Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen 9783110511208, 9783828205826


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German Pages 222 [256] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Zusammenfassung
1. Einführung
2. Euro-Krisendynamik in 2010–12
3. Ansteckungsdynamik und Problematik einer Ausweitung der Euro-Krise
4. Probleme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter EU-Länder
5. Problematisches Krisenmanagement und Transatlantische Perspektiven zur Politik des Quantitative Easing
6. Ansatzpunkte zur Überwindung der Krise von 2012 und zur Stabilisierung der Beschäftigung in der EU
7. Politikoptionen: Wiederherstellung einer Normal- Euro-Phase oder Hinwendung zur Politischen Union?
8. Rolle der EZB bei der Überwindung der Euro-Krise
9. Euro-Staatsanleihen, Binnenmarktdynamik und Politische Union
10. Globale Fragen und EU-Entwicklungsperspektiven
Literatur
Anhang 1: EZB Analyse zum Reformbedarf
Anhang 2: ESM: Europäischer Stabilitätsmechanismus
Anhang 3: Deutsche Wiedervereinigung und Euro- Währungsunion
Anhang 4: Marktwert von Staatsschulden bei einem Haarschnitt
Anhang 5: Finanzmarktfragmentierung in der Eurozone, Aufholprozesse, Infrastruktur und Realkasse als Produktionsfaktoren
Anhang 6: Zur Größenordnung der Eurovorteile
Anhang 7: Einkommensmultiplikatoren im Wachs tumsmodell
Anhang 8: Auswahl der Euro-Starterländer
Anhang 9: Modelltheoretische Überlegungen zur Krisenanalyse
Anhang 10: Arbeitslosenstatistiken in den ausgewählt ten EU-Ländern
Anhang 11: Indikatorfunktion der „Echten Sparquote“ (nach Weltbank) und EllW-Vita-lndikator
Anhang 12: Budgetkonsolidierungsaspekte mit Blick auf den Einkommenssteuersatz und den Mehrwertsteuersatz
Anhang 13: Einkommenssteuersatz und Schuldenquote im Steady State
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Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen
 9783110511208, 9783828205826

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Paul J.J. Weifens Nachhaltige Überwindung der Eurokrise

Europäische Integration und Digitale Weltwirtschaft Herausgegeben von Paul J. J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) e.V. an der Bergischen Universität Wuppertal

Band 7: Nachhaltige Überwindung der Eurokrise Marktdynamik und Politikoptionen

Paul J. J. Weifens

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise Marktdynamik und Politikoptionen

®

Lucius & Lucius • Stuttgart -2013

Anschrift des Autors: Prof. Dr. Paul J.J. Weifens Europäisches Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) an der Bergischen Universität Wuppertal Rainer-Gruenter-Straße 21 42119 Wuppertal http://www.eiiw.eu

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 1868-0607 ISBN 978-3-8282-0582-6

© Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2013 Gerokstr. 51, 70184 Stuttgart www.luciusverlag.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Verarbeitung und Übermitdung in elektronischen Systemen.

Druck und Einband: Rosch-Buch, Scheßlitz Printed in Germany

Vorwort Die Eurozone ist seit 2010 in eine mehrjährige Krise geraten, bei der Echoeffekte der Transadantischen Bankenkrise und Staatsschuldenkrisen einiger Länder zusammenwirken — zudem gibt es Destabilisierungseffekte, die auch von den USA und z.T. von Großbritannien her auf die Währungsunion einwirken. Nachdem mit der EZB-Ankündigung vom 6.9.2012 zu einem veränderten neuen Anleihen-Ankaufsprogramm, der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum ESM am 12. September und der am selben Tag erfolgten Vorlage des EUBankenunionsvorschlages gewichtige Vorgaben für die Entwicklung des EuroRaumes in 2012 gegeben worden sind, kann man eine auf die neuartige Situation fokussierte Analyse der Euro-Krise vorlegen. Die Studie bringt wesentliche neue Einsichten zur Euro-Debatte und macht zugleich eine Reihe von Vorschlägen, wie die Euro-Krise nachhaltig zu überwinden ist. Dabei basieren die vorgetragenen Argumente auf relevanten ökonomischen Theorien und beachten grundlegende empirische Befunde (die Analyse ist teilweise eine Fortsetzung der Studie Die Zukunft des Euro, greift allerdings jüngste Entwicklungen auf und fokussiert auf die neuere Debatte). Die vorliegende Analyse bemüht sich um eine kritische Bestandsaufnahme und diskutiert notwendige und hinreichende Bedingungen für eine Überwindung der Eurokrise; dabei werden auch relevante Größenordnungen in Sachen Risiken der Krise angesprochen - bei differenzierter Ausleuchtung des Problemfeldes. Die Eurokrise, in die ja auch eine Schwäche Großbritanniens parallel hineinwirkt, ist aus vielen Gründen ein ernstes Problem, nicht zuletzt wegen der Vielzahl direkt und indirekt einbezogener Länder. Es versteht sich, dass alle Länder in Europa ein Interesse haben, die Krise zu überwinden bzw. nicht zuzulassen, dass sich durch weitere Krisenimpulse oder fehlende Politikreformen oder unzureichende Politikkooperation hieraus ein schwere Rezession und ggf. auch eine Integrationskrise neuer Art ergibt. Zu den Merkwürdigkeiten der Euro-Krise gehört, dass sie wegen der Vielzahl von Krisenländern — in 2010 zunächst nur Griechenland und Irland — als kompliziert erscheint und wegen der Dominanz des Krisenmanagements auf der Ebene des Europäischen Rates auch wirtschaftspolitisch kaum nachvollziehbar erscheint. Denn der Europäische Rat steht ja nicht für ein Entscheidungsgremium, dass sich einer parlamentarischen Debatte — sie bringt Transparenz und verdeutlicht Pro- und Kontra-Argumente bzw. Alternativen - stellen muss; abgesehen von fragmentierten nationalen Parlamenten, die aber einer institutionellen Übermacht eines auf einstimmige Beschlüsse hin orientierten Rates von 17 Staats- und Regierungschefs gegenüberstehen. Das Europäische Parlament bzw. die Europäische Kommission ist als Krisenakteur in den Jahren 2010-2012 sehr in den Hintergrund getreten. Zu den Sonderbarkeiten der Eurokrise gehört auch, dass in diesem Zeitraum eine enorme Zinsdifferenzierung nach Ländern — innerhalb der Eurozone —

VI • Paul J.J. Weifens

eingetreten ist, die man auf Basis herkömmlicher theoretischer Ansätze bzw. unter Bezug auf empirische Befunde nicht erklären kann. Es ist schon bedauerlich genug, dass mitten in der Krise keine klare Mehrheitsmeinung der Ökonomen zu den bevorzugten Handlungsoptionen besteht, hinzu kommen auch noch neue Phänomene, die schwierig zu erklären sind. Das Ansehen der Volkswirtschaftslehre hat unter der weithin unerwarteten Dynamik der Transatlantischen Bankenkrise und auch der Euro-Krise gelitten, aber keineswegs bedeutet dies, dass man keine vernünftige und treffende Analyse zu den wichtigen Fragen vorlegen kann. Es sei darauf verwiesen, dass dieser Autor bereits 2008 Kernelemente der Euro-Krise als Szenario formulierte — wie im Buch Transatlantische Bankenkrise (Anfang 2009 in dieser Reihe erschienen) nachzulesen ist. Im Übrigen werden einige Darlegungen und statistische Zusammenstellungen — gerade des Ifo-Institutes - hierin einer kritischen Analyse unterzogen, die mangelnde Solidität von Zahlenpräsentationen zu den Risiken der Euro-Krise aufzeigt und die Ifo-Einwände gegen Eurobonds als irreführend sowie Teile der Sinn-Argumente zur Euro-Krise als theoretisch inadäquat einstuft. Der Schwerpunkt der hier vorgelegten Gesamt-Analyse liegt in einer Bestandsaufnahme der Euro-Krisendynamik und der Ausleuchtung der erfolgten Politikneuerungen vor allem von Seiten der Europäischen Zentralbank und der Euro- bzw. EU-Gipfel. Zudem werden langfristige Reformvorschläge für die nationale und supranationale Ebene formuliert und schließlich die Interessen sowohl der ArbeitnehmerHaushalte wie der Unternehmen in der EU bzw. der Eurozone ausgeleuchtet. Der Kurs der EZB wird weitgehend als zielführend eingeordnet, das Krisenmanagement der Bundesregierung bzw. der Euro-Gipfel als in Teilen problematisch angesehen. Dabei erscheint als unbestreitbar, dass Deutschland Solidarität mit den Krisenländern gezeigt hat, aber man kann doch auch die Frage stellen, ob denn die Art der Maßnahmen und viele Verzögerungen nicht die Anpassungsrechnung für die Krisenländer und für Deutschland erhöht haben. Bei aller Eurokrisen-Politik bzw. der Hektik der politischen Akteure sollte man dennoch nicht übersehen, dass die Politik unverändert auch die Aufgabe hat, die strukturellen Problemfaktoren der Transatlantischen Bankenkrise unter anderem mit verbesserten Regulierungen anzugehen, denn die Eurokrise ist einerseits in Teilen ein Echoeffekt der Transatlantischen Bankenkrise und die in dieser Krise eingetretene starke Erhöhung der Schuldenquoten vieler OECD-Länder schwächt die Handlungs- und Widerstandskraft gerade auch vieler EU-Länder in der Eurokrise. Die Tatsache etwa, dass die Risikoprämien in den USA und der EU im Zeitraum 2004-2006 unnormal niedrig waren, hat natürlich eine sehr starke Expansion der Kreditnachfrage bzw. der Kreditvergabe auch in Europa begünstigt. Wenn die Bepreisung von Risiken nicht durch mehr Transparenz und bessere Regulierungen auf den Finanzmärkten vernünftig verbessert wird, dann könnten viele westliche Industrieländer schon bald in einer neuen Finanzmarktkrise stecken. Allerdings hat die Eurokrise natürlich auch eigenständige Krisenelemente,

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • VII

die teilweise jedoch in Teilen der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Die Frage nach strukturellen Krisenursachen und Verantwortlichkeiten ist zu stellen. Die Krise in Griechenland muss als besonders schwierige Herausforderung der Politik gelten, wobei das Land ohne Hilfe — auch technische Unterstützung im Reformprozess — kaum Aussichten auf mittelfristige Gesundung hat; Ansatzpunkte für eine Stabilisierung könnten sich in 2013/2014 ergeben. Andere Krisenländer der Eurozone sollten bei eigenen adäquaten Reforminitiativen selbst in der Lage sein, den Weg zurück zum Kapitalmarkt zu finden. Die Rückführung der hohen Schuldenquoten vieler OECD-Staaten ist mittel- und langfristig dringlich, aber zugleich ist zu betonen, dass die Ursachen der massiven Erhöhung der staatlichen Schuldenquoten im Zeitraum 2007-2011 sehr wesentlich in der Transatlantischen Bankenkrise liegen; und die Größenordnungen sind so, dass eine erhebliche Rückführung der Schuldenquoten vieler Länder Zeit braucht und dass eine unkoordinierte Parallelpolitik obendrein zusätzliche Risiken birgt. Bis Ende 2012 sind einige Reformschritte national und international vollzogen worden, aber eine Reihe von Reformerfordernissen ist unerledigt geblieben. Eine große Gefahr für die Eurozone bleibt das Risiko, dass ausgehend von einer denkbaren bonitätsmäßigen weiteren Herabstufung der USA die Ratings auch von Euro-Ländern herabgestuft werden und dann Spanien und Italien den Zugang zum Kapitalmarkt verlieren. Ähnliches kann geschehen, wenn unzureichende Konsolidierungen und Strukturreformen in der Eurozone selbst — oder eine Rezessionsverschärfung oder bestimmte negative externe Schocks — zu einer Welle von bonitätsmäßigen Herabstufungen für zahlreiche Euro-Länder führen; für eine Doppelkrise Spanien und Italien sind die verfügbaren Rettungsschirme EFSF und ESM zu klein, so dass es eine solche Krise zu vermeiden gilt. Grundsätzlich haben einige Euro-Länder bis 2013 absehbar schon sichtbare Konsolidierungsfortschritte erreicht und Konsolidierungsmaßnahmen umgesetzt, so dass die Eurozone mittelfristig stabilisiert werden kann; dabei bleibt ein schwieriger Sonderfall Griechenland, bei dessen Stabilisierung man die umfangreichen Privatisierungserfahrungen aus osteuropäischen Transformationsländern bislang nicht berücksichtigt hat. In Griechenland erfolgt eine recht einseitige Sanierung, bei der im Übrigen zu wenig auf institutionelle Reformen geachtet wird; mit Austeritätspolitik (allein) wird man das Land nicht stabilisieren können; wachstumspolitische Weichenstellungen sind unerlässlich. Der Faktor Kapital trägt wegen des sonderbar unergiebigen Steuersystems in Griechenland kaum zur Haushaltssanierung bei und hat sich offenbar auch früher einer fairen Verteilung der Steuerlasten häufig entziehen können. Zugleich ist fraglich, ob das Land ohne Marshall-Plan bzw. aktive Unterstützung der Partnerländer nachhaltig stabilisiert werden kann. Dass auch in Spanien und Portugal bei der Sanierung Rechtspositionen der Arbeitnehmerschaft unterminiert werden, ist problematisch. Die soziale Balance in der europäischen Sozialen Marktwirtschaft gilt es zu

VIII • Paul J.J. Weifens

erhalten. Dafür sind allerdings auch Strukturreformen notwendig; und gerade auch solche, die Wachstum bringen. Das institutionelle Gefüge der EU bzw. der Eurozone ist im Jahr 2012 widersprüchlich - wie von Seiten des IWF festgestellt wurde —, so dass schon von daher dringender institutioneller Reformbedarf besteht; ob die Politik eigentlich notwendige Schritte hin zu einer Euro-Politikunion gehen wird, bleibt abzuwarten. Kurzfristig ist dringlich, dass die Budgettransparenz der Euro-Länder erhöht wird, indem man einheitliche Software in den Finanzministerien aller EuroLänder einführt und der Europäischen Kommission vollständige Einsichtsmöglichkeiten gibt. Es gibt gewichtige Argumente für eine beschränkte und bedingte Einführung von Euro-Staatsanleihen, die nicht nur Zinsvorteile bringen, sondern vor allem den Banken in ihren Bilanzen zu einem praktisch risikolosen Aktivum verhelfen — besonders sinnvoll im Fall eines Austausches bestehender nationaler Euro-Anleihen durch Gemeinschaftsanleihen; von Seiten der Banken ist dann zu erwarten, dass eine erhöhte Kreditvergabe an die Unternehmen stattfindet, was ein wichtiger Impuls zur Überwindung der Rezessionstendenzen wäre. Die Währungsunion ist unverändert eine attraktive Institution - Lettland möchte 2014 beitreten. Wenn man die Kosten eines möglichen Zerfalls der Eurozone betrachtet, dann ergeben sich laut Analyse des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — im Sondergutachten 2012 — möglicherweise sehr hohe Kosten für Deutschland (25-50 % eines Jahres-Bruttoinlandsproduktes). Das Auseinanderbrechen der Eurozone gilt es daher zu verhindern. Die gelegentlich in der öffentlichen Diskussion aufgestellte Behauptung, dass die Eurozone ein ökonomischer Misserfolg per se ist, übersieht die Tatsache, dass die erste Euro-Dekade große ökonomische Erfolge brachte: niedrige Inflation, mehr neue Jobs als in den USA und anhaltendes Wachstum. Dass die nationale Fiskalpolitik bislang zu wenig koordiniert ist und die Neigung von Ländern besteht, zeitweise sehr hohe Defizitquoten zu realisieren, ist jedoch nicht zu übersehen. Daher bedarf es neuer und besserer Regeln in der Eurozone; solche sind bislang jedoch kaum verankert worden. Die Tatsache dass die Mitwirkung in der Eurozone in südlichen Euro-Ländern die Kreditkosten gesenkt hat, stimulierte nicht nur Investitionen, sondern auch einen erhöhten Konsum bzw. erhöhte Kreditaufnahme des privaten Sektors und selten ist es dem Staat gelungen, durch kluge Wirtschaftspolitik eine neue makroökonomische Balance zu halten: Mit einer nachhaltigen Verbindung von annäherndem Leistungsbilanzgleichgewicht — hier wären auch Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sinnvoll — und internem Gleichgewicht bzw. Herstellung von Vollbeschäftigung. In manchem Land hätte etwa eine rechtzeitige Erhöhung von Mehrwertsteuern und Innovationsförderung gerade jene Kombination von Konsumdämpfung und Wachstums- bzw. Wettbewerbsfähigkeitssteigerung erzeugen können, die angemessen gewesen wäre. In der komplizierten Phase der Transatlantischen Bankenkrise ist

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • IX

es der Politik in einzelnen Ländern erst Recht schwergefallen, optimale Maßnahmen zu ergreifen. Die Politikprobleme haben sich im Zeitraum 2007-2012 verkompliziert und zudem sind parallele Abschwungskräfte in mehreren Ländern gleichzeitig aufgetreten, was stabilitätspolitisch als Verschärfung der Lage anzusehen ist und eigentlich nach einer verstärkten makroökonomischen Koordinierung verlangt. Hier müssen sich die Eurozone bzw. die EU nun bewähren. Es ist wichtig, dass die EU die Herausforderung der Eurokrise erfolgreich annimmt und gerade Deutschland in der Zusammenarbeit mit den Partnern in Europa bzw. mit den internationalen Organisationen die Stabilisierung der Eurozone nachhaltig realisiert. Eine einseitige Stabilisierungspolitik zulasten der Arbeitnehmerschaft ist zu vermeiden. Was die bedingte neue EZB-Ankaufspolitik bei Staatsanleihen vom September 2012 angeht, so setzt sie konzeptionell aus ökonomischer Sicht eine bestimmte Form der Offenmarktpolitik einerseits um eine Standardoption der Geldpolitik seit jeher in OECD-Ländern; anderseits korrigiert sie tendenziell die unnormale Situation extremer Zinsunterschiede innerhalb der Eurozone (dabei steht der Fall Griechenland für einen Sonderfall). Dass die EZB relativ kurzlaufende Papiere mit einer Resdaufzeit von ein bis drei Jahren ankaufen will, ist vertretbar. Sofern die EZB nur einen Teil der im Sekundärmarkt umlaufenden Bestände an Anleihen aufkauft, wirken die Marktsignale im Primärmarkt weiter — der Staat zahlt auch weiterhin marktgerechte Zinszahlungen, wovon ein Teil an die Zentralbank geht. Die bedingte baldige Einführung von Eurobonds wäre wünschenswert als Basis für Quantitative Easing und um in den Bankbilanzen wieder ein risikofreies Aktivum zu haben sowie um Zinssenkungs- bzw. Zinsnormalisierungseffekte in der Eurozone zu erreichen. Für den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik sind von den Übertreibungen auf Finanzmärkten ausgelöste extreme Zinsunterschiede höchst problematisch. Eine optimale Koordination von Geld- und Fiskalpolitik erfordert faktisch, dass Staatsaufgaben und -ausgaben stärker auf die supranationale Politikebene verschoben werden, und zwar ohne Anstieg der Staatsverbrauchsquote insgesamt. Im Rahmen einer Euro-Politikunion könnte mittelfristig die Währungsunion nachhaltig solide umgesetzt werden. Auf G20-Ebene gibt es im Übrigen Reformdefizite in Sachen Bankenkrise. Mit den Beschlüssen der Bundesregierung vom 30. November 2012 in Sachen Griechenland ist deutlich geworden, dass es im Zuge eines Zins Verzichtes und wegen der gewährten Laufzeitenverlängerung zu einer Belastung auch des Bundeshaushaltes kommen wird; dass die Griechenland-Sanierung einen Preis verlangt, war ohnehin seit 2010 schon offensichtlich. Allerdings hätte der Preis für die Steuerzahler in Deutschland viel geringer sein können, wenn man denn in vernünftigem Rahmen (Kernbereiche der Daseinsvorsorge außen vorlassend) schon im Frühjahr 2010 in Verbindung mit dem ersten Kreditprogramm für Griechenland eine umfassende Privatisierung organisiert hätte — natürlich auch mit Unterstützung einschlägig erfahrener osteuropäischer Länder, Vertretern der

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Treuhandanstalt aus Deutschland und den mit großer Erfahrung ausgestatteten Experten der „Osteuropa-Bank" EBRD in London. Diese Chance hat man sonderbarerweise verpasst, bei Griechenland hat man auch nach drei Jahre Krisenmanagement wenig Fortschritt bei der Schuldenquote erreicht, selbst wenn das angedachte Rückkaufsprogramm eine Schuldenreduzierung um die geplanten 30 Mrd. — bei einem Kapitaleinsatz von rund 10 Mrd. € - bringt, so wird die Schuldenquote Ende 2012 noch bei etwa 160% sein und die EU-Prognose beim Wirtschaftswachstum lässt für 2013 neue politisch-ökonomische Instabilität in Griechenland erwarten: 4,2% Schrumpfung des realen Bruttoinlandsproduktes werden von der EU prognostiziert, so dass dann bis Ende 2013 der über sechs Rezessionsjahre kumulierte Rückgang beim Realeinkommen rund 25% ausmachen wird; die Arbeitslosenquote dürfte auf 30% steigen, die Jugendarbeitslosenquote auf 60%. Das sind untragbare Zustände, es ist unverständlich, dass die EU bzw. die Euro-Länder nicht Mittel mobilisieren, um über eine Investitionsförderung — eben eine Art Marshall-Plan - neue Jobs in Griechenland zu schaffen und Wirtschaftswachstum schon in 2013 zu erreichen. Es ist gänzlich unvernünftig, dass man in einem EU-Land 1/3 der Bevölkerung ohne Arbeit lässt bzw. so viele Menschen nicht ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können. Dass man ein Land ins sechste Rezessionsjahr hintereinander laufen lässt, markiert einen bedenklichen historischen Rekord für Industrieländer. Wenn man bedenkt, dass schon in der EZB-Bankenumfrage vom Frühjahr 2012 25% der Unternehmen in Griechenland erklärten, dass Kreditanträge abgelehnt wurden (14% im Herbst 2011), dann muss bei Verschärfung dieser Tendenz davon ausgegangen werden, dass viele Investitions- und Wachstumsprognosen für Griechenland für 2013 zu optimistisch sind. Ein Griechenland-Konkurs und auch ein Austreten des Landes aus der Eurozone sind weiter nicht ausgeschlossen. Wenn man endlich geeignete Maßnahmen ergriffe, dann könnte man die Probleme der Eurozone in wenigen Jahren überwinden; bei Griechenland wird allerdings eine längere Anpassungszeit erforderlich sein. Welche Dynamik in der Euro-Krise wirkt und welche Politikoptionen besonders vielversprechend sind, wird im Weiteren analysiert. Die Vorteile einer Euro-Politikunion könnten im Übrigen erheblich sein, aber ohne einen Nutzengewinn wird man seitens der Politikakteure keine deutlichen Initiativen für eine solche Union sehen; eine öffentliche Debatte hierzu im Vorfeld ist unabdingbar. Dabei wird hier nicht nur davon ausgegangen, dass eine Politische Union notwendig ist, um die Defizitbzw. Schuldenregeln zuverlässig politisch zu verankern, sondern sie ist auch Basis für eine supranationale Stabilisierungspolitik und die Ausgabe von EuroGemeinschaftsanleihen. Diese wiederum ist Grundlage für die Einsparung von Zinsausgaben des Staates, denn Euro-Bonds (sofern in einem vernünftigen Rahmen begeben, der nachfolgend entwickelt bzw. skizziert wird) können einen größeren liquideren Finanzmarkt darstellen als bisherige Staatsanleihenmärkte. Ein Zinssenkungseffekt kann dabei auch dadurch eintreten, dass die Europäische

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • XI

Zentralbank klar als Lender of Last Resort wahrgenommen wird; also als Institution, die in einer Phase einer Liquiditätsklemme im Grenzfall unbegrenzt Liquidität bereit stellt. Die Zinseinspareffekte für den Staat und die Zinssenkungseffekte für Unternehmen und private Haushalte könnten sich in diesem Kontext auf 0,5% bis 1% des Bruttoinlandsproduktes belaufen. Bezogen auf das Pro-KopfEinkommen wäre mit einem auf die Gegenwart kapitalisierten Wohlfahrtsgewinn von 3000 bis 7500 € zu rechnen, der sich bei Kapitalisierung der Vorteile mit 4% ergibt. Der eigentliche Wert des Euros wird hier mit etwa 10 000 € beziffert auf Basis von Zahlen, die in einer Stellungnahme des Autors am 9. Mai 2012 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt wurden. Eine Reihe von neuen theoretischen Überlegungen zur Steuer- und Wachstumspolitik wird im Rahmen der Anhänge vorgelegt. Man mag eine stärkere institutionalisierte Zusammenarbeit von EU-Ländern bzw. Euro-Ländern für wünschenswert halten, aber ob sich hierfür Unterstützung seitens der Politik und in demokratischen Mehrheiten finden lässt, ist unklar. Die Währungsunion in der EU wird einen eigenen Integrationsweg finden müssen, der möglicherweise auch eine gemeinsame Bankenaufsicht und einen Bankenabwicklungs- und Rekapitalisierungsfonds umfassen wird. Sobald es letztlich um Steuergelder von EU-Mitgliedsländern, etwa bei einem Bankenabwicklungs- und Rekapitalisierungsfonds, geht, wird man die Steuerzahler-Interessen angemessen berücksichtigen müssen — hier sollten Stimmengewichte nach ökonomischem Gewicht des jeweiligen Landes bemessen werden (etwa wie beim Internationalen Währungsfonds): Strategisch angemessene Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik gilt es zu vorzunehmen. Es ist nicht durchgehend nachvollziehbar, warum eine Politik der kleinen Schritte als Krisenpolitik sinnvoll sein soll; wenn es nicht rechtzeitig gelingt, im Rahmen von Euro-Reparaturarbeiten einen veränderten Politik- und Wirtschaftsrahmen langfristig zu verankern, dann kann man kaum mit einer stabilen Erwartungsbildung rechnen und es könnte zu einer Dauer-Eurokrise kommen. Diese Studie entstand mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung, die unsere Forschungen zu Fragen der Euro-Stabilisierung dankenswerterweise gefördert hat. Für technische Unterstützung danke ich am EIIW Frau Christina Wiens, Frau Evgeniya Yushkova sowie den Herren Deniz Erdem, Samir Kadiric, Jens Perret, Marcel Tollmann und Thomas Domeratzki. Die Verantwortung für die Studie liegt allein beim Autor. Die Eurozone bzw. die EU steht vor großen Herausforderungen. Wuppertal und Brüssel, Anfang Januar 2013 Paul JJ Weifens, Präsident des Europäischen Instituts für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW) an der Bergischen Universität Wuppertal, Lehrstuhl MakroÖkonomik; Jean Monnet Lehrstuhl für Europäische Wirtschaft; 1ZA Research Fellow, Bonn, Non-resident Senior Fellow atAICGS/Johns Hopkins University

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis

XIV

Tabellenverzeichnis

XV

Zusammenfassung

XVI

1. 2.

Einführung Euro-Krisendynamik in 2010-12 Anpassungsfähigkeit begrenzt, Perspektiven schwierig Direktinvestitionen Euro-Krisendynamik im Kontext der Griechenland- und IrlandKrise in 2010 2.4 Leistungsbilanzentwicklung ausgewählter Länder 2010-2012 2.5 Zur längerfristigen Schuldendynamik 2.6 EZB-Euro-Bonds?

2.1 2.2 2.3

1 21 26 28 30 37 43 50

3.

Ansteckungsdynamik und Problematik einer Ausweitung der EuroKrise 53

4.

Probleme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter EU-Länder 61

5.

Problematisches Krisenmanagement und Transatlantische Perspektiven zur Politik des Quantitative Easing

63

6.

Ansatzpunkte zur Uberwindung der Krise von 2012 und zur Stabilisierung der Beschäftigung in der E U 68 6.1 Exportdurchschnittserlöse und Spezialisierungsstruktur in einzelnen Ländern - Analysebefunde 70 6.2 Fiskalische Anpassungsprogramme einzelner Euro-Krisenländer 76

7.

Politikoptionen: Wiederherstellung einer Normal-Euro-Phase oder Hinwendung zur Politischen Union? 82

8. 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 9.

Rolle der E Z B bei der Überwindung der Euro-Krise Grundlagen des EZB-Handelns Bundesverfassungsgericht gibt EZB-Ankaufspolitik grünes Licht Neue EZB-Ankaufspolitik als vernünftige Strategie Kontroverse um Eurobonds und Haftungsrisiken Bankenunion BRANSON-Modell als Analysebasis für Quantitative Easing Euro-Staatsanleihen, Binnenmarktdynamik und Politische Union

87 87 ....90 94 101 117 123 132

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • XIII

10.

Globale Fragen und EU-Entwicklungsperspektiven 10.1 Problematik der globalen Rettungsarchitektur für die Eurozone.... 10.2 Wachstums- und verteilungspolitische Reformfragen 10.3 Aspekte einer Euro-Politikunion 10.4 Neue EU-Regeln zur Verschuldung

135 135 140 154 158

Literatur

166

Anhang 1: EZB Analyse zum Reformbedarf

172

Anhang 2: ESM: Europäischer Stabilitätsmechanismus

173

Anhang 3: Deutsche Wiedervereinigung und Euro-Währungsunion

174

Anhang 4: Marktwert von Staatsschulden bei einem Haarschnitt

175

Anhang 5: Finanzmarktfragmentierung in der Eurozone, Aufholprozesse, Infrastruktur und Realkasse als Produktionsfaktoren 176 Anhang 6: Zur Größenordnung der Eurovorteile

188

Anhang 7: Einkommensmultiplikatoren im Wachstumsmodell

192

Anhang 8: Auswahl der Euro-Starterländer

195

Anhang 9: Modelltheoretische Überlegungen zur Krisenanalyse

197

Anhang 10: Arbeitslosenstatistiken in den ausgewählten EU-Ländern...201 Anhang 11: Indikatorfunktion der „Echten Sparquote" (nach Weltbank) und EIIW-Vita-Indikator 204 Anhang 12: Budgetkonsolidierungsaspekte mit Blick auf den Einkommenssteuersatz und den Mehrwertsteuersatz

207

Anhang 13: Einkommenssteuersatz und Schuldenquote im Steady State

220

XIV • Paul J.J. Weifens

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Bankaktiva relativ zum Bruttoinlandsprodukt Abbildung 2: Leistungsbilanzposition ausgewählter Euro-Länder in % des Bruttoinlandsproduktes

4 39

Abbildung 3: Zinsen langfristiger Staatsschuldtitel (10 Jahre), %, Monatsdaten 53 Abbildung 4: Romer-Modell einer Staatsschuldenkrise

56

Abbildung 5: RCAs und EUV [Exportdurchschnittserlös] für ausgewählte Euroländer (EIIW-Berechnungen)

71

Abbildung 6: Arbeitslosenquoten (Jahresdaten)

201

Abbildung 7: Arbeitslosenquoten (Jahresdaten)

201

Abbildung 8: Quote der Langzeitarbeitslosen (in % der Erwerbspersonenbevölkerung, Jahresdaten)

202

Abbildung 9: Quote der Langzeitarbeitslosen (in % der Erwerbspersonenbevölkerung, Jahresdaten)

202

Abbildung 10: Adjusted net savings rate of selected countries

204

Abbildung 11: Effekt der Mehrwertsteuer auf die Produktion (Mehrwertsteueraufkommen = Viereck poGFp"o)

215

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • XV

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Schuldenquote 2000/2007/2011 USA, UK, Eurozone j a p a n

8

Tabelle 2:

Reale Lohnstückkosten: Gesamtwirtschaft

23

Tabelle 3:

Makroökonomische Indikatoren und Euro-Vorteile

24

Tabelle 4:

Staatsverschuldung (in % des BIP zu Marktpreisen, basierend auf ESA 1995) 47

Tabelle 5:

Fiskaldefizitquote (in % vom BIP zu Marktpreisen)

48

Tabelle 6:

Realer langfristiger Zinssatz (BIP-Deflator für Inflationsberechnung)

49

Tabelle 7:

Differenz zwischen der Wachstumsrate des BIP zu konstanten Preisen (Basisjahr 2005) und dem realen langfristigen Zinssatz (Inflationsberechnung auf Basis DeflatorBip; negative Differenz farbig markiert) 50

Tabelle 8:

Bausteine des „Fiskalpaktes" (SKS = Fiskalpakt)

Tabelle 9:

Zinssteuerquote (staatliche Zinsausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt) in ausgewählten Ländern

82 143

Tabelle 10: Dauerhafte Vorteile der Währungsunion in Kombination mit politischer Union: Erhöhung des realen Wirtschaftswachstums in Prozentpunkten (inklusive "kostenlose" Importe von Gütern im Kontext des Reservewährungseffektes) 191 Tabelle 11:

Konvergenzkriterien der EU-Staaten vor dem Euro-Start, 1997 195

Tabelle 12:

Griechenland: Vermögensbestände des Staates

Tabelle 13: Jugendarbeitslosenquoten, weniger als 25 Jahre, (in %), Jahresdaten

196 203

Zusammenfassung Die Krise der Eurozone hat für große politische Unruhe in der EU gesorgt und z.T. zu starken Anpassungsschritten bzw. ökonomischen Einschnitten in EuroKrisenländern geführt. Die Massenproteste etwa von Arbeitnehmern in Spanien und Portugal Mitte September 2012 und massive Proteste in Griechenland in 2011/2012 sind Indiz einer angespannten sozialen Situation im Kontext von Konsolidierung und Strukturreformen: Viele Menschen sehen kritische Belastungsgrenzen erreicht, das Vertrauen in die Aufschwungskräfte ist nur moderat. Zugleich ist insgesamt eine Euro-Stabilisierung in 2012 erst ansatzweise gelungen, wobei der Rolle der Europäischen Zentralbank einerseits und den Reformprogrammen in Krisenländern andererseits ein großes Gewicht zukommt. Die Krise der Eurozone bzw. von immer mehr Euro-Ländern im Zeitraum 2010-12 hat bei vielen Menschen, aber auch bei Investoren im In- und Ausland sowie bei politischen Akteuren weltweit ernste Sorgen über die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Eurozone hervorgerufen. Viele Menschen fürchten, dass hohe Haftungsrisiken Deutschlands tatsächlich stark belasten werden, andere sehen kurz- und mittelfristige Inflationsgefahren und wieder andere fordern, dass die Eurozone geteilt werden möge - etwa in Nordländer und Südländer. Nicht selten wird bedauernd festgestellt, dass in der Eurozone einzelne Länder nicht abwerten könnten; allerdings ist in den USA die Heterogenität der Bundesstaaten durchaus vergleichbar mit der ökonomischen Heterogenität der Euro-Länder und eine nominale Abwertung ist innerhalb der USA unmöglich. Die Eurozone hat ein recht erfolgreiches Startjahrzehnt erlebt, in dem es auch einige Erweiterungen der Währungsunion gab. Nach dem Konkurs der USInvestmentbank Lehman Brothers ist aber eine starke und plötzliche Erhöhung der Risikoprämien auf den Kapitalmärkten festzustellen und Euro-Länder mit hohen Staatsschuldenquoten, hohen Defizitquoten - bei hoher Auslandsverschuldung — und fragilen Bankensystemen sahen sich nach 2009 erheblichen Refinanzierungsproblemen bei der Staatsschuld ausgesetzt. Die Eurozone ist durch die Krisen in Griechenland und Irland, jeweils im Wesentlichen von nationalen Regierungen durch verfehlte Politik verursacht, in 2010 in eine zunächst überschaubare Krise geraten. Ein politischer Defizitbetrug in Griechenland im Wahljahr 2009 und jahrelange Nichtanwendung der Bankenaufsichtsregeln der EU in Irland - mit nachfolgenden überriskanten Expansionsstrategien von Banken — stehen hinter der griechischen und der irischen Krise als Auslöser. Aus dieser Doppelkrise von 2010 wurde dann durch die weiteren Fälle Portugal, Spanien und Zypern sowie implizit auch Italien und Slowenien bis Mitte 2012 ein ernstes Eurozonen-Problem, wobei schlechtes Krisenmanagement mit zur Krisenverschärfung beitrug. Die Rating-Agenturen haben selbst Impulse

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zur Euro-Krisendynamik gegeben, die Ratings folgen der Entwicklung der Staatsschuldendynamik bzw. der Zinssätze in den OECD-Ländern mit einer Zeitverzögerung und weil die Ratings die Zinssätze beeinflussen, können sie eine Negativdynamik im Sinn einer sich selbst erfüllende Prophezeiung bzw. einer dramatischen Krisenverschärfung auslösen; und zwar ohne dass Fundamentalfaktoren die Werte der Krisenindikatoren rechtfertigen. Die theoretischen Überlegungen hierzu gehen bis auf Beiträge von Ende der 80er Jahre in der Fachliteratur zurück, insbesondere das CALVO-Modell zur Staatsschuldendynamik bzw. zu Mehrfach-Gleichgewichten — und die empirischen Belege liefert die aktuelle Analyse von GÄRTNER/GRIESBACH. Den Sachverhalt, dass eine Systemkrise droht und man daher auch eine entsprechende Politikantwort braucht, statt einfach nur nach nationalen Konsolidierungsschritten und Strukturreformen zu rufen, hat man seitens der Bundesregierung kaum beachtet. Aus der Sicht des CALVO-Modells bzw. der Befunde von GÄRTNER/GRIESBACH ergibt sich, dass eine gezielte adäquate Politikintervention notwendig ist, um aus einem instabilen „schlechten" Quasi-Gleichgewichtspunkt bzw. einer instabilen Lage herauszufinden. Eine sich selbst erfüllende Katastrophen-Prophezeiung gilt es zu verhindern. Es ergibt sich auch, dass unklare Politiksignale in Sachen Verbleib Griechenlands und anderer Krisenländer in der Eurozone zu einem weiteren Anstieg der Zinssätze in vielen Ländern geführt haben, was das Risiko einer sich selbst erfüllenden Katastrophen-Prophezeiung mit sich bringt. Dem sollte die Politik mit klaren Signalen entgegentreten und auch pragmatische bzw. unkonventionelle Politikoptionen nicht ausschließen. Es ist wichtig, dass längerfristig Euro-Länder ein A-Rating haben, damit nicht bei ungünstigen makroökonomischen Schocks eine Eigendynamik entsteht, die zuerst zu einer Verschuldungskrise und dann zu einem Absturz in eine Art Insolvenzfalle mit fehlendem Handlungsspielraum des Staates führt. In einer Reihe von Euro-Ländern sind Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und für Unternehmensneugründungen sowie mehr Innovationsdynamik dringlich. Die Befunde zeigen bei einigen Kohäsionsländern, dass sich die industrielle Spezialisierung nicht immer im Einklang mit der relativen Faktorausstattung bzw. den Anpassungsnotwendigkeiten befindet. Auch Privatisierungsdefizite — etwa in Griechenland und Slowenien sowie Italien - sind in einigen Ländern auffällig, wobei Italien eine schrittweise Privatisierungspolitik gestartet hat. Italien leidet seit den 90er Jahren unter einem schwachen Produktivitäts- bzw. Wirtschaftswachstum: Vor erheblichen Anpassungs- bzw. Modernisierungsproblemen steht daher unter den Krisenländern vor allem Italien mit seiner Schuldenquote von rund 120% in 2012, das neben Griechenland in der Eurozone als besonders schwacher Anziehungspunkt für ausländische Direktinvestitionen in der Eurozone erscheint, wobei im EU-Vergleich hohe Unternehmens Steuersätze, ein relativ ineffizientes Rechtssystem und ein

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Mangel an Großunternehmen als dahinter stehende Teilprobleme gelten können. Die Dominanz von Klein- und Mittelunternehmen auf der Güterangebotsseite im Sektor der handelsfahigen Güter erscheint zudem als hinderlich für Italiens Exportdynamik, insbesondere auch wenn es darum geht, die Exporte außerhalb der EU zu steigern - hier entstehen z.T. hohe Markteintrittskosten, die für Großunternehmen relativ leicht abzufedern sind; zugleich erscheint die Dominanz von Klein- und Mittelunternehmen auch mit als ein Grund dafür, dass die Direktinvestitionsbestände Italiens mit 23,5% des Bruttoinlandsproduktes viel geringer waren als die entsprechenden Zahlen für Deutschland und Frankreich mit 42,5% und 60%. Italiens Position bei den Döing Business-Indikatoren der Weltbank ist auch relativ schwach und verweist auf eine unzureichende institutionelle Modernisierung des Landes. Seit der Transatlantischen Bankenkrise bzw. seit dem Konkurs der USInvestmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 sind die Risikoprämien deutlich gestiegen, in den vier Jahren danach sind die Zinssätze in der Eurozone z.T. markant auseinandergelaufen: Zinsdivergenz zwischen den Krisenländern und Deutschland/Frankreich und einer Reihe anderer Länder war zu beobachten; die Zinskonvergenz der Jahre 1999-2007 war verschwunden. Nun mag man etwa anhand von Rating-Modellierungen bzw. auf Basis theoretischer Überlegungen durchaus einige gute Gründe finden, weshalb die Zinssätze von Staatsanleihen verschiedener Länder auch in der Währungsunion unterschiedlich ausfallen sollten. Allerdings gilt es auch zu prüfen, ob denn innerhalb der Eurozone einige Länder von den Rating-Agenturen quasi unnormal behandelt werden bzw. sonderbar hohe — oder ggf. auch sonderbar niedrige — Zinssätze haben. Für die Geldpolitik in der Eurozone schaffen deutlich unterschiedliche Zinssätze in den Euro-Ländern Transmissionsprobleme bzw. die Geldpolitik kann dann mit Rücksicht etwa auf Euro-Länder, die schon einen sehr hohen Zinssatz verzeichnen, kaum mehr eine Zinserhöhungspolitik durchführen, wenn denn die Gesamtsituation in der Eurozone eigentlich eine solche zwecks Eindämmung von Inflationsgefahren erfordern würde. Umgekehrt kann man auch nicht ohne Weiteres eine Zinssenkungspolitik zur Stimulierung der Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone durchführen, da etwa in Deutschland und Frankreich bei einem in der Ausgangs Situation negativem Realzinssatz noch eine weitere Absenkung des realen Zinssatzes zustande käme. Damit aber drohen Fehlallokationen der Ressourcen bzw. Wohlfahrtsverluste. Grundsätzlich könnte man der Zinsdivergenz in der Eurozone mit der Einführung von Euro-Gemeinschaftsanleihen (Eurobonds) entgegen treten. Allerdings liegen dann Kreditaufnahme und Haftung — je nach Ausgestaltung der Regeln — nicht mehr in einer Hand. Es müssten bei „synthetischen Eurobonds" alle Länder zusammen haften, aber jedes Land hätte — bei der bestehenden politischen Kompetenzverteilung - eine nationale Hoheit bei der Kreditaufnahme.

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Gegen die Einführung von Gemeinschaftsanleihen („Eurobonds") hat sich insbesondere das Ifo-Institut in 2011/2012 gewandt. Die vorgelegte Analyse, auf die einzugehen sein wird, ist allerdings weitgehend als wenig solide einzustufen und den quasi-nationalistischen Unterton an einer Stelle des entsprechenden Beitrages kann man nur als sehr sonderbar einstufen. Es erscheint, anders als Sinn und seine Co-Autoren behaupten, keineswegs im ökonomischen langfristigen Interesse Deutschlands, dass die Sondersituation künstlich niedriger realer und nominaler Zinssätze für Deutschland fortgesetzt wird. Vielmehr wäre eine Zinsnormalisierung — mit positivem normalem Realzinssatz — für Deutschland und die ganze Eurozone wünschenswert, wobei eine für die meisten EuroLänder dann eintretenden Realzinssenkung Investitionen, Wachstum und Steuereinnahmen stimulieren bzw. damit auch die Haftungsrisiken Deutschland senken würde; zudem würde Deutschland export- und wachstumsmäßig sowie bei den Steuereinnahmen von einer verbesserten Konjunktur in vielen EuroPartnerländern profitieren. Eurobonds sind gemeinschaftlich garantierte Staatsschuldtitel, die unter bestimmten Bedingungen in der Eurozone zügig eingeführt werden könnten. Hierzu gehört, dass in den nationalen Verfassungen eine Schuldenbremse eingeführt wird, in die die politische Zentralebene wie die Regionen und Kommunen eingebunden sind — und dass man ein Überschusserfordernis im Boom festsetzt, das mit automatisierten Strafzahlungen sanktioniert wird. Führt man Eurobonds in Höhe von zunächst etwa 30% des Euro-Bruttoinlandsproduktes ein — ggf. noch teilweise abgesichert durch Staatsvermögen —, dann wird sich unmittelbar ein liquider Markt für die Gemeinschaftsanleihen entwickeln und sich zudem ein niedriger Zinssatz einpendeln. Solche Eurobonds werden idealerweise von der Europäischen Zentralbank eingeführt, da diese eine hohe Glaubwürdigkeit hat. Die EZB könnte diese EZB-Euro-Anleihen schrittweise einführen und gegen nationale Euro-Staatsanleihen umtauschen, wobei Banken eine bevorzugte Position erhalten könnten. Die Einführung von EZB-Euroanleihen kann mit einer vierfachen Zielsetzung erfolgen: 1) Wiederherstellung eines annähernd einheitlichen Zinsniveaus als Basis einer funktionsfähigen Geldpolitik für die Eurozone. 2) Wiedereinführung risikoloser Anleihen in den Banken - wenn alle Banken wieder risikolose Papiere in der Bilanz haben, dann sinken die Kapitalbeschaffungskosten und die Banken werden vermehrt wieder Kredite an die Unternehmen geben und mehr Investitionen heißt dann mehr Beschäftigung, höhere Einkommen und steigende Steuereinnahmen. 3) Die Einführung von Eurobonds bringt niedrigere Zinssätze für fast alle Euro-Länder, Frankreich und Deutschland ausgenommen, wobei die Bundesbank die hier wirksamen Sichere-Hafen-Effekte aus den starken Zuflüssen von nervösem Auslandskapital mit einem Zwei-Prozent-Abschlag beim Zins für Staatsanleihen beziffert. Für Deutschland kann es aber nicht darum gehen, einen aus einer Euro-Krise kommenden künstlichen Zinsvorteil zu befestigen.

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Vielmehr gilt es die Krise zu überwinden und bei einer Gesundung der EuroPartner wird dann auch die deutsche Exportdynamik zunehmen, was den verminderten Zinsvorteil überkompensieren dürfte. 4) Mit Eurobonds hätte die EZB eine Basis, um wie in den USA und Großbritannien Staatsanleihen in einem Umfeld mit Mini-Notenbankzins anzukaufen - Zinsminderung mit Investitionsstimulierungseffekt, Währungsabwertung mit folgender Exporterhöhung und Erhöhung der Direktinvestitionszuflüsse wären Effekte dieser Politik. Den Ländern der Eurozone ist eine strikte Umsetzung des Fiskalpaktes und des von der Kommission und dem Europäischen Parlament verabschiedeten Six Pack (Reformpaket) anzuraten, wobei unklar ist, wie dies konkret realisiert wird bzw. wie man neue Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen erreichen kann. Praktische Verbesserungsmöglichkeiten gäbe es auch in Gestalt der Einführung einer einheitlichen Budgetsoftware in allen Euro-Mitgliedsländern — oder in den EUMitgliedsländern - , wobei die Europäische Kommission das Recht zur jederzeitigen Einsicht in die nationalen Budgets und deren Vollzug erhalten sollte. Eine kritische Frage betrifft die Rolle des EU-Kommissionspräsidenten bzw. von Kommissionspräsident Barroso, der weder den massiven Defizitbetrug Griechenlands noch die jahrelange Nichtumsetzung der EU-Bankenaufsichtsrichtlinie in Irland öffentlich angesprochen hat. Mit der Londoner Rede (26. Juli 2012) von EZB-Präsident Draghi, unmittelbar vor dem Start der Sommerolympiade in London, hat die Europäische Zentralbank ein Signal gegeben, dass man mit adäquaten Mitteln rechtzeitig den Euro verteidigen werde. Unmittelbar darauf sind die langfristigen, aber auch die kurzfristigen Anleihezinssätze für Spanien und Italien zurückgegangen: Beide Länder können sich also sowohl kurzfristig als auch langfristig wieder besser am Markt finanzieren. Die EZB hat in ihren öffentlichen Erklärungen im Juli und August 2012 deutlich gemacht, dass sie den geldpolitischen Transmissionsmechanismus als gestört betrachtet und die Zinsdifferenzen innerhalb der Eurozone — faktisch betrifft das vor allem den Zinsaufschlag bei Spanien-Anleihen und ItalienAnleihen gegenüber Deutschland — als unnormal ansieht. Das neue Ankaufsprogramm für Staatsanleihen will man gemäß Ankündigung vom September 2012 seitens der EZB in geeigneter Weise umsetzen. Im August 2012 wurde in der Öffentlichkeit bzw. den Medien auch darüber spekuliert, ob die EZB womöglich eine Zinsobergrenze für die Staatsanleihen bestimmter Länder setzt. Dies wäre aus Sicht der Marktteilnehmer bei einem „normalen" Zinssatz außerordentlich attraktiv, da damit Kursverluste bei relativ hochverzinslichen Anleihen etwa bei Spanien und Italien — sofern das die betroffenen Länder wären — ausgeschlossen wären; und das in einem Umfeld mit Niedrigzinssätzen wie Deutschland, Frankreich und wenigen anderen Euro-Ländern sowie USA und Großbritannien. Die Ankündigung der EZB vom 6. September 2012, ein neues bedingtes AnleihenProgramm zu starten, ist sinnvoll; es bleibt allerdings sicherzustellen, dass die Krisenländer auch wirklich die zugesagten bzw. notwendigen Strukturreformen

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umsetzen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. September 2012 lässt die Möglichkeit offen, dass die EZB ein an Reformbedingungen der betreffenden Krisenländer gebundenes Anleiheaufkaufprogramm umsetzt offenbar solange keine substanzielle Staatsfinanzierung via EZB betrieben wird. Die Konsequenz des neuen EZB-Ankaufprogramms, das verlangt, dass die Krisenländer entweder unter dem ESM ein volles Anpassungsprogramm umsetzen oder außerhalb des ESM besondere Anpassungszusagen machen, werden sinkende nominale und reale Zinssätze, steigende Aktienkurse und höhere Investitionen sowie ggf. eine Überwindung der Rezession in der Eurozone sein. Mit den Vorschlägen für eine Euro-Bankenunion hat die Europäische Kommission ebenfalls am 12. September 2012 neue Vorschläge zur institutionellen Integration der Eurozone vorgestellt. Dass die EZB eine neue Rolle in der Bankenaufsicht bekommt, wirft neue Fragen auf; zur Glaubwürdigkeit in der Geldpolitik trägt eine Doppelrolle von Geldpolitik und Bankenaufsicht eher nicht bei. Die Eurozone könnte bei erfolgreichen Stabilisierungsmaßnahmen mittelfristig im Vergleich der Wirtschaftsräume USA, Großbritannien und Eurozone als der relativ stabilste Wirtschaftsraum erscheinen. Immerhin werden alle Euro-Krisenländer — außer Griechenland und Irland - eine strukturelle Defizitquote von unter 3% in 2013 erreichen (und die Eurozone wird laut Herbst-Prognose der Kommission in 2012 insgesamt bei der Defizitquote bei knapp unter 3% liegen); das wäre allerdings noch deutlich über der neuen Obergrenze von 0,5% des Bruttoinlandsproduktes, die laut Fiskalpakt, der 2013 in Kraft tritt, erreicht werden soll. Irland könnte wohl um 2016 bei der Nulllinie sein. Die Defizitquote Irlands in 2011 stand bei 13,4%, wovon 4,3 Prozentpunkte nochmals einmalige Maßnahmen zur Bankenstabilisierung waren; 8,4% ist laut Herbstprognose 2012 der Europäischen Kommission die Defizitquote im Jahr 2012, gefolgt von 7,5% und 5% in 2013 bzw. 2014, wobei die Schuldenquote von 122,5% Spitzenwert in 2013 auf 119,2% in 2014 sinken soll. Sinkende Lohnstückkosten im Zeitraum 2010-2014 sollen zu einer Erhöhung der Leistungsbilanzüberschussquote beitragen, die laut EU-Prognose 2014 dann 4,4% des Bruttoinlandsproduktes erreichen soll; 2009 wurden -2,3% Defizitquote bei der Leistungsbilanz verzeichnet, danach Überschüsse (die Zahlenangaben in diesem und den folgenden zwei Abschnitten entstammen EUROPEAN COMMISSION, 2012, European Economic Forecast Autumn 2012). Bei Griechenland lautete für 2013 hingegen der Prognosewert der Defizitquote -5,5%, was einen Anstieg gegenüber 4,8% in 2012 darstellt, 2014 sollen 4,6% erreicht werden und die konjunkturbereinigte Defizitquote soll bei 0,7% Überschuss in 2013 und 0,4% in 2014 liegen, während 2012 noch -1,5% bei der strukturellen Defizitquote im Herbst-Bericht 2012 ausgewiesen sind. Die Sparquote der privaten Haushalte in Griechenland soll laut EU-Prognose von 1,4% in 2012 auf 5,2% in 2014 ansteigen; die realen Lohnstückkosten sollen nach -8,2% in 2012 im Folgejahr um 3,6% sinken und dann in 2014 um 0,1%. Die Leistungsbi-

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lanzdefizitquote von -8,3% in 2012 ist sehr hoch gewesen, die Prognosewerte für 2013 und 2014 lauten hier -6,3% und -5,2%, was deutlich zu hoch ist, da sich Griechenland auf dieser Basis weiter im Ausland verschulden muss. Von einer Rückkehr an den privaten Kapitalmarkt ist das Land aber weit entfernt und wird daher auf die Hilfen der EU-Partnerländer bis etwa 2020 angewiesen sein. Die strukturelle Defizitquote in Spanien war 2012 mit -6,3% hoch und wird von der EU für 2013 und 2014 mit -4,0 bzw. -5,3% angesetzt, wobei die Schuldenquote von 86,1% in 2012 (53,9% in 2009) auf 97,1% in 2014 ansteigen soll. Für 2013 und 2014 wird ein kleiner Überschuss in der Leistungsbilanz Spaniens prognostiziert. Bei Italien wird ein strukturelles Budgetdefizit von -0,4% in 2013 und -0,8% in 2014 prognostiziert (2012: -1,4%). Die Schuldenquote soll von einem Spitzenwert von 127,6% in 2013 auf 126,5% in 2014 fallen. Bei Portugal bleibt die Situation fragil, da die Schuldenquote 2013 und 2014 bei 123,5% liegen soll, die strukturelle Defizitquote soll von -4,1% in 2012 auf-2,5% in 2013 und -0,9% in 2014 fallen, die Leistungsbilanzdefizitquote sich von -3,0% in 2012 auf -1,8% bzw. -1,5% in 2013 bzw. 2014 vermindern. Da Portugal Ende 2012 rund 3A seiner Kreditlinie aus dem Rettungsfonds EFSF abgerufen haben wird, ist unklar, ob das Land in 2013/2014 ein weiteres Kreditprogramm braucht; eine Rückkehr an die internationalen Kapitalmärkte in 2014 könnte unter günstigen internationalen Rahmenbedingungen vermutlich gelingen, wobei die Europäische Kommission für 2014 ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,8% prognostiziert. Großbritanniens Schuldenquote wird 2014 bei 95,1% liegen, was gegenüber 67,8% in 2009 eine deutliche Erhöhung darstellt, die nur angesichts des niedrigen Zinssatzes einstweilen noch tragfähig erscheint. Für Deutschland wird in 2012 seitens der Kommission von einer Schuldenquote von 81,7% ausgegangen, für 2013 bzw. 2014 von 80,8 bzw. 78,4%. Als Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsproduktes für 2012, 2013 und 2014 lautet 0,8%, 0,8% bzw. 2,0%. Die Sparquote der privaten Haushalte (Ersparnis relativ zum verfügbaren Einkommen) liegt recht stabil in 2012-2014 um 16%. Die Leistungsbilanzüberschussquote soll bis 2014 auf 4,7% sinken, die strukturelle staatliche Defizitquote soll 0,3% Überschuss in 2013 und 2014 erreichen (gegenüber 0,2% in 2012). Für Frankreich werden die Wachstumsraten 2012-2014 etwas geringer als für Deutschland angesetzt, die Schuldenquote soll von 90,0 auf 92,8% ansteigen. Die strukturelle Defizitquote von -3,4% in 2012 auf -2,0% bzw. -2,1% in 2013 und 2014 sinken. Das ist allerdings gegenüber der Vorgabe einer strukturellen Defizitquote von 0,5% im Fiskalpakt noch keine wirklich beruhigende Entwicklung. Es muss insgesamt als Problem der OECD-Länder erscheinen, dass viele Länder sich gleichzeitig auf eine Schuldenquote um 100% in 2014 hinbewegen, wobei dies eben auch für die USA gilt. Japans Schuldenquote von etwa 250% in 2013 ist höchst problematisch auf lange Sicht, da bei einer solchen Schuldenquote eine AntiDeflationspolitik der Zentralbank kaum möglich sein wird; wenn die Nominalzinssätze deutlich ansteigen sollten, dann kann Japan mittelfristig erhebliche

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makroökonomische Probleme bekommen, denn eine steigende Zinslastquote des Staates könnte dann zu einer restriktiven Fiskalpolitik zwingen. Die OECD-Länder insgesamt stehen vor nicht einfachen Jahren, in denen eine verstärkte Koordinierung durchaus sinnvoll wäre: Eine parallele Konsolidierungspolitik in alle größeren OECD-Ländern gleichzeitig könnte zu einer erheblichen Rezession in den Industrieländern führen. In den EU-Ländern wird ein gewisser Schrumpfungsprozesse im Bankensektor noch einige Jahre anhalten, zugleich dürften gerade deshalb für die Unternehmens finanzierung Anleihen auch in Europa mittelfristig eine deutlich stärkere Rolle spielen, womit sich die Finanzierungsstrukturen in der EU stärker denen der USA annähern dürften. Da alle Krisenländer um 2014/15 - mit Ausnahme von Griechenland (und möglicherweise Portugal) - Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen dürften, wird auch die Rückführung der nationalen Auslandsschulden der Krisenländer mittelfristig vorankommen, die Eurozone insgesamt hat gegenüber dem Rest der Welt eine in etwa neutrale Leistungsbilanzposition und steht daher auch hier besser als die USA oder Großbritannien da. Eine derartige Stabilisierung — hier als positives Szenario formuliert — sollte man nicht leichtfertig durch einen komplizierten faktischen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone erschweren. Es gibt durchaus Möglichkeiten, Griechenland bei der Stabilisierung entgegen zu kommen, etwa Zinszahlungen zu stunden oder auch über einen Marshall-Plan - mit Vorbedingungen - die Expansion und Modernisierung der griechischen Wirtschaft anzustoßen. Eine wichtige Frage ist allerdings, ob man auf Seiten Griechenlands und seitens der EU bzw. der Euro-Länder die richtigen Lehren aus den Staatsfinanzierungskrisen zieht. Mehr Budgettransparenz auf nationaler und regionaler Ebene, eine stärkere EU-Überwachung der Haushalte der EU-Länder - in Planung und Vollzug — und möglicherwiese eine deutliche Verschiebung von Ausgaben und Aufgaben von der nationalen auf die supranationale Politikebene könnten zusammen mit neuen Defizit- und Schuldenregeln Reformschritte in die richtige Richtung sein (ein größeres Gewicht der supranationalen Ebene bei der Fiskalpolitik kann helfen, die hohen Ausgabenquoten auf nationaler Ebene insgesamt zu senken bzw. Effizienzgewinne und damit letztlich Realeinkommensgewinne für alle zu realisieren). Bis zu neuen institutionellen Strukturen aber wird es Jahre brauchen und natürlich muss die Währungsunion auch in der Zwischenzeit funktionieren. Der Europäischen Zentralbank kommt hier eine wichtige Rolle zu, da sie in der Eurozone und international als handlungsfähige Institution gesehen wird. Die EZB kann über ein Anleiheankaufprogramm Zinsauftriebstendenzen eingrenzen bzw. zu einer verlängerten Anpassungszeit für Krisenländer beitragen, aber an strukturellen bzw. institutionellen Reformen führt am Ende kein Weg vorbei. Die EZB könnte auch versuchen, ein Auseinanderdriften in der Eurozone gezielt durch andere Maßnahmen zu verhindern. Wenn sich die EZB entschließt, eine Zinsobergrenze beim Abstand zu Deutschlands Staatsanleihen festzulegen, dann kann das zwar die Eurozone stabilisieren

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helfen. Allerdings gibt es auch offensichtliche Probleme: Zunächst ist damit zu rechnen, dass die EZB unter ungünstigen Umständen sehr große Mengen an Staatsanleihen Italiens und Spaniens ankaufen müsste, um ein bestimmtes Zinsziel zu erreichen. Das wird zu einer politischen Debatte darüber führen, ob denn die beiden genannten Länder — und ggf. andere Länder in einem neuen Ankaufprogramm für Staatsanleihen — bevorzugt werden. Es besteht zudem auch das Risiko, dass die Regierungen der betreffenden Länder bei ihren Konsolidierungsbemühungen und Strukturreformen nachlassen, wenn die EZB über längere Zeit größere Beträge ankauft. Soweit es sich um Papiere relativ kurzer Laufzeit handelt, ist die Selbstbindung der EZB recht überschaubar. Eine Alternative zu einem selektiven Ankaufprogramm könnte darin liegen, dass die EZB Anleihen aller Euro-Länder im Rahmen eines „synthetischen Quantitative Easing-Programms" ankauft. Oder aber die EZB emittiert selbst EZB-Euro-Staatsanleihen in einer Höhe von 20-30% des Bruttoinlandsproduktes, um nationale EuroAnleihen anzukaufen und in einem zweiten Schritt Euro-Gemeinschaftsanleihen in einem gewissen Umfang anzukaufen. Die Emission von EZB-Euro-Anleihen — dies kann von der EZB unter Hinweis auf gestörte geldpolitische Transmissionsmechanismen verteidigt werden - wäre auch als ergänzender Schritt denkbar (auch in China und Korea wurden von der Zentralbank Anleihen aufgelegt) und kann helfen, die Kapitalmärkte in der Eurozone zu revitalisieren und die Finanzmarktintegration zu stärken sowie die Handlungsfähigkeit der Geldpolitik wieder herzustellen. Allerdings wird die EZB klug beraten sein, ihre Politik mit dem Europäischen Rat sinnvoll abzustimmen. Das kann durchaus den Eindruck verstärken, dass die EZB in 2010-2012 weniger Politikautonomie genießt als im Euro-Startjahrzehnt. Allerdings sind die Krisenbedingungen auch als besondere Nebenbedingung der Geldpolitik zu sehen. Die Europäische Zentralbank hat am 6. September 2012 den Übergang zu einer neuen Ankaufspolitik für kurzfristige Staatsanleihen — unter Bedingungen für die betreffenden Krisenländer — beschlossen. Wenn das betreffende Land ein volles Anpassungsprogramm auf Basis der Rettungsfonds EFSF/ESM oder ein Mindestanpassungsprogramm (Enhanced Conditions Credit Line) zugesagt hat, dann kann etwa Spanien mit einer unterstützenden Ankaufspolitik der Europäischen Zentralbank rechnen. EZB-Präsident Draghi hat in der Pressekonferenz bei der Vorstellung der neuen Ankaufspolitik darauf hingewiesen, dass es bei einer Staatsschuldenkrise mehrere Gleichgewichte an den Finanzmärkten geben kann und die neue Interventionsmöglichkeit soll helfen, vom schlechten bzw. instabilen Gleichgewichtspunkt weg zu kommen und ein stabiles neues Gleichgewicht zu erreichen. Der gegebenenfalls grundsätzlich auch unbegrenzt seitens der EZB erfolgende — an Bedingungen in Sachen Reformprogramm des jeweiligen Krisenlandes geknüpfte — Ankauf von Staatsanleihen mit ein- bis dreijähriger Laufzeit ist durchaus geeignet, die große Nervosität auf den Finanzmärkten für einige Zeit zu beseitigen. Es bleibt aber erst noch zu zeigen, dass die EZB Anpas-

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sungsbedingungen in Krisenländern vernünftig mit durchsetzen kann bzw. die Reformzusagen auch eingehalten werden. Die von Ifo-Chef-Sinn - mit Ko-Autoren - verbreitete Behauptung, dass die Einführung von Euro-Staatsanleihen die Zinssätze für Deutschland massiv nach oben treiben würde bzw. es im Interesse der Bevölkerung angemessen sei, die Sondersituation unnormal niedriger Zinssätze für Deutschland möglichst fortzusetzen, ist wissenschaftlich unseriös; dies ergibt sich zunächst daher, dass Sinn et al. das von der Deutschen Bundesbank geschätzte Ausmaß an Sichere-HafenEffekten nicht aufnehmen, die entsprechende Analyse der Bundesbank wird nicht zitiert. Es ist darüber hinaus ökonomisch und politisch nicht sinnvoll, wenn Deutschland anhaltende Wohlstandssteigerung auf eine Konstellation mit unnormal niedrigen Realzinssätzen in Deutschland (und Frankreich) und zugleich unnormal hohen Realzinssätzen in Ländern wie Italien und Spanien aufbauen wollte. Eine solche Vorstellung ist ökonomisch sonderbar, da eine solche Konstellation nicht gleichgewichtig bzw. nicht nachhaltig ist, weil zudem hier gegen den Geist der europäischen Integration verstoßen würde und weil schließlich überhaupt eine optimale Ressourcenallokation in Europa, inklusive ökonomischer Aufholprozesse von Deutschlands südlichen Euro-Partnerländern, verhindert würde. Das wiederum verstieße gegen die ökonomische Vernunft ebenso wie gegen das EU-Ziel ökonomischer Kohäsion. Die von SINN nachweislich ignorierte Unterscheidung von Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen ist Teil der Analyse-Defizite aus dem Ifo-Institut, das im Übrigen auch schon mit der Basar-Ökonomie-These, wonach Deutschland in der Dekade nach 1995 an einer Art besonderer Exportschwäche litte, eine viel publizierte, aber ökonomisch-analytisch verfehlte Diagnose zur deutschen Wirtschaft stellte. Die Darstellung der Haftungsrisiken für Deutschland, die das Ifo-Institut verbreitet, ist ökonomisch völlig einseitig bzw. kaum wissenschaftlich, da weder Wahrscheinlichkeiten zu den Risikopositionen angegeben werden — oder wenigstens in Alternativszenarien durchgespielt werden; auch werden die Sichere-HafenEffekte, die schon im Zeitraum 2010-2012 ganz erheblich sind, ausgeblendet, so dass eine völlig verzerrte Darstellung entsteht. Die Eurozone hat durchaus Möglichkeiten, mittelfristig — bei geeigneter Wirtschaftspolitik - ihre ernsten Probleme der Jahre 2010-12 zu überwinden, aber es bedarf zunächst einer kritischen Bestandsaufnahme und erheblicher Korrekturen bei Institutionen und den bestehenden Regeln in der Eurozone bzw. der EU. Es ist in 2012 offiziell vom IWF in einer Publikation zur Eurozone festgestellt worden, dass es auf Seiten der Europäischen Union gar keine eindeutigen Defizitregeln gibt, da ja erst nach "discussions" offenbar eine Art eindeutige Regelpriorität festgestellt werden konnte — ein ernstes Problem für die Erwartungsbildung der Marktteilnehmer und ein problematisches Schlupfloch für Regierungshandeln in Krisenzeiten: Regierungen unter Druck werden vermutlich im Zweifelsfall nicht die strikteste Defizitbegrenzungsformulierung zur Anwendung bringen

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wollen, sondern die flexibelste bzw. weichste. Hier sind dringend eindeutige neue klare „Oberregeln" durch die EU bzw. die Euroländer festzulegen. Die Innovationsdynamik in den USA und Europa - Basis des Wirtschaftswachstums — scheint auch nach der Bankenkrise intakt zu sein. Das gibt von der realwirtschaftlichen Seite her einen gewissen Anlass zu Optimismus. Die Verwerfungen im Bankensektor in den USA und Europa sind zu überwinden, neue und strengere Regeln sind unerlässlich, wobei der Liikanen-Bericht durchaus schon einige sinnvoll Vorschläge in 2012 gemacht hat: Es geht dabei nicht nur darum, dass die Großbanken mit einem immer wieder neu aktualisierten Testament vorbeugend eine Bankenabwicklung im Krisenfall ermöglichen - da wäre allerdings auch per Gesetz festzulegen (was bislang in der EU bzw. den OECDLändern fehlt), dass im Konkursfall nicht einfach Mitarbeiter Daten löschen oder mitnehmen können; der Fall Lehman Brothers ist hier ein Negativ-Beispiel. Bei den Banken gilt es veränderte Anreize zu setzen, wobei die im LiikanenBericht genannten Coco-Anleihen, die im Bankkrisenfall in Eigenkapital umgewandelt werden, erwägenswert sind. Zusätzlich sollte man eine Besteuerung der Volatilität der Eigenkapitalrendite einführen (ggf. mit einem steuerfreien Normalbereich für die Schwankungsbreite der Eigenkapitalrendite), denn erst dann entsteht bei den Banken bzw. Bankmanagern ein Anreiz, mit einer stärker längerfristigen Entscheidungsorientierung zu arbeiten. Das kann erheblich zur Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. Die Kapitalmärkte bzw. die Bankensysteme in den OECD-Ländern arbeiten seit 2007 in einem (vorübergehenden) Krisenmodus, was bedeutet, dass Schocks weniger gut als bisher vom Finanzsystem abgefedert werden können; zudem gehen ja vom Finanzsystem selbst zeitweise Schocks aus. Die in den 90er Jahren politisch geförderten Ansätze zum Aufbau privater Alterssicherungssysteme — ein grundsätzlich sinnvoller Gedanken in alternden Gesellschaften - sind durch die Bankenkrise in die Defensive geraten und es ist unklar, wie man mittelfristig mit dieser Problematik umgehen wird. Die Wiederherstellung von Vertrauen — seitens der Bürgerschaft bzw. der Arbeitnehmerschaft in die Politik und von Seiten der Banken im Blick auf andere Banken - ist eine Schlüsselaufgabe nach der Bankenkrise und der Staatsfinanzierungskrise. Man sollte seitens der Politik geduldig und realistisch bzw. mit fundierten Ansätzen an die Überwindung der Probleme gehen. In der Eurozone ist die Glaubwürdigkeit der Politik eine Art Gemeinschaftsgut, zu dem jedes Mitgliedsland durch seine eingehaltenen Versprechen in der Stabilitäts- und Wachstumspolitik beiträgt. Politikreputation hat in der Eurozone eine nationale und eine supranationale Seite und entsprechend trägt die Wirtschaftspolitik national und international Verantwortung. In 2013/2014 kann die Eurokrise bei geeigneten Weichenstellungen nationaler und internationaler Politik überwunden werden. Man sollte die sinkenden Zustimmungswerte beim Eurobarometer zu den EU-Institutionen nicht auf die leichte Schulter nehmen, Reformbedarf ist jedenfalls auch auf der supranationalen Ebene erkennbar. Die Handlungsfähigkeit des

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • XXVII

Staates wiederherzustellen verlangt, dass die Schuldenquoten vermindert werden; selten wird dies ohne Steuererhöhungen gehen und die Frage nach einem Mindeststeuersatz auf Kapital wird man — u.a. mit Blick auf Irland — erneut stellen müssen. Es stellt sich schließlich die Frage nach dem Grundkonsens in der Eurozone: Eine Soziale Marktwirtschaft kann sich von politischer Seite auch in der Krise nicht um die Verantwortung für soziale Fragen drücken; die Armutsgefährdung etwa in Griechenland und Teilen Spaniens ist groß.

1. Einführung Die Krise der Eurozone hat für große politische Unruhe in der EU und für z.T. starke Anpassungsschritte bzw. ökonomische Einschnitte in Euro-Krisenländern gesorgt. Die Massenproteste etwa von Arbeitnehmern in Spanien und Portugal Mitte September 2012 und massive Proteste in Griechenland in 2011/2012 sind Indiz einer angespannten sozialen Situation im Kontext von Konsolidierung und Strukturreformen: Viele Menschen sehen kritische Belastungsgrenzen erreicht, das Vertrauen in die Aufschwungskräfte ist nur moderat. Zugleich ist insgesamt eine Euro-Stabilisierung in 2012 erst ansatzweise gelungen, wobei der Rolle der Europäischen Zentralbank einerseits und den Reformprogrammen in Krisenländern andererseits ein großes Gewicht zukommt. Die Krise der Eurozone bzw. von immer mehr Euro-Ländern im Zeitraum 2010-12 hat bei vielen Menschen, aber auch bei Investoren im In- und Ausland sowie bei politischen Akteuren weltweit ernste Sorgen über die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Eurozone hervorgerufen. Viele Menschen fürchten, dass hohe Haftungsrisiken Deutschlands tatsächlich stark belasten werden, andere sehen kurz- und mittelfristige Inflationsgefahren und wieder andere fordern, dass die Eurozone geteilt werden möge — etwa in Nordländer und Südländer. Nicht selten wird bedauernd festgestellt, dass in der Eurozone einzelne Länder nicht abwerten könnten; allerdings ist in den USA die Heterogenität der Bundesstaaten durchaus vergleichbar mit der ökonomischen Heterogenität der Euro-Länder und eine nominale Abwertung ist innerhalb der USA unmöglich. Man mag darauf verweisen, dass die Arbeitskräftemobilität in der Eurozone geringer als in den USA ist, aber grundsätzlich können relative Preisänderungen durchaus auch in der Eurozone für internes und externes Gleichgewicht sorgen; sofern institutionelle EU-Hemmnisse die Mobilität beeinträchtigen - etwa schwierige Übertragbarkeit von Sozialversicherungsansprüchen aus Arbeitstätigkeiten in verschiedenen Ländern auf das „Heimatland" der jeweiligen Arbeitnehmer — sollte man seitens der Europäischen Kommission bzw. der EU-Mitgliedsländer die erwähnten Hemmnisse abbauen. Von daher zeigt die Eurokrise Herausforderungen für die nationale und die supranationale Ebene. Im Übrigen gilt, dass jedes Beitrittsland zur Eurozone weiß, dass man in der Eurozone eine nominale Wechselkursanpassung bzw. eine Abwertung zwecks Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr vornehmen kann. Allerdings kann sehr wohl die Relation des Preises handelsfähiger Güter zum Preisniveau nichthandelsfähiger Güter angepasst werden; wenn diese Preisrelation ansteigt, dann kommt es zu einer internen Abwertung, die das Güterangebot im Sektor der handelsfähigen Güter erhöht und die inländische Nachfrage nach solchen Gütern vermindert: Dann steigt im Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft der Netto-Güterexport. Andere Anpassungsoptionen sind denk-

2 • Paul J.J. Weifens

bar, etwa Prozessinnovationen oder Produktinnovationen und verschärfter Preiswettbewerb in der Eurozone bzw. im Binnenmarkt lässt in der Tat beide Arten von Innovationen verstärkt erwarten. Die Europäische Kommission hat in der Lissabon Agenda 2010 auch zu Recht die Innovationsdynamik in der digital vernetzten Wissensgesellschaft betont, aber die hier erreichten Fortschritte in den einzelnen Euro-Ländern waren unterschiedlich. Schwache Fortschritte bzw. geringe Innovationsdynamik haben in Euro-Krisenländern durchaus zu Problemen im Bereich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit beigetragen. Selten in der neuesten Wirtschaftsgeschichte gab es in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit so viel Verwirrung auf einem Politikfeld wie bei der Thematik Währungsunion bzw. Eurokrise, obwohl die Eurokrise selbst durchaus spätestens im Oktober 2008 absehbar war - und vom Autor dieser Studie im Buch Transatlantische Bankenkrise (WELFENS, 2009, S. 158f.) als Szenario formuliert worden ist. Die Krisenverschärfung in der Eurozone, ausgehend von den Krisenfällen Griechenland und Irland in 2010 sowie Portugal im Frühjahr 2011 hat im November 2011 zu einer gefährlichen Situation auf den Kapitalmärkten geführt, die durch zwei EZB-Liquiditätsspritzen zur Jahreswende 2011/2012 vorübergehend aufgefangen wurde. Im Sommer 2012 ergab sich erneut eine kritische Situation, als die Zinssätze für Italien- und Spanien-Anleihen zeitweise auf rund 7% anstiegen und weitere Rating-Verschlechterungen bei Euro-Staaten eintraten, während zugleich bei den Krisenländern bzw. zahlreichen Euro-Ländern eine mittelfristige weitere Erhöhung der Staatsschuldenquoten abzusehen war. In Deutschland gab es unter den Ökonomen in den Jahren nach 2007 eine kontrovers geführte Diskussion, wozu auch eine kontroverse Debatte um die EuroKrise gehörte; dabei wurden von der Spitze des Ifo-Institutes in einseitiger bzw. undifferenzierter Weise Zahlen zu den für Deutschland relevanten Risiken vorgelegt, die zudem ein unvollständiges Bild der Gesamtlage gaben. Der Übertreibungsfaktor der Ifo-Zahlen bzw. der CESifo-Zahlen ist enorm und Politik und Öffentlichkeit wurden systematisch in die Irre geführt, was sinnvolle Problemlösungen erschwert hat; einige Debattenbeiträge aus dem Ifo-Institut können nicht als wissenschaftlich seriös angesehen werden und zudem ist ein eigenartiger nationalistischer Unterton festzustellen, der für ein staatlich finanziertes Forschungsinstitut kaum akzeptabel erscheint. Die Eurozone ist am 1. Januar 1999 mit 11 EU-Ländern gestartet, und zwar zunächst auf Basis von Euro-Buchgeld und mit neuer gemeinsamer Zentralbank, der Europäischen Zentralbank (EZB); 2001 wurde dann Griechenland als zwölftes Mitglied aufgenommen und 2002 erfolgte die Einführung von Euro-Bargeld. Es folgten weitere Neumitglieder, so dass die Eurozone im Jahr des Krisen-Ausbruchs in 2010 immerhin 17 EU-Länder umfasste. Die erfolgreiche erste EuroStartdekade - bei niedriger Inflationsrate von knapp 2% — stimulierte auch die Realwirtschaft in zahlreichen Euro-Ländern. Das Wirtschaftswachstum in den Euro-Peripherie-Ländern bzw. den Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkom-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 3

men war in der ersten Euro-Dekade relativ hoch, was auf einen erfolgreichen ökonomischen Aufholprozess hindeutete, der sich unter anderem im Kontext des EU-Binnenmarktes bzw. des Euro-Finanzbinnenmarktes ergab. Relativ niedrige Realzinssätze in der Eurozone stimulierten Investitionen einerseits und Konsum andererseits. Soweit Investitionen, Konsum und Staatsverbrauch gleichzeitig stärker als das Produktionspotenzial anstiegen, kam es jedoch zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanzposition; die Fragen nach der Höhe der Leistungsbilanzdefizitquote und ihrer Persistenz sowie die Rolle der staatlichen Defizitquote für Krisenländer der Eurozone gilt es noch näher zu beleuchten. Zu den sonderbaren Entwicklungen in der Eurozone, zu der es keine bekannten kritischen Äußerungen seitens wichtiger EU-Institutionen gibt, gehört der Sachverhalt, dass die Expansion des Bankensektors seit Mitte der 90er Jahren in vielen EU-Ländern ausgeprägt war — und in Irland außerordentlich stark: In der Dekade nach 1999 stieg die Relation Bankaktiva zu Bruttoinlandsprodukt von 3 auf rund 9, was in sich schon Anlass für eine kritische Evaluation der Bankenaufsicht in Irland hätte sein müssen; dieses Land erlaubte sich ein enormes Wachstum des Bankensektors unter allen Euro-Ländern in einer Phase, in der faktisch keine nennenswerte Bankenaufsicht stattfand, wobei man dies als Element einer gegenüber den EU-Bankenaufsichtsregeln gesetzeswidrigen Politik der „Leicht-Regulierung" im Interesse einer künstlichen Expansion von Bankensektor und Wirtschaft einordnen kann. Es ist im Übrigen von SCHULARICK/TAYLOR (2010) in einer historischen und empirischen Untersuchung darauf hingewiesen worden, dass der Finanzsektor durchaus eigenständiger Impulsgeber für Wachstumsdynamik einerseits und Instabilitäten andererseits sein kann. Starke Finanzkrisen tragen dabei zu einem Rückgang des Produktionspotenzials bzw. einer Abflachung des Expansionspfades beim realen Bruttoinlandsprodukt bei. Das ist kompatibel mit dem von MINSKY (1977) propagierten Ansatz, dass von den Finanzmärkten eigenständige Instabilitätsimpulse ausgehen können und auch die Vorstellung von Kreditzyklen (KIYOTAKI/MOORE, 1997) passt hier zu.

4 • Paul J.J. Weifens

Abbildung 1: Bankaktiva relativ zum Bruttoinlandsprodukt



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Quelle: OECD Banking Statistics (Database)

Die sogenannte Eurokrise hat eigene europäische Destabilisierungsimpulse, aber sicherlich ist diese Krise zum Teil auch ein Reflex der Transatlantischen Bankenkrise, die zu hohen Abschreibungen der Banken in der Eurozone geführt hat. Die Größenordnung 2007-2010 dürfte bei etwa 8% der Bankaktiva gelegen und bis 2012 rund 9% erreicht haben. Der wirtschaftliche Einbruch 2008/2009 in der Eurozone war durch vier auch für die internationale Ausbreitung von NegativImpulsen relevante Elemente bestimmt: •

Rückgang des Realeinkommens — insbesondere in 2009, als die Investitionen um fast 13% sanken was zu einer Importminderung führte bzw. die Exporte der Partnerländer der Eurozone bzw. der EU bremste.



Von den Abschreibungen bei den Banken in der Eurozone waren auch ausländische Banken bzw. Investoren in der Eurozone betroffen und diese internationalen Verluste dürften in einigen Quellenländern von Direktinvestitionen im Banken- bzw. Finanzbereich wiederum dämpfend auf die Wirtschaftsentwicklung gewirkt haben.



Erhöhung der EU-Schuldenquote, die von etwa 65% in 2007 auf fast 95% in 2012 anstieg (in 2013 gemäß EU-Herbstprognose einen Spitzenwert von gut 95% erreicht, danach dann sinken soll), was zu einer Verschlechterung der Rating-Noten von vielen Euro-Ländern bzw. EULändern mit beitrug. In einem solchen Umfeld verschlechterte sich das

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 5

Rating auch einiger Schwellenländer und die Risikoprämien in vielen Ländern der Weltwirtschaft stiegen an, was das globale Investitionsklima beeinträchtigte. •

Kapitalabflüsse aus einigen Ländern der Eurozone haben zu einer Erhöhung der Realzinssätze in Teilen der Eurozone geführt; in den Zuflussländern außerhalb der EU — inklusive Schwellenländern — kam es zu sinkenden Zinssätzen und einer Währungsaufwertung (zeitweise deutlich etwa in Brasilien).



Psychologische Ansteckungseffekte haben sicherlich auch außerhalb der EU zu kritische Fragen nach der Problematik hoher Staatsschuldenquoten geführt - nicht zuletzt auch in Japan mit einer hohen Schuldenquote von rund 230% in 2012; zwar hat Japan kaum Auslandsschulden, aber schon eine so hohe inländische Schuldenquote ist bedenklich und nach dem Fukushima-Unglück ist die Leistungsbilanzposition Japans zeitweise negativ ausgefallen: Die Auslandsverschuldung nimmt hier also zu.

Die Eurozone, die für etwa 17% des Weltsozialprodukts stehen dürfte, kann mit einer Stagnationsphase erheblich negativ auf andere Regionen der Weltwirtschaft einwirken. Erst Anfang 2010, also knapp zwei Jahre nach der Transatlantischen Bankenkrise und dem Konkurs der US-Bank Lehman Brothers wurde eine Art Eurokrise mit dem Start der Griechenland-Krise im Frühjahr und der wenige Monate später einsetzenden Irland-Krise sichtbar. Ohne auf die Einzelpunkte der beiden Krisenländer und des zusätzlichen Krisenlandes Portugals - mit Flucht des Landes unter den Euro-Rettungs schirm EFSF in 2011 - hier eingehen zu können, ist festzustellen dass sich aus einer Krise von drei kleinen Euro-Ländern schon im Sommer 2011 eine „Euro-Krise" entwickelte: Denn da Italien und Spanien seit August 2011 ebenfalls mit starken Zinsanstiegen konfrontiert waren, stellte sich die Frage, ob die Vielzahl der Krisenländer für eine Art Systemfehler des Euro bzw. der Wirtschafts- und Währungsunion stand. Eine deutliche Abwertung des Euro — etwa gegenüber dem Dollar - war allerdings auf den Märkten zunächst nicht festzustellen; und im Übrigen zeigte sich die größte Volkswirtschaft der Eurozone, Deutschland, auch in 2010/2011 durch deutliches Wirtschaftswachstum geprägt; mit Abstrichen galt das auch für Frankreich, die Beneluxländer, Finnland und Österreich. Da die Eurozone insgesamt — allen voran die Gruppe der südlichen Euro-Länder (ohne Frankreich) im zweiten Quartal 2012 in die Rezession rutschte, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Deutschland vor einer Rezession steht: normalem Wachstum der Auftragseingänge aus dem „Fernausland", also Ausland ohne Euro-Partnerländer, standen starke Rückgänge beim Wachstum der Auftragseingänge in der Eurozone Mitte 2012 gegenüber. Damit steht auch die Realwirtschaft in Deutschland und Frankreich vor negati-

6 • Paul J.J. Weifens

ven Entwicklungen im Kontext der Euro-Krise und mit einer gewissen Zeitverzögerung droht dann auch ein Rückgang der Beschäftigung. 2012 kam im Sommer noch Zypern als weiteres Krisenland hinzu, wobei allerdings zugleich bei Irland ein erstes Gesundungssignal festzustellen war. Denn Irland konnte im Juli 2012 mit fünfjährigen Staatsanleihen an den Kapitalmarkt zurückkehren. Unklar blieb allerdings weiterhin, ob in Griechenland nachhaltige Fortschritte in der Reformpolitik angelegt worden waren und zugleich stellte sich im Jahresverlauf in der Eurozone wachsende Besorgnis in fast allen Mitgliedsländern ein, ob denn nicht die Rezessionsimpulse in den südlichen Ländern der Eurozone auf die gesamte Währungsunion übergreifen würden. Eine relativ schwache Wirtschaftserholung der USA nach der Transatlantischen Bankenkrise von 2007-09 — mit der schweren Rezession in 2009 in den USA und den EU-Ländern (außer Polen) - und die Rezession in Großbritannien in 2012 bedeuteten, dass das internationale Wirtschaftsumfeld der Eurozone als wenig stabilisierend gelten musste. Dem stand allerdings eine anhaltende, starke Wachstumsdynamik Asiens bzw. zahlreicher Schwellenländer gegenüber, von der insbesondere Deutschland mit seinen Wettbewerbs starken Industriesektoren bzw. Unternehmen profitierte. Zugleich war ja mit Blick auf die Euro-Krisenländer bzw. Länder mit hohen Defizit- und Staatsschuldenquoten zu bedenken, dass notwendige haushaltspolitische Konsolidierungsmaßnahmen national konjunkturdämpfend wirkten. Diesem Argument konnte man - mit Vorbehalt — die Überlegung entgegensetzen, dass angesichts einer die Krisenländer betreffenden Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten die Rückführung von Defizit- und Schuldenquoten vertrauensförderlich bei Investoren wirken konnte, so dass staatliche Konsolidierungsanstrengungen möglicherweise doch als mittelfristige Investitionsimpulse gelten könnten. Die Tatsache, dass im Zuge der Stabilisierungsprogramme von OECD-Ländern für marode Banken - konfrontiert mit großen Problemen nach der Transatlantischen Bankenkrise — und im Kontext der Großen Rezession 2008/09 die Schuldenquoten zwischen 2007 und 2011 um gut 20 Prozentpunkte in vielen Ländern anstiegen, steht für eine dramatische Verschlechterung der Staatsfinanzen der USA, Großbritanniens und zahlreicher Länder der Eurozone. Der parallele Schuldenquotenschock in vielen OECDLändern wirkt negativ auf Ratings und die Stabilität bzw. dynamisch wichtige OECD-Länder zugleich. Hier gibt es negative internationale Netzwerkeffekte auf der Nachfrageseite und parallele Angebotsschocks negativer Art - eine komplexe Problematik. Die Schuldenquote der EU stieg zwischen 2007 und 2011 um 24 Prozentpunkte auf 83%. In Großbritannien war die Erhöhung der Schuldenquote zwischen 2007 und 2011 noch dramatischer, da es annähernd zu einer Verdoppelung der Schuldenquote kam: 85,7% war der Wert in 2011, nur 44,4% in 2007. In den USA stieg die Schuldenquote ebenfalls um rund 40 Prozentpunkte im Zeitraum 2007-2011, nämlich von 67,5% auf 103,5%. In Japan lag der Anstieg der nationalen Schuldenquote bei rund 45 Prozentpunkten, wobei Japan in

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 7

2011 einen ungewöhnlich hohen Wert von 211,4% erreichte. In einem globalen Umfeld mit reduziertem Risikoappetit bzw. neuen Zweifeln an der Solidität der Staatsfinanzen von OECD-Ländern wird Japan mittelfristig - trotz der geringen Auslandsschuldenquote - stark unter Druck kommen, die Schuldenquote zurückzuführen. Das könnte bestehende Deflationsprobleme in Japan erschweren. Das niedrige nominale Zinsniveau Japans könnte paradoxerweise zur Destabilisierung asiatischer Länder beitragen, sofern dort Unternehmen sich in Japan verschulden und es dann zu einer starken Abwertung der eigenen Währung kommt. Denn dann stiege in Inlandswährung gerechnet die Last der Auslandsverschuldung deutlich an. Da längerfristig die Schuldenquoten in vielen OECDLändern wohl zurückgeführt werden müssen, ist mit einer Verminderung der globalen Wachstumserwartungen zu rechnen. Das dürfte die Weltwirtschaft für eine Reihe von Jahren belasten. Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte in den USA, die sich im Zeitraum 2008-2012 ergab, wird sich mittelfristig wohl zurückbilden, so dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ansteigen wird. Wenn die Krise auf dem US-Immobilienmarkt überwunden werden kann, so dürfte sich allmählich auch höheres Wirtschaftswachstum einstellen. Die langjährige Innovations- und Technologiedynamik der USA ist jedenfalls als Wachstumstreiber weitgehend — trotz Bankenkrise — ungebrochen. Betrachtet man das Beispiel der USA, dann ist bei einem hier betrachteten Zinsniveau von 4% ein Anstieg der Zinsausgabenquote - der Relation von Zinsausgaben zu Bruttoinlandsprodukt — von 2,7% auf 4,1% im Zeitraum 2007-2011 zu erwarten gewesen. Demnach müsste die Steuerquote nur wegen des Anstieges der US-Schuldenquote um 1,4 Prozentpunkte ansteigen, was jedoch nicht der Fall war, da die expansive US-Geldpolitik bzw. die Politik des Quantitative Easing der US-Zentralbank in Zeitraum 2008-2011 das Zinsniveau fast halbierte, wobei Sichere Hafen-Effekte (der zinssenkende Zufluss von Auslandskapital aus OECD-Krisenländern und aus Nicht-OECD-Ländern) unterstützend zur Geldpolitik wirkten. Das niedrige Realzinsniveau in Deutschland und Frankreich sowie in Großbritannien und den USA hat in 2010-2012 die Wirtschaftsentwicklung zu stabilisieren geholfen, aber in den Krisenländern der Eurozone ist die Situation schwierig, da für mittelständische Unternehmen dieser Länder die Kapitalkosten enorm anstiegen; anders als bei Großunternehmen ist den mittelständischen Unternehmen kaum ohne weiteres eine Auslandsfinanzierung innerhalb oder außerhalb der Eurozone möglich. Im Übrigen ist mit Blick auf die USA, aber auch bei der EU bzw. der Eurozone klar, dass bei einem Normalzinsniveau bei Fortbestand der hohen Schuldenquote eine Erhöhung der Steuerquote unvermeidlich ist — es sei denn, dass man die staatlichen Ausgaben „voll-kompensatorisch" senken wollte. Innerhalb der Eurozone ist im Zeitraum 2007-2012 eine erhebliche Zinsdifferenzierung entstanden, wobei der Anstieg der Zinssätze und der Schuldenquoten in den Krisenländern naturgemäß für hohen wirtschaftspolitischen Problemdruck sorgt. Dabei wird bei anhaltenden Krisenpro-

8 • Paul J.J. Weifens

blemen in verschiedenen Ländern der Eurozone eine deutliche Rezession entstehen, die die Konsolidierungsprobleme erschwert und zu einem starken Anstieg der Arbeitslosenquoten sowie einem neuerlichen Anstieg der Defizitquoten führen könnte. Hohe Zinssätze haben in verschiedenen Krisenländern der Eurozone den Konsolidierungsdruck beim Staat erhöht.

Tabelle 1: Japan

Schuldenquote 2000/2007/2011 USA, UK, Eurozone,

Staatsverschuldung (in % vom BIP zu Marktpreisen, basierend auf ESA 1995) Land

2011

2007

2000

Europäische Union 27

83,0

59,0

61,9

Euro Zone 17

88,0

66,3

69,2

Belgien

98,0

84,1

107,8

Bulgarien

16,3

17,2

72,5

Tschechische Republik

41,2

27,9

17,8

Dänemark

46,5

27,5

52,4

Deutschland

81,2

65,2

60,2

6,0

3,7

5,1

Irland

108,2

24,8

37,5

Griechenland

165,3

107,4

104,4

Spanien

68,5

36,2

59,4

Frankreich

85,8

64,2

57,4

Italien

120,1

103,1

108,5

Zypern

71,6

58,8

59,6

Lettland

42,6

9,0

12,4

Litauen

38,5

16,8

23,6

Luxemburg

18,2

6,7

6,2

Ungarn

80,6

67,1

56,1

Malta

72,0

62,3

54,9

Niederlande

65,2

53,8

Östereich

72,2

45,3 60,2

Polen

56,3

45,0

36,8

107,8

68,3

48,4

33,3

12,8

22,5

Estiand

Portugal Rumänien

66,2

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 9

Slowenien

47,6

23,1

26,3

Slowakei

43,3

29,6

50,3

Finnland Schweden

48,6

35,2

43,8

38,4

40,2

53,9

Großbritannien USA Japan

85,7

44,4

41,0

103,5

67,5

55,1

211,4

167,9

133,6

Quelle: AMECO Datenbank

Da „Programmländer" der Euro2one — also Euro-Länder mit offiziellem Anpassungsprogramm — den wirtschaftspolitischen Anpassungsvorgaben der „Troika" (IWF, EZB und Europäische Kommission) folgen mussten, ergaben sich in den betreffenden Ländern Irland, Portugal und Griechenland erhebliche Anpassungserfordernisse. Die Entwicklungsdynamik der Euro-Krise hat noch im Frühsommer 2012 zu einer Verschärfung der Krise im Vorfeld der zweiten Griechenland-Wahlen geführt. Die neue Koalitionsregierung, die aus diesen Wahlen hervorging, stand unter großem Druck seitens der Troika, die Anfang des Jahres im Kontext des Hilfspakets Griechenland II gegebenen Zusagen - von Regierung und (damaliger) Hauptoppositionspartei — für Strukturreformen, Privatisierungen, Steuererhöhungen und Staatsausgabenkürzungen umzusetzen. Es scheint kaum plausibel zu erwarten, dass Griechenland weitere Hilfspakete auf kurze Frist bekommen kann, da sich die für solche Hilfsmaßnahme-Aufstockungen notwendigen Mehrheiten bei parlamentarischen Abstimmungen kaum werden realisieren lassen. Damit bleibt die Frage im Raum, ob Griechenland nachhaltig in 2012/2013 wird stabilisiert werden können. In Deutschland gab es in 2011/2012 von Seiten verschiedener Politiker der Regierungsparteien Vorstöße, Griechenland aus dem Euro-Raum auszuschließen bzw. das Land aus der Währungsunion herauszudrängen. Während Irland mit der Rückkehr an den Kapitalmarkt im Juli 2012 einen ersten fiskalischen Sanierungserfolg verzeichnen kann, haben sich die kurzfristigen Reformperspektiven Griechenlands nur wenig gebessert. Spanien und Italien standen im Sommer 2012 ebenfalls im Fokus unruhiger Kapitalmärkte bzw. sahen sich hohen Zinssätzen nahe 7% bei der Staatsfinanzierung ausgesetzt, wobei Spanien ein besonderes Problem in Form einer Krise des Sparkassensektors und einer zerplatzten Blase im Immobiliensektor aufwies. Hohe Zinssätze bzw. starke Risikoaufschläge für beide Länder waren seit Anfang August 2011 zu verzeichnen, unmittelbar nach dem Beschluss des Euro-Gipfels über einen 21%-Haarschnitt für private Griechenland-Investoren. Auf Basis eines zweiten Euro-Länder-Gipfelbeschlusses in Sachen verschärfter Griechenland-Haarschnitt im Oktober 2011 — mit einem faktischen Wertabschlag von etwa 70% bei Griechenland-Anleihen im Frühjahr 2012 — hat sich die

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Eurokrise zeitweise weiter verschärft, wobei auch Zypern im Sommer des Jahres in Verhandlungen über ein Anpassungsprogramm eintreten musste. Die mehrjährigen realen Lohnsenkungen in Griechenland schießen über die notwendigen Anpassungen hinaus und schwächen wohl die Angebotsseite der Wirtschaft: Die Motivationsfunktion der Entlohnung, die für Produktivitätsgewinne ebenso wichtig ist wie eine Erhöhung der Kapitalintensität wurde geschwächt, es sind damit Anreize gesetzt, dass die besonders produktiven Arbeitnehmer in die Schattenwirtschaft oder ins Ausland abwandern — das aber ist gerade kein Impuls für eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die mit den dreijährigen Liquiditätsinjektionen der Europäischen Zentralbank von Dezember 2011 und Februar 2012 erreichte Senkung der Zinssätze für Spanien und Italien hat sich als nur vorübergehende Entwicklung erwiesen, wobei Spaniens Bankenkrise - teilweise der Immobilienblase geschuldet — auch zu einer Belastung für den Konsolidierungskurs in Madrid wird. Spanien hat erklärt, bei den Ländern der Eurozone im Juni einen Antrag in Höhe von 100 Mrd. € stellen zu wollen, um die als notwendig erachtete Rekapitalisierung großer Banken in Spanien vornehmen zu können. Auf Basis des erfolgten Antrages werden die Mittel - gemäß Brüsseler Euro-Gipfelbeschluss vom 28./29. Juni 2012 — über die staatliche Gesellschaft Frobden kriselnden spanischen Sparkassen zufließen, womit deren Rekapitalisierung erfolgen kann. Dabei geht es nicht nur darum, Banken mit infolge der Immobilienkrise geschwächter Eigenkapitalquote zu helfen bzw. eine sonst drohende Kreditklemme in Spanien zu verhindern. Vielmehr geht es auch darum, den seitens der EBA (European Banking Authority/Europäische Bankenaufsicht) gestellten deutlich schärferen Eigenkapitalanforderungen für 2012 bzw. den neuen langfristigen Basel-III-Anforderungen gerecht zu werden; bei letzteren geht es um die schrittweise Erhöhung der Eigenkapitalquote bzw. der Kernkapitalquote (BIZ-Vorgabe: 7% bis 2018: hartes Kernkapital der Mindesteigenkapitalforderung von 4,5% plus 2,5% Kapitalerhaltungspuffer; hinzu kommt noch weiteres weiches Kernkapital in Höhe von 1,5% und Ergänzungskapital in Höhe von 2%). Höhere Eigenkapitalquoten der Banken sollen dazu beitragen, die Schockabsorptionsfähigkeit des Finanzsystems zu stärken. Denn Verluste der Banken gehen naturgemäß zulasten des Eigenkapitals und wegen der regulatorischen Eigenkapital-Mindestanforderungen besteht das Problem, dass eine sinkende Eigenkapitalquote mit verminderter Kreditvergabe einhergeht, was wiederum Investitionen, Wachstum und Beschäftigung beeinträchtigen kann. Dies gilt zumal für die Eurozone, in der Banken für die Investitionsfinanzierung eine relativ größere Rolle spielen als in den USA oder Großbritannien. Viele europäische Banken — aber auch US-Banken — litten in 2011/2012 unter deutlich verschlechterten Ratings. Herunterstufungen der Kreditwürdigkeit waren im selben Zeitraum auch ein großes Thema für viele OECD-Länder, inklusive der USA, die im August 2011 das jahrzehntelang gehaltene Top-Rating AAA bei der Rating-Agentur

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Standard & Poor's verloren. Mit Rating-Herabstufungen von Ländern erhöhen sich die Zinssätze bei den betroffenen Ländern bzw. fällt der Kurs der betreffenden Staatsanleihen und über die Bilanzpositionen in den Banken und Bankverluste drohen dann eben eine Senkung der Kreditvergabe an die Wirtschaft und eine sinkende Investitionsdynamik. Der IMF-Economic Oudook vom Frühjahr 2012 (IMF 2012a) hat einen Teil der Euro-Dynamik bzw. der Probleme der Eurozone untersucht. Dabei wird in einer Szenario-Betrachtung auch eine ungünstige Entwicklung thematisiert, bei der man einen Rückgang der privaten Investitionen von 15% - gegenüber der ursprünglichen Standard-IWF-Projektion - annimmt. In einem solchen Fall wäre das Realeinkommen in der Eurozone 3,5% niedriger als in der Standard-IWFProjektion und letztlich würde das weltweite Wirtschaftswachstum in 2013 um zwei Prozentpunkte geringer ausfallen als in der ursprünglichen Projektion. Von daher erkennt man, dass angesichts teilweise wenig klarer EU- bzw. EuroGipfelbeschlüsse sich ein erheblicher ökonomischer Bremsprozess in der Eurozone ergeben könnte und dass — unter Beachtung der guten Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und Frankreich sowie wenigen anderen Euro-Staaten — in einzelnen Ländern auch ernste Krisenentwicklungen fortbestehen oder sich gar verschärfen könnten. Das Doppelproblem der Eurozone, dass einige Staaten ernste Refinanzierungsprobleme haben und dass eine Reihe von Banken u.a. durch Kursverluste bei Staatsanleihen destabilisiert worden ist (oder wird), droht die Realwirtschaft erheblich zu belasten. Staaten, die sich mit hohen realen Zinssätzen konfrontiert sehen bzw. bereits hohe Schulden- und Defizitquoten verzeichnen, haben kaum Spielräume für Konjunkturpolitik, und wie der Staat einer möglichen Gefährdung von Großbanken in einer solchen Situation durch sonst eigentlich übliche staatliche Bankenrekapitalisierungen entgegen treten könnte, ist kaum erkennbar. Die Debatte um mögliche Auswege aus der Krise wird jedenfalls kontrovers geführt. Mit dem EU- bzw. Euro-Gipfel von 28. und 29. Juni 2012 hat sich in Deutschland und Europa die Debatte um die Euro-Stabilisierung intensiviert, zumal in Deutschland auch eine Gruppe von gut 200 Ökonomen unter Führung von Walter Krämer (Universität Dortmund) und Hans-Werner Sinn (Ifo-Institut München) Anfang Juli 2012 einen offenen Brief gegen die Gipfel-Beschlüsse verfasst hat — darauf wiederum hat eine Gruppe von Ökonomen mit einem offenen Gegenbrief geantwortet (Peter Bofinger/Gustav Horn/Michael Hüther/Daüa Marin/Bert Rürup/Friedrich Schneider/Thomas Straubhaar). Auch gibt es eine Gruppe von über 200 Ökonomen um Illing und Heitmann, die sich für eine Bankenunion in der Eurozone ausgesprochen haben. Die Hauptbeschlüsse des Euro-Gipfels bezogen sich darauf, dass der neue EuroRettungsfonds European Stability Mechamism (ESM) künftig unmittelbar eine Banken-Rekapitalisierung vornehmen darf; aber nur unter der Bedingung, dass

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zuvor eine einheitliche Bankenaufsicht in der Eurozone errichtet wird. Zudem soll der ESM künftig unmittelbar Staatsanleihen von Krisenstaaten ankaufen bzw. Kredite vergeben können, und zwar sofern Auflagen der Europäischen Kommission erfüllt werden. Schließlich wurde ein Wachstumspaket über 115 Mrd. € verabschiedet, und es wurde der Beschluss zur direkten Unterstützung der Bankensanierung in Spanien gefasst. Da der spanische Staat zunächst Mitte 2012 selbst aus dem Rettungsfonds EFSF Gelder für die Bankenrekapitalisierung in Spanien erhielt, hat dies naturgemäß den Kurs der Sanierung der Staatsfinanzen über eine erhöhte Schuldenquote bzw. Druck hin zu schlechterem Rating erschwert. Die Defizitquote Spaniens ist ohnehin wegen der Rezession in 2012 nicht ohne weiteres kurzfristig erheblich zurückzuführen. Wenn eine Reihe von Euro-Ländern aber stark in der Rezession konsolidieren wollte, so wird dies kaum die Defizitquote zurückführen können bzw. dies könnte unter ungünstigen Umständen gar die Wirtschaftslage destabilisieren. Dass aus deutscher Sicht eine rückläufige Nachfrage in Spanien, Italien und anderen Ländern des Mittelmeerraumes die Export- bzw. Wachstumsdynamik bremst, ist offensichtlich. Es gibt aber auch Probleme auf der Angebotsseite, etwa wenn Automobil-Zulieferer aus den genannten Ländern Kreditfinanzierungsprobleme haben und damit die Wertschöpfungskette deutscher Automobilproduzenten gestört wird bzw. umorganisiert werden muss. Der IMF (2012b) hat in seinem Artikel-IV-Bericht zur Eurozone eine Reihe kritischer Feststellungen getroffen (nachfolgende Übersetzung der S. 1: PW): „Kontext: Die Krise in der Eurozone hat eine neue und kritische Stufe erreicht. " Obwohl seitens der Eurozone bzw. der EU und des IWF Kredit- bzw. Rettungspakete für Griechenland in 2010 und 2011 bereitgestellt wurden, ist es nicht gelungen, eine rasche deutliche Stabilisierung der griechischen Wirtschaft zu erreichen; trotz des „Haarschnitts bei den privaten Anlegern", der Anfang 2012 rund 53% betrug und die Staatsschulden Griechenlands um immerhin etwa 109 Mrd. € verminderte. Allerdings hat Griechenland durchaus auch Fortschritte in einigen Bereichen realisiert, denn die sogenannte Primärdefizitquote - staatliches Haushaltsdefizit ohne Zinsausgaben (relativ zum Bruttoinlandsprodukt) — hat sich im Zeitraum 2010/2011 um acht Prozentpunkte vermindert, was als eine Rekordanpassung unter EU-Ländern bzw. in der OECD gelten kann (PAPADEMOS, 2012); im ersten Quartal 2012 wurde ein Primärüberschuss von 1,1% des Bruttoinlandsproduktes erzielt und zudem hat Griechenland etwa die Hälfte des im Zeitraum 2001-2010 eingetretenen Verlustes in der EU-Preiswettbewerbsposition bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit in 2010/2011 aufholen können. Trotz Ölpreisanstieg ist die Leistungsbilanzdefizitquote im Zeitraum 2008-2011 um ca. fünf Prozentpunkte gesunken und bei der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den 37 wichtigsten Handelspartnern hat Griechenland immerhin 1/3 seiner Wettbewerbspositionsverschlechterung aus 2001-2010 ver-

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mindern können. Die Leistungsbilanzverbesserung ergab sich vor allem durch Importverminderung, jedoch nur wenig durch Exportwachstum - bei letzterem dürften verstärkte Finanzierungsprobleme der Exportwirtschaft im Kontext mit Bankenproblemen mit eine Rolle gespielt haben. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Griechenlands Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystem vor enormen Spannungen steht. Grundsätzlich herrscht die Befürchtung, dass es in den Krisenländern durch eine Kombination von massiver Konsolidierungspolitik und neuerlichem Zinsanstieg zu scharfer Rezession, starkem Anstieg der Arbeitslosenquote und neuerlicher Erhöhung der Defizit- bzw. Schuldenquote kommen könnte p E U T S C H E R GEWERKSCHAFTSBUND, 2012). Von den Griechenland-Problemen ging eine weitere Destabilisierung anderer Länder aus — theoretisch in der „Contagion- bzw. Ansteckungsdebatte" erfasst (z.B. MISSIO/WATZKA, 2011). Diese Länder sind neben den beiden weiteren kleinen Krisenländern Irland und Portugal die großen Länder Spanien und Italien, wo es in 2011 zu hohen Kapitalabflüssen bzw. Zinssteigerungstendenzen kam. Der Zinsanstieg bei diesen beiden Ländern konnte nur vorübergehend gedämpft werden, zugleich war in 2010-12 für Deutschland und Frankreich sowie einige wenige andere Euro-Länder ein Sicherer-Hafen-Effekt mit deutlichen nominalen und realen Zinssenkungstendenzen erkennbar. Davon hat die deutsche Konjunkturentwicklung gerade in 2010/2011 profitiert. Aber es stellt sich die Frage, ob nicht die Exportdynamik Deutschlands mittelfristig mit einer erheblichen Abschwächung rechnen muss, wenn in einer Vielzahl von Euro-Partnerländern eine Rezession eintritt und wenn zugleich auch Großbritannien von einer Rezession getroffen wird. Eine wichtige Frage betrifft auch die Kreditverfügbarkeit — die Kreditumfragen seitens der EZB signalisieren hier keine Probleme, allerdings wird bei den Fragen nicht untersucht, ob die gewünschte Fristigkeit verfügbar ist (hier gibt es aus EHW-Sicht einzelne Einblicke, dass auch Großunternehmen geplante Investitionen nicht mit der gewünschten Langfristigkeit bzw. fristenkongruent finanzieren können, woraus Bilanzrisiken erwachsen). Mittelfristig steigende Arbeitslosenzahlen könnten sich durchaus auch in Deutschland im Zuge einer weiteren Verschärfung der Euro-Krise und einer zyklischen Verlangsamung des Wachstums in den USA und einigen asiatischen Ländern — etwa China und Indien — ergeben. Angesichts des Überschreitens einer Schuldenquote von 100% in den USA muss mittelfristig in den USA mit einer Konsolidierungspolitik gerechnet werden, die die Wachstumsdynamik zumindest vorübergehend vermindern wird. Dies wird sich dann negativ auf die EU bzw. die Länder der Eurozone auswirken. Nachdem die Eurozone nicht nachhaltig bis Sommer 2012 stabilisiert werden konnte — trotz einer großen Liquiditätsinjektion seitens der Europäischen Zentralbank — stellt sich nun eine Reihe von Fragen, die sich sowohl auf das Krisenmanagement der Eurozone und mögliche Krisenverschärfungsmomente bezie-

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hen, als auch auf die langfristigen strategischen Weichenstellungen etwa im Kontext einer Hinwendung zu einer Politischen Union. In der nachfolgenden Analyse werden im Wesentlichen zehn Punkte untersucht: 1.

Warum hat das Euro-Krisenmanagement 2010/2011 keine nachhaltige Stabilisierungswirkung — insbesondere in Griechenland — erreichen können?

2.

Wie stark sind die möglichen Ansteckungskanäle innerhalb der Eurozone ausgeprägt bzw. welche Folgen könnten von einer weiteren Verschärfung der Griechenlandkrise auf Deutschland einerseits und die Kohäsionsländer plus Italien und Spanien andererseits ausgehen? Zu den denkbaren Problemen für Deutschland und Frankreich gehört die Frage des Anteils an der Garantielast beim Rettungsschirm EFSF, die durch Ausscheiden von bisherigen Nicht-Programmländern ansteigen kann (Krisenländer mit offiziellem Anpassungsprogramm scheiden aus dem Kreis der Garantiegeber-Länder aus). Wenn etwa Spanien zum ProgrammLand würde bzw. ein offizielles Anpassungsprogramm von Eurozone plus IWF bekäme, und zwar im Kontext eines entsprechenden Großkredites, dann erhöhen sich die Anteile der anderen Garantieländer — in genau dem Maß kompensatorisch bzw. proportional, wie das bisherige Nicht-Programmland anteilsmäßig hinter dem EFSF stand. Ein Ausscheiden Spaniens aus dem EFSF hätte zur Konsequenz, dass der bisherigen 29%-Anteil Deutschlands auf 33,3% bzw. 211 Mrd. € ansteigt (der Anteil Frankreichs läge dann bei 25%, der von Italien bei 22% und der der Niederlande bei 7%; die Konstruktion des EFSF könnte zusammenbrechen bzw. weitere Refinanzierung unmöglich werden, wenn auch Italien neben Spanien zum offiziellen Programm-Land würde, was vermutlich eine Herabstufung der Bonität Deutschlands und Frankreichs sowie der Niederlande und ggf. weiterer Länder zur Folge hätte).

3.

Ansteckungsdynamik und Problematik der Auswirkung der Euro-Krise auf osteuropäische EU-Länder; Rumänien, Ungarn und Lettland haben bereits ein IWF-Anpassungsprogramm, diese und andere Länder könnten mit einem Abfluss von Kapital, höheren Zinssätzen und Rezessionsimpulsen mittelfristig konfrontiert sein.

4.

Welche Länder haben in den 12 Jahren seit dem Euro-Start in der Währungsunion welche industriellen Spezialisierungsmuster im Außenwirtschaftsbereich entwickelt und inwiefern gibt es bei einzelnen Ländern Probleme mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit? Hierbei wird auch auf die Herausforderungen durch die neue Konkurrenz aus der Türkei, Indien und China auf den Märkten der EU bzw. der Eurozone einzugehen sein. Methodisch wird hier auf die Berechnung von sektora-

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len offenbarten Wettbewerbsvorteilen (RCA: revealed comparative advantage) hingewiesen, aber auch auf die Entwicklung der Exportdurchschnittserlöse in Sektoren der Industrie; und zudem werden die Lohnstückkosten differenziert in Verbindung mit der nationalen Innovationsdynamik dargestellt. 5.

Weshalb setzte sich die Euro-Krise auch nach den Beschlüssen zur Errichtung des dauerhaft angelegten European Stability Mechanism (ESM) erkennbar fort? Und welche (Netto-)Risiken ergeben sich etwa aus der Griechenland-Krise bzw. aus einem breiteren Krisenländer-Feld für die Steuerzahler in Deutschland und anderen Ländern?

6. Welches sind mögliche Ansatzpunkte zur Überwindung der akuten Krise von 2012 und zur Stabilisierung der Beschäftigung in der EU, und zwar im Rahmen einer Fortsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion? Die möglichen Ansatzpunkte einer Wachstumspolitik in der Eurozone sind hierbei ebenso zu thematisieren wie die Frage, inwieweit besondere Maßnahmen bzw. Hilfen für eine Wiedergewinnung der Wachstumsdynamik auch in Griechenland erwägenswert sind. Zu fragen ist auch, wie die Maßnahmen des Quantitative Easing (QE) in den USA und Großbritannien sich auf die Eurozone ausgewirkt haben bzw. auswirken werden und welche Effekte QE in der Eurozone hätte; theoretischer Bezugspunkt ist hierbei u.a. das portfoliotheoretische BRANSONModell zur Wechselkursbestimmung in offenen Volkswirtschaften mit flexiblen Wechselkursen. Dies erlaubt, die Auswirkungen einer geldpolitischen quantitativen Lockerung auf den nominalen bzw. realen Wechselkurs und den Nominal- bzw. Realzins sowie letztlich — in einem modifizierten Modell - auch auf Netto-Güterexport, Einkommen und Beschäftigung zu analysieren. 7.

Welche Argumente sprechen für welche der beiden grundlegenden Politikoptionen: Wiederherstellung einer Normal-Euro-Phase bzw. Durchsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, und zwar ohne politische Euro-Union; oder es erfolgt eine Hinwendung zur Politischen Union, die mit grundlegenden Verschiebungen der vertikalen Staatsaufgabenzuweisung und entsprechend auch veränderten Staatsausgaben auf den Politikebenen Bundesländer (Regionen), Nationalstaat und Europäische Union einhergehen. Auch Fragen der Wachstumspolitik werden hier angesprochen.

8. Welche Rolle kann und sollte die Europäische Zentralbank bei der Überwindung der Euro-Krise spielen bzw. wie könnte das Zusammenspiel der nationalen Zentralbanken aussehen; dabei ist neben der Geldpolitik auch auf grundlegende Fragen der Bankenaufsicht einzugehen.

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9.

Wenn man die Option einer Euro-Politikunion näher betrachtet, dann ergeben sich veränderte Politikoptionen einerseits, aber es ist auch zu überlegen, ob sich aus einer Politikunion grundlegende Vorteile für alle beteiligten Euro-Länder bzw. die Menschen in der Währungsunion ergeben werden. Hierbei wird auch auf die Rolle von Euro-Staatsanleihen näher einzugehen sein, wobei Berechnungen zur Höhe der Zinsausgabenquote in einer Währungsunion mit gemeinschaftlichen Euro-Staatsanleihen („Eurobonds") vorgelegt werden.

10. Schließlich gilt es zu fragen, wie sich die Europäische Union als Ganzes entwickeln kann bzw. wie das europäische Modell der Sozialen Marktwirtschaft in der EU und weltweit verteidigt werden kann. Die vorzulegende Analyse berücksichtigt nicht nur die neueren theoretischen Ansätze und empirischen Befunde zur Krisendynamik bzw. zur Problematik einer parallel von mehreren Ländern forcierten Konsolidierungspolitik (z.B. IMK/OFCE/WIFO, 2012) in der Eurozone, sondern es werden auch die Erfahrungen aus der Lateinamerika-Krise der 80er Jahre und der in Teilen als potenziell relevant angesehenen Asien-Krise 1997/98 in die Analyse einbezogen. Zudem wird der Bezug zur Transatlantischen Bankenkrise hergestellt, denn es geschah unmittelbar in den vier Jahren nach dem Konkurs der Bank Lehman Brothers, dass die Staatsschuldenquote der USA und Großbritanniens um fast 30 Prozentpunkte und die der Eurozone um über 20 Prozentpunkte anstieg. Die vorgelegten Überlegungen und Ansätze bauen teilweise auf Analyseelementen der Studie Transatlantische Bankenkrise (WELFENS, 2009, S. 158f.) auf, in der bereits frühzeitig — Manuskriptabschluss war Oktober 2008 - auf die kommenden Probleme einer Refinanzierungskrise bei den Staatsschulden Griechenlands, Italiens, Spaniens und Portugals hingewiesen wurde. Mit der sogenannten Euro-Krise haben sich in einigen Ländern der Eurozone dramatische Entwicklungen und Herausforderungen ergeben. Jugendarbeitslosenquoten von nahe 50% Mitte 2012 zählen zu den bedrückenden Befunden etwa in Griechenland und Spanien, wo auch die Arbeitslosenquoten insgesamt stark angestiegen sind. Es mögen sich zwar auch zahlreiche jugendliche Arbeitslose um einen Arbeitsplatz im Ausland bzw. in anderen Euro-Ländern bemühen, aber je mehr Euro-Länder in einer strukturellen Krise sind, desto beschränkter werden die Auswahlmöglichkeiten für mögliche Intra-Eurozone-Auswanderer. Ein Teil der Euro-Krise ist mit makroökonomischen Ungleichgewichten auf der Ebene einzelner Mitgliedsländer verbunden: Länder mit sehr hohen Leistungsbilanzdefizitquoten über viele Jahre sehen sich dann natürlich einer hohen Auslandsschuldenquote gegenüber. Nach dem Konkurs von Lehman Brothers hat sich die Volatilität der internationalen Finanzmärkte deutlich erhöht und Länder mit hoher Auslandsschuldenquote müssen daher auch damit rechnen, dass es bei einem Vertrauensverlust schon kurzfristig zu einem raschen und starken Abfluss

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von Auslandskapital kommen kann. Nach Berechnungen der Citibank vom Frühjahr 2012 ist in den neun Monaten nach dem August 2011 — faktisch nach der ersten Entscheidung (21. August) zu einem „Haarschnitt" für private Anleger in Griechenland-Anleihen - Kapital in Höhe von etwa 10% des Bruttoinlandsproduktes aus Spanien abgeflossen; im Fall Italiens waren es sogar 15%. Bei Griechenland und Portugal ist das Problem hoher Leistungsbilanzdefizite schon seit vielen Jahren sichtbar, wobei zumindest im Fall Griechenland nur ein geringer Teil der entsprechenden Nettokapitalimporte durch Direktinvestitionen abgedeckt sind. Zu den wichtigen Problempunkten gehört die Frage, wie man die aus einschlägigen Berichten der Europäischen Kommission bekannte Wachstumsschwäche überwinden kann. Portugal und Italien sind hier besonders zu nennen, z.T. auch Griechenland. Letzteres gilt nämlich insoweit, als die in der Dekade nach 2001 dem Euro-Beitritts jähr Griechenlands - sichtbaren zeitweise hohen Wachstumsraten nicht Ausdruck einer nachhaltigen Politik bzw. Entwicklungsstrategie waren. Es gilt hier und bei einer Reihe anderer Länder verstärkt den Fokus auf die Preissegmente zu richten, in denen sich die Kohäsionsländer plus Italien zu Beginn der Währungsunion (oder unmittelbar vor 1999) positioniert hatten; und welche Preissegmente auf der Exportseite dann eine Dekade später in den jeweiligen Exportsektoren überwogen (so auch BORBELY, 2006). Soweit Anbieter unter dem Druck verschärfter inner-EU- oder globaler Konkurrenz zu einem preismäßigen Abstieg gezwungen waren, bedeutete dies nicht nur eine Niederlage in der internationalen Innovations- bzw. Qualitätskonkurrenz, sondern makroökonomisch verschlimmerte sich zugleich das Problem des Leistungsbilanzdefizites - es sei denn, dass bei verminderten Exportdurchschnittserlösen ein starkes mengenmäßiges Exportwachstum das Absinken der Durchschnittserlöse kompensiert hätte. Diese Thematik kann im Einzelnen weiter ausgeleuchtet werden und von daher ergibt sich dann auch welche Schwachpunkte in Teilbereichen der Lissabon-2010-Agenda festzustellen waren. Diese EU-Agenda der Wirtschaftspolitik, die die nationalen Politikakteure einschloss, setzte ja gerade auf Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Dies wird man in der Regel so verstehen, dass hier auch der Vorstoß von Unternehmen in höhere Qualitätsstufen gewünscht war oder auch das Eindringen in neue Wachstumsmärkte. Zu den besonders wachstumsstarken Sektoren, die in der LissabonAgenda-2010 auch zu Recht betont wurden, gehört der Sektor der Informationsund Kommunikationstechnologie; gerade dieser auch für die Binnenmarktdynamik der EU insgesamt wichtige Sektor weist aber bei Ländern wie Portugal und Griechenland besondere Schwachpunkte in Sachen Technologie- bzw. Patentdynamik auf (JUNGMITTAG, 2011). Die Wachstumsfragen sind von der Europäischen Kommission mit einem leicht veränderten Fokus unter der Überschrift Europe 2020 aufgenommen worden, wobei in einer Art erweiterten Lissabon-

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Agenda nun auch Ressourceneffizienz bzw. ökologische Aspekte und Fragen des Klimawandels verstärkt mit im Vordergrund stehen sollen. Fragen der Wachstumspolitik sind seit der Abwahl des französischen Staatspräsidenten Sarkozy als neues Euro-Politikthema auf die Agenda gekommen. Dabei ist zu überlegen, auf welche Weise staatliche Wachstumsimpulse in einem Umfeld mit erheblichem Konsolidierungsdruck in fast allen EU-Ländern erzeugt werden können. Eine rasche und deutliche Erhöhung etwa der Bildungsausgaben oder der Forschungsförderung ist angesichts einer in vielen Staaten schwierigen Etatiage nicht ohne weiteres zu erwarten. Mögliche Ansatzpunkte für Wachstumsimpulse liegen in der Schaffung von gemeinschaftlich begebenen ProjektEurostaatsanleihen zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturprojekte, aber auch in sinnvollen Akzentverschiebungen bei den EU-Strukturfonds. Es besteht im Übrigen zudem die Gefahr, dass die erkennbaren Rückschritte bei der Finanzmarktintegration in 2010-12 zu einem negativen Wachstumsimpuls für die Gesamtheit der Eurozone führten. Im Bankenmarkt kam es schon in der Transadantischen Bankenkrise erkennbar zu neuen Segmentierungsprozessen endang der Landesgrenzen: Im Zweifelsfall will jedes nationale Parlament nur isoliert die „eigenen nationalen" Banken mit Steuergeldern retten — politisch nachvollziehbar, aber eben für die Marktintegration relativ problematisch. Denn in der traditionellen Sicht bzw. auf Basis von empirischen Befunden aus der Literatur (Übersicht: KUTLINA, 2009; KEIM, 2009; WELFENS/RYAN, 2011) ist man davon ausgegangen, dass regionale Finanzmarktintegration und Wirtschaftswachstum positiv miteinander verbunden sind. Mit der mehrjährigen Finanzmarktkrise stellt sich im Übrigen auch die Frage, wie man seitens der Politik sinnvoll privates Vorsorgesparen in den alternden Gesellschaften der EU-Länder empfehlen soll: Nicht nur hat das Vertrauen der Menschen in die Banken — vor allem die Großbanken — während der Bankenkrise erheblich gelitten. Es kann angemerkt werden, dass im Mai 2012 die Ergebnisse der Stiftung Warentest bei einem Bankentest in Sachen Erkundigung zu einer möglichen Kreditaufnahme keine Note besser als ausreichend für die Banken (ohne Direktbanken) erbrachten, was als kritisch schwache Bewertung einer doch für Bürgerinnen und Bürger bzw. die gesamte Sparerschaft wichtigen Branche gelten muss. Trotz zahlreicher Gesetzesnovellierungen ist es der Politik bislang offenbar nicht gelungen, die Qualitätsstandards im Privatkundengeschäft bzw. im Kreditvergabebereich deutlich und nachhaltig zu bessern; obwohl man ja eigentlich hier doch auf den verschärften Wettbewerb im EU-Finanzbinnenmarkt - und erst recht im EuroFinanzbinnenmarkt — setzen können sollte. Dies ist doch aus Sicht der überwiegenden Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. letztlich aus der Perspektive der gesamten Bürgerschaft eine sehr bedenkliche Entwicklung. Der EU-Binnenmarkt, und zwar gerade der Finanzbinnenmarkt, ist im Zuge der Euro-Krise in eine Rückwärtsbewegung in einigen Feldern geraten. Es ist nur zu

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offensichtlich, dass nach dem Konkurs von Lehman Brothers und spätestens seit dem Doppelkrisenjahr 2011/2012 für Griechenland, Portugal und Spanien plus Italien (sowie Irland) Kapital nicht mehr ohne Weiteres vom Norden der EU in den Süden der Gemeinschaft fließt. Innerhalb des EU-Binnenmarktes haben sich via Risikoprämien bei einigen Staaten faktisch hohe Hürden für den IntraEurozonen-Kapitalverkehr aufgebaut. Damit ist aber tendenziell auch der realwirtschaftliche Konvergenzprozess in der EU bzw. der Eurozone gefährdet; denn wenn die Erhöhung der Kapitalintensität in den südlichen EU-Ländern deutlich langsamer voranschreiten sollte als bisher bzw. im Tempo gar hinter die Expansionsdynamik der nördlichen Länder der Eurozone zurückfällt, dann kann eben auch eine realwirtschaftliche Konvergenz in der Europäischen Union kaum noch realisiert werden: Die Angleichung von Arbeitsproduktivitäten bzw. realen Pro-Kopf-Einkommen über Ländergrenzen hinweg wird schwierig und wenn die realwirtschaftliche Konvergenz sich abschwächt, dann ist auch kaum noch mit einer raschen Angleichung der politischen Präferenzen über Ländergrenzen hinweg zu rechnen. Soweit man nämlich davon ausgeht, dass politische Präferenzen mit der Höhe der realen Pro-Kopf-Einkommen (nach Kaufkraftparität) eng korreliert sind, kann es in der Tat einen Zusammenhang von ökonomischer Konvergenz und politischer Kooperation geben. Durch die Euro-Krise ist nicht nur eine zeitweise Divergenz der Zinssätze in der Eurozone entstanden, sondern es ist auch ein Auseinanderlaufen — eben Divergenz — bei den Pro-Kopf-Einkommen festzustellen; im Wesentlichen natürlich zulasten der Krisenländer. Damit werden sich die Interessenkonflikte in der Eurozone zumindest vorübergehend verschärfen und es stellt sich die Frage, wie viele bzw. welche Länder etwa eine verstärkte Zentralisierung der Fiskalpolitik bzw. Schritte hin zu einer Politischen Union mittragen können und wollen. Soweit es um Fragen nach einer Politischen Euro-Union geht (WELFENS, 2012a), wird hier teilweise argumentatives Neuland beschritten. Die in der Literatur (z.B. CAESAR, 2002; 2008) verbreitete These, dass man mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip schon mehr als genug Aufgaben und Ausgaben auf die supranationale Politikebene — mit schlecht funktionierendem politischen Wettbewerb — in Brüssel verschoben hat, ist grundsätzlich fragwürdig. Die Brüsseler Politikebene steht für etwas mehr als 1% des Bruttoinlandsproduktes und in der Tat kann man mit Blick auf die im langfristigen Trend sinkende Wahlbeteiligung beim Europäischen Parlament auf eine eher schwache Politikkontrolle vermuten. Wenn man allerdings erwägt, dem Beispiel Australiens oder Kanadas zu folgen und mehr als 5% des Bruttoinlandsproduktes auf der zentralstaatlichen Politikebene zu verankern, dann hätte man erstens einen wesentlich höheren Ausgaben- und Aufgabenblock auf der supranationalen Politikebene in Brüssel, der sicherlich auch verstärkt das Interesse der Wählerschaft an sich ziehen würde. Zweitens wäre der Ausgabenblock groß genug, ggf. eine antizyklische Fiskalpolitik als Option zu realisieren, denn Konjunkturprogramme umfassen in der Regel

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auf der Ausgabenseite 0,5-1% des Bruttoinlandsproduktes. Drittens gäbe es bei Realisierung einer eigenständigen Steuerpolitik auf supranationaler Ebene auch auf der Steuerseite einen stabilitätspolitischen Ansatzpunkt. Wenn schließlich erwogen wird, einen Teil der bisher ausstehenden nationalen Euro-Staatsschulden auf die supranationale Ebene zu verlagern bzw. gemeinschaftlich garantierte Euro-Bonds in einem gewissen Umfang aufzulegen, dann könnte die Zinsausgabenquote sinken: Wenn die Relation staatliche Zinsausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt etwa um einen Prozentpunkt fällt, dann profitiert faktisch hiervon der Staat auf allen Ebenen, also bei Ländern (plus Kommunen) und Bund sowie auf der supranationalen Ebene. Diese Aspekte eines Positivsummenspiels einer Einführung von supranationalen Staatsanleihen gilt es im Einzelnen auszuleuchten und dann auch die Wachstumsrelevanz möglicher Steuersenkungen wie denkbarer Ausgabenerhöhungen in den Bereichen Innovationsförderung und Bildung zu thematisieren. Im Übrigen ist gelegentlich auch ein Vergleich mit den USA nützlich, wo der größte Teil der Staatsanleihen der zentralen Politikebene in Washington zuzuordnen sind. In Kanada, den USA und Australien — als Beispiele für Bundesstaaten mit De-facto-Währungsunion hier betrachtet — sind im Übrigen Infrastrukturausgaben zu einem erheblichen Teil auf der zentralen Ebene verankert, aber auch die Verteidigungsausgaben sowie ein Teil der Innovationsförderung. Dieser Sachverhalt kann natürlich einerseits zum Ausgangspunkt für die Frage konjunkturpolitischer Handlungsmöglichkeiten auf der zentralen bzw. höchsten Politikebene betrachtet werden, andererseits ergeben sich hiermit auch denkbare Ansatzpunkte für eine Aufgaben- und Ausgabenverlagerung in einer Politischen Euro-Union. Soweit ein Aufschub bei einer Entwicklung hin zu einer Politischen Euro-Union mit klarer Stabilitätsorientierung zu einem Auseinanderbrechen der Eurozone bzw. zu fortgesetzten Krisen in mehreren EuroLändern beiträgt, ist die Frage nach zügigen Weichenstellungen für eine Politische Union zu reflektieren. Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion — jenseits des möglicherweise eintretenden Falles, dass Griechenland die Eurozone verlässt - hätte enorme realwirtschaftliche Verwerfungen und sehr hohe Wohlfahrtsverluste zur Folge. Die weitere Analyse bringt in neuer Weise einen kritischen Blick auf die Entwicklungen und die Eigendynamik der Euro-Währungsintegration, inklusive sich daraus ergebender möglicher globaler Instabilitäten. Schließlich wird eine Reihe von möglichen Politikalternativen diskutiert und auch die Frage etwa nach der möglichen Einführung einer Finanztransaktionssteuer bzw. ähnlichen Steueroptionen kann näher ausgeleuchtet werden. Die theoretisch fundierte Studie, die auch relevante empirische Befunde berücksichtigt, greift die Standard-Ansätze der MakroÖkonomik und neueste Analysen auf, und zwar mit einer gewichtigen Anwendungsorientierung auf die Problematik der Euro-Krise. Neuartige Politikoptionen für die Stabilisierung werden vorgeschlagen, die eine nachhaltige Überwindung der Euro-Krise ermöglichen.

2. Euro-Krisendynamik in 2010-12 Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist ein Projekt, das auf die 1970er Jahre zurückgeht, als in Form des Werner-Berichtes ein erster Vorschlag für eine binnen einer Dekade zu errichtenden Währungsunion vorgelegt wurde. Wegen der Ölpreis schocks der 70er Jahre konnte das Vorhaben nicht realisiert werden, da diese asymmetrischen Schocks sehr ungleichmäßig auf die EULänder wirkten und weil die politischen Prioritäten naturgemäß zunächst auf eine makroökonomische Stabilisierung gerichtet waren. Nachdem 1992 bzw. Anfang der 90er Jahre der EU-Binnenmarkt formal vollendet war, richtete sich die Politik wieder stärker der Frage der Währungsunion zu. Mit dem DelorsBericht wurde eine politische Blaupause für eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt. Tatsächlich startete die Währungsunion auf Basis der Konvergenzkriterien bzw. mit den diese Kriterien erfüllenden Ländern am 1. Januar 1999. Seit 2010 bzw. seit der Griechenlandkrise, der man mit einem ersten bilateralen Kredithilfspaket von 110 Mrd. € im Mai zu begegnen suchte, ist die Währungsunion in einer Krise, denn die Zahl der „Programmländer" bzw. der Krisenstaaten hat im Zeitraum 2010-2012 zugenommen. Immer mehr Euro-Länder haben auf eine Konsolidierungspolitik umgeschwenkt, was jedoch bei der gewünschten Uberwindung der in 2012 in mehreren Euro-Ländern sichtbaren Rezession kaum hilfreich war. Man fragt sich daher, wie die Eurozone aus der Krisendynamik zuverlässig herausfinden könnte und wie eine gefährliche Spirale von Staatsfinanzierungskrise mit Rating-Abwertungen der Staatsanleihen und nachfolgender Bankenkrise mit nachfolgenden vermindertem Kreditwachstum bzw. Investitionsschwäche und Rezession sowie neuerlich erhöhter Defizitquote des Staates vermieden werden kann. Zu den ersten Krisenländern Griechenland und Irland aus 2010 traten 2011 noch Portugal und zeitweise auch Spanien und Italien hinzu, deren Zinssätze für zehnjährige Staatsanleihen zeitweilige nahe an die 7%-Marke rückten. 2012 hat dann Spanien am 25. Mai ein offizielles Hilfeersuchen im Kontext mit der spanischen Sparkassenkrise an die EU bzw. die Länder der Eurozone gerichtet, wobei man um einen Kredit von 100 Mrd. € ersucht hat. Dieser Betrag wurde dem Land auch Mitte Juli — nach einem ersten allgemeinen positiven Beschluss des Euro-Gipfels vom 28. und 29. Juni 2012 in Brüssel — zugestanden, wobei als Euro-Hilfsfonds zunächst der EFSF mit verfügbaren Restmitteln von rund 240 Mrd. € genutzt werden soll. Der neue ESM-Rettungsfonds war Anfang Juli, anders als von der Bundesregierung und den Partnerländern zunächst geplant, noch nicht aktionsfähig, da das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf vorliegende Klagen auf den September als Zeitfenster einer vorläufigen Entscheidung in Sachen Zulässigkeit von Fiskalpakt und ESM verwiesen hatte. Italiens Groß-

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banken sahen sich Mitte Juli 2012 von einer Rating-Verschlechterung durch Moody's konfrontiert, wobei als Begründung auf die starken Defizit- bzw. Staatsfinanzierungsprobleme des italienischen Staates verwiesen wurde. Hier droht also die schon bekannte Abwärtsspirale, wonach Staatsfinanzierungsprobleme zu Bankenproblemen führen — Banken halten ja Staatspapiere in erheblicher Zahl in ihren Bilanzen — und wenn die Banken dann weniger Kredite vergeben bzw. sich die Investitions- und Wachstumsdynamik vermindert, droht schon bald die Rezession und damit eine realwirtschaftliche Ansteckung. Die erste Dekade der Euro-Währungsunion, die am 1.1.1999 mit elf EULändern begann, wozu dann 2001 Griechenland hinzutrat, ist ein ökonomischer Erfolg gewesen und hat auch einige zeitweilige Ansätze zur Haushaltkonsolidierung gerade bei Ländern mit hoher Schuldenquote gebracht, nämlich Italien und Belgien. Aber die Konsolidierungsbemühungen waren nicht nachhaltig, gerade auch bei Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, die sich nach dem EuroStart einem bald einheitlichen niedrigen Zinssatz in der Eurozone gegenüber sahen: Der gesunkene Realzinssatz — gemessen als Nominalzins minus Inflationsrate — war in vielen Euro-Ländern, und zwar inklusive Italien mit seiner hohen Schuldenquote, in der Dekade nach 1998 relativ niedrig. Mehrere südeuropäische Länder wiesen in den 13 Jahren 1999-2011 insgesamt hohe Steigerungen der Lohnstückkosten im Vergleich zu Deutschland auf, so dass sich eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder ergab. Da die Lohnstückkosten die Relation von Nominallöhnen (Stundenlohn in Euro) zur Arbeitsproduktivität (mengenmäßige Produktion pro Arbeitsstunde) ist, kann ein Abbremsen der Lohnstückkosten dann erfolgen, wenn die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität höher als die Zuwachsrate der Stundenlöhne ist. Griechenland, Italien, Spanien und Portugal haben offenbar zu starke Lohnzuwächse einerseits bzw. zu geringe Produktivitätsfortschritte andererseits. Im Fall Italien und Griechenland liegt dies unter anderem daran, dass der Zufluss an Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen - sie sind oft führend beim Produktivitätsfortschritt - über Jahrzehnte relativ niedrig war. Griechenlands Anstieg der Lohnstückkosten fällt im Übrigen selbst im Vergleich der Kohäsionsländer aus dem Rahmen; hier dürfte die starke Rolle des Staates bzw. von Staatsunternehmen negativ gewirkt haben — von Staatsunternehmen bzw. vom Sektor der nichthandelsfähigen Gütern gehen erfahrungsgemäß weder starke Produktivitätsfortschritte aus, noch ist mit Druck hin zu einer Lohnpolitik auf Basis des Produktivitätsfortschritts zu rechnen.

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 23

Tabelle 2:

Reale Lohnstückkosten: Gesamtwirtschaft

Jahr Jahresdurchschnittswachstumsrate in % Land 2007-2010 1999-2010 2010 2007 2000 1999 Belgien 0,753 100,1 97,2 100,0 101,5 -0,114 Bulgarien -0,007 3,525 105,0 91,2 100,0 105,1 0,731 Tschechische Rep. 106,6 103,6 100,0 98,7 0,643 Dänemark 0,197 0,365 104,9 103,4 100,0 102,5 0,967 Deutschland 94,6 91,0 100,0 98,8 -0,367 0,902 Estland 105,7 101,9 100,0 101,8 0,306 Irland 0,612 1,668 110,6 103,4 100,0 102,7 Griechenland 98,7 95,8 100,0 101,5 -0,229 0,750 0,177 Spanien -0,477 95,0 94,3 100,0 100,6 Frankreich 0,800 102,2 99,0 100,0 100,2 0,168 Italien 0,909 104,8 101,0 100,0 101,4 0,273 Zypern 98,6 97,9 100,0 100,5 -0,162 0,166 Lettland -2,082 99,3 107,9 100,0 106,3 -0,570 Litauen 95,3 101,9 100,0 109,3 -1,663 -1,145 Luxemburg 1,684 98,3 91,9 100,0 99,5 -0,104 Ungarn 91,4 98,8 100,0 98,5 -0,626 -1,968 Malta 0,034 103,1 103,0 100,0 103,8 -0,057 1,038 Niederlande 101,1 97,0 100,0 101,1 -0,002 Osterreich 0,862 96,2 92,9 100,0 100,9 -0,401 Polen 0,893 86,9 83,8 100,0 102,6 -1,385 Portugal 0,363 -0,066 98,1 96,7 100,0 98,9 Rumänien 84,2 78,6 100,0 86,9 -0,262 1,733 Slowenien 2,182 104,2 95,5 100,0 98,0 0,505 Slowakei 1,901 101,0 93,6 100,0 98,0 0,246 Finnland 2,198 109,0 99,8 100,0 102,0 0,554 Schweden -0,179 96,5 97,2 100,0 96,4 0,009 Vereinigtes Kö0,800 102,4 99,2 100,0 98,3 0,339 nigreich Kroatien 1,347 97,4 92,3 100,0 102,3 -0,408 USA -0,496 94,1 96,0 100,0 98,5 -0,380 Japan 0,158 -0,859 91,3 90,7 100,0 101,2 Quelle für Grundzahlen: Ameco Database (Europäische Kommission)

Der Realzinssatz sank in der Euro-Zone von 4,7% für den Durchschnitt der Dekade 1989-1998 auf 2,4% als Dekadendurchschnitt 1999-2008, der Nominalzinssatz von 8,1% auf 4,4%. Die Inflationsrate von 3,3% auf 2,2%, die Defizit-

24 • Paul J.J. Weifens

quote von 4,3% auf 1,7%, die Arbeitslosenquote von 9,3% auf 8,3%. In der ersten Dekade stieg die Beschäftigung um 0,6% p.a., in der Euro-Startdekade um 1,3% p.a. (bei 1.5% jährlichem Wachstum der Arbeitsproduktivität in 1989-1998, während das Wachstum der Arbeitsproduktivität in der ersten Euro-Dekade 0,75% p.a. betrug). Der Realzinssatz war von 4,7% in 1989-98 auf 2,4% in der Euro-Startdekade gesunken, was auch dem Rückgang in den USA im Vergleichszeitraum von 4,3% auf 2,4% entsprach. In den USA war die Defizitquote von 3,3% auf 2,5% in der Euro-Startdekade gesunken; diese und andere Indikatoren werden in der nachfolgenden Tabelle aufgezeigt. Man mag hier anfügen, dass ein Teil der Expansionsdynamik nicht nachhaltig angelegt war, da insbesondere Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten — bei schon relativ hoher Auslandsverschuldung in der Ausgangslage — mit längerfristigen Problemen aus einer stark ansteigenden Auslandsverschuldung erwarten mussten. Vermutlich hat man seitens der nationalen Wirtschaftspolitik wie seitens der Europäischen Kommission hier auch Anpassungsprobleme übersehen und in jedem Fall kann man kritisch darauf verweisen, dass Abweichungen von den Vorgaben des Stabilitätsund Wachstumspaktes häufig vorkamen und faktisch nie mit Strafen bzw. Strafzahlungen geahndet wurden. Der Fall Griechenland, das nach Beitritt zur Eurozone in jedem Jahr seiner ersten Beitrittsdekade die 3%-Marke übertraf, ist hier ein ernster Problemfall, der Defizite des Europäischen Rates in einer minimal vernünftigen Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes anzeigte.

Tabelle 3:

Reales BIP Reales BIP pro Kopf Reales BIP pro Kopf Beschäftigung Arbeitsproduktivität Arbeitslosigkeit Inflation Defizitquote Bruttoschuldenquote

Makroökonomische Indikatoren und Euro-Vorteile

Wachstumsrate Wachstumsrate

Periodendurchschnitte Dänemark, USA Euro-Zone Schweden, UK 199919891999- 1989- 1999- 19892008 1998 2008 1998 1998 2008 3.0 2.6 2.2 2.1 2.0 2.7 1.9

1.6

1.7

2.2

1.8

1.6

Index, USA=100 Wachstumsrate

73

72

74

76

100

100

0.6

1.3

0.1

0.9

1.5

1.0

Wachstumsrate

1.6

0.8

1.9

1.8

1.5

1.6

% der Erwerbsbevölkerung

9.3

8.3

7.9

5.2

5.8

5.0

% des BIP

3.3 -4.3

2.2 -1.7

3.4 -3.6

1.7 -0.9

3.3 -3.3

2.8 -2.5

% des BIP

68.6

68.6

48.7

43.0

67.8

60.7

%

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 25

Langfristiger % 8.1 4.4 4.9 8.6 7.1 4.8 Zinssatz Langfristiger % 4.7 2.4 4.2 2.4 3.3 4.3 realer Zinssatz Quelle: European Commission (2008), EMU@10: success and challenges after 10 years of Economic and Monetary Union, Brussels; S.19. Der Anteil des Euro an den globalen offiziellen Währungsreserven der Notenbanken stieg von 18% in 1999 auf 25% in 2007, der Anteilswert bei Außenhandelstransaktionen mit Ländern außerhalb der Eurozone stieg auf über 50%. Die in der Euro-Startdekade starke Rolle des Euros als internationale Reservewährung bedeutet, dass die Eurozone einen Wohlstandsgewinn auf der Güterimportseite erzeugt. Denn für einen Teil dieser Importe zahlt die Eurozone quasi mit selbstgedruckten Euros — mit marginalen Kosten von nahe Null hergestellt: Der Zins, den etwa Zentralbanken mit hohen Beständen an Euro-Staatspapieren aus EU-Ländern halten, ist viel niedriger als die Rendite am Weltkapitalmarkt und in Höhe dieser Differenz multipliziert mit den jahresdurchschnittlich von NichtEuro-Staaten gehaltenen Währungsreserven in Euro ergibt sich ein ökonomischer Vorteil für die Länder der Eurozone. Dieser Effekt ist schon aus dem Fall der USA bzw. der Rolle des Dollars als Weltreservewährung bekannt; dabei schätzt EICHENGREEN (2012) die Differenz zwischen der globalen Kapitalrendite und den auf US-Anleihen in der Hand von Zentralbanken gezahlten Zinssatz auf 2%. Länder, deren Währung keinen internationalen Reservestatus hat, müssen für alle importierten Güter faktisch mit dem Export aus eigener Güterproduktion ganz real bezahlen. Mit der Währungsunion bzw. dem Euro hat sich eine erhöhte Preistransparenz im EU-Binnenmarkt in der ersten €-Dekade ergeben. Die verschärfte Preiskonkurrenz dürfte Anreize auch für ein Mehr an Intra-Euro-Direktinvestitionen von multinationalen Unternehmen geben. Denn viele Firmen, die sich verschärfter Preiskonkurrenz ausgesetzt sahen, haben versucht, durch Produktion im Ausland — und dabei innerhalb der Eurozone — die Preisstellung auf wichtigen Märkten in der Eurozone zu verbessern; wer in einem Land produziert, der kann bei Konsumgütern zudem die verbreitete Neigung von Konsumenten nutzen, „inländische" Produkte zu kaufen. Tatsächlich ist der Anteil der Intra-Euro-Direktinvestitionen im Zeitablauf deutlich gestiegen. Der Anteil der Intra-Euro Direktinvestitionen von multinationalen Unternehmen ist von einem Anteil von 35% an allen Direktinvestitionen von Firmen aus der Eurozone in 1999 auf 45% im Jahr 2006 gestiegen (EZB, 2008, S. 93). Da mit höheren Direktinvestitionen in den Empfängerländern eine Erhöhung der Investitionsquote bzw. ein Mehr an Technologietransfer verbunden ist, kann man die Zunahme der Intra-Eurozonen-Direktinvestitionen als wachstumsförderlich auf mittlere Sicht betrachten. Zu prüfen bleibt allerdings, ob die Eurozone mehr Direktinvestitionszuflüsse

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von außen längerfristig wird anziehen können als den entsprechenden Ländern vor 1999 gelang. In ihrem Bericht zu den ersten 10 Jahren von Euro und EZB (EUROPEAN COMMISSION, 2008, S . l l l - 1 1 4 ) hat die Kommission neben einer positiven allgemeinen Zwischenbilanz zur Euro-Einführung die beiden Länder Spanien und Portugal etwas näher untersucht. Die Europäische Kommission führt dabei aus, dass die Risikoprämien bzw. Zinssätze in diesen beiden Ländern nach dem Euro-Beitritt massiv gesunken sind und daher Anreize für eine höhere private gesamtwirtschaftliche Nachfrage entstanden ist; in Portugal entfiel fast die gesamte Zusatznachfrage auf den Konsum, in Spanien sowohl auf Konsum als auch auf Investitionen. Dass Portugal vor Spanien in ernste Probleme geriet, erstaunt von daher nicht wirklich. Da erhöhte Investitionen heute gesamtwirtschaftlich erhöhte Produktion bzw. Lieferfähigkeit in der Zukunft bedeutet, konnte man bei Spanien erwarten, dass sich die Auslandsverschuldung nur langsam im Zuge eines verstärkt negativen Außenbeitrages erhöht. In Portugal hingegen war klar, dass die stark steigende Konsumnachfrage — ohne vom Euro-Beitritt her rührende Investitionsimpulse — die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf praktisch unveränderte gesamtwirtschaftliche Produktionskapazitäten treffen würde: Damit aber war ein Absinken der Exporte bzw. ein Anstieg der Güterimporte vorprogrammiert und damit auch ein erhöhtes Leistungsbilanzdefizit. Da ein Land mit einer Importrechnung, die die Exportrechnung übersteigt, sich im Ausland verschuldet, kam es nun in Portugal zu einer wachsenden Auslandsverschuldung. Es besteht im Übrigen kein Zweifel, dass die Einführung des Euros natürlich auch für Portugal und Spanien sowie Griechenland, Irland, Italien etc. große ökonomische Vorteile brachte, da sich laut Kommissionsbericht die Arbeitsproduktivität bzw. die Kapitalproduktivität wachstumsförderlich erheblich erhöht hat. Problematisch war allerdings in einigen Euro-Ländern die Schwerpunktsetzung bei der Struktur der Staatsausgaben, die zu wenig auf Bildung und Innovationsförderung ausgerichtet war und in einigen Ländern auch für eine zu hohe Staatsausgabenquote stand — letzteres sichtbar etwa in Griechenland.

2.1

Anpassungsfähigkeit begrenzt, Perspektiven schwierig

Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Ländern spielen die Lohnstückkosten eine wichtige Rolle, aber auch die Fähigkeit von Unternehmen zur Produktinnovation und mithin zur Eroberung bzw. Schaffung neuer Märkte. Soweit man Deutschland als Vergleichsmaßstab nimmt, wird bei einem Blick auf die Lohnstückkostenentwicklung deutlich, dass eine Reihe von Euro-Ländern relativ zu Deutschland im Zeitablauf eine Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition haben hinnehmen müssen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Lohnstückkosten ja das Verhältnis von Stundenlohn zu Arbeits- bzw. Stundenproduk-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 27

tivität sind und von daher gibt es immer zwei Ansatzpunkte für die Entwicklung der Lohnstückkosten: • •

Entwicklung der Arbeitsproduktivität; Entwicklung der Bruttoarbeitskosten (auf Stundenbasis)

Mit Blick auf die hohen langjährigen Leistungsbilanzdefizitquoten ist für Griechenland und ähnlich auch für Portugal ein Problem festzustellen, und zwar nicht allein, weil hohe Netto-Güterimportquoten vorliegen. Vielmehr ist auch die Anpassungsfähigkeit bei den Nominallöhnen in Griechenland und Portugal gering und im Zeitablauf (1995-2001) weiter gefallen (BEHR/PÖTTER, 2010); das Bild ist im Übrigen bei der Anpassungsfähigkeit der Nominallöhne nach unten bei Italien ähnlich schlecht wie bei Griechenland und Portugal, während in Deutschland, Frankreich und mehr noch in Großbritannien und Irland sowie auch in Spanien eine hohe Flexibilität festzustellen ist - Dänemark und Belgien haben nach Behr/Pötter eine Minderung der Lohnrigidität im Zeitraum 1995— 2001 erreicht. Dabei hätte man im Gefolge des Starts des EU-Binnenmarktes 1992 und im Vorfeld des Starts der Eurozone doch ggf. eine Stärkung der Lohnflexibilität gerade in den Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen erwarten können; allerdings nur, wenn man eine verstärkte Wettbewerbsintensität oder auch über hohe Direktinvestitionszuflüsse eine verstärkte Rolle multinationaler Unternehmen herbeigeführt hätte. Letzteres hätte zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitsproduktivität führen können, was die Lohnstückkosten auch ohne besondere Lohnzurückhaltung gedämpft hätte. Die Wettbewerbsintensität ist, sofern man eine exemplarische Untersuchung der Deutschen Bundesbank zu Preisunterschieden zum Waschmaschinenmarkt betrachtet, gerade in Ländern wie Griechenland und Spanien relativ gering (FISCHER, 2009): Die qualitätsbereinigten Preisunterschiede über Länder hinweg sind hier in der Eurozone über die Zeit hinweg noch gewachsen, wobei die Unterschiede bis zu Vi des Durchschnittspreises ausmachen. Das deutet mit Blick auf Griechenland und Spanien hin, dass dort die Wettbewerbsintensität vergleichsweise gering ist, was wiederum auf Versäumnisse der nationalen oder supranationalen Wettbewerbsbehörde hindeutet. Es ist einigermaßen paradox, dass trotz Binnenmarkt und Eurozone bei handelsfähigen Gütern offenbar immer noch hohe längerfristige Preisunterschiede zwischen Ländern möglich sind. Ein Problem könnte in der Eurozone auch sein, dass es zu wenige eurozonenweit agierende Vermarktungsketten gibt bzw. unverändert auch ein „homebias" der Nachfrager eine gewisse Rolle spielen mag. Wären die Befunde von FISCHER (2009) repräsentativ für die Südländer der Eurozone, nämlich Griechenland, Portugal und Spanien, dann könnte man argumentieren, dass die Exporte aus diesen Ländern in erheblicher Weise durch „zu hohe Löhne" behindert werden, die jedoch letztlich auf zu hohe Konsumgüterpreise zurück zu führen sind. Es wäre also etwa in Portugal, Spanien und Griechenland unbedingt seitens der jeweiligen Regierung bzw. der

28 • Paul J.J. Weifens

Europäischen Kommission notwendig, für mehr Wettbewerb auf den Konsumgütermärkten zu sorgen. Eine höhere Lohnflexibilität gerade in Griechenland hätte man insbesondere durch Privatisierungen bzw. ein Mehr an Wettbewerb im Sektor der handelsfähigen Güter und der nichthandelsfähigen Güter realisieren können; Reformen, die aber aus verschiedenen Gründen in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Mitgliedschaft in der EU weitgehend unterblieben (ein Teil der Staatswirtschaft Griechenlands geht noch auf das autoritäre Obristen-Regime der frühen 70er Jahre zurück). Es ist außerordentlich wichtig, dass der Staat nicht nur vernünftige Rahmenbedingungen für in- und ausländische Investoren setzt, sondern dass auch durch strikte Wettbewerbspolitik die internationale Wettbewerbsfähigkeit bzw. die Innovationsdynamik gestärkt wird. Griechenland hat hier über Jahrzehnte viele Ausnahmebereiche des Wettbewerbs fortbestehen lassen, die eigentlich gar nicht kompatibel mit dem EU-Binnenmarkt sind. Es liegt daher der Vorschlag nahe, dass die Kommission regelmäßig im Rahmen eines BinnenmarktFortschrittsberichtes auch die nationale Wettbewerbs- und Regulierungspolitik der Mitgliedsländer ausleuchten soll; im Fall der Telekomregulierung liefert die EU bereits jährliche Analyseberichte, so dass auch eine gewichtige Basis für einen Ländervergleich bzw. Benchmarkings in einem bestimmten Sektor vorliegt. Die Einführung von Arbeitszeitkonten und andere pragmatische Flexibilisierungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben in Deutschland eine positive Arbeitsmarktentwicklung auf mittlere Sicht begünstigt. Gewerkschaften haben in der Bundesrepublik Deutschland in zahlreichen Sektoren die Einführung vieler neuer Flexibilisierungselemente mitgetragen. Man kann für Deutschland gerade in der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts erhebliche Arbeitsplatzgewinne feststellen, allerdings ist der Status dieser zusätzlichen Arbeitsplätze in manchen Fällen problematisch — die starke Zunahme der Leiharbeit ist hier ein wesentlicher Aspekt. Dennoch dürfte sich die Arbeitsmarktsituation in Deutschland insgesamt längerfristig weiter verbessern können, da aus demographischen Gründen eine relativ hohe Arbeitsnachfrage besteht.

2.2

Direktinvestitionen

Die Direktinvestitionen der Währungsintegration haben vom Euro profitiert, wobei aus theoretischer Sicht nicht ohne Weiteres eine klare Kausalität herrscht, die der Bericht EMU@10 betont (EUROPEAN COMMISSION, 2008, S.35). Wenn internationale Handelskosten infolge sinkender Transaktionskosten in der Währungsunion fallen, dann wird es weniger interessant, über horizontale Direktinvestitionen Auslandsmärkte in der Währungsunion zu bedienen — der Anteil des Handels mit Endproduktion in der Währungsunion sollte daher zunehmen. Wenn allerdings firmeninterne Transaktionskosten bzw. die Kosten der

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 29

räumlichen Aufspaltung der Wertschöpfungsketten durch die Gründung der Währungsunion sinken sollten, dann gibt es Anreize für erhöhte vertikale Direktinvestitionen; also ein Mehr an Off-shoring, in dessen Verlauf Vorlieferungsbausteine verstärkt im Ausland in der Eurozone produziert werden. Eine Mehrzahl von Studien hat Indizien für eine Erhöhung der Direktinvestitionen in der Währungsunion gefunden, wobei die Zunahme 14-36% beträgt (PETROULAS, 2006; SOUSA/LOCHARD, 2006). Allerdings gibt es auch Studien, die Direktinvestitionsablenkungseffekte finden (z.B. TAYLOR, 2007); PETROULAS (2006) und FOAD (2006) fanden allerdings auch Evidenz dafür, dass Direktinvestitionsabflüsse aus der Eurozone bzw. Direktinvestitionszuflüsse in die Eurozone durch die Einführung des Euro zugenommen haben. Hier kann aus theoretischer Sicht angemerkt werden, dass die Eurozone zunächst eine reale Abwertung erlebt hat, die man aus einem Diversifizierungsmotiv beim Kapitalverkehr erklären kann; denn der Zusammenschluss von elf Ländern zur Euro-Startergruppe bedeutete ja, dass es innerhalb der Währungsunion keine Diversifizierungsmöglichkeiten mehr nach Währungen gab. So dürften spekulative Anleger einen Teil ihrer Investitionen in Länder außerhalb der Eurozone, etwa nach Großbritannien, Dänemark, Schweden, Schweiz und USA verlagert haben, was eine einmalige reale Abwertung des Euro als Anpassungsphänomen zur Folge hätte. Gemäß dem Ansatz von FROOT/STEIN (1991) bedeutet aber eine reale Abwertung im Kontext unvollkommener internationaler Kapitalmärkte, dass es zu einem erhöhten Zufluss an Direktinvestitionen kommen wird. Denn gerade mit Blick auf internationale Unternehmenszusammenschlüsse bedeutet eine reale Abwertung des Euro, dass sich dann das Eigenkapital von investitionswilligen multinationalen Unternehmen von außerhalb der Eurozone erhöht, was bei einer kreditfinanzierten Übernahme von Firmen in der Eurozone naturgemäß ein Vorteil ist - die Wahrscheinlichkeit bei einem Bieterwettkampf gegen Konkurrenten aus der Eurozone zu obsiegen steigt. Dass zugleich auch Direktinvestitionsabflüsse in den Rest der Welt zugenommen haben, ließe sich dadurch erklären, dass durch die Gründung der Währungsunion der Preiswettbewerb an Intensität gewonnen hat, woraus sich mittelfristig eine verstärkte Neigung potentiell innovations starker Firmen ergibt, durch verstärkte Produktinnovationsanstrengungen ihre Profitabilität bzw. Marktposition zu verbessern; und Produktinnovationen gehen oft einher mit Prozessinnovationen. Wenn Firmen aber die Technologieintensität ihrer Produktion erhöhen bzw. sich verstärkt firmeninterne Vorteile aufgebaut haben, dann steigt ihre Fähigkeit, erfolgreiche Tochterunternehmen im Ausland aufzubauen bzw. profitable Produktion in ausländischen Tochterunternehmen zu entwickeln - ein Argument, das auf DUNNING (1981) zurückgeht. Auch ohne dass hier auf weitergehende Analysen zur Direktinvestitionsdynamik in der Währungsunion eingegangen wird, kann man feststellen, dass die Rolle multinationaler Unternehmen in der Eurozone gewachsen ist. Damit verbunden

30 • Paul J.J. Weifens

sein könnten auch Aspekte der Technoglobalisierung, dass sich nämlich Firmen im Bereich Forschung & Entwicklung verstärkt international aufstellen, was wiederum einen intensivierten Innovationswettbewerb zur Folge haben dürfte. Von besonderem Interesse ist in jedem Fall, wie sich die produktionsmäßige Spezialisierung von Kohäsionsländern und anderen ausgewählten Euro-Ländern im Kontext der ersten 13 Euro-Jahre entwickelt haben. Die Analyse von JUNGMITTAG (2006) hat gezeigt, dass zum Wirtschaftswachstum von westeuropäischen EU-Ländern vor allem technologieorientierte Spezialisierung beigetragen hat. Sofern einige Euro-Länder in der ersten Dekade unzureichende technologieorientierte Spezialisierungsgewinne verzeichneten, dürfte dies demnach zu Lasten der ökonomischen realen Konvergenz in der Eurozone gegangen sein: d.h. dass die Angleichung der Pro-Kopf-Einkommen sich verlangsamt und zugleich könnten die Leistungsbilanzpositionen der innovationsschwachen Länder schwächer ausfallen. Wenn etwa die Handelspartner in der Eurozone bzw. außerhalb der Währungsunion verstärkt Produktinnovationen entwickeln, dann könnte der Importwert deutlich zunehmen; und zwar weil einerseits die Importmengen steigen und weil andererseits die durchschnittlichen Importpreise steigen — bei importierten neuartigen Gütern wird üblicherweise in Preiszuschlag bzw. eine Qualitätsprämie im internationalen Markt zu zahlen sein.

2.3

Euro-Krisendynamik im Kontext der Griechenland- und Irland-Krise in 2010

Die Euro-Krise begann 2010 mit der Griechenland-Krise, als das 12. EuroBeitrittsland seinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt verlor und im Mai mit einem bilateralen Hilfskredit der Euro-Partnerländer — in Höhe von 110 Mrd. € (davon 30 Mrd. € vom IWF) - stabilisiert werden konnte. Griechenland hatte bereits beim Euro-Beitritt eine Schuldenquote von rund 110% und von daher war die Defizitquote von 15,6% im Wahljahr 2009 außerordentlich hoch. Zwar war 2008/09 in vielen OECD-Ländern ein ernstes Rezessionsjahr, so dass man in der Literatur von der Great Recession spricht. Aber da Griechenlands Banken nicht wesentlich in US-Finanzmärkten engagiert gewesen waren, gab es keine hohen Bankrekapitalisierungskosten für Griechenland und ein normales keynesianisches Konjunkturpaket wäre als Politikreaktion zu erwarten gewesen. Tatsächlich meldete die konservative (Nea Dimocratia-) Regierung im Frühjahr 2010 dann 4% Defizitquote nach Brüssel an die Europäische Kommission, was leicht über der Obergrenze von 3% des Stabilitäts- und Wachstumspaktes lag. Die Diskrepanz der gemeldeten Defizitquote von 4% und tatsächlichem Wert von 15,6% ist enorm und wurde in dieser Höhe auch erst in 2011 von den Behörden bzw. der neu gewählten Regierung erkannt. Man mag einschränkend hier

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anmerken, dass unter dem Druck der Europäischen Kommission einige Klassifizierungspunkte zur Defizitdefinition in 2011 modifiziert wurden, aber es bleibt der Sachverhalt, dass die Ist-Defizitquote mit rund 15% fünfmal so hoch wie die maximal zulässige Defizitquote gemäß des Stabilitäts- und Wachstumspaktes war. Im Frühjahr 2009 hatte Griechenland keine erkennbaren Probleme bei der Defizit- bzw. Staatsschuldenfinanzierung. Aber es war jedem Insider klar, dass eine Defizitquote von 15% die Finanzmärkte schockieren musste — zu deutlich war die Schockwirkung einer Defizitquote von 10% bei Mexiko Anfang der 80er Jahre gewesen, als ausländische Anleger sich aus der Refinanzierung von mexikanischen Staatsschulden rasch zurückzogen und Mexiko in eine Staats- und Bankenfinanzierungskrise stürzen ließen. Da erfahrungsgemäß die Defizitquote pro Jahr nur um etwa 3% zurück gefahren werden kann, bedeutete die Defizitquote von 15% in 2009, dass die Schuldenquote am Ende der folgenden fünf Jahre um mindestens 45% angestiegen sein würde (15+12+9+6+3 = 45). Damit war schon klar, dass selbst unter der günstigen Annahme einer jährlichen Rückführung der Defizitquote um 3 Prozentpunkte die Schuldenquote Griechenlands bis 2013 auf rund 150% ansteigen würde: ein internationaler Rekordwert — sieht man von Japan als einer Art Sonderfall ab der aus Sicht der Kapitalmärkte Alarm bedeutete, denn hier schien eine Schuldenherabsetzung für private und öffentliche Gläubiger absehbar und entsprechend kam es zu massiven Zinssteigerungen bei Griechenland-Anleihen bzw. spiegelbildlichen Kursverlusten bei diesen Papieren. Im Frühjahr 2010 hatte Griechenland somit faktisch den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten verloren und suchte bei den EUInstitutionen bzw. den Euro-Ländern um einen Kredit nach. Tatsächlich erhielt Griechenland dann im Juni 2010 einen multilateralen Hilfskredit über 110 Mrd. €, der zu 80 Mrd. € von den Euro-Partnerländern und zu 30 Mrd. € vom IWF kam. Die neue Pasok-Regierung fand also im Herbst 2009, nach den Wahlen, eine schwierige wirtschaftliche Situation vor — nämlich eine Rezession — und zugleich eine im internationalen und historischen Vergleich selten hohe Defizitquote; bei klarer Gefahr, dass man Refinanzierungen der Staatsschuld demnächst am Markt nicht mehr zu erträglichen Bedingungen werde realisieren können. Seit dem Konkurs der US-Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 waren die Risikoprämien — etwa definiert als Differenz von US-Unternehmensanleihe-Zins und Zins für US-Staatsanleihen — deutlich gestiegen und da die staatliche Schuldenquote, speziell bei hoher Auslandsverschuldung, als Maß für ein Zahlungsausfall-Risiko gesehen werden kann, war Griechenland mit seiner Mischung aus hoher Schuldenquote und hoher Auslandsschuldenquote Anfang 2010 in einer prekären Schuldensituation (Japans Schuldenquote lag mit gut 230% noch höher als die Griechenlands, aber der Anteil der Auslandsverschuldung Japans lag bei nur etwa 1/10 des Staatsschuldenbestandes bzw. rund 20% des Bruttoinlandsproduktes; das Parlament hat im August 2012 im Übrigen beschlossen, in zwei

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Stufen die Mehrwertsteuersätze zu erhöhen, damit Japans Schuldenquote stabilisiert bzw. zurückgeführt werden kann: trotz weiter alternder Bevölkerung und daher auch deutlich zunehmender staatlicher Gesundheitsausgaben auf lange Sicht). Die Tatsache, dass die Europäische Kommission des massiven Verstoßes Griechenlands gegen die 3%-Obergrenze bei der griechischen Defizitquote in 2009 erst im Folgejahr gewahr wurde, zeigt Informationsprobleme gewichtiger Art im Bereich Makro-Schlüsseldaten von Euro-Ländern auf. Sonderbarerweise wurde von Griechenland nicht gefordert, umfassende Privatisierungen vorzunehmen, obwohl ein IWF-Bericht aus dem Dezember 2010 aufzeigte (IMF, 2010), dass das Staatsvermögen Griechenlands die Staatsverschuldung deutlich übertraf. Während osteuropäische Länder während der Systemtransformation in den 90er Jahren unter schwierigen gesamtwirtschaftlichen Ausgangsbedingungen umfassende Privatisierungen — mit Unterstützung u.a. der Weltbank und der EBRD („Osteuropa Bank", London) vorgenommen haben, beträgt das Privatisierungsvolumen Griechenlands in den Jahren 2010/2011 weniger als 1% des Gesamtvermögens. Nachdem der Haarschnitt bei den Privatanlegern von Griechenland-Staatsanleihen im Frühjahr 2012 mit effektiv etwa 70% realisiert wurde, entschied die Europäische Zentralbank dann, dass Griechenland-Staatsanleihen nicht länger mehr als Sicherheiten bei der EZB akzeptiert werden. Die EZB hat allerdings akzeptiert, dass griechische Geschäftsbanken kurzlaufende Schatzwechsel Griechenlands als Sicherheiten bei der nationalen Zentralbank einliefern dürfen, um sich nationale Notfall-Liquidität (Emergency Liquidity Assistance: ELA) zu besorgen. Hier wird ein gewisser Interessenkonflikt der EZB sichtbar, der durch den Ankauf griechischer, portugiesischer, spanischer, irischer und italienischer Anleihen entstanden ist — bis Juli 2011 stand der Bestand an Staatspapieren bei der EZB bei 211 Mrd. €, was gut 2% des Bruttoinlandsproduktes der Eurozone entsprach. Die am 20. August 2012 auslaufende Staatsanleihe, die der griechische Staat zurückzahlen muss, führt bei diesem nämlich zur Begebung kurzlaufender Schatzwechsel, die bei griechischen Banken platziert werden sollen. Wenn die EZB die Hinterlegbarkeit dieser Papiere bei der nationalen Zentralbank nicht erlaubt hätte, wäre ein Zahlungsausfall bei Papieren der EZB entstanden und dies wäre zulasten des Gewinns bzw. ggf. auch des Eigenkapitals der EZB gegangen. In Griechenland sind 2011-2012 umfassende Konsolidierungsmaßnahmen erfolgt, es kam zu Steuererhöhungen und zur Kürzung von Löhnen. Während Ausgabenkürzungen beim Staat unerlässlich sind - da die Besteuerung bzw. das Steueraufkommen so offenbar unzureichend ist —, kann eine allgemeine Lohnsenkung als problematisch gelten (dies gilt eher nicht für einen Abbau des Lohnvorsprungs beim Staat, der indirekt ein Nachteil für die Exportwirtschaft ist). Die mehrjährigen realen Lohnsenkungen in Griechenland schießen über die notwendigen Anpassungen hinaus und schwächen wohl die Angebotsseite der Wirt-

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schaft: Die Motivationsfunktion der Entlohnung, die für Produktivitätsgewinne ebenso wichtig ist wie eine Erhöhung der Kapitalintensität wurde geschwächt, es sind damit Anreize gesetzt, dass die besonders produktiven Arbeitnehmer in die Schattenwirtschaft oder ins Ausland abwandern - das aber ist gerade kein Impuls für eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. HALIASSOS (2013) — Direktor des Center for Financial Studies, Frankfurt — schreibt mit Blick auf die realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse bzw. die Senkung der Lohnstückkosten im Zuge der Krisenpolitik: „Unproduktive Bereiche werden verdrängt, die Gesamtproduktivität steigt. Da Lohnstückkosten das Verhältnis von Lohnhöhe zu Produktivität abbilden, ließe sich daher annehmen, dass die gesunkenen Lohnstückkosten nicht nur auf Lohnkürzungen, sondern auch auf einen allgemeinen Anstieg der Arbeitsproduktivität zurückzuführen sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Arbeitsproduktivität pro Kopf ist in Griechenland seit 2008 rückläufig. Die Lohnkürzungen waren demnach so extensiv, dass sie den Produktivitätsrückgang überlagert haben und die Wettbewerbsfähigkeit auf Basis von Lohnstückkosten somit stieg...Umfangreiche flächendeckende Lohnkürzungen reduzieren die erwartete Produktivität, da sie die besten Arbeitnehmer vertreiben, dem Rest Anreize zur Produktivität nehmen und neue gute Leute fernhalten." Es ist zur Gesundung der Wirtschaft in Griechenland unerlässlich, dass die Arbeitsproduktivität erhöht wird, was hinreichende Lohnanreize und natürlich auch Investitionen verlangt. Da aber 2011/2012 ein großer Teil der Unternehmen Griechenlands - laut EZB-Bank-Lending-Survey — Probleme hatte, Kredite von Banken zu bekommen, ist die Modernisierung der Wirtschaft gefährdet. Das Zusammenspiel von anhaltender Rezession und verschärfter Bankenregulierung wird Griechenlands Möglichkeiten erschweren, die notwendige Investitionsdynamik für einen Aufschwung zu sichern. Hier ist die Hilfe insbesondere der Europäischen Investitionsbank bzw. der EU und möglicherweise auch der EBRD die als erfahrende öffentliche Bank von London aus in 29 Trans formationsländern Osteuropas erfolgreich zu Strukturreformen, Transformation und Wachstum beigetragen hat — gefragt. Die EBRD hat im Übrigen enormes Expertenwissen etwa mit Blick auf institutionelle Reformen, was von Bankensektormodernisierung bis Wettbewerbs- und Privatisierungspolitik reicht. Auch wenn Griechenland nicht in Osteuropa liegt, sollte ein pragmatische Politik doch Mittel und Wege finden, dem Nachbarland Bulgariens auch via EBRD zu helfen. Im Übrigen haben alle Länder Osteuropas sicherlich ein Eigeninteresse, dass die Eurokrise überwunden wird; das gilt zumal auch deshalb, weil im Zuge der IWFKapitalaufstockungen viele osteuropäische Länder indirekt auch finanziell bei den Hilfsprogrammen für Euro-Krisenländer — via IWF-Anteil der Kreditprogramme - beteiligt sind.

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Irland Am 21. November 2010 musste Irland unter den Rettungsschirm EFSF (European Financial Stability Fund) flüchten und erhielt dabei 85 Mrd. € Hilfe - inklusive IWF-Gelder. In Irland hat die Regierung über Jahre die Umsetzung von EUBankenaufsichtsrichtlinien vernachlässigt bzw. keine effektive Bankenaufsicht durchgeführt. Mangels einer vernünftigen Bankenaufsicht konnten Irlands Banken auf der Jagd nach hohen Renditen zunächst massiv in nationale Immobilienprojekte investieren — unter Beteiligung von einer Handvoll Immobilienfirmen. Es ergab sich eine Immobilienblase, die 2007/08 im Windschatten des Aufbrechens der US-Immobilienblase bzw. der Entwicklung der US-Subprime-Krise, platzte. Irlands Banken waren zudem in strukturierten Finanzprodukten bzw. Verbriefungen engagiert, auch in den USA. Fast alle großen irischen Banken standen in 2009 am Rande des Konkurses und die Verluste der Anglo-Irish Bank erreichten im ersten Halbjahr umgerechnet 10% des Bruttoinlandsproduktes von Irland. In 2010 verzeichnete Irland die historische Rekorddefizitquote von 31%, wobei hiervon etwa 2/3 auf die Kosten der staatlichen Bankenrettung zurückgingen. Irland erhielt vom neugeschaffenen Euro-Rettungsfonds EFSF plus aus IWF-Mitteln gut 60 Mrd. € in 2010 und löste zudem für die Alterssicherung von Beamten vorgesehene Guthaben auf. Zudem wurden Steuern erhöht bzw. neue Immobiliensteuern eingeführt, die Löhne bzw. Lohnstückkosten fielen im Zuge einer massiven Rezession, trugen aber auch zur Verbesserung der Außenwirtschaftsposition bei. Die Immobilienpreise fielen in 2010-2012 außerordentlich stark und die Leistungsbilanzposition Irlands verbesserte sich deutlich. Das Haushaltsdefizit, das durch die Einmal-Effekte von 2010 einen Rekordwert erreicht hatte, fiel in 2011/2012 deutlich und für 2013 erwartet die Europäische Kommission einen Haushaltsüberschuss. Im Übrigen dürfte auch die Leistungsbilanzposition Irlands mittelfristig durch einen Überschuss geprägt sein, was aus dem Zusammenwirken von strukturellen Verbesserungen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Rezession in Irland zu erklären ist. Mit Blick auf letztere gilt, dass der Rückgang der Inlandsnachfrage zu einer Erhöhung der Exporte führte - denn jeder Nachfragerückgang speziell im Sektor der handelsfähigen Güter bedeutet für eine kleine offene Volkswirtschaft, dass der Auslandsabsatz steigt; dies ist das makroökonomische Resultat verstärkter internationalen Verkaufsanstrengungen von Firmen bei rückläufiger Inlandsnachfrage. Mit Irland hat 2010/11 ein Land den Zugang zum Kapitalmarkt verloren, dessen Regierung erkennbar die EU-Bankenaufsichtsrichtlinien nicht umsetzte. Ein Grund für ein solches regelwidriges Verhalten kann darin liegen, dass man bei laxer Bankenaufsicht auf eine großzügige Kreditvergabe der Banken setzt, was wachstumsförderlich sein kann - zumindest solange, bis die Kreditrisiken (etwa bei überdimensionierten Immobilienprojekten) offenbar werden. Ergänzend kann die Motivation bestehen, dass das Signal laxe Bankenaufsicht zu einer Erhöhung der Direktinvestitionen im Bankenbereich und in komplementären Sek-

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toren führt, was insbesondere eine künstliche Aufblähung des Bankensektors zur Folge hat; damit wiederum kann eine starke Kreditausweitung bzw. zeitweise Erhöhung des Wirtschaftswachstums einhergehen und damit verbunden dann auch eine Immobilienblase entstehen. In diesem Kontext ist die Frage kritisch zu stellen, wieso die Bankenaufsicht Irlands über Jahre gegen EU-Richtlinien verstoßen konnte und wie man Verzerrungen im Intra-EU-Standortwettbewerb vorbeugen kann. Hier kann auch kritisch auf sehr niedrige Körperschaftssteuersätze in Irland - und einigen baltischen Staaten verwiesen werden. Während man recht niedrige Körperschaftssteuersätze im Zuge eines ökonomischen Aufholprozesses relativ armer Länder durchaus als Übergangsphänomen rechtfertigen mag, da hier die Kapitalakkumulation dann relativ schnell erfolgt, ist eine permanente Niedrigsteuerpolitik zugunsten des Faktors Kapital kaum zu begründen. Der IWF hat - entgegen den Fakten — in seinem Bericht zum Financial Sector Assessment Programm im Juli 2006 argumentiert, dass die Situation der Banken Irlands unproblematisch sei und Probleme nur in einem Teilbereich der Versicherungswirtschaft bestünden. Die Fehldiagnose des IWF (IMF, 2006) wurde wie folgt formuliert:

„INTERNATIONAL MONETARY FUND - IRLAND Aktualisierung der Einschätzung zur Finanzmarkt-Systemstabilität Ausgearbeitet von den Abteilungen Monetary and Finanäal Systems and European Departments, genehmigt von Ulrich Baumgartner und Michael Deppler 7. Juli, 2006 Diese aktualisierte Einschätzung zur Finanzsystem-Stabilität (FSSA) basiert auf der Arbeit des Teams im Finanäal Sector Assessment Program (FSAP) das vom 2.-14. März 2006 Dublin besucht hat. Die gesamtwirtschaftlich relevanten Hauptbefunde in der FS AP Aktualisierung sind wie folgt: Der Irische Finanzsektor zeigt weiterhin eine hohe Leistungskraft, und zwar seit der Beteiligung am Programm zur Einschätzung des Finanzsektors im Jahr 2000. Die Finanzgesundheit und die Marktindikatoren zeigen allgemein sehr gute Werte. Der Ausblick auf das Finanzsystem ist positiv. Auch bei dieser Feststellung gilt, dass es mehrere Makro-Risiken und Herausforderungen für die Behörden gibt. Da der Immobilienmarkt sich in eine Boomphase entwickelt hat, ist die Relation von Verschuldung der Haushalte zum Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich gestiegen, was Besorgnisse über Kreditrisiken hervorgerufen hat. Darüber hinaus, eine erhebliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums — obwohl nicht auf kurze Frist als wahrscheinlich angesehen — könnte negative Konsequenzen beim Ausmaß an Anleihen haben, die ausfallgefährdet sind. Stress-Tests zeigen allerdings, dass die wesentlichen Finanzinstitutionen adäquate Kapitalpuffer haben, um eine Reihe von Schocks abzufedern.

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Gute Fortschritte wurden gemacht bei der Stärkung des regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmens - in Übereinstimmung mit den"Empfehlungenaus dem FSAP 2000. Die Strategie, einen einheitlichen Risiko-Ansatz schaffen, und zwar mit gemeinsamen"Elementenquer den verschiedenen Sektoren, soweit dies angemessen ist — und zugleich sinnvoll differenziert —, wird ebenfalls gerade umgesetzt. Verbesserungen sollten gleichwohl gemacht werden, und %war um einige Aspekte der Aufsicht zu verstärken, insbesondere soweit es um die Aufsicht bei Versicherungen und Rückversicherungen geht. Das FSAP-Team setzte sich zusammen aus Mr. Mark 0 'Brien (Mission Chief), Mmes. Su Hoong Chan& Elena Duggar, Srobona Mitra (all MFD), Ms. Marialuz Moreno Badia (EUR), Mr. Jörg Genner (Aufsichtsexperte im Konsolidierungsbereich von der deutschen Finanzmarktaufsichtsbehörde (BaFin)) und Ms. Brenda Sylvester (Assistentin, MFD). Die Arbeitsgruppe erhielt ausgezeichnete Unterstützung und fand exzellente Kooperation von den Behörden. Die Hauptautoren dieses Berichts sind Mark 0'Brien, Srobona Mitra und Elena Duggar, wobei Beiträge auch vom Rest des FSAP teambetroffen waren. FSAPs sind ausgestaltet, um eine Einschätzung der Stabilität des Finanzsystems vorzunehmen, nicht von individuellen Institutionen. Der Ansatz den Ländern helfen, um Schwachpunkte in den Strukturen des Finanzsektors zu identifizieren und Schwächen zu korrigieren, sodass die Elastizität gegen gegenüber makroökonomischen Schocks und grenzüberschreitenden Ansteckungen erhöht wird. FSAPs betrachten nicht die Risiken, die sieb bei einzelnen Institutionen auf Basis der Aktiva-Qualität, operativer und gesetzesmäßiger Risiken oder durch Betrug ergeben, "(sie) Mit der Ausweitung der Zahl der Krisenländer in der Eurozone in 2010-2012 hat sich die Nervosität in den Finanzmärkten verstärkt. Allerdings gibt es auch erste deutliche Anpassungsfortschritte bei einigen Krisenländern zu erkennen - hier richtet sich der Blick zunächst auf Irland und auch Portugal, das allerdings Probleme in 2012 bei der Erreichung der ursprünglich geplanten Defizitquote bzw. Defizitminderung haben dürfte. Die deutliche Rezession in Portugal und Spanien sowie Italien erschwert gerade auch die Bemühungen Portugals, die Rezession zu überwinden bzw. eine nachhaltige Konsolidierung zu erreichen. Mit Spanien und Italien stehen immerhin gleich zwei wichtige Absatzländer vor Problemen bzw. in einer Rezession, die die Exportdynamik Portugals erschwert. Mit den Rezessionen in den Euro-Krisenländern wird es zu Endassungen vieler Geringqualifizierter kommen und die entsprechenden Arbeitslosenquoten werden steigen. Damit sinkt die Aufnahmefähigkeit gerade Italiens und Spaniens für Zuwanderer aus Osteuropa und anderen Regionen, so dass ein Umlenkungseffekt Richtung Deutschland, Frankreich, Österreich und Benelux-Länder zu erwarten ist. Die Zuwanderung gerade in Deutschland dürfte mittelfristig erheblich ansteigen, zumal das steigende Pro-Einkommensgefälle den ökonomischen Anreiz zur Zuwanderung nach Deutschland bzw. in einige Nachbarländer erhöht.

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 37

2.4

Leistungsbilanzentwicklung ausgewählter Länder

2010-2012 Eine negative Leistungsbilanzposition gerade von Ländern mit hohen Schuldenquoten bzw. hoher Auslandsverschuldung kann im Kontext mit einer Refinanzierungskrise der Staatsfinanzen als wichtiger Problempunkt gelten. Gelingt es, im Kontext eines Anpassungsprozesses die Leistungsbilanzdefizitquote deutlich zu senken oder gar einen Überschuss zu erreichen — letzteres bedeutet einen absoluten Rückgang der Auslandsschuldenquote —, dann sinkt die Auslandsschuldenquote und bei gleichzeitiger nachhaltiger Rückführung der Staatsschuldenquote dürfte das Vertrauen der Kapitalmarktakteure bzw. der Investoren bald zurück kehren. Wenn man die Leistungsbilanzentwicklung bei Portugal, Irland, Spanien und Italien betrachtet, dann ist festzustellen, dass die Defizitposition Italiens - in Höhe von etwa 2% des Bruttoinlandsproduktes — sich am aktuellen Beobachtungsrand kaum verbessert hat; hingegen haben Portugal, Irland und Spanien deutliche Verbesserungen erreicht und könnten mittelfristig eine Überschussposition erreichen. Irland hatte schon 2010 eine Überschussposition erreicht. Damit eine deutliche Rückführung der Leistungsbilanzdefizitquote auch in einem künftigen Aufschwung bzw. Boom erhalten bleibt, sind die strukturellen Verbesserungsmaßnahmen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit beizubehalten oder auch zu intensivieren: Eine weitere Senkung der Lohnstückkosten durch ein adäquates, kluges Zusammenspiel von Produktivitätssteigerungsmaßnahmen und Lohnzurückhaltung ist ebenso angebracht wie verstärkte Anstrengungen bei Produktinnovationen oder den Bemühungen um erhöhte Zuflüsse von ausländischen Investitionen. Griechenland hat seine hohe Leistungsbilanzdefizitquote von 16% im vierten Quartal 2007 vermindern können, aber mit einer Leistungsbilanzdefizitquote von 10% zu Ende 2011 steht die Regierung in Athen weiterhin vor großen Problemen. Solange die Leistungsbilanzposition negativ ist, steigt die Auslandsverschuldung, da aber griechische Banken sich kaum im Ausland verschulden können — und der Staat erst recht nicht —, dürfte eine wachsende Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten hinter der Leistungsbilanzdefizitquote stehen. Geht man von einem Anteil der Auslandsschulden von 80% an den Staatsschulden aus, die gut 150% des Bruttoinlandsproduktes Mitte 2012 erreichten, dann ist bei einem angenommenen Durchschnittszins von 5% eine Leistungsbilanzdefizitquote von 6% allein durch Zinszahlungen ans Ausland zu erklären. Damit die Auslandsverschuldung nicht weiter steigt, müsste Griechenland also einen aus Nettogüterexporten stammenden Überschuss beim Außenbeitrag (ohne Zinszahlungen an das Ausland) von 6% des Bruttoinlandsproduktes erreichen.

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Griechenland wäre gut beraten, wenn es sich für eine umfassende Standortoffensive entscheiden könnte - inklusive der Errichtung von Sonderwirtschaftszonen für 20 Jahre; hierzu müsste die Zustimmung der Kommission eingeholt werden, da hier faktisch in Sachen Subventionierung Sondertatbestände geschaffen würden. Zugleich wäre seitens der Regierung eine Verständigung mit den Euro-Partnerländern über eine gewisse Streckung des Anpassungsprogrammes wünschenswert. In der zweiten nachfolgenden Grafik — mit den Ländern Deutschland, Frankreich, USA, Vereinigtes Königreich - wird gezeigt, dass die Überschussquote Deutschlands recht stabil bei 6% liegt; die 6%-Marke gilt aus Sicht der Europäischen Kommission als Obergrenze, die bei Leistungsbilanzüberschüssen noch akzeptabel sind. Deutschlands relativ schwache Inlandsnachfrage ist natürlich ein Erklärungsmoment hinter den relative hohen Leistungsbilanzüberschussquoten der Bundesrepublik Deutschland. Die USA konnten nach der Transadantischen Bankenkrise ihre Leistungsbilanzdefizitquote leicht vermindern und dürften auch mittelfristig problemlos in der Lage sein, eine Defizitquote von 2% zu finanzieren - zumal die USA ein Währungsreserveland ist, das als solches stets einen Teil seiner Nettogüterimport auf Basis seines „seigniorages" quasi finanzieren kann. Es geht hier um den Unterschied zwischen Weltkapitalmarktrendite und den von den USA auf Staatsanleihen in Händen ausländischer Zentralbanken gezahlten Zinssätzen (für einen Teil der Reservewährungshaltung dieser Zentralbanken). Frankreich hat seit etwa 2004 ein Leistungsbilanzdefizit, das sich als relativ dauerhaft etabliert hat und etwa 2% beträgt. In der Anpassungsdynamik der Eurokrisenländer, die zu höheren Güterexporten führt, liegt z.T. eine gewisse endogene Anpassungsdynamik auch der deutschen Leistungsbilanzposition begründet. Denn wenn die Euro-Partnerländer mehr exportieren, so dürfte dies teilweise auch erhöhte Importe Deutschlands widerspiegeln. Sofern dies allerdings im Wesentlichen preiswertere Vorprodukte für handelsfähige Güter sind, kann die Konsequenz paradoxerweise sein, dass Deutschland seine globalen Exportanteile bei Fertigwaren und komplementären Dienstleistungsexporten erhöhen kann. Die etwas größere Hälfte der Exporte Deutschlands geht ja in Länder außerhalb der Eurozone. Nur eine deutliche Abflachung der Konjunktur in den USA, Asien und Russland sowie den Partnerländern der Eurozone dürfte die Exportdynamik Deutschlands deutlich bremsen.

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 39 Abbildung 2: Leistungsbilanzposition ausgewählter Euro-Länder in % des Bruttoinlandsproduktes

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Quelle: OECD.Stat, EIIW Berechnungen

Sichtweise der Europäischen

Zentralbank

Die EZB (2012b, S. 62ff.) stellt im Monatsbericht August immerhin auch Fortschritte bei den Anpassungsprozessen im Euro-Währungsgebiet fest. Die EZB formuliert: „[Es] wird die Entwicklung der vier Euro-Länder, die derzeit Unterstützung aus Finan^hilfeprogrammen erhalten („Programmländer")1, sowie von Zypern bescbrieben.2

40 • Paul J.J. Weifens

In diesen Ländern, die durchweg große gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte aufweisen, sind Anpassungsprozesse und in jüngster Zeit auch beschleunigte Korrekturen eingeleitet worden. Wenngleich bereits einige Fortschritte erhielt wurden und bis 2013 weitere Anpassungen zu erwarten sind, bedarf es immer noch erheblicher Anstrengungen, um die Wettbewerbsfähigkeit Zu erhöhen, die Arbeitslosigkeit zu verringern und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen. [1 Während Irland, Griechenland und Portugal im Rahmen gemeinsamer Programme von EU und IWF Finanzhilfen erhalten, ist das Programm für Spanien, das am 20. Juli 2012 verabschiedet wurde, auf Finanzhilfen aus der EU begrenzt und speziell auf die Rekapitalisierung der Finanzinstitute abgestellt. Die Fortschritte im Hinblick auf die Verpflichtungen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit und bei den Strukturreformen zur Beseitigung der makroökonomischen Ungleichgewichte sollen jedoch regelmäßig parallel mit den Auflagen für den Finanzsektor geprüft werden. Der IWF leistet im Fall Spaniens lediglich technische Unterstützung. 2 Am 27. Juni 2012 stellten die zyprischen Behörden bei der EU und dem IWF einen Antrag auf Finanzhilfen.]

Jüngste Fortschritte bei der Korrektur der Ungleichgewichte Mit Blick auf die Außenwirtschaft haben sich die Leistungsbilanzsalden aller fünf Länder zuletztgegenüberihrem jeweiligen Stand von 2008 verbessert..., wobei Irland bereits 2010 eine ausgeglichene Leistungsbilanz aufwies. Die Verbesserung ist in allen Ländern vor allem auf die Entwicklung der Handelsbilanz im Zeitraum von 2010 bis 2011 zurückzuführen, was auch an dem deutlich positiven Beitrag des Außenhandels zum Anstieg des realen BIP erkennbar ist. In den meisten Fällen war der hohe Außenbeitrag einer Kombination aus relativ starkem Exportwachstum (insbesondere in Spanien und Portugal) und einem sehr schwachen oder gar negativen Importwachstum (vor allem in Griechenland und Zypern) geschuldet. Der Frühjahrsprognose 2012 der Europäischen Kommission zufolge wird mit einer weiteren Verbesserung der Leistungsbilanzsalden in allen Programm ¡ändern gerechnet. Für Zypern erwartet die Europäische Kommission bis 2013 eine nur sehr geringe Rückführung des Leistungsbilanzdefizits, da insbesondere das Exportwachstum den Prognosen zufolge sehr schwach bleiben wird. Abgesehen von dem Handelsausblick wird die Entwicklung des Leistungsbilanzsaldos in einigen Ländern auch in hohem Maße durch Importe von energiebezpgenen Gütern und Netto^nsausgaben beeinflusst. Diese haben zum Beispiel zu dem großen Leistungsbilanzdefizit in Griechenland beigetragen, das auch 2013 noch bestehen bleiben dürfte. Insgesamt dürfte das Leistungsbilanz: defizit vor allem in Griechenland, aber auch in Zypern und Portugal trotz ^er erwarteten Verbesserungen im kommenden Jahr immer noch höher ausfallen, als es erstrebenswert wäre. Was die Haushaltspolitik betrifft, so haben Irland, Griechenland und Portugal seit Beginn ihres Finanzhilfeprogramms erhebliche Konsolidierungsanstrengungen unternommen. Dies hat dazu geführt, dass sich der staatliche Primärsaldo vor allem aufgrund der umfassenden Haushalts- und Strukturreformen, die im Rahmen der Programme umgesetzt wurden, deutlich ver-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 41

besserte.. .Diese Entwicklung dürfte sich laut der Frühjahrsprognose 2012 der Europäischen Kommission auch im nächsten Jahr fortsetzen. Portugal ist dabei das einige Land mit einem Finanzhilfeprogramm, in dem ein Primärüberschuss erwartet wird. Auch in Spanien macht die Haushaltskonsolidierung Fortschritte, und der Primärsaldo verbessert sich, obwohl die Defizitrückführung 2010 und 2011 geringer ausfiel als erwartet. Insgesamt wird in allen Program mländern für das nächste Jahr ein weiterer Anstieg der Schuldenquote prognostiziert.

Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit Höheres Exportwachstum und geringere Leistungsbilanzdefizite spiegeln zum Teil eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit wider, die mit einem Rückgang der Lohnstückkosten verbunden ist... Ein Vergleich der Entwicklung bis 2007 mitjener bis 2011 z^gt, dass sich die Abweichungen des durchschnittlichen jährlichen Wachstums der Lohnstückkosten in den Programmländern und Zypern von jenem des Euroraums bereits etwas verringert und alle fünf Länder ihre früheren Wettbewerbsverluste zum Teil aufgeholt haben. Die bisher verzeichneten Anpassungen sind teilweise auf länderspezifische Strukturmaßnahmen zur nachhaltigeren Korrektur der relativen Preis- und Kostenentwicklung zurückzuführen. Zum Teil resultieren sie jedoch auch aus einem Stellenabbau, beispielsweise in Sektoren mit einer niedrigen Produktivität, der insbesondere in Irland und Spanien, in geringerem Maße aber auch in Griechenland und Portugal zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktivität führte. Andererseits erhöhten sich infolgedessen die Arbeitslosenquoten besonders bei den jüngeren Arbeitnehmern... Nach dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise im Jahr 2008 wurde entweder erst sehr viel später Lohnzurückhaltung geübt (in Portugal2010), oder diese war nicht sehr ausgeprägt (in Spanien und Zypern, Ende 2011); eine Ausnahmebildete Irland. Mit Blick auf die Zukunft wird mit einem starken Rückgang des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer gerechnet, und Zwar a) in Spanien aufgrund der weiteren Lohn- und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst und der dämpfenden Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf die Lohnforderungen des privaten Sektors und b) in Griechenland aufgrund derjüngsten Reformen im privaten Sektor bezüglich der Lohnsetzung, "(sie) EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen (EZB, 2012c) erklärte bei einem Parlamentarischen Abend der Bundesbank Hauptverwaltung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein am 27. August 2012 in Hamburg von der Europäischen Zentralbank unter „Zwischenbericht auf dem Weg in eine stabilere Wirtschafts- und Währungsunion" — unter der Zwischenüberschrift „Rolle der EZB": „Europa verfügt über eine äußerst erfolgreiche Währungsordnung. Die Deutsche Bundesbank stand dafür Vorbild. Die vier zentralen Grundpfeiler sind und bleiben: •

Erstens: die Preisstabilität als vorrangiges Ziel der Geldpolitik;



Zweitens: die Unabhängigkeit der EZB und der Nationalen Zentralbanken

42 • Paul J.J. Weifens



Drittens: das Verbot der Staatfinanzierung über die Notenbank



Viertens: das Verbot der Übernahme von Verbindlichkeiten anderer Mitgliedsstaaten (die sogenannten ,Bail-out'-KJausel)



Ich bin mir dessen bewusst, dass sich manch einerfragt..., ob denn diese Pfeiler noch stehen.

Ich bin mir dessen bewusst, dass sich manch einerfragt, im Stillen oder auch öffentlich, ob denn diese Pfeiler noch stehen. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen und darauf eingehen. Lassen Sie mich dies nun tun. Zuallererst: die EZB ist und bleibt der Preisstabilität verpflichtet, ohne Wenn und Aber. Die Fakten sprechen für sich selbst. In den ersten 13 Jahren der Währungsunion lag die Teuerungsrate im Eurogebiet durchschnittlich bei 2 Prozent, in Deutschland bei 1.6 Prozent. Dieses gute Ergebnis ist nicht selbstverständlich, denn die Herausforderungen für die Preisstabilität — das Platten der Dotcom Blase, der 11. September 2001, die starken Schwankungen der Rohölpreise und die aktuelle Krise — waren und sind erheblich. Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass einige der Standardinstrumente der Geldpolitik im derzeitigen turbulenten Fahrwasser nicht mehr greifen. Die einheitliche Transmission der Geldpolitik des Eurosystems ist zunehmend behindert — mit deutlichen Folgen auch für die Realwirtschaft. In den Programmländern steigen seit Ende 2010 die Zinsen für Unternehmenskredite, obwohl die Zinsen der Zentralbankfazjlitäten niedrig geblieben sind. Als die Standardinstrumente nicht mehr ausreichten, wurden sie durch Sondermaßnahmen ergänzt. Beispielsweise die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte von bis zu 3 Jahren Laufzeit. Dazu hatten wir uns im Herbst 2011 in einer kritischen Situation entschieden, um eine Paniksituation an den Finanzmärkten und eine Kreditklemme abzuwenden. Beides hätte unabsehbare Folgen für die Realwirtschaft gehabt, und damitfür Wachstum und Beschäftigung. In beiden 3-Jahres Operationen wurden den Banken besicherte Kredite in Höhe von insgesamt rund 1000 Milliarden Euro gewährt. Der Nettoliquiditätsfluss betrug allerdings nur die Hälfte. Die teilnehmenden Kreditinstitute waren nicht nur Großbanken, sondern auch viele kleinere Institute, wie Volksbanken und Sparkassen. Also genau diejenigen Institute, die Kredite vorrangig an Mittelständler vergeben, die das Rückgrat der Wirtschaft im Euroraum bilden. Es ging also darum sicherzustellen, dass Banken in der Lage sind, ihrer eigentlichen Funktion — Kredite an Firmen und Haushalte zu vergeben — nachkommen können. Und damit den geldpolitischen Impuls der Zentralbank weitergeben können. Die einheitliche Transmission der Geldpolitik der EZB wirdjedoch weiter durch die starken Verwerfungen am Markt für Staatsanleihen behindert. Insbesondere Spekulationen über einen Austritt einzelner Krisenstaaten — verbunden mit einer Abwertung — beeinträchtigen die Funktion des Interbankenmarktes massiv.

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 43

Deshalb hat die EZB Anfang August ein neues Anleihekaufprogramm angekündigt, das eine bessere Transmission gewährleisten wird. Gegenüber dem alten Anleihekaufprogramm SMP wird esfolgende Verbesserungen umfassen: •

Die EZB wird nur noch parallel mit dem EFSF und dem späteren ESM tätig werden. Da^u muss ein Staat einen Hilfsantrag stellen und umfangreiche wirtschaftspolitische Auflagen erfüllen. Darüber hinaus sollte meiner Meinung nach der EFSF bzw. der ESM auf Antrag des betroffenen Landes am Primärmarkt intervenieren, bevor die EZB eingreift. Ein solcher Antrag ist aber nur die notwendige Bedingung für ein Tätigwerden der EZB. Der EZB-Rat wird weiterhin in voller Unabhängigkeit entscheiden, ob, wann und wie die EZB Anleihen auf dem Sekundärmarkt erwirbt. Mit diesem Verfahren kann sichergestellt werden, dass das betroffene hand auch alle notwendigen und vereinbarten Reformmaßnahmen umsetzt. Der Fehler mit Italien im Sommer des letzten Jahres, als die EZB italienische Staatsanleihen gekauft hat und die Zeit leider nicht für notwendige Anpassungsmaßnahmen genutzt wurde, darf sich nicht wiederholen.



Außerdem wird das neue Programm so aufgestellt sein, dass das Problem der Wahrnehmung eines bevorzugten Gläubigerstatus der EZB angegangen wird. Denn diese Wahrnehmung erschwert den betroffenen Landern eine Rückkehr an den Kapitalmarkt, weil private Investoren ihren Status als unsicher empfinden und sich vom betroffenen Land abwenden.



Schließlich wird die EZB im Rahmen des neuen Programms nur noch Anleihen mit kurzen Laufzeiten kaufen. Die Steuerung der kurzfristigen Geldmarkt ist das klassische Metier der Geldpolitik. Außerdem sind die Verwerfungen am kurzen Ende der Zinskurve in Krisenzeiten besonders stark.

Die gesamte Diskussion wird geleitet von der Maßgabe, dass etwaige Bedenken einer vertragswidrigen Staatsfinanzierung ausgeräumt werden. Wir werden nur innerhalb unseres Mandats handeln. Denn lassen Sie mich auch dies ausdrücklich betonen: Die Zentralbank darf und kann nicht für die Fehler der Fiskal- und Finanzmarktpolitik aufkommen. Die Regierungen durch einen entschlossenen Reformkurs ihre Glaubwürdigkeit wieder herstellen, "(sie) Mit dem von EZB-Chef Draghi am 06. September 2012 angekündigten neuen Ankaufprogramm sind die Regeln für neue Stabilisierungsschritte konkretisiert worden.

2.5

Zur längerfristigen Schuldendynamik

Die Staatsschuldenentwicklung kann in ihrer längerfristigen Entwicklung auf Basis der grundlegenden staatlichen Budgetrestriktion erfasst werden. In realer

4 4 • Paul J.J. W e i f e n s

Rechnung kann man schreiben (bei Abwesenheit von Inflation bzw. Inflationserwartungen, so dass der Nominalzins i und der Realzins r gleich sind; B ist die nominale Staatsschuld, G der reale Staatsverbrauch, Y steht für das reale Bruttoinlandsprodukt, T steht für Einkommenssteuersatz, t für Zeitindex, P für Preisniveau): (1)

G+rB/P-xY = (dB/dt)/P

Hieraus ergibt sich nach Division durch das reale Bruttoinlandsprodukt Y bzw. unter Beachtung von db'/dt = [d(B/P)/dt]/Y-b'gy, wobei die Schuldenquote b':= (B/P)/Y bezeichnet (gy steht für reales Wirtschaftswachstum), die folgende Gleichung für die Bedingung einer stabilen Schuldenquote bzw. db'/dt = 0: (Y-T) = b'(gy-r)

(2)

Zunächst ist hier vorausgesetzt, dass das reale Wirtschaftswachstum den Realzins nicht unterschreitet, da sonst die aus (1) sich ergebende Differentialgleichung für die Schuldenquote nicht konvergiert bzw. keinen stabilen Gleichgewichtswert hat — damit aber ergäbe sich ein instabiles ökonomisches System. Eine Volkswirtschaft mit Staatsverschuldung ist nur in dem Maße stabil, wie es gelingt •

die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes sehr nahe am Realzins zu halten. Man muss diese Bedingung in einer offenen Volkswirtschaft mit Direktinvestitionszuflüssen und -abflüssen multinationaler Unternehmen dann allerdings noch in geeigneter Weise modifizieren. Insbesondere ist zu prüfen, ob das reale Bruttoinlandsprodukt (Y) die effektive Steuerbasis ist, was man in der Regel verneinen kann; denn das Bruttonationaleinkommen (Z) ist die übliche Steuerbasis, wobei im einfachen Fall asymmetrischer Direktinvestitionszuflüsse ins Inland gilt, dass Z= Y ( l - a * ß ) ; hierbei ist a * der Anteil der ausländischen Investoren am inländischen Kapitalbestand und es wird Wettbewerb auf Güter- und Faktormärkten sowie eine makroökonomische Produktionsfunktion Y =K ß (AL) 1 - ß vorausgesetzt (mit K für Kapitalbestand, A Wissen, L Arbeit; 0gy. Wenn es einen negativen Zusammenhang von höherem staatlichem Euro-Haftungsrisiko und Wirtschaftswachstum gibt, dann ist die Kausalkette anders als von den drei Autoren dargelegt: Erhöhte Euro-Haftungsrisiken für Deutschland führen zur Erwartung erhöhter künftiger Steuersätze und mithin geringerer Netto-Kapitalrenditen; dies wird dann den Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen vermindern und das ist dann wachstumsschwächend. Bei der hier formulierten Kausalität wird davon ausgegangen, dass die Rate des technischen Fortschritts im Gasdand positiv abhängig ist von der Höhe der Direktinvestitionszuflussquote bzw. von a., dem Anteil ausländischer Investoren am Kapitalbestand von Land 2 (im betrachteten Fall ist Land 2 das Zielland bzw. Gasdand für Direktinvestitionen), d.h. dass im Gastland für inländische Unternehmen positive Technologie-Spillover aus der Präsenz von Tochterunternehmen ausländischer multinationaler Unternehmen entstehen: Diese bringen die Wachstumsrate des technischen Fortschritts aus dem Quellenland bzw. Land 1 (a) nach Maßgabe des

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 113 positiven Parameters X"* und eben a in die Fortschrittsrate des Gasdandes ein. Wenn man davon ausgeht, dass auch die Importe technologieintensiver Vorprodukte zum technischen Fortschritt beitragen - und man diese Importe relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Land mit j'* bezeichnet —, dann kann die Wachstumsrate des technischen Fortschritts im Ausland (a*) unter der Annahme einer autonomen nationalen Komponente a'* geschrieben werden als (19)

a* = a ' * + X ' * j ' * + r * a a

Hierbei gelte die Parameterrestriktion X'*>0. Betrachtet werden soll eine Volkswirtschaft mit Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten, bei der die Ersparnis nicht proportional zum Bruttoinlandsprodukt, sondern zum Bruttonationaleinkommen Z * = Y * ( l - a ß * ) ist, wobei zudem die Produktionsfunktion für das reale Bruttoinlandsprodukt Y * gelte in der Form: Y * = K* ß *(A*L*)( 1 " ß *), wobei 0 < ß < l . Die Wachstumsrate des Bruttonationaleinkommens im Ausland ergibt sich aus lnZ*(t) ~ lnY*(t)-oc(t)ß*, wobei von aß* nahe Null ausgegangen wurde (dann kann die Näherungslösung l n ( l + x ) ~ x verwendet werden). Grundsätzlich ist also die Wachstumsrate des Bruttonationaleinkommens im Gastland: dlnZ*/dt ~ dlnY*/dt-ß*da/dt. Wenn a konstant ist, dann sind die Wachstumsraten des Bruttonationaleinkommens und des Bruttoinlandsproduktes offensichtlich gleich groß. Man kann, vereinfachend ausgehend von vollständigen Reinvestitionen der Gewinne im Ausland, unter der Annahme der Ersparnis im Ausland S* = s * ( l •t*)(l-aß*)Y*+ocß*Y* - mit s* für inländische Sparquote der Haushalte, x* für Einkommenssteuersatz — die Steady-state-Lösung für die Kapitalintensität k ' * : = K * / ( A * L * ) wie folgt formulieren für eine Volkswirtschaft mit konstanter Bevölkerung L * und einer Abschreibungsrate 8 * auf Realkapital (K, A und L stehen für Kapitalbestand, Wissen bzw. Beschäftigungsmenge): (20)

k'*#=

{[s*(l-x*)(l-aß*)+aß*]/(8+a*)} 1 / ( 1 " ß *)

Die Größe A L bezeichnet hier Arbeit in Effizienzeinheiten, so dass k' die Kapitalintensität auf Basis von Arbeit in Effizienzeinheiten ist; # bezeichnet die langfristige Gleichgewichtskonstellation bzw. den Steady State. Beachtet man die angenommene Fortschrittsfunktion so kann man für y ' * # : = Y * / ( A * L * ) unter Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion y ' * = k'* ß * schreiben: (21)

y'*# =

{[s*(l-T*)+ocß*(l-s*(l-T*)]/(8+a'*+^'*j'*+X"*aa)} ß *A 1 - ß *)

Mit e' für Euler-Zahl und A*o als Wissensniveau im Zeitpunkt t = 0 kann man also schreiben: (22)

Y(t)*# =

{[s*(l-T*)+aß*(l-s*(l-x*)]/(8+a'*+r*j'*+X"*aa)} ß */a-*)A* 0 e' ä * t

Man erkennt hier ohne Weiteres, dass die langfristige Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes im Ausland durch die Präsenz ausländischer Investoren und

114 • Paul J.J. Weifens

auch durch die Rolle des Handels mit Zwischenproduktgütern erhöht wird, denn es gilt ja die obige Fortschrittsfunktion a* = a'*+/.'*j'*+X"*aa. Wie das Niveau des Bruttoinlandsproduktes durch die Präsenz ausländischer Investoren im Ausland beeinflusst wird, ist nicht eindeutig zu bestimmen bzw. nur unter Beachtung der relevanten Parameter im Zähler und Nenner des Klammerausdrucks {...}. Wie man sieht, wird der Zählerausdruck durch oc bzw. den zweiten Term immer vergrößert, aber eben im Nenner auch der Nennerausdruck durch I"*cca. Vermutlich ist mit Blick auf empirisch relevante Größenordnungen in EU-Ländern davon auszugehen, dass die Präsenz ausländischer Investoren im Gastland sowohl das Niveau des Wachstumspfades als auch die langfristige Wachstumsrate des technischen Fortschritts und damit des realen Bruttoinlandsproduktes selbst erhöht. Es ist in jedem Fall nur eine Frage der Zeit, bis im Gastland das Bruttoinlandsprodukt dank der Präsenz von Direktinvestitionen schneller wächst als zuvor (ohne Direktinvestitionszuflüsse), so dass wiederum die Exporte von Land 1 - so diese proportional zu Y* oder zu Z* sind bzw. sofern a gegeben ist durch das im Zeitablauf ansteigende Y* ansteigen werden; steigen die Exporte von Land 1 relativ zum Bruttoinlandsprodukt von Land 2 an und geht man davon aus, dass die realen Exporte von Zwischenprodukten proportional zu den Gesamtexporten von Land 1 sind, dann wird j'* in Zeitablauf ansteigen, was wiederum die langfristige Wachstumsrate erhöht. Im Übrigen wäre zu prüfen, ob nicht eine zu erwartende reale Abwertung im Kontext erhöhter Haftungsrisiken für Deutschland ein positiver Effekt auf die Direktinvestitionszuflüsse entsteht, wie das auf Basis der Analyse von FROOT/STEIN (1991) zu erwarten ist. Im Übrigen kann eine Fortdauer der gespaltenen Zinssatzsituation im Euro, nämlich mit unnormal hohen Realzinssätzen in Euro-Partnerländern gerade bedeuten, dass deren Solvenz künstlich beschädigt und damit die Haftungsrisiken Deutschlands künstlich erhöht werden. Aus der gespaltenen Zinssituation Nord- versus Südländer der Eurozone wird man aber ohne Eurobonds in einer sinnvollen Form kaum heraus kommen. Wenn die normalen Kapitalstrom-Muster in der EU bzw. in der Eurozone durch politisch bedingte Refinanzierungsprobleme einiger Krisenländer eine Zeitlang verändert werden bzw. es in Deutschland temporär zu Sichere-Hafen-Effekten im Kontext ungewöhnlich hoher Kapitalzuflüsse in Krisenzeiten kommt, dann ist das hinzunehmen. Aber eine solche unnormale Situation gewissermaßen als wünschenswerte Dauersituation hinzustellen, ist ökonomisch abwegig. Genau dies aber machen die Ifo-Autoren — im Übrigen mit einem quasi-nationalistischen Zungenschlag, wenn sie kritisch mit Blick auf die mögliche Einführung von Eurobonds schreiben: „Geht es doch den Weg der Eurobonds, werden die Arbeitnehmer die Leidtragenden sein, denn wenn das Kapital wieder abwandert, gehen Arbeitsplätze verloren und der Spielraum für Lohnerhöhungen schrumpft. Die Vermögensbesitzer indes werden durch die Eurobonds und

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 115

andere umfangreiche Rettungsmaßnahmen in die komfortable Lage versetzt, unter dem Schutz der deutschen Steuerzahler, Center und Hart^-IV-Empfänger ihr Geld wieder im Ausland ^u verdienen, "(sie) Hier wird eine Art nationalistische Formulierung gewählt, wonach Investoren ihr Geld quasi illegitimer Weise im Ausland verdienen könnten, wobei in der Realität die wichtigsten Investoren aus Deutschland Versicherungen und Banken sind, deren ökonomische Vitalität nicht nur wichtig für die Erträge der Versicherungen und die Gewinne bzw. die Eigenkapitalaufstockung der Banken - also für deren Stabilität - sind. Es ist im obigen Zitat eine fragwürdige ökonomische Vorstellung angelegt, dass erhöhte Direktinvestitionen im Ausland unbedingt zulasten von Steuerzahlern, Rentnern und Hartz-IV-Empfängern gehen würden, was als Plädoyer gegen Globalisierung verstanden werden kann. Einige Anmerkungen hierzu: •

Richtigerweise ist aus Sicht der Interessen von Rentnern und Hartz-IVEmpfängern nicht ohne weiteres auf das Bruttoinlandsprodukt, sondern auf das Bruttonationaleinkommen abzustellen und dieses kann bei Direktinvestitionen im Ausland ansteigen; wenn Direktinvestitionszuflüsse im Ausland zu einem Technologietransfer zugunsten des Gastlandes führen, dann steigen dort ggf. sowohl das Bruttoinlandsprodukt wie das Bruttonationaleinkommen.



Wenn durch Direktinvestitionen im Ausland das Bruttoinlandsprodukt im Ausland steigt, dann ist davon auszugehen, dass die Exporte Deutschlands steigen, zumal Investitionsgüter zu den Hauptexportgütern der deutschen Wirtschaft zählen. Wenn etwa Hartz-IV beziehende Arbeitslose dadurch einen neuen Arbeitsplatz bekommen, dann ist dies gerade im Sinn des betreffenden Teils der Hartz-IV-Empfänger.



Für Rentner — vor allem zukünftige Rentnerkohorten — aus Deutschland ist es angesichts der demographischen Entwicklung wichtig, dass Direktinvestitionen im Ausland unternommen werden, weil dann die künftigen Realeinkommen in Zukunft höher sein werden als ohne diese Direktinvestitionen (in der Annahme, dass das Grenzprodukt des Kapitals im Ausland höher als im Quellenland ist); zudem führen die deutschen Direktinvestitionen im Ausland dazu, dass dort ökonomische Aufholprozesse einsetzen, so dass etwa Direktinvestitionen in südlichen EuroLändern zu einem Konvergenzprozess beitragen — die politischen Forderungen nach immer weiter steigenden EU-Kohäsionsfondsmitteln, die typischerweise stark von Deutschland finanziert werden, dürften dann abnehmen. Von daher können deutsche Direktinvestitionen ohne weiteres auch im Sinn der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sein. Die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland sichern

116 • Paul J.J. Weifens

häufig die globale Marktposition von multinationalen Unternehmen aus Deutschland bzw. stärken die Unternehmensreputation in den internationalen Kapitalmärkten und tragen von daher auch zur Sicherheit der Arbeitsplätze in Deutschland bei. Die Analyse von BERG/CARSTENSEN/SINN (2011) kann insgesamt nicht als wissenschaftlich seriös gelten, da sie die obigen Zusammenhänge ignorieren und die Autoren zudem nur synthetische Eurobonds in der Fragestellung betrachten, mit unplausiblen Annahmen arbeitet und die Frage etwa nach dem Nutzeffekt von Quantitative Easing ausblenden; letzteres meint geldpolitische mengenmäßige Lockerungsmaßnahmen nach dem Vorbild der Bank von England oder der US-Zentralbank in 2008-2012 —, die man erst auf Basis der Schaffung von Eurobonds seitens der EZB realisieren könnte. Wenn eine derartige Lockerungspolitik auf Seiten der EZB nicht als Politikoption in einer Phase mit extrem niedrigem Notenbankzins zur Verfügung steht, so ist dies problematisch bzw. nicht rational. Die von Ifo-Chef Sinn — mit Ko-Autoren — verbreitete Behauptung, dass die Einführung von Euro-Staatsanleihen die Zinssätze für Deutschland massiv nach oben treiben würde bzw. dass es im Interesse der Bevölkerung angemessen sei, die Sondersituation unnormal niedriger Zinssätze für Deutschland möglichst fortzusetzen, ist wissenschaftlich unseriös; dies ergibt sich zunächst daher, dass Sinn et al. das von der Deutschen Bundesbank geschätzte Ausmaß an SichereHafen-Effekten nicht aufnehmen, die entsprechende Analyse der Bundesbank wird nicht zitiert. Es ist darüber hinaus ökonomisch und politisch nicht sinnvoll, wenn Deutschland anhaltende Wohlstandssteigerung auf eine Konstellation mit unnormal niedrigen Realzinssätzen in Deutschland (und Frankreich) und zugleich unnormal hohen Realzinssätzen in Länder wie Italien und Spanien aufbauen wollte. Eine solche Vorstellung ist ökonomisch absurd, da eine solche Konstellation nicht gleichgewichtig bzw. nicht nachhaltig ist, weil zudem hier gegen den Geist der europäischen Integration verstoßen würde und weil schließlich überhaupt eine optimale Ressourcenallokation in Europa, inklusive ökonomischer Aufholprozesse von Deutschlands südlichen Euro-Partnerländern verhindert würde; das wiederum verstieße gegen die ökonomische Vernunft ebenso wie gegen das EU-Ziel ökonomischer Kohäsion. Die von SINN offenbar ignorierte Unterscheidung von Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen (WELFENS, 2012a) ist Teil der Analyse-Defizite aus dem Ifo-Institut, das im Übrigen auch schon mit der Basar-Ökonomie-These, wonach Deutschland in der Dekade nach 1995 an einer Art besonderer Exportschwäche litte, eine viel publizierte, aber ökonomisch-analytisch verfehlte Diagnose zur deutschen Wirtschaft stellte. Wenn man bedenkt, dass das Ifo-Institut bzw. dessen Präsident mit einer undifferenzierten Risikoanalyse zu den Euro-Haftungsfragen seit 2011/ 2012 die deutsche Öffentlichkeit und auch das Bundesverfassungsgericht stark beeinflusste, dann muss man sich fragen, ob es für ein staatlich finanziertes For-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdyriamik und Politikoptiorien • 117

schungsinstitut als verantwortlich gelten soll, wenn man in bestimmten Feldern mit so wenig wissenschaftlicher Seriosität auftritt; wenn man noch dazu bedenkt, dass Ifo-Chef Sinn in der Frankfurter Allgemeinen Sonntags2eitung am 11. September 2011 zum Boykott der EZB durch die Bundesregierung aufrief, dann kann man nur noch mehr staunen (und erst recht wenn man die Satzungsergänzungen beim Verein für Socialpolitik aus 2012 als kritischen relevanten Bezugspunkt für Forschung nähme). Aus den Erfahrungen etwa in Großbritannien ist auf Basis einer empirischen Untersuchung der Bank of England bekannt, dass die Effekte der geldpolitischen mengenmäßigen Lockerung in einer realen Zinssenkung und einer realen Abwertung bestehen (JOYCE/LASAOSAL/STEVENS/TONG (2010)), was auf positive Investitions- und Exportimpulse hinausläuft. Der Sinn des Verbotes einer monetären Staatsfinanzierung liegt im Wesentlichen in der Vermeidung einer strukturellen Inflation, wenn aber Quantitative Easing wie in den USA oder Großbritannien in einer Sondersituation sinnvoll organisiert und umgesetzt wird, bedeuten auch größere Ankäufe von Staatsanleihen keinen zusätzlichen Inflationsdruck; der Abwertungseffekt von Quantitative Easing wird nur zu einem einmaligen Anstieg im Preisniveau führen, nicht aber zu einer Inflation.

8.5

Bankenunion

Mit ihren Vorschlägen für eine Bankenunion am 13. September 2012 hat die Europäische Kommission wichtige Elemente in die Reformdiskussion in der Eurozone eingebracht. Ab dem Jahr 2013 sollten die Geldinstitute in der Eurozone einer zentralen Bankenüberwachung unterliegen. Dabei soll die EZB als Aufseher an der Spitze tätig werden; die EZB hätte gemäß Kommissionsentwurf das Recht, Banklizenzen zu vergeben und auch einzuziehen. Ob die EZBAufsicht nur für die Großbanken bei der Aufsicht aktiviert werden soll oder für alle Banken zuständig wird, ist unklar — von deutscher Seite wird eine Beschränkung auf Großbanken gewünscht. Länder der Eurozone, die nicht der Währungsunion angehören, haben das Recht, sich freiwillig der Euro-Bankenaufsicht anzuschließen. In der Praxis dürften die nationalen Bankenaufseher weiterhin eine erhebliche Rolle spielen, da sie die neue Euro-Bankenaufsicht offensichtlich unterstützen soll. Von deutscher Seite wird befürchtet, dass die EZB-Aufsicht ein großer Schritt hin zu einer Bankenunion sein wird, in der auch eine einheitliche europäische Einlagensicherung und ein gemeinsamer Bankenabwicklungsfonds aktiv sein sollen. Bankenabwicklungsfonds hat das Europäische Parlament nach der Transatlantischen Bankenkrise im Rahmen einer Richtlinie den Länder der EU vorgeschrieben, wobei die Banken im jeweiligen Land über eine Abgabe den Bankenabwicklungsfonds speisen sollen.

118 • Paul J.J. Weifens

Eine wichtige Frage betrifft die Problematik des Too-big-to-fail bei systemrelevanten Großbanken, die der Staat faktisch auch in einem ernsten bankmäßigen Krisenfall bzw. bei konkursrelevanten Megaverlusten nicht in Konkurs gehen lassen kann. Für die Großbanken entstehen von daher Kapitalkostenvorteile, die über die reinen Größenvorteile hinausgehen bzw. es ergibt sich ein tendenziell künstlich zu gutes Rating, was wettbewerbsverzerrend ist. Die Erfahrungen aus der Transatlantischen Bankenkrise waren sehr ernüchternd sowohl in den USA und Großbritannien als auch in den Euro-Ländern. Der Chef der finnischen Notenbank Erkki Liikanen hat zu Beginn 2012 den Auftrag der Europäischen Kommission erhalten, mit einer Expertengruppe Fragen von Bankenstrukturreformen in der Eurozone zu untersuchen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die großen Universalbanken als Kombination von Investmentbanken und Geschäftsbanken fortgeführt werden sollen. In den USA müssen Großbanken den Aufsichtsbehörden einen präventiven Abwicklungsplan vorlegen, der etwa auch von der Deutschen Bank in den Vereinigten Staat für die Bank selbst bzw. die rund 1100 Tochtergesellschaften und 1500 Zweckgesellschaften vorzulegen war. Gemäß einem Gesetzesentwurf von der Europäischen Kommission soll nach 2014 auch von europäischen Banken in der EU ein vorsorgliches Testament vorgelegt werden. In Großbritannien hat die von der Regierung eingesetzte Vickers-Kommission 2012 Vorschläge gemacht, wie man das Investmentbanking bzw. den Bereich Kapitalmarktgeschäfte vom Kredit- und Einlagengeschäft trennen könnte. Ein Trennbankensystem in der EU einzuführen — mit unterschiedlichen Banken bzw. Banklizenzen für Investmentbank und Geschäftsbanken - ist erwägenswert; denkbar ist aber auch, dass man die beiden Aktivitätsbereiche in einer Holdingstruktur fortführt. Kritisch könnte man auch betonen, dass die diversifizierten Universalbanken in der EU relativ gut durch die Transatlantische Bankenkrise gekommen sind, während spezialisierte Investmentbanken wie Hypo Real Estate oder die US-Bank Lehman Brothers in Schwierigkeiten gerieten. Sicherlich muss man auch die Frage nach der Qualität der Bankenaufsicht stellen und auch nach der Qualität der Arbeit des Internationalen Währungsfonds mit seinen FSAP-Berichten zu den Finanzsystemen; diese IWF-Berichte waren mehrfach falsch, nämlich u.a. in den Fällen Irland und Schweiz — im Fall USA lag der Bericht erst mit Jahren Verspätung vor (WELFENS, 2012a). Eine länderübergreifende Einlagensicherung bei Banken in Europa macht ökonomisch gesehen nur dann Sinn, wenn die relevanten Netzwerkeffekte bzw. Spillovers in der Regel länderübergreifend sind; dem könnte ein Netzwerk von europäischen Banken mit länderübergreifender Bedeutung entsprechen, was jedoch zumindest im Bereich der Volksbanken bislang nicht der Fall ist, und Ähnliches könnte man für die Sparkassen in Deutschland feststellen — mit Abstrichen wegen der Landesbanken, an denen die Sparkassen beteiligt sind oder wo Sparkassen Tochterinstitute sind (wie in Baden-Württemberg). In Deutsch-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 119

land haben die Sicherungsfonds der Sparkassen und Volksbanken über Jahrzehnte zuverlässig funktioniert. Solange Sparkassen oder Volksbanken keine kritische Größenordnung erreichen, die Systemrelevanz bedeuten, sollte man nicht unnötig unter der Überschrift Bankenunion ein neues zentralisiertes Einlagensicherungssystem auf Basis der Eurozone insgesamt schaffen. Am ehesten ist eine zentralisierte Bankenaufsicht auf Euro-Ebene bei den international tätigen Großbanken sinnvoll. Sieht man von diesem speziellen Fall ab, dann wird man also bestehende nationale Sicherungssysteme fortführen wollen, zumal ja im Fall einer sehr ernsten Krise letztlich dann der jeweilige Staat bzw. die Steuerzahler für Stabilisierungsmaßnahmen zur Kasse gebeten würden; das schließt nicht aus, dass Banken in der Eurozone mit Partnerbankengruppen aus anderen Ländern Ansätze für Versicherungslösungen auf Gegenseitigkeit entwickeln, die sich aus wachsenden grenzübergreifenden Geschäftsaktivitäten begründen lassen. Die im Fall einer allgemeinen länderübergreifenden Einlagensicherung relevante Vorstellung, dass deutsche Einlagensicherungsfonds etwa auch für spanische oder italienische Banken mitverantwortlich sein sollten, dürfte den Wählerinnen und Wählern in Deutschland und vielen anderen Ländern nur schwer zu vermitteln sein; für eine allgemeine Gemeinschaftshaftung bei Banken spricht nichts. Eher schon sind unter bestimmten Bedingungen Euro-Gemeinschaftsanleihen in einer bestimmten Form erwägenswert. Die Bankenaufsichtsprobleme in der Eurozone sind nicht so ganz verschieden von den Problemen der USA, wo es Banken mit bundesstaatlicher Lizenz gibt (federally chartered banks) und Banken mit einer Lizenz des jeweiligen Bundesstaates, wobei letztere relativ klein sind. Banken mit bundesstaatlicher Lizenz sind in der Regel die Großbanken. Die USA haben die Bankenaufsicht nach der Subprime-Krise neu geordnet und dabei der Federal Reserve eine größere Rolle als bisher zugewiesen. Ob die Eurozone gut beraten ist, eine Bankenunion rasch umzusetzen und dabei dem US-Modell zu folgen, ist eine offene Frage. Auf dem EU-Gipfel am 13./14.Dezember 2012 sind die Beschlüsse für eine gemeinsame Euro-Bankenaufsichtsbehörde verfasst worden. Zu einer Bankenunion gehören in der Regel (GSTÄDTNER, 2013): •

Ein einheitliches Banken-Aufsichtsrecht (single rulebook)



Eine gemeinsame Bankenaufsichtsbehörde



Ein gemeinsames Bankenrestrukturierungsrecht — das beinhaltet auch eine Bankenrestrukturierungsbehörde



Eine harmonisierte Einlagensicherung.

Die Europäische Zentralbank soll ab Frühjahr 2014 als europäische Bankenaufsichtsbehörde aktiv werden. Das bedeutet u.a. dass für die für die Erteilung einer Banklizenz, Fragen der Einhaltung der Eigenkapitalanforderungen, der Liquidi-

120 • Paul J.J. Weifens

tätsvorschriften und der Großkreditregeln sowie Bilanzkonsolidierungsfragen die EZB zuständig wird. Damit es keine Interessenkonflikte mit der Geldpolitik gibt, wird ein eigenes Gremium, ein Aufsichtsrat, für die Durchführung der Aufgaben im Bereich Bankenaufsicht in der EZB gegründet. Der Aufsichtsratsvorsitzende und der Stellvertreter sollen auf Vorschlag der EZB vom Europäischen Rat ausgewählt werden, wobei der Stellvertreter aus dem Kreis des EZB-Direktoriums kommen wird, der Vorsitzende aus einer Gruppe von Fachexperten. Die Entscheidungen dieses „Aufsichtsrats" sind angenommen, sofern der Zentralbankrat nicht binnen eines gewissen Zeitraums Widerspruch — begründet - vorlegt. Grundsätzlich sind Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht natürlich denkbar, wobei die organisatorische Trennung und die Einrichtung eines Mediationspanels den Umgang mit möglichen Konflikten optimieren helfen sollen. Der Kreis der von der EZB zu beaufsichtigenden Banken soll mit Blick auf die Größe und Internationalität der Bank festgelegt werden. Eine Bank wird dann als signifikant für die EZBAufsicht angesehen, wenn die Bank zu den drei größten des jeweiligen Landes gehört oder wenn die Bilanzsumme größer als 30 Milliarden Euro ist. Zudem kann die EZB von sich aus eine Bank als aufsichtsrechtlich signifikant erklären. Was die Lizensierung der Banken oder auch den Entzug der Lizenz angeht, so ist unabhängig von der Größe die EZB mit der entsprechenden Zuständigkeit ausgestattet; nationale Aufsichtsbehörden sind in das Verfahren involviert. Unklar ist, ob in einem Folgeschritt eine Haftungsgemeinschaft für die der EZB direkt unterstellten Banken entstehen wird - hierbei geht es um eine gemeinsame Einlagensicherung und einen gemeinsamen Restrukturierungsfonds sowie einen passenden „backstop" bzw. Fonds, für den die Steuerzahler der Eurozone vermutlich geradestehen müssten. Die Frage, wie man Haftung und Kontrolle hier vernünftig mit einander in Einklang bringt ist einigermaßen unklar. Auf gar keinen Fall kann empfohlen werden, dass Haftungsrisiken auf Basis einer Abstimmungsregel zugewiesen werden können, wonach jedes Land eine Stimme hat. Es ist im Sinn ökonomischer Vernunft, dass das ökonomische Gewicht des jeweiligen Landes eine direkte Rolle für die Stimmengewichtung hat. Es wäre völlig unverantwortlich, wenn etwa eine Mehrheit kleiner Länder auf Basis einer unzureichenden Stimmengewichtung riskante Bankenaktivitäten im jeweils eigenen Land zulassen könnte und dann anschließend - dem drastisch schlechten Beispiel Irlands in 2010-12 quasi folgend — die Rechnung für Bankenrestrukturierungen und -rekapitalisierungen an die europäischen Steuerzahler weiterreichen könnte. Es wäre vernünftig, wenn funktionsfähige bestehende Sicherungsinstitutionen etwa der Sparkassen bzw. der Volksbanken in Deutschland unangetastet blieben: Diese Bankengruppen haben sich über Jahrzehnte ein bewährtes System der Bankenrestrukturierung bzw. der Einlagensicherung aufgebaut; natürlich ist nicht auszuschließen, dass im Fall zunehmender Internationalisierung des Ge-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 121

schäftsfeldes von Sparkassen und Volksbanken eine angemessene Weiterentwicklung der gruppenspezifischen Sicherungsmechanismen erfolgt. Die Krise in der Eurozone wird auch 2013 nicht nachhaltig überwunden sein, die Strukturprobleme in vielen Euroländern sitzen eben tief und die Verwerfungen aus der transadantischen Bankenkrise sind ebenfalls weiterhin unübersehbar. Es ist nicht sehr plausibel anzunehmen, dass man durch eine Rückkehr zu einem einfachen einzuhaltenden Maastrichter Vertrag plus Ingangsetzung des Fiskalpaktes die Vertrauens- bzw. Eurokrise überwinden kann. Nur durch eine EuroPolitikunion mit einer viel stärkeren supranationalen Politikebene wird eine nachhaltige Stabilisierung der Eurozone bzw. der EU möglich sein.

Anhaltende Eurokrise unterminiert EU Durch die am 6. September 2012 erfolgte EZB-Ankündigung eines gegebenenfalls unbegrenzten Ankaufs von Staatsanleihen von Krisenländern, die mit dem Rettungsfonds Europäischer Stabilitätsmechanismus ein Anpassungsprogramm vereinbart haben, ist in der Eurozone eine Entspannung eingetreten: Die Zinssätze bei Italien und Spanien sind um etwa 2 Prozentpunkte gefallen, zudem haben Portugal und Irland gewisse Fortschritte bei den Strukturreformen gemacht, wobei jedoch beide Länder mit Schuldenquoten von rund 120% eine kritisch hohe Schuldenquote erreicht haben. Eine nachhaltige Überwindung der Eurokrise ist das nicht. Vielmehr wirkt in der Eurozone ein gewisser Schwelbrand durch die anhaltende Spanien-Krise, den neuen Krisenfall Zypern und das fortgesetzte Griechenland-Problem weiter: Laut IWF-Bericht fehlen Athen ab 2014 mittelfristig rund 40 Mrd. €, wobei die Lücke vermutlich durch weitere Zinsnachlässe der Euro-Partner geschlossen werden soll. Obendrein droht aber der EU ein Zerfallsprozess - unter dem Druck der Anti-EU-Impulse aus Großbritannien, dessen Premier Cameron Anfang 2013 für den Fall seiner Wiederwahl vor 2017 ein Referendum angekündigt hat; und die fortgesetzte Ablehnung des Euro. Der Europäischen Union, die schon nach den gescheiterten EU-Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden in 2005 in eine Schwächephase getreten ist, droht mit der mehrjährigen Eurokrise und der schweren Rezession in den südlichen Kohäsionsländern ein ökonomischer Stagnationsprozess. Hinzu kommt, dass die Europäische Kommission nicht nur in den EurobarometerUmfragen als geschwächt erscheint, sondern dass obendrein die Euro- bzw. EUGipfel mit ihrer seit 2010 deutlich erhöhten Frequenz einen Bedeutungsverlust von Kommission und Europäischem Parlament markieren. Die EU-Budgetverhandlungen werden die supranationalen Staatsausgaben auf nur 1 % des Bruttoinlandsproduktes fesdegen; das steht für eine geradezu unbedeutende Ausgabenhöhe in Brüssel. Die supranationale Ebene der Wirtschaftspolitik ist in einer

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ökonomischen Krisenphase impotent, eine makroökonomische Stabilisierungsfunktion kann so von Brüssel nicht ausgehen und 500 Millionen Menschen in der EU warten weiter auf eine zukunftsfähige institutionelle Weiterentwicklung.

Zwangswandelanleihen bei Banken, Eigenkapitalquote und Stabilität Die hohen Kosten der staatlichen Bankenrettung von 2008-2012 geben der Frage eine hohe Bedeutung, wie man künftige derartige Fehlentwicklungen — Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste — vermeiden kann. Hier bieten sich Pflichtwandelanleihen an, wie sie in der Schweiz (auf Vorschlag der Schweizerischen Notenbank) und Großbritannien nach der Transatlantischen Bankenkrise schon eingeführt worden sind. Coco-Bonds — Contingent Convertibles — sind Bankanleihen, die bei Unterschreiten einer kritischen Eigenkapitalquote automatisch in Eigenkapital der Bank umgewandelt werden. RBS und Lloyds in Großbritannien sowie die UBS und die Credit Suisse haben in 2012 bereits Cocos am Markt platziert; die Rabobank ebenfalls. Auch in Deutschland wäre es sinnvoll vorzuschreiben, dass die Banken oberhalb einer Mindesteigenkapitalquote auf Basis von herkömmlichem Eigenkapital noch ein über Cocos finanziertes erhöhtes Eigenkapitalpolster haben. Die Inhaber von Cocos werden mit Blick auf die Option zur pflichtgemäßen Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital bei der Emission der Anleihe einen Risikozuschlag verlangen. Da der BankAnleihenmarkt insgesamt groß ist, wird bei einem zunehmenden Anteil von Cocos tendenziell ein Zinserhöhungseffekt für alle Anleihenmärkte zustande kommen. Dies reflektiert letztlich die Tatsache, dass die Risiken im Großbankengeschäft größer sind als bisher in den Kapitalkosten der Großbanken zum Ausdruck kam. Wird die Pflichtwandelanleihe tatsächlich umgewandelt, dann kommt es zu einer Verwässerung des Aktienwertes der Altaktionäre, die an einem Verfall der Aktienkurse durch die Coco-Umwandlung kein Interesse haben. Damit entsteht vermutlich hinreichender Druck der Aktionäre auf das Management der jeweiligen Bank, eine zu starke Risikoexposition zu vermeiden. Ein Problem kann in der Praxis jedoch dann entstehen, wenn die Cocos in der Hand privater Anleger bzw. von nicht-institutionellen Anlegern sind; denn dann wird man unter Hinweis auf drohende Vermögensverluste von Arbeitnehmern bzw. privaten Haushalten vermutlich doch nach dem Staat rufen. Mit Blick auf systemrelevante Banken sollte also der Gesetzgeber in der EU bzw. den Euro-Ländern eine Kombination von zwei Reformelementen vorsehen: Die Einführung von Cocos und Vorschriften, dass diese Pflichtwandelanleihen bei institutionellen Anlegern liegen müssen. Auch diese Reform ändert natürlich nichts an der Notwendigkeit, dass Banken ein vernünftiges Risikomanagement betreiben müssen und dass die Wirtschaftsprüfer die Akteure auf den Finanzmärkten regelmäßig sorgfältig und

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptioneri • 123

kritisch unter die Lupe nehmen. Mit Blick auf die angedachte europäische Bankenunion wird es wichtig sein, dass man EU-weit oder zumindest in der Eurozone auf breiter Basis solche Pflichtwandelanleihen bei systemrelevanten Banken einführt. Auch wenn man die Eigenkapitalquote auf diese Weise deutlich erhöht — in der Schweiz bei Großbanken gar auf 19% —, so sollte man sich nicht darüber täuschen, dass auch in einem Umfeld mit einer erhöhten Eigenkapitalquote die Risikoneigung des Managements bzw. der Händler sinnvoll begrenzt werden muss. Hier gilt unverändert, dass die Einführung einer Volatilitätsbesteuerung (WELFENS, 2009) — Bemessungsbasis wäre die zeitliche Varianz der Eigenkapitalrendite der jeweiligen Bank (oder der Variationskoeffizient, wobei der Durchschnittswert der Eigenkapitalrendite der Bank oder aber des Bankensektors insgesamt im Nenner stehen sollte) — sinnvoll ist. Nur bei Einführung einer solchen Steuer wird das Management ausreichend Anreize haben, über nachhaltige Expansionsstrategien der Bank nachzudenken. Die Qualität der Unternehmensführung von Großbanken wird damit gestärkt; dass im Zuge der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen die Qualität der Unternehmensführung bei Großbanken offenbar nicht besser geworden ist, könnte im Übrigen gerade mit der Globalisierung zusammenhängen. Es kann durchaus sein, dass ein zunehmend internationalisierter Kreis von Aktionären weniger gut als ein vorwiegend homogener nationaler Kreis von Aktionären das Management überwacht. Dann hätte man auch einen spezifischen — zusätzlichen — Mechanismus, der erklären kann, weshalb die Finanzmarktglobalisierung in den zwei Jahrzehnten nach 1990 so unbefriedigend verlaufen ist. Die Rückkehr der globalen Finanzmärkte zu mehr Stabilität kann durch verbesserte Regulierungen allein kaum gelingen. Hauptgeschädigte instabiler Finanzmärkte sind im Übrigen erkennbar die Investoren bzw. Sparer bzw. die Steuerzahler.

8.6

BRANSON-Modell als Analysebasis für Quantitative Easing

Die Wirkung einer mengenmäßigen geldpolitischen Lockerungspolitik wird nachfolgend auf Basis des bekannten BRANSON-Modells - mit einer analytischen Erweiterung - dargestellt (WELFENS, 2012d).

Quantitative Easing als neuer geldpolitischer Ansatz in OECDLändern Quantitative Easing — mengenmäßige geldpolitische Lockerung — beschreibt eine spezielle Form der Geldpolitik: Die Geldmenge M wird ausgeweitet, und zwar dadurch, dass die Zentralbank Staatsschuldtitel B ankauft. Japan, die USA und Großbritannien haben in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts zeitweise diese

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Politik verfolgt. Im Weiteren werden aus Vereinfachungsgründen kurzlaufende festverzinsliche Papiere betrachtet. Da die Staatsanleihen einen festen Zinscoupon haben - z.B. 10 € ergibt sich eine inverse Relation zwischen Kurswert und Marktrendite. Diese ergibt sich natürlich, indem man 10 € bzw. den Zinscoupon durch den Kurswert dividiert. Wenn im Ausgangszeitpunkt der Kurswert 100 € betrug, ergibt dies einen Marktzins von 10%. Wenn der Kurswert auf 200 € steigt, ist der Marktzins bzw. die sogenannte Umlaufsrendite nur von 5%. Sollte der Kurswert auf 50 € sinken, dann ist der Marktzins eben 20%. Wenn die Zentralbank Staatsanleihen („bonds") ankauft, dann hat dies tendenziell natürlich zur Folge •

dass der Kurs der Papiere steigt bzw. die Marktrendite (also der Marktzins) fällt. Das wiederum stimuliert die Investitionen und erhöht erfahrungsgemäß im Übrigen auch die Aktienkurse. Der Wert der Aktienkurse ergibt sich in einer Fundamentalbetrachtung ja als der Diskontierung der künftigen erwarteten Gewinne und die Diskontierung auf die Gegenwart erfolgt mit Hilfe des aktuellen Zinssatzes. In einem ZweiPerioden-Modell ergibt sich der Aktienkurs P' = H/(l+i)+H/(l+i) 2 , wobei hier ein konstanter Gewinn H angenommen wurde. Wenn der Marktzins i sinkt, dann steigt der Wert der Aktien. Der Aktienkurs aller Unternehmen in einer Volkswirtschaft kann als Preisniveau für bestehendes Realkapital angesehen werden (in den Firmen ist ja ein bestimmter Maschinenpark vorhanden, der zum Nettovermögen des jeweiligen Unternehmens bzw. den Eigentümern gehört). Vergleicht man P' mit dem Preisniveau P für neuproduzierte Güter — solche mögen gleichermaßen als Konsum- wie als Investitionsgut einsetzbar sein - , dann bedeutet der Anstieg von P'/P, dass bestehendes Realkapital relativ zu neu produzierten Investitionsgütern teurer geworden ist. Es lohnt sich aus der Sicht vieler Investoren von daher eher, eine neue Fabrik auf Basis neuer Investitionsgüter aufzubauen, als durch Aktienkäufe eines bestehenden Unternehmens existierendes Realkapital zu übernehmen. Ergänzend kann man auch darauf hinweisen, dass ein sinkender Zinssatz die Kreditaufnahme für Unternehmer/innen verbilligt, was von daher ebenfalls bedeutet, dass eine Senkung des Realzinssatzes zu einer Erhöhung der Investitionen (in realer Rechnung) führt. Der Realzinssatz ist die Differenz von Marktzins i und Inflationsrate n, wobei letzteres die prozentuale Änderungsrate von P bezeichnet (im Ausgangszustand gelte konstantes P, also eine Inflationsrate von Null);



es kommt zu einer Abwertung der Währung, da die Anleger die Renditen in- und ausländischer Wertpapiere — sie sind aus Anlegersicht Substitute - vergleichen. Wenn der Inlandszins i bei inländischen Staatsanleihen sinkt, dann steigt die Nachfrage nach ausländischen Wertpapieren,

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 125

für deren Kauf man sich allerdings zunächst US-Dollar (eben ausländische Währung) beschaffen muss. Steigt die Nachfrage nach ausländischen Papieren, dann kommt es zu einer Abwertung. Diese Abwertung hat einen Angebotsüberschuss auf dem Markt für ausländische Wertpapiere zur Folge; •

kauft die Zentralbank Staatsanleihen aus dem Bestand B an, dann wird der Staat einen Teil seiner bisher an private Investoren gezahlten Zinsausgaben an die Zentralbank leisten. Die wiederum macht höhere Gewinne, die sie an den Staat bzw. die Regierung abführt, so dass die effektive Zinslast des Staates sinkt. In den USA, wo es im Zeitraum November 2008-2012 zu zwei Quantitative Easing Programmen gekommen war, hat die US-Zentralbank in 2011 immerhin 80 Mrd. €, also mehr als 0,5% des Bruttoinlandsproduktes an den Staat als Gewinn überwiesen. Dieser Gewinn stammt z.T. aus den vom Staat an die Zentralbank geleisteten Zinszahlungen. Durch QE kann der Staat also effektiv die Staatsausgaben bzw. die Zinsausgaben senken, so dass der Staat entweder den Staatsverbrauch steigern oder den Steuersatz senken kann oder bestehende Staatsschulden zurückführen könnte.

Im kurzfristigen BRANSON-Modell flexibler Wechselkurse werden nur die beiden erstgenannten Effekte sichtbar. Das BRANSON-Modell zeigt für den Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen, wie man aus den Gleichgewichtsbedingungen für den Geldmarkt, für den Markt für inländische Bonds B (Staatsanleihen) und für den Markt für ausländische Bonds F* den Nominalzinssatz i und den nominalen Wechselkurs e bestimmen kann. In diesem kurzfristigen Finanzmarktmodell sind die Vermögensbestände M, B und F* gegeben — F* ist der Bestand an ausländischen Staatspapieren in der Hand inländischer Investoren (F* ist in ausländischer Währung denominiert). Im Zuge einer expansiven Offenmarktpolitik bzw. bei QE-Politik wird man M erhöhen, aber in gleicher Höhe B vermindern; QE-Politik kann man als mittelfristige bzw. groß dimensionierte expansive Offenmarktpolitik definieren. Diese Politik wird üblicherweise nur eingesetzt, wenn der Notenbankzinssatz schon nahe Null ist, so dass man im Fall einer fortdauernd schwachen Wirtschaftsentwicklung oder gar einer Rezession eben auf QE-Politik setzt, um doch noch den Marktzinssatz nominal und real zu senken. In einfacher Form kann man die kurzfristigen Effekte einer expansiven Offenmarktpolitik im BRANSON-Modell betrachten, wobei die Anleger in Geld (M), Staatsanleihen (B) oder ausländische Staatsanleihen F* (in ausländischer Währung denominiert) investieren können. Geht man zur Vereinfachung davon aus, dass die gewünschten Anteile (also h als gewünschter Anteil der Haltung von Geld am Nominalvermögen; b als Wunschanteil bei Inlandsbonds, f als Wunschanteil bei Auslandsbonds) des jeweiligen Aktivums von den relevanten Zinssätze

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i bzw. i* (Auslandszins) abhängen, dann lassen sich die Gleichgewichtsbedingungen für die Finanzmärkte recht einfach formulieren; dabei ist zu beachten, dass der Wert der Auslandsbonds in inländischer Währung als eF* zu schreiben ist, wobei e der nominale Wechselkurs ist. Die Gleichgewichtsbedingungen für den Geldmarkt, den Markt für Inlands-Anleihen und den Markt für ausländische Bonds lauten im Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft: (23)

M = h(i,i*) [M+B+eF*]

(24)

B = b(i,i*) [M+B+eF*]

(25)

eF* = f(i,i*) [M+B+eF*]

Links vom Gleichheitszeichen steht jeweils der Wert des Angebots, rechts vom Gleichheitszeichen ist die nominale Nachfrage nach Geld bzw. inländischen Staatsanleihen bzw. ausländischen Staatsanleihen aufgeführt. Diese Nachfrage ist annahmegemäß proportional zum Gesamtvermögen — genauer: dem Nettofinanzvermögen — des privaten Sektors. Dieses nominale Nettofinanzvermögen lässt sich schreiben als (26)

A":= M+B+eF* (Budgetrestriktion)

Die Summe aus Geldbestand, Bestand an Inlandsanleihen und dem in inländischen Währungseinheiten ausgedrückten Bestand von Auslandsanleihen in Hand von Inländern ist also das Nettofinanzvermögen des privaten Sektors. Um den in inländischen Währungseinheiten ausgedrückten Wert an ausländischen Staatsanleihen (in der Hand von Inländern) zu erhalten, muss F* mit dem Wechselkurs e (in Preisnotierung: €/$) multipliziert werden. Mit h, b bzw. f werden die gewünschten Anteile von Geld, inländischen Staatsanleihen und ausländischen Staatsanleihen bezeichnet, wobei natürlich gilt, dass sich die Anteile zu 1 summieren: Also h+b+f = 1, was wiederum nur eine andere Ausdrucksweise für die Budgetrestriktion der Vermögenshaltung, nämlich A"= M+B+eF* ist (Division der Gleichung durch A" ergibt h+b+f = 1, wobei h:= M/A", b:=B/A" und f:= eF*/A"). Im Gleichgewicht auf den Finanzmärkten müssen die tatsächlichen Anteile M/A", B/A" bzw. eF*/A" gleich den gewünschten Anteilen h(i,i*), b(i,i*) und f(i,i*) sein, wobei i der inländische Marktzins und i* der ausländische Marktzins ist; man könnte durchaus auch die Gleichgewichtsbedingungen entsprechend schreiben (nachfolgende Analyse nach WELFENS (2012d): Studie zur Eurokrise für die Hans-Böckler-Stiftung). Es wird angenommen, dass der gewünschte Anteil der Geldhaltung im Portfolio bzw. am Gesamtvermögen ein negative Funktion von i und i* sind; dabei stehen In- und Auslandszins für Opportunitätskosten der Haltung von Liquidität bzw. von Geld. Offensichtlich ist b eine positive Funktion des Inlandszinssatzes i, aber eine negative Funktion von i*. Denn je höher der Inlandszins ist, um so attraktiver ist es, inländische Staatsanleihen zu halten, der gewünschte Anteil b ist

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 127

aber entsprechend dann auch eine negative Funkdon von i. Umgekehrt gilt für den gewünschten Anteil von Auslandsanleihen am Gesamtvermögen, dass f eine negative Funktion von i und eine positive Funktion von i* ist. Man beachte, dass man die Gleichgewichtsbedingung für den Geldmarkt auch ausdrücken kann als M/A" = h(i,i*); entsprechende Überlegungen gelten natürlich auch für das Marktgleichgewicht bei Inlands- bzw. Auslandsbonds. Die graphische Darstellung der Gleichgewichtskennlinie für den Geldmarkt (MM-Linie), den inländischen Staatsanleihenmarkt (BB-Linie) und den ausländischen Staatsanleihenmarkt (F*F*) kann man in einem e-i-Diagramm darstellen. Jede Gleichgewichtskennlinie steht für Kombinationen von Wechselkurs und Zins, die Angebot=Nachfrage auf dem jeweiligen Finanzmarkt sicherstellen. Wegen der Budgetrestriktion sind nur zwei der drei Gleichgewichtsbedingungen voneinander unabhängig. Man kann von daher das simultane Finanzmarktgleichgewicht bzw. Gleichgewichtszins und gleichgewichtigen Wechselkurs durch jede Kombination von zwei Gleichgewichtskennlinien bestimmen. Die Steigungen der MM-Kurve, der BB-Kurve und der F*F*-Kurve ergeben sich im e-i-Diagramm auf Basis der Differenzierung der Gleichgewichtsbedingungen wie folgt: (27) de

M hj ~ P h2 di"~ B bj

de di" (29) de _

M+B

fj

di ~

F*

(1-f)2

Was geschieht, wenn der Staat eine Quantitative-Easing-Politik betreibt? Eine expansive Offenmarktpolitik wird die BB-Kurve nach links verschieben, die F*F*-Kurve bleibt in ihrer Lage unverändert; man beachte hier, dass bei expansiver Offenmarktpolitik dM = -dB gilt, so dass die Höhe des Finanzvermögens sich nicht ändert. Im Ergebnis bringt in dem hier betrachteten kurzfristigen Finanzmarktmodell also eine expansive Offenmarktpolitik bzw. Quantitative Easing eine Zinssenkung — solange die Inflationsrate unverändert ist, haben wir eine Realzinssenkung; und eine Abwertung bzw. eine Erhöhung von e, was eine Erhöhung des realen Wechselkurses eP*/P darstellt; jedenfalls sofern die typischerweise träge reagierenden Preisniveaus im Inland (P) bzw. im Ausland (P*) als gegeben zu betrachten sind. Um die mittelfristige Folge von Realzins Senkung und realer Abwertung zu verstehen bzw. die Verbindung zwischen den Finanzmärkten und dem gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt aufzuzeigen, gilt es zunächst die Gleichgewichtsbedin-

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gung für den Gütermarkt zu betrachten: Das Güterangebot bzw. das tatsächliche reale Bruttoinlandsprodukt Y muss gleich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage als Summe aus geplanter Konsumnachfrage C(...), gewünschten Investitionen I(...), autonomem Staatsverbrauch G und Nettogüterexport X'(- • •) sein. Die von den Unternehmen geplanten bzw. gewünschten Investitionen hängen negativ vom Realzins r ab, der Konsum im einfachsten Fall vom verfügbaren Realeinkommen Y-T (mit T für Steuerzahlung der Wirtschaftssubjekte) und die realen Netto-Güterexporte X' sind positiv abhängig von Y* (* für Ausland) und dem realen Wechselkurs q*:=P/(eP*) und negativ abhängig von Y. Die Politik der geldpolitischen Lockerung ergibt eine reale Abwertung und eine reale Zinssenkung und von daher ergeben sich die folgenden realwirtschaftlichen Aspekte: •

Es ergibt sich eine Erhöhung der Investitionen und mithin ein höheres gleichgewichtiges Realeinkommen Y (oder reales Bruttoinlandsprodukt), das sich nämlich einfach ergibt auf Basis der einfachen Gütermarktgleichgewichtsbedingung Y = C(Y-T)+G+I(r)+X'(Y,Y*,q*), wobei C der geplante Konsum aller privaten Haushalte ist, der positiv vom verfügbaren Einkommen Y-T abhängt (T ist das Steueraufkommen in realer Rechnung), G den autonomen Staatsverbrauch und I(r) die negativ vom Realzins abhängige gesamtwirtschaftliche private Investition darstellt. X' ist der Nettogüterexport, der von Y,Y* und dem realen Wechselkurs q*:=eP*/P abhängt. In einer offenen Volkswirtschaft, die hier betrachtet wird, führt die Senkung von r (r= i-7t, wobei die Inflationsrate K annahmegemäß Null ist) zu einer Investitionserhöhung, so dass dann offensichtlich auch die Summe C(...)+G+I(r)+X'(Y,Y*,eP*/P) bzw. die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ansteigt; zudem wird der Nettogüterexport steigen, der positiv von ausländischen Bruttoinlandsprodukt Y* und dem realen Wechselkurs eP*/P sowie negativ von Y abhängt (ein höheres Y erhöht die Güterimporte). In der hier betrachteten unterausgelasteten Wirtschaft wird diese erhöhte gesamtwirtschaftliche Nachfrage die Höhe von Y bzw. des Realeinkommens bestimmen, so dass die Gleichgewichtsbedingung für den Gütermarkt quasi von rechts nach links zu lesen ist. Man beachte, dass die realen Nettogüterexporte (ausgedrückt in inländischen Gütereinheiten) im einfachsten Fall zu schreiben sind als X':= xY*q*-jY; dabei sind x und j positive Parameter, für die reale Importnachfrage J wurde angenommen J:= jY/q* und für die Exportmenge X = xY*q*, wobei * für Ausland steht. Zu beachten ist, dass die realen Nettogüterexporte in inländischen Gütereinheiten X-q*J zu schreiben sind.



Da für den Staat die Budgetrestriktion gilt G = T+T'+dB/dt (t für Zeitindex), wobei T' der reale Notenbankgewinn ist, der eine positive Funktion des von der Zentralbank gehaltenen Staatsanleihen-Anteils X ist. Es

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 129

gilt (mit i' für den Zinscoupon) T' = i'XB und es ergibt sich, dass bei gegebenem B — also dB/dt = 0 — eine Erhöhung des von der Zentralbank gehaltenden Anteils X der Staatsanleihen die Steuern sinken werden (sofern man G als gegeben annimmt). Eine expansive Offenmarktpolitik bedeutet immer, dass k ansteigt. Letztlich löst die expansive Offenmarktpolitik indirekt eine expansive Fiskalpolitik aus bzw. eine Senkung von T oder alternativ eine Erhöhung von G aus. In der Fachliteratur fehlte bislang die Verbindung von BRANSON-Finanzmarktmodell und Budgetgleichung des Staates bzw. der Realwirtschaft. Nachfolgend muss also die Budgetgleichung in der folgenden Form beachtet werden: (30)

G = T+i'X.B

Für eine einfache modelltheoretische Analyse kann man als mittelfristige Gütermarktgleichgewichtsbedingung — unter Ersetzung von C = c(Y-T) durch C = c(Y-i'XB+G) schreiben (mit v als positiver Parameter und einer Cobb-DouglasProduktionsfunktion Y = K ß L l ß, wobei 00; (p' ist hierbei der relevante Infrastrukturparameter, der annahmegemäß positiv von G' abhängt): (i')

Y = cY(l-x)+G'+G"+b"(ßY/K-r-8)+v"cp'(G')+8K+xY*q*-jY

(ii')

M/P = h'Y/(h"r)

(liT)

A,r-A,r*+X'cp'(G') = jY-xY*q*

Neu ist hierbei die Formulierung, dass die privaten Nettoinvestitionen — zunächst proportional zur Differenz zwischen dem Nettogrenzprodukt des Kapitals und dem Realzins r — positiv vom Infrastrukturparameter cp' abhängig sind; und dass die Nettokapitalzuflüsse, die links vom Gleichheitszeichen in der obigen Abbildung stehen, ebenfalls positiv von cp' abhängen. Hier gibt es nun drei Arten von Fiskalpolitik, nämlich einen Multiplikator für dY/dG' und einen Multiplikator für dY/dG" sowie dY/dx.

188 • Paul J.J. Weifens

Anhang 6: Zur Größenordnung der Eurovorteile Nachfolgend Zitierung Punkt 6 „Schlussfolgerungen" aus WELFENS (2012b): „Die Eurozone hat durch das Krisenmanagement der Euro I EU-Gipfel und die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank im Frühjahr 2012 eine vorübergehende Stabilisierung erreicht. Diese aber wird nicht nachhaltig sein, wenn es nicht gelingt, zehn Politikansatzpunkte miteinander kombinieren: •

Strukturreformen in den Krisenländern bzw. in wachstumsschwachen Ländern;



Entwicklung und Umsetzung eines wachstumspolitischen Ansatzes für die Eurozone insgesamt;



Fortentwicklung des Fiskalpaktes hin einer Politischen Euro-Union — mit EuroParlament und parlamentarischer Euro-Regierung; die Beitrittskriterien für die Eurozone könnte man sinnvollerweise dahingehend erweitern, dass man im Vorzeitraum des geplanten Beitritts zumindest ein Boomjahr mit Haushaltsüberschuss im Kandidatenland haben sollte und im Übrigen ist auch die Einführung einer automatischen Straf^ahlung für Euro-Länder erwägenswert, die in einem Boomjahr keinen Haushaltsüberschuss erzielen (WELFENS, 2012a);



Einführung von supranationalen Euro-Staatsanleihen, was durchaus schon im Vorfeld der Euro-Politikunion für einen gewissen Teil des Staatsschuldenbestandes der Euro-Länder geschehen kann;



die Gründung einer wissenschaftlich fundierten europäischen Rating-Agentur — im Rahmen eines Stiftungsmodells — ist dringlich, denn die Qualität der sogenannten führenden Rating-Agenturen in bestimmten Bereichen ist nachweislich schlecht und geeignet, durch falsche Kapitalmarktsignale erhebliche Instabilitätsprobleme und Allokationsverzerrungen hervorzurufen (siehe Anhang);



die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist erwägenswert, dringlich ist allerdings in jedem Fall die Einführung einer Volatilitätssteuer auf die Eigenkapitalrendite bei Finanzmarktanbietern — hieraus können wesentliche Anreize zu me^r langfristigem und stabilitätsförderlichem Verhalten der Finanzmarktakteure entstehen;



die Europäische Union bzw. die OECD-Länder sollten regelmäßig Zahlen über das Bruttovermögen der Mitgliedsländer veröffentlichen;



Kooperationsansatz Eurozone-Vereinigtes Königreich/EU-USA, und zwar via abgestimmte Strategie im Rahmen der G8, die wesentlich problembezogener handeln kann als die diffuse G20-Gruppe; IWF-Reform, wobei die Qualität des IWF im Bereich Surveillance (Überwachung der Wirtschaftspolitik) und FSAP-Berichte (Überwachung der Finanzmarktent-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 189 wicklung in IWF-Mitgliedsländern) einer Verbesserung dringlich bedarf; auch mehr demokratische Kontrolle des IWF ist offenbar insgesamt sinnvoll; •

Deutschland und Frankreich sowie andere EU-Partnerländer sollten bei der Debatte um eine Euro-Politikunion eineßihrende Rolle spielen und versuchen, mit sinnvollen Reforminitiativen die Soziale Marktwirtschaft europäischer Prägung in der globalen Standortkonkurrem? z» verteidigen.

Bessere Berichtsqualität auf IWF-Ebene wird das frühzeitige Erkennen von Problemen in EU-Ländern fördern b%w. kann wirksam helfen, problemadäquate R^formpakete frühzeitig auf den Weg zu bringen. Die Kooperation der Eurozone mit den USA und Großbritannien sowie Japan ist dringlich, um zu verhindern, dass neue Euro-Instabilitätsimpulse aus dem absehbaren mittelfristigen Anstieg der Schuldenquoten in den USA, Großbritannien und Japan entstehen. Die Finanzmarktglobalisierung, die sich sehr stark auf die OECD-Länder konzentriert, verlangt nach sinnvoll abgestimmten Maßnahmen der wirtschaftspolitischen Hauptakteure. Supranationale Euro-Anleihen, die vorübergehend — möglicherweise in Abstimmung mit dem ESM — auch von der EZB aufgelegt werden könnten, dürften erheblich zu Stabilisierung des Bankensystems und zur Senkung der Zinsausgabenquote in der Eurozone bzw. letztlich zur Überwindung der Krise beitragen; wer die Einführung von supranationalen Euro-Staatsanleihen verhindert, der stellt sich ökonomischen Vorteilen für alle Länder der EU und letztlich auch der Stabilisierung der Weltwirtschaft entgegen. Die von der Spitze des Ifo-Institutes in 2011/2012 vorgelegten Zahlen zur Berechnung der auf Deutschland entfallenden Risiken sind einseitig und grob unvollständig^ da die sicheren positiven Vorteilseffekte der Wirkungen des Sichere-Hafen-Effektes (Realzinssenkung für Deutschland) nicht einbezogen worden sind. Energische Schritte hin zu einer Politischen Union bzw. eine europäische Debatte zu dieser Thematik sind empfehlenswert. Durch eine wachstumspolitische Flankierung des Fiskalpaktes lässt sich eine ökonomisch-politische Stabilisierung der Eurozone bzw. der EU unterstützen; vernünftige Maßnahmenpakete und Akzentverschiebungen in der Europa 2020-Agenda gehören ebenso hierzu wie neue Maßnahmen auf nationaler Ebene der EULänder. Die Europäische Kommission sollte bei der nachhaltigen Überwindung der Eurokrise mittelfristig ebenso wieder eine stärkere Rolle spielen wie das Europäische Parlament. Langfristig sollte der Staatsverbrauch auf der Euro-Politikebene von etwa 1,1% in 2011 auf gut 4% angehoben und die Stabilitätspolitik im Sinn von stabilisierender Fiskalpolitik allein auf dieser Ebene verankert werden; auf der nationalen Ebene sind Politikausgaben bzw. -aufgaben entsprechend abzubauen. Gegen eine Ausgabenverlagerung auf Euro-Politikebene das Subsidiaritätsprinzjp vorbringen zu wollen, ist argumentativ verfehlt, wie ein Blick auf die Vergleichssituation in den USA, Australien oder Kanada z(igt; im Übrigen ist zu erwarten, dass eine ökonomische Gewichtsstärkung der supranationalen Politikebene die Intensität des politischen Wettbewerbs auf der Euro-Ebene stärken und die Wahlbeteiligung zum Europaparlament/ Euro-Parlament erhöhen wird bzw. die Qualität der politischen Entscheidungsprozesse gerade auf der supranationalen Politik sich dann verbessern wird. Eine statische Betrachtung des Subsidiaritätsprinzips ist nicht angemessen. Es ist dringend zu empfehlen, dass die Verantwortungfür die nationalen Strukturreformen auch auf der Ebene der Euro-Mitgliedsländer

190 • Paul J.J. Weifens

verbleibt. Schließlich ist anzumerken, dass Analyseberichte über das Banken- und Schuldenfiasko in Irland bislang fehlen und dass im Übrigen auch die notwendigen Reformen in Sachen Uberwindung der Transatlantischen Bankenkrise nicht in den Hintergrund treten dürfen. Schließlich haben der Konkurs der Bank Lehman Brothers und die folgende Transatlantische Bankenkrise zur europäischen Staatsschuldenkrise sehr wesentlich beigetragen. TLine sorgfältige ursachenadäquate Therapie der Probleme ist hier also gefordert. Was die genauen zu erwartenden Wirkungen der Sichere-Hafen-Effekte für Deutschland, die Eurozone und die EU angeht, so sollte man hier auf künftige neue Analysen im Rahmen des QUEST-Makromodells der Europäischen Kommission sowie entsprechende umfassende ModellAnalysen von Deutscher Bundesbank und EZB bauen. Ein Haushaltsüberschuss in Boomjahren sollte ein sanktionsbewehrte Erfordernis in der Währungsunion sein und im Übrigen sollten die nationalen Parlamente von Euro-Ländern ermutigt werden, das Startkapitalfür eine europäische Ratingagentur kurzfristig bereitzustellen. Auch wenn der Saldo aus möglichen Verlusten aus Euro-Rettungskrediten bzw. -Garantien und Sichere-Hafen-Ejfekten für den Staat voraussichtlich eindeutig positiv für Deutschland sein wird, so kann dies natürlich nicht bedeuten, dass aus Sicht der Bundesrepublik ein dauerhaftes Interesse an dem Fortdauern der Euro-Krise besteht. Denn für Deutschland ist eine ökonomisch-politische Krise bei den Euro-Partnern längerfristig eine gefährliche Belastung und Zudem ist den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland die schwierige Tage weiter Teile der Bevölkerung in den Krisenstaaten der EU ja nicht gleichgültig; zudem ist die EU-Integration im Krisenmodus kaum sinnvoll fortzuentwickeln und als beispielgebend für andere Integrationsräume kann eine EU mit anhaltendem Krisenmanagement auch nicht gelten. Die einseitige Analyse von Ifo-Chef Sinn zu den Euro-Rettungsschirmen hat zu einer bedenklichen Verwirrung in der Öffentlichkeit beigetragen. Im Übrigen ist sein Aufruf — in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 11. September 2011 — zu™ Boykott der Europäischen Zentralbank durch die Bundesrepublik Deutschland abzulehnen. Die von Sinn erhobene Forderung, dass der Präsident der Deutschen Bundesbank an EZB-Ratssitzungen nicht mehr teilnehmen solle und die Bundesregierung keinen Nachfolgerfür das zurückgetretene EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark ernennen solle, ist kein legjtimes Argumentfür einen Wissenschaftler (noch dazu aus einem staatlichfinanziertenInstitut) in einem Staat bzw. Integrationsraum mit demokratisch legitimierten Institutionen — es gibt kein Modell der Politikberatung das einen solchen Boykott-Aufruf als legjtimes Argument gelten ließe (WELFENS, 2011). Die Krise der Eurozone ist überwindbar, die notwendigen Reparaturarbeiten und die erforderlichen neuen institutionellen Weichenstellungen sind hier und an anderer Stelle (WELFENS, 2012a) dargelegt worden. Wünschenswert ist längerfristig eine gemeinschaftliche Reform, in die auch Großbritannien und andere Nicht-Euro-Länder der EU einbezogen werden sollten. Im Übrigen ist klar, dass das längerfristige Vertrauen der Anleger in den Euro von der politischökonomischen Position bzw. Macht der Eurozone und der EU abhängt und dabei auch die Qualität, Effizienz und Stabilität des Bankensektors in der EU eine wichtige Kolle spielen wird.

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 191

Die dauerhaften Vorteile der Wäbrungsunion sind in derfolgenden Tabelle zusammengestellt, wobei der Effekt aus der Verminderung der Transaktionskosten im Kontext des Wirtschaftswachstums entsteht (der Ubergang %um Euro bringt ansonsten nur einen Einmal-Effekt von etwa 1% des Bruttoinlandsproduktes). Die Schaffung supranationaler Euro-Anleihen reduziert die Zinsausgabensteuerquote, sodass Steuern gesenkt werden können — empfehlenswert ist hier unter Wachstumsaspekten eine Senkung auch der Körperschaftssteuersätze.

Tabelle 10: Dauerhafte Vorteile der Währungsunion in Kombination mit politischer Union: Erhöhung des realen Wirtschaftswachstums in Prozentpunkten (inklusive "kostenlose" Importe von Gütern im Kontext des Reservewährungseffektes) 1) Vorteil aus Reservewährungsstatus 0,44%-0,66% 2) Wegfall von Transaktionskosten 0,05% 3) Schaffung Supranationaler Euro-Anleihen 0,15-0,25% 4) Verstärkung des Wettbewerbs/Erhöhung des technischen Fort0,01% schritts 5) GESAMTEFFEKT 0,7%-1% Quelle: Berechnungen Prof. Welfens/EIIW an der Bergischen Universität Wuppertal

Die EU-Integration, die mehr als ein halbes Jahrhundert Europa Frieden, Wohlstand und Stabilität gebracht hat, kann und sollte in der Währungsunion fortgeführt werden. Die aus der ersten Dekade bekannten Vorteile der Währungsunion sind durchaus bemerkenswert. Wenn man etwa die Netto-Beitragszahlungen Deutschlands an die EU betrachtet — kaum 10 Mrd. € pro Jahr — so ist dies deutlich weniger als allein der Euro-Vorteil durch verminderte Transaktionskosten in der Währungsunion. Die ökonomischen Vorteile der Währungsunion sind hoch, so dass es sich sicherlich lohnt, erkannte Konstruktionsdefizite der Währungsunion zu beseitigen. Wenn man an eine Wachstumspolitik für die EU denkt, so wird man gut beraten sein, von der DG ECFIN erarbeitete Wachstumsanalysen zur Situation in EU-Ländern als Ausgangspunkt zu nehmen. Steuerpolitische Maßnahmen zugunsten von mehr Investitionen sind denkbar, wobei man zumindest zeitweise dann die Mehrwertsteuersätze zwecks Konsolidierung erhöhen könnte. Effizienzgewinne lassen sich auch durch IKT-Projekte in der öffentlichen Verwaltung realisieren, möglicherweise sind auch bestimmte Infrastruktur- und Innovationsprojekte als länderübergreifende Politikinitiativen zu organisieren. Schritte hin zu einer EuroPolitikunion werden im Übrigen selbst als wachstumsförderlich wirken, da ein glaubwürdiges Projekt die Kapitalkosten der beteiligten Eänder absenken kann. Die Eurozone wäre dann im Vergleich zu den USA und dem Vereinigten Königreich wirtschaftlich gut aufgestellt. Verzögerung beim Thema Euro-Politikunion bringt hohe Kosten, also gehe man zü&g voran."

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Anhang 7: Einkommensmultiplikatoren im Wachs tumsmodell Betrachtet sei Fiskal- und Geldpolitik nachfolgend in einem modifizierten neoklassischen Wachstumsmodell, das die Berücksichtigung von quasi-keynesianischen Politikfragen erlaubt; die Fortschrittsrate bzw. die Wachstumsrate des Wissens wird hier nachfolgend als exogen angesehen, wobei allerdings der Staat etwa über seine öffentliche Investitionsquote positiv auf diese Wachstumsrate des Wissens einwirken kann. Aus theoretischer Sicht ist zunächst der reale Staatsverbrauch G in G' für Infrastrukturausgaben und G" für staatlichen Konsum aufzuteilen. In einem langfristigen Wachstumsmodell ist zu bedenken, dass die Gleichgewichtsbedingung für den Gütermarkt lautet Ersparnis S = dK/dt+ 8K+dK'/dt, wobei K' der öffentliche Kapitalbestand ist bzw. dK'/dt die öffentlichen Investitionen sind (Annahme ist zudem, dass die Abschreibungsrate bei öffentlichem Realkapital 0 ist, bei privatem Kapital K jedoch 8, und zwar im Intervall 0,1). Unter der Annahme, dass der Staat eine Politik verfolgt, dass K' proportional zu K sein soll bzw. K' = (pK gilt dK'/dt = cpdK/dt — für eine langfristige Analyse ein durchaus sinnvolle Betrachtung —, so ergibt sich mit S = s(lt)Y (mit x für Einkommenssteuersatz, 00) genommen. Wenn man spezifiziert X = xq*Y*(l+vY) und J = jY(l-v"x')/q*, dann ergibt sich X' = xq*Y*(l+v'x')-jY(l-v"x'), wobei die Parameter v', v", x und j jeweils größer Null sind. Die Leistungsbilanzposition bzw. die Relation Exporte zu Importe in inländischen Gütereinheiten kann man also näherungsweise schreiben als X" = (x/j)q*(l+vY)(l+v"T')Y*/Y. Die Elastizität von X" in Bezug auf Y*/Y ist hier ebenso 1 wie gegenüber q*; die Semielastizität der Leistungsbilanzposition X" in Bezug auf den Mehrwertsteuersatz ist v'+v", so dass sich die marginalen Reaktionen auf der Export- und Importseite addieren. Da die Exportfunktion X = x(q*,x')Y* und die Importfunktion J = j(x(q*,x')Y*, wobei ein erhöhter Mehrwertsteuersatz - in den bestehenden EU-Regeln — zu einer Importverteuerung und daher eine Minderung des Importvolumens J und zugleich zu einem Anstieg des Exportvolumens X wegen sinkender Inlandsnachfrage führt, ist offensichtlich: •

Eine Mehrwertsteuersatzerhöhung reduziert das staatliche Haushaltsdefizit und den inländischen Konsum.



Ein Anstieg des Mehrwertsteuersatz verbessert die Leistungsbilanz bzw. erhöht den Außenbeitrag. Diese Effekte sind auch in den Krisenländem sichtbar.

Die Budgetrestriktion des Staates lautet in Übrigen in realer Rechnung (mit t für Zeitindex): (IV)

G+rB/P-x(l+x'c(l-x)(P"/P)(l+x'))Y = (dB/dt)/P

Demnach besagt die Budgetrestriktion, dass die Summe aus realem Staatsverbrauch und realen Zinsausgaben minus Steueraufkommen gleich dem realen Haushaltsdefizit ist. Dividiert man die Gleichung durch Y und verlangt man als Bedingung eine stabile Staatsschuldenquote b":= (B/P)/Y, so ergibt sich mit y = y'+y", wobei y:=G/Y und y':=G'/Y+y" = G"/Y (mit G' und G" für konsumtiven Staatsverbrauch und bzw. öffentliche Investitionen andererseits): (V)

y'+y"-x(l+T'c(l-x)(P"/P)(l+x')) = b"(gy-r)

210 • Paul J.J. Weifens

Wie hoch ist also der notwendige Einkommenssteuersatz x zur Stabilisierung der Schuldenquote? Ist das reale Wirtschaftswachstum gy höher als der Realzinssatz r, so trägt gemäß obiger Gleichung die Schuldenquote zu einer Verminderung des für die Stabilisierung der Schuldenquote notwendigen Einkommenssteuersatzes bei. Dieser ist im Übrigen natürlich um so geringer, je höher der Mehrwertsteuersatz ist. Sobald sich das Wirtschaftswachstum abschwächt bzw. sich hohe Defizit- und Schuldenquoten des Staates ergeben haben, wird der Realzins wegen Rating-Herabstufungen ansteigen und das schwächt zugleich das Wirtschaftswachstum — ein eigentlich zusätzlich zu berücksichtigender Aspekt. Wenn der Realzins höher als das reale Wirtschaftswachstum ist, dann kann eine Stabilisierung der Schuldenquote nur erreicht werden, wenn es eine Primärüberschussquote gibt: Die Durchschnittssteuerquote T/Y muss höher als die Staatsverbrauchsquote y sein. Erst wenn ein Land seine haushaltspolitischen Konsolidierungsaufgaben erledigt und eine Verbesserung der Leistungsbilanzposition herbeigeführt hat, kann eine Überwindung einer Staatsschuldenkrise erfolgen. Eine negative Leistungsbilanzposition bedeutet, dass die Auslandsverschuldung laufend steigt und das ist für Länder, die sich auf den Kapitalmärkten einem Vertrauensproblem gegenübersehen, in der Regel höchst problematisch. Japan als Land mit hoher Schuldenquote (von rund 240% zu Jahresende 2012) steht vorläufig noch vor beherrschbaren Schuldenproblemen, da die Auslandsverschuldung minimal ist, aber Portugal und Griechenland etwa als Länder mit einer hohen Schuldenquote und einer dominanten Auslandsverschuldungskomponente, müssen im Kontext der Stabilisierungsaufgaben aus einer strukturellen Leistungsbilanzdefizitposition durch Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit — d.h. mehr Innovationen, aber auch höhere Mehrwertsteuersätze, die die Inlandsnachfrage zurückdrängen — einen Leistungsbilanzüberschuss erreichen.

Mehrwertsteuer- und Einkommenssteuer als Politikoptionen im Wachstumsmodell Grundlegende Zusammenhänge zwischen Steuerfragen und Wirtschaftswachstum sind in der Fachliteratur untersucht worden (z.B. MYLES, 2007), wobei einerseits grundlegende Anreizeffekte mit Blick auf die Faktorallokation untersucht, andererseits aber auch Aspekte der sogenannten Goldenen Regel der Wachstumstheorie thematisiert werden, bei denen es um den Einfluss der Steuerpolitik auf die Kapitalintensität geht bzw. die Möglichkeit, das langfristige ProKopf-Konsumniveau zu maximieren. Grundsätzlich befürwortet die moderne Steuertheorie eine Steuerpolitik, die tendenziell auf Konsumbesteuerung und mit maßvollen Steuersätzen für Kapital und Arbeit sicherstellt, dass die notwendigen bzw. politisch beschlossenen Staatsausgaben finanziert werden können. Bei der Besteuerung von Konsumgütern wird tendenziell im Fall differenzierter Ver-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 211

brauchsgüter eine Steuer auf Güter mit geringer Elastizität der Nachfrage befürwortet, da hier die induzierten Substitutionseffekte relativ gering sein werden. In der bisherigen Fachliteratur fehlt allerdings eine differenzierte Betrachtung der Rolle von Einkommens- und Mehrwertsteuer für die Wachstumspolitik. Die Einkommenssteuer wirkt - bei vereinfachter Betrachtung — auf Arbeits- und Kapitaleinkommen, während eine Konsumsteuer bzw. Mehrwertsteuer vor allem die Konsumnachfrage bzw. die Investitionen beeinflusst; bei gegebener Produktion führt ein Rückgang des Konsums automatisch zu einer Erhöhung der Brutto-Investitionen, sofern Vollbeschäftigung gewahrt bleiben kann. In einer offenen Volkswirtschaft sind zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen, wobei eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes nicht nur den Konsum vermindert, sondern auch die Importe, solange der Mehrwertsteuersatz des Bestimmungslandes Anwendung findet. Zugleich steigen die Exporte im Vollbeschäftigungsmodell einer kleinen offenen Volkswirtschaft, wobei die Außenbeitragsposition bzw. die Nettogüterexporte sich aus dem Angebotsüberschuss im Sektor der Exportgüter allgemeiner: der handelsfähigen Güter - ergibt. Nicht berücksichtigt werden in der herkömmlichen Analyse Direktinvestitionsaspekte. Eine wichtige Frage ist natürlich auch, wie die erhöhten Einnahmen aus der Mehrwertsteuer oder der Einkommensteuer verwendet werden, wobei eine konsumtive Verwendung anders einzuordnen ist als wenn der Staat die erhöhten Einnahmen für die Förderung etwa von Innovationen und Bildung oder Weiterbildung einsetzt. Dabei nimmt allerdings die Rolle von Direktinvestitionen seit den 1980er Jahren weltweit zu; im einfachsten Fall mit asymmetrischen Direktinvestitionszuflüssen — es gibt dann keine Direktinvestitionsabflüsse in den Rest der Welt — ergibt sich auf Basis der kumulierten Direktinvestitionszuflüsse ein Unterschied zwischen dem Bruttoinlandsprodukt (Y: der realen Wertschöpfung innerhalb der Landesgrenzen) und dem realen Bruttonationaleinkommen Z, das die Summe aus Y und dem Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen In- und Ausland ist. Wenn der Anteil ausländischer multinationaler Unternehmen am Kapitalbestand des Inlandes (Land 1) a * ist und der Einkommensanteil des Faktors Kapital am Bruttoinlandsprodukt ß beträgt, so ist Z = Y(l-a*ß). Der Anteil des Faktors Kapital am Bruttoinlandsprodukt beträgt ß, wenn man als Produktionsfunktion verwendet Y = K ß (AL) l ß und zugleich von Wettbewerb auf den Güterund Faktormärkten ausgeht (K ist der Kapitalbestand, L ist Arbeit und A Wissen; 00, h">0) Geldmarktgleichgewicht impliziert r = hY/m gilt im steady State: (1.1)

x# = y+(hY/m-(a+n))b"

bzw. mit m':= (M/P)/(AL) und y':= Y/(AL) gilt also: (1.2)

x# = Y+(hy'/m'-(a+n))b"

Da bei einer Produktionsfunktion y' = k' ß — unter Verwendung der Sparfunktion S = s(l-x) Y und der Gütermarktgleichgewichtsbedingung S = dK/dt+SK (t für Zeitindex, 8 für Abschreibungsrate; k':= K/ (AL)) - gilt für y' im steady State y'# = (s(l-x)/(a+n+S))13^1-15); daher kann man schreiben für den Spezialfall ß = 0,5: (1.3)

x# = y+b"(h/m')s(l-x)/(a+n+8)-b"(a+n)

(1.4)

x#(l+b"s(h/m')/(a+n+8)) = y+b"s(h/m')/(a+n+S)-b"(a+n)

(1.5)

x# = (y+b"(s(h/m')/(a+n+8)-(a+n)))/((l+b"s(h/m')/(a+n+8))

Falls s(h/m')/(a+n+8)-(a+n) negativ ist, vermindert b" den Steuersatz: (1.6)

(h/m')(l+8/(a+n))(l+8/(a+n)). Man könnte im Übrigen zusätzlich noch betrachten, dass die hier exogene Wachstumsrate des Wissens aus einer exogenen Komponente a' und einer endogenen Komponente a" besteht, die u.a. negativ von der Schuldenquote abhängt. Durch die Bildung einer Währungsunion sinkt h, und zwar infolge steigenden h" — in einer Währungsunion gibt es für Geld mehr verzinsliche liquide Anlageal-

Nachhaltige Überwindung der Eurokrise: Marktdynamik und Politikoptionen • 221

ternativen als zuvor, so dass h" ansteigt. In diesem Kontext bzw. bei dieser Parameterkonstellation kann die Schuldenquote bis zu einer kritischen Grenze steigen: mit dem Effekt, dass der Steuersatz sinkt.

Außenbeitrag und Defizit Da der Außenbeitrag X' = Y-(C+I+G) kann man schreiben - bei Verwendung der Konsumfunktion C = c(l-x)Y und T:= xY sowie c:= 1-s: (1.8)

X' = Y-(cY-(l-s)xY+I+G)

(1.9)

X ' = Y-((c+sx)Y+I+(G-T))

Da (T-G) der haushaltsmäßige Primärüberschuss (Primärüberschuss = staatliches Defizit ohne Zinszahlungen) ist, gilt makroökonomisch, dass Y minus Quasi-Bruttokonsum (c+sx)Y minus Investitionen minus Primärüberschuss = Außenbeitrag. Wenn der Primärüberschuss wegen Erhöhung von G fällt — also ein höheres Staatsdefizit deswegen eintritt, was ggf. den Realzins erhöht —, dann kann der Außenbeitrag bei gegebenem Y dann konstant bleiben, wenn I(r) gerade um soviel sinkt, wie der Primärüberschuss gefallen ist. Der Zusammenhang zwischen Primärdefizit und X' ist demnach grundsätzlich stark und wenn r= r(G-T,...) — mit positive partieller Ableitung - gilt, dann kann man schreiben: (1.10)

dX'/d(G-T) = -(Ir dr/d(G-T)+l)

Die partielle Ableitung I r ist negativ, so dass X' sich immer dann in der laufenden Periode verschlechtert, wenn -(I r dr/d(G-T))