Rückübersetzung aus Kosten- und Zeitgründen ab.353

347 | Hofstede 2009, S. 148. 348 | Vgl. Behrens 2007, S. 109. Sind es einzelne Items des Fragebogens, die in verschiedenen Kollektiven mehrdeutig verstanden werden, liegen die sogenannten Item Bias, also Verzerrungen auf Item-Ebene vor. (Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1015. Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 273. Vgl. Braun und Scott 1998, S. 132. Vgl. Braun 2000, S. 2). 349 | Vgl. Haas 2007, S. 9. 350 | Vgl. Ebd., S. 11. 351 | Vgl. Hofstede 2009, S. 21 ff. 352 | Vgl. Ebd., S. 46. 353 | Vgl. Hofstede 2009, S. 22.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell »The translations were made and checked by in-company personnel. […] As the surveys were meant to be not scientific instruments but practical management tools, and as their preparation was subject to a tight business time schedule, back-translation was used only exceptionally. In most cases it was considered sufficient to have a draft translation made by the person who was going to act as the local survey coordinator or by another person selected by him or her for linguistic skills. […] In spite of the pragmatic, unscientific approach to the translation process followed, I feel reasonably confident about the quality of the translations.« 354

Hofstede selbst gesteht also ein, dass sein Übersetzungsansatz unwissenschaftlich ist. Aussagen wie »it was considered sufficient« oder »I feel reasonably confident about the quality« überzeugen natürlich nicht, solange ihnen jegliche unterstützende Argumentation fehlt. Sie umgehen bloß die Diskussion um konzeptuelle Äquivalenz; de facto hat Hofstede keine Maßnahmen ergriffen, um diese im Rahmen des Übersetzungsprozesses zu erarbeiten. In diesem Sinne bezeichnet Behrens die Formulierung seines Fragebogens als »in starkem Maße unterspezifiziert.«355 Die Unterspezifizierung eines Fragebogens wiederum zieht die Interpretationsfähigkeit seiner Ergebnisse in Zweifel.356 Vor allem die Verallgemeinerung der Ergebnisse innerhalb der Länder-Clusters erscheint nicht zulässig, solange die Fragebogenversionen in den Kollektiven, die zu den Clusters zusammengefasst werden, nicht vergleichbar übersetzt sind.357

A.III.2.3.2 Ungleiche soziale Realitäten als Auslöser mangelnder konzeptueller Äquivalenz Neben einer ungenauen Übersetzung des Fragebogens gelten sogenannte ungleiche soziale Realitäten als ein weiterer möglicher Auslöser mangelnder konzeptueller Äquivalenz.358 Mit ungleichen sozialen Realitäten werden unterschiedliche Lebensumstände in den involvierten Kollektiven angesprochen. Die Lebensumstände können räumlich variieren, wie im Falle des Klimas oder geographischer Gegebenheiten. Des Weiteren können sie bedingt sein durch nationale Politik, Wirtschaft und Gesetzgebung, sodass an dieser Stelle tatsächlich eine Unterscheidung zwischen Nationen angemessen ist. Hofstedes Stichprobe umfasst eine sehr große und damit zwangsläufig vielfältige Auswahl an Kollektiven und somit sind hier gravierende Unterschiedlichkeiten

354 | Ebd., S. 46. 355 | Behrens 2007, S. 181. 356 | Vgl. Harrison und McKinnon 1999, S. 492. 357 | Vgl. Ebd., S. 492. 358 | Vgl. Braun 2000, S. 2.

63

64

Nationalkultur versus Berufskultur

in den Lebensumständen kaum auszuschließen. Die Unterschiedlichkeiten können sich auf die Deutung von Fragebogen-Items auswirken und somit die Antworten der verschiedenen Kollektive unvergleichbar machen. Beispielsweise fragte Hofstede als Manifestationen von Unsicherheitsvermeidung erstens die Länge der Betriebszugehörigkeit und zweitens das Merkmal Regeltreue anhand des Items »Company rules should not be broken« ab.359 Beide Fragen können zwar adäquat übersetzt sein, jedoch in verschiedenen Dachkollektiven in mitunter sehr unterschiedlichen Kontexten stehen.360 So wäre denkbar, dass manche Firmenregeln international variieren und dass ihrem Missachten in manchen Dachkollektiven schwerwiegendere Konsequenzen folgen als in anderen. Was die Länge der Betriebszugehörigkeit angeht, so mag es in manchen Dachkollektiven üblicher oder einfacher sein, den Arbeitgeber zu wechseln als in anderen. Die Antworten der verschiedenen Kollektive wären also nicht auf eine tatsächlich unterschiedliche Ausprägung des Merkmals Regeltreue zurückzuführen, sondern eher auf ihre unterschiedlichen Lebensumstände. Auch einige weitere Fragen zu anderen Dimensionen zielen auf nicht vergleichbare Lebensumstände ab. So lautet beispielsweise eine Frage zur Berechnung des Individualismus-Indexes: »How important is it to you to have good physical working conditions (good ventilation and lighting, adequate work space, etc.)?«361 Eine funktionierende Lüftung ist offensichtlich beispielsweise in tropischen Regionen objektiv gesehen von höherer Dringlichkeit als in nicht-tropischen Räumen. Und eine Frage zur Messung von Maskulinität beziehungsweise Femininität heißt: »How important is it to you to have the security that you will be able to work for your company as long as you want to?« 362 Hier wird missachtet, dass manche Kollektive eine geregeltere Unterstützung von Arbeitslosen haben als andere. In letzteren Fällen ist es objektiv gesehen sinnvoller, dem Kündigungsschutz eine hohe Bedeutung zuzuschreiben. Die Beispiele zeigen, dass einige der Hofsted’schen Fragen drohen, konzeptuell nicht äquivalent zu sein, weil sie auf ungleiche Lebensumstände in den verschiedenen Kollektiven abzielen. Es wäre überzeugender gewesen, wenn Hofstede erst die jeweiligen Gegebenheiten sondiert hätte, um dann hierauf zugeschnitten seine Fragen zu konkretisieren.

359 | Vgl. Hofstede 2009, S. 148. 360 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 106. 361 | Hofstede 2009, S. 468. 362 | Ebd., S. 256.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

A.III.3 Kritik an Hofstedes empirischer Methodik Nicht nur an Hofstedes Kulturbegriff und dem Konzept Kulturdimension, sondern auch an seinem methodischen Vorgehen wird Kritik geübt. Die Kritik an seiner empirischen Methodik bildet im Rahmen des vorliegenden Kapitels die letzte der drei Kritikkategorien. An die Methodik der kulturenvergleichenden empirischen Forschung werden besondere Anforderungen gestellt.363 Im Folgenden werden zwei Anforderungskomplexe herausgegriffen: erstens die Frage nach methodologischer Äquivalenz und zweitens die nach der Validität seines Fragebogens. Was die methodologische Äquivalenz angeht, so sei erwähnt, dass – wie bereits in Bezug auf die konzeptuelle Äquivalenz ausgeführt wurde (vgl. A.III.2.3) – die Äquivalenzfrage vorwiegend auf die an einer Studie beteiligten Nationen angewandt wird. In der vorliegenden Arbeit, welche Kollektive und nicht Nationen als Kulturträger ansetzt, wird zwar die Bedeutsamkeit methodologischer Äquivalenz geteilt, sie wird jedoch auf andere Einheiten, nämlich auf Kollektive bezogen.

A.III.3.1 Mangelnde methodologische Äquivalenz Wie bereits erwähnt existieren vielfältige Ausdifferenzierungen des Äquivalenzbegriffs. Nicht nur im Rahmen der konzeptuellen, sondern auch in dem der methodenbezogenen Äquivalenz unterscheiden Forscher eine Reihe nicht unbedingt deckungsgleicher Subkategorien.364 Im Hinblick auf Hofstedes Studie werden nun vier zentrale Subkategorien methodologischer Äquivalenz überprüft: die instrumentale, Skalen- und administrative Äquivalenz sowie kollektivspezifische Antwortverzerrungen.

A.III.3.1.1 Instrumentale Äquivalenz Die Äquivalenz des Messinstruments ist eine erste methodologische Herausforderung im Rahmen kulturvergleichender Studien.365 Hofstedes Messinstrument ist sein Fragebogen. Es stellt sich zunächst die Frage, ob er in den verschiedenen involvierten Kollektiven einen gleichwertigen Stellenwert als Forschungsmethode hat. Das heißt, in einigen Kollektiven mögen die Menschen vertrauter mit dem Ausfüllen von Fragebögen sein als in anderen. Das

363 | Vgl. Jones 2007, S. 6. Vgl. Nasif et al. 1991, S. 81. Vgl. Johnson 1998, S. 1. Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 267. 364 | Beispielsweise beschäftigt sich die sogenannte Measurement Equivalence damit, ob Konstrukte in verschiedenen Kollektiven gleichwertig operationalisiert, in anderen Worten messbar gemacht werden (Vgl. Little 2000, S. 215 f.).. Sie erscheint somit als praktisches Gegenstück zur konzeptuellen Äquivalenz (Vgl. A.III.2.3). 365 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 85.

65

66

Nationalkultur versus Berufskultur

kann daher rühren, dass hier politische Abstimmungen, Konsumenten-Umfragen und sonstige Erhebungen subjektiver Meinungen üblicher sind, dass die empirische sozialwissenschaftliche Forschung angesehener ist und dass das Bewusstsein vorherrscht, die Teilnahme an Umfragen werde wertgeschätzt und gegebenenfalls honoriert.366 In Bezug auf Hofstedes Studie liegt instrumentale Äquivalenz in diesem Sinne vermutlich nicht vor. Diese Vermutung begründet sich in den Ausführungen von Fons J. R. Van de Vijver und Kwok Leung, zwei Forschern der Cross-Cultural Psychology. Sie unterscheiden grundsätzlich drei alternative Vorgehensweisen, welche sich auf die instrumentale Äquivalenz auswirken. Entweder, so Van de Vijver und Leung, können die Messinstrumente in verschiedenartige Kollektive übernommen, an sie angepasst oder neu gestaltet werden. Hofstedes Studie nennen sie als Beispiel für eine Studie, in welcher der Fragebogen zwar übersetzt, aber ansonsten ohne jegliche Modifizierungen übernommen wurde. Dieses Vorgehen sei problematisch.367 Denn berücksichtige man die große Vielfalt an Kollektiven, die seine Befragung umfasst, so sei davon auszugehen, dass die Fragebogen-Methode in einigen geläufiger ist als in anderen. Um instrumentale Äquivalenz näherungsweise herzustellen, hätte er in manchen Fällen zusätzliche Zeit für Schulungen der Teilnehmer einräumen368 oder den Fragebogen an die Verschiedenartigkeit der beteiligten Kollektive anpassen können.369 Diese Bemühungen hat Hofstede nicht unternommen.

366 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 31. 367 | Vgl. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1012. Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 264 f. 368 | Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 298. 369 | Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 217.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

A.III.3.1.2 Skalenäquivalenz Auf die Vergleichbarkeit des Messinstruments bezieht sich auch die sogenannte Skalenäquivalenz.370 Sie beschäftigt sich damit, ob die Antwortskalen des IBM-Fragebogens in den verschiedenen involvierten Kollektiven vergleichbar sind. Zunächst ist zu diskutieren, welchem Skalenniveau Hofstede seine Daten zuordnet. An Skalenniveaus unterscheidet die Statistik das nominale, ordinale sowie das Intervall- und Verhältnisskalenniveau. Nominal bedeutet, dass zwischen Gleichheit und Verschiedenheit differenziert werden kann und dass sich keine Rangfolge unter den Daten herstellen lässt. Wenn beispielsweise das Geschlecht abgefragt wird, handelt es sich um nominale Daten. Ordinal heißt, dass die Daten sich zwar in eine Rangfolge bringen lassen, aber dass die Abstände nicht messbar sind. Das ist beispielsweise im Hinblick auf Schulnoten der Fall. Ein Intervallskalenniveau ist gegeben, wenn die Abstände messbar sind, wie im Zuge von Temperaturmessungen. Das Verhältnisskalenniveau wiederum fügt hinzu, dass ein Nullpunkt existiert, wie unter anderem im Rahmen von Längen- und Größenmessungen.371 Streng genommen können Hofstedes Daten, so wie alle Befragungen mit seinem Antwortformat, als ordinalskaliert befunden werden.372 Denn schließlich lässt sich nicht quantifizieren, wie weit ein »Stimme voll zu« von einem »Stimme zu« oder »Stimme eher nicht zu« entfernt ist. Allerdings setzt eine Vielzahl an statistischen Auswertungsverfahren voraus, dass die Daten metrisch373 sind, das heißt, sie müssen intervall- oder verhältnisskaliert sein.374 Nur wenn die Daten metrisch sind, macht beispielsweise die Berechnung von Mittelwerten Sinn.375 Hofstede berechnet und vergleicht hauptsächlich nationale Mittelwerte,376 das heißt, auch er muss, trotz aller Zweifel, ein metrisches Skalenniveau voraussetzen.377 Das ist im Rahmen statistischer Praxis zwar üblich,378 wird aber bisweilen als Kritikpunkt angeführt.379

370 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 85. 371 | Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 43 und 72. Vgl. Fisseni 1997, S. 28 f. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 69. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 24-29. 372 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 69. 373 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 24. 374 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 74 f. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 69. 375 | Vgl. Fisseni 1997, S. 123. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 168. 376 | Vgl. Hofstede 2009, S. 50. »[T]he national averages are the cornerstone of his [Hofstede’s] work«.(Taras und Steel 2009, S. 50). 377 | Vgl. Baumgartel und Thomas 1982, S. 193. 378 | Vgl. Fisseni 1997, S. 28. 379 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 168.

67

68

Nationalkultur versus Berufskultur

Im Zuge der Prüfung von Skalenäquivalenz geht es nicht nur um die Bestimmung des Skalenniveaus einer einzigen Datenmenge, sondern um die Vergleichbarkeit der Skalen in mehreren Kollektiven. 380 Es ist nicht selbstverständlich, dass alle beteiligten Kollektive die Antwortoptionen und deren Abstufungen vergleichbar verstehen. »For example, Riordan and Vandenberg (1994) found that a response of 3 on a 5-point Likert-type scale means ›no opinion‹ to American respondents but ›mild agreement‹ to Korean respondents. As a result of this scale displacement, Korean ›3‹s were equivalent to American ›4‹s and Korean ›4‹s were equivalent to American ›5‹s.« 381

Auch im Falle Hofstedes stellt sich also die Frage, inwieweit die Skalen der Fragebogen-Versionen in den verschiedenen Kollektiven äquivalent sind. Grundsätzlich gilt, dass die sogenannte Measurement Unit Equivalence gegeben ist, wenn die Maßeinheiten verschiedener Skalen die gleichen sind, aber die Skalen nicht den gleichen Ursprung haben. Sie liegt beispielsweise vor, wenn man im Rahmen einer kulturenvergleichenden Studie zu Temperatur die Daten in einem Kollektiv in Celsius und die in einem anderen in Fahrenheit erhebt.382 Null Grad Celsius entspricht schließlich nicht null Grad Fahrenheit. Ist zudem der Ursprung der Messskalen identisch, liegt die sogenannte Scalar Equivalence vor.383 Das ist beispielsweise der Fall, wenn Größen gemessen werden, einmal in Meter und ein anderes Mal in Inch, denn null Meter entspricht null Inch. Die Scalar Equivalence ist notwendig, um die Daten, die anhand der verschiedenen Skalen gewonnen worden sind, sinnvoll vergleichen zu können,384 deswegen wird sie auch Full Score Comparability genannt.385 Ob die Skalen der verschiedenen Übersetzungen des IBM-Fragebogens in diesem Sinne äquivalent sind, ist jedoch zweifelhaft. Denn die Antwortskalen zum Ankreuzen wurden zwar, was ihren Wortlaut angeht, eng übersetzt, aber ob sie tatsächlich den gleichen Nullpunkt aufweisen, bleibt ungewiss. Beispielsweise im Hinblick auf Hofstedes Frage »How often do you feel nervous or tense at work?« war in der Originalversion die Antwortoption »I never feel this way« als Nullpunkt vorgesehen. Es ist zwar wahrscheinlich, dass auch in den meisten fremdsprachlichen Versionen die Antwortoption, welche die Übersetzung von never beinhaltet, als Nullpunkt gilt. Jedoch ist auch denkbar, dass man in man-

380 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 190. 381 | Ebd., S. 190. 382 | Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 261. 383 | Vgl. Ebd., S. 262. 384 | Vgl. Ebd., S. 261. 385 | Vgl. Ebd., S. 262.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

chen Kollektiven Nervosität ungerne zugibt und dass man die Antwort, nie am Arbeitsplatz nervös zu sein, foglich auch dann ankreuzt, wenn man durchaus dort nervös ist. In diesem Falle gäbe es keine Übereinstimmung des Nullpunktes mit der englischsprachigen Originalversion, Skalenäquivalenz läge nicht vor und die Länder-Scores wären somit nicht direkt vergleichbar.

A.III.3.1.3 Kollektivspezifische Antwortverzerrungen Ein weiteres methodisches Problem kulturenvergleichender Forschung, zu dem auch Hofstede Stellung beziehen muss, ist das der sogenannten Response Biases, im Deutschen Antwortverzerrungen.386 »[Response bias is] a systematic tendency to respond to a range of questionnaire items on some other basis than the specific item content«.387 Das heißt, der Befragte könnte Tendenzen haben, Fragen unabhängig von ihrem Inhalt in eine bestimmte Richtung hin zu beantworten. Es sind mehrere verschiedene Arten von Antwortverzerrungen bekannt: die Neigung, Fragen im Sinne der vermuteten social desirability388 zu beantworten,389 die Tendenz zu extremen Antworten, zur Zustimmung, zur Nicht-Beantwortung von Items sowie das sogenannte Non-Contingent Responding, das heißt, ein willkürliches Antwortverhalten aufgrund mangelnder Motivation.390 Zwei Arten kollektivspezifischer Antwortverzerrungen sind im Folgenden von besonderem Interesse: die Tendenz zur Zustimmung sowie jene zur social desirability. Erstere wird auch Akquieszenz, agreement tendency oder yea-saying 391 genannt. Hofstede definiert sie als »tendency to give a positive answer to any question, regardless of its content […]«. 392 Sie schließt die oben beschriebene Skalenäquivalenz aus, denn wenn ein befragtes Kollektiv systematisch höhere Zustimmung ankreuzt als ein anderes, teilen sie folglich nicht den gleichen Nullpunkt. 393 Die Tendenz zur social desirability 394 , also zur sozialen Erwünschtheit, wird von Rippl und Seipel als zweistufiger Prozess verstanden: Zunächst werden bestimmte Inhalte als normenrelevant von dem

386 | Vgl. Eckensberger und Plath 2003, S. 98. 387 | Paulhus 1991, S. 17, zitiert nach: Van Herk et al. 2004, S. 346. 388 | Van Herk et al. 2004, S. 347. 389 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 189. 390 | Vgl. Usunier und Lee 2005, S. 166. 391 | Vgl. Van Herk et al. 2004, S. 347. 392 | Hofstede 2009, S. 56. 393 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 190. 394 | Vgl. Haas 2007, S. 4.

69

70

Nationalkultur versus Berufskultur

Befragten identifiziert, anschließend muss er sich dazu geneigt fühlen, seine Antwort der als sozial erwünscht vermuteten anzupassen. 395 »Social desirability is the tendency to make oneself look good in terms of prevailing cultural norms when responding to questionnaire items (Mick, 1996); it is especially important in personality scales or selfreports of sensitive behavior, and is the most frequently studied response style (Paulhus, 1991).« 396

In den Reihen der Cross-Cultural Psychology geht man davon aus, dass Neigungen zu bestimmten Antwortverhalten systematisch zwischen Nationen ­variieren397 und man versucht diese unterschiedlichen Neigungen zu e­ rmitteln.398 Beispielsweise stellt eine Studie, welche das Antwortverhalten in den USA, Frankreich, Singapur und Australien vergleicht, fest, dass die ersten beiden Länder aufgrund ihres besonders enthusiastischen Kommunikationsstils zum Extreme Response Style, also zu Antworten an den Endpunkten der Skala, neigen. Was wiederum die Nicht-Beantwortung von Fragen angehe, so sind es angeblich Deutsche und Italiener, die eher politische Aussagen verweigern, und Iren, die ungern Informationen zu ihrem Einkommen preisgeben.399 Die Annahme, dass Antworttendenzen zwischen Kollektiven variieren, entfacht die Diskussion, ob das im Rahmen kulturvergleichender Studien ein methodisches Problem darstellt oder nicht. Einige Forscher behaupten, das führe dazu, dass die Ergebnisse beider Kollektive nicht sinnvoll vergleichbar sind. 400 Andere sind hingegen der Meinung, dass ein systematisches Antwortverhalten nicht zwingend als eine störende Verzerrung gewertet werden muss, sondern dass es als ein Charakteristikum des Kollektivs zu sehen ist und somit als solches in die Ergebnisse mit einzufließen hat. 401 Ob man nun kollektivspezifisches Antwortverhalten als problematisch wertet oder nicht, in jedem Fall beeinträchtigt es die Validität der Befragung. 402 Das heißt, der Forscher weiß nicht, was er durch seine Ergebnisse gemessen hat: kollektivspezifische Unterschiede in den Werteinstellungen oder im Antwortverhalten. Wertet man ein kollektivspezifisches Antwortverhalten als

395 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 111. 396 | Van Herk et al. 2004, S. 347. 397 | Vgl. Haas 2007, S. 6. 398 | Vgl. Smith 2004, S. 51. 399 | Vgl. Usunier und Lee 2005, S. 166. 400 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 31. Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 187 und 189. Vgl. Haas 2007, S. 8. 401 | Vgl. Little 2000, S. 215. Vgl. Smith 2004, S. 51. 402 | Vgl. Braun 2000, S. 2.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

problematische Verzerrung, so schließt sich hier außerdem der Anspruch an, es im Rahmen einer Studie zu identifizieren. Ob eine Identifikation eindeutig möglich und somit lohnenswert ist, ist allerdings wiederum eine umstrittene Frage. Einige Autoren weisen auf das Problem hin, dass der Forscher grundsätzlich nie wissen kann, ob es sich überhaupt um Antwortverzerrungen oder um unerwartete Äußerungen der tatsächlichen Werteinstellungen des Befragten handelt. 403 In anderen Worten, man könne dem Befragten nicht unterstellen, dass er in Wirklichkeit hätte anders antworten wollen. 404 Auf der anderen Seite, so betont der andere Flügel, möchte man keine Antwortverzerrungen übersehen. 405 Es sei naiv einen Fragebogen im Kontext eines einzigen K ­ ollektivs zu entwickeln, ihn in einem fremden anzuwenden und die Ergebnisse direkt zu vergleichen. Mitunter identifiziere man Unterschiede, die eher auf unterschiedlichem Antwortverhalten als auf tatsächlich verschiedenartigen Einstellungen beruhen. 406 Ein Lösungsweg um kulturspezifische Antworttendenzen zu identifizieren, ist laut Van de Vijver und Leung der Methoden-Mix. Sie gehen davon aus, dass Antwortverzerrungen an das Forschungsinstrument gebunden sind und schlagen vor, Konstrukte anhand mehrerer verschiedener Instrumente zu testen. Messen die verschiedenen Instrumente die gleichen Unterschiede zwischen den Kollektiven, seien Antwortverzerrungen auszuschließen. 407 Ob allerdings ein kollektivspezifisches Antwortverhalten tatsächlich an eine Erhebungsmethode gebunden ist und nicht doch bei mehreren angewandten Methoden in gleichartiger Form auftritt, wird von anderer Seite her bezweifelt. 408 Ein alternativer Lösungsweg zur Identifizierung von Antwortverzerrungen schlägt vor, die Ergebnisse der Befragung anhand sogenannter Außenkriterien zu überprüfen. 409 Angenommen, man erfragt politische Einstellungen, so könnte man beispielshalber die Antworten mit den letzten Wahlergebnissen vergleichen. Ein weiterer Lösungsweg, der im Konkreten dem Phänomen der Akquieszenz Rechnung zu tragen versucht, ist jener der ausgeglichenen Polung der Items. 410 Das heißt, die Items, die auf das gleiche Konstrukt abzielen, werden in ausgeglichenen Anteilen positiv und negativ formuliert, sodass der Befragte sich widersprechen würde, falls er blind immer nur Ja ankreuzt. Ge-

403 | Vgl. 404 | Vgl. 405 | Vgl. 406 | Vgl. 407 | Vgl. 408 | Vgl. 409 | Vgl. 410 | Vgl.

Smith und Schwartz 1997, S. 81. Usunier und Lee 2000, S. 166. Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 113. Van de Vijver und Leung 2001, S. 1015. Cheung und Rensvold 2000, S. 188. Van de Vijver und Leung 1997, S. 273. Little 2000, S. 215. Van Herk et al. 2004, S. 346. Haas 2007, S. 6.

71

72

Nationalkultur versus Berufskultur

genüber diesem Verfahren werden jedoch zwei Einwände angebracht. Erstens widerspricht ihm, dass eine negative Formulierung in einigen Sprachen sehr umständlich wirkt und hierdurch den Befragten irritieren könnte. 411 Zweitens kann eine Umformulierung ins Negative zu inhaltlichen Abweichungen führen. Schließlich entspricht nicht immer das sprachliche Gegenteil dem logischen beziehungsweise letzteres existiert unter Umständen gar nicht. 412 Hat man nun, mithilfe welchen Verfahrens auch immer, vermeintlich kollektivspezifische Antworttendenzen identifiziert, bietet es sich an, die gewonnenen Erkenntnisse in der Auswertung von Befragungen anzuwenden, indem man die Ergebnisse korrigiert. Beispielsweise kann man die Werte, die ein Kollektiv erzielt hat, das für seine Tendenz zum Ja-Sagen bekannt ist, ­verringern um sie mit dan Antworten weiterer Kollektive vergleichbar zu machen. Bei der Übertragung der einmal ermittelten Antworttendenzen auf weitere Studien ist jedoch Vorsicht geboten. Denn hierbei setzt man voraus, dass das einmal ermittelte kollektivspezifische Antwortverhalten statischer Art ist, das heißt, dass es zu einem anderen Zeitpunkt bei anderen Versuchspersonen und im Hinblick auf andere Themen in gleicher Form wieder auftritt. Diese Annahme ist jedoch nicht bewiesen. Hingegen haben einige Studien bewiesen, dass die Antworttendenzen von Befragten mit den Inhalten 413 oder Formulierungen 414 von Fragebögen variieren. Zu all den genannten Diskussionspunkten bezieht Hofstede Stellung. Zunächst geht er davon aus, dass Antworttendenzen auf nationaler Ebene existieren, 415 was auch logisch erscheint, da er schließlich Nationen als homogene Kulturträger versteht. Weiterhin findet er, dass die nationalspezifischen Antworttendenzen für die empirische Forschung problematisch sind 416 und hält eine Identifizierung dieser Antwortverzerrungen für möglich. Deshalb berechnet und korrigiert er mittels der Methode der sogenannten

411 | Vgl. Smith 2004, S. 51. 412 | Vgl. Van Herk et al. 2004, S. 348. 413 | Vgl. Usunier und Lee 2005, S. 166. Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 189. 414 | Vgl. Cheung und Rensvold 2000, S. 195 f. 415 | »Acquiescence varies not only among occupations but among countries as well« ( Hofstede 2009, S. 56). 416 | »It [acquiescence] tends to distort the answers« (Ebd., S. 56).

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Within-Subject Standardization417 die Akquieszenz in Bezug auf einen Frageblock, den der Work Goal Question. 418 Wie erwähnt entgegnen einige Autoren einer Korrektur von Antworttendenzen, dass diese als kollektivspezifische Charakteristika in die Antworten mit einf ließen sollten. Darüber hinaus zeigt sich Hofstede an dieser Stelle ein weiteres Mal in seinen Ansichten nicht konsequent. Er entscheidet sich dafür, eine bestimmte Antworttendenz als nationalspezifisch zu deklarieren und in seiner Studie zu korrigieren. Das ist legitim, jedoch vernachlässigt er weitere Antworttendenzen, die offensichtlich mindestens genauso relevant erscheinen. So verwundert es, dass er zwar die Akquieszenz als Störfaktor wertet und eliminiert, aber unter anderem die Antworttendenz in Richtung der social desirability vernachlässigt. Gerade diese Antworttendenz wertet McSweeney allerdings als eine Herausforderung der IBM-Befragung. Schließlich, so betont er, haben die IBM-Mitarbeiter gewusst, dass die Daten firmenintern ausgewertet wurden und ursprünglich Hinweise für zukünftige Leitungsstrategien geben sollten. Somit haben sie den Anreiz – und vor allem, wenn der Fragebogen in Gruppen ausgefüllt wurde, auch die Möglichkeit – gehabt, ihre Abteilung positiv darzustellen. 419 »Yet Hofstede relies on the supposition that the answers are immune to respondents’ gaming and were the pure outcomes of unconscious pre-programmed values«. 420 Es ist faszinierend, dass man auch im Falle der kollektivspezifischen Antworttendenzen nicht Halt davor macht, Zusammenhänge zu Hofstedes Dimensionen herzustellen. Beispielsweise, so stellen Anhänger des Hofsted’schen Modells fest, korreliere Akquieszenz mit einer niedrigen Ausprägung des Individualismus, mit einer starken Ausprägung der Machtdistanz 421 sowie mit einem hohen Niveau an Unsicherheitsvermeidung. 422 Die Herstellung einer

417 | Auf die Details dieses statistischen Vorgehens werden im vorliegenden Kontext nicht eingehend erläutert. Es ließe sich wie folgt zusammenfassen: »Hofstede reasoned that if one averages the agreements that a respondent records with a full range of conceptually unrelated items, this can provide an estimate of acquiescent bias. By subtracting this mean from responses to individual items, one can derive scores free of acquiescent bias that may validly be compared across different cultural samples. These corrected scores are sometimes also divided by the standard deviation of the mean« (Smith 2004, S. 51). 418 | Die Fragen sind aufgelistet in Hofstede 2009, S. 467 f. Es handelt sich um die Fragen A5 – A18. 419 | McSweeney 2002b, S. 103. 420 | Ebd., S. 104. 421 | Vgl. Usunier und Lee 2005, S. 166. 422 | Vgl. Rippl und Seipel 2008, S. 112.

73

74

Nationalkultur versus Berufskultur

Beziehung zwischen Antworttendenzen und Dimensionsausprägungen erscheint Kritikern allerdings nicht nur übertrieben, sondern allein deshalb unlogisch, weil letztere sich als Wertedimensionen auf den Inhalt einer Frage beziehen und erstere als Kommunikationsstile gerade den Inhalt außer Acht lassen. 423 An dieser Stelle ist noch einmal der Kulturträger zu diskutieren, auf den sich die Prüfung methodologischer Äquivalenz bezieht. Natürlich wenden die Forscher der Cross-Cultural Psychology, allen voran Hofstede, die Äquivalenzfrage auf Nationen an. Gerade in Bezug auf Antworttendenzen lässt sich jedoch gut veranschaulichen, dass weitere Kollektive mindestens genauso schlüssige Kulturträger sind wie die Nationen. Es ist zwar nicht abwegig, kollektivspezifische Antworttendenzen auf nationaler Ebene anzusiedeln. Denn man könnte die Antworttendenzen als sprachliche Ausdrucksformen verstehen, die an Nationalsprachen gekoppelt sind. Allerdings beschränken sich Sprachen selten auf einzelne Nationen. Und darüber hinaus, so wird auch das vorliegende empirische Projekt belegen (vgl. B.IV.2), schaffen sich innerhalb einer Nationalsprache die Zugehörigen bestimmter Subkollektive ihre passenden Varietäten. Die subkollektivspezifischen Variationen veranschaulicht Hansen wie folgt. »Wir hören, dass der Arbeiter anders spricht als der Politiker, und die Seniorin vom Lande anders als der Sechszehnjährige aus der Stadt […] [Denn] Kollektive unterscheiden sich in ihren Interessen, Kontexten und Standardisierungen.« 424

Auch Hofstede räumt subkollektivspezifische Nuancen eines nationalen Antwortverhaltens ein. In Bezug auf die von ihm korrigierte Ja-Sage-Tendenz fügt er hinzu: »In general, we find that the lower the status and educational level of a category of respondents, the stronger their acquiescence«. 425 Auch hier, so scheint es, nimmt er seinen Kritikern ihre Argumente vorweg, ohne weitreichende Konsequenzen folgen zu lassen.

A.III.3.1.4 Administrative Äquivalenz Als letzte Subkategorie der methodenbezogenen Äquivalenz wird im folgenden Kapitel die administrative im Hinblick auf Hofstedes Studie geprüft. Vergleichbar mit der sogenannten Durchführungsobjektivität 426 bezieht sie sich auf die Umstände der Studiendurchführung. Der Begriff der Administration um-

423 | Vgl. Van Herk et al. 2004, S. 348. 424 | Hansen 2009a, S. 127. 425 | Hofstede 2009, S. 56. 426 | Vgl. Van de Vijver und Leung 1997, S. 267. Vgl. Cavusgil und Das 1997, S. 217.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

fasst hier den Ort und die Terminierung der Befragung sowie die gegebenen Erklärungen und Anweisungen. Folglich meint die administrative Äquivalenz die Vergleichbarkeit von Ort, Zeit und Instruktionen der Befragung in den verschiedenen beteiligten Kollektiven. 427 Sie verlangt, dass eventuell unterschiedliche Umstände sich in vergleichbarer Form auf das Antwortverhalten auswirken. Denkbare Umstände, welche das Antwortverhalten beeinflussen, können beispielsweise sein, in welchem Umfeld der Befragte während des Ausfüllens des Fragebogens ist – entweder zu Hause oder auf der Arbeit mit Kollegen oder alleine im Büro. Zudem kann ausschlaggebend sein, in welcher Stimmung er gerade ist – beispielsweise kurz vor Feierabend, auf einem Betriebsausflug, oder unter Arbeits- und Zeitdruck. Und es könnte relevant sein, welchen Grad an Wichtigkeit der Befragung ihm durch die Instruktionen vermittelt wurde. Das Ziel ist nicht, alle Umstände unter formalen Gesichtspunkten gleichzuschalten 428 in dem Sinne, als dass alle Kollektive den Fragebogen zur gleichen Uhrzeit ausfüllen müssten. Stattdessen dürfen die Umstände an sich durchaus verschieden sein und sollen in ihrer Auswirkung auf das Antwortverhalten äquivalent sein. Beispielsweise würde es nicht zielführend sein, festzulegen, dass alle Kollektive den Fragebogen an einem Freitag ausfüllen. Denn der Umstand des Freitags wirkt sich in verschiedenen Kollektiven unterschiedlich aus. In Ländern wie den USA oder Deutschland ist er der letzte Tag vor dem Wochenende, an dem man sich tendenziell informell zeigt und früher gehen darf. In einigen islamischen Ländern hingegen ist er als Gebetstag arbeitsfrei. Anstatt einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, könnte man, um administrative Äquivalenz herzustellen, beispielsweise festlegen, die Umfrage wird als letzte Aufgabe vor dem Wochenende erledigt – egal, an welchem Tag das ist. Im Hinblick auf Hofstedes riesige Datenmenge muss man einerseits eingestehen, dass die näherungsweise Herstellung administrativer Äquivalenz relativ komplex ist. Andererseits verwundert es gerade deshalb, wie wenige ref lektierte Bemühungen er hierzu zeigt. Indessen zeigt er sich pragmatisch und schildert die Durchführung seiner Umfrage als geradezu willkürlich. »In the larger subsidiaries that had their own personnel research persons or staffs, the latter handled the entire survey administration. In the medium-sized subsidiaries that lacked personnel research persons, lay survey coordinators were nominated, trained by the international head office research staff, and entrusted with the handling of the survey. In the smallest subsidiaries, either a traveling regional head office person distributed the questionnaires and took the completed questionnaires away, or the whole process was handled by mail. […] The actual filling out of the questionnaires

427 | Vgl. Nasif et al. 1991, S. 86. 428 | Vgl. Ebd., S. 86.

75

76

Nationalkultur versus Berufskultur was preferably done during working hours[…]: for employees who had desks, individually, and for employees who did not have desks, usually in the cafeteria, in groups.« 429

Da sich Hofstede nicht explizit um administrative Äquivalenz bemühte, ist nicht anzunehmen, dass sie in Bezug auf eine derartig große Vielfalt an beteiligten Kollektiven in hinreichendem Maße vorlag.

A.III.3.2 Kritik an der Validität des IBM-Fragebogens Nach der Beurteilung methodologischer Äquivalenz wird Hofstedes Fragebogen nun einer Validitätsprüfung unterzogen. Neben der Objektivität und der Reliabilität ist die Validität das wohl wichtigste Gütekriterium 430 eines Fragebogens, das insbesondere im Kontext kulturenvergleichender Forschung eine komplexe Aufgabe darstellt. 431 Die Validität oder »Gültigkeit« 432 betrifft die Frage, ob ein Test diejenigen Merkmale, die er zu messen vorgibt, tatsächlich erfasst. 433 »Messen wir wirklich das, was wir zu messen meinen?« 434 Ein Test ist valide, wenn seine Ergebnisse einen unmittelbaren und fehlerfreien Rückschluss auf den Ausprägungsgrad des zu erfassenden Merkmals zulassen. 435 Beispielsweise soll ein Intelligenztest tatsächlich Intelligenz messen, aber könnte, wenn er nicht ausreichend valide ist, eher die Testangst der Versuchsperson abbilden. 436 Angewandt auf Hofstedes Studie stellt sich nun die Frage, ob die Items des IBM-Fragebogens tatsächlich die Konstrukte der Machtdistanz, der Maskulinität beziehungsweise Femininität, des Individualismus beziehungsweise Kollektivismus und der Unsicherheitsvermeidung in adäquater Form abfragen. Der Validitätsbegriff ist differenziert zu betrachten. Zum einen unterscheidet man die interne beziehungsweise innere und die externe beziehungsweise äußere Validität. 437 Die sogenannte interne Validität meint, dass die erzielten Ergebnisse im Rahmen der Studie eindeutig interpretierbar sind. 438 Je mehr Interpretationsalternativen es gibt, desto stärker sinkt sie. 439 Die externe Va-

429 | Hofstede 2009, S. 46. 430 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 431 | Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 133. 432 | Lienert und Ratz 1998, S. 10. Bortz und Döring 1995, S. 185. 433 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 10. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 434 | Barmeyer und Genkova 2010, S. 133. 435 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 10. 436 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 437 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 39. 438 | Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 133. 439 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 39.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

lidität betrifft die Generalisierbarkeit von Ergebnissen 440 und besagt, dass sie auch außerhalb der Studie auf andere Personen oder Bedingungen übertragbar sind. 441 Die externe und interne Validität stehen gewöhnlich in einer Wechselwirkung zueinander, das heißt, je ausgeprägter die eine ist, desto geringer fällt gewöhnlich die andere aus. Deshalb strebt man in der Regel ein Mittelmaß beider an. 442 Des Weiteren unterscheidet die empirische Sozialforschung die Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität. 443 Die Inhaltsvalidität, die auch repräsentative Validität, 444 Content Validity, 445 Face Validity, Augenscheinvalidität oder logische Validität 446 genannt wird, ist vor allem auf Fragebögen anwendbar, bei denen die Antworten des Befragten dessen Ausprägung des zu erforschenden Merkmals direkt repräsentieren. 447 Sie verlangt, dass der Fragebogen das optimale Kriterium für das Merkmal darstellt, indem seine Items die Merkmalsfacetten entweder vollständig oder zumindest repräsentativ abbilden. 448 Beispiele für inhaltsvalide Tests sind ein Schulkenntnistest, der den entsprechenden Unterrichtsstoff unmittelbar abfragt oder eine Schreibprobe, welche die Genauigkeit und Schnelligkeit des Maschinenschreibens einer Sekretärin direkt prüft. 449 Die Inhaltsvalidität kann nicht numerisch bestimmt werden, sondern beruht auf subjektiven Einschätzungen. 450 Indessen ist die Kriteriumsvalidität beziehungsweise Criterion Validity durchaus numerisch erfassbar, nämlich anhand von Korrelationskoeffizienten. 451 Sie betrachtet Korrelationen der Testergebnisse mit einem Außenkriterium, das vom Test unabhängig erhoben wird. 452 Hierbei wird die Vorhersage- von der Übereinstimmungsvalidität unterschieden. 453 Erstere bedeutet, dass das Außenkriterium erst in Zukunft ermittelt wird, wie zum Beispiel im Falle eines Schuleignungstests, welcher vorhersagt,

440 | Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 134. 441 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 39. 442 | Vgl. Ebd., S. 39. 443 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 444 | Fisseni 1997, S. 94. 445 | Lienert und Ratz 1998, S. 10. 446 | Bortz und Döring 1995, S. 185. 447 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 448 | Vgl. Fisseni 1997, S. 95. Damit nähern sich die Ansprüche der Inhaltsvalidität denen der Interpretationsobjektivität an (Vgl. Fisseni 1997, S. 98). 449 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 10. 450 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 451 | Vgl. Fisseni 1997, S. 98. 452 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 11. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 185. 453 | Vgl. Fisseni 1997, S. 94.

77

78

Nationalkultur versus Berufskultur

auf welche weiterführende Schule das Kind gehen sollte. Hier können die Schulnoten, die als Außenkriterien belegen, wie valide der Schuleignungstest war, erst nachfolgend erfasst werden. 454 Dementsprechend bedeutet die Übereinstimmungsvalidität, dass die Werte des Außenkriteriums zeitgleich zur Testdurchführung bereits vorliegen. Das ist beispielshalber der Fall, wenn die Ergebnisse eines Intelligenztests mit schon vorliegenden Schulnoten verglichen werden. 455 Es erscheint sinnvoll, Außenkriterien anzuwenden, allerdings liegen in vielen Fällen nicht genügend adäquate vor. Angenommen, ein Test möchte das Ausmaß an Religiosität der Versuchspersonen messen – wie es im vorliegenden empirischen Projekt der Fall ist. Denkbare Außenkriterien wären hier die Häufigkeit an Kirchenbesuchen oder die Kenntnisse der Bibel. Allerdings decken beide nur Teilbereiche des komplexen Zielkonstrukts Religiosität ab. 456 Weitere Konstruktfacetten wie der Glaube an Gott sind anhand von Außenkriterien nicht erfassbar. In solch einem Falle bietet sich die Ermittlung der Konstruktvalidität an. Sie bildet eine Art Synthese aus Kriteriums- und Inhaltsvalidität 457 und wird auch theoretische Validität genannt, 458 weil sie im Rahmen der Abfrage von Konstrukten angewandt wird, die aufgrund ihres theoretischen Charakters nicht direkt beobachtbar sind. 459 Die theoretischen Konstrukte müssen erst operationalisiert, also messbar gemacht werden. 460 Hierzu werden sie in ihre Konstruktfacetten zerlegt. 461 Die Konstruktvalidität prüft nun, mithilfe sachlogischer und begriff licher Erwägungen, 462 die Operationalisierung der einzelnen Konstruktfacetten. 463 Es wird deutlich, dass sie eng mit der konzeptuellen Äquivalenz (vgl. A.III.2.3) verknüpft ist, sie ist ihre zwar nicht hinreichende, jedoch notwendige Bedingung. Während die konzeptuelle Äquivalenz sich damit beschäftigt, ob der Forschungsgegenstand beziehungsweise das abgefragte Konstrukt in den verschiedenen involvierten Kollektiven eine vergleichbare Bedeutung hat, bezieht sich die Konstruktvalidität auf nur

454 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 186. 455 | Vgl. Fisseni 1997, S. 99. 456 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 186. 457 | Vgl. Fisseni 1997, S. 96. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 186. 458 | Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 134. 459 | Vgl. Fisseni 1997, S. 94. 460 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 11. 461 | Der Begriff des Konstrukt entspricht dem des concept by postulation und jener der Konstruktfacette kommt dem des concept by intuition gleich (Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 16). 462 | Vgl. Lienert und Ratz 1998, S. 11. 463 | Vgl. Barmeyer und Genkova 2010, S. 134.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

ein Kollektiv und hinterfragt, ob der Fragebogen dort in angemessener Form tatsächlich das Konstrukt widerspiegelt, das es abzufragen vorgibt. Im Hinblick auf Hofstedes Studie ist es zweifelsohne die Konstruktvalidität, die von größter Relevanz ist. Denn der Anwendung von Inhaltsvalidität widerspricht, dass die Dimensionskonstrukte nicht direkt beobachtbar sind und der Überprüfung von Kriteriumsvalidität steht entgegen, dass keine eindeutigen Außenkriterien benannt werden können. Dem stimmt auch Hofstede zu. 464 Er stellt sich also dem Anspruch der Konstruktvalidierung und widmet ihr ein eigenes Kapitel. 465 Es stellt sich nun die Frage, inwieweit sie angemessen verlief. Im Grunde gibt sie kein konkretes Vorgehen vor, gleichwohl nennt der Psychologe Hermann-Josef Fisseni in seinem Lehrbuch zur psychologischen Diagnostik (1997) drei Schritte, welche eine jede Konstruktvalidierung einschließen sollte: die Ableitung des Konstruktes aus der Theorie, die Analyse seiner Items sowie die Herstellung von Zusammenhängen zu fremden Konstrukten. 466 In Bezug auf diese drei Schritte wird nun die Validierung der Hofsted’schen Dimensionskonstrukte am Beispiel der Unsicherheitsvermeidung überprüft. Hierzu wird der IBM-Fragebogen in seiner englischen Originalfassung herangezogen.

A.III.3.2.1 Die Dimensionskonstrukte und ihr Theoriebezug Ein erster unverzichtbarer Schritt im Rahmen einer jeden Konstruktvalidierung, so Fisseni, ist, dass das betreffende Konstrukt einer Theorie zugeordnet beziehungsweise aus ihr abgeleitet wird. 467 In anderen Worten, die theoretische Fundierung des Konstruktes ist offenzulegen. An einer theoretischen Fundierung mangelt es jedoch dem IBM-Fragebogen. Denn er war nicht im Hinblick auf die Abfrage der Hofsted’schen Dimensionskonstrukte konzipiert worden, sondern diente ursprünglich dem Zweck, die Arbeitseinstellungen der IBM-Mitarbeiter zu untersuchen. 468 Der Kontext der Datenerhebung wird von Kritikern gewöhnlich nur knapp erwähnt und wird für die vorliegende Arbeit im Detail recherchiert. Bereits seit 1960 hatten Consultants in unregelmäßigen Abständen unterschiedliche Meinungsumfragen unter den IBM-Mitarbeitern durchgeführt. Um diese Umfragen vergleichbar zu machen, sollte das Forschungsdesign standardisiert werden. Hierzu wurde 1967 ein firmeninternes sechsköpfiges Forschungsteam ernannt, dem auch Hofstede angehörte. Das Team entwickelte einen standardisierten Fragebogen, der zunächst aus

464 | »A large part of Culture’s Consequences was devoted to this kind of [construct] validation« (Hofstede 1980a, S. 327). 465 | Vgl. Hofstede 2009, S. 65-77. 466 | Vgl. Fisseni 1997, S. 106. 467 | Vgl. Ebd., S. 106 f. 468 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 95. Vgl. Hofstede 2009, S. 45.

79

80

Nationalkultur versus Berufskultur

180 Fragen bestand und in fünf Sprachen verfügbar war. Dieser Fragebogen wurde in mehreren Schritten gekürzt und in weitere Sprachen übersetzt. In der Zwischenzeit waren einige lokale Vollzeit-Forschungskräfte angestellt worden, welche wiederum den hohen Grad an Standardisierung bemängelten und mehr Flexibilität für ihre Forschungstätigkeit forderten. Als Kompromiss zwischen Standardisierung und Flexibilität entwickelte das zentrale Forschungsteam, dem auch Hofstede angehörte, 1971 ein sogenanntes core set aus 60 Fragen, welches für alle zukünftigen lokalen Umfragen verpflichtend blieb. Hinzu kamen 66 empfohlene, fakultative Fragen, 469 die den lokalen Forschern mehr Freiraum ermöglichten. Auf Basis dieses Repertoires an Fragen fanden in den folgenden Jahren weitere Befragungsrunden statt. Diese Informationen sind dem Working Paper »The development of a core attitude survey questionnaire for international use« entnommen, welches von Hofstede und zwei weiteren Forschern im Jahre 1976 am European Institute for Advanced Studie in Management in Brüssel veröffentlicht wurde. In diesem Working Paper wird der IBM-Fragebogen in seiner Entwicklung erläutert und für den internationalen Gebrauch zur Verfügung gestellt. Von besonderer Relevanz ist an dieser Stelle die Deutlichkeit, mit welcher der Forschungszweck klargestellt wird. Zum einen sind es »Job attitudes« 470 beziehungsweise »employee ­values«, 471 ­die ­abgefragt werden sollten – von Kulturdimensionen ist keine Rede. Zum anderen zielt der Fragebogen nicht auf den Vergleich verschiedener Nation, sondern auf eine Gegenüberstellung verschiedener Beschäftigungssparten ab. Die Autoren, wie gesagt unter ihnen Hofstede, stellen sogar fest, dass sich Beschäftigungssparten verschiedener Länder mitunter stärker ähneln als verschiedene Sparten des gleichen Landes. »[…], differences occur more along occupational lines than along country lines. The factor structures for U.K. and French Technical Experts are more similar than those for U.K. Technical Experts and U.K. Clerks, not to mention U.K. Operators.« 472

Diese Erkenntnis hat Hofstede nicht davon abgehalten, aus diesen Daten nationale Kulturdimensionen abzuleiten. Er steht dazu, dass sein Datenzugang Willkür anmuten lässt. In einem Buch, das er zusammen mit seinem Sohn veröffentlichte, fassen die beiden zusammen: »In the late 1960s Geert accidentally became interested in national cultural differences – and got access to rich

469 | Hofstede et al. 1976, S. 2 ff. 470 | Ebd., S. 4. 471 | Hofstede 2009, S. 41. 472 | Hofstede et al. 1976, S. 20.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

data for studying them«. 473 Da Hofstede die Daten der Befragung eines fremden Forschungszweckes übernommen hatte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Fragebogen die Dimensionen nicht in optimaler Form abfragt. Auch das wiederum gibt er selbst im folgeden Zitat in unverblümter Form zu, im Hinblick auf die Uncertainty Avoidance-Dimension: »It is possible that other and perhaps better survey indicators of national levels of uncertainty avoidance can be developed, but I had to use the data available in the IBM archives, and uncertainty avoidance was not a familiar concept to us when we composed the IBM questionnaire in 1967.« 474

Den Theoriebezug, den Fisseni fordert, sucht Hofstede im Nachhinein herzustellen. Unter anderem stellt er einen Bezug zu den Organisationstheoretikern Richard M. Cyert und James G. March her. Cyert und March beschreiben in A Behavioral Theory of the Firm (1963), wie Firmen durch Regeln und Planung Unsicherheiten entgegenwirken. 475 Ihre Ausführungen sollen als Ursprung des Konstruktes der Hofsted’schen Unsicherheitsvermeidung dienen. Obgleich hiermit im Nachhinein ein theoretischer Ursprung gewissermaßen konstruiert wurde, mangelt es der Begriffsklärung des Dimensionskonstruktes an Klarheit. Zur Verdeutlichung dieses Problems wird die Begriffsklärung nun einmal im Detail nachvollzogen. Hofstede definiert Unsicherheitsvermeidung als den Grad, zu dem die Bürger einer Nation sich in unstrukturierten Situationen eher wohl oder unwohl fühlen. Unstrukturiert bedeute neu, unbekannt, überraschend – kurzum abweichend vom Gewöhnlichen. 476 Das universale Problem, dem hier Rechnung getragen werde, sei, so wurde bereits ausgeführt (vgl. A.III.2.1) der menschliche Wunsch, das Unkontrollierbare in gewissem Maße mitbestimmen zu wollen. 477 Hofstede bemerkt zudem, dass Unsicherheitsvermeidung nicht mit Risikovermeidung gleichzusetzen sei. Risiken seien spezifisch, Unsicherheit hingegen sei ein diffuses Gefühl. Man könne sogar gezielt Risiken eingehen um Unsicherheiten zu vermeiden. 478 Diese Ausführungen Hofstedes zeigen, dass das Konstrukt

473 | Hofstede und Hofstede 2005, S. ix. 474 | Hofstede 2009, S. 148. 475 | Vgl. Behrens 2007, S. 8. Vgl. Hofstede 2009, S. 146 f. 476 | »Uncertainty avoidance can therefore be defined as the extent to which the members of a culture feel threatened by ambiguous or unknown situations« (Hofstede und Hofstede 2005, S. 167). 477 | Vgl. Hofstede 2007, S. 398. vgl. Hofstede 2009, S. xix f. 478 | Vgl. Hofstede 2007, S. 389. Hofstede 2009, S. 148.

81

82

Nationalkultur versus Berufskultur

Unsicherheitsvermeidung nicht eindeutig geklärt ist. 479 Am ehesten scheint ihm der Begriff der Ambiguitätsintoleranz480 zu entsprechen, eine eindeutige inhaltliche Klärung bleibt jedoch aus. So unklar wie die Begriffsklärung der Unsicherheitsvermeidung präsentiert sich folglich auch die Aussagekraft ihrer Länder-Scores. Zum einen wird scheinbar willkürlich entschieden, welcher Wert überhaupt als hoch oder niedrig einzustufen ist, denn die jeweiligen Punkteabstände bilden kein einheitliches Kriterium. 481 Zum anderen ist die Bedeutung eines sogenannten hohen beziehungsweise niedrigen Wertes unklar. Die Werte, so Behrens, entziehen sich einer eindeutigen Interpretation. 482 Beispielsweise hat Frankreich den gleichen Wert in Uncertainty Avoidance wie Panama. 483 Was soll das im Konkreten bedeuten? Baskerville resümiert: »The use of Hofstede’s dimensions […] raises more problems than it solves«. 484

A.III.3.2.2 Eine Analyse der Konstrukt-Items Ein zweiter unerlässlicher Schritt einer jeden Konstruktvalidierung, so Fisseni, ist die Analyse der Qualität der Items, die vorgeben ein Konstrukt, in Hofstedes Fall also eine Dimension, zu operationalisieren. Im Rahmen einer solchen Analyse kann ein statistischer, semantischer oder sprachlicher Schwerpunkt gesetzt werden. 485 Letzterer wird nun am Beispiel der Unsicherheitsvermeidung veranschaulicht. Die drei Fragen der IBM-Umfrage, anhand derer Hofstede ursprünglich 486 den Uncertainty Avoidance-Index maß, beziehen sich wie bereits erwähnt auf Regelorientierung, Stressempfinden und die geplante Länge der Betriebszugehörigkeit. Für die folgende Analyse wird die Version aus dem oben erwähnten Working Paper »The development of a core attitude survey questionnaire for international use« herangezogen. Denn im Gegensatz zu dem Auszug an Fragen, den Hofstede im Anhang von Culture’s Consequences anführt, wird im Working Paper der Originalfragebogen in seiner gesamten Länge wiedergegeben, sodass auch die Titel und Instruktionen zu den jeweilig relevanten Fragekomplexen in die Analyse mit einbezogen werden können. Die Instruktion zu Frage B60 wird gewöhnlich nicht mehr erwähnt, hat aber sicher in der IBM-Umfrage einen Einfluss auf die Versuchspersonen gehabt. 479 | Vgl. Briley 2009, S. 182. 480 | Vgl. Goodstein 1981, S. 50. Vgl. Korman 1985, S. 244. 481 | Vgl. Behrens 2007, S. 52 f. 482 | Vgl. Ebd., S. 76. 483 | Vgl. Hofstede 2009, S. 151. 484 | Baskerville 2003, S. 10. 485 | Vgl. Fisseni 1997, S. 107. 486 | Der Fragebogen wurde weiterentwickelt (Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. 25). Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf Hofstedes Originalfragebogen.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Tabelle 1: Hofstedes Originalfragen zur Berechnung des Uncertainty AvoidanceIndexes. (Auszug aus Hofstede/Kraut/Simonetti 1976.) v

Fragekomplex

Instruktionen

More about A37 your job

More about the company

About general B60 beliefs

Our company has employees in many countries and we are interested whether the personal opinions of employees differ from country to country. Listed below are a number of statements. These statements are not about the company as such, but rather about general issues in industry. Please indicate the extent to which you personally agree or disagree with each of these statements (Mark one for each line across). Remember: we want your own opinion (even though it might be different from that of others in your country).

Fragestellung

Antwortoptionen

How often do you feel nervous or tense at work?

1. I always feel this way. 2. Usually 3. Sometimes 4. Seldom 5. I never feel this way.

How long do you think you will continue working for this company?

1. T  wo years at ­t he most 2. F  rom two to five years 3. M  ore than five years (but I will probably leave before­ I retire) 4. Until I retire.

Company rules should not be broken – even when the employee thinks it is in the company’s best interests.

1. Strongly agree 2. Agree 3. Undecided 4. Disagree 5. Strongly disagree

83

84

Nationalkultur versus Berufskultur

Die Formel zur Berechnung des Uncertainty Avoidance-Indexes pro Land ­lautet:487 UAI = 300 – 40 x (mean score A37) – (% answer 1 or 2 in A43) – 30 x (mean score B60). Auf dieser Berechnungsgrundlage veröffentlicht Hofstede Scores für 50 Länder und drei Regionen, namentlich Westafrika, Ostafrika und einige arabische Länder. Griechenland besetzt mit einem Wert von 112 den ersten und Singapur mit einem von 8 den letzten Platz, Frankreich teilt mit Spanien, Argentinien, Panama, Chile und Costa Rica den Wert 86 und somit den Rang 10 und Deutschland liegt mit einem Score von 65 an 29. Stelle. Der Mittelwert ist 65 und die Standardabweichung beträgt 24. 488 Bereits auf den ersten Blick werden erste Formulierungsmängel der Items deutlich. Ihre sprachliche Ausgestaltung entspricht nicht dem heutigen Stand der Fragebogenentwicklung. Zum einen beinhaltet die Frage A37 die Aufzählung »nervous or tense« und ist somit nicht eindimensional. 489 Eindimensional meint: »Man lege jeder Aufgabe nur einen sachlichen Inhalt oder Gedanken zugrunde«. 490 Was kreuzt der Befragte an, falls er nicht beides zugleich, sondern ausschließlich Anspannung oder Nervosität empfindet? Des Weiteren sind die Begriff lichkeiten der Nervosität und Anspannung nicht eindeutig. Denn beide sind subjektive Bewertungen von Empfindungen, die an dieser Stelle nicht objektiv definiert sind. Außerdem bleibt unklar, welches Ausmaß die Befindlichkeit haben muss um im Rahmen der Umfrage von Relevanz zu sein. Auch die Häufigkeitsangaben als Antwortoptionen sind nicht eindeutig. Während ein wöchentliches Auftreten für den einen Befragten häufig sein mag, kann es für den anderen als selten wahrgenommen werden. Indessen sind Formulierungen wie »immer« und »nie« zwar eindeutig, können aber vom Befragten als unrealistisch empfunden werden. 491 Was Frage A43 angeht, so ist zu bemängeln, dass sich die Antwortoptionen überschneiden. Schließlich kann die Zeit bis zur Rente die ersten beiden Antwortoptionen beinhalten. Zudem ist unklar, welche Werteprioritäten durch die Länge der Betriebszugehörigkeit abgefragt werden. Denkbar wäre es unter anderem, dass Befragte durch die Ablehnung eines Arbeitgeberwechsels ausdrücken möchten, dass sie einem erfüllenden Familienleben eine höhere Priorität einräumen als einer

487 | Hofstede 2009, S. 491. 488 | Vgl. Hofstede 2009, S. 151. 489 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 51. 490 | Lienert und Raatz 1998, S. 52. 491 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 51.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

beruf lichen Profilierung in Form von Mobilitätsbereitschaft. 492 Auch Frage B60 ist ungünstig ausgedrückt, erstens, weil sie lang und somit umständlich formuliert ist, 493 und zweitens weil sie eine Negation beinhaltet. Negationen – vor allem, wenn auch im Antwortformat weitere auftauchen – vermindern die Fähigkeit des Befragten, spontan und intuitiv zu antworten. 494 Zudem ist die Situation, in die sich alle Befragten hineinversetzen sollen, nicht ausreichend konkretisiert, sodass davon auszugehen wäre, alle stellen sich die gleiche ­Situation vor. Während beispielsweise einige Befragte unter »company rules« elementare Sicherheitsbestimmungen verstehen mögen, könnten sich andere eher nebensächliche Regelungen vorstellen. Eine mangelnde Konkretisierung von Items mindert die Wahrscheinlichkeit, dass die Antworten mehrerer Befragter tatsächlich vergleichbar sind. 495 Schon anhand dieser knappen Evaluierung der sprachlichen Formulierungen lässt sich erahnen, dass es nicht offensichtlich ist, was diese Fragen überhaupt messen. Zudem scheint zweifelhaft, dass anhand von nur drei Fragen das so schwer greif bare Konstrukt der Unsicherheitsvermeidung erfasst werden kann. 496 Die Zweifel begründen sich nicht nur darin, dass die Fragen wenige sind, sondern auch darin, dass sie auf sehr verschiedenartige Konstruktfacetten abzielen. Während Frage A37 einen intimen Gefühlszustand erfragt, bezieht sich Frage A43 auf die zukünftige Lebensplanung und Frage B60 auf einen moralischen Konf likt. Auch inhaltlich ist kein direkter Zusammenhang ersichtlich, denn einmal geht es um nervöses Empfinden, einmal um die geplante Länge der Betriebszugehörigkeit und einmal um den bewussten Umgang mit Arbeitsvorschriften. Wie soll das konzeptionell zusammenhängen? Eine Studie aus dem Jahre 2008 versuchte das zu beantworten. Hier wurden zwei Gruppen aus insgesamt 157 Studenten mit Erfahrung in empirischer Sozialforschung beauftragt, die Items des IBM-Fragebogens nach ihrem Verständnis den ersten vier Hofsted’schen Dimensionen zuzuordnen. Die Fragen zur Uncertainty Avoidance-Dimension wurden in der einen Gruppe nur zu 30,4% und in der anderen nur zu 26% treffend zugeordnet. Diese niedrigen Quoten sprechen dafür, dass die Item-Komposition nicht augenscheinlich

492 | Vgl. Behrens 2007, S. 95 f. 493 | Items sollten eher als »short, simple sentences« (Van de Vijver und Leung 1997, S. 273). formuliert sein. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 53. Vgl. Kirchhhoff et al. 2010, S. 27. 494 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 224. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 53. 495 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 224. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 53. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 51. 496 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 105.

85

86

Nationalkultur versus Berufskultur

sinnvoll zusammenhängt. 497 Behrens stellt fest: »Unsicherheitsvermeidung erweist sich […] als Fiktion«. 498 Über diesen ersten augenscheinlichen Eindruck hinaus werden die drei Fragen zur Messung von Unsicherheitsvermeidung nun einer standardisierten Qualitätsanalyse unterzogen. In ihrem Buch Design, Evaluation, and Analysis of Questionnaires for Survey Research (2007) stellen Willem Saris und Irmtraud Nora Gallhofer, zwei Wissenschaftler am Research and Expertise Centre for Survey Methodology in Barcelona, den sogenannten Survey Quality Predictor499 vor. In dieses Computerprogramm wird ein Fragebogen-Item eingegeben, dann werden einige Angaben zu seinen Charakteristika gemacht. Beispielsweise gibt man an, ob es sich um eine uni- oder bipolare Antwortskala handelt, wie viele Antwortkategorien es gibt, wie viele abstrakte Nomen auftauchen, ob es die »Weiß nicht«-Antwortoption gibt und aus wie vielen Silben die Frage besteht. Anhand dieser Angaben berechnet das Computerprogramm die zu erwartende Reliabilität, Validität und Qualität des Items. Die Reliabilität bezeichnet die Messgenauigkeit, die Validität stellt die Gültigkeit der Messung dar und die Qualität meint in diesem Zusammenhang das Produkt aus beidem.500 Weiterführend kalkuliert das Programm pro Charakteristikum, welche Steigerung der Qualität sich wahrscheinlich durch eine Abänderung erzielen ließe. Der Survey Quality Predictor wird im empirischen Teil dieser Arbeit zur Evaluierung des Fragebogens der vorliegenden Studie angewandt (vgl. B.IV.5). An dieser Stelle wird er herangezogen, um die drei Fragen zur Berechnung des Unsicherheitsvermeidungsindexes zu bewerten. Die Ergebnisse präsentieren sich wie folgt. In Bezug auf die Frage A37 zum Stressempfinden ergibt sich ein Qualitätskoeffizient von 0.614 beziehungsweise die erklärte Varianz beträgt 61,4 %. Das bedeutet, 61,4% des Antwortverhaltens ist wahrscheinlich auf das tatsächliche Stressempfinden zurückzuführen und die restlichen 38,2% sind durch Messfehler bedingt.501 Um den Qualitätskoeffizienten zu steigern, wird unter anderem vorgeschlagen, die Anzahl an Antwortkategorien zu erhöhen. Im Hinblick auf die Frage A43 nach der vorhersehbaren Länge an Betriebszugehörigkeit wird ein Qualitätskoeffizient von 0.654 berechnet. Zu seiner Verbesserung wird unter anderem empfohlen die Silbenanzahl zu reduzieren. Die Frage B60 zur Regelorientierung weist mit 0.590 den niedrigsten Qualitätskoeffizienten auf. Um ihn zu erhöhen, wird vorgeschlagen, das Item, das in der Originalversion hinter der hundertsten Stelle steht, weiter vorzuziehen.

497 | Vgl. Blodgett et al. 2008, S. 762. 498 | Behrens 2007, S. 96. 499 | Vgl. RECSM 2013. 500 | Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 188. 501 | Vgl. Ebd., S. 264.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Diese drei Qualitätskoeffizienten sind zwar nicht als außergewöhnlich niedrig zu bewerten, zeigen sich jedoch eher verbesserungswürdig als überzeugend.502

A.III.3.2.3 Der Zusammenhang zwischen den Dimensionskonstrukten und externen Daten Ein letzter Schritt, der laut Fisseni Teil einer jeden Konstruktvalidierung sein sollte, ist die Herstellung von Zusammenhängen vom Testkonstrukt zu fremden Konstrukten.503 In anderen Worten, man rechtfertigt die Operationalisierung des Testkonstruktes dadurch, dass die Ergebnisse der Studie in einen logischen Zusammenhang zu externen Daten gebracht werden. Hierzu greift man auf renommierte Hypothesen zurück, die das Testkonstrukt ­spezifizieren. Dieses Vorgehen lässt sich an einem Beispiel veranschaulichen. Angenommen, eine Studie erforscht das Testkonstrukt Stress in verschiedenen Berufsgruppen und kommt zu dem Schluss, dass das Stresslevel in einer bestimmten Berufsgruppe besonders hoch ist. Nun möchte man die Konstruktvalidität dieses Tests begründen, das heißt, man möchte Argumente dafür sammeln, dass der Test tatsächlich Stress gemessen hat. Hierzu würde man sich auf Hypothesen zur Erläuterung des Testkonstruktes Stress berufen. Unter anderem könnte eine solche Hypothese lauten, dass Stress Schlafprobleme mit sich bringt. Diesbezüglich könnte man eine fremde Studie heranziehen, die Schlafprobleme gemessen hat und eine hohe Ausprägung in genau jener Berufsgruppe festgestellt hat, in der auch ein hohes Stresslevel gemessen wurde. Die Übereinstimmung der Ergebnisse würde dafür sprechen, dass der Test Stress verlässlich abgefragt hat. Im Rahmen der Validierung des Testkonstruktes anhand von Korrelationen mit externen Daten ist entscheidend, dass sie anhand der Bestätigung von Hypothesen geschieht, die im Vorhinein aufgestellt wurden. Ansonsten würde das Konstrukt nachträglich in beliebige Richtungen spezifiziert. Genau hier, so wird im Folgenden belegt werden, liegt Hofstedes Problem. Grundsätzlich schließt er sich dem Vorgehen an. »Validation means correlating the country scores with data from other surveys and with indexes measured at the country level«.504 Er kündigt seine Validierungsversuche wie folgt an: »Validity of a test means that its scores relate to outside measures of the same or related phenomena in ways predicted by the test’s theory. […] Validation in this case meant correlating the IBM country scores on the four dimensions with country scores

502 | Vgl. Ebd., S. 264. 503 | Vgl. Fisseni 1997, S. 108 f. 504 | Hofstede 2009, S. 41.

87

88

Nationalkultur versus Berufskultur derived from other studies in different disciplines and conceptually related to the same issues.« 505

Im Anschluss an diesen Textauszug nennt Hofstede verschiedene Quellen externer Daten, mit denen er seine Ergebnisse vergleicht. Drei Arten externer Quellen, auf die er sich beruft, werden im Folgenden betrachtet. Erstens zieht er fremde Studien heran. Manche unter ihnen vergleichen Nationen ähnlich wie er anhand von matched samples,506 andere suchen eine Nation anhand repräsentativer Stichproben zu beschreiben. So stellt er beispielsweise Korrelationen von seinen Daten mit den nationalen Normwerten der Big Five-­ Persönlichkeitsfaktoren507 fest.508 Als zweite Quelle lässt Hofstede Erzählungen beziehungsweise persönliche Erfahrungen in die Konstruktvalidierung mit einfließen:509 »The idiographic element in my research is that I had frequently visited and interacted intensively with a fair number of the participating IBM subsidiaries during the organization of the first survey cycle. My interpretations of the sources found are often based on personal observations and profound discussions with locals of different ranks.« 510

Als dritte externe Quelle bezieht er nationale sozio-ökonomische Verbindungsindikatoren mit ein. Zu den Verbindungsindikatoren zählt er Wohlstand  – operationalisiert als das Bruttosozialprodukt pro Kopf – , die wirtschaftliche Wachstumsrate von 1960 bis 1970, die wirtschaftliche Wachstumsrate von 1965 bis 1990, die geographische Breite, die Bevölkerungsgröße, das Bevölkerungswachstum, die ­Bevölkerungsdichte sowie die absolute und die relative Größe der entsprechenden IBM-Niederlassung.511 Hofstede betont die große Anzahl externer Daten, die er berücksichtigt: »The count of significant and

505 | Ebd., S. 67. 506 | Wie erwähnt (Vgl. A.III.1.3) werden unter matched samples eingegrenzte Stichproben verschiedener Länder verstanden, die sich möglichst nur im Hinblick auf ihre Nationalität unterscheiden sollen. 507 | Das Modell der Big Five ist ein Modell der Persönlichkeitspsychologie. Die fünf Faktoren sind das Resultat jahrzehntelanger empirischer Persönlichkeitsforschung und gelten als die empirisch mit am besten nachgewiesenen Persönlichkeitsmerkmale (Vgl. Digman 1996, S. 1). 508 | Vgl. Hofstede 2007, S. 389. 509 | Vgl. Behrens 2007, S. 56 f. 510 | Hofstede 2009, S. 27. 511 | Vgl. Ebd., S. 68 f.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

independent correlations has grown to more than 400«.512 Die Menge an Korrelationen soll gewissermaßen für die Aussagekraft seiner Dimensionen sprechen.513 Von der Quantität der Korrelationen abgesehen wird jedoch die Qualität seiner Vorgehensweise vielfach in Frage gestellt.514 Denn obgleich er an fremde Folgestudien hohe Ansprüche stellt und auf einige Fallstricke hinweist,515 zeigt er sich im Hinblick auf sein eigenes Vorgehen wieder einmal pragmatisch.516 Seine Vorgehensweise wird im Folgenden pro externe Quelle diskutiert und anhand von Beispielen erläutert. Als hauptsächliche Quelle externer Daten zieht Hofstede also die Ergebnisse fremder Studien heran. Ihre Anzahl ist beeindruckend hoch. »Altogether, data from 140 other studies comparing from 5 to 39 countries were found to be significantly correlated with one or more of the five dimensions«.517 Die hohe Anzahl, so bemängelt Behrens, beinhalte auch Studien, die zu verschiedenartig konzipiert seien um mit der IBM-Befragung vergleichbar zu sein. Die Anzahl und Auswahl der untersuchten Länder, die theoretische Ausrichtung und Begriff lichkeiten der Studien, ihr experimentelles Design sowie der Untersuchungszeitpunkt und die Zusammensetzung an Versuchspersonen seien stellenweise so grundverschieden, dass Zusammenhänge zu den IBM-Daten schwer herzustellen seien.518 Ein noch gravierenderes Problem an Hofstedes Auswahl fremder Studien ist jedoch, dass er bloß jene berücksichtigt, deren Ergebnisse in sein Bild passen. Dieses Vorgehen identifiziert Behrens als eine seiner »Immunisierungsstrategien«.519 Behrens analysierte in ihrem Arbeitspapier Konservierung von Stereotypen mit Hilfe der Statistik. Geert Hofstede und sein kulturvergleichendes Modell (2007) seine verschiedenen Strategien zur Abwehr jeglicher Kritik und Modifizierung seines Modells. Eine bedeutende Immunisierungsstrategie im Rahmen seiner Konstruktvalidierung sei, dass er jegliche Falsifizierung seiner Ergebnisse anhand fremder Daten von vornherein ausschließe.520 Das deckt sich mit McSweeneys Vorwurf, Hofstede selektiere nur jene fremden Daten, die seine Erkenntnisse unterstützen, nach dem Motto »recognize anything supportive, ignore anything which contradicts«.521

512 | Hofstede 2002, S. 4. 513 | Vgl. Ebd., S. 4. 514 | Vgl. Blodgett et al. 2008, S. 762. 515 | Vgl. Hofstede 2009, S. 463 f. 516 | Vgl. Behrens 2007, S. 220 f. 517 | Hofstede 2009, S. xx. 518 | Vgl. Behrens 2007, S. 15. 519 | Ebd., S. 56f. und 60f. 520 | Vgl. Ebd., S. 56 f. 521 | Mc Sweeney 2002a, S. 1366.

89

90

Nationalkultur versus Berufskultur

Beispielsweise stellt Hofstede fest, dass Japaner aufgrund ihrer hohen Unsicherheitsvermeidung im Vergleich zu US-Amerikanern eher risikoscheu und weniger innovativ seien. Allerdings weisen Kritiker auf eine externe Studie hin, die besagt, dass die Anzahl an Patenten pro Wissenschaftler in Japan bedeutend höher ist als in den USA. Dieses Ergebnis würde Hofstedes Bild widersprechen und wird von ihm nicht berücksichtigt. Es lässt sich nur mutmaßen, ob diese und ähnliche Studien ihm überhaupt bekannt sind. In jedem Fall ist es auffällig, dass er kein widersprüchliches Studienergebnis erwähnt.522 Ein ähnlicher Weg um jeglicher Falsifizierung seines Modells vorzubeugen, ist, die Zusammenhänge stets passend zu deuten – auch wenn alternative Interpretationen logischer scheinen. Beispielsweise zitiert Hofstede eine Studie, welche die Geschwindigkeitsbeschränkungen in 14 Ländern untersucht. Es zeigt sich, dass die Länder, die eine strenge Geschwindigkeitsbegrenzung haben, tendenziell jene sind, die laut der IBM-Studie einen niedrigen UA-Wert haben. Hofstede erläutert: »The emotionality in high-UAI [uncertainty avoidance index] cultures produces a sense of stress, of urgency, which in turn leads the people in those cultures to want to drive faster«.523 Um Unsicherheiten zu vermeiden, möchte man also schneller fahren? Das scheint auf den ersten Blick nicht logisch. Als mindestens genauso stimmig erweist sich die alternative Interpretationsmöglichkeit, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen eine Manifestation von Unsicherheitsvermeidung sind, weil sie die Unfallgefahr mindern. Stünde diese Alternative im Einklang mit Hofstedes Länder-Scores, so lässt sich mutmaßen, würde sie ihm auch nicht abwegig erscheinen. Im Anschluss an die Erkenntnis, dass er die Interpretationen von Zusammenhängen so dreht und biegt, bis sie ihm passen, verwundert es nicht, dass seine Deutungen mitunter ins Unhaltbare abweichen. Beispielsweise stellt er Zusammenhänge von der Masculinity/Femininity-Dimension zu religiösen Aspekten her. »The major conclusion [of the corresponding study] […] is that among Christian countries, the tough, masculine societies endorse most strongly the importance of God – and other values derived from it. One could argue that this is obvious: The Christian God is the father; He is masculine.« 524

In den christlichen Ländern, für die Hofstede einen hohen maskulinen Index festgestellt hat, beobachtet also eine fremde Studie, dass die Gottesfigur in den

522 | Vgl. Early 2009, S. 31 f. 523 | Hofstede 2009, S. 174. 524 | Hofstede 1998d, S. 201.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Vordergrund gestellt wird. Hofstede findet das obvious, schließlich sei Gott die männliche Vaterfigur. Das klingt allerdings im Hinblick auf Hofstedes eigene Beschreibung der Masculinity-Dimension konfus. Denn ein starkes Ausmaß an Maskulinität meint laut seinen Ausführungen nicht, dass in verschiedenen Kontexten mehr Männer- als Frauenfiguren auftauchen. Maskulinität soll laut Hofstede eigentlich ausdrücken, dass vermeintlich typisch männliche Charakterzüge in einer Gesellschaft überwiegen und relativ hoch geschätzt werden. Zu diesen Charakterzügen zählt er vor allem Leistungsbedürfnis, Durchsetzungsvermögen und materialistisches Erfolgsstreben.525 Damit, diese harten, menschlichen Eigenschaften nun auf die väterliche Gottesfigur zu beziehen, dürften einige gläubige Christen nicht einverstanden sein. Es lässt sich also festhalten, dass Hofstede fremde Studienergebnisse, die seinen Erkenntnissen zu einer bestimmten Dimension widersprechen, entweder ignoriert oder abwegig interpretiert. Manchmal erklärt er sie auch kurzerhand als Manifestationen einer anderen Dimension als jener, an die sie augenscheinlich anknüpfen. Hierzu nennt Behrens ein Beispiel in Bezug auf Power Distance. Eigentlich vertritt Hofstede die These, dass körperliche Bestrafung eine Facette stark ausgeprägter Machtdistanz ist.526 Allerdings, so Behrens, korreliere Großbritanniens geringer Wert an Machtdistanz nicht logisch mit der Begebenheit, dass die Tradition körperlicher Bestrafung in britischen Schulen relativ lange überlebt hat. Hofstede ignoriert diesen Widerspruch, indem er kurzerhand umdisponiert und die Prügelstrafen in Großbritannien auf den Länder-Score in Maskulinität zurückführt.527 Vor dem Hintergrund, dass er, um seine Erkenntnisse nicht falsifizieren zu müssen, fremde Erkenntnisse mal der einen und mal der anderen Dimension zuschreibt, verwundert es nicht, dass sich seine Dimensionskonstrukte als nicht trennscharf erweisen. Beispielsweise zieht er eine Studie heran, die in christlichen Ländern die Anteile an Protestantismus und Katholizismus untersucht und führt die Ergebnisse auf zwei seiner Dimensionen zurück, auf jene der Uncertainty Avoidance und der Masculinity. Eine starke Ausprägung beider Dimensionen spreche jeweils für einen großen katholischen Anteil.528 Die Dimensionen überschneiden sich also und das wiederum, so Behrens, stellt ihren Status in Frage.529 Auch in Bezug auf die Geschwindigkeitsbeschränkungen stellt Hofstede Zusammenhänge zu zwei Dimensionen her. Wie bereits erwähnt postuliert er erstens, dass eine Abneigung gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Stress und die

525 | Vgl. 526 | Vgl. 527 | Vgl. 528 | Vgl. 529 | Vgl.

Hofstede und Hofstede 2005, S. 120. Hofstede 2009, S. 101. Behrens 2007, S. 161. Vgl. Hofstede 2009, S. 101. Hofstede 1998d, S. 198. Behrens 2007, S. 64.

91

92

Nationalkultur versus Berufskultur

Eile im Zuge einer hohen Unsicherheitsvermeidung zurückzuführen sei. Zudem rühre sie auch von einem geringen Maskulinitätsindex her. »Masculinity implies, ›fast is beautiful‹«.530 An diesem Beispiel zeigt sich, dass Hofstede seine Erkenntnisse gerne in simplen Floskeln bis hin zu reißerischen Slogans verpackt. Die Seriosität solcher Aussagen sei allerdings in Frage gestellt. Neben den Ergebnissen fremder Studien beruft sich Hofstede zweitens auf anekdotische Erzählungen, das heißt, er erzählt Geschichten, die er selber erlebt oder gehört hat und die gut zu seinen ermittelten Dimensionsausprägungen passen. Hierbei, so bemängelt McSweeney, handele es sich jedoch um »illustrative stories«,531 die einfach anhand von Gegenbeispielen widerlegbar seien.532 Er zieht als Beispiel Hofstedes These heran, die Freud’schen Theorien seien eine Konsequenz der österreichischen Nationalkultur. Schließlich habe Österreich einen niedrigen Power Distance-Wert und einen hohen Masculinity-Score. Ersterer schlage sich darin nieder, dass im Freud’schen Modell Raum für ein Ich geschaffen wird, welches zwischen dem Es und dem ÜberIch vermittelt. Und letzterer begründe den Freud’schen Fokus auf den Sexualtrieb. Diese Verbindungen klingen nicht nur an den Haaren herbei gezogen, sondern sind zudem, so McSweeney, einfach widerlegbar.533 Beispielsweise Hitlers »Der Kampf« verherrliche – trotz des niedrigen österreichischen Power Distance-Wertes – eine autoritäre Führung. Und Felix Saltens »Bambi« sei frei von sexuellen Schilderungen – ungeachtet des hohen österreichischen Masculinity-Scores. Genauso plausibel könne man postulieren, dass Freud jene Theorien entwickelt hat, weil sein Sternzeichen der Stier war.534 Ein weiteres Beispiel für einen Hofsted’schen Validierungsversuch anhand von Anekdoten ist, dass er für Länder mit einem niedrigen Power Distance-Wert die typische Eigenschaft nennt: »Powerful people should try to look less powerful than they are«.535 Diese Erkenntnis hatte er zum einen abgeleitet von der Aussage eines schwedischen Universitätsbeamten in einem persönlichen Gespräch. Zum anderen wird sie von zwei weiteren Anekdoten untermauert. Erstens hat Hofstede den niederländischen Ministerpräsidenten Joop Den Uyl mit dem Wohnwagen auf einem Campingplatz in Portugal Urlaub machen sehen. Zweitens hat er sich sagen lassen, der österreichische Kanzler Bruno Kreisky sei gerne mit der Straßenbahn zur Arbeit gefahren.536 Hier werden zwei

530 | Hofstede 1998a, S. 26. 531 | McSweeney 2002b, S. 108. 532 | Vgl. Ebd., S. 108. 533 | McSweeney 2002a, S. 1367. 534 | Vgl. Ebd., S. 1366 f. 535 | Vgl. Hofstede 2009, S. 98. 536 | Vgl. Ebd., S. 97.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Probleme aufgeworfen. Es scheint unklar, ob diese Anekdoten in irgendeiner Form repräsentativ sind. Wenn der Kanzler Straßenbahn fährt, ist er vielleicht unter den Regierungsbeamten seines Landes eine Ausnahme. Zudem werden die Anekdoten ohne jegliche Kontextinformationen interpretiert.537 Fährt ein Ministerpräsident gerne mit dem Wohnwagen, weil er eine geringe Machtdistanz ausdrückt, oder vielleicht, weil seine Frau eine persönliche Vorliebe für das Camping hat? Außerdem werden auch hier, wie oben bereits beschrieben, nur Anekdoten ausgewählt, die in Hofstedes Bild passen. Dem gegenüber schlägt Behrens beispielsweise vor, zu hinterfragen, warum in einem Land mit einem derart niedrigen Power Distance-Wert wie Österreich die Anrede mit akademischem Titel so verbreitet ist.538 Zuletzt ist im Hinblick auf die Anekdoten bemerkenswert, dass Hofstede sie bewusst subjektiv interpretiert. Beispielsweise stellt er fest, dass es für Länder mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung typisch ist, dass im Schulumfeld Lehrer als Experten und Eltern als Laien gesehen werden. Diese Pauschalaussage stützt er anhand eines persönlichen Erlebnisses. Er habe einem belgischen Lehrer, den er für außerordentlich fähig hält, die Beschämung im Gesicht angesehen, als englische und niederländische Eltern von Schülern in einer Sitzung einen Tagesordnungspunkt besprechen wollten, dessen Besprechung er nicht vorgesehen hatte.539 Zwei Aspekte, nämlich dass der Lehrer sehr kompetent war und dass sein Gesichtsausdruck Beschämung ausdrückte, beruhen einzig auf Hofstedes subjektiver Beobachtung und Interpretation. Ob andere Anwesende die Vorkommnisse gleichartig interpretiert haben, bleibt ungeklärt. Hofstede hinterfragt seine persönlichen Eindrücke nicht und das lässt sie zweifelhaft erscheinen. Zugleich verwirrt es, wie unbesonnen er wiederum in anderen Fällen auf die Erzählungen anderer vertraut. Beispielsweise postuliert er, je höher die Unsicherheitsvermeidung sei, desto geringer sei das Vertrauen der Menschen in die eigene Einf lussnahme auf Regierungsentscheidungen. Dieser Zusammenhang basiert auf einer Geschichte, die ein in Belgien wohnhafter US-Amerikaner Hofstede erzählt hat. Der US-Amerikaner startete eine Unterschriftenaktion in der Nachbarschaft gegen die Lärmbelästigung durch einen nahe gelegenen Flughafen. Laut seiner Aussage haben die Briten und Niederländer der Nachbarschaft gerne unterschrieben, wohingegen die belgischen Nachbarn sich resigniert zeigten.540 Diese Unterschiede in der Bereitschaft mitzuwirken mag es tatsächlich in der Form gegeben habe. Aber wäre es nicht auch denkbar, dass der US-Amerikaner die Reaktionen seiner

537 | Vgl. 538 | Vgl. 539 | Vgl. 540 | Vgl.

Behrens 2007, S. 53. Ebd., S. 55. Hofstede 2009, S. 163. Ebd., S. 171.

93

94

Nationalkultur versus Berufskultur

Nachbarn auch nicht hundertprozentig objektiv bewertet hat, sondern in seiner Wahrnehmung noch durch andere Faktoren beeinf lusst war? Hofstede scheint das nicht zu hinterfragen. Stattdessen beruft er sich unbekümmert auf eigene sowie fremde subjektive Einschätzungen, sofern sie seine Thesen unterstützen. Hofstede stellt also Zusammenhänge seines Modells mit externen Studienergebnissen und mit persönlichen und fremden Anekdoten her. Zuletzt beruft er sich zudem auf sozioökonomische Kennwerte. Laut Baskerville vermitteln die Kennwerte den Eindruck, dass die Dimensionen sozio-ökonomischen Ursprungs sind. Folglich, so bemängelt sie, seien die Dimensionen streng genommen nicht als Kulturdimensionen zu bezeichnen.541 Weiterhin finden Kritiker, dass Hofstede im Hinblick auf sozioökonomische Kennwerte Korrelationen mit Kausalzusammenhängen verwechsle. Beispielsweise stellt er einen Zusammenhang zwischen einem hohen Individualismus-Index und dem Bruttosozialprodukt per Kopf fest. Sind westliche nationale Kulturen nun individualistisch, weil sie reich sind? Oder sind sie reich, weil sie individualistisch sind? Letzterer Annahme würde unter anderem widersprechen, dass aufstrebende Nationen wie Japan oder Hongkong einen niedrigen Individualismus-Wert aufweisen.542 Auf alle Fälle scheint die Komplexität der Zusammenhänge zwischen Kultur und sozio-ökonomischen Zuständen und Entwicklungen unterschätzt zu werden.543 »Die ökonomische Entwicklung verschiedener Staaten ist auch durch Faktoren wie deren geographische Lage, deren ökonomische und politische Abhängigkeiten im internationalen Machtgefüge, des Rassismus oder deren koloniale Geschichte geprägt. Die Variable ›Kultur‹ ist [nur] ein Faktor, der in Wechselwirkung zu anderen Rahmenbedingungen steht.« 544

Auch hier, im Hinblick auf die sozioökonomischen Verbindungsindikatoren, ist offensichtlich, dass Hofstede nur jene berücksichtigt, die in sein Bild passen. Ein Beispiel für einen Verbindungsindikator, der sein Modell nicht deckt, betrifft Gewerkschaftskämpfe als Ausdruck eines hohen maskulinen Wertes. Prinzipiell gelte, so Hofstede, je maskuliner eine Kultur, desto antagonistischer die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften. Ein hoher maskuliner Index erkläre, dass Kämpfe mit Gewerkschaften nicht zu lösen sind, denn Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft gelten als Charakteristika femininer Nationalkulturen. Auch wenn schon an dieser Stelle die

541 | Vgl. Baskerville 2003, S. 10. 542 | Vgl. Bond und Smith 1993, S. 42. 543 | Vgl. Myers und Tan 2002, S. 31. 544 | Rippl und Seipel 2008, S. 13.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

hohe Simplizität seiner Aussagen erschreckt, ließen sie sich streng genommen überprüfen. Zur Überprüfung könnte ein Verbindungsindikator für die Schärfe von Gewerkschaftskämpfen herangezogen werden. Als Verbindungsindikator schlägt McSweeney die Anzahl der deswegen verlorenen Arbeitstage pro Jahr vor. Sie müsste in Ländern mit einem hohen Maskulinitätswert wie beispielsweise Irland relativ hoch und in Ländern mit einem niedrigen Wert wie Spanien relativ niedrig sein. Eine dementsprechende Prüfung bestätigt Hofstedes Erkenntnisse allerdings nicht. Die bisherigen Ausführungen haben belegt, in welch vielfältiger Form Hofstede Korrelationen zu externen Daten herstellt, um seine Dimensionskonstrukte zu validieren. Die Auswahl der berücksichtigten externen Daten sowie die Interpretation der Korrelationen wurden, so wurde weiterhin dargestellt, von einigen Kritikern in Frage gestellt. So verwundert es nun nicht, dass auch die Erkenntnisse, die Hofstede aus den Korrelationen ableitet, von Zweifeln behaftet sind. Seine Erkenntnisse dienen dazu, die Dimensionskonstrukte zu spezifizieren. Ähnlich wie im obigen fiktiven Beispiel Schlafprobleme als eine Konstruktfacette von Stress angenommen wurden, sucht Hofstede die Facetten seiner Dimensionskonstrukte anhand der Korrelationen zu externen Daten zu erläutern. Diese Erkenntnisse komprimiert er in Typologien und Länder-Clusters. Auf die Typologien und Länder-Clusters wird nun das Augenmerk gelegt und die Zweifel an ihnen werden erläutert. Zum einen wird Hofstedes Erkenntnissen vorgeworfen, mit Widersprüchen behaftet zu sein. Denn manche Aussagen, die mit einem Dimensionspool assoziiert sind, treffen auf einige Länder mit entsprechendem Score nicht zu. Beispielsweise bildet er wie bereits erwähnt Länder-Clusters,545 also Gruppen aus Nationen, die ähnliche Werte erzielt haben, und erklärt die Ähnlichkeiten anhand historischer Gemeinsamkeiten. So stellt er in Bezug auf die Uncertainty Avoidance-Dimension fest, dass eine Vielzahl lateinischer546 Länder hohe Werte erzielt hat. Grund sei, dass sie die Regelorientierung als Erbe des Römischen Reiches verinnerlicht haben, welches seinerzeit durch die Existenz einer starken zentralen Autorität in Rom und durch ein für alle Bürger geltendes Rechtssystem gekennzeichnet war.547 Hier ist unklar, warum beispielsweise auch Deutschland einen hohen Uncertainty Avoidance-Wert erzielen konnte. Für Lehrzwecke am beliebtesten und zugleich am problembehaftetsten sind Hofstedes Länder-Typologien, welche in tabellarischer Form typische Eigenschaften von Ländern mit extrem hoher beziehungsweise extrem niedriger

545 | Vgl. Hofstedes Graphik in Hofstede 2009, S. 152. 546 | Mit »lateinisch« bezeichnet Hofstede die Länder, die heute eine romanische Sprache sprechen (Vgl. Hofstede 2007, S. 401). 547 | Vgl. Hofstede 2007, S. 401.

95

96

Nationalkultur versus Berufskultur

Dimensionsausprägung anführen. Ein erstes Problem an den Typologien ist ihre mitunter geringe Verständlichkeit und somit ungeklärte Aussagekraft. Beispielsweise stellt Hofstede für Länder mit niedrig ausgeprägter Unsicherheitsvermeidung fest, »People feel happier« und »People have fewer worries about health and money«.548 Im Gegenzug gelte für stark unsicherheitsvermeidende Nationen, »People feel less happy« und »People have more worries about health and money«.549 Hier fällt schon die Übersetzung ins Deutsche schwer. Soll happy in diesem Zusammenhang kurzzeitig erfreut oder fröhlich gestimmt oder zutiefst zufrieden bedeuten? Oder wagt Hofstede sich gar an den unendlich diskutierten Begriffs des wahren Glücklichseins und trifft Pauschalaussagen über solch ein eindeutig subjektiv zu bestimmendes Gefühl? Ähnlich unklar ist der Begriff der »worries«. Die Typologien sind nicht nur teilweise undeutlich formuliert, sie sind mitunter auch anmaßend. Man fragt sich, wie Hofstede seine Erkenntnisse gewonnen hat, wenn er beispielsweise feststellt, »It is more accepted [in masculine cultures] that women take an active role during sexual intercourse«.550 Teilweise erscheinen seine Typologien auch absurd, weil sie sehr stark ins konkrete Detail gehen: »Husbands [in feminine cultures] do part of shopping for food«.551 Wie unglaubwürdig einige Auszüge der Typologien sind, zeigt sich auch, wenn man sie beim Wort nehmen und ins reale Leben übertragen möchte. Beispielsweise ordnen die Ergebnisse der IBM-Umfrage den Griechen eine starke und den Schweden eine vergleichsweise geringe Ausprägung an Unsicherheitsvermeidung zu. Eine Typologie bezüglich des Berufslebens sagt nunmehr aus, dass Griechen sehr zögerliche Entscheidungsträger sind und stark strukturierte Arbeitsroutinen bevorzugen. Schweden hingegen können besser mit Ambiguität umgehen und arbeiten gut ohne Struktur.552 Vor allem letzterer Merksatz scheint realitätsfern. Verlangt nicht ein jeder Arbeitskontext – unabhängig von Nationalitäten – spezifische Systematiken? Wie so oft schränkt Hofstede kurz die Gültigkeit seiner Ergebnisdarstellung ein, ohne modelltheoretische Konsequenzen folgen zu lassen. »Not every statement […] applies necessarily to every country […]. The table is an overall picture across more than 50 countries and shows trends, but every country is unique, and specific historical and other compelling conditions cause exceptions for which the table does not account.« 553

548 | Hofstede und Hofstede 2005, S. 181. 549 | Ebd., S. 181. 550 | Hofstede 1998c, S. 153 f. 551 | Ebd., S. 175. 552 | Vgl. Jones 2007, S. 6. 553 | Hofstede 1998a, S. 18.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

Hofstedes Erkenntnisse, die er aus den Korrelationen seiner Studie mit externen Daten ableitet, sind also mit Ungereimtheiten behaftet. Vor allem jedoch stellen sie nicht die Ergebnisse einer in sich schlüssigen Konstruktvalidierung dar. Denn die Vielfalt an Zusammenhängen, die Hofstede von den Dimensionen zu externen Daten hergestellt werden, hat sich als grenzenlos554 und nahezu »intuitiv«555 erwiesen. Dementsprechend sind auch die Schlussfolgerungen in Form der Typologien sehr vielfältig. Das lässt sich wieder einmal am Beispiel der Uncertainty Avoidance veranschaulichen. Dieses Konstrukt spezifiziert Hofstede wie folgt: Unsicherheitsvermeidung korreliere im Glaubensbereich positiv mit einer Tendenz zum Fundamentalismus, zum Aberglauben, zur Intoleranz gegenüber fremden Religionen und zur Proklamation einer einzigen Wahrheit. In Bezug auf das Nationalgefühl gehe sie mit einem Hang zu Vorurteilen, Dogmatismus, Traditionalismus, Rassismus und Ethnozentrismus einher. Im Berufsleben impliziere ein hoher Index, dass Probleme durch massive Investitionen in Computertechnologie gelöst werden, dass Innovatoren sich durch besonders strenge Regulierungen eingeschränkt sehen, dass Kompetenzen klar definiert werden und dass Präzision und Pünktlichkeit selbstverständlich seien. Im Familienkontext verleite eine ausgeprägte Unsicherheitsvermeidung dazu, Kindern klare Wahrheiten, Tabus, Regeln, ein starkes ethisches Bewusstsein und ein strenges Reinlichkeitsempfinden zu vermitteln. Zudem sei das Rollenverständnis der Geschlechter ausgeprägter, besonders in wohlhabenderen Ländern. Im Hinblick auf die Schulbildung korreliere Uncertainty Avoidance positiv mit dem Strukturiertheitsgrad des Unterrichts sowie mit dem Ansehen des Lehrers als unfehlbaren Experten. In Bezug auf das politische System impliziere sie politisches Desinteresse, ein schwaches Vertrauen in Polizei und Beamte sowie eine besonders detaillierte Gesetzgebung. Im Bereich des Konsumverhaltens weise sie signifikante Zusammenhänge mit dem Verzehr von Vollwertkost und dem Kauf von Textilwaschpulver auf.556 Das ist bloß ein Auszug aus Hofstedes Ausführungen. Schon am Beispiel dieses Auszugs wird klar, dass die Typologien als Schlussfolgerungen aus den Korrelationen zwischen den Dimensionen und externen Daten ein in verwirrendem Ausmaße unzusammenhängendes Bild zeichnen. Wie kommt Hofstede zu solch verwirrenden Bildern? Der Grund hierfür liegt in einem Irrtum seiner Vorgehensweise der Konstruktvalidierung: Wie anfangs erläutert sollen die Korrelationen zwischen Testkonstrukt und externen Daten renommierte Hypothesen bestätigen, die das Testkonstrukt spezifizieren. Somit soll untermauert werden, dass der Test tatsächlich das Konstrukt

554 | Vgl. Baumgartel und Thomas 1982, S. 192. 555 | Behrens 2007, S. 150. 556 | Vgl. Hofstede 2009, S. 159-181.

97

98

Nationalkultur versus Berufskultur

hervorgebracht hat, was er zu ermitteln vorgibt, kurzum dass er valide ist. Im obigen fiktiven Fall beispielsweise sprach die Korrelation der Ergebnisse zweier Studien dafür, dass der Ursprungstest tatsächlich Stress getestet hat, denn er hat gewissermaßen die ›richtige‹ Berufsgruppe als besonders belastet identifiziert, nämlich jene, die in der anderen Studie auch die stärksten Schlafprobleme aufgewiesen hat. Die Hypothese des Zusammenhangs von Stress und Schlafproblemen scheint evident und ist sicher durch weitere empirische und theoretische Arbeiten unterstützt. In der Tat ist es unerlässlich, dass zumindest die essentiellen Hypothesen im Vorhinein aufgestellt worden und in begründeter Form anerkannt sind.557 In Bezug auf Hofstedes Dimensionen ist das jedoch unzureichend der Fall. Er stellt nämlich die Hypothesen darüber, welche Facetten die Dimensionskonstrukte beinhalten, gewissermaßen erst im Nachhinein auf. Die Dimensionen sind an sich begriff lich sehr undeutlich (vgl. A.III.2.1). Somit sind sie gewissermaßen offen für jegliche Art inhaltlicher Füllung. Die inhaltliche Füllung, die Hofstede ihnen auf Basis der Korrelationen zu externen Daten gibt, ist ausgesprochen vielfältig, nahezu verwirrend. Das Ergebnis sind keine in sich schlüssigen Systeme, sondern inkonsistente und mit Widersprüchen behaftete Gebilde.558 Beispielsweise stellt Hofstede eine positive Korrelation von Unsicherheitsvermeidung und der Wertschätzung von Enthaltsamkeit bis zur Ehe fest und erklärt sie damit, dass Männer in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung besonders viel Wert darauf legen, sicher zu sein, dass sie die biologischen Väter ihrer Kinder sind.559 In diesem Kontext bekommt die Unsicherheitsvermeidung eine neue Konnotation. Plötzlich scheint sie zu meinen, dass das Unbekannte als gefährlich empfunden wird und nicht mehr das Fremde. An anderer Stelle hat Hofstede definiert, »what is different, is dangerous«.560 Grundsätzlich ist es legitim und sogar aufschlussreich, Konstrukte im Nachhinein inhaltlich weiter anzureichern. Allerdings setzt das einen stabilen Grundstock an Konstruktfacetten gewöhnlich voraus. Hier offenbart sich das Hofsted’sche Dilemma: Die Validitätsprüfung der Dimensionen und ihre inhaltliche Anreicherung durch Konstruktfacetten bedingen sich gegenseitig. In seinem Fall heißt das, dass das Eine, das selbst nicht tragfähig ist, das Andere tragen soll. Denn es kann nicht beurteilt werden, ob die IBM-Fragen in

557 | Fisseni weist darauf hin, dass, falls es an methodischer Strenge fehle, die Herstellung des nomologischen Netzwerkes nicht zu einer präzisen Fassung der Konstrukte führe. Eventuell würden Konstrukte verglichen, deren Bedeutungsäquivalenz unzureichend geklärt sei (Vgl. Fisseni 1997, S. 108). 558 | Behrens 2007, S. 219. 559 | Vgl. Hofstede 1998b, S. 100. 560 | Hofstede und Hofstede 2005, S. 163.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

sinnvoller Form die Dimensionen erfassen, solange die inhaltliche Bedeutung derselben nicht geklärt ist. Durch die inhaltliche Anreicherung der Dimensionen auf Basis der Korrelationen zu externen Daten findet Hofstede keinen Ausweg aus dem Dilemma. Vielmehr entstehen zwei Problematiken. Erstens entsteht eine solch bunte Mischung an Konstruktfacetten, dass die Dimensionen auch weiterhin kein in sich logisches Konstrukt bilden.561 Die Diskussion um ihre Begriffsklärung entfacht hingegen erst richtig. Zweitens erweitert Hofstede zwar fortwährend die Dimensionskonstrukte um weitere Facetten, hinterfragt jedoch nicht deren Operationalisierung im IBM-Fragebogen. »Führen neue Erkenntnisse, die in Form von charakterisierenden Eigenschaften bei den einzelnen Dimensionen festgehalten werden, nicht notwendigerweise zu einer Modifizierung der Dimensionskonzepte?« 562 Behrens berechtigte Frage bleibt von Hofstede unbeantwortet. Wenn die Dimensionskonstrukte erweitert werden, muss dann nicht auch der IBM-Fragebogen dementsprechend erweitert werden? Die Frage nach seiner Validität scheint sich gewissermaßen zu erübrigen, wenn man bedenkt, dass im Rahmen der Fragebogenkonstruktion inhaltlich unklar war, welche Konstrukte überhaupt gemessen werden sollten. Abschließend wird in Bezug auf die Validität des IBM-Fragebogens ein Resümee gezogen. Hofstede hatte die Intention auf Basis dieses Fragebogens Kulturdimensionen zu identifizieren und zielte hierbei auf Werte ab.563 Dem Fragebogen als Erhebungsmethode von Werten werden gewöhnlich einige Zweifel entgegengebracht. Werte seien zu subtil um überhaupt anhand von Fragen eindeutig operationalisierbar zu sein564 und sie könnten aufgrund ihrer Verankerung im Unbewussten nicht einfach Ausdruck in der Selbsteinschätzung des Befragten finden.565 Deshalb schlagen auch einige Forscher eine Verknüpfung mehrerer Forschungsinstrumente vor566 und auch Hofstede gibt an, Befragungen sollten nicht das einzige Instrument kulturenvergleichender Forschung sein.567 In der vorliegenden Arbeit wird die These geteilt, dass Fragebögen sehr wohl zur Ermittlung von Werten angewandt werden können und dass es allerdings bedeutende Qualitätsunterschiede gibt. Gerade deshalb ist die Prüfung der Gütekriterien, unter anderem der Validität, maßgeblich. Aus den bisherigen Überlegungen zur Validität der Hofsted’schen

561 | Banai 1982, S. 353. Vgl. Behrens 2007, S. 84. 562 | Behrens 2007, S. 67. 563 | Vgl. Hofstede 2009, S. xix. 564 | Vgl. Banai 1982, S. 32. 565 | Vgl. Taras und Steel 2009, S. 53. 566 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 449. 567 | »Surveys are not a suitable way of measuring cultural differences (my answer: They should not be the only way)« (Hofstede 2002, S. 2).

99

100

Nationalkultur versus Berufskultur

Dimensionskonstrukte lässt sich zusammenfassen, dass weder ihre theoretische Verankerung, noch ihre Operationalisierung anhand der Items, noch ihre inhaltliche Anreicherung anhand von Korrelationen zu externen Daten überzeugen.

A.IV D ie K omple xitätsreduk tion und der A nwendungsbe zug der H ofsted’schen E rkenntnisse All dieser kritischen Stimmen ungeachtet erntet Hofstede aus manchen Reihen der Kulturwissenschaften großen Zuspruch568 (vgl. A.I). Bereits zu Beginn der vorliegenden Arbeit wurde die Frage aufgeworfen, welche Komponenten seines Modells derart überzeugen. Zum Abschluss des theoretischen Teils wird nun die These abgeleitet, dass Komplexitätsreduktion und praktischer Anwendungsbezug jene Komponenten sind. Ihren Anwendungsbezug finden Hofstedes Erkenntnisse im Rahmen interkultureller Lehrwerke und Trainings.569 Die Lehrwerke und Trainings haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem sogenannten interkulturellen Missverstehen vorzubeugen.570 Interkulturelles Missverstehen meint, dass die Kommunikationsversuche Menschen unterschiedlicher Nationalität in Irrtümern und Konflikten münden, sofern die Menschen nicht gezielt geschult sind.571 Schließlich, so die Erklärung, gehe der ungeschulte Mensch immer davon aus, das Gegenüber sei so wie er selbst572 und wenn dann gegenseitige Verhaltenserwartungen nicht erfüllt werden, sei das problematisch und führe mithin zu Sanktionen.573 Basierend auf dem Anspruch, den Menschen entsprechend zu schulen, werden die Ziele des interkulturellen Kompetenzerwerbs, des interkulturellen Lernens und Handelns,574 der Völkerverständigung, der Toleranz und des Abbaus von Vorurteilen und Fehlwahrnehmungen575 formuliert. Das Konzept des interkulturellen Missverstehens ist in vielen Subdisziplinen der Kulturwissenschaft verbreitet. Auch die Anhänger der Cross-Cultural Psychology warnen vor inter-

568 | Vgl. Blodgett et al. 2008, S. 762. Vgl. Jones 2007 S. 6. Vgl. Søndergaard 1994, S. 449. Vgl. Barmeyer 2010, S. 97. Vgl. Banai 1982, S. 353. 569 | Hofstede 2002, S. 2. 570 | Vgl. Korff 2009, S. 36 f. Vgl. Thomas 2007a, S. 8. 571 | Vgl. Thomas 1991, S. 55. Vgl. Wahrlich 1991, S. 17. Vgl. Geier 2000, S. 74. Vgl. Orlovius 1991, S. 172. Vgl. Schroll-Machl 2007b, S. 12. 572 | Vgl. Wahrlich 1991, S. 17. 573 | Vgl. Reisch 1991, S. 81 f. 574 | Vgl. Thomas 2007b, S. 13. 575 | Vgl. Reisch 1991, S. 72.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

kulturellen Konflikten.576 Die Anpassung an ein fremdes kulturelles Umfeld, der sogenannte Akkulturationsprozess,577 löse beim Individuum großes Leid aus, von gespürter Unsicherheit über Identitätskrisen und Depression bis hin zu Gefühlen der Feindseligkeit.578 Auch Hofstede gedenkt durch die Verbreitung seiner Erkenntnisse der Schmerzhaftigkeit von Akkulturationsprozessen vorzugreifen.579 Besonders zu Zeiten der Globalisierung, so fügt er seiner Argumentation für interkulturelle Trainings hinzu, seien die Anforderungen an internationale Kooperation gestiegen. 580 Das Konzept interkultureller Lehrwerke und Schulungen ist differenziert zu betrachten. Natürlich macht es Sinn, sich gezielt über eine Region informieren zu lassen, die man bereisen wird und die einem fremd ist. Zudem ist es unumstritten, dass internationale Begegnungen dadurch erschwert werden können, dass die Beteiligten unterschiedliche Muttersprachen sprechen. Also präsentieren sich vor allem Sprachkurse als förderlich. Allerdings wird im Rahmen der Mehrzahl interkultureller Trainings nicht auf die Sprache, sondern auf verschiedene Systematiken der Wirklichkeitsdeutung als Problemfeld verwiesen.581 Die Annahme, dass verschiedene Wirklichkeitsdeutungen exakt mit der Nationalität variieren, ist bereits ausführlich kritisiert worden (vgl. A.III.1) und hat sich als zweifelhaft grobmaschig erwiesen. Überdies drängt sich die Frage auf, wieso der Mensch, gerade wenn er willentlich und bewusst in einen Austausch tritt, zwingend davon ausgehen sollte, der andere habe die gleiche Wahrnehmung, und dann irritiert sein sollte, wenn dem nicht so ist. Dass die Konfrontation mit dem Fremden auch inspirierend wirken und anstatt in Problemen auch in einer Horizonterweiterung im positiven Sinne münden kann, wird hier außer Acht gelassen. Zudem weisen Kritiker darauf hin, dass ein automatisches Abspulen gelernter Verhaltensweisen sogar in Problemsituationen münden kann.582 Dieser Einwände ungeachtet hat sich ein Markt der interkulturellen Trainings entwickelt.583 Und auf diesem Markt lässt sich Hofstedes Dimensionenmodell

576 | Triandis 1990, S. 35. 577 | Zum Begriff der Akkulturation vgl. Genkova 2010, S. 292-296. 578 | Vgl. Berry 1990, S. 246 und 252. 579 | Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. 323. 580 | Hofstede 1998d, S. 209. Vgl. Hofstede und Hofstede 2005, S. 2. 581 | »Selbst dort, wo den Parteien eine gemeinsame Sprache oder verschiedene, aber wechselseitig verständliche Dialekte […] zur Verfügung stehen, […] nehmen interethnische Kommunikationskontakte immer wieder einen Verlauf, der beiden Seiten Unbehagen verursacht« (Streeck 1985, S. 103). Vgl. Hansen 2007, S. 152. 582 | Vgl. Geier 2000, S. 91. 583 | Vgl. Korff 2009, S. 39. Hofstede und sein Sohn schreiben von einem »booming market for cross-cultural training« (Hofstede und Hofstede 2005, S. xi).

101

102

Nationalkultur versus Berufskultur

gut verkaufen.584 Es ist zu einer Art Ware geworden, die Problemlösungen für interkulturelles Missverstehen anbietet.585 Für internationale Begegnungen liefert es den Konsumenten einfache Gebrauchsanweisungen,586 vor allem in Form der Typologien an typischen Eigenschaften und Verhaltenstendenzen.587 Sie suchen vorherzusagen, was einen in einem fremden Land erwartet und wie man sich am günstigsten dort zu verhalten hat. Das bestechende Charakteristikum der Hofsted’schen Gebrauchsanweisungen scheint deren Einfachheit, oder in obigen Worten Komplexitätsreduktion, zu sein. Sie zeigt sich zum einen in der Simplizität der Bilder – wie jenen der Pyramide, der Zwiebel und des Pfeils (vgl. A.III.1.5) – und weiterhin in der Vielzahl an numerischen Werten, die das Komplexe greif bar machen. Ferner trägt auch die Ernennung der Nation als Kulturträger (vgl. A.III.1.1) zur Komplexitätsreduktion bei, denn sie bietet einen konkreten und geschlossenen Rahmen für die Anwendung der Dimensionen.588 Die Dimensionen wiederum bestechen durch ihren ausgedehnten Anwendungsbezug, der nicht etwa einige Kulturräume, sondern alle Länder dieser Welt umfasst.589 Sie sind bekannt als »easy-to-learn, fast-to-recall« 590 und auch Hofstede selbst lobt ihre komplexitätsreduzierende Funktion. »[The dimensions] have been introduced because they subsume complex sets of mental programs into easily remembered packages«.591 Ihre Anzahl erklärte er damit, dass fünf gut erinnert werden können.592 Sein Anspruch scheint also nicht primär auf einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Abbildung zu liegen,593 sondern vielmehr auf Kompaktheit. Im Dienste der Kompaktheit sollen Berechnungen, numerische Rangfolgen und Graphiken einfache Überblicke bis hin zu Zukunftsprognosen geben. »So stellt die [Hofsted’sche] quantitative Methodik Hypothesen auf, überprüft ihre Allgemeingültigkeit und schafft damit ›Wenn-dann‹-Zusammenhänge«.594 Dieses Vorgehen verlangt nach einer Gratwanderung zwischen Übersichtlichkeit und Komplexitätsreduktion auf der einen und seriöser Wissenschaftlichkeit auf

584 | Vgl. Hofstede 2002, S. 2. 585 | Vgl. Korff 2009, S. 35. 586 | Vgl. Ebd., S. 39. 587 | Vgl. Hofstede 2009, S. 28. 588 | Scheffer 2009a, S. 1. 589 | Vgl. Nakata 2009a, S. 4. 590 | Brannen 2009, S. 82. 591 | Hofstede 2009, S. 71. 592 | Mittlerweile hat Hofstede sein Modell um eine sechste Dimension, genannt »Indulgence versus Restraint« erweitert (Vgl. Hofstede 2011, S. 8). 593 | Vgl. Hofstede 2009, S. 71. 594 | Barmeyer und Genkova 2010, S. 123.

A  Theoretische Einwände zu Hofstedes Kulturdimensionenmodell

der anderen Seite. Dieser Gratwanderung sind sich die Macher interkultureller Trainings und Lehrwerke durchaus bewusst. »Häufig werden interkulturelle Trainer und Coaches mit dem Wunsch von Teilnehmern nach einem ›Weltkulturatlas‹ konfrontiert, der zu möglichst allen Kulturregionen die wichtigsten Informationen in kurzen Regeln enthält. Jeder seriöse Weiterbildner steckt dann in einem Dilemma.« 595

Natürlich ist Komplexitätsreduktion nicht per se verwerflich, sondern in sorgsamer Form legitim. Ob jedoch Hofstedes Modell in solch simplifizierender und anwendungsorientierter Form noch auf den realen Kontext anwendbar ist, ist fraglich.596 Zwar vermittelt die statistische Forschungsmethodik Seriosität,597 implizieren die Zahlenwerte Präzision und suggeriert die generell mathematische Ausgestaltung des Modells eine Unanfechtbarkeit in naturwissenschaftlichem Sinne.598 »Die [Hofstedes] deduktiv orientierten Methoden quantitativer Forschung, die auf dem naturwissenschaftlichen Forschungsideal objektiv nachprüf barer Ergebnisse beruhen, machen universell gültige Aussagen […]«.599 Das Problem ist jedoch, dass die Kultur als Forschungsgegenstand nicht naturwissenschaftlicher Art ist.

595 | Vgl. Kammhuber und Schroll-Machl 2007b, S. 19. 596 | Vgl. Brannen 2009, S. 82 und 84 f. Nasif et al. Identifizieren drei Grundprobleme von zu simplen Modellen: Ethnozentrismus, die funktionale Äquivalenz und den zeitlichen Rahmen (Vgl. Nasif et al. 1991, S. 83). 597 | Vgl. McSweeney 2002b, S. 112. 598 | Baskerville kritisiert eine »quantification of culture based on numeric dimen­ sions and matrices« (Baskerville 2003, S. 8). 599 | Barmeyer und Genkova 2010, S. 123.

103

B   E mpirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Im ersten Teil der Arbeit wurde Hofstede auf theoretischem Wege widerlegt, im Folgenden wird er empirisch hinterfragt. Vorweg werden hierzu nun die Erkenntnisse des theoretischen Teils noch einmal resümiert. Im Theorieteil wurde einleitend skizziert, welch zwiegespaltene extreme Resonanzen das Hofsted’sche Modell hervorruft (vgl. A.I). Auf der einen Seite wird es zitiert, rezensiert, nachgeahmt und mitunter als Paradigma angewandt. Dem Ausmaß seiner Anwendung, so wurde festgestellt, darf jedoch keine zu große Bedeutung zugesprochen werden. Denn auf der anderen Seite überzeugen die scharfen Stimmen von Hofstedes Kritikern im Hinblick auf mehrere Punkte. Die Kritikpunkte wurden in drei Kategorien eingeteilt. Sie beziehen sich erstens auf Hofstedes Kulturverständnis, zweitens auf das Betrachtungskonzept Kulturdimension und drittens auf sein methodisches Vorgehen. Zunächst wurden die einzelnen Kategorien auf ihre Ursprünge hin zurückverfolgt. So wurde belegt, dass sich Hofstedes Kulturverständnis an jenem der Nationalcharakter-Forschung orientiert (vgl. A.II.1), dass das Konzept Kulturdimension auf den Anthropologen Edward T. Hall zurückzuführen ist (vgl. A.II.2) und dass Hofstedes Forschungsmethodik an jene der Cross-Cultural Psychology anlehnt (vgl. A.II.3). Anschließend wurden die einzelnen Kritikpunkte diskutiert (vgl. A.III). Die Diskussion, das Kernstück des theoretischen Teils, mündete im Fazit, dass die Beliebtheit des Hofsted’schen Modells weniger auf dessen wissenschaftliche Überzeugungskraft, sondern auf seinen praktischen Anwendungsbezug und auf ein beachtliches Maß an Komplexitätsreduktion zurückzuführen ist (vgl. A.IV). Der empirische Teil schließt in Form einer interkulturellen Befragung an. Die vorliegende Befragung unterscheidet sich von der Mehrzahl an Studien, die »interkulturell« im Titel tragen, da sie nicht etwa auf einem ausschließlich internationalen Vergleich beruht. Genau dieses traditionelle Schema, so zeigen bereits die Forschungshypothesen, wird durchbrochen. Die Forschungshypothesen werden im folgenden Kapitel erläutert (vgl. B.I). Anschließend wird das Forschungsdesign begründet (vgl. B.II) und von anderen Folgestudien Hofstedes abgegrenzt (vgl. B.III), der Vorgang der Fragebogenkonstruktion offen gelegt

106

Nationalkultur versus Berufskultur

(vgl. B.IV), die Datenerhebung geschildert (vgl. B.V) und die Datenanalyse ausgeführt (vgl. B.VI). Der empirische Teil mündet in der Interpretation der Ergebnisse (vgl. B.VII) und leitet das abschließende Fazit (vgl. C) ein.

B.I F orschungshypothesen Die Forschungshypothesen sind die Annahmen, die anhand der empirischen Studie getestet werden. Im vorliegenden Fall werden sie direkt aus den Kritikpunkten abgeleitet, die im theoretischen Teil herausgestellt wurden. Hierzu wird jede Kritikkategorie, also Hofstedes Kulturverständnis, das Betrachtungskonzept Kulturdimension und seine empirische Methodik, einzeln betrachtet. Pro Kritikkategorie werden nun zunächst die jeweiligen theoretischen Erkenntnisse resümiert, und anschließend werden sie in empirische Fragestellungen umgewandelt. Inwiefern die Studienergebnisse die Hypothesen bestätigen, wird im ersten Teil der Ergebnisinterpretation diskutiert (vgl. B.VII.1).

B.I.1 Forschungshypothesen zum ethnizistischen Kulturbegriff und zu seinen Prämissen Hofstedes Kulturverständnis, so wurde im Theorieteil gezeigt, zeichnet sich durch eine ethnizistische Prägung aus (vgl. A.III.1). Dem ethnizistischen Kulturverständnis liegen, so hatte bereits Haas entschlüsselt, einige fragwürdige Prämissen zugrunde. Die Ausgangsprämissen besagen, dass die Nation (vgl. A.III.1.1), abgegrenzt durch geographische Trennungslinien (vgl. A.III.1.2) und in sich homogen (vgl. A.III.1.3) als Kulturträger verstanden wird. Die hier vermeintlich identifizierte nationale Kultur, so postulieren weiterführende Prämissen, beruht auf einem kohärenten (vgl. A.III.1.5.1) und statischen (vgl. A.III.1.5.2) Wertesystem und prägt die Mitglieder der entsprechenden Nation in deterministischer Weise (vgl. A.III.1.4). Diese Prämissen, die bisher theoretisch entkräftet wurden, sollen anhand der folgenden Studie nun auch empirisch überprüft werden. Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung deutscher und französischer Studienräte und Fabrikarbeiter. Während die meisten interkulturellen Studien traditionell im Sinne Hofstedes verfahren und die Nation zum Analyseund Vergleichsobjekt ernennen, werden in der vorliegenden Studie Kollektive unterschieden. In Anlehnung an den kollektiven Kulturbegriff werden die Befragten zwar nach ihrer nationalen Zugehörigkeit, aber auch nach ihrem Beruf, Alter und Geschlecht eingeteilt. So können neben Dachkollektiven auch Subkollektive miteinander verglichen werden. Eine erste Forschungshypothese lautet, dass Merkmale gefunden werden, hinsichtlich derer sich zwar die Subkollektive, nicht aber die Nationen signifikant unterscheiden. Bestätigt

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

sich diese Hypothese, ist nachgewiesen, dass der Vergleich geographisch abgegrenzter Nationen im kulturwissenschaftlichen Kontext nicht ausreicht. Und Hofstedes Prämisse, die Nation sei der hauptsächliche Kulturträger, ist empirisch angezweifelt. Es ergibt sich also:

Forschungshypothese 1»Nicht-ethnische Kulturträger«: In Bezug auf manche Merkmale zeigen die Subkollektive, nicht aber die Nationen signifikante Unterschiede.

Weiterhin soll die Prämisse der intra-nationalen Homogenität (vgl. A.III.1.3) außer Kraft gesetzt werden. Hierzu werden die Berufskollektive innerhalb einer Nation, also beispielsweise französische Arbeiter und französische Lehrer, verglichen. Es wird die Forschungshypothese aufgestellt, dass sie sich in Bezug auf die Mehrzahl der Merkmale signifikant unterscheiden. Das widerlegt die Annahme, alle Mitglieder einer Nation seien kulturell einheitlich geprägt. Die Konsequenz der Widerlegung der Homogenitätsprämisse ist, dass die Studienergebnisse nicht in dem Maße generalisiert werden, wie Hofstede es tut. Er verallgemeinert seine Erkenntnisse blind auf ganze Nationen. In der vorliegenden Studie hingegen wird, wie bereits angekündigt (vgl. A.III.1.3), das Prinzip der dichten Zuschreibung angewandt. Das heißt, beobachtete Merkmalsausprägungen werden nur den möglichst eingegrenzten Kollektiven zugeschrieben, die sie tatsächlich gezeigt haben. Die Hypothese lautet:

Forschungshypothese 2 »Intra-nationale Heterogenität«: Die Berufskollektive derselben Nation unterscheiden sich im Hinblick auf die Mehrzahl der Merkmale.

Eine weitere Forschungshypothese greift die Prämisse des deterministischen Charakters nationaler Kulturen (vgl. A.III.1.4) an. So soll anhand einer Regressionsanalyse (vgl. B.VI.2) gezeigt werden, dass neben der Nationalität auch die Einflussfaktoren Beruf, Geschlecht und Alter die Befragten in ihrem Antwortverhalten bestimmt haben, in Bezug auf manche Merkmale sogar in stärkerem Ausmaße als die Nationalität. Überprüft wird:

Forschungshypothese 3 »Indeterminismus von Nationalität«: Die Faktoren Beruf, Geschlecht und Alterhaben einen mindestens so starken Einf luss wie die Nationalität.

107

108

Nationalkultur versus Berufskultur

Zuletzt wird die Prämisse, dass nationale Kultur auf einem Wertesystem statischer und kohärenter Ausprägung beruht, mithilfe der vorliegenden Studie überprüft. Statisch meint laut Hofstede, dass sich zwar die absoluten Länder-Scores, nicht jedoch die Rangfolgen unter den beteiligten Ländern im Zeitablauf ändern.1 Diese Prämisse lässt sich zwar aufgrund der unüberschaubaren Zeitspanne nicht verifizieren, aber anhand eines Gegenbeispiels falsifizieren. Grundsätzlich ist es im Rahmen der vorliegenden Studie möglich, solch ein Gegenbeispiel zu liefern. Hierzu werden die Rangfolgen der beiden beteiligten Länder Deutschland und Frankreich anhand einer Hofsted’schen Dimension, der Uncertainty Avoidance, überprüft. Hofstedes Originalfragen zu dieser Dimension werden repliziert, die Länder-Werte werden nach seiner Formel berechnet und die Rangfolge beider Länder wird mit jener der IBMStudie verglichen. Getestet wird hier:

Forschungshypothese 4 »Kulturelle Dynamik«: Die Rang folge der Uncertainty Avoidance-Indices von Deutschland ­und Frankreich ändert sich.

B.I.2 Forschungshypothesen zum Konzept Kulturdimension Die zweite Kritikkategorie betrifft das Betrachtungskonzept Kulturdimension. Sie wurde im theoretischen Teil in zwei Komponenten gegliedert, eine kulturtheoretische (vgl. A.III.2.1) und eine methodische (vgl. A.III.2.2). Die kulturtheoretische Komponente befasste sich mit Hofstedes Argumentation, seine Kulturdimensionen, welche sich an den standard analytic issues nach Inkeles und Levinson orientieren, seien die Lösungsspektren für anthropologische Universalprobleme im Sinne Kluckhohns. Diese Erläuterung seines Konzeptes Kulturdimension warf mehrere Fragen auf. Wie rechtfertigen er und Kluckhohn die ausschließlich funktionalistische Sichtweise auf Kultur? Vernachlässigen sie nicht das Potential von Kultur, neue Probleme aufzuwerfen? Und, falls man trotz dieses Einwands Kluckhohns Theorie umsetzen möchte, handelt es sich bei den standard analytic issues tatsächlich um anthropologisch anerkannte Universalien? Außerdem, warum wird davon ausgegangen, dass Ethnien und nicht auch andere Kollektive als Problemlöser fungieren? Mit anderen Worten, eignen sich die Hofsted‹schen Kulturdimensionen tatsächlich als Vergleichsmaßstab ausschließlich für Nationen? Die vorliegende Studie versucht diese Frage zu beantworten. Hier wird die Uncertainty Avoidance-­Dimension

1 | Vgl. Hofstede 2009, S. 36.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

zum einen anhand der Originalfragen aus dem IBM-Fragebogen repliziert und zum anderen werden ihre essentiellen Komponenten neu operationalisiert. Die Forschungshypothese hierzu lautet, dass, selbst wenn die essentiellen Komponenten der Dimension nach aktuellen Standards operationalisiert werden, es nicht ausschließlich die Nationen sind, die signifikante Unterschiede zeigen, sondern auch die Subkollektive. Hierauf basiert:

Forschungshypothese 5 »Nicht-ethnische Problemlöser«: Auch die Subkollektive zeigen Unterschiede im Hinblick auf die Merkmale des Subtest II.

Die methodische Komponente der Kritik bezog sich auf die bipolare Konzeption der Kulturdimensionen. Hier erschien unter anderem zweifelhaft, dass für alle denkbaren Lebensbereiche und Situationen das gleiche Lösungsspektrum gelten soll und dass die Kollektive in den verschiedenartigen Kontexten die gleiche Lösung wählen. Ist nicht beispielsweise denkbar, dass innerhalb einer Nation im Lebensbereich Geschäftswelt eine andere Dimensionsausprägung vorwiegt als im Lebensbereich Familienleben? Und dass sie wiederum in der Situation Kindergeburtstag eine andere ist als in der Situation Beerdigung? Auch die Mitglieder der nationalen Berufskollektive der vorliegenden Studie bewegen sich in unterschiedlichen Kontexten. Das Fabrikumfeld der Arbeiter ist schließlich ein anderes als das Schulumfeld der Lehrer. Die entsprechende Forschungshypothese zielt ein weiteres Mal darauf ab, dass sich die Berufskollektive innerhalb einer Nation im Hinblick auf einige Merkmale signifikant unterscheiden und schreibt diese Unterschiede den verschiedenartigen Kontexten zu. Es ergibt sich:

Forschungshypothese 6 »Kontextgebundene Problemlösungen«: Die Berufskollektive derselben Nation unterscheiden sich im Hinblick auf einige Merkmale.

Des Weiteren wurde bemängelt, dass alternative Lösungswege, die jenseits der Achse zwischen den beiden extremen Dimensionsausprägungen liegen, unberücksichtigt bleiben. In diesem Sinne fragt die vorliegende Studie zusätzliche Werteinstellungen ab, die im Rahmen von Hofstedes Dimensionen nicht erfasst sind. Die entsprechende Forschungshypothese lautet, dass auch hier aufschlussreiche Erkenntnisse im Form von interkollektiven ­Unterschieden

109

110

Nationalkultur versus Berufskultur

­ewonnen werden, das heißt, dass die Hofsted’schen Dimensionen längst g nicht alle möglichen Vergleichskriterien umfassen. Hierauf basiert:

Forschungshypothese 7 »Lösungswege jenseits der Dimensionen«: Auch die nicht-Hofsted’schen Merkmale erweisen sich als aufschlussreich im interkollektiven Vergleich.

Beide Komponenten, die kulturtheoretische und die methodische, dienen, so wurde es im Theorieteil ausgeführt, dazu, die Herausforderung zu umgehen, konzeptuelle Äquivalenz annähernd herzustellen (vgl. A.III.2.3). Das heißt, der Anspruch, dass die Dimensionskonstrukte in allen an der Befragung beteiligten Kollektiven eine vergleichbare Bedeutung haben, wird vermieden. Hofstede setzt konzeptuelle Äquivalenz schlichtweg voraus, indem er seine Dimensionen als Lösungsspektren zu Universalproblemen in allen Nationen gleichermaßen anwendet. Im Gegenzug hierzu soll in der vorliegenden Studie gezeigt werden, dass intensivere Bemühungen lohnenswert sind, diese herzustellen. Die Bemühungen nehmen die beiden hauptsächlichen Auslöser mangelnder Äquivalenz in den Blick: eine mangelhafte Fragebogenübersetzung (vgl. A.III.2.3.1) und unterschiedliche soziale Realitäten der beteiligten Kollektive (vgl. A.III.2.3.2). Während Hofstede sich auf one-shot translations verlassen hat,2 besagt nun die folgende Forschungshypothese, dass ein komplexeres Übersetzungsverfahren wie jenes der vorliegenden Studie, welches in mehreren Schritten verläuft und verschiedene Perspektiven von Übersetzern mit einbezieht, weitreichende Erkenntnisse liefert und dazu beiträgt, konzeptuelle Äquivalenz annäherungsweise zu gewährleisten. Aus diesen Überlegungen entsteht:

Forschungshypothese 8 »Schrittweise Fragebogenübersetzung für konzeptuelle Äquivalenz«: Das hier angewandte Übersetzungsverfahren trägt zur Sicherstellung ­konzep­tueller Äquivalenz bei.

B.I.3 Forschungshypothesen zu Hofstedes empirischer Methodik Weitere Forschungshypothesen greifen die Kritik an Hofstedes methodischem Vorgehen auf. Die Kritik betraf zum einen seine mangelnden Bemühungen zur Herstellung annähernder methodologischer Äquivalenz (vgl. A.III.3.1) und 2 | Vgl. Ebd., S. 22 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

zum anderen die zweifelhafte Validität seines Fragebogens (vgl. A.III.3.2). Im Rahmen der methodologischen Äquivalenz wurden die instrumentale Äquivalenz (vgl. A.III.2.1.2.1), die Skalenäquivalenz (vgl. A.III.2.1.2.2), kollektivspezifische Antwortverzerrungen (vgl. A.III.2.1.2.3) und die administrative Äquivalenz (vgl. A.III.2.1.2.4) überprüft. Instrumental meint, dass der Fragebogen als Messinstrument in den beteiligten Kollektiven einen vergleichbaren Stellenwert hat. Und administrativ bedeutet, dass die Befragung in den verschiedenen Gruppen unter vergleichbaren Umständen durchgeführt wird. Hofstede berichtet von keinerlei Bemühungen, ein zufriedenstellendes Maß an instrumentaler oder administrativer Äquivalenz gewährleistet zu haben, obgleich er sich mit einer außerordentlich großen und vielfältigen Stichprobe konfrontiert sah. Im Gegensatz hierzu ist die Stichprobe der vorliegenden Studie so überschaubar, dass davon auszugehen ist, dass instrumentale sowie administrative Äquivalenz eher gewährleistet sind. Zur Skalenäquivalenz hingegen mussten in der Studie entsprechende Prüfungen angestellt werden. Hierbei handelte es sich um den Anspruch, dass alle Befragten im Zuge der Beantwortung der Fragen die gleiche Maßeinheit verwenden und vom gleichen Nullpunkt ausgehen. Die Skalenäquivalenz ist eine notwendige Voraussetzung um Mittelwerte sinnvoll zu vergleichen. Sie lässt sich anhand statistischer Verfahren überprüfen, die im Zuge der Datenauswertung angewandt werden. Bemerkenswert ist hierbei, und das betrifft die nächste Forschungshypothese, dass nicht nur wie üblich die Skalenäquivalenz unter den beteiligten Nationen, sondern auch unter den vier Berufskollektiven geprüft werden wird. Hierbei wird die Annahme vertreten, dass auch unter den Lehrern und Arbeitern der gleichen Nation nicht in Bezug auf alle Fragen Skalenäquivalenz besteht. Diese Annahme führt zur:

Forschungshypothese 9 »Skaleninäquivalenz unter nicht-ethnischen Kollektiven«: Einige Items erweisen sich als nicht skalaräquivalent in Bezug auf die Subkollektive.

Ähnlich verhält es sich mit den kollektivspezifischen Antwortverzerrungen. Wie im Theorieteil ausgeführt wurde, geht Hofstede davon aus, dass verschiedene Dachkollektive verschiedene Antworttendenzen haben und dass diese Verschiedenheiten einer Korrektur bedürfen. Deshalb gleicht er einige Daten im Hinblick auf Akquieszenz, also die Tendenz zum Ja-Sagen, aus. Zugleich vernachlässigt er die Antworttendenz der sozialen Erwünschtheit. In der vorliegenden Studie hingegen wird die Forschungshypothese vertreten, dass sich Antworttendenzen nicht nur je nach Nation, sondern auch nach Subkollektiv

111

112

Nationalkultur versus Berufskultur

unterscheiden können. Diese Hypothese wird im Rahmen eines Think AloudTests überprüft werden.

Forschungshypothese 10 »Subkollektivspezifische Antwortverzerrungen«: Die Subkollektive zeigen unterschiedliche Antworttendenzen.

Was den zweiten Teil der Kritik an Hofstedes Methodik, die fragwürdige Validität seines Fragebogens, angeht, so wurde im Theorieteil bereits ein eindeutiges Fazit gezogen. Denn alle drei Komponenten, die Fisseni als unverzichtbare Bestandteile einer jeden Validierung deklariert, scheinen im Falle Hofstedes höchst zweifelhaft: der Theoriebezug der abgefragten Konstrukte (vgl. A.III.3.2.1), eine zufriedenstellende Qualitätsanalyse der Items (vgl. A.III.3.2.2) und ein bestätigender Zusammenhang der Ergebnisse zu externen Daten (vgl. A.IIII.3.2.3). Dieses Fazit lässt kaum Fragen offen und somit kaum Raum für weiterführende Forschungshypothesen. Es soll bloß erwähnt sein, dass die vorliegende Studie die Ansprüche Fissenis verfolgt.

B.II Forschungsdesign Auf Basis dieser Forschungshypothesen wird das Forschungsdesign konzipiert. Die Studie besteht aus drei Teilen, sogenannten Subtests. Der erste basiert auf einer Replikation. Hier werden die drei Hofsted’schen Originalfragen aus dem IBM-Fragebogen zur Messung der Uncertainty Avoidance-Dimension repliziert. So können die Werte, welche die Franzosen und Deutschen erzielen, sowie deren Rangfolge direkt mit Hofstedes Ergebnissen verglichen werden. Weiterführende Erkenntnisse zur Aussagekraft dieser Kulturdimension können allerdings anhand der Replikation der Originalfragen nicht gewonnen werden, denn, so wurde bereits ausgeführt, deren Zusammenstellung, Formulierung und Validität ist höchst zweifelhaft. Deshalb fußt der zweite Subtest auf einer Neu-Operationalisierung der Uncertainty Avoidance-Dimension. Genau genommen wird sie nicht als ein in sich schlüssiges Konstrukt umgesetzt, weil die theoretische Analyse bereits gezeigt hat, dass es sich um ein eher schwammiges Gebilde aus Merkmalen handelt, deren Zusammenhang ungeklärt ist. An Stelle dessen werden einige laut Hofstede essentielle Merkmale von Uncertainty Avoidance einzeln voneinander operationalisiert. Im ­Konkreten­sind die Merkmale: Religiosität, das Vertrauen in Technologie, Regeltreue, Stress und die Ablehnung von Unbekanntem. Ihre Operationalisierung richtet sich nach den aktuellen Standards der Fragebogenerstellung. So zeichnet sich der zweite Subtest dadurch aus, dass die Aussagekraft der Dimension ein zweites Mal geprüft wird, dieses Mal vor dem Hintergrund, dass sie vertretbarer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

operationalisiert ist. Doch auch anhand des zweiten Subtests können nicht alle aufgestellten Forschungshypothesen überprüft werden. So bleibt unter anderem die Hypothese offen, dass die Hofsted’schen Dimensionen längst nicht alle relevanten Vergleichskriterien für Kollektive umfassen. Um diese Hypothese empirisch messbar zu machen, gründet ein dritter Subtest auf der Abfrage einer Auswahl an Werteinstellungen, die von Hofstede zumindest in direkter Form nicht berücksichtigt sind. Hier soll überprüft werden, ob sich auch im Hinblick auf Werteinstellungen, die jenseits der Hofsted’schen ­Dimensionen liegen, aufschlussreiche Unterschiede zwischen den Kollektiven feststellen lassen. Die Auswahl an Werteinstellungen, die als Merkmale des dritten Subtests in Frage kommen, ist theoretisch groß und so werden drei Auswahlkriterien angelegt. Erstens werden jene ausgewählt, von denen die empirische Sozialforschung annimmt, dass sich die Berufskollektive der Lehrer und Arbeiter unterscheiden. So lässt sich die Relevanz der Subkollektive prüfen. Zweitens soll es sich um Merkmale handeln, zu denen aus externen renommierten Befragungen bereits validierte Operationalisierungen vorliegen, an denen sich die vorliegende Studie orientieren kann. Drittens soll es sich um Merkmale handeln, die sich im Rahmen der Ergebnisinterpretation für die Anwendung der Kollektivtheorie eignen. Die Werteinstellungen, die beide Kriterien erfüllen und somit im Subtest III abgefragt werden, sind: eine hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten, die Wertschätzung der Europäischen Union, Skepsis gegenüber Ausländern, eine materialistische beziehungsweise postmaterialistische Werteorientierung und ein Kindererziehungsstil zur Selbstbestimmung beziehungsweise Anpassung. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die jeweiligen Inhalte der drei Subtests. Für die Subtests II und III nennt sie die abgefragten Merkmale und deren Kürzel, die in der Ergebnisanalyse auftauchen werden. Tabelle 2: Die Inhalte der Subtests. Subtest I Hofstedes Originalfragen zur Messung der Uncertainty Avoidance (A37) How often do you feel nervous or tense at work?

(A43) How long do you think you will continue working for this company?

(B60) Company rules should not be broken – even when the employee thinks it is in the company’s best interests.

113

114

Nationalkultur versus Berufskultur

Subtest II Konstruktfacetten der Hofsted’schen Uncertainty Avoidance Religiosität (RELI)

Offenheit gegenüber Unbekanntem (OFFEN)

Subjektiv erlebter Stress (STRESS)

Regeltreue (REGEL)

Sich auf Technologie verlassen (TECH)

Skepsis gegenüber Ausländern (AUSL)

Materialistische vs. postmaterialistische Wertorientierung (POSTMAT)

Kindererziehung zur Anpassung vs. Selbstbestimmung (ERZ)

Subtest III Nicht-Hofsted’sche Merkmale Hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten (HOCHKUL)

Wertschätzung der Europäischen Union (EU)

Die ersten beiden Subtests beziehen sich also auf Hofstedes Dimension der Uncertainty Avoidance. Warum wird ausgerechnet diese Dimension ausgewählt? Sie wurde schon im Theorieteil fokussiert. Dort eignete sie sich als Paradebeispiel, weil sich die Problematik der Validität gut an ihr veranschaulichen ließ. Im Theorieteil wurde gezeigt, dass es sich bei Uncertainty Avoidance um ein besonders unschlüssiges Konstrukt handelt, das inhaltlich äußerst vielfältig angereichert wird und dessen Messung auf offensichtlich zweifelhaften Fragen beruht. Für den empirischen Teil erfüllt Unsicherheitsvermeidung zudem die Voraussetzung, dass die entsprechenden Originalfragen, die im Subtest I repliziert werden, auf die beteiligten Kollektive der Lehrer und Arbeiter sinnvoll anwendbar sind. Hingegen beziehen sich beispielsweise die Originalfragen zu Power Distance auf vorgesetzte Manager,3 die es in dieser Form im Lehrerberuf nicht gibt. Nachdem die grobe Konzeption des Fragebogens feststeht, ist im Rahmen des Forschungsdesigns weiterhin die Stichprobe zu definieren. Sie muss, so verlangen es die Forschungshypothesen, mehrere Subkollektive und mindestens zwei Nationen mit einbeziehen. Als Nationen werden Deutsche und Franzosen ausgewählt, erstens, weil auf Forscherseite die entsprechende Sprachkompetenz vorliegt, und zweitens, weil es sich um zwei Länder handelt, die

3 | Vgl. Ebd., S. 85.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Hofstede grundsätzlich in verschiedene Clusters einordnet, 4 was jedoch vor dem Hintergrund politischer und geographischer Nähe zweifelhaft erscheint. An Subkollektiven sind in der vorliegenden Stichprobe Befragte verschiedenen Alters und Geschlechts und die Berufskollektive der Lehrer und Arbeiter vertreten. Die Berufskollektive sind von besonderem Interesse, weil hier eine Vielzahl von Studien, vorwiegend aus dem Bereich der empirischen Sozialforschung, bereits unterschiedliche Werteinstellungen festgestellt hat.5 Somit ist zu erwarten, dass sich anhand dieser beiden Berufsgruppen eine mögliche Prägekraft der Subkollektive gut veranschaulichen lässt.

B.III A bgrenzung des F orschungsdesigns anderer F olgestudien

zu jenem

Im Rahmen der Erläuterung des Forschungsdesigns wurden der Auf bau des Fragebogens, die Stichprobe und das Ziel der Erhebung erläutert. Es sind genau diese drei Komponenten, so wird das vorliegende Kapitel zeigen, welche diese Untersuchung von einer Vielzahl anderer Folgestudien der IBM-Befragung abheben. Im Folgenden wird zuerst ein Überblick über die anderen Folgestudien und weitere Anwendungen des Dimensionenmodells gegeben, anschließend wird die Studie im Hinblick auf die drei Komponenten eingeordnet. Unter Anwendungen des Dimensionenmodells werden zum einen Besprechungen des Modells, kritischer sowie befürwortender Art, und zum anderen Folgestudien verstanden. Hofstede rief bereits in der ersten Auf lage von Culture’s Consequences (1980) dazu auf, seine Forschung fortzuführen. Im Konkreten empfahl er eine Anwendung seines Dimensionenmodells in den Disziplinen Anthropologie, Soziologie, Psychologie, Wirtschaft, Politik, Recht und Medizin. Hierbei, so riet er, sei die handlungsanweisende Komponente seines Modells auszubauen. Außerdem sei es vielversprechend, die Dimensionsausprägungen weiterer Länder zu erfassen, die nicht Teil der IBM-Studie waren, vor allem sozialistischer Staaten und Entwicklungsländer. 6 Seinem Aufruf wurde gefolgt, seit 1980 gab es eine Vielzahl von Besprechungen und Folgestudien zu seinem Modell.7 Je nach wissenschaftlicher Disziplin rückten einige Dimensionen hierbei häufiger in den Fokus als andere. So fanden

4 | In Bezug auf Power Distance und Uncertainty Avoidance trennt Hofstede die romanischen Länder, die das Römische Reich erfahren haben, also unter anderem Frankreich, ab (Vgl. Hofstede 2007, S. 401).(Vgl. Hofstede 2009, S. 152). 5 | Die entsprechenden Studien werden zu späterer Stelle konkretisiert. 6 | Vgl. Hofstede 2009, S. 461. 7 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 447. Vgl. Hofstede 2009, S. 66.

115

116

Nationalkultur versus Berufskultur

beispielsweise die Dimensionen Individualismus/Kollektivismus und Maskulinität/Femininität häufige Anwendung im Bereich der Psychologie und die Dimensionen Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung wurden öfter in der Soziologie und im Management fokussiert. Hofstede hebt seine Empfehlung, in welcher wissenschaftlichen Disziplin sein Dimensionenmodell besprochen werden sollte, später auf. »Reviews and criticisms are most interesting when they come from unexpected areas or disciplines«. Als unerwartete Disziplinen nennt er unter anderem Informationstechnologie, Archivwesen, Marketing und Atomkraftregulierung. 8 In der Tat ist die Vielfalt an Disziplinen, die sich an der Anwendung des Dimensionenmodells beteiligen, beachtlich. Allerdings, so stellt Hofstede weiterhin fest, variieren die Folgestudien stark in ihrer Qualität.9 Den Ansprüchen, die er an sie stellt, widmet er in der überarbeiteten Auf lage von Culture’s Consequences ein eigenes Kapitel mit dem Titel »Using Culture Dimension Scores in Theory and Research«.10 Hier warnt er vor einigen Fallstricken. Unter anderem sei der IBM-Fragebogen nicht als individueller Persönlichkeitstest misszuverstehen. Zudem bemängelt er ein ethnozentristisches Vorgehen einiger Forscher, die beispielsweise die Maskulinitätsdimension aussparen, weil sie diese als politisch inkorrekt werten.11 Besonders ausdrücklich weist er wiederholt darauf hin, dass die Stichproben verschiedener Nationen als matched samples konzipiert sein müssen, »that is, samples similar in all respects except nationality«.12 Die einzelnen Anwendungen des Dimensionenmodells werden nun genauer betrachtet. Es ist schwierig, einen repräsentativen Überblick über die Gesamtheit an Besprechungen und Folgestudien aus über dreißig Jahren zu geben, da es sich vor allem bei letzteren häufig um Masterarbeiten oder Dissertationen handelt, die nicht ins Englische übersetzt oder gar unveröffentlicht sind.13 Für den folgenden Überblick werden erstens Arbeiten herangezogen, die von Mikael Søndergaard, einem dänischen Wirtschaftswissenschaftler, im Rahmen eines Forschungsprojektes analysiert wurden, zweitens Studien, auf die Hofstede sich bezieht, und drittens Veröffentlichungen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit zusätzlich recherchiert wurden. Søndergaard stellte 1994 eine Analyse von rund 550 Anwendungen des Hofsted’schen Dimensionenmodells an. Er hatte Zugriff auf dessen Privatbibliothek, sodass er auch eine Reihe an

8 | Vgl. Hofstede 2009, S. 463. 9 | Vgl. Ebd., S. 66. 10 | Ebd., S. 461-466. 11 | Vgl. Ebd., S. 464. 12 | Ebd., S. 463. Dieser Anspruch, so wurde bereits argumentiert, ist praktisch nie ganz erfüllbar. 13 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 450.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Masterarbeiten und Promotionsschriften mit einbeziehen konnte, die zwar unveröffentlicht blieben, aber Hofstede zugesandt worden waren. Søndergaard teilt die Anwendungen in vier Kategorien ein: Zitate, Rezensionen/Kritik, empirische Replikationen und paradigmatische Anwendungen. 14 Hofstede wandelt diese Einteilung etwas ab. Er kategorisiert die Anwendungen in erstens Rezensionen und Kritik, zweitens Modellerweiterungen um neue Nationen und Regionen, drittens Replikationen und viertens paradigmatische Anwendungen. 15 Die kritischen Stimmen sind im Theorieteil der vorliegenden Arbeit bereits ausführlich wiedergegeben worden. Was die Erweiterung des Dimensionenmodells um weitere Länder angeht, so seien als Beispiele die Masterarbeit des Niederländers Nanhekhan (1990) sowie die Studie der Wirtschaftswissenschaftler Wojciech Nasierowski und Bogusz Mikula (1998) genannt. Erstere wendete den IBM-Fragebogen in Surinam, einer niederländischen Ex-Kolonie in Südamerika, an, 16 und letztere in Polen.17 Von größerer Relevanz im Hinblick auf eine Einordnung der vorliegenden Studie ist die dritte Kategorie der Anwendung des Dimensionenmodells: jene der Replikationen. Die Replikation ist, so stellte auch Søndergaard fest, die am weitesten verbreitete Art von Folgestudie.18 Das Vorgehen basiert darauf, dass der IBM-Fragebogen auf matched samples aus mindestens zwei Nationen angewandt wird. »Replications are studies that administer questions used in the IBM research to new samples from two or more of the same countries«.19 Der IBM-Fragebogen wird entweder in seiner originalen Fassung angewandt, oder es werden einzelne Fragen in ihrer Formulierung abgeändert, um zum beruf lichen Kontext der Stichprobe zu passen. 20 Als Beispiel für eine solche Anpassung verweist Hofstede auf das Aerospace Crew Research Project (199397) der Psychologin Ashleigh Merritt. In Zusammenarbeit mit dem Forscher Robert L. Helmreich replizierte sie den IBM-Fragebogen in einer Studie mit über 15.000 Piloten aus 23 Ländern. 21 Hier formulierte sie einige Fragen um, unter anderem die bereits erwähnte Frage »How often do you feel nervous or tense at work«, denn sie schien im beruf lichen Kontext eines Piloten anders

14 | Vgl. Ebd., S. 447. 15 | Vgl. Hofstede 2009, S. 461. 16 | Vgl. Ebd., S. 464. Die Masterarebeit von Nanhekhan ist nur auf Niederländisch verfügbar. 17 | Vgl. Nasierowski und Mikula 1998, S. 495. 18 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 450 ff. 19 | Hofstede 2009, S. 463. 20 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 448. Hofstede 2009, S. 67. 21 | Vgl. Merritt und Helmreich 1996, S. 5-25.

117

118

Nationalkultur versus Berufskultur

konnotiert zu sein. 22 Unabhängig davon, ob sie den IBM-Fragebogen in originaler oder abgeänderter Version anwenden, haben die Replikationsstudien grundsätzlich zum Ziel, die Länder-Rankings, die Hofstede ermittelt hat, zu überprüfen. Sie werden, so Søndergaard, größtenteils bestätigt. 23 In den Fällen, in denen sie nicht bestätigt werden, habe der Fehler oft darin gelegen, dass die Fragen nicht in ausreichendem Maße an die Stichprobe angepasst seien. 24 Auf die Replikationsstudien, die seine Länder-Rankings unterstützen, greift Hofstede vielfach zurück, und zwar im Rahmen der Validierung seiner Dimensionskonstrukte (vgl. A.III.3.2.3). In Culture’s Consequences widmet er jeder Dimension ein Kapitel, jedem dieser Kapitel wiederum ein Unterkapitel zur Validierung der Dimension anhand externer Daten und jedem dieser Unterkapitel wiederum einen zweiseitigen Absatz mit dem Titel »Straight replications of the IBM survey«. 25 Die wohl berühmteste Replikation ist die Studie des deutsch-amerikanischen Psychologen Michael H. Hoppe (1990); 26 sie gilt als erste ambitionierte und von Hofstede ernst genommene Folgestudie.27 Hoppe replizierte den IBM-Fragebogen, angereichert durch zusätzliche Fragen zum Thema Organizational Learning, und befragte die Alumni des Salzburg Seminars. 28 Die Befragten kamen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kunst und Bildung aus vorwiegend europäischen Ländern. Die Unterschiede, die Hoppe zwischen den Befragten der verschiedenen Länder ermittelt hat, decken sich überwiegend mit den Ergebnissen Hofstedes, nur die Fragen zur Maskulinitätsdimension mussten abgeändert werden beziehungsweise der Index musste anhand einer abgeänderten Formel berechnet werden. 29 Vergleichbar mit Hofstedes Erkenntnissen wurden auch die Ergebnisse Hoppes in anschließenden Forschungsarbeiten weiter auf bereitet und ausgeweitet. Unter anderem wendete Hoppe (1996) sie auf eine andere Berufsgruppe, jene der Forscher und Entwickler, an. Diese Berufsgruppe habe einen vergleichbar hohen Bildungsstand wie die Stichprobe des Salzburg Seminars, deswegen seien die Ergebnisse übertragbar. Hoppe folgt gewissermaßen Hofstedes Aufruf, von den Dimensionsausprägungen Handlungsanweisungen abzuleiten, und zieht

22 | Vgl. Hofstede 2009, S. 67. 23 | Vgl. Søndergaard 1994, 451. 24 | Vgl. Ebd., S. 452. 25 | Vgl. Hofstede 2009, S. 91 f., 154 f., 219 f., 295 f. 26 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 451. 27 | Hofstede nennt Hoppes Studie »the most professional« (Hofstede 2009, S. 66). 28 | Das Salzburg Seminar bringt angehende Führungskräfte verschiedener Nationen zu Vorträgen und Diskussionen zusammen. 29 | Vgl. Hofstede 2009, S. 66.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Schlussfolgerungen für das Management von Forschern und Entwicklern, die ins Ausland entsandt werden.30 »The disadvantage of replication and extension studies is that they are caught in the straitjacket of my model and therefore unlikely to make basic new contributions«.31 Mit dieser Feststellung leitet Hofstede zur vierten Anwendungskategorie, der paradigmatischen Anwendung, über. Hiermit meint er jene Studien, die sich mit der grundlegenden Struktur seines Dimensionenmodells befassen. Die Forscher dieser Studien verwenden nicht den IBM-Fragebogen, sondern eigene Forschungsinstrumente, und leisten mitunter grundlegende Beiträge zur Modifikation des Modells. Grundlegende Beiträge können sein, dass eine zusätzliche Dimension vorgeschlagen wird oder dass festgestellt wird, dass eine oder mehr Dimensionen in bestimmten Regionen nicht anwendbar sind.32 Als Beispiel für eine Studie dieser Art verweist Hofstede auf jene der Chinese Culture Connection (1987), die herausgefunden hatte, dass die Dimension der Unsicherheitsvermeidung in Asien nicht anwendbar ist. Aufgrund dieses Ergebnisses wurde dem Modell die fünfte Dimension hinzugefügt (vgl. A.III.2.3). Hofstede ist also durchaus bereit, Erkenntnisse fremder Arbeiten in sein Dimensionenmodell mit einzubeziehen und sie für andere Forscher und deren Folgestudien zugänglich zu machen. So veröffentlicht er beispielsweise im Anhang von Culture’s Consequences Tabellen, die eine fremde Studie erarbeitet hatte. Sie geben vor, wie sich die Dimensionsausprägungen um den Effekt unterschiedlicher Bildungsniveaus korrigieren lassen. 33 Zur paradigmatischen Anwendung zählen jedoch, so führt Søndergaard aus, nicht nur Studien, die grundlegende Beiträge zur Modifikation des Dimensionenmodells leisten, sondern auch jene, die das Modell als gültig voraussetzen und es der Interpretation ihrer eigenen Ergebnisse zugrunde legen. »In these cases Hofstede’s concepts were used as a paradigm; as a set of assumptions taken for granted. Hofstede’s framework was applied in a speculative manner without any test or research based on the concepts.« 34

Ein Beispiel für eine paradigmatische Anwendung dieser Art ist die Studie der Wirtschaftswissenschaftler Chee W. Chow, Michael D. Shields und Yoke Kai Chan (1991). Sie untersuchten den Einfluss nationaler Kultur auf die hohe Fertigungsleistung der Asiaten und verglichen ein Sample aus Singapur mit

30 | Vgl. Hoppe 1993, S. 313. 31 | Hofstede 2009, S. 465. 32 | Vgl. Ebd., S. 465. 33 | Vgl. Bosland 1985. 34 | Søndergaard 1994, S. 448.

119

120

Nationalkultur versus Berufskultur

einem aus den USA – die Erkenntnis schlichtweg voraussetzend, dass es sich hierbei um eine Nation mit einem niedrigen und um eine mit einem hohen Wert auf dem Individualismusindex handelt.35 Eine paradigmatische Anwendung und eine Replikation schließen sich praktisch nicht aus und einige wenige Studien verbinden beides. Ein Beispiel hierfür ist die Studie der Wirtschaftswissenschaftler Robert G. Westwood und James E. Everett (1987), die den kompletten IBM-Fragebogen – nicht nur jene Fragen, die in die Berechnung der Dimensionsausprägungen einfließen – auf 170 MBA-Studenten aus Malaysia, Singapur und Hong Kong anwandten.36 Der Replikationsteil bestand darin, zu prüfen, ob die hier errechneten Länder-Scores sich signifikant von Hofstedes unterscheiden. Der Teil der paradigmatischen Anwendung bestand darin, dass die Daten einer Faktorenanalyse unterzogen wurden, um zu testen, ob sich Faktoren herauskristallisieren, die Hofstedes Dimensionen entsprechen.37 Von der Mehrzahl der Folgestudien unterscheidet sich die vorliegende Studie vor allem im Hinblick auf die Fragebogenkonzeption, die Stichprobe und das Ziel der Erhebung. Diese drei Komponenten können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Was die Fragebogenkonzeption angeht, so ist es eher eine Ausnahme, dass, wie im Falle der Studie Westwoods und Everetts, 38 der komplette IBM-Fragebogen repliziert wird. Meistens werden nur die Fragen repliziert, die zur Berechnung bestimmter oder aller Dimensionsausprägungen benötigt werden.39 In manchen Fällen werden die Fragen wie bereits erwähnt umformuliert, damit sie zum Berufsumfeld der Stichprobe passen. In anderen wird eine komplett neue Fragebogenversion entworfen, die zum Ziel hat, die Dimensionen abzufragen. Beispielsweise entwickelten die Wissenschaftler Katharina Schlingensiepen, Kati Trempler und Tobias Ringeisen (2009), die alle im Bildungswesen tätig sind, einen Kurzfragebogen, der auf Lehrer anwendbar ist. 40 »Ziel war es dabei, ein kurzes Instrument für den Schulkontext zu entwickeln, das die zeitökonomische Erfassung des kulturellen Profils bei Lehrern erlaubt«. 41 Manchmal wird auch gar kein Fragebogen angewandt um die Dimensionsausprägungen zu testen. So verglich beispielsweise eine Studie (2004) Freizeittouristen aus 58 Nationen, die sich alle zum ersten Mal in den USA auf hielten, anhand ihrer »behaviours« und sah hierbei die Hofsted’schen

35 | Vgl. 36 | Vgl. 37 | Vgl. 38 | Vgl. 39 | Vgl. 40 | Vgl. 41 | Vgl.

Chow et al. 1991, S. 215. Westwood und Everett 1987, S. 187. Ebd., S. 200. Ebd., S. 200. Huo und Randall 1991, S. 160. Vgl. Lowe 1996, S. 101. Schlingensiepen et al. 2009, S. 45. Ebd., S. 53.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Länder-Scores bestätigt. 42 Was die Stichproben der Folgestudien Hofstedes angeht, so zeichnet sich ein einheitlicheres Bild ab. Die Mehrzahl an Studien vergleicht matched samples aus verschiedenen Nationen. 43 Eine Besonderheit weist die Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Sid Lowe (1996) auf, er replizierte Hofstedes Befragung in Hong Kong und den USA unter IBM-Mitarbeitern. 44 Es gibt auch einige wenige Studien, die kleinere Einheiten als Nationen vergleichen. Jene mit dem Titel »Exploring subcultural differences in Hofstede: The case of the Chinese« (1991) beispielsweise vergleicht Samples aus Taiwan, Peking, Hong Kong und Wuhan, also vier regionale Subkollektive, die sich in unterschiedlichen politischen Kontexten befinden. Je nachdem, wie der Fragebogen konzipiert und die Stichprobe zusammengestellt ist, lassen sich verschiedene Forschungsziele verfolgen. Während die zuletzt erwähnte Studie offensichtlich zum Ziel hat, subkollektive Unterschiede zu erforschen, 45 halten die meisten an dem Anspruch fest, internationale Unterschiede zu ermitteln. 46 Nun wird die vorliegende Arbeit im Hinblick auf ihre Fragebogenkonzeption, ihre Stichprobe und ihr Forschungsziel in die Reihen der anderen Folgestudien eingeordnet. Zunächst wird die Konzeption des Fragebogens beleuchtet. Im Grunde beinhaltet die Studie in Form der Subtests I und II zwei Arten von Folgestudien: eine Replikation und eine Art paradigmatische Anwendung. Denn im Subtest I werden die Fragen zur Messung des Uncertainty Avoidance-Indexes in ihrer originalen Version repliziert, und im Subtest II wird diese Dimension grundlegend neu operationalisiert, das heißt, es wird ein eigenes Forschungsinstrument entwickelt. Subtest III wiederum steht nicht in direktem Bezug zu den Dimensionen, er stellt somit eine Art unabhängige und weiterführende Studie da. Die Konzeption dieses Fragebogens, der also zugleich eine Replikation, eine paradigmatische Anwendung und eine unabhängige Studie beinhaltet, unterscheidet sich hiermit von den Konzeptionen der meisten Folgestudien, die sich gewöhnlich auf eine Art von Anwendung beschränken. Weiterhin erweist sich die Konzeption des Subtests II als außergewöhnlich. Hier richtet sich die neue Operationalisierung der Unsicherheitsvermeidungsdimension nach den theoretischen Ausführungen Hofstedes: Die Dimension wird in mehrere Merkmale zerlegt, die er als essentiell darstellt, und die Merkmale werden wiederum anhand jeweils mehrerer Items messbar

42 | Litvin et al. 2004, S. 30. 43 | Vgl. Westwood und Everett 1987, S.  199. Vgl. Litvin et al. 2004, S. 30. Vgl. Chow et al. 1991, S. 214. 44 | Vgl. Lowe 1996, S. 101. 45 | Vgl. Huo und Randall 1991, S. 160. 46 | Vgl. Litvin et al. 2004, S. 30.

121

122

Nationalkultur versus Berufskultur

gemacht. Eine Neu-Operationalisierung einer Dimension nach dieser Vorgehensweise ist im Rahmen der Analyse von Folgestudien nicht bekannt. Auch in Bezug auf die Stichprobe hebt sich die vorliegende Arbeit von der Mehrzahl der Folgestudien Hofstedes ab. Replikationen werden, sonst wären sie nicht sinnvoll, mit Stichproben durchgeführt, die mit Hofstedes Sampling vergleichbar sind, also mit matched samples aus verschiedenen Nationen. Vorwiegend basiert das matching darauf, dass die Samples der verschiedenen Nationen den gleichen Beruf haben und mitunter für die gleiche Firma arbeiten. Den Anspruch des matched Sampling erfüllt auch die vorliegende Studie. Hier können deutsche Lehrer französischen Lehrern gegenüber gestellt werden und deutsche Fabrikarbeiter können mit deutschen Fabrikarbeitern der gleichen Firma verglichen werden. Es liegen also matched samples in zweifacher Ausführung vor. Die zweifache Ausführung erlaubt gewissermaßen eine Absicherung einiger Ergebnisse. Denn die Unterschiede, die beispielsweise deutsche und französische Lehrer zeigen, können, bevor sie auf deren unterschiedliche Nationalität zurückgeführt werden, anhand der deutschen und französischen Arbeiter überprüft werden. Zudem können auch die beiden Berufskollektive der gleichen Nation, also beispielsweise deutsche Lehrer und deutsche Arbeiter einander gegenüber gestellt werden. Das dürfte auch im Sinne Hofstedes sein. Er empfiehlt für Folgestudien: »The analysis of differences in national culture should be complemented with a further differentiation of regional, ethnic, occupational, and organizational subcultures«. 47 Die Analysen nationaler Unterschiede und jene subkultureller Differenzen werden hier im Zuge der gleichen Befragung durchgeführt. Von der Differenzierung der Stichprobe in Dach- und Subkollektive leitet sich auch das Ziel der vorliegenden Studie ab. Es besteht darin, zu ermitteln, in Bezug auf welche der abgefragten Werteinstellungen die Sub- und Dachkollektive Unterschiede zeigen und warum. Besonders die Prägekraft der Subkollektivzugehörigkeiten wird hierbei getestet. Dieses Forschungsziel ist im Zusammenhang mit den Folgestudien Hofstedes neu. Die Replikationsstudien, die den IBM-Fragebogen in originaler oder abgeänderter Formulierung übernehmen, zielen meistens darauf ab, die Hofsted’schen Länder-Rankings zu überprüfen; 48 mitunter wird ein zeitlicher Wandel der Dimensionsausprägungen getestet. 49 Die paradigmatischen Anwendungen wiederum haben zwar zum Ziel, Hofstedes Modell abzuändern oder zu erweitern.50 Allerdings beinhaltet eine solche Abänderung normalerweise keine grundsätzlichen Zweifel

47 | Hofstede 2009, S. 461. 48 | Vgl. Søndergaard 1994, S. 450. 49 | Vgl. Ebd., S. 452. 50 | Vgl. Ebd., S. 451

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

am Konzept Kulturdimension als internationaler Vergleichsmaßstab. Normalerweise werden zwar Dimensionen für bestimmte Regionen ausgeschlossen oder es werden zusätzliche vorgeschlagen. Aber Hofstedes Grundannahme, dass sich nationale Kulturen anhand von Dimensionen sinnvoll vergleichen lassen, wird weiter getragen. Das ist in der vorliegenden Studie, welche die intra-nationale Homogenitätsprämisse in Frage stellt, nicht der Fall.

B.IV F r agebogenkonstruk tion Nachdem auf bauend auf den Forschungshypothesen nun das Forschungsdesign festgelegt wurde, schließt nun die Konstruktion des Fragebogens an. Seine Konstruktion vollzieht sich in mehreren Schritten, die im Folgenden in chronologischer Reihenfolge dokumentiert werden. Hierbei wird den theoretischen (vgl. B.IV.1) und statistischen (vgl. B.IV.4) Ansprüchen der Fragebogenentwicklung, den hier vorwiegend sprachlichen Differenzen ­ der Dachkollektive (vgl. B.IV.3) sowie der Unterschiedlichkeit der beteiligten Subko­llektive (vgl. B.IV.2) Rechnung getragen.51 Die letzteren beiden ­Aspekte werden auch in der Ergebnisanalyse der Befragung erneut deutlich.

B.IV.1 Operationalisierung der latenten Variablen anhand von reflektiven Verbindungsindikatoren Zuerst müssen die Merkmale der Subtests II und III operationalisiert werden. »Operationalization is the translation of the concepts to the questions«,52 so Saris und Gallhofer. An ihnen orientieren sich die meisten Standards und Begrifflichkeiten, die im Zuge der Operationalisierung und im Übrigen auch im Rahmen der Auswertung der vorliegenden Studie angewandt werden. Zunächst unterscheiden sie, was die zu operationalisierenden Merkmale angeht, zwei Kategorien: concepts-by-intuition von concepts-by-postulation. »[C]oncepts-by-intuition are simple concepts whose meaning is immediately obvious while concepts-by-postulation are less obvious concepts that require explicit definitions. Concepts-by-postulation are also called constructs.« 53

51 | »Die sprachliche Fassung eines Fragebogens muss adressatenbezogen sein« (Fisseni 1997, S. 300). 52 | Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 6. 53 | Saris und Gallhofer 2007, S. 15.

123

124

Nationalkultur versus Berufskultur

Folglich sind die concepts-by-intuition einfach und direkt in Fragebogen-Items umwandelbar. Die concepts-by-postulation hingegen sind als eine Konstruktion aus mehreren concepts-by-intuition zu verstehen54 und können nur sinnvoll anhand mehrerer Items abgefragt werden.55 Als Beispiel für ein concept-by-postulation führen Saris und Gallhofer die Einstellung gegenüber Präsident Clinton an und als entsprechende concepts-by-intuition nennen sie die kognitive Beurteilung Clintons, das Gefühl gegenüber Clintons Person und die Handlungstendenz, ihn zu wählen.56 Weiterhin unterteilen sie die concepts-by-postulation in reflektive und formative Konstrukte. Formativ bedeutet, dass das Konstrukt ein Aggregat der entsprechenden concepts-by-intuition ist. Ein Beispiel ist das Konstrukt des sozioökonomischen Status, das aus den Konstruktfacetten Einkommen, Bildung und Beschäftigung gebildet wird. Reflektiv hingegen meint, dass das Konstrukt als latente kausale Variable die Korrelationen zwischen seinen Konstruktfacetten begründet, also dass diese es reflektieren.57 Beispiele für reflektive Konstrukte sind die Merkmale der vorliegenden Studie. In Bezug auf diese Merkmale wird nicht davon ausgegangen, dass sie nur durch eine bestimmte Kombination aus concepts-by-intution vollständig repräsentiert und folglich nur anhand der entsprechenden Items sinnvoll abgefragt werden können. Stattdessen werden sie durch verschiedene concepts-by-intuition unabhängig voneinander reflektiert, die wahlweise als Items im Fragebogen auftauchen können. Diese Voraussetzung erlaubt das weitere Vorgehen: Zunächst werden nun die Merkmale durch eine Komposition aus Items operationalisiert, die theoretisch begründet ist und zum Teil an bewährte fremde Operationalisierungen anknüpft. Diese Zusammensetzung an Items muss jedoch nicht in den folgenden Schritten der Fragebogenkonstruktion bestehen bleiben. Einige Items werden an späterer Stelle eliminiert, ersetzt oder abgeändert, damit die endgültige Fragebogenversion genau auf die beteiligten Dach- und Subkollektive zugeschnitten ist. Zunächst werden also die Merkmale operationalisiert. Die hieraus entstandene erste Fragebogenversion ist in vollständiger Form dem Dokument »I. Fragebogen Version 1 (Think Aloud)« im Anhang zu entnehmen, im Folgenden werden nur die Hintergründe skizziert. Zunächst wird der Subtest II betrachtet. Die Merkmale »Religiosität«, »sich auf Technologie Verlassen« und »Regeltreue« werden abgefragt, weil Hofstede sie als die drei zentralen Wege zur Vermeidung von Unsicherheit erklärt.58 Zudem sei die »Offenheit gegen-

54 | Vgl. 55 | Vgl. 56 | Vgl. 57 | Vgl. 58 | Vgl.

Ebd., S. 28. Ebd., S. 16. Ebd., S. 16. Ebd., S. 277 f. Hofstede 2009, S. 165.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

über Unbekannten« eine elementare Manifestation niedriger59 und »subjektiv empfundener Stress« ein Symptom hoher Unsicherheitsvermeidung. 60 Diese Merkmale werden wie folgt operationalisiert. Die Items zur Religiosität orientieren sich am Religionsmonitor des Theologen Stefan Huber. Dieser Test berücksichtigt sechs Konstruktfacetten beziehungsweise concepts-by-intuition von Religiosität: Sinnsuche/religiöse Fragen, Ideologie/Glaube/Gottesbilder, öffentliche Praxis, private Praxis, religiöse Gefühle und Erfahrungen und zuletzt Konsequenzen im Alltag.61 Jede dieser Konstruktfacetten wird für die vorliegende Studie anhand eines Items operationalisiert. Was das Merkmal des Verlasses auf Technologie angeht, so ist nicht endgültig klar, was Hofstede hiermit meint. Er schreibt: »Technology includes all human artifacts«.62 Das ist weit gefasst. An anderer Stelle umschreibt er diesen Weg der Unsicherheitsvermeidung mit »replacing people with computers«, 63 das heißt, sein Technologie-Begriff lässt sich auf die Computer-Technologie anwenden. Die Items zielen nun auf die Benutzerfreudigkeit und die Wertschätzung zusätzlicher Computeranwendungen ab. Auch was den dritten Weg der Unsicherheitsvermeidung, »Regeltreue«, angeht, so ist undeutlich, auf was Hofstede sich konkret bezieht. Folglich sollen im Zuge der Operationalisierung dieses Merkmals verschiedene Kategorien an Regeln berücksichtigt werden. Ausgewählt wurde eine Kategorisierung nach der Kulturstandard-Forscherin Sylvia Schroll-Machl, die eine sogenannte Regeltreue als einen deutschen Kulturstandard bestimmt hat. Da der Ansatz der Kulturdimensionen und jener der Kulturstandards einige Gemeinsamkeiten haben, 64 liegt es nicht fern, dass ihre Konstrukte der Regeltreue sich ähneln. Schroll-Machl unterscheidet erstens implizite Regeln wie die Forderung nach Pünktlichkeit, zweitens auf einen bestimmten Wirkungskreis beschränkte Vorschriften wie Hausordnungen, drittens Verordnungen im öffentlichen Leben wie die Straßenverkehrsordnung und viertens Normen im beruf lichen Leben.65 Diese Kategorien werden für die vorliegende Studie anhand von Items operationalisiert. Die »Offenheit gegenüber Unbekanntem« bezieht Hofstede auf Situationen, die »novel, unknown, surprising, different from usual« 66 sind.

59 | Vgl. Ebd., S. 167. 60 | Vgl. Ebd., S. 53 und 167. 61 | Vgl. Huber 2009, S.19. 62 | Hofstede 2009, S. 146. 63 | Ebd., S. 147. 64 | Haas nennt das Modell der Kulturstandards einen »deutschen Gegenentwurf« zur Cross-Cultural Psychology (Haas 2009a, S. 85).. Laut Hansen sind beide Ansätze Klassiker der Kulturen vergleichenden Psychologie (Vgl. Hansen 2009a, S. 93). 65 | Vgl. Schroll-Machl 2007ba, S. 75. 66 | Hofstede 1986, S. 354.

125

126

Nationalkultur versus Berufskultur

Hier wird oftmals der Begriff der Amibiguitätstoleranz angebracht, 67 deshalb baut auf ihm die Operationalisierung des Merkmals auf. Die Items werden dem Inventar zur Messung der Ambiguitätstoleranz (IMA) (1999) des Psychologen Jack Reis68 entnommen. Auch die Operationalisierung des Merkmals »Subjektiv erlebter Stress« lehnt an jene eines validierten psychologischen Tests an, den Perceived Stress Questionnaire (PSQ). Hier werden die vier Facetten des Konstruktes Stress, – Sorgen, Anspannung, mangelnder Frohsinn und als hoch empfundene Anforderungen – 69 berücksichtigt. Nun wird die Operationalisierung der Merkmale des Subtests III dargelegt. Die Merkmale »Hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten« und »Wertschätzung der Europäischen Union« werden, zwar nicht wortwörtlich, jedoch inhaltlich, in Anlehnung an die Items der Eurobarometer-Studie operationalisiert.70 Die Eurobarometer-Studie ist eine seit dem Jahre 1973 regelmäßig durchgeführte Meinungsumfrage der Europäischen Kommission in den EU-Mitgliedsländern.71 Sie bietet gutes Ausgangsmaterial, weil ihre Items darauf ausgerichtet sind, in der Vielzahl an beteiligten Dach- und Subkollektiven annähernd äquivalent anwendbar zu sein. Die Items zum Merkmal HOCHKUL konkretisieren hochkulturelles Verhalten in Form von Theater, Klassikkonzert-, Ballett-/Oper- und Museums-/Galeriebesuchen. Diese vier Komponenten haben sich bereits mehrfach empirisch als Skala bewährt.72 Das Merkmal »Skepsis gegenüber Ausländern« wiederum wird entsprechend der ALLBUS-Studie (Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften) operationalisiert.73 ALLBUS ist eine langfristig angelegte Umfrageserie zu Einstellungen, Verhaltensweisen und der Sozialstruktur in Deutschland, die seit 1980 durchgeführt wird.74 Im Jahre 1996 behandelte sie das Schwerpunktthema »Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen in Deutschland«.75 Hier wurde besonderer Wert darauf gelegt, der Antworttendenz zur sozialen

67 | Vgl. Goodstein 1981, S. 50. Vgl. Korman 1985, S. 244. Vgl. Baumgartel und Thomas 1982, S. 193 f. Vgl. Jones 2007, S. 6. 68 | Vgl. Reis 1996. 69 | Vgl. Fliege et al. 2005, S. 83. 70 | Vgl. Gerhards 2008, S. 13. Vgl. Europäische Kommission 2003, S. 37-69. 71 | Vgl. Europäische Kommission 2012. 72 | Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 228. Gerhards nennt die Skala «Hochkultureller bzw. distinguierter Lebensstil«, sie erreicht bei ihm eine Reliablität von .72, was akzeptabel ist (Vgl. Gerhards 2008, S. 13). 73 | Vgl. Alba und Johnson 2000, S. 234. 74 | Vgl. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften e.V. 2012. 75 | Vgl. Wasmer et al. 1996, S. 1.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Erwünschtheit vorzubeugen.76 Die Items zum Merkmal »Materialistische (vs. postmaterialistische) Werteinstellung« orientieren sich am Fragenkatalog des Politikwissenschaftlers Ronald Inglehart, anhand dessen er die Konzepte des Materialismus und Postmaterialismus entwickelte.77 Er postuliert einen Zusammenhang zwischen postmaterieller Wertvorstellung und wirtschaftlicher Leistung und stellt fest, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeitsaufgabe und soziale Kontakte von Postmaterialisten höher bewertet werden als Arbeitsplatzsicherheit und Einkommen.78 Etwas anders verhält es sich mit dem Merkmal »Kindererziehung zur Anpassung (vs. Selbstbestimmung)«. Die Operationalisierung dieses Merkmals knüpft zwar direkt an die Thesen des Soziologen Melvin Kohn an. Kohn hat die Ausgestaltung der Kindererziehung als entscheidende Wertvorstellung deklariert,79 die je nach sozialer Schicht der Eltern eher zum Ziel hatte, Anpassung oder Selbstbestimmung zu lehren. 80 Allerdings sind es nicht wie bei Inglehart standardisierte Fragebögen, die Kohn zu seinen Erkenntnissen geführt haben. 81 Deshalb werden seine theoretischen Ausführungen in neue Items umgewandelt. Die Merkmale des Subtest III versprechen, im Hinblick auf einen Vergleich der Berufskollektive der Fabrikarbeiter und Studienräte erkenntnisreich zu sein, denn zahlreiche empirische Studien, vorwiegend aus dem Bereich der Soziologie, haben bereits Unterschiede aufgezeigt. 82 Diese Unterschiede sollten in der vorliegenden Studie geprüft werden. Falls sie die Relevanz der Subkollektive im Vergleich zu jener der Nationen unterstreichen, ist der Hofsted’sche Kulturbegriff basierend auf der Homogenitätsprämisse in Frage zu stellen. Was die konkrete Formulierung der Items angeht, so existiert eine Reihe an Qualitätskriterien. Die Kriterien von Saris und Gallhofer werden an späterer Stelle im Rahmen der Qualitätsanalyse der Items der endgültigen

76 | Vgl. Wasmer et al. 1996, S. 16. Vgl. Alba und Johnson 2000, S. 232. Die Fragen mögen anmuten, zu pauschal, zu verkürzt, zu wenig differenziert zu sein. Aber gerade die Verkürzung ist das Konzept, das messbar gemacht werden soll, denn eine negative Einstellung gegenüber Ausländern beruht an sich auf groben Verkürzungen komplexer Zustände (Vgl. Stolz 2000, S. 78 f.). 77 | Vgl. Inglehart 1989, S. 173. Vgl. Hradil 2004, S. 273. 78 | Vgl. Inglehart 1989, S. 208. 79 | Vgl. Lüscher 1981, S. 10. Vgl. Hennig 1999, S, 59. 80 | Vgl. Kohn 1981a, S. 22. 81 | Kohns Erkenntnisse beruhen auf den Interviews der Washington Study (1956-57), der Turin Study (1962-63) und der National Study (1964) (Vgl. Kohn 1977, S. 9 f.). 82 | Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 224. Vgl. Hradil 2001, S. 460.Vgl. Stolz 2000, S. 38 f. Vgl. Feiman-Nemser und Floden 1991, S. 50 ff. Vgl. Kohn 1977, S. 9 f.

127

128

Nationalkultur versus Berufskultur

Fragebogenversion besprochen (vgl. B.IV.5). An dieser Stelle sei schon angedeutet, dass in der Regel Items empfohlen werden, die kurz sind, 83 klare, konnotativ-arme Begriffe beinhalten, 84 nur auf einen Sachverhalt 85 sowie auf gewöhnliche Situationen86 abzielen und keine Suggestionen enthalten. 87 Diese Vorgaben werden berücksichtigt.

B.IV.2 Ein Think Aloud-Test Diese erste Operationalisierung der Merkmale wird bereits im nächsten Schritt überarbeitet. Der folgende Schritt der Fragebogenentwicklung ist der sogenannte Think Aloud-Test, 88 eine Art Benutzertest. Hierbei ­werden die B ­efragten gebeten, den Fragebogen ›laut‹ auszufüllen. Während sie ihre Antworten ankreuzen, sprechen sie ihre Gedankengänge aus und beantworteten Rückfragen. 89 So teilen sie mit, welche Assoziationen die Items in ihnen auslösen, wie sie einzelne Begriffe verstehen und was sie zu ihrer Antwort bewegt. Das Ziel des Think Aloud-Tests ist es, zu überprüfen, wie die Themen, der Auf bau und die Formulierungen des Fragebogens verstanden werden.90 Denn mitunter verstehen die Befragten den Fragebogen anders, als der Forscher es im Rahmen der Fragebogenkonstruktion intendiert und der Ergebnisanalyse und Interpretation zugrunde legt.91 Hierbei ist entscheidend, dass der Fokus auf die Unterschiedlichkeit der beteiligten Berufskollektive der Lehrer und Fabrikarbeiter gelegt wird. Dass die an der Umfrage beteiligten verschiedenen Dachkollektive, also die Franzosen und die Deutschen, den Fragebogen unterschiedlich verstehen können, wird im Rahmen der Diskussion der Übersetzungsproblematik berücksichtigt (vgl. B.IV.3). Indessen werden im Zuge des Think Aloud-Tests verschiedene Subkollektive einer Sprachgemeinschaft in ihren unterschiedlichen ›Lesearten‹ des Fragebogens erforscht. 92 Der Forscher sollte gerade die Subkollektive in den Test mit einbeziehen, die ihm besonders fremd sind, da er hier am wenigsten einschätzen kann, wie sie den Fragebogen auffassen. Von besonderer Relevanz

83 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 50. 84 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. 85 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 50. 86 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. 87 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 50. 88 | Presser et al. 2004, S. 112. 89 | Vgl. Ebd., S. 112. 90 | Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 24. 91 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 331. 92 | Vgl. Janzer 2007, S. 30.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

sind hier Fallgruppen, die sich in ihrem Bildungshintergrund vom Forscher unterscheiden, 93 weil ihr Sprachgebrauch und Hintergrundwissen abweichen mögen. In der vorliegenden Studie wird angenommen, dass das Subkollektiv der Fabrikarbeiter der Forscherperspektive ferner ist als jenes der Studienräte, also wurde mit ihnen der Think Aloud-Test durchgeführt. Hierbei wird die Forschungshypothese 10 »Subkollektivspezifische Antwortverzerrungen«: Die Subkollektive zeigen unterschiedliche Antworttendenzen. überprüft. Sie wurde im Zusammenhang mit der Kritik an Hofstedes empirischer Methodik aufgestellt (vgl. B.I.3) und besagt, dass sich in der Auswertung des Think Aloud-Tests kollektivspezifische Antworttendenzen zeigen. Auch Hofstede, so wurde bereits belegt, geht von kollektivspezifischen Antworttendenzen aus und zieht es vor, seine Ergebnisse im Hinblick auf nationalspezifische Akquieszenz zu korrigieren. Sein Vorgehen hat jedoch zwei Schwächen: Zum einen vernachlässigt er weitere mögliche Antworttendenzen, insbesondere die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit. Zum anderen impliziert er, und das steht im Einklang mit seinem ethnizistischen Kulturbegriff, dass nur Dachkollektive spezifische Antworttendenzen aufweisen. Im Rahmen des Think Aloud-Tests werden diese beiden Punkte weiter verfolgt. Erstens wird überprüft, ob das Subkollektiv der Fabrikarbeiter spezifische Antworttendenzen zeigt, die sich nicht mit denen decken, die der Forscher voraussetzt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Forscher und Fabrikarbeiter dem gleichen Dachkollektiv entstammen, würde das bedeuten, dass auch innerhalb eines Dachkollektivs auf Subkollektivebene unterschiedliche Antworttendenzen vorliegen. Zweitens wird gezielt beobachtet, welches Ausmaß der Antworttendenz der sozialen Erwünschtheit zuzuschreiben ist. Kritiker werfen Hofstede vor, dass er insbesondere diese Antworttendenz vernachlässigt hat. Falls sie im vorliegenden Rahmen auftaucht, ist umso denkbarer, dass sie auch in der IBM-Befragung eine Rolle gespielt hat. Der Think Aloud-Test findet am 16. Januar 2011 mit fünf deutschen gewerblichen Mitarbeitern der Firma Villeroy & Boch in Mettlach im Saarland statt. Die Gespräche werden auf Tonband aufgenommen und sind als Transkriptionen dem Dokument »II. Protokoll Think Aloud-Test« im Anhang zu entnehmen. Abbildung 1 zeigt als einen Auszug die Antworten zum Merkmal »Skepsis gegenüber Ausländern.«

93 | Vgl. Haas 2009b, S. 69. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 224.

129

130

Nationalkultur versus Berufskultur

Abb. 1: Das Think Aloud-Protokoll zum Merkmal »Skepsis gegenüber Ausländern«. 12) Die Ausländer sollten sich noch besser an unseren Lebensstil anpassen. e

a bcd

-2       -1       +1 • • • •

      +2

(a) Ich habe Erfahrungen mit den Sprachproblemen der Ausländer, die hier leben. (b) Denn wenn man selber ins Ausland geht oder Gast ist, muss man sich auch anpassen. (c) Die ausländischen Kollegen arbeiten manchmal einfach, wie sie wollen. (d) Da ist einiges im Argen. Beispielsweise sollten ausländische Kinder im Schul­ alter besser Deutsch lernen und verstehen, dass es im Deutschen mehrere Begriffe für eine Sache gibt. Daraus entstehen doch die meisten Probleme. Kopftücher finde ich nicht so schlimm, denn meine Großmutter hat auch eins getragen, wenn auch nicht aus religiösen Gründen.

• 13) Knappe Arbeitsplätze sollten bevorzugt an Einheimische vergeben werden. e

a b c d

-2       -1 • • • •

      +1      +2

(a) Quatsch, denn jede Firma will eher gute Arbeiter als unbedingt welche von hier. ( b) Es gibt ja auch Arbeiten, die wollen Einheimische gar nicht machen, oder da gibt es zu wenig speziell ausgebildete Kräfte. (c) Man kann ruhig den Leuten, die sich integrieren, eine Chance geben. (d) Es hilft nichts, dumme Deutsche einzustellen. Und Italiener leben auch und zahlen hier auch Steuern.

14) Man sollte das Wahlrecht der Ausländer einschränken. e d

-2 • • • •

c

a

      -1       +1       +2 (a) Gute Frage. Wie ist denn gerade die Lage? (b) Ja, denn wenn ich im Ausland leben würde, hätte ich auch nicht überall das Wahlrecht. (c) Ich weiß nicht, wie die aktuellen Gesetze sind. (d) Das Wahlrecht ist so ein Durcheinander.

b

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse 15) Ausländer sollten ihre Ehepartner unter ihren Landsleuten auswählen. e a b

-2 • • •



c d

      -1       +1       +2 (a) Nur unter Landleuten wäre schwierig, denn dann kapseln sich Ausländer noch weiter ab anstatt sich anzupassen. (c) [Frage folgendermaßen falsch verstanden: Ausländer sollten in ihrer Partnerwahl total frei sein („auswählen dürfen“).] (d) Ich kenne viele Ehen mit Moslems, die schnell geschieden wurden. Es kommt drauf an, zum Beispiel Italiener und Franzosen sind unser Kulturkreis. Moslems sind anders. (e) Im Gegenteil.

Das Item 12 wird so belassen, denn es erweist sich insofern als dankbar, als dass es selbst in diesem sensiblen inhaltlichen Kontext nicht die Verzerrungstendenz der social desirability94 hervorzurufen scheint, das heißt, die Befragten trauen sich, ihre Bedenken ehrlich mitzuteilen. Der Schlüsselbegriff des Lebensstils ist zwar nicht eindeutig und somit nicht für alle Befragten inhaltlich äquivalent gefüllt. So verstehen zwei Befragte unter Lebensstil sprachliche Kompetenzen, ein anderer Äußerlichkeiten wie Kleidung und ein weiterer das Verhalten am Arbeitsplatz. All diese inhaltlichen Füllungen sind jedoch im Rahmen dieses Items akzeptabel, denn es soll eine eher intuitive anstatt differenziert begründete Skepsis gegenüber Ausländern abfragen. Die Items 13 und 14 hingegen werden eliminiert, denn ersteres scheint nicht zu differenzieren, vielleicht weil es nicht zeitgemäß ist, und letzteres setzt ein Hintergrundwissen zum Wahlrecht voraus, das bei den meisten der Befragten nicht gegeben ist. Stattdessen werden zwei Items der ALLBUS-Umfrage aus dem Jahre 199695 hinzugefügt: »Die Ausländer könnten das soziale Netz belasten« und »Ausländer begehen häufiger Straftaten als die Deutschen«.96 Das Item 15 wiederum wird umformuliert, denn es erweist sich als zu unklar. Erstens scheint undeutlich, worauf die Frage abzielt: Sollten sich die Ausländer ihre Partner unter ihren Landsleuten auswählen müssen oder dürfen? Zweitens stellt sich der Begriff der Ausländer in diesem Kontext als zu weit gefasst heraus, denn für die Befragten macht es einen entscheidenden Unterschied, welche Nationalität und welche Konfession gemeint sind. Eine Konkretisierung der Bezeichnung Ausländer ist allein deshalb sinnvoll, weil die deutschen Fabrikarbeiter im nahe

94 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 41 und 60. Vgl. Fisseni 1997, S. 304. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 213. 95 | Vgl. Wasmer et al. 1996, S. 1. 96 | Vgl. Alba und Johnson 2000, S. 234.

131

132

Nationalkultur versus Berufskultur

der französischen Grenze leben. Für sie könnte der Ausländer-Begriff anders besetzt sein als beispielsweise für die deutschen Lehrer im Rheinland. Ein Befragter des Think Aloud-Tests schlägt vor, den Begriff der Ausländer durch jenen der Moslems zu ersetzen. Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil sowohl Deutschland als auch Frankreich muslimische Immigration verzeichnen. Eine nationale Konkretisierung des Begriffs der Ausländer wird hingegen vermieden, weil das Prinzip der annähernden Äquivalenz verletzt würde. Schließlich sind einzelne nationale Einwanderungsgruppen nicht in beiden Ländern gleichermaßen präsent. Schlussendlich lautet das umformulierte Item: »Ehen zwischen Christen und Muslimen sind für beide Seiten problematisch«. Die Ergebnisse des Think Aloud-Tests bestätigen die Forschungshypo­these 10 »Subkollektivspezifische Antwortverzerrungen«, denn offensichtlich können die Antworttendenzen, auch die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit, je nach Subkollektiv variieren. In Bezug auf einige Items zeigen die befragten Fabrikarbeiter eine Tendenz zur sozialen Erwünschtheit, die aus Forscherperspektive und somit aus der Perspektive eines anderen Subkollektivs nicht selbstverständlich ist. Abbildung 2 zeigt hierzu zwei Beispiele. Abb. 2: Auszüge aus dem Think Aloud-Test zu den Merkmalen HOCHKUL und ERZ. 2) Ich würde gerne öfter in die Oper gehen. ec

ab

d

-2       -1        +1       +2 •

(c) Das tun wir schon mal gar nicht.

37) Hausarrest ist eine akzeptable Erziehungsmethode. e cd

-2 • •

a

b

       -1       +1       +2 (a) Computerverbot und Rausschicken ist eher sinnvoll, denn sonst hat man das bockige Kind zu Hause und das nervt. (c) Manchmal wirkt es und manchmal nicht. Manchmal werden die Kinder nur knatschiger.

Das Item 2 fragt die Wertschätzung von Opernbesuchen ab und die Befragten vermitteln den Eindruck, als würden sie es als verpönt empfinden, hier eine starke Zustimmung zu äußern. Aus Forscherperspektive hingegen wäre eine Tendenz zur sozialen Erwünschtheit in entgegengesetzter Richtung denkbar, das heißt, es wäre eher als sozial erwünscht bekannt, zu beteuern, dass man

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

hochkulturell bewandert ist.97 Das Item 37 fragt die Einstellung zu Hausarrest als Erziehungsmethode ab. Die Befragten kreuzen zwar eine eher ablehnende Haltung an, zeigen aber anhand ihrer Kommentare, dass sie Bestrafungsmethoden dieser Art grundsätzlich als zielführend erachten. Hier wäre aus Forscherperspektive eine Tendenz zur sozialen Erwünschtheit zu erwarten gewesen, die darauf abzielt, bloß keinen Erziehungsmethoden auch nur ansatzweise zuzustimmen, die nicht mehr als zeitgemäß erachtet werden könnten. Die beiden Beispiele legen nahe, dass Antworttendenzen nicht nur, wie Hofstede es annimmt, zwischen Dachkollektiven variieren, sondern auch zwischen Subkollektiven und dass es erkenntnisreich ist, die Variationen zu erforschen. Zudem hat sich die Forschungshypothese bestätigt, dass die Antworttendenz zur sozialen Erwünschtheit in der vorliegenden Abfrage von W ­ erten eine Rolle spielt. Es scheint unwahrscheinlich, dass diese Antworttendenz nicht auch in der Hofsted’schen Studie, die schließlich auch Werte abfragt, hätte berücksichtigt werden müssen. Die im Think Aloud-Test gewonnenen Erkenntnisse haben einen weitreichenden Einf luss auf die Weiterentwicklung des Fragebogens. Die Anpassung des Fragebogens wird im Folgenden dokumentiert. Zunächst wird im Anschluss an diesen Test ein Merkmal vollständig eliminiert, das ursprünglich im Subtest II eingeplant worden war: das des traditionellen Geschlechterrollenverständnisses. Denn im Think Aloud-Test erweisen sich alle entsprechenden Items als zu schwach differenzierend. 98 Das Merkmal »Wertschätzung der Europäischen Union« wiederum wird in dieser inhaltlichen Orientierung erst im Zuge der Auswertung des Think Aloud-Tests bestimmt. Ursprünglich sollte ein allgemeines politisches Interesse abgefragt werden, aber während der Gespräche wird deutlich, dass die Äußerungen der Fabrikarbeiter zur EU-Politik aussagekräftiger sind. Die EU-Politik ist auch deshalb ein sinnvolles Thema, weil es im Hinblick auf die beteiligten Dachkollektive zumindest mehr Äquivalenz annehmen lässt als die Nationalpolitik. Während zum Zeitpunkt der Befragung nationalpolitische Ereignisse die Antworten der Befragten unterschiedlich hätten beeinf lussen können, befinden sich Deutschland und Frankreich auf EU-politischer Ebene in vergleichbareren Umständen.

97 | Es ist davon auszugehen, dass die Häufigkeit der Partizipation an hochkulturellen Veranstaltungen auf der Basis einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage deutlich überschätzt wird, da die Angehörigen einer ganzen Reihe von Subkollektiven im Sinne der sozialen Erwünschtheit in ihren Angaben übertreiben (Vgl. Gerhards 2008, S. 15). 98 | »Items, die praktisch von allen Untersuchungsteilnehmern bejaht oder verneint werden, sind ungeeignet. Sie tragen wenig zur Differenzierung bei« (Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 51). Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 233.

133

134

Nationalkultur versus Berufskultur

In Anlehnung an den Think Aloud-Test wird nicht nur die inhaltliche Prägung gesamter Merkmale entschieden, sondern es werden auch das Schema der Antwortkategorien sowie der Auf bau des Fragebogens und einzelner Items verändert. Was die Antwortkategorien anbelangt, so wird nach dem Think Aloud-Test eine fünfte mittlere Kategorie hinzugefügt, denn sie hat Teilnehmern an mancher Stelle offensichtlich gefehlt, um Unentschiedenheit auszudrücken. Was den Auf bau des Fragebogens angeht, so wird beispielsweise die Frage, wie oft man in die Oper gehe, von erster Stelle entfernt, weil sie die Befragten gerade zu Beginn augenfällig stark irritiert hat.99 Was den Auf bau einzelner Items betrifft, so werden Häufigkeiten fixiert, 100 da sich gezeigt hat, dass die Befragten sie unterschiedlich bewerteten. So wird beispielsweise das Item »Ich gehe gerne ins klassische Konzert« konkretisiert in Form von »Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins klassische Konzert zu gehen«. Weiterhin werden Items in den komparativen Modus umformuliert. Beispielsweise die Items »Bei der Arbeitsplatzwahl finde ich besonders wichtig, dass der Arbeitsplatz gesichert ist« und »Bei der Arbeitsplatzwahl finde ich besonders wichtig, dass man seine Kollegen mag« werden zusammengefasst zu »Mir ist wichtiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine Kollegen mag«. Hier werden eine materialistische und eine postmaterialistische Wertvorstellung gegenüber gestellt. Wären sie getrennt zu bewerten, so hat der Think AloudTest gezeigt, würden vorwiegend beide Optionen gleich bewertet, ohne dass Prioritäten gesetzt würden. Zuletzt werden die ausgeglichenen Polungen wieder aufgehoben. Eine ausgeglichene Polung bedeutet, dass die Items zu einem Merkmal in unterschiedliche Richtungen zielen. 101 Ein Beispiel ist das Item »Unterschriftenaktionen der Bürger gegen den geplanten Bau einer Autobahn können etwas bewegen« in Kombination mit »Demonstrationen der Bürger gegen den geplanten Bau einer Autobahn sind sinnlos«. Würde man ›blind‹ beide mit Ja oder alle mit Nein beantworten, würde man sich ambivalent zum Merkmal äußern. Der Think Aloud-Test hat gezeigt, dass die Gleichpolungen, welche gezwungenermaßen oft auch Negationen enthalten, 102 einige Befragte verwirren und dass diese mitunter nicht die Antwortkategorie ankreuzen, die ihrer Einstellung entspricht.

99 | »Zu Beginn [des Fragebogens] sind sogenannte Eisbrecher bzw. Aufwärmfragen empfehlenswert, die das Thema einleiten und Interesse wecken sollen« (Raab-Steiner und Bensch 2010, S. 51). Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 156. 100 | »Quantifizierende Umschreibungen mit Begriffen wie ›fast‹, ›kaum‹, ›selten‹ etc. sind insbesondere in Kombination mit Rating-Skalen problematisch« (Bortz und Döring 1995, S. 234). Vgl. Fisseni 1997, S. 301. 101 | Vgl. Fisseni 1997, S. 301. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 216, 224 f. und 233. 102 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 225.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Dass dieser Test auf subkollektiver Ebene durchaus aufschlussreich ist, demonstrieren auch die sprachlichen Differenzen, die Abweichungen im Hintergrundwissen und die charakteristischen Lebensumstände, die zur Sprache gekommen sind. So wird beispielsweise der Begriff einer sinnvollen Arbeitstätigkeit von den Fabrikarbeitern anders gedeutet, als es aus Forscherperspektive erwartet worden war. Hier liegt konzeptionelle Inäquivalenz vor. Und während das Konzept des Fairen Handels unter Arbeitern vorwiegend nicht bekannt ist, weisen sie einen besonders hohen technischen Wissensstand auf. Was ihre Lebensumstände angeht, so war bei der ersten Fragebogenkonstruktion unter anderem nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass die Arbeiter auch am Wochenende Schicht haben. Deshalb wird nun das Item »Am Wochenende bin ich erschöpft« umformuliert in »An meinen arbeitsfreien Tagen bin ich erschöpft«. All diese Ausführungen zum Think Aloud-Test, die im Übrigen keineswegs wertend zu verstehen sind, zeigen, wie vielschichtig sich Subkollektive unterscheiden. Die Unterschiede zwischen Fallgruppen, die an einer Befragung teilnehmen, dürfen also, selbst wenn sie dem gleichen Dachkollektiv angehören, nicht unterschätzt werden und sollten in der Fragebogenkonstruktion berücksichtigt werden.

B.IV.3 Übersetzung des Fragebogens auf Französisch Nachdem im Rahmen des Think Aloud-Tests die Eigenheiten eines an der Befragung beteiligten Subkollektivs in die Fragebogenkonstruktion mit einbezogen wurden, wird im folgenden Schritt der Unterschiedlichkeit der beteiligten Dachkollektive Rechnung getragen. Der bisher auf Deutsch formulierte source questionnaire103 wird ins Französische übersetzt. Der Übersetzungsprozess als maßgebliche Komponente der Fragebogenkonstruktion ist nicht zu unterschätzen.104 So nennt Haas das Übersetzungsproblem den bedeutendsten Verzerrungsfaktor bei interkulturellen Befragungen.105 Und Janet Harkness, Autorin des im Folgenden angewandten Übersetzungsverfahrens, stellt fest: »Good translations do not ensure a good survey but bad translations do guarantee a bad survey«.106 Die problematischen Folgen einer mangelhaften Übersetzung wurden bereits im Rahmen der Diskussion der Hofsted’schen Methodik ausgeführt. Eine inadäquate Übersetzung der Items bedeutet mangelnde konzeptuelle Äquivalenz (vgl. A.III.2.3.1) und eine mangelhafte Übertragung der Antwortskalen mündet in unzureichender Skalenäquivalenz, sodass die Mit-

103 | Harkness 1999, S. 134. 104 | Vgl. Harkness 2005, S. 24. 105 | Vgl. Haas 2009b, S. 62. 106 | Harkness et al. 2010, S. 131.

135

136

Nationalkultur versus Berufskultur

telwerte der Fallgruppen nicht verglichen werden können (vgl. A.III.3.1.2). Die Herausforderung der Herstellung von Äquivalenz liegt nicht etwa in einer exakt wortwörtlichen Übersetzung, sondern darin, durch mitunter abweichende Formulierungen Bedeutungen vergleichbar darzustellen. Vollkommene Äquivalenz lässt sich selbst unter Anwendung neuester Forschungserkenntnisse nicht garantieren;107 was bleibt, ist die Herausforderung, sie annähernd herzustellen. Während Hofstede sein eigenes Vorgehen als pragmatisch unwissenschaftlich bezeichnet 108 (vgl. A.III.2.3.1), wird in der vorliegenden Studie durchaus der Anspruch erhoben, ein ausreichendes Maß an Äquivalenz herzustellen. Die Methode, die hierzu angewandt wird, ist die der Teamarbeit.109 Das Verfahren der Teamarbeit beziehungsweise der sogenannte committee approach110 ist eine Alternative zu den traditionellen Methoden wie jener der Rückübersetzung. 111 Der Vorteil dieses relativ aufwendigen Verfahrens ist, dass sich hier mehrere Perspektiven von Übersetzern ergänzen, sodass eine Vielfalt an sprachlichen sowie soziokulturellen Unterschieden der entsprechenden Dachkollektive berücksichtigt wird.112 Das Akronym TRAPD umfasst die fünf Schritte der Teamarbeit: Translation, Review, Adjudication, Pretest, Documentation. 113 Zuerst wird der Fragebogen von mindestens zwei Übersetzern unabhängig voneinander in deren Muttersprache 114 übersetzt. Im anschließenden Review-Schritt werden die Differenzen beider Versionen im Team diskutiert und in Einklang gebracht. 115 Hier werden nicht nur die Übersetzungen der Items, sondern auch jene der Instruktionen und Antwortskalen mit einbezogen.116 Ein unabhängiger Experte, der Adjudicator, 117 überprüft die Endversion, die in einem Pretest getestet wird und dessen Diskussionspunkte im Rahmen der Documentation offen gelegt werden. 118 »Documentation […] is used as a quality assurance and monitoring tool«. 119 Da wie gesagt vollkomme-

107 | Vgl. Haas 2009b, S. 72. 108 | Vgl. Hofstede 2009, S. 46. 109 | Vgl. Haas 2009b, S. 68 ff. 110 | Harkness und Schoua-Glusberg 1998, S. 101. 111 | Vgl. Harkness 2007, S. 79. 112 | Willis et al. 2010, S. 142. 113 | Vgl. Harkness et al. 2010, S. 128. Vgl. Harkness 2007, S. 83. Vgl. Harkness 2005, S. 25. 114 | Vgl. Harkness 2007, S. 83. 115 | Vgl. Harkness 2005, S. 24. 116 | Vgl. Harkness und Schoua-Glusberg 1998, S. 121. 117 | Harkness 2007, S. 83. 118 | Vgl. Haas 2009b, S. 69 f. 119 | Harkness et al. 2010, S. 128.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

ne Äquivalenz praktisch nie erreicht werden kann, ist die Dokumentation der Diskussionspunkte im Übersetzungsprozess für die Beurteilung der Validität eines übersetzten Fragebogens umso maßgeblicher. 120 Im Folgenden werden die Diskussionspunkte dokumentiert, die im Zuge des Übersetzungsprozesses der vorliegenden Studie von Bedeutung sind. Die vollständigen deutschen und französischen Fragebogenversionen des Vortests und der endgültigen Umfrage sind dem Ordner »III. Fragebogen Version 2 (Vortest)« im Anhang zu entnehmen. Aus finanziellen Gründen war es nicht möglich, mehrere professionelle Übersetzer zu beschäftigen. Die an der Teamarbeit beteiligten Personen sind französische Muttersprachler, die als Deutschlehrer an staatlichen Schulen unterrichten. Was das Deckblatt mit den Instruktionen angeht, so einigten sie sich auf keine wortwörtliche Übersetzung, sondern ließen das »bitte« viermal aus, mit der Begründung, dass ein zu häufiges »s’il vous plaît« irritiere. Was die soziodemographischen Angaben am Ende betrifft, so müssen die Auswahlmöglichkeiten natürlich an die nationalen Umstände angepasst werden. Während die deutschen Befragten drei Alternativen an Schulabschlüssen haben, bekommen die französischen zwei: »Baccalauréat general« und »Baccalauréat professionnel«. Auch die Antwortskalen sind als schwer wortwörtlich übersetzbar bekannt.121 Alle Beteiligten sind sich einig, dass für ein »Stimme zu« ein »D’accord« das Äquivalent sei. Problembehafteter scheint die Übersetzung der mittleren Kategorie. Während sie im Deutschen »Neutral« heißt, wird sie im Französischen als »Sans opinion« bezeichnet. Da nach dem Vortest (vgl. B.IV.4) immer noch Skepsis gegenüber der Äquivalenz dieser beiden Versionen bestehen wird, wird nach dem Vortest auf eine Bezeichnung aller Kategorien verzichtet. Anstelle dessen werden, so dokumentiert die folgende Abbildung, nur die Eckpunkte eins und fünf benannt. Abb. 3: Endgültige Fragebogenversion: Antwortskalen auf Deutsch und Französisch.

1          2         3          4        5 Stimme voll zu

Stimme gar nicht zu

1          2         3          4        5 Pas du tout d’accord Tout á fait d’accord 120 | Vgl. Harkness 1999, S. 134. Vgl. Harnkess und Schoua-Glusberg 1998, S. 121. 121 | Vgl. Harkness et al. 2010, S. 132.

137

138

Nationalkultur versus Berufskultur

Was die Übersetzung von Items betrifft, so wäre es möglich, zur äquivalenten Abfrage des gleichen Merkmals in unterschiedlichen Sprachen Fragen zu stellen, die inhaltlich voneinander abweichen.122 Hierzu wurde bereits das Beispiel genannt, zur Abfrage der Nahrungsaufnahme in manchen Regionen nach dem Verzehr von Reis und in anderen nach dem von Nudeln oder Kartoffeln zu fragen (vgl. A.III.2.3). In der vorliegenden Studie wird es jedoch vermieden, ein Merkmal in beiden Sprachen anhand inhaltlich unterschiedlicher Items abzufragen. Stattdessen werden inäquivalente Items eliminiert oder abgeändert. Inäquivalent können die Items in mehrfacher Hinsicht sein. Erstens drängt sich im Falle mancher Items die Problematik unterschiedlicher sozialer Realitäten (vgl. A.III.2.3.2) in Deutschland und Frankreich auf. So wäre es im Falle Deutschlands sicherlich angemessen gewesen, die Wertschätzung hochkultureller Aktivitäten auch am Beispiel des Kabarettbesuchs zu testen. Die Übersetzer können jedoch kein Äquivalent kabarettistischer Veranstaltungen in Frankreich finden. Weiterhin wird es im Falle des Items »Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist« vermieden, eine konkrete Institution zu nennen. Denn während die Europäische Zentralbank in Deutschland ist, hat das Europäische Parlament einen Sitz in Frankreich; das heißt, die Bezüge der Nationen zu den verschiedenen Institutionen könnten inäquivalent sein. In ähnlicher Form sieht man, wie bereits erwähnt, davon ab, den Begriff der Ausländer zu konkretisieren. Indessen lässt man eine regionale Konkretisierung im Falle des Items »Ich hätte Lust, durch Asien zu reisen« zu. Es soll die Offenheit gegenüber Unbekanntem testen und die Übersetzer nahmen an, dass Deutschland und Frankreich einen vergleichbaren Bezug zu Asien haben. Weitere Diskussionspunkte zur Übertragung der Items ins Französische betreffen ihre sprachliche Ausgestaltung. So gibt es Diskussionen zur Übersetzung von »religiös«, und »grübeln«. Ersteres wird schlussendlich mit »pieux« übersetzt und Letzteres wird anhand zweier Begriffe, »ruminer/ressasser«, umschrieben. Auch das Item »Mir ist es wichtiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine Arbeitsaufgabe mich erfüllt« bereitet Unsicherheit; letzten Endes wird »erfüllen« mit »épanouir« übersetzt. Die Items zum Merkmal der (post) materialistischen Wertorientierung führen allgemein zu Diskussionen, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch relativ abstrakte Schlüsselbegriffe beinhalten. Die Items »Selbstverwirklichung ist wichtig in meinem Leben« und »Ich denke viel über Selbstfindung nach« werden zwar übersetzt in »L’épanouissement personnel tient une place importante dans ma vie« und »Je suis sans cesse à la recherche de moi-même«. Aber man steht der Äquivalenz beider Versionen so skeptisch gegenüber, dass die Items an späterer Stelle nach dem Vortest eliminiert werden. Zwei weitere Items, die sich auch während der Übersetzung

122 | Vgl. Harkness 1999, S. 128.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

als problembehaftet erweisen, werden später nach dem Vortest abgeändert. Das eine ist »Ich finde wichtiger, dass Kinder lernen, auf ihre Eltern zu hören, als dass sie ihren eigenen Kopf entwickeln« beziehungsweise »Je trouve plus important que les enfants aprennent à écouter leurs parents plutôt que d’agir uniquement selon leurs pensées«. Die Konnotation der Redewendung des eigenen Kopfes scheint kaum äquivalent übersetzbar. Das andere Item ist »Im Restaurant bestelle ich am liebsten exotische Speisen« beziehungsweise »Au restaurant, je préfère commander des plats exotiques«. Der Begriff der Exotik erweist sich in diesem Kontext als nicht äquivalent anwendbar. Die einzelnen Diskussionspunkte betreffen also zum einen die sprachliche Ausgestaltung der Instruktionen, Items und Antwortskalen und zum anderen die unterschiedlichen sozialen Realitäten in den beteiligten Dachkollektiven. Das Ziel der Diskussion ist in beiden Fällen, einen Fragebogen auszuarbeiten, der in den beteiligten Kollektiven näherungsweise konzeptuell äquivalent ist. Die soeben ausgeführte Dokumentation der Diskussion illustriert, dass es eine ganze Reihe kritischer Punkte gibt, die zu einer beachtlichen Abänderung des Fragebogens führen. Hier bestätigt sich die anfangs aufgestellte Forschungshypothese 8 »Schrittweise Fragebogenübersetzung für konzeptuelle Äquivalenz«: Das hier angewandte Übersetzungsverfahren trägt zur Sicherstellung konzeptueller Äquivalenz bei (vgl. B.I.2). Sie besagte, dass ein so komplexes Übersetzungsverfahren wie jenes der Teamarbeit lohnenswert ist, weil es viele Diskussionspunkte zu Tage bringt, die im Zuge von Hofstedes one shot-translations 123 verborgen geblieben sind. Es scheint undenkbar, dass es gerade im Falle Hofstedes, der eine besonders große Menge an Dachkollektiven in seine Befragung mit einbezieht, tatsächlich verzichtbar war.

B.IV.4 Ein quantitativer Vortest Im Anschluss an die Übersetzung wird der bisher erarbeitete Fragebogen im März und April 2011 einem quantitativen Vortest124 unterzogen. Die Stichprobe dieses Vortests setzt sich zusammen aus 27 deutschen Lehrern von der Diedrich-Uhlhorn-Realschule in D-41515 Grevenbroich, 13 französischen Lehrern vom Lycée Marcel Rudloff in F-67200 Strasbourg, 18 deutschen Arbeitern der Firma ACO in D-24768 Rendsburg/Büdelsdorf und 17 französischen Arbeitern der Firma ACO in F-27940 Notre Dame de l’Isle. Alle Befragten nehmen nur an diesem Test und nicht an der endgültigen Umfrage teil. Die komplette französische und deutsche Version des Vortests sind dem Anhang zu entnehmen, im Folgenden werden nur einzelne Fragen aufgegriffen. Um

123 | Vgl. Hofstede 2009, S. 22 f. 124 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 216.

139

140

Nationalkultur versus Berufskultur

die damalige Fragebogenversion auf ihre Aussagekraft hin zu prüfen, werden drei Arten von Analysen durchgeführt. Deren vollständige Ergebnisse sind in Form der jeweiligen SPSS-Outputs ebenfalls dem Anhang zu entnehmen, die entsprechenden Dokumente sind mit »IV. Vortest Häufigkeitsanalysen«, »V. Vortest Reliabilitätsanalysen« und »VI. Vortest Faktorenanalysen« betitelt. Im Folgenden werden die Analysen zunächst einzeln beschrieben, anhand beispielhafter Auszüge veranschaulicht und in ihrer jeweiligen Zielsetzung erläutert. Diese Ausführungen münden in einer Auflistung der Konsequenzen für die Fragebogengestaltung. Als erste Analyse werden im Rahmen der deskriptiven Statistik 125 Häufig­ keitstabellen, 126 Histogramme127 sowie Lagemaße128 (Median, 129 Mittelwert)130 und Streuungsmaße 131 (Minimum und Maximum, Standardabweichung, 132 Perzentile)133 für alle Items und Merkmale herangezogen. Die Tabellen 3 und 4 und die Abbildungen 4 und 5 illustrieren die deskriptive Analyse am Beispiel des Merkmals »Wertschätzung der Europäischen Union« und anhand eines seiner Items: »Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist«.

125 | Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 71 f. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 348 f. 126 | Die Häufigkeitstabellen stellen dar, wie viele Befragte welchen Wert in Bezug auf eine Variable erzielten (Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 82 f.) (Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 276 f.) (Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 45 und 51). 127 | Die Histogramme sind eine graphische Darstellungsform der Häufigkeiten (Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 89 f.). 128 | Die Lagemaße sind die Maßzahlen zur zentralen Tendenz einer Verteilung (Vgl. Ebd., S. 94). 129 | Der Median bezeichnet den Wert, von dem alle anderen Werte am wenigsten abweichen (Vgl. Ebd., S. 98). 130 | Das arithmetische Mittel beziehungsweise der Mittelwert gibt die Summe aller Messwerte dividiert durch die ihre Anzahl an (Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 10 und 28) (Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 96). 131 | Die Dispersions- oder Streuungsmaße sind Maßzahlen zur Unterschiedlichkeit der Merkmalsausprägungen (Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 99). 132 | Die Standardabweichung ist die Wurzel aus der Varianz, welche wiederum der Mittelwert der Summe aller quadrierten Abstände zwischen Messwerten und Mittelwert ist (Vgl. Ebd., S. 101). 133 | Die vier Perzentile geben an, unter welchem Messwert 25%, 50%, 75% und 100% aller Messwerte liegen (Vgl. Ebd., S. 104).

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Tabelle 3: Vortest: Häufigkeitstabelle für das Item »Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist«. Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

Stimme gar nicht zu

9

12.0

12.0

12.0

Stimme eher nicht zu

31

41.3

41.3

53.3

Neutral

19

25.3

25.3

78.7

Stimme eher zu

12

16.0

16.0

94.7

Stimme voll zu

4

5.3

5.3

100.0

Gesamt

75

100.0

100.0

Tabelle 4: Vortest: Häufigkeitstabelle der Variable »Wertschätzung der Europäischen Union«. Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

–.40

1

1.3

1.4

1.4

1.20

1

1.3

1.4

2.7

1.60

2

2.7

2.7

5.4

2.00

3

4.0

4.1

9.5

2.40

7

9.3

9.5

18.9

2.80

8

10.7

10.8

29.7

3.20

8

10.7

10.8

40.5

3.60

10

13.3

13.5

54.1

4.00

9

12.0

12.2

66.2

4.40

8

10.7

10.8

77.0

141

142

Nationalkultur versus Berufskultur

Gültig

Häufigkeit

Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

4.80

5

6.7

6.8

83.8

5.20

2

2.7

2.7

86.5

5.60

7

9.3

9.5

95.9

6.00

3

4.0

4.1

100.0

Gesamt

74

98.7

100.0

Fehlend System

1

1.3

Gesamt

75

100.0

Abb. 4: Vortest: Lage- und Streuungsmaße der Variable »Wertschätzung der EU«. N gültig 74 Fehlend 1 Median 9.000 Mittelwert 9.2432 Minimum -1.00 Maximum 15.00 Standardabweichung 3.17011 Perzentile   25 7.0000   50 9.0000   75 11.0000

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Abb. 5: Vortest: Histogramm der Variable »Wertschätzung der EU«. 10

Häufigkeit

8

6

4

2

0 .00

5.00

Mittelwert = 9.24 Standardabweichung = 3.17 N = 74

10.00

15.00

EU

Die deskriptive Analyse gibt einen Überblick über die Antworttendenzen134 der Befragten. So wird erstens ausgeschlossen, dass es viele missing values135 gibt. Weiterhin wird geprüft, ob die Befragten eine starke Tendenz zum Ja-Sagen beziehungsweise eine sogenannte Akquieszenz zeigen.136 Zudem wird geprüft, wie häufig die neutrale Mittelkategorie Verwendung findet. Einerseits soll sie den Befragten, die tatsächlich eine neutrale Einstellung haben, die Möglichkeit geben, diese auszudrücken. Würde sie jedoch von fast allen Befragten angekreuzt, verlöre die Skala an Aussagekraft.137 In diesem Fall könnte man die Fragen überarbeiten oder in der endgültigen Fragebogenversion die neutrale Kategorie nicht mehr anbieten. Das erscheint jedoch hier nicht nötig. Wei-

134 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 215 f. 135 | Ebd., S. 216. 136 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 216. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 61. 137 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S.204. Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 55.

143

144

Nationalkultur versus Berufskultur

terhin lässt sich feststellen, ob die entsprechenden Items eher einfach oder schwierig formuliert sind. Ein Item wird als schwierig bezeichnet, wenn die Antworten vorwiegend am unteren Ende der Skala liegen und es wird als einfach bezeichnet, wenn eher hohe Werte angekreuzt werden.138 Außerdem zeigt sich, wie breit die Verteilung gestreut ist, das heißt, wie stark sich die Antworten der Befragten unterscheiden und ob sie eher gespalten ist oder sich um einen Höhepunkt herum konzentriert.139 Da eine Skala grundsätzlich zwischen Befragten mit unterschiedlichen Merkmalsausprägungen differenzieren soll, ist eine zu einfache oder schwierige beziehungsweise eine sehr eng gestreute Verteilung wenig aussagekräftig.140 Neben den deskriptiven Analysen werden weiterhin Reliabilitätsanalysen durchgeführt. Das heißt, die Genauigkeit der Messung einer Variablen anhand der entsprechenden Items wird getestet. 141 Hierzu wird der Kennwert Cronbachs Alpha 142 herangezogen. Ein Auszug des Analyse-Outputs wird nun am Beispiel der Variable »Hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten« widergegeben. Tabelle 5: Vortest: Reliabilitätsstatistiken der Variable „Hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten“. Cronbachs Alpha

.905

Cronbachs Alpha für standardisierte Items .907

Anzahl der Items

4

138 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 199. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 31 f. und 155 f. 139 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 198 und 398 f. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 109 f., 139 und 147. 140 | Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 58 und 159. 141 | Vgl. Fisseni 1997, S. 70. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 181. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 9. 142 | Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 189, 192 und 197. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 184 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Tabelle 6: Vortest: Item-Skala-Statistiken der Variable „Hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten“. Skalen-­ Mittelwert, wenn Item weggelassen

Skalenva­ Korrigierte Quadrierte rianz, wenn Item-Skala-­ multiple Korrelation Korrelation Item weg­ gelassen

Cronbachs Alpha, wenn Item weggelassen

1) HOCHKUL: Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Theater zu gehen.

7.48

13.010

.785

.624

.878

2) HOCHKUL: Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins klassische Konzert zu gehen.

7.89

14.205

.808

.668

.871

3) HOCHKUL: Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Ballett / in die Oper zu gehen.

7.95

13.754

.820

.692

.865

4) HOCHKUL: Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Museum / in Galerien zu gehen.

7.24

13.725

.741

.552

.893

Grundsätzlich ist ein Cronbachs Alpha akzeptabel, dessen Wert mindestens .7 beträgt.143 Falls das nicht der Fall ist, lässt sich in den Item-Skala-Statistiken ablesen, wie sich der Wert verändern würde, wenn man ein bestimmtes Item eliminieren würde. Im vorliegenden Beispiel ist das, weil Cronbachs Alpha .905 beträgt, nicht nötig. Hingegen zeigte sich die Messgenauigkeit anderer Variablen, so stellt es Tabelle 7 dar, als verbesserungswürdig.

143 | Vgl. Zinnbauer und Eberl 2004, S. 6.

145

146

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 7: Vortest: Cronbachs Alpha der latenten Variablen. Variable

Cronbachs Alpha

Variable Cronbachs Alpha

HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

RELI

.905

.662

.831

.698

.831

.936

REGEL

TECH

.599

.742

OFFEN STRESS

.834

.709

Neben der deskriptiven Begutachtung und den Prüfungen der Reliabilitäten wurden zuletzt Faktorenanalysen144 durchgeführt. Die Faktorenanalyse hat zum Ziel, die Struktur der Korrelationsmatrix verschiedener Items zu erklären.145 Hierzu werden latente Faktoren generiert, auf die jene Items, die stark korrelieren, gemeinsam abzielen. Im vorliegenden Fall werden die Faktorenanalysen jeweils für die Items durchgeführt, die zur Abfrage des gleichen Merkmals konzipiert worden waren. Indem getestet wird, ob nur ein Faktor generiert wurde, ließ sich feststellen, ob sie tatsächlich auf ein einheitliches Merkmal abzielen. Im Falle, dass mindestens zwei Faktoren generiert werden, wird die Zusammenstellung der Items überdacht. Die Tabelle 8 zeigt die Korrelationsmatrix der Items zum Merkmal Postmaterialismus. Anhand der unterschiedlichen Korrelationshöhen wird bereits hier deutlich, dass die Items unterschiedlich stark zusammenhängen.

144 | Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 84. Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 201 f. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 122. 145 | Vgl. Bortz und Döring 1995, S. 355. Vgl. Lienert und Raatz 1998, S. 99 und 112.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Tabelle 8: Vortest: Korrelationsmatrix der Items der Variable „Materialistische Wertorientierung“. 14) POSTMAT: Mir ist wich­ tiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine ­Kollegen mag.

15) POSTMAT: Mir ist wichtiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine Arbeit einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet.

16) POSTMAT: Selbstver­ wirk­l ichung ist wichtig in meinem Leben.

17) POSTMAT: Ich denke viel über Selbst­ findung nach.

14) POSTMAT: Mir ist wichtiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine Kollegen mag.

1.000

.600

.068

.367

15) POSTMAT: Mir ist wich­ tiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine Arbeit einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet.

.600

1.000

.134

.404

16) POSTMAT: Selbstverwirk­ lichung ist wichtig in meinem Leben.

.068

.134

1.000

.593

17) POSTMAT: Ich denke viel über Selbst­ findung nach.

.367

.404

.593

1.000

147

Nationalkultur versus Berufskultur

Weiterhin zeigt sich anhand des Screeplots146 in Abbildung 6 graphisch, dass zwei Komponenten generiert werden. Je höher der Eigenwert eines Faktors ist, desto bedeutender ist der Anteil an der Varianz, den er erklärt. Im vorliegenden Fall sind die Eigenwerte zweier Faktoren als hoch zu werten. Abb. 6: Vortest: Screeplot der Variable „Materialistische Werteorientierung“.

2.5

2.0

Eigenwert

148

1.5

1.0

0.5

0.0 1

2

3

4

Faktor

Nun stellt sich die Frage, welche Items auf welchen Faktor laden. Die einzelnen Ladungen finden sich in der Komponentenmatrix der Tabelle 9.

146 | Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 90 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Tabelle 9: Vortest: Rotierte Komponentenmatrix für die Items der Variable „Materialistische Wertorientierung“. Komponente 1

Komponente 2

14) POSTMAT: Mir ist wichtiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine Kollegen mag.

.893

.069

15) POSTMAT: Mir ist wichtiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine ­A rbeit einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leistet.

.870

.157

16) POSTMAT: Selbstverwirklichung ist wichtig in meinem Leben.

-.046

.935

17) POSTMAT: Ich denke viel über Selbstfindung nach.

.384

.816

Diese Tabelle zeigt, dass, während die Items 14 und 15 hoch auf Faktor eins laden, sich die Items 16 und 17 auf den zweiten beziehen. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass die sprachliche Konzipierung der beiden Item-Paare stark voneinander abweicht: Die Items 14 und 15 sind komparativ und die Items 16 und 17 sind absolut formuliert. Als Konsequenz werden die letzteren umformuliert und dem Modus der ersteren angepasst. Auch in weiteren Fällen fordern die Ergebnisse der Faktorenanalysen eine Überarbeitung der Items. Tabelle 10 zeigt, in Bezug auf welche Variablen ein Faktor generiert wurde und in welchen Fällen zwei.

149

150

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 10: Vortest: Anzahl generierter Faktoren der Items pro Variable. Variable Anzahl generierter Faktoren

Variable Anzahl generierter Faktoren

HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

RELI

OFFEN

STRESS

1

2

1

2

1

1

1

2

REGEL

TECH

2

1

Nachdem die Analysen des Vortests vorgestellt, anhand von Beispielen veranschaulicht und in ihrer Zielsetzung erläutert wurden, werden nun abschließend die Konsequenzen für die Formulierung der endgültigen Fragebogenversion zusammenfassend dargestellt. Tabelle 11 zeigt, welche Items in Anlehnung an die Ergebnisse der deskriptiven, Reliabilitäts- und Faktorenanalyse umformuliert werden. Die Übersetzung der hinzugefügten Items ins Französische erfolgt nach dem gleichen Schema wie die erste Übersetzung (vgl. B.IV.3). Tabelle 11: Abänderungen der Items anhand der Ergebnisse des quantitativen Vortests. Variable

Änderungen der Itemskalen nach dem quantitativen Vortest

EU

– Ein Item hinzugefügt: „Entscheidungen, die von der EU getroffen werden, beeinf lussen meinen Alltag“.

POSTMAT

– Zwei Items eliminiert: „Selbstverwirklichung ist wichtig in meinem Leben“ und „Ich denke viel über Selbstfindung nach“. – Zwei Items hinzugefügt: „Mir ist wichtiger, dass meine Wohnung praktisch eingerichtet ist, als dass sie individuell ist“ und „Mir ist wichtiger, dass meine Lebensmittel preiswert sind, als dass sie unter fairen Bedingungen produziert wurden“.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Variable

Änderungen der Itemskalen nach dem quantitativen Vortest

ERZ

– Ein Item eliminiert: „Kinder sollen lernen sich anzupassen“. – Ein Item abgeändert: „Ich finde wichtiger, dass Kinder lernen, auf ihre Eltern zu hören, als dass sie ihren eigenen Kopf entwickeln“ zu „Ich finde wichtiger, dass Kinder lernen, auf ihre Eltern zu hören, als dass sie ihre eigene Meinung entwickeln“.

RELI

– Ein Item abgeändert: „Ich bete regelmäßig vor den Mahlzeiten“ zu „Ich bete regelmäßig“.

OFFEN

– Ein Item abgeändert: „Im Restaurant bestelle ich am liebsten exotische Speisen“ zu „Im Restaurant bestelle ich am liebsten Speisen, die mir unbekannt sind“.

STRESS

– Zwei Items eliminiert: „Ich mache mir Sorgen über meine persönliche ­Zukunft“ und „Ich bin ein Mensch, der viel grübelt“.

REGEL

– Drei Items eliminiert: „Ich halte die Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Straßen ein“ und „ich gehe auch mal über rote Ampeln“ und „Ich bin ein sparsamer Mensch“. – Ein Item hinzugefügt: „An meine Arbeitsvorschriften halte ich mich genauer als ich müsste“.

TECH

– Drei Items eliminiert: „Mein Computer ist mir wichtig, um dort meine Fotos zu verwalten“ und „Mein Computer ist mir wichtig, um dort meine Musik zu verwalten“ und „Mein Computer ist mir wichtig, um dort meine E–Mails zu verwalten“. – Drei Items hinzugefügt: „Mein Computer ist mir wichtig, um dort meine Dokumente/Fotos/Musik zu verwalten“ und „Mein Computer ist mir wichtig, um online zu kommunizieren“ und „Mein Computer ist mir wichtig, um Informationen / Nachrichten zu lesen“.

151

152

Nationalkultur versus Berufskultur

B.IV.5 Evaluierung der Qualität des endgültigen Fragebogens Abschließend wird der endgültige Fragebogen auf seine Qualität, das heißt, auf seine Reliabilität und Validität, hin überprüft. Im Rahmen des Vortests wurden die Reliabilitäten anhand des Kennwerts Cronbachs Alpha ausgedrückt (vgl. B.IV.4). Die nun folgende Qualitätsprüfung ist umfangreicher und wird in Anlehnung an Saris und Gallhofer durchgeführt. Zunächst wird erläutert, wie sie die Begriffe der Reliabilität, Validität und Qualität einsetzen. Hierzu zeigt Abbildung 7 ein simples Messmodell, welches sich an ihren Darstellungen orientiert. Abb. 7: Ein Messmodell in Anlehnung an Saris/Gallhofer 2007, S. 183-188. f

f = variable of interest (Bsp. für f: Identifikation mit der EU) v

v = validity coefficient M

M = m ethod factor m t r

y

m = reaction to a specific method t = true score for y  (Bsp. für t: Adäquate Antwort auf das Item: „Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren“) r = reliability coefficient y = observed response variable (Bsp. für y: Gegebene Antwort auf das Item)

e

e = random error in variable y (Bsp. für e: Flüchtigkeitsfehler beim Ankreuzen)

Das Messmodell lässt sich anhand eines Beispiels aus der vorliegenden Studie erläutern. Hier ist die Identifikation mit der Europäischen Union die Variable, die gemessen werden soll, also die variable of interest (f). Sie ist operationalisiert durch das Item »Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren«, welches eine fünfstufige Antwortskala anbietet. Angenommen, der Identifikationsgrad eines Befragten entspricht wahrheitsgemäß Stufe zwei, dann ist die zwei sein true score (t). Unter Umständen kreuzt er jedoch die Antwortkategorie eins an, dementsprechend wäre eins die observed response variable (y).­ Dass er eins anstatt zwei ankreuzt, ist auf Messfehler zurückzuführen, die

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

systematischer oder willkürlicher Art sein können.147 Ein random error (e) könnte darin bestehen, dass der Befragte sich beim Ankreuzen schlichtweg vertan hat. Ein systematischer Fehler könnte in Form seiner reaction to a specific method (m) vorliegen. Vielleicht kreuzt der Befragte auf fünfstufigen Skalen grundsätzlich eher im unteren Bereich an und hätte sich bei einer siebenstufigen Skala anders entschieden. Die Messfehler führen zu Abweichungen: Im Falle einer reaction to a specific method zwischen der variable of interest und dem true score, und im Falle eines random error zwischen dem true score und der observed response variable. Diesen eventuellen Abweichungen tragen die Reliabilität und Validität Rechnung. »[The reliability coefficient] represents the standardized effects of the true score on the observed score«.148 Er ist umso höher, je schwächer die random error-Effekte ausfallen. Diese Definition deckt sich mit der bisherigen Umschreibung des Reliabilitätsbegriffs, denn auch hier geht es um die Messgenauigkeit beziehungsweise darum, inwiefern der gemessene Wert dem wahrheitsgemäßen entspricht. Der validity coefficient wiederum berücksichtigt die standardisierten Effekte der varibale of interest auf den true score und ist umso höher, je geringer sich die reaction to a specific method auswirkt. Bisher wurde Validität umschrieben mit dem Anspruch eines Items beziehungsweise Fragebogens, tatsächlich das zu messen, was zu messen angenommen wird. Diese bisherige Definition findet sich hier wieder: Hier ist die Validität umso höher, je genauer die variable of interest durch den true score abgebildet wird. Die Höhe von Reliabilität und Validität werden durch Koeffizienten ausgedrückt. Grundsätzlich ist es wünschenswert, dass der Reliabilitäts- und der Validitätskoeffizient sich möglichst nahe bei eins bewegen.149 Aus den beiden Koeffizienten leiten Saris und Gallhofer schlussendlich die total quality150 eines Items ab. Sie besteht aus dem Produkt beider Koeffizienten151 und meint somit einen möglichst engen Zusammenhang zwischen der variable of interest und der observed response variable. Das Quadrat des Produktes drückt aus, welcher Anteil der Varianz der letzteren Variable durch erstere erklärt wird. »The product of these two [reliability and validity] coefficients gives an indication of the total quality coefficient of the measure, and the square of the product gives the variance of the observed variable explained by the variable to be measured.« 152

147 | Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 183. 148 | Ebd., S. 188. 149 | Vgl. Ebd., S. 264. 150 | Vgl. Ebd., S. 259. 151 | Vgl. Ebd., S. 264. 152 | Ebd., S. 264.

153

154

Nationalkultur versus Berufskultur

Dieses Prinzip soll am Beispiel des Items »Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren« veranschaulicht werden. Hier beträgt der ­Reliabilitätskoeffizient r 0.866, der Validitätskoeffizient v hat einen Wert von 0.978 und somit beläuft sich der Koeffizient der total quality q auf (r 0.866 * v 0.978 =) q 0.847. Das Quadrat des Produktes beträgt (0.847 2 =) q2 0.717. Folglich sind 71,7% der Varianz der observed response variable auf die variable of interest zurückzuführen. Der Rest, also 28,3%, ist Messfehlern geschuldet. Dieses Ergebnis spricht laut Saris und Gallhofer für eine gute Qualität des Items.153 Die Reliabilitäts- und Validitätskoeffizienten und daraus folgernd die total quality eines Items lassen sich computergestützt anhand des Survey Quality Predictor154 ermitteln. 155 »This program [the survey quality predictor] contains the following functions: (1) reading and automatic coding of the survey items in a questionnaire, (2) prediction of the quality of proposed survey items on a number of criteria, (3) providing information about the effects of the different choices, and (4) providing suggestions for improvement of these items.« 156

Er wird vorwiegend angewandt, um die Qualität von Items vorherzusagen, bevor sie in einem Fragebogen eingesetzt werden;157 er lässt sich aber auch nutzen, um bereits gesammelte Daten zu evaluieren.158 Hierzu speist man das Item inklusive der dazugehörigen Antwortkategorien, Einleitungen und Instruktionen159 in das Computerprogramm ein und beschreibt es anhand einer Reihe von Charakteristika.160 Dieses Vorgehen lässt sich anhand eines Beispiels veranschaulichen. Tabelle 12 zeigt die Charakteristika und die entsprechenden Antworten für das Item: »Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren«.

153 | Vgl. Ebd., S. 264. 154 | RECSM 2013. 155 | Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 257 f. 156 | Ebd., S. 257. 157 | Vgl. Ebd., S. 9. 158 | Vgl. Ebd., S. 275. 159 | Vgl. Ebd., S. 260. 160 | Vgl. Ebd., S. 257.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Tabelle 12: Charakterisierung des Items „Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren“ anhand des Survey Quality Predictor. Characteristic

Choice

Domain

European Union politics

Domain: European Politics

Other

Concept

Feeling

Social Desirability

Not present

Centrality

Rather central

Reference period

Present

Formulation of the request for an answer: basic choice

No request present (e.g. not the first item of battery)

Use of stimulus or statement in the request

Stimulus or statement is present

Absolute or comparative judgement

An absolute judgement

Response scale: basic choice

Categories

Number of categories

5

Labels of categories

Partially labeled

Labels with long or short text

Complete sentences

Order of the labels

First label negative or not applicable

Correspondence between labels and numbers of scale

Medium correspondence

Theoretical range of the scale: biploar/ unipolar

Theoretically bipolar

Range of the used scale: biploar/unipolar

Unipolar

Neutral category

Present

Number of fixed reference points

2

Don’t know option

DK option only registered

Interviewer instruction

Absent

155

156

Nationalkultur versus Berufskultur

Characteristic

Choice

Respondent instruction

Present

Extra motivation, info or definition available?

Present

Knowledge provided

No extra information provided

Instruction available?

Available

Number of sentences in introduction

11

Number of words in introduction

112

Number of subordinated clauses in introduction

7

Request present in the introduction

Request not present

Number of sentences in the request

1

Number of words in the request

9

Total number of nouns in request for an answer

1

Total number of abstract nouns in request for an answer

1

Total number of syllables in request

16

Number of subordinate clauses in request

0

Number of syllables in answer scale

14

Total number of nouns in answer scale

0

Total number of absract nouns in answer scale

0

Show card used

Showcard not used

Computer assisted

No

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Auf Basis dieser Art von Charakterisierung161 errechnet der Survey Quality Predictor also die Reliabilitäts-, Validitäts- und Qualitätskoeffizienten.162 Tabelle  13 präsentiert die Qualität des endgültigen Fragebogens. Sie listet die Reliabilitätskoeffizienten r, die Validitätskoeffizienten v und die Qualitätskennwerte q2 aller deutschen und französischen Items auf, die nach der Prüfung auf Skalenäquivalenz (vgl. B.VI.3) in den Mittelwertvergleich, das Kernstück der Datenauswertung, mit einbezogen werden. Die Items sind nummeriert gemäß ihrer Reihenfolge im Fragebogen, welcher dem Ordner »VII. Fragebogen Version 3 (final)« im Anhang zu entnehmen ist. Es fällt auf, dass die Qualität der französischen Items durchgängig etwas niedriger ist. Laut den Empfehlungen des Survey Quality Predictor mag das dem Umstand geschuldet sein, dass die französische Antwortskala »Pas du tout d’accord … Tout à fait d’accord« nicht aus kompletten Sätzen besteht und zwei abstrakte Nomen beinhaltet. Dennoch sind alle Qualitätskennwerte zufriedenstellend hoch.163 Da somit der Anteil der Varianz, der Messfehlern geschuldet ist, relativ klein ist,164 wird im Folgenden auf eine Korrektur von Messfehlern verzichtet.

161 | Die Berechnungen beruhen auf »MTMM [multi trait multi method] data and analysis previously done by The Research and Expertise Centre for Survey Methodology for the European Social Survey and for other surveys in many different countries« (RECSM 2013). 162 | Es ist anzumerken, dass er weitere Kennwerte liefert: die common method variance, den interquartile range und den standard error. Sie werden im vorliegenden Kontext nicht detaillierter besprochen. 163 | Nur die total quality des Items 20 liegt unter 0.6. Hierbei handelt es sich um die französische Version des Items »Ich bin ein religiöser Mensch«. Dieser vergleichsweise niedrige Qualitätskennwert wird deshalb toleriert, weil das Gewicht dieses Items relativ gering ist. Denn im Hinblick auf das Merkmal der Religiosität fließen vier Items mit in den Mittelwertvergleich ein. 164 | Die Varianz, die Messfehlern geschuldet ist, beträgt (1 – total quality) (Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 264).

157

158

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 13: Die Qualitätskennwerte der deutschen und französischen Items des endgültigen Fragebogens, die in den Mittelwertvergleich mit einbezogen werden. ItemNr.

Deutsche Version: Qualitätskennwert q2 (Relibilitätskoeffizient r, Validitätskoeffizient v)

Französische Version: Qualitätskennwert q2 (Relibilitätskoeffizient r, Validitätskoeffizient v)

3

q2 0.636 (r 0.824, v 0.967)

q2 0.615 (r 0.820, v 0.956)

4

q2 0.636 (r 0.824, v 0.968)

q2 0.605 (r 0.813, v 0.957)

5

q2 0.717 (r 0.866, v 0.978)

q2 0.704 (r 0.860, v 0.975)

7

q2 0.648 (r 0.837, v 0.980)

q2 0.673 (r 0.823, v 0.977)

8

q2 0.648 (r 0.837, v 0.980)

q2 0.673 (r 0.823, v 0.977)

11

q2 0.682 (r 0.843, v 0.980)

q2 0.636 (r 0.817, v 0.976)

12

q2 0.691 (r 0.847, v 0.982)

q2 0.640 (r 0.819, v 0.976)

14

q2 0.635 (r 0.815, v 0.977)

q2 0.610 (r 0.802, v 0.973)

16

q2 0.625 (r 0.813, v 0.973)

q2 0.607 (r 0.807, v 0.966)

17

q2 0.670 (r 0.848, v 0.965)

q2 0.636 (r 0.830, v 0.961)

18

q2 0.633 (r 0.840, v 0.947)

q2 0.618 (r 0.835, v 0.941)

20

q2 0.628 (r 0.827, v 0.958)

q2 0.596 (r 0.812, v 0.952)

22

q2 0.614 (r 0.818, v 0.958)

q2 0.604 (r 0.818, v 0.950)

24

q2 0.648 (r 0.846, v 0.952)

q2 0.635 (r 0.840, v 0.949)

25

q2 0.610 (r 0.816, v 0.957)

q2 0.656 (r 0.851, v 0.952)

29

q2 0.659 (r 0.853, v 0.952)

q2 0.652 (r 0.853, v 0.946)

30

q2 0.634 (r 0.839, v 0.949)

q2 0.621 (r 0.834, v 0.945)

33

q2 0.647 (r 0.842, v 0.955)

q2 0.632 (r 0.836, v 0.950)

35

q2 0.655 (r 0.850, v 0.952)

q2 0.642 (r 0.847, v 0.945)

36

q2 0.631 (r 0.830, v 0.957)

q2 0.618 (r, 0.827, v 0.950)

37

q2 0.665 (r 0.846, v 0.964)

q2 0.619 (r 0.847, v 0.929)

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

B.V D atenerhebung Im Anschluss an den quantitativen Vortest erfolgt die endgültige Datenerhebung. Die Stichprobe setzt sich zusammen aus 106 deutschen Fabrikarbeitern der Firma Villeroy & Boch in D-66693 Mettlach (22,6% der Stichprobengesamtheit), 113 französischen Fabrikarbeitern der Firma Villeroy & Boch in F-82400 Valence d’Agen (24,1%), 147 deutschen Studienräten (31,3%) und 103 französischen Studienräten (22%). Die deutschen Studienräte sind am Pascal-Gymnasium und am Erasmus-Gymnasium in D-41515 Grevenbroich sowie am Norbert-Gymnasium in D-41540 Knechtsteden beschäftigt. Die französischen Studienräte sind tätig am Collège Ennemond Richard, am Collège Jean Rostand und am Collège Pierre Joannon in F-42400 Saint-Chamond, am Lycée Saint-Exupéry in F-31700 Blagnac sowie am Collège François Truffaut in F-42800 Rive-de-Gier. Tabelle 14 gibt einen Überblick über die Verteilung von Altersgruppen und Geschlecht in den vier Fallgruppen. Tabelle 14: Verteilung von Alter und Geschlecht in der endgültigen Stichprobe. männlich

weiblich

Geburtsjahrgang 1941–1968

Geburts­ jahrgang 1969–1995

106 deutsche Arbeiter

92

7

47

40

113 französische Arbeiter

106

7

88

24

147 deutsche Lehrer

69

71

68

68

103 französische Lehrer

50

52

36

67

Fehlende Werte Gesamt

0

16

454

454

Die Darstellung der Verteilung von Alter und Geschlecht zeigt, dass der Frauenanteil erwartungsgemäß zwar unter den Studienräten ausgeglichen, jedoch unter den Fabrikarbeitern sehr gering ist. Weiterhin sind unter den französischen Arbeitern relativ viele Mitglieder der älteren Generation und unter den französischen Studienräten relativ viele der jüngeren. Die Befragung fand im Juni 2011 statt. Mit den deutschen Fabrikarbeitern wurde sie in Kleingruppen in Besprechungsräumen in der Fabrik durchgeführt. Die Lehrer füllten die Fragebögen im Lehrerzimmer und in Einzelfällen zu Hause aus. Die Teilnahme

159

160

Nationalkultur versus Berufskultur

war in allen Fällen freiwillig. Während für die Lehrer laut einiger Aussagen im Vordergrund stand, einen nicht aufwändigen Beitrag zu einem wissenschaftlichen Projekt zu leisten, betonten die Fabrikarbeiter eher, dass sie froh waren, zu einigen generellen Themen ihre Meinung kundtun zu dürfen.

B.VI D atenanalyse Nachdem die Erhebung der Daten skizziert wurde, wird nun ihre Auswertung erörtert. Zunächst gibt ähnlich wie im Hinblick auf den quantitativen Vortest (vgl. B.IV.4) eine deskriptive Statistik einen ersten groben Überblick über die Mittelwerte der Antworten der nationalen Berufskollektive (vgl. B.VI.1). Dieser erste Überblick wird bereits veranschaulichen, dass sich nicht nur Deutsche und Franzosen, sondern alle vier Subkollektive in ihren Antworten unterscheiden und er wird einige Thesen zur Auswertung der Ergebnisse aufwerfen. Anschließend werden die Ergebnisse differenzierter betrachtet und die Thesen werden statistisch überprüft. Zum einen wird anhand einer Regressionsanalyse getestet, wie unterschiedlich stark sich die Einflussfaktoren Nationalität, Beruf, Alter und Geschlecht auf das Antwortverhalten auswirken (vgl. B.VI.2). Hier wird sich zeigen, dass bei Weitem nicht nur die Nationalität einen Einfluss auf die abgefragten Werteinstellungen ausübt. Des Weiteren werden die Befragten in verschiedene Kollektive eingeteilt und der Vergleich ihrer Mittelwerte wird durchgeführt. Hierzu muss zunächst überprüft werden, in Bezug auf welche Fragebogenitems Skalenäquivalenz vorliegt (vgl. B.VI.3). Denn nur wenn die Befragtengruppen von der gleichen Maßeinheit und von einem einheitlichen Nullpunkt ausgehen, ist ein Vergleich ihrer Mittelwerte zulässig (vgl. A.III.3.1.2). Die Tests auf Skalenäquivalenz wurden im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes am Research and Expertise Center for Survey Methodology (RECSM) in Barcelona durchgeführt. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Items nicht nur, wie im Zuge internationaler Befragungen üblich, auf Skalenäquivalenz in den befragten Nationen überprüft wurden, sondern auch im Hinblick auf die vier nationalen Berufskollektive. Es zeigt sich, dass einige Items unter den Berufskollektiven nicht skalenäquivalent sind, das heißt, dass sie von ihnen unterschiedlich verstanden werden. Das bestätigt die These, dass es aufschlussreich ist, auf Subkollektivebene zu differenzieren. Als Konsequenz müssen einige Items aus dem folgenden und abschließenden Vergleich der Mittelwerte (vgl. B.VI.4) ausgeschlossen werden. Der Mittelwertvergleich belegt, dass die vier Subkollektive nicht nur im Hinblick auf ihr Verständnis der Items voneinander abweichen, sondern auch hinsichtlich ihrer Beantwortung derselben. Er bietet die hauptsächliche Basis für die Ergebnisinterpretation (vgl. B.VII). Im Zuge der Interpretation werden anhand der Mittelwertvergleiche erstens einige Forschungshypothesen überprüft. Anschließend wird

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

interpretiert werden, warum sich die beteiligten Dach- und Berufskollektive in Bezug auf manche Merkmale und Items signifikant unterscheiden. Hierzu wird als Erklärungsansatz das kollektive Kulturverständnis herangezogen.

B.VI.1 Deskriptive Statistik: Mittelwerte pro Fallgruppe und Item Zunächst gibt eine deskriptive Statistik 165 einen ersten Eindruck von den ­Befragungsergebnissen der vier Berufskollektive. Abbildung 8 vergleicht ihre Mittelwerte pro Item. Abb. 8: Die Mittelwerte der Berufskollektive in der endgültigen Umfrage.

Zustimmung 1 bis 5

1) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Theater zu gehen.

3,13 1,91

1,84

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,9

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

2) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins klassische Konzert zu gehen.

2,65 1,72

1,88

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

2,19

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

165 | Man unterscheidet die deskriptive und beschreibende Statistik von der su chenden und explorativen und der schließenden und induktiven (Vgl. Kirchhoff et al. 2010, S. 71).

161

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

3) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Ballett / in die Oper zu gehen.

2,38 1,66

1,77

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,17

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

4) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Museum / in Galerien zu gehen.

2,41

2,6

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

3,42

3,33

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

5) Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identifizieren. Zustimmung 1 bis 5

162

3,55 2,79

Deutsche Arbeiter

2,99

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

3,3

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

6) Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist.

2,61

Deutsche Arbeiter

2,9 2,2

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,47

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

7) Die Umstellung auf den Euro war sinnvoll. 3,84 3,32 2,2

Deutsche Arbeiter

2,44

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

8) Entscheidungen, die von der EU getroffen werden, beeinf lussen meinen Alltag.

3,12

Deutsche Arbeiter

3,5

Französische Arbeiter

3,77

3,75

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

163

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

9) Die Ausländer sollten sich noch besser an unseren Lebensstil anpassen. 3,65

Deutsche Arbeiter

3,73

Französische Arbeiter

3,05

2,98

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

10) Ehen zwischen Christen und Muslimen sind für beide Seiten problematisch. 3,47

3,45

3,03 2,28

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

11) Die Ausländer könnten das soziale Netz belasten. Zustimmung 1 bis 5

164

2,87

3,14 2,51 1,98

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

12) Ausländer begehen häufiger Straftaten als die Deutschen.

2,72

3,02 2,33 1,89

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

13) M  ir ist wichtiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine Kollegen mag.

3,05

3,47 2,45

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,88

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

14) Mir ist wichtiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine Arbeitsaufgabe mich erfüllt.

3,06

Deutsche Arbeiter

3,25

Französische Arbeiter

2,02

1,96

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

165

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

15) Mir ist wichtiger, dass meine Wohnung praktisch eingerichtet ist, als dass sie individuell ist. 3,68 3,32 2,31

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,53

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

16) Mir ist wichtiger, dass meine Lebensmittel preiswert sind, als dass sie unter fairen Bedingungen produziert wurden.

3,04

Deutsche Arbeiter

3,12

Französische Arbeiter

1,96

1,77

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

17) I ch finde wichtiger, dass Kinder lernen, auf ihre Eltern zu hören, als dass sie ihre eigene Meinung entwickeln. Zustimmung 1 bis 5

166

3,5 3,04 2,56 2,05

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

18) Ich finde wichtiger, dass Kinder früh ein gutes Benehmen als ihre eigenen Interessen entwickeln. Zustimmung 1 bis 5

4,07 3,44

3,18 2,52

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

19) I ch finde wichtiger, dass Kinder früh lernen, sauber und ordentlich zu sein, als dass sie für ihr Verhalten Verantwortungsbewusstsein entwickeln. 3,37

3,61 2,69 1,9

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

20) Ich bin ein religiöser Mensch.

2,75

3,17 2,37 1,82

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

167

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

21) Ich verteidige meine Religion in Diskussionen.

3,06 2,41

2,26 1,57

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

22) Meine Religion beantwortet mir die Frage, was nach dem Tod kommt.

2,39

Deutsche Arbeiter

2,81 2,04

Französische Arbeiter

1,73

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

23) Ich gehe regelmäßig in den Gottesdienst – und zwar neben Feiertagen (Weihnachten, Ostern) und besonderen Anlässen (Hochzeiten, Beerdigung). Zustimmung 1 bis 5

168

2,4

2,31 1,71

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

1,4

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

24) Ich bete regelmäßig.

3,08 2,2 1,68

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

1,52

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

25) Ich habe das Gefühl, dass Gott oder etwas Göttliches in mein Leben eingreift.

2,97 2,49 2,02

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

1,77

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

26) Im Alltag lebe ich nach religiösen Geboten (Beispiel Fastenzeit).

2,08

2,22

2,28 1,46

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

169

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

27) Ich hätte Lust zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten.

2,38

2,32

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

3,02

3,21

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

28) Im Restaurant bestelle ich am liebsten Speisen, die mir unbekannt sind. 3,67

3,53 2,66

2,23

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

29) Ich hätte Lust, durch Asien zu reisen. Zustimmung 1 bis 5

170

3,84 3,34

3,05

2,54

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

30) Ich gehe am liebsten auf Feiern, auf denen viele fremde Leute sind.

2,47

2,63

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

3,03 2,4

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

31) An meinen arbeitsfreien Tagen bin ich erschöpft.

2,74 2,16

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

2,54 1,78

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

32) Ich leide unter stressbedingten Schlafstörungen.

2,35

2,56 1,89

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,3

Französische Lehrer

171

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

33) Auf der Arbeit bin ich angespannt und nervös.

2,49

Deutsche Arbeiter

2,5 1,93

2,13

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

3,41

3,26

3,45

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Französische Arbeiter

Zustimmung 1 bis 5

34) Ich habe zu wenig Zeit für mich.

3,07

Deutsche Arbeiter

35) In meinem Privatleben wünsche ich mir mehr Ruhe. Zustimmung 1 bis 5

172

3,2

Deutsche Arbeiter

3,06

2,86

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

2,63

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

36) Ich bin ein ordnungsliebender Mensch.

3,86

Deutsche Arbeiter

4,22

Französische Arbeiter

3,51

3,53

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

37) In meinem Privatleben bin ich ein pünktlicher Mensch. 4,5 4,01

4

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

4,1

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Zustimmung 1 bis 5

38) An meine Arbeitsvorschriften halte ich mich genauer als ich müsste. 3,89 3,38

3,25 2,71

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

173

Nationalkultur versus Berufskultur

Zustimmung 1 bis 5

39) D  ie Regeln am Arbeitsplatz sollten nicht gebrochen werden – auch dann nicht, wenn ich denke, sie liegen nicht im Interesse meines Arbeitgebers. 3,55

3,56

3,25 2,55

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

40) Mir ist es wichtig, dass mein Computer auf dem neuesten technischen Stand ist. 3,41 2,76

2,69 2,2

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

41) Mein Computer ist mir wichtig, um dort meine Dokumente / Fotos / Musik zu verwalten. Zustimmung 1 bis 5

174

3,19

3,36

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

3,76

3,84

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zustimmung 1 bis 5

42) Mein Computer ist mir wichtig, um online zu kommunizieren. 3,66 3,19

3

Deutsche Arbeiter

Französische Arbeiter

Deutsche Lehrer

3,35

Französische Lehrer

Zustimmung 1 bis 5

43) Mein Computer ist mir wichtig, um Informationen / Nachrichten zu lesen. 3,58

Deutsche Arbeiter

3,35

Französische Arbeiter

3,77 3,23

Deutsche Lehrer

Französische Lehrer

Hier sind alle Items aufgeführt, aus denen sich der endgültige Fragebogen zusammensetzt. Allerdings, so sei vorweg angemerkt, werden nicht alle diese Items in den Mittelwertvergleich (vgl. B.VI.4) mit einfließen. Es werden jene ausgeschlossen werden, die sich als nicht skalenäquivalent erweisen (vgl. B.VI.3). Sie sind hier trotzdem auch dargestellt, weil auch sie die übergeordnete Erkenntnis unterstreichen, dass sich Subkollektive in ihrem Antwortverhalten unterscheiden. Diese Gegenüberstellung der Mittelwerte lässt erste Thesen zu über den Einfluss von Nationalität und Berufszugehörigkeit auf die abgefragten Werteinstellungen. Die Thesen, an dieser Stelle noch statistisch unbestätigte Eindrücke, werden nun pro Merkmal dargestellt. In Bezug auf fünf Merkmale zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den Berufskollektiven deutlich stärker sind als zwischen den Nationen. Das erste Merkmal ist die »hohe Bewertung hochkultureller Aktivitäten« (HOCHKUL) (Item eins bis vier). Hier weisen die Lehrer deutlich höhere Mittelwerte als die Arbeiter auf. Die Nationalität scheint hierbei keine einheitliche Richtung vorzugeben. So

175

176

Nationalkultur versus Berufskultur

sind es unter den Lehrern die Deutschen, die höhere Werte erzielen und unter den Arbeitern die Franzosen. Vergleichbar verhält es sich mit dem Merkmal »Wertschätzung der Europäischen Union« (EU) (Item fünf bis acht). Im Hinblick auf drei von vier Items zeigen die Lehrer höhere Ergebnisse als die Arbeiter und auch hier scheint die Nationalität wenig einflussreich. Denn auch hier sind es unter den Lehrern zwar die Deutschen, aber unter den Arbeitern die Franzosen, die höhere Werte aufweisen. Eine Ausnahme bildet das Item sechs »Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist«. Hier haben die deutschen Arbeiter den höchsten Wert angekreuzt. Alle anderen Berufskollektive zeigen sich in der Selbsteinschätzung ihres Wissens eher skeptisch und kreuzen Werte an, die niedriger sind als jene, die sie bei den restlichen Items zur EU angegeben haben. Im Hinblick auf das Item »Skepsis gegenüber Ausländern« (AUSL) (Item neun bis 12) wiederum schneiden die Arbeiter höher als die Lehrer ab. Und während es unter den Arbeitern zumindest in Bezug auf drei von vier Items die Franzosen sind, die sich skeptischer zeigen, sind es unter den Lehrern die Deutschen. Was das Merkmal der »materialistischen (vs. der postmaterialistischen) Wertorientierung« (POSTMAT) (Item 13 bis 16) angeht, so sind die Unterschiede zwischen den hohen Werten der Arbeiter und den niedrigen der Lehrer besonders gravierend. Allerdings lässt sich auch hier in Bezug auf den Einfluss der Nationalität kein klarer Eindruck gewinnen. Zwar sind es unter den Arbeitern klar die Franzosen, die sich materialistischer zeigen, aber unter den Lehrern ist keine nationale Tendenz festzustellen. Ein weiteres Merkmal, das deutlicher zwischen den Berufskollektiven als zwischen den Nationen trennt, ist jenes der »Kindererziehung zur Anpassung (vs. Selbstbestimmung)« (ERZ) (Item 17 bis 19). Auch hier schneiden die Arbeiter mit deutlich höheren Mittelwerten als die Lehrer ab, das heißt, sie versuchen im Rahmen der Kindererziehung eher den Wert der Anpassung zu vermitteln. Innerhalb beider Berufsgruppen sind es die Franzosen, die höhere Werte erzielen, folglich scheint die Nationalität hier auf untergeordneter Ebene auch richtungsweisend zu sein. Bei den soeben dargestellten fünf Merkmalen handelt es sich um jene des Subtests III. Hiernach folgen im Fragebogen jene des Subtests II. Die Merkmale des Subtests II sind die, die Hofstede als essentielle Facetten der Uncertainty Avoidance-Dimension und somit als nationale Vergleichsmaßstäbe deklariert. In der Tat deuten sich hier in einigen Fällen nationale Unterschiede an. Was das Merkmal »Religiosität« (RELI) (Item 20 bis 26) angeht, so erzielen im Hinblick auf fünf von sechs Items die deutschen Lehrer den höchsten Wert, die deutschen Arbeiter den zweithöchsten, die französischen Arbeiter den dritthöchsten und die französischen Lehrer den niedrigsten. Die Ausnahme bildet das Item 26 »Im Alltag lebe ich nach religiösen Geboten (Beispiel Fastenzeit)«. Hier kreuzen die französischen Arbeiter einen relativ hohen Wert an, das heißt, das Befolgen von religiösen Vorschriften scheint für sie üblicher zu sein, als für die

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

restlichen befragten Kollektive. In Bezug auf das Merkmal »Offenheit gegenüber Unbekanntem« (OFFEN) (Item 27 bis 30) lässt sich feststellen, dass sich die Franzosen im Falle von drei von vier Items aufgeschlossener präsentieren als die Deutschen. Die Ausnahme bildet das Item 27 »Ich hätte Lust zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten«. Hier zeigen sich die französischen Arbeiter am zaghaftesten, diese Perspektive scheint für sie auch im Vergleich zu einer Asienreise (Item 29) besonders schwer vorstellbar. Unter den Franzosen sind es allgemein die Lehrer, die zum Merkmal der Offenheit höhere Werte ankreuzen und unter den Deutschen ist hier keine beruf liche Tendenz offensichtlich. Das Merkmal »subjektiv erlebter Stress« (STRESS) (Item 31 bis 35) ist eines, das nur schwerlich Vermutungen über nationale oder beruf liche Muster anstellen lässt. Die Beobachtung, dass im Falle von drei von fünf Items die Arbeiter ein höheres Stressempfinden als die Lehrer angeben und dass in weiteren drei aus vier Fällen die Franzosen ein stärkeres Stressgefühl als die Deutschen kundtun, lässt sich an dieser Stelle kaum als zu verallgemeinernde Tendenz deuten. Das Merkmal »Regeltreue« (REGEL) (Item 36 bis 39) hingegen zeigt eine Tendenz, und zwar eine beruf liche im Sinne der Merkmale des Subtests III. So geben die Arbeiter ein stärkeres Regelbewusstsein als die Lehrer an. Innerhalb der Berufsgruppen wiederum sind es mit Ausnahme eines Items die Franzosen, die sich regeltreuer als die Deutschen zeigen. Die Ausnahme beruht auf einer Punktedifferenz, die minimal ist: Auf das Items 37 »In meinem Privatleben bin ich ein pünktlicher Mensch« antworten die deutschen Lehrer mit einem Mittelwert von 4,01 und die französischen mit einem von 4,0. Das letzte Merkmal, das »sich auf Technologie Verlassen« (TECH) (Item 40 bis 43) deutet ein übergeordnetes national bestimmtes Antwortmuster mit einer Ausnahme an. Vergleicht man deutsche Arbeiter mit französischen, sowie deutsche Lehrer mit französischen, so kreuzen im Falle von drei aus vier Items die Deutschen höhere Werte als die Franzosen an. Dennoch wird sich das Merkmal TECH, zumindest in der vorliegenden Operationalisierung, an späterer Stelle als nationaler Vergleichsmaßstab als besonders zweifelhaft zeigen. Im Zuge der Ermittlung der Skalenäquivalenz (vgl. B.VI.3) wird es sich als statistisch unbrauchbar erweisen und deshalb wird es in die nun folgenden Analysen nicht mit eingeschlossen.

B.VI.2 Regressionsanalyse: Einfluss von Nationalität, Beruf, ­G eschlecht und Alter auf die abgefragten Werte Die Regressionsanalyse untersucht den Zusammenhang zwischen mindestens zwei Variablen.166 Genauer gesagt prüft sie die Auswirkung sogenannter

166 | Vgl. Statista GmbH 2013.

177

178

Nationalkultur versus Berufskultur

Einflussvariablen auf Zielvariablen.167 Die Frage ist, ob und inwiefern die Ausprägung einer Einflussvariablen die Ausprägung einer Zielvariablen mitbestimmt.168 In der vorliegenden Studie wird der Einfluss der Faktoren Nationalität, Beruf, Geschlecht und Alter auf die Beantwortung der abgefragten Merkmale untersucht. Zur Überprüfung des Einflusses des Alters wurden zwei Gruppen gebildet. Die eine umfasst die Befragten, die zwischen 1941 und 1968 geboren wurden und die andere jene der Geburtsjahrgänge zwischen 1969 und 1995. Der gesamte SPSS-Output ist dem Dokument »VIII. Regressionsanalyse« im Anhang zu entnehmen, Tabelle 15 fasst die Ergebnisse auf vereinfachende Weise zusammen. Sie liest sich wie folgt. Zunächst legt sie offen, ob die einzelnen Faktoren einen signifikanten Einfluss auf das jeweilige Merkmal haben. Falls ja, gibt der entsprechende numerische Wert, der sogenannte Regressionskoeffizient, an, inwiefern sich der Mittelwert verändern würde, wenn man im Falle der Nationalität von Deutsch zu Französisch, im Falle des Berufs von Arbeiter zu Lehrer, im Falle des Geschlechts von männlich zu weiblich und im Falle der Generation von älter zu jünger wechseln würde. Zuletzt quantifiziert der sogenannte Determinationskoeffizient,169 welcher Anteil der Varianz anhand der vier berücksichtigten Einflussfaktoren erklärt werden kann, das heißt, wie viel Prozent des Antwortverhaltens mit den Einflussvariablen zusammenhängt.170 Tabelle 15: Ergebnisse der Regressionsanalyse. Einfluss von Nationalität

Einfluss von Beruf

Einfluss von Geschlecht

Einfluss von Alter

Determinations­ koeffizient

HOCHKUL

nicht signifikant

signifikant (.681)

signifikant (.399)

signifikant (–.649)

18%

EU

nicht signifikant

signifikant (.926)

signifikant (–.324)

signifikant (–.223)

16.8%

AUSL

nicht signifikant

signifikant (–.640)

signifikant (–.447)

nicht signifikant

13.2%

POSTMAT

nicht signifikant

signifikant (–1.193)

nicht signifikant

nicht signifikant

26.3%

167 | Vgl. Wirtschaftslexikon24 2013. 168 | Vgl. Raab-Steiner und Benesch 2010, S. 135. 169 | Bortz und Schuster 2010, S. 192. 170 | Detailliertere Erläuterung zum Verfahren der Regressionsanalyse finden sich unter anderem in Lienert und Raatz 1998, S. 381-388.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Einfluss von Nationalität

Einfluss von Beruf

Einfluss von Geschlecht

Einfluss von Alter

Determinations­ koeffizient

ERZ

signifikant (.578)

signifikant (–.772)

signifikant (–.278)

nicht signifikant

23,1%

RELI

signifikant (–.901)

nicht signifikant

nicht signifikant

signifikant (–.343)

10.3%

OFFEN

signifikant (.593)

signifikant (.327)

nicht signifikant

nicht signifikant

7.3%

STRESS

nicht signifikant

signifikant (–.346)

nicht signifikant

nicht signifikant

4.7%

REGEL

nicht signifikant

signifikant (–.390)

nicht signifikant

nicht signifikant

6.7%

Die Ergebnisse bestätigen den ersten Eindruck, den die Gegenüberstellung der Mittelwerte vermittelt hat. Zuerst werden die fünf Merkmale des Subtests III (HOCHKUL, EU, AUSL, POSTMAT, ERZ) betrachtet. Anhand der Betrachtung der Mittelwerte wurde die These aufgestellt, dass hier die berufliche, nicht jedoch die nationale Zugehörigkeit einflussreich ist. Hierbei wurde ein Vorbehalt eingeräumt. So wurde in Bezug auf das Merkmal des Erziehungsstils zur Anpassung vermutet, dass der Nationalität eine untergeordnete Rolle zuzusprechen ist. Diese Thesen werden durch die Ergebnisse der Regressionsanalyse bestätigt: In Bezug auf die Merkmale HOCHKUL, EU, AUSL und POSTMAT stellt die Regressionsanalyse einen signifikanten Einfluss von Beruf, nicht aber von Nationalität fest und im Hinblick auf das Merkmal ERZ erweisen sich sowohl Beruf als auch Nationalität als einflussreich. Es ist bemerkenswert, dass die Einflussfaktoren Geschlecht und Generation eine signifikante Einwirkung auf die abgefragten Merkmale zeigen. Einzig im Falle des Merkmals POSTMAT haben auch sie keinen Einfluss. Die Ausprägung einer materialistischen beziehungsweise postmaterialistischen Werteorientierung scheint eindeutig vorwiegend durch die berufliche Zugehörigkeit geprägt. Dass sich die Arbeiter hier in außerordentlich hohem Maße von den Lehrern unterscheiden, deutete sich schon im Mittelwertvergleich an und wird hier bekräftigt. Im Hinblick auf alle anderen Merkmale des Subtests III scheinen die Einflussfaktoren Generation und Geschlecht mindestens so einflussreich wie die Nationalität zu sein. In Bezug auf die Merkmale HOCHKUL und EU beispielsweise ist die Nationalität sogar der einzige Faktor, der keinen signifikanten Einfluss aufweist. Folglich scheint sie hier ein denkbar abwegiger Vergleichsmaßstab zu sein. Man könnte nun zu Hofstedes Verteidigung argumentieren, dass er die Merkmale des Subtests III gar nicht als

179

180

Nationalkultur versus Berufskultur

nationale Vergleichsmaßstäbe deklariert hat, da er sie nicht explizit als Kulturdimensionen ernannt hat. Dieser Verteidigungsversuch ist jedoch nicht zulässig, da Hofstede diese Merkmale sehr wohl in sein Modell mit einbezieht. Wie bereits im Theorieteil ausgeführt wurde (vgl. A.III.3.2), reichert er seine Dimensionskonstrukte zum Zwecke ihrer Validierung mit einer Vielfalt an Konstruktfacetten an, deren Auswahl hauptsächlich auf den Korrelationen seiner Ergebnisse mit externen Daten beruht. Diese Konstruktfacetten beinhalten auch die hier abgefragten Merkmale. Zwar äußert sich Hofstede nicht explizit zur Wertschätzung hochkulturellen Verhaltens (HOCHKUL); jedoch liegt ihm die Herstellung von Zusammenhängen zwischen den Ausprägungen seiner Dimensionen und dem Freizeitverhalten der Menschen nicht fern. So wird angeblich in Ländern mit hohem Power Distance-Score mehr ferngesehen als in Ländern mit niedrigem;171 ein hoher Uncertainty Avoidance-Wert gehe damit einher, dass in den entsprechenden Ländern weniger Bücher und Zeitungen gelesen werden172 und ein niedriger Maskulinitätswert bedeute, dass die Menschen mehr Literatur des Genres Fiction lesen.173 Analog lässt sich vermuten, dass Hofstede auch den Miteinbezug hochkultureller Aktivitäten in die Freizeitgestaltung als eine Facette nationaler Kulturen sieht. Auf die anderen hier abgefragten Merkmale nimmt er sogar expliziten Bezug. Was das Merkmal der Wertschätzung der EU (EU) angeht, so proklamiert er beispielsweise für Länder mit einem hohen Uncertainty Avoidance-Wert: »EU members are more in favor of the European government«.174 Ein hohes Maß an Unsicherheitsvermeidung impliziere außerdem, – das ist im Kontext des Merkmals der Skepsis gegenüber Ausländern (AUSL) relevant – Xenophobie und relativ wenig Toleranz von Diversität.175 Hofstede wird sogar recht konkret, indem er die Xenophobie umschreibt mit »Other race rejected as neighbors. [...] Immigrants should be sent back«.176 Was das Merkmal der (post)materialistischen Werteorientierung (POSTMAT) angeht, so nimmt Hofstede ausdrücklichen Bezug auf die Theorie des Wertewandels nach Ronald Inglehart und deklariert, dass Länder mit einem hohen Individualismus-Score eher postmaterialistisch geprägt sind.177 Und auch zum letzten Merkmal des Subtests III, der Kindererziehung zur Anpassung (ERZ), äußert sich Hofstede: Eine hohe Unsicherheitsvermeidung gehe damit einher, dass den Kindern mehr Regeln gesetzt werden, die sie

171 | Vgl. Hofstede 2001, S. 116. 172 | Vgl. Ebd., S. 180. 173 | Vgl. Ebd., S. 312. 174 | Ebd., S. 180. 175 | Ebd., S. 161. 176 | Ebd., S. 180. 177 | Vgl. Ebd., S. 226.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

befolgen müssen.178 Und ein hoher Individualism-Index impliziere, dass konformes Verhalten weniger verbreitet sei und dass Kinder im Sinne von »Ich« zu denken lernen sollen.179 Diese Ausführungen belegen, dass es sich bei den hier abgefragten Merkmalen keineswegs um welche handelt, die in keinerlei Form mit Hofstedes Modell verknüpft wären. Im Gegenteil, er proklamiert, dass auch sie als internationale Vergleichsmaßstäbe taugen und das ist anhand der Regressionsanalyse nun widerlegt. Auch die Thesen, die anhand des Mittelwertvergleichs zu den Rangfolgen der Berufskollektive erhoben wurden, bestätigen sich. Wie bereits erwähnt quantifizieren die Regressionskoeffizienten (in der Tabelle 15 die Werte in Klammern) inwiefern sich der Mittelwert verändern würde, wenn die jeweilige Einf lussvariable von Deutsch zu Französisch, von Arbeiter zu Lehrer, von männlich zu weiblich und von älter zu jünger umgeändert würde. Als vereinfachender Umkehrschluss bedeutet das, dass ein positiver Regressionskoeffizient meint, dass die Franzosen, Lehrer, Frauen und Jüngeren eine signifikant stärkere Ausprägung des Merkmals aufweisen, während ein negativer Wert impliziert, dass die Deutschen, Arbeiter, Männer und Älteren dies tun. Angewandt auf die Merkmale des Subtests III bestätigen sich hier einige Thesen: Die Lehrer schätzen hochkulturelle Aktivitäten sowie die Europäische Union stärker als die Arbeiter. Weiterhin sind die Arbeiter skeptischer Ausländern gegenüber eingestellt, materialistischer orientiert und suchen in der Kindererziehung eher Anpassung zu vermitteln. Letzteres gilt auch für die Franzosen im Vergleich mit den Deutschen. Analog lässt sich hinzufügen, dass die Frauen im Vergleich zu den Männern hochkulturellen Aktivitäten eine höhere und der Europäischen Union eine niedrigere Wertschätzung beimessen, dass sie Ausländern weniger skeptisch gegenüber stehen und dass sie die Kindererziehung eher auf Selbstbestimmung als auf Anpassung ausrichten. Zuletzt zeigt sich, dass die ältere Generation im Vergleich zur jüngeren angibt, hochkulturelle Aktivitäten und die Europäische Union stärker wertzuschätzen. Die Auswahl der Einf lussfaktoren Beruf, Geschlecht und Generation neben der Nationalität erweist sich für die Merkmale des Subtests III als aussagekräftig, denn diese Faktoren zeigen sich für die hier abgefragten Merkmale als recht einf lussreich. Das lässt sich daran ablesen, dass die Determinations­ koeffizienten im Vergleich zu denen des Subtests II relativ hoch sind. Die Determinationskoeffizienten, in der Abbildung durch Prozentwerte pro Merkmal ausgedrückt, geben wie bereits erwähnt an, wie groß der Anteil der Gesamtvarianz pro Merkmal ist, der auf die berücksichtigten Einf lussfaktoren zurückzuführen ist. Beachtlich ist auch an dieser Stelle die Stärke des

178 | Vgl. Ebd., S. 169. 179 | Vgl. Ebd., S. 236.

181

182

Nationalkultur versus Berufskultur

Einf lusses der Berufszugehörigkeit auf das Merkmal der (post)materialistischen Werteorientierung. Obgleich hier der Beruf der einzige Faktor ist, der einen signifikanten Einf luss ausübt, ist der durch ihn erklärte Varianzanteil der höchste aller Merkmale. Nun werden die Ergebnisse der Regressionsanalyse im Hinblick auf die Merkmale des Subtests II (RELI, OFFEN, STRESS, REGEL) näher betrachtet. Auch hier bestätigen sich die Thesen, welche der Mittelwertvergleich aufgeworfen hat. In Bezug auf das Merkmal Religiosität zeigt sich wie erwartet zum einen, dass die Nationalität einen signifikanten Einf luss hat und des Weiteren, dass es die Deutschen sind, die eine stärkere Ausprägung aufweisen. Als zusätzliche Erkenntnis lässt sich feststellen, dass sich hier auch das Alter auswirkt. So präsentiert sich die höhere Altersgruppe als religiöser als die niedrigere. Auch im Hinblick auf das Merkmal der Offenheit gegenüber Unbekanntem wurden nationale Unterschiede erahnt, die sich nun bestätigt haben. Wie vermutet präsentieren sich die Franzosen aufgeschlossener als die Deutschen. Zudem wurde ein Einf luss der Berufszugehörigkeit prognostiziert. In der Tat ist dieser laut Regressionsanalyse signifikant und wie erwartet sind es die Lehrer, die sich offener zeigen als die Arbeiter. Das Merkmal des subjektiv empfundenen Stresses wurde als undurchsichtiger eingestuft. Es hatte sich die Tendenz angedeutet, dass die Arbeiter ein stärkeres Stressempfinden aufweisen als die Lehrer. Diese Tendenz hat sich nun statistisch bestätigt, denn der Einf luss des Faktors Beruf ist signifikant und der Regressionskoeffizient ist negativ. Das Merkmal Regeltreue, so wurde anhand des Mittelwertvergleichs bereits vermutet, differenziert nicht nach Nationalitäten, sondern nach Berufskollektiven. Dieser Eindruck ist nun statistisch verifiziert, denn einzig der Beruf und nicht die Nationalität ist signifikant einf lussreich. Die Einf lussfaktoren Geschlecht und Generation haben keinen Einf luss auf die Merkmale des Subtests II, mit Ausnahme des Merkmals Religiosität. Hier scheinen nicht berücksichtigte Einf lussfaktoren wirksamer, deshalb sind auch die Determinationskoeffizienten relativ gering. Welche diese anderen wirksamen Faktoren sind, bleibt im vorliegenden Kontext unerforscht. In jedem Fall steht fest, dass die Nationalität keinen ausschlaggebenden Einf luss auf die Merkmale hat. Ihr Einf luss scheint sogar geringer als jener der Berufszugehörigkeit, denn der Beruf erweist sich im Hinblick auf 75% und die Nationalität nur bezüglich 50% der Merkmale als signifikant einf lussreich. Das ist eine bedeutsame Erkenntnis, denn in Bezug auf diese Merkmale, die als essentielle Facetten der Uncertainty Avoidance-Dimension gelten, proklamiert Hofstede explizit eine Anwendbarkeit als internationale Vergleichsmaßstäbe. Abschließend lassen sich die Ergebnisse der Regressionsanalyse kulturwissenschaftlich interpretieren. Zum einen bestätigen sie klar die Forschungshypothese 3 »Indeterminismus von Nationalität«: Die Faktoren Beruf, Geschlecht und Alter haben einen mindestens so starken Einf luss wie die Nationalität. (vgl. B.I).

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Zum anderen unterstützen sie die Idee der sogenannten Multikollektivität. Die Forschungshypothese 3 war in Anlehnung an die Kritik an Hofstedes ethnizistischem Kulturverständnis, im Konkreten an seiner Determinismusprämisse (vgl. A.III.1.4), aufgestellt worden. Wie im Theorieteil ausgeführt wurde, beruht Hofstedes Dimensionsmodell auf der Annahme, dass die Wertvorstellungen der Menschen zwangsläufig und eindeutig durch ihre nationale Zugehörigkeit determiniert werden. Hierbei lassen Hofstede und weitere Verfechter der sogenannten nationalen Kulturen weitere Einf lussfaktoren außer Acht. Im Zuge der Regressionsanalyse wurden einige jedoch berücksichtigt und ihre Wirksamkeit hat sich eindeutig bestätigt. Wendet man diese Erkenntnis zurück auf den kulturwissenschaftlichen Diskurs an, so findet sich das kollektivtheoretische Prinzip der Multikollektivität bekräftigt. Multikollektivität meint, dass das Individuum in einer unendlichen Vielzahl an Subkollektiven verortet ist. Im Rahmen der Regressionsanalyse treten drei Subkollektive auf, die durch die Einf lussfaktoren Beruf, Geschlecht und Generation repräsentiert werden. Alle Einf lussfaktoren beziehungsweise Kollektivarten erweisen sich als einflussreich.180

B.VI.3 Tests auf Skalenäquivalenz: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich verstehen Die Regressionsanalyse hat dem deterministischen Ansatz Hofstedes das Prinzip der Multikollektivität entgegen gesetzt, indem sie gezeigt hat, dass neben der Nationalität auch weitere Kollektivzugehörigkeiten wie der Beruf, das Geschlecht und das Alter Einflüsse auf die abgefragten Wertvorstellungen ausüben. Sie hat demonstriert, in welcher Vielzahl an Kollektiven das Individuum verortet ist. Dieser Überblick wird jetzt abgewandt; von nun an werden zwei Kollektivarten ins detailliertere Visier genommen: das Subkollektiv Beruf und das Dachkollektiv Nation. Es wird untersucht werden, im Hinblick auf welche Wertvorstellungen sich eher die Sub- oder die Dachkollektive unterscheiden, und warum. Hierzu wird als Interpretationsbasis ein Mittelwertvergleich (vgl. B.VI.4) zwischen den Nationen (Deutschland und Frankreich), den Berufskollektiven (Lehrer und Arbeiter) und den matched samples (beispielsweise deutsche Arbeiter und deutsche Lehrer; deutsche Arbeiter und französische Arbeiter) durchgeführt werden. Der Mittelwertvergleich muss allerdings erst vorbereitet werden. Die Vorbereitung besteht darin, dass die Items auf Skalenäquivalenz getestet werden. Das Konzept Skalenäquivalenz wurde bereits im Theorieteil erläutert (vgl. A.III.3.1.2). Im vorliegenden Kapitel wird es von einer mathematischeren Seite her betrachtet und in Anlehnung an die Mehrzahl der

180 | Vgl. Hansen 2009a, S. 20.

183

184

Nationalkultur versus Berufskultur

Autoren, auf die sich die Betrachtungsweise beruft, wird analog der Begriff scalar invariance verwendet. Die Autoren leiten die Idee der scalar invariance über den übergeordneten Anspruch der measurement invariance wie folgt her: »Subjective variables such as opinions, attitudes or preferences cannot be measured directly. Researchers have to rely on the answers people give in surveys, and whenever those answers shall be compared it is required that people answer these questions in the same way.«  181

In anderen Worten, gerade wenn es keine objektiv bestimmbaren Merkmalsausprägungen sind, die abgefragt werden, muss zuerst sichergestellt werden, dass die verschiedenen Befragtengruppen die Fragen gleichartig verstanden haben, bevor man ihre Antworten sinnvoll vergleichen kann. Diese Forderung nach einem vergleichbaren Verständnis der Items meint measurement invariance.182 Um das Konzept der measurement invariance greif bar zu machen, lässt sich auf die Komponenten einer Antwortfunktion verweisen. Abbildung 9 stellt eine einfache Version verschiedener Antwortfunktionen von unterschiedlichen Befragtengruppen dar.

181 | Weber 2011, S. 1. 182 | Vgl. Ebd., S. 2.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Abb. 9: Antwortfunktionen ohne Referenzpunkte183

Antwort

Merkmalsausprägung: Wertvorstellung

Grundsätzlich gilt für alle Antwortfunktionen: Je stärker die Befragtengruppen ihre Ausprägung der abgefragten Wertvorstellung beurteilen, desto höher setzen sie ihr Kreuz auf der Antwortskala. Die Funktionen unterscheiden sich jedoch im Hinblick auf zwei Komponenten. Sie haben erstens nicht die gleiche Steigung, das heißt, der Abstand zwischen zwei Merkmalsausprägungen entspricht für verschiedene Befragtengruppen einem jeweils unterschiedlich großen Abstand zwischen den dazugehörenden Antwortkreuzen. Zweitens unterscheiden sich die Funktionen in Bezug auf den Achsenabschnitt, also den Punkt, in dem sie die Antwort-Achse schneiden. Das bedeutet, dass verschiedene Befragtengruppen das gar nicht Vorhanden-Sein einer Wertvorstellung anhand unterschiedlicher Punkte auf der Antwortskala äußern und dass sie von diesem Ausgangspunkt aus systematisch relativ hohe beziehungsweise relativ niedrige Antwortoptionen ankreuzen. Auf die Komponenten der Steigung und des Achsenabschnittes beruft sich nun das Konzept der measurement invariance. Es besteht aus drei aufeinander folgenden Stufen: configural, metric und scalar invariance.184 Configural invariance ist erreicht, wenn die

183 | Vgl. Weber 2011, S. 2. In dieser Darstellung schneiden sich die Funktionsgraden in keinem gemeinsamen Punkt, das heißt, es gibt keine fixen Referenzpunkte. In der Originalversion dieser Graphik heißt es nicht »Wertvorstellung«, sondern »opinion«. Da Werte sowie Meinungen nicht beobachtbare Variablen sind, kann man das Konzept der Vielfalt an Antwortfunktionen auf beide anwenden. 184 | Vgl. Saris und Gallhofer 2007, S. 334. Vgl. Coromina et al. 2008, S. 6. Vgl. Weber 2011, S. 1.

185

186

Nationalkultur versus Berufskultur

­ etreffende Wertvorstellung für die verschiedenen Befragtengruppen durch b die gleiche Struktur an Items operationalisiert werden kann.185 Metric invariance setzt voraus, dass die Steigungen der Antwortfunktionen der verschiedenen Befragten(gruppen) die gleiche ist.186 Und scalar invariance verlangt, dass nicht nur die Steigungen, sondern auch die Achsenabschnitte die gleichen sind. Schlussendlich sind, nur wenn scalar invariance vorliegt, die Mittelwerte der verschiedenen Befragtengruppen vergleichbar.187 Nachdem die Idee der scalar invariance erläutert wurde, wird nun skizziert, wie sie konkret überprüft wird. 188 Der Grundgedanke der Überprüfung von scalar invariance ist, ihre Anforderungen umzusetzen und anschließend auf sogenannte Missspezifizierungen hin zu hinterfragen. Das ist möglich mithilfe der Computerprogramme LISREL und JRule. LISREL ist ein Programm zur Erstellung von Strukturgleichungsmodellen. Das heißt im vorliegenden Fall, dass es basierend auf den erhobenen Daten für jedes Merkmal, also für jede abgefragte Wertvorstellung, ein Modell aus dem Zusammenspiel der entsprechenden Items erstellt. Hierbei lassen sich einzelne Parameter spezifizieren. So wird im Sinne der scalar invariance spezifiziert, dass die Achsenabschnitte und Steigungen, genannt slopes und intercepts, für die Befragtengruppen gleich sind. Das hieraus entstandene Modell wird anschließend auf Missspezifizierungen hin untersucht. 189 Hierzu wird der LISREL-Output in JRule eingespeist. 190 JRule ist ein Programm, das Statistiken für die festgelegten Parameter produziert. 191 Falls es keine Missspezifizierungen aufdeckt, hat sich scalar invariance bestätigt. Alle JRule-Outputs der vorliegenden Studie und aufgrund seines großen Umfangs nur ein beispielhafter LISREL-Output finden sich im Anhang im Ordner »IX. Äquivalenztests«. Es zeigen sich einige Missspezifizierungen, und zwar im Hinblick auf mindestens ein Item pro Merkmal. Folglich können

185 | Vgl. Weber 2011, S. 4. 186 | Vgl. Coromina et al. 2008, S. 7. Vgl. Weber 2011, S. 4. 187 | Vgl. Coromina et al. 2008, S. 7. Vgl. Weber 2011, S. 2. 188 | Eine detaillierte Beschreibung des statistischen Vorgehens ginge weit über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinaus. Deshalb wird das Verfahren nur grob umrissen, für eine tiefer gehende Ausführung sei auf die Website des Survey Research Centre der Escuela Superior de Administración y Dirección de Empresas verwiesen (ESADE Ramon Llull University 2012). 189 | Vgl. Van der Veld 2009, S. 9. 190 | Coromina et al. 2008, S. 8. 191 | Vgl. Saris et al. 2009, S. 570. Hierbei wird die sogenannte power of the test berücksichtigt. Je höher sie ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass eventuelle Missspezifizierungen tatsächlich aufgedeckt werden. (Vgl. Weber 2011, S. 5).

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

keine Vergleiche von Mittelwerten, die auf der Basis der Gesamtheit der Items berechnet werden, stattfinden. Stattdessen werden die Items, die keine scalar invariance aufweisen, von der Berechnung der Mittelwerte ausgeschlossen. Tabelle 16 dokumentiert, welche Items pro Merkmal ausgeschlossen werden und welche Items in die Berechnung und den Vergleich der Mittelwerte mit einf ließen. Tabelle 16: Items pro Merkmal, die unter den Subkollektiven (nicht) ­scalar-invariant sind. Items, die unter den Subkollektiven scalar-invariant sind

Items, die unter den Subkollektiven nicht scalar-invariant sind

HOCHKUL

1) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Theater zu gehen. 2) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins klassische Konzert zu gehen.

3) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Ballett  / in die Oper zu gehen. 4) Mir ist es wichtig, mehrmals im Jahr ins Museum / in Galerien zu gehen.

EU

6) Ich weiß genau, welche Institution der EU für was zuständig ist.

5) Ich kann mich gut mit der Europäischen Union identi­ fizieren. 7) Die Umstellung auf den Euro war sinnvoll. 8) Entscheidungen, die von der EU getroffen werden, beeinf lussen meinen Alltag.

AUSL

9) Die Ausländer sollten sich noch besser an unseren Lebensstil anpassen. 10) Ehen zwischen Christen und Muslimen sind für beide Seiten problematisch.

11) Die Ausländer könnten das soziale Netz belasten. 12) Ausländer begehen häufiger Straftaten als die Deutschen.

POSTMAT

13) Mir ist wichtiger, dass mein Arbeitsplatz gesichert ist, als dass ich meine Kollegen mag. 15) Mir ist wichtiger, dass meine Wohnung praktisch eingerichtet ist, als dass sie individuell ist.

14) Mir ist wichtiger, dass mein Gehalt gut ist, als dass meine Arbeitsaufgabe mich erfüllt. 16) Mir ist wichtiger, dass meine Lebensmittel preiswert sind, als dass sie unter fairen Bedingungen produziert wurden.

187

188

Nationalkultur versus Berufskultur

Items, die unter den Subkollektiven scalar-invariant sind

Items, die unter den Subkollektiven nicht scalar-invariant sind

ERZ

19) Ich finde wichtiger, dass Kinder früh lernen, sauber und ordentlich zu sein, als dass sie für ihr Verhalten Verantwortungsbewusstsein entwickeln.

17) Ich finde wichtiger, dass Kinder lernen, auf ihre Eltern zu hören, als dass sie ihre eigene Meinung entwickeln. 18) Ich finde wichtiger, dass Kinder früh ein gutes Benehmen als ihre eigenen Interessen entwickeln.

RELI

21) Ich verteidige meine Religion in Diskussionen. 23) Ich gehe regelmäßig in den Gottesdienst – und zwar neben Feiertagen (Weihnachten, Ostern) und besonderen An­ lässen (Hochzeiten, Beerdigung). 26) Im Alltag lebe ich nach religiösen Geboten (Beispiel Fastenzeit).

20) Ich bin ein religiöser Mensch. 22) Meine Religion beantwortet mir die Frage, was nach dem Tod kommt. 24) Ich bete regelmäßig. 25) Ich habe das Gefühl, dass Gott oder etwas Göttliches in mein Leben eingreift.

OFFEN

27) Ich hätte Lust zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten. 28) Im Restaurant bestelle ich am liebsten Speisen, die mir unbekannt sind.

29) Ich hätte Lust, durch Asien zu reisen. 30) Ich gehe am liebsten auf Feiern, auf denen viele fremde Leute sind.

STRESS

31) An meinen arbeitsfreien Tagen bin ich erschöpft. 32) Ich leide unter stressbedingten Schlafstörungen. 34) Ich habe zu wenig Zeit für mich.

33) Auf der Arbeit bin ich ­a ngespannt und nervös. 35) In meinem Privatleben ­w ünsche ich mir mehr Ruhe.

REGEL

38) An meine Arbeitsvorschriften halte ich mich genauer als ich müsste. 39) D ie Regeln am Arbeitsplatz sollten nicht gebrochen werden – auch dann nicht, wenn ich denke, sie liegen nicht im Interesse meines Arbeitgebers.

36) Ich bin ein ordnungsliebender Mensch. 37) In meinem Privatleben bin ich ein pünktlicher Mensch.

Im Zuge der Testung auf scalar invariance hat sich das Merkmal des sich auf Technologie Verlassens (TECH) für die statistischen Analysen disqualifiziert. Es entpuppt sich als unbrauchbar, weil keins seiner Items unter den

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Befragtengruppen scalar invariant ist. Genauer gesagt wären die Items brauchbar, wenn man manche Kollektive ausschließen würde. Das heißt, man müsste entweder die französischen Arbeiter oder die deutschen Arbeiter oder die deutschen Lehrer nicht in den Test mit einbeziehen. Die vorliegende Studie hat jedoch zum Ziel, kein Subkollektiv auszublenden und hält das Merkmal TECH somit für ungeeignet. Entweder das sich auf Technologie Verlassen ist inhaltlich kein sinnvoller Vergleichsmaßstab, oder seine Operationalisierung in Form der vorliegenden Items ist mangelhaft. Abschließend sei festgehalten, dass die Ergebnisse die Forschungshypothese 9 »Skaleninäquivalenz unter nicht-ethnischen Kollektiven«: Einige Items erweisen sich als nicht skalaräquivalent in Bezug auf die Subkollektive bestätigen. Was genau heißt das im kulturwissenschaftlichen Kontext? Wie einleitend erwähnt, trägt das Konzept der Skalenäquivalenz dem Anspruch Rechnung, dass die verschiedenen Befragtengruppen die Items vergleichbar verstehen. Ein nicht vergleichbares Verständnis wird häufig dem Umstand zugeschrieben, dass die Fragebogenitems übersetzt werden mussten und dass die fremdsprachlichen Versionen sich in ihrem Bedeutungsgehalt zu sehr unterscheiden. 192 Folglich werden die Tests auf scalar invariance häufig unter Nationen angewandt, die unterschiedliche Landessprachen haben. Eine mangelhafte Übersetzung mag sicher, wie bereits im Theorieteil ausgeführt (vgl. A.III.2.3.1), eine häufige Ursache mangelnder Äquivalenz – beziehungsweise in der Terminologie des vorliegenden Kapitels mangelnder scalar invariance – sein. Jedoch sollten die Äquivalenztests nicht auf nationale Kollektive beschränkt bleiben. Die Grundthese der vorliegenden Arbeit besagt, dass auch die Zugehörigkeit zu Subkollektiven prägend wirkt. So wurde vermutet, dass es nicht nur Menschen unterschiedlicher Nationen sind, die Items mitunter verschiedenartig verstehen, sondern auch Mitglieder unterschiedlicher Subkollektive. In diesem Sinne bezog sich der vorliegende Test auf Skalenäquivalenz nicht nur auf Franzosen und Deutsche, sondern berücksichtigte die vier nationalen Berufskollektive. Die Hypothese, dass es sich lohnt, auf Subkollektivebene zu differenzieren, hat sich auch hier bestätigt. Weiterführend wäre es für die Kollektivforschung aufschlussreich, an dieser Stelle ins Detail zu gehen und tiefgreifender zu analysieren, welche Items es genau sind, die von bestimmten Kollektiven unterschiedlich verstanden werden. Solch eine Analyse lässt sich beispielhaft veranschaulichen am Merkmal AUSL. Warum fassen die Subkollektive die Items »Die Ausländer könnten das soziale Netz belasten« und »Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche« vergleichbar auf und die Items »Die Ausländer sollten sich noch besser an unseren Lebensstil anpassen« und »Ehen zwischen Christen und

192 | Vgl. Van der Veld 2009, S. 4.

189

190

Nationalkultur versus Berufskultur

Muslimen sind für beide Seiten problematisch« nicht? Als Erklärungsansatz wäre denkbar, dass erstere beide Items ein scheinbar objektiv-sachliches Urteil erfragen und letztere beide auf eine nicht-rationale subjektive Gefühlsebene abzielen. Die Berufskollektive scheinen sich weniger in ihrem sachlichen als in ihrem emotionalen Verständnis zu unterscheiden. Dieser Erklärungsansatz deckt sich auch mit dem Eindruck, den sie während der Durchführung der Befragung vermittelt haben. Hier zeigten sich einige Lehrer empört über die letzteren beiden Items und vermerkten ihren Unmut auf den Befragungsbögen. Einige Arbeiter hingegen äußerten sich im Gegensatz zufrieden über eine Möglichkeit, zum Thema Ausländer ihre Meinung kundtun zu dürfen. Die Arbeiter, so ist vorstellbar, müssten eine Antwortfunktion mit einem höher gelegenen Achsenabschnitt und einer stärkeren Steigung haben.

B.VI.4 T-Tests auf signifikante Mittelwertunterschiede: Wie die Subkollektive Items unterschiedlich beantworten Die Tests auf scalar invariance haben gezeigt, dass nicht nur Dach-, sondern auch Subkollektive einige Items unterschiedlich verstehen. Hierauf auf bauend wird im Folgenden fokussiert, welche Items sie zwar vergleichbar verstehen, jedoch unterschiedlich beantworten. Aus den Items, die sich als scalar invariant erwiesen haben, werden pro Merkmal und Kollektiv sogenannte unweighted composite scores berechnet, das sind Mittelwerte, in die alle beteiligten Items mit gleicher Gewichtung einfließen.193 Im Zuge von T-Tests anhand des Computerprogramms SPSS wird nun geprüft, welche Mittelwerte sich in statistisch signifikantem Ausmaß unterscheiden. Der SPSS-Output ist dem Dokument »X. T-Tests« im Anhang zu entnehmen. Tabelle 17 fasst die entscheidenden Erkenntnisse zusammen. Sie stellt pro Merkmal dar, welche Kollektivarten sich signifikant und in welcher Rangfolge voneinander abheben. »NICHT SIG« bedeutet, dass sich die jeweiligen Kollektive in Bezug auf das betreffende Merkmal nicht in statistisch signifikantem Ausmaße in ihren Mittelwerten unterscheiden und »SIG« heißt dementsprechend, dass sie signifikante Abweichungen aufweisen. In letzterem Fall ist in Klammern angegeben, welches der Kollektive eine stärkere Merkmalsausprägung erzielt. Hier steht »L« für Lehrer, »A« für Arbeiter, »D« für Deutsche, »F« für Franzosen, »DL« für deutsche Lehrer, »FA« für französische Arbeiter et cetera. Auf den ersten Blick mag die tabellarische Darstellung der Befunde befremdlich wirken, hat die vorliegende

193 | Hier müssen die Befragtengruppen bezüglich aller Items scalar invariant sein, damit die Mittelwerte vergleichbar sind. Alternativ wäre auch ein Vergleich der latent means zulässig, sofern die Befragtengruppen im Hinblick auf mindestens zwei Items scalar invariant sind (Vgl. Coromina et al. 2008, S. 14 f.).

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Arbeit doch zum Ziel, sich von der Plakatierung simplifizierender Ergebnisse abzuheben. Es sei darauf hingewiesen, dass die Tabelle zwar an dieser Stelle dazu dient, einen Überblick zu geben, jedoch im Rahmen der Anwendung der Kollektivtheorie (vgl. B.VII.2) differenzierter interpretiert werden wird. Tabelle 17: Ergebnisse des Mittelwertvergleichs: Signifikanzen und Rangfolgen pro Kollektiv und Merkmal. Lehrer vs. Arbeiter (Deutsche und frz. Lehrer vs. deutsche und frz. Arbeiter)

Deutsche vs. Franzosen (Deutsche Lehrer und Arbeiter vs. frz. Lehrer und Arbeiter)

Deutsche Lehrer vs. frz. Lehrer

Deutsche Arbeiter vs. frz. Arbeiter

Deutsche Lehrer vs. deutsche Arbeiter

Frz. Lehrer vs. frz. Arbeiter

HOCHKUL

SIG (L > A)

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

SIG (DL > DA)

SIG (FL > FA)

EU

SIG (L > A)

NICHT SIG

SIG (DL > FL)

SIG (FA > DA)

SIG (DL > DA)

SIG (FL > FA)

AUSL

SIG (A > L)

NICHT SIG

SIG (DL > FL)

NICHT SIG

SIG (DA > DL)

SIG (FA > FL)

POSTMAT

SIG (A > L)

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

SIG (DA > DL)

SIG (FA > FL)

ERZ

SIG (A > L)

SIG (F > D)

SIG (FL > DL)

SIG (FA > DA)

SIG (DA > DL)

SIG (FA > FL)

RELI

NICHT SIG

SIG (D > F)

SIG (DL > FL)

SIG (DA > FA)

SIG (DL > DA)

SIG (FA > FL)

OFFEN

SIG (L > A)

SIG (F > D)

SIG (FL > DL)

SIG (FA > DA)

NICHT SIG

SIG (FL > FA)

STRESS

SIG (A > L)

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

SIG (DA > DL)

SIG (FA > FL)

REGEL

SIG (A > L)

SIG (F > D)

NICHT SIG

SIG (FA > DA)

NICHT SIG

SIG (FA > FL)

191

192

Nationalkultur versus Berufskultur

Schon auf den ersten Blick zeigt sich die Relevanz von Subkollektiven im Hinblick auf die Ausprägung von Wertvorstellungen. Denn deutsche Arbeiter und Lehrer sowie französische Arbeiter und Lehrer unterscheiden sich immerhin im Hinblick auf fast alle Merkmale.

B.VII I nterpre tation

der

E rgebnisse

Die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs stellen das Kernstück der Datenanalyse dar und bieten im Folgenden die primäre Grundlage für die Interpretation der Studie. Die Interpretation erfolgt in zwei Schritten. Zum einen lassen sich an ihnen die anfangs aufgestellten Forschungshypothesen (vgl. B.I) überprüfen. Nachdem hierbei insbesondere der Hofsted’sche Kulturbegriff entkräftet wird, wird in einem weiterführenden Interpretationsschritt eine alternative Sichtweise angeboten (vgl. B.VII.2). Hier werden die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs mithilfe des kollektiven Kulturbegriffs gedeutet. Der kollektive Kulturbegriff wird zunächst vorgestellt werden (vgl. B.VII.2.1 und B.VII.2.2) und sich anschließend als empirisch tragfähig erweisen (B.VII.2.3).

B.VII.1 Überprüfung der Forschungshypothesen Die Forschungshypothesen waren in Anlehnung an die theoretische Kritik an Hofstede aufgestellt und gemäß der Struktur der Kritikpunkte gegliedert worden. So beziehen sie sich erstens auf Hofstedes ethnizistischen Kulturbegriff, zweitens auf das Konzept Kulturdimension und drittens auf die Hofsted’sche empirische Methodik.

B.VII.1.1 Überprüfung der Forschungshypothesen zum ethnizistischen Kulturbegriff und zu seinen Prämissen

Überprüfung der Forschungshypothese 1»Nicht-ethnische Kulturträger«: In Bezug auf manche Merkmale zeigen die Subkollektive, nicht aber die Nationen signifikante Unterschiede.

Die erste Forschungshypothese bezog sich darauf, dass Hofstede der Nation den Status als hauptsächlichen Kulturträger zuschreibt. Die Frage hierzu war, ob nicht neben der Nation auch menschliche Gruppierungen innerhalb eines Landes Kulturträger sein können. Zur Beantwortung dieser Frage sollte geprüft werden, ob es Merkmale gibt, bezüglich derer sich die Subkollektive in statistisch signifikantem Ausmaß unterscheiden und die Nationen nicht.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Diese Forschungshypothese hat sich in mehrfacher Hinsicht bestätigt. Denn in Bezug auf die Merkmale der hohen Bewertung hochkultureller Aktivitäten, der materialistischen (vs. postmaterialistischen) Wertorientierung und des subjektiv erlebten Stresses unterscheiden sich die Berufskollektive in dreierlei Ausführung. Erstens unterscheiden sich die Lehrer und Arbeiter innerhalb des deutschen Samples, zweitens auch die Lehrer und Arbeiter innerhalb des französischen Samples. Drittens weicht die Gruppe, die deutsche und französische Lehrer zusammenfasst, von jener aus deutschen und französischen Arbeiter ab. Ein Vergleich der Nationen bringt hingegen keine signifikanten Ergebnisse hervor. Selbst in den Fällen, in denen matched samples im Sinne Hofstedes, also deutsche und französische Lehrer sowie deutsche und französische Arbeiter, verglichen werden, wirkt eine nationale Einteilung nicht differenzierend. Das bedeutet, in Form der Merkmale HOCHKUL, POSTMAT und STRESS sind Beispiele gefunden, die nicht beim Kulturträger Nation, sondern beim Kulturträger Berufskollektiv verortet sind. Dennoch benutzt Hofstede unter anderem genau diese Merkmale, so wurde belegt,194 als internationale Vergleichsmaßstäbe.

Überprüfung der Forschungshypothese 2 »Intra-nationale Heterogenität«: Die Berufskollektive derselben Nation unterscheiden sich im Hinblick auf die Mehrzahl der Merkmale.

Eine weitere Forschungshypothese nahm Hofstedes Prämisse der intra-nationalen Homogenität in den Fokus. Um zu hinterfragen, ob tatsächlich alle Mitglieder einer Nation ungeachtet weiterer Kollektivzugehörigkeiten kulturell einheitlich geprägt sind, sollte überprüft werden, ob sich im Hinblick auf die Mehrzahl der Merkmale die Lehrer und Arbeiter innerhalb einer Nation signifikant unterscheiden. Hier fällt die Interpretation der Ergebnisse eindeutig aus. Denn deutsche Lehrer und deutsche Arbeiter unterscheiden sich im Hinblick auf sieben von neun Merkmalen, und französische Lehrer und französische Arbeiter weichen in Bezug auf alle neun abgefragten Merkmale in statistisch signifikantem Ausmaße voneinander ab. Die gleiche Nationalität

194 | Wie bereits belegt wurde (Vgl. B.VI.2), bezieht Hofstede alle Merkmale, die in der vorliegenden Studie abgefragt werden, in die Validierung seiner Dimensionskonstrukte mit ein. Das heißt, er erwähnt sie, wenn er seine Dimensionen inhaltlich füllt beziehungsweise wenn er zu konkretisieren versucht, was eine hohe und niedrige Dimensionsausprägung beinhalten sollen. Das Merkmal STRESS deklariert er zudem als essentielle Komponente einer hohen Unsicherheitsvermeidung.

193

194

Nationalkultur versus Berufskultur

scheint sie also nicht zu vereinen. Darüber hinaus scheint eine unterschiedliche Nationalität auch nicht zwangsläufig differenzierend zu wirken. Denn in Bezug auf die Merkmale HOCHKUL, POSTMAT und STRESS weisen die Berufsgruppen zur jeweils anderen Berufsgruppe ihrer Nation Unterschiede auf und zur jeweils gleichen Berufsgruppe der anderen Nation nicht. Insgesamt, so ist offensichtlich, hat sich intra-nationale Heterogenität bestätigt, und Hofstedes Taktik, die Ergebnisse einer Studie, an der nur IBM-Mitarbeiter teilgenommen haben, auf die jeweiligen Nationen zu generalisieren, erweist sich als nicht tragfähig.

Überprüfung der Forschungshypothese 3 »Indeterminismus von Nationalität«: Die Faktoren Beruf, Geschlecht und Alter haben einen mindestens so starken Einf luss wie die Nationalität.

Die Forschungshypothese, welche Hofstedes Prämisse des deterministischen Charakters nationaler Kulturen hinterfragte, wurde bereits im Zuge der Ergebnisinterpretation der Regressionsanalyse bestätigt (vgl. B.VI.2). Hier zeigte sich, dass die Merkmalsausprägungen der Befragten bei Weitem nicht nur von ihrer Nationalität, sondern auch von weiteren Einflussfaktoren wie Beruf, Alter und Geschlecht geprägt sind.

Überprüfung der Forschungshypothese 4 »Kulturelle Dynamik«: Die Rang folge der Uncertainty Avoidance-Indices von Deutschland und Frankreich ändert sich.

Eine letzte Forschungshypothese, die im Zusammenhang mit der Kritik an Hofstedes ethnizistischem Kulturbegriff aufgestellt wurde, betrifft seine Prämisse, dass die Kultur einer Nation auf einem statischen und kohärenten Wertesystem beruht. Mit statisch meint Hofstede, dass sich zwar die absoluten Länder-Scores, nicht aber die relativen Scores, also die Rangfolgen unter den Ländern, im Zeitverlauf ändern.195 Um das anhand der vorliegenden Samples aus Frankreich und Deutschland zu überprüfen, wurden im Subtest I die IBM-Originalfragen zur Dimension der Uncertainty Avoidance abgefragt. In der IBM-Befragung erzielte Frankreich einen Wert von 86 und Deutschland

195 | Vgl. Hofstede 2009, S. 36.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

einen von 65.196 Folglich schreibt Hofstede Frankreich eine stärkere Unsicherheitsvermeidung zu als Deutschland. In der vorliegenden Befragung jedoch erreicht unter Anwendung der Hofsted’schen Formel Frankreich einen Wert von 94,8 und Deutschland einen von 99,2. Das heißt, die Rangfolge ist eine andere. Somit erweisen sich Hofstedes relative Dimensionsausprägungen, obgleich seine Forschungsmethodik an dieser Stelle genau repliziert wurde, als nicht statisch. In Summe ist festzuhalten, dass sein ethnizistischer Kulturbegriff in seinen essentiellen Grundpfeilern ins Wanken geraten ist.

B.VII.1.2 Überprüfung der Forschungshypothesen zum Konzept Kulturdimension Der zweite Block an Forschungshypothesen orientierte sich an der theoretischen Kritik an Hofstedes Betrachtungskonzept Kulturdimension. Die Kritik umfasst, so wurde im Theorieteil ausgeführt, zwei Komponenten: eine kulturtheoretische (vgl. A.III.2.1) und eine methodische (vgl. A.III.2.2).

Überprüfung der Forschungshypothese 5 »Nicht-ethnische Problemlöser«: Auch die Subkollektive zeigen Unterschiede im Hinblick auf die Merkmale des Subtest II.

Im Rahmen der kulturtheoretischen Kritik wurde unter anderem die Hofsted’sche Sichtweise angezweifelt, dass ausgerechnet ethnische Kollektive auf anthropologische Universalprobleme reagieren. Angenommen, man schließt sich der Idee an, dass die Hofsted’schen Dimensionen als Lösungsspektren für Universalprobleme gelten, so bleibt zweifelhaft, ob nicht auch Subkollektive sich unterschiedlich aus ihnen bedienen. Das wird anhand der Merkmale des Subtests II, den essentiellen Komponenten der Uncertainty Avoidance-Dimension, geprüft. Die entsprechende Forschungshypothese besagt, dass in Bezug auf diese Merkmale auch Subkollektive signifikante Unterschiede aufweisen. Sie findet empirische Bestätigung: In Bezug auf das Merkmal STRESS unterscheiden sich Franzosen und Deutsche nicht, auch nicht als matched samples.197 Die Lehrer und Arbeiter wiederum unterscheiden sich, und zwar innerhalb Deutschlands und Frankreichs sowie als länderübergreifend zusammengefasste Gruppen. Bedenkt man, dass Hofstede Stress explizit als

196 | Vgl. Ebd., S. 500. 197 | Wie bereits erwähnt sind hiermit die Vergleiche »Deutsche Lehrer vs. französische Lehrer« und »Deutsche Arbeiter vs. französische Arbeiter« gemeint.

195

196

Nationalkultur versus Berufskultur

elementaren Bestandteil einer hohen Unsicherheitsvermeidung198 deklariert, so lässt sich schlussfolgern, dass es nicht nur National- sondern auch Subkollektive sind, die sich verschiedenartig aus den Lösungsspektren bedienen.

Überprüfung der Forschungshypothese 6 »Kontextgebundene Problemlösungen«: Die Berufskollektive innerhalb einer Nation unterscheiden sich im Hinblick auf einige Merkmale.

Weitere Forschungshypothesen knüpften an die methodische Komponente der Kritik am Konzept Kulturdimension an. Hier wurde unter anderem kritisiert, dass Hofstede die Dimensionsausprägungen, die er pro Land errechnet hat, auf alle denkbaren Kontexte bezieht. Legt man nun das Fabrikumfeld und das Schulumfeld als zwei verschiedene Kontexte aus, so können Abweichungen zwischen den Berufskollektiven dem Umstand zugeschrieben werden, dass die Hofsted’schen Dimensionskonstrukte nicht in allen Kontexten gleichermaßen Anwendung finden. Die entsprechende Forschungshypothese, dass Lehrer und Arbeiter innerhalb einer Nation sich signifikant unterscheiden, hat sich im Hinblick auf die große Mehrzahl der abgefragten Merkmale bestätigt. Dieser Befund wird an dieser Stelle so interpretiert, dass Hofstedes Konzept Kulturdimension die Verschiedenartigkeit von Kontexten vernachlässigt.

Überprüfung der Forschungshypothese 7 »Lösungswege jenseits der Dimensionen«: Auch die nicht-Hofsted’schen Merkmale erweisen sich als aufschlussreich im interkollektiven Vergleich.

Des Weiteren wurde im Zuge der Kritik an der methodischen Komponente des Konzeptes Kulturdimension bemängelt, dass Hofstede jegliche alternative Lösungswege zu Universalproblemen außer Acht lässt, die jenseits der Lösungsspektren in Form der Dimensionen liegen könnten. Mit anderen Worten, es ist zweifelhaft, dass die Hofsted’schen Dimensionen vollständig sind in dem Sinne, als dass sie alle denkbaren Lösungsspektren umfassen. Die entsprechende Forschungshypothese lautete, dass auch die Merkmale des Subtests III, die Hofstede ja nicht direkt als Dimensionen formuliert, im Zuge des Vergleichs von Kollektiven aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. Auch diese Hypothese

198 | Vgl. Hofstede 2009, S. 53. Vgl. Hofstede 2007, S. 399.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

findet empirische Bestätigung. Ein besonders deutliches Beispiel ist das Merkmal des Erziehungsstils zur Anpassung beziehungsweise zur Selbstbestimmung, denn hier weisen alle miteinander verglichenen Kollektivformen signifikante Unterschiede auf. Das heißt, dieses Merkmal, was zwar von Hofstede im Zuge der Erläuterungen seiner Dimensionskonstrukte erwähnt wird, aber nicht als eigenständige Dimension existiert, erweist sich als erkenntnisreicher Vergleichsmaßstab auf nationaler sowie Subkollektivebene.

Überprüfung der Forschungshypothese 8 »Schrittweise Fragebogenübersetzung für konzeptuelle Äquivalenz«: Das hier angewandte Übersetzungsverfahren trägt zur Sicherstellung konzeptueller Äquivalenz bei.

Beide Komponenten des Betrachtungskonzeptes Kulturdimension, die kulturtheoretische und die methodische, erlauben Hofstede die Herausforderung zu umgehen, konzeptuelle Äquivalenz annähernd herzustellen. Das heißt, er nimmt schlichtweg an, dass seine Dimensionen in allen Kollektiven gleichermaßen anwendbar sind. Folglich stellt er auch keine besonderen Bemühungen im Zuge der Fragebogenübersetzung an und verlässt sich auf one-shot translations.199 Im Gegenzug hierzu wurde in der vorliegenden Studie das Übersetzungsverfahren der Teamarbeit angewandt. Die entsprechende Forschungshypothese lautete, dass solch ein komplexeres Verfahren unverzichtbar ist, weil es eine beachtliche Reihe an kritischen Punkten zu Tage bringt, deren Diskussion zu erheblichen notwendigen Abänderungen des Fragebogens führt. Diese Hypothese, so wurde dokumentiert (vgl. B.IV.3), hat sich bestätigt.

B.VII.1.3 Überprüfung der Forschungshypothesen zu Hofstedes empirischer Methodik Der letzte Block an Forschungshypothesen knüpfte an die theoretische Kritik an Hofstedes empirischer Methodik an.

Überprüfung der Forschungshypothese 9 »Skaleninäquivalenz unter nicht-­ ethnischen Kollektiven«: Einige Items erweisen sich als nicht skalaräquivalent in Bezug auf die Subkollektive.

199 | Vgl. Hofstede 2009, S. 22 f.

197

198

Nationalkultur versus Berufskultur

Skalenäquivalenz wurde im Theorieteil erläutert als der Anspruch, dass alle Befragtengruppen bei der Beantwortung einer Frage von der gleichen Maßeinheit und einem einheitlichen Nullpunkt ausgehen. Im übertragenen Sinne heißt das, dass sie die Frage vergleichbar verstehen. Hierzu wurde die ­Forschungshypothese aufgestellt, dass sich nicht nur Dach-, sondern auch Subkollektive als nicht-skalaräquivalent erweisen können. Folglich wurden im Rahmen der vorliegenden Studie die statistischen Tests auf Skalenäquivalenz nicht nur auf nationaler, sondern auf subkollektiver Ebene durchgeführt (vgl. B.VI.3). Sie erwiesen sich als erkenntnisreich: Nicht nur die Nationen, sondern auch die Berufsgruppen innerhalb der Nationen haben einige Items in nicht vergleichbarer Form aufgefasst.

Überprüfung der Forschungshypothese 10 »Subkollektivspezifische Antwortverzerrungen«: Die Subkollektive zeigen unterschiedliche Antworttendenzen.

Auch die letzte Forschungshypothese ist an anderer Stelle bereits bestätigt worden. Es handelt sich um die Hypothese, dass kollektivspezifische Antworttendenzen, insbesondere die Tendenz zur sozialen Erwünschtheit, nicht nur national, sondern auch zwischen Subkollektiven innerhalb der gleichen Nation variieren können. Diese Annahme wurde im Zuge des Think Aloud-Tests überprüft und bestätigt (vgl. B.IV.2).

B.VII.2 Interpretation der Ergebnisse anhand des kollektiven Kulturbegriffs Bisher wurden die Studienergebnisse im Hinblick auf eine Überprüfung der Forschungshypothesen interpretiert. Hierbei haben sich die theoretischen Zweifel an Hofstedes Betrachtungskonzept Kulturdimension und an seiner empirischen Methodik bestätigt, zudem wurde insbesondere sein ethnizistischer Kulturbegriff in einigen seiner grundlegenden Prämissen erschüttert. Dem soll nun ein alternativer Kulturbegriff entgegengesetzt werden: der kollektive. Er wird im Folgenden zunächst theoretisch erläutert und anschließend auf seine empirische Tragfähigkeit hin überprüft. Hierzu werden einige seiner zentralen Konzepte auf die Studienergebnisse angewandt.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

B.VII.2.1 Abgrenzung des kollektiven Kulturbegriffs zum ethnizistischen und transnationalen Die Erläuterung des kollektiven Kulturbegriffs beginnt mit einer Abgrenzung zum ethnizistischen und zum transnationalen. Der ethnizistische wurde am Beispiel Hofstedes bereits eingehend dargestellt. Als Vertreter des transnationalen sind die Theoretiker Beck, Hannerz, Bhabha und Welsch zu nennen. Ihr Kulturbegriff basiert auf zwei grundsätzlichen gemeinsamen Prämissen. Als erste Prämisse sprechen sie nationalstaatlichen Grenzen ihren traditionellen Stellenwert als kulturelle Grenzen ab.200 In diesem Sinne unterscheidet Beck zwischen der sogenannten ersten und zweiten Moderne beziehungsweise zwischen Kultur I und Kultur II. Die Kultur I sei in sich geschlossen und an das Territorium des Nationalstaates gebunden,201 die Kultur II hingegen begreife ihren Ort als nach außen hin offen.202 Denn zu Zeiten der Globalisierung, so die Autoren, in denen die Menschen durch neuartige Kommunikations- und Informationswege über räumliche Distanzen hinweg vernetzt sind, 203 werde das zusammen gefügt, »was als unvereinbar gilt: zugleich hier und dort zu leben und zu handeln«.204 Der Mensch sei in einen Austausch mit der Fremde getreten und somit sei Kultur nicht mehr räumlich gebunden.205 Hiermit, so betonen vor allem Welsch und Bhabha, erübrige sich die traditionelle europäische Denktradition der Dualismen von Innen und Außen,206 vom Hiesigen und Fremden,207 von Wir und den Anderen.208 Die Folge ist, so nennt Welsch es, intrakulturelle Pluralität. 209 »Kulturelle Differenzen treten heute auf dem gleichen Territorium und innerhalb derselben – ehedem weitaus homogeneren – Kultur auf«. 210 Hier kündigt sich die zweite Prämisse des transnationalen Kulturbegriffs an, die klar der

200 | Vgl. Hannerz 1992, S. 263 f. Vgl. Bhabha 1990a, S. 1. Vgl. Beck 1998, S. 12 und 14. Vgl. Beck 2008, S. 310. Vgl. Schmidt 2012, i.E. 201 | Vgl. Beck 2008, S. 301. Vgl. Beck 1998, S. 53 f. Vgl. Beck und Fellinger 1998, S. 49. 202 | Vgl. Beck und Fellinger 1998, S. 118. 203 | «It is obvious that media contribute greatly to making the boundaries of societies and cultures fuzzy« (Hannerz 1992, S. 30). Vgl. Beck 1998, S. 55. f. Vgl. Schmidt 2012, i.E. 204 | Beck und Fellinger 1998, S. 57. 205 | Vgl. Schmidt 2012, i.E. 206 | Vgl. Bhabha 1997, S. 162. Vgl. Bronfen 2000, S. IX. 207 | Tschernokoshewa 2012, i.E. 208 | Schmidt 2012, i.E. 209 | Welsch 1987, S. 4. 210 | Welsch 1991, S. 26.

199

200

Nationalkultur versus Berufskultur

Hofsted’schen intra-nationalen Homogenitätsprämisse widerspricht: 211 jene der vielfältigen kulturellen Wahlmöglichkeiten. 212 Wahlmöglichkeiten meint, dass das einheitliche Verständnis von Normalität verschwimmt und traditionelle Vorstellungen durch eine Vielzahl an Alternativen ersetzt werden. Das schlage sich, so benennt Beck es mit seinem Konzept der institutionalisierten ­Individualisierung, 213 auch auf institutioneller Ebene nieder. Die instiutionalisierte Individualisierung sagt aus, dass immer mehr Regelungen eingeführt werden, die darauf abzielen, kollektive Vorgaben in individuelle Wahlmöglichkeiten zu überführen. 214 Wie bunt die Vielfalt an kulturellen Wahlmöglichkeiten auf einem Territorium ist, drückt Hannerz anhand des Begriffs Contemporary Complex Cultures 215 aus. Er stellt fest: »Orderliness, harmony, durable equilibria, […]: all those characterizations [of culture] are debatable«. 216 Die Individuen nehmen also ihre Wahlmöglichkeiten wahr, das heißt, sie bedienen sich aus verschiedenartigen kulturellen Quellen. »Wir sind kulturelle Mischlinge«, 217 schlussfolgert Welsch. »Die kulturelle Identität der heutigen Individuen ist eine Patchwork-Identität«. 218 Die Vorstellung von Patchwork, so betont Bhabha es anhand seines Begriffs der Hybride Cultures, 219 meint hier jedoch nicht etwa nur die Ko-Existenz einer Vielzahl an voneinander trennbaren Kulturen, so wie es das Konzept des Multikulturalismus220 oder jenes des Interkulturalismus221 beinhaltet. Denn der transnationale Kulturbegriff nimmt nicht an, dass verschiedene Nationalkulturen bloß aufeinander prallen, sondern dass sie sich vermischen und etwas Neues entsteht. Aus den Kulturen (1) und (2) folgt also nicht Kultur (1+2), sondern Kultur (3). Der Neuartigkeit kultureller Mischprodukte trägt auch Hannerz mit seinem Begriff der Creole Cultures Rechnung. Hiermit meint er Kulturen, die nicht in sich geschlossen historisch, sondern aus Teilen verschiedener Herkunft gewachsen sind. 222 Der transnationale Kulturbegriff ist also, wie sein Name schon sagt, ein länderübergreifender. Er erscheint zeitgemäß, stößt allerdings auch an seine

211 | Vgl. Welsch 1995, S. 39. 212 | Vgl. Hárs 2001, S. 2. 213 | Beck 2008, S. 305. 214 | Vgl. Ebd., S. 305. 215 | Hannerz 1992, S. 6. 216 | Ebd., S. 22. 217 | Welsch 1995, S. 42. 218 | Welsch 2009, S. 5. 219 | Vgl. Bhabha 1990a, S. 4. 220 | Vgl. Grimm 1997, S. 4 f. 221 | Vgl. Welsch 1995, S. 40. 222 | Hannerz 1992, S. 264.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Grenzen. Denn er überführt zwar die traditionelle Prämisse, dass in sich homogene Nationen als Kulturträger fungieren, bietet jedoch der weiterführenden Erforschung von Kultur keine klar umgrenzte und beschreibbare Alternative. An diesen Punkt knüpft nun das kollektive Kulturverständnis an. Denn es schlägt eine überschaubare Einheit als Kulturträger vor: das Kollektiv.

B.VII.2.2 Erläuterung zentraler Konzepte des kollektiven Kulturbegriffs Das Kollektiv umfasst die Gesamtheit aller denkbaren menschlichen Gruppierungen und wird durch mindestens eine partielle Gemeinsamkeit seiner Mitglieder konstituiert.223 Die Anzahl an Beispielen menschlicher Gruppierungen, die laut dieser Definition als Kollektive gelten, ist endlos. Theoretisch reicht sie vom Kollektiv der Frauen, Neuseeländer, Klassikliebhaber, Briefträger und Veganer bis zu jenem der Brillenträger. Die endlose Liste an Kollektiven ist jedoch keine unüberschaubare, sondern lässt sich kategorisieren. So werden beispielsweise Abstraktionskollektive von Virulenzkollektiven unterschieden. Erstere bezeichnen »leblose Kollektive«,224 deren Mitglieder nur theoretisch verbunden sind, wohingegen die Mitglieder letzterer in praktischem Kontakt zueinander stehen. Eine weitere Kategorisierung differenziert sogenannte Schicksalskollektive, die auf Gemeinsamkeiten basieren, welche nicht von den Mitgliedern geschaffen wurden, von Interessenskollektiven, die aus dem Wollen der beteiligten Individuen entstanden sind.225 Als elementarste Kategorisierung, so wurde bereits erwähnt, werden Kollektive zweier Grade unterschieden: Subkollektive und Dachkollektive. Subkollektive, die Kollektive ersten Grades, 226 setzen sich zusammen aus Individuen, die mindestens eine partielle Gemeinsamkeit teilen. Partiell meint, dass die Individuen anhand verschiedenster Merkmale in unendlich vielen diversen Subkollektiven zugleich verortet sind. 227 Das beinhaltet auch das Konzept der Multikollektivität, 228 das bereits im Rahmen der Regressionsanalyse thematisiert wurde (vgl. B.VI.2). In den Mittelwertvergleichen der vorliegenden Studie treten vier Subkollektive auf: deutsche Lehrer, deutsche Arbeiter, französische Lehrer und französische Arbeiter. Während Subkollektive aus Individuen bestehen, umfassen Dachkollektive wiederum Subkollektive. 229

223 | Vgl. Hansen 2009a, S. 27. 224 | Ebd., S. 30. 225 | Vgl. Ebd., S. 28. 226 | Vgl. Ebd., S. 82. 227 | Vgl. Ebd., S. 22 und 27. 228 | Ebd., S. 20. 229 | Vgl. Ebd., S. 82.

201

202

Nationalkultur versus Berufskultur

Beispielsweise ein einzelner Sportverein zählt zu den Kollektiven ersten Grades, während ein Sportverband, der mehrere Vereine in sich vereint, als Dachkollektiv beziehungsweise als Kollektiv zweiten Grades gilt. Von besonderem Interesse sind unter den Dachkollektiven die Nationen, 230 denn ihnen wird eine Gegenständlichkeit besonderer Art zugesprochen. 231 Die Besonderheit besteht darin, dass sie sich aus zwei Ebenen zusammensetzen: einer Basis und einem Überbau. Die Basis ist geprägt durch Polykollektivität, das heißt, durch eine komplexe Anordnung heterogener Subkollektive. 232 Hansen veranschaulicht die polykollektive Basis einer Nation wie folgt. »Alle denkbaren Kollektivformen und alle denkbaren Kollektivbeziehungen bestehen nebeneinander [auf der Basis des Dachkollektivs Nation]. Da gibt es Naturkollektive (Männer und Frauen), formlose Kollektive (Millionäre und Obdachlose), geformte Kollektive (Standesvertretungen, Vereine), Weltanschauungskollektive (Katholiken, Neonazis, Sekten) und Freizeitkollektive (Jäger, Golfer), um nur einige zu nennen.« 233

An den Gedanken der Polykollektivität schließen zwei Bemerkungen an. Erstens ist er die Komponente der Kollektivtheorie, die am explizitesten der Hofsted’schen Homogenitätsprämisse widerspricht. Ordnet man die IBM-Mitarbeiter als ein Subkollektiv unter vielen ein, so erscheint Hofstedes Verfahren, die Ergebnisse seiner IBM-Stichprobe auf die entsprechenden gesamten Nationen zu generalisieren, nicht tragfähig. Streng genommen wäre es nie, selbst anhand des Verfahrens des repräsentativen Querschnitts, möglich, die gesamte Polykollektivität einer Nation in einer Stichprobe repräsentativ abzubilden.234 Zweitens ist es die polykollektive Basis, die eine Nation zum sogenannten Unikatskonglomerat235 macht.236 Der Begriff des Unikatskonglomerats bezeichnet die Einzigartigkeit der Komposition aus Subkollektiven, die eine Nation unverwechselbar macht. Auf der Einzigartigkeit der Komposition, so fährt die Kollektivtheorie weiter fort, beruht das menschliche Gefühl von Heimat. Heimat sei da, wo der Menschen von den Unterschieden und Unstimmigkeiten der polykollektiven Basis nicht irritiert ist, wo sie ihm hingegen vertraut sind.237

230 | Vgl. Ebd., S. 115. Vgl. Hansen 2009c, S. 12. 231 | Vgl. Hansen 2009a, S. 112 f. 232 | Vgl. Ebd., S. 116 f. 233 | Ebd., S. 115. 234 | Ebd., S. 148. 235 | Ebd., S. 114. 236 | Ebd., S. 115. 237 | Vgl. Ebd., S. 111.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Es lässt sich also festhalten, dass auf der Basis eines Dachkollektivs. Unterschiedlichkeit, Differenz und Heterogenität herrschen. 238 Was aber hält die Basis zusammen? »Wie aber hält das Dachkollektiv die Spannung der Heterogenität aus, deren Auswirkung darin besteht, dass gegensätzliche Werte und Weltanschauungen, unterschied­ liche Denkformen und Emotionalitäten heftig aufeinander treffen?« 239

Die Spannung der Heterogenität verlangt gewissermaßen nach einer übergeordneten Instanz, welche die Kommunikation und Interaktion zwischen den verschiedenen Subkollektiven sichert und regelt.240 Diese Instanz ist der sogenannte Überbau, die zweite Ebene des Dachkollektivs. Nation. Seine hauptsächlichen Funktionen, soweit sie bislang identifiziert wurden, liegen in der Verwaltung von Sprache, von einigen Verhaltensweisen sowie von Gesetzen und Institutionen. Die Landessprache, die hier verwaltet wird, ist natürlich nicht rundum homogen, stattdessen gibt es innerhalb einer Nation regionale Dialekte und subkollektive Sprachvarianten.241 Augenscheinlich spricht der Bayer anders als der Rheinländer, der Jugendliche anders als seine Eltern und der Politiker anders als der Bauarbeiter. Die Unterschiede werden nicht etwa mit der Zeit gleichgeschaltet, denn die Landessprache macht keine konkreten Vorschriften, in welcher Form Regionen und andere Subkollektive kommunizieren sollen. Sie macht ihnen auch keine konkreten Vorschriften, welche Inhalte sie kommunizieren sollen. Stattdessen wahrt sie die unterschiedlichen sprachlichen Nuancen der Subkollektive und bietet ihnen anhand einer gemeinsamen sprachlichen Grundlage die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und zugleich ihrer Unterschiedlichkeit Ausdruck zu verleihen.242 Somit wird der Annahme widersprochen, dass eine einheitliche Landessprache zu einem einheitlichen Denken, oft formuliert als nationale Mentalität, führt. Im Gegenteil, »[d]ie Homogenität der Kommunikation steht [...] in Diensten der Heterogenität«.243 Die Mitglieder einer Nation teilen nicht nur ihre Landessprache als Grundlage verbaler Kommunikation, sondern zudem auch einige Standardisierungen non-verbaler Kommunikation.244 Das heißt, der Überbau koordiniert auch eine

238 | Ebd., S. 82. 239 | Ebd., S. 116. 240 | Vgl. Ebd., S. 121. 241 | Vgl. Ebd., S. 123-129. 242 | Vgl. Ebd., S. 123. 243 | Ebd., S. 133. 244 | Vgl. Ebd., S. 133.

203

204

Nationalkultur versus Berufskultur

Reihe an Verhaltensweisen, die für das gesamte Dachkollektiv gelten.245 Mit Verhaltensweisen sind symbolische Gesten, Benimmregeln, pseudo-ethische Rituale und alle weiteren denkbaren Regelungen zwischenmenschlicher Interaktion gemeint. Hier gilt das gleiche Prinzip wie in Bezug auf die Landessprache: Nicht alle Details werden einheitlich beachtet. Individuen, Regionen und weitere Subkollektive können sich ihnen entziehen und mitunter tun sie das bewusst um sich abzugrenzen. Dennoch sind gewisse Grundregeln einheitlich bekannt.246 Und ähnlich wie die Landessprache erfüllt das Wissen um die Grundregeln des Verhaltens im weitesten Sinne die Funktion, ein reibungsloses Miteinander auf der polykollektiven Basis zu gewährleisten.247 Ein weiterer Wirkungskreis des Überbaus, der zweifelsohne eine vergleichbare Funktion erfüllt, ist jener der Gesetze und Institutionen. Auch sie gelten, von regionaler und lokaler Gesetzgebung abgesehen, für alle Mitglieder eines Dachkollektivs gleichermaßen und dienen dazu, zu einem störungsfreien Zusammenleben der verschiedenen Individuen und Subkollektive beizutragen. Im Hinblick auf die Gesetze und Institutionen, die internationale Geltung haben können, wird offensichtlich, dass die Koordination des Überbaus sich auf mehrere Dachkollektive erstrecken kann. Das gilt gleichermaßen für jene Verhaltensweisen, die nicht nur innerhalb nationaler Grenzen bekannt sind und für Sprachen, die in mehreren Nationen gesprochen werden. Hierbei handelt es sich um sogeannte pankollektive Elemente. »[B]estimmte Prinzipien der Verwaltung von Polykollektivität sind weit über die einzelnen Staaten hinaus pankollektiv verbreitet«. 248 Es lässt sich bisher zusammenfassen, dass die Basis des Dachkollektivs durch Heterogenität gekennzeichnet ist und der Überbau durch Homogenität. Es gibt nun einige Phänomene, die zwischen Basis und Überbau anzusiedeln sind, die also weder direkt zur Heterogenität, noch direkt zur Homogenität im Dachkollektiv beitragen. Ein erstes dieser Phänomene ist die Geschichte. Man möchte meinen, die Geschichte einer Nation sei homogen, da alle Mitglieder sie gleichermaßen erlebt haben. In der Tat ist sie in Form ihrer objektiven Fakten einheitlich. Doch nicht zwingend haben die Mitglieder einer Nation sie gleichermaßen empfunden. Denn für verschiedene Subkollektive entfaltet ein historischer Vorfall je nach Lebensbedingungen und Interessen eine unterschiedliche Bedeutung. Der historische Vorfall wird erst dann zu einem objektiven und neutralisierten Geschehnis, wenn das subjektive und emotionale Erleben nicht mehr akut sind, das heißt, wenn er

245 | Vgl. 246 | Vgl. 247 | Vgl. 248 | Vgl.

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

S. S. S. S.

48. 134. 135. 137.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Teil der Vergangenheit geworden ist, 249 und wenn eine vereinheitlichende Art der Geschichtsschreibung stattgefunden hat. »[Erst d]as offiziell gedeutete und damit homogenisierte Ereignis wird Teil des Überbaus und trägt zur Kohäsion des Dachkollektivs bei«. 250 Ein weiteres Phänomen, das zwischen Überbau und Basis pendelt, ist das der nationalen Mythen. »Nationale Mythen enthalten standardisierte Sichtweisen und standardisierte Deutungen angeblich nationale Besonderheiten«.251 Als ein Beispiel nennt Hansen den American Dream.252 Die nationalen Mythen sind, sobald sie auf die Basis eines Dachkollektivs treffen, dessen Polykollektivität ausgeliefert. Denn sie erreichen nur manche Individuen und Subkollektive und werden von ihnen in unterschiedlicher Form gedeutet, gewertet und in Handlungen mit einbezogen. 253 Ähnlich verhält es sich mit der nationalen Agenda, das heißt, mit der Komposition an Themen, die ein Dachkollektiv zu einer bestimmten Zeit interessieren und die öffentlich, vor allem in den Medien, diskutiert werden. Während die diskutierten Sachverhalte faktisch dieselben für alle Mitglieder des Dachkollektivs sein mögen, variieren die Art der Berichterstattung und die Deutung der Diskussion je nach Individuum oder Subkollektiv. 254 Hiermit wird also nicht zur Homogenität im Dachkollektiv beigetragen, wohl aber, und das unterstützt den oben erläuterten Begriff des Unikatskonglomerats, zu einer unverwechselbaren Nationalspezifik. »Einer bestimmten vergröberten Polykollektivität entsprechend, werden die Fakten [der nationalen Agenda] weltanschaulich unterschiedlich repräsentiert.[...] Aber auch diese variierende Darstellung und Deutung des homogenen Themenmixes macht die Agenda nationalspezifisch, denn die Variationen sind der besonderen Polykollektivität des Dachkollektivs. geschuldet.« 255

Ein letztes bislang identifiziertes Phänomen, das zwischen homogenem Überbau und heterogener Basis verortet ist, ist die nationalspezifische Differenz. Sie schließt gewissermaßen an die nationalspezifische Agenda an und bezeichnet die Dauerthemen, die innerhalb eines Dachkollektivs fortwährend diskutiert werden. Für das Beispiel Deutschlands nennt Hansen unter anderem die Themen dreigliedriges Schulsystem und Atomkraft. In der

249 | Vgl. Ebd., S. 153-160. 250 | Ebd., S. 159 f. 251 | Ebd., S. 160. 252 | Vgl. Ebd., S. 161. 253 | Vgl. Ebd., S. 163. 254 | Vgl. Ebd., S. 165-172. 255 | Ebd., S. 172.

205

206

Nationalkultur versus Berufskultur

Diskussion dieser Themen spiegeln sich die homogene und die heterogene Ebene des Dachkollektivs zugleich: Das homogene Element ist das Thema an sich und das heterogene bilden die verschiedenen Meinungsparteien mit ihren unterschiedlichen Arten, die Themendiskussion aufzubereiten. 256 Die nationalspezifische Differenz ist gewiss nicht das letzte Phänomen, das zur Homogenität im Dachkollektiv beiträgt. Weitere Phänomene, die zwischen Überbau und Basis liegen oder gar ganz im Überbau verortet sind, sind im Zuge weiterführender Kollektivforschung noch zu ermitteln. Im Rahmen der Besprechung des Dachkollektivs lässt sich ein Fazit im Hinblick auf die Bewertung der Hofsted’schen Homogenitätsprämisse ziehen. Es wurde bereits herausgestellt, dass der Gedanke der polykollektiven Basis der Annahme widerspricht, die Mitglieder einer Nation seien kulturell einheitlich geprägt. Nachdem der Basis nun ein Überbau hinzugefügt wurde, ist jedoch abschließend festzustellen, dass die Idee intra-nationaler Homogenität nicht komplett verbannt ist. 257 Sie wird allerdings weitaus differenzierter betrachtet, als Hofstede es tut. Der Nation werden zwar homogene Elemente zugesprochen, 258 allerdings werden sie genau analysiert und von den heterogenen getrennt. Außerdem werden die homogenen und die heterogenen Elemente in einen funktionalen Zusammenhang zueinander gestellt: »Heterogenität wird [...] durch Homogenität verwaltet«. 259 Zuletzt ist im Zusammenhang mit Dachkollektiven das Konzept der pankollektiven Formationen auszuführen. Wie bereits angeklungen ist, überwölben sie Dachkollektive, 260 die bestimmte Prinzipien teilen und kartieren deren Verbreitung. 261 Die Reichweite pankollektiver Formationen ist unterschiedlich. 262 Sie kann sich auf räumlich zusammenhängende Gebiete erstrecken, wie die Europäische Union. Sie kann jedoch auch Dachkollektive umfassen, die geographisch nicht zusammenhängen und beispielsweise die Nationen überspannen, welche die gleiche Staatsform teilen. Das Konzept des Pankollektiven ist zu trennen von jenem des Präkollektiven. Präkollektiv beschreibt ein Merkmal kollektivexternen Ursprungs. 263 Das heißt, es tritt zwar in einem Kollektiv auf, trägt jedoch nicht zu dessen Konstituierung bei. Stattdessen entstammt

256 | Vgl. Ebd., S. 173 f. 257 | Vgl. Ebd., S. 140. 258 | Vgl. Ebd., S. 121. 259 | Ebd., S. 121. 260 | Ebd., S. 183. 261 | Ebd., S. 187. 262 | Vgl. Ebd., S. 47 und S. 184. 263 | Vgl. Ebd., S. 43.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

es den individuellen Überschüssen, die von der partiellen Gemeinsamkeit, welche das entsprechende Kollektiv konstituiert, nicht abgedeckt werden. 264 »Das Präkollektive – der Katholik im Tennisclub – ist ein zufälliges Einsprengsel aus einem anderen Kollektiv, das im Wirtskollektiv zum einen selten ist und zum anderen im Normalfall für es keine Relevanz besitzt. Beide Merkmale gelten für das Pankol­ lektiv nicht.« 265

Für die Interpretation der Ergebnisse der vorliegenden Studie sind noch zwei weitere Konzepte der Kollektivtheorie von Bedeutung: die nationalspezifische Modifikation und die Funktionsverwandtschaft. Zu ihrer Erläuterung ist der Blick zum einen auf die Subkollektive zu richten, die auf der Basis der Dachkollektive verortet sind, und zum anderen auf die pankollektiven Formationen, die bestimmte Dachkollektive überspannen. Viele Subkollektive sind nicht vollkommen willkürlich entstanden, sondern erfüllen ­Funktionen, die mitunter pankollektiver Dimension sind. Das lässt sich am Falle nationaler Berufskollektive verdeutlichen. Beispielsweise hat ein jedes Dachkollektiv eine Art Subkollektiv errichtet, das sich um die medizinische Versorgung seiner Mitglieder kümmert. Das Bedürfnis, sich der menschlichen Gesundheit zu widmen, ist also nicht dachkollektivspezifisch. Die Art und Weise, wie sich gekümmert wird, allerdings schon. So reichen dachkollektivspezifische Varianten des Mediziners von Schulmedizinern über Vertreter der chinesischen Medizin bis hin zu Medizinmännern.266 Dass die Subkollektive der Schulmediziner und der Medizinmänner sich insofern ähneln, als dass sie im Dienste derselben Sache stehen, bezeichnet die Funktionsverwandtschaft. Dass sie allerdings ihre Funktion auf unterschiedliche Weise erfüllen, benennt die nationalspezifische Modifikation. Der Grund für nationalspezifische Modifikationen liegt auf der Hand, wenn man sich die Polykollektivität der Basis vor Augen führt, in die sich die Subkollektive eingliedern müssen. Sie tragen zwar einem pankollektiven Bedürfnis Rechnung, vereinbaren das jedoch in ihrer Ausführung mit dem Kontext des Daches.267

264 | Ebd., S. 44. 265 | Ebd., S. 46. 266 | Vgl. Ebd., S. 175 ff. 267 | Ebd., S. 177.

207

208

Nationalkultur versus Berufskultur

B.VII.2.3 Anwendung zentraler Konzepte des kollektiven Kulturbegriffs auf die Ergebnisse Nachdem der kollektive Kulturbegriff theoretisch erläutert wurde, wird er nun auf seine empirische Tragfähigkeit überprüft. Das heißt, seine zentralen Konzepte werden auf die Studienergebnisse angewandt. Hierzu werden wie im ersten Interpretationsteil die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs (vgl. Tabelle 17) herangezogen. Im Folgenden wird jeder Spalte der Ergebnistabelle ein Unterkapitel gewidmet, in dem sie anhand ausgewählter Konzepte der Kollektivtheorie interpretiert wird. Das Ziel ist, die Subkollektive und die Nation als Kulturträger zu prüfen und zu ermitteln, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

B.VII.2.3.1 Polykollektivität und die dichte Beschreibung von Subkollektiven Ein elementares Konzept der Kollektivtheorie ist die Polykollektivität, also die Annahme, dass auf der Basis des Dachkollektivs Nation eine Vielzahl an heterogenen Subkollektiven existiert. Die Anzahl der Subkollektive ist unendlich, als Beispiele werden in der Studie zwei Berufskollektive herausgegriffen. Tabelle 18 stellt den entsprechenden Auszug der Ergebnistabelle dar. Hier wird die Heterogenität der Basis der Dachkollektive offensichtlich, denn die Subkollektive der Lehrer und Arbeiter innerhalb eines Landes zeigen in nahezu allen Merkmalen unterschiedliche Ausprägungen. Tabelle 18: Ergebnisse der Mittelwertvergleiche der Subkollektive innerhalb der Nationen (Auszug aus Tabelle 17). Mittelwertvergleiche der französischen Arbeiter und Lehrer HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

RELI

OFFEN

STRESS

REGEL

SIG FL > FA

SIG FL > FA

SIG FA > FL

SIG FA > FL

SIG FA > FL

SIG FA > FL

SIG FL > FA

SIG FA > FL

SIG FA > FL

RELI

OFFEN

STRESS

REGEL

SIG DL > DA

NICHT SIG

SIG DA > DL

NICHT SIG

Mittelwertvergleiche der deutschen Lehrer und Arbeiter HOCHKUL

EU

AUSL

SIG SIG SIG DL > DA DL > DA DA > DL

POSTMAT

ERZ

SIG SIG DA > DL DA > DL

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Um den Status der Subkollektive als Kulturträger zu klären, wird nun geprüft, welche kulturellen Charakteristika den deutschen und französischen Lehrern und Arbeitern anhand der vorliegenden S ­ tudienergebnisse zugeschrieben werden können. Die Identifizierung kultureller Charakteristika von Kollektiven wird auch als Kollektivforschung bezeichnet. Sie stellt sich dem Anspruch, ein Kollektiv möglichst dicht zu beschreiben. Das heißt, es soll möglichst genau differenziert werden, welche Merkmalsausprägungen, die innerhalb eines Kollektivs gezeigt werden, tatsächlich als kollektivspezifische Charakteristika verallgemeinerbar sind. Die Problematik dieses Anspruchs soll zunächst an einem Beispiel erläutert werden. Hierzu sind vorweg noch einige Begriffe zu klären. Erstens wird die partielle Gemeinsamkeit der Mitglieder, anhand der sich ein Subkollektiv konstituiert, auch als Standardisierung bezeichnet.268 Weiterhin lässt sich zwischen Primär- und Sekundärstandardisierungen differenzieren. Erstere sind die essentiellen Gemeinsamkeiten, auf Basis derer sich das Kollektiv konstituiert. Sekundärstandardisierungen hingegen sind aus der Primärstandardisierung abgeleitet.269 Die vorliegenden Subkollektive der deutschen und französischen Arbeiter und Lehrer konstituieren sich jeweils anhand zweier Primärstandardisierungen. Zum einen werden sie durch ihren jeweiligen Beruf zusammengehalten und zum anderen durch einen gemeinsamen Bildungsstand. Denn unter den Lehrern befinden sich nur Hochschulabsolventen und unter den Arbeitern, so wurde anhand der demographischen Angaben im Fragebogen sichergestellt, nur Menschen ohne Hochschulabschluss. Versteht man Beruf und Bildung also als Primärstandardisierungen, so sind die Sekundärstandardisierungen wiederum jene Charakteristika, die eng mit Beruf oder Bildung verknüpft sind. Manche manifestieren sich in Form der Merkmalsausprägungen, welche die Subkollektive im Rahmen der Studie gezeigt haben. Alternativ kann es sich bei den Merkmalsausprägungen jedoch auch um präkollektive Elemente handeln, das heißt wie oben erläutert, um zufällige Gemeinsamkeiten, die für die Konstitution des Kollektivs im Grunde irrelevant sind. Dieser Fall lässt sich an einem fiktiven Beispiel demonstrieren. Angenommen, eine Studie untersucht das Kollektiv der Berliner und stellt Fragen zu Ernährungsgewohnheiten. Nicht alle Berliner werden befragt, sondern eine Stichprobe, die im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Beruf überprüft und ausgeglichen gestaltet wurde. Beantwortet diese Stichprobe die Frage nach der Vorliebe für Fisch mit signifikant hoher Zustimmung, so ist zweifelhaft, ob es sich bei der Vorliebe für Fisch um eine echte Sekundärstandardisierung des Kollektivs der Berliner handelt. Es könnte Zufall gewesen sein, dass unter den Befragten relativ viele Angler

268 | Hansen 2009a, S. 66. 269 | Vgl. Ebd., S. 66 f.

209

210

Nationalkultur versus Berufskultur

sind, ein Kriterium, das bei der Zusammensetzung der Stichprobe außer Acht gelassen worden war. Da das Angeln mit Berlin, einer Stadt in Meeresferne, nicht direkt verknüpft ist, handelt es sich bei diesem Befragungsergebnis wahrscheinlich um ein präkollektives Element. Die Befragten haben nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Kollektiv der Berliner geantwortet und deshalb ist die Merkmalsausprägung diesem Kollektiv auch nicht zuzuschreiben. Um es in den Worten der Statistik auszudrücken: Es hat sich eine Korrelation gezeigt, jedoch kein Kausalzusammenhang erwiesen. Es stellt sich also immer die Frage, ob es sich bei einer Merkmalsausprägung, welche die Stichrobe eines Kollektivs zeigt, um eine echte Sekundärstandardisierung oder um ein präkollektives Element handelt. Zur Beantwortung dieser Frage schlägt die vorliegende Arbeit ein Verfahren vor: Es empfiehlt, anhand empirischer sowie theoretischer Literatur Verbindungsindikatoren zu identifizieren, die den Zusammenhang von der Merkmalsausprägung der Stichprobe zu einer Primärstandardisierung des Kollektivs begründen. Das Konzept Verbindungsindikator ist im Rahmen der Kollektivtheorie neu. Es greift die Prinzipien der dichten Zuschreibung auf270 und hat den Vorteil, dass es den Zusammenhang zwischen Primär- und Sekundärstandardisierung direkt benennt und greif bar macht. Anhand des Konzeptes Verbindungsindikators, so ein Ziel der folgenden Ausführungen, sollen die theoretischen Ansprüche der dichten Zuschreibung nun auch für empirische Studien umsetzbar gemacht werden. Die Primärstandardisierungen Beruf und Bildung werden in einer Vielzahl von Theorien und empirischen Studien als differenzierende Kriterien angewandt,271 vor allem in der Soziologie. Schon Pierre Bourdieu benutzte den Bildungsstand und damit einhergehend die Berufsposition zur Beschreibung von Klassen und Klassenfraktionen.272 Und Melvin Kohn nennt Beruf und Bildung »the two dimensions of stratification that appear to be the most important in contemporary American society«.273 Hierbei trennen Kohn und weitere Forscher vor allem zwischen körperlicher und geistiger Berufstätigkeit,274 was auch der Differenzierung der hier befragten Subkollektive entspricht. In der Soziologie geht man zwar längst nicht mehr davon aus, dass eine Nation sich einfach anhand von Kriterien wie Bildung, Beruf und Einkommen in vertikale Schichten einteilen ließe und dass die Schichtzugehörigkeit eindeutig die Lebensweisen und Werteinstellungen des Menschen bestimmen

270 | Vgl. Hansen 2009b, S. 7f. 271 | Vgl. Wolf 1995, S. 104-107. 272 | Vgl. Bourdieu 1987, S, 37 und 40. Vgl. Gerhards 2008, S. 17. 273 | Kohn 1977, S. 11 und S. 131. 274 | Vgl. Kohn 1981a, S. 19. Vgl. Groh-Samberg 2006, S. 244 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

würde. Vielmehr wird angenommen, dass Lebensweisen und Werte in Form sogenannter Milieus innerhalb der einzelnen Schichten in horizontaler Form nebeneinander existieren und sich mithin senkrecht über mehrere Schichten hinweg verbreiten.275 Zugleich wird jedoch weiterhin beobachtet, dass Schichtund Milieuzugehörigkeit sich gegenseitig beeinflussen.276 Das heißt, auch den schichtbildenden Kriterien Beruf und Bildung wird noch prägende Kraft zugesprochen.277 Im Jahre 1977 stellte Kohn anhand seiner Studien fest: »We conclude that the relationships of class to values and orientation result from the additive impact of education and occupational position«.278 Und obgleich in den 1980er und 1990er Jahren die Lebensstilforschung, die den Fokus auf horizontale Milieus anstatt auf vertikale Schichten legt, ihren Höhepunkt erreichte,279 kam der Soziologe Stefan Hradil auch im Jahre 2004 noch zu einem ähnlichen Schluss: »Welche Werthaltungen und Mentalitäten ein Mensch aufweist, ist also auch eine Frage seiner Einkommenshöhe, seines Bildungsgrades und seiner beruflichen Stellung«.280 Die Erforschung der Unterschiede zwischen Bildungs- und Berufskollektiven, insbesondere unter Berücksichtigung der Arbeiterschaft,281 hält also an.282 Allerdings ist im Sinne einer dichten Beschreibung möglichst eng umgrenzter Kollektive anzumerken, dass es wünschenswert wäre, die hier vorliegenden Subkollektive noch präziser einzugrenzen. Die Reihe an möglichen Eingrenzungskriterien ist theoretisch unendlich. Innerhalb der Berufskollektive könnten etwa die Lehrer zu einem noch engeren Kollektiv zusammengefasst werden, die an den Schulen einer bestimmten Schulform, mit einer bestimmten Schülerklientel oder in bestimmten Städten unterrichten.283 Und innerhalb der Bildungskollektive könnten, anstatt dass nur zwischen Hochschulabschluss und Nicht-Hochschulabschluss differenziert wird, in Deutschland die Subkollektive unterschieden werden, die den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss oder das Abitur erworben haben. Eine engere Eingrenzung der Subkollektive dieser Art wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht getroffen, wäre aber für die weiterführende Forschung sicher aufschlussreich.

275 | Hradil 2004, S. 278. Vgl. Weber-Menges 2004, S. 18. 276 | Vgl. Hradil 2001, S.405. 277 | Vgl. Kohn und Schooler 1981, S. 196. 278 | Kohn 1977, S. 135. 279 | Vgl. Hartmann 1999, S. 11. 280 | Hradil 2004, S. 278. 281 | Vgl. Groh-Samberg 2006, S. 244. Vgl. Weber-Menges 2004, S. 14 f. 282 | Vgl. Feiman-Nemser und Floden 1991, S. 71. 283 | Feiman-Nemser und Floden 1991, S. 42 und 45.

211

212

Nationalkultur versus Berufskultur

Um auf der Basis der vorliegenden Studienergebnisse Sekundärstandardisierungen der Subkollektive zu ermitteln, werden nun Verbindungsindikatoren identifiziert, welche den Zusammenhang der Merkmalsausprägungen zu den Primärstandardisierungen Bildung oder Beruf begründen. Zuerst werden die Ergebnisse zum Merkmal der Wertschätzung hochkulturellen Verhaltens betrachtet. In Deutschland sowie in Frankreich zeigen die Lehrer eine stärkere Merkmalsausprägung als die Arbeiter, das heißt, sie bewerten hochkulturelles Verhalten im Sinne von Theater-, Ballett-, Opern-, Museums- und Klassikkonzertbesuchen höher. Diese Erkenntnisse sind durch zahlreiche andere empirische Studien bereits bestätigt. 284 Dennoch stellt sich die Frage, anhand welcher Art von Verbindungsindikator die Ergebnisse tatsächlich auf den Beruf oder Bildungsstand zurückzuführen sind. Einen Ansatzpunkt liefern die Bourdieu’schen Theorien. 285 Bourdieu gilt als der klassische Autor der Lebensstilforschung, 286 und auch er stellt Zusammenhänge zu den schichtbildenden Kriterien Beruf und Bildung her. 287 In seiner richtungweisenden Arbeit, in der er die französische Gesellschaft der 1960er und 1970er Jahre analysiert, stellt er einen engen Zusammenhang zwischen der Kapitalausstattung der Menschen und ihrer Klassenlage einerseits und ihren Lebensstilen andererseits fest. Er unterscheidet drei Typen von Kapital: das ökonomische, soziale und kulturelle. Kapitalvolumen und -struktur bestimmen die Klassenlage und bilden sich weiterhin in charakteristischen Habitus- und Lebensstilelementen ab. 288 Unter letztere zählt er auch hochkulturelle Aktivitäten. Fragen der Kunst, so Bourdieu, seien Klassenfragen. Der Besuch von klassischen Konzerten, Museen der bildenden Kunst und Ballettaufführungen, so führt er weiterhin aus, sei Ausdruck eines sogenannten legitimen Geschmacks. 289 Demgegenüber stehen die Aktivitäten des einfachen Geschmacks in Form des Lesens von Groschenromanen und des Besuchs von Volksmusikkonzerten. 290 Die Aktivitäten des legitimen Geschmacks zeichnen sich durch ihren symbolischen Wert aus, sie genießen gesellschaftliche Anerkennung und dienen der Abgrenzung einer kulturellen Elite. 291 Warum nun sollten vorrangig gerade

284 | Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 232 f. Vgl. Gerhards 2008, S. 4. 285 | Zur ausführlichen Besprechung sei auf Bourdieus Werk Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (1987) verwiesen. 286 | Vgl. Hartmann 1999, S. 90. 287 | Vgl. Bourdieu 1987, S. 17 f. 288 | Vgl. Bourdieu 1983, S. 183 f. Vgl. Bourdieu 1987, S. 175. Vgl. Gerhards 2008, S. 5.Vgl. Hartmann 1999, S. 91 f. 289 | Vgl. Bourdieu 1987, S. 41. 290 | Vgl. Ebd., S. 65. 291 | Vgl. Bourdieu 1987, S. 768. Vgl. Gerhards 2008, S. 4 f. und 15.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

höher gebildete Menschen oder die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen die Aktivitäten des legitimen Geschmacks für sich in Anspruch nehmen? Laut Bourdieu wird es ihnen erst durch ihre Kapitalausstattung in vollem Umfang ermöglicht. 292 »Jede Betrachtung von Kunstwerken enthält eine bewußte oder unbewußte Dekodierung«. 293 Und die Fähigkeit zum Dekodieren müsse geschult werden. Bourdieu schreibt: »[So] fördert die Schulerziehung das bewußte Erfassen der Denk-, Wahrnehmungsund Ausdrucksmodelle, [...], indem sie die Grundlagen der kreativen Grammatik, z.B. die Gesetze der Harmonie und des Kontrapunktes oder die malerischen Kompositionsregeln explizit darlegt.« 294

Die schulische und universitäre Bildung findet sich in Bourdieus Theorien als Teil des kulturellen Kapitals, genauer gesagt in Form des institutionalisierten kulturellen Kapitals.295 Hier, so der entscheidende Punkt, werde die Fähigkeit ausgebildet, »die Symbolkraft von künstlerischen Werken zu dechiffrieren«,296 das heißt, Abstraktes zu deuten und einen Mehrwert daraus zu ziehen. Dieser Effekt der Schulbildung sei umso stärker und nachhaltiger, je länger die Schullauf bahn dauert.297 Die »Fähigkeit des Dechiffrierens« ist hiermit als Verbindungsindikator identifiziert. Es begründet für die Bildungskollektive den Zusammenhang zwischen der Primärstandardisierung Bildung und der Sekundärstandardisierung Wertschätzung hochkultureller Aktivitäten. Was die Berufskollektive angeht, so bieten die Theorien Bourdieus einen anderen Verbindungsindikator. Es ist im ökonomischen Kapital verortet beziehungsweise darin, dass die beruflichen Umstände wie Zeitbeanspruchung, Anforderungen an geistige oder manuelle Fähigkeiten und soziale Kontakte am Arbeitsplatz sich auf das Freizeitverhalten auswirken.298 Im Falle der Arbeiter mag das bedeuten, dass sie durch Schichtarbeit zeitlich eingeschränkt sind, ihre starken manuellen Fähigkeiten sich in wenig abstrakten Interessengebieten widerspiegeln und hochkulturelle Aktivitäten unter den Kollegen selten Diskussionsthemen sind. Dementsprechend wird der Verbindungsindikator, der aus der Primärstandardisierung Beruf die Sekundärstandardisierung

292 | Vgl. Bourdieu 1987, S. 143-147. 293 | Bourdieu 1997, S. 307. 294 | Vgl. Bourdieu 1997, S. 320 f. und 324. Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 230. 295 | Vgl. Bourdieu 1983, S. 189 f. Vgl. Hartmann 1999, S. 91 f. Vgl. Gerhards 2008, S. 16. 296 | Bourdieu 1973, S. 122. Vgl. Bourdieu 1997, S. 310. 297 | Vgl. Bourdieu 1997, S. 327. 298 | Vgl. Bourdieu 1987, S. 179. Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 236.

213

214

Nationalkultur versus Berufskultur

Wertschätzung hochkultureller Aktivitäten ableitet, »Arbeitsumstände« ­genannt.299 Auch im Hinblick auf das Merkmal Wertschätzung der Europäischen Union zeigen die Arbeiter in Deutschland sowie in Frankreich eine niedrigere Ausprägung als die Lehrer. Und auch dieser Befund deckt sich mit dem einer Vielzahl von Studien. 300 Hradil stellt fest, dass ein ausgeprägtes Interesse an politischen Angelegenheiten allgemein nur bei einem Drittel der Bürger vorhanden ist. Er schreibt: »Betrachtet man die Bevölkerung in vertikaler Hinsicht und untergliedert sie nach dem jeweiligen Status in (Aus-)bildung und Beruf, so ergibt sich, daß die oberen Statusgruppen, Selbstständige (außerhalb der Landwirtschaft), Beamte und ganz besonders Personen mit höherer Schul- und Berufsausbildung politisch wesentlich interessierter sind als die unteren Statusgruppen, die Arbeiterschaft, Arbeitslose und vor allem Personen ohne weitere Schulbildung.« 301

Das Wissen um die Korrelationen von Bildung und Beruf auf der einen Seite und dem allgemeinen politischen Interesse auf der anderen ist beinahe Allgemeingut. So verwundert es auch nicht, dass sich auch im Hinblick auf die Wahrnehmung der Europäischen Union vergleichbare Befunde gezeigt haben.302 Dennoch soll, um den Ansprüchen der dichten Beschreibung nachzugehen, ein Verbindungsindikator konkretisiert werden. »Ohnmachtsgefühle und Entfremdung«303 sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang oft fallen. Die Soziologin Sonja Weber-Menges (2003) untersuchte in ihrer Dissertationsschrift Arbeiter in Industriebetrieben und stellte im Zuge qualitativer Interviews fest, dass sich un- und angelernte beziehungsweise Facharbeiter beklagen, von der großen Politik keine Ahnung zu haben und sie in ihrer Komplexität nicht durchschauen zu können.304 Dieses Empfinden, so

299 | Eine empirische Studie, die mehrere Berufsgruppen verglich, fand heraus, dass Lehrer, neben Architekten und Ingenieuren, die höchsten Mittelwerte bei hochkulturellem Verhalten zeigen (Vgl. Huth und Weishaupt 2009, S. 236). 300 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 285. 301 | Hradil 2001, S. 460. 302 | Wie im Zuge der Fragebogenkonzeption erläutert, wurde statt einem allgemeinen politischen Interesse die Wertschätzung der Europäischen Union aus dem Grund abgefragt, weil die französischen und deutschen Befragten hier ein äquivalentes Bezugssystem haben. Die nationale politischen Situationen hingegen könnten so unterschiedlich sein, dass die Antworten nicht vergleichbar gewesen wären. 303 | Geißler 1994, S. 99. 304 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 290.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

wird nun als These aufgestellt, dürfte im Hinblick auf die Europäische Union, die sich ja noch komplexer und entfernter als die nationale Politik darstellt, besonders stark ausgeprägt sein. Die Komplexität und Ferne der EU werden hier als zwei entscheidende Komponenten identifiziert. Beide spiegeln sich auch in den Items, auf Basis derer die Merkmalsausprägungen erfasst wurden, wider. Die Items betrafen die Identifikation mit der EU, das Wissen um die Zuständigkeiten der verschiedenen Institutionen, eine Einschätzung der Einführung des Euros und das Empfinden, ob Entscheidungen auf EU-Ebene den Alltag betreffen. Dass die Bildungskollektive hier unterschiedliche Ausprägungen zeigen, wird darauf zurückgeführt, dass das Wissen um komplexe Zusammenhänge und deren Einschätzung im Rahmen institutionalisierter Bildung mehr oder weniger lang und ausgeprägt geschult wird. Somit wird der Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Bildung und der Sekundärstandardisierung Wertschätzung der Europäischen Union »Umgang mit Komplexität« genannt. Dass neben den Bildungskollektiven auch die Berufskollektive unterschiedliche Ausprägungen zeigen, wird wiederum auf die zweite Komponente, die Ferne, zurückgeführt. Im Lehrerzimmer werden tendenziell andere Themen diskutiert und vielleicht sind Themen der EU-Politik unter Arbeitern weniger präsent. Deshalb wird der Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Beruf und der Sekundärstandardisierung Wertschätzung der EU »Umgang mit Ferne« genannt. Auch die empirischen Befunde zum Merkmal der Skepsis gegenüber Ausländern entsprechen den Erkenntnissen anderer Studien.305 Die Arbeiter in Deutschland sowie in Frankreich zeigen eine stärkere Ausprägung als die Lehrer. Auch hier lässt sich anhand von Verbindungsindikatoren begründen, dass die Ausprägung als eine Sekundärstandardisierung der Berufs- und der Bildungskollektive zu sehen ist. Die Identifizierung dieser Verbindungsindikatoren orientiert sich an den Ausführungen des Soziologen Jörg Stolz. In seiner Dissertationsschrift Soziologie der Fremdenfeindlichkeit. Theoretische und empirische Analysen (2000) stellt Stolz die Frage, wie die Einstellungen zu ausländischen Personen soziologisch zu erklären sind. 306 Er nennt eine Reihe von Erklärungsansätzen, unter anderem die Theorie struktureller und anomischer Spannungen nach Nowotny-Hoffmann und die Theorie der Krise des gesellschaftlichen Sozialpakts nach Wimmer. 307 Die Fülle an Theorien, welche die Einf lussfaktoren auf die Einstellung gegenüber ausländischen Personen zu identifizieren suchen, ist groß. Im Folgenden wird die Theorie ausgeführt, die Stolz selbst aufgestellt hat, denn sie überzeugt dadurch, dass

305 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 286. Vgl. Alba und Johnson 2000, S. 242 f. 306 | Vgl. Stolz 2000, S. 20. 307 | Vgl. Ebd., S. 34.

215

216

Nationalkultur versus Berufskultur

sie bereits bestehende Ansätze mit einschließt.308 Sie basiert auf dem Begriff Traditionalismus. »Negative Einstellungen zu ausländischen Personen sind Teil und Folge eines größeren, gegen den sozialen Wandel und die Modernisierung gerichteten Phänomens, welches wir ›Traditionalismus‹ nennen«. 309 Mit Traditionalismus meint er folglich das Festhalten an veralteten Strukturen, welches unter anderem in einer Ablehnung ausländischer Personen mündet. Vor allem Menschen mit geringerem Bildungsstand, so fährt Stolz fort, neigen hierzu aus zweierlei Gründen. Zum einen komme ihnen die Gesellschaft eher unübersichtlich vor, weil ihre Fähigkeiten, komplexe Strukturen zu erfassen, weniger stark gefördert worden seien. Zum anderen sähen sie sich durch gesellschaftlichen Wandel eher gefährdet. Beides verleite dazu, traditionell klare Denkmuster zu vertreten. 310 Folglich wird ein erster Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Bildung und der Sekundärstandardisierung Skepsis gegenüber Ausländern »Traditionalismus« genannt. Außerdem bietet Stolz noch einen Anhaltspunkt für einen weiteren. Er wird »schulische Vermittlung von Werten« genannt und ist aus seiner Wert-These abgeleitet. Sie besagt, dass in Bildungsinstitutionen demokratische Normen wie etwa Minderheitenschutz und Vorurteilsvermeidung aktiv vermittelt werden, sodass Menschen, die einen längeren Bildungsweg durchlaufen haben, eine tendenziell positivere Einstellung gegenüber Ausländern verinnerlicht haben. Was die Berufskollektive angeht, so bietet sich die erneute Anwendung des Verbindungsindikators »Traditionalismus« an. Denn Stolz untersuchte den Grad an Traditionalismus in verschiedenen Berufskollektiven und stellte, im Einklang mit den Befunden der vorliegenden Studie, unter den Arbeitern einen hohen und unter den Lehrern einen niedrigen Grad fest. »Um eine Übersicht zu schaffen, teilen wir die Berufe in vier Gruppen ein, die sich durch unterschiedliche Traditionalismus-Niveaus unterschieden. Am stärksten ist er in den Berufen, die über ein relativ tiefes Berufsprestige verfügen und in denen manuelle Tätigkeiten vorherrschen, […]. In der vierten Gruppe schließlich finden wir Berufe mit hohen Bildungsvoraussetzungen, die praktisch ausschließlich mit der Herstellung und Weitergabe von Symbolen beschäftigt sind: Unterricht und Bildung, Medienschaffende, Kunstschaffende sowie Personen in Wissenschaft und Forschung.« 311

308 | Stolz bezeichnet den Traditionalismus als Hyperdimension, weil es als übergeordnetes Konzept verschiedene Variablen umfasst: Anomia, Rigorismus, Konventionalismus, Trivialschema, Patriotismus und Links-Rechts (Vgl. Stolz 2000, S. 237). 309 | Ebd., S. 20. 310 | Vgl. Ebd., S. 110 f. 311 | Ebd., S. 269 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Den Grund hierfür sieht Stolz in den unterschiedlichen Ausprägungen von Berufsprestige und Einkommen. Ein geringes Berufsprestige und ein niedriges Einkommen münden manchmal in einer Ablehnung gesellschaftlichen Wandels und somit in einem Streben nach Sicherheit und traditionellen Strukturen.312 Das nun folgende Merkmal der materialistischen (vs. postmaterialistischen) Wertorientierung knüpft direkt an die Theorie des Wertewandels von Ronalds Inglehart an. Dieser Wandel bezieht sich nicht etwa auf Grundwerte wie Humanität oder Nächstenliebe, sondern vielmehr auf politische Zielsetzungen und persönliche Lebensziele.313 Inglehart (1977) stellte auf der Grundlage repräsentativer Stichproben in Westeuropa und den USA314 einen Wandel vom Wunsch nach wirtschaftlicher und physischer Sicherheit hin zum Streben nach Selbstverwirklichung und Lebensqualität fest. 315 Als Ursache hierfür versteht er den gestiegenen Wohlstand der westlichen Industrieländer nach dem zweiten Weltkrieg und erklärt dementsprechend die jüngere Generation, die besser gebildet, wohlhabender und mobiler ist, als Träger des Wandels.316 Dem Wandel verdanken auch neue soziale Bewegungen ihren Aufschwung. Als Bespiel nennt er die Öko-Bewegung, die schließlich nicht deshalb stärker werde, weil es plötzlich mehr Umweltprobleme gebe, sondern weil das Bewusstsein hierfür an Raum gewonnen habe.317 Was das Arbeitsleben angeht, so schlage sich eine postmaterielle Einstellung darin nieder, dass die Sicherheit des Arbeitsplatzes und ein hohes Einkommen an Bedeutung verlören und stattdessen ein guter Kontakt zu den Kollegen und die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit höher bewertet würden. Diese Prioritäten wurden auch in der vorliegenden Studie abgefragt und die Ergebnisse sind eindeutig: In Frankreich sowie in Deutschland zeigen die Arbeiter eine eher materialistische und die Lehrer eine eher postmaterialistische Wertorientierung. Diese Befunde decken sich mit denen anderer Studien,318 unter anderem mit denen der SINUS-Umfrage in Westdeutschland. Hier wird das sogenannte traditionelle Arbeitermilieu wie folgt charakterisiert: »Die Lebensziele der Milieuzugehörigen beschränken sich darauf, ein gutes Auskommen, einen sicheren Arbeitsplatz und ein gesichertes Alter zu haben«.319 Arbeiter geben in Befragungen häufig an, die Arbeit als

312 | Vgl. Ebd., S. 112. 313 | Vgl. Hradil 2001, S. 423 f. 314 | Vgl. Hennig 1999, S. 60. 315 | Vgl. Inglehart 1989, S. 19. 316 | Vgl. Hennig 1999, S. 60. 317 | Vgl. Inglehart 1989, S. 463. 318 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 262 f., 271 f. und 325. 319 | Hradil 2001, S. 429.

217

218

Nationalkultur versus Berufskultur

Lebensnotwendigkeit und Geschäft zu verstehen, bei dem das Ausmaß der Anstrengung möglichst genau dem der Entlohnung entspricht.320 Im Gegenzug hierzu äußern andere Berufskollektive Selbstverwirklichung als Beschäftigungsmotiv.321 Zudem betonen die Lehrer unter ihnen oft, dass sie ihre Arbeit als einen wichtigen pädagogischen und sozialen Auftrag verstehen.322 Wo liegt nun der Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Beruf und der Ausprägung einer (post)materialistischen Wertorientierung? Inglehart selbst gibt folgenden Anknüpfungspunkt. »Die Prioritäten des Menschen ref lektieren sein sozio-ökonomisches Umfeld«. 323 Seine Mangelhypothese besagt, dass die Menschen das am meisten begehren, was in ihrer Umwelt knapp ist. Wachsen sie im Wohlstand auf, verlieren materielle Werte an Reiz und Dringlichkeit und der Fokus kann auf Postmaterielles gelegt werden.324 Im Falle der Lehrer ist es so, dass die materiellen Umstände überwiegend stabil sind. In Deutschland und Frankreich unterschieden sich zwar die Gehälter, aber in beiden Ländern sind viele Lehrer verbeamtet und genießen somit ein besonderes Ausmaß an Sicherheit. Die Arbeiter hingegen tragen heute eher das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit, weil sie geringer qualifiziert sind und weil zudem ihre Arbeitsplätze einfacher wegrationalisiert werden können.325 Der Verbindungsindikator für die Berufskollektive wird also »Mangelhypothese« genannt. Und auch im Hinblick auf die Bildungskollektive postuliert Inglehart einen Zusammenhang, 326 und zwar sogar noch einen stärkeren.327 Hierzu nennt er zwei verschiedene Anhaltspunkte. Zum einen fördere schon der Bildungsprozess an sich die Herausbildung postmaterieller Wertvorstellungen, erstens, weil sie im schulischen Lehrplan betont werden und zweitens, weil Menschen, die einen höheren Bildungsweg einschlagen, sich in einem eher postmateriellen Umfeld bewegen. Zum anderen, und diese Erklärung findet Inglehart plausibler, hängen Bildung und formative Sicherheit eng zusammen. Während der Beruf ein guter Verbindungsindikator für das gegenwärtige ökonomische Niveau eines Menschen sei, sei die Bildung einer dafür, wie wohlhabend seine Eltern sind. Gerade in Europa hänge es stark vom sozio-ökonomischen Status der Eltern ab, ob jemand eine weiterführende Schule

320 | Vgl. Hennig 1999, S. 56. 321 | Vgl. Ebd., S. 57. 322 | Vgl. Feiman-Nemser und Floden 1991, S. 41 f. 323 | Inglehart 1989, S. 92. 324 | Vgl. Hradil 2004, S. 266. 325 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 203. 326 | Vgl. Hennig 1999, S. 117. Vgl. Hradil 2001, S. 424. 327 | Inglehart 1989, S. 212.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

besucht oder nicht.328 Zieht man jetzt noch Ingleharts Sozialisationshypothese heran, die besagt, dass die persönlichen Werte des Menschen zum größten Teil die Bedingungen widerspiegeln, die in seiner Jugendzeit vorherrschten, 329 so schließt sich der Kreis: Menschen, die einen langen Bildungsweg durchlaufen, haben überwiegend einen sozio-ökonomisch stabilen familiären Hintergrund und somit schon in ihrer Jugendzeit postmaterielle Wertvorstellungen verfestigt.330 Der Verbindungsindikator von der Primärstandardisierung Bildung zur Sekundärstandardisierung der (post)materiellen Wertorientierung wird folglich »Sozialisationshypothese« genannt. Im Einklang mit dem Wertewandel nach Inglehart steht ein Wandel des Erziehungsstils nach Kohn.331 Hierauf beruht das Merkmal der Erziehungsstils zur Anpassung (vs. Selbstbestimmung). Kohn untersuchte parental values, das heißt die Werte, die Eltern beabsichtigen ihren Kindern zu vermitteln.332 Diese Werte sieht er als die zentralen an, beinhalten sie doch genau das, was der Mensch als für die Zukunft erstrebenswert erachtet.333 Kohn stützte sich auf die Forschungsarbeiten des Entwicklungspsychologen Urie Bronfenbrenner. Bronfenbrenner hatte in den 1950er Jahren US-amerikanische Studien analysiert und einen Wandel im Erziehungsstil der Mittelklasse festgestellt. »While middle-class parents had once been more ›restrictive’ than working-class parents, by the late 1950’s they had become the more ›premissive‹«.334 Kohn wiederum verglich diesen neuen Erziehungsstil der Mittelklasse mit jenem der

328 | Vgl. Ebd., S. 212. 329 | Vgl. Inglehart 1989, S. 92 und 208. Vgl. Hradil 2004, S. 266 f. 330 | Die Beziehung zwischen materialistischen beziehungsweise postmaterialistischen Wertvorstellungen und dem sozio-ökonomischen Status mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Denn Postmaterialisten kommen zwar tendenziell aus den oberen sozio-ökonomischen Schichten, sind damit einhergehend meistens besser ausgebildet und haben dadurch wiederum die Möglichkeit, ein höheres Einkommen zu erzielen. Aber da ein hohes Einkommen weniger ihre Priorität ist als die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit, ihr Status und sympathische Kollegen, nehmen sie diese Chance selten wahr. Sie, die mitunter relativ wenig verdienen, werden von Inglehart auch als Underachiever bezeichnet (Vgl. Inglehart 1989, S. 208 und 225). 331 | Vgl. Hradil 2001, S. 447. 332 | Vgl. Kohn 1977, S. 18. 333 | Kohn findet nämlich besonders die Werte erwähnenswert, die noch nicht komplett verwirklicht sind, sondern die Zukunft betreffen: »Parents rate values, not only in terms of intrinsic desirability, but also in terms of how problematic is their realization« (Kohn 1977, S. 24). Vgl. Lüscher 1981, S. 10. Vgl. Hennig 1999, S. 59. 334 | Kohn 1977, S. 4.

219

220

Nationalkultur versus Berufskultur

Arbeiterklasse und analysierte die Unterschiede. 335 Seine Analysen ergaben, dass den Kindern der Mittelschicht eher Frohsinn, Eigenständigkeit, Neugierde, Empathiefähigkeit und Rücksichtnahme vermittelt werden, während innerhalb der Arbeiterklasse tendenziell Werte wie Gehorsam und Reinlichkeit im Vordergrund standen.336 Zur Umschreibung dieser beiden Erziehungsstile prägte er die übergeordneten Begriffe self-direction und conformity,337 hier übersetzt mit Selbstbestimmung und Anpassung. Die beiden Begriffe bezeichneten den essentiellen Unterschied zwischen beiden Erziehungsstilen, welcher darin bestand, dass Eltern aus der Arbeiterschicht eher anvisieren, dass sich ihre Kinder an von außen gesetzte Muster anpassen, während Mittelschichteltern mehr auf die innere Dynamik des Kindes, seine Beweggründe und Gefühle, bedacht sind.338 Die Selbstbestimmung zielt also auf internalisierte Standards ab und steht für eigenständiges Denken und persönliche Entscheidungsfähigkeit, während die Anpassung sich auf extern aufgestellte Regeln bezieht und die Orientierung an Autoritäten bezeichnet.339 In der vorliegenden Studie wurde die Tendenz zu den beiden Erziehungsstilen abgefragt und es zeigte sich, dass in Deutschland sowie in Frankreich die Arbeiter stärker zur Anpassung tendieren, die Lehrer hingegen zur Selbstbestimmung. Das steht im Einklang mit Kohns Befunden. Doch wie begründet er diese Unterschiede? Ihren Ursprung sieht er in den unterschiedlichen beruf lichen Erfahrungen.340 »Kurzum: Die Lehren aus der Arbeit werden unmittelbar auf außerberuf liche Bereiche übertragen«. 341 Das heißt, die Eigenschaften, die man bei seinen Kindern als wünschenswert erachtet, werden ganz wesentlich durch die beruf lichen Umstände beeinf lusst.342 An beruf lichen Erfahrungen meint Kohn im Konkreten drei Komponenten: den Umfang und die Art der Arbeitskontrolle, die substantielle Beschaffenheit der Arbeit und das Maß, in dem der Beruf Selbstsicherheit erfordert. Umfang und Art der Arbeitskontrolle meint, dass in Mittelschichtberufen eher Selbstbestimmung betont wird, während Arbeiter gewöhnlich einer direkten Aufsicht unterworfen sind. Die zweite Komponente, die substantielle Beschaffenheit der Arbeit, beschreibt, dass in

335 | Vgl. Ebd., S. 34 f. 336 | Vgl. Ebd., S. 21. 337 | Vgl. Hennig 1999, S. 50. 338 | Vgl. Kohn 1981a, S. 22. Vgl. Kohn 1981b, S. 203 und 205. 339 | Vgl. Kohn 1977, S. 34 f. Vgl. Kohn 1981b, S. 206. 340 | Vgl. Hradil 2001, S. 448 f. Vgl. Hennig 1999, S. 12. Dass der Beruf auf den Menschen einwirkt, gilt als Kohns zentrale These (Vgl. Kohn 1977, S. 141. Vgl. Lüscher 1981, S. 9). 341 | Kohn 1981b, S. 232. 342 | Vgl. Hennig 1999, S. 84.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Mittelschichtberufen eher zwischenmenschliche Beziehungen, Ideen und Symbole im Vordergrund stehen, während man in Arbeiterberufen mehr mit Dingen umgeht. Letzteres lässt geringere Freiheiten für unabhängige Urteile, wohingegen die Arbeit mit Ideen sogar die Notwendigkeit für unabhängige Urteile mit sich bringt. Die dritte Komponente, das Maß, in dem der Beruf Selbstsicherheit erfordert, trägt dem Unterschied Rechnung, dass der Aufstieg in Mittelschichtberufen stärker abhängig ist von eigenen Handlungen, während er in Arbeiterberufen, insbesondere in gewerkschaftlich organisierten Industriezweigen, auf kollektiven Handlungen auf baut. 343 Aus diesen drei Komponenten der beruf lichen Erfahrungen lässt sich nun also, so Kohn, die Tendenz zum Erziehungsstil der Anpassung beziehungsweise Selbstbestimmung ableiten.344 »Insofar as men are free of close supervision, do complex work with data or with people, and work at complexly organized tasks, their work is necessarily self-directed. Insofar as men are subject to close supervision, work with things, and work at simply organized tasks, their work does not permit self-direction.« 345

Hiermit liefert Kohn einen Verbindungsindikator für die Primärstandardi­ sierung Beruf und die Sekundärstandardisierung Erziehungsstil zur An­ passung beziehungsweise Selbstbestimmung. Es wird in Anlehnung an seine Ausführungen »Berufliche Erfahrungen« genannt. Auch was die Bildungskollektive angeht, so lässt sich der Erziehungsstil als Sekundärstandardisierung werten. Schon Bronfenbrenner hatte hier einen Zusammenhang proklamiert. Er begründete ihn damit, dass die weniger gebildete A ­ rbeiterklasse nicht so viele Printmedien konsumiert und folglich nicht so sehr auf dem neuesten Stand von Expertenmeinungen ist wie Eltern der sogenannten Mittelklasse.346 Bronfenbrenner zufolge hieße der Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Bildung und der Sekundärstandardisierung Erziehungsstil also »Zugang zu Expertenmeinungen«. Kohn allerdings wiederspricht ihm. »It is not so much that educated parents slavishly follow the experts but rather

343 | Vgl. Kohn 1977, S. 140. Vgl. Kohn 1981b, S. 218. Vgl. Kohn 1981a, S. 24. Vgl. Kohn und Pearlin 1981, S. 44-49. 344 | Kohn 1981b, S. 217. Die Unterschiede in den Erziehungsstilen werden im Sinne einer Art Zirkelthese aufrecht erhalten. Die Kinder der Mittelklasse erhalten in der Regel eine bessere Ausbildung, so dass sie wie ihre Eltern in die Berufspositionen kommen, in denen Selbstbestimmung gefordert ist (Vgl. Henning 1999, S. 51 und 71). 345 | Kohn 1977, S. 140. 346 | Vgl. Kohn 1977, S. 5. Vgl. Kohn 1981a, S. 20.

221

222

Nationalkultur versus Berufskultur

that the experts have provided what the parents have sought«.347 Er meint also, dass die Experten ihre Ratschläge auf die Wertvorstellungen der Mittelschicht abstimmen und nicht umgekehrt. Darüber hinaus, so Kohn, ziehen die Mittelschichteltern neben Printmedien noch einige andere Informationsmöglichkeiten heran. Im Vergleich zu den Eltern aus der Arbeiterschaft beraten sie sich häufiger mit Ärzten, Nachbarn, Bekannten und Lehrern.348 Kohn sieht folglich nicht den Zugang zu Expertenmeinungen als ausschlaggebend. Stattdessen findet er wesentlich, dass eine längere Bildungslauf bahn den Umgang mit Abstraktem349 und eine gewisse Analysefähigkeit fördert. »Education is important because self-direction requires more intellectual flexibility and breadth of perspective than does conformity; tolerance of nonconformity, in particular, requires a degree of analytic ability that is difficult to achieve without formal education.« 350

Dementsprechend müsste der Verbindungsindikator zwischen der Primärstandardisierung Bildung und der Sekundärstandardisierung Erziehungsstil »Analysefähigkeit« genannt werden. Im Falle des Merkmals der Religiosität geben die Ergebnisse der Mittelwertvergleiche ein auf den ersten Blick komplexes Bild ab. Denn in Deutschland sind es die Lehrer und in Frankreich die Arbeiter, die eine signifikant stärkere Ausprägung aufweisen. Dieser Befund, so wird in Kürze argumentiert, gibt nähere Hinweise auf die Funktionsweisen von Verbindungsindikatoren. Zunächst werden zwei Verbindungsindikatoren, die im Hinblick auf Beruf, Bildung und Religiosität wirksam sind, erläutert. Beide sind aus Grundzügen der Religionssoziologie Max Webers abgeleitet. Weber beschäftigt sich mit der Wechselbeziehung zwischen der wirtschaftlichen, gesamtgesellschaftlichen und der religiösen Entwicklung 351 und postuliert, so eine seiner zentralen Thesen, einen Zusammenhang zwischen der religiösen Ethik des Protestantismus und dem modernen Kapitalismus.352 Ähnlich wie Marx vertritt er einen funktionalistischen Religionsbegriff.353 Allerdings instrumentalisiert er die Religion nicht zur Sicherung der Klassenverhältnisse, 354 sondern teilt ihr eine

347 | Kohn 1977, S. 7. 348 | Vgl. Kohn 1981a, S. 20 f. 349 | Vgl. Ebd., S. 25 f. 350 | Kohn 1977, S. 190. 351 | Vgl. Pickel 2011, S. 87. 352 | Vgl. Ebd., S. 92. 353 | Vgl. Bienfait 2011, S. 204. 354 | Vgl. Ebd., S. 204.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

eigene Rolle in der Lebensführung der Menschen zu. 355 Religiöses Handeln versteht er als einen speziellen Typ sozialen Handelns, 356 folglich verbindet er es mit sozialen Klassen und Statusgruppen.357 Bei der Verbindung von Schicht und Religiosität nehmen zwei Konzepte eine zentrale Position ein: die Not und die Erlösung.358 Auch sie erinnern an Marx, der dem entfremdeten Menschen, der seine wahre Identität verloren hat, zuschreibt, er wende sich der Religion zu, um seinem Bedürfnis nach Hoffnung für ein besseres Leben im Dies- oder Jenseits nachzukommen.359 Weber benutzt die Begriffe Not und Erlösung, um die Bedürfnisse und daran anlehnend die religiösen Neigungen verschiedener Schichten zu unterscheiden.360 In seinen Studien differenziert er beispielsweise Gruppen, die von der Landwirtschaft, dem Handel, der Industrie und dem Handwerk abhängen. Er stellt fest, dass ökonomisch und politisch bevorzugte Gruppen jene religiösen Ansichten favorisieren, die ihre Situation legitimieren, wohingegen schlechter gestellte Klassen religiöse Ideen bevorzugen, die eine Bestrafung von Unrecht und eine Belohnung guter Taten fokussieren.361 An dieser Stelle, mit Hilfe der Konzepte Not und Erlösung, lassen sich nun die zwei Verbindungsindikatoren identifizieren: einer für die Berufskollektive und ein weiterer für die Bildungskollektive. Was die Berufskollektive angeht, so erklärt Weber die soziale und ökonomische Not der Arbeiter als einen Auslöser einer stark ausgeprägten Religiosität.362 Vereinfacht ausgedrückt verlange das Gefühl einer Benachteiligung im Diesseits nach einer Wiedergutmachung im Jenseits und nach Anerkennung für Fleiß und gute Taten. Weber schreibt: »[J]edes Würdegefühl negativ Privilegierter [ruht] [...] auf einer ihnen verbürgten ›Verheißung‹, die an eine ihnen zugewiesene ›Funktion‹, ›Mission‹, ›Beruf‹ geknüpft ist. Was sie zu ›sein‹ nicht prätendieren können, ergänzen sie entweder durch die Würde dessen, was sie einst sein werden, zu sein ›berufen‹ sind, in einem Zukunftsleben im Diesseits oder Jenseits, oder (und meist zugleich) durch das, was sie, providentiell angesehen, ›bedeuten‹ oder ›leisten‹.« 363

355 | Vgl. Pickel 2011, S. 91 f. 356 | Vgl. Furseth und Repstad 2007, S. 35. 357 | Vgl. Ebd., S. 36. Vgl. Pickel 2011, S. 90. 358 | Vgl. Preyer 2010, S. 49. 359 | Furseth und Repstadt 2007, S. 30. 360 | Vgl. Weber 1985, S. 298 f. 361 | Vgl. Furseth und Repstad 2007, S. 36. Vgl. Weber 1985, S. 299. 362 | Weber 1985, S. 299. 363 | Ebd., S. 299.

223

224

Nationalkultur versus Berufskultur

Auch die Lehrer sind eine Berufsgruppe, die ihre Mühen in der Öffentlichkeit nicht immer gewürdigt sehen. Im Gegensatz zu den Arbeitern sind sie jedoch zumindest in materieller Hinsicht höher entlohnt und weniger mit dem Risiko der Arbeitslosigkeit konfrontiert. Deshalb wird der Verbindungsindikator, der die Verbindung von der Sekundärstandardisierung der stark ausgeprägten Religiosität zur Primärstandardisierung des Arbeiterberufs erklärt, »Erlösung von materieller Not« genannt. Was die Bildungskollektive angeht, so grenzt Weber die intellektuelle Schicht ab und schreibt ihr Bedürfnisse nicht materieller, sondern geistiger Art zu. Die gebildeteren Menschen, so seine These, grübeln und ref lektieren und hadern mit der Erkenntnis, dass die Welt irrational ist. Sie stoßen auf das Theodizee-Problem und weitere ethische Fragen und spüren die Not zu deren Beantwortung.364 Religiosität wirke hier erlösend, indem religiöse Ansichten einige der Fragen beantworten. Folglich wird der Verbindungsindikator von der Primärstandardisierung Bildung zur Sekundärstandardisierung einer ausgeprägten Religiosität »Erlösung von geistiger Not« genannt. Er knüpft gewissermaßen an den Verbindungsindikator zwischen Bildung und Postmaterialismus an. Schließlich spiegelt sich in beiden Fällen ein Wunsch der gebildeteren Schicht nach Sinnhaftigkeit365 und geistiger Selbstverwirklichung wider. Es wurden also, so lässt sich zusammenfassen, im Hinblick auf das Merkmal Religiosität bislang zwei Verbindungsindikatoren identifiziert. Der erste Verbindungsindikator knüpft an die Primärstandardisierung Beruf an und der zweite an die Bildung. Ersterer begründet eine stärkere Merkmalsausprägung der Arbeiter und letzterer eine stärkere der Lehrer. Da die vorliegenden Stichproben beide Primärstandardisierungen beinhalten, könnten sich die entgegengesetzten Wirkungen beider Verbindungsindikatoren theoretisch ausgleichen. Das würde dazu führen, dass die Arbeiter und Lehrer vergleichbar hohe Merkmalsausprägungen aufweisen. Doch, so die Ergebnisse, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zeigen sich signifikante Unterschiede. Das zeugt davon, so die neue Erkenntnis, dass Verbindungsindikatoren verschiedene Stärken haben. Sie mögen gleichzeitig wirksam sein, können aber einander in ihrem Ausmaße übertreffen. Im Anschluss an diese erste Erkenntnis fällt nun auf, dass in Deutschland und Frankreich umgekehrte Rangfolgen vorliegen. Das heißt, dass in dem einen Land der eine Verbindungsindikator überwiegt und im anderen Land der andere. Somit lautet eine weiterführende Erkenntnis, dass die Stärken der Verbindungsindikatoren je nach Dachkollektiv variieren können: Ein Verbindungsindikator hat in einer Nation eine bestimmte Stärke

364 | Vgl. Bienfait 2011, S. 205. 365 | Die innere Not nach Sinn ist für Weber eine Grundvoraussetzung aller menschlichen Kulturleistungen (Vgl. Ebd., S. 205).

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

und wirkt in einer anderen stärker oder schwächer oder mitunter gar nicht. Dieser Gedanke leuchtet ein, veranschaulicht man ihn sich an einem Beispiel. In Dachkollektiven, die in der westlichen Welt angesiedelt sind, tragen die Mitglieder des Kollektivs der Geschäftsleute gewöhnlich Anzüge. Identifiziert man nun einen Verbindungsindikator, beispielsweise den Ausdruck von Seriosität, so kann diese Kleidungsgewohnheit als Sekundärstandardisierung des Kollektivs erklärt werden. Sie gilt jedoch nicht in allen Dachkollektiven, das beweist schon das Gegenbeispiel eines arabischen Scheichs, der in seiner Funktion als Geschäftsmann einen Umhang trägt. Der Befund, dass ein Verbindungsindikator in verschiedenen Dachkollektiven eine unterschiedlich starke bis gar keine Wirkung entfaltet, lässt sich theoretisch auf zwei Ursachen zurückführen. Entweder, dieser Gedanke wird auch vom Konzept der nationalspezifischen Modifikation aufgegriffen, ist die ­Primärstandardisierung, also beispielsweise der Lehrer- oder Arbeitsberuf, in den verschiedenen Nationen unterschiedlich ausgestaltet. Ist das der Fall, so trifft der Verbindungsindikator in den verschiedenen Nationen nicht auf den gleichen Anknüpfungspunkt. Verdienen beispielsweise Arbeiter in einem Dachkollektiv ein im internationalen Vergleich stark überdurchschnittliches Gehalt, so fände sich dort kein sinnvoller Anknüpfungspunkt für den Verbindungsindikator »Erlösung aus materieller Not«. Oder, so die zweite denkbare Ursache unterschiedlicher Stärken von Verbindungsindikatoren, der Sekundärstandardisierung werden in den betreffenden Dachkollektiven nicht äquivalente Bedeutungen zugeschrieben. Das trifft beispielsweise auf den soeben beschriebenen Fall des Kollektiv der Geschäftsleute zu: In dem westlichen Dachkollektiv steht die Sekundärstandardisierung des Tragens eines Anzugs für Seriosität, im arabischen hingegen wird dem Anzug diese Bedeutung nicht zugesprochen. Beide Ursachen, eine unterschiedliche Ausgestaltung der Primärstandardisierung sowie eine nicht äquivalente Bedeutung der Sekundärstandardisierung, liegen jedoch im vorliegenden Falle der Religiosität von Lehrern und Arbeitern in Deutschland und Frankreich, nicht vor. Denn was die Ausgestaltung der Primärstandardisierung angeht, so sind die materiellen Nöte der Arbeiter und die sogenannten geistigen Nöte der Gebildeteren in Deutschland sowie Frankreich gleichermaßen aufzufinden. Und was die Sekundärstandardisierung, also ein hohes beziehungsweise niedriges Ausmaß an Religiosität angeht, so wird ihr in beiden Nationen eine in etwa äquivalente Bedeutung zugesprochen.

225

226

Nationalkultur versus Berufskultur

Warum also, wenn beide Verbindungsindikatoren gleichermaßen wirken, sind es in Deutschland die Lehrer, die eine stärkere Religiosität angeben, wohingegen es in Frankreich die Arbeiter sind?366 Die Ursache liegt darin, dass in Frankreich ein weiterer, bislang noch nicht identifizierter Verbindungsindikator wirksam ist. In seiner Verfassung ist Frankreich als laizistische Republik definiert.367 Das Gesetz von 1905 bestimmt, »dass keine Religion einen bevorzugten Platz in der gesellschaftlichen Ordnung hat, welchen einmal der Katholizismus eingenommen hatte«.368 Der Staat hält sich von kirchlichen Aufgaben fern und die Kirche sich von staatlichen. Die Religionen werden mittlerweile zwar in mancherlei Hinsicht im öffentlichen Raum anerkannt; so gibt es beispielsweise Gefängnis- und Armeegeistliche und so werden in den Militärkantinen islamische Speisevorschriften berücksichtigt,369 jedoch wird die eigene Religiosität weiterhin diskret im Privatleben verortet. 370 Das Bewusstsein hierfür, so zeigen die vorliegenden Ergebnisse, ist unter den Lehrern in Frankreich stärker als unter den Arbeitern. Das rührt zum einen daher, so ist anzunehmen, dass das Prinzip des Laizismus die gebildeteren Subkollektive eher erreicht hat und sie es folglich stärker ref lektiert und verinnerlicht haben. Zum anderen liegt die Ursache für ein stärkeres Ausleben der Laizität der Lehrer in ihrem beruf lichen Umfeld. Basierend auf dem Prinzip des Laizismus sind seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch die französischen Unterrichtsinhalte und –räume religiös neutral gestaltet.371 Die Geschichtswissenschaftlerin Mireille Estivalèzes stellt fest: »Die Lehrkräfte [in Frankreich] sind, was ihre persönlichen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen angeht, zur Zurückhaltung angewiesen«.372 Zwar ist anzumerken, dass die französischen Lehrpläne zunehmend religionskundliche Inhalte in den geisteswissenschaftlichen Fächern, unter anderem in Geschichte, vorsehen. 373 Jedoch kommt das nicht dem Status von Religionskunde in Deutschland und

366 | Der Befund, dass in Deutschland die subjektive Religiosität umso ausgeprägter ist, je höher die gesellschaftliche Schichtzuordnung ist, deckt sich mit den empirischen Ergebnissen anderer Studien (Vgl. GESIS 2002). 367 | Vgl. Lüsebrink 2000, S. 53, 88, 99 und 122. Vgl. Thomas 2002, S. 515. 368 | Stenger 2009, S. 69. 369 | Vgl. Thomas 2002, S. 515. 370 | Vgl. Hochschild 2009, S. 97. 371 | Vgl. Estivalèzes 2009, S. 107. Das gilt natürlich für die öffentlichen und nicht zwingend für die privaten Schulen (Vgl. Grosse 2000b, S. 207 f.). Die Lehrer, die an der vorliegenden Befragung teilnahmen, waren jedoch alle an öffentlichen Schulen angestellt. 372 | Ebd., S. 107. 373 | Vgl. Ebd., S. 107.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

weiteren Ländern als Unterrichtsfach gleich.374 Das heißt, gerade im Lehrerberuf sind die laizistischen Grundsätze besonders präsent. Der Verbindungsindikator, der auf die französischen Lehrer wirkt und begründet, warum sie ein geringeres Ausmaß an Religiosität kundtun, wird »Laizität« genannt. An dieser Stelle wird zum ersten Mal deutlich, dass ein Verbindungsindikator nicht zwangsläufig die Ausprägung einer Sekundärstandardisierung verstärkt, sondern auch mindernd wirkt. Im Hinblick auf das Merkmal Offenheit gegenüber Unbekanntem weisen die französischen Lehrer eine signifikant stärkere Ausprägung als die französischen Arbeiter auf, in Deutschland hingegen zeigt sich kein Unterschied. Die Fragebogen-Items, die schlussendlich – nach den Tests auf Skalenäquivalenz – in die Berechnung dieser Merkmalsausprägungen eingef lossen waren, lauten »Ich hätte Lust zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten« und »Im Restaurant bestelle ich am liebsten Speisen, die mir unbekannt sind«. Zunächst stellt sich die Frage, welcher Verbindungsindikator in Frankreich wirksam ist, anschließend ist zu prüfen, warum er keine vergleichbare Wirkungsweise in Deutschland entfaltet. Im Hinblick auf andere Merkmale wurden bereits einige Verbindungsindikatoren identifiziert, welche alle auf gewisse Weise einen niedrigen Bildungsstand mit dem Festhalten an gewohnten Strukturen begründet haben. So zielte der Verbindungsindikator »Umgang mit Komplexität« darauf ab, dass das Wissen um komplexe Zusammenhänge geringer ausgeprägt ist unter Menschen, die eine relativ kurze Bildungslauf bahn haben, weil der Umgang mit Komplexität im Rahmen institutionalisierter Bildung geschult wird. Weiterhin bezeichnete »Traditionalismus« das Festhalten an veralteten Strukturen und eine Abneigung gegenüber Neuem aufgrund des Empfindens, die Gesellschaft sei unübersichtlich und gesellschaftlicher Wandel sei gefährlich. Zuletzt hatte die »Sozialisationshypothese« nach Inglehart bestätigt, dass Menschen mit geringem Bildungsstand eher materiellen Wertvorstellungen verhaftet sind. Materielle Wertvorstellungen stellen den Anspruch an die eigene geistige Horizonterweiterung und damit auch den Wunsch, Unbekanntes zu erfahren, in den Hintergrund. Diese drei Verbindungsindikatoren werden nun zusammengefasst zu einem, der mit »Umgang mit Komplexität + Traditionalismus + Sozialisierungshypothese« betitelt wird. In seiner Gesamtheit begründet er, warum Menschen mit niedrigerem Bildungsstand tendenziell weniger den Drang verspüren, im Ausland zu leben und Unbekanntes auszuprobieren: Sie sind weniger auf Selbsterfahrung und - verwirklichung fokussiert, sondern schätzen gewohnte Strukturen. Nun stellt sich noch die Frage, warum dieser Verbindungsindikator in der deutschen Stichprobe nicht wirksam ist. Wie bereits herausgestellt wurde, ist

374 | Vgl. Schröder 2009, S. 89.

227

228

Nationalkultur versus Berufskultur

eine mögliche Ursache hierfür, dass die Primärstandardisierung nationalspezifisch modifiziert ist und der Verbindungsindikator keinen Anknüpfungspunkt findet. Die andere bislang denkbare Ursache ist, dass die Sekundärstandardisierung in den betreffenden Dachkollektiven nicht äquivalente Bedeutungen hat. Die Sekundärstandardisierung ist definiert durch die Fragebogen-Items. Die Items spezifizieren, was mit Offenheit gegenüber Unbekanntem in der vorliegenden Studie genau gemeint ist. Das eine Item, das die Vorliebe nach unbekannten Speisen im Restaurant abfragt, scheint eindeutig. Denn das Ergebnis, dass die Arbeiter hier eine geringere Zustimmung ankreuzen als die Lehrer, trifft laut den Ergebnissen der Studie von Weber-Menges (2004) auch in Deutschland zu. Sie stellte unter deutschen Fabrikarbeitern eine sehr ähnliche Frage und erfuhr, dass die Befragten »Unbekanntes oder geschmackliche Experimente«375 im Restaurant eher ablehnen. Das Fragebogen-Item, das die Bereitschaft erfragt, zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten, ist hingegen unter den deutschen befragten Arbeitern mit einer anderen Konnotation versehen. Denn die deutschen Arbeiter, die an der Stichprobe beteiligt sind, wohnen alle im Saarland kurz vor der französischen Grenze. Das Ausland ist ihnen räumlich nahe und aufgrund der Nähe ist es weniger abwegig, dort zu wohnen. Hiermit bekommt die Sekundärstandardisierung der Offenheit gegenüber Unbekanntem für die Stichprobe der deutschen Arbeiter eine abweichende Bedeutung und der Verbindungsindikator entfaltet in ihrem Falle nicht seine gesamte Wirkung. Da die Wohnlage kein kollektivspezifisches Charakteristikum ist, sondern ein zufälliges Merkmal der gezogenen Stichprobe, ist davon auszugehen, dass der Verbindungsindikator auf eine andere Stichprobe aus dem Kollektiv der deutschen Arbeiter sicher gewirkt hätte. Folglich ist das vorliegende Ergebnis nicht als Sekundärstandardisierung auf das gesamte Subkollektiv der deutschen Arbeiter zu verallgemeinern, sondern es handelt sich hierbei um ein präkollektives Element. Dass Stichproben Charakteristika vorweisen, die zwar auf die Befragungsergebnisse einf lussreich sind, aber nicht auf das gesamte Kollektiv zutreffen, ist nicht zu vermeiden. Denn die Liste an Kriterien, in Bezug auf die man die Stichproben ausgeglichen gestalten müsste, ist endlos. Das muss jedoch in keiner problematischen Verzerrung der Ergebnisse münden. Entscheidend ist, dass man bei der Interpretation der Ergebnisse bereit ist, Spezifika der Stichproben zu berücksichtigen und präkollektive Elemente als solche zu erkennen. Im Falle des Merkmals Stress sind es in Frankreich sowie in Deutschland die Arbeiter, die eine signifikant höhere Merkmalsausprägung erzielen. Die Fragen, anhand derer die Merkmalsausprägungen ermittelt wurden, beziehen sich auf körperliche sowie geistige Erschöpfung an arbeitsfreien Tagen,

375 | Weber-Menges 2004, S. 308.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

stressbedingte Schlafstörungen und das Gefühl, nicht genug Zeit für sich selbst zu haben. Somit deckt sich die Art von Stress, die hier aufgegriffen wird, mit folgender Definition: »Stress, then, is related to the physiological, psychological, and social aspects of the individual’s working and living conditions and to the worker’s coping behaviour when faced with a perceived imbalance between demands and ability to respond.« 376

Diese Definition stammt aus dem Buch Job Stress and Blue Collar Work (1985), herausgegeben von Cary L. Cooper und Michael J. Smith. Es stellt eine Reihe von Studien vor, die Stressfaktoren im Arbeitsleben eines Industriearbeiters identifizieren. Einige Faktoren rühren daher, dass die Arbeit maschinengesteuert ist. Smith verweist auf Studien, die ergeben haben, dass die Arbeiter, die an Maschinen beschäftigt sind, während ihrer Arbeitszeit einen besonders hohen Adrenalinspiegel haben.377 Die größte Herausforderung maschinengesteuerter Arbeit, so Smith, ist das Gefühl von Abhängigkeit und somit von Kontrollverlust:378 »Coordinating with other persons seems to be a natural fact of life [...]. Coordinating with inanimate objects such as machines, however, is a different matter. [...] The machine that defines the rate of work and possibly even the methods of work does not provide the same sense of control as a tool over which the persons exerts influence.« 379

Neben dem gefühlten Kontrollverlust wird als ein weiterer Stressfaktor auf den Zeitdruck, insbesondere im Falle kurzer und schneller Arbeitseinheiten,380 verwiesen. Zudem wirkt sich die Arbeit in Schichten belastend aus,381 denn Nachtschichten382 und Schichtwechsel383 widersprechen dem natürlichen Rhythmus. Nicht zwangsläufig nimmt der Mensch von diesem Widerspruch Schaden, aber, so eine gängige These, falls es ihm dauerhaft nur schwerlich gelingt, sich immer neu anzupassen, führt das zu Befindlichkeitsstörungen. »This ›discomfort‹ can range from slight feelings of malaise and social

376 | Östberg und Nilsson 1985, S. 151. Vgl. auch Drury 1985, S. 114. 377 | Vgl. Smith 1985, S. 54. 378 | Vgl. Ebd., S. 54 379 | Ebd., S. 51. 380 | Vgl. Ebd., S. 61. Vgl. Peter 1991, S. 42. 381 | Vgl. Peter 1991, S. 37. 382 | Monk und Tepas 1985, S. 65. 383 | Vgl. Ebd. 1985, S. 66.

229

230

Nationalkultur versus Berufskultur

inconvenience to major medical problems and domestic distress«.384 Als eine weitere Quelle für Stressempfinden gilt »repetitive work, monotony, and boredom«,385 also die Menge an Wiederholungen des Arbeitslablaufes. 386 Obgleich die Arbeit monoton sein mag, sind zudem die Ansprüche an Aufmerksamkeit, Konzentration und Verantwortungsgefühl hoch. Denn durch die fortschreitende Automatisierung im industriellen Bereich haben sich die Aufgaben des Fabrikarbeiters verändert und überwachende und kontrollierende Tätigkeiten haben zugenommen.387 Nicht zuletzt spielt auch die Gestaltung des Arbeitsraumes in Bezug auf wachsendes Stressempfinden eine Rolle. Lärm,388 Lichtverhältnisse, Gerüche, Temperatur und mangelnde Sauerstoffzufuhr können sich belastend auswirken. Diese Aufzählung an Stressfaktoren verdeutlicht, dass mit dem Arbeiterberuf ein hohes Stresspotential im vorliegenden Sinne verknüpft ist. Die Faktoren werden unter der Bezeichnung »Arbeitsumstände« als Verbindungsindikator zusammengefasst und begründen die Zuschreibung der Sekundärstandardisierung des starken Stressempfindens zur Primärstandardisierung des Arbeiterberufs. Zuletzt werden die Ergebnisse zum Merkmal Regeltreue betrachtet. Der Begriff Regeltreue zielt in der vorliegenden Befragung auf Ordnungssinn, Pünktlichkeit und insbesondere auf das genaue Einhalten von Arbeitsvorschriften ab. Zwar nicht in Deutschland, aber in Frankreich erreichen die Arbeiter hierzu eine signifikant höhere Ausprägung als die Lehrer. Zunächst wird nun wieder ein Verbindungsindikator identifiziert, der diesen Zusammenhang begründet, anschließend wird eine Vermutung darüber aufgestellt, warum er in Deutschland nicht so wirksam ist wie in Frankreich. Im Hinblick auf das Merkmal ERZ wurde anhand der Theorien Melvin Kohns argumentiert, dass die Berufsgruppe der Arbeiter die Anpassung an bestehende Regeln durch ihr Arbeitsumfeld gewohnt ist und dass sich das im Stil der Kindererziehung niederschlägt. An diese Erkenntnis knüpft der Befund an, dass die Arbeiter allgemein ein starkes Pf licht- und Regelbewusstsein vertreten. Er wird von einigen anderen empirischen Arbeiten unterstützt. Auch Weber-Menges stellt in ihrer Untersuchung der Arbeiterschaft fest, dass hier Pf licht- und Akzeptanzwerte wie Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Sicherheit, Anstand und Gehorsam, Sparsamkeit und Bescheidenheit relativ hoch bewertet werden.389 Eine Erklärung hierzu liefert Hradil. Un- und angelernte Arbeiter bewerten,

384 | Ebd., S. 66. 385 | Cox 1985, S. 85. 386 | Vgl. Smith 1985, S. 55. Vgl. Cox 1985, S. 85 und 109. 387 | Vgl. Peter 1991, S. 42. 388 | Vgl. Ebd., S. 38-41. 389 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 264, 291 ff., 299 und 382.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

so argumentiert er, gerade solche moralische Kriterien hoch, weil sie hier im Gegensatz zu den Kriterien Einkommen, Bildung und Ansehen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen nicht von vornherein schlecht abschneiden.390 Stattdessen, so betonten einige Arbeiter in einer Befragung, seien sie stolz, dass ohne sie in der Produktion nichts laufe.391 Dieser Gedanke lässt sich als Verbindungsindikator umformulieren. Der Verbindungsindikator »Wunsch zur positiven Selbstbewertung« erklärt gleichermaßen für Bildungsund Berufskollektive, wie die Sekundärstandardisierung Regeltreue aus den Primärstandardisierungen Beruf und Bildung abgeleitet sein könnte. Warum nun gilt dieser Verbindungsindikator in Deutschland nicht derart, als dass er die Arbeiter und Lehrer in ihren Merkmalsausprägungen signifikant unterscheiden würde? Der Grund dafür kann sein, dass auch die deutschen Lehrer den »Wunsch zur positiven Selbstbewertung« in Form einer ausgeprägten Regeltreue äußern. Denn, so belegen einige Studien, die deutschen Lehrer empfinden das Ansehen, das mit ihrem Beruf verknüpft ist, als relativ niedrig. »Dem Lehrerberuf fehlt es in Deutschland an öffentlicher Wertschätzung und Anerkennung«.392 Somit ist die Primärstandardisierung Lehrerberuf in Deutschland so ausgestaltet, dass der Verbindungsindikator »Wunsch zur positiven Selbstbewertung« auch hier einen Anknüpfungspunkt findet. Den findet er unter den französischen Lehrern nicht, denn sie geben eine signifikant geringere Regeltreue als die französischen Arbeiter an. Entweder sie empfinden tatsächlich ein geringeres Bedürfnis zur positiven Selbstbewertung, weil sie mehr öffentliche Anerkennung erfahren, aber eine Quelle, die das belegt, ist nicht bekannt. Oder es liegt ein präkollektives Element vor und das vorliegende Ergebnis der geringen Regeltreue ist nicht auf das Subkollektiv der französischen Lehrer zu verallgemeinern. Abschließend fasst die folgende Tabelle die Erkenntnisse der Kollektivforschung noch einmal zusammen. Die Erkenntnisse belegen die Aussagekraft der vorliegenden Studienergebnisse und den Status der Subkollektive als Kulturträger. Alle hier angeführten Verbindungsindikatoren, mit Ausnahme der nur in Frankreich geltenden »Laizität«, wirken in Deutschland sowie in Frankreich.

390 | Vgl. Hradil 2001, S. 408 f. 391 | Vgl. Weber-Menges 2004, S. 266. 392 | Rothland 2007, S. 175.

231

232

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 19: Erkenntnisse der Kollektivforschung. Bildungskollektive Primärstandardisierung Hochschulabschluss vs. Kein Hochschulabschluss

Sekundärstandardisierung

Verbindungsindikator

Hohe vs. niedrige Bewertung hochkultureller Aktivitäten

Fähigkeit des Dechiffrierens (Bourdieu)

Starke vs. geringe Wertschätzung der Europäischen Union

Umgang mit Komplexität (Weber-Menges)

Positive vs. negative Einstellung gegenüber ausländischen Personen

Traditionalismus (Stolz); Schulische Vermittlung von Werten (Stolz)

Postmaterialistische vs. materialistische Wertorientierung

Sozialisationshypothese (Inglehart)

Kindererziehung zur Selbstbestimmung vs. Anpassung

Zugang zu Expertenmeinungen (Bronfenbrenner); Analysefähigkeit (Kohn)

Stark vs. schwach ausgeprägte Religiosität

Erlösung von geistiger Not (Weber)

Stark vs. schwach ausgeprägte Offenheit gegenüber Unbekanntem

Umgang mit Komplexität + Traditionalismus + Sozialisierungshypothese (Weber-Menges, Stolz, Inglehart)

Schwach vs. stark ausgeprägte Regeltreue

Wunsch zur positiven Selbstbewertung (Hradil)

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Berufskollektive Primärstandardisierung Lehrerberuf vs. Arbeiterberuf → „Berufskollektive“

Sekundärstandardisierung

Verbindungsindikator

Hohe vs. niedrige Bewertung hochkultu­reller Aktivitäten

Arbeitsumstände (Bourdieu)

Starke vs. geringe Wertschätzung der Europäischen Union

Umgang mit Ferne (Weber-Menges)

Positive vs. negative Einstellung gegenüber ausländischen Personen

Traditionalismus (Stolz)

Postmaterialistische vs. materialistische Wertorientierung

Mangelhypothese (Inglehart)

Kindererziehung zur Selbstbestimmung vs. Anpassung

Beruf liche Erfahrungen (Kohn)

Stark vs. schwach ausgeprägte Religiosität

Erlösung von materieller Not (Weber); in Frankreich: Laizität (Estivalèzes)

Stark vs. schwach ausgeprägtes Stress­empfinden

Arbeitsumstände (Cooper und Smith)

Schwach vs. stark ausgeprägte Regeltreue

Wunsch zur positiven Selbstbewertung (Hradil)

B.VII.2.3.2 Funktionsver wandtschaften und nationalspezifische Modifikationen, oder: Die nationale Verortung von Subkollektiven Bisher wurden die Subkollektive innerhalb einer Nation jeweils miteinander verglichen. Darüber hinaus mag es verlockend sein, Aussagen über den Lehrer und Arbeiter im Allgemeinen zu treffen. Die Frage, ob das möglich ist, ist innerhalb der Kollektivtheorie noch nicht geklärt. Angenommen, man möchte die Subkollektive der vorliegenden Studie unabhängig von ihrer Nationalität betrachten, so fasst man die befragten Lehrer und Arbeiter beider Nationen zusammen und erhält den folgenden Auszug aus den Mittelwertvergleichen.

233

234

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 20: Mittelwertvergleiche der Subkollektive aus Deutschland und Frankreich zusammengefasst (Auszug aus Tabelle 17). Mittelwertvergleiche der (deutschen und frz.) Lehrer und (deutschen und frz.) Arbeiter HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

RELI

OFFEN STRESS

REGEL

SIG L  >  A

SIG L > A

SIG A > L

SIG A > L

SIG A > L

NICHT SIG

SIG L > A

SIG A > L

SIG A > L

Die hier verglichenen Kollektive sind nicht mehr als deutsche und französische Lehrer und Arbeiter spezifiziert, sondern die gewonnenen Ergebnisse beziehen sich ohne nationale Angaben auf Lehrer und Arbeiter im Allgemeinen. Dieses Vorgehen erweist sich jedoch in der Praxis sowie in der Theorie als nicht sinnvoll. In der praktischen Kollektivforschung werden, so zeigen die vorliegenden Ergebnisse, Unterschiede zwischen Subkollektiven innerhalb einer Nation vernachlässigt. Denn beispielsweise im Hinblick auf das Merkmal Religiosität wurden in Frankreich sowie in Deutschland unterschiedliche Sekundärstandardisierungen der Arbeiter und Lehrer ermittelt, die im vorliegenden Ausschnitt nicht sichtbar sind. Aufgrund des vorliegenden Tabellenauszugs müsste man annehmen, dass sich Lehrer und Arbeiter in ihrem Ausmaß an Religiosität nicht signifikant unterscheiden, aber dass sie das innerhalb der Nationen doch tun, wurde bereits belegt. In der Theorie wiederum vernachlässigt die Idee eines nationslosen Lehrer- beziehungsweise Arbeiterkollektivs die Prämisse, dass ein Subkollektiv immer in einem bestimmten Dachkollektiv verortet und somit durch die nationalen Umstände geprägt ist.393 Natürlich haben die deutschen und französischen Lehrer sowie die deutschen und französischen Arbeiter Gemeinsamkeiten, die in ihrem gemeinsamen Beruf begründet liegen. Diese Gemeinsamkeiten werden in der Kollektivtheorie durch den Begriff der Funktionsverwandtschaft aufgegriffen. Vergleichbar mit den Medizinern des obigen Beispiels, die in mehreren Dachkollektiven die gleiche Funktion zu erfüllen suchen, nämlich Kranke zu versorgen, leiten die Lehrer den Schulunterricht und führen die Arbeiter die Güterproduktion aus. Doch es gibt auch Unterschiede in der Art und Weise, die Funktion zu erfüllen, bezeichnet als nationalspezifische Modifikationen. Sie können, je nachdem, wie unterschiedlich die Dachkollektive geprägt und ausgestattet sind, stark ausgeprägt sein. Vergleicht man Mediziner in England mit denen in einem kenianischen Stamm, so gehen die Modifikationen stark auseinander.

393 | Vgl. Hansen 2009a, S. 179 f.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Im G ­ egensatz hierzu fallen die nationalspezifischen Modifikationen bei Lehrern und Arbeitern in Deutschland und Frankreich relativ gering aus. Denn der Schulunterricht in beiden Ländern und vor allem die standardisierte Produktion innerhalb der gleichen Firma weichen in diesen beiden Ländern nicht markant voneinander ab. Was gilt nun in den Fällen, in denen die nationalspezifischen Modifikationen verschwindend gering sind? In diesen Fällen mag man den Eindruck gewinnen, dass die Subkollektive zweier oder mehrerer Dachkollektive einem »internationalen Subkollektiv« gleichkommen. Hansen benutzt diese Bezeichnung in Bezug auf Manager. Er beschreibt, dass Manager unterschiedlicher Nationen, die sich im Geschäftskontext treffen, nicht zwangsläufig den im Rahmen der Interkulturellen Kommunikation proklamierten interkulturellen Missverständnissen ausgeliefert sind, weil im Geschäftskontext ihr gemeinsamer subkollektiver Hintergrund die unterschiedlichen nationalen Prägungen in den Schatten stellt.394 Hier werden ihre Funktionsverwandtschaften wirksam, also ihre Gemeinsamkeiten aufgrund dessen, dass sie im Dienste derselben Sache stehen. Dass Funktionsverwandtschaften im Rahmen internationaler Begegnungen Verbundenheit schaffen können, liegt auf der Hand. Jedoch ist bei der Verortung von Subkollektiven auf internationaler Ebene Vorsicht geboten, denn nationalspezifische Modifikationen in geringem, aber doch relevantem Ausmaß können übersehen werden. Deshalb werden die vorliegenden Ergebnisse des Vergleichs der deutschen und französischen Lehrer mit den deutschen und französischen Arbeitern auch nicht auf die Lehrer- und Arbeiterschaft im Allgemeinen übertragen. Es bleibt schließlich offen, ob sie anders ausgefallen wären, wenn neben französischen und deutschen zudem britische oder polnische Arbeiter und Lehrer an der Studie teilgenommen hätten.

B.VII.2.3.3 Die unterschiedliche Wirkungsweise von Verbindungsindikatoren in verschiedenen Dachkollektiven Obgleich starke Funktionsverwandtschaften vorliegen mögen, gestaltet sich die Zusammenfassung von Subkollektiven unterschiedlicher Dachkollektive zu einer Art internationalem Subkollektiv also schwierig. Denn die Subkollektive verschiedener Nationen sind mitunter doch zu heterogen um eine Einheit zu bilden. Das wird auch mit Blick auf die nun folgende Spalte der Ergebnistabelle bestärkt. Hier werden deutsche Lehrer mit französischen Lehrern und deutsche Arbeiter mit französischen Arbeitern verglichen und es zeigen sich einige signifikante Unterschiede.

394 | Ebd., S. 195.

235

236

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 21: Ergebnisse der Mittelwertvergleiche der deutschen und französischen Subkollektive (Auszug aus Tabelle 17). Mittelwertvergleiche der deutschen und französischen Lehrer HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

NICHT SIG

SIG DL > FL

SIG DL > FL

NICHT SIG SIG FL > DL

RELI

OFFEN

STRESS

REGEL

SIG DL > FL

SIG FL > DL

NICHT NICHT SIG SIG

Mittelwertvergleiche der deutschen und französischen Arbeiter HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

ERZ

RELI

OFFEN

NICHT SIG NICHT NICHT SIG SIG SIG SIG FA > DA SIG SIG FA > DA DA > FA FA > DA

STRESS

REGEL

NICHT SIG SIG FA > DA

Worin liegen nun diese Unterschiede begründet? Zuvor wurden Verbindungsindikatoren identifiziert, die den Zusammenhang der Sekundärstandardisierung zur Primärstandardisierung Bildung oder Beruf belegt haben. Hierbei wurde festgestellt, dass die Verbindungsindikatoren in unterschiedlichen Dachkollektiven eine unterschiedlich starke bis gar keine Wirkung entfalten können. Als Ursachen hierfür wurden zwei Möglichkeiten angeführt. Entweder die Primärstandardisierung ist nationalspezifisch ausgestaltet, sodass der Verbindungsindikator nicht die gleichen Anknüpfungspunkte vorfindet. Oder die Sekundärstandardisierung hat in den verschiedenen Dachkollektiven unterschiedliche Bedeutungen. In beiden Fällen liegt begründet, warum die Lehrer beziehungsweise Arbeiter in Frankreich eine nicht vergleichbar starke Merkmalsausprägung zeigen wie das entsprechende Subkollektiv in Deutschland. Denn die signifikant unterschiedlichen Merkmalsausprägungen sind nichts anderes als die Manifestationen unterschiedlich starker Wirkungen der Verbindungsindikatoren – Es sei denn, in einem der Dachkollektive sind noch zusätzliche Verbindungsindikatoren wirksam. In Bezug auf das Merkmal der Wertschätzung hochkultureller Aktivitäten weisen die Lehrer und Arbeiter beider Länder jeweils eine vergleichbar hohe Merkmalsausprägung auf. Das heißt, die Verbindungsindikatoren »Fähigkeit des Dechiffrierens« und »Arbeitsumstände« in Anlehnung an Bourdieu entfalten in beiden Dachkollektiven eine vergleichbar starke Wirkung. Dieser Befund deckt sich mit einem der bereits erwähnten Eurobarometer-Studie. Hier wurden Regressionsanalysen für alle 27 Länder durchgeführt und in allen Ländern erwiesen sich »die Klassenlage, die Kapitalien und die

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Gelegenheitsstrukturen« 395 als gleichermaßen einf lussreich auf die Intensität des hochkulturellen Verhaltens. Was hingegen das Merkmal der Wertschätzung der Europäischen Union angeht, so zeigen unter den Lehrern die deutschen und unter den Arbeitern die französischen eine signifikant stärkere Ausprägung. Die Verbindungsindikatoren, die hier im Sinne Weber-Menges identifiziert wurden, berufen sich darauf, dass die EU für die Lehrer weniger fern und komplex erscheinen mag als für die Arbeiter. Dieser Zusammenhang scheint unter den deutschen Lehrern ausgeprägter zu sein als unter den französischen. Die Ursache hierfür mag in einem zusätzlich wirksamen Verbindungsindikator liegen, der an der Primärstandardisierung Bildung anknüpft. Und zwar, so zeigen Aufzeichnungen der UNESCO, nehmen in Deutschland weit mehr Studenten als in Frankreich die Möglichkeit wahr, ein oder mehr Auslandssemester in einem anderen EU-Land zu absolvieren. 396 Der Verbindungsindikator »Auslandserfahrung« könnte zu einer verstärkten Identifikation mit der EU und ihrer höheren Wertschätzung unter den deutschen Lehrern im Vergleich zu ihren französischen Kollegen führen. Zudem kann unter den befragten deutschen Arbeitern das schon erwähnte präkollektive Element eine Rolle spielen, dass sie alle im Saarland, also unmittelbar an der französischen Grenze wohnen. Das erklärt, warum in Bezug auf sie der Verbindungsindikator »Umgang mit Ferne« nicht so stark wirkt wie auf die befragten Arbeiter in Frankreich. Im Hinblick auf das Merkmal der Skepsis gegenüber Ausländern zeigen die Arbeiter in Frankreich und Deutschland zwar eine vergleichbar starke Ausprägung. Allerdings gibt es zwischen den Lehrern signifikante Unterschiede: Die deutschen Lehrer verleihen einer stärkeren Skepsis Ausdruck als die französischen. Das stimmt auf den ersten Blick nicht überein mit der Parteienlandschaft Frankreichs,397 auch nicht mit dem Ausmaß an Zuspruch, den die Front National zur Wahl 2012 erhalten hat.398 Die Ursache für das vorliegende Ergebnis scheint eher eng verknüpft mit dem Lehrerberuf, der unterschiedlichen nationalspezifischen Ausgestaltungen unterliegt. Ein Aspekt der Integration von Ausländern betrifft die Sprache, die gerade im Schul- und Bildungsumfeld von Bedeutung ist. Hier unterscheiden sich Deutschland und Frankreich in ihren Voraussetzungen, denn in Frankreich ist es weitaus häufiger als in Deutschland

395 | Gerhards 2008, S. 22. 396 | Mau und Büttner 2009, S. 3, zitiert nach: Mau und Verwiebe 2009, S. 281. 397 | Vgl. Lüsebrink 2000, S. 115. 398 | »Daß der FN eine stabile Anhängerschaft hatte und hat und mittlerweile einen festen Faktor in Frankreichs politischem Leben bildete, konnten selbst seine entschiedensten Gegner nicht mehr leugnen« (Grosse 2000a, S. 89). Vgl. auch Front National 2013.

237

238

Nationalkultur versus Berufskultur

der Fall, dass Einwanderer die Landessprache sprechen. Schließlich kommt der Großteil aus ehemaligen französischen Kolonien. »In Deutschland leben nach entsprechenden Rekrutierungsmaßnahmen besonders viele Türken (29,4% der Ausländer), Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien (9,1%), Italiener (8,5%) und Griechen (5%). Nach Frankreich dagegen kommen wegen ihrer französischen Sprachkenntnisse viele Migranten aus den ehemaligen französischen Kolonien Algerien, Tunesien oder Marokko.« 399

Dieser Umstand mag den deutschen Lehrer stärker als den französischen mit der Aufgabe konfrontieren, im Unterricht mit sprachlichen Barrieren zurecht zu kommen. Die Herausforderung, die hier mit dem Lehrerberuf verknüpft ist, führt dazu, dass der Einwanderung und Integration von Ausländern etwas zweifelnder gegenüber gestanden wird. In Bezug auf das Merkmal der (post)materialistischen Werteinstellung zeigen sich keine signifikanten Unterschiede. Das bedeutet, dass die Verbindungsindikatoren »Sozialisationshypothese« und »Mangelhypothese« in Anlehnung an Inglehart in Deutschland sowie Frankreich gleichermaßen wirksam sind. Dieser Befund deckt sich mit denen anderer Studien, welche die Bevölkerungsanteile von Materialisten und Postmaterialisten in verschiedenen Ländern verglichen haben. 400 Im Hinblick auf das Merkmal des Erziehungsstils zur Anpassung (vs. Selbstbestimmung) hingegen zeigen sich internationale Unterschiede. So sind es im Falle beider Berufsfelder die Franzosen, die eine stärkere Ausprägung aufweisen. Das heißt, die französischen Arbeiter und Lehrer tendieren eher zu Anpassung als ihre deutschen Kollegen. Der Verbindungsindikator, der hier die Merkmalsausprägungen zu Sekundärstandardisierungen erklärt hatte, war in Anlehnung an Kohns Theorien »Beruf liche Erfahrungen« genannt worden. Beruf liche Erfahrungen, so Kohns Ansatz, werden auf die Werte übertragen, die man seinen Kindern zu vermitteln sucht. Warum nun wirkt dieser Verbindungsindikator auf die französischen Lehrer und Arbeiter stärker als auf die deutschen? Kohn selbst schließt aus, dass die Sekundärstandardisierung, basierend auf den Konzepten der Anpassung und Selbstbestimmung, in Deutschland und Frankreich eine verschiedenartige Bedeutung hat: In einer Studie, die italienische mit US-amerikanischen Eltern verglich, fand er zwar nationale Abstufungen, aber grundsätzlich den gleichen Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Erziehungsstil. 401 Er postuliert sogar, dass die Dimensionen der Anpassung und Selbstbestimmung in allen

399 | Hradil 2004, S. 81. 400 | Vgl. Hradil 2004, S. 276 f. 401 | Vgl. Kohn und Pearlin 1981, S. 37 und 39. Vgl. Kohn 1977, S. 44.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

industrialisierten Ländern existieren. 402 Stattdessen ist denkbar, dass die Primärstandardisierungen des Arbeiter- und Lehrerberufs in Frankreich anders ausgestaltet sind als in Deutschland. Die beruf lichen Erfahrungen umfassen laut Kohn drei Komponenten: die Stärke an Arbeitskontrolle, die substantielle Beschaffenheit der Arbeit und das Ausmaß des Erfordernisses an Selbstsicherheit. Im Falle der französischen Lehrer dürfte der Grad an Arbeitskontrolle höher sein als im Falle der deutschen. Denn das Schulsystem ist nicht wie in Deutschland föderalistisch organisiert, sondern zentralistisch. 403 Es darf als größtes zentral gelenktes Unternehmen der Welt bezeichnet werden, leitet und entlohnt das Pariser Ministerium doch über eine Million Beschäftigte. 404 »Die Schule gilt auch heute noch als institution pivot der französischen Gesellschaft, [...]. Alle Lehrpläne und die wichtigen Prüfungen sind nationale Prüfungen. Damit wird ein stark normativer Charakter des gesamten Schulsystems realisiert.« 405

Somit sind die Abläufe standardisierter. Im Falle der französischen Arbeiter wiederum dürfte eine andere Komponente Kohns von besonderer Bedeutung sein: das Maß, in dem der Beruf Selbstsicherheit erfordert. Hier wird differenziert, ob die eigene Besserstellung eher von eigenen oder kollektiven Handlungen abhängt. Im Falle der Arbeiter, insbesondere in gewerkschaftlich organisierten Industriezweigen, trifft eher letzteres zu und trägt laut Kohn zur Tendenz zur Anpassung bei. 406 Es ist nun anzunehmen, dass diese Komponente bei den französischen Arbeitern noch stärker ausgebildet ist als bei den deutschen, denn sie sind, so zeigen internationale Statistiken, mit besonders vielen Arbeitskonflikten, hauptsächlich Streiks, konfrontiert. 407 »In der Konfrontation ihrer Interessen neigen die Sozialpartner [in Frankreich] dazu, auf Verhandlungen nur als Folge eines Kräfteverhältnisses zurückzugreifen, das zuvor im offenen Konflikt sichtbar gemacht wurde. [...] Im Unterschied zur deutschen Praxis

402 | Vgl. Kohn 1981b, S. 207. 403 | »Von der Grundschule bis zur Universität werden methoden und Lehrinhalte durch zentral vorgeschriebene Programme geregelt« (Picht 2002, S. 523). Vgl. auch Geiger-Jaillet und Denni 2005, S. 34. 404 | Vgl. Grosse 2000b, S. 206. 405 | Röseberg 2001, S. 85. 406 | Vgl. Kohn 1977, S. 140. Vgl. Kohn 1981b, S. 218. Vgl. Kohn 1981a, S. 24. Vgl. Kohn und Pearlin 1981, S. 44-49. 407 | Vgl. Schild und Uterwedde 2006, S. 257.

239

240

Nationalkultur versus Berufskultur funktioniert der Arbeitskampf keineswegs nach dem Prinzip der ›ultima ratio‹, sondern als notwendige Vorstufe zur Verhandlung und zum Kompromiss.« 408

Schreibt man den Arbeitskonflikten also in Frankreich den besonderen Status als notwendige Vorstufe zur Verhandlung zu und registriert man die Menge an Arbeitstagen, die mit dem Austragen von Arbeitskonflikten verbracht werden, so wird deutlich, dass der französische Arbeiter aktiver in kollektive Handlungen zur Verteidigung seiner beruflichen Position eingebunden ist als der deutsche. Das erklärt, warum der Verbindungsindikator »Berufliche Erfahrungen« in Frankreich nicht nur unter den Lehrern, sondern auch unter den Arbeitern stärker wirkt als in Deutschland. Eine weitere Erklärung für den Befund, dass die französischen Befragten ihren Erziehungsstil eher auf Anpassung ausrichten und die deutschen Befragten ihren eher auf Selbstbestimmung, löst sich von Kohns Ausführungen und seiner These, dass seine Konzepte in allen industrialisierten Ländern gleich konnotiert sind, und orientiert sich an den Erkenntnissen des Sozialhistorikers Hartmut Kaelble. In seinem Werk Nachbarn am Rhein. Entfremdung und Annäherung der französischen und deutschen Gesellschaft seit 1880 (1991) stellt er einen deutsch-französischen Vergleich zurück bis ins 19. Jahrhundert an und nennt unter anderem Unterschiede im Erziehungswesen. Die Autorität der Eltern, »Höflichkeit und Sauberkeit, Loyalität, Selbstlosigkeit« 409 spielen, so beobachtet er von der Nachkriegszeit bis heute, eine spürbar größere Rolle in Frankreich als in Deutschland. Den Auslöser hierfür sieht Kaelble im engeren Zusammenleben und damit einhergehend in den stärkeren Wünschen nach Bindung und Zusammenhalt der französischen Familien. 410 Die deutsch-französischen Unterschiede in der familiären Kindererziehung spiegeln sich auch in den schulischen Bildungskonzepten wider. Die Begriffe der éducation und der Bildung sind demnach verschiedenartig geprägt. Unter éducation ist ein »gesellschaftlich bestimmter, dualer und transitiver Prozess« zu verstehen, während die Bildung einen individuellen und intransitiven Entwicklungsprozess bezeichnet. 411 »Insofern haftet dem Konzept der éducation eine kommunitätsbezogene und gesellschaftliche, dem Begriff der Bildung eine individualistisch-monadologische und letztlich biologisch orientierte Ideologie an [...].« 412

408 | Ebd., S. 256. 409 | Kaelble 1991, S. 172. 410 | Vgl. Ebd., S. 171 f. 411 | Vgl. Grosse 2000b, S. 203. 412 | Ebd., S. 203.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Während laut Kaelble also das deutsche Bildungskonzept das Individuum in den Vordergrund stellt, funktioniert das französische anonymer. Folgt man seinen Thesen, so sind die Konzepte der Selbstbestimmung und Anpassung in den Dachkollektiven Deutschland und Frankreich unterschiedlich stark ­präsent. In der einen Nationen ist das eine Konzept historisch verankert und in dem anderen das andere. Den Sekundärstandardisierungen des Erziehungsstils zur Anpassung beziehungsweise Selbstbestimmung, um wieder in die Terminologie der Kollektivforschung zurückzukehren, werden folglich in beiden Dachkollektiven unterschiedliche Bedeutungen zugesprochen. Im Hinblick auf das Merkmal Religiosität weisen sowohl unter den Lehrern als auch unter den Arbeitern die deutschen eine stärkere Ausprägung auf als die französischen. Was die Lehrer angeht, so wurde bereits ein Verbindungsindikator angeführt, der zwar in Frankreich, nicht aber in Deutschland wirksam ist: »Laizität«. Die anderen beiden Verbindungsindikatoren waren in Anlehnung an Webers Religionssoziologie »Erlösung von geistiger Not« und »Erlösung von materieller Not« genannt worden. Ersterer knüpfte an die Primärstandardisierung Bildung an und erklärte eine stärker ausgeprägte Religiosität des gebildeteren Kollektivs. Letzterer bezog sich auf die Primärstandardisierung Beruf und begründete ein höheres Ausmaß an Religiosität unter den Arbeitern. Hier wäre nun denkbar, dass der Arbeiterberuf derart nationalspezifisch ausgestaltet ist, dass der Verbindungsindikator »Erlösung von materieller Not« in Frankreich nicht so stark greift wie in Deutschland. Im Konkreten müsste das heißen, dass die sogenannte materielle Not unter den französischen Arbeitern niedriger ist als unter den deutschen. Das bestätigt sich jedoch nicht mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der französischen Industrie. So berichtet im Gegenteil unter anderem Die Welt in einem Artikel im Februar 2013 mit dem Titel »Als der Tod über Frankreichs Industrie kam«. 413 Der Artikel beruft sich auf eine Studie, laut der seit 2009 mehr als 1000 Fabriken in Frankreich geschlossen wurden. Und das Deutsche Institut für Wissenschaft schreibt in einer Pressemitteilung im November 2012 von einer rasanten De-Industrialisierung Frankreichs: Die Wettbewerbsfähigkeit entferne sich von jener der deutschen Industrie. 414 Diese Berichterstattung spricht nicht dafür, dass die materiellen Nöte der französischen Arbeiter geringer sind als jene der deutschen. Folglich scheidet eine nationalspezifische Ausgestaltung der Primärstandardisierung als Ursache für die unterschiedlich starke Wirkung des Verbindungsindikators aus. Stattdessen erscheint plausibel, dass die Sekundärstandardisierung der Religiosität in Deutschland und in Frankreich eine unterschiedliche Bedeutung hat. Das Konzept

413 | Vgl. Wüpper 2013. 414 | Vgl. DIW 2013.

241

242

Nationalkultur versus Berufskultur

­ eligiosität dürfte zwar an sich äquivalent verstanden werden, jedoch ist eine R Selbstauskunft zur Religiosität im Rahmen einer Umfrage für Franzosen anders behaftet als für Deutsche. Denn, so berichtet der Fernsehsender arte, in Frankreich werden Kriterien wie Herkunft oder Religion in Studien generell nicht berücksichtigt. 415 Der Verbindungsindikator »Laizität« hatte bereits differenziert, dass Religion in Frankreich eher im Privatleben verortet ist als in Deutschland. Das manifestiert sich nun auch in der entsprechenden dachkollektivspezifischen Antworttendenz: Franzosen äußern sich reservierter über ihre eigene Religiosität als Deutsche, für sie ist die Abfrage persönlicher religiöser Einstellungen ungewohnter. Auch im Hinblick auf das Merkmal der Offenheit gegenüber Unbekanntem zeigen sich internationale Unterschiede zwischen den Subkollektiven. Die französischen Lehrer und Arbeiter präsentieren sich jeweils offener als ihre deutschen Kollegen. Der Verbindungsindikator, der zuvor begründet hatte, warum sich das gebildetere Kollektiv als offener erwiesen hatte als das weniger gebildete, war als eine Zusammenfassung der Thesen Weber-Menges’, Stolz’ und Ingleharts »Umgang mit Komplexität + Traditionalismus + Sozialisierungshypothese« genannt worden. An dieser Stelle waren auch die Fragebogen-Items, auf Basis derer die Mittelwerte erfasst worden waren, noch einmal ins Blickfeld gerückt worden. Sie bezogen sich erstens auf den Wunsch, zwei Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten und zweitens auf die Vorliebe, im Restaurant unbekannte Speisen zu bestellen. Insbesondere letzteres Item wirft jedoch Zweifel daran auf, dass es sich bei den vorliegenden Merkmalsausprägungen tatsächlich um Sekundärstandardisierungen handelt. Denn dass die französischen Lehrer und Arbeiter fremden Gerichten im Restaurant gegenüber aufgeschlossener sind als ihre deutschen Kollegen, ist vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der französischen Landeskunde nicht schlüssig. Roland Barthes, ein französischer Poststrukturalist und Semiotiker, entschlüsselt in seinem Werk Mythologies (1957) die Bedeutungen alltäglicher Phänomene in Frankreich. Ein Mythos, so Barthes, ist »eine Aussage, [...] ein Mitteilungssystem, eine Botschaft, [...] eine Weise des Bedeutens, eine Form«. 416 Unter anderem identifiziert er als Mythen einige dauerhafte Bestandteile der französischen Speisekarte wie Beefsteak, Wein und Pommes frites. »Das Beefsteak gehört zur selben Blutmythologie wie der Wein. Es ist das Herz des Fleisches, das Fleisch im Reinzustand, und wer es zu sich nimmt, assimiliert die Kräfte des Rindes«. 417 Aufgrund der Bedeutung, die einige Nahrungsmittel in Frankreich

415 | Vgl. Feist und Langhammer 2010. 416 | Barthes 1964, S. 85. 417 | Ebd., S. 36.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

tragen, werden sie zu nationalen Gütern. 418 Barthes schreibt dem Beefsteak »nationalen Glanz« 419 zu und bezeichnet es als »patriotisch«. 420 Der Franzose, so schlussfolgert er, hält sich an den mythologisierten Nahrungsmitteln fest. »Wie beim Wein gibt es keine aufgezwungene Ernährung, die den Franzosen nicht von seinem Beefsteak träumen ließe. Kaum ist er im Ausland, meldet sich bei ihm die Sehnsucht danach«. 421 Folgt man Barthes’ Gedanken, so scheint es abwegig, den französischen Lehrern und Arbeitern eine besonders aufgeschlossene Einstellung gegenüber unbekannten Speisen zuzuschreiben. Bei diesem Befragungsresultat handelt es sich also nicht um eine Sekundärstandardisierung, sondern um ein präkollektives Element der Stichprobe. Im Falle des Merkmals Stress liegen keine signifikanten Unterschiede vor. Das heißt, der Verbindungsindikator »Arbeitsumstände« wirkt gleichermaßen in Deutschland und Frankreich. Das erscheint auch schlüssig, denn die Arbeitsumstände bezogen sich vor allem auf jene der Fabrikarbeiter, und da die befragten Arbeiter für die gleiche Firma tätig sind, liegt nahe, dass ihre Produktionsabläufe vergleichbar sind. Die Produktionsabläufe sind zwar nicht der einzige Faktor, von dem das Stressempfinden der Mitarbeiter abhängt. Es wird auch durch weitere Faktoren beeinf lusst, wie das Betriebsklima unter den Kollegen oder den persönlichen Führungsstil des Vorgesetzten. Falls Unterschiede in diesen Faktoren vorliegen, sind sie nicht von ausschlaggebendem Ausmaße. Zuletzt wird nun noch das Merkmal Regeltreue betrachtet. Der Verbindungsindikator, der begründet hatte, warum die Mitglieder des Arbeiterkollektivs sich relativ regeltreu zeigen, war in Anlehnung an Hradils Analysen »Möglichkeit zur positiven Selbstbewertung« genannt worden. Es erweist sich, so zeigen die vorliegenden Ergebnisse, unter deutschen und französischen Lehrern als gleichermaßen wirksam. Allerdings gibt es unter den Arbeitern Unterschiede: Die französischen geben an, noch regeltreuer zu sein als die deutschen. Der Verbindungsindikator scheint hier also eine stärkere Wirkung zu haben. Das mag an der nationalspezifischen Ausgestaltung der Primärstandardisierung Arbeiterberuf liegen. Die obigen Ausführungen haben belegt, dass der industrielle Sektor in Frankreich aktuell einer Krise ausgesetzt ist. Vielleicht betonen die französischen Arbeiter, die mit höheren Risiken der Arbeitslosigkeit konfrontiert sind, gerade deshalb, dass sie sich korrekt verhalten. Tabelle 22 fasst die Erkenntnisse zum deutsch-französischen Vergleich der Wirkungsstärken der Verbindungsindikatoren zusammen.

418 | Vgl. ebd., S. 37. 419 | Ebd., S. 38. 420 | Ebd., S. 38. 421 | Ebd., S. 37.

243

244

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 22: Erkenntnisse zu den Wirkungsstärken der Verbindungsindikatoren in Deutschland und Frankreich. Merkmal

Die oben identifizierten Verbindungsindikatoren wirken gleichermaßen in Deutschland und Frankreich. In beiden Dachkollektiven ist kein zusätzlicher Verbindungs­ indikator wirksam.

HOCHKUL

Grund: In einem Dachkollektiv ist die Primär­ standardisierung spezifisch ausgestaltet.

X

EU

In Deutschland wirkt der Verbindungs-indikator „Auslands-erfahrung“.

AUSL

POSTMAT

In einem Dachkollektiv ist ein zusätzlicher Verbindungsindikator wirksam, der in anderen nicht wirkt.

Die oben identifizierten Verbindungsindikatoren wirken unterschiedlich stark in Deutschland und Frankreich.

Spezifische Ausgestaltung des Lehrerberufs in Deutschland: Die Schüler mit Migrationshinter-grund sprechen seltener die Landessprache. X

Grund: In den Dachkollektiven hat die Sekundär­ standardisierung unterschiedliche Bedeutungen.

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

ERZ

Spezifische Ausgestaltung des Arbeiterberufs in Frankreich: Höherer Grad an Arbeitskontrolle; Spezifische Ausgestaltung des Arbeiterberufs in Frankreich: Besserstellung hängt stärker von kollektiven Handlungen ab.

RELI

Der Verbindungs-indikator „Laizität“ wirkt in Frankreich.

OFFEN

Ein präkollektives Element ist wirksam.

STRESS

X

REGEL

Die Konzepte der Anpassung und Selbstbestimmung sind in Deutschland und Frankreich historisch unterschiedlich stark verankert.

Spezifische Ausgestaltung des Arbeiterberufs in Frankreich: Höheres Risiko der Arbeitslosigkeit.

B.VII.2.3.4 Der homogene Überbau von Dachkollektiven und pankollektive Formationen In den bisherigen Ausführungen haben sich die Subkollektive der deutschen und französischen Lehrer und Arbeiter als Kulturträger erwiesen. Denn anhand der Identifizierung von Verbindungsindikatoren konnte ihnen eine Reihe an kulturellen Charakteristika, das heißt Sekundärstandardisierungen zugeschrieben werden. Abschließend wird nun der Blick auf die andere Kollektivart gelenkt: die Dachkollektive. Es wird überprüft, inwiefern die vorliegenden Befragungsergebnisse über die kulturelle Beschaffenheit der Nationen Frankreich und Deutschland Auskunft geben können. Hierzu wird die letzte Spalte der Ergebnistabelle herangezogen. Es handelt sich um den Vergleich aller Befragten deutscher Nationalität mit allen Befragten französischer Nationalität. Am plakativsten würde dieser Vergleich mit »Deutsche vs. Franzosen« bezeichnet; etwas dichter ist er mit »Deutsche Lehrer und Arbeiter vs. ­Französische Lehrer und Arbeiter« betitelt. Die folgende Tabelle gibt den entsprechenden Auszug aus der Ergebnistabelle wieder.

245

246

Nationalkultur versus Berufskultur

Tabelle 23: Ergebnisse des Mittelwertvergleichs von den deutschen mit den französischen Befragten (Auszug aus Tabelle 17). Deutsche vs. Franzosen (deutsche Arbeiter und Lehrer vs. französische Arbeiter und Lehrer) HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

NICHT SIG

NICHT NICHT NICHT SIG SIG SIG

ERZ

RELI

OFFEN STRESS

REGEL

SIG F > D

SIG D > F

SIG F > D

SIG F > D

NICHT SIG

Auf den ersten Blick erscheinen die Ergebnisse dieser Tabelle markant. So mag der traditionelle Interkulturalist meinen, hier einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Nationen Deutschland und Frankreich vorliegen zu haben. Als Gemeinsamkeiten verstünde er die Merkmalsausprägungen, in denen sich die deutschen und französischen Befragten nicht signifikant unterscheiden. Allerdings, so beweisen die vorherigen Erkenntnisse, stellt sich sein Blick als zu verkürzt dar. Denn, erweitert man seinen Blickwinkel um eine Differenzierung auf Subkollektivebene, so zeigen sich internationale Unterschiede, die auf den ersten Blick nicht sichtbar waren. Die folgende Tabelle gibt den ausgeweiteten Blickwinkel wieder. Tabelle 24: Ergebnisse des Mittelwertvergleichs von den deutschen mit den französischen Befragten und Ergebnisse der Mittelwertvergleiche der nationalen Berufskollektive (Auszug aus Tabelle 17). Deutsche vs. Franzosen (Deutsche Lehrer und Arbeiter vs. französische Lehrer und Arbeiter) HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

STRESS

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

Deutsche Lehrer vs. französische Lehrer HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

STRESS

NICHT SIG

SIG DL > FL

SIG DL > FL

NICHT SIG

NICHT SIG

Deutsche Arbeiter vs. französische Arbeiter HOCHKUL

EU

AUSL

POSTMAT

STRESS

NICHT SIG

SIG FA > DA

NICHT SIG

NICHT SIG

NICHT SIG

B  Empirische Einwände durch eigene Ergebnisse

Die Merkmalsausprägungen zu EU und AUSL scheiden als deutsch-französische Gemeinsamkeiten aus, denn auf der Ebene der Subkollektive zeigen sich Unterschiede. Wie sind nun Gemeinsamkeiten anderweitig zu identifizieren? In der Kollektivtheorie werden sie vom Konzept der pankollektiven Elemente aufgegriffen. Hierzu zählt beispielsweise eine Sprache, die in mehreren Ländern gesprochen wird. Im Hinblick auf die vorliegenden Ergebnisse ist theoretisch denkbar, dass es sich beim Ausmaß an Wertschätzung von Hochkultur, an postmaterialistischer Werteorientierung und an Stress um pankollektive Elemente Deutschlands und Frankreichs handelt. Das ließe sich auf theoretischer Ebene diskutieren. Auf empirischem Wege ist das allerdings schwer zu verifizieren. Denn streng genommen müssten nicht nur Lehrer und Arbeiter, sondern eine unendliche Anzahl an Subkollektiven in den internationalen Vergleich mit einbezogen werden. Was die Unterschiede zwischen den Nationen angeht, so fände der traditionelle Interkulturalist sie in den Merkmalsausprägungen, in denen sich die deutschen und französischen Befragten statistisch signifikant unterscheiden. Die Unterschiede würde er auf die jeweilige Nation im Ganzen pauschalisieren. So würde er unter anderem feststellen, dass Franzosen relativ offen und regeltreu sind und Deutsche wiederum relativ religiös. Aber auch hier ist sein Blickwinkel zu eingeschränkt, wie die folgende Tabelle belegt. Sie erweitert den Blickwinkel wieder um die Ebene der Subkollektive, dieses Mal um die Subkollektive innerhalb derselben Nation. Tabelle 25: Ergebnisse des Mittelwertvergleichs von den deutschen mit den französischen Befragten und Ergebnisse des Mittelwertvergleichs der Berufskollektive innerhalb einer Nation (Auszug aus Tabelle 17). Deutsche vs. Franzosen (Deutsche Lehrer und Arbeiter vs. französische Lehrer und Arbeiter) ERZ

RELI

OFFEN

REGEL

SIG F > D

SIG D > F

SIG F > D

SIG F > D

NICHT SIG

NICHT SIG

Deutsche Lehrer vs. deutsche Arbeiter SIG DA > DL

SIG DL > DA

Französische Lehrer vs. französische Arbeiter SIG FA > FL

SIG FA > FL

SIG FL > FA

SIG FA > FL

Es zeigt sich, dass die Pauschalaussagen über Deutsche und Franzosen, die man auf den ersten Blick treffen mag, nicht zulässig sind. Denn auf Subkollektivebene ist die Heterogenität innerhalb der Nationen offensichtlich geworden.

247

248

Nationalkultur versus Berufskultur

Zwar sind auch im Rahmen der Kollektivtheorie homogene Elemente von Nationen vorgesehen, und zwar in Form der Elemente des Überbaus. Allerdings sind auch diese Elemente schwerlich empirisch nachzuweisen, sondern eher theoretisch zu ermitteln. Schließlich müssten auf empirischem Wege, ähnlich wie im Falle der pankollektiven Elemente, eine unendliche Reihe an Subkollektiven innerhalb der Nation überprüft werden, bis verifiziert wäre, dass nicht doch mindestens ein Subkollektiv Abweichungen zeigt. Auf theoretischem Wege hingegen macht es Sinn zu begründen, welche Elemente für alle Mitglieder eines Dachkollektivs gleichermaßen gelten. Die Erkenntnisse, die hierbei gewonnen werden, können dann als Hintergrundinformationen für die Auswertung empirischer Ergebnisse dienen. Denn, um an das oben beschriebene Verfahren der Kollektivforschung anzuschließen, die homogenen Elemente finden sich wieder in den nationalspezifischen Ausgestaltungen der Primärstandardisierungen und in den Bedeutungen der Sekundärstandardisierungen. Beides hat oben die international unterschiedlich starke Wirkungsweise von Verbindungsindikatoren erklärt.

C   F azit

Die in dieser Arbeit gewonnenen empirischen Erkenntnisse sollen abschließend für den in der Einleitung dargestellten Paradigmenstreit, der sich gerade an den Arbeiten Hofstedes entzündet hat, als weitere Entscheidungshilfe benutzt werden. Es war ja eins der Ziele der vorliegenden Studie, der vorwiegend theoretisch begründeten Kritik an Hofstede eine Kritik aufgrund empirischer Ergebnisse hinzuzufügen. Nach Vorgabe des ethnizistischen Kulturbegriffs hatte Hofstede die Befragungsergebnisse, die er innerhalb der Firma IBM gewonnen hatte, auf die jeweiligen Nationen hin generalisiert. Dieses Vorgehen war bereits auf der Grundlage eines Theorie-Dissenses bezweifelt worden. Hofstedes Ergebnisse, so diese Kritik, seien nur IBM-spezifisch und gäben keine Auskunft über Nationalkulturen. Diese Hypothese wurde durch die vorliegende Studie auch auf empirischem Wege bestätigt. Am Beispiel Frankreichs und Deutschlands ließ sich zeigen, dass bei Veränderung des Forschungsdesigns die von Hofstede behaupteten nationalen Merkmale nicht bestätigt wurden. Das liegt nicht nur an der falschen Kulturtheorie Hofstedes, sondern auch an der methodischen Nachlässigkeit der, wie man es nennen könnte, indirekten Zuschreibung. Sie versündigt sich gegen das Dogma der empirischen Sozialforschung, dass Standardisierungen nur denjenigen Kollektiven zuzuschreiben sind, in welchen sie sich direkt zeigten. Wer IBM- Angestellte befragt, sollte die Ergebnisse insofern erst einmal auf diese Firma beziehen. Damit stehen wir vor der Grundsatzfrage, was dichte Zuschreibung konkret-methodisch bei Befragungen bedeutet. Diese Frage wirft zwei Problematiken auf. Erstens ist der Stichprobenproblematik und zweitens der Kollektivproblematik Rechnung zu tragen. Stichprobenproblematik meint, dass überprüft werden muss, ob die Befragungsergebnisse, welche eine Stichprobe an Befragten zeigt, überhaupt auf das Kollektiv, das durch die Stichprobe repräsentiert wird, verallgemeinert werden können. Die Ergebnisse könnten schließlich auch zufällig nur auf die bestimmte Stichprobe zutreffen. Zugleich ist im Sinne der Kollektivproblematik zu differenzieren, welche Ergebnisse über Subkollektive und welche über Dachkollektive Auskunft geben. Wenn ich Lehrer befrage, beschränken sich die Ergebnisse dann auf dieses besondere

250

Nationalkultur versus Berufskultur

Subkollektiv oder geben sie darüber hinaus, wenn es französische Lehrer sind, auch Auskunft über Frankreich? Anders formuliert: Inwieweit vermitteln empirische Untersuchungen von Subkollektiven Einsichten über das Dachkollektiv? Die Beantwortung dieser Frage mündet in einer Stellungnahme zum Verhältnis von Subkollektiv und Nation, dem Thema, das den kulturwissenschaftlichen Paradigmenstreit grundlegend antreibt. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Verfahren zum Umgang mit Befragungsergebnissen vorgeschlagen, das die Stichproben- sowie die Kollektivproblematik aufgreift. Den Ausgangspunkt des Verfahrens liefern die Befragungsergebnisse in Form von Merkmalsausprägungen, welche die Stichprobe eines Kollektivs in der Befragung erzielt. In der vorliegenden Studie beispielsweise wurde als ein Merkmal die Religiosität abgefragt und hierzu wurden für die Stichproben aus deutschen und französischen Lehrern und Arbeitern signifikant unterschiedliche Ausprägungen ermittelt. Eine Merkmalsausprägung an sich ist noch keiner Deutung unterzogen. Sobald sie interpretiert wird, tritt die Stichprobenproblematik auf. Denn hier stellt sich die Frage, ob die Merkmalsausprägung als Sekundärstandardisierung dem gesamten, durch die Stichprobe repräsentierten Kollektiv zuzuschreiben ist oder ob sie als präkollektives Element, das heißt als zufällige Ausprägungen der Stichprobe, zu werten ist. Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt das neue Verfahren, anhand theoretischer und empirischer Literaturrecherche Verbindungsindikatoren zu identifizieren, die den Zusammenhang zwischen der Merkmalsausprägung auf der einen Seite und der Primärstandardisierung des Kollektivs auf der anderen Seite greif bar machen. Nur wenn sich ein Verbindungsindikator ermitteln lässt, so die Schlussfolgerung, ist die Merkmalsausprägung als Sekundärstandardisierung zu werten. Ist keiner bekannt, handelt es sich bei der Merkmalsausprägung um ein präkollektives Element, das nicht auf das Kollektiv zu verallgemeinern ist. Die Schritte des Verfahrens lassen sich wie folgt auf listen. • D  as Kollektiv, das erforscht werden soll, wird anhand einer oder mehrerer Primärstandardisierungen spezifiziert. • Aus dem Kollektiv wird eine Stichprobe gezogen. • Im Zuge der Befragungen werden die Merkmalsausprägungen der Stichprobe ermittelt.  nhand einer Literaturrecherche werden Verbindungsindikatoren gesucht, • A welche den Zusammenhang zwischen einer Merkmalsausprägung und der Primärstandardisierung greif bar machen. • W  ird ein Verbindungsindikator ermittelt, handelt es sich bei der Merkmalsausprägung um eine Sekundärstandardisierung. • L  iegt kein Verbindungsindikator vor, wird die Merkmalsausprägung als präkollektives Element gewertet.

C Fazit

• Präkollektive Elemente werden nicht über die Stichprobe hinaus verall­ gemeinert. • Sekundärstandardisierungen werden als kulturelle Charakteristika auf das gesamte Kollektiv bezogen. Das Konzept des Verbindungsindikators ist neu und verdient somit einer genaueren Beschreibung. Zunächst, so lässt sich festhalten, können im Hinblick auf ein Kollektiv mehrere Verbindungsindikatoren parallel wirksam sein. Sie knüpfen entweder an die gleiche Primärstandardisierung oder an verschiedene an. Die zugleich wirksamen Verbindungsindikatoren, so lässt sich fortführen, müssen nicht zwingend in die gleiche Richtung zielen. Beispielsweise Im Falle des Merkmals der Religiosität jedoch geben die beiden Verbindungsindikatoren nach Weber, die in Bezug auf das Merkmal der Religiosität wirksam sind, geben unterschiedliche Richtungen vor. Der Verbindungsindikator »Erlösung von geistiger Not« knüpft an die Bildung an und erklärt eine ausgeprägte Religiosität der Lehrer, während der Verbindungsindikator »Erlösung von materieller Not« an den Beruf anknüpft und begründet, warum die Arbeiter besonders religiös sind. Theoretisch könnten sich diese beiden Verbindungsindikatoren in ihren Wirkungsweisen ausgleichen, so dass Lehrer und Arbeiter im Endeffekt eine gleich starke Ausprägung an Religiosität zeigen. Da sie das jedoch nicht tun, lautet die nächste Erkenntnis, dass Verbindungsindikatoren verschiedene Stärken haben und einander in ihrem Ausmaß übertreffen können. Warum aber sind es in Deutschland die Lehrer und in Frankreich die Arbeiter, die eine höhere Ausprägung an Religiosität aufweisen? Weil, so die anschließende Schlussfolgerung, die Stärke eines Verbindungsindikators je nach Dachkollektiv variieren kann. Ein Verbindungsindikator, der in einem Dachkollektiv eine bestimmte Stärke aufweist, wirkt in einem anderen eventuell stärker, schwächer oder gar nicht. In welchen Fällen dem so ist, lässt sich am einfachsten anhand eines Vergleichs zweier äquivalenter Subkollektive verschiedener Nationen überprüfen. Deshalb wurden in der vorliegenden Studie deutsche Arbeiter mit französischen Arbeitern und deutsche Lehrer mit französischen Lehrern verglichen. Zeigen sich hier signifikant unterschiedliche Merkmalsausprägungen, so der Grundgedanke, weist das auf dachkollektivspezifische Wirkungsstärken der Verbindungsindikatoren hin. An dieser Stelle, an der dem Dachkollektiv Nation solch prägender Einf luss zugesprochen wird, geht die Besprechung der Stichprobenproblematik über in jene der Kollektivproblematik. Das vorgeschlagene Verfahren eignet sich für eine Erforschung von Sub- sowie Dachkollektiv, jedoch ist die Art der Zuschreibung unterschiedlich. Während den Subkollektiven auf direkte Art Sekundärstandardisierungen zugesprochen werden, spiegelt das Dachkollektiv sich indirekt in den Wirkungsstärken der Verbindungsindikatoren wider. Hier kann es auf zweierlei Wegen prägend wirken. Zunächst kann

251

252

Nationalkultur versus Berufskultur

die Primärstandardisierung in den betreffenden Nationen unterschiedlich ausgestaltet sein, so dass der Verbindungsindikator nicht den gleichen Anknüpfungspunkt vorfindet. Diese Ursache wurde beispielsweise im Falle des Merkmals der Skepsis gegenüber Ausländern angenommen. Hier begründet der Verbindungsindikator »Traditionalismus« nach Stolz, warum die Arbeiter eine relativ starke und die Lehrer eine relativ schwache Skepsis gegenüber Ausländern aufweisen. Allerdings, so zeigt sich im Vergleich der deutschen Lehrer mit den französischen, wirkt dieser Verbindungsindikator in Bezug auf die Lehrer in Deutschland stärker als auf die in Frankreich. Die Ursache hierfür, so wurde gemutmaßt, ist, dass die deutschen Lehrer im Gegensatz zu den französischen mit der Herausforderung konfrontiert sind, Schüler mit Migrationshintergrund zu unterrichten, die nicht ihre Sprache sprechen. Da die nach Frankreich immigrierten Schüler größtenteils Französisch sprechen, wurde diese Herausforderung als eine für Deutschland spezifische Ausgestaltung der Primärstandardisierung Lehrerberuf gewertet. Eine zweite Art dachkollektivspezifischer Prägung ist, dass der entsprechenden Sekundärstandardisierung in den verschiedenen Nationen nicht äquivalente Bedeutungen zugesprochen werden. Das war beispielsweise im Hinblick auf Kohns Konzept der Erziehung zur Anpassung beziehungsweise Selbstbestimmung der Fall. Sozialhistorische Erkenntnisse belegen, dass die Bildungswerte Deutschlands und Frankreichs sich schon seit dem 19. Jahrhundert dahingehend grundlegend unterscheiden, dass beide Konzepte unterschiedlich präsent und konnotiert sind. Wenn eine Sekundärstandardisierung auf ihre eventuell nicht-äquivalente Bedeutung in verschiedenen Dachkollektiven überprüft wird, bietet es sich an, die entsprechenden Fragebogen-Items in die Überprüfung mit einzubeziehen. Denn, so wurde argumentiert, ­d ie Items definieren, was unter der Sekundärstandardisierung genau zu verstehen ist. Falls auch nur ein Item in einem Dachkollektiv eigen konnotiert ist, verschiebt sich hier der Bedeutungsgehalt der Sekundärstandardisierung. Weiterhin sind die kollektivspezifischen Antwortverzerrungen zu beachten, die während der Befragung wirksam gewesen sein mögen. Auch sie können zu einer Verschiebung der Bedeutung der Sekundärstandardisierung beitragen. So wurde der Befund, dass die französischen Lehrer und Arbeiter eine schwächere Religiosität als die deutschen angeben, auch darauf zurückgeführt, dass eine Selbstauskunft zur Religiosität im Rahmen einer Umfrage für Franzosen befremdlicher ist als für Deutsche. Das Dachkollektiv wirkt also prägend, indem es die Wirkungsstärken von Verbindungsindikatoren bestimmt. Zudem ist möglich, dass in einer Nation ein Verbindungsindikator wirkt, der in einer anderen gar nicht präsent ist. So wurde der Befund, dass in Deutschland die Lehrer und in Frankreich die Arbeiter eine stärkere Religiosität zeigen, anhand eines Verbindungsindikators erklärt, der nur in Frankreich wirksam ist. Er wurde »Laizität« genannt und

C Fazit

zielt darauf ab, dass die französischen Lehrer ein stärkeres Bewusstsein dafür haben, ihre eigene Religiosität diskret im Privatleben zu verorten. Es lässt sich festhalten, dass dem Dachkollektiv Nation, obgleich es im Gegensatz zum Subkollektiv in den Befragungsergebnissen bloß indirekt auftaucht, eine prägende Funktion zugeschrieben wird. Genau genommen wird ihm in zweierlei Hinsicht Bedeutung zugesprochen. Erstens, hier wird der Blick auf den homogenen Überbau gerichtet, sind die Wirkungsstärken der Verbindungsindikatoren dachkollektivspezifisch ausgerichtet. Schließlich, so die Ursachen für unterschiedliche Wirkungsstärken, kann innerhalb einer Nation eine Primärstandardisierung besonders ausgestaltet oder eine Sekundärstandardisierung mit einer eigenen Bedeutung behaftet sein. Beide Ursachen spiegeln homogene Elemente des Dachkollektivs wider. Zweitens, und hier liegt der Fokus auf der heterogenen Basis, finden sich im Dachkollektiv die Subkollektive verortet. Die obigen Studienergebnisse belegten, dass es problematisch ist, die funktionsverwandten Subkollektive verschiedener Nationen zu einem übergreifenden internationalen Subkollektiv zusammenzufassen. Denn hierbei können nationalspezifische Besonderheiten, mögen sie auch von verschwindend geringem Ausmaß sein, übersehen werden. Diese Erkenntnisse zum Verhältnis von Sub- und Dachkollektiv lassen sich wie folgt subsumieren. • Das Subkollektiv ist national verortet und geprägt. • Es gestaltet die heterogene Basis des Dachkollektivs. • Das Dachkollektiv bestimmt die Ausgestaltung der Primärstandardisierung und die Bedeutung der Sekundärstandardisierung. • Folglich gestaltet es die Wirkungsstärke des Verbindungsindikators. • Schlussendlich prägt es somit die Sekundärstandardisierung der Subkollektive. An dieser Stelle haben die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen zumindest vorläufige Antworten gefunden. Ist die Nation nur heterogen oder beinhaltet sie auch homogene Elemente? Sie beinhaltet auch homogene Elemente, die im Überbau angesiedelt sind. In welchem Verhältnis steht die Nation zu den Subkulturen? Die Nation prägt ihre Subkollektive. Denn die Wirkungsstärken von Verbindungsindikatoren und somit die Sekundärstandardisierungen der Subkollektive können je nach Dachkollektiv variieren. Handelt es sich um nationale Subkulturen oder um autonome? Ein Subkollektiv ist immer national verortet, auch wenn nationalspezifische Modifikationen verschwindend gering und Funktionsverwandtschaften entsprechend stark ausgeprägt sein können. Folglich, so die abschließende Stellungnahme zum kulturwissenschaftlichen Paradigmenstreit, haben die Nation sowie das Subkollektiv ihre Relevanz in der empirischen Forschung bewiesen. Hofstede und weitere Vertreter des n ­ ationalen

253

254

Nationalkultur versus Berufskultur

Kulturbegriffs haben das Subkollektiv vernachlässigt und treffen somit unzulässige Pauschalaussagen. Gleichwohl ist der Nation nicht ihre prägende Kraft abzusprechen und auch sie ist in der empirischen Kulturforschung zu berücksichtigen.

D   L iteraturverzeichnis

Adair, Wendi L., Buchan, Nancy R., Chen, Xiao-Ping (2009): Conceptualizing Culture as Communication in Management and Marketing Research, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 146–180. Alba, Richard, Johnson, Michelle (2000): Zur Messung aktueller Einstellungsmuster gegenüber Ausländern in Deutschland, in: Alba, Richard, Schmidt, Peter, Wasmer, Martina (Hrsg.): Deutsche und Ausländer: Freunde, Fremde oder Feinde?, Wiesbaden, S. 229–254. Alba, Richard, Schmidt, Peter, Wasmer, Martina (Hrsg.) (2000): Deutsche und Ausländer: Freunde, Fremde oder Feinde?, Wiesbaden. Albertz, Jörg (Hrsg.) (1991): Auf klärung und Postmoderne. 200 Jahre nach der französischen Revolution das Ende aller Auf klärung?, Berlin. Antweiler, Christoph (2009): Was ist den Menschen gemeinsam? Über Kultur und Kulturen, Darmstadt. Askegaard, Soren, Kjeldgaard, Dannie, Arnould, Eric J. (2009): Ref lexive Culture’s Consequences, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 101–124. Banai, Moshe (1982): Review of Geert Hofstede: ›Culture’s Consequences: International differences in work-related values‹, in: Journal of Management Studies, Bd. 19, Nr. 3, S. 351–354. Barmeyer, Christoph I. (2010): Kulturdimensionen und Kulturstandards, in: Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau, S. 87–117. Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia (2010): Methodische Probleme interkultureller und kulturvergleichender Forschung, in: Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau, S. 119–152.

256

Nationalkultur versus Berufskultur

Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.) (2010): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau. Barthes, Roland (1964): Mythen des Alltags, Frankfurt am Main. Baskerville, Rachel F. (2003): Hofstede never studied culture, in: Accounting, Organizations and Society, Bd. 28, Nr. 1, S. 1–14. Baskerville-Morley, Rachel F. (2005): A research note: the unfinished business of culture, in: Accounting, Organizations and Society, Bd. 30, Nr. 4, S. 389–391. Baumgartel, Howard, Thomas, Hill (1982): Review of Geert Hofstede: ›Culture’s Consequences: international differences in work-related values‹, in: Personnel Psychology, Bd. 35, Nr. 1, S. 192–196. Beck, Ulrich (1998): Wie wird Demokratie im Zeitalter der Globalisierung möglich? Eine Einleitung, in: Ders. (Hrsg.): Politik der Globalisierung, Frankfurt am Main, S. 7–67. Beck, Ulrich (Hrsg.) (1998): Politik der Globalisierung, Frankfurt am Main. Beck, Ulrich (2008): Jenseits von Klasse und Nation. Individualisierung und Transnationalisierung sozialer Ungleichheiten, in: Soziale Welt, Bd. 59, Nr. 4, S. 301–325. Beck, Ulrich, Fellinger, Raimund (1998): Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus – Antworten auf Globalisierung, Frankfurt am Main. Behrens, Leila (2007): Konservierung von Stereotypen mit Hilfe der Statistik. Geert Hofstede und sein kulturvergleichendes Modell, Arbeitspapier Nr. 51, Institut für Linguistik, Universität Köln. Benedict, Ruth (1934): Patterns of Culture, New York. Benedict, Ruth (1955): Urformen der Kultur (Patterns of Culture), Hamburg. Berry, John W. (1990): Psychology of Acculturation. Understanding Individuals Moving Between Cultures, in: Brislin, Richard W. (Hrsg.): Applied Cross-Cultural Psychology. Cross-Cultural Research and Methodology Series, Beverly Hills, CA, S. 232–254. Berry, John W., Dasen, Pierre R., Saraswathi, T. S. (Hrsg.) (1980): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Basic Processes and Human Development, Boston, MA. Berry, John W., Poortinga, Ype H., Pandey, Janak (Hrsg.) (1997): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Theory and Method, Boston, MA. Berry, John W., Segall, Marshall H., Kagitcibasi, Cigdem (Hrsg.) (1997): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Social Behavior and Applications, Boston, MA. Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.) (2008): Woran glaubt die Welt? Analysen und Kommentare zum Religionsmonitor 2008, Gütersloh. Bhabha, Homi K. (1990a): Introduction: narrating the nation, in: Ders. (Hrsg.): Nation and Narration, London, S. 1–7. Bhabha, Homi K. (Hrsg.) (1990): Nation and Narration, London.

D Literatur verzeichnis

Bhabha, Homi K. (1997): DissemiNation: Zeit, Narrative und die Ränder der modernen Nation, in: Bronfen, Elisabeth, Marius, Benjamin, Steffen, Therese (Hrsg.): Hybride Kulturen. Beiträge zu anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen, S. 149–194. Bienfait, Agathe (2011): Klassen, Schichten, Religionen. Über die sozialstrukturellen Grenzen religiöser Individualisierung, in: Ders. (Hrsg.): Religionen verstehen. Zur Aktualität von Max Webers Religionssoziologie, Wiesbaden, S. 196–218. Bienfait, Agathe (2011) (Hrsg.): Religionen verstehen. Zur Aktualität von Max Webers Religionssoziologie, Wiesbaden. Blodgett, Jeffrey, Bakir, Aysen, Rose, Gregory (2008): A Test of the Validity of Hofstede’s Cultural Framework, in: Advances in Consumer Research, Bd. 35, Nr. 1, S. 762 f. Bolten, Jürgen (2004): Interkulturelle Personalentwicklung im Zeichen der Globalisierung: «Paradigmenwechsel« oder «Paradigmenkorrektur«?, in: Bolten, Jürgen, Oberender, Peter (Hrsg.): Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, Sternenfels, S. 40–62. Bolten, Jürgen, Oberender, Peter (Hrsg.) (2004): Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, Sternenfels. Bond, Michael Harris, Smith, Peter B. (1993): Social Psychology Across Cultures. Analysis and perspectives, New York, NY. Börsch-Supan, Axel, Alcser, Kirsten H. (Hrsg.) (2005): The survey of health, aging, and retirement in Europe. Methodology, Mannheim. Bortz, Jürgen, Döring, Nicola (1995): Forschungsmethoden und Evaluation: für Human- und Sozialwissenschaftler, Berlin. Bortz, Jürgen, Schuster, Christof (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler, Berlin. Bosland, Nico (1985): An evaluation of replication studies using the Values Survey Module. Working paper RS-2, Institute for Research on Intercultural Cooperation, Maastricht. Bourdieu, Pierre (1973): Kulturelle Reproduktion und soziale Reproduktion, in: Bourdieu, Pierre, Passeron, J.-C. (Hrsg.): Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt, Frankfurt am Main, S. 88–137. Bourdieu, Pierre, Passeron, J.-C. (Hrsg.) (1973): Grundlagen einer Theorie der symbolischen Gewalt, Frankfurt am Main. Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen, S. 183-198. Bourdieu, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main.

257

258

Nationalkultur versus Berufskultur

Bourdieu, Pierre (1997): Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunst­ wahrnehmung, in: Gerhards, Jürgen (Hrsg.): Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten, Opladen, S. 307–336. Brannen, Mary Yoko (2009): Culture in Context: The Theorizing for Today’s Complex Cultural Organizations, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 81–100. Braun, Michael (2000): Evaluation der Äquivalenz eines gemeinsamen Satzes an Verbindungsindikatoren in der interkulturell vergleichenden Sozialforschung, in: ZUMA How-to-Reihe, Nr. 3, Mannheim. Braun, Michael, Scott, Jacqueline (1998): Multidimensional scaling and equivalence. Is having a job the same as working?, in: Harkness, Janet (Hrsg.): Cross-cultural survey equivalence, ZUMA Nachrichten Spezial, Bd. 3, Mannheim, S. 129–144. Bremer, Helmut, Lange-Vester, Andrea (Hrsg.) (2006): Soziale Milieus und Wandel der Sozialstruktur. Die gesellschaftlichen Herausforderungen und die Strategien der sozialen Gruppen, Wiesbaden. Briley, Donnel A. (2009): Cultural Inf luence on Consumer Motivations: A Dynamic View, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 181–200. Brislin, Richard W. (1990): Applied Cross-Cultural Psychology. An Introduction, in: Ders. (Hrsg.): Applied Cross-Cultural Psychology. Cross-Cultural Research and Methodology Series, Beverly Hills, CA, S. 9–34. Brislin, Richard W. (Hrsg.) (1990): Applied Cross-Cultural Psychology. Cross-­ Cultural Research and Methodology Series, Beverly Hills, CA. Bronfen, Elisabeth (2000): Vorwort, in: Bhabha, Homi K., Bronfen, Elisabeth, Schiffmann, Michael, Freudl, Jürgen (Hrsg.): Die Verortung der Kultur, Tübingen, S. IX–XIV. Bronfen, Elisabeth, Marius, Benjamin, Steffen, Therese (Hrsg.) (1997): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen. Butler, Emily A., Lee, Tiane L., Gross, James L. (2009): Does Expressing Your Emotions Raise or Lower Your Blood Pressure? The Answer Depends on Cultural Context, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 40, Nr. 2, S. 510–517. Cavusgil, S. Tamer, Das, Ajay (1997): Methodology issues in cross-cultural sourcing research – a primer, in: Marketing Intelligence and Planning, Bd. 15, Nr. 5, S. 213–220. Cheung, G. W., Rensvold, R. B. (2000): Assessing Extreme and Acquiescence Response Sets in Cross-Cultural Research Using Structural Equations Modeling, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 31, Nr. 2, S. 187–212.

D Literatur verzeichnis

Chow, Chee W., Shields, Michael D., Chan, Yoke Kai (1991): The effects of management controls and national culture on manufacturing performance: an experimental investigation, in: Accounting, Organizations and Society, Bd. 19, Nr. 5, S. 209–226. Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.) (1985): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester. Coromina, Lluís, Saris, Willem E., Oberski, Daniel (2008): The Quality of the Measurement of Interest in the Political Issues presented in the Media in the ESS, in: ASK: Research and Methods, Bd. 17, Nr. 1, S. 7–38. Cox, Tom (1985): Repetitive Work: Occupational Stress and Health, in: Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester, S. 85–112. Darowska, Lucyna, Machold, Claudia (Hrsg.) (2009): Hochschule als transkultureller Raum? Beiträge zu Kultur, Bildung und Differenz, Bielefeld. DIW – Deutsche Institut für Wissenschaft (2013): Industrielle Entwicklung: Deutschland expandiert kräftig, Frankreich verliert den Anschluss, Pressemitteilung vom 28.11.2012, http://www.diw.de/de/diw_01.c.412307.de/ themen_nachrichten/industrielle_entwicklung_deutschland_expandiert_ kraeftig_frankreich_verliert_den_anschluss.html, Zugriff: 07.02.2013. Digman, John M. (1996): The Curious History of the Five-Factor Model, in: Wiggins, Jerry S. (Hrsg.): The Five-Factor Model of Personality. Theoretical Perspectives, New York, NY, S. 1–20. Douglas, Susan P., Craig, C. Samuel (2009): Impact of Context on Cross-Cultural Research, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 125–145. Drury, Colin G. (1985): Stress and Quality Control Inspection, in: Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester, S. 113–130. Early, Christopher P. (2009): So What Kind of Atheist Are You? Exploring Cultural Universals and Differences, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 19–39. Eckensberger, Lutz H., Plath, Ingrid (2003): Möglichkeiten und Grenzen des «variablenorientierten« Kulturvergleichs: Von der Kulturvergleichenden Psychologie zur Kulturpsychologie, in: Kaelble, Hartmut, Schriewer, Jürgen (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichtsund Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main, S. 55–100. Eigmüller, Monika (Hrsg.) (2009): Gesellschaftstheorie und Europapolitik. Sozialwissenschaftliche Ansätze zur Europaforschung, Wiesbaden. ESADE Ramon Llull University – Escuela Superior de Administración y Dirección de Empresas (2012): http://www.esade.edu/research/eng/src/investigacion/ surveydesign, Barcelona, Zugriff 18.01.2013.

259

260

Nationalkultur versus Berufskultur

Estivalèzes, Mireille (2009): L’enseignement sur les religions à l’école en France, in: Schröder, Bernd, Kraus, Wolfgang (Hrsg.): Religion im öffentlichen Raum / La Religion dans l’espcae public. Deutsche und französische Perspektiven. Perspectives allemandes et françaises, Jahrbuch des Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes, Band 8 (2008), Bielefeld, S. 107–118. Europäische Kommission (2003): Standard EUROBAROMETER 59.1. Public opinion in the European Union. NATIONAL REPORT Germany (Spring), Brüssel. Europäische Kommission (2012): http://ec.europa.eu/public_opinion/index_ en.htm, Brüssel, Zugriff 18.01.02013. Feichtinger, Claudia (1998): Individuelle Wertorientierungen und Kulturstandards im Ausland. Theorie, Empire und Anwendung bei der Auslandsentsendung von Managern, Frankfurt am Main. Feiman-Nemser, Sharon, Floden, Robert E. (1991): Die Berufskulturen von Lehrern, in: Terhart, Edward (Hrsg.): Unterrichten als Beruf. Neuere amerikanische und englische Arbeiten zur Berufskultur und Berufsbiographie von Lehrern und Lehrerinnen, Köln und Wien, S. 41–84. Feist, Hérade, Langhammer, Franziska (2010): Wie sinnvoll sind Studien zu Religion und Herkunft?, in: Arte Journal am 29.06.2010, http://www.arte.tv/ de/frank reic h- deutsc hland-st udien-zu-religion-und-herk unf t/ 3516306,CmC=3515846.html, Zugriff: 07.02.2013. Fischer, Ronald, Vauclair, C.-Melanie, Fontaine, Johnny R.J., Schwartz, Shalom H. (2010): Are Individual-Level and Country-Level Value Structures Different? Testing Hofstede’s Legacy With the Schwartz Value Survey, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 41, Nr. 4, S. 135–151. Fisseni, Hermann-Josef (1997): Lehrbuch der psychologischen Diagnostik. Mit Hinweisen zur Intervention, Göttingen. Flick, Uwe, von Kardorff, Ernst, Steinke, Ines (Hrsg.) (2008): Qualitative Sozialforschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg. Fliege, Herbert, Rose, Matthias, Arck, Petra, Walter, Otto B., Kocalevent, Rueya-Daniela, Weber, Cora, Klapp, Burghard F. (2005): The Perceived Stress Questionnaire (PSQ) Reconsidered: Validation and Reference Values From Different Clinical and Healthy Adult Samples, in: Psychosomatic Medicine, Bd. 67, Nr. 1, S. 78–88. Freilich, Morris (Hrsg.) (1989): The Relevance of Culture, New York, NY. Front National (2013): http://www.frontnational.com, Paris, Zugriff : 08.05.2013. Furseth, Inger, Repstad, Pål (2007): An Introduction to the Sociology of Religion, Burlington, VT. Geertz, Clifford (2007): Welt in Stücken. Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, Wien.

D Literatur verzeichnis

Geiger-Jaillet, Anemone, Denni, Karen (2005): Sprachen lernen in der Primar- und Sekundarstufe in Frankreich und das Sprachenangebot im Elsaß – Eine Bestandsaufnahme, in: Krechel, Hans-Ludwig (Hrsg.): Mehrsprachiger Fachunterricht in Ländern Europas, Tübingen, S. 34–76. Geier, Bernd (2000): Der Erwerb interkultureller Kompetenz. Ein Modell auf Basis der Kulturstandardforschung, Saarbrücken. Geissler, Rainer (1994): Politische Ungleichheit. Soziale Schichtung und Teilnahme an Herrschaft, in: Ders. (Hrsg.): Soziale Schichtung und Lebens­ chancen in Deutschland, Stuttgart, S. 74–110. Geissler, Rainer (Hrsg.) (1994): Soziale Schichtung und Lebenschancen in Deutschland, Stuttgart. Genkova, Petia (2009): Stichprobenzugang oder das Sampling-Problem bei kulturvergleichenden psychologischen Untersuchungen, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 10, S. 45–59. Genkova, Petia (2010): Psychologische Aspekte Interkultureller Kommunikation, in: Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau, S. 265–305. Gerhards, Jürgen (Hrsg.) (1997): Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten, Opladen. Gerhards, Jürgen (2008): Die kulturelle Elite Europas. Eine vergleichende Analyse der 27 Mitgliedsländer der EU auf der Grundlage einer Auswertung des Eurobarometers, Berliner Studien zur Soziologie Europas, Nr. 13. GESIS – Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften e.V. (2002): ALLBUS 2002, Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, ZA-Nr. 3700, Köln. GESIS – Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften e.V. (2012): http://gesis.org/ allbus/allgemeine-informationen/, Mannheim, Zugriff 18.01.2013. Goodstein, Leonard D. (1981): Commentary: Do American Theories Apply Abroad?, in: Organizational Dynamics, Bd. 10, Nr. 1, S. 49–54. Grimm, Sabine (1997): Einfach hybrid! Kulturkritische Ansätze der Postcolonial Studies, in: Informationszentrum 3. Welt, Nr. 223, S. 39–42. Groh-Samberg, Olaf (2006): Arbeitermilieus in der Ära der Deindustrialisierung. Alte Benachteiligungen, gebrochene Flugbahnen, neue Ausgrenzungen, in: Bremer, Helmut, Lange-Vester, Andrea (Hrsg.): Soziale Milieus und Wandel der Sozialstruktur. Die gesellschaftlichen Herausforderungen und die Strategien der sozialen Gruppen, Wiesbaden, S. 237–261. Gröschke, Daniela (2007): Kulturelle Unterschiede im Selbstkonzept. Ein Differenzierungsschema, in: Interculture Journal, Bd. 5, Nr. 6, S. 39–70. Grosse, Ernst Ulrich (2000a): Zwischen Blockbildung und Divergenz: die Parteien, in: Grosse, Ernst Ulrich; Lüger, Heinz-Helmut (Hrsg.): Frankreich verstehen. Eine Einführung in Vergleichen mit Deutschland, Darmstadt, S. 49-100.

261

262

Nationalkultur versus Berufskultur

Grosse, Ernst Ulrich (2000b): Das Bildungswesen: Traditionen und Innovationen, in: Grosse, Ernst Ulrich; Lüger, Heinz-Helmut (Hrsg.): Frankreich verstehen. Eine Einführung in Vergleichen mit Deutschland, Darmstadt, S. 199-244. Grosse, Ernst Ulrich; Lüger, Heinz-Helmut (2000) (Hrsg.): Frankreich verstehen. Eine Einführung in Vergleichen mit Deutschland, Darmstadt. Haas, Helene (2007): Probleme der kulturvergleichenden Umfrageforschung, in: Interculture Journal, Bd. 6, Nr. 5, S. 3–20. Haas, Helene (2009a): Das interkulturelle Paradigma, Passau. Haas, Helene (2009b): Übersetzungsprobleme in der interkulturellen Befragung, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 10, S. 61–77. Hall, Edward T. (1959): The Silent Language, New York, NY. Hall, Edward T. (1966): The Hidden Dimension, New York, NY. Hall, Edward T. (1976): Beyond Culture, New York, NY. Hall, Edward T. (1983): The Dance of Life, Garden City, NY. Hall, Edward T., Hall, Mildred Reed (1985): Verborgene Signale. Studien zur internationalen Kommunikation. Über den Umgang mit Japanern, Hamburg. Hall, Edward T., Hall, Mildred Reed (1990): Understanding Cultural Differences, Boston, MA. Hannerz, Ulf (1992): Cultural Complexity. Studies in the Social Organization of Meaning, New York, NY. Hansen, Klaus P. (1993) (Hrsg.): Kulturbegriff und Methode. Der stille Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften, Tübingen. Hansen, Klaus P. (1993): Einleitung, in: Ders. (Hrsg.): Kulturbegriff und Methode. Der stille Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften, Tübingen, S. 7–16. Hansen, Klaus P. (2007): Kritische Überlegungen zum interkulturellen Paradigma, in: Kuhn, Bärbel, Pitz, Martina, Schorr, Andreas (Hrsg.): «Grenzen« ohne Fächergrenzen, St. Ingbert, S. 149–179. Hansen, Klaus P. (2009a): Kultur, Kollektiv, Nation, Passau. Hansen, Klaus P. (2009b): Die Problematik des Pauschalurteils, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 10, S. 5–18. Hansen, Klaus P. (2009c): Zulässige und unzulässige Komplexitätsreduktion beim Kulturträger Nation, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 8, S. 7–18. Hansen, Klaus P. (2011): Kultur und Kulturwissenschaft. Eine Einführung, 4. Auf l., Tübingen. Harkness, Janet A., Schoua-Glusberg, Alicia (1998): Questionnaires in Translation, in: Harkness, Janet A. (Hrsg.) (1998): Cross-cultural survey equivalence, ZUMA Nachrichten Spezial, Bd. 3, Mannheim, S. 37–144. Harkness, Janet A. (Hrsg.) (1998): Cross-cultural survey equivalence, ZUMA Nachrichten Spezial, Bd. 3, Mannheim.

D Literatur verzeichnis

Harkness, Janet A. (1999): In pursuit of quality: Issues for cross-national survey research, in: International Journal of Social Research Methodology, Bd. 2, Nr. 2, S. 125–140. Harkness, Janet A. (2005): SHARE Translation Procedures and Translation Assessment, in: Börsch-Supan, Axel, Jürges, Hendrik (Hrsg.): The survey of health, aging, and retirement in Europe. Methodology, Mannheim, S. 24–27. Harkness, Janet A. (2007): Improving the comparability of translations, in: Jowell, Roger, Roberts, Caroline, Fitzgerald, Rory, Gillian, Eva (Hrsg.): Measuring Attitudes Cross-Nationally. Lessons from the European Social Survey, Los Angeles, CA, S. 79–93. Harkness, Janet A., Villar, Ana, Edwards, Brad (2010): Translation, Adaption, and Design, in: Harkness, Janet, (Hrsg.) (2010): Survey Methods in Multinational, Multiregional, and Multicultural Contexts, New Jersey, NJ, S. 117–140. Harkness, Janet A. (Hrsg.) (2010): Survey Methods in Multinational, Multiregional, and Multicultural Contexts, New Jersey, NJ. Harrison, Graeme L., McKinnon, Jill L., Panchapakesan, Sarala, Leung, Mitzi (1994): The Inf luence of Culture on Organizational Design and Planning and Control in Australia and the United States Compared with Singapore and Hong Kong, in: Journal of International Financial Management and Accounting, Bd. 5, Nr. 3, S. 242–261. Harrison, Graeme L., McKinnon, Jill L. (1999): Cross-cultural research in management control systems design: a review of the current state, in: Accounting, Organizations and Society, Bd. 24, Nr. 5-6, S. 483–506. Hárs, Endre (2001): Hybridität als Denk- und Auslegungsfigur. Homi K. Bhabhas theoretisches Engagement, Vortrag zum Workshop »Ethnische Identität, Nation & innere Kolonisierung. Neue Methoden zu einer kulturwissenschaftlichen Erforschung der Habsburger Monarchie und ihrer Literatur/ en (1867-1918)« am 14./15.12.2001, Universität Antwerpen. Hartmann, Peter (1999): Lebensstilforschung. Darstellung, Kritik und Weiterentwicklung, Opladen. Hauck, Gerhard (2006): Kultur. Zur Karriere eines sozialwissenschaftlichen Begriffs, Münster. Hennig, Marina (1999): Wandel von Einstellungen und Werten unter dem Aspekt des Autoritarismus deutscher Eltern im Zeitvergleich, Dissertation an der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität, Berlin. Hochschild, Michael (2009): Jenseits der Voltairomania. Über die neue Gedächtnisschleife des französischen Laizismus, in: Kranemann, Benedikt; Wijlens, Myriam (Hrsg.): Religion und Laicité in Frankreich. Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven, Erfurt, S. 95–108. Hofstede, Geert (1979): Introduction: from 1878 to 2028, in: Ders. (Hrsg.): Futures for work. A book of original readings, Den Haag, S. 1–10.

263

264

Nationalkultur versus Berufskultur

Hofstede, Geert (Hrsg.) (1979): Futures for work. A book of original readings, Den Haag. Hofstede, Geert (1980a): Motivation, Leadership, and Organization: Do American Theories Apply Abroad?, in: Organizational Dynamics (Summer), S. 42–66. Hofstede, Geert (1980b): Culture’s consequences: International differences in work-related values, 1. Auf l, Beverly Hills, CA. Hofstede, Geert (1998a): Masculinity and Femininity as a Dimension of Culture, in: Ders. (Hrsg.): Masculinity and Femininity: the taboo dimension of national cultures, Thousand Oaks, CA, S. 3–28. Hofstede, Geert (1998b): The cultural construction of gender, in: Ders. (Hrsg.): Masculinity and Femininity. The Taboo Dimension of National Cultures, Thousand Oaks, CA, S. 77–105. Hofstede, Geert (1998c): Comparative Studies of Sexual Behavior: Sex as Achievement or as Relationship?, in: Ders. (Hrsg.): Masculinity and Femininity: the taboo dimension of national cultures, Thousand Oaks, CA, S. 153–178. Hofstede, Geert (1998d): Religion, Masculinity and Sex, in: Ders. (Hrsg.): Masculinity and Femininity. The Taboo Dimension of National Cultures, Thousand Oaks, CA, S. 192–209. Hofstede, Geert (Hrsg.) (1998): Masculinity and Femininity: the Taboo Dimension of National Cultures, Thousand Oaks, CA. Hofstede, Geert (2002): Dimensions do not exist: A reply to Brendan McSweeney, in: Human Relations, Bd. 55, Nr. 11, S. 1–8. Hofstede, Geert, Hofstede, Gert Jan (2005): Cultures and Organizations. Software of the Mind, New York, NY. Hofstede, Geert (2007): Der kulturelle Kontext psychologischer Prozesse, in: Trommsdorff, Gisela, Kornadt, Hans-Joachim (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 1, Theorien und Methoden der kulturvergleichenden Psychologie, Göttingen, S. 385–406. Hofstede, Geert (2009): Culture’s Consequences. Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organizations Across Nations, 2. Auf l., Thousand Oaks, CA. Hofstede, Geert (2011): Dimensionalizing Cultures: The Hofstede Model in Context, in: Online Readings in Psychology and Culture, Unit 2, http:// scholarworks.gvsu.edu/orpc/vol2/iss1/8, Zugriff 18.01.2013. Hofstede, Geert, Garibaldi de Hilal, Adriana V., Malvezzi, Sigmar, Tanure, Betania, Vinken, Henk (2010): Comparing Regional Cultures Within a Country: Lessons From Brazil, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 41, Nr. 3, S. 336–354. Hofstede, Geert, Kraut, Allen I., Simonetti, S.H (1976): The development of a core attitude survey questionnaire for international use, Working Paper 76-17, European Institute for Advanced Studies in Management, Brüssel.

D Literatur verzeichnis

Hoppe, Michael H. (1993): The effects of national culture on the theory and practice of managing R&D professionals abroad, in: R&D Management, Bd. 23, Nr. 4, S. 313–325. Hradil, Stefan (2001): Soziale Ungleichheit in Deutschland, Opladen. Hradil, Stefan (2004): Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich, Wiesbaden. Huber, Stefan (2009): Der Religionsmonitor 2008. Strukturierende Prinzipien, operationale Konstrukte, Auswertungsstrategien, in: Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Woran glaubt die Welt? Analysen und Kommentare zum Religionsmonitor 2008, Gütersloh, S. 17–52. Huo, Y. Paul, Randall, Donna M. (1991): Exploring subcultural differences in Hofstede’s value survey: The case of the Chinese, in: Asia Pacific Journal of Management, Bd. 8, Nr. 2, S. 159–173. Huth, Radoslaw, Weishaupt, Horst (2009): Bildung und hochkulturelle Freizeitaktivitäten, in: Journal for Educational Research Online, Bd. 1, Nr. 1, S. 224–240. Inglehart, Ronald (1989): Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt. Wertwandel in der westlichen Welt, Frankfurt am Main. Inkeles, Alex, Levinson, Daniel J. (1997): National Character. A Psycho-Social Perspective, New Brunswick, New Jersey, NJ. Inkeles, Alex (1988): National Character Revisited, Unpublished paper, Working Group Social Reporting, Berlin, S. 89–103. Jahoda, G., Krewer, B. (1997): History of Cross-Cultural and Cultural Psychology, in:, John W., Poortinga, Ype H.,Pandey, Janak (Hrsg.): Handbook of Cross-Cultural Psychology, Theory and Method, Boston, MA, S. 1–42. Janzer, Alexander (2007): Kulturwissenschaftliche Probleme internationaler Managementforschung, in: Interculture Journal, Bd. 6, Nr. 5, S. 21–38. Johnson, Timothy P. (1998): Approaches to equivalence in cross-cultural and cross-national survey research, in: Harkness, Janet (Hrsg.): Cross-cultural survey equivalence, ZUMA Nachrichten Spezial, Bd. 3, Mannheim, S. 1–40. Jones, Michael (2007): Hofstede -Culturally Questionable?, Vortrag auf der Oxford Business & Economics Conference am 24.06.2007, Universität Oxford. Jones, Michael, Alony, Irit (2007): The Cultural Impact of Information Systems – Through the Eyes of Hofstede – A Critical Journey, in: Issues in Informing Science and Information Technology, Bd. 4, S. 407-419. Jowell, Roger, Roberts, Caroline, Fitzgerald, Rory, Eva, Gillian (Hrsg.) (2007): Measuring attitudes cross-nationally. Lessons from the European Social Survey, Los Angeles, CA. Kaelble, Hartmut (1991): Nachbarn am Rhein. Entfremdung und Annäherung der französischen und deutschen Gesellschaft seit 1880, München: Verlag C. H. Beck.

265

266

Nationalkultur versus Berufskultur

Kaelble, Hartmut, Schriewer, Jürgen (Hrsg.) (2003): Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main. Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (2007): Möglichkeiten und Grenzen der Kulturstandardmethode, in: Thomas, Alexander (Hrsg.): Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen, S. 19–23. Kirchhoff, Sabine, Kuhnt, Sonja, Lipp, Peter, Schlawin, Siegfried (2010): Der Fragebogen. Datenbasis, Konstruktion und Auswertung, Wiesbaden. Kluckhohn, Clyde (1962): Universal categories of culture, in: Tax, S. (Hrsg.): Anthropology today: Selections, Chicago, S. 304–320. Kohn, Melvin L. (1977): Class and Conformity. A Study in Values, Chicago. Kohn, Melvin L. (1981a): Soziale Schichtung und die Eltern-Kind-Beziehungen: eine Interpretation. in: Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart, S. 17–32. Kohn, Melvin L. (1981b): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung: ein Bezugsrahmen, in: Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart, S. 203–236. Kohn, Melvin L., Pearlin, Leonard I. (1981): Soziale Schichtung, Beruf und elterliche Wertvorstellungen im internationalen Vergleich, in: Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart, S. 33–58. Kohn, Melvin L., Schooler, Carmi (1981): Die wechselseitigen Einf lüsse von inhaltlicher Komplexität der Arbeit und geistiger Beweglichkeit im Langzeitvergleich, in: Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart, S. 172–202. Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.) (1981): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart. Kondo, Dorinne K. (1990): Crafting selves: Power, Gender, and Discourses of Identity in a Japanese Work-place, Chicago. Kolboom, Ingo; Kotschi, Thomas; Reichel, Edward (Hrsg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis, Berlin. Korff, Rüdiger (2009): Interkulturalität oder Alltagsleben: Empirische Implikationen theoretischer Perspektiven, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 10, S. 35–44. Korman, Abraham K. (1985): Review of ›Culture’s Consequences: International differences in work-related values‹, in: Journal of Occupational Behaviour, Bd. 6, Nr. 3, S. 243 f. Kranemann, Benedikt; Wijlens, Myriam (Hrsg.) (2009): Religion und Laicité in Frankreich. Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven, Erfurt.

D Literatur verzeichnis

Krechel, Hans-Ludwig (Hrsg.) (2005): Mehrsprachiger Fachunterricht in Ländern Europas, Tübingen. Kreckel, Reinhard (1983) (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen. Krewer, Bernd (2003): Kulturstandards als Mittel der Selbst- und Fremdref lexion in interkulturellen Begegnungen, in: Thomas, Alexander (Hrsg.): Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen, S. 147–164. Kroeber, A.L., Kluckhohn, C. (1952): Culture: a critical review of concepts and definitions, Papers of the Peabody Museum of American Archaeology and Ethnology, Bd. 47, Nr. 1, Cambridge, MA. Kuhn, Bärbel, Pitz, Martina, Schorr, Andreas (Hrsg.) (2007): «Grenzen« ohne Fächergrenzen, St. Ingbert. Lambert, William Wilson, Triandis, Harry C. (Hrsg.) (1980): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Perspectives, Boston, MA. Leung, Kwok, Bond, Michael Harris (1989): On the empirical identification of dimensions for cross-cultural comparisons, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 20, Nr. 2, S. 133–151. Lienert, Gustav Adolf, Raatz, Ulrich (1998): Testauf bau und Testanalyse, Weinheim. Little, Todd D. (2000): On the comparability of constructs in cross-cultural research. A Critique of Cheung and Rensvold, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 31, Nr. 12, S. 213–219. Litvin, Stephen W., Crotts, John C., Hefner, Frank L. (2004): Cross-cultural tourist behaviour: a replication and extension invloving Hofstede’s uncertainty avoidance dimension, in: International Journal of Tourism Research, Bd. 6, Nr.1, S. 29–37. Loch, Alexander; Seidel, Gerhard (2007): Interkulturelle Entwicklungszusammenarbeit, in: Alexander, Thomas, Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen, S. 309-318. Lonner, W. J., Dinnel, D. L., Hayes, S. A., Sattler, D. N. (Hrsg.) (2002): Online Readings in Psychology and Culture, Unit 2, Kapitel 6, Washington, WA. Lowe, Sid (1996): Hermes Revisited: A Replication of Hofstede’s Study in Hong Kong and the UK, in: Asia Pacific Business Review, Bd. 2, Nr. 3, S. 101–119. Lüscher, Kurt (1981): Theorie durch Forschung: Zu Melvin Kohns Analyse von Persönlichkeit, Beruf und sozialer Schichtung, in: Kohn, Melvin L., Lüscher, Kurt (Hrsg.): Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, Stuttgart, S. 7–16. Lüsebrink, Hans-Jürgen (2000): Einführung in die Landeskunde Frankreichs. Wirtschaft – Gesellschaft – Staat – Kultur – Mentalitäten, Stuttgart. Malinowski, Bronislaw (1944): A Scientific Theory of Culture and Others Essays, Chapel Hill, NC.

267

268

Nationalkultur versus Berufskultur

Marshall Matthews, Barbara (2000): The Chinese Value Survey: An interpretation of value scales and consideration of some preliminary results, in: International Education Journal, Bd. 1, Nr. 2, S. 117–126. Mau, Steffen, Büttner, Sebastian (2009): Horizontale Europäisierung und europäische Integration, in: Eigmüller, Monika (Hrsg.): Gesellschaftstheorie und Europapolitik. Sozialwissenschaftliche Ansätze zur Europaforschung, Wiesbaden, S. 274–320. Mau, Steffen, Verwiebe, Roland (2009): Die Sozialstruktur Europas, Konstanz. Maznevski, Martha L., DiStefano, Joseph J., Gomez, Carolina B., Noorderhaven, Niels G., Wu, Pei-Chuan (2002): Cultural Dimensions at the Individual Level of Analysis. The Cultural Orientations Framework, in: International Journal of Cross-Cultural Management, Bd. 3, Nr. 2, S. 275–295. McSweeney, Brendan (2002a): The Essentials of Scholarship: A Reply to Geert Hofstede, in: Human Relations, Bd. 55, Nr. 11, S. 1363–1372. McSweeney, Brendan (2002b): Hofstede’s model of national cultural differences and their consequences: A triumph of faith – a failure of analysis, in: Human Relations, Bd. 55, Nr.1, S. 89–118. Mead, Margaret (1946): Und haltet Euer Pulver trocken, München. Merritt, Ashleigh (2000): Culture in the Cockpit: Do Hofstede’s Dimensions Replicate?, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 31, N r. 3, S. 283–301. Merritt, Ashleigh, Helmreich, Robert L. (1996): Human factors on the f light deck: The inf luence of national culture, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 27, Nr. 1, S. 5–24. Mick, D. G. (1996): Are studies of dark side variables confounded by socially desirable responding? The case of materialism, in: Journal of Consumer Research, Bd. 23, Nr. 2, 106-119. Monk, Timothy H., Tepas, Donald I. (1985): Shift Work, in: Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester, S. 65–84. Moosmüller, Alois (2010): Kulturelle und Interkulturelle Kommunikation in der Ethnologie, in: Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau, S. 193–231. Myers, Michael D., Tan, Felix B. (2002): Beyond Models of National Culture in Information Systems Research, in: Journal of Global Information Management, Bd. 10, Nr. 1, S. 24–32. Nakata, Cheryl (2009b): Ref lexive Considerations of Culture Theories in Global Marketing, in: Ders. (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 247–277. Nakata, Cheryl (Hrsg.) (2009): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke.

D Literatur verzeichnis

Nanhekhan, R. (1990): Cultuurverschillen gemeten: aanknopingspunten voor wederzijds begrip tussen Nederlands en Surinamers op de werkvloer, Masterarbeit, Universität Amsterdam. Nasierowski, Wojciech, Mikula, Bogusz (1998): Culture Dimensions of Polish Managers: Hofstede’s Indices, in: Organization Studies, Bd. 19, Nr. 3, S. 495–509. Nasif, Ercan G., Al-Daeaj, Hamad, Ebrahimi, Bahman, Thibodeaux, Mary S. (1991): Methodological Problems in Cross-Cultural Research: An Updated Review, in: Management International Review, Bd. 31, Nr. 1, S. 79–91. OECD – The Organisation for Economic Co-operation and Development (2008): Education at a Glance 2008. OECD indicators, http://www.oecd.org/education/highereducationandadultlearning/41284038.pdf, Zugriff: 24.01.2013. Orlovius, Anita, Zeutschel, Ulrich (1991): Wie praktisch sind Kulturstandards?, in: Thomas, Alexander (Hrsg.): Kulturstandards in der internationalen Begegnung, Saarbrücken, S. 161–173. Östberg, Olov, Nilsson, Carina (1985): Emering Technology and Stress, in: Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester, S. 149–166. Paulhus, D. L. (1991): Measurement and control of response bias, in: Robinson, J.P., Shaver, P.R., Wrightsman, L.S. (Hrsg.): Measures of personality and social psychological attitudes, Bd. 1, San Diego, CA, S. 17-59. Peter, Richard (1991): Beruf liche Belastungen, Belastungsbewältigung und koronares Risiko bei Industriearbeitern, Münster und Hamburg. Picht, Robert (2002): Kulturpolitik und Bildungswesenin Frankreich, in: Kolboom, Ingo; Kotschi, Thomas; Reichel, Edward (Hrsg.): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis, Berlin, S. 519-524. Pickel, Gert (2011): Religionssoziologie. Eine Einführung in zentrale Themenbereiche, Wiesbaden. Pika, Simone, Nicoladis, Elena, Marentette, Paula (2009): How to Order a Beer: Cultural Differences in the Use of Conventional Gestures for Numbers, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 40, Nr. 1, S. 70-80. Presser, S., Couper, M. P., Lessler, J. T., Martin, E., Martin, J., Rothgeb, J. M., Singer, E. (2004): Methods for Testing and Evaluating Survey Questions, in: Public Opinion Quarterly, Bd. 68, Nr. 1, S. 109–130. Preyer, Gerhard (2010): Max Webers Religionssoziologie. Eine Neubewertung, Frankfurt am Main. Raab-Steiner, Elisabeth, Benesch, Michael T. (2010): Der Fragebogen. Von der Forschungsidee zur SPSS-Auswertung, Stuttgart. Rathje, Stefanie (2009): The Definition of Culture: An application-oriented overhaul, in: Interculture Jornal, Bd. 8, Nr. 8, S. 35–58.

269

270

Nationalkultur versus Berufskultur

RECSM – Research and Expertise Centre for Survey Methodology (2013): www.sqp. nl, Barcelona, Zugriff 18.01.2013. Rehbein, Jochen (Hrsg.) (1985): Interkulturelle Kommunikation, Tübingen. Reis, Jack (1996): Inventar zur Messung der Ambiguitätstoleranz, Heidelberg. Reisch, Bernard (1991): Kulturstandards lernen und vermitteln, in: Thomas, Alexander (Hrsg.): Kulturstandards in der internationalen Begegnung, Saarbrücken, S. 71–101. Rippl, S., Seipel, C. (2008): Methoden kulturvergleichender Sozialforschung: eine Einführung, Wiesbaden. Robinson, J.P., Shaver, P.R., Wrightsman, L.S. (Hrsg.) (1991): Measures of personality and social psychological attitudes, Bd. 1, San Diego, CA. Röseberg, Dorothee (2001): Kulturwissenschaft Frankreich, Stuttgart. Roth, Hans Jakob (2013): Kultur, Raum und Zeit. Ansätze zu einer vergleichenden Kulturtheorie, Baden-Baden. Rothland, Martin (2007): Sind »faule Säcke« passé? Anmerkungen zur Ambivalenz der öffentlichen Beurteilung von Lehrerberuf, Lehrerhandeln und Lehrpersonen, in: Die Deutsche Schule 99, S. 175-191. Sahlins, Marshall (1981): Kultur und praktische Vernunft, Berlin. Sapir, Edward, Irvine, Judith J. (2002): The psychology of culture. A course of lectures, Berlin. Saris, Willem E., Gallhofer, Irmtraud N. (2007): Design, evaluation, and analysis of questionnaires for survey research, Hoboken, NJ. Saris, Willem E., Satorra, Albert, van der Veld, William M. (2009): Testing Structural Equation Models or Detection of Misspecifications?, in: Structural Equation Modeling: A Multidisciplinary Journal, Bd. 16, Nr. 4, S. 561–582. Scheffer, Jörg (2009a): Einleitung: Auf der Suche nach neuen Kulturträgern, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 8, S. 1–5. Scheffer, Jörg (2009b): Entgrenzung durch neue Grenzen: Zur Pluralisierung von Kultur, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 8, S. 19–33. Scheffer, Jörg (2009c): Gefangen im Container – Kulturvergleiche und ihre räumliche Vorbestimmung am Beispiel des Films «Willkommen bei den Sch’tis«, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 10, S. 19–33. Scheffer, Jörg (2010): Kulturgeographie als Geographie der Kultur, in: Barmeyer, Christoph I., Genkova, Petia, Scheffer, Jörg (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation und Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Wissenschaftsdisziplinen, Kulturräume, Passau, S. 233–250. Schild, Joachim, Uterwedde, Henrik (2006): Frankreich. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Wiesbaden. Schlingensiepen, Karina, Trempler, Kati, Ringeisen, Tobias (2009): Die kontextspezifische Erfassung kultureller Profile nach Hofstede, in: Interculture Journal, Bd. 8, Nr. 9, S. 45–69.

D Literatur verzeichnis

Schmidt, Siegfried J. (2012): Dichotomisierung – ein fatales Instrument der Komplexitätsreduktion, in: Tschernokoshewa, Elka (Hrsg.): Hybride Welten (4), i.E. Schroll-Machl, Sylvia (2007a): Deutschland, in: Thomas, Alexander, Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen, S. 72–89. Schroll-Machl, Sylvia (2007b): Die Deutschen – wir Deutsche. Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben, Göttingen. Schröder, Bernd (2009): ›Religion‹ als Gegenstand schulischer Bildung? Konzeptionen und Erfahrungen aus Deutschland, in: Schröder, Bernd, Kraus, Wolfgang (Hrsg.): Religion im öffentlichen Raum / La Religion dans l’espcae public. Deutsche und französische Perspektiven. Perspectives allemandes et françaises, Jahrbuch des Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes, Band 8 (2008), Bielefeld, S. 89-106. Schröder, Bernd, Kraus, Wolfgang (2009) (Hrsg.): Religion im öffentlichen Raum / La Religion dans l’espcae public. Deutsche und französische Perspektiven. Perspectives allemandes et françaises, Jahrbuch des Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes, Band 8 (2008), Bielefeld. Smith, Michael J. (1985): Machine-paced Work and Stress, in: Cooper, Cary L., Smith, Michael J. (Hrsg.): Job Stress and Blue Collar Work, Chichester, S. 51–64. Smith, Peter B. (2004): Acquiescent Response Bias as an Aspect of Cultural Communication Style, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 35, Nr. 1, S. 50–61. Smith, Peter B., Schwartz, Shalom H. (1997): Values, in: Berry, John W., Segall, Marshall H., Kagitcibasi, Cigdem (Hrsg.): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Social Behavior and Applications, Boston, MA, S. 77–118. Søndergaard, Mikael (1994): Research Note: Hofstede’s Consequences: A Study of Reviews, Citations and Replications, in: Organization Studies, Bd. 15, Nr. 3, S. 447–456. Sorokowski, Piotr, Szmajke, Andrzej, Sorokowska, Agnieszka et al. (2011): Attractiveness of Leg Length, Report from 27 Nations, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 42, Nr. 1, S. 131–139. Statista GmbH (2013): http://de.statista.com/statistik/lexikon/definition/112/ regression/, Hamburg, Zugriff 18.01.2013. Stenger, Marc (2009): Laicité und ihre Bedeutung für die Verfassung Europas, in: Kranemann, Benedikt; Wijlens, Myriam (Hrsg.): Religion und Laicité in Frankreich. Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven, Erfurt, S. 69–78. Stolz, Jörg (2000): Soziologie der Fremdenfeindlichkeit. Theoretische und empirische Analysen, Frankfurt am Main.

271

272

Nationalkultur versus Berufskultur

Streeck, Jürgen (1985): Kulturelle Kodes und ethnische Grenzen. Drei Theorien über Fehlschläge in der interethnischen Kommunikation, in: Rehbein, Jochen (Hrsg.): Interkulturelle Kommuni­k ation, Tübingen, S. 103–120. Swami, Viren, Henderson, Grant, Custance, Deborah, Tovée, Martin J. (2011): A Cross-Cultural Investigation of Men’s Judgements of Female Body Weight in Britain and Indonesia, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 42, Nr. 1, S. 140–145. Taras, Vasyl, Steel, Piers (2009): Beyond Hofstede: Challenging the Ten Commandments of Cross-Cultural Research, in: Nakata, Cheryl (Hrsg.): Beyond Hofstede. Culture frameworks for global marketing and management, Basingstoke, S. 40–60. Tax, S. (Hrsg.) (1962): Anthropology today: Selections, Chicago. Terhart, Edward (Hrsg.) (1991): Unterrichten als Beruf. Neuere amerikanische und englische Arbeiten zur Berufskultur und Berufsbiographie von Lehrern und Lehrerinnen, Köln und Wien. Thomas, Alexander (1991): Einleitung, in: Ders. (Hrsg.): Kulturstandards in der internationalen Begegnung, Saarbrücken, S. 5–12. Thomas, Alexander (Hrsg.) (1991): Kulturstandards in der internationalen Begegnung, Saarbrücken. Thomas, Alexander (Hrsg.) (2003): Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen. Thomas, Alexander (2007a): Einführung, in: Thomas, Alexander, Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen, S. 9–16. Thomas, Alexander (2007b): Vorwort, in: Alexander, Thomas, Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen, S. 7–8. Thomas, Alexander, Kammhuber, Stefan, Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.) (2007): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen. Thomas, Johannes (2002): Laizität, Integration, Islam in Frankreich, in: Kolboom, Ingo; Kotschi, Thomas; Reichel, Edward (Hrsg.): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur, Kultur, Gesellschaft. Für Studium, Lehre, Praxis, Berlin, S. 515–519. Triandis, Harry C. (1980a): Foreword, in: Berry, John W., Dasen, Pierre R., Saraswathi, T.S. (Hrsg.): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Basic Processes and Human Development, S. ix f. Triandis, Harry C. (1980b): Introduction to Handbook of Cross-Cultural Psychology, in: Lambert, Harry C., Triandis, William Wilson (Hrsg.): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Perspectives, Boston, MA, S. 1–14.

D Literatur verzeichnis

Triandis, Harry C. (1990): Theoretical Concepts That Are Applicable to the Analysis of Ethnocentrism, in: Brislin, Richard W. (Hrsg.): Applied Cross-Cultural Psychology. Cross-Cultural Research and Methodology Series, Beverly Hills, CA, S. 34–56. Trommsdorff, Gisela, Kornadt, Hans-Joachim (Hrsg.) (2007): Theorien und Methoden der kulturvergleichenden Psychologie, Bd. 1, Göttingen. Tschernokoshewa, Elka (2012): Das Reine und das Vermischte – Wege und Irrwege zu einer hybridologischen Perspektive in der Lausitz, in: Ders. (Hrsg.): Hybride Welten, Nr. 4, Münster, i. E. Tschernokoshewa, Elka (Hrsg.) (2012): Hybride Welten, Nr. 4, Münster, i. E. Tylor, Edward B. (1920, resp. 1871): Primitive Culture. Researches into the Development of Mythology, Philosophy, Religion, Language, Art, and Custom, 1. Bd., London. Usunier, Jean-Claude, Lee, Julie (2005): Marketing Across Cultures, Harlow und New York, NY. Van de Vijver, Fons J.R. (2002): Types of cross-cultural studies in cross-cultural psychology, in: Lonner, W. J., Dinnel, D. L., Hayes, S. A., Sattler, D. N. (Hrsg.): Online Readings in Psychology and Culture, Unit 2, Kapitel 6, Washington, WA. Van de Vijver, Fons J.R., Leung, Kwok (1997): Methods and Data Analysis of Comparative Research, in: Berry, John W., Poortinga, Ype H.,Pandey, Janak (Hrsg.): Handbook of Cross-Cultural Psychology. Theory and Method, Boston, MA, S. 257–300. Van de Vijver, Fons J.R. (1998): Towards a Theory of Bias and Equivalence, in: Harkness, Janet (Hrsg.): ZUMA Nachrichten Spezial Nr. 3, S. 41–65. Van de Vijver, Fons J.R, Leung, Kwok (2001): Personality in Cultural Context Methodological Issues, in: Journal of Personality, Bd. 69, Nr. 6, S. 1007–1031. Van der Veld, William M. (2009): Assessing cross-national measurement equivalence with JRule. An illustration using the ESS’s trust-in-people scale, Vortrag zum Workshop WP11 «Methodological Challenges in Cross-National Participation Research« am 16.01.2009, Den Haag. Van Herk, Hester, Poortinga, Ype H., Verhallen, Theo M. M. (2004): Response Styles in Rating Scales. Evidence of Method Bias in Data From Six EU Countries, in: Journal of Cross-Cultural Psychology, Bd. 35, Nr. 3, S. 346–360. Wahrlich, Heide (1991): Wortlose Sprache – Verständnis und Mißverständnis im Kulturkontakt, in: Thomas, Alexander (Hrsg.): Kulturstandards in der internationalen Begegnung, Saarbrücken, S. 13–39. Wasmer, Martina, Koch, Achim, Harkness, Janet, Gabler, Siegfried (1996): Konzeption und Durchführung der «Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften« (ALLBUS) 1996, ZUMA-Arbeitsbericht 96/08, Mannheim.

273

274

Nationalkultur versus Berufskultur

Weber, Max (1985): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen. Weber, Wiebke (2011): Testing for measurement equivalence of individuals’ left-right orientation, in: Survey Research Methods, Bd. 5, Nr. 1, S. 1–10. Weber-Menges, Sonja (2004): «Arbeiterklasse« oder Arbeitnehmer? Vergleichende empirische Untersuchung zu Soziallage, Lebenschancen und Lebensstilen von Arbeitern und Angestellten in Industriebetrieben, Wiesbaden. Welsch, Wolfgang (1987): Unsere postmoderne Moderne, Weinheim. Welsch, Wolfgang (1991): Postmoderne -. Pluralität als ethischer und politischer Wert, in: Albertz, Jörg (Hrsg.): Auf klärung und Postmoderne. 200 Jahre nach der französischen Revolution das Ende aller Auf klärung?, Berlin, S. 9–44. Welsch, Wolfgang (1995): Transkulturalität, in: Zeitschrift für Kulturaustausch, Bd. 45, Nr. 1, S. 39–44. Welsch, Wolfgang (2009): Was ist eigentlich Transkulturalität?, in: Darowska, Lucyna, Machold, Claudia (Hrsg.): Hochschule als transkultureller Raum? Beiträge zu Kultur, Bildung und Differenz, Bielefeld. Westwood, Robert G., Everett, James E. (1987): Culture’s consequences: A methodology for comparative management studies in Southeast Asia?, in: Asia Pacific Journal of Management, Bd. 4, Nr. 3, S. 187–202. Widavsky, Aaron (1989): Frames of Reference Come from Cultures: A Predictive Theory, in: Freilich, Morris (Hrsg.): The Relevance of Culture, New York, NY, S. 58–74. Wiggins, Jerry S. (1996) (Hrsg.): The Five-Factor Model of Personality. Theoretical Perspectives, New York, NY. Willis, Gordon B., Stapleton Kudela, Martha, Levin, Kerry, Norberg, Alicia, Stark, Debra S., Forsyth, Barbara H., Dean Brick, Pat, Berrigan, David, Thompson, Frances E., Lawrence, Deirdre, Hartmann, Anne M. (2010): Evaluation of a Multistep Survey Translation Process, in: Harkness, Janet A. (Hrsg.): Survey methods in multinational, multiregional, and multicultural contexts, Hoboken, N.J, S. 141–156. Wirtschaftslexikon24 (2013): http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/regressions analyse/regressionsanalyse.htm, Bogota, Zugriff 18.01.2013. Wolf, Christof (1995): Sozio-ökonomischer Status und beruf liches Prestige. Ein kleines Kompendium sozialwissenschaftlicher Skalen auf Basis der beruf lichen Stellung und Tätigkeit, in: ZUMA-Nachrichten, Bd. 19, Nr. 37, Mannheim, S. 102–136. Wolff, Stephan (2008): Clifford Geertz, in: Flick, Uwe, von Kardorff, Ernst, Steinke, Ines (Hrsg.): Qualitative Sozialforschung. Ein Handbuch, Reinbek bei Hamburg, S. 84–96. Wüpper, Gesche (2013): Als der Tod über Frankreichs Industrie kam, in: Die Welt, http://www.welt.de/wirtschaft/article113398546/Als-der-Tod-ueber Frankreichs-Industrie-kam.html, Zugriff: 07.02.2013.

D Literatur verzeichnis

Zinnbauer, Markus, Eberl, Markus (2004): Die Überprüfung von Spezifikation und Güte von Strukturgleichungsmodellen: Verfahren und Anwendung, in: Schriften zur Empirischen Forschung und Quantitativen Unternehmensplanung, Nr. 21, Ludwig-Maximilians-Universität München.

275

Kultur und Kollektiv Ana-Lucia Baldauf Geschäftsleute unter sich Die Internationalität der Business Culture Oktober 2015, ca. 300 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3213-2

Daniel Falb Kollektivitäten Population und Netzwerk als Figurationen der Vielheit April 2015, 410 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3099-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de