Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung: Ein Beitrag zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen und zur entgeltlichen Struktur der Zusage einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung [1 ed.] 9783428530182, 9783428130184

Viele Unternehmen sind gezwungen, die betriebliche Altersversorgung ihrer Mitarbeiter einzuschränken. Ist die Direktzusa

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Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung: Ein Beitrag zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen und zur entgeltlichen Struktur der Zusage einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung [1 ed.]
 9783428530182, 9783428130184

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 284

Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung Von

Wolfgang Lucht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

WOLFGANG LUCHT

Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 284

Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung Ein Beitrag zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen und zur entgeltlichen Struktur der Zusage einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung

Von

Wolfgang Lucht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-13018-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Sommersemester 2008 als Dissertation angenommen worden. Die Arbeit wurde Anfang Oktober 2007 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur sind bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Ich danke Herrn Professor Dr. Winfried Mummenhoff für seine Bereitschaft, diese Arbeit zu betreuen, und für die Erstattung des Erstgutachtens sowie Herrn Professor Dr. Sebastian Müller-Franken für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens. Für zahlreiche anregende Diskussionen danke ich meinen ehemaligen Kollegen aus dem Institut für Arbeitsrecht der Philipps-Universität Marburg, insbesondere Herrn Dr. Hauke Rinsdorf und Herrn Dr. Rainer Viergutz. Frau Gabriele Schoedel danke ich für ihre tatkräftige Unterstützung in orthographischen Fragen. Besonders herzlich danke ich Frau Pia Hübinger für ihre freundschaftliche Begleitung durch das Promotionsjahr 2008. Besonders herzlich danke ich auch Frau Diana Estévez Kunz für ihre stete Zuversicht. Sie hat in den über zehn Jahren meines Forschungsprojektes nie daran gezweifelt, daß es zu einem erfolgreichen Abschluß kommen würde, und hat damit letztendlich recht behalten. Ich danke allen, die an mich geglaubt haben. Ich danke schließlich meinen Eltern, Frau Renate und Herrn Helmut Lucht, für ihre Unterstützung. Kiel, im Februar 2009

Wolfgang Lucht

Inhaltsübersicht 1. Teil Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

19

§1

Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§2

Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Durch die ältere Betriebsvereinbarung geschaffene entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht . . . . . . . . .

91

§3

2. Teil Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel vor dem Hintergrund der Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis

191

§4

Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber aktiven Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

§5

Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern und anderweitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

3. Teil Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen §6

235

Materielle Bindung des Gesetzgebers bei der Regelung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

4. Teil Gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zur Beschränkung des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung §7

247

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . 248

8

Inhaltsübersicht

§8

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes zugesagter Erwerbsaussichten gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

§9

Perspektiven des Schutzes von Ansprüchen, erdienten Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten auf einfachgesetzlicher Grundlage . . . . . . . . . 318

5. Teil Grundzüge der gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

385

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 § 11 Perspektiven der Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit auf einfachgesetzlicher Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396

6. Teil Zusammenfassung

421

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Verzeichnis der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

§1

§2

Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

19

Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Betriebsvereinbarungen als Gestaltungsmittel in der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Nachfolgende Betriebsvereinbarungen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19

Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsnatur des Regelungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zustandekommen der Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Terminologie des Betriebsverfassungsgesetzes als Schlüssel zur Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historie des § 77 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anknüpfung an das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 . . . . b) Anknüpfung an das Tarifvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zu den Rechtsbegriffen Beschluß, Satzung, Vereinbarung und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsbeziehung der Betriebspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Parteien der Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionelle versus materielle Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte auf der Arbeitnehmerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG . . . . . . . . b) Möglichkeit zum Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wirkung und materieller Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmittelbare und zwingende Wirkung der Betriebsvereinbarung . . . 1. Eingehen in den Arbeitsvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltung des Arbeitsverhältnisses mittels normativer Wirkung

22 26 30 38 40 40 40 41 42 42 43 46 50 51 52 53 57 58 59 60 62

10

Inhaltsverzeichnis II. Materieller Geltungsgrund einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand einer betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . 1. Rückführung auf den privatautonomen Arbeitnehmerwillen? . . . a) Arbeitsvertrag als privatautonome Legitimation? . . . . . . . . . . . b) Betriebsratswahlen als privatautonome Legitimation? . . . . . . . 2. Heteronome Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimation durch originäre Betriebsautonomie? . . . . . . . . . . b) Legitimation durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normsetzungsmonopol des Staates? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglichkeiten der Legitimation vor dem Hintergrund des Rechtsanerkennungsmonopols des Staates . . . . . . . . . cc) Schlußfolgerungen aus der Art der Legitimation . . . . . . . C. Betriebsvereinbarung als Institut des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§3

Durch die ältere Betriebsvereinbarung geschaffene entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht . . . . . . . . A. Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Entgeltliche Struktur der Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschluß des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reiner Fürsorgecharakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitgliedschaftliche Wertrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Typische Klauselgestaltungen und ihre Bedeutung für die Frage der Entgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leistung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistung als Gegenstand eines Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . 2. Typologie möglicher Leistungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung von Betriebstreue und Arbeitsleistung für die Betriebszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindungen der Betriebspartner bei der Zwecksetzung . . . . . . . . . . 4. Zusagen mit Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konkret abgrenzbare Arbeitsleistung als Leistungsgegenstand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebstreue als Leistungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung der Verfallklausel: Betriebstreue versus Gesamtheit der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 64 64 69 71 72 75 76 78 83 86 87 91 92 94 95 96 100 101 104 105 106 106 106 108 110 112 114 115 116 116

Inhaltsverzeichnis bb) Anstaffelung des Betriebstreuezwecks? . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue bei der Zwecksetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vergleich mit der Rechtslage bei den Sonderzuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausschluß betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB . . . . . . . . . . (a) Wertung des § 612 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wertung des § 628 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Materieller Grund für das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts und Fazit . . . . (3) Bedeutung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz . . . . . . (a) Regelungsgehalt des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Berücksichtigung der Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz im Recht der betrieblichen Altersversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zulassung durch den Versorgungsfall bedingten Arbeitsleistungsentgelts durch § 1 I 1 BetrAVG . . . . . . . (5) Zulassung durch den Verbleib im Betrieb bedingten Arbeitsleistungsentgelts durch die §§ 1b, 2 BetrAVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusagen ohne Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfallklausel aufgrund Fortbildung der Betriebsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsleistung als Leistungsgegenstand und gesetzliches Leitbild des Betriebstreueentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung dienstzeitabhängiger Steigerungsraten bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kombination dienstzeitabhängiger Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . 6. Zusagen mit Verfallklausel und Ausschluß der anwartschaftserhöhenden Berücksichtigung von Zeiten ohne Arbeitsleistung . . . 7. Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten . . . . . . . . . a) Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex oder an das Tarifgehalt einer bestimmten Lohngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung an das zuletzt erreichte Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Leistung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verknüpfung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung . . . . . . . . . 1. Typologie möglicher entgeltlicher Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . 2. Abhängigkeit der Arbeitgeberleistung von Eintritt und Dauer des Versorgungsfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 118 119 119 121 121 127 129 131 132

135 141

142 149 150 152 153 156 158 163 163 164 168 169 170 170 171

12

Inhaltsverzeichnis a) Irrelevanz der Äquivalenz von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberleistung für das Vorliegen einer entgeltlichen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung . . . . 3. Zusagen mit Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusagen ohne Verfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schlichte Versorgungszusagen ohne Verfallklausel . . . . . . . . . b) Versorgungszusagen ohne Verfallklausel und mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versorgungszusagen ohne Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten und Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schlußfolgerungen für die schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Regelungen in der Betriebsvereinbarung für die Berechnung der erdienten Anwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung gesetzlicher Wertungen für die Berechnung der erdienten Anwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusagen, welche die Betriebstreue entlohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusagen, welche die Arbeitsleistung entlohnen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusagen mit Mischcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten . . . a) Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex oder an das Tarifgehalt einer bestimmten Lohngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Endgehaltsbezogene Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 173 176 176 177

177 178 178 179 180 181 182 183 183 184 184 185 186 187

2. Teil Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel vor dem Hintergrund der Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis §4

Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber aktiven Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Individual- und Kollektivrecht und subjektive Rechtspositionen der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen und Individualrecht . . . I. Wirkung von Rechtsnormen auf vertragliche Rechtsverhältnisse . . .

191

192 196 196 198

Inhaltsverzeichnis

13

II. Besonderheiten der Wirkung von Kollektivvertragsnormen . . . . . . . . 199 C. „Individualrechtlicher Kern“ von Betriebsvereinbarungen? . . . . . . . . . . . . 200 I.

Individualrecht als Ausfluß einer Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

II. Individualrecht als Ausfluß der Möglichkeit zu individualrechtlicher Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Individualrecht aufgrund der Besonderheiten des Regelungsgegenstandes betrieblicher Altersversorgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Vertrag zugunsten Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Mögliche Folgerungen aus der Besitzstandsschutzrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Individualrechtliche Festschreibung analog § 613a I 2 BGB? . . . . . . 209 D. Erbrachte Vorleistung und Individualrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I.

Kollektivfreier Individualbereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

II. Vertrauensschuldverhältnis als Rechtsgrundlage individualrechtlicher Besitzstände? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Begründung eines Individualrechtes durch Novation? . . . . . . . . . . . . . 219 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 §5

Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern und anderweitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 A. Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne als Gegenstand der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Individualrechtliche Ansprüche und Anwartschaften Ausgeschiedener? . . 230 C. Zusammenfassung und Schußfolgerungen für den weiteren Untersuchungsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

3. Teil Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen §6

235

Materielle Bindung des Gesetzgebers bei der Regelung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 A. Schutzauftrag der Grundrechte an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes und gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen . . 236 B. Unmittelbare Grundrechtsbindung der Betriebspartner? . . . . . . . . . . . . . . . 238 C. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab und weiterer Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

14

Inhaltsverzeichnis 4. Teil Gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zur Beschränkung des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung

§7

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . A. Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutz der Versorgungsansprüche von Betriebsrentnern . . . . . . . . . . . II. Schutz der Versorgungsanwartschaften aktiver und vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigentumsschutz von Erwerbsaussichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Immanenter Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG . . . . . . . . C. Geeignetheit des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung . . I. Funktionen betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebliche Mitbestimmung als Kompensation einer unterstellten Ungleichgewichtslage im Individualarbeitsverhältnis (Schutzfunktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebliche Mitbestimmung als Ausgleich im multilateralen Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordnungsfunktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teilhabe- und Integrationsfunktion betrieblicher Mitbestimmung 4. Mit dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung verfolgter Mitbestimmungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Immanenter Vorbehalt der Abänderung der Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung und Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung als Kriterium der Geeignetheit zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des § 310 IV 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien zur Ermittlung von Imparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existentielle Angewiesenheit auf den Vertragsschluß . . . . . . . b) Wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit . . . . . . . . . . . . . . . c) Intellektuelle Unterlegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhandlungsparität im arbeitskampfrechtlichen Sinne? . . . . .

247

248 249 249 249 250 251 252 252

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262 262

266 271

271 275 279 280 281 282 282

§8

§9

Inhaltsverzeichnis

15

3. Verhandlungsparität zwischen den Betriebspartnern . . . . . . . . . . . . a) Existentielle Angewiesenheit von Betriebsratsmitgliedern und Betriebsrat auf den Abschluß von Betriebsvereinbarungen? . . aa) Durchschlagen individualrechtlicher Imparität auf die Betriebsbeziehung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit in der Betriebsbeziehung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit durch Verdichtung zur Monopolsituation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Intellektuelle Unterlegenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Erforderlichkeit des Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . E. Angemessenheit des Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung und rechtsstaatlicher Vertrauensschutzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsstaatliches Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von echter und unechter Rückwirkung . . . . . . . . . . . . 2. Zuordnung einzelner Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rentenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erdiente Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwägung des Vertrauens der Arbeitnehmer gegenüber dem verfolgten Zweck betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weitgehende Unzulässigkeit echter Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Gemeinwohls . . b) Bagatellvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit unechter Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes zugesagter Erwerbsaussichten gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Immanenter Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des immanenten Vorbehalts der nachfolgenden Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 284 286 292 293 294 296

299 300 302 303 303 304 304 305 305 306 306 308

313 313 314 317

Perspektiven des Schutzes von Ansprüchen, erdienten Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten auf einfachgesetzlicher Grundlage . . . . . . . . . . 318 A. Perspektiven des Schutzes über die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 B. Perspektiven des Schutzes über die Bindung der Betriebspartner an Recht und Billigkeit gemäß § 75 I BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

16

Inhaltsverzeichnis I. Regelungsgehalt des § 75 I BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsätze der Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstrakte Billigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 75 I BetrVG als Rechtsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB als Rechtsgrundlage? . . . c) § 76 V 3 und 4 BetrVG als Rechtsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeiner Rechtsgedanke aus den §§ 315 BGB, 75 I, 75 V 3 und 4 BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abstrakte Billigkeitskontrolle aufgrund gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Billigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlen einer Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergänzung der Betriebsvereinbarung im Wege der Lückenfüllung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundsätze des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtskontrolle anhand von § 17 III 3 BetrAVG in Verbindung mit den §§ 1b I, 2 I BetrAVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbare Grundrechtseinwirkung direkt über § 75 I BetrVG? . . C. Perspektiven des Schutzes über den betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers als Schutzgut des § 75 II 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Implementation des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich ausgleichender Gerechtigkeit II. Intensität der Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Justitiabilität der gesetzgeberischen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Regelungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Justitiabilität der Bindung der Betriebspartner an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Regelungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontrolle der Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bindung an § 2 I BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bindung an den Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Maßstäbe zur Abwägung der Vertrauensschutzaspekte auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichtes . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung von Eingriffen in erdiente Anwartschaften . .

320 322 322 325 326 328 329 330 331 331 331 333 333 335 336 337 338 341 344

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Inhaltsverzeichnis

17

b) Rechtfertigung von Eingriffen in eine erdiente Dynamik . . . . c) Rechtfertigung von Eingriffen in nichterdiente dienstzeitabhängige Steigerungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz von Versorgungsansprüchen der Betriebsrentner und unverfallbaren Anwartschaften Ausgeschiedener über die fehlende Regelungskompetenz der Betriebspartner . . . . . . . . . . . . e) Diskrepanz zu den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz bereits entstandener Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz erdienter Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz erdienter dienstzeitunabhängiger Steigerungsraten . . . . . . 5. Schutz nichterdienter dienstzeitunabhängiger und nichterdienter dienstzeitabhängiger Steigerungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Fazit und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

361 363

364 365 366 367 371 376 378

5. Teil Grundzüge der gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit § 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Gesetzgebers zur Gewährleistung austeilender Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Besondere Gleichheitssätze des Art. 3 II, III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeiner Gleichheitssatz des Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Europarechtliche Bindungen des Gesetzgebers zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schutzauftrag der Gleichheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Perspektiven der Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit auf einfachgesetzlicher Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Diskriminierungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung zum individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluß von Recht und Billigkeit im Sinne von § 75 I BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundsatz der Billigkeit im Sinne von § 75 I BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundsatz des Rechts im Sinne von § 75 I BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtssatz? . . . . . . . . . . . . . b) Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz? . . . . . . . . . . . . aa) Funktion und Geltungsgrund des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleich mit der Funktion und dem Regelungsanliegen betrieblicher Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spezifischer Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlußfolgerungen für die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung: Zum Verhältnis der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit . . . . . . 1. Zusammenspiel der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei Eingriffen in erdiente Rechtspositionen . . . . . . 2. Zusammenspiel der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei Eingriffen in noch nicht erdiente Steigerungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Teil Zusammenfassung

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Verzeichnis der Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

1. Teil

Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung § 1 Einführung in die Problematik Die betriebliche Altersversorgung ist von erheblicher Bedeutung für die Alterssicherung der Arbeitnehmer. In der Vergangenheit erteilten Arbeitgeber häufig Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung im Rahmen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. Dabei wurden in wirtschaftlich günstigem Umfeld oft großzügige Leistungen in Aussicht gestellt. Veränderte wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen machen jedoch vielfach eine Verschlechterung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erforderlich. Typisches Instrument dafür ist neben der Kündigung der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung vor allem die abändernde, nachfolgende Betriebsvereinbarung. Für die Arbeitnehmer stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob sie einvernehmlich von Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbarte Verschlechterungen der Leistungen hinzunehmen haben, welche ihnen durch eine vorhergehende Betriebsvereinbarung versprochen wurden.

A. Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung Unter betrieblicher Altersversorgung sind gemäß § 1 I 1 BetrAVG Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind. Erforderlich ist dabei, daß dem Arbeitnehmer eine Leistung zum Zweck der Versorgung versprochen worden ist, auf die ein Anspruch nur bei Realisierung eines spezifischen biometrischen Risikos, nämlich Alter, Invalidität oder Tod, besteht.1 Die Leistung besteht üblicherweise in der laufenden Zahlung einer Be-

1 Ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Urteil vom 08.05.1990 – 3 AZR 121/89 –, AP Nr. 58 zu § 7 BetrAVG, Bl. 2R m.w. N.; BAG, Urteil vom 10.08.1993 – 3 AZR 69/ 93 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, Bl. 1R/2 m.w. N.; BAG, Urteil vom 25.10.1994 – 3 AZR 279/94 –, AP Nr. 31 zu § 1 BetrAVG, Bl. 2. Zum Erfordernis der Abdeckung eines biometrischen Risikos auch Blomeyer, BetrAV 1998, 124 (125); MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 16; P. Hanau, BetrAV 1998, 147 (147, 152).

20 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

triebsrente.2 Jedoch sind auch einmalige Kapitalzahlungen,3 zweckgebundene Geldleistungen,4 Nutzungsrechte5 und Sachleistungen6 als betriebliche Altersversorgung anerkannt, wenn sie nur der Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen bei Realisierung des entsprechenden biometrischen Risikos zu dienen bestimmt sind. Je nach Ausgestaltung der Versorgungszusage kann der Umfang der Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers höchst unterschiedlich bestimmt sein. Während bei der reinen Leistungszusage die Leistung des Arbeitgebers unabhängig von dem notwendigen Finanzierungsaufwand für die einzelnen Versorgungsfälle konkret benannt wird, wird dem Arbeitnehmer bei der beitragsorientierten Leistungszusage gemäß § 1 II Nr. 1 BetrAVG lediglich die Umwandlung bestimmter Beiträge in eine Anwartschaft auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung zugesagt. Bei dieser Zusageform wird der Umfang der Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers im Versorgungsfall durch die umzuwandelnden Beiträge bestimmt.7 Die Höhe der Leistungen ergibt sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen oder auf finanzmathematischer Grundlage aus den aufzuwendenden Beiträgen.8 Die Versorgungszusage muß dazu Regelungen darüber enthalten, welcher Beitrag für jeden einzelnen Arbeitnehmer aufgewendet wird und welche Leistungen bei Anwendung festgelegter Umrechungsmodalitäten im Versorgungsfall zu erbringen sind.9 Demgegenüber ist die reine Beitragszusage, das heißt die Beschränkung der Arbeitgeberleistung auf die bloße Leistung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung, gemäß § 1 II Nr. 2 BetrAVG nur mit dem Versprechen einer Mindestleistung bei mittelbarer Versorgung möglich. Schließlich ist auch die Umwandlung künftiger Entgeltansprüche des Arbeitnehmers in eine Anwartschaft auf Leistungen im vorgenannten Sinne als betriebliche Altersversorgung anerkannt (§ 1 II Nr. 3 BetrAVG).

2 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 17; R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 37; Schoden, BetrAVG2, § 1 Rz. 5. 3 BAG, Urteil vom 30.09.1986 – 3 AZR 22/85 –, AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG, Bl. 2R; auch BAG, Urteil vom 30.10.1980 – 3 AZR 805/79 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG, Bl. 1R/2 für eine auf einem Darlehenskonto angesparte Gewinnbeteiligung. 4 BAG, Urteil vom 11.08.1981 – 3 AZR 395/80 –, AP Nr. 11 zu § 16 BetrAVG, Bl. 2R/3: Barablösung eines Kohlendeputats. 5 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 17: Wohnrechte in Werkswohnungen. 6 BAG, Urteil vom 02.12.1986 – 3 AZR 123/86 –, AP Nr. 9 zu § 611 BGB, Bl. 2R: Kohlendeputat, das trotz Einstellung der Eigenproduktion bedient wurde (dort auch zur Frage der Umwandlung in einen Geldleistungsanspruch). 7 Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucksache 13/8671, S. 120; R. Höfer, BetrAVG, § 1 Rz. 2519, 2522; Schoden, BetrAVG2, § 1 Rz. 29. 8 Rößler, Der triftige Grund, S. 29. 9 ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 15.

§ 1 Einführung in die Problematik

21

Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) erkennt zudem verschiedene Durchführungswege bei der betrieblichen Altersversorgung an. Grundsätzlich ist die mittelbare Versorgung von der unmittelbaren Versorgung zu unterscheiden. Bei der mittelbaren Versorgung verspricht der Arbeitgeber, die zugesagten Leistungen durch Einschaltung eines rechtlich selbständigen Dritten zu erbringen.10 Dieser Dritte kann ein Versicherer (§ 1b II BetrAVG), eine Pensionskasse oder ein Pensionsfonds (§ 1b III BetrAVG) oder eine Unterstützungskasse (§ 1b IV BetrAVG) sein. Es besteht dabei immer ein Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Versorgungsträger, das spezifische rechtliche Probleme aufweist, denen hier nicht weiter nachgegangen werden soll. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf unmittelbare Versorgungsversprechen, sogenannte Direktzusagen im Sinne von § 1 I 2 Var. 1 BetrAVG. Bei einer Direktzusage verspricht der Arbeitgeber, die Versorgungsleistung selbst zu erbringen.11 Sie stellt nach wie vor die in der Praxis bei weitem dominierende Durchführungsform der betrieblichen Altersversorgung dar.12 Bei der betrieblichen Altersversorgung handelt es sich regelmäßig um eine gegenüber dem bereits anderweitig geschuldeten Arbeitsentgelt zusätzliche, ursprünglich freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers.13 § 1a I BetrAVG statuiert nunmehr zwar einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Hierbei handelt es sich jedoch um eine arbeitnehmerfinanzierte Altersversorgung.14 Die dabei entstehenden Gerechtigkeitsprobleme unterscheiden sich signifikant von denen der arbeitgeberfinanzierten Altersversorgung.15 Die Entgeltumwandlung ist daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Im Bereich der arbeitgeberfinanzierten Altersversorgung steht es dem Arbeitgeber frei, ob er eine Versorgungszusage erteilt.16 Erst durch eine besondere Rechtsgrundlage, die Versorgungszusage, werden Versorgungsverpflichtungen des Arbeitgebers begründet.17 10 R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 118; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 24 f. 11 R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 117, 133; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 24. 12 Orthmann, Betriebliche Altersversorgung im Jahresabschluß, S. 31 f.; Rößler, Der triftige Grund, S. 19. 13 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 2; Schoden, BetrAVG2, Arbeitsrechtliche Einführung Rz. 26; Uebelhack, AR-Blattei SD 460.1 Betriebliche Altersversorgung I, Rz. 8. 14 Zu letzterem Blomeyer, BetrAV 2001, 430 (440); Blomeyer, BetrAV 2001, 501 (506); Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (283); Rieble, BetrAV 2001, 584 (591). 15 Blomeyer, BetrAV 2001, 430 (440). 16 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 2; R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 50– 52, 208. 17 R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 207.

22 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

B. Betriebsvereinbarungen als Gestaltungsmittel in der betrieblichen Altersversorgung Neben der steuerlichen Subventionierung der betrieblichen Altersversorgung und den daraus sich ergebenden Liquiditätsvorteilen und Refinanzierungsmöglichkeiten18 sind es insbesondere personalpolitische Aspekte – die erleichterte Gewinnung qualifizierten Nachwuchses,19 eine verbesserte Motivation der Mitarbeiter20 und vor allem eine erhöhte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen21 –, welche Arbeitgeber dazu veranlassen,22 nicht nur einzelnen Mitarbeitern, sondern der gesamten Belegschaft oder Teilen davon eine betriebliche Altersversorgung zuzusagen. Dies erfolgte früher typischerweise mittels vertraglicher Einheitsregelung oder Gesamtzusage23 oder durch betriebliche Übung.24 Werden diese Gestaltungsmittel verwandt, bilden die Zusagen von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an die Mitarbeiter ein Bezugssystem; sie haben insoweit trotz individualrechtlicher Qualifikation einen kollektiven Charakter.25 Deshalb bietet sich aber auch die Betriebsvereinbarung als Gestaltungsmittel an.26 Ein weiterer Vorteil der Betriebsvereinbarung als Gestaltungsmittel in der betrieblichen Altersversorgung ist ihre freie Kündbarkeit gemäß § 77 V BetrVG. Damit wird eine Flexibilisierung der in ihr geregelten Arbeitsbedingungen erreicht, die der Arbeitgeber mit einer individualrechtlichen Regelung unter Widerrufsvorbehalt allenfalls unter Verzicht auf erhebliche steuerliche Vorteile erreichen könnte. Die Finanzierung von Direktzusagen einer betrieblichen AltersSchoden, BetrAVG2, Arbeitsrechtliche Einführung Rz. 30 zu Direktzusagen; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 151; Stumpf, Betriebliche Altersversorgung im Umbruch, S. 199 (S. 202); Uebelhack, AR-Blattei SD 460.1 Betriebliche Altersversorgung I, Rz. 51; auch Blomeyer, Betriebliche Altersversorgung unter veränderten Rahmenbedingungen, S. 1 (S. 2) zur Motivationslage in den 1950er und 1960er Jahren. 19 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3; MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 11; auch Blomeyer, Betriebliche Altersversorgung unter veränderten Rahmenbedingungen, S. 1 (S. 2) zur Motivationslage in den 1950er und 1960er Jahren. 20 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 11. 21 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3; MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 11; Schoden, BetrAVG2, Arbeitsrechtliche Einführung Rz. 30. 22 Auf die Motivation des Arbeitgebers wird in § 3 B. I. 1., S. 96 ff., zurückzukommen sein. 23 Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anh. § 1 Rz. 12 f.; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 258; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 5. 24 Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 258. 25 Hilger/Stumpf, Festschrift für G. Müller, S. 209 (S. 209). 26 Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 65); Heither, RdA 1994, 363 (366 f.). 18

§ 1 Einführung in die Problematik

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versorgung erfolgt durch die Bildung von Pensionsrückstellungen in der Handels- und in der Steuerbilanz des Unternehmens.27 Gemäß § 6a I Nr. 1 EStG28 können Pensionsrückstellungen den zu versteuernden Unternehmensgewinn jedoch nur dann mindern, wenn der Versorgungsberechtigte einen Rechtsanspruch auf die Pensionsleistungen hat. Ein Widerrufsvorbehalt schließt daher gemäß § 6a I Nr. 2 EStG die Bildung von Pensionsrückstellungen nur dann nicht aus, wenn er lediglich einen Tatbestand wiedergibt, bei dessen Vorliegen ein Eingriff nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Beachtung billigen Ermessens ohnehin zulässig wäre. In der Praxis sind daher allein29 sogenannte steuerunschädliche Widerrufsvorbehalte30 üblich, die einer den steuerpflichtigen Gewinn mindernden Bildung von Pensionsrückstellungen nicht entgegenstehen.31 Die üblichen steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte hat das Bundesarbeitsgericht zu Recht als rein deklaratorisch interpretiert, mit der Folge, daß diese kein eigenständiges Recht zum Widerruf begründen.32 Denn der Widerruf der Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung kann nur in solchen Fällen zu Eingriffen in die Versorgungszusage führen, in denen dies auch ohne Widerrufsvorbehalt möglich wäre, insbesondere beim Wegfall der Geschäftsgrundlage.33 Sachliche Gründe sind daher nicht hinreichend, um den Widerruf einer Versorgungszusage zu rechtfertigen, die dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die zugesagten Leistungen einräumt.34 Aber auch mit der individualrechtlichen Zusage einer betrieblichen Altersversorgung unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, das heißt unter Ausschluß eines 27

Hierzu näher Rößler, Der triftige Grund, S. 19–22. § 6a EStG gilt gemäß § 8 I 1 KStG auch für die Ermittlung des Einkommens Körperschaftssteuerpflichtiger, so daß die Norm alle steuerpflichtigen Arbeitgeber gleichermaßen erfaßt. 29 Abweichende Gestaltungen finden sich praktisch nicht, vgl. Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 62); Rößler, Der triftige Grund, S. 151. 30 Ein mit R 6a IV Nr. 1 EStR 2005 übereinstimmender Formulierungsvorschlag findet sich bei Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung8, § 21 Rz. 10: „Die Firma behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich ändern, daß der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.“ 31 Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 61 f.); Molkenbur/Roßmanith, AuR 1990, 333 (337); ErfK7 /Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 33. 32 BAG, Urteil vom 08.07.1972 – 3 AZR 481/71 –, AP Nr. 157 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 26.04.1988 – 3 AZR 277/87 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Geschäftsgrundlage, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 17.06.2003 – 3 AZR 396/ 02 –, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf, Bl. 7R; Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 62). 33 BAG, Urteil vom 26.04.1988 – 3 AZR 277/87 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Geschäftsgrundlage, Bl. 3R/4; Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 62); MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 106 Rz. 9 m.w. N. 34 Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 62). 28

24 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Rechtsanspruches, könnte der Arbeitgeber bei einer Direktzusage keine der frei kündbaren Betriebsvereinbarung vergleichbare Flexibilität erreichen, ohne auf die steuerliche Rückstellungsfähigkeit der Versorgungsverbindlichkeiten zu verzichten. Freiwilligkeitsvorbehalte sind gemäß § 1b IV 1 BetrAVG kennzeichnend für die hier nicht näher interessierende35 Zusage einer Unterstützungskassenversorgung. Bei dieser Versorgungsform ist zwar die Bildung steuerlicher Rückstellungen im Trägerunternehmen gemäß § 6a I EStG ausgeschlossen, jedoch wird dieser Nachteil anderweitig kompensiert. Ohne den Ausschluß des Rechtsanspruches auf die Versorgungsleistungen unterlägen Unterstützungskassen der Versicherungsaufsicht. Die Unternehmen hätten keinen Zugriff auf das Kassenvermögen.36 Da die Restriktionen des Versicherungsaufsichtsgesetzes wegen des fehlenden Rechtsanspruches der Arbeitnehmer aber nicht gelten, können die Unterstützungskassen dem Trägerunternehmen ihren Kassenbestand ohne weiteres als Darlehen zur Verfügung stellen.37 Dafür aufgewandte Darlehenszinsen mindern den zu versteuernden Gewinn des Trägerunternehmens. Aus einer Unterstützungskassenversorgung ergeben sich damit spezifische Liquiditäts- und Steuervorteile für die Unternehmen, die sich von denen bei anderen Versorgungsformen, insbesondere den unmittelbaren Liquiditätseffekten bei Direktzusagen durch Bildung steuerlicher Rückstellungen gemäß § 6a EStG, deutlich unterscheiden. Mit Rücksicht auf den Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes der Ausschluß des Rechtsanspruches bei Unterstützungskassen auf die genannten Effekte beschränkt und im übrigen als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichem Grund ausgelegt.38 Bei allen anderen Durchführungsformen der betrieblichen Altersversorgung, insbesondere bei den hier allein interessierenden Direktzusagen, sind solche Freiwilligkeitsvorbehalte jedoch gänzlich unüblich, weil sie, wie ein uneingeschränkter Widerrufsvorbehalt, die steuerrechtliche Rückstellungsfähigkeit der Verbindlichkeit gemäß § 6a I Nr. 1 EStG ausschließen,39 ohne daß die damit verbundenen Liquiditätsnachteile, etwa durch die Möglichkeit der Darlehensgewährung, kompensiert werden könnten.

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Vgl. oben § 1 A., S. 21. Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), S. 55 (S. 63); derselbe, RdA 1994, 363 (366). 37 Rößler, Der triftige Grund, S. 23. 38 BAG, Urteil vom 17.05.1973 – 3 AZR 381/72 –, AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen, Bl. 3 i.V. m. Bl. 3R; BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R m.w. N. Hieran knüpfte die sogenannte Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichtes zum Besitzstandsschutz an, die in der Folge auf die Rechtskontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen übertragen wurde. Zur Besitzstandsschutzrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sogleich in § 1 C., S. 26 ff., sowie ausführlich unten in § 9 C. III. 1., S. 357 ff. 39 Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 288. 36

§ 1 Einführung in die Problematik

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Diese steuerlichen Restriktionen bei der Bildung von Pensionsrückstellungen bestehen nicht, wenn eine Direktzusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung erfolgt, die ihrerseits weder einen Freiwilligkeits- noch einen steuerschädlich ausgestalteten Widerrufsvorbehalt enthält. Denn eine solche Betriebsvereinbarung verschafft trotz ihrer freien Kündbarkeit gemäß § 77 V BetrVG dem Versorgungsberechtigten zunächst einen Rechtsanspruch auf Pensionsleistungen im Sinne von § 6a I Nr. 1 EStG. Wegen der Steuerschädlichkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten und von Widerrufsvorbehalten mit einem eigenständigen Regelungsgehalt sind solche Regelungen in der Rechtspraxis unüblich.40 Daher seien diese Gestaltungsmöglichkeiten, die auch mit dem Gestaltungsmittel der Betriebsvereinbarung verbunden werden können, von den nachfolgenden Betrachtungen ausgenommen. Da nach dem eben Gesagten die allein üblichen steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte, die auch Bestandteil einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung sein können,41 keine eigenständige rechtliche Bedeutung haben, können diese in dieser Untersuchung gleichfalls ohne nähere Betrachtung bleiben. Neben der durch die freie Kündbarkeit gewährleisteten Flexibilität hat vor allem das von der Rechtsprechung angenommene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu einer erheblich gestiegenen praktischen Bedeutung von Betriebsvereinbarungen im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung geführt.42 Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen bei Regelung einer arbeitgeberfinanzierten43 betrieblichen Altersversorgung in Form von Direktzusagen die Verteilungskriterien der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG, weil es sich bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund von Direktzusagen um Lohn im Sinne dieser Norm handele.44 Zwar sind der Regelungsmacht der Betriebspartner durch § 77 III BetrVG, der jedenfalls hinsichtlich des nicht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Dotierungsrahmens einer Direktzusage betrieblicher Altersversorgung anwendbar ist, weite Bereiche entzogen. Jedoch wirkt sich dies in der Praxis der betrieblichen Alters40

Vgl. die Nachweise S. 23 in Fn. 29 und S. 24 in Fn. 39. Molkenbur/Roßmanith, AuR 1990, 333 (337). 42 Zu letzterem Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 258. 43 Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht wegen der durch § 1a BetrAVG ausgelösten Regelungssperre des § 87 I Eingangssatz BetrVG bei der arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Blomeyer, BetrAV 2001, 501 (506); Rieble, BetrAV 2001, 584 (591 f.). 44 Ständige Rechtsprechung seit BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3–4; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R–5. 41

26 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

versorgung kaum aus. Denn zum einen sind Regelungen über die betriebliche Altersversorgung in vielen Branchen noch nicht tarifüblich.45 Zum anderen enthalten eventuell vorhandene Tarifverträge in der Regel die Ermächtigung, die tariflichen Leistungen auf sonstige Versorgungsleistungen anzurechnen, und damit zumindest inzidenter Öffnungsklauseln im Sinne des § 77 III 2 BetrVG.46 Alles in allem bereiten die Außenschranken der Regelungsmacht der Betriebspartner in der heutigen Praxis vergleichsweise geringe rechtliche Schwierigkeiten.

C. Nachfolgende Betriebsvereinbarungen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes Als problematisch erweist sich hingegen die Frage nach den Binnenschranken der betrieblichen Regelungsmacht. Dies gilt insbesondere bei Betriebsvereinbarungen, welche bereits bestehende ältere Betriebsvereinbarungen abändern sollen, ihnen also nachfolgen. Solche nachfolgenden Betriebsvereinbarungen werden häufig dazu eingesetzt, bestehende Regelungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung in ihrem Umfang zu reduzieren. Dazu werden die Anspruchsvoraussetzungen nachträglich geändert. Dabei ist es aufgrund der von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommenen Ablösungswirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen nach der Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“47 bei rein regelungstechnischer Betrachtung denkbar, daß Vorleistungen der Arbeitnehmer im Vertrauen auf den Bestand der älteren, günstigeren Betriebsvereinbarung – seien es nun Arbeitsleistungen, Betriebstreue oder Betriebszugehörigkeit – nicht oder jedenfalls schlechter entgolten und damit entwertet werden. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts kontrolliert deshalb solche nachfolgenden Betriebsvereinbarungen streng, insbesondere im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und den Vertrauensschutz.48 Die Neuregelung muß zur Errei45 Tarifliche Regelungen haben aber seit 2001 stark zugenommen, vgl. R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 280; Steinmeyer, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 423 (ebd.). 46 R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 266. 47 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 11R; BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/ 89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2. 48 So explizit BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom

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chung des Zwecks der Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Änderungsziele der Betriebspartner und das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer werden gegeneinander abgewogen. Hierzu hat der Dritte Senat eine typisierende Betrachtungsweise entwickelt, aufgrund welcher Eingriffe in Anwartschaften und Ansprüche aus Ruhegeldregelungen beurteilt werden.49 Für den Dritten Senat steht dabei der Schutz von Besitzständen der Arbeitnehmer im Vordergrund.50 Gleichwohl erkennt der Dritte Senat seit langem grundsätzlich an, daß veränderte wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen eine Anpassung von Regelungen der betrieblichen Altersversorgung erforderlich machen können und auch dürfen.51 Der Dritte Senat erkennt des weiteren jedenfalls grundsätzlich auch einen Regelungs- und Ermessensspielraum der Betriebspartner an sowie, daß die Bewertung der innerbetrieblichen Lohngestaltung und Lohngerechtigkeit Änderungen unterliegen kann.52 In der Praxis eher in den Hintergrund tritt eine Kontrolle anhand von § 75 I BetrVG, insbesondere dahingehend, ob die darin erwähnten Diskriminierungsverbote sowie der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet worden sind.53 Jedoch klingt gerade in der strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung des Dritten Senats mitunter die Nähe zur Gleichbehandlungsprüfung an, wenn ausgeführt wird, daß in Be16.07.1996 – 3 AZR 398/95 – AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 101/02 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R. Der Sache nach auch bereits BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R. 49 Grundlegend für die jüngere Rechtsprechung BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4, 4R, 6R. 50 BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4; ebenso der Große Senat in BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/ 82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 11R. 51 BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3R zur Ablösung einer vertraglichen Einheitsregelung durch Betriebsvereinbarung. 52 BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 53 Für eine Kontrolle anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Ablösung einer Gesamtzusage durch Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 23.03. 1999 – 3 AZR 654/97 –, Juris Rz. 13. Für eine Kontrolle neugeschaffener Betriebsvereinbarungen anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes BAG, Beschluß vom 11.11.1986 – 3 ABR 75/ 85 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 20.07.1993 – 3 AZR 52/93 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; BAG, Urteil vom 17.02.1998 – 3 AZR 578/96 –, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Bl. 2. Für eine Anwendung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 75 BetrVG bei der Kontrolle von älteren Betriebsvereinbarungen nachfolgenden Betriebsvereinbarungen hingegen explizit Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 193 unter fehlgehendem Hinweis auf BAG, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand und AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung.

28 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

sitzstände mit höherem Bestandsschutz nicht in gleicher Weise eingegriffen werden dürfe wie in Besitzstände mit niedrigerem Bestandsschutz.54 Zu den genannten Prüfungsschritten hinzutreten kann schließlich noch eine konkrete Kontrolle anhand von Billigkeitskriterien als Anwendungskontrolle im Einzelfall.55 Diese gerichtliche Kontrolle von nachfolgenden Betriebsvereinbarungen steht in der Tradition der vom Bundesarbeitsgericht allgemein in Anspruch genommenen Kompetenz, Betriebsvereinbarungen unterschiedlicher Regelungsgegenstände inhaltlich zu überprüfen. Prägend ist dabei lange Zeit der Begriff der „Billigkeitskontrolle“56 gewesen, mitunter ist aber auch der Begriff „Inhalts54 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2R. Eine Verbindung zwischen Vertrauensschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung sieht explizit der österreichische OGH, Urteil vom 24.06. 1999 – 8 ObA 20/99w –, DRdA 2000, 235 (235). 55 BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 , AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4 (obiter dictum); BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3/3R; BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3. 56 Aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung BAG, Urteil vom 30.01. 1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 11.03.1976 – 3 AZR 334/75 –, AP Nr. 11 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Urteil vom 13.10.1976 – 3 AZR 345/75 –, AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 08.12. 1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4. Aus dem Bereich der Sondervergütungen BAG, Urteil vom 13.09.1974 – 5 AZR 48/ 74 –, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; BAG, Urteil vom 03.11.1987 – 8 AZR 316/81 –, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; auch noch BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 3R. Aus dem Bereich der Sozialpläne BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.02.1981 – 1 AZR 290/78 –, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 09.12.1981 – 5 AZR 549/79 –, AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 14.02.1984 – 1 AZR 574/82 –, AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R. Ferner BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl. 6R – obiter dictum (Einführung einer Altersgrenze); BAG, Urteil vom 12.08.1982 – 6 AZR 1117/79 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4 (Abschaffung der Barabgeltung für Kohledeputate).

§ 1 Einführung in die Problematik

29

kontrolle“ verwandt worden.57 In jüngerer Zeit betont das Bundesarbeitsgericht aber, dabei lediglich eine „Rechtskontrolle“ durchzuführen.58 Zweifel an dieser dogmatischen Einordnung sind jedoch in neuester Zeit wieder aufgetreten, als der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes ausführte, die speziell zum Besitzstandsschutz im Betriebsrentenrecht entwickelten und auch auf nachfolgende Betriebsvereinbarungen angewandten Grundsätze könnten wegen des aus der verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie folgenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien nicht unbesehen auf Tarifverträge angewandt werden. Tarifverträge unterlägen keiner Billigkeitskontrolle.59 Es verbleibt damit die Frage, ob nach Auffassung des Dritten Senates Betriebsvereinbarungen einer über die bloße Rechtskontrolle hinausgehenden Billigkeitskontrolle unterliegen sollen. Ausmaß, Umfang und Rechtsgrundlage der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen sind jedenfalls bis heute noch nicht hinreichend geklärt. In jüngerer Zeit scheint sich aber in der Rechtsprechung der verschiedenen Senate des Bundesarbeitsgerichtes eine Differenzierung beim Umfang der gerichtlichen Kontrolle nach Regelungsgegenständen herauszukristallisieren, die in Teilbereichen zu einer deutlichen Reduzierung der in Anspruch genommenen Kontrolldichte zu führen scheint.60 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Zehnte Senat die Rechtskontrolle von Sozialplänen im wesentlichen auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes reduziert hat.61 Noch weiter ist der Erste Senat bei der Kontrolle einer Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Ordnung gegangen, indem er bei einer Ver57 BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation (Leitsatz Nr. 2); BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 3 AZR 81/02 –, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R. 58 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2. Auch BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 3R. 59 BAG, Urteil vom 28.07.2005 – 3 AZR 14/05 –, AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R/5. 60 Ähnlich der Befund von Ahrens, NZA 1999, 686 (690). 61 BAG, Urteil vom 24.11.1993 – 10 AZR 311/93 –, AP Nr. 72 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 606/93 –, AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Urteil vom 20.04.1994 – 10 AZR 323/93 –, AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 09.11.1994 – 10 AZR 281/94 –, AP Nr. 85 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 12.03.1997 – 10 AZR 648/ 96 –, AP Nr. 111 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 11.02.1998 – 10 AZR 22/97 –, AP Nr. 121 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2.

30 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

hältnismäßigkeitsprüfung lediglich die gröbliche Verletzung der Interessen einer Arbeitnehmergruppe als Kontrollmaßstab wählte.62 In scharfem Kontrast dazu steht die oben skizzierte Rechtsprechung des Dritten Senats, der auch in neueren Judikaten verschlechternde Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung nach strengen Verhältnismäßigkeitskriterien untersucht, darüber hinaus mitunter eine Gleichbehandlungsprüfung durchführt und auch auf eine konkrete Kontrolle anhand von Billigkeitskriterien nicht verzichtet.

D. Ziel und Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die dogmatisch deduktive Entwicklung von Kontrollkriterien für nachfolgende Betriebsvereinbarungen, welche eine Direktzusage von Leistungen einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung verschlechtern, die durch eine vorangegangene Betriebsvereinbarung begründet worden ist. Dazu sollen – gewissermaßen „vor die Klammer gezogen“ – zunächst in diesem 1. Teil der Untersuchung die verschiedenen möglichen Determinanten für solche Kontrollkriterien untersucht werden. Dies sind zum einen der Rechtscharakter, die Wirkungsweise und der Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen im Arbeitsverhältnis (§ 2), zum anderen der Regelungsgegenstand der Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung, die ihm zugrunde liegenden entgeltlichen Strukturen und die hieraus erwachsende schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers, die sogenannte durch Vorleistung erdiente Anwartschaft (§ 3). Der in § 2 der Untersuchung zu beleuchtende Rechtscharakter der Betriebsvereinbarung wirkt sich bereits bei den in § 3 anzuwendenden Methoden zur Auslegung ihres Inhaltes aus. Denn nach § 77 IV 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend, sie kommen aber gemäß § 77 II 1 BetrVG durch gemeinsamen Beschluß von Arbeitgeber und Betriebsrat zustande. Für die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur folgt daraus eine Doppelnatur der Betriebsvereinbarung: Sie komme als privatrechtlicher Vertrag zustande63 und habe gegenüber den Arbeitnehmern normative Wirkung.64 Deshalb spricht man auch von einem Normenvertrag.65 Aus der norma62 BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 6R. 63 Brune, AR-Blattei SD 520 Betriebsvereinbarung Rz. 62 i.V. m. Rz. 55; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (296); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 222 f. i. V. m. S. 214 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 35 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 97 i.V. m. S. 141. 64 BVerfG, Beschluß vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80 –, BVerfGE 73, 261 (268); BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R/8; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112

§ 1 Einführung in die Problematik

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tiven Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis folgert das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, daß Betriebsvereinbarungen wie Gesetze auszulegen seien.66 Hieran wird bei der Betrachtung des Regelungsgegenstandes in § 3 anzuknüpfen sein. Der mit dem Rechtscharakter der Betriebsvereinbarung eng zusammenhängende Geltungsgrund der Betriebsvereinbarung im Individualarbeitsverhältnis ist vor allem aber ein wesentliches Datum für die Entwicklung von Kontrollkriterien. Insbesondere von Interesse ist dabei die Frage, ob eine auf den Willen des einzelnen Arbeitnehmers zurückzuführende Gestaltungsform vorliegt, welche eine nur zurückhaltende Kontrolle, etwa nach dem Vorbild der Tarifverträge indiziert. Tarifverträge sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, höherrangiges Recht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechtes verstoßen,67 und unterliegen insbesondere keiner Billigkeitskontrolle.68 Dann aber wäre die oben skizzierte Rechtsprechung des Dritten Senates zur inhaltlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen besonders kritisch zu hinterfragen. Kern dieser Rechtsprechung zum Schutz von Anwartschaften, Ansprüchen und zugesagten Erwerbsaussichten in der betrieblichen Altersversorgung vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen ist der Schutz des Vertrauens der Arbeitnehmer in den Bestand einer einmal erteilten Versorgungszusage. Das Maß schutzwürdigen Vertrauens hängt jedoch ganz wesentlich von der erbrachten Vorleistung des Arbeitnehmers und der hieraus resultierenden schuldrechtlichen

BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5/5R; Brune, AR-Blattei SD 520 Betriebsvereinbarung Rz. 464; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (296 f.); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 213 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 214–217; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 720; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 18; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 97. 65 BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 17.02.1992 – 10 AZR 448/91 –, AP Nr. 1 zu § 84 ArbGG 1979, Bl. 3R; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (297); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 223; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 169; Galperin/Löwisch, BetrVG6, § 77 Rz. 6; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 26; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 96. Ebenso bereits A. Hueck, JherJB 73 (1923), 33 (42). Grundlegend für den Begriff des Normenvertrages im Tarifvertragsrecht Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I, S. 98. 66 BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 09.02.1984 – 6 ABR 10/81 –, AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Urteil vom 22.02.1995 – 10 AZR 500/94 –, AP Nr. 1 zu Art. 30 Einigungsvertrag, Bl. 2. Zum BetrVG 1952 BAG, Urteil vom 21.03.1968 – 5 AZR 299/67 –, AP Nr. 33 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 1R. 67 Vgl. bereits BAG, Urteil vom 03.10.1969 – 3 AZR 400/68 –, AP Nr. 12 zu § 15 AZO, Bl. 4; BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R/7. 68 Vgl. S. 29 Fn. 59.

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Rechtsposition ab. Damit kommt der Stellung der Versorgungszusage im Vergütungsgefüge eine Schlüsselstellung zu. Anhand der Erkenntnisse aus § 2 sollen in § 3 zunächst die Grundsätze für die Auslegung von Betriebsvereinbarungen entwickelt werden. Daran anschließend sollen einige typische, in Betriebsvereinbarungen getroffene Versorgungszusagen auf die ihnen zugrunde liegenden Zwecke hin analysiert werden. Es sollen Auslegungskriterien entwickelt und Schlußfolgerungen für die Stellung von Versorgungszusagen im Vergütungsgefüge gezogen werden. Dabei soll zugleich der Entgeltcharakter von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung belegt werden. Denn nur wenn Leistung, Gegenleistung und die Art ihrer Verknüpfung bestimmt sind, kann man berechtigterweise von Entgelt sprechen. Nur dann kann sich die Frage stellen, ob und unter welchen Voraussetzungen durch Vorleistung erdientes Entgelt vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen zu schützen ist. Bei einer nichtentgeltlichen, rein fürsorgerischen Arbeitgeberleistung oder mitgliedschaftlichen Wertrechten einer Verbandsorganisation hingegen stellte sich die Problematik nachfolgender Betriebsvereinbarungen unter vollkommen anderen Vorzeichen. Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Entgeltcharakters betrieblicher Versorgungsleistungen bereitet insbesondere die Frage, welche Leistung des Arbeitnehmers mit der betrieblichen Altersversorgung entgolten werden soll. Namentlich in Rede stehen die Arbeitsleistung, die Betriebstreue und die Betriebszugehörigkeit als solche. Eine Ausgestaltung der Versorgungszusage mit einer Verfallklausel für den Fall vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis weist wegen des in ihr zum Ausdruck kommenden Bindungsanreizes weg von der Arbeitsleistung und hin zu Betriebstreue oder gar bloßer Betriebszugehörigkeit. Mit dieser Entfernung aus dem Synallagma der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten ist aber auch eine Veränderung der zugrundeliegenden schuldrechtlichen Strukturen verbunden. Die verbreitete konditionale Leistungsverknüpfung, bei der eine nicht geschuldete Leistung zur Bedingung für ein Entgelt erhoben wird, weist signifikante Unterschiede zum „do ut des“ im Synallagma der Hauptpflichten auf, die sich auf die Rechtsposition des in Vorleistung tretenden Arbeitnehmers auswirken können. Im Synallagma sind nach dem in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken auch Teilleistungen anteilig zu entgelten. Dies ist ein Spezifikum der synallagmatischen Leistungsverknüpfung, welche nur bei einer beiderseitigen Leistungsverpflichtung vorliegt. Im Gegensatz dazu schließt die Abhängigkeit des Entgelts von einer zur Bedingung erhobenen, nicht geschuldeten Leistung, etwa einer Betriebstreue bestimmter Dauer, Entgelt für Teilleistungen aus. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund bedenklich, daß auch heute noch zahlreiche Versorgungszusagen die Versorgungsleistung an das Verbleiben des Arbeitnehmers im Betrieb bis zum Eintritt in den Ruhestand knüpfen. Diesem „Alles-oder-nichts-

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Prinzip“ setzt das Betriebsrentengesetz für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den §§ 1b, 2 BetrAVG Grenzen und ordnet den teilweisen Erhalt der Versorgungsanwartschaft an. Dies wirft die Frage auf, ob und inwieweit damit nicht auch im fortgesetzten Arbeitsverhältnis eine Rechtsposition des Arbeitnehmers besteht, welche durch entsprechende Anwendung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips eine besondere Qualität hat. Im sich anschließenden 2. Teil der Untersuchung sollen die Perspektiven beleuchtet werden, die sich zum Schutz der Arbeitnehmer vor Veränderung der Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung aus ihrer Wirkungsweise ergeben. Dabei ist zwischen der Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer (§ 4) und der auf vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer sowie Ruheständler (§ 5) zu differenzieren. In § 4 kann an die Erkenntnisse von § 2 und § 3 angeknüpft werden, da nun feststeht, auf welche Weise die durch die ältere Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung begründete entgeltliche Struktur auf das Individualarbeitsverhältnis der Arbeitnehmer einwirkt und schuldrechtliche Anwartschaften erzeugen kann. Die Einwirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis der aktiven Arbeitnehmer könnte bereits zu einer besonderen Rechtsposition individualrechtlichen Charakters führen, die durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung nicht mehr entzogen werden kann. In einem solchen Fall könnte die Kollision zwischen älterer und nachfolgender Betriebsvereinbarung durch entsprechende Anwendung des Änderungskündigungsschutzes gemäß § 2 S. 1 in Verbindung mit § 1 II KSchG oder durch Anwendung des Günstigkeitsprinzips gelöst werden. Zudem ist die von Siebert geprägte Lehre vom kollektivfreien Individualbereich69 und ihre bis in die heutige Zeit reichende Rezeption in der Literatur angesprochen. Danach soll den Kollektivvertragsparteien bereits die Kompetenz zum Eingriff in solche „gewordenen Individualrechte“70 fehlen. All dieses gilt es kritisch zu hinterfragen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes soll die Abänderung der Anspruchsvoraussetzungen von Versorgungsanwartschaften aktiver Arbeitnehmer, welche durch Vorleistung bereits erdient wurden, von der Regelungskompetenz der Betriebspartner ohne weiteres mitumfaßt sein. Das Bundesarbeitsgericht sieht – wie bereits aufgezeigt – in nachfolgenden Betriebsvereinbarungen kein Kompetenzproblem, sondern ein Problem der inhaltsbezogenen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen. Lehrreich in diesem Zusammenhang ist der Blick auf die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, welcher das Bundesarbeitsgericht in bezug auf die Versor69 Siebert, BB 1953, 241 (242); derselbe, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 128 ff., 133 f.). 70 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 136).

34 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

gungsanwartschaften der Arbeitnehmer kassatorische Wirkung beimißt und die es daher einer nachgelagerten Rechtsfolgenkontrolle nach dem Vorbild der Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen unterzieht.71 Von entscheidender Bedeutung für die Problematik nachfolgender Betriebsvereinbarungen ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, daß jeder Betriebsvereinbarung der Vorbehalt immanent ist, durch nachfolgende Betriebsvereinbarung abgeändert werden zu können. Dieser Vorbehalt ist Ausdruck eines ständigen Regelungsanspruches der Betriebspartner, der in den Mitbestimmungsrechten des § 87 I BetrVG zum Ausdruck kommt. Er ist zugleich die materiellrechtliche Legitimation der vom Bundesarbeitsgericht angewandten Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ in bezug auf die von einer Betriebsvereinbarung erfaßten Individualarbeitsverhältnisse. Hingegen ist mit der Wirkung der nachfolgenden Betriebsvereinbarung auf vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer sowie auf Ruheständler (§ 5) der personelle Geltungsbereich der betrieblichen Mitbestimmung angesprochen. Das Bundesarbeitsgericht betont seit einer Entscheidung seines Großen Senats von 1956, daß Betriebsvereinbarungen keine normative Wirkung gegenüber Betriebsrentnern hätten, und begründet dies damit, daß es an einem die Betriebszugehörigkeit vermittelnden Arbeitsverhältnis sowie an der erforderlichen Legitimation der Betriebspartner zur Regelung der Rechtsverhältnisse aus dem Betrieb Ausgeschiedener fehle, da diese bei den Betriebsratswahlen nicht mehr wahlberechtigt seien.72 Entsprechendes dürfte unter Geltung des Betriebsrentengesetzes für solche Arbeitnehmer gelten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Diesen kompetentiellen Ansatz der Rechtsprechung gilt es kritisch zu hinterfragen. Sollte er Bestand haben, ergäbe sich aus ihm bereits ein weitreichender Schutz von Ruheständlern und vorzeitig Ausgeschiedenen vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen. Anderenfalls griffe auch insoweit der ständige Änderungsanspruch der Betriebspartner bezüglich betrieblicher Regelungen und rechtfertigte die Anwendung der Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“. Anknüpfend an den ständigen Änderungsanspruch der Betriebspartner und den entsprechenden immanenten Änderungsvorbehalt betrieblicher Regelungen sollen im 3. Teil dieser Untersuchung die Grundlagen für eine inhaltsorientierte 71 BAG, Beschluß vom 10.03.1992 – 3 ABR 54/91 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/ 00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6. 72 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4/4R.

§ 1 Einführung in die Problematik

35

gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen gelegt werden. Im Blickpunkt stehen dabei die verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers des Betriebsverfassungsgesetzes, welche sich insbesondere aus den Grundrechten der Arbeitnehmer ergeben (§ 6). Angesprochen ist damit die objektivrechtliche Seite der Grundrechte. Diese statuiert besondere Schutzpflichten für den Gesetzgeber bei der Gesetzgebung und für die Gerichte bei der Auslegung und Fortbildung des einfachen Rechts. Eine inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen durch die Gerichte kann jedenfalls insoweit gerechtfertigt sein, als das einfache Recht hierfür Ansatzpunkte bietet. Eine darüber hinausgehende gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen kann nur gerechtfertigt sein, soweit sie durch ein trotz der einfachgesetzlichen Ausgestaltung verbleibendes grundrechtliches Schutzdefizit indiziert ist. Der Umfang der grundrechtlichen Schutzpflichten hängt wesentlich von dem in § 2 ermittelten Geltungsgrund der Betriebsvereinbarung im Individualarbeitsverhältnis ab. Während Regelungen, die sich auf den autonomen Willen der Arbeitnehmer zurückführen lassen, nur begrenzte Schutzpflichten des Staates nach Maßgabe des „Untermaßverbotes“ auslösen, führt eine allein durch den Staat vermittelte Regelung, die sich nicht auf den autonomen Willen der Arbeitnehmer zurückführen läßt, zu einer stärkeren Bindung des Staates. Sollten diese Bindungen nicht qua unmittelbarer Grundrechtsbindung auch die Betriebspartner beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen binden, ist hieraus sodann der weitere Untersuchungsgang zu entwickeln. Dieser hat sich an der auch unsere heutige Rechtsordnung noch prägenden Dichotomie von austeilender Gerechtigkeit (iustitia distributiva)73 und ausgleichender Gerechtigkeit (iustitia commutativa)74 zu orientieren. Erstere wurde von Aristoteles als Gerechtigkeit im Verhältnis der Über- und Unterordnung der Rechtssubjekte entwickelt, letztere als Gerechtigkeit der Neben- und Gleichordnung. Beide Gerechtigkeitsmaximen dienen der Schaffung von Gleichheit,75 jedoch unter verschiedenen Aspekten. Die austeilende Gerechtigkeit bezweckt Verteilungsgerechtigkeit, das heißt die relative, verhältnismäßige Gleichheit bei der Behandlung verschiedener Personen gemäß ihren spezifischen Interessen und Bedürfnissen.76 Sie ist Maßstab bei der Beurteilung des Handelns einer Verteilungsinstanz, die über Zuwendungen an Dritte zu befinden hat. Sie läßt sich mit dem Wahlspruch „suum cuique“ umschreiben. Die aus73 Grundlegend Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.5, S. 1130b, Buch V.7, S. 1131b. 74 Grundlegend Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.5, S. 1130b f., Buch V.7, S. 1131b ff. 75 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.6, S. 1131a. 76 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.6, S. 1131a f., Buch V.7, S. 1131b; vgl. auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2, S. 339 ff.; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 121 ff.

36 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

gleichende Gerechtigkeit hingegen bezweckt Austauschgerechtigkeit, das heißt die Gewährleistung absoluter, arithmetischer Gleichheit zwischen den auszutauschenden Leistungen, unabhängig von der Unterschiedlichkeit der betroffenen Individuen und ihrer divergierenden Interessen und Bedürfnisse,77 insbesondere im Bereich vertraglicher Beziehungen.78 Sie findet ihre Entsprechung in dem alttestamentarischen Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Das von Aristoteles beschriebene Spannungsfeld der beiden Gerechtigkeitsmaximen ist geradezu paradigmatisch für die Problematik der Verschlechterung von Versorgungsansprüchen und -anwartschaften sowie für die Problematik der Minderung bereits zugesagter Erwerbsaussichten durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen. Nachfolgende Betriebsvereinbarungen verändern das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung, soweit sie durch Vorleistung bereits erdiente Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer zu schmälern suchen. Sie gestalten aber auch für die Zukunft das durch die ältere, abgelöste Betriebsvereinbarung festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei der Versorgungszusage neu, soweit sie zukünftige, noch nicht erdiente Steigerungsraten der Versorgungsanwartschaft abzuändern suchen. Insoweit ist jeweils die iustitia commutativa betroffen. Zugleich ist durch eine solche Betriebsvereinbarung aber immer auch das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander angesprochen, da die nachfolgende Betriebsvereinbarung die Rechtsverhältnisse einzelner Arbeitnehmergruppen unterschiedlich neu regeln kann. Die damit angesprochenen Fragen des Diskriminierungsschutzes und der Gleichbehandlung sind dem Bereich der iustitia distributiva zuzuordnen. Zwischen beiden Gerechtigkeitsmaximen besteht bei Entgeltregelungen und damit möglicherweise auch bei Versorgungsregelungen ein unauflösbarer Zusammenhang, da man Entgelt nicht an eine Personenmehrheit verteilen kann, ohne zugleich eine Aussage über das Austauschverhältnis zur Gegenleistung des einzelnen zu treffen. Auf diesen Zusammenhang trifft nun das auch für die betriebliche Altersversorgung einschlägige Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG, das nach nahezu einhelliger Ansicht allein die Wahrung der iustitia distributiva bezwecken soll. Auch das hierdurch eröffnete besondere Spannungsfeld gilt es im 4. und 5. Teil der Untersuchung zu beleuchten. Für die im 4. Teil dieser Untersuchung zu entwickelnden Kontrollkriterien im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit ist es zunächst wesentlich, das Spannungsverhältnis zu beleuchten, welches zwischen dem Vorleistungsschutz und dem jeder Betriebsvereinbarung immanenten Vorbehalt, durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgeändert zu werden, besteht. Dies erfolgt hinsichtlich des Schutzes erbrachter Vorleistungen vor dem Hintergrund des 77 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.7, S. 1132a; vgl. auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2, S. 357 ff. 78 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.7, S. 1131b.

§ 1 Einführung in die Problematik

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Schutzauftrages des Grundrechtes der Arbeitnehmer auf Eigentum gemäß Art. 14 I GG (§ 7) und hinsichtlich des Schutzes des Vertrauens in den Fortbestand zugesagter Erwerbsaussichten im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 I GG (§ 8). Dabei erweist sich der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung in bezug auf bereits erdiente Versorgungsansprüche und -anwartschaften als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muß. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, ob das Mittel der nachfolgenden Betriebsvereinbarung überhaupt uneingeschränkt geeignet ist, den Zwecken betrieblicher Mitbestimmung zu genügen. Angesprochen ist damit die Frage nach der materiellen Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung, welche in Rechtsprechung und Literatur immer wieder Angriffen ausgesetzt war und ist, um eine gesetzesübersteigende imparitätsgeleitete Inhalts- oder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen zu installieren. Die Frage hat durch den expliziten Ausschluß der Kontrolle von Betriebsvereinbarungen nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in § 310 IV 1 BGB nichts an ihrer Brisanz verloren, da dieser Ausschluß dem beschränkten Telos der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschuldet ist. Letztlich ist die Frage des Schutzes von Versorgungsansprüchen und -anwartschaften eine Frage des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes, der auf die Grundrechtsprüfung ausstrahlt und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu berücksichtigen ist. Soweit sich aus der Prüfung des immanenten Vorbehalts der nachfolgenden Betriebsvereinbarung anhand der Art. 14 I, 12 I GG Schutzdefizite ergeben, sind diese vom Gesetzgeber bei der Gesetzgebung und von der Rechtsprechung bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts kraft ihrer Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 III GG auszugleichen. Vor diesem Hintergrund können die einfachgesetzlichen Perspektiven des Schutzes von durch Vorleistung erdienten Versorgungsansprüchen und -anwartschaften ebenso beleuchtet werden wie die Perspektiven des Schutzes von Vertrauen in den Fortbestand zugesagter Erwerbsaussichten (§ 9). Dabei sind zunächst die Perspektiven eines Schutzes über den Schutzzweck betrieblicher Mitbestimmung und über eine positivrechtlich fundierte Billigkeitskontrolle zu betrachten, nachdem bereits in § 7 inzidenter die Rechtfertigung einer gesetzesübersteigenden Inhalts- und Billigkeitskontrolle anzusprechen war. Abschließend sind die Lösungsperspektiven auf Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beleuchten. Dabei wird den in den §§ 7, 8 ermittelten grundrechtlichen Schutzdefiziten ebenso Rechnung zu tragen sein wie dem Befund aus § 7 zur Richtigkeitsgewähr von Betriebsvereinbarungen und dem Zusammenspiel von ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit bei der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG. Der Gedanke des Vertrauensschutzes wird in die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu integrieren sein. Dabei sind die Erkenntnisse aus § 3

38 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

zu durch Teilleistung erdienten Anwartschaften zu berücksichtigen. Es wird zu prüfen sein, ob das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip insoweit nicht auch zur Ermittlung von Kriterien für die Gewichtung der Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer gegenüber den Änderungsinteressen der Betriebspartner nutzbar gemacht werden kann. Im abschließenden 5. Teil der Untersuchung sollen die verbleibenden Fragen der Gewährleistung austeilender Gerechtigkeit skizziert werden. Dabei müssen zunächst die diesbezüglichen verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber beleuchtet werden (§ 10). In der Sache geht es um die Frage eines Schutzauftrages aus den besonderen Gleichheitssätzen des Art. 3 III, II GG und aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG sowie um den sich aus den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien ergebenden Umsetzungsbedarf. Sodann können die einfachgesetzlichen Perspektiven der Wahrung austeilender Gerechtigkeit analysiert werden (§ 11). Da sich der Diskriminierungsschutz seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als Spezialmaterie erweist, der hier nicht weiter nachgegangen werden soll (§ 11 A.), liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Reichweite des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitsgebotes gemäß § 75 I BetrVG (§ 11 B.). Anhand eines Vergleiches mit Funktion und Geltungsgrund des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes soll ein spezifischer Prüfungsmaßstab entwickelt werden. Auch insoweit wird dem Befund aus § 7 zur Richtigkeitsgewähr von Betriebsvereinbarungen Rechnung zu tragen sein. Abschließend soll das Verhältnis der entwickelten Kontrollkriterien im Bereich der beiden Gerechtigkeitsmaximen von iustitia distributiva und iustitia commutativa zueinander beleuchtet werden. Dabei sind insbesondere die Erkenntnisse aus § 9 zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen zu berücksichtigen.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen In den seit jeher bestehenden dogmatischen Kontroversen um die Betriebsvereinbarung spiegelt sich das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgeschäft und Rechtsetzung, Autonomie und Heteronomie, subjektivem und objektivem Recht sowie zwischen privatem und öffentlichem Recht wider.79 Alle genannten dogmatischen Kategorien weisen erhebliche Unterschiede in bezug auf die Anforderungen auf, welche sie an eine gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen stellen.

79

Ähnlich bereits Staschik, Grundfragen zur Betriebsvereinbarung, S. 25.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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Eine Dogmatisierung der Betriebsvereinbarung als Rechtsetzung etwa würfe die Frage nach ihrer Rückführung auf den Willen der einzelnen Arbeitnehmer auf. In Frage stünde damit auch die Parallele zum Tarifvertrag. Dieser ist als durch den autonomen Verbandsbeitritt des Arbeitnehmers legitimierte, durch Art. 9 III GG besonders geschützte Gestaltungsform nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur daraufhin zu überprüfen, ob er gegen das Grundgesetz, gegen höherrangiges Recht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechtes verstößt.80 Insbesondere unterliegt er keiner Billigkeitskontrolle.81 Eine Charakterisierung der Betriebsvereinbarung als heteronome Gestaltungsform hingegen würfe die Frage nach dem Verhältnis zur Privatautonomie und zur Berufsausübungsfreiheit der einzelnen Arbeitnehmer auf. Angesprochen wären damit auch die Bindungen des Privatrechtsgesetzgebers bei der Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes.82 Nicht zuletzt für die Problematik der Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen anhand der Grundrechte ist die damit eng verbundene Einordnung der Betriebsvereinbarung in das öffentliche oder private Recht von ausschlaggebender Bedeutung. Während ein öffentlich-rechtlicher Charakter die unmittelbare Geltung der Grundrechte indizierte, wäre eine solche bei privatrechtlichem Charakter höchst fraglich.83 Die Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis schließlich weist enge Bezüge zu der Frage auf, ob aufgrund einer begünstigenden Betriebsvereinbarung erworbene Rechtspositionen später durch kollektive Regelung entzogen werden können. Damit weist die Frage nach der Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung bereits auf den in § 3 zu behandelnden schuldrechtlichen Erwerb von Rechtspositionen durch die Arbeitnehmer und die in § 4 zu erörternde Problematik, ob die Rechtsposition des Arbeitnehmers nicht bereits ein integraler Bestandteil des Individualarbeitsverhältnisses ist, der von den Betriebspartnern in seinem Bestand nicht mehr beeinflußt werden kann. Die Vielgestaltigkeit der aufgeworfenen Fragen macht es erforderlich, Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen zu bestimmen, um eine Grundlage für die weitere Suche nach Parametern der gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu schaffen. Grundsätzlich kann man zwischen der Rechtsnatur des Regelungsaktes der Betriebsvereinbarung und seiner Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der Ar80 81 82 83

Vgl. S. 31 Fn. 67. Vgl. S. 29 Fn. 59. Dazu unten § 6, S. 235 ff. Zur Frage der unmittelbaren Grundrechtsgeltung unten § 6 B., S. 238 ff.

40 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

beitnehmer differenzieren.84 Diese Unterscheidung ist bereits im Betriebsverfassungsgesetz angelegt, welches das Zustandekommen der Betriebsvereinbarung in § 77 II 1 BetrVG, ihre Rechtswirkung aber in § 77 IV 1 BetrVG regelt. Erst wenn – A. – Regelungsakt und – B. I. – Rechtswirkung der Betriebsvereinbarung dogmatisch erfaßt sind, kann – B. II. – ihr materieller Geltungsgrund und dessen Bedeutung für die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen analysiert werden. Schließlich – C. – kann auch eine Einordnung der Betriebsvereinbarung in die Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht vorgenommen werden.

A. Rechtsnatur des Regelungsaktes Wenn man klären will, welchen Einfluß die Dogmatisierung der Rechtswirkung von Betriebsvereinbarungen auf die Kontrollkriterien bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen hat, muß man zunächst die Frage beantworten, ob und inwieweit bereits die Rechtsnatur des Regelungsaktes die Dogmatisierung der Rechtswirkung beeinflußt. Dabei sind die beiden für die Rechtsnatur des Regelungsaktes wesentlichen Aspekte zu betrachten, nämlich – I. – das Zustandekommen der Betriebsvereinbarung und – II. – die Parteien der Betriebsvereinbarung. I. Zustandekommen der Betriebsvereinbarung 1. Terminologie des Betriebsverfassungsgesetzes als Schlüssel zur Fragestellung Betriebsvereinbarungen sind gemäß § 77 II 1 BetrVG von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zu beschließen. Die amtliche Überschrift des § 77 BetrVG lautet „Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen“. Gemäß § 77 I 1 BetrVG sind Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber von letzterem durchzuführen. Der Gesetzgeber verwendet die Begriffe Vereinbarungen und Beschlüsse synonym. Aus der systematischen Stellung von § 77 II 1 BetrVG zu § 77 I 1 BetrVG läßt sich zwar schließen, daß Betriebsvereinbarungen ein Spezialfall der Vereinbarungen sind.85 Es bleibt jedoch ein Spannungsverhältnis zum Wortlaut des § 77 II 1 BetrVG. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob Betriebsvereinbarungen durch Beschluß zustande 84 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 41; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 15; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 37; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 163; Quasten, Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Betriebsvereinbarungen, S. 32; Strasser, Die Betriebsvereinbarung, S. 73; Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 52 Fn. 25. 85 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 14 f.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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kommen,86 sie insbesondere eine Satzung des Betriebes darstellen,87 oder ob sie durch Vereinbarung,88 insbesondere Vertrag zustande kommen.89 In letzterem Falle stellte sich dann die in den Bereich der Rechtswirkungen hineinreichende Folgefrage, ob Betriebsvereinbarungen wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung gemäß § 77 IV 1 BetrVG wie die Tarifverträge den Normenverträgen zuzurechnen sind.90 2. Historie des § 77 BetrVG Die Historie des § 77 BetrVG gibt keine eindeutigen Hinweise auf den Regelungsakt der Betriebsvereinbarung. Anders als in § 77 I 1 BetrVG war in § 52 I 1 BetrVG 1952 nicht von Vereinbarungen, sondern von gemeinsamen Beschlüssen die Rede.91 Jedoch wollte der Gesetzgeber mit § 77 I und II BetrVG an das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 anknüpfen und die Rechtslage insoweit nicht ändern. Mit § 77 IV, V und VI BetrVG knüpfte man hingegen explizit an das Tarifvertragsgesetz an.92 Vor diesem Hintergrund verlieren die Unterschiede im Gesetzeswortlaut an Gewicht, und der Blick wendet sich einerseits der Rechtsentwicklung zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952, andererseits der Rechtsentwicklung zum Tarifvertragsgesetz zu.

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Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 165; Wadephul, Die Vereinbarungen des Betriebspartner, S. 40. Aus der Zeit vor Inkrafttreten des BetrVG 1972 Adomeit, BB 1962, 1246 (1248 f.); Adomeit, Regelungsabrede, S. 101; Herschel, RdA 1948, 47 (49); offengelassen bei Bogs, RdA 1956, 1 (5). 87 Herschel, Festschrift für Küchenhoff I, S. 245 (S. 255); Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 205; wohl auch Reuter, RdA 1994, 152 (158): „Verbandsregelungen“. 88 Grundlegend Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 22 III 4, S. 351. 89 So die heute herrschende Meinung Brune, AR-Blattei SD 520 Betriebsvereinbarung Rz. 62 i.V. m. Rz. 55; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (296); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 222 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 35 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 97 i.V. m. S. 141. Gegen eine Einordnung als Vertrag jedoch einst Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 22 II, S. 348 (Vereinbarung). 90 Bejahend BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 17.02.1992 – 10 AZR 448/91 –, AP Nr. 1 zu § 84 ArbGG 1979, Bl. 3R; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (297); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 223; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 169; Galperin/Löwisch, BetrVG6, § 77 Rz. 6; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 26; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 96. Ebenso bereits A. Hueck, JherJB 73 (1923), 33 (42). – Grundlegend für den Begriff des Normenvertrages im Tarifvertragsrecht Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I, S. 98. 91 Darauf weisen zu Recht hin Kreutz, Betriebsautonomie, S. 15; GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 35 a. E.; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 4. 92 BT-Drucksache VI/1786, S. 47.

42 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

a) Anknüpfung an das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 ist, ähnlich wie später auch das Betriebsverfassungsgesetz von 1972, nach harten politischen Kontroversen zustande gekommen.93 In den §§ 58 II, 61 I Eingangssatz, 61 II des Regierungsentwurfes wurde der Begriff „Betriebssatzung“ verwandt.94 Darunter sollte „das in Selbstverwaltung geschaffene eigenständige soziale Recht des Betriebes“ verstanden werden.95 Damit lehnte sich der Regierungsentwurf an die Herschelsche Satzungstheorie an, wonach die Betriebsvereinbarung als betrieblicher Gesetzgebungsakt zu verstehen ist, der durch gleichlautende, parallele Beschlüsse von Arbeitgeber und Betriebsrat als den „Organen des Betriebes“ zustande kommt.96 In Kontrast zum Regierungsentwurf stand insofern der Entwurf der CDU/CSUBundestagsfraktion, der in den §§ 30 I 1, 30 II, 31 I, 31 II 2, 32 I, 38 III97 den Begriff „Vereinbarungen“ verwandte. In der Begründung zu den §§ 30, 31 dieses Entwurfes wurde betont, daß durch den Abschluß von Verträgen den beiden Parteien des Arbeitsvertrages gegenüber ihre Gleichberechtigung bekräftigt werde.98 Der Bundestagsausschuß für Arbeit übernahm zwar den tradierten Begriff der Betriebsvereinbarung in § 52 II 1 seines Gesetzentwurfes, formulierte aber zugleich, daß die Betriebsvereinbarungen durch Arbeitgeber und Betriebsrat beschlossen würden,99 ohne die Frage, ob die Betriebsvereinbarungen schuldrechtliche Verträge mit normativer Wirkung oder aber durch Beschlüsse der Betriebspartner gesetzte Betriebsstatute seien, damit entscheiden zu wollen.100 Die Fassung des Bundestagsausschusses für Arbeit ist insoweit unverändert Gesetz geworden. Der Konflikt wurde damit der Rechtsprechung und der Lehre zur Klärung überantwortet. b) Anknüpfung an das Tarifvertragsrecht Der Anknüpfung von § 77 IV, V und VI BetrVG an den Tarifvertrag101 läßt sich für den Regelungsakt der Betriebsvereinbarung unmittelbar nichts entneh93 Dietz, BetrVG4, Vorbemerkungen zu § 1 Rz. 10; MünchArbR2 /v. HoyningenHuene, § 297 Rz. 51 f.; Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 16 f. Ausführliche Darstellung bei Reichold, Sozialprivatrecht, S. 370 ff. 94 Regierungsentwurf, BT-Drucksache I/1546, S. 17 f. = RdA 1950, 343 (346). 95 Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache I/1546, S. 52 = RdA 1950, 375 (380). 96 Herschel, RdA 1948, 47 (49). 97 Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drucksache I/970, 9–11 = RdA 1950, 224 (226). 98 Begründung zum Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drucksache I/ 970, S. 23. 99 BT-Drucksache I/3585, S. 29. 100 Bericht des Abgeordneten Sabel, BT-Drucksache I/3585, S. 10 = RdA 1952, 281 (288).

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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men, da die genannten Absätze sich mit den Wirkungen der Betriebsvereinbarung befassen. Jedoch hat der Gesetzgeber sich auf ein Rechtsgebiet bezogen, daß maßgeblich von Vereinbarungs- und vor allem Vertragsvorstellungen102 und nicht von Beschluß- und Satzungsvorstellungen beherrscht ist. Zwar hat man bei Schaffung des Tarifvertragsgesetzes bewußt auf eine Definition des Tarifvertrages verzichtet.103 Diese vermeintliche dogmatische Offenheit des Tarifvertragsgesetzes wird jedoch eingeschränkt durch den angedeuteten dogmengeschichtlichen Kontext sowie die Koalitionsbetätigungsfreiheit gemäß Art. 9 III GG. Jedenfalls deutet die Anlehnung an den Tarifvertrag hinsichtlich der Normwirkungen darauf hin, daß der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 unausgesprochen an die Lehre vom Normenvertrag anschließen wollte. Gleichwohl bedarf diese These einer Absicherung im Hinblick auf die im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 verwandte Terminologie und deren dogmatischen Hintergrund. 3. Zu den Rechtsbegriffen Beschluß, Satzung, Vereinbarung und Vertrag Die in § 77 BetrVG verwandte Terminologie lenkt den Blick auf die dogmatisch relevanten Unterschiede zwischen Beschluß und Vereinbarung, aber auch auf die in die literarische Diskussion eingeführten Rechtsinstitute Satzung und Vertrag, und zwar im Hinblick auf die spezifische Situation bei der Betriebsvereinbarung. Beschluß, Satzung, Vereinbarung und Vertrag sind sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht bekannt. Mit diesen Instituten sind zugleich spezifische Vorstellungen über ihre Rechtswirkungen verbunden, so daß sich die oben postulierte Trennung von Regelungsakt und Regelungswirkung der Betriebsvereinbarung relativiert. Wesentliches Merkmal des privatrechtlichen Vertrages ist der Konsens aller Vertragsparteien104 hinsichtlich der essentialia negotii. Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ergibt sich nichts anderes,105 da dessen Dogmatik insoweit in Anlehnung an das Privatrecht entwickelt worden ist.

101

BT-Drucksache VI/1786, S. 47. Ein Zustandekommen durch Vertragsschluß entspricht der heute wohl allgemeinen Ansicht, vgl. nur MünchArbR2 /Löwisch/Rieble, § 253 Rz. 2 f.; H. Wiedemann/ Thüsing, TVG7, § 1 Rz. 1. Differenzierend einst Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 15 III, S. 264 f. 103 Herschel, ZfA 1973, 183 (186). Vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Tarifvertragsgesetzes, aufgestellt vom Gewerkschaftsrat der Vereinigten Zonen, September 1948, ZfA 1973, 144 (146). 104 Larenz/M. Wolf, AT9, § 23 Rz. 11 f. 105 Knack/Henneke, VwVfG8, § 54 Rz. 30; Kopp/Ramsauer, VwVfG9, § 54 Rz. 18. 102

44 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Das öffentliche Recht kennt Beschlüsse als Mittel der Willensbildung verfaßter Kollegialorgane.106 Diese Kollegialorgane repräsentieren regelmäßig zumindest mittelbar eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Im Privatrecht hingegen werden durch Beschlüsse die inneren Rechtsverhältnisse von Personenmehrheiten gestaltet.107 Beschlüsse können sowohl von den Mitgliedern und Organen verfaßter Körperschaften gefaßt werden108 als auch von Mitgliedern kraft Vertrages gebildeter Gemeinschaften, welche diese Verfaßtheit nicht aufweisen.109 Der Grad der Verfaßtheit der Personenmehrheit ist mithin kein relevantes Kriterium für das Vorliegen eines Beschlusses. Neben den durch Rechtsgeschäft entstandenen Personenmehrheiten kennen auch kraft Gesetzes bestehende Personenmehrheiten den Beschluß als Instrument der Willensbildung.110 Daß es auf den Entstehungstatbestand der Personenmehrheit für die Fähigkeit, einen Beschluß zu fassen, nicht ankommen kann, wird belegt durch Beschlüsse in Gemeinschaften, welche sowohl mittels Rechtsgeschäft als auch kraft Gesetzes entstehen können, wie etwa Bruchteilsgemeinschaft111 oder Erbengemeinschaft.112 Für die Betriebsvereinbarung folgt hieraus, daß die Betriebspartner jedenfalls keine Körperschaft im Rechtssinne

106 So beispielsweise beim Bundestag (Art. 42 II 1, 77 I 1 GG), bei den Untersuchungsausschüssen des Bundestages (Art. 44 IV 1 GG), beim Bundesrat (Art. 52 III 1, 77 IIa GG, § 32 GO BR), bei der Bundesregierung (Art. 65 S. 4 GG, §§ 15 I, 15a I, 20 I, 24 II 1, 25, 26 I 1 GeschO BReg), beim Gemeinsamen Ausschuß von Bundestag und Bundesrat (§§ 13 I, 14 S. 2 u. 3 GO GemAussch) und beim Vermittlungsausschuß nach Art. 77 GG (§§ 8, 12 I GO VermAussch). 107 Flume, AT II4, § 33.2, S. 602; Enneccerus/Nipperdey, AT II15, § 146 IV, S. 912. 108 So beim bürgerlichrechtlichen Verein (§§ 28 I, 32 I 1 BGB), bei der Aktiengesellschaft (§§ 77 II 3, 89, 103, 108, 113, 133 AktG), der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 47 I GmbHG) und der eingetragenen Genossenschaft (§§ 16, 36, 43, 47, 51, 78 GenG). 109 So bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 712 I BGB), der offenen Handelsgesellschaft (§§ 119 I, 113 II HGB) und der Kommanditgesellschaft (§§ 161 II, 119 I HGB und §§ 161 II, 113 II HGB für die Komplementäre). 110 So der Gläubigerausschuß (§ 72 InsO, ebenso bereits § 90 KO) und die Gläubigerversammlung (§ 76 II InsO, ähnlich bereits § 94 II 1 KO) im Insolvenzverfahren. 111 § 745 I 1 BGB. Durch Rechtsgeschäft entstehen zum Beispiel die Forderungsgemeinschaft nach gemeinschaftlichem Verkauf eines Grundstücks [BGH, Urteil vom 13.01.1984 – V ZR 55/83 –, NJW 1984, 1356 (1357)] und die Forderungsgemeinschaft aus einem von Eheleuten geschlossenen Kaufanwärtervertrag [BGH, Urteil vom 03.11.1983 – IX ZR 104/82 –, NJW 1984, 795 (796)]. Bruchteilsgemeinschaft als gesetzliche Folge eines Realaktes gibt es bei Verbindung (§ 947 I BGB), Vermischung (§ 948 BGB), Vereinigung von Bienenschwärmen (§ 963 BGB), Schatzfund (§ 984 BGB), Vermischung bei Sammellagerung (§ 419 II HGB), Wertpapiersammelverwahrung (§ 6 I DepotG). 112 §§ 2038 II 1, 745 I 1 BGB. Entstehung der Erbengemeinschaft durch gesetzliche Erbfolge gemäß den §§ 1924 ff. BGB einerseits, durch rechtsgeschäftliche Erbfolge infolge Testaments (§§ 2064 ff. BGB) oder Erbvertrags (§§ 2274 ff. BGB) andererseits.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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bilden müssen, um das Zustandekommen der Betriebsvereinbarung als Beschluß qualifizieren zu können. Für Beschlüsse reicht in vielen Fällen die Mehrheit der Stimmberechtigten aus, ohne daß – wie beim Vertrag – das Einvernehmen aller Beteiligten erforderlich wäre.113 Allerdings kennt das Gesetz neben den Mehrheitsbeschlüssen auch solche, die Einstimmigkeit erfordern, zum Beispiel in § 709 I BGB.114 Für die Betriebsvereinbarung scheidet damit die Einordnung als Beschluß nicht bereits deshalb aus, weil ihr Zustandekommen gemäß § 77 II 1 BetrVG Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfordert. Jedoch ist bei der Betriebsvereinbarung eine Unterscheidung zwischen Mehrheitsbeschluß und einstimmigem Beschluß oder vertraglichem Konsens nicht ohne weiteres möglich. Denn bei zwei Beteiligten bedeutet die Mehrheit immer auch Einstimmigkeit. Letztere ist wiederum ihrerseits vom vertraglichen Konsens nicht ohne weiteres zu unterscheiden.115 Auch die Interessenlage führt für die Unterscheidung von Beschluß und Vertrag nicht weiter, da ein Vertrag – wie die Eheschließung und der Gesellschaftsvertrag belegen – ebensowenig zwingend diametrale Interessen voraussetzt wie ein Beschluß in Form der Mehrheitsentscheidung gleiche Interessen von Mehrheit und Minderheit.116 Für den einstimmigen Beschluß gilt nichts anderes, da mit ihm die Beschlußfassenden nicht notwendig gleiche Interessen verfolgen müssen. Damit aber wird die Übernahme des aus dem Völkerrecht stammenden117 Rechtsinstituts der Vereinbarung in das Betriebsverfassungsrecht,118 wie sie einst Jacobi119 im Hinblick auf das mit der Betriebsvereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat verfolgte gemeinsame Regelungsinteresse vorgeschlagen hat, überflüssig. Auch ein Blick auf die Rechtswirkungen der Betriebsvereinbarung, wie ihn die Einordnung als Satzung nahelegt, hilft nicht weiter. Denn privatrechtliche Satzungen kommen jedenfalls nicht durch Beschluß zustande, bevor eine bereits in irgendeiner Weise verfaßte Personenmehrheit besteht, deren Rechtsverhältnisse die Satzung regeln soll. Ob man dieses Zustandekommen, zum Beispiel 113 So v. Tuhr, AT I, § 36 IV, S. 514 f. für den Vereinsbeschluß. Verallgemeinernd v. Tuhr, AT II/1, § 53 IV, S. 235 f. Diesem folgend Flume, AT II4, § 33.2, S. 602. Ebenso Larenz/M. Wolf, AT9, § 10 Rz. 66. 114 Hierauf verwies bereits Adomeit, Regelungsabrede, S. 97. 115 Ähnlich bereits F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 222; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 164 f. 116 So zu Recht Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 164. 117 Grundlegend Binding, Festgabe für Windscheid, S. 1 (S. 69). Ferner Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte2, S. 204 ff.; Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, S. 49 ff. 118 Im Ergebnis ebenso Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 164. 119 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 22 II, S. 348.

46 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

bei der Gründung eines Vereins, nun als Vertrag120 oder als schöpferischen Gesamtakt121 charakterisiert, ist unerheblich. Auch wenn man den Satzungscharakter in Anlehnung an das öffentliche Recht begründen wollte, ergäbe sich nichts anderes. Voraussetzung für einen Vergleich mit der Gesetzgebung im Zweikammersystem122 ist das Bestehen einer Verfaßtheit im Sinne einer kollegialen Struktur.123 Letztlich entscheidend ist also, daß ein Beschluß nur die inneren Rechtsverhältnisse einer Personenmehrheit oder juristischen Person ordnen kann.124 Daher kann zur Unterscheidung von Beschluß und Vertrag nur darauf abgestellt werden, ob die Beteiligten bei dem Rechtsgeschäft als vorher unverbundene Rechtssubjekte zusammentreffen oder ob sie bereits eine Personenmehrheit bilden, in deren Zweckbestimmung sie tätig werden und so deren innere Rechtsverhältnisse regeln.125 Es geht also um die Existenz eines „zweckbestimmten Wirkungsbereiches“126 der Betriebspartner. Damit stellt sich bei der Betriebsvereinbarung die Frage nach dem Verhältnis der Betriebspartner zueinander. 4. Rechtsbeziehung der Betriebspartner Die vorangegangene Analyse hat bereits ergeben, daß die Rechtsordnung Beschlüsse innerhalb von Personenmehrheiten völlig unterschiedlicher Verfaßtheitsgrade anerkennt. Es stellt sich zunächst die Frage der Abgrenzung des zweckbestimmten Wirkungsbereiches, das heißt des Vorliegens eines Bereiches der inneren Verhältnisse einer Personenmehrheit, innerhalb dessen die Betriebspartner tätig werden. Dieser läßt sich nicht anhand allgemeiner Kriterien, sondern nur konkret im Hinblick auf die spezifische Personenmehrheit feststel-

120 So für die Vereinssatzung auf Grundlage der Vertragstheorie BayObLG, Urteil vom 14.01.1977 – RReg. 2 Z 246/75 –, BayObLGZ 1977, 6 (9 f.); Staudinger13 / Weick, § 25 BGB Rz. 15 und Vorbemerkungen zu §§ 21 ff. BGB Rz. 48; auf Grundlage der modifizierten Normentheorie RG, Urteil vom 29.10.1940 – VII 44/40 –, RGZ 165, 140 (143 f.); BGH, Urteil vom 04.10.1956 – II ZR 121/55 –, BGHZ 21, 370 (373); BGH, Urteil vom 06.03.1967 – II ZR 231/64 –, BGHZ 47, 172 (179). 121 So für die Vereinssatzung auf Grundlage der Normentheorie Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, § 9 II, S. 47; zustimmend Larenz, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 45 (S. 48 f.). MK-BGB5 /Reuter, § 25 BGB Rz. 17 f. 122 So insbesondere Herschel, RdA 1948, 47 (49). 123 Adomeit, Regelungsabrede, S. 92; Adomeit, BB 1962, 1246 (1248); A. Hueck/ Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 E II, S. 1273; Säcker, AR-Blattei D-Blatt Betriebsvereinbarung I, 9. Forts.-Blatt R. 124 Grundlegend v. Tuhr, AT II/1, § 53 IV, S. 236. 125 In diese Richtung für die Betriebsvereinbarung zuerst Adomeit, Regelungsabrede, S. 97. Ebenso später F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 222; zustimmend Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 165. 126 Baltzer, Der Beschluß, S. 45.

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len.127 Damit aber wird die Abgrenzung letztlich zur Wertungsfrage.128 Auf Überlegungen zum Verbandsbegriff129 kommt es dabei nicht an. Ausgangspunkt für die Betrachtung des Verhältnisses der Betriebspartner zueinander ist der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 I BetrVG. Die damit verbundene Bindung an das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes ist jedoch nicht ohne weiteres schon ein zweckbestimmter Wirkungsbereich im oben genannten Sinne. Es kommt vielmehr darauf an, ob damit tatsächlich eine gemeinsame Zweckverfolgung verbunden ist.130 Wie bereits erwähnt, sollte durch § 77 I und II BetrVG 1972 die Rechtslage gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 nicht geändert werden.131 Der Regierungsentwurf zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952 verstand den Betrieb als rechtlich relevante Einheit. § 3 I des Regierungsentwurfes definierte den Betrieb als Arbeitsverband von Arbeitgebern und Arbeitnehmern132 und knüpfte damit an die in v. Gierkescher Tradition133 stehenden, maßgeblich von Sinzheimer134 geprägten Verbandslehren aus der Zeit des Betriebsrätegesetzes von 1920 an.135 In nur teilweisem Kontrast zu der ständisch-korporatistischen Gedankenwelt des Regierungsentwurfes stand der vorangegangene Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der zwar einerseits in § 1 I136 von einer von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gebildeten Betriebsgemeinschaft sprach und damit gleichfalls den Weimarer Verbandslehren nahestand, andererseits aber in § 29 I137 die Gleichberechtigung der Arbeitsvertragsparteien betonte und so den Vertragsgedanken als Fundament auch der Betriebsverfassung andeutete. Der Bundestagsausschuß für Arbeit, dessen Entwurf insoweit unverändert Gesetz wurde, hat jedoch diese Problematik, welche hinter der Frage steht, ob die Betriebsvereinbarungen schuldrechtliche Verträge mit normativer Wirkung oder aber durch 127

Baltzer, Der Beschluß, S. 46 f. Baltzer, Der Beschluß, S. 48 im Anschluß an die Kulturphilosophie von Litt, Individuum und Gemeinschaft, S. 92 ff., 116 ff. – Vgl. insbesondere bei Litt, Individuum und Gemeinschaft, S. 94 [„Leitbild“] und S. 95 [„funktionelle Verbundenheit“]. 129 So aber Kessal-Wulf, Die Innenverbände, S. 321 ff.; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 54 ff.; Reuter, ZfA 1993, 221 (229 f.); Reuter, RdA 1994, 152 (157). Früher bereits Galperin, RdA 1959, 321 (324 f.). 130 So zu Recht Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 87; ähnlich Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540. 131 BT-Drucksache VI/1786, S. 47. 132 Regierungsentwurf, BT-Drucksache I/1546, S. 3 = RdA 1950, 343 (343). 133 v. Gierke, Genossenschaftsrecht I, § 66 B I 3 a, S. 911. 134 Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts2, S. 217. 135 So der Befund von Reichold, Sozialprivatrecht, S. 381. Zu den Verbandslehren der Weimarer Zeit ausführlich ebd., S. 314–318 m.w. N. 136 Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drucksache I/970, S. 2 = RdA 1950, 224 (224). 137 Entwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, BT-Drucksache I/970, S. 8 f. = RdA 1950, 224 (225). 128

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Beschlüsse der Betriebspartner gesetzte Betriebsstatute sind, bewußt offengelassen.138 Gleichwohl war das Verständnis des Prinzips der vertrauensvollen Zusammenarbeit in § 49 BetrVG 1952 noch von ständisch-korporatistischen Gedanken im Hinblick auf die Betriebsgemeinschaft geprägt, was mit dem Verständnis des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis in engem Zusammenhang stand.139 Jedenfalls für § 2 I BetrVG 1972 kann angesichts des Paradigmenwechsels vom Status- zum Vertragsrecht, wie er in der Aufgabe der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis zum Ausdruck kommt, nicht das gleiche gelten,140 wie sich letztlich unter Rückgriff auf den Regelungszweck des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 zeigt. Dieser liegt in der Moderation des Interessenkonfliktes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern,141 nicht jedoch in dessen Aufhebung. Dies zeigt § 2 I BetrVG, der mit der Erwähnung des Arbeitnehmerwohls einerseits und des Betriebswohls andererseits den Interessengegensatz einräumt. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 setzt insoweit eine bipolare Struktur voraus.142 Die von § 2 I BetrVG geforderte vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspartner bringt daher auch keinen gemeinsamen Zweck – wie etwa die gemeinschaftliche Verwaltung betrieblicher Angelegenheiten143 – zum Ausdruck, sondern bezeichnet lediglich die Grenzen bei der Interessenwahrnehmung durch die Betriebspartner.144 Ein gemeinsamer Zweck liegt auch nicht in dem vom Arbeitgeber verfolgten Betriebszweck.145 Denn zum einen fehlt es an einer Beteiligung der Arbeitnehmerseite an der Zwecksetzung. Dieser wird vielmehr einseitig vom Arbeitgeber 138 Bericht des Abgeordneten Sabel, BT-Drucksache I/3585, S. 10 = RdA 1952, 281 (288). 139 So der Befund von Reichold, Sozialprivatrecht, S. 377 f. m.w. N. 140 In diese Richtung bereits Reichold, Sozialprivatrecht, S. 358 ff., 398, 542 und passim. 141 Ähnlich zum BetrVG 1952 W. Müller, Die Grenzen der normativen Gestaltungswirkung der Betriebsvereinbarung, S. 12; Neumann-Duesberg, RdA 1962, 404 (406); A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 E III, S. 1273; zum BetrVG 1972 v. Hoyningen-Huene, Festschrift für Stahlhacke, S. 173 (S. 178 f.); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 88 f. 142 Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 14; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 25 f.; MüllerFranken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 100; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 83. 143 So aber Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 96; Reuter, Ordo 36 (1985), 51 (57); Reuter, RdA 1994, 152 (157); diesen folgend Kessal-Wulf, Die Innenverbände, S. 333. 144 GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 83; Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 757); ähnlich Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 22. 145 So aber Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 9; Adomeit, Arbeitsrecht für die 90er Jahre, S. 5; Reuter, ZfA 1993, 221 (230). Anders aber zuvor noch Reuter, Die Stellung des Arbeitsrechts in der Privatrechtsordnung, S. 23.

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bestimmt.146 Zum anderen kommt als Zuordnungspunkt des Betriebszweckes auch nicht der Betriebsrat, sondern allenfalls die Belegschaft oder die einzelnen Arbeitnehmer in Betracht. Die Belegschaft macht sich aber die Förderung des Betriebszweckes ebensowenig zu eigen wie ihre Mitglieder, die einzelnen Arbeitnehmer, dies durch das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses tun. Denn das Arbeitsverhältnis ist auf den Austausch von Arbeitsleistung gegen Entgelt gerichtet. Die Arbeitsleistung wird also um des Entgelts willen erbracht.147 Die Förderung des Betriebszweckes ist dabei aus Arbeitnehmersicht lediglich ein mittelbares Ziel. Für einen gemeinsamen Zweck, auch etwa im Sinne einer Sicht des Arbeitsverhältnisses als Mischform aus Dienstverhältnis und Gesellschaft bürgerlichen Rechts,148 genügen aber weder eine gemeinsame Motivation oder ein gemeinsames Endziel149 noch ein gemeinsames Interesse an der Funktionsfähigkeit des Unternehmens.150 Vielmehr bedarf es einer gleichgerichteten und unmittelbaren Beziehung der beiderseitigen Leistungspflichten auf den gemeinsamen Zweck, woran es hinsichtlich des Verhältnisses von Betriebszweck und Arbeitsleistungspflicht wegen des Arbeitsentgeltes gerade fehlt.151 Daran ändert auch § 706 III BGB nichts,152 da diese Norm das Fehlen einer unmittelbaren Gegenleistung voraussetzt.153 Wer einen – jedenfalls überwiegend – gewinnunabhängigen Entgeltanspruch hat, kann überdies nicht Gesellschafter sein.154 Der Betriebszweck ist mithin kein unmittelbar gemeinsamer Zweck von Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Ebensowenig wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt eine Gemeinschaft im Rechtssinne in Betracht, da die dazu erforderliche Vermögensgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern nicht besteht.155 Auch ein anderweitiger überindividueller Zweck156 läßt sich

146 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 183; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 89; zustimmend Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 87. Ähnlich Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540. 147 Becker, Sonderzuwendungen, S. 21; Lieb, in: Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber?, S. 41 (S. 44). 148 So Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 11; Adomeit, Arbeitsrecht für die 90er Jahre, S. 7. 149 MK-BGB4 /Ulmer, § 705 BGB Rz. 147. 150 MünchArbR2 /Richardi, § 8 Rz. 13. 151 Becker, Sonderzuwendungen, S. 21; Lieb, in: Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber?, S. 41 (S. 44). 152 Hierauf stützt sich jedoch Adomeit, Gesellschaftsrechtliche Elemente, S. 9 f.; Adomeit, Arbeitsrecht für die 90er Jahre, S. 5. 153 Lieb, in: Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber?, S. 41 (S. 47). 154 Reuter, Die Stellung des Arbeitsrechts in der Privatrechtsordnung, S. 23; ähnlich Lieb, in: Arbeitnehmer oder Arbeitsteilhaber?, S. 41 (S. 45). 155 So aus individualarbeitsrechtlicher Sicht auch Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 33. 156 Zum Erfordernis eines überindividuellen Verbandszweckes K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, § 4 I 2 b, S. 62 f., § 4 II 1, S. 64 f.

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jedenfalls nicht positiv nachweisen.157 Damit scheidet die Annahme eines übergeordneten, Arbeitgeber und Belegschaft umfassenden Betriebsverbandes aus.158 Fehlt es damit an einem zweckbestimmten Regelungsbereich im oben genannten Sinne, scheidet auch ein Zustandekommen der Betriebsvereinbarung durch Beschluß aus. Sie kommt durch Vertrag zustande. Gegen dieses Ergebnis läßt sich nicht einwenden, daß gemäß § 77 II 2 BetrVG Betriebsvereinbarungen auch durch Spruch der Einigungsstelle zustande kommen können und dieser wiederum gemäß § 76 III 1 BetrVG nach dem Mehrheitsprinzip als Beschluß zustande kommt. Zwar ist so ein einheitliches Zustandekommen der Betriebsvereinbarung nicht gewährleistet,159 jedoch nimmt das Gesetz dies hin. Denn gemäß § 87 II 2 BetrVG soll der Spruch der Einigungsstelle die Einigung der Betriebspartner lediglich ersetzen; er ist also lediglich Vertragsersatz.160 II. Parteien der Betriebsvereinbarung Steht damit fest, daß Betriebsvereinbarungen durch Vertrag zustande kommen, schließt sich die Frage an, wer neben dem Arbeitgeber Partei dieses Vertrages ist. Auf der Arbeitnehmerseite kommen hierfür der Betriebsrat, die als Gesamtheit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer verstandene Belegschaft und die einzelnen Arbeitnehmer in Betracht. Eine Parteistellung der Belegschaft würde eine Parallele zum Recht der öffentlichen oder privaten Verbände nahelegen. Die Grenzen nachfolgender Betriebsvereinbarungen ergäben sich dann aus dem Mitgliedschaftsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zur Belegschaft. Hingegen würde die Annahme eines Vertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, rechtsgeschäftlich161 oder gesetzlich162 vertreten durch den Betriebsrat, eine rechtsgeschäftliche Wirkung der Betriebsvereinbarung auf die Arbeitsverhältnisse der einzelnen Arbeitneh157 Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 91 m.w. N. 158 Im Ergebnis ebenso etwa Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 22; MünchArbR2 /v. Hoyningen-Huene, § 299 Rz. 36; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 223; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 101 f.; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 23; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 91 f.; Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 757). Zum BetrVG 1952 bereits Bickel, ZfA 1971, 181 (188 f.); A. Hueck/ Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 E III, S. 1273, § 52 D, S. 1093 f. 159 So kritisch Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 165. 160 Heinze, ZfA 1988, 53 (85 f.); Leipold, Festschrift für Schnorr von Carolsfeld, S. 273 (S. 276 f.); Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 46 IV 4, S. 547; Ottmann, Das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, S. 49; Weitnauer, Festschrift für Duden, S. 705 (S. 716 f.); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 96 f. 161 Für den Tarifvertrag Ramm, Die Parteien des Tarifvertrages, S. 89.

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mer nahelegen.163 Nachfolgende Betriebsvereinbarungen stellten sich dann als einvernehmliche Vertragsänderungen dar. Damit wäre die Frage nach den Grenzen der Vertretungsmacht des Betriebsrates und den Folgen ihrer Überschreitung aufgeworfen. Im bürgerlichen Recht ist ein durch Stellvertreter geschlossener Vertrag auch bei mißbrauchter Vertretungsmacht regelmäßig wirksam, wenn nicht der Mißbrauch der Vertretungsmacht evident ist oder ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil des Vertretenen vorliegt.164 Wenn für nachfolgende Betriebsvereinbarungen etwas anderes gelten sollte, müßte dies anhand spezifischer betriebsverfassungsrechtlicher Wertungen begründet werden. Wäre der Betriebsrat selbst hingegen Partei der Betriebsvereinbarung, hingen die Kontrollkriterien für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung von ihrer insoweit noch nicht präjudizierten Wirkungsweise und ihrem Geltungsgrund gegenüber den Individualarbeitsverhältnissen ab. Angesichts der Regelung in § 77 I 1, II 1 BetrVG liegt es nahe, Arbeitgeber und Betriebsrat als Parteien der Betriebsvereinbarung anzusehen.165 Ein – allerdings nicht zwingendes – Indiz für die Parteistellung des Betriebsrates ist auch § 77 IV 2 BetrVG, wonach der arbeitnehmerseitige Verzicht auf durch Betriebsvereinbarung eingeräumte Rechte nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich ist.166 1. Funktionelle versus materielle Betrachtungsweise Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der gesetzlich zugewiesenen Funktion des Betriebsrates.167 Eine solche Argumentation verbietet sich nicht nur wegen der mit ihr verbundenen Ausblendung materieller Kriterien,168 sondern vor allem, weil sie den Unterschied zwischen subjektivem Recht und Funktion ignoriert.169 Diese Differenzierung ist jedoch im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 angelegt, da es sich – wie bereits das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 162 So zum BetrVG 1952 noch E. Wolf, Anm. AP Nr. 138 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 5/5R. 163 Dazu unten § 2 B. I. 1., S. 60 f. 164 Palandt66 /Heinrichs, § 164 BGB Rz. 13 f. 165 In diese Richtung etwa Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 146 f.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 16. 166 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 39; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 128. 167 So aber mit privatrechtlichem Ausgangspunkt Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 111 II 3, S. 342 i.V. m. § 107 II 1, S. 264; mit öffentlich-rechtlichem Ausgangspunkt Molitor, 1. Festschrift für Herschel, S. 105 (111 f.). 168 So zu Recht Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 117. 169 Richardi, Festgabe für v. Lübtow, S. 755 (756 f.); Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 96; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 117 f. Ähnlich A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 52 A I 2, S. 1085, die jedoch Zusammenhänge zwischen Funktion und subjektivem Recht sehen.

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– im Gegensatz zum Betriebsrätegesetz von 1920 nicht mehr auf eine formelle Beteiligung des Betriebsrats beschränkt, sondern materielle Beteiligungsrechte einräumt.170 Deshalb ist eine Klärung der Frage erforderlich, wer Träger der vom Betriebsrat wahrgenommenen Beteiligungsrechte ist,171 um letztlich die Frage der Parteistellung beantworten zu können. 2. Zuordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte auf der Arbeitnehmerseite Anders als auf der Arbeitgeberseite ist es auf seiten des Betriebsrates keineswegs eindeutig, wem die von ihm durch den Abschluß einer Betriebsvereinbarung wahrgenommenen Mitwirkungsrechte zustehen. Dies können der Betriebsrat selbst, die Belegschaft oder die einzelnen Arbeitnehmer sein. Im folgenden soll diese Frage exemplarisch anhand der beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung ausgeübten Mitwirkungsrechte beantwortet werden. Dort ergibt sich die Besonderheit, daß sich zum einen hinsichtlich des dabei tangierten172 Mitbestimmungsrechtes aus § 87 I Nr. 10 BetrVG173 die Frage stellt, ob dieses Mitbestimmungsrecht materiell dem Betriebsrat oder den Arbeitnehmern zuzuordnen ist, und daß sich zum anderen hinsichtlich des nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmens174 und der ebenfalls mitbestimmungsfreien Zwecksetzung175 die 170 Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 117. Zum BetrVG 1952 Adomeit, Regelungsabrede, S. 19 f.; zustimmend Reichold, Sozialprivatrecht, S. 388. 171 Zur Bedeutung dieser Frage Reichold, Sozialprivatrecht, S. 307 f. 172 Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht wegen der durch § 1a BetrAVG ausgelösten Regelungssperre des § 87 I Eingangssatz BetrVG bei der arbeitnehmerfinanzierten Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Blomeyer, BetrAV 2001, 501 (506); Rieble, BetrAV 2001, 584 (591 f.). 173 Ständige Rechtsprechung seit BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3–4; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R–5. 174 Ständige Rechtsprechung seit BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R/4; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4/4R. 175 Grundlegend BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 5; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R/5. In der Folge auch BAG, Beschluß vom 18.03.1976 – 3 ABR 32/75 –, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 2R. Ebenso zu § 87 I Nr. 8 BetrVG

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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Frage stellt, welche Aussage § 88 BetrVG hinsichtlich der Partei auf Arbeitnehmerseite trifft. § 88 BetrVG enthält nämlich kein subjektives Recht, sondern ist lediglich Ausdruck der funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrates,176 von der jedenfalls die hier interessierenden freiwilligen Sozialleistungen erfaßt sind.177 Insoweit ist die Frage aufgeworfen, ob letztlich hinsichtlich des Dotierungsrahmens und der Zwecksetzung der Betriebsrat nicht Rechte der Arbeitnehmer ausübt, wenn und soweit auch Dotierungsrahmen und Zwecksetzung der betrieblichen Altersversorgung in der Betriebsvereinbarung geregelt werden, der Arbeitgeber also von seiner Möglichkeit, diese ohne Mitwirkung des Betriebsrats einseitig vorzugeben, keinen Gebrauch gemacht hat. a) Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG Hinsichtlich des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG kommt zunächst in Betracht, daß der Betriebsrat eigene Rechte wahrnimmt178 und damit Partei der Betriebsvereinbarung ist.179 Denkbar ist aber auch, daß die Arbeitnehmer des Betriebes, sei es als kollektiv verstandene Belegschaft,180 sei es BAG, Urteil vom 26.04.1988 – 3 AZR 168/86 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R. 176 BAG, Beschluß vom 19.05.1978 – 6 ABR 25/75 –, AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R; Richardi, BetrVG10, § 88 Rz. 6 m.w. N.; GK-BetrVG8 /G. Wiese, § 88 Rz. 7, vor § 87 Rz. 3 m.w. N. Zu § 57 BetrVG 1952 schon BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2; BAG, Urteil vom 27.03.1963 – 4 AZR 72/62 –, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG, Bl. 3; BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R/3; Dietz, BetrVG4, § 57 Rz. 2 m.w. N.; A. Hueck/Nipperdey/Säkker, Arbeitsrecht II/27, § 70 C, S. 1403. 177 Insoweit im Ergebnis trotz ihres restriktiven Ansatzes mit der h. M. übereinstimmend selbst Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 273 f. 178 Boemke, ZfA 1992, 473 (483); Heinze, ZfA 1988, 53 (62); v. Hoyningen-Huene, RdA 1992, 355 (356 f.); MünchArbR2 /v. Hoyningen-Huene, § 299 Rz. 14; Konzen, ZfA 1985, 469 (486) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 30 f.; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 126; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 139, 140 in Fn. 175. Zum BetrVG 1952 bereits Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 143. 179 v. Hoyningen-Huene, RdA 1992, 355 (356); Konzen, ZfA 1985, 469 (486) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 31; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 548; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 140 bei und in Fn. 175. 180 BAG, Beschluß vom 27.06.1989 – 1 ABR 28/88 –, AP Nr. 5 zu § 42 BetrVG 1972, Bl. 3; Berger-Delhey, Anm. BAG EzA § 40 BetrVG Nr. 67, S. 12; Däubler, AuR 1982, 6 (9); GK-BetrVG6 /Fabricius, vor § 42 Rz. 14; Leinemann, DB 1990, 732 (735); Galperin/Löwisch, BetrVG6, vor § 1 Rz. 19; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 85 f.; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 52; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 45 II, S. 511. Differenzierend Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 52 ff., zusammenfassend S. 62: Pflüger sieht die Beteiligungsrechte als der Belegschaft zustehend, dem Betriebsrat aber rechtstechnisch zugeordnet an.

54 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

als Individuen,181 Inhaber der betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte und damit auch Partei einer Betriebsvereinbarung sind und durch den Betriebsrat lediglich repräsentiert182 beziehungsweise vertreten183 werden. Der Eingangssatz von § 87 I BetrVG legt mit der Formulierung „der Betriebsrat hat . . . mitzubestimmen“ nahe, daß jedenfalls das erzwingbare Mitbestimmungsrecht dem Betriebsrat und nicht den Arbeitnehmern zusteht.184 Im Gegensatz dazu steht die amtliche Überschrift des Vierten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes „Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer“.185 Das vom Betriebsrat ausgeübte erzwingbare Mitbestimmungsrecht den Arbeitnehmern zuzuordnen vermag aber selbst dann nicht zu überzeugen, wenn man von einer strikten Trennung von Rechts- und Handlungsfähigkeit186 ausgeht. Denn Rechtsfähigkeit setzt zwar nicht Handlungsfähigkeit voraus, jedoch setzt Handlungsfähigkeit immer Rechtsfähigkeit voraus.187 Da der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz handlungsfähig ist, muß er auch zumindest188 teil-189 Zum BetrVG 1952 auf die Belegschaft abstellend Dietz, BetrVG4, § 1 Rz. 3; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 232; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 135; Säcker, RdA 1965, 372 (376). 181 Grundlegend Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 17 IV, S. 295. Zum BetrVG 1952 Sorge, AuR 1953, 272 (273). 182 Berger-Delhey, Anm. BAG EzA § 40 BetrVG Nr. 67, S. 12; Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 71 ff. mit ausführlicher Begründung, zusammenfassend S. 96; H. Weber, DB 1992, 2135 (2137); Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 752). Zum BRG 1920 Flatow/Kahn-Freund, BRG13, vor § 1, Anm. I, S. 33. Zum BetrVG 1952 Gester, Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung von Belegschaft und Betriebsrat, S. 130; Gester, RdA 1960, 406 (411 f.); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II2, § 97 I 1 a, S. 485 f.; A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 52 C III, S. 1091 f.; Sorge, AuR 1953, 272 (273). 183 GK-BetrVG6 /Fabricius, vor § 42 Rz. 14; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, vor § 1 Rz. 24; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 78. Zum BRG 1920 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 17 IV, S. 298 m.w. N. Zum BetrVG 1952 Groß, AuR 1953, 71 (73); Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 238. 184 Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 127 bei und in Fn. 225. 185 Hierauf stützt sich zum Beispiel Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 52. Zum BetrVG 1952 bereits Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 224; A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 52 A I 3, S. 1085 f. 186 Grundlegend v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts II, S. 1. Aus neuerer Zeit statt vieler Larenz/M. Wolf, AT9, § 5 Rz. 4. Anderer Ansicht MüllerFreienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S. 181. 187 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 35; zustimmend Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 128. Auch Konzen, ZfA 1985, 469 (485) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296), weist auf den Zusammenhang von Handlungsfähigkeit und Rechtsfähigkeit hin. 188 Für Rechtsfähigkeit H. Weber, DB 1992, 2135 (2136). 189 Für Teilrechtsfähigkeit Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 222; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 35 i.V. m. S. 39; Konzen, ZfA 1985, 469 (486) = Festschrift für

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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oder sonderrechtsfähig190 sein. Zwar folgt daraus nicht ohne weiteres eine Zuordnung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 I Nr. 10 BetrVG auf den Betriebsrat191 und damit auch nicht bereits die Parteistellung des letzteren. Jedoch liegt ein Schluß von den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten des Betriebsrats192 auf die Zuordnung des Mitbestimmungsrechtes193 nahe. Dieser vermag aber nur dann zu überzeugen, wenn man den Zusammenhang von Qualität des Mitbestimmungsrechtes und Fähigkeit des Betriebsrates, Inhaber von Rechten einer solchen Qualität zu sein, beleuchtet. Soweit man das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG als Kompetenz,194 Amtsrecht195 oder Funktionsbefugnis196 begreift, ist damit regelmäßig die Rechtsinhaberschaft des Betriebsrates verbunden.197 Die Frage nach der Rechtsfähigkeit des Betriebsrates ist jedenfalls insoweit mit beantwortet. Eine Einordnung des Mitbestimmungsrechtes als subjektives Recht198 hingegen würde eine Rechtsinhaberschaft der Arbeitnehmer, sei es als Individuen, sei es als kollektiv verstandene Belegschaft, schon deshalb nahelegen, weil die Mitbestimmung des Betriebsrates nicht dessen eigenen, sondern fremden Interessen, nämlich denen der Arbeitnehmer dient.199 Nach v. Jhering ist Subjekt eines Rechtes derjenige, dessen Nutzen dieses Recht zu dienen bestimmt ist.200 v. Jherings auf einem Fehlverständnis seiner eigenen Interessentheorie beruhenE. Wolf, S. 279 (S. 296) [„betriebsverfassungsrechtlich fundierte Rechts- und Geschäftsfähigkeit“]. 190 Für Sonderrechtsfähigkeit Jahnke, RdA 1975, 343 (343). 191 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 35; Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 54. 192 §§ 2 I (hierzu Kreutz, Betriebsautonomie, S. 31), 43 I, 74 I 2, 74 II (hierzu Kreutz, Betriebsautonomie, S. 31 f.), 75, 77 I 2, 79, 80 I, 82 II 3, 83 I 3, 85 I, 99 I 3, 107 III 4 BetrVG. 193 Konzen, ZfA 1985, 469 (485 f.) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 31; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 127. 194 Konzen, ZfA 1985, 469 (486) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 502, 548. 195 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 502, 549; auch Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 119 f. 196 Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 129. 197 So zu Recht Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 129 gegen die Bedenken von Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 110 f. 198 So Däubler, AuR 1982, 6 (10). Zum BetrVG 1952 auch A. Hueck/Nipperdey/ Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 52 A I 2, S. 1085. 199 Zur Fremdnützigkeit mit unterschiedlichen Akzenten und Schlußfolgerungen Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 110 f., 115, 131; Heinze, ZfA 1988, 53 (61 f.); Konzen, ZfA 1985, 469 (486) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 296); Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 109; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 53; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 129; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 139. 200 v. Jhering, Geist des römischen Rechts, Teil 3, S. 336.

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der,201 enger Rechtsbegriff ist jedoch angesichts der fiduziarischen Rechte mit dem heute geltenden Recht nicht mehr zu vereinbaren202 und greift daher als Argument zu kurz.203 Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ist überdies kein subjektives Recht der einzelnen Arbeitnehmer.204 Denn ein subjektives Recht setzt voraus, daß es dem Berechtigten die Befugnis zu seiner Ausübung vermittelt. Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte aber können aufgrund ihrer Struktur niemals vom einzelnen Arbeitnehmer ausgeübt werden, sondern nur vom Betriebsrat.205 Insoweit vermag also eine Trennung in Rechtsträgerschaft der einzelnen Arbeitnehmer und Wahrnehmungszuständigkeit des Betriebsrates206 nicht zu überzeugen. Es bleibt die Möglichkeit eines subjektiven Rechtes der Belegschaft, gegen die jedoch ebenfalls die Struktur des Mitbestimmungsrechtes als ausschließlich vom Betriebsrat ausübbares Recht spricht, wenn man nicht den Betriebsrat als Organ der Belegschaft,207 deren Repräsentanten208 oder Vertreter209 auffaßt. Ebenso wie eine Vertreterstellung setzt eine Organstellung des Betriebsrates gegenüber der Belegschaft voraus, daß letztere zumindest teil- oder sonderrechtsfähig ist. Damit ist die Brücke zum privatrechtlichen Personenverband geschlagen, den die Belegschaft gerade nicht darstellt.210 Denn weder besitzt sie ein Satzungsrecht in eigenen Angelegenheiten,211 noch kommt ihr – im Gegensatz zu den Mitgliederversammlungen der privatrechtlichen Verbände212 – im Ver-

201 Fikentscher, Methoden des Rechts III, S. 185; zustimmend Kreutz, Betriebsautonomie, S. 28 Fn. 56. 202 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 28. 203 Dies gegen die im Anschluß an v. Jhering entwickelten Ansätze von Gester, Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung von Belegschaft und Betriebsrat, S. 38 f., und Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 52 f., welche das Mitbestimmungsrecht der Belegschaft zuordnen. 204 Ebenso Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 103; zum BetrVG 1952 bereits Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 111 II 2, S. 340 f. Gegen eine Einordnung als subjektives Recht überhaupt Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 129. 205 Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 103. 206 So aber Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 115, 119, zusammenfassend S. 131 f. 207 Für letzteres aber BAG, Beschluß vom 27.06.1989 – 1 ABR 28/88 –, AP Nr. 5 zu § 42 BetrVG 1972, Bl. 3, sowie die auf S. 53 in Fn. 180 genannten. 208 Vgl. die Nachweise auf S. 54 in Fn. 182. 209 Vgl. die Nachweise auf S. 54 in Fn. 183. 210 Hierzu Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 124–126. 211 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540; Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 754). 212 A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 52 C III, S. 1092.

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hältnis zum Betriebsrat ein Weisungsrecht zu.213 Vor allem aber fehlt es der Belegschaft an einem autonom gesetzten Zweck.214 Der näherliegende Gedanke der Repräsentation weist ebenfalls nicht auf eine Parteistellung der Belegschaft. Denn wenn man das aus dem Staatsrecht stammende215 konstitutionelle Strukturprinzip der Repräsentation auf das Betriebsverfassungsrecht anwendete,216 folgte daraus noch nicht, daß eine vom Betriebsrat repräsentierte Belegschaft Inhaberin des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG und insoweit auch Partei einer Betriebsvereinbarung wäre. Letzteres setzte voraus, daß die Repräsentationsthese nicht nur ein Legitimationsmodell, sondern auch einen Zurechnungsgrund darstellte.217 Gerade dies ist aber nicht der Fall.218 Es ist gerade Kennzeichen der Repräsentation, daß der Repräsentant kraft eigener Autorität tätig wird,219 welche sich nicht im rechtlichen Sinne vom Repräsentierten, zum Beispiel dem Wahlvolk ableitet, sondern aus der jeweiligen Rechtsordnung, zum Beispiel der Verfassung.220 Deshalb ist der Betriebsrat auch auf Grundlage der Repräsentationsthese Inhaber des Mitbestimmungsrechtes aus § 87 I Nr. 10 BetrVG und damit jedenfalls hinsichtlich des mitbestimmungspflichtigen Teils Partei der Betriebsvereinbarung.221 b) Möglichkeit zum Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen Dieses Auslegungsergebnis wird gestützt durch einen Blick auf § 88 BetrVG, der belegt, daß sich die Handlungsfähigkeit des Betriebsrates nicht in der Aus213 Konzen, ZfA 1985, 469 (484) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 295); GKBetrVG8 /Kraft/Franzen, § 1 Rz. 63; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 29; Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 66 bei Fn. 227; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540. 214 Konzen, ZfA 1985, 469 (484) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 294); Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 125; Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 754). 215 Zu den staatsrechtlichen Ursprüngen der Repräsentation Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 73 ff. m.w. N.; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 81 m.w. N. 216 Ablehnend Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, vor § 1 Rz. 22; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 548 f.; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 81. 217 Diesen Unterschied betont zu Recht Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 20. 218 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 24; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 38. Gegen eine Verwendung des Repräsentationsgedankens als Zurechnungsgrund im Koalitionsrecht auch H. Wiedemann, RdA 1969, 321 (328). 219 Sogenannte Duplizität des Repräsentationsprinzips. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation3, S. 28, 73; Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rz. 1; Stern, Staatsrecht I2, § 22 II 5 a z, S. 963; H. Wiedemann, RdA 1969, 321 (328). 220 Bonner Kommentar/Badura, Art. 38 GG Rz. 31; Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rz. 1. 221 So zu Recht Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 25.

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übung von Mitbestimmungsrechten erschöpft.222 § 88 BetrVG ist Ausdruck einer eigenen Rechtsmacht des Betriebsrates,223 nämlich seiner funktionellen Zuständigkeit.224 Der Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen stellt mitnichten eine Ausübung von Individualrechten der Arbeitnehmer oder von Belegschaftsrechten dar, da hinter § 88 BetrVG kein subjektives Recht steht. Die nähere dogmatische Einordnung und die Reichweite der in § 88 BetrVG zum Ausdruck kommenden Rechtsmacht des Betriebsrates sind dabei ohne Belang. Der Betriebsrat ist demzufolge Partei der Betriebsvereinbarung, und zwar unabhängig davon, ob diese mitbestimmungspflichtig, freiwillig oder – wie typischerweise im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung – teilmitbestimmt ist. Steht damit fest, daß der Betriebsrat Inhaber der Mitbestimmungsrechte, insbesondere desjenigen aus § 87 I Nr. 10 BetrVG ist und Betriebsvereinbarungen durch einen Vertrag zustande kommen, dessen Parteien der Arbeitgeber und der Betriebsrat sind, scheidet insbesondere eine Einordnung der Betriebsvereinbarung als Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern, aber auch als Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und einer als Verband verstandenen Belegschaft aus. Bezüge zum Recht der Stellvertretung oder zum Recht der öffentlichen oder privaten Verbände lassen sich insoweit nicht herstellen. Die Kontrollkriterien für nachfolgende Betriebsvereinbarungen hängen damit von der insoweit nicht präjudizierten Wirkungsweise und dem Geltungsgrund der Betriebsvereinbarung gegenüber den Individualarbeitsverhältnissen ab.

B. Wirkung und materieller Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis Nachdem nun feststeht, daß Betriebsvereinbarungen als Verträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande kommen, stellt sich die Frage, auf welche Weise Betriebsvereinbarungen auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einzuwirken vermögen. Hiervon hängt maßgeblich die Anwendbarkeit zahlreicher Kriterien für die gerichtliche Kontrolle ab, da mit dieser Frage die wertungsmäßige Einordnung in einen vertraglichen oder normativen Kontext sowie in Autonomie und Heteronomie verbunden ist.

222 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 36. Die Bedeutung der freiwilligen Betriebsvereinbarungen betonte auch Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 II 2, S. 264 bei Fn. 28. Zustimmend Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 126 bei und in Fn. 212. 223 Vgl. auch Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 123 f., der zwischen Rechtsetzungsbefugnis des Betriebsrates und Beteiligungsrechten unterscheidet. 224 Vgl. bereits oben § 2 A. II. 2., S. 53 bei Fn. 176.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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Insbesondere könnte die Betriebsvereinbarung ein normsetzender Vertrag sein. Die damit aufgeworfene Parallele zum Tarifvertrag und den dazu entwikkelten Kontrollmechanismen hängt wiederum davon ab, ob sich die Einwirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis wie beim Tarifvertrag auf den Willen des einzelnen Arbeitnehmers zurückführen läßt oder es zumindest einen verfassungsrechtlich gewährleisteten Bereich originärer Betriebsautonomie gibt, welcher der Tarifautonomie im Sinne von Art. 9 III GG vergleichbar wäre. I. Unmittelbare und zwingende Wirkung der Betriebsvereinbarung Gemäß § 77 IV 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber zwar an die Wirkung von Tarifnormen gemäß § 4 I TVG angeknüpft,225 jedoch spricht er im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 jedenfalls nicht ausdrücklich von „Normen“ der Betriebsvereinbarungen,226 sondern – in § 77 VI BetrVG – lediglich von „Regelungen“.227 Auch § 613a I Sätze 2 und 3 BGB sprechen von einer Regelung durch Betriebsvereinbarung einerseits, von einer solchen durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages andererseits.228 Dementsprechend ergeben sich Zweifel, ob Betriebsvereinbarungen hinsichtlich ihrer Wirkung mit den Normen in Tarifverträgen vergleichbar sind. Mit der zwingenden Wirkung von Betriebsvereinbarungen ist das Verhältnis zum Individualarbeitsvertrag angesprochen,229 mit der unmittelbaren Wirkung die Entbehrlichkeit eines Transformationsaktes230 sowie die Unabhängigkeit von der Kenntnis und dem Willen der betroffenen Arbeitnehmer,231 womit allerdings 225

BT-Drucksache VI/1786, S. 47. Hierauf weist hin Kreutz, Betriebsautonomie, S. 42. Ebenso P. Hanau, RdA 1989, 207 (207). 227 Hierauf weist hin Kempen, RdA 1994, 140 (151). 228 Hierauf weist hin P. Hanau, RdA 1989, 207 (207). 229 BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5R; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 47 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 328 f. 230 Explizit H. Hanau, Individualautonomie, S. 59; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 47; Niebler, Betriebsvereinbarungsautonomie, S. 17 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 319–321. Der Sache nach auch BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R; BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5; v. Hoyningen-Huene, BetrVR5, § 11 III 1, S. 218; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 212; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 46 II 1, S. 534 f.; Waltermann, NZA 1996, 357 (357). 231 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R; BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 214; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 47. 226

60 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

noch nichts über die Notwendigkeit eines Unterwerfungsaktes der Arbeitnehmer unter die Regelungsgewalt der Betriebspartner232 gesagt ist. In § 77 IV 1 BetrVG ist mit der unmittelbaren Wirkung lediglich geregelt, daß Betriebsvereinbarungen überhaupt auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einwirken, aber nicht, auf welche Weise233 und aus welchem materiellen Grund sie einwirken. Die Art der Einwirkung von Betriebsvereinbarungen auf das Individualarbeitsverhältnis ist jedoch maßgeblich für die Bestandskraft darauf gründender Ansprüche. Rechtstechnisch sind zwei verschiedene Möglichkeiten der Einwirkung denkbar,234 erstens das Eingehen in den Arbeitsvertrag, zweitens das Gestalten des Arbeitsverhältnisses kraft normativer Wirkung. Beide Möglichkeiten sind ohne weiteres mit § 77 IV 1 BetrVG vereinbar.235 1. Eingehen in den Arbeitsvertrag? Konstruktiv sind verschiedene Ansätze denkbar, aufgrund derer Betriebsvereinbarungen unmittelbar in die Individualarbeitsverträge der Arbeitnehmer eingehen könnten. Zu nennen ist zunächst die Möglichkeit, den Abschluß einer Betriebsvereinbarung als Akt der rechtsgeschäftlichen 236 oder gesetzlichen237 Stellvertretung anzusehen. Hiergegen sprechen jedoch nach dem oben Gesagten bereits die Parteistellung des Betriebsrates auf der Arbeitnehmerseite und die Zuordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte auf den Betriebsrat. Allenfalls kommt mittelbare Stellvertretung in Betracht, die jedoch niemals zu einer unmittelbaren Verpflichtung oder Berechtigung des mittelbar Vertretenen führen könnte.238 Friktionen mit § 77 IV 1 BetrVG blieben bestehen. Auch vermag ein Vertretungsmodell die Geltung von Betriebsvereinbarungen für nach ihrem Inkrafttreten in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer nicht plausibel zu erklären.239 Eine weitere Möglichkeit ergibt sich aus der Deutung der Betriebsvereinbarung als privatheteronomes Rechtsgeschäft. Dieses im Rahmen des Geltungsgrundes der Betriebsvereinbarung noch näher zu beleuch232

Dazu unten § 2 B. II. 1., S. 64 ff. So zu Recht Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 352 f. 234 So zum BetrVG 1952 bereits G. Hueck, Die Betriebsvereinbarung, S. 112. 235 Dazu ausführlich Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 352–356. 236 Für den Tarifvertrag Ramm, Die Parteien des Tarifvertrages, S. 89. 237 So zum BetrVG 1952 noch E. Wolf, Anm. AP Nr. 138 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 5/5R. 238 Zur Wirkung der mittelbaren Stellvertretung Medicus, Bürgerliches Recht20, Rz. 29. 239 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 51; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 368 f. Zum BetrVG 1952 bereits Bickel, ZfA 1971, 181 (192). 233

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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tende240 Modell versucht eine rechtsgeschäftliche Deutung der Betriebsvereinbarung ohne privatautonome Wertgrundierung. Dieser von Kreutz entwickelte Gedanke241 könnte dahingehend weiterentwickelt werden, daß Betriebsvereinbarungen unmittelbar in die Arbeitsverträge eingingen.242 Ebenso ließe sich Jacobis Lehre von der Gesamtvereinbarung als kollektivem Schuldverhältnis sui generis243 dahingehend verstehen, daß die danach rein rechtsgeschäftlich erklärten Kollektivregelungen in die Individualarbeitsverträge eingingen.244 Eine Leistungsbestimmung im Sinne der §§ 315, 317 BGB mit der Folge eines unmittelbaren Eingehens der Betriebsvereinbarung in den Arbeitsvertrag245 ist ein vierter möglicher Ansatz. Er setzte eine privatautonome Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Regelungsgewalt der Betriebspartner voraus.246 Zweifeln daran wird erst im Rahmen des Geltungsgrundes der Betriebsvereinbarung nachzugehen sein,247 da bereits aus anderen Gründen ein Eingehen der Betriebsvereinbarung in den Arbeitsvertrag ausscheidet: Gegen das unmittelbare Eingehen in den Arbeitsvertrag nach den oben genannten Ansätzen spricht bereits die Nachwirkung gemäß § 77 VI BetrVG. Denn wenn die Regelungen von Betriebsvereinbarungen in die Arbeitsverträge eingingen, bräuchte es im Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer keiner gesetzlichen Anordnung der Nachwirkung, da die Regelungen den Bestand der Betriebsvereinbarung überdauerten.248 Bestärkt wird dieses Argument dadurch, daß der historische Gesetzgeber mit § 77 VI BetrVG – wie auch mit § 77 IV, V BetrVG – explizit an das Tarifvertragsrecht anknüpfte.249 Seit langem ist anerkannt, daß Tarifnormen in der Nachwirkungsphase ihre normative Wirkung nicht verlieren.250 Daraus ist zu schließen, daß auch Betriebsvereinbarungen zu240

Dazu unten § 2 B. II. 2. b) bb), S. 78 ff. Kreutz, Betriebsautonomie, S. 109 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 226. Zustimmend Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 213; Nause, Die Grenzen der Regelungsbefugnis, S. 92 ff.; unklar GK-BetrVG3 /Thiele, § 77 Rz. 47. 242 So aber die von Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 33, und wohl auch Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 171 f., untersuchte und im Ergebnis zu Recht abgelehnte These. 243 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 22 III 4, S. 351. 244 Anders wegen Fehlens einer § 1 TVVO 1918 entsprechenden Vorschrift für die Betriebsvereinbarung aber Jacobi selbst: Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 19 V 4, S. 329 f. 245 Für den Tarifvertrag Bötticher, Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, S. 19. 246 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 17; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 86; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 59 f. 247 Dazu unten § 2 B. II. 1., S. 64 ff. 248 So treffend Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 34. 249 BT-Drucksache VI/1786, S. 47. 250 BAG, Urteil vom 28.06.1972 – 4 AZR 331/71 –, AP Nr. 55 zu §§ 22, 23 BAT, Bl. 5; BAG, Urteil vom 14.02.1973 – 4 AZR 176/72 –, AP Nr. 6 zu § 4 TVG Nach241

62 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

mindest251 wie Rechtsnormen wirken und deshalb nicht in den Arbeitsvertrag eingehen. Des weiteren stützt § 613a I 2 BGB diese These, und zwar unabhängig davon, ob man darin eine Transformation von Regelungen in Betriebsvereinbarungen auf die individualvertragliche Ebene252 oder eine normative Fortgeltungsanordnung253 sieht. Diese Norm wäre angesichts des § 613a I 1 BGB entbehrlich, wenn Betriebsvereinbarungen per se in die Arbeitsverträge eingingen.254 Schließlich kommt ein Eingehen in die Arbeitsverträge auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht in Betracht. Angesichts der mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung von Betriebsvereinbarungen verbundenen Einschränkung der Privatautonomie verstieße eine solche Auslegung des § 77 IV 1 BetrVG gegen das Übermaßverbot,255 da wegen der weniger einschneidenden Möglichkeit normativer Wirkung von Betriebsvereinbarungen deren Eingehen in den Arbeitsvertrag nicht erforderlich ist.256 2. Gestaltung des Arbeitsverhältnisses mittels normativer Wirkung Es verbleibt mithin die Möglichkeit der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch die Betriebsvereinbarung mittels normativer Wirkung. Ob es sich dabei um ein Eingehen der in der Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen in das Arbeitsverhältnis handelt, ohne Vertragsbestandteil zu werden,257 oder um das Gestalten des Arbeitsverhältnisses von außen,258 kann in diesem wirkung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 29.01.1975 – 4 AZR 218/74 –, AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 07.12.1977 – 4 AZR 474/76 –, AP Nr. 9 zu § 4 TVG Nachwirkung, Bl. 1R/2; Däubler, Tarifvertragsrecht3, Rz. 1449; H. Wiedemann/Wank, TVG7, § 4 Rz. 323. Anders noch Nikisch, Arbeitsrecht II2, § 79 III 3, S. 391; und in neuerer Zeit wieder – entgegen dem Wortlaut von § 4 V TVG – Löwisch/Rieble, TVG2, § 4 Rz. 380. 251 P. Hanau, RdA 1989, 207 (208), beschränkt die Parallele zur Norm explizit hierauf. 252 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 33. Für den Tarifvertrag BAG, Urteil vom 13.09.1994 – 3 AZR 148/94 –, AP Nr. 11 zu § 1 TVG Rückwirkung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 16.05.1995 – 3 AZR 535/94 –, AP Nr. 15 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip, Bl. 2/2R. 253 Staudinger2005 /Annuß, § 613a BGB Rz. 250; Moll, RdA 1996, 275 (276 f., 279); Zöllner, DB 1995, 1401 (1402). 254 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 34; vgl. auch Däubler, AuR 1984, 1 (4); Erman11 /Edenfeld, § 613a BGB Rz. 71; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes S. 172; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 375 f. 255 Eingehend hierzu Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 371–375 m.w. N. 256 Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 373 f. 257 So zum BetrVG 1972 GK-BetrVG3 /Thiele, § 77 Rz. 154; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 53; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 213. Zum BetrVG 1952 bereits W. Müller, Die Grenzen der normativen Gestaltungswirkung der Betriebsvereinbarung, S. 135;

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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Zusammenhang noch unerörtert bleiben, wird jedoch bei der Frage der Abänderungskompetenz der Betriebspartner hinsichtlich aus der Betriebsvereinbarung erwachsenden Rechtspositionen des Arbeitnehmers259 noch eine entscheidende Rolle spielen. Die mit § 77 IV 1 BetrVG gezogene Parallele zur Tarifnorm260 reicht bei der Betriebsvereinbarung jedenfalls so weit, wie letztere normative Wirkung entfaltet. Mit der normativen Wirkung in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis ist zwar noch nichts darüber ausgesagt, ob es sich bei Betriebsvereinbarungen um Normen261, vertragsähnliche262 oder paranormative263 Gestaltungsfaktoren oder um privatheteronome Rechtsgeschäfte264 handelt. Allein mit einer solchen Einordnung wäre auch noch nichts gewonnen, solange man nicht die hinter den Regelungsprinzipien Vertrag und Norm stehenden materiellen Wertungen beleuchtete. Für die hier interessierende Wirkungsweise von Betriebsvereinbarungen ist eine solche Einordnung jedoch entbehrlich, da man nach dem Ausscheiden eines Eingehens in den Arbeitsvertrag um die normative Wirkung nicht umhinkommt; denn Betriebsvereinbarungen wirken jedenfalls genauso wie generelle und heteronome Verhaltensbefehle, also wie Rechtsnormen.265 Allenfalls könnte man eine Wirkungsweise sui generis annehmen. Gegen letztere Möglichkeit spricht jedoch nicht nur ihr Widerspruch zu der vom Gesetzgeber gewollten Anlehnung an die Tarifnorm,266 sondern auch die TatNeumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 373; Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 VIII 1 b, S. 287 f. 258 So zum BetrVG 1972 BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5/5R; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 125; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 181; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 25; Niebler, Betriebsvereinbarungsautonomie, S. 17; Richardi, NZA 1990, 331 (333); Säkker, AR-Blattei D-Blatt Betriebsvereinbarung I, 10. Forts.-Blatt R; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 375. Zum BetrVG 1952 bereits BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R; Bulla, DB 1962, 1207 (1207); A. Hueck/Nipperdey/ Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 C IV 1, S. 1266. 259 Dazu unten § 4 B., S. 196 ff. 260 BT-Drucksache VI/1786, S. 47; vgl. auch BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R. 261 So BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R/8; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5/5R; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13, 128 f.; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (296 f.); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 213 f.; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 18; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 97. 262 So Reichold, Sozialprivatrecht, S. 545. 263 So P. Hanau, RdA 1989, 207 (208); Kempen, ArbRGeg 30 (1993 – Dok. 1992), S. 97 (S. 108); Kempen, RdA 1994, 140 (151). 264 So Kreutz, Betriebsautonomie, S. 107 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 226. 265 Zum Normbegriff der herrschende Lehre in Abgrenzung insbesondere zur Wiener Schule F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 57 ff., zusammenfassend S. 95. 266 BT-Drucksache VI/1786, S. 47; vgl. auch BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R.

64 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

sache, daß sich in der Wirkungsweise kein Unterschied zu der von Rechtsnormen darlegen ließe. II. Materieller Geltungsgrund einer Betriebsvereinbarung mit dem Regelungsgegenstand einer betrieblichen Altersversorgung Entscheidend für die Bewertung der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen im Hinblick auf eine gerichtliche Kontrolle ist die Frage nach dem Geltungsgrund und damit zunächst die Frage, ob sich die normativ wirkende Betriebsvereinbarung auf den Willen der regelungsbetroffenen Arbeitnehmer zurückführen läßt. In diesem Fall wäre ohne weiteres die Parallele zum Tarifvertrag und den dafür entwickelten Kontrollkriterien eröffnet. Ansonsten verblieben nur heteronome Legitimationsmöglichkeiten der Normwirkung, welche die Parallele zum Tarifvertrag nur tragen könnten, wenn sich eine originäre Betriebsautonomie nachweisen ließe. Für den Geltungsgrund der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen kann der Regelungsgegenstand einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung nicht unberücksichtigt bleiben. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich daher auf den Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen mit dem Regelungsgegenstand einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung. 1. Rückführung auf den privatautonomen Arbeitnehmerwillen? Mögliche Ansatzpunkte für eine privatautonome arbeitnehmerseitige Konsentierung der Regelungsmacht der Betriebspartner sind der Abschluß des Arbeitsvertrages und die Beteiligung an den Betriebsratswahlen. a) Arbeitsvertrag als privatautonome Legitimation? Eine Legitimation der Regelungsmacht der Betriebspartner durch eine in der Tradition v. Gierkes267 stehende Sicht des Arbeitsvertrages als personenrechtlicher Statuskontrakt,268 der eine Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die präexistente Rechtsordnung des Betriebes beinhaltet,269 kommt nicht in Betracht. Denn eine solche Sichtweise verkennt die privatautonome und vertragsrecht-

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v. Gierke, Festschrift für Brunner, S. 37 (S. 56 f.). Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 90, 102. Ähnlich Nikisch, Arbeitsrecht III , § 107 IV 6, S. 275, der aber ergänzend die Betriebsratswahl heranzieht. 269 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 90, 106; ähnlich Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 IV 6, S. 275. 268 2

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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liche Grundlage des Arbeitsverhältnisses270 und damit letztlich den vollzogenen arbeitsrechtlichen Paradigmenwechsel vom Status- zum Vertragsrecht.271 Diese Schwierigkeit läßt sich auch nicht umgehen durch die Annahme einer Doppelnatur des Arbeitsvertrages als schuldrechtlicher Austauschvertrag einerseits, als Beitritt zum satzungsgebenden Betriebsverband andererseits.272 Denn wie schon oben dargelegt,273 existiert bereits mangels eines zweckbestimmten Regelungsbereiches kein aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern gebildeter Betriebsverband. Zudem kommt dem Arbeitsvertrag in keiner Weise die Wirkung eines Beitritts zum Betriebsverband zu.274 Es fehlt bereits an einem entsprechenden Erklärungswert des Arbeitsvertrages, der neben dem schuldrechtlichen Austauschverhältnis von abhängiger Arbeitsleistung gegen Entgelt irgendeine betriebliche Organisationsmitgliedschaft vermitteln würde, die allenfalls Folge rein tatsächlicher und daher rechtlich unbeachtlicher Eingliederung in die Betriebsorganisation sein könnte. Überdies würde eine verbandsrechtliche Konzeption den Arbeitsvertrag als Grundlage des Arbeitsverhältnisses aushöhlen; die Betriebspartner träten weitgehend an die Stelle der Arbeitsvertragsparteien.275 Schließlich gelten gemäß § 77 IV 1 BetrVG Betriebsvereinbarungen unabhängig von der Kenntnis und dem Willen der betroffenen Arbeitnehmer.276 Damit ist aber eine privatautonome Legitimationskonzeption unvereinbar.277 Ähnlichen Bedenken begegnet eine privatautonome Legitimation durch Interpretation des Arbeitsvertrages als Eingliederungsvertrag in den der Betriebsverfassung unterliegenden Betrieb.278 Auch sie gerät letztlich in Konflikt mit der von der Kenntnis und

270 Kreutz, ZfA 1975, 65 (82); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 63; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 59; Richardi, Kollektivgewalt, S. 339; Richardi, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 269 (S. 277). 271 Kreutz, ZfA 1975, 65 (82); Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 59; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 542. 272 So aber Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 203; Reuter, ZfA 1993, 221 (229, 232 f., zusammenfassend 251 f.); Reuter, RdA 1994, 152 (157); diesen folgend Kessal-Wulf, Die Innenverbände, S. 329 f. Auch Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 220 i.V. m. S. 211 bei Fn. 242. 273 Vgl. oben § 2 A. I. 4., S. 46 ff. 274 Konzen, ZfA 1985, 469 (485) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 295); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 540 f. m.w. N.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 90. 275 v. Stebut, Festschrift für Kissel, S. 1135 (S. 1147); Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 175. 276 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7R; BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 214; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 47, 65. 277 Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 176; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 89; ähnlich Konzen, ZfA 1985, 469 (485) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 295). 278 So aber v. Stebut, Festschrift für Kissel, S. 1135 (S. 1156 f.).

66 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

dem Willen der betroffenen Arbeitnehmer unabhängigen Wirkung der Betriebsvereinbarung.279 Vor diesem Hintergrund kann allenfalls eine dem Arbeitsvertrag immanente, ursprünglich nicht im Zusammenhang mit der Betriebsverfassung stehende Gestaltungsbefugnis als Legitimationsgrundlage für die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen herangezogen werden. In diese Richtung weisen Versuche, das Direktionsrecht280 oder auch jedwede anderweitige einseitige Gestaltungsmöglichkeiten betrieblicher Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber heranzuziehen,281 wie sie bereits im betriebsratslosen Betrieb zum Beispiel mit vertraglichen Einheitsregelungen oder allgemeinen Arbeitsbedingungen bestehen.282 Die normative Wirkung gemäß § 77 IV 1 BetrVG stellte sich dann lediglich als Einschränkung des Direktionsrechts beziehungsweise der anderweitigen einseitigen Gestaltung betrieblicher Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber dar, da ihr die Beteiligung des Betriebsrats voranginge. Die Betriebsvereinbarung wäre dann lediglich eine innerbetriebliche Angemessenheitskontrolle der betrieblichen Arbeitsbedingungen,283 die sich – wegen des besonderen Schutzes der vertraglichen Austauschbeziehung – maßgeblich auf die iustitia distributiva bezöge.284 Die vertragsimmanente Legitimation über das Direktionsrecht setzt zunächst einmal voraus, daß man dessen Grundlage mit der herrschenden Meinung285 im Arbeitsvertrag selbst sieht. Jedoch steht das Direktionsrecht nur dem Arbeitgeber zu, nicht aber den Betriebspartnern gemeinsam. Unter privatautonomen Gesichtspunkten ist es aber alles andere als unerheblich, wem ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist.286 Jedenfalls soweit die Mitbestimmungstatbestände des § 87 I BetrVG greifen,287 könnte diese Schwierigkeit vielleicht überwunden werden. Diese Frage kann aber für den hier interessierenden Regelungsgegenstand einer betrieblichen Altersversorgung offenbleiben;

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Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 178. Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 110 f. 281 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 545; zustimmend Blomeyer, NZA 1996, 337 (345). Ähnlich Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 1422 f. 282 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 542 f.; zustimmend Blomeyer, NZA 1996, 337 (345). 283 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 543; zustimmend Blomeyer, NZA 1996, 337 (345). 284 So Reichold, Sozialprivatrecht, S. 513 f., für den Leistungsbereich speziell S. 515. 285 Zum Streitstand MünchArbR2 /Blomeyer, § 48 Rz. 31 m.w. N.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 176 Fn. 108. 286 So zu Recht H. Hanau, Individualautonomie, S. 67. 287 Noch weiter etwa M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 90. 280

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

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denn das Direktionsrecht bezieht sich auf die Pflichten des Arbeitnehmers.288 Es ist daher als Grundlage für vom Arbeitgeber zu erbringende Leistungen ungeeignet. Auch die Begründung über die einseitige Gestaltungsmacht des Arbeitgebers hinsichtlich der betrieblichen Arbeitsbedingungen überzeugt nicht; denn der Vergleich mit der Selbstbindung bei vertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage und betrieblicher Übung trägt nicht. Mittels vertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage289 und betrieblicher Übung290 werden zwar typischerweise Leistungen betrieblicher Altersversorgung zugesagt. Die funktionale Nähe zur Betriebsvereinbarung291 ist insoweit nicht zu leugnen. Jedoch ergibt sich auch hier die Schwierigkeit, daß durch die Akzeptanz der einseitigen Gestaltung allenfalls der Arbeitgeber legitimiert werden könnte, nicht jedoch der Betriebsrat.292 Diese Schwierigkeit könnte vielleicht überwunden werden, soweit die Mitbestimmungstatbestände des § 87 I BetrVG greifen, etwa wenn der Arbeitgeber den Dotierungsrahmen und den Zweck der betrieblichen Altersversorgung mitbestimmungsfrei vorgibt und sich die Betriebsvereinbarung auf die Regelung der gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien beschränkt. Für die im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung typischen teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen ergeben sich allerdings insoweit Schwierigkeiten, als diese Regelungen über den Dotierungsrahmen und den Zweck enthalten. Diese nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegenden Regelungen sind dann von der vertraglichen Einigung des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat jedenfalls formal mitumfaßt.293 Das Beispiel der teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zeigt gerade, daß sich die Betriebsvereinbarung nicht immer auf die Angemessenheitskontrolle betrieblicher Arbeitsbedingungen beschränkt,294 sondern letztere mittels eines ausgehandelten privatrechtlichen Vertrages zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gerade erst schafft. In diesem Fall MünchArbR2 /Blomeyer, § 48 Rz. 31 f.; MünchArbR2 /Richardi, § 12 Rz. 52. Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anh. § 1 Rz. 12 f.; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 258; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 5. 290 Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 258. 291 Reuter, RdA 1991, 193 (198), spricht sogar von „Allgemeinen Arbeitsbedingungen als „Ersatzform“ der Betriebsvereinbarung.“ 292 So auch das – allerdings auf die Nebenpflichten des Arbeitnehmers bezogene – Argument von Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 180 f. 293 Daß aus Sicht des Betriebsrats dennoch meist eine faktische Bestimmung des Dotierungsrahmens und des Zweckes durch den Arbeitgeber vorliegen mag, ist ein von der formellen Einigung der Betriebspartner zu unterscheidendes Problem, welches erst bei der Frage der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen ist. Dazu unten § 7 C. II. 3. a) bb), S. 286 ff. 294 So aber die These von Reichold, Sozialprivatrecht, S. 543, 545, 513 f., für den Leistungsbereich speziell S. 515. 288 289

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aber sind – zumindest rechtstatsächlich295 – immer beide unsere Rechtsordnung bis heute prägenden Gerechtigkeitsmaximen angesprochen, die Ebene der iustitia distributiva ebenso wie die der iustitia commutativa. Weiterhin könnten die genannten Regelungsinstrumente lediglich dann eine geeignete Parallele für die Legitimation der Betriebsvereinbarung darstellen, wenn man erstere durch eine vorweggenommene arbeitsvertragliche Zustimmungs- oder Unterwerfungserklärung des Arbeitnehmers296 rechtfertigte, nicht jedoch, wenn man eine konkrete, dem Angebot des Arbeitgebers nachgehende Annahme seitens des Arbeitnehmers verlangte,297 gegebenenfalls unter den Voraussetzungen des § 151 BGB.298 Denn gemäß § 77 IV 1 BetrVG wirken Betriebsvereinbarungen gerade unabhängig von einer nachgehenden Zustimmung des Arbeitnehmers. Gänzlich fehl geht die Parallele auch dann, wenn man von einseitigen Verpflichtungstatbeständen299 ausgeht oder – insbesondere für die betriebliche Übung – die Grundsätze der Vertrauenshaftung300 bemüht. Ebenso wie im Bereich der vertraglichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen kann hier nicht ohne weiteres eine vorweggenommene arbeitsvertragliche Zustimmungs- oder Unterwerfungserklärung hinsichtlich der Schaffung betrieblicher Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung, zum Beispiel als zusätzliche Sozialleistungen in Form einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung, angenommen werden. Auch im Hinblick auf die unmittelbare und zwingende Wirkung gemäß § 77 IV 1 BetrVG und die eingeschränkte Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers gemäß § 77 IV 2 BetrVG ist insbesondere die Nähe einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Sozialleistungen zur vertragsrechtlich verstandenen Einheitsregelung, Gesamtzusage und betrieblichen Übung zu verneinen. Es besteht ein latenter Konflikt zur Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers nicht nur darin, daß dem Arbeitnehmer Rechte eingeräumt werden, auf die er wegen § 77 IV 2 BetrVG nicht ohne weiteres verzichten301 und sie deshalb nicht als Verhand-

295 Zur Beschränkung des Mitbestimmungstatbestandes des § 87 I Nr. 10 BetrVG auf die austeilende Gerechtigkeit unten § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff. 296 So bei belastenden oder leistungseinschränkenden Regelungen MünchArbR2 /Richardi, § 12 Rz. 40. 297 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6R. 298 Bei der Gesamtzusage, so BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6R. 299 So insbesondere Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 70 (Gesamtzusage), S. 56 i.V. m. S. 70 (betriebliche Übung); ihr folgend BAG, Urteil vom 12.03.1963 – 3 AZR 266/62 –, AP Nr. 90 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 2. 300 BAG, Urteil vom 08.11.1957 – 1 AZR 123/56 –, AP Nr. 2 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 05.07.1968 – 3 AZR 134/67 –, AP Nr. 6 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Bl. 1R.

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lungsmasse gegenüber dem Arbeitgeber einsetzen kann,302 sondern auch in der fehlenden vertraglichen Konsentierung der durch die Betriebsvereinbarung verteilten „Wohltaten“. Letztere kann nur vorliegen, wenn den Betriebspartnern im Arbeitsvertrag explizit und konstitutiv ein diesbezügliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt worden ist, sei es durch eine jenseits des durch das Betriebsverfassungsgesetz gesetzten Kompetenzbereiches konstitutiv wirkende Verweisung auf eine Betriebsvereinbarung,303 sei es durch betriebsvereinbarungsoffene Gestaltung einer arbeitsvertraglichen Regelung, welche über die durch das Betriebsverfassungsgesetz gesetzten kompetentiellen Grenzen hinausgeht.304 Diese Ausnahmen treffen für die hier interessierenden, typischerweise teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung aber in aller Regel nicht zu. § 88 BetrVG als Ausdruck der funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrates305 erfaßt jedenfalls die hier interessierenden freiwilligen Sozialleistungen.306 Für die Verteilungskriterien gilt ohnehin § 87 I Nr. 10 BetrVG.307 In diesem Bereich versagt der Arbeitsvertrag als Legitimation für die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen über eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung. b) Betriebsratswahlen als privatautonome Legitimation? Bereits wegen der Möglichkeit überstimmter Minderheiten kommen die Betriebsratswahlen als privatautonome Legitimationsgrundlage für die normative 301 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 97; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 182. 302 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 97. 303 Dazu M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 86 f. 304 Dazu BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 7/7R; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 87 f. 305 BAG, Beschluß vom 19.05.1978 – 6 ABR 25/75 –, AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R; Richardi, BetrVG10, § 88 Rz. 6 m.w. N.; GK-BetrVG8 /G. Wiese, § 88 Rz. 7, vor § 87 Rz. 3 m.w. N. Zu § 57 BetrVG 1952 schon BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2; BAG, Urteil vom 27.03.1963 – 4 AZR 72/62 –, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG, Bl. 3; BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R/3; Dietz, BetrVG4, § 57 Rz. 2 m.w. N.; A. Hueck/Nipperdey/Säkker, Arbeitsrecht II/27, § 70 C, S. 1403. 306 Vgl. S. 53 Fn. 177. 307 Ständige Rechtsprechung seit BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3–4; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R–5.

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Wirkung der Betriebsvereinbarung nicht in Betracht.308 Die Mehrheitsentscheidung würde nur dann genügen, wenn sich der Arbeitnehmer zuvor entsprechend unterworfen hätte,309 sei es durch Mitgliedschaft im Betriebsverband oder durch rechtsgeschäftliche Unterwerfung. Beides ist jedoch nach den obigen Ausführungen310 nicht der Fall. Zudem besteht keine Wahlpflicht,311 und es werden nach § 77 IV 1 BetrVG auch Arbeitnehmer von einer Betriebsvereinbarung erfaßt, die später in den Betrieb eingetreten oder nach § 7 BetrVG nicht wahlberechtigt sind.312 Die Betriebsvereinbarung ist für alle Arbeitnehmer des Betriebes verbindlich, unabhängig von deren Beteiligung an der Betriebsratswahl.313 Außerdem könnte die Wahl allenfalls die Mitregelungsmacht des Betriebsrates legitimieren,314 nicht jedoch die des Arbeitgebers. Nach den obigen Ausführungen315 ist aber auch letztere für Betriebsvereinbarungen mit dem Regelungsgegenstand einer betrieblichen Altersversorgung fraglich. Nachdem das Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 durch die §§ 50 I 1 2. Halbsatz, 58 I 1 2. Halbsatz BetrVG neuer Fassung die originäre Zuständigkeit von Gesamt- und Konzernbetriebsrat auch auf betriebsratslose Betriebe ausgedehnt hat, verliert die Argumentation aus der Betriebsratswahl ohnehin an Gewicht, da nunmehr Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen gemäß § 77 IV 1 in Verbindung mit den §§ 51 V, 59 I BetrVG auch für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern normativ gelten, welche einem Betrieb ohne Betriebsrat angehören und einen solchen deshalb nicht durch Wahl legitimiert haben können.316 Ebenfalls nicht weiterführend ist eine Sicht der Betriebsratswahlen als demokratische Legitimation, da diese einer privatautonomen Legitimation der Regelsetzung durch die Betriebspartner nicht gleichzusetzen ist. Durch die Betriebsratswahlen wird allenfalls das Betriebsratsamt legitimiert,317 nicht jedoch die Befugnis zur Regelsetzung.318 Die Richtigkeit dieser These zeigt sich in der 308 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 68; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 61; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 91 f. 309 Konzen, ZfA 1985, 469 (484 f.) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 295); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 70 f.; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 539 f. unter Hinweis auf H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 II 1 b aa, S. 162 f. 310 Siehe oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. 311 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 68; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 186. 312 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 69; Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 9 (S. 16). 313 Konzen, ZfA 1985, 469 (484 f.) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 295); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 69. 314 Dafür aber Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 111. 315 Vgl. § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. 316 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 180; derselbe, ZfA 2003, 361 (364 Fn. 15). 317 Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 55; Käppler, Festschrift für Kissel, S. 475 (S. 480); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 73; Pflüger, Das betriebliche Repräsentativsystem, S. 86–88; G. Wiese, Festschrift für Kissel, S. 1269 (S. 1280); Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 190.

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oben bereits erwähnten, nicht von der Hand zu weisenden Nähe der Betriebsverfassung zum Repräsentationsgedanken. Es ist gerade Kennzeichen der Repräsentation, daß der Repräsentant kraft eigener Autorität tätig wird,319 welche sich nicht im rechtlichen Sinne vom Repräsentierten, zum Beispiel dem Wahlvolk ableitet, sondern aus der jeweiligen Rechtsordnung, zum Beispiel der Verfassung.320 Diese Überlegungen deuten aber bereits auf das Grundgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz als möglichen Ursprung der Regelungsmacht der Betriebspartner. Eine Legitimation der Betriebsräte im staatsrechtlichen Sinne ist mit den Betriebsratswahlen im übrigen nicht verbunden;321 denn Begriff und Erfordernis demokratischer Legitimation beziehen sich gemäß Art. 20 II GG nicht auf eine demokratisch durchorganisierte Gesellschaft,322 sondern nur auf die Staatsgewalt,323 deren Bestandteil die Betriebsräte gerade nicht sind.324 Dies hindert den Gesetzgeber natürlich nicht, demokratische Instrumentarien in anderer als konstitutionell-organisatorischer Funktion zur Kontrolle gesellschaftlicher, insbesondere ökonomischer Macht einzusetzen,325 wie das Betriebsverfassungsgesetz zeigt. Eine originäre Legitimation ist damit jedoch nicht verbunden. 2. Heteronome Legitimation Fehlt es damit an einer privatautonomen Legitimation der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung, bleibt zunächst festzustellen, daß es sich mithin um heteronome Regelungen handelt.326 Für die Grenzen der Regelungsbefugnis 318 Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 55; Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 18 f.; Käppler, Festschrift für Kissel, S. 475 (S. 480); Konzen, ZfA 1985, 469 (474 f.) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 284 f.); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 73; Kreutz, Festschrift für Kraft, S. 323 (S. 328); Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 190. 319 Sogenannte Duplizität des Repräsentationsprinzips. Vgl. die Nachweise auf S. 57 in Fn. 219. 320 Vgl. S. 57 Fn. 220. 321 Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 196. 322 Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Abschn. I Rz. 51 f.; Stern, Staatsrecht I2, § 18 III 3, S. 631–633; zum Problem eingehend Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 267 ff. m.w. N. 323 Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Abschn. I Rz. 52; GK-BetrVG3 /Thiele, § 77 Rz. 39. 324 Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 196. 325 Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 275 unter Hinweis auf Abendroth, Staatsverfassung und Betriebsverfassung, S. 103 (107 f.); Scholz, Der Staat 13 (1974), 91 (96). 326 Ebenso im Ergebnis etwa H. Hanau, Individualautonomie, S. 67 f.; Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 88; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 213 f.; Konzen, ZfA 1985, 469 (474) = Festschrift für E. Wolf, S. 279 (S. 284 f.); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 74; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 98.

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und die daraus folgenden Kontrollkriterien ist jedoch entscheidend, ob und wie ein Bereich der Betriebsautonomie den Betriebspartnern gegenüber der Privatautonomie der Arbeitnehmer zugewiesen ist. a) Legitimation durch originäre Betriebsautonomie? Eine originäre Betriebsautonomie ist nicht gewährleistet und scheidet daher als Legitimationsgrundlage für die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen aus. Insbesondere eine in v. Gierkescher Tradition327 stehende Konzeption originärer Verbandsautonomie, die Verbänden – unabhängig von einer Unterwerfung des einzelnen – allein aufgrund ihrer sozialen Mächtigkeit und ihrer korporativen Strukturen die Befugnis zur Setzung objektiven Rechts zuspricht,328 scheitert bereits am Nichtvorliegen eines satzungsgebenden Betriebsverbandes mit eigenem zweckbestimmten Regelungsbereich.329 Der verfaßte Betrieb weist eine bipolare Struktur auf. Es fehlt damit an einem einheitlichen Träger der Autonomie.330 Aus dem gleichen Grunde vermag auch die Annahme einer Sozialautonomie im Rahmen sozialer Selbstverwaltung331 eine originäre Befugnis der Betriebspartner zur normativen Regelung ebensowenig zu begründen wie der in der katholischen Soziallehre betonte Subsidiaritätsgedanke,332 wonach jede gesellschaftliche Aufgabe durch das jeweils kleinstmögliche Glied der Gesamtgesellschaft wahrzunehmen und damit der Wahrnehmung durch die nächsthöhere gesellschaftliche Ebene entzogen sei.333 Wegen des Fehlens eines rechtlich relevanten Betriebsverbandes von Arbeitgeber und Arbeitnehmern oder eines Belegschaftsverbandes der Arbeitnehmer verbietet sich auch ein Rückgriff auf die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 I GG334 oder die Koalitionsfreiheit 327 v. Gierke, Privatrecht I, § 15 II 7, S. 119 f., § 19, S. 142 ff., insbesondere § 19 III 5, S. 150 f. 328 BAG, Urteil vom 12.09.1967 – 1 AZR 34/66 –, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Betriebsbuße, Bl. 2R/3 (Betriebsvereinbarung über Betriebsbuße); Galperin, Festschrift für E. Molitor, S. 143 (S. 149, 156). Zum autonomen Betriebsverband ferner bereits RG, Urteil vom 06.02.1923 – III 93/22 –, RGZ 106, 272 (275 f.). 329 Dazu oben § 2 A. I. 4., S. 46 ff. 330 Ebenso Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 122. 331 So wohl Bogs, RdA 1956, 1 (5 f.). In Österreich vor allem Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, S. 151 f.; gegen diesen Ansatz etwa Floretta, 2. Festschrift für Nipperdey II, S. 173 (S. 193). 332 So aber zum BetrVG 1972 Küchenhoff, BetrVG3, § 77 Rz. 13 i.V. m. 16. Früher bereits v. Nell-Breuning, Ordo 3 (1950), 211 (223). 333 Papst Pius XI., Enzyklika „Quadragesimo anno“ vom 15.05.1931, abgedruckt in der amtlichen römischen Übersetzung bei Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 19 Fn. 2. 334 So aber Ehmann, ZRP 1996, 314 (317); Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 199, 200 f., 221, 224; Ramm, JZ 1991, 1 (12). Wie hier ablehnend auch Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 165 f., zusammenfassend S. 191; gegen jedwede

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gemäß Art. 9 III 1 GG.335 Insbesondere mit einem Rückgriff auf Art. 9 III 1 GG wäre eine mitgliedschaftliche Legitimation vonnöten,336 an der es – wie gezeigt – fehlt. Auch ergäben sich Probleme im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer, da Betriebsvereinbarungen für alle Arbeitnehmer eines Betriebes gelten.337 Da Art. 9 III 1 GG auch den Arbeitskampf als Koalitionsbetätigung schützt,338 würde zudem die absolute Friedenspflicht gemäß § 74 II 1 BetrVG in Frage gestellt. Die Verfassungswidrigkeit dieser Norm kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden. Vor diesem Hintergrund relativieren sich auch die in diesem Zusammenhang vielzitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Mitbestimmungsentscheidung,339 wonach Art. 9 III GG nicht ein Tarifsystem als ausschließliche Form der Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen gewährleiste und die Befriedung des Arbeitslebens auch durch Gestaltungen erreicht werden könne, die nicht durch Konflikt und Kampf bestimmt seien, sondern Einigung und Zusammenwirken betonten, wenngleich sie Konflikte und deren Austragung nicht ausschlössen.340 Zum einen bezog sich das Gericht seinerzeit explizit nur darauf, daß Art. 9 III GG der Unternehmensmitbestimmung nicht entgegensteht.341 Zum anderen zeigen die oben angedeuteten Divergenzen zwischen der Betriebsverfassung und den Anforderungen des Art. 9 III GG, daß es sich um wesensverschiedene Erscheinungen der Rechtsordnung handelt. Eine originäre Betriebsautonomie ist auch nicht verfassungsunmittelbar durch das Sozialstaatsprinzip gewährleistet.342 Das Sozialstaatsprinzip enthält eine Staatszielbestimmung, 343 die auf der hier interessierenden gesellschaftlichen verfassungsrechtliche Fundierung einer Betriebsautonomie Heinze, DB 1996, 729 (734); Heinze, NZA 1997, 1 (5). 335 So aber Ehmann, ZRP 1996, 314 (317); Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (349 f.); Säcker, ArbRGeg 12 (1975 – Dok. 1974), 17 (66). Wie hier ablehnend auch Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 190; Wank, NJW 1996, 2273 (2274); gegen jedwede verfassungsrechtliche Fundierung einer Betriebsautonomie Heinze, DB 1996, 729 (734); Heinze, NZA 1997, 1 (5). 336 Wank, NJW 1996, 2273 (2274). 337 Wank, NJW 1996, 2273 (2275). 338 Hierzu nur BVerfG, Beschluß vom 26.06.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212 (Leitsatz 2). 339 BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, und 1 BvL 21/ 78 –, BVerfGE 50, 290 (371). 340 Ausführlich zur Problematik auch Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 152– 168 mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 341 BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, und 1 BvL 21/ 78 –, BVerfGE 50, 290 (371 oben). 342 Mißverständlich aber Neumann, RdA 1990, 257 (261: „Essential für unsere Sozialstaatlichkeit“). 343 BVerfG, Urteil vom 18.07.1967 – 2 BvF 3, 4, 5, 6, 7, 8/62; 2 BvR 139, 140, 334, 335/62 –, BVerfGE 22, 180 (204); weitere Nachweise bei Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 181 Fn. 6.

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Ebene jedoch als Aufforderung zu gesellschaftlicher Selbstverantwortung, Rücksichtnahme und Gemeinverträglichkeit344 nur vor dem Hintergrund der Freiheitsrechte des einzelnen wirken kann.345 Damit aber vermag das Sozialstaatsprinzip auf der gesellschaftlichen Ebene nicht außerstaatliche freiheitseinschränkende und zuständigkeitsinnehabende Gemeinschaften zu begründen,346 es kann sich vielmehr nur innerhalb der bestehenden Rechtsordnung entfalten.347 Daher bietet das Sozialstaatsprinzip auch keine hinreichende Grundlage für eine autonome Betriebsverfassung. Ihre regelnde Ausgestaltung fällt, wie auch Art. 74 I Nr. 12 GG zeigt, in den Aufgabenbereich des staatlichen Gesetzgebers,348 der sich bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung allerdings auf das Sozialstaatsprinzip stützen kann.349 In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob es sich bei den normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen um Rechtsnormen im engeren Sinne handelt. Denn die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Entscheidung knüpft nicht an den formalen Normbegriff an, sondern an die vertragsfreiheitsbeschränkende Wirkung von Betriebsvereinbarungen unabhängig jedenfalls vom Arbeitnehmerwillen.350 Betriebsvereinbarungen wirken zumindest genauso wie generelle und heteronome Verhaltensbefehle, also wie Rechtsnormen.351 Damit bestehen Zweifel an jedweder Konzeption originärer Betriebsautonomie. Insoweit setzt bereits die als Aspekt der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG geschützte Arbeitsvertragsfreiheit352 der Arbeitnehmer dem Gesetzgeber klare Grenzen. Nach dem 344

Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 182. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 185 f. unter Bezugnahme auf Denninger, Rechtsperson und Solidarität, S. 216. 346 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 185, 187. 347 Staudinger12 /Richardi, Vorbem. zu §§ 611 ff. BGB Rz. 723. 348 Löwisch, JZ 1996, 812 (817); Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 185; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 151. 349 In diese Richtung wohl G. Müller, AuR 1992, 257 (260: „indirekte verfassungsrechtliche Fundierung“); Neumann, RdA 1990, 257 (261: „Essential für unsere Sozialstaatlichkeit“); Peters/Ossenbühl, Die Übertragung, S. 89 („verfassungsrechtlich programmiert“, aber nicht garantiert). 350 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 92. 351 Zum Normbegriff der herrschende Lehre in Abgrenzung insbesondere zur Wiener Schule F. Kirchhof, Private Rechtsetzung S. 57 ff., zusammenfassend S. 95. 352 Art. 2 I GG als allgemeine Gewährleistung der Privatautonomie tritt als lex generalis insoweit zurück. Im Ergebnis ebenso Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 58; Richardi, Kollektivgewalt, S. 120 f.; 368; derselbe, Festgabe für v. Lübtow, S. 755 (782); Söllner, RdA 1989, 144 (147–149); Sachs/Tettinger, GG3, Art. 12 Rz. 162 m.w. N. Vgl. auch die Nachweise bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 38 f. in Fn. 14. Ebenfalls auf Art. 12 I GG abstellend BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. –, BVerfGE 50, 290 (349). Den Vorrang besonderer Grundrechtsgewährleistungen der Vertragsfreiheit gegenüber Art. 2 I GG betont auch BVerfG, Beschluß vom 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56 u. a. –, BVerfGE 8, 274 (328). Anderer Ansicht (auf Art. 2 I GG abstellend) BVerfG, Beschluß vom 19.10.1983 – 2 BvR 298/81 –, BVerfGE 65, 197 (210, für Arbeitgeber); Däubler, AuR 1984, 1 (9); 345

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bei Eingriffen insoweit zu beachtenden Vorbehalt des Gesetzes (hier aus Art. 12 I 2 GG) in seiner Ausprägung durch die vom Bundesverfassungsgericht entwikkelte, in ständiger Rechtsprechung vertretene Wesentlichkeitstheorie hat der Gesetzgeber in allen wesentlichen Bereichen der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.353 Zwar schließt dies eine gesetzliche Zuweisung drittbindender Regelungsmacht an Private nicht aus,354 eine originäre Regelungsmacht der Betriebspartner ist jedoch mit diesen Vorgaben nicht vereinbar.355 Denn eine vollständige Entäußerung des Staates von seiner Rechtsetzungsbefugnis zugunsten autonomer Regelungssetzung verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG und das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 II 1 GG.356 Ist damit eine der Tarifautonomie vergleichbare originäre Betriebsautonomie nicht gewährleistet, verbietet sich auch die eingangs erwogene Parallele zum Tarifvertrag. Gleichwohl schließt dies eine zumindest teilweise Identität der Kontrollmaßstäbe nicht aus. Sie läßt sich jedoch weder auf eine Legitimation durch den Willen des einzelnen Arbeitnehmers noch auf einen originären Autonomiebereich stützen. b) Legitimation durch den Staat Die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen kann wegen des Konfliktes mit der Vertragsfreiheit der Arbeitnehmer nicht ohne Mitwirkung des Staates zustande kommen. § 77 IV 1 BetrVG ist also konstitutiv. Dabei stellt sich zunächst – aa) – die Frage, ob und inwieweit eine solche Mitwirkung des Staates mit dem Dogma des staatlichen Rechtsnormsetzungsmonopols vereinbar sein kann. Des weiteren – bb) – fragt sich, auf welche Weise die Regelungsmacht der Betriebspartner durch den Staat legitimiert ist. Dabei geht es um die Möglichkeiten einer Delegation staatlicher Rechtsetzungsmacht, einer staatlichen Autonomieermächtigung und einer bloßen Rechtsanerkennung. Die Einordnung Kreutz, Betriebsautonomie, S. 115 m. Fn. 2, S. 116 ff.; Martens, RdA 1983, 217 (222). Vgl. auch die Nachweise bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 38 in Fn. 13. Zur geringen praktischen Relevanz der dogmatischen Einordnung der Arbeitsvertragsfreiheit eingehend H. Hanau, Individualautonomie, S. 39 f. 353 Grundlegend BVerfG, Beschluß vom 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74 –, BVerfGE 40, 237 (249 f.). BVerfG, Beschluß vom 08.08.1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49, 89 (126 f.); BVerfG, Beschluß vom 20.10.1982 – 1 BvR 1470/80 –, BVerfGE 61, 260 (275); BVerfG, Beschluß vom 26.06.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212 (226). 354 Hierzu F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 508 f. i.V. m. S. 125 f.; MüllerFranken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 158 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 153. 355 Im Ergebnis ebenso Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 142. 356 So bereits der Facharzt-Beschluß des BVerfG, Beschluß vom 09.05.1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64 –, BVerfGE 33, 125 (158).

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kann weitreichende Folgen für die Kontrollkriterien haben, da insbesondere eine Delegation staatlicher Rechtsetzungsmacht eine Anwendung der für staatliche Gesetze geltenden Maßstäbe nahelegen würde. Anders wäre möglicherweise zu entscheiden, wenn es sich lediglich um eine bloße Anerkennung handelte. In einem dritten Schritt – cc) – sind daher die Folgen zu klären, die sich aus der Einordnung der Legitimation durch den Staat für die Kontrollkriterien ergeben. aa) Normsetzungsmonopol des Staates? Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgt kein Rechtsnormsetzungsmonopol des Staates im Sinne eines Monopols der Regelbildung.357 Dies hat nicht zuletzt358 Ferdinand Kirchhof (1987)359 umfassend und überzeugend dargelegt. Insoweit sind ihm insbesondere Nebel (1989),360 Waltermann (1996)361 und Müller-Franken (1997)362 gefolgt. Für die Zwecke dieser Untersuchung mögen neben dem Verweis auf die vorgenannten Arbeiten die folgenden, besonders wichtigen Punkte genügen. Das Grundgesetz statuiert kein explizites Rechtsnormsetzungsmonopol des Staates.363 Im Gegenteil läßt es, etwa mit der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 I GG und der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 III 1 GG,364 Freiräume für private Normsetzung zu.365 Eine Monopolisierung der 357 So aber aus der öffentlich-rechtlichen Literatur etwa Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 326; Krüger, Allgemeine Staatslehre2, S. 491 ff., 769 f.; Scholz, Festschrift 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin, S. 691 (S. 697); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II5, § 104 Rz. 2; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II4, § 104 I b, S. 453; aus der arbeitsrechtlichen Literatur etwa Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 39; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 55, 77, 97; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 224; Säcker, Gruppenautonomie, S. 271 Fn. 83. Relativierend aber bereits 1971 Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 92 Rz. 154, der das staatliche Rechtsetzungsmonopol lediglich als Grundsatz versteht und die Anerkennung privater Rechtsetzung, etwa durch die Tarifvertragsparteien, nicht in Frage stellt. 358 In die gleiche Richtung Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 39 ff.; Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 31. 359 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 107–126. 360 Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 190–196. 361 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 122–124. 362 Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 126–135. 363 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 124; Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 30; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 123. 364 Zum Schutz der tariflichen Regelsetzung durch Art. 9 III 1 GG bereits BVerfG, Urteil vom 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96 (106). Auch Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 437; Püttner, BB 1987, 1122 (1125); Zöllner, AöR 98 (1973), 71 (86 f., 88 ff.). Die Normwirkung des Tarifvertrages läßt sich hingegen nicht unmittelbar aus der Verfassung herleiten, so Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 129 m.w. N. auch zur Gegenansicht. 365 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 110, 125; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 128; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 190; Ossenbühl, in:

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Rechtserzeugung beim Staat ist auch nicht im Hinblick auf die Staatssouveränität geboten. Die innere Souveränität des Staates ist nicht verletzt, solange dem Staat in bezug auf die Normsetzung das „letzte Wort“ bleibt.366 Dem ist aber Genüge getan, wenn der Staat stets die Möglichkeit hat, die Normen der höchsten Stufe zu setzen,367 insbesondere die Möglichkeit, Rechtsetzung durch Private zwingend zu regeln oder gar zu untersagen.368 Eines Rechtsnormsetzungsmonopols bedarf es dazu nicht. Denn staatliche Souveränität muß nicht ständig ausgeübt werden, es genügt vielmehr, daß sie real existiert.369 Der Staat kann also andere Rechtserzeuger zulassen, solange er nur die letzte Macht behält, sie an- oder abzuerkennen.370 Insofern besteht ein Rechtsanerkennungsmonopol des Staates.371 Aus dem den physischen Zwang betreffenden staatlichen Gewaltmonopol372 folgt lediglich ein Verbot privater Regeln, die Gewaltanwendung anordnen oder private Vollstreckungssysteme errichten.373 Private Regelbildung als soziale Gewaltausübung wird ansonsten nicht erfaßt.374 Der Staat kann zudem die gewaltsame Rechtsdurchsetzung für die gesamte Rechtsordnung garantieren375 und seine Zwangsmittel auch für von ihm anerkanntes fremdes Recht bereithalten, ohne gegen das Gewaltmonopol zu verstoßen.376 Der Staat bleibt dabei Träger der Rechtsordnung.

Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 31; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 123. 366 Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 289 (298). 367 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 118; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 135; Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 31. 368 Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 193. 369 So treffend F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 119. 370 Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 336. 371 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 134; Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 25; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 142; Pestalozza, JR 1973, 279 (280); Pestalozza, Anm. SAE 1973, 179 (179); Richardi, Kollektivgewalt, S. 32, 142 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 124. Ferner Jellinek, Allgemeine Staatslehre3, S. 256 f. 372 BVerfG, Beschluß vom 19.10.1982 – 1 BvL 34, 35/80 –, BVerfGE 61, 126 (136); BVerfG, Beschluß vom 14.05.1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, BVerfGE 69, 315 (360); Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts II3, § 15 Rz. 86. 373 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 124. 374 Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 31. 375 Zur Notwendigkeit dieses Elements für die tatsächliche Rechtsgeltung einer Rechtsordnung m.w. N. F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 47; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 138 f. 376 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 124.

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bb) Möglichkeiten der Legitimation vor dem Hintergrund des Rechtsanerkennungsmonopols des Staates Damit wendet sich der Blick § 77 IV 1 BetrVG zu, der für die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen konstitutiv ist. Mit letzterem ist aber noch nichts über die Art und Weise ausgesagt, auf welche die Betriebspartner als private Rechtsetzer vom Staat anerkannt worden sind. Der Staat hat nicht durch § 77 IV 1 BetrVG seine Rechtsetzungsbefugnis auf die Betriebspartner delegiert.377 Eine solche echte Delegation im Triepelschen Sinne378 stößt auf Bedenken, da die vom Betriebsverfassungsgesetz erfaßten betrieblichen Angelegenheiten keine primären Aufgaben des Staates sind, sondern zum einen nach dem vom Staat auszugestaltenden, verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Privatautonomie auf arbeitsvertraglicher Ebene379, zum anderen nach der in Art. 12 I, 2 I GG zum Ausdruck gekommenen Wertordnung des Grundgesetzes primär Privaten zugewiesen sind.380 Auch die grundrechtssichernde Tätigkeit des Staates381 im modernen Arbeitsrecht ändert daran nichts.382 Zudem lebt die Delegationsthese von dem bereits widerlegten Dogma eines staatlichen Rechtsnormsetzungsmonopols im Sinne eines Regelbildungsmonopols.383 Letztlich müßte die Delegationsthese zu hoheitlicher rechtsetzender Gewalt der Betriebspartner führen. Da die Betriebspartner aber mangels Eingliederung in die Staatsorganisation Private bleiben,384 kommt nur eine Beleihung in Betracht.385 Eine solche würde aber neben dem Beleihungsakt durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes386 eine staatliche Aufsicht über den

377 So aber zum BetrVG 1972 Belling, Anm. EzA § 620 BGB Altersgrenze Nr. 1, S. 26 f.; Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 39. Zum BetrVG 1952 bereits BAG, Urteil vom 20.12.1957 – 1 AZR 237/56 –, AP Nr. 1 zu § 399 BGB, Bl. 1R; Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 146 Fn. 477; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II2, § 98 I 1 d, S. 521; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 371 f. Ausführliche Kritik der Delegationsthese bei F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 159– 175. 378 Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 23. 379 Zum Schutz der Arbeitsvertragsfreiheit durch Art. 12 I GG vgl. oben § 2 B. II. 2. a), S. 74 bei und in Fn. 352. 380 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 126 f. 381 Etwa BVerfG, Beschluß vom 06.10.1987 – 1 BvR 1086, 1468, 1623/82 –, BVerfGE 77, 84 (116); BVerfG, Beschluß vom 29.10.1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/ 83 –, BVerfGE 77, 170 (214 f.). Weitere Nachweise bei Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 127 Fn. 126. 382 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 127. 383 So die berechtigte Kritik von F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 172; Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes, S. 196 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 126. 384 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II2, § 98 I 3 e, S. 525. 385 So konsequent Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II2, § 98 I 1 d, S. 521.

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Beliehenen voraussetzen.387 Schon die Beleihungsfähigkeit von Rechtsetzungsbefugnissen ist fraglich.388 Jedenfalls fehlt es an einer Staatsaufsicht.389 Insbesondere die betriebliche Einigungsstelle stellt keine solche dar.390 Auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen kommt keiner Staatsaufsicht gleich; denn die Gerichte kontrollieren nicht aus eigener Initiative und werden so nicht im Sinne einer ständigen Rechts- oder Zweckmäßigkeitsaufsicht steuernd und begleitend tätig.391 Die Schwierigkeit einer fehlenden Staatsaufsicht läßt sich auch nicht durch Annahme einer Entstaatlichung bei der Delegation umgehen;392 denn ein solcher Entstaatlichungsakt wäre nicht hinreichend erklärbar.393 Auch eine staatliche Autonomieermächtigung im Sinne der Verleihung einer gemeinsamen autonomen, privatrechtlichen Regelungsbefugnis an die Betriebspartner394 besagt nichts anderes. Gegen sie greifen sämtliche oben angeführten Argumente, insbesondere die Zweifel am zu übertragenden Gegenstand.395 Damit erübrigen sich auch die insbesondere von Kreutz erhobenen Bedenken aus dem Rechtsstaatsprinzip, aus der Trennung von Staat und Gesellschaft folge ein Verbot, Normsetzungsbefugnisse auf die Gesellschaft zurückzuübertragen.396 Denn abgesehen von der Fragwürdigkeit der Prämisse397 ist private Rechtsetzung nicht nur durch Übertragung staatlicher Kompetenzen denkbar.398 Führt 386 BVerwG, Urteil vom 07.06.1984 – 7 B 153.83 –, DÖV 1984, 1025 (1025); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II5, § 104 Rz. 6. 387 Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rz. 116; Richardi, Kollektivgewalt, S. 148; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 58. Anderer Ansicht A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/17, § 11 V 2, S. 193 f. Fn. 48. Gegen Nipperdey mit guten Gründen Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 152 Fn. 522. 388 Ablehnend Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II5, § 104 Rz. 2. 389 Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 91; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 156; Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 132. 390 Ausführlich hierzu Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 152–156 m.w. N. 391 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 174. 392 So aber noch zum BetrVG 1952 G. Hueck, Die Betriebsvereinbarung, S. 28 f.; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 372; Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 IV 5, 6, S. 274 f.; Strasser, Die Betriebsvereinbarung, S. 149, 151 i. V. m. S. 88. 393 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 170; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 157 f.; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 58. 394 So aber zum BetrVG 1972 Staschik, Grundfragen zur Betriebsvereinbarung, S. 21. Zum BetrVG 1952 bereits Enneccerus/Nipperdey, AT I15, § 43 III, S. 279 f.; A. Hueck/Nipperdey/Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 E VI, S. 1275 f. mit Fn. 57, Nachtrag, S. 1669. Zum Tarifvertrag auch Säcker, Gruppenautonomie, S. 243 Fn. 24. 395 Zu letzterem Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 128 f. 396 So aber Kreutz, Betriebsautonomie, S. 97. 397 Hierzu Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 133. 398 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 132; ähnlich MüllerFranken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 133.

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man sich die Trennung von Regelbildung und Rechtsanerkennung vor Augen, fällt allein die Rechtsanerkennung in den staatlichen Bereich, während in einem freiheitlichen Staat die Regelbildung durchaus pluralistisch in der Gesellschaft erfolgen kann.399 Entscheidend ist mithin der staatliche Geltungsbefehl, der die notwendige Verknüpfung zwischen privater Regel und staatlichem Recht unter einer einheitlichen Rechtsordnung herstellt.400 Dieser Geltungsbefehl ist in § 77 IV 1 BetrVG zu sehen.401 Damit werden die von den Betriebspartnern in der Betriebsvereinbarung gebildeten Regeln aber weder mittels Verweisung in das staatliche Rechtssystem überführt,402 noch sind sie lediglich Tatbestandsmerkmal des § 77 IV 1 BetrVG ohne eigene Rechtsqualität.403 Erst recht entfalten sie nicht – als Mischform aus Verweisungsobjekt und Tatbestandsmerkmal404 – als bloßes Tatbestandsmerkmal des § 77 IV 1 BetrVG die unmittelbaren Wirkungen eines staatlichen Gesetzes.405 Vielmehr werden sie durch den staatlichen Geltungsbefehl selbst als Rechtsnormen verbindlich.406 Vor diesem Hintergrund wird die von Kreutz unter der Prämisse eines staatlichen Rechtsnormsetzungsmonopols eingeführte Kategorie privatheteronomer Rechtsgeschäfte407 entbehrlich.408 Entgegenzutreten ist schließlich auch den Bedenken Kempens, bei Betriebsvereinbarungen fehle es an wesentlichen Elementen der Rechtsetzung, nämlich der Freiheit und Gleichheit der Beteiligten.409 Für die Rechtsgeltung kommt es allein auf den Geltungsbefehl des § 77 IV 1 BetrVG an, der in einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Verfahren zustande gekommen ist. Freiheit und Gleichheit der durch diese Norm anerkann399 Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 134 f.; Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 31; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 132 f. 400 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 139 f., 151; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 159. 401 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 212; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 161; Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 61 Rz. 46; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 201; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 142 f. 402 Näher Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 159 f.; allgemein zur Problematik F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 151 ff., insbesondere S. 153. 403 Näher Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 160 f. unter Bezugnahme auf F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 154 ff. 404 So die berechtigte Kritik bei Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 160 f. 405 Für letzteres aber Bickel, ZfA 1971, 181 (193 ff.). 406 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 212 f.; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 161. 407 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 107 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 226. 408 In diese Richtung auch Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 132 f. 409 Kempen, ArbRGeg 30 (1993 – Dok. 1992), S. 97 (S. 108); Kempen, RdA 1994, 140 (150 f.).

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ten privaten Regelungssetzer sind hingegen nicht erforderlich. Über die anzuwendenden Kontrollkriterien, insbesondere einen Imparitätsausgleich, ist damit noch nichts ausgesagt.410 Damit aber sind die von den Betriebspartnern geschaffenen Regelungen als Rechtsnormen anzuerkennen. Eine Argumentation, die die Ablehnung des Normcharakters von Betriebsvereinbarungen auf den Wortlaut von § 77 BetrVG und § 613a I 2 BGB stützt,411 ist nicht zwingend. Während das Tarifvertragsgesetz explizit von Rechtsnormen spricht,412 ist im Betriebsverfassungsgesetz zwar lediglich von Betriebsvereinbarungen413 und Regelungen414 die Rede. Jedoch ist die Terminologie des Tarifvertragsgesetzes nicht einheitlich.415 Der Begriff „Regelungen“ wird als Synonym für unmittelbar und zwingend wirkende Tarifvertragsinhalte verwandt.416 Und § 613a I 2 BGB differenziert zwar zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, indem von Rechten und Pflichten die Rede ist, die „durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt“ sind. Jedoch intendiert § 613a I 2 BGB nicht die Regelung der Wirkung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen im allgemeinen. Er ist deshalb kein hinreichendes Argument.417 Weiterhin sprechen auch die Unterschiede in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen418 und Tarifverträgen419 nicht gegen den Normcharakter von Betriebsvereinbarungen.420 Denn die gerichtlichen Kontrollkriterien können nur aus dem Rechtscharakter eines Regelungsinstrumentes unter Berücksichtigung des Regelungsgegenstandes deduziert werden. Ein Schluß von den in ständiger Rechtsprechung angewandten Kontrollkriterien auf den Rechtscharakter der kontrollierten Regelungen hingegen ist nicht möglich, solange man nicht die Richtigkeit dieser Kriterien positiv festgestellt hat. Für die vorliegende Untersuchung jedenfalls würde eine solche Argumentation zu einem methodenwidrigen Zirkelschluß führen. Das gleiche gilt für den Hin410

Auch dies gegen Kempen, ArbRGeg 30 (1993 – Dok. 1992), S. 97 (S. 108); Kempen, RdA 1994, 140 (151). 411 So aber P. Hanau, RdA 1989, 207 (207, 208). 412 §§ 1 I, 3 II, 4 I 1, 4 I 2, 4 V, 5 IV TVG. 413 So zum Beispiel in den §§ 77 II 1, 77 II 2, 77 II 3, 77 III 1, 77 III 2, 77 IV 1, 77 IV 2, 77 IV 4, 77 V, 77 VI BetrVG. 414 So zum Beispiel in den §§ 77 VI, 88 BetrVG. 415 Hierauf weist hin Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 134. 416 §§ 4 II, 4 III TVG. 417 Ähnlich Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 134. 418 Zur Kontrolle von Betriebsvereinbarungen vgl. die Nachweise oben S. 28 Fn. 56 („Billigkeitskontrolle“), S. 29 Fn. 29 („Inhaltskontrolle“), S. 29 Fn. 29 („Rechtskontrolle“). 419 Zur Kontrolle von Tarifverträgen vgl. die Nachweise oben S. 31 Fn. 67, S. 29 Fn. 59. 420 So aber P. Hanau, RdA 1989, 207 (208).

82 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

weis421 auf die in der Rechtsprechung angenommene unterschiedliche Grundrechtsbindung bei Tarifverträgen422 und Betriebsvereinbarungen.423 Auch aus der Tatsache, daß § 77 VI BetrVG die Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen auf die erzwingbar mitbestimmten Betriebsvereinbarungen beschränkt, läßt sich nichts gegen den Normcharakter herleiten.424 Denn – erstens – ist es dem Gesetzgeber überlassen, die Rechtswirkungen von ihm anerkannter, privat gesetzter Normen auszugestalten und dabei auch nach Regelungsgegenständen zu differenzieren. Zweitens sprechen auch Sinn und Zweck des in Anlehnung an § 4 V TVG geschaffenen425 § 77 VI BetrVG für den Rechtsnormcharakter von Betriebsvereinbarungen. Zwar verkörpert die differenzierte Regelung des § 77 VI BetrVG den Schutz der notwendigen Mitbestimmung,426 jedoch handelt es sich dabei nur um eine Dimension des Regelungszwecks dieser Norm. Untrennbar verbunden damit ist eine weitere Dimension, nämlich die Frage der individuellen Weitergeltung und des Individualschutzes,427 die der Gesetzgeber explizit auf Betriebsvereinbarungen im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung beschränkt hat.428 Insoweit sind aber die Parallelen zur Tarifnorm unverkennbar.

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So aber P. Hanau, RdA 1989, 207 (208); Kempen, RdA 1994, 140 (151). Für unmittelbare Grundrechtsbindung von Tarifnormen BAG, Urteil vom 15.01. 1955 – 1 AZR 305/54 –, AP Nr. 4 zu Art. 3 GG, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 23.03. 1957 – 1 AZR 326/56 –, AP Nr. 16 zu Art. 3 GG, Bl. 5/5R; BAG, Urteil vom 15.01. 1964 – 4 AZR 75/63 –, AP Nr. 87 zu Art. 3 GG, Bl. 2R. 423 Für mittelbare Grundrechtsbindung von Betriebsvereinbarungen BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4. 424 So aber Kempen, ArbRGeg 30 (1993 – Dok. 1992), S. 97 (S. 103); Kempen, RdA 1994, 140 (151). 425 BT-Drucksache VI/1786, S. 47. 426 BAG, Beschluß vom 17.01.1995 – 1 ABR 29/94 –, AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 4; Blomeyer, DB 1990, 173 (175); Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (88); Hilger/Stumpf, BB 1990, 929 (930); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 228; Loritz, RdA 1991, 65 (75 f.); Richardi, ZfA 1992, 307 (327); Schulin, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 28, S. 16; Wank, Anm. EWiR § 77 BetrVG 2/90, S. 855 (ebd.). Insoweit noch anderer Ansicht BAG, Beschluß vom 21.08.1990 – 1 ABR 73/89 –, AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 3. 427 Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 115; im Ergebnis ähnlich BAG, Beschluß vom 21.08.1990 – 1 ABR 73/89 –, AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 3. Zum Individualschutz auch BAG, Urteil vom 26.10.1993 – 1 AZR 46/93 –, AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 2. 428 BAG, Beschluß vom 12.08.1982 – 6 ABR 98/79 –, AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 09.02.1989 – 8 AZR 310/87 –, AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 26.04.1990 – 6 AZR 278/88 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 4R; BAG, Beschluß vom 21.08.1990 – 1 ABR 73/89 –, AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 26.10.1993 – 1 AZR 46/93 –, AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 17.01.1995 – 1 ABR 29/94 –, AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 4; BAG, Beschluß vom 28.04.1998 – 1 ABR 43/97 –, AP Nr. 11 zu § 77 BetrVG 1972 Nachwirkung, Bl. 3R. 422

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

83

cc) Schlußfolgerungen aus der Art der Legitimation § 77 IV 1 BetrVG ordnet also konstitutiv die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen zu Lasten der Vertragsfreiheit zumindest der Arbeitnehmer an. Im Hinblick auf die einschlägigen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte in ihrer besonderen Ausprägung durch die oben erwähnte429 Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf sich der Gesetzgeber jedoch wesentlicher Entscheidungen im grundrechtsrelevanten Bereich nicht dadurch entziehen, daß er allein mit § 77 IV 1 BetrVG der Regelbildung der Betriebspartner normative Wirkung zukommen läßt. Neben dem allgemeinen Geltungsbefehl des § 77 IV 1 BetrVG bedarf es entsprechend der jeweiligen Eingriffsintensität inhaltlich bestimmter gesetzlicher Vorgaben, welche die freiheitsbeschränkende Tätigkeit der Betriebspartner materiell legitimieren.430 Die Wesentlichkeitslehre stellt insoweit konkrete Anforderungen an das Regelungsniveau auf gesetzlicher Ebene.431 § 77 IV 1 BetrVG kann dies mangels materieller Kriterien nicht leisten,432 so daß den §§ 87, 88 BetrVG für die Regelungskompetenz der Betriebspartner im grundrechtsrelevanten Bereich maßgebliche Bedeutung zukommt. Keine Bedenken hinsichtlich des Dotierungsrahmens und des Zweckes bestehen – auch angesichts der generalklauselartigen Regelung des § 88 BetrVG – aus dem Blickwinkel der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte in der Ausprägung durch die Wesentlichkeitstheorie bei der erstmaligen Einführung freiwilliger Sozialleistungen des Arbeitgebers durch eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung.433 Der bereits geschilderte Konflikt434 zur als Aspekt der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG geschützten Arbeitsvertragsfreiheit435 des Arbeitnehmers

429

Siehe oben § 2 B. II. 2. a), S. 75 bei Fn. 353. M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 94 f.; H. Hanau, Individualautonomie, S. 126; derselbe, Verhältnismäßigkeit, S. 85 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 154. 431 Mit explizitem Bezug auf nachteilige Betriebsvereinbarungen Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 89 f. m. Fn. 364 unter Hinweis auf Ossenbühl, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III2, § 62 Rz. 42 f. 432 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 95; H. Hanau, Individualautonomie, S. 127. Unter Hinweis auf die mangelnde Bestimmtheit des § 77 IV 1 BetrVG auch Müller-Franken, Die Befugnis zu Engriffen, S. 221. Anders das Bundesarbeitsgericht, das mit § 77 IV 1 BetrVG die Verdrängung individualrechtlicher Regelungen begründet, vgl. etwa BAG, Urteil vom 05.09.1960 – 1 AZR 509/57 –, AP Nr. 4 zu § 399 BGB, Bl. 2, zur Zulässigkeit eines Abtretungsausschlusses in einer Betriebsvereinbarung; BAG, Urteil vom 14.02.1991 – 2 AZR 415/90 –, NZA 1991, 607 (607 f.) zur Einführung von Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung. 433 Ähnlich M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 97. 434 Siehe oben § 2 B. II. 1. a), S. 69 bei Fn. 301, 302. 435 Zum Schutz der Arbeitsvertragsfreiheit durch Art. 12 I GG bereits oben § 2 B. II. 2. a), S. 74 bei und in Fn. 352. 430

84 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

ist gering. Für den Arbeitgeber herrscht insoweit ohnehin Vertragsfreiheit.436 Er kann Dotierungsrahmen und Zweck der Leistung mitbestimmungsfrei vorgeben. Hinsichtlich der mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien, unter deren Zuhilfenahme sich erst die konkreten Rechtspositionen der Arbeitnehmer ergeben, ist § 87 I Nr. 10 BetrVG hinreichend.437 Die damit eröffnete Möglichkeit betrieblicher Normsetzung ist ihrerseits wiederum als die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Berufsfreiheit des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers durch die objektivrechtliche Schutzfunktion des Art. 12 I GG legitimiert.438 Vor diesem Hintergrund stößt auch die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung auf keine Bedenken im Hinblick auf die materielle Legitimation der Regelungskompetenz der Betriebspartner. Ob die Gesetzesvorbehalte der betroffenen Arbeitnehmergrundrechte in ihrer Ausprägung durch die Wesentlichkeitstheorie für die Wirksamkeit solche Betriebsvereinbarungen verschlechternder Betriebsvereinbarungen ein kompetentielles Hindernis darstellen, wenn diese in Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreifen, kann hier noch nicht abschließend geklärt werden. Zwar beinhaltet die Rechtsmacht, eine Regelung zu schaffen, zugleich die Befugnis, sie abzuändern und aufzuheben (sogenannte Actus-contrarius-Doktrin).439 Dies gilt auch für Betriebsvereinbarungen440 und ist im öffentlichrechtlichen und insbesondere im grundrechtsrelevanten Bereich der Normsetzung anerkannt.441 Die Änderung der Verteilungskriterien einer betrieblichen Altersversorgung unterliegt ohnehin gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung, da dieses Mitbestimmungsrecht explizit auch die Ände436 Zu letzterem BAG, Urteil vom 12.08.1982 – 6 AZR 1117/79 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3. 437 So allgemein zu den Mitbestimmungstatbeständen des § 87 I BetrVG auch M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 96. 438 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 493. Zum legitimierenden institutionellen und funktionellen Kern des Art. 12 GG Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 (40 f.). Allgemein zur Legitimation privater Rechtsetzung durch die objektivrechtliche Seite der Grundrechte F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 512 f. Zu abweichenden Rechtfertigungsansätzen der Gesetzgebung im Bereich betrieblicher Mitbestimmung eingehend Reichold, Sozialprivatrecht, S. 488–495 m.w. N. 439 Canaris, RdA 1974, 18 (25); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 316. 440 Davon geht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aus, vgl. etwa BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/ 01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 3 AZR 81/02 –, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 101/02 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R. 441 Zum kompetentiellen Gehalt der Actus-contrarius-Doktrin Bleckmann, JuS 1988, 174 (175 f.) m.w. N.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

85

rung von Entlohnungsgrundsätzen und -methoden mitumfaßt. § 87 I Nr. 10 BetrVG weist so den Betriebspartnern explizit die entsprechende Änderungskompetenz hinsichtlich solcher Verteilungskriterien zu, welche in vorangegangenen Betriebsvereinbarungen aufgestellt wurden. Änderungen des Dotierungsrahmens und des Zweckes einer betrieblichen Altersversorgung kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vornehmen.442 Er muß dabei aber die für das von ihm gewählte Mittel der Regelung dieser Modalitäten geltenden Grenzen der Abänderung beachten. Hat er sich insoweit in einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung gebunden, verbleibt ihm neben der Kündigung dieser Betriebsvereinbarung (§ 77 V BetrVG) die Möglichkeit ihrer Aufhebung oder Abänderung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat als actus contrarius zu ihrem Abschluß. Auch insoweit greift § 88 BetrVG als Kompetenznorm. Die §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG ermöglichen damit den Betriebspartnern nicht nur die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung, sondern auch die einvernehmliche Aufhebung oder Abänderung der von ihnen selbst geschaffenen Regelungen. Mit dieser grundsätzlichen Aussage über die gesetzliche Regelungskompetenz der Betriebspartner ist jedoch noch nichts Abschließendes darüber gesagt, welchen Einfluß eine nachfolgende Betriebsvereinbarung auf die Rechtsstellung der einzelnen Arbeitnehmer hat. Es geht damit um die Frage, ob aufgrund einer begünstigenden Betriebsvereinbarung erworbene Rechtspositionen später durch kollektive Regelung wieder entzogen werden können. Zur Klärung dieser Frage ist es zunächst erforderlich, die Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht zu betrachten.443 Erst hieran anschließend kann die Reichweite der Regelungskompetenz in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis444 und die Rechtspositionen von Ausgeschiedenen und Ruheständlern445 analysiert werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Bestandsfestigkeit aufgrund einer Betriebsvereinbarung erworbener Rechtpositionen zu analysieren. Von der Klärung der damit verbundenen Fragen hängt es ab, ob es überhaupt zu Grundrechtseingriffen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung kommen kann, welche eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für die Betriebspartner erforderlich machen würden. Ansonsten könnte die im Raum stehende Frage, ob § 87 I Nr. 10 BetrVG und § 88 BetrVG in Verbindung mit der Actuscontrarius-Doktrin insoweit inhaltlich hinreichend bestimmte Ermächtigungsnormen zum Grundrechtseingriff darstellen, offenbleiben.446

442 BAG, Urteil vom 26.04.1988 – 3 AZR 168/86 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R; Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (307). 443 Dazu unten § 3, S. 91 ff. 444 Dazu unten § 4, S. 192 ff. 445 Dazu unten § 5, S. 223 ff. 446 Dazu abschließend unten § 6 A., S. 236 ff.

86 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

C. Betriebsvereinbarung als Institut des Privatrechts Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die Betriebsvereinbarung als Vertrag zustande kommt, ihre normative Wirkung jedoch nicht privatautonom legitimiert ist, sondern durch den Staat mit Schaffung des Betriebsverfassungsgesetzes. Daraus folgt aber nicht zwingend ein öffentlich-rechtlicher Charakter der Betriebsvereinbarung.447 Wie gezeigt worden ist, sind die Betriebspartner weder Bestandteil der Staatsorganisation noch Träger hoheitlicher Befugnisse,448 noch nehmen sie eine primär staatliche Aufgabe war,449 noch besteht eine Staatsaufsicht. Die Betriebsvereinbarung ist daher anerkanntermaßen ein Institut des Privatrechts.450 Dies gilt in formeller wie in materieller Hinsicht. Eine Differenzierung zwischen formell privatrechtlichem 451 und davon abweichendem, materiell öffentlich-rechtlichem Charakter von Betriebsvereinbarungen452 läßt sich demgegenüber nicht überzeugend begründen. Sie folgt insbesondere nicht aus der normativen Geltungsanordnung für Betriebsvereinbarungen in § 77 IV 1 BetrVG.453 Eine solche Sichtweise würde bereits die Unterscheidung zwischen privater Regelbildung und staatlicher Rechtsanerkennung454 verkennen. Wie eingehend dargelegt wurde, führt die Anerkennung privater Regelbildung durch den Staat weder zu einer Überführung der von den Betriebspartnern in der Betriebsvereinbarung gebildeten Regeln in das staatliche Rechtssystem, noch sind sie lediglich Tatbestandsmerkmal des § 77 IV 1 BetrVG ohne eigene Rechtsqualität, noch entfalten sie – als Mischform aus Verweisungsobjekt und Tatbestandsmerkmal – die unmittelbaren Wirkungen eines staatlichen Gesetzes. Die unmittelbare und zwingende Wirkung von Betriebsvereinbarungen ist gegenüber den Arbeitnehmern, jedenfalls wenn es an einer arbeitsvertraglichen Legitimation fehlt, letztlich zwar auf die Geltungsanordnung in § 77 IV 1 BetrVG zurückzuführen. Daß 447

Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 140; ähnlich Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 26. 448 Zur Sonderrechtstheorie vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht16, § 3 Rz. 17. 449 Zur auf Ulpian zurückgehenden Interessentheorie vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht16, § 3 Rz. 15. 450 BVerfG, Beschluß vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80 –, BVerfGE 73, 261 (268); Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 113; GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 Rz. 35; Galperin/Löwisch, BetrVG6, vor § 1 Rz. 8; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 1; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 29; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 141. 451 So für die gesamte Betriebsverfassung Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 95, 170. 452 So aber Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 87 f. 453 So aber Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 88. 454 Dazu und zum Folgenden vgl. bereits oben § 2 B. II. 2. b) bb), S. 80 bei Fn. 399.

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

87

der Gesetzgeber sich mit der zwingenden Wirkung der Betriebsvereinbarung eines auch aus dem öffentlichen Recht bekannten Strukturelements bedient,455 steht aber einer privatrechtlichen Deutung nicht entgegen456 und kann auch deshalb nicht entscheidend sein, weil die Betriebspartner mit dem Abschluß von Betriebsvereinbarungen keine primär öffentlichen Aufgaben wahrnehmen. Die von ihnen geschaffenen Regelungen gestalten nach ihrem Sinn und Zweck die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern des Betriebs und dem Arbeitgeber mit457 und ergänzen dabei den Arbeitsvertrag einerseits,458 den Tarifvertrag andererseits. Sie ergänzen damit die autonome Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Ein materiell öffentlich-rechtlicher Charakter der Betriebsvereinbarung läßt sich auch nicht mit der gesetzlichen Wurzel der Institution Betriebsrat begründen.459 Denn die Betriebsverfassung entfaltet ihre Funktion nur innerhalb eines privatrechtlichen Unternehmens und regelt dessen Unterorganisation, den Betrieb.460 Dabei geht das Betriebsverfassungsgesetz von der aufgrund der geschlossenen Arbeitsverträge rein tatsächlich bereits bestehenden Belegschaft aus, auf der – ohne formellen Einrichtungszwang461 – die betriebsverfassungsrechtliche Organisation aufbaut,462 wenngleich die Belegschaft keinen privatrechtlichen Personenverband darstellt. Die Betriebsverfassung knüpft jedenfalls an die privatautonome Ordnung an und ist in diesem Sinne „privatrechtsakzessorisch“.463 Nach alledem enthalten Betriebsvereinbarungen in formeller wie materieller Hinsicht privates Recht.

D. Zusammenfassung Betriebsvereinbarungen kommen nicht durch Beschluß der Betriebspartner zustande und stellen vor allem keine Satzung des Betriebes dar. Ein Beschluß kann nur die inneren Rechtsverhältnisse einer juristischen Person oder einer 455 Zur einseitig verbindlichen Regelung als prägendem Strukturelement des öffentlichen Rechts im Sinne der Subordinationstheorie vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht16, § 3 Rz. 16. 456 Ebenso GK-BetrVG8 /Wiese, Einleitung Rz. 98. 457 Vgl. die entsprechende Argumentation zur Einordnung der Betriebsverfassung in das Privatrecht bei GK-BetrVG8 /Wiese, Einleitung Rz. 98. 458 Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 133. 459 So aber Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 88 i.V. m. S. 81. 460 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 447. 461 Richardi, BetrVG10, § 1 Rz. 2; GK-BetrVG8 /Wiese, Einleitung Rz. 95. Mindestens mißverständlich daher Kärcher, Öffentliches Arbeitsrecht, S. 80 bei Fn. 188: Die Bildung von Betriebsräten in betriebsratsfähigen Betrieben sei „zwingend vorgeschrieben“. 462 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 447 f.; GK-BetrVG8 /Wiese, Einleitung Rz. 95. 463 Zur Privatrechtsakzessorietät der Betriebsverfassung Reichold, Sozialprivatrecht, S. 399 ff., insbesondere S. 447 f.; zustimmend Richardi, BetrVG10, Einleitung Rz. 132.

88 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Personenmehrheit ordnen, innerhalb deren Zweckbestimmung die Beschließenden tätig werden und so deren innere Rechtsverhältnisse ordnen. Eine solche Personenmehrheit oder juristische Person mit einheitlicher Zweckbestimmung besteht aber im verfaßten Betrieb nicht. Insbesondere die Annahme eines Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfassenden Betriebsverbandes ist daher mit der bipolaren Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 nicht vereinbar. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 2 I BetrVG soll lediglich den Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern moderieren. Sie hebt ihn jedoch nicht zugunsten eines gemeinsam verfolgten Zweckes auf. Der Betriebszweck kann nicht als gemeinsam von Arbeitgeber und Arbeitnehmern verfolgter Zweck angesehen werden, da die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung aufgrund eines schuldrechtlichen Austauschvertrages gegen Entgelt erbringen, nicht aber „Arbeitsteilhaber“ des Arbeitgebers sind. Betriebsvereinbarungen kommen durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zustande, und zwar durch Vertrag. Dessen Parteien sind Arbeitgeber und Betriebsrat. Denn materiell berechtigter Träger der mit Abschluß einer Betriebsvereinbarung ausgeübten Beteiligungsrechte auf Arbeitnehmerseite ist der Betriebsrat. Dies zeigt das Beispiel der gemäß den §§ 88, 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Die einzelnen Arbeitnehmer kommen als Inhaber des für die Verteilungskriterien einschlägigen Mitbestimmungsrechtes aus § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht in Betracht, da sie zu seiner Ausübung nicht berechtigt sind. Eine Rechtsträgerschaft der Belegschaft scheitert daran, daß diese weder teil- noch sonderrechtsfähig ist. Sie stellt insbesondere keinen privatrechtlichen Personenverband dar, da sie unter anderem kein Weisungsrecht gegenüber dem Betriebsrat hat und es ihr an einem autonom gesetzten Zweck fehlt. Auch § 88 BetrVG ist Ausdruck einer eigenen Rechtsmacht des Betriebsrats, nämlich seiner funktionellen Zuständigkeit. Betriebsvereinbarungen gehen nicht in den Arbeitsvertrag ein, sondern wirken wie Rechtsnormen auf das Arbeitsverhältnis ein. Insoweit besteht eine Parallele zur Tarifnorm. Die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen auf das Individualarbeitsverhältnis läßt sich jedoch regelmäßig nicht auf den Willen der einzelnen Arbeitnehmer zurückführen. Insoweit besteht ein Unterschied zur Tarifnorm. Insbesondere der Arbeitsvertrag ist als Legitimation grundsätzlich nicht geeignet, da die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen von Kenntnis und Willen der einzelnen Arbeitnehmer unabhängig ist. Mangels Bestehen eines satzungsgebenden Betriebsverbandes kann der Arbeitsvertrag nicht als Beitrittserklärung zu einem solchen Verband verstanden werden. Der Arbeitsvertrag mag allenfalls als Legitimationsgrundlage für die normative Wirkung dienen,

§ 2 Rechtscharakter, Wirkungsmechanismus und Geltungsgrund

89

wenn eine Betriebsvereinbarung Gegenstände regelt, die ohnehin dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegen. Für vom Arbeitgeber zu erbringende Leistungen ist diese Legitimationsgrundlage aber ungeeignet. Auch eine Parallele zu einseitigen individualrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Bereich der freiwilligen Leistungen trägt nicht, da die Mitwirkung des Betriebsrats sich beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen nicht immer auf eine Angemessenheitskontrolle der vom Arbeitgeber festgelegten Arbeitsbedingungen beschränkt, sondern diese vielfach durch einen ausgehandelten Vertrag erst schafft. Das Beispiel der teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zeigt dies, da dort die mitbestimmungsfreien Vorgaben des Dotierungsrahmens und des Zweckes jedenfalls formal von der vertraglichen Einigung der Betriebspartner mitumfaßt sind. Die von den Betriebspartnern insoweit getroffenen Regelungen berühren beide eingangs in § 1 angesprochenen Gerechtigkeitsmaximen, die ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva). Zudem werden dem Arbeitnehmer im Unterschied zu einseitigen individualrechtlichen Gestaltungsmitteln des Arbeitgebers durch Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, auf die er wegen § 77 IV 2 BetrVG nicht ohne weiteres verzichten kann. Im Bereich freiwilliger Leistungen kann daher allenfalls ein entsprechendes, ausdrückliches arbeitsvertragliches Leistungsbestimmungsrecht die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen rechtfertigen. Auch die Betriebsratswahlen sind als Legitimation der normativen Wirkung ungeeignet. Eine privatautonome Legitimation scheitert daran, daß Betriebsvereinbarungen für Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Wahlberechtigung und -beteiligung gelten. Eine demokratische Legitimation scheitert daran, daß diese allenfalls das Betriebsratsamt rechtfertigen könnte, nicht aber die Befugnis zur Normsetzung. Diese ergibt sich auch nicht aus einer originären Betriebsautonomie, da eine solche nicht gewährleistet ist. Mangels Bestehens eines aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebsverbandes und mangels Bestehens eines Belegschaftsverbandes der Arbeitnehmer kann weder auf die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 I GG noch auf die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 III 1 GG rekurriert werden. Auch das Sozialstaatsprinzip vermag eine originäre Betriebsautonomie nicht zu rechtfertigen, da sich diese Staatszielbestimmung nur innerhalb der bestehenden Rechtsordnung entfalten kann. Die Legitimation der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen ergibt sich vielmehr unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Gesetzgeber hat kraft seines Rechtsnormanerkennungsmonopols die Rechtsetzung durch die Betriebspartner anerkannt. Die Betriebsvereinbarungen werden durch den staatlichen Geltungsbefehl in § 77 IV 1 BetrVG als Rechtsnormen verbindlich. Eine Delegation staatlicher Befugnisse ist damit nicht verbunden. Betriebsvereinbarungen sind lediglich vom staatlichen Gesetzgeber anerkannte private Rechtsetzung. Sie sind formell wie materiell dem Privatrecht zuzuordnen.

90 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte in ihrer Ausprägung durch die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichtes hat der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und kann diese nicht durch Anerkennung privater Rechtsetzung auf Dritte verlagern. In Grundrechte der Arbeitnehmer eingreifenden Betriebsvereinbarungen sind damit Grenzen gesetzt. Die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung ist insoweit jedoch durch die §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG gerechtfertigt. Ihre vollständige oder teilweise Aufhebung ist als actus contrarius hierzu durch nachfolgende Betriebsvereinbarung ohne weiteres möglich, ohne daß damit bereits etwas Abschließendes über die Möglichkeiten der Betriebspartner zum Eingriff in Rechtspositionen der Arbeitnehmer gesagt wäre. Damit steht fest, daß Betriebsvereinbarungen privatrechtliche Normsetzungsverträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind, welche regelmäßig allein kraft staatlicher Anerkennung normativ auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einwirken. Dies gilt insbesondere für Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Die Betriebspartner können eine betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung einführen und durch nachfolgende Betriebsvereinbarung wieder aufheben oder verschlechtern. Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Einfluß eine solche nachfolgende Betriebsvereinbarung auf die Rechtsstellung der einzelnen Arbeitnehmer hat. Es geht damit um die Frage, ob aufgrund einer begünstigenden Betriebsvereinbarung erworbene Rechtspositionen später durch kollektive Regelung entzogen werden können. Zur Klärung dieser Frage ist es zunächst erforderlich, die Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht zu betrachten (§ 3). Wenn es sich bei der betrieblichen Altersversorgung um Entgelt im Arbeitsverhältnis handeln sollte, kann eine schuldrechtliche Anwartschaft nur durch Vorleistung des Arbeitnehmers erworben werden. Hierzu ist die durch die erste Betriebsvereinbarung geschaffene entgeltliche Struktur zu analysieren. Hieraus kann in einem weiteren Schritt die schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers ermittelt werden. Daran schließt sich bereits jetzt die Frage an, welche Bedeutung für die Rechtsposition eines Arbeitnehmers der Umstand hat, daß die Versorgungszusage nicht kraft eines individualarbeitsrechtlichen, vertraglichen Gestaltungsmittels erteilt wurde, sondern lediglich über die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis einwirkt. Es geht dabei darum, ob die durch die in § 3 zu ermittelnde entgeltliche Struktur geschaffene Rechtsposition des Arbeitnehmers nicht bereits durch die normative Einwirkung der Betriebsvereinbarung oder durch die erbrachte Vorleistung des Arbeitnehmers ein integraler Bestandteil des Individualarbeitsverhältnisses geworden ist, der von den Betriebspartnern in seinem Bestand nicht mehr beeinflußt werden kann

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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(§ 4). Angesprochen sind damit zugleich Fragen der Reichweite der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis. Anschließend sind diese Fragen auch für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner zu klären (§ 5). Sollte diesbezüglich die Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner nicht von vornherein beschränkt sein, wäre eine inhaltsorientierte Kontrolle von Betriebsvereinbarungen zu erwägen. Für deren Reichweite und Grenzen ergeben sich aus dem bisherigen Teil der Untersuchung bereits entscheidende Anhaltspunkte. Da die Normwirkung der Betriebsvereinbarung regelmäßig nicht auf den Willen des einzelnen Arbeitnehmers zurückzuführen ist, sondern auf den staatlichen Geltungsbefehl in § 77 IV 1 BetrVG, liegt die Anlehnung an die Grenzen staatlich gesetzten Rechts nahe. Insbesondere die Parallele zum Tarifvertrag trägt insoweit nicht. Gleichwohl schließt dies eine zumindest teilweise Identität der Kontrollmaßstäbe nicht aus. Denn andererseits ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes den Betriebspartnern die Moderation des Interessenkonfliktes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern überlassen und ihnen dazu die Möglichkeit zum vertraglichen Aushandeln von Arbeitsbedingungen durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen in die Hand gegeben hat. Daran schließt sich auch die Frage nach der materiellen Richtigkeitsgewähr des ausgehandelten Ergebnisses an. Angesprochen sind damit zugleich Aspekte der Gerechtigkeit durch Verfahren. Schließlich folgt aus der Einordnung der Betriebsvereinbarung in das Privatrecht, daß vor dem Hintergrund des Art. 1 III GG eine unmittelbare Kontrolle anhand der Grundrechte nicht ohne weiteres indiziert ist.

§ 3 Durch die ältere Betriebsvereinbarung geschaffene entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht Nachdem § 2 der Untersuchung ergeben hat, daß Betriebsvereinbarungen normativ auf die Individualarbeitsverhältnisse einwirken und die Betriebspartner grundsätzlich eine betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung einführen und durch nachfolgende Betriebsvereinbarung wieder aufheben oder verschlechtern können, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Einfluß eine solche nachfolgende Betriebsvereinbarung auf die Rechtsstellung der einzelnen Arbeitnehmer hat. Es geht somit um die im 2. Teil dieser Untersuchung in den §§ 4, 5 zu untersuchende Frage, ob aufgrund einer begünstigenden Betriebsvereinbarung erworbene Rechtspositionen später durch kollektive Regelung entzogen werden können. Bevor diese Frage geklärt werden kann, ist es erforderlich, die Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht zu betrachten. Wenn es sich bei

92 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

der betrieblichen Altersversorgung um Entgelt im Arbeitsverhältnis handeln sollte, könnte eine schuldrechtliche Anwartschaft nur durch Vorleistung des Arbeitnehmers erworben werden. Ließe sich hingegen eine entgeltliche Struktur der Versorgungszusage nicht nachweisen, könnte von einer durch Vorleistung erworbenen Rechtsposition des Arbeitnehmers im Sinne einer schuldrechtlichen Anwartschaft kaum gesprochen werden. Die Frage nach der Änderungskompetenz der Betriebspartner stellte sich dann unter vollkommen anderen Vorzeichen. Im folgenden ist daher – B. – durch Auslegung der ersten Betriebsvereinbarung die durch diese geschaffene entgeltliche Struktur zu analysieren. Hieraus kann in einem weiteren Schritt – C. – die schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers ermittelt werden. Zuvor sind jedoch – A. – die Grundsätze zu bestimmen, nach denen der normative Teil einer Betriebsvereinbarung auszulegen ist.

A. Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung Soweit sie normativ wirken, legt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung Betriebsvereinbarungen wie Gesetze aus.464 Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung zu, in welchem der Wille der Betriebspartner zum Ausdruck kommt. Für die Auslegung einer Betriebsvereinbarung kann auch ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden,465 wenngleich für die Berücksichtigung eines vom Wortlaut abweichenden Parteiwillens insoweit kein Raum ist.466 Letzteres gebietet die Rechtssicherheit. Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber das Schriftformerfordernis für Betriebsvereinbarungen in § 77 II 1 BetrVG statuiert und mit der Verpflichtung, die Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 II 3 BetrVG im Betrieb auszulegen, verbunden. Für eine auf Auskünfte der Betriebspartner, welche regelmäßig erst nach464 BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 09.02.1984 – 6 ABR 10/81 –, AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Urteil vom 22.02.1995 – 10 AZR 500/94 –, AP Nr. 1 zu Art. 30 Einigungsvertrag, Bl. 2; BAG, Urteil vom 22.05.2001 – 3 AZR 491/00 –, EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 3, S. 3. Zum BetrVG 1952 BAG, Urteil vom 21.03.1968 – 5 AZR 299/67 –, AP Nr. 33 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 1R. 465 BAG, Urteil vom 22.05.2001 – 3 AZR 491/00 –, EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 3, S. 3 f.; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 15 m.w. N. 466 BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 04.03.1982 – 6 AZR 594/79 –, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 1R; BAG, Beschluß vom 09.02.1984 – 6 ABR 10/81 –, AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Urteil vom 27.10.1988 – 2 AZR 109/88 –, AP Nr. 16 zu § 620 BGB Bedingung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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gelagert im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens erfolgen, gestützte, vom Wortlaut der Betriebsvereinbarung abweichende Auslegung467 ist daher kein Raum. Anderes mag allenfalls dann gelten, wenn der Betriebsvereinbarung Protokollnotizen oder Sitzungsniederschriften beigefügt waren und auf diese Bezug genommen wurde468 oder wenn es um Normen geht, welche die Arbeitnehmer ausschließlich begünstigen und den Arbeitgeber ausschließlich belasten. Denn der am Abschluß der Betriebsvereinbarung beteiligte Arbeitgeber verdient keinen Schutz vor seinem eigenen Regelungswillen, selbst wenn dieser im Wortlaut der Regelung nur unzureichend zum Ausdruck gekommen ist.469 Weitere, zu Wortlaut und Historie hinzutretende Auslegungskriterien sind der Regelungszusammenhang, also die Systematik, sowie der Regelungszweck, also die Teleologie.470 Ein solches Vorgehen ignoriert zwar das Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen als Vertrag, ist aber folgerichtig, wenn man – wie hier – zwischen Zustandekommen und Wirkung von Betriebsvereinbarungen differenziert, ihre normative Wirkung in den Vordergrund stellt und eine rein rechtsgeschäftliche Dogmatisierung der Betriebsvereinbarung ablehnt. Die insoweit bestehende Parallele zum Tarifvertrag wurde bereits ausführlich begründet.471 Demgegenüber muß jedoch eine im Zweifelsfalle am Arbeitnehmerinteresse orientierte Auslegung472 ausscheiden.473 Denn sie würde letztlich die – unten noch ausführlich zu erörternde474 – vom Betriebsverfassungsgesetz vorausgesetzte Fähigkeit der Betriebspartner, angemessene Regelungen mit einer materiellen Richtigkeitschance zu treffen, in Frage stellen. Eine ergänzende Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen nach den §§ 133, 157 BGB kommt konsequenterweise nicht in Betracht,475 al467

So aber Wank, Festschrift für Kraft, S. 665 (S. 670). GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 67; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 30. 469 BAG, Urteil vom 22.01.2002 – 3 AZR 554/00 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, Bl. 4. 470 BAG, Beschluß vom 09.02.1984 – 6 ABR 10/81 –, AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3. Zu Sozialplänen auch BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 606/93 –, AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 05.02.1997 – 10 AZR 553/ 96 –, AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.11.1998 – 1 AZR 221/98 –, AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 2. 471 Siehe oben § 2 B. I. 1. u. 2., S. 60 ff. 472 So aber für den Tarifvertrag Däubler, Tarifvertragsrecht3, Rz. 151; H. Wiedemann, Anm. AP Nr. 17 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, Bl. 5R; Kempen/Zachert, TVG4, Grundlagen Rz. 397. 473 Zu Recht ablehnend auch GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 68 a. E.; Wank, Festschrift für Kraft, S. 665 (S. 671). 474 Vgl. unten § 7 C. II., S. 271 ff. 475 Anders BAG, Urteil vom 17.04.1959 – 1 AZR 83/58 –, BAGE 7, 340 (345, obiter dictum); BAG, Urteil vom 11.08.1987 – 3 AZR 6/86 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG 468

94 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

lenfalls ist an eine Lückenfüllung durch Rechtsfortbildung zu denken.476 Insbesondere die größere Sachnähe der Betriebspartner gebietet dabei jedoch äußerste Zurückhaltung der Gerichte.477 Eine Lückenschließung durch die Arbeitsgerichte ist jedoch zulässig, wenn sie in der bestehenden Regelung gewissermaßen vorgezeichnet ist und die im Wege der Vertragsverhandlungen zwischen den Betriebspartnern gefundene Kompromißlinie nicht einseitig zu Lasten einer Seite abgeändert wird.478 Die hiermit ermittelten Grundsätze gilt es nun im folgenden für die Bestimmung der entgeltlichen Struktur einer Versorgungszusage nutzbar zu machen, die durch Betriebsvereinbarung begründet worden ist.

B. Entgeltliche Struktur der Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung Die Frage nach der schuldrechtlichen Rechtsposition des Arbeitnehmers, die aus einer in einer Betriebsvereinbarung gemachten Direktzusage einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung erwächst, ist die Frage nach dem Entstehen eines schuldrechtlichen Anspruches oder einer schuldrechtlichen Anwartschaft. Da Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung durch den Eintritt eines spezifischen biometrischen Risikos, des Versorgungsfalles, bedingt sind,479 hat der Arbeitnehmer vor Eintritt dieses Versorgungsfalles keinen schuldrechtlichen Anspruch auf die Versorgungsleistung. Gleichwohl kann dem Arbeitnehmer schon zuvor eine schuldrechtliche Rechtsposition zustehen, wenn die betriebliche Versorgungsleistung sich als Entgelt im Arbeitsverhältnis darstellt, er die dafür vorausgesetzte Leistung seinerseits bereits vollständig erbracht hat oder er diese zwar nur teilweise erbracht hat, aber auch Teilleistungen zu vergüten sind. In solchen Fällen ist es berechtigt, von einer erdienten schuldrechtlichen Anwartschaft zu sprechen, die sich als eine Vorstufe des Anspruches, als dessen wesensgleiches Minus darstellt und daher an dessen Schutz teilhat.480 Dies erfordert zunächst eine Analyse der entgeltlichen Verknüpfung der Arbeitgeberleistung mit der Arbeitnehmerleistung. Die damit aufgeworfene Frage Hinterbliebenenversorgung, Bl. 3; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 70; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 65. 476 Wank, Festschrift für Kraft, S. 665 (S. 676). Zurückhaltend auch die Formulierung bei Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 16: „Lückenausfüllung“. 477 Wank, Festschrift für Kraft, S. 665 (S. 677). 478 Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 16; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 70; Wank, Festschrift für Kraft, S. 665 (S. 677); Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 65. 479 Dazu bereits oben § 1 A., S. 19 f. 480 Grundlegend hierzu BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4R–5R.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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nach der Art der entgeltlichen Leistungsverknüpfung setzt jedoch voraus, daß eine solche überhaupt besteht.481 Insoweit liegt eine petitio principii vor, die heute482 weithin akzeptiert ist, wenn vom Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung ausgegangen wird.483 Nicht zuletzt der Gesetzgeber hat sich bei der Regelung der Unverfallbarkeit im Betriebsrentengesetz von der Entgeltlichkeit des betrieblichen Ruhegeldes leiten lassen.484 Im folgenden soll jedoch der Entgeltcharakter von zugesagten Leistungen betrieblicher Altersversorgung positiv bestimmt werden. Die entgeltliche Verknüpfung der Arbeitgeberleistung mit der Arbeitnehmerleistung wird dabei maßgeblich durch die in der Betriebsvereinbarung enthaltene Versorgungszusage bestimmt, welche nach den oben sub A. ermittelten Kriterien auszulegen ist. Bevor jedoch – II. – mögliche Klauselgestaltungen in Betriebsvereinbarungen eruiert und – III. – nach der Leistung des Arbeitnehmers, – IV. – nach der Leistung des Arbeitgebers sowie – V. – nach deren Verknüpfung miteinander zu fragen ist und damit zugleich der Entgeltcharakter von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung positiv bestimmt werden kann, sind zunächst einmal – I. – diejenigen Sichtweisen des Arbeitsverhältnisses kritisch zu hinterfragen, welche eine entgeltliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung in der betrieblichen Altersversorgung a priori ausschließen. I. Ausschluß des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung? Der Entgeltcharakter von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Es handelt sich jedenfalls weder – 1. – um reine Fürsorgeleistungen des Arbeitgebers, die aufgrund eines als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis verstandenen Arbeitsverhältnisses erbracht werden, noch – 2. – um mitgliedschaftliche Wertrechte, welche im Rahmen eines als verbandsrechtliches Verhältnis verstandenen Arbeitsverhältnisses entstehen. 481

Ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 40 f. Zur historischen Entwicklung der Entgeltlichkeit der betrieblichen Altersversorgung Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 11 ff., 49 ff.; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 20 ff.; G. Wiedemann, Die historische Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung, S. 175 ff.; jeweils m.w. N. 483 Siehe nur BAG, Urteil vom 27.06.1969 – 3 AZR 297/68 –, AP Nr. 2 zu § 242 BGB Ruhegehalt – VBL, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 12.02.1971 – 3 AZR 83/70 –, AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2/2R; BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 119 f.; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 57; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 41. 484 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 20. 482

96 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

1. Reiner Fürsorgecharakter? Insbesondere stellt eine Zusage betrieblicher Altersversorgung regelmäßig keine reine Fürsorgeleistung des Arbeitgebers ohne Entgeltcharakter dar.485 Denn eine solche Sichtweise wäre mit der zu Recht aufgegebenen Sicht des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis verknüpft. Diese hatte ihre Wurzeln bei v. Gierke, der den Arbeitsvertrag in der Tradition des deutschrechtlichen Dienstvertrages als Vertrag mit personenrechtlichen Wirkungen sah486 und dabei die aus dem Herrschaftsverhältnis des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer487 resultierenden Fürsorge-488 und Treuepflichten489 betonte. Unter Geltung des § 2 II AOG wuchs von 1934 an aus diesem Ansatz die Annahme, das Arbeitsverhältnis sei ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, das nicht vom Leistungsaustausch, sondern von gegenseitiger Treue geprägt sei.490 Selbst die Arbeitsleistungs- und die Entgeltzahlungspflicht wurden auf die so verstandene Treuepflicht zurückgeführt.491 So stellten sich auch – entgegen der vorherigen Einordnung als aufschiebend bedingtes Arbeitsentgelt492 – betriebliche Ruhegelder als Fürsorgeleistungen des Arbeitgebers dar.493 Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte diese Sichtweise modifiziert in der Charakterisierung des Arbeitsverhältnisses als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis fort,494 verbunden mit der verbreiteten Einordnung betrieblicher Ruhegelder als reine Fürsorgeleistung.495 Mit der Betriebsgemeinschaft und ihrem Widerspruch zum bipolaren Aufbau der Betriebsverfassung sowie mit dem Statusvertrag und 485 Vgl. aber H. Wiedemann, Festschrift für Stimpel, S. 955 (S. 972 f.): Die Versorgungsleistung sei „Ausdruck der arbeitgeberseitigen Fürsorge“. 486 v. Gierke, Privatrecht III, § 199 II, S. 594. 487 v. Gierke, Privatrecht III, § 199 IV 2, S. 609. 488 v. Gierke, Privatrecht III, § 199 V 2, S. 620 ff. 489 v. Gierke, Privatrecht III, § 199 IV 3, S. 610 f. 490 RAG, Urteil vom 19.01.1938 – RAG 153/37 –, ARS 33, 172 (175 f.); RAG, Urteil vom 26.04.1939 – RAG 202/38 –, ARS 36, 44 (46 f.); RAG, Urteil vom 13.09. 1939 – RAG 8/39 –, ARS 37 (RAG), 230 (236); RAG, Urteil vom 30.10.1940 – RAG 187/39 –, ARS 40, 282 (286); RAG, Urteil vom 16.09.1941 – RAG 81/41 –, ARS 43, 167 (169); A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG3, § 2 Rz. 16; A. Hueck, Deutsches Arbeitsrecht2, S. 66, 180 f.; Nikisch, Das Arbeitsverhältnis im Betriebe2, S. 42 ff. 491 So insbesondere A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG3, § 2 Rz. 19, 17b. 492 RAG, Urteil vom 04.11.1931 – RAG 195/31 –, ARS 13, 318 (319); RAG, Urteil vom 09.11.1932 – RAG 293/32 –, ARS 16, 281 (283); auch nach 1934 noch RAG, Urteil vom 17.04.1937 – RAG 292/36 –, ARS 29, 380 (382). 493 RAG, Urteil vom 05.12.1939 – RAG 26/39 –, ARS 37, 399 (406 f.); RAG, Urteil vom 02.10.1940 – RAG 52/40 –, ARS 40, 321 (322); RAG, Urteil vom 04.11.1941 – RAG 72/41 –, ARS 43, 148 (154). Grundlegend LAG Dortmund, Urteil vom 22.06.1937 – 12 Sa 152/36 –, ARS 30, 44 (46). Aus der Literatur A. Hueck/Nipperdey/Dietz, AOG3, § 2 Rz. 17c. 494 Etwa Heissmann, RdA 1957, 251 (252 ff.); G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 136 f.; H. Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 35 f.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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seinem Widerspruch zur Sicht des Arbeitsverhältnisses als schuldrechtliches Austauschverhältnis wurden bereits oben in § 2 wesentliche Aspekte der personenrechtlichen Betrachtung des Arbeitsverhältnisses kritisiert. Die Frage der Entgeltlichkeit betrieblicher Altersversorgung zeigt ein Weiteres. Leitete man aus verbands- und statusrechtlichen Ideen496 noch in der Weimarer Zeit ganz überwiegend497 keinen Gegensatz zum Austauschverhältnis ab,498 brachte die Fürsorgetheorie in der Folgezeit bei den betrieblichen Ruhegeldern ein Leugnen der Entgeltlichkeit und die Entfernung vom Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches mit sich. Zwar enthält auch das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches personale Elemente, insbesondere in den §§ 616– 619 BGB.499 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese – wie die Motive zu § 616 BGB500 und der Bericht der XII. Kommission des Reichstages vom 12.06.1896 zu § 617 BGB501 zeigen – eine sozialpolitisch begründete Ausnahmeregelung darstellen.502 Das Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches bricht gerade mit deutschrechtlichen Vorstellungen,503 deren historische Fundierung im übrigen längst erschüttert ist.504 Indem es die postulierte Herrschaftsgewalt des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer durch die Fürsorgepflicht zu bändigen versucht, ist das personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis eine nicht mehr zeitgemäße, ideologisch verbrämte Antwort auf tatsächliche Probleme des Arbeitsrechts,505 deren Prämissen nicht nur unvereinbar sind mit der Wertordnung des Grundgesetzes und ihrer Betonung von Menschenwürde,506 Privatautonomie sowie Berufsfreiheit.507 Vor allem verdrängt sie das Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht5, S. 160 f.; A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I7, § 52 III 1, S. 478; Nikisch, Arbeitsrecht I3, § 41 I 2, S. 572; Thiele, AcP 167 (1967), 193 (228 bei und in Fn. 103). Differenzierend aber bereits Heissmann, Die betrieblichen Ruhegeldverpflichtungen5, S. 58 f. 496 Prägend Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts2, S. 118 f. i.V. m. 217. 497 Anders Potthoff, JW 1927, 225 (226). 498 Wiederum exemplarisch Sinzheimer, Grundzüge des Arbeitsrechts2, S. 117 ff. Ferner Jacobi, Einführung in das Gewerbe- und Arbeitsrecht5, S. 57; Richter, Grundverhältnisse des Arbeitsrechts, S. 82; Silberschmidt, Arbeitsrecht, S. 14. 499 So G. Wiese, ZfA 1996, 439 (445). 500 Motive II, S. 463, bei Mugdan, Materialien II, S. 258. 501 Mugdan, Materialien II, S. 1287. 502 G. Wiese, ZfA 1996, 439 (445). 503 MünchArbR2 /Richardi, § 1 Rz. 22; zustimmend Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 1 II 1, S. 14. Pointiert auch Ballerstedt, RdA 1976, 5 (9). 504 Näher hierzu Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 45 f.; G. Wiese, ZfA 1996, 439 (446 f.); je m.w. N. 505 G. Wiese, ZfA 1996, 439 (450 f.) unter Hinweis auf Mayer-Maly, RdA 1989, 233 (238). 506 G. Wiese, ZfA 1996, 439 (453). 507 Zur Bedeutung von Vertragsfreiheit und Berufsfreiheit MünchArbR2 /Richardi, § 1 Rz. 26. 495

98 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Vertragsprinzip und widerspricht damit geltendem Recht.508 Treue- und Fürsorgepflicht sind inhaltlich unbestimmt und wohl auch unbestimmbar.509 Eine über die Grenzen von § 242 BGB hinausgehende,510 personenrechtlich begründete Fürsorge- und Treuepflicht ist mit dem geltenden Schuldrecht unvereinbar.511 Zu Recht wird daher heute das Arbeitsverhältnis als schuldrechtliches Austauschverhältnis eingeordnet,512 das aber im Hinblick auf die Umstände der Leistungserbringung zu besonderen, konkretisierbaren Nebenpflichten führt.513 Diese aus der Schuldrechtsdogmatik gewonnene Erkenntnis514 wird nunmehr bestätigt durch den Blick auf § 241 II BGB. Folgerichtig ist es deshalb, entsprechend der Modernisierungslinie „from status to contract“515, den Problemen abhängiger Arbeit mit vertragsrechtlichen Mitteln zu begegnen.516 Dies entspricht auch den neueren Entwicklungen im Bereich der Vertragskontrolle,517 wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa in der Handelsvertreter-518 und der Bürgschaftsentscheidung519 im Hinblick auf einen Imparitätsausgleich praktiziert hat. Folgerichtig ist es deshalb auch, eine Arbeitgeberleistung nicht ohne Not aus dem Austauschverhältnis zu drängen und die wirtschaftliche Motivation, die in der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung zum Ausdruck kommt, zu berücksichtigen.520

MünchArbR2 /Richardi, § 8 Rz. 10. Pointiert hierzu auch E. Wolf, Arbeitsverhältnis, S. 32. 510 So aber A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I7, § 22 II 2 e, S. 131; Nikisch, Arbeitsrecht I3, § 34 I 1, S. 445 f. 511 Ballerstedt, RdA 1976, 5 (9); Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, S. 129 f.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 1 II 2, S. 14 f. 512 Becker, Sonderzuwendungen, S. 19; MünchArbR2 /Blomeyer, § 48 Rz. 1, § 51 Rz. 16 f.; MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 611 BGB Rz. 7; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 1 II 2, S. 15; MünchArbR2 /Richardi, § 8 Rz. 1, 18; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 81; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 33; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 34. 513 MünchArbR2 /Blomeyer, § 51 Rz. 12; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 1 II 2, S. 15; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 81. 514 MünchArbR2 /Blomeyer, § 51 Rz. 16; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 80 f. m.w. N. 515 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 359; ähnlich bereits Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 71. 516 Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 71; G. Wiese, ZfA 1996, 439 (453 f.). 517 G. Wiese, ZfA 1996, 439 (454). 518 BVerfG, Beschluß vom 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 –, BVerfGE 81, 242 (254 ff., 256). 519 BVerfG, Beschluß vom 29.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 –, BVerfGE 89, 214 (232, 234). 520 Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 150 ff., 156. 508 509

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Zu Recht werden in Rechtsprechung und Literatur als typische Beweggründe für die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung neben Fürsorgeaspekten521 vor allem die steuerliche Subventionierung der betrieblichen Altersversorgung und die sich daraus ergebenden Liquiditätsvorteile und Refinanzierungsmöglichkeiten522 sowie nicht zuletzt personalpolitische Aspekte angeführt. Letztere machen sich durch die erleichterte Gewinnung qualifizierten Nachwuchses,523 eine verbesserte Motivation der Mitarbeiter524 und vor allem eine erhöhte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen525 bemerkbar. Die Vertragsbeziehung mit dem Arbeitnehmer kann für den Arbeitgeber mit zunehmender Betriebszugehörigkeit insoweit an Wert gewinnen, als ihm die gewachsene Erfahrung des Arbeitnehmers zugute kommt, durchgeführte Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sich in gesteigertem Maße amortisieren und Kosten für die Suche und Einarbeitung neuer Mitarbeiter vermieden werden. Jedoch kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nur in den Grenzen des § 624 BGB rechtlich binden. Eine solche Bindung ist in der Regel aber noch nicht einmal interessengerecht, da der Arbeitgeber sich regelmäßig nicht der Kündigungsmöglichkeit begeben will.526 Andererseits folgt aus § 622 VI BGB, daß eine einseitige Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit zu Lasten des Arbeitnehmers nicht möglich ist. Ein Ausweg aus diesem Dilemma liegt gerade in der Gewährung zusätzlicher freiwilliger Leistungen, die als finanzieller Anreiz mit faktischer Bindungswirkung ausgestaltet sind.527 Dies kann namentlich bei einer betrieblichen Altersversorgung der Fall sein. Bereits diese vielfältigen möglichen Motive für die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung legen nahe, daß mit der Versorgungszusage regelmäßig eine Leistung des Arbeitnehmers entgolten werden soll. Dabei deutet etwa die intendierte Motivation der Mitarbeiter auf die Arbeitsleistung, die intendierte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen auf die Betriebstreue oder auch auf die bloße Betriebszugehörigkeit als entlohnte Arbeitnehmerleistung hin. Voraussetzung für weitergehende Schlußfolgerungen in bezug auf die Entgeltlichkeit einer Versorgungszusage ist jedoch nach den oben in § 3 A entwickelten Auslegungsgrundsätzen für Betriebsvereinbarungen, daß eine entsprechende Zwecksetzung in der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung zum Ausdruck 521 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Stumpf, Betriebliche Altersversorgung im Umbruch, S. 199 (S. 201). 522 Vgl. S. 22 Fn. 18. 523 Vgl. S. 22 Fn. 19. 524 Vgl. S. 22 Fn. 20. 525 Vgl. S. 22 Fn. 21. 526 Ähnlich bereits BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R. 527 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1.

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gekommen ist. So kann etwa eine Verfallklausel für den Fall vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Entlohnung der Betriebstreue oder der Betriebszugehörigkeit deuten. Damit wendet sich der Blick fort von pauschalen, das Vertragsprinzip verdrängenden und so geltendem Recht widersprechenden Fürsorgeerwägungen hin zur konkreten Ausgestaltung der Versorgungszusage. All dem trägt die vorliegende Untersuchung Rechnung, indem sie – II. – mögliche Klauselgestaltungen in Betriebsvereinbarungen eruiert und – III. – nach der Leistung des Arbeitnehmers, – IV. – nach der Leistung des Arbeitgebers sowie – V. – nach deren Verknüpfung miteinander fragt und so zugleich deren Entgeltcharakter positiv nachweist. 2. Mitgliedschaftliche Wertrechte? Eine genauere Einordnung der im Hinblick auf die Versorgungszusage erbrachten Leistungen und ihrer Verknüpfung ist auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Betrachtung jedweder Leistungsansprüche als mitgliedschaftliche Wertrechte entbehrlich.528 Denn Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung können nicht als mitgliedschaftliche Wertrechte verstanden werden.529 Zum einen fehlt es mangels eines zweckbestimmten Regelungsbereiches bereits an einem aus Arbeitnehmern und Arbeitgeber bestehenden Betriebsverband, als dessen mitgliedschaftliche Wertrechte sich betriebliche Ruhegelder darstellen könnten.530 Zum andern würde eine solche Sichtweise die Anerkennung gesellschaftsrechtlicher Elemente im Arbeitsverhältnis, etwa im Sinne einer Gewinnbeteiligung, wenn nicht voraussetzen, dann doch zumindest nahelegen. Dies ist gleichfalls abzulehnen.531 Es bleibt daher festzuhalten, daß die Einordnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als Entgelt nicht a priori ausgeschlossen ist. Es handelt sich weder um reine Fürsorgeleistungen des Arbeitgebers, die aufgrund eines als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis verstandenen Arbeitsverhältnisses erbracht werden, noch um mitgliedschaftliche Wertrechte im Rahmen eines als verbandsrechtliches Verhältnis verstandenen Arbeitsverhältnisses.

528 529 530 531

So aber Reuter, ZfA 1993, 221 (231 mit Fn. 53). So aber Reuter, ZfA 1993, 221 (231). Dazu bereits oben § 2 A. I. 4., S. 46 ff. Auch dazu bereits oben § 2 A. I. 4., S. 46 ff.

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II. Typische Klauselgestaltungen und ihre Bedeutung für die Frage der Entgeltlichkeit Die Frage der Entgeltlichkeit wie auch die Frage der schuldrechtlichen Struktur einer Versorgungszusage hängt von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall ab. Den Betriebspartnern stehen viele verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, Direktzusagen einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung auszugestalten. Für den Zweck dieser Untersuchung kann es nur darum gehen, typische Gestaltungen zu analysieren. Am häufigsten anzutreffen sind Zusagen, die eine Verfallklausel enthalten für den Fall, daß das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeitspanne endet.532 Das in der Praxis eher seltene Gegenstück hierzu sind Zusagen, die keine solche Verfallklausel und keine weiteren Regelungen in bezug auf varia532 Ein typisches Beispiel findet sich bei LAG Hamm, Urteil vom 03.03.1998 – 6 Sa 1800/97 –, NZA-RR 1998, 370 (370 f.): „In der Versorgungsordnung vom 1.11.1974 (nachfolgend: VO 74) ist in den nachfolgenden Artikeln bestimmt: Art. 5 Altersrentenbeginn Normaler Altersrentenbeginn ist der Monatserste, der auf die Vollendung des Lebensalters folgt oder damit zusammenfällt, das nach der Bestimmung des Angestelltenversicherungsgesetzes oder der Reichsversicherungsordnung zum Bezug von Altersruhegeld berechtigt. Zur Zeit ist es bei Männern das 65. und bei Frauen das 60. Lebensjahr. Art. 6 Normale Altersrente 6.1. Anspruch auf normale Altersrente hat ein Mitarbeiter, der den Altersrentenbeginn (Art. 5) in den Diensten der Firma erreicht hat und in den Ruhestand tritt. 6.2. Die Höhe der Altersrente richtet sich nach der Länge der anrechnungsfähigen Dienstzeit und der Höhe des anrechenbaren Einkommens für jedes Jahr der anrechnungsfähigen Dienstzeit [. . .] Art. 7 Vorgezogene Altersrente Anspruch auf vorgezogene Altersrente hat ein Mitarbeiter, der vor dem normalen Altersrentenbeginn (Art. 5) ausscheidet und in den Ruhestand tritt, unter der Voraussetzung, daß er vom gleichen Zeitpunkt an ein Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält [. . .] [. . .] Art. 12 Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Mitnahmerecht) 12.1. Ein Mitarbeiter, der unter diese Versorgungsordnung fällt, behält seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versicherungsfalles endet, sofern in diesem Zeitpunkt der Mitarbeiter das 35. Lebensjahr vollendet hat und a) die Versorgungszusage nach diesem und/oder einem früheren Versorgungsplan der Firma mindestens 10 Jahre bestanden hat oder b) der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage nach diesem und/oder einem früheren Versorgungsplan der Firma mindestens 3 Jahre bestanden hat. 12.2. Die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft und Altersrente ermittelt sich, indem die bis zum normalen Altersrentenbeginn erreichbare Altersrente mit dem Verhältnis aus tatsächlicher Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit vervielfacht wird.“ Vgl. auch den Formulierungsvorschlag für eine Verfallklausel bei Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung8, § 51 Rz. 75:

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ble Entgeltfaktoren enthalten. Wesentlich häufiger sind jedoch Zusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten. Ein in neuerer Zeit diskutierter Sonderfall sind Zusagen mit Verfallklausel, die für die Höhe der Versorgungsleistung Zeiten ohne Arbeitsleistung nicht berücksichtigen. Schließlich können sowohl Zusagen mit Verfallklausel als auch Zusagen ohne Verfallklausel mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten kombiniert werden. Solche Versorgungszusagen enthalten häufig eine Bezugnahme auf ein im Zeitpunkt des Versorgungsfalles maßgebliches Arbeitsentgelt,533 was eine Dynamisierung der Anwartschaft zur Folge hat, weil der in Bezug genommene Wert – regelmäßig das aktuelle Arbeitsentgelt des anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmers – sich ändern kann, und zwar sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Arbeitnehmers.534 In der Praxis gebräuchlich sind des weiteren Versorgungszusagen, welche die Versorgungsanwartschaften an die Entwicklung eines Lebenshaltungskostenindexes oder des Gehalts einer bestimmten Tariflohngruppe binden. Sehen solche Klauseln einen Automatismus vor, sind sie in Ansehung von § 2 I Preisangaben- und PreisklauselG in Verbindung mit § 1 Nr. 2 PreisklauselVO als sogenannte Spannungs- oder Spannenklauseln genehmigungsfrei zulässig, da von der Vergleichbarkeit der Leistungen im Sinne von § 2 I Preisangaben- und PreisklauselG auszugehen ist.535 „§ 9 Versorgungsanwartschaft I. Endet das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters vor Eintritt des Versorgungsfalles, so scheidet er aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten aus. II. Liegen die Voraussetzungen von § 1b BetrAVG vor, erhält der Mitarbeiter eine schriftliche Auskunft über die Höhe der Versorgungsleistung, die er nach Vollendung des 65. Lebensjahres beanspruchen kann.“ 533 Ein Beispiel – allerdings aus einer Unterstützungskassenrichtlinie – ist mitgeteilt in BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 1R: „Altersrenten Diese können gewährt werden an diejenigen Betriebsangehörigen, die nach Erreichen des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Als Berechnungsgrundlage sind die Bruttobezüge des dem Rentenanfall vorausgegangenen Kalenderjahres anzusetzen. Für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit wird eine Altersrente in Höhe von 1% der Berechnungsgrundlage gewährt.“ 534 Zu letzterem P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79); Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 134 f. 535 Bei Klauseln, die eine automatische Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung eines Lebenshaltungskostenindexes vorsehen, folgt die Vergleichbarkeit der Leistungen aus der gesetzlichen Wertung des § 16 II BetrAVG, wonach die Betriebsrentenanpassung nicht geringer ausfallen darf als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für die Bundesrepublik Deutschland oder die Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (so auch Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anh. § 1 Rz. 677). Für Anpassungen bereits im Anwartschaftsstadium kann nichts anderes gelten. Zur Bindung betrieblicher Ruhegelder an die Entwicklung eines bestimmten Tarifgehalts vgl. bereits unter Geltung des § 3 WährungsG BAG, Urteil vom 13.10.1976 – 3 AZR 606/75 –, AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Wertsicherung, Bl. 1R, 2, wo eine automatische Bindung des betrieblichen Ruhegeldes explizit als „Spannenklausel“

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Bereits die unterschiedlichen Voraussetzungen für den Anspruchserwerb und die gerade durch das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen von Verfallklauseln erkennbar zu Tage tretende unterschiedliche Motivationslage für die Erteilung einer Versorgungszusage durch den Arbeitgeber indiziert eine Verknüpfung mit unterschiedlichen Arbeitnehmerleistungen. Das Vorhandensein einer Verfallklausel, aber auch dienstzeitabhängige Steigerungsraten und dienstzeitunabhängige Steigerungsraten in Gestalt einer endgehaltsbezogenen Versorgung indizieren dabei eine intendierte verstärkte Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb, während ihr Fehlen den Blickpunkt auf die synallagmatische Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, die Arbeitsleistung, lenkt. Erst wenn die Arbeitnehmerleistung und ihre Verknüpfung mit der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung bestimmt sind, kann auch die Entgeltlichkeit der untersuchten typischen Klauselgestaltungen jeweils positiv festgestellt werden. Um eine schuldrechtliche Verknüpfung mit der Arbeitgeberleistung herzustellen, bedarf es zunächst einer Leistung des Arbeitnehmers im Sinne von § 241 I BGB. Denn Entgeltlichkeit setzt eine Leistung voraus, die entgolten wird.536 Es genügt nicht, daß eine geldwerte Leistung des Arbeitgebers im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erfolgt.537 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 141 II 1 des EG-Vertrages, wonach Entgelt alle Vergütungen sind, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufbezeichnet und von deren Zulässigkeit ohne weiteres ausgegangen wird. Auch insoweit kann im Anwartschaftsstadium nichts anderes gelten. In der Praxis wird dennoch häufig lediglich eine Verpflichtung der Betriebspartner zur Vornahme einer entsprechenden Anpassung vereinbart. Ein Beispiel ist mitgeteilt in BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 1/1R: „§ 18 Anpassung Die Geschäftsleitung der Firma wird mit dem Betriebsrat alljährlich im Monat Juni, erstmals im Juni 1982, eine Anpassung des Grund-Steigerungsbetrages (§ 6, z. Z. DM 7) mit Wirkung zum 1.7. festsetzen. Dabei erfolgt die Anpassung des Grund-Steigerungsbetrages in Höhe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten gemäß den Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden für den 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen. Sofern die wirtschaftliche Lage der Firma dieser Anpassung an die Lebenshaltungskosten entgegensteht, wird mit dem Betriebsrat über die Möglichkeit einer Anpassung und gegebenenfalls deren Umfang verhandelt. Bei der ersten Anpassung zum 1.7.1982 bleibt die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bis zum 31.12.1980 unberücksichtigt. Sollten in einem Anpassungszeitraum die Lebenshaltungskosten höher steigen als die Tarifbezüge, so erfolgt höchstens eine Anpassung an die Entwicklung dieser Tarifbezüge. Nach Eintritt des Versorgungsfalles wird im Rahmen von § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung eine Anpassung der laufenden Leistungen geprüft und hierüber nach billigem Ermessen entschieden.“ 536 Klinke, Causa und genetisches Synallagma, S. 70; Thelen, Entgeltliche Geschäfte, S. 8 f.; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 175; der Sache nach auch Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 35, 37 f. 537 So aber BAG, Urteil vom 16.03.1994, – 10 AZR 669/92 –, AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3R.

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grund des Dienstverhältnisses zahlt. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen zur betrieblichen Altersversorgung allein darauf abgehoben, daß die Finanzierung durch den Arbeitgeber erfolgt und nicht auf gesetzlicher Grundlage beruht.538 Die Gegenleistung des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für das Vorliegen von Entgelt im Sinne des Art. 141 II 1 EG-Vertrag unerheblich, solange die Leistung des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erfolgt.539 Selbst wenn diese Judikatur im Hinblick auf das Bedürfnis, für die unterschiedlichen Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten einheitliche Maßstäbe zugrunde zu legen, berechtigt sein sollte, könnten hieraus keine über das Europarecht hinausreichenden Schlüsse gezogen werden. Insbesondere folgt aus Art. 141 II 1 EGVertrag kein Argument, ein Entgelt für die Arbeitsleistung anzunehmen.540 Für das deutsche Recht bleibt es bei der Notwendigkeit, Leistung, Gegenleistung und ihre Verknüpfung zu bestimmen, um Entgeltlichkeit feststellen zu können.541 Daher ist der Inhalt der jeweiligen Arbeitnehmerleistung im folgenden – III. – im Rahmen einer normativen Auslegung der typischen Klauselgestaltungen zu ermitteln, bevor – IV. – auf die Arbeitgeberleistung und – V. – deren Verknüpfung mit der ermittelten Arbeitnehmerleistung einzugehen ist. III. Leistung des Arbeitnehmers Nach dem oben zu II. entwickelten Prüfprogramm sind im folgenden die in Versorgungszusagen typischerweise enthaltenen Klauselgestaltungen im Rahmen einer normativen Auslegung auf die in ihnen vorausgesetzte Leistung des Arbeitnehmers hin zu untersuchen. Dies setzt zunächst – 1. – eine Auseinandersetzung mit dem dabei zugrunde zu legenden schuldrechtlichen Leistungsverständnis voraus. Nur wenn geklärt ist, was unter einer Leistung zu verstehen ist, können Versorgungszusagen auf die Arbeitnehmerleistung hin untersucht werden, an welche sie anknüpfen. Sodann sind vor dem Hintergrund des ermittelten Leistungsverständnisses – 2. – die in Betracht kommenden Leistungsgegenstände auf Arbeitnehmerseite zu ermitteln. Anschließend ist – 3. – auf die besonderen 538 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH, Urteil vom 13.05.1986 – Rs. 170/84 (Bilka) –, AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag, Bl. 3R; EuGH, Urteil vom 17.05.1990 – Rs. C 262/88 (Barber) –, AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag, Bl. 2; EuGH, Urteil vom 06.10.1993 – Rs. C 109/91 (Ten Oever) –, AP Nr. 49 zu Art. 119 EWG-Vertrag, Bl. 1R; EuGH, Urteil vom 28.09.1994 – Rs. C 128/93 (Voorhuis) –, AP Nr. 56 zu Art. 119 EWG-Vertrag, Bl. 2. 539 Für eine Weihnachtsgratifikation EuGH, Urteil vom 21.10.1999 – Rs. C 333/97 (Lewen) –, AP Nr. 14 zu Art. 119 EG-Vertrag, Bl. 4R. 540 Unklar insoweit BAG, Urteil vom 26.09.2000 – 3 AZR 387/99 –, EzA § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, S. 3. 541 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 45.

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Bindungen der Betriebspartner bei der Zwecksetzung einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitgeberleistung einzugehen, bevor – 4. bis 7. – die oben zu II. ermittelten typischen Klauseln im Hinblick auf die in ihnen zugrunde gelegte Arbeitnehmerleistung untersucht werden können. 1. Leistung als Gegenstand eines Schuldverhältnisses Um Versorgungszusagen auf die Arbeitnehmerleistung hin zu untersuchen, an welche sie anknüpfen, ist es erforderlich zu wissen, was überhaupt unter einer Leistung zu verstehen ist. Der Leistungsbegriff im allgemeinen Schuldrecht ist ambivalent, er umfaßt Leistungshandlung und Leistungserfolg.542 Der Leistungserfolg ist jedoch vor allem für die Erfüllung543 und bei der Unmöglichkeit544 bedeutsam, während etwa die §§ 241 I 2, 242 BGB sich nur auf das Leistungsverhalten beziehen.545 Die Leistung als Gegenstand eines Schuldverhältnisses ist ein Verhalten,546 das ein fremdes Interesse zu fördern bezweckt.547 Auf das Vorliegen einer Verpflichtung zu diesem Leistungsverhalten kommt es nicht notwendig an.548 Das Leistungsverhalten muß hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.549 Eines Vermögenswertes der Leistung550 oder eines schutzwürdigen Gläubigerinteresses551 an der Leistung bedarf es hingegen nicht,552 da ein solches Tatbestandsmerkmal im Gesetz MK-BGB5 /Kramer, § 241 BGB Rz. 7; Wieacker, 2. Festschrift für Nipperdey I, S. 783 (S. 784). 543 BGH, Urteil vom 06.02.1954 – II ZR 176/53 –, BGHZ 12, 267 (268); BGH, Urteil vom 25.03.1983 – V ZR 168/81 –, BGHZ 87, 156 (162); BGH, Beschluß vom 23.01.1996 – XI ZR 75/95 –, NJW 1996, 1207 (ebd.); Wieacker, 2. Festschrift für Nipperdey I, S. 783 (S. 790 f.). 544 MK-BGB5 /Kramer, § 241 BGB Rz. 7; Wieacker, 2. Festschrift für Nipperdey I, S. 783 (S. 791). 545 MK-BGB5 /Kramer, § 241 BGB Rz. 7. 546 MK-BGB5 /Kramer, § 241 BGB Rz. 7; Staudinger13 /J. Schmidt, § 241 BGB Rz. 59; Wieacker, 2. Festschrift für Nipperdey I, S. 783 (S. 801 f.). 547 Thelen, Entgeltliche Geschäfte, S. 8 f.; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 8. 548 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 8 Fn. 20. 549 MK-BGB5 /Kramer, § 241 BGB Rz. 6 m.w. N.; Larenz, Schuldrecht AT14, § 2 I, S. 8; Jauernig12 /Mansel, § 241 BGB Rz. 8; Staudinger13 /J. Schmidt, § 241 BGB Rz. 62. 550 So aber Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 1 I 4, S. 3; Henckel, AcP 174 (1974), 97 (124); Oertmann, BGB5, § 241 Anm. 1 b g. 551 So aber RGRK-BGB12 /Alff, vor § 241 Rz. 9; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht15, § 1 IV 2, S. 6; Jauernig12 /Mansel, § 241 BGB Rz. 7. Auch schon die Vorlage des Redaktors v. Kübel, Redaktorenentwurf Recht der Schuldverhältnisse, Abschn. I, Tit. 1, § 1, S. 11. 552 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht10, Rz. 46; Palandt66 /Heinrichs, § 241 BGB Rz. 4 (bezüglich Vermögenswertes der Leistung); Larenz, Schuldrecht AT14, § 2 I, 542

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fehlt.553 Eine Beschränkung auf vermögenswerte Interessen widerspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers554 ebenso wie eine Beschränkung auf schutzwürdige Interessen,555 da es ausweislich der Protokolle keine andere Schranke geben sollte, „als daß die Übernahme der Verbindlichkeit nicht gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen dürfe“556. Ein solches Verständnis folgt dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Inwieweit für die Betriebspartner besondere inhaltliche Bindungen bestehen, ist eine andere Frage. Festzuhalten bleibt, daß es für die Frage der entlohnten Arbeitnehmerleistung darauf ankommt, ein hinreichend bestimmtes oder bestimmbares, arbeitgebernütziges Arbeitnehmerverhalten zu ermitteln, an welches die jeweilige Versorgungszusage anknüpft. 2. Typologie möglicher Leistungsgegenstände Im folgenden ist zu prüfen, ob als hinreichend bestimmtes, arbeitgebernütziges Arbeitnehmerverhalten – a) – die Arbeitsleistung, – b) – die Betriebstreue und – c) – die bloße Betriebszugehörigkeit in Betracht kommen. Anschließend sind – d) – die Interdependenzen dieser möglichen Leistungsgegenstände zu untersuchen. a) Arbeitsleistung Vor dem Hintergrund eines wie vorstehend verstandenen Leistungsbegriffes erweist sich die Arbeitsleistung als möglicher Leistungsgegenstand auf Arbeitnehmerseite als unproblematisch. Sie ist ein hinreichend bestimmtes, arbeitgebernütziges Arbeitnehmerverhalten. b) Betriebstreue Anders sieht es im Hinblick auf die Betriebstreue aus. Der Begriff zeigt sich problematisch im Hinblick auf die Bestimmtheit der Leistung, soweit man – vor dem Hintergrund einer Sicht des Arbeitsverhältnisses als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis oder als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis – unter Betriebstreue die Erfüllung der Treuepflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis versteht.557 Die Prämissen einer solchen Sichtweise wurden aber S. 8; Staudinger13 /J. Schmidt, § 241 BGB Rz. 43; Planck/Siber, BGB4, Vorbemerkung I 3 zu § 241; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 8. 553 Staudinger13 /J. Schmidt, § 241 BGB Rz. 46. 554 Protokolle Band I, Abschnitt II 1, S. 281 explizit zum Einbezug ideeller Güter. 555 Staudinger13 /J. Schmidt, § 241 BGB Rz. 50, 53. 556 Protokolle Band I, Abschnitt II 1, S. 281. 557 In diese Richtung aber BGH, Urteil vom 19.12.1983 – II ZR 71/83 –, NJW 1984, 1529 (1530).

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bereits oben,558 nicht zuletzt unter dem Hinweis auf die Unbestimmtheit des Inhaltes einer umfassenden Treuepflicht verneint, so daß auch ein solches Verständnis der Arbeitnehmerleistung nicht in Betracht kommt. Eine Einordnung der Betriebstreue als Gesamtheit der während der Betriebszugehörigkeit geleisteten Arbeit559 bringt die Schwierigkeit mit sich, daß eine Abgrenzung zur laufend erbrachten und entlohnten Arbeitsleistung nicht allein über den Aspekt der zeitlichen Zuordnung erfolgen kann.560 Auch gibt eine solche Sicht die den typischen Verfallklauseln zugrunde liegende Interessenlage nicht zutreffend wieder, die gerade die Differenzierung zwischen dem zur Arbeitsleistung verpflichtenden Grundverhältnis und dem durch die Arbeitsleistung vermittelten Erfüllungsverhältnis561 widerspiegelt. Mit Wackerbarth562 ist daher die Betriebstreue als Arbeitnehmerleistung von der hinter der Versorgungszusage stehenden typischen Motivation des Arbeitgebers her zu bestimmen. Geht es dem Arbeitgeber nicht um die zusätzliche Entlohnung der Arbeitsleistung, steht für ihn die Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb im Vordergrund.563 Damit aber geht es um ein Verhalten des Arbeitnehmers, das der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses dient,564 also allein um die Aufrechterhaltung des Grundverhältnisses, welches somit selbst zum Leistungsgegenstand wird. Zum maßgeblichen Verhalten des Arbeitnehmers zählen das Unterlassen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitnehmers565 und das Unterlassen des vorsätzlichen oder fahrlässigen Setzens von Kündigungsgründen durch den Arbeitnehmer.566 Diese Einordnung hat zur Folge, daß im Falle einer betriebsbedingten Kündigung der Arbeitnehmer betriebstreu bleibt.567 Ebensowenig schadet es der Betriebstreue, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist, Urlaub nimmt, sich im rechtmäßigen suspendierenden Streik befindet, suspendierend ausgesperrt ist oder sich in der Elternzeit befindet. Da die Entlohnung von Betriebstreue jedoch nur im Hinblick auf eine langfristig auch 558

Siehe oben § 3 B. I. 1., S. 96 ff. So BAG, Urteil vom 30.03.1973 – 3 AZR 26/72 –, AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung, Bl. 7; R. Höfer/Küpper, BB 1990, 849 (850); wohl auch H. Wiedemann, RdA 1969, 244 (246). 560 Insoweit zutreffend die Kritik bei Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 70. 561 Zu dieser Differenzierung Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 3 I 1, S. 58, § 4 I 1, S. 114, § 7 I S. 230, § 8 I, S. 279; Boemke, AR-Blattei SD 220.5 Arbeitsvertrag – Arbeitsverhältnis V, Rz. 83, 22, 39. 562 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 9 f. 563 Zur Vielfalt der Motivationen bereits oben § 3 B. I. 1., S. 99 f. 564 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 10; ähnlich bereits BAG, Urteil vom 08.02.1983 – 3 AZR 10/81 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Treuebruch, Bl. 2R. 565 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 10. 566 Näher Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 11 f. 567 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 15. 559

108 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung und auf dadurch erworbene Kenntnisse und Erfahrungen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber zugute kommen, vom wirtschaftlichen Zweck des Arbeitsverhältnisses gedeckt ist, stellt sie cum grano salis dennoch ein Derivat der Arbeit568 dar. Die Arbeitsleistung ist bei der Entlohnung von Betriebstreue auf der Ebene des Motivs beziehungsweise der Geschäftsgrundlage anzusiedeln. In jedem Fall stellt die Betriebstreue ein hinreichend bestimmtes, arbeitgebernütziges Arbeitnehmerverhalten dar und ist damit eine anknüpfungsfähige Arbeitnehmerleistung. c) Betriebszugehörigkeit Die in den typischen Verfallklauseln angesprochene Betriebszugehörigkeit hingegen kommt als solche nicht als Leistung des Arbeitnehmers in Betracht.569 Denn die Betriebszugehörigkeit ist bei freiwilligen Sozialleistungen kein Verhalten des Arbeitnehmers, sondern ein rein objektiver Tatbestand, nämlich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum.570 Betriebszugehörigkeit in diesem Sinne knüpft nicht an den Betrieb an, sondern an das Arbeitsverhältnis,571 da es bei freiwilligen Sozialleistungen erkennbar um den Erhalt der vertraglichen Bindung geht.572 Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig auf ein Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen ist, kann dieser den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht „leisten“.573 Daran ändert auch die Überlegung nichts, daß der Arbeitnehmer etwa durch gute und produktive Arbeitsleistung mit zur Wirtschaftlichkeit des Betriebes beitragen und das Risiko betriebsbedingter Kündigungen eventuell vermindern kann.574 Denn auch dann käme die Betriebszugehörigkeit allenfalls als durch Betriebstreue575 oder durch Betriebstreue und Arbeitsleistung576 zu schaffendes

Ähnlich MünchArbR2 /P. Hanau, § 62 Rz. 6. So aber für Sonderzahlungen explizit BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4R. 570 Reiserer, NZA 1992, 436 (439); Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 12. 571 In diese Richtung U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 183. Zur Betriebszugehörigkeit im Sinne des BetrAVG ebenso BAG, Urteil vom 15.02.1994 – 3 AZR 708/93 –, AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Bl. 2; MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 107 Rz. 24; R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2854. Für den Regelfall auch Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 1b Rz. 265 f., 268. 572 Ob es in anderem Zusammenhang für die Betriebszugehörigkeit auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht ankommt, kann dahinstehen. Zum Streitstand Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 8 IV 4 b bb (2), S. 303 m.w. N. in Fn. 110, 111. 573 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 9. Vgl. auch die Kritik von Becker, Sonderzuwendungen, S. 39, an einer rein objektiven Betrachtungsweise. 574 So der Einwand von Becker, Sonderzuwendungen, S. 40, 136 f., 139. 575 So die von Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 175 ff., für Sonderzahlungen untersuchte und im Ergebnis abgelehnte These. 568 569

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Werk des Arbeitnehmers in Betracht. Damit bedarf es einer Abgrenzung der Werk- von der Dienstleistung. Daß – wie insbesondere § 615 BGB zeigt – im Arbeitsverhältnis das Entgeltrisiko grundsätzlich dem Arbeitgeber zugewiesen ist,577 spricht nicht gegen das Vorliegen einer Werkleistung.578 Denn die mit dem Zweck bloßer Betriebszugehörigkeit angesprochene betriebsbedingte Kündigung bedeutet eine Abkehr von der Risikoverteilung im ungekündigten Arbeitsverhältnis.579 Auch ein Abstellen auf die Diskrepanz von Leistung und Erfolg580 spricht nicht zwingend gegen die Annahme einer Werkleistung. Denn im Erfolg der Betriebszugehörigkeit nicht mehr als die Summe seiner Teile sehen581 kann nur, wer die Parteivereinbarung zugunsten eines scheinbar objektiven Maßstabes ignoriert. Entscheidend ist daher das Kriterium der Beherrschbarkeit des Erfolges,582 die beim Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Betriebszugehörigkeit nicht vollständig gegeben ist.583 Denn erstens können betriebsbedingte Kündigungen auch trotz guter und produktiver Leistung des Arbeitnehmers erfolgen. Zweitens basieren betriebsbedingte Kündigungen auf einer autonomen Unternehmerentscheidung584 und sind damit allein der Sphäre des Arbeitgebers zugewiesen. Damit aber erweist sich das Verhalten des Arbeitnehmers als nur 576 Auf dieses Arbeitnehmerverhalten stellen bei Sonderzahlungen BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4; BAG, Urteil vom 19.11.1992 – 10 AZR 264/91 –, AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2; BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 109/93 –, AP Nr. 167 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3, und wohl auch Becker, Sonderzuwendungen, S. 136 f., 139, ab, ohne allerdings eine Werkleistung anzunehmen. 577 Zu diesem Abgrenzungskriterium Staudinger2005 /Richardi, § 611 BGB Rz. 39– 45. 578 Vgl. aber die Kritik bezüglich Sonderzahlungen mit dem Zweck bloßer Betriebszugehörigkeit bei Reichold, DB 1988, 498 (501). 579 So zu Sonderzahlungen Mummenhoff, AR-Blattei SD 1340 Rückzahlung, Rz. 147; ähnlich Mangen, Anm. AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 6R/7; Misera, Anm. SAE 1992, 242 (245). 580 Zu diesem Abgrenzungskriterium Staudinger2005 /Richardi, § 611 BGB Rz. 39– 45; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht I/18, § 6 I 2, S. 103. 581 So Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 176 f. 582 Zu diesem Abgrenzungskriterium Erman11 /Edenfeld, § 611 BGB Rz. 16; Esser/ E. Schmidt, Schuldrecht I/18, § 6 I 2, S. 103. 583 Im Ergebnis ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 177. 584 BAG, Urteil vom 07.12.1978 – 2 AZR 155/77 –, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 24.10.1979 – 2 AZR 940/77 –, AP Nr. 8 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 30.04.1987 – 2 AZR 184/86 –, AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 10.11.1994 – 2 AZR 242/94 –, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 07.03.1996 – 2 AZR 180/95 –, AP Nr. 76 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 09.05.1996 – 2 AZR 438/95 –, AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 696/99 –, AP Nr. 117 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Bl. 2R; Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch11, § 131 Rz. 5, 7 f.

110 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

einer unter vielen Faktoren, die mittelbar die Betriebszugehörigkeit bedingen.585 Sie kann daher als solche nicht vom Arbeitnehmer geleistet werden. Über die Möglichkeit, die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung an die bloße Betriebszugehörigkeit zu binden, ist damit aber noch nichts Abschließendes gesagt, da etwa die Möglichkeit einer Gefahrtragungsregel für das Fehlschlagen der Betriebstreue586 oder die Möglichkeit eines der Entlohnung von Arbeitsleistung oder Betriebstreue angestaffelten, zur Bedingung erhobenen Zweckes587 noch nicht ausgeschlossen sind. Auch kommt die Einordnung von ausschließlich betriebszugehörigkeitsbedingten Arbeitgeberleistungen als Beteiligung an dem Wertzuwachs, den der Arbeitgeber durch langjährige Mitarbeiter regelmäßig erfährt, in Betracht, wobei dann allerdings mangels unmittelbaren Bezuges zu einem Arbeitnehmerverhalten als Leistung kein Entgelt mehr vorliegen kann. Im Ergebnis scheidet damit die bloße Betriebszugehörigkeit als anknüpfungsfähige Arbeitnehmerleistung aus. d) Bedeutung von Betriebstreue und Arbeitsleistung für die Betriebszugehörigkeit Damit ist bereits jetzt festzuhalten, daß als anknüpfungsfähige Arbeitnehmerleistung die Arbeitsleistung und die Betriebstreue in Betracht kommen, während die bloße Betriebszugehörigkeit allenfalls im Rahmen einer Gefahrtragungsregel für das Fehlschlagen der Betriebstreue oder als der Entlohnung von Arbeitsleistung oder Betriebstreue angestaffelter, zur Bedingung erhobener Zweck Berücksichtigung finden kann. Zu klären bleibt im folgenden das nähere Verhältnis dieser drei relevanten Faktoren zueinander. Für die Leistung der Betriebstreue stellt die Betriebszugehörigkeit den Erfolg dar, den der Arbeitnehmer jedoch nicht alleine beherrscht.588 Fraglich bleibt aber, ob daneben die Betriebszugehörigkeit nicht auch einen Erfolg der fortlaufend über den entsprechenden Zeitraum erbrachten Arbeitsleistung darstellt. Damit ist die Ausrichtung der Leistungshandlung auf das Gläubigerinteresse589 angesprochen. Die Arbeitsleistung ist nicht final auf das Erreichen von als Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verstandener Betriebszugehörigkeit gerichtet. 585 Dies sehen auch BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4R; Becker, Sonderzuwendungen, S. 40. 586 Zur Parallelproblematik bei Sonderzahlungen Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 185–195. Zur Bedingung der Betriebszugehörigkeit auch Mummenhoff, ARBlattei SD 1340 Rückzahlung, Rz. 140–151 m.w. N. 587 Dafür bereits hinsichtlich der Betriebstreue Weitnauer, Anm. AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 14; ähnlich Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 70. 588 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 12. 589 Dazu etwa Thelen, Entgeltliche Geschäfte, S. 9; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 8.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Besteht das Arbeitsverhältnis jedoch fort, ohne daß die Arbeitsleistung erbracht wird, bleibt der Arbeitnehmer auch weiterhin betriebszugehörig.590 Umgekehrt führt die Erbringung von Arbeitsleistung für sich genommen noch nicht zur Betriebszugehörigkeit des Leistenden in Form eines bestehenden Arbeitsverhältnisses,591 da unsere Zivilrechtsordnung den Vertragsschluß nur durch Rechtsgeschäft zuläßt.592 Auch die verbreitete rechtsfortbildende593 Zurückdrängung der Nichtigkeit bei im fehlerhaften Arbeitsverhältnis erbrachter Arbeitsleistung594 kann zu keinen Weiterungen für das nichtfehlerhafte Arbeitsverhältnis führen, da sie nicht im Hinblick auf die Arbeitsleistung als solche,595 sondern lediglich im Hinblick auf angebliche596 Bewertungsprobleme bei der Rückabwicklung der Arbeitsleistung597 sowie im Hinblick auf die arbeitsvertraglichen Schutzpflichten598 erfolgt. Im Ergebnis fehlt es damit an der Ursächlichkeit der Arbeitsleistung für die Betriebszugehörigkeit.599 Letztere ist der auf Arbeitnehmerseite allein nicht vollständig beherrschte Erfolg der im oben dargelegten Sinne verstandenen Betriebstreue, nicht aber der Erfolg der Arbeitsleistung.

590 BAG, Urteil vom 15.02.1994 – 3 AZR 708/93 –, AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Bl. 2 für Erziehungsurlaub; OLG Frankfurt, Urteil vom 29.10. 1985 – 5 U 271/84 –, DB 1986, 804 (805); Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der BetrAV, Teil 10 A, Rz. 725; Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 2 Rz. 70 f.; Doetsch, DB 1992, 1239 (1239); Erman11 /Edenfeld, § 611 BGB Rz. 79; MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 107 Rz. 33; R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2854, 2863; Hoppach, DB 1994, 1672 (1672, 1676 f.); Monjau, DB 1966, 1432 (1436 f.); Nikisch, Arbeitsrecht I3, § 19 II 2, S. 165, § 21 I 3, S. 197. 591 Anderer Ansicht Simitis, Die faktischen Vertragsverhältnisse, S. 394. Ähnlich die sogenannte Eingliederungstheorie, vgl. Nikisch, Arbeitsrecht I3, § 19 IV, S. 172 ff., § 19 IV 2, S. 173 f. 592 Käßer, Der fehlerhafte Arbeitsvertrag, S. 57; MünchArbR2 /Richardi, § 46 Rz. 62. 593 MünchArbR2 /Richardi, § 46 Rz. 63. 594 Hierzu BAG, Urteil vom 15.11.1957 – 1 AZR 189/57 –, AP Nr. 2 zu § 125 BGB, Bl. 4; BAG, Urteil vom 16.09.1982 – 2 AZR 228/80 –, AP Nr. 24 zu § 123 BGB, Bl. 4R/5; BAG, Urteil vom 29.08.1984 – 7 AZR 34/83 –, AP Nr. 27 zu § 123 BGB, Bl. 3R; MünchArbR2 /Richardi, § 46 Rz. 65 m.w. N.; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch11, § 35 Rz. 34 m.w. N. 595 So aber unscharf MünchArbR2 /Richardi, § 46 Rz. 65. 596 Mit guten Gründen ablehnend etwa Beuthien, RdA 1969, 161 (173); Boemke, AR-Blattei SD 220.5 Arbeitsvertrag – Arbeitsverhältnis V, Rz. 91 f. 597 BAG, Urteil vom 16.09.1982 – 2 AZR 228/80 –, AP Nr. 24 zu § 123 BGB, Bl. 4; BAG, Urteil vom 29.08.1984 – 7 AZR 34/83 –, AP Nr. 27 zu § 123 BGB, Bl. 3R; Canaris, BB 1967, 165 (167); Flume, AT II4, § 8.3, S. 101; MünchArbR2 /Richardi, § 46 Rz. 58; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch11, § 35 Rz. 36; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 11 II 1 b, S. 152. 598 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch11, § 35 Rz. 36; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 11 II 1 b, S. 152. 599 Im Ergebnis trotz anderer Prämissen ebenso Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 8 IV 4 b bb (1), S. 303; Neusüß, Der Anstellungsvertrag in der Lehre Nikischs, S. 73. Zu Boemke auch sogleich Fn. 602.

112 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Im bestehenden Arbeitsverhältnis werden Arbeitsleistung und Betriebstreue zeitgleich erbracht, aber nur die Betriebstreue führt zur Betriebszugehörigkeit. Die Arbeitsleistung vermittelt das arbeitsvertragliche Erfüllungsverhältnis,600 während sich die Betriebstreue allein auf den Bestand des zur Arbeitsleistung verpflichtenden Grundverhältnisses,601 umschrieben als Betriebszugehörigkeit, bezieht.602 Die Leistung der Betriebstreue führt so zu einem eigenständigen Erfüllungsverhältnis. 3. Bindungen der Betriebspartner bei der Zwecksetzung Kommen damit als anknüpfungsfähige Arbeitnehmerleistung die Arbeitsleistung und die Betriebstreue in Betracht, ist zu fragen, welchen Bindungen die Betriebspartner bei der Zwecksetzung einer durch Betriebsvereinbarung eingeführten betrieblichen Altersversorgung unterliegen. Einschränkungen hinsichtlich der Zwecksetzung ergeben sich jedenfalls nicht durch ein gesetzliches Leitbild des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses.603 Zwar betont § 611 BGB den Charakter des Arbeitsverhältnisses als Austauschverhältnis, jedoch folgt daraus weder ein zwingendes Leitbild hinsichtlich zusätzlicher Sozialleistungen im Hinblick auf eine Austauschbeziehung von Arbeit gegen Entgelt, noch lassen sich allein daraus zwingend Beschränkungen in der Zwecksetzung ableiten.604 Ausgangspunkt des Bürgerlichen Gesetzbuches ist, auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Schranken und der – für Betriebsvereinbarungen ohnehin nicht greifenden – Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Vertragsfreiheit.605 Maßgeblich kann mithin nur der konkrete, durch Auslegung zu ermittelnde Vertragszweck sein.606 Auf die Betriebspartner sind diese Erkenntnisse allerdings nicht ohne weiteres übertragbar, da sich die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen im Be600 Zum Erfüllungsverhältnis als Begriff Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 4 I 1 S. 114, § 8 I, S. 279. 601 Zum Grundverhältnis als Begriff Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 3 I 1, S. 58, § 7 I, S. 230. 602 Anders Boemke, Schuldvertrag und Arbeitsverhältnis, § 8 IV 4 b bb (1), S. 302 f., der aber die Betriebszugehörigkeit über die Arbeitsbereichszuweisung des Arbeitgebers aus dem Erfüllungsverhältnis ableitet und – § 8 IV 4 b bb (2), S. 303 f. – die Betriebszugehörigkeit unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses allein auf den Betrieb bezieht. Boemkes Prämisse läuft auf eine Wiederbelebung der Eingliederungstheorie hinaus. Sie ist jedenfalls für den Bereich der freiwilligen Sozialleistungen des Arbeitgebers nicht zielführend, vgl. bereits oben S. 108 bei und in Fn. 572. 603 So aber grundsätzlich Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 61. 604 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 35. 605 Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 8 I 3, S. 222. Zur Vertragsfreiheit ferner MünchArbR2 /Richardi, § 8 Rz. 20, § 10 Rz. 15. 606 P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 132; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 35.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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reich der betrieblichen Sozialleistungen unmittelbar aus dem Gesetz rechtfertigt und damit ein latenter Konflikt zur Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers besteht.607 Insoweit herrscht keine Vertragsfreiheit,608 sondern eine Bindung an die vom Gesetz vorgegebene funktionelle Zuständigkeit.609 Ebenso wie hinsichtlich des Dotierungsrahmens besteht auch hinsichtlich der Zwecksetzung einer betrieblichen Altersversorgung kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 10 BetrVG. Der Arbeitgeber kann also beispielsweise frei entscheiden, ob er die Leistung an die Betriebstreue knüpfen will.610 Gibt der Arbeitgeber den Zweck der einzuführenden Altersversorgung mitbestimmungsfrei vor, hat der Betriebsrat im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG über die Verteilungskriterien mitzubestimmen. In einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung kann der Arbeitgeber jedoch auch einvernehmlich mit dem Betriebsrat Regelungen über den Zweck der einzuführenden betrieblichen Altersversorgung treffen.611 Dann kommt es insoweit auf § 88 BetrVG an. Für § 88 BetrVG als Ausdruck der funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrates,612 von der jedenfalls die hier interessierenden freiwilligen Sozial-

607

Siehe oben § 2 B. II. 1. a), S. 69 bei Fn. 301, 302. Heinze, NZA 1994, 580 (581); Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 64. Zum BetrVG 1952 bereits Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 V 1, S. 276. 609 Beuthien, ZfA 1983, 141 (164); Beuthien, ZfA 1984, 1 (8); Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 45; Heinze, NZA 1994, 580 (581); Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 90; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 64, 66 f. Zum BetrVG 1952 bereits Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 296; G. Hueck, Die Betriebsvereinbarung, S. 65 ff., 69; Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 V 1, S. 276; A. Hueck/Nipperdey/Säkker, Arbeitsrecht II/27, § 65 C III 1, S. 1262 f.; Säcker, Gruppenautonomie, S. 342 f. 610 Grundlegend BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 5; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R/5. In der Folge auch BAG, Beschluß vom 18.03.1976 – 3 ABR 32/75 –, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 2R. Ebenso zu § 87 I Nr. 8 BetrVG BAG, Urteil vom 26.04.1988 – 3 AZR 168/86 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R. 611 Daß aus Sicht des Betriebsrats bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen häufig eine faktische Bestimmung des Zweckes durch den Arbeitgeber vorliegen mag, ist ein von der Reichweite der formellen Einigung der Betriebspartner zu unterscheidendes Problem, welches erst bei der Frage der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen ist. Dazu unten § 7 C. II. 3. a) bb), S. 286 ff. 612 BAG, Beschluß vom 19.05.1978 – 6 ABR 25/75 –, AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R; Richardi, BetrVG10, § 88 Rz. 6 m.w. N.; GK-BetrVG8 /G. Wiese, § 88 Rz. 7, vor § 87 Rz. 3 m.w. N. Zu § 57 BetrVG 1952 schon BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2; BAG, Urteil vom 27.03.1963 – 4 AZR 72/62 –, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG, Bl. 3; BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R/3; Dietz, BetrVG4, § 57 Rz. 2 m.w. N.; A. Hueck/Nipperdey/Säkker, Arbeitsrecht II/27, § 70 C, S. 1403. 608

114 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

leistungen erfaßt sind,613 ergeben sich im Hinblick auf die bloße Zwecksetzung bei freiwilligen Sozialleistungen aber dann keine Probleme, wenn § 77 III BetrVG nicht berührt ist614 und wenn den Arbeitnehmern keine zusätzlichen Verpflichtungen auferlegt werden. Letzteres ist bei Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung regelmäßig nicht der Fall. Daneben bleibt die oben bereits angedeutete, weitergehende Frage der inhaltlichen Bindung der Betriebspartner, die jedoch erst einsetzen kann, wenn der Zweck der Zuwendung ermittelt ist. Die bloße Zwecksetzung ist also zunächst nicht berührt. Dies betrifft die essentialia negotii,615 also die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung sowie deren Verknüpfung miteinander. Anderes mag etwa für haftungsbegrenzende, risikoverteilende und leistungsverändernde Regelungen616 oder Aspekte der austeilenden Gerechtigkeit gelten. Für die vorliegende Untersuchung über die Kontrolle einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung kommt es allein auf die Ermittlung des in der ersten Betriebsvereinbarung zugrunde gelegten Zweckes an. Gleichwohl wird sich zeigen, daß bei der Ermittlung des Zweckes rechtliche Aspekte nicht vollkommen außer acht bleiben können. Insofern gilt für den normativen Teil einer Betriebsvereinbarung der Grundsatz der mit höherrangigem Recht konformen Auslegung. Der in der eine Zusage betrieblicher Altersversorgung enthaltenden Betriebsvereinbarung zugrunde gelegte Zweck ist im Wege normativer Auslegung zu ermitteln. Für die dahinterstehende Frage der entlohnten Arbeitnehmerleistung kommt es darauf an, ein hinreichend bestimmtes oder bestimmbares, arbeitgebernütziges Arbeitnehmerverhalten zu ermitteln, an welches die jeweilige Versorgungszusage anknüpft. Hierfür kommen die Arbeitsleistung und die Betriebstreue in Betracht, während die bloße Betriebszugehörigkeit allenfalls im Rahmen einer Gefahrtragungsregel für das Fehlschlagen der Betriebstreue oder als angestaffelter, zur Bedingung erhobener Zweck zur Entlohnung von Arbeitsleistung oder Betriebstreue Berücksichtigung finden kann. Anhand dieser Prämissen sind – 4. bis 7. – die oben zu II. ermittelten typischen Klauseln in Versorgungszusagen im Hinblick auf die in ihnen zugrunde gelegte Arbeitnehmerleistung zu untersuchen. 4. Zusagen mit Verfallklausel Nach wie vor am meisten verbreitet sind Zusagen mit Verfallklausel. Mit einer Verfallklausel wird das Entstehen des Anspruches auf eine betriebliche Al613

Vgl. S. 53 Fn. 177. Dazu bereits oben § 1 B., S. 22 ff. 615 So für die Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 256. 616 So für den Individualvertrag Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 37. 614

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tersversorgung von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum abhängig gemacht. Dies kann auch verdeckt durch qualifizierte Steigerungsraten geschehen, wenn die Steigerungsstufe explizit als Schwelle formuliert ist, etwa für jedes angefangene Jahr der Betriebszugehörigkeit ein bestimmter Betrag als Altersversorgung versprochen wird. In diesem Fall ist das jeweils angefangene Jahr der Betriebszugehörigkeit Bedingung für die daran geknüpfte Arbeitgeberleistung. Aus Gründen der Rechtssicherheit für sich genommen nicht hinreichend ist jedoch die Zuordnung einer bestimmten Steigerungsstufe zu einem bestimmten Zeitraum, wenn etwa für jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit ein bestimmter Betrag als Altersversorgung versprochen wird. Was etwa bei unterjährigem Ausscheiden eines Arbeitnehmers gelten soll, bleibt dann gerade offen. Jedoch deutet die Kombination einer anderweitigen Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten auf ein Verständnis der Steigerungsraten als Bedingung im Sinne des § 158 I BGB hin. Charakteristisch für Verfallklauseln aller Art ist die Formulierung als Bedingung im Sinne des § 158 I BGB. Fraglich ist dabei, ob mit dieser Bedingung lediglich die Arbeitgeberleistung näher bestimmt wird617 oder ob sie auch zur Bestimmung der Arbeitnehmerleistung herangezogen werden kann,618 wenn es – wie zumeist – an einer expliziten Bestimmung der Arbeitnehmerleistung fehlt.619 Wie bereits die Untersuchung der möglichen Leistungsgegenstände ergeben hat, kommt die in der Verfallklausel angesprochene Betriebszugehörigkeit als solche nicht als Arbeitnehmerleistung in Betracht. Jedoch stellt sie sich als nicht vollständig beherrschter Erfolg der Betriebstreue des Arbeitnehmers dar, weshalb eine Verfallklausel auf die Arbeitnehmerleistung der Betriebstreue hindeutet. Zwingend ist dieser Schluß nicht, ein Rekurrieren auf die Arbeitsleistung ist beim Vorliegen einer Verfallklausel jedoch kritisch zu hinterfragen. a) Konkret abgrenzbare Arbeitsleistung als Leistungsgegenstand? Jedenfalls kann das Erfordernis einer bestimmten Betriebszugehörigkeit nicht lediglich als Umschreibung einer konkreten, abgrenzbaren Arbeitsleistung verstanden werden. Anderenfalls müßte sich die betriebliche Altersversorgung als 617

So Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 72 f. So die ständige Rechtsprechung seit BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/ 71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3, 4; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2. Aus der Literatur Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 32 f.; P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 125 f.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 41 f.; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 48, 76 f. 619 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 13); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 31; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 40. 618

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aufgespartes Arbeitsentgelt darstellen, das auch bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Teilleistungsprinzip teilweise erhalten bliebe.620 Mit einer solchen Sichtweise würde der Bedingungscharakter der Verfallklauseln ignoriert, der das Entstehen des Anspruches von einer bestimmten Betriebszugehörigkeit abhängig macht.621 Auch bliebe unberücksichtigt, daß die Arbeitgeberleistung unabhängig vom Bestehen einer Verfallklausel immer durch den Eintritt des Versorgungsfalles bedingt ist und die Erben des Arbeitnehmers deshalb das aufgesparte Entgelt nicht unabhängig vom Bestehen einer Hinterbliebenenversorgung einklagen können.622 b) Betriebstreue als Leistungsgegenstand aa) Auslegung der Verfallklausel: Betriebstreue versus Gesamtheit der Arbeitsleistung Auch die während der Betriebszugehörigkeit geleistete Arbeit in ihrer Gesamtheit als maßgebliche Leistung des Arbeitnehmers anzusehen,623 überzeugt für Zusagen mit Verfallklausel nicht. Nachdem bereits eine Gleichsetzung von Betriebstreue und Gesamtheit der Arbeitsleistung zu verneinen ist,624 kommt auch die Anerkennung der Arbeitsleistung als maßgebliche Arbeitnehmerleistung mit einer speziellen, die Vergütung von Teilleistungen ausschließenden zeitlichen Zuordnung625 nicht in Betracht. Denn die den Versorgungszusagen typischerweise zugrunde liegende Interessenlage spricht dagegen. Wie bereits gezeigt wurde,626 haben Arbeitgeber ein vitales Interesse, die Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden. Herausgehoben seien nochmals die personalpolitischen Aspekte. Neben der Schaffung eines Anreizes für anzuwerbende Arbeitskräfte627 geht es vornehmlich um die Vermeidung der mit der Personalfluktuation 620

Für letzteres aber Grunsky, JuS 1970, 16 (18); Lemke, BB 1957, 512 (515); Monjau, DB 1970, 1784 (1787); Reuter, ZHR 137 (1973), 482 (497 f.); Säcker, Anm. SAE 1970, 269 (273). 621 Ähnlich bereits Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 228); Hilger, RdA 1981, 6 (8 f.); Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 39. 622 Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229); P. Hanau, BB 1976, 91 (91); Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 39; ähnlich Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 61. 623 So aber Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 74; ErfK7 /Steinmeyer, Vorbemerkung BetrAVG Rz. 6; ähnlich Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 259; Lieb, ZfA 1996, 319 (323). Früher auch P. Hanau, BB 1976, 91 (91); Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 33; H. Wiedemann, RdA 1969, 244 (246). 624 Dazu bereits oben § 3 B. III. 2. b), S. 106 f. 625 So aber insbesondere Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 74 f. 626 Siehe oben § 3 B. I. 1., S. 99 f. 627 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 41.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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für den Arbeitgeber verbundenen finanziellen Nachteile.628 Da der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nur in den Grenzen des § 624 BGB rechtlich binden kann, eine solche Bindung aber nicht in seinem Interesse ist, wenn er sich nicht der Kündigungsmöglichkeit begeben will,629 eine einseitige Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit zu Lasten des Arbeitnehmers wegen § 622 VI BGB nicht möglich ist,630 bleibt das Ausweichen auf die Belohnung des freiwilligen Verbleibens des Arbeitnehmers im Betrieb.631 Dieses Interesse kommt in einer Versorgungszusage mit Verfallklausel sinnfällig zum Ausdruck, indem sie die Arbeitgeberleistung von der Betriebszugehörigkeit abhängig macht.632 Kommt die Betriebszugehörigkeit aber mangels Beherrschbarkeit des durch sie definierten Erfolges als Werkleistung des Arbeitnehmers nicht in Betracht und kann sie als objektiver Tatbestand auch keine Dienstleistung des Arbeitnehmers sein, liegt ein Abstellen auf die Betriebstreue als maßgebliche Leistung des Arbeitnehmers nahe, da sie – im Gegensatz zur Arbeitsleistung – das für die Betriebszugehörigkeit mitursächliche Arbeitnehmerverhalten ist.633 Auch die starke Einschränkung der Verfallbarkeit durch § 1b I 1 BetrAVG spricht nicht gegen eine Entlohnung von Betriebstreue,634 da sie die Verfallbarkeit nicht völlig ausschließt. Der Arbeitnehmer behält seine Versorgungsanwartschaft nämlich nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, aber nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet635 und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat (sogenannte unverfallbare Anwartschaft). Der Gefahr, daß der Arbeitgeber die durch die Verfallklausel angestrebte Betriebstreue aufgrund der früh eintretenden Unverfallbarkeit nicht er628 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3; Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie, S. 150 f.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 41; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1. 629 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1, 56. 630 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1, 47, 55. 631 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 1. 632 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Hilger, RdA 1981, 6 (9); Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 41; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 48. 633 Dazu bereits oben § 3 B. III. 2. d), S. 110 f. 634 So aber bereits zur zehnjährigen Unverfallbarkeitsfrist nach § 1 I BetrAVG a. F. Lieb, ZfA 1996, 319 (323). 635 Nach § 1b I 1 BetrAVG in der Fassung des Gesetzes zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge vom 10.12.2007 (BGBl. I, S. 2838 f.) tritt die Unverfallbarkeit ab dem 01.01.2009 bereits nach Vollendung des 25. Lebensjahres ein. Für vor dem 01.01.2009 erteilte Versorgungszusagen ist in § 30f II BetrAVG n. F. eine fünfjährige Übergangsfrist vorgesehen.

118 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

hält,636 kann er im übrigen entgegenwirken, indem er bei der Zusage eine Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten kombiniert. Ein zwingendes Argument gegen die Entlohnung von Betriebstreue und für die Entlohnung von Arbeitsleistung läßt sich aus der früh eintretenden Unverfallbarkeit nicht herleiten. Maßgebliche Arbeitnehmerleistung ist deshalb bei Zusagen mit Verfallklausel die Betriebstreue.637 Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Entlohnung von Betriebstreue nur im Hinblick auf eine langfristig auch tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung und dadurch erworbene Kenntnisse und Erfahrungen des Arbeitnehmers, die dem Arbeitgeber zugute kommen, vom wirtschaftlichen Zweck des Arbeitsverhältnisses gedeckt ist. Die Arbeitsleistung verbleibt bei der Entlohnung von Betriebstreue auf der Ebene des Motivs beziehungsweise der Geschäftsgrundlage. bb) Anstaffelung des Betriebstreuezwecks? Bei der Betriebstreue handelt es sich auch nicht lediglich um einen der Vereinbarung über das Arbeitsentgelt angestaffelten, zur Bedingung erhobenen Zweck im Sinne der condictio ob rem.638 Denn abgesehen davon, daß die Anwendbarkeit der condictio ob rem bei solvendi causa erfolgenden Leistungen zweifelhaft ist639 und für eine Bedingung ohnehin nicht in Betracht kommt,640 ist die Betriebstreue ein von der Arbeitsleistung streng zu unterscheidendes Arbeitnehmerverhalten. Denn nur die Betriebstreue ist mitursächlich für die Betriebszugehörigkeit, nicht aber die Arbeitsleistung.641

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So der Kern der Kritik von Lieb, ZfA 1996, 319 (323). Im Ergebnis ebenso die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, grundlegend BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R. Aus der Literatur Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 18); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 33 i.V. m. Rz. 32; P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 146; Hilger, RdA 1981, 6 (9); Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 42; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 48; U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 188. 638 So aber Weitnauer, Anm. AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 14; im Ergebnis ähnlich Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 70. 639 Zur Problematik der Zweckanstaffelung etwa Liebs, JZ 1978, 697 (699–701); Weitnauer, Festschrift für von Caemmerer, S. 255 (S. 260 f.) einerseits; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 5 III 2 c, S. 161 ff., 165; M. Weber, JZ 1989, 25 (27 f.) andererseits. 640 MK-BGB4 /Lieb, § 812 BGB Rz. 200; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 5 III 1 b, S. 149. Dies sieht auch Weitnauer, Anm. AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 14. 641 Dazu bereits oben § 3 B. III. 2. d), S. 110 f. 637

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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cc) Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue bei der Zwecksetzung? Die Annahme eines derart bedingten Arbeitsentgelts würde überdies bedeuten, daß die betriebliche Altersversorgung kumulativ von der Arbeitsleistung und der Betriebstreue des Arbeitnehmers abhängig wäre. Diese Möglichkeit ist im folgenden auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin zu untersuchen. Dabei drängt sich die Parallele zu den Stichtagsklauseln bei allein die Arbeitsleistung entgeltenden Sonderzuwendungen und zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Kürzung von Jahressonderleistungen mit Mischcharakter auf.642 Zudem kommen das Argument der §§ 612 I, 628 I BGB,643 die Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz644 sowie das Verhältnis ersterer Normen zu § 1 I 1 BetrAVG645 und zu den §§ 1b, 2 BetrAVG646 ins Spiel. (1) Vergleich mit der Rechtslage bei den Sonderzuwendungen Eine Kumulation von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Voraussetzungen einer mit Verfallklausel zugesagten betrieblichen Altersversorgung läßt sich jedenfalls inzwischen nicht mehr durch einen bloßen Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu den Sonderzuwendungen rechtfertigen.647 Bereits nach der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes war die Vereinbarung einer Stichtagsklausel bei reinem Entgelt für die Arbeitsleistung unzulässig. Im Mittelpunkt der Begründung stand dabei lange Zeit der Gesichtspunkt unzulässiger Kündigungserschwerung. Herangezogen wurden in diesem Zusammenhang § 138 I BGB,648 Art. 12 GG,649 § 622 VI BGB650 sowie der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.651 Zwischenzeitlich haben zwar 642

Dazu sogleich sub (1), S. 119 f. Dazu unten sub (2), S. 121 ff. 644 Dazu unten sub (3), S. 131 ff. 645 Dazu unten sub (4), S. 141 f. 646 Dazu unten sub (5), S. 142 ff. 647 Insoweit überholt daher Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 71 f. 648 So zu einem Widerrufsvorbehalt BAG, Urteil vom 07.11.1984 – 5 AZR 278/83 –, Juris Rz. 21; vgl. auch bereits RAG, Urteil vom 15.01.1930 – RAG 401/29 –, ARS 8, 163 (167 ff.). 649 BAG, Urteil vom 12.01.1973 – 3 AZR 211/72 –, AP Nr. 4 zu § 87a HGB, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 13.09.1974 – 5 AZR 48/74 –, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2. 650 BAG, Urteil vom 27.07.1972 – 5 AZR 141/72 –, AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; BAG, Urteil vom 12.01.1973 – 211/72 –, AP Nr. 4 zu § 87a HGB, Bl. 3; BAG, Urteil vom 27.04.1982 – 3 AZR 814/79 –, AP Nr. 16 zu § 620 BGB Probearbeitsverhältnis, Bl. 3. 651 BAG, Urteil vom 04.02.1976 – 5 AZR 83/75 –, AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 2R/3; auf Gleichbehandlungsaspekte abstellend auch BAG, Urteil vom 07.12.1962 – 1 AZR 245/61 –, AP Nr. 28 zu Art. 12 GG, Bl. 2/2R. 643

120 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

sowohl der Fünfte Senat als auch der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichtes bei Jahressonderleistungen mit Stichtagsklausel eine zulässige Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue als Leistungsvoraussetzungen angenommen und eine Kürzung für Zeiten ohne Arbeitsleistung gebilligt.652 Insofern taten sich jedoch Widersprüche auf, als eine Jahressonderleistung mit Stichtagsregelung und Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung konstruktiv kaum etwas anderes sein konnte als ein Arbeitsleistungsentgelt mit Stichtagsklausel,653 mit dem vielleicht einzigen Unterschied, daß bei einem reinen Arbeitsleistungsentgelt sich die Kürzungsmöglichkeit bereits aus § 323 I BGB alter Fassung ergab. Seit 1992 hat der Zehnte Senat überdies bei Jahresleistungen mit Mischcharakter eine Kürzung nicht mehr zugelassen, wenn der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum zwar nicht gearbeitet hat, aber betriebstreu war654 und es an einer ausdrücklichen Kürzungsklausel fehlte. Ist die Arbeitgeberleistung aber völlig unabhängig von der Arbeitsleistung,655 ist es eine naheliegende Konsequenz dieser Judikatur, daß bei Vorliegen einer Stichtagsklausel nicht mehr im Zweifelsfall Arbeitsleistung und Betriebstreue entgolten werden, sondern allein die Betriebstreue entgolten wird,656 vorausgesetzt, man zieht die Stichtagsklausel zur Bestimmung der entgoltenen Leistung heran657 und es findet sich keine ausdrückliche Kürzungsklausel für Fehlzeiten. Der Verweis des Zehnten Senates auf die Entlohnung auch der Arbeitsleistung658 ist mit dieser Judikatur nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ohne praktische Konsequenzen.659 Insgesamt bestätigt sich damit die Notwendigkeit, im folgenden der rechtlichen Zulässigkeit 652 BAG, Urteil vom 18.01.1978 – 5 AZR 56/77 –, AP Nr. 92 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 18.01.1978 – 5 AZR 685/77 –, AP Nr. 93 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 29.08.1979 – 5 AZR 763/78 –, AP Nr. 102 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 29.08.1979 – 5 AZR 511/79 –, AP Nr. 104 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 1R/2; BAG, Urteil vom 10.01.1991 – 6 AZR 448/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Betonsteingewerbe, Bl. 2. 653 So Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 137. 654 Grundlegend BAG, Urteil vom 05.08.1992 – 10 AZR 88/90 –, AP Nr. 143 zu § 611 Gratifikation, Bl. 3; BAG, Urteil vom 05.08.1992 – 5 AZR 171/91 –, AP Nr. 144 zu § 611 Gratifikation, Bl. 3/3R. 655 BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 669/92 –, AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 51. Vgl. auch die Kritik bei Becker, Sonderzuwendungen, S. 151, 154; P. Hanau/Gaul, Anm. AP Nr. 156 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 7; Sowka, NZA 1993, 783 (784); Sowka, Anm. AP Nr. 149 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4; Sowka, Anm. AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG, Bl. 6R; Winterfeld, Anm. SAE 1992, 37 (40). 656 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 51. 657 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 133. 658 BAG, Urteil vom 05.08.1992 – 10 AZR 88/90 –, AP Nr. 143 zu § 611 Gratifikation, Bl. 2. 659 Noch weiter BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 669/92 –, AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3: Irrelevanz der Frage, ob auch die Arbeitsleistung vergütet werden soll.

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einer Kumulation von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Anspruchsvoraussetzungen nachzugehen. (2) Ausschluß betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB Ein durch die Betriebstreue bedingtes Arbeitsleistungsentgelt ist mit den Wertungen der §§ 612 I, 628 I BGB nicht vereinbar660 und kann daher allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn im Einzelfall andere, gegenläufige rechtliche Wertungen, wie sie etwa für neben der laufenden Vergütung gezahlte Sondervergütungen in der Spezialvorschrift des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zum Ausdruck gekommen sind,661 zu berücksichtigen sind. (a) Wertung des § 612 I BGB Gemäß § 612 I BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn nach den Umständen die Dienstleistung nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Die Vorschrift greift demnach beim Fehlen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vergütungsabrede.662 Für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung unter der Bedingung einer bestimmten Betriebstreue scheint die Vorschrift auf den ersten Blick nicht anwendbar zu sein. Jedoch ist das Fehlen einer Vergütungsabrede nach dem Wortlaut des § 612 I BGB nicht explizit Tatbestandsvoraussetzung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Formulierung „gilt als vereinbart“. § 612 I BGB enthält nämlich keine Fiktion.663 Anderenfalls bliebe unklar, warum das Gesetz ausdrücklich eine stillschweigende Vereinbarung fingierte. Letzteres spricht daher für das Vorliegen einer Auslegungsregel.664 Damit ist aber die Anwendung des § 612 I BGB auf eine bestehende Vergütungsabrede nicht von vornherein ausgeschlossen.665 Der Charakter einer 660 So für die betriebliche Altersversorgung auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 114, unter Verweis auf seine – mittlerweile durch § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz überholten – Ausführungen zu den Sonderzahlungen (S. 143). 661 Zu § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz sogleich sub (3), S. 131 ff. 662 Beuthien, RdA 1969, 161 (166); Canaris, BB 1967, 165 (165); Erman11 /Edenfeld, § 612 BGB Rz. 1; ErfK7 /Preis, § 612 BGB Rz. 2; Soergel12 /Raab, § 612 BGB Rz. 12; Staudinger2005 /Richardi, § 612 BGB Rz. 17. 663 So aber BAG, Urteil vom 15.03.1960 – 5 AZR 409/58 –, AP Nr. 13 zu § 612 BGB, Bl. 1R/2; Beuthien, RdA 1969, 161 (166); Erman11 /Edenfeld, § 612 BGB Rz. 1; P. Hanau, AcP 165 (1965), 220 (265); MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 612 BGB Rz. 5; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 139. 664 So zu Recht Soergel12 /Raab, § 612 BGB Rz. 3. Im Ergebnis ähnlich RGRKBGB12 /Hilger, § 612 Abs. 1 u. 2 BGB Rz. 7: „widerlegbare Vermutung“. 665 So auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. Anderer Ansicht Beuthien, RdA 1969, 161 (166); Canaris, BB 1967, 165 (165); Staudinger2005 /Richardi, § 612 BGB Rz. 17, 25.

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Auslegungsregel bedingt jedoch, daß bei bestehenden Abreden im Zweifel diejenige Auslegung zu präferieren ist, welche den Vergütungscharakter stützt. Für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung unter der Bedingung einer bestimmten Betriebstreue ist mangels Zweifeln an der Entgeltlichkeit für § 612 I BGB insoweit kein Raum. Eine weitergehende Deutung des § 612 I BGB als vertragsfreiheitsbeschränkende Norm666 widerspricht allerdings nicht dem Wortlaut des § 612 I BGB. Betrachtet man die Historie des § 612 I BGB, so scheinen jedoch die Motive gegen eine Interpretation des § 612 I BGB als vertragsfreiheitsbeschränkende Norm zu sprechen, da sie die Norm als Auslegungsregel bezeichnen.667 Ein Weiteres zeigt der Blick auf die Protokolle zu der in Anlehnung an § 612 I BGB geschaffenen668 Parallelvorschrift des § 653 I BGB, die dem Makler auch dann den Lohn sichern sollte, wenn der seine Dienste in Anspruch Nehmende irrig von der Unentgeltlichkeit der Leistung ausgegangen sei.669 Dies spricht dafür, den Regelungszweck auch des § 612 I BGB in der Einschränkung der Irrtumsanfechtung zu sehen.670 Daß der historische Gesetzgeber weit mehr als die Einschränkung der Irrtumsanfechtung bezweckte, zeigen jedoch die Protokolle zu dem zusammen mit § 612 BGB verabschiedeten § 611 BGB. Entgeltliche Dienstleistungen sollten allein dem Dienst- oder Werkvertragsrecht zugeordnet werden, während für unentgeltliche Dienstleistungen das Auftragsrecht Anwendung finden sollte.671 Der historische Gesetzgeber setzte dabei eine eindeutige Unterscheidung zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit voraus. Die Entgeltlichkeit ist notwendige Voraussetzung des Dienstvertrages im Sinne von § 611 BGB.672 Daran hat auch die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 neueingeführte amtliche Überschrift des § 611 BGB nichts geändert. Der Verweis des Gesetzgebers auf die Typizität der darin erwähnten Pflichten mag zwar nahelegen, daß das Fehlen einzelner Tatbestandsmerkmale des § 611 BGB nicht zwingend zur Verneinung eines Dienstvertrages führen muß.673 Jedoch ließe sich hinsichtlich der Entgeltlichkeit mit dem Verweis auf die parallel formulierte amtliche Überschrift des § 662 BGB genau das gegen666

So Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. Motive bei Mugdan, Materialien II, 256. 668 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, 939. 669 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, 939. 670 So zu Recht Beuthien, RdA 1969, 161 (166 bei und in Fn. 72). Zu dieser Funktion des § 612 I BGB auch Soergel12 /Raab, § 612 BGB Rz. 16; Staudinger2005 /Richardi, § 612 BGB Rz. 19; MK-BGB3 /Schaub, § 612 BGB Rz. 6. 671 Protokolle bei Mugdan, Materialien II, 897. 672 So bereits die Motive bei Mugdan, Materialien II, 256. Ebenso ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 28; Soergel12 /Raab, § 612 BGB Rz. 4; anders für freie Dienstverhältnisse aber RGRK-BGB12 /Hilger, § 612 Abs. 1 u. 2 BGB Rz. 4. Wie hier Erman11 / Edenfeld, § 611 BGB Rz. 18; P. Hanau, AcP 165 (1965), 220 (265 f.); Staudinger2005 / Richardi, § 612 Rz. 33. 667

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teilige Ergebnis rechtfertigen. Deshalb ist nach wie vor, auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise, die Entgeltlichkeit für die Abgrenzung von Auftrag und Dienstvertrag unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund bekommt die Regelung des § 612 I BGB den Sinn, zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Dienstleistungen zu unterscheiden und im Zweifel den Ausschlag für die Entgeltlichkeit zu geben.674 Mit diesem Zweck ist es aber nicht vereinbar, wenn Arbeitsleistungsentgelt durch die Betriebstreue des Arbeitnehmers bedingt ist. Denn ansonsten wäre der Bedingungseintritt und nicht die von § 612 I BGB geforderten tatsächlichen Umstände für die Abgrenzung von entgeltlicher und unentgeltlicher Dienstleistung entscheidend. Es stünde nicht von vornherein fest, ob die Arbeitsleistung entgeltlich oder unentgeltlich erbracht wird,675 da die Bedingungskonstruktion die Entlohnung von Teilleistungen ausschließt. Dies gilt für eine fortlaufend gezahlte Grundvergütung ebenso wie – aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit – grundsätzlich676 auch für danebentretende Sondervergütungen wie eine betriebliche Altersversorgung.677 Denn jede Rechtsnorm muß auf alle Sachverhalte, für die sie Geltung beansprucht, gleichermaßen angewandt werden. Aus Art. 3 I GG folgt die Notwendigkeit für die Gerichte, inhaltlich beziehungsweise tatsächlich gleiche Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln.678 Im einzelnen: Wegen der unterstellten Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue beim zugrundeliegenden Zweck zöge ein Bedingungsausfall die Frustration von Arbeits- und Betriebstreueleistung gleichermaßen nach sich. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip hinsichtlich der beiden vorausgesetzten Arbeitnehmerleistungen weder direkt noch – vor Eintritt der Betriebstreuebedingung und der gesetzlichen Unverfallbarkeit gemäß § 1b BetrAVG – analog anwendbar ist. Das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip679 kommt in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck. Den dieses rechtliche Prinzip tragenden gesetzlichen Vorschriften läßt sich die Wertung ent673 In diesem Sinne früher schon RGRK-BGB12 /Hilger, § 612 Abs. 1 u. 2 BGB Rz. 4 für die Frage der Entgeltlichkeit. 674 So auch Beuthien, RdA 1969, 161 (166); Canaris, BB 1967, 165 (165); Lieb/ Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 254; Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 73; Palandt66 /Weidenkaff, § 612 BGB Rz. 1; ähnlich Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 140. 675 So auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 140 f. 676 Zu § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz sogleich sub (3), S. 131 ff. 677 Dazu näheres sogleich S. 126 bei Fn. 695. 678 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 197. 679 Hierzu BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 Ruhegehalt, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Becker, Sonderzuwendungen, S. 153 f.; Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 228).

124 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

nehmen, „daß auch Teilleistungen ihrem Werte entsprechend zu entgelten sind.“680 Das Teilleistungsprinzip aber ist auf konditionale Verknüpfungen mit einseitiger Leistungsverpflichtung nicht direkt anwendbar.681 Es ist ein Spezifikum der synallagmatischen Leistungsverknüpfung,682 die nur bei einer beiderseitigen Leistungsverpflichtung vorliegt,683 da es bei einer konditionalen Verknüpfung mit nur einseitiger Verpflichtung am genetischen und funktionellen Synallagma fehlt.684 Da der Arbeitnehmer aber zur Betriebstreue nicht verpflichtet ist,685 führt die Betriebstreuebedingung zur konditionalen Verknüpfung der Gesamtleistung der Betriebstreue mit der Altersversorgung außerhalb des Synallagmas.686 Eine analoge Anwendung des Teilleistungsprinzips auf solche konditionalen Verknüpfungen ist wegen der Nähe zum konditionellen Synallagma zwar nicht von vornherein ausgeschlossen,687 setzt aber voraus, daß keine Spezialregeln eingreifen.688 Sie scheitert im Bereich der betrieblichen Altersversorgung an der Existenz der Verfallklausel689 und an § 1b BetrAVG, der die aus der Verfallklausel resultierende Nichtentlohnung von Teilleistungen bis zum Eintritt der Unverfallbarkeit zuläßt. Insoweit fehlt es schon an der erforder680 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4R. 681 Anderer Ansicht Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (95 f.). 682 Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 230); Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. 683 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 17); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 41; Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229 f.); MKBGB5 /Emmerich, vor § 320 BGB Rz. 12; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 82; Soergel12 /H. Wiedemann, vor § 320 BGB Rz. 14. Anderer Ansicht Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (94 f.). 684 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31. 685 Mindestens mißverständlich daher BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4, 4R: „geschuldete Betriebstreue“. 686 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2/2R; Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 17 f.); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 41; Sonne, Die Anpassung betrieblicher Ruhegelder, S. 174 f.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 36 f.; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 58; U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 181; ähnlich Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229 f.); Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89, 116. 687 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 83. Vor Inkrafttreten des BetrAVG auch BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R. Im Ansatz nicht unzutreffende Gedankenführung auch bei Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (94 f.). 688 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31. Zur Abdingbarkeit des Teilleistungsprinzips bereits Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. 689 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 89; Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. Zu dieser Wirkung der Verfallklausel vorbehaltlich einer Rechtskontrolle auch BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 3.

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lichen Regelungslücke. Aus dem gleichen Grund müßte eine analoge Anwendung des Teilleistungsprinzips auf den die Arbeitsleistung entgeltenden Anteil der Versorgungszusage690 scheitern. Eine analoge – und selbstverständlich erst recht eine direkte – Anwendung des dispositiven Teilleistungsprinzips würde nicht zuletzt die unterstellte Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue als Leistungsvoraussetzungen ignorieren. Sperrte also die unterstellte Anstaffelung des Betriebstreuezweckes die Anwendung des Teilleistungsprinzips auf die Arbeitsleistung, stünde bei Annahme einer solchen Ausgestaltung der Versorgungszusage nicht von vornherein fest, ob die Arbeitsleistung im Rahmen der Versorgungszusage entgolten würde oder nicht. Fest stünde allerdings von vornherein, unter welcher Bedingung die Arbeitsleistung durch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entgolten würde. Auch handelte es sich bei der Arbeitnehmerleistung der Betriebstreue um eine vom Arbeitnehmer beherrschte Potestativbedingung. Deshalb könnte das Vertrauen der Arbeitnehmer auf den Bedingungseintritt691 nicht schutzwürdig sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es bedenklich, wenn Wackerbarth692 die Unzulässigkeit betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts bereits mit dem Hinweis darauf begründen will, daß das Bundesarbeitsgericht693 rechtsfortbildend694 einen weitergehenden Zweck des § 612 I BGB annimmt, für vergütenswerte Leistungen, die in Erwartung einer besonderen Vergütung zunächst unentgeltlich erbracht worden sind, dem Dienstleistenden zu einem vertraglichen Entgeltanspruch zu verhelfen. Die vorherige Festlegung der Bedingung genügt jedoch im Hinblick auf die notwendige Abgrenzung von entgeltlicher Dienstleistung und unentgeltlicher Dienstleistung nicht. Die im Dienstverhältnis bestehenden besonderen vertraglichen Schutzpflichten, wie zum Beispiel § 618 BGB, erfordern gerade eine vorherige eindeutige Bestimmung, ob ein Dienstverhältnis vorliegt oder nicht.

690 So für Sonderzahlungen mit Mischcharakter aber – wenn auch ohne ausdrückliche Analogie – Becker, Sonderzuwendungen, S. 153 f. 691 Hierauf stellt Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141, maßgeblich ab. 692 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 140 f. 693 BAG, Urteil vom 15.03.1960 – 5 AZR 409/58 –, AP Nr. 13 zu § 612 BGB, Bl. 3; BAG, Urteil vom 24.09.1960 – 5 AZR 3/60 –, AP Nr. 15 zu § 612 BGB, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 25.01.1963 – 5 AZR 178/62 –, AP Nr. 2 zu § 146 KO, Bl. 2; BAG, Urteil vom 05.08.1963 – 5 AZR 79/63 –, AP Nr. 20 zu § 612 BGB, Bl. 1R; BAG, Urteil vom 18.01.1964 – 5 AZR 261/63 –, AP Nr. 22 zu § 612 BGB, Bl. 2; BAG, Urteil vom 24.06.1965 – 5 AZR 443/64 –, AP Nr. 23 zu § 612 BGB, Bl. 2R/3; BAG, Urteil vom 28.09.1977 – 5 AZR 303/76 –, AP Nr. 29 zu § 612 BGB, Bl. 3; ebenso BGH, Urteil vom 23.02.1965 – VI ZR 281/63 –, AP Nr. 3 zu § 196 BGB, Bl. 1R; zustimmend MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 612 BGB Rz. 14. Mit guten Gründen ablehnend etwa Canaris, BB 1967, 165 (165); Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 254 f.; Staudinger2005 /Richardi, § 612 BGB Rz. 26 ff. 694 MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 612 BGB Rz. 13.

126 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Dieses Argument wird auch nicht dadurch entkräftet, daß es sich bei der betrieblichen Altersversorgung um eine Sonderleistung handelt, die neben die Grundvergütung für die laufend erbrachte Arbeitsleistung tritt, und die Unentgeltlichkeit der Arbeitsleistung mithin ausgeschlossen ist. Legt man erst einmal den Zweck der Arbeitsleistung zugrunde, gelten aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit die Vorschriften der §§ 611, 612 I BGB grundsätzlich695 ohne Unterschied. Denn jede Rechtsnorm muß auf alle Sachverhalte, für die sie Geltung beansprucht, gleichermaßen angewandt werden. Aus Art. 3 I GG folgt die Notwendigkeit für die Gerichte, inhaltlich beziehungsweise tatsächlich gleiche Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln.696 Soll also eine zusätzlich zur laufenden Grundvergütung gezahlte Arbeitgeberleistung die Arbeitsleistung entgelten, so bedarf deren unterschiedliche rechtliche Behandlung gegenüber der laufenden Grundvergütung einer besonderen Rechtfertigung. Eine Differenzierung zwischen laufender Grundvergütung und zusätzlichen Entgeltbestandteilen ist aber in § 612 I BGB nicht angelegt. Sie kann auch nicht mit § 612 II BGB begründet werden, durch welchen § 612 I BGB ergänzt697 und inhaltlich ausgefüllt wird,698 so daß der Schutzzweck des § 612 BGB auch die Höhe der Vergütung umfaßt.699 § 612 II BGB erfaßt folgerichtig alle Arten der Vergütung und damit sowohl das fortlaufend gezahlte Arbeitsleistungsentgelt als auch Sonderleistungen wie Gratifikationen und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.700 Eine Differenzierung zwischen Grundvergütung und zusätzlichen Entgeltbestandteilen mag allenfalls vor dem Hintergrund der entgeltfortzahlungsrechtlichen Sonderregelung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz gerechtfertigt sein, auf die noch zurückzukommen sein wird.701 Die zusätzliche Betriebstreuebedingung mag im Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausnahmsweise zulässig sein. Grundsätzlich jedoch erfordert § 612 I BGB eine vorherige Festlegung, ob eine Dienstleistung entgeltlich ist oder nicht.702 Bereits aus dem Vorigen ließe sich ein grundsätzliches Verbot durch ein zeitlich bestimmtes Maß an Betriebstreue bedingten Arbeitsleistungsentgelts folgern. Jedoch bedarf dieses Ergebnis der Absicherung vor dem Hintergrund der Wertung des § 628 I BGB. Zudem schließt sich die Frage an, ob aus § 612 I 695

Zu § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz sogleich sub (3), S. 131 ff. Vgl. S. 123 Fn. 678. 697 Beuthien, RdA 1969, 161 (167); RGRK-BGB12 /Hilger, § 612 Abs. 1 u. 2 BGB Rz. 5; ErfK7 /Preis, § 612 BGB Rz. 1. 698 ErfK7 /Preis, § 612 BGB Rz. 1. 699 So für die Einschränkung der Irrtumsanfechtung Beuthien, RdA 1969, 161 (166). 700 ErfK7 /Preis, § 612 BGB Rz. 35; Staudinger2005 /Richardi, § 612 BGB Rz. 36; MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 612 BGB Rz. 26. 701 Dazu unten sub (3), S. 131 ff. 702 Im Ergebnis ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. 696

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BGB nicht sogar ein weitergehendes, gar umfassendes Verbot bedingten Arbeitsleistungsentgelts folgt. Daß ein solcher Schluß in dieser Pauschalität nicht gerechtfertigt ist, zeigt ein Blick auf § 628 I BGB. (b) Wertung des § 628 I BGB Erst in der Zusammenschau mit § 628 I BGB läßt sich abschließend klären, welche Bedingungen in Ansehung von § 612 I BGB unzulässig sind und welche nicht. Da § 612 I BGB vor dem Hintergrund des § 628 I BGB auszulegen ist, ergibt sich insbesondere die Zulässigkeit leistungs- und erfolgsabhängiger Entgelte, während die Unzulässigkeit betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts im Ergebnis bestätigt wird. Im einzelnen: § 628 I BGB belegt, daß das Teilleistungsmoment beim Dienstvertrag von besonderer Bedeutung ist. „Dienstleistungen sind ihrem Wesen nach Teilleistungen.“703 Da beim Dienstvertrag – anders als beim Werkvertrag – kein bestimmter Erfolg geschuldet ist, trägt dieser von vornherein ein Zeitmoment in sich.704 Gemäß § 628 I 1 BGB besteht im Falle der außerordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses ein Anspruch des Dienstnehmers auf „einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung“. § 628 I 2 BGB erhält im Falle einer außerordentlichen Kündigung dem Dienstnehmer grundsätzlich selbst dann den Anspruch auf Teilvergütung, wenn dieser die außerordentliche Kündigung zu vertreten oder veranlaßt hat.705 Für den insoweit bestehenden Teilleistungsschutz sind ein Schluß a maiore ad minus für die ordentliche Kündigung706 und ein weiterer Schluß a maiore ad minus für das ungekündigte Dienstverhältnis berechtigt. § 628 I BGB ist im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abdingbar.707 Für den Bereich der ordentlichen Arbeitnehmerkündigung, für welchen die Wertung des § 628 I BGB erst recht gilt, folgt dies bereits aus dem Verbot der unverhältnismäßigen Kündigungserschwernis, wie es in § 622 VI BGB zum Ausdruck kommt.708 Das Argument der unverhältnismä-

703

Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. 705 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141 f. 706 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 142. 707 Erman11 /Belling, § 628 BGB Rz. 4 a. E.; Soergel12 /Kraft, § 628 BGB Rz. 3; Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 14. „Jedenfalls“ für den Fall der ordentlichen Kündigung auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 142. Für vorformulierte Klauseln auch weitgehend MK-BGB4 /Henssler, § 628 BGB Rz. 25. Ohne nähere Begründung anderer Ansicht ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 116; KR7 /Weigand, § 628 BGB Rz. 2. 708 Zum Verbot der Kündigungserschwernis ErfK7 /Müller-Glöge, § 622 BGB Rz. 100–105 m.w. N. 704

128 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

ßigen Kündigungserschwernis aber greift bereits im ungekündigten Arbeitsverhältnis, da bereits insoweit mobilitätshemmende Effekte zu besorgen sind. Folgt damit aus § 628 I BGB ein unabdingbarer Schutz der Vergütung von Teilleistungen, kann der die Teilvergütung ausschließenden Betriebstreuebedingung auch aus diesem Grunde die Wirksamkeit versagt werden. Sinn und Zweck des § 628 I BGB ist es nachgerade, den anteiligen Entgeltwert der Arbeit sicherzustellen. Bedingungen, die eine Entlohnung pro rata temporis ausschließen, sind daher bei zeitabhängiger Vergütung unzulässig. Bedingungen, nach denen allein die Qualität oder das Arbeitsergebnis die Höhe des Entgelts bestimmen, sind danach jedoch nicht zu beanstanden. Akkord- oder Prämienlöhne sind ohne weiteres zulässig,709 weil auch deren Wert im Rahmen des § 628 I 1 BGB anteilig nach dem erzielten Ergebnis zu berücksichtigen ist. Bei Akkordlohn ist nach der fertiggestellten Stückzahl abzurechnen; Gewinnbeteiligungen bleiben erhalten und stehen dem Arbeitnehmer anteilig zu.710 Entsprechendes gilt für Provisionen711 und Tantiemen. Diese sind in ihrem Rechtscharakter ohnehin dem Werklohn angenähert, vorausgesetzt, ihre Bemessungsgrundlage ist durch den Arbeitnehmer hinreichend beherrschbar. Die Wertung des § 612 I BGB wird nach dem Vorigen durch die Zulässigkeit leistungs- und erfolgsabhängiger Entgelte also nicht in Frage gestellt. Denn durch die grundsätzliche712 Vergütung von Teilleistungen steht von vornherein fest, ob die Arbeitsleistung entgeltlich erbracht wird oder unentgeltlich. Die Unzulässigkeit von Bedingungen, welche die Entlohnung von Teilleistungen ausschließen, betrifft die Grundvergütung und zusätzliche Entgeltbestandteile gleichermaßen. Denn der Anspruch auf die Teilvergütung gemäß § 628 I 1 BGB umfaßt auch etwaige Nebenvergütungen.713 Damit bestätigt sich zugleich, daß eine Differenzierung zwischen fortlaufender Grundvergütung und zusätzlichen Entgeltbestandteilen vor dem Hintergrund des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist, sondern einer besonderen Begründung bedarf. Eine diesbezügliche Differenzierung läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf § 628 I 2 BGB begründen, wonach (nur) bei einer vom Arbeitnehmer zu vertretenden oder verschuldeten Kündigung die Vergütung für die erbrachte Teilleistung insoweit zu kürzen ist, als durch die Kündigung das Interesse an der Teilleistung weggefallen ist. Eine Argumentation, die in betriebstreuebedingten Entgeltbestandteilen die Entlohnung eines spezifischen Mehrwertes der Arbeitsleistung sähe, den diese nur bei Erfüllung der Betriebstreuebedingung 709 710 711 712 713

Ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 141. ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 16. ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 17. Zu § 628 I 2 BGB sogleich. ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 8.

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hätte und der mit der arbeitnehmerseitig veranlaßten Kündigung wegfiele, würde nämlich verkennen, daß bei § 628 I 2 BGB der Wegfall des Interesses an der Leistung objektiv und nicht nach der Parteivereinbarung zu bestimmen ist.714 Es geht um den wirtschaftlichen Nutzen der erbrachten Teilleistung.715 Wird aber eine ganz gewöhnliche Arbeitsleistung entlohnt, kann nicht ohne weiteres von einem vollständigen oder auch nur teilweisen Wegfall des Interesses an der zeitanteilig erbrachten Arbeitnehmerleistung durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden,716 da die Arbeit durch einen anderen Mitarbeiter fortgeführt werden kann.717 Etwas anderes mag allenfalls gelten, wenn keine reinen Dienstleistungen geschuldet waren, sondern etwa werkvertragliche Elemente die Vereinbarungen prägen,718 wenn unfertige Stücke beim Akkord durch neue Arbeitnehmer zu erhöhten Kosten vollendet werden müssen719 oder wenn die Dienstleistung aufgrund besonderer Umstände langfristig angelegt ist und die Verwertung bereits erworbenen Erfahrungswissens voraussetzt. Letzteres kann bei Forschungsprojekten der Fall sein, wenn ein ersatzweise eingestellter Mitarbeiter den erreichten Wissensstand erst einmal nachvollziehen muß, während der ausscheidende Mitarbeiter seine Arbeitsergebnisse in Form von Spezialwissen mitnimmt.720 Fehlen, wie regelmäßig, solche besonderen Umstände, kann von einem Wegfall oder einer Minderung des Interesses an der zeitanteilig erbrachten Arbeitnehmerleistung aber nicht ausgegangen werden. (c) Materieller Grund für das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts und Fazit Der materielle Grund für die Unzulässigkeit der Betriebstreuebedingung in Abgrenzung zu den zulässigen leistungs- und erfolgsabhängigen Entgelten liegt in dem fehlenden inneren Zusammenhang der Betriebstreuebedingung mit der Arbeitsleistung.721 Insoweit kann an die obigen Überlegungen zur Bedeutung von Betriebstreue und Arbeitsleistung für die mit einer Verfallklausel angesprochene Betriebszugehörigkeit angeknüpft werden.722 Danach fehlt es an der Ur714 Erman11 /Belling, § 628 BGB Rz. 11 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.1992 – 6 U 4/92 –, NJW-RR 1993, 507 (508 i.V. m. 507). 715 ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 32; Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 27. 716 Zu letzterem auch Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 27; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 142. 717 Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 27. 718 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 142. 719 Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 28. 720 ErfK7 /Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 36; Staudinger2002 /Preis, § 628 BGB Rz. 27. 721 Ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 143. 722 Zum folgenden vgl. oben § 3 B. III. 2. d), S. 110 f.

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sächlichkeit der Arbeitsleistung für die als (Fort-)Bestehen eines Arbeitsverhältnisses verstandene Betriebszugehörigkeit. Letztere ist der auf Arbeitnehmerseite allein nicht vollständig beherrschte Erfolg der Betriebstreue, nicht aber der Erfolg der Arbeitsleistung. Im bestehenden Arbeitsverhältnis werden Arbeitsleistung und Betriebstreue zwar zeitgleich erbracht, aber nur die Betriebstreue führt zur Betriebszugehörigkeit. Die Arbeitsleistung vermittelt das arbeitsvertragliche Erfüllungsverhältnis, während sich die Betriebstreue allein auf den (Fort-)Bestand des zur Arbeitsleistung verpflichtenden Grundverhältnisses, umschrieben als Betriebszugehörigkeit, bezieht. Wer sich über diese Zusammenhänge hinwegsetzt und das Arbeitsleistungsentgelt von der zeitlich im Umfang bestimmten Betriebstreue und damit von einem Umstand abhängig macht, der in keinem inneren Zusammenhang zur Arbeitsleistung als Dienstleistung steht, stellt letztlich den Wert der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit selbst in Frage,723 gerade weil die zeitanteilige Entlohnung insoweit – und sei es nur hinsichtlich eines zusätzlichen Entgeltbestandteils – ausgeschlossen wird. Vor diesen Folgen schützen die §§ 612 I, 628 I BGB als Ausdruck eines rechtssatzförmigen Prinzips,724 nämlich des Verbotes durch die Betriebstreue bedingten Arbeitsleistungsentgelts. Mit dem Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts steht jedenfalls im Ergebnis in Einklang, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes eine verdiente, aber erst im Folgejahr auszuzahlende Umsatzbeteiligung nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigt,725 wenngleich nicht der vom Bundesarbeitsgericht angeführte Aspekt der Kündigungserschwernis entscheidend ist, sondern der Umstand, daß die Umsatzbeteiligung an Umstände gekoppelt wird, die mit der für die Umsätze kausalen Arbeitsleistung nicht in einem inneren Zusammenhang stehen. Mit dem Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts ist schließlich auch vereinbar, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes arbeitsleistungsbezogene übertarifliche Zulagen unter einem Widerrufsvorbehalt zugesagt werden können, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst weniger als 25 bis 30% beträgt und bei Ausübung des Widerrufsrechts der Tariflohn nicht unterschritten wird.726 Dies gilt jedenfalls solange, wie man der Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufs strikte Ex-nunc-Wirkung zuschreibt. Sichergestellt sein muß lediglich, daß die bis zum Widerruf bereits erbrachten Teilleistungen des Arbeitnehmers auch entsprechend vergütet wer723

So pointiert Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 143. Zu dieser methodologischen Kategorie Larenz, Methodenlehre5, S. 461. 725 BAG, Urteil vom 08.09.1998 – 9 AZR 223/97 –, AP Nr. 6 zu § 87a HGB, Bl. 1R. 726 BAG, Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 –, NZA 2005, 466 (467). 724

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den.727 Nur dann steht vor Erbringung der Arbeitsleistung fest, ob die Arbeitsleistung durch die übertarifliche Zulage entgolten wird oder nicht. Sind diese aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgenden Voraussetzungen erfüllt, ist es allerdings unerheblich, daß der ausgeübte Widerruf nicht in einem inneren Zusammenhang zu der erbrachten Arbeitsleistung steht. Letztere kann dann durch den Widerruf der Zulage nicht mehr entwertet werden. Festzuhalten bleibt, daß die §§ 612 I, 628 I BGB Ausdruck eines rechtssatzförmigen Prinzips, nämlich des Verbotes betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts sind. Nicht verkannt werden soll hier, daß durch dieses rechtssatzförmige Prinzip die Möglichkeiten des Arbeitgebers, insbesondere durch zusätzliche, an besondere Bedingungen geknüpfte Entgeltbestandteile das Arbeitnehmerverhalten zu steuern, erheblich eingeschränkt sind. Der Arbeitgeber hat die Wahl,728 entweder Arbeitsleistungsentgelt zu zahlen oder die Betriebstreue zu entgelten. Das Arbeitsleistungsentgelt kann nicht von einer bestimmten Betriebstreue im Sinne einer die Entlohnung von Teilleistungen ausschließenden Bedingung abhängig gemacht werden. Es kann – vorbehaltlich eventuell eingreifender Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – wegen Fehlzeiten gekürzt werden. Das Betriebstreueentgelt hingegen folgt nicht den Regeln für die Arbeitsleistungsvergütung. Die §§ 612 I, 628 I BGB gelten nicht. Es kann nicht wegen Fehlzeiten gekürzt werden, da der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung betriebstreu bleibt. (3) Bedeutung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die Prämisse des Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts, der Wert der Arbeitsleistung dürfe nicht durch leistungsfremde Bedingungen in Frage gestellt werden, nicht uneingeschränkt dahingehend umkehrbar, daß der Wert des Arbeitsentgeltes nicht durch leistungsfremde Faktoren in Frage gestellt werden dürfe. Der Gesetzgeber differenziert zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinsichtlich des Schutzes der Korrelation von Leistung und Gegenleistung. Der Arbeitgeber hat gemäß den §§ 3 I, 4 I EFZG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers diesem das laufende Arbeitsentgelt über einen gewissen Zeitraum hinweg weiterzuzahlen, ohne die Gegenleistung des Arbeitnehmers, die Arbeitsleistung, zu erhalten. Insoweit wird eine Verschiebung des vertraglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenlei727 So im Ergebnis auch BAG, Urteil vom 27.07.1972 – 5 AZR 141/72 –, AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; Krauß, Widerruf von Arbeitgeberleistungen, S. 167 f. 728 Zu den nachfolgend genannten Alternativen auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 143.

132 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

stung vom Gesetzgeber ausdrücklich in Kauf genommen. Grund hierfür sind sozialpolitische Erwägungen, nicht zuletzt die Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung bei den Krankengeldleistungen.729 Wegen der damit verbundenen Kostenbelastung machen aus Arbeitgebersicht ausufernde Krankenstände, insbesondere aber der nur schwer zu erkennende Mißbrauch der gesetzlichen Entgeltfortzahlung, das sogenannte „Krankfeiern“, betriebliche Maßnahmen zur Gegensteuerung erforderlich.730 Diese waren Kern der Diskussion um die sogenannten Anwesenheitsprämien Anfang der 1990er Jahre.731 Anwesenheitsprämien sind zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt gezahlte Sonderleistungen, mit deren Zusage ein Anreiz für den Arbeitnehmer geschaffen wird, die Dauer seiner berechtigten oder unberechtigten Fehlzeiten so gering wie möglich zu halten.732 Bei den Anwesenheitsprämien wirken sich auch und gerade krankheitsbedingte Fehlzeiten anspruchsmindernd aus. Sie waren nicht zuletzt deshalb umstritten, weil der Arbeitnehmer bei dieser Art von Sonderleistung trotz gesetzlicher Entgeltfortzahlung finanzielle Einbußen auch dann erleidet, wenn er nicht „krankfeiert“, sondern wirklich arbeitsunfähig krank ist. Durch einen solchen finanziellen Anreiz könnten kranke Arbeitnehmer davon abgehalten werden, ihre Krankheit zuhause auszukurieren.733 Indem der Gesetzgeber im Jahre 1996 den heutigen § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz schuf, hat er solche Steuerungsinstrumente zur Fehlzeitenreduzierung für den Bereich der Sondervergütungen grundsätzlich anerkannt. (a) Regelungsgehalt des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Gemäß § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz sind Vereinbarungen „über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), [. . .] auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig.“ Das Entgeltfortzahlungsrecht erkennt damit zugleich eine Differenzierung zwischen gemäß den §§ 3 I 1, 4 I Entgeltfortzah-

729 BAG, Urteil vom 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 –, AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB n. F., Bl. 5R/6; ErfK7 /Dörner, § 3 EFZG Rz. 4. 730 Dazu auch die Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP für ein Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz, BT-Drucksache 13/4612, S. 10. 731 Dazu Blanke/Diederich, AuR 1991, 321 ff.; Kania/Wackerbarth, AR-Blattei SD 90 Anwesenheitsprämie, Rz. 5–16, 56–141; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 154 ff. 732 BAG, Urteil vom 25.01.2001 – 10 AZR 502/00 –, EzA § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Nr. 2, S. 4; ErfK7 /Dörner, § 4a EFZG Rz. 10. 733 Blanke/Diederich, AuR 1991, 321 (326); Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 155.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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lungsgesetz zwingend fortzuzahlender laufender Vergütung und Sondervergütung im Sinne von § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz an. Ihrem Wortlaut nach erfaßt die Regelung nur die Kürzung von Leistungen. Um die in der Begrenzung der möglichen Kürzung gemäß § 4a S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz zum Ausdruck kommende Schutzintention734 nicht leerlaufen zu lassen, ist die Norm aber auch auf Vereinbarungen anzuwenden, die bereits die Anspruchsentstehung von der Anwesenheit des Arbeitnehmers abhängig machen.735 Fraglich ist, inwiefern aus § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Rückschlüsse für die Kumulation von Betriebstreuezweck und Arbeitsleistungszweck bei Sondervergütungen möglich sind und inwiefern diese Erkenntnisse auf das Recht der betrieblichen Altersversorgung Anwendung finden können. § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz differenziert nicht nach dem Zweck der Arbeitgeberleistung und stellt seinem Wortlaut nach allein auf das Hinzutreten der Leistung zum laufenden Arbeitsentgelt ab. § 4 I 1 Entgeltfortzahlungsgesetz macht jedoch eine Abgrenzung zu dem dem Arbeitnehmer für die regelmäßige Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelt erforderlich. Die daraus resultierende Frage, ob reines Arbeitsleistungsentgelt eine Sondervergütung im Sinne von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz sein kann,736 kann aber dahinstehen.737 Denn bei einem reinen Arbeitsleistungsentgelt ergibt sich der Anspruchswegfall für Zeiten der Nichtleistung wegen Krankheit, soweit die §§ 3 I 1, 4 I Entgeltfortzahlungsgesetz nicht greifen, bereits aus § 326 I 1 BGB, ohne daß es einer Vereinbarung bedarf.738 Da andererseits bei reinem Entgelt für Betriebstreue der Anspruch auch bei fehlender Arbeitsleistung erhalten bleibt, ist der einzige Anwendungsbereich für eine Vereinbarung im Sinne von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz die Sondervergütung mit Mischcharakter,739 die Arbeitsleistung und Betriebstreue als Anspruchsvoraussetzungen kumuliert. Bestätigt wird dies durch die Historie. Denn § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz knüpft an die in der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bejahte Zulässigkeit der Kürzung 734 Hierzu die Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucksache 13/4612, S. 16; BAG, Urteil vom 25.07.2001 – 10 AZR 502/00 –, EzA § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Nr. 2, S. 5. 735 BAG, Urteil vom 25.07.2001 – 10 AZR 502/00 –, EzA § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Nr. 2, S. 4 f.; Giesen, RdA 1997, 193 (200); Schmitt, EFZG5, § 4a Rz. 18. Anderer Ansicht Bauer/Lingemann, BB 1996 Beilage 17, 8 (14). 736 Verneinend ErfK7 /Dörner, § 4a EFZG Rz. 12 a. E.; MünchArbR2 /P. Hanau, § 69 Rz. 16; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, EFZG5, § 4a Rz. 10 f.; Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch11, § 79 Rz. 8, 10; Kittner/Zwanziger/Schoof, Arbeitsrecht2, § 58 Rz. 206. Bejahend Wedde/Kunz, EFZG3, § 4a Rz. 7 f.; Worzalla/Süllwald, Entgeltfortzahlung2, § 4b EFZG Rz. 2. 737 Unklar insoweit BAG, Urteil vom 21.03.2001 – 10 AZR 28/00 –, AP Nr. 1 zu § 4b EntgeltFG, Bl. 2. 738 So zu § 323 BGB a. F. auch BAG, Urteil vom 21.03.2001 – 10 AZR 28/00 –, AP Nr. 1 zu § 4b EntgeltFG, Bl. 2; Preis, Arbeitsrecht, § 29 III 3, S. 321. 739 So zu Recht Preis, Arbeitsrecht, § 29 III 3, S. 321.

134 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

von Sonderzahlungen wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten740 an.741 Die Norm soll eine sichere Grundlage für entsprechende Vereinbarungen schaffen und die Kürzungsmöglichkeiten zugleich begrenzen.742 Gegenstand der Rechtsprechung waren aber nicht zuletzt auch Sonderzahlungen mit Mischcharakter.743 Man mag dem Bundesarbeitsgericht zwar vorhalten,744 den Rechtscharakter von Sonderzahlungen nicht unter Berücksichtigung von vorhandenen Kürzungsklauseln für krankheitsbedingte Fehlzeiten ermittelt zu haben.745 Jedoch ändert dies nichts am Mischcharakter der typischen Sonderzahlungen, die Stichtagsklauseln und Kürzungsklauseln für Fehlzeiten kombinieren. Die Anwesenheit des Arbeitnehmers stellt nämlich keinen eigenständigen Zweck dar,746 sondern fügt sich unproblematisch in den Zweck der Arbeitsleistung ein.747 Die Kombination mit einer die Betriebstreue ansprechenden Stichtagsklausel führt damit zu einem Entgelt mit Mischcharakter.748 Diese dogmatischen Grundstrukturen hat der Gesetzgeber aber mit § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz inzidenter akzeptiert. § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz setzt mithin die Kumulationsmöglichkeit von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Voraussetzungen einer Sondervergütung voraus und stellt eine Ausnahme zu dem Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB dar.

740 BAG, Urteil vom 15.02.1990 – 6 AZR 381/88 –, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 4; BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 2; BAG, Urteil vom 06.12.1995 – 10 AZR 123/95 –, AP Nr. 186 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R. 741 Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BTDrucksache 13/4612, S. 16. 742 Vgl. S. 134 Fn. 741. 743 Etwa in BAG, Urteil vom 15.02.1990 – 6 AZR 381/88 –, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 4. 744 Zu Recht kritisch Kania/Wackerbarth, AR-Blattei SD 90 Anwesenheitsprämie, Rz. 50; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 160. 745 Vgl. die mindestens mißverständlichen Formulierungen in BAG, Urteil vom 15.02.1990 – 6 AZR 381/88 –, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 4/ 4R; BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 2R. 746 So aber BAG, Urteil vom 15.02.1990 – 6 AZR 381/88 –, AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 4; Meisel, DB 1972, 43 (45, 47 f.); Meisel, Anm. AP Nr. 14 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 5; Peterek, Anm. SAE 1974, 25 (25 f.). 747 Becker, Sonderzuwendungen, S. 104–106; Beuthien, Anm. SAE 1972, 31 (ebd.); Fenn/Bepler, RdA 1973, 218 (222 f., 228 f.); Fenn/Bepler, Anm. AP Nr. 10 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 3R; C. Hammer, Anwesenheitsprämie, S. 58 ff., 60; Kania/Wackerbarth, AR-Blattei SD 90 Anwesenheitsprämie, Rz. 51–54; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 160 f. 748 So auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 161, der jedoch – vor Schaffung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz – die Zulässigkeit einer Kombination beider Zwecke wegen der §§ 612, 628 BGB verneint hat.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Im bestehenden Arbeitsverhältnis können daher Entgeltbestandteile, welche die Arbeitsleistung entlohnen sollen und neben dem laufenden Entgelt im Sinne von § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz gezahlt werden, ohne Bestandteil desselben zu sein, mittels einer Bedingung von einer bestimmten Betriebstreue abhängig gemacht und so an einen weiteren Zweck gebunden werden. Die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung wird durch das laufende Arbeitsentgelt im Sinne von § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz sichergestellt, da dieses nach wie vor uneingeschränkt dem Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB unterliegt. Der Teilleistungsschutz bei zusätzlichen Entgeltleistungen tritt damit nach der Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zurück hinter der vom Gesetzgeber anerkannten Notwendigkeit betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts als Instrument zur Verhaltenssteuerung der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis. Ausschlaggebend waren insoweit die gesetzgeberischen Ziele, die – auch im internationalen Vergleich – hohen Krankenstände zu senken und den Arbeitgebern ein Instrument zur Eindämmung des Mißbrauchs der gesetzlichen Entgeltfortzahlung zu sichern.749 (b) Berücksichtigung der Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz im Recht der betrieblichen Altersversorgung? Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz auch im Recht der betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen ist. § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezieht sich schlicht auf Sondervergütungen, die als vom Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbrachte Leistungen definiert werden. Leistungen betrieblicher Altersversorgung werden zwar verbreitet als Sondervergütung bezeichnet, jedoch erfolgt ihre Auszahlung nicht parallel zum laufenden Arbeitsentgelt, sondern erst nach Eintritt des Versorgungsfalles und damit regelmäßig nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies spricht dann nicht gegen eine Anwendung der Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz auf die betriebliche Altersversorgung, wenn man bei Direktzusagen nicht die Versorgungsleistungen selbst,750 sondern bereits die Übernahme des Versorgungsrisikos durch den Arbeitgeber als Leistung ansieht.751 749 Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BTDrucksache 13/4612, S. 10. 750 So aber Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 8 f.); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 65, 66; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 48 f. 751 Für letzteres Schulin, ZfA 1981, 577 (707); U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 188; ähnlich Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229): „Versorgungsversprechen als solches“.

136 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Damit ist die Parallele zur Problematik der Rechtsnatur des Versicherungsvertrages gezogen, die man als Streit zwischen Gefahrtragungs-752 und Geldleistungstheorie753 skizzieren kann. Durchschlagende Bedenken gegen eine Argumentation aus der Übernahme des Versorgungsrisikos durch den Arbeitgeber ergeben sich vor allem aus dem schuldrechtlichen Leistungsbegriff. Zwar bringt die Direktzusage einer betrieblichen Altersversorgung für den Arbeitgeber die Übernahme erheblicher wirtschaftlicher Risiken, nämlich des Erlebensfalles und der Dauer der Rentenzahlung, mit sich.754 Die Nähe zum Versicherungsverhältnis ist insoweit nicht zu leugnen.755 Dies ändert aber nichts daran, daß die Risikoübernahme kein Verhalten im Sinne des § 241 I BGB darstellt; ein bestimmtes Tun oder Unterlassen läßt sich hieraus nicht herleiten.756 Auch kann nicht auf das Organisieren der Gefahrengemeinschaft und das Bilden von Rücklagen abgestellt werden.757 Hierbei handelt es sich allenfalls um Nebenpflichten758 oder gar lediglich um Vorbereitungshandlungen,759 die auch nicht über die Konstruktion eines Treuhandverhältnisses als Hauptpflicht in Gestalt der Geschäftsbesorgung verstanden werden können.760 Für den Versicherungsvertrag hätte die

In diese Richtung auch Blomeyer, BB 1980, 789 (794); Blomeyer, Anm. SAE 1986, 98 (103); Richardi, ZfA 1976, 1 (16); Seitz, Rechtsanspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei Unterstützungskassen, S. 58. 752 OLG Celle, Urteil vom 08.10.1982 – 8 U 65/82 –, VersR 1986, 1099 (ebd.); Bruck/Möller, VVG8, § 1 Anm. 41 ff., 43; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht5, Rz. 163; Eichler, Versicherungsrecht2, S. 23 ff., 27 ff., 32 f.; Lobscheid, NJW 1964, 1254 (1258); Sieg, Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, S. 24. 753 BVerwG, Urteil vom 11.11.1986 – 1 A 45/83 –, VersR 1987, 273 (274); OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.07.1987 – 12 U 12/87 –, VersR 1988, 128 (ebd.); Haymann, Versicherungsvertrag, S. 53 f.; J. Prölss in: E. Prölss/Martin, VVG27, § 1 Rz. 22; Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, S. 26, 52 ff., 54 f.; Siebert, in: Rohrbeck (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Versicherungswirtschaft, S. 125 (S. 135 f.). 754 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 7); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 64 f.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 46; U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 184, 188. 755 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 8); Schulin, ZfA 1981, 577 (707); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 62 f.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 49; U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 183 ff., 188. 756 So für die betriebliche Altersversorgung Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 8); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 65; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 48. Für den Versicherungsvertrag Kisch, Privatversicherungsrecht II, S. 89; J. Prölss in: E. Prölss/Martin, VVG27, § 1 Rz. 22. 757 So für den Versicherungsvertrag J. Prölss in: E. Prölss/Martin, VVG27, § 1 Rz. 22 f. 758 So für die betriebliche Altersversorgung Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 8); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 65; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 48. 759 So für den Versicherungsvertrag J. Prölss in: E. Prölss/Martin, VVG27, § 1 Rz. 22.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Annahme eines Treuhandverhältnisses die Konsequenz, daß die Auszahlung von Versicherungsleistungen lediglich eine Umverteilung der von der Gefahrengemeinschaft der Versicherten aufgebrachten Mittel durch den Versicherer wäre.761 Dies aber scheitert daran, daß die Gefahrengemeinschaft de lege lata nicht einmal „der Sache nach“ als Partei des Versicherungsvertrages angesehen werden kann.762 Zudem wäre anderenfalls die Leistungspflicht des Versicherers nicht mehr erklärbar, wenn die von der Gefahrengemeinschaft aufgebrachten Prämien nicht zur Deckung der Schadenszahlungen ausreichen.763 Für die betriebliche Altersversorgung in Form von arbeitgeberfinanzierten Direktzusagen kommt hinzu, daß die Annahme einer Umverteilung in einer Gefahrengemeinschaft der Arbeitnehmer voraussetzte, daß sich die betriebliche Altersversorgung auf die Belegschaft als rechtlich relevante Personenmehrheit bezöge. In § 2 dieser Untersuchung wurde die Existenz eines solchen Belegschaftsverbandes jedoch bereits widerlegt.764 Auch gibt die Versorgungszusage regelmäßig nichts für die Annahme her, der Arbeitgeber wolle sich verpflichten, Pensionsrückstellungen zu bilden und die Gemeinschaft der begünstigten Arbeitnehmer organisieren.765 Schließlich ist auch auf § 1 I 1 BetrAVG hinzuweisen, der von der Zusage von Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung spricht. Dieser Wortlaut legt ein Abstellen auf die Ruhegeldzahlungen selbst nahe.766 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Wertung des Betriebsrentengesetzes nicht auch für die schuldrechtsdogmatische Einordnung der betrieblichen Altersversorgung nutzbar gemacht werden sollte. Damit aber besteht die schuldrechtliche Leistung des Arbeitgebers in den zugesagten Versorgungsleistungen selbst.767 Daran ändert sich auch nichts bei einer beitragsorientierten Leistungszusage im Sinne von § 1 II Nr. 1 BetrAVG. Denn bei dieser Zusageform wird lediglich der Umfang der Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers im Versorgungsfall durch bestimmte umzuwandelnde Beiträge festgelegt.768 Die Tatsache, daß bei der beitragsorientierten Leistungszusage „auch“

760 So aber Schünemann, JZ 1995, 430 (432); ähnlich bereits Eichler, Versicherungsrecht2, S. 32 f. 761 Schünemann, JZ 1995, 430 (432). Ähnlich das Verständnis der Versicherungsprämie als vom Versicherer treuhänderisch zu verwaltende Sicherheitsleistung für den später zu zahlenden Aufwand in OLG Nürnberg, Urteil vom 23.05.1991 – 8 U 1687/ 90 –, VuR 1991, 274 (277). 762 J. Prölss in: E. Prölss/Martin, VVG27, § 1 Rz. 23. 763 Vgl. S. 137 Fn. 762. 764 Siehe oben § 2 A. II. 2. a), S. 56 bei Fn. 210 ff. 765 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 8); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 65. 766 Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 48. 767 Ebenso Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 9); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 66; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 49. 768 Vgl. die Nachweise auf S. 20 in Fn. 7.

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ein bestimmter Versorgungsaufwand versprochen ist769 und der Arbeitgeber verpflichtet ist, einen bestimmten Beitrag zur Versorgung aufzuwenden, der bei der Direktzusage als Kalkulationsgröße für die Versorgungsleistung verwandt wird,770 ändert nichts daran, daß die Versorgungsleistung selbst durch den Eintritt des Versorgungsfalles bedingt ist und daher auch erst und nur im Versorgungsfall erbracht wird. Ein Abstellen auf die – bei der Direktzusage ohnehin fiktiven771 – Finanzierungsbeiträge ist schon deshalb nicht geboten, weil diese nicht unmittelbar gegenüber dem Arbeitnehmer erbracht werden und nur zur Finanzierung der Versorgungsleistung selbst dienen. Damit aber erfolgen die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht parallel zum laufenden Arbeitsentgelt. § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz ist schon seinem Wortlaut nach nicht auf die betriebliche Altersversorgung anwendbar. Bestätigt wird dieses durch die Historie. Denn der Gesetzgeber knüpfte allein an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu den Gratifikationen an,772 einen Bezug zur betrieblichen Altersversorgung stellte er nicht her. Die § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zugrunde liegende Wertung, betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt sei im Bereich der Sondervergütungen zulässig, ist aber auch nicht anderweitig auf die betriebliche Altersversorgung übertragbar. Insbesondere ist § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt sei grundsätzlich zulässig. Vielmehr belegt der durch die Verortung im Entgeltfortzahlungsrecht zum Ausdruck kommende Ausnahmecharakter das in den §§ 612 I, 628 I BGB zum Ausdruck kommende rechtssatzförmige Prinzip des Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts. Denn für rechtssatzförmige Prinzipien ist charakteristisch, daß sie so selbstverständlich sind, daß nicht der Grundsatz, sondern die Ausnahme explizit geregelt wurde.773 Dem entspricht es, wenn in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes betont wird, daß die in § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz enthaltene Legaldefinition der Sondervergütung als Leistung, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringe, lediglich klarstelle, daß das laufende Arbeitsentgelt, das heißt die Vergütung für bestimmte Zeitabschnitte beziehungsweise die Vergütung für eine bestimmte Leistung innerhalb einer genau bemessenen Zeit, von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz nicht berührt werde.774 Will der Arbeitgeber wegen krank769 Blomeyer, BetrAV 1996, 308 (313); Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch11, § 80 Rz. 100. 770 R. Höfer, BetrAVG, § 1 Rz. 2522; Kisters-Kölkes, in: Neue Chancen für Betriebsrenten, S. 33 (S. 47 f.). 771 R. Höfer, BetrAVG, § 1 Rz. 2522; ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 15. 772 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucksache 13/4612, S. 16. 773 Larenz, Methodenlehre 5, S. 461. 774 BAG, Urteil vom 25.07.2001 – 10 AZR 502/00 –, EzA § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz Nr. 2, S. 3.

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heitsbedingter Fehlzeiten das laufende Arbeitsentgelt oder Vergütungsbestandteile kürzen, die weder laufendes Arbeitsentgelt noch Sondervergütung im Sinne des § 4a S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz sind, wie etwa eine betriebliche Altersversorgung, so beurteilt sich dies nach den allgemeinen schuldrechtlichen und – für die laufende Vergütung – auch nach den allgemeinen entgeltfortzahlungsrechtlichen Regeln.775 Ersteres gilt insbesondere für die hier interessierende Frage der Zulässigkeit einer kumulativen Zwecksetzung von Arbeitsleistung und Betriebstreue. Aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 612 I, 628 I BGB aber folgt, daß die Betriebstreue grundsätzlich kein dem Arbeitsentgelt angestaffelter Zweck im Sinne einer Bedingung sein kann. Das von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz nicht erfaßte laufende Arbeitsentgelt kann daher nicht unter die Bedingung der Betriebstreue gestellt werden. Auch ein Verständnis einer Zusage betrieblicher Altersversorgung mit Verfallklausel als durch die Betriebstreue bedingtes Arbeitsleistungsentgelt scheidet unter diesem rechtlichen Aspekt aus, da es sich nicht um eine neben der laufenden Arbeitsvergütung gezahlte Sondervergütung im Sinne des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz handelt. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der hinter § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz stehenden Anerkennung betrieblicher Anreizsysteme zur Verhaltenssteuerung im laufenden Arbeitsverhältnis in Gestalt von Sondervergütungen, bei denen der Gesetzgeber der Möglichkeit, diese zusätzlich zur Arbeitsleistung auch an die Betriebstreue zu binden, den Vorrang gegenüber dem Teilleistungsschutz beim Arbeitsleistungsentgelt eingeräumt hat. Insoweit bestehen wesentliche Unterschiede gegenüber der betrieblichen Altersversorgung, die eine differenzierte rechtliche Behandlung rechtfertigen: Die vom Gesetzgeber bei § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zum Regelungsanlaß genommenen Anwesenheitsprämien verdeutlichen den kurz- bis mittelfristigen Horizont derartiger Anreizsysteme. Die typische Anwesenheitsprämie wird einmal oder mehrmals jährlich ausgezahlt.776 Der Arbeitnehmer erhält kurz- bis mittelfristig das Resultat seiner Bemühungen und kann sein Verhalten hierauf ausrichten. Daß der Arbeitnehmer sein Verhalten dementsprechend einrichten wird, ist schon deshalb zu erwarten, weil während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgezahlte Sonderleistungen sich unmittelbar auf seinen Lebensstandard während des laufenden Arbeitsverhältnisses auswirken. Kürzungen haben also zeitnah unmittelbare Folgen für den Lebensstandard des Arbeitnehmers. Bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist dies anders. Diese werden erst nach dem Ende der Arbeitstätigkeit des Arbeitnehmers erbracht. Eine betriebliche Altersversorgung beeinflußt unmittelbar lediglich den Lebensstan775 776

Für das laufende Arbeitsentgelt ebenso ErfK7 /Dörner, § 4a EFZG Rz. 6. Vgl. ErfK7 /Dörner, § 4a EFZG Rz. 10.

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dard nach Eintritt des Versorgungsfalls, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung mehr erbringt. Auswirkungen auf den Lebensstandard während der aktiven Zeit des Arbeitnehmers ergeben sich aus einer Versorgungszusage allenfalls mittelbar, weil die Notwendigkeit privater Altersvorsorge zur Sicherung des erreichten Lebensstandards im Alter um so höher ist, je geringer die zu erwartende Betriebsrente ausfällt, und der Arbeitnehmer dies zum Anlaß nehmen kann, aber keineswegs muß, die Aufwendungen für seine private Altersvorsorge zu Lasten des Konsums zu erhöhen. Damit sind Anreiz und Auswirkungen einer Versorgungszusage für das Verhalten des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis auf einen weitaus längeren Horizont gerichtet als bei den Anwesenheitsprämien oder anderen Entgeltformen zur kurz- bis mittelfristigen Verhaltenssteuerung. Im Vordergrund steht die langfristige Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb, wie sie sinnfällig in den typischen langjährigen Verfallklauseln als Hinweis auf die Entlohnung von Betriebstreue zum Ausdruck kommt. Eine kurz- bis mittelfristige Verhaltenssteuerung – etwa im Sinne der Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten – ist wegen der fehlenden unmittelbaren Folgen einer Anwartschaftskürzung für den aktuellen Lebensstandard des Arbeitnehmers in weit geringerem Maße zu erwarten. Die Wirkungsweise einer Versorgungszusage auf das Verhalten des Arbeitnehmers ist daher der Wirkungsweise der Zusagen von neben der laufenden Vergütung auszuzahlenden Sonderleistungen des Arbeitgebers nicht vergleichbar. Entscheidend ist aber der soziale Sicherungszweck der betrieblichen Altersversorgung als dritte Säule der Alterssicherung neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Vorsorge,777 der die betriebliche Altersversorgung deutlich von den Jahressonderleistungen und anderen Sondervergütungen abhebt. Gerade dieser Zweck erfordert in gesteigertem Maße die Kalkulierbarkeit des Leistungserhaltes für den Arbeitnehmer, damit er frühzeitig seine private Eigenvorsorge hieran ausrichten kann. Bezweckt eine Versorgungszusage die Entlohnung der Arbeitsleistung, muß daher der Arbeitnehmer im vorhinein wissen, ob seine Arbeitsleistung im Rahmen der Versorgungszusage überhaupt entgolten wird oder nicht. Eine Abhängigkeit der Entlohnung der Arbeitsleistung durch die Versorgungszusage von einer bestimmten Betriebstreue würde dem nicht gerecht, da der Arbeitnehmer erst ab Bedingungseintritt beziehungsweise ab Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit seiner Anwartschaft mit den zugesagten Leistungen im Versorgungsfall rechnen kann, nicht aber bereits vor Erbringen jedweder Arbeitsleistung. Neben dem formellen Aspekt des Charakters von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz als Ausnahmeregelung und dem Anknüpfen des Gesetzgebers ausschließ777 Zur Funktion der betrieblichen Altersversorgung als Element der Alterssicherung Rößler, Der triftige Grund, S. 10; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 11.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

141

lich an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu den Jahressonderleistungen rechtfertigen es aus materieller Sicht auch diese grundlegenden Unterschiede zu den neben der laufenden Arbeitsvergütung ausgezahlten Sondervergütungen, das aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgende Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts auf die betriebliche Altersversorgung zu erstrecken und die Möglichkeiten des Arbeitgebers, durch Anreizsysteme verhaltenssteuernd auf den Arbeitnehmer einzuwirken, gegenüber den Sonderleistungen im Sinne von § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz eingeschränkt zu belassen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund verbietet sich bei einer Versorgungszusage mit Verfallklausel die Annahme, daß die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mit entgolten werde. Es kann vielmehr nur ein Entgelt für Betriebstreue vorliegen. Dieses Ergebnis bedarf jedoch der Absicherung vor dem Hintergrund der Regelungen des Betriebsrentengesetzes. (4) Zulassung durch den Versorgungsfall bedingten Arbeitsleistungsentgelts durch § 1 I 1 BetrAVG Das gezeigte Verständnis der §§ 612 I, 628 I BGB führt jedenfalls nicht zur Unzulässigkeit der Bedingung der betrieblichen Altersversorgung durch den Eintritt des Versorgungsfalles. Denn § 1 I 1 BetrAVG setzt voraus, daß dem Arbeitnehmer eine Leistung gerade zum Zweck der Versorgung versprochen worden ist, auf die ein Anspruch nur bei Realisierung eines spezifischen biometrischen Risikos, nämlich Alter, Invalidität oder Tod, besteht.778 Der völlige Leistungsausfall, der beispielsweise eintritt, wenn ein kinderloser, lediger Arbeitnehmer das Versorgungsalter nicht erreicht, widerspräche zwar bei der Annahme von Arbeitsleistungsentgelt der Wertung des § 612 I BGB, wonach im vorhinein festzustehen hat, ob eine Dienstleistung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.779 Auch würde das Arbeitsleistungsentgelt mit dem Erleben des Versorgungsfalles und dem Vorhandensein von Hinterbliebenen von Bedingungen abhängig gemacht, die – ebenso wie die Betriebstreue – in keinem inneren Zusammenhang zur Arbeitsleistung stehen. § 1 I 1 BetrAVG stellt sich aber bei Annahme von Arbeitsleistungsentgelt als verdrängende Spezialvorschrift gegenüber den §§ 612 I, 628 I BGB dar. Diese Ausnahme ist nicht zuletzt der Funktion der betrieblichen Altersversorgung geschuldet, ausschließlich bei Realisie-

778 Ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Urteil vom 08.05.1990 – 3 AZR 121/89 –, AP Nr. 58 zu § 7 BetrAVG, Bl. 2R m.w. N.; BAG, Urteil vom 10.08.1993 – 3 AZR 69/ 93 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, Bl. 1R/2 m.w. N.; BAG, Urteil vom 25.10.1994 – 3 AZR 279/94 –, AP Nr. 31 zu § 1 BetrAVG, Bl. 2. Zum Erfordernis der Abdeckung eines biometrischen Risikos auch Blomeyer, BetrAV 1998, 124 (125); MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 16; P. Hanau, BetrAV 1998, 147 (147, 152). 779 So der zutreffende Hinweis von Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 33.

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rung eines spezifischen biometrischen Risikos, nämlich Alter, Invalidität oder Tod, die Versorgung des Arbeitnehmers beziehungsweise seiner Hinterbliebenen sicherzustellen. § 1 I 1 BetrAVG ist damit allein dem wirtschaftlichen Verwendungszweck der versprochenen Leistungen geschuldet.780 (5) Zulassung durch den Verbleib im Betrieb bedingten Arbeitsleistungsentgelts durch die §§ 1b, 2 BetrAVG Für das Verhältnis der §§ 1b, 2 BetrAVG zu den §§ 612 I, 628 I BGB kann hinsichtlich der Verbleibebedingung jedoch nicht das gleiche wie für den Eintritt des Versorgungsfalles nach § 1 I 1 BetrAVG gelten. Die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft gemäß § 2 I 1 BetrAVG erfolgt unabhängig von der erbrachten Arbeitsleistung und stellt allein auf das Verhältnis von erreichter und erreichbarer Betriebszugehörigkeit ab. Kommt die Betriebszugehörigkeit nach dem oben Gesagten aber als Arbeitnehmerleistung nicht in Betracht, spricht § 2 I 1 BetrAVG für die Betriebstreue als alleinig vergütete Arbeitnehmerleistung,781 wenn eine Zusage mit Verfallklausel vorliegt. Denn allein die Betriebstreue kann mitursächlich für die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers sein, nicht aber die Arbeitsleistung.782 Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß für den Arbeitgeber Betriebstreue ohne jede Arbeitsleistung wertlos ist, da letztere allein auf der Ebene des Motivs beziehungsweise der Geschäftsgrundlage einen Bezug zur Betriebstreue783 und, über diese vermittelt, auch zur Betriebszugehörigkeit hat. Andererseits ist ein Schluß von der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf die Arbeitnehmerleistung allein noch nicht zwingend. Denn nach ihrem Wortlaut schränken die §§ 1b, 2 BetrAVG lediglich die Verfallbarkeit von Anwartschaften für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers ein. Aus § 7 II 1 und 3 BetrAVG ergibt sich zudem die Bedeutung der Unverfallbarkeit für die Insolvenzsicherung. Dies mag auf den ersten Blick sogar dafür sprechen, die Bedeutung der Berechnungsmethode nach § 2 BetrAVG auf das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers und das Eingreifen der Insolvenzsicherung zu beschränken. Eine Kürzungsklausel für Fehlzeiten kann jedenfalls weder die Unverfallbarkeit der Anwartschaften hinausschieben noch die Anwartschaft im Insolvenzfall schmälern. Fraglich ist dann die Zulässigkeit des 780 Näheres zum Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung unten § 3 B. V. 2. b), S. 172. 781 Im Ergebnis ebenso Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 15); Blomeyer/ Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 35 f.; P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 125; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 46. Anderer Ansicht Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 74 f. 782 Dazu bereits oben § 3 B. III. 2. d), S. 110 f. 783 Auch dazu bereits oben § 3 B. III. 2. b), S. 106 f.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

143

Umkehrschlusses aus den §§ 1b, 2 BetrAVG, jenseits von Unverfallbarkeit und Insolvenzsicherung sei betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt möglich, etwa in Gestalt von Steigerungsklauseln, bei welchen Fehlzeiten das Erreichen einer höheren Stufe der Versorgungsleistung hinausschieben. Ein solcher Umkehrschluß aus den §§ 1b, 2 BetrAVG scheitert jedoch bereits daran, daß dazu die damit verbundene Abweichung von den zu den §§ 612, 628 BGB entwikkelten allgemeinen Grundsätzen positiv nachweisbar sein müßte. Eine solche positive Aussage läßt sich jedoch bereits dem Wortlaut der §§ 1b, 2 BetrAVG nicht entnehmen. Gegen eine Zulassung durch die Betriebstreue bedingten Arbeitsleistungsentgelts im Umkehrschluß aus den §§ 1b, 2 BetrAVG spricht auch die Historie, die sogar eher darauf hinzudeuten scheint, daß der Gesetzgeber bei Versorgungszusagen mit Verfallklausel einheitlich von einer Entlohnung nur der Betriebstreue ausging. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wird die betriebliche Altersversorgung als Gegenleistung für die langjährige Betriebstreue des Arbeitnehmers bezeichnet.784 Daß die Begründung des Regierungsentwurfes zum Betriebsrentengesetz davon ausging, die betriebliche Altersversorgung werde für die gesamte im Betrieb geleistete Arbeit gewährt,785 besagt nichts Gegenteiliges.786 Denn hierin spiegelt sich lediglich der damalige dogmatische Erkenntnisstand zum Verhältnis von Arbeitsleistung, Betriebstreue und Betriebszugehörigkeit wider, wie er sich in der seinerzeitigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zeigt. Seinerzeit wurde noch nicht scharf zwischen Arbeitsleistung und Betriebstreue differenziert, und die Kausalität der Betriebstreue – und nicht der Arbeitsleistung – für die Betriebszugehörigkeit war noch nicht erkannt. In der Leitentscheidung zur Ruhegeldanpassung von 1973 wurde die Betriebstreue explizit als Gesamtheit der im Betrieb geleisteten Arbeit verstanden.787 In der Leitentscheidung zur Unverfallbarkeit von 1972 wurde hingegen das Verhältnis von Betriebstreue und Arbeitsleistung zueinander als ein nicht unmittelbares bezeichnet, zugleich aber der Zusammenhang von Arbeitsleistung und Betriebstreue betont.788 Nach Verkündung des Betriebsrentengesetzes hat sich das Bundesarbeitsgericht noch einmal explizit auf diesen Begründungsansatz von 1972 bezogen789 und klargestellt, daß allein das Verbleiben im Betrieb 784

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucksache 7/2843,

S. 4. 785

Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 24 (zu § 2 I). Anderer Ansicht Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 71, 74. 787 BAG, Urteil vom 30.03.1973 – 3 AZR 26/72 –, AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung, Bl. 7. 788 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4/4R. 789 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2. 786

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die entgoltene Arbeitnehmerleistung sei.790 Eine Festschreibung des dogmatischen Erkenntnisstandes der frühen 1970er Jahre kann ohnehin nicht mit dieser Historie verbunden sein, solange das Betriebsrentengesetz eine derartige Interpretation nicht zwingend erfordert.791 Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Aus den §§ 1b, 2 BetrAVG folgt keine die §§ 612 I, 628 I BGB und das dahinterstehende Rechtsprinzip des Verbotes betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts verdrängende Wertung für die Möglichkeit der Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue jenseits von Unverfallbarkeit und Insolvenzsicherung. Eine andere Sichtweise überstiege die Intention des Gesetzgebers, lediglich einige spezielle Probleme im Recht der betrieblichen Altersversorgung zu lösen,792 insbesondere die Wirkung von Verfallklauseln einzuschränken.793 Der Gesetzgeber hat sich dabei zwar maßgeblich auf den Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung gestützt,794 um eine umfassende dogmatische Fundierung im Sinne einer Klärung der Frage der Kumulationsmöglichkeit der Zwecke Arbeitsleistung und Betriebstreue ging es im übrigen jedoch nicht. Entscheidend für die Frage der positiv nachweisbaren Verdrängungswirkung des Umkehrschlusses aus den §§ 1b, 2 BetrAVG sind nicht zuletzt objektiv teleologische Kriterien.795 Nur bei gleichlaufender Zielrichtung der §§ 1b, 2 BetrAVG einerseits und der §§ 612 I, 628 I BGB andererseits fände der Umkehrschluß aus den §§ 1b, 2 BetrAVG eine Stütze, jenseits der Fragen der Unverfallbarkeit und des Insolvenzschutzes von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung sei eine Sicherstellung des Entgeltlichkeitsprinzips durch ein Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts nicht geboten. Letzteres ist indessen nicht der Fall. Zwar dienen die Regelungen in den §§ 1b, 2 BetrAVG wie auch in den §§ 612 I, 628 I BGB der Sicherstellung des Entgeltlichkeitsprinzips, dies geschieht jedoch auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln. Während § 612 I BGB der Abgrenzung zur unentgeltlichen Dienstleistung dient796 und § 628 I BGB die Entlohnung der bereits erbrachten Teilleistung im Synallagma auch bei der Beendigung des Dienstverhältnisses sicherstellt,797 stellen die §§ 1b, 2 BetrAVG die Entlohnung erbrachter Teilleistungen nur dort sicher, wo sie aufgrund einer nichtsynallagmatischen Bedingungskonstruktion ansonsten nicht geschützt wären.798 Dabei 790 BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R. 791 Insoweit zutreffend Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 71. 792 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19; vgl. auch Blomeyer, RdA 2000, 279 (279 f.). 793 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19 f. 794 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 20. 795 Vgl. Larenz, Methodenlehre 5, S. 257. 796 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (2), S. 123 bei Fn. 674. 797 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (2), S. 127 bei Fn. 705.

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bleibt die mit der Verfallklausel bezweckte faktische Bindung des Arbeitnehmers teilweise erhalten, da nicht jede Teilleistung durch die §§ 1b, 2 BetrAVG geschützt wird.799 Diese unterschiedlichen Mechanismen zum Schutz des Entgeltlichkeitsprinzips sind aber nicht deckungsgleich, sondern ergänzen einander, wenn eine Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue bei der Zwecksetzung in Rede steht. Der gemäß § 1b I 1 BetrAVG erst nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres800 und nach fünfjährigem Bestehen der Versorgungszusage einsetzende Teilleistungsschutz sowie die ratierliche Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft gemäß § 2 I 1 BetrAVG sind mit dem hinter den §§ 612 I, 628 I BGB stehenden Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts nur dann in Einklang zu bringen, wenn man bei Versorgungszusagen mit Verfallklausel ein reines Betriebstreueentgelt annimmt. Der Regelungszweck der §§ 1b, 2 BetrAVG ist damit der Schutz des Austauschverhältnisses mit der Betriebstreue.801 Er deckt eine Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue gerade nicht. Warum jenseits von Unverfallbarkeit und Insolvenzschutz etwas anderes gelten sollte, ist hieraus nicht positiv begründbar. Dies gilt insbesondere für die Möglichkeit der Kombination von Verfallklauseln mit Steigerungsklauseln, bei welchen Fehlzeiten das Erreichen einer höheren Stufe der Versorgungsleistung hinausschieben. Im Gegenteil würde eine solche Kombination von qualifizierten, arbeitsleistungsbezogenen Steigerungsklauseln und Verfallklauseln teilweise zu einer hypothetischen Berechnung aufgrund im Gesetz nicht vorgesehener Unterstellungen führen.802 Vor allem aber würde sie zu einem mit Sinn und Zweck des § 2 I BetrAVG nicht vereinbaren Maß der Differenzierung zwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmern und im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmern803 führen. Indem § 2 I 1 BetrAVG die im Ausscheidezeitpunkt bei Betriebstreue gültige Anwartschaft maßstabsgetreu auf den Zeitpunkt vorzeitigen Ausscheidens verkleinert, wird nämlich deutlich, daß der unter Aufrechterhaltung einer Anwartschaft ausscheidende Arbeitnehmer nicht besser als ein betriebstreuer Arbeitnehmer gestellt werden darf.804 Zugleich folgt aber aus der maßstabsgetreuen Verkleinerung der 798 799

Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 58. So zu den §§ 1, 2 BetrAVG a. F. bereits Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue,

S. 58. 800

Zur Rechtslage ab 01.01.2009 vgl. die Anm. S. 117 Fn. 635. Zu diesem Zweck auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 108. 802 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 110, 112, 113. 803 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 110 f., 111, 113. 804 LAG Berlin, Urteil vom 27.11.1978 – 9 Sa 47/78 –, BB 1979, 940 (941). Für die Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung vgl. auch § 2 I 2 BetrAVG, die Begründung zum Regierungsentwurf des BetrAVG, BT-Drucksache 7/1281, S. 25, sowie Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 2 Rz. 120. 801

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Anwartschaft auf den vorgezogenen Ausscheidezeitpunkt der Sinn und Zweck des § 2 BetrAVG, die vorzeitig ausscheidenden auch relativ-proportional nicht schlechter zu stellen als die betriebstreuen Arbeitnehmer. So soll § 2 BetrAVG etwa eine doppelte Berücksichtigung des Ausscheidens bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft verhindern.805 § 2 BetrAVG bezweckt damit – abgesehen von der Spezialregelung des § 2 V 1 BetrAVG für Veränderungen der Versorgungszusage und der variablen Bemessungsgrundlagen – die grundsätzlich proportionale Gleichbehandlung mit unverfallbarer Anwartschaft ausscheidender und betriebstreuer Arbeitnehmer bei der Berechnung des Wertes der bereits erdienten Anwartschaft. Man spricht insoweit auch vom Neutralitätsprinzip,806 da eine strikte Gleichheitsbindung bereits an der Regelung des § 2 V 1 BetrAVG scheitern würde. Die einer solchen Zusage an sich entsprechende Lösung, die Fehlzeiten von der erreichten Betriebszugehörigkeit abzusetzen und nur die Differenz ins Verhältnis zur erreichbaren Betriebszugehörigkeit zu setzen, scheitert daran, daß § 2 I 1 BetrAVG insoweit einseitig zwingend zugunsten des Arbeitnehmers807 ein formales Betriebszugehörigkeitsverständnis zugrunde legt, das gerade die Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsquotienten ausschließt.808 Die damit verbleibende Möglichkeit, die Kürzungsklausel bei der Höhe der erreichbaren Versorgung, mit welcher der Unverfallbarkeitsquotient gemäß § 2 I 1 BetrAVG zu multiplizieren ist, zu berücksichtigen, eröffnet drei mögliche Lösungswege, welche allesamt mit Sinn und Zweck des § 2 I 1 BetrAVG unvereinbar sind. Berücksichtigte man bei der Höhe der erreichbaren Versorgung lediglich die Zeiten, in welchen der Arbeitnehmer tatsächlich seine Arbeitsleistung erbracht hat, müßte man auch alle Zeiträume nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers unberücksichtigt lassen, da mit seinem Ausscheiden diese als Zeiten ohne Arbeitsleistung feststehen. Eine solche Berechnungsweise würde das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers doppelt berücksichtigen, da die Zeiten vom Ausscheiden bis zum Eintritt in den Ruhestand sowohl die erreichbare Versorgung als auch den Unverfallbarkeitsquotienten mindern würden. Eine solche doppelte Berücksichtigung des Ausscheidens soll § 2 BetrAVG aber gerade ver805 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 111. Der Sache nach auch LAG Hamm, Urteil vom 25.01.1994 – 6 Sa 564/93 –, DB 1994, 789 (790). Vgl. ferner BAG, Urteil vom 17.08.2004 – 3 AZR 318/03 –, AP Nr. 46 zu § 2 BetrAVG, Bl. 3R, für die Berechnung einer vorgezogenen Betriebsrente. 806 Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 2 Rz. 7. 807 Vgl. § 17 III 3 BetrAVG. 808 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (15); Hoppach, DB 1994, 1672 (ebd.); Kemper, BetrAV 1992, 250 (251); Oster, BetrAV 1992, 246 (247); Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 110.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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hindern.809 Zugleich würde der vorzeitig Ausscheidende gegenüber den bis zum Ruhestand im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmern benachteiligt,810 da bei diesen die Zeiten ohne Arbeitsleistung lediglich bei der Höhe der erreichbaren Versorgung berücksichtigt würden. Sinn und Zweck der Regelung des § 2 I BetrAVG aber ist gerade die grundsätzliche Vermeidung der Ungleichbehandlung vorzeitig ausgeschiedener und im Betrieb verbleibender Arbeitnehmer bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft. Erstere sollen durch ihr vorzeitiges Ausscheiden gegenüber letzteren nicht unverhältnismäßig benachteiligt werden. Berücksichtigte man bei der Höhe der erreichbaren Versorgung lediglich diejenigen Zeiten ohne Arbeitsleistung nicht, welche während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses aufgelaufen sind, während hingegen der Zeitraum vom Ausscheiden bis zum Eintritt in den Ruhestand berücksichtigt würde,811 so unterstellte man, daß der Arbeitnehmer ohne sein vorzeitiges Ausscheiden bis zum Eintritt in den Ruhestand ohne Unterbrechungen weitergearbeitet hätte.812 Dies führte zu einer Bevorzugung ausgeschiedener Arbeitnehmer, da diese sich bei der ratierlichen Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft sowie ihrer Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung Fehlzeiten nur bis zu ihrem Ausscheiden anrechnen lassen müßten, während im Betrieb verbleibende Arbeitnehmer Kürzungen wegen Fehlzeiten bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand hinzunehmen hätten.813 Da aber das Risiko krankheitsbedingter Fehlzeiten mit zunehmendem Lebensalter steigt, droht gerade älteren im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmern eine Verschlechterung des Verhältnisses der tatsächlichen Anwartschaft zur maximal erreichbaren Anwartschaft gegenüber einem in jungen Jahren mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Sinn und Zweck der Regelung des § 2 I BetrAVG aber ist gerade die grundsätzliche Vermeidung der disproportionalen Ungleichbehandlung vorzeitig ausgeschiedener und im Betrieb verbleibender Arbeitnehmer bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft. Dabei soll nicht nur eine Benachteiligung, sondern auch eine Besserstellung vorzeitig Ausscheidender gegenüber Betriebstreuen vermieden werden.814 Projizierte man schließlich die während seiner Betriebszugehörigkeit angefallenen Zeiten ohne Arbeitsleistung eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers auf die gesamte erreichbare Betriebszugehörigkeit,815 so unterstellte man, daß die Fehlzeiten eines Arbeitnehmers während seines gesamten Erwerbslebens gleichblie809

Vgl. S. 146 Fn. 805. Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 110 f. 811 So eine von Kemper, BetrAV 1992, 250 (251), erwogene Möglichkeit. 812 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 111. 813 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 111 f. mit Fn. 318. Zur Diskrepanz von unverfallbarer Anwartschaft und Kürzungsregelung auch Hoppach, DB 1994, 1672 (1674). 814 Vgl. S. 145 Fn. 804. 815 So eine weitere von Kemper, BetrAV 1992, 250 (252), erwogene Möglichkeit. 810

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ben.816 Dies erscheint bereits angesichts des erhöhten Risikos krankheitsbedingter Fehlzeiten bei älteren Arbeitnehmern unwahrscheinlich. Entscheidend aber ist, daß auch dieser Berechnungsmodus zu einer doppelten Kürzung der unverfallbaren Anwartschaft führen würde. Das vorzeitige Ausscheiden würde zum einen bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsquotienten, zum anderen aber auch durch die Anrechnung fiktiver Fehlzeiten auf die erreichbare Anwartschaft berücksichtigt. Auch hierin läge eine Benachteiligung gegenüber den im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmern,817 die mit Sinn und Zweck des § 2 BetrAVG nicht vereinbar wäre. Aus dem Vorigen folgt, daß eine Kürzung von Anwartschaften wegen Zeiten ohne Arbeitsleistung mit Sinn und Zweck der Regelung des § 2 I BetrAVG, grundsätzlich eine disproportionale Ungleichbehandlung vorzeitig ausgeschiedener und im Betrieb verbleibender Arbeitnehmer bei der Berechnung der erdienten Versorgungsanwartschaft zu verhindern,818 nicht in Einklang zu bringen ist.819 Eine regelungszweckwidrige Benachteiligung oder Bevorzugung vorzeitig Ausscheidender läßt sich aber nur vermeiden, wenn man von einer Kombination von Verfallklauseln mit Steigerungsklauseln, bei welchen Fehlzeiten das Erreichen einer höheren Stufe der Versorgungsleistung hinausschieben, absieht. Insoweit folgt aus § 2 I BetrAVG ein gesetzliches Verbot, Versorgungszusagen mit Verfallklausel mit einer Kürzungsregelung für Zeiten ohne Arbeitsleistung zu verbinden.820 Mit diesem aus § 2 I BetrAVG folgenden gesetzlichen Verbot bestätigt sich zugleich die Geltung des aus den §§ 612 I, 628 I BGB abgeleiteten Verbotes betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts. Ebenfalls bestätigt sich die oben postulierte Unanwendbarkeit der § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zugrunde liegenden Zulassung betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts auf die betriebliche Altersversorgung. Einer Heranziehung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz zugrunde liegenden Gedankens der Zulässigkeit einer Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue bei der Zwecksetzung ist damit auch aus diesem Grunde der Boden entzogen. Es bleibt damit im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bei dem aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgenden Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts.821

816

Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 113. Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 113. 818 Vgl. S. 146 bei Fn. 806. 819 So im Ergebnis bereits Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 113 f. 820 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 114. 821 Dies führt auch zu Weiterungen für beitragsorientierte Leistungszusagen, bei denen gemäß § 2 Va Hs. 2 i.V. m. Hs. 1 BetrAVG die aus den bisherigen Beiträgen erreichte Anwartschaft dem Arbeitnehmer erhalten bleibt. Eine Kürzungsklausel wegen Fehlzeiten müßte sich hier auf die Pflicht des Arbeitgebers zur Leistung von Beiträgen 817

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Also scheidet die Möglichkeit, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowohl von der Arbeitsleistung als auch von einer bestimmten Betriebstreue des Arbeitnehmers abhängig zu machen, nicht nur im Wege der Auslegung, sondern auch aus diesem rechtlichen Grund aus. Liegen keine besonderen Hinweise für eine Vergütung der Arbeitsleistung vor, sind Zusagen mit Verfallklausel daher dahingehend auszulegen, daß allein die Betriebstreue die maßgebliche Arbeitnehmerleistung darstellt. Die mit der Verfallklausel angesprochene Betriebszugehörigkeit scheidet nach dem oben Gesagten mangels hinreichender Beherrschbarkeit als anknüpfungsfähige Arbeitnehmerleistung aus, ohne daß damit etwas Abschließendes über die Möglichkeit, die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung an die bloße Betriebszugehörigkeit zu binden, gesagt wäre, da insbesondere die Möglichkeit einer Gefahrtragungsregel für das Fehlschlagen der Betriebstreue noch nicht ausgeschlossen ist. Für die hier interessierende Fragestellung, welche Leistung des Arbeitnehmers mit einer Versorgungszusage entgolten wird, kann die Zulässigkeit einer solchen Gefahrtragungsregel jedoch dahinstehen. Denn sie würde ohnehin nichts daran ändern, daß eine Versorgungszusage mit Verfallklausel allein an die Betriebstreue anknüpft. Festzuhalten bleibt daher, daß Zusagen mit Verfallklausel dahingehend auszulegen sind, daß allein die Betriebstreue die maßgebliche Arbeitnehmerleistung darstellt. 5. Zusagen ohne Verfallklausel Enthält eine Betriebsvereinbarung eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel, so spricht zunächst einmal eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Versorgungszusage an die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anknüpft. Wie im folgenden – sub a) – zu zeigen sein wird, besteht im Recht der betrieblichen Altersversorgung keine gegenläufige tatsächliche Vermutung für die Verfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften, welche nach dem oben Gesagten auf eine Anknüpfung an die Betriebstreue hindeutete. Daher sind Versorgungszusagen ohne Verfallklausel auch nicht im Wege der Fortbildung der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung um eine Verfallklausel zu ergänzen. Sodann wird – sub b) – zu prüfen sein, ob einer Anknüpfung an die Arbeitsleistung nicht die Konzeption des Betriebsrentengesetzes entgegensteht, welchem ein Leitbild des Betriebstreueentgelts zugrunde liegt. Enthält eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel hingegen dienstzeitabhängige Steigerungsraten, deutet dies auf einen Bezug zur Betriebstreue hin. Die hieraus sich ergebenden Konsequenzen für die Auslegung von Versorgungszusagen ohne Verfallklausel im Hinblick auf die maßgebliche Arbeitnehmerleibeziehen. Auch sie ist nach den obigen Grundsätzen in Kombination mit einer Verfallklausel nicht zulässig.

150 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

stung sind anschließend – sub c) – zu erörtern. Schließlich ist – sub d) – zu untersuchen, welche Auswirkungen die Kombination dienstzeitabhängiger Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung für die zugrundezulegende Arbeitnehmerleistung hat. a) Verfallklausel aufgrund Fortbildung der Betriebsvereinbarung? Im Arbeitsverhältnis besteht eine tatsächliche Vermutung dahingehend, daß Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zwecks Entlohnung der Arbeitsleistung erfolgen. Enthält die Betriebsvereinbarung eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel,822 so spricht dies daher zunächst einmal dafür, daß diese allein an die Arbeitsleistung als maßgebliche Arbeitnehmerleistung anknüpft.823 Dagegen kann nicht eingewandt werden, daß eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel regelmäßig eine Lücke enthalte, die mittels ergänzender Vertragsauslegung beziehungsweise durch das dispositive Gesetzesrecht durch die Annahme einer Verfallbarkeit im Sinne des § 1b BetrAVG zu schließen sei,824 mit der Folge, daß die oben entwickelten Kriterien für Versorgungszusagen mit Verfallklausel anwendbar wären und somit die Versorgungszusage an die Betriebstreue des Arbeitnehmers anknüpfte. Eine solche Sichtweise hätte zur Konsequenz, daß das Fehlen einer Verfallklausel nicht für eine von Anfang an geltende Unverfallbarkeit spräche,825 sondern daß die gesetzlichen Verfallfristen explizit abbedungen sein müßten, um einen Verfall von Anfang an auszuschließen.826 Abgesehen von der Besonderheit, daß für den normativen Teil einer Betriebsvereinbarung keine Lückenschließung durch ergänzende Vertragsauslegung,827 sondern allenfalls durch Rechtsfortbildung in Betracht kommt,828 fehlt 822 Beispiel: Jeder Arbeitnehmer enthält mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und Bezug der gesetzlichen Regelaltersrente eine monatliche Rente in Höhe von x Euro brutto. Das Arbeitsverhältnis braucht nicht bis zum Eintritt in den Ruhestand fortbestanden zu haben. 823 Für eine solche Einordnung von Zusagen ohne Verfallklausel P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 135, B 146 a. E.; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 43; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 60, 77. 824 So aber R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2694. Zu § 1 BetrAVG a. F. für den Regelfall auch LAG Hamm, Urteil vom 05.04.1994 – 6 Sa 934/93 –, LAGE § 1 BetrAVG Nr. 16, S. 5 (obiter dictum). 825 So aber LAG Hamm, Urteil vom 21.07.1987 – 6 Sa 327/87 –, LAGE § 1 BetrAVG Nr. 10, S. 31; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der BetrAV, Teil 10 A, Rz. 100; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 42. Auf besondere Begleitumstände beschränkend LAG Hamm, Urteil vom 05.04.1994 – 6 Sa 934/ 93 –, LAGE § 1 BetrAVG Nr. 16, S. 4 f. 826 R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2694. Widersprüchlich P. Hanau/Arteaga, Gehaltsumwandlung, Rz. B 126 bejahend, Rz. B 135, B 146 a. E. wohl verneinend. 827 Vgl. S. 93 Fn. 475. 828 Vgl. S. 94 Fn. 476.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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es regelmäßig bereits an der erforderlichen Regelungslücke. Anhand des Regelungszweckes ist nämlich zu ermitteln, ob ein Fall nicht geregelt worden ist, der bei objektiver Betrachtung einer Regelung bedurft hätte.829 Eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel bietet aber gerade wegen des Verzichts auf die Verfallklausel regelmäßig keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Betriebstreue des Arbeitnehmers entlohnt werden soll, schon gar nicht dafür, daß diese erst entlohnt werden soll, nachdem sie zu einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit geführt hat. Der Arbeitnehmer erhält vielmehr die Versorgung zusätzlich zum laufenden Arbeitsleistungsentgelt ähnlich einer Gehaltserhöhung.830 Weist der Inhalt der Betriebsvereinbarung damit auf die Entlohnung der Arbeitsleistung, kommt eine Verfallbarkeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung schon wegen des in den §§ 612 I, 628 I BGB zum Ausdruck kommenden Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts nicht in Betracht. § 1b BetrAVG stellt auch keine Vermutung auf, wonach Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung grundsätzlich im Rahmen der genannten Fristen verfallbar wären. Der Wortlaut des § 1b I 1 BetrAVG ließe eine solches argumentum e contrario zwar zu. Jedoch war es erklärtes Regelungsziel des Gesetzgebers, lediglich die Wirkung von Verfallklauseln einzuschränken.831 Begründet wurde dies damit, daß die bisher freie Vertragsgestaltung dem Interesse der Arbeitnehmer nicht hinreichend Rechnung getragen habe.832 Um die Einführung der generellen Vermutung einer – wenn auch begrenzten – Verfallbarkeit von Anwartschaften unabhängig vom Bestehen einer Verfallklausel ging es gerade nicht. Auch die objektiv-teleologische Betrachtung des § 1b I 1 BetrAVG ergibt keinen anderen Regelungszweck, als die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Verfallklauseln einzuschränken.833 Bei Fehlen einer Verfallklausel den Verfall von Anwartschaften zu vermuten, schösse über dieses enge Regelungsziel hinaus. Etwas anderes kann sich mithin nur ergeben, wenn die Betriebsvereinbarung konkrete Anhaltspunkte dafür bietet. Der bloße subjektive Wille der Betriebspartner ist dafür aber nicht hinreichend.834 Grundsätzlich ist daher bei fehlender Verfallklausel ein reines Arbeitsleistungsentgelt anzunehmen.

829 BAG, Urteil vom 11.08.1987 – 3 AZR 6/86 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, Bl. 2R. 830 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 61. 831 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19 f. zu A I 2. 832 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19 zu A I 1. 833 ErfK7 /Steinmeyer, § 1b BetrAVG Rz. 3. 834 Dazu bereits oben § 3 A, S. 92 bei Fn. 465 ff.

152 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

b) Arbeitsleistung als Leistungsgegenstand und gesetzliches Leitbild des Betriebstreueentgelts Gegen die grundsätzliche Vermutung reinen Arbeitsleistungsentgelts bei Fehlen einer Verfallklausel spricht auch nicht die Regelung des § 2 I BetrAVG, welche die Kürzung der Versorgungsanwartschaft wegen Zeiten ohne Arbeitsleistung verbietet und daher allein auf reines Betriebstreueentgelt zugeschnitten ist.835 Die Vorschrift ist durch Inbezugnahme der Unverfallbarkeitsregelung in § 1b BetrAVG auf Versorgungszusagen mit Verfallklausel zugeschnitten und läßt keine zwingenden Rückschlüsse auf die entgoltene Leistung bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel zu. Dies bestätigt auch die Historie. Der Gesetzgeber wollte mit dem Betriebsrentengesetz lediglich einige spezielle Probleme im Recht der betrieblichen Altersversorgung lösen,836 insbesondere die Wirkung von Verfallklauseln einschränken.837 Unmittelbare Aussagen hinsichtlich des historisch zugrunde gelegten Verständnisses der Arbeitnehmerleistung lassen sich den Materialien zum Betriebsrentengesetz daher allenfalls für die hier nicht interessierenden Versorgungszusagen mit Verfallklausel entnehmen.838 Dem steht auch nicht entgegen, daß der erst auf Initiative des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung eingeführte Insolvenzschutz gemäß § 7 BetrAVG auch Versorgungszusagen ohne Verfallklausel erfaßt und bei der Berechnung der insolvenzgeschützten Anwartschaft in § 7 II 3 BetrAVG auf die Regelung des § 2 I BetrAVG verweist. Die Besonderheiten von Versorgungszusagen ohne Verfallklausel spielten nämlich bei der Einführung der Insolvenzsicherung keine Rolle. Man knüpfte für die Anwartschaften aus Direktzusagen vielmehr unreflektiert an die Regelungen zur Unverfallbarkeit an.839 Dem Gesetzgeber ging es daher nicht um eine umfassende dogmatische Fundierung im Sinne einer Klärung der Frage der zugrundeliegenden Arbeitnehmerleistung. Der Gehalt der Regelungen in den §§ 7 II 3, 2 I BetrAVG mag zwar für ein Leitbild der Entlohnung von Betriebstreue sprechen, ein gesetzlicher Typenzwang folgt hieraus jedoch nicht. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den Friktionen, zu denen ein Arbeitsleistungsentgelt mit der ihm immanenten Anwartschaftsschädlichkeit von Zeiten ohne Arbeitsleistung bei der Berechnung der insolvenzgeschützten Anwartschaft führt. Die ratierliche Berechnung gemäß § 2 I BetrAVG würde bei einer Einord-

835

Dazu soeben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 142 ff., insbesondere S. 145 bei Fn. 801. Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19; vgl. auch Blomeyer, RdA 2000, 279 (279 f.). 837 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19 f. 838 Dazu bereits § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 143 bei Fn. 784 ff., S. 144 bei Fn. 793 f. 839 Vgl. den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 22.11.1974, BT-Drucksache 7/2843, S. 8 f. zu § 6a Abs. 2 des seinerzeitigen Gesetzentwurfes. 836

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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nung der Arbeitsleistung als alleinige und notwendige Anspruchsvoraussetzung durch die Berücksichtigung von Zeiten ohne Arbeitsleistung bei der Berechnung des erdienten Teilwertes zu einem überschießenden Insolvenzschutz führen. Dieser wäre vom Schutzzweck des § 7 BetrAVG nicht gedeckt, lediglich die erdiente, wegen der Anwendbarkeit des Teilleistungsprinzips sofort unverfallbare Anwartschaft nach Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit gegen eine Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern.840 Dem ist jedoch durch eine teleologische Reduktion des § 7 II 3 BetrAVG bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel hinsichtlich seines Verweises auf den Berechnungsmodus des § 2 BetrAVG zu begegnen. Zeiten ohne Arbeitsleistung bleiben dann bei der nach Maßgabe des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips erfolgenden Berechnung der insolvenzgeschützten Anwartschaft unberücksichtigt. Eine solche Vorgehensweise widerspricht auch nicht dem gemäß § 17 III 3 BetrAVG einseitig zugunsten der Arbeitnehmer zwingenden Charakter der §§ 7, 2 BetrAVG, da die gesetzliche Konzeption im Hinblick auf die Besonderheiten reinen Arbeitsleistungsentgelts unvollständig ist. Entsprechend ist in Anbetracht der Regelung des § 1587a II Nr. 3 BGB zu verfahren, welche die ratierliche Berechnungsmethode für den Versorgungsausgleich übernimmt und damit die gleichen Regelungslücken in bezug auf arbeitsleistungsbezogene Versorgungszusagen aufweist wie § 2 I 1 BetrAVG. Entsprechendes gilt für die Berechnung der Anwartschaft eines vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmers. Bei einem reinen Arbeitsleistungsentgelt sind die Vorschriften der §§ 2 I, 1b BetrAVG daher nicht anzuwenden. Sie sind auch entbehrlich, da der Arbeitnehmer insoweit über die unmittelbare Geltung des Teilleistungsprinzips geschützt und dieses wegen des aus den §§ 612 I, 628 I BGB abzuleitenden Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts auch unabdingbar ist. Die erdiente Anwartschaft ist sofort unverfallbar. Es besteht daher kein zwingender rechtlicher Grund, bei einer Versorgungszusage ohne Verfallklausel ein Entgelt für Betriebstreue anzunehmen, wenn nicht in der Versorgungszusage selbst besondere Anhaltspunkte dafür bestehen. c) Bedeutung dienstzeitabhängiger Steigerungsraten bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel Sieht eine Versorgungszusage keine Verfallklausel vor, so folgt daraus nicht in jedem Falle zwingend, daß eine Vergütung der Arbeitsleistung vorliegt. Den Betriebspartnern stehen neben Verfallklauseln weitere Mittel zur Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb zur Verfügung, die eine Entlohnung der Betriebstreue indizieren. Sieht eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel dienstzeitab840

Dazu nur ErfK7 /Steinmeyer, § 7 BetrAVG Rz. 2.

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hängige Steigerungsraten vor,841 kann diese Ausgestaltung für die Entlohnung von Betriebstreue sprechen.842 Bereits das Anknüpfen an die Betriebszugehörigkeit indiziert die beabsichtigte Entlohnung von Betriebstreue. Auch dienstzeitabhängige Steigerungsraten ohne eine Verfallklausel bieten einen Bindungsanreiz für den Arbeitnehmer. Zwar besteht ein Unterschied zu den Verfallklauseln darin, daß das Entgelt nicht unter Ausschluß der Entlohnung von Teilleistungen in Form einer Bedingung von einer bestimmten Betriebstreue abhängig gemacht ist, sondern lediglich eine Entlohnung pro rata temporis, entsprechend der festgelegten Steigerungsraten erfolgt. Dienstzeitabhängige Steigerungsraten lassen sich aufgrund ihrer typischen Formulierung, die lediglich die Relation eines bestimmten Maßes an Betriebstreue zu einem Betrag oder prozentualen Anteil an einem Bemessungsfaktor der versprochenen Altersversorgung herstellt,843 auch nicht ohne weiteres als die Entlohnung von Teilleistungen zwischen den jeweiligen Steigerungsstufen ausschließende Bedingung im Sinne des § 158 I BGB verstehen. Die Interpretation einer solchen Klausel als verdeckte Verfallbedingung widerspräche überdies dem ratierlichen Berechnungsmodus, welcher für unverfallbare Versorgungsanwartschaften vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer zwingend in § 2 I BetrAVG vorgeschrieben ist. Wegen der von § 2 I BetrAVG intendierten grundsätzlichen Gleichbehandlung vorzeitig ausscheidender und weiterhin betriebstreuer Arbeitnehmer844 kann für letztere – etwa im Falle der Abänderung der Versorgungszusage – insoweit nichts anderes gelten. Dienstzeitabhängige Steigerungsraten sind daher regelmäßig nicht als Bedingung, sondern lediglich als Maßstab zur Bestimmung der zeitanteiligen Vergütung zu verstehen, der eine Entlohnung von Teilleistungen gerade nicht ausschließt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Versorgungszusage keine anderweitige Verfallklausel enthält. Die Betriebsvereinbarung läßt dann keinen Rückschluß auf einen entsprechenden Willen der Betriebspartner zu. Sind die Steigerungsraten hingegen explizit unter Ausschluß von Teilleistungen formuliert,845 stellen sie eine Verfallbedingung dar, für wel841 Beispiel: Jeder Arbeitnehmer erhält mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und Eintritt in den Ruhestand eine monatliche Rente. Deren Höhe beträgt x Euro brutto sowie für jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit weitere y Euro brutto. Das Arbeitsverhältnis braucht nicht bis zum Eintritt in den Ruhestand fortbestanden zu haben. 842 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 71 bei Fn. 191; U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 187. 843 Vgl. das Beispiel auf S. 154 in Fn. 841. 844 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 bei Fn. 806. 845 Dies ist etwa auch dann der Fall, wenn eine Steigerungsstufe explizit als Schwelle formuliert ist, etwa für jedes angefangene Jahr der Betriebszugehörigkeit ein bestimmter Betrag als Altersversorgung versprochen wird. Ferner wird man sogar den Auslegungsgrundsatz aufstellen können, daß die Kombination von Verfallklauseln mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten auf den intendierten Ausschluß der Entlohnung von Teilleistungen der Betriebstreue hindeutet.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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che die oben für Versorgungszusagen mit Verfallklausel entwickelten Grundsätze gelten, auf die verwiesen sei. Wegen der Entlohnung von Teilleistungen entsteht jedoch die Schwierigkeit der Abgrenzung zu einer rein arbeitsleistungsbezogenen Zusage. Dabei sprechen exponentielle Steigerungsraten für die Entlohnung von Betriebstreue, da ein längeres Verbleiben im Betrieb dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich zugute kommen soll. Bei linearen Steigerungsraten hingegen kommt dem zugrundegelegten Zeitintervall maßgebliche Bedeutung zu. Ein nennenswerter – wegen der Entlohnung von Teilleistungen rein psychologischer846 – Bindungsanreiz für den Arbeitnehmer ist nur anzunehmen, wenn die zugrundegelegten Zeitintervalle den Vorleistungszeitraum bei der laufenden Entgeltzahlung überschreiten. Regelmäßig sind daher die maßgeblichen Zeiträume für die Steigerungsraten bei der betrieblichen Altersversorgung erheblich länger als der Vorleistungszeitraum für die laufende Vergütung der Arbeitsleistung im Sinne von § 614 S. 2 BGB. Erstere umfassen oft ein Jahr oder gar mehrere Jahre, während letzterer meist nur eine Woche oder einen Monat umfaßt. Diese längere zeitliche Perspektive kann das gesamte Arbeitsleben des Arbeitnehmers umfassen, da sich die Kumulation der einzelnen Steigerungsraten bis zu dessen Eintritt in den Ruhestand zeitlich strecken läßt. Dies führt zu einer Abkehr vom bei Fehlen einer Verfallklausel tatsächlich zu vermutenden reinen Arbeitsleistungsbezug. Ein reiner Arbeitsleistungsbezug der Versorgungszusage ist allenfalls dann anzunehmen, wenn die Steigerungsraten nicht über den maßgeblichen Vorleistungszeitraum für das laufende Arbeitsentgelt im Sinne von § 614 S. 2 BGB – bei monatlicher Entgeltzahlung also einen Monat – hinausgehen, da hier nicht einmal ein psychologischer Bindungsanreiz für den Arbeitnehmer besteht. Die Betriebstreue verdrängt durch diese Art der Ausgestaltung sogar den Zweck der Arbeitsleistung, der auf die Ebene der Geschäftsgrundlage beziehungsweise des Motivs zurückfällt. Denn einer ausdrücklichen Mitberücksichtigung von Zeiten der Nichtbeschäftigung bei den Steigerungsraten bedarf es bei dieser Art der Ausgestaltung nicht, da ohne ausdrückliche Kürzungsklausel Zeiten der Betriebstreue ohne Arbeitsleistung sich nicht anwartschaftsmindernd auswirken. Eine Berücksichtigung von Fehlzeiten ohne Kürzungsklausel wäre bei Annahme eines Entgelts mit Mischcharakter auch gar nicht möglich, ohne mit weder in der Versorgungszusage noch im Gesetz angelegten Unterstellungen über die Relation von Arbeitsleistung und Betriebstreue zu operieren.847 Muß

846 Zur Schwäche dieser Klauselgestaltung auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 57 i.V. m. S. 71 bei Fn. 191. 847 Dies auch gegen den Ansatz von Becker, Sonderzuwendungen, der bei Jahresleistungen mit Mischcharakter im Zweifel ein ausgewogenes Verhältnis von Betriebstreue und Arbeitsleistung bei der Zwecksetzung unterstellt (S. 145) und anhand dessen Fehlzeiten auch ohne Kürzungsklausel berücksichtigt (S. 150 ff., 153).

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die fehlende Arbeitsleistung daher ohne Konsequenzen bleiben, ist von einem reinen Betriebstreueentgelt auszugehen.848 Somit verdrängt die Betriebstreue bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel und mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten den Zweck der Arbeitsleistung, der auf die Ebene der Geschäftsgrundlage beziehungsweise des Motivs zurückfällt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Versorgungszusage exponentielle Steigerungsraten vorsieht oder bei linearen Steigerungsraten die maßgeblichen Zeiträume über den für das laufende Arbeitsentgelt maßgeblichen Vorleistungszeitraum gemäß § 614 S. 2 BGB hinausgehen. Ohne ausdrückliche Kürzungsklausel können sich Zeiten der Nichtbeschäftigung nicht anwartschaftsmindernd auswirken. Etwas anderes kann sich nur ergeben, wenn die Betriebsvereinbarung konkrete Anhaltspunkte dafür bietet, an denen es regelmäßig fehlt. Der bloße subjektive Wille der Betriebspartner ist insoweit nicht hinreichend.849 d) Kombination dienstzeitabhängiger Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung Nicht zu einer Verdrängung der Arbeitsleistung bei der Zwecksetzung kommt es jedoch, wenn eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung verbindet.850 In einem solchen Fall scheint zwar a prima vista die Arbeitsleistung bei der Zwecksetzung kumulativ neben die Betriebstreue zu treten, wenn die für die Steigerungsraten maßgeblichen Zeitintervalle den für das laufende Arbeitsentgelt maßgeblichen Vorleistungszeitraum im Sinne des § 614 S. 2 BGB übersteigen oder exponentielle Steigerungsraten vorgesehen sind. Da die Steigerungsraten nicht den Charakter einer Bedingung haben, ist die Entlohnung der Arbeitsleistung durch die Versorgungsleistung nicht zusätzlich von der in dem jeweiligen Zeitraum vollständig erbrachten Betriebstreue abhängig. Jedoch ist eine Auslegung als Versorgungszusage mit Mischcharakter nicht in jedem Falle zwingend. Kann nach der Kürzungsklausel die jeweilige zeitanteilige Steigerungsrate vollständig aufgezehrt werden,851 ist im Wege der mit hö848

Vgl. bereits oben zu Sonderzuwendungen § 3 B. III. 4. b) cc) (1). Dazu bereits oben § 3 A., S. 92 bei Fn. 465 ff. 850 Beispiel: Jeder Arbeitnehmer erhält mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und Eintritt in den Ruhestand eine monatliche Rente. Deren Höhe beträgt x Euro brutto sowie für jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit weitere y Euro brutto. Der auf jeweils ein Jahr der Betriebszugehörigkeit entfallende Betrag vermindert sich für jeden Tag, an welchem in dem jeweiligen Jahr die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht wurde, um z Euro brutto, maximal jedoch um y Euro brutto. Das Arbeitsverhältnis braucht nicht bis zum Eintritt in den Ruhestand fortbestanden zu haben. 849

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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herrangigem Recht konformen Auslegung der Betriebsvereinbarung von einem reinen Arbeitsleistungsentgelt auszugehen. Bleibt nämlich wegen des für die Entlohnung von Arbeitsleistung uneingeschränkt geltenden Teilleistungsprinzips die fehlende Betriebstreue unbeachtlich, lassen Steigerungszeiträume, die über den für das laufende Arbeitsentgelt maßgeblichen Vorleistungszeitraum des § 614 S. 2 BGB hinausgehen, oder eine exponentielle Steigerung keinen Schluß mehr auf eine neben die Arbeitsleistung tretende Entlohnung der Betriebstreue bei der Zwecksetzung zu. Die Betriebstreue tritt dann durch die ausdrückliche Inbezugnahme der Arbeitsleistung in der Kürzungsklausel auf die Ebene des Motivs beziehungsweise der Geschäftsgrundlage zurück. Einem Verständnis als reines Arbeitsleistungsentgelt steht auch § 614 S. 2 BGB nicht entgegen, wonach nach Zeitabschnitten bemessenes Arbeitsleistungsentgelt nach Ablauf der jeweiligen Zeitabschnitte zu entrichten ist. Für die betriebliche Altersversorgung umfaßt der Vorleistungszeitraum des Arbeitnehmers ohnehin die gesamte Zeitspanne bis zum Eintritt des Versorgungsfalles, so daß die jeweiligen Zeitabschnitte hier nicht den Umfang der Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers, sondern ausschließlich die Relation der auszutauschenden Leistungen betreffen. Davon abgesehen, können für unterschiedliche Bestandteile des Arbeitsleistungsentgeltes auch ohne weiteres unterschiedliche Bemessungszeiträume zugrunde gelegt werden. Wird das laufende Grundgehalt eines Arbeitnehmers etwa monatlich berechnet, schließt dies bei einer zusätzlichen arbeitsleistungsbezogenen betrieblichen Altersversorgung Steigerungsraten im Abstand mehrerer Jahre nicht zwingend aus. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Versorgungszusage ohne Verfallklausel dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung verbindet. Die Versorgungszusage entlohnt dann den Mehrwert der Arbeitsleistung langjähriger Mitarbeiter unmittelbar durch Arbeitsleistungsentgelt, ohne den Umweg über die Betriebstreue zu gehen. Etwas anderes kann sich nur ergeben, wenn die Betriebsvereinbarung konkrete Anhaltspunkte dafür bietet. Der bloße subjektive Wille der Betriebspartner ist insoweit nicht hinreichend.852 Entstehende Schwierigkeiten bei der Berechnung der insolvenzgesicherten Anwartschaft sind in einem solchen Falle als dem in der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen geschuldet hinzunehmen. Eine solche Klauselgestaltung knüpft daher ausschließlich an die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers an, wenn die Kürzungsregelung eine völlige Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate zuläßt. Lediglich wenn die Kürzungsmöglichkeit nicht zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate führt, tritt die Betriebstreue als relevante 851 Die Beschränkungen des § 4a S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz gelten nicht für die betriebliche Altersversorgung, vgl. oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3), S. 131 ff. 852 Dazu bereits oben § 3 A., S. 92 bei Fn. 465 ff.

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Arbeitnehmerleistung neben die Arbeitsleistung. Der nach voller Kürzungsmöglichkeit verbleibende Teil der Arbeitgeberleistung knüpft dann an die Betriebstreue an, während der kürzbare Teil an die Arbeitsleistung anknüpft. Eine Abhängigkeit der einzelnen Leistungsvoraussetzungen untereinander besteht mangels Verfallbedingung nicht. Festzuhalten bleibt, daß Versorgungszusagen ohne Verfallklausel grundsätzlich an die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anknüpfen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn diese Versorgungszusagen durch dienstzeitabhängige Steigerungsklauseln einen Bezug zur Betriebstreue aufweisen. Gehen die für die Steigerungsraten maßgeblichen Zeiträume über den für das laufende Arbeitsentgelt maßgeblichen Vorleistungszeitraum gemäß § 614 S. 2 BGB hinaus oder sehen sie eine exponentielle Steigerung vor, so liegt regelmäßig ein reines Betriebstreueentgelt vor. Die Arbeitsleistung tritt mangels vorgesehener Kürzungsmöglichkeit der Versorgungsleistung für Zeiten ohne Arbeitsleistung auf die Ebene der Geschäftsgrundlage beziehungsweise des Motivs zurück. Sieht die Versorgungszusage zusätzlich eine ausdrückliche Kürzungsmöglichkeit für Zeiten ohne Arbeitsleistung vor, knüpft sie hingegen ausschließlich an die Arbeitsleistung an und entlohnt direkt den Mehrwert, den die Arbeitsleistung langjähriger Mitarbeiter für den Arbeitgeber regelmäßig hat, wenn die Kürzungsklausel die vollständige Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate zuläßt. Anderenfalls ist von einem zulässigen Mischcharakter auszugehen. 6. Zusagen mit Verfallklausel und Ausschluß der anwartschaftserhöhenden Berücksichtigung von Zeiten ohne Arbeitsleistung Typologisch zwischen den Zusagen mit Verfallklausel und den rein arbeitsleistungsbezogenen Zusagen ohne Verfallklausel stehen solche, die eine Verfallklausel mit einem Ausschluß der anwartschaftserhöhenden Berücksichtigung von Zeiten der Nichtbeschäftigung verbinden. Eine solche Zusage hebt die strikte dogmatische Trennung zwischen Betriebstreue und Arbeitsleistung auf, da explizit nur solche Zeiten der Betriebstreue sich anwartschaftserhöhend auswirken, in denen der Arbeitnehmer gearbeitet hat. Auf den Lauf der Unverfallbarkeitsfristen gemäß § 1b BetrAVG hat die fehlende Arbeitsleistung keinen Einfluß.853 Denn solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht, ist der Arbeitnehmer 853 BAG, Urteil vom 15.02.1994 – 3 AZR 708/93 –, AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Bl. 2 für Erziehungsurlaub; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der BetrAV, Teil 10 A, Rz. 738; Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 2 Rz. 70 f.; Doetsch, DB 1992, 1239 (1240 f.); Erman11 /Edenfeld, § 611 BGB Rz. 79; MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 107 Rz. 33 i.V. m. Rz. 23; R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2854, 2856 ff.; Hoppach, DB 1994, 1672 (1672, 1676 f.); Oster, BetrAV 1992, 246 (247); Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 106.

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betriebszugehörig im Sinne des Betriebsrentengesetzes, auch wenn er keine Arbeitsleistung erbringt.854 Jenseits der Frage der Verfallbarkeit, beim Verbleiben des Arbeitnehmers im Betrieb wirkt eine solche Klauselgestaltung sich jedoch unmittelbar auf die Höhe der Anwartschaft aus. Bei der Berechnung der insolvenzgeschützten Anwartschaft kommt es – wie schon bei den Versorgungszusagen ohne Verfallklausel855 – zu Friktionen, da nach dem Wortlaut der §§ 7 II 3, 2 I BetrAVG Zeiten der Betriebstreue ohne Arbeitsleistung anwartschaftserhöhend zu berücksichtigen sind. Eine solche Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue bei der Zwecksetzung erweist sich jedoch vor dem Hintergrund des aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgenden Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts856 und des aus § 2 I BetrAVG folgenden Verbots arbeitsleistungsbezogener Kürzungsklauseln bei Versorgungszusagen mit Verfallbedingung857 als unwirksam, da die Entlohnung der Arbeitsleistung durch die Versorgungsleistung zusätzlich von einer bestimmten Betriebstreue abhängig gemacht würde. Dies ist bei einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Zusage bei deren Rechtskontrolle zu berücksichtigen, welche jedenfalls anhand des zwingenden Rechts zu erfolgen hat.858 Eine mit höherrangigem Recht konforme Auslegung als reines Entgelt für Arbeitsleistung ist, im Gegensatz zu den Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche bei dienstzeitabhängigen Steigerungsraten nur Zeiten erbrachter Arbeitsleistung berücksichtigen, nicht möglich. Denn die Verfallklausel stellt wegen des mit ihr verbundenen Ausschlusses des Teilleistungsprinzips eine unüberwindbare Bedingung im Sinne des § 158 I BGB dar. Fraglich jedoch ist, ob die unwirksame Kumulation von Arbeitsleistung und Betriebstreue als Anspruchsvoraussetzungen auch gemäß oder jedenfalls entsprechend § 139 BGB die Nichtigkeit der gesamten Betriebsvereinbarung zur Folge hat, so daß den Arbeitnehmern unmittelbar aus der Betriebsvereinbarung keine Anwartschaften und Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung erwachsen könnten und somit auch jeder Vorleistungsschutz gegenüber verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen leerliefe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes führt die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich nicht zu deren Gesamtnichtigkeit. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der verbleibende Teil der Regelung ohne den unwirksamen Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung 854

Vgl. S. 111 Fn. 590. Dazu bereits oben § 3 B. III. 5. b), S. 152 f. 856 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (2), S. 121 ff. 857 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 f. bei Fn. 808–820. 858 Letzteres ist allgemein anerkannt, vgl. nur GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 291 m.w. N. 855

160 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

mehr darstellt.859 Dies folgt aus der ordnenden Funktion des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen. Im Interesse der Kontinuität und Rechtsbeständigkeit ist – wie bei Gesetzen und Tarifverträgen – eine einmal gesetzte Ordnung solange aufrechtzuerhalten, wie diese auch ohne den unwirksamen Teil ihrer ordnenden Funktion gerecht werden kann.860 Auf den mutmaßlichen Willen der Betriebspartner, wonach sie bei Kenntnis von der Unwirksamkeit der Gestaltung die aufrechterhaltene Regelung getroffen hätten, kommt es daher regelmäßig nicht an.861 Für die hier untersuchte Klauselgestaltung bereitet es jedoch bereits Schwierigkeiten, den wegen Verstoßes gegen die Wertung der §§ 612 I, 628 I BGB unwirksamen Teil zu bestimmen. Denn es ist lediglich eine Frage der Betrachtungsweise, ob man die Verfallbestimmung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Betrieb als unwirksam und die Anrechnungsregelung für Fehlzeiten als wirksam ansieht oder aber die Verfallbestimmung als wirksam und die Anrechnungsklausel als unwirksam. Im erstgenannten Fall verbliebe ein reines Entgelt für Betriebstreue als Regelungsgegenstand, im letztgenannten ein reines Entgelt für Arbeitsleistung. Insoweit ist eine normative Auslegung dahingehend geboten, wo der Schwerpunkt der Regelung liegt, welche ursprünglich eine Entlohnung sowohl von Arbeitsleistung als auch von Betriebstreue intendiert hat. Liegen – wie regelmäßig – keine in der Betriebsvereinbarung zutage getretenen Anhaltspunkte für eine abweichende Wertung der Betriebspartner vor, erweist sich letztlich die durch die Verfallklausel indizierte Entlohnung von Betriebstreue als dominierend. Eine Zusage betrieblicher Altersversorgung erstreckt sich von ihrem Regelungsgegenstand her naturgemäß über lange Zeiträume. Damit tritt die intendierte Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb in den Vorder859 BAG, Beschluß vom 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 –, NZA 2005, 227 (233); BAG, Urteil vom 21.10.2003 – 1 AZR 407/02 –, AP Nr. 163 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 –, NZA 2004, 507 (509); BAG, Beschluß vom 21.01.2003 – 1 ABR 9/02 –, NZA 2003, 1097 (1101); BAG, Beschluß vom 25.01.2000 – 1 ABR 1/99 –, AP Nr. 137 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4; BAG, Urteil vom 12.10.1994 – 7 AZR 398/93 –, AP Nr. 66 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 18.12.1990 – 1 ABR 11/90 –, AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, Bl. 7R. Zustimmend DKK/Berg, BetrVG10, § 77 Rz. 57; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 61; GK-BetrVG8 /Oetker, § 112 Rz. 285; je m.w. N. 860 BAG, Beschluß vom 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 –, NZA 2005, 227 (233); BAG, Beschluß vom 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 –, NZA 2004, 507 (509); BAG, Beschluß vom 21.01.2003 – 1 ABR 9/02 –, NZA 2003, 1097 (1101); vgl. auch bereits BAG, Urteil vom 12.10.1994 – 7 AZR 398/93 –, AP Nr. 66 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, Bl. 3; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 61. 861 BAG, Beschluß vom 22.07.2003 – 1 ABR 28/02 –, NZA 2004, 507 (509); BAG, Beschluß vom 21.01.2003 – 1 ABR 9/02 –, NZA 2003, 1097 (1101); GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 Rz. 61. Anders für die Frage der Aufrechterhaltung des schuldrechtlichen Teils einer Betriebsvereinbarung, der sich auf eine unwirksame normative Regelung bezieht, BAG, Beschluß vom 21.01.2003 – 1 ABR 9/02 –, NZA 2003, 1097 (1101).

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grund, während die in diesem Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung mit zunehmendem Zeitablauf in den Bereich der Motivation zurücktritt, zumal die Arbeitsleistung überwiegend durch das laufend gezahlte Arbeitsentgelt entlohnt wird. Dem dominierenden Charakter der betrieblichen Altersversorgung als Entgelt für Betriebstreue hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gemäß § 2 I 1 BetrAVG und bei der Berechnung der insolvenzgeschützten Anwartschaft gemäß den §§ 7 II 3, 2 I 1 BetrAVG allein auf das Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeitspanne vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung862 abgestellt hat. Vor dem Hintergrund dieses gesetzlichen Leitbildes der Betriebstreue ist regelmäßig vom Überwiegen des Betriebstreuezwecks und damit von der Unwirksamkeit der Anrechnungsregelung für Fehlzeiten, nicht aber der Verfallklausel auszugehen. Die damit verbleibende Regelung einer betrieblichen Altersversorgung mit Verfallklausel erweist sich auch als sinnvolle und in sich abgeschlossene Regelung, die ohne die Anrechnungsregelung für Fehlzeiten ihrer ordnenden Funktion gerecht werden kann. Sie ist daher aufrechtzuerhalten. Gegen eine solche teilweise Aufrechterhaltung einer unwirksamen Versorgungszusage mit Mischcharakter als Versorgungszusage, welche ausschließlich die Betriebstreue entlohnt, spricht regelmäßig auch nicht die mittelbare Ausweitung des Dotierungsrahmens der Zusage, zu welcher das Fortfallen der Anrechnungsregelung für Fehlzeiten führt. Hierbei handelt es sich um einen bloßen Rechtsreflex, der nach der – im Ergebnis zutreffenden – Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bei teilnichtigen Betriebsvereinbarungen solange hinzunehmen ist, wie die Mehrbelastung des Arbeitgebers im Verhältnis zum bisherigen Gesamtvolumen nicht ins Gewicht fällt.863 Für eine solche mittelbare Ausweitung des Dotierungsrahmens sprechen Sinn und Zweck der durch die hier untersuchte Klauselgestaltung verletzten Wertung der §§ 612 I, 628 I BGB und des § 2 I BetrAVG, den Vergütungsanspruch des vorleistenden Arbeitnehmers sicherzustellen. Die §§ 612 I, 628 I BGB bezwecken zwar lediglich den Schutz des Arbeitsleistungsentgelts und lassen gerade das Entgelt für Betriebstreue un862 So die seit dem 01.01.2008 geltende Regelung. An die Stelle des Erreichens der Regelaltersgrenze tritt aber dann ein früherer Zeitpunkt, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist, spätestens aber der Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer ausscheidet und gleichzeitig eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nimmt. Vgl. § 2 I 1 BetrAVG in der Fassung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBl. I, S. 554. 863 Für Sozialplan BAG, Urteil vom 21.10.2003 – 1 AZR 407/02 –, AP Nr. 163 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 12.11.2002 – 1 AZR 58/02 –, AP Nr. 159 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4; BAG, Urteil vom 26.06.1990 – 1 AZR 263/88 –, AP Nr. 56 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4; BAG, Urteil vom 17.02.1981 – 1 AZR 290/ 78 –, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5.

162 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

berührt. Dennoch wäre es widersprüchlich, eine Entgeltregelung mit Mischcharakter wegen der Wertung der §§ 612 I BGB, 628 I BGB insgesamt für unwirksam zu erklären und dabei die im Hinblick auf die bei isolierter Betrachtung unproblematische Entlohnung der Betriebstreue erbrachte Vorleistung der Arbeitnehmer gänzlich zu entwerten. § 2 I 1 BetrAVG, welcher das Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Betriebstreue sicherstellen soll, läßt demgegenüber arbeitsleistungsbezogene Kürzungsklauseln bei Versorgungszusagen mit Verfallbedingung nicht zu. Bei Nichtigkeit der gesamten Versorgungszusage wegen Verstoßes gegen die Wertung der §§ 612 I, 628 I BGB und des § 2 I BetrAVG wären die Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer im Vertrauen auf deren Wirksamkeit erbrachten Betriebstreue schutzlos gestellt. Eine Umdeutung der nichtigen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage864 scheiterte bereits daran, daß diese ebenfalls gegen die Wertung der §§ 612 I, 628 I BGB und gegen § 2 I BetrAVG verstieße und daher nichtig wäre. Einem individualrechtlichen Vertrauensschutz – etwa auf Grundlage der Canarisschen Erwirkungslehre865 – stünde entgegen, daß ein Vertrauen in rechtswidrige Regelungen grundsätzlich nicht schutzwürdig wäre. Ein Bereicherungsausgleich über die allenfalls in Betracht kommende condictio ob rem wäre bereits deshalb ausgeschlossen, weil ein solcher für eine zur Bedingung erhobene Leistung wie die der Betriebstreue von vornherein ausschiede.866 Damit verbleibt aber allein die Möglichkeit einer teilweisen Aufrechterhaltung der inkriminierten Regelung unter Inkaufnahme einer mittelbaren Ausweitung des Dotierungsrahmens zum Nachteil des Arbeitgebers, um dem Schutzzweck der §§ 612 I, 628 I BGB und des § 2 I BetrAVG zu genügen. Grenze einer solchen Ausweitung ist jedoch in jedem Fall die Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage.867 Damit hängt es letztlich von der konkreten Mehrbelastung des Arbeitgebers durch den Fortfall der Anrechnungsklausel für Fehlzeiten ab, ob die Regelung im übrigen aufrechterhalten werden kann oder nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat für Sozialpläne in neuerer Zeit eine Ausweitung des Dotierungsrahmens um 1,7% unbeanstandet gelassen.868 Die kritische Grenze dürfte sogar etwas höher zu bemessen sein. Jedoch kann deren genaue 864 Dazu BAG, Urteil vom 23.08.1989 – 5 AZR 391/88 –, AP Nr. 42 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 24.01.1996 – 1 AZR 597/95 –, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3; BAG, Urteil vom 05.03.1997 – 4 AZR 532/ 95 –, AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5; BAG, Urteil vom 21.10.1998 – 10 AZR 770/97 –, AP Nr. 11 zu § 140 BGB, Bl. 2. 865 Dazu auch im Zusammenhang mit der Frage des individualrechtlichen Kerns der Betriebsvereinbarung sogleich unten § 4 D. II., S. 217 f. 866 Vgl. oben S. 118 Fn. 640. 867 Für Sozialplan ebenso ErfK7 /Kania, §§ 112, 112a BetrVG Rz. 47. 868 BAG, Urteil vom 21.10.2003 – 1 AZR 407/02 –, AP Nr. 163 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R.

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Bestimmung hier dahinstehen, da der Arbeitgeber bei einer Anrechnungsklausel für Fehlzeiten ohnehin damit rechnen muß, daß diese in geringerem Umfang als vorhergesehen oder auch gar nicht anfallen. Der Fortfall der Anrechnungsklausel führt daher lediglich dazu, daß der Dotierungsrahmen auf das maximale Maß dessen, was der Arbeitgeber bei fortbestehender Anrechnungsklausel ohnehin zu leisten verpflichtet wäre, ausgedehnt wird. Regelmäßig dürfte daher der Wegfall einer Anrechnungsklausel für Fehlzeiten die Grenzen der Geschäftsgrundlage nicht berühren. Festzuhalten bleibt, daß Versorgungszusagen, die eine Verfallklausel mit einem Ausschluß der anwartschaftserhöhenden Berücksichtigung von Zeiten der Nichtbeschäftigung verbinden, wegen Verstoßes gegen das aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgende Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts und gegen das aus § 2 I BetrAVG folgende Verbot arbeitsleistungsbezogener Kürzungsklauseln bei Zusagen mit Verfallbedingung teilweise unwirksam sind. Regelmäßig ist wegen des überwiegenden Betriebstreuezwecks die Anrechnungsklausel für Fehlzeiten unwirksam, während der Rest der Regelung jedenfalls zum Schutz erbrachter Vorleistungen der Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten ist. Dies gilt zumindest solange, wie die mit dem Fortfall der Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verbundene Ausweitung des Dotierungsrahmens nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage führt. Die verbleibende Regelung entlohnt allein die Betriebstreue des Arbeitnehmers. 7. Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten Die bisher erörterten Gestaltungsformen von Versorgungszusagen können jeweils mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten kombiniert werden. Fraglich ist, ob insoweit auch die zugrundegelegte Arbeitnehmerleistung charakterisiert wird. Dabei ist zu differenzieren zwischen solchen Zusagen, welche die Höhe der zugesagten Versorgungsleistung an einen Lebenshaltungskostenindex oder an den Lohn einer bestimmten Tarifgruppe binden, und solchen, die auf das vor Eintritt des Versorgungsfalles zuletzt erreichte Endgehalt abstellen. a) Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex oder an das Tarifgehalt einer bestimmten Lohngruppe Die Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex oder den Lohn einer bestimmten Tariflohngruppe869 bestimmt lediglich den Umfang der Arbeitgeberleistung, welche damit dynamisiert wird. Ihr läßt sich keine Aussage über die vorausgesetzte Arbeitnehmerleistung entnehmen. Insoweit hängt die Bestimmung der vorausgesetzten Arbeitnehmerleistung von der weiteren Ausgestaltung 869

Zur Zulässigkeit solcher Klauseln vgl. oben S. 102 bei und in Fn. 535.

164 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

der Versorgungszusage ab, so daß auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden kann. b) Bindung an das zuletzt erreichte Gehalt Die Bezugnahme auf das zuletzt erreichte Gehalt des Arbeitnehmers hat zunächst einmal dieselbe Wirkung wie die Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex, an den Lohn einer bestimmten Tariflohngruppe oder die Preise bestimmter Waren, etwa Getreide870 oder Gold.871 Sie wirkt sich auf der Rechtsfolgenseite der Vereinbarung aus, indem sie die Höhe der Gegenleistung des Arbeitgebers bestimmt. Dennoch griffe es zu kurz, die Wirkung einer solchen Klausel auf die Arbeitgeberleistung zu beschränken.872 Die Abhängigkeit der Höhe der zugesagten Versorgungsleistung vom jeweiligen Endgehalt des Arbeitnehmers weist einen entscheidenden Unterschied zu der Bindung an einen Index oder an das Tarifgehalt einer bestimmten Lohngruppe auf. Das Abstellen auf das zukünftige Endgehalt setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht.873 Je länger das Arbeitsverhältnis fortbesteht, desto länger kann der Arbeitnehmer von einer positiven Entwicklung seines laufenden Arbeitsleistungsentgelts auch bei der betrieblichen Altersversorgung profitieren, da § 2 V 1 BetrAVG bei mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmern diese Bemessungsgrundlage auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festschreibt.874 Damit geht ein das gesamte Berufsleben des Arbeitnehmers umfassender Bindungsanreiz für den Arbeitnehmer einher, 870 So das Beispiel bei Griebeling, NZA 1989, Beilage 3, 26 (33); bei demselben, Anm. EWiR § 1 BetrAVG 1/86, S. 229 (230). 871 So das Beispiel von Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 135 f. 872 So aber die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Grundlegend BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4: Zweck sei nicht die Vergütung der fortdauernden Betriebstreue, sondern allein die flexible Erfassung des Versorgungsbedarfes. Aus neuerer Zeit BAG, Urteil vom 10.09.2002 – 3 AZR 635/01 –, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8/8R: Bei der sogenannten erdienten Dynamik habe der Arbeitnehmer darauf vertraut, daß sich das in einem bestimmten Zeitraum bereits Erdiente ohne zusätzliche Gegenleistung weiterentwickeln werde. Er könne aufgrund der ursprünglichen Versorgungszusage und der bislang zurückgelegten Beschäftigungszeit darauf vertrauen, daß das einmal Erdiente bei seinem Ausscheiden in einem bestimmten Verhältnis zu dem dann aufgrund des aktuellen Verdienstes erreichten Lebensstandard stehe. Im Ergebnis ebenso etwa Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 103, 108; Strick, Anm. ZIP 2000, 855 (858); differenzierend Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 131 f.; P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79 f.). 873 Ähnlich Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 138 („Verbleib im Betrieb“). Für der individuellen beruflichen Weiterentwicklung des Arbeitnehmers geschuldete Entgeltsteigerungen auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 131; P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79). 874 Zur Wirkung des § 2 V BetrAVG Blomeyer, RdA 1986, 69 (81).

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der die Entlohnung von Betriebstreue indiziert.875 Dieser Bindungsanreiz unterscheidet sich jedoch von dem Bindungsanreiz bei dienstzeitabhängigen Steigerungsraten, da einerseits auch Senkungen der laufenden Vergütung anwartschaftsmindernd zu berücksichtigen sind,876 andererseits sich aber Gehaltssteigerungen unabhängig von ihrer Ursache und ihrem Umfang877 anwartschaftserhöhend auswirken. Insbesondere auch solche Gehaltssteigerungen, welche der individuellen beruflichen Weiterentwicklung des Arbeitnehmers im Unternehmen geschuldet sind, wirken sich anwartschaftssteigernd aus.878 Damit wird offenbar, daß weitere Veränderungen des Endgehaltes nicht nur vom Verbleiben des Arbeitnehmers im Betrieb, sondern auch von seinen weiteren Leistungen abhängen.879 Der damit hergestellte Bezug zur Arbeitsleistung ist jedoch kein unmittelbarer.880 Insoweit gewinnt die Unterscheidung zwischen Grund- und Erfüllungsverhältnis an Relevanz.881 Die weitere Entwicklung des Endgehalts ist von der Weiterentwicklung des Grundverhältnisses, also des Arbeitsverhältnisses selbst, durch Änderungen des Arbeitsvertrages und durch einwirkende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen abhängig. Nur die Betriebstreue knüpft unmittelbar an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, während die Arbeitsleistung lediglich seiner Erfüllung dient. Eine produktive Arbeitsleistung mag individualvertragliche Gehaltserhöhungen und Beförderungen des Arbeitnehmers nach sich ziehen. Diese setzen jedoch immer eine Veränderung im Grundverhältnis durch Änderung des Arbeitsvertrages oder normative Einwirkung auf das Arbeitsverhältnis voraus. Die mit letzterem angesprochenen Tariflohnerhöhungen und Entgeltbetriebsvereinbarungen sind wegen ihres abstrakt-generellen Charakters ohnehin nicht Folge der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitneh875 Im Ergebnis ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 140. 876 Zu letzterem P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79); Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 134 f. 877 Es sei denn, man begrenzt den möglichen Zuwachs auf einen bestimmten Betrag. 878 P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79); Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 138; Schumann, ZIP 1987, 137 (146). So jetzt auch BAG, Urteil vom 10.09.2002 – 3 AZR 635/01 –, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8. 879 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 138, der hieraus – im Ergebnis zu Recht, jedoch ohne nähere Begründung – keine Konsequenzen für die Art der entlohnten Arbeitnehmerleistung ableitet, sondern von reinem Betriebstreueentgelt ausgeht (S. 140). 880 Anders wohl Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (15 f.), der insoweit eine Relation zur Arbeitsleistung konzediert, aber im Ergebnis, mit Rücksicht auf die Konzeption des Betriebsrentengesetzes, dennoch von reinem Betriebstreueentgelt ausgeht (S. 16). Vgl. auch Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 103, der insoweit von einer Ausrichtung an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers spricht, diese aber ausschließlich für die Charakterisierung der Arbeitgeberleistung heranzieht. 881 Zur Unterscheidung von Grund- und Erfüllungsverhältnis bereits oben § 3 B. III. 2. b), S. 107 bei Fn. 561.

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mers. Damit aber bezieht sich eine endgehaltsabhängige Versorgungszusage unmittelbar allein auf die Betriebstreue, nicht aber auf die Arbeitsleistung. Dem steht auch nicht entgegen, daß das in Bezug genommene Endgehalt die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in dem für seine Bemessung maßgeblichen Zeitraum entlohnt. Denn die Versorgungszusage soll ersichtlich nicht die Arbeitsleistung in diesem engen Bezugszeitraum entlohnen.882 Erst recht verbietet sich der Schluß von dem in Bezug genommenen Endgehalt auf eine Entlohnung der gesamten Arbeitsleistung bis zum Eintritt in den Ruhestand. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das in Bezug genommene Endgehalt unmittelbares Ergebnis der gesamten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Betrieb wäre. Dies kann aber wegen der von der individuellen Arbeitsleistung unabhängigen, externen Einflüsse auf das Arbeitsverhältnis in Gestalt von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sowie wegen der Abhängigkeit individualvertraglicher Entgelterhöhungen vom Einverständnis des Arbeitgebers nicht angenommen werden. Endgehaltsbezogene Zusagen knüpfen daher ausschließlich an die Betriebstreue des Arbeitnehmers an. Der Bezug zur Arbeitsleistung bleibt ein lediglich mittelbarer, der diese auf die Ebene des Motivs beziehungsweise der Geschäftsgrundlage verweist. Die Anknüpfung an die Betriebstreue des Arbeitnehmers bis zum für die Berechnung des Endgehalts maßgeblichen Zeitpunkt kann auch nicht mit der Behauptung geleugnet werden, die Berücksichtigung zukünftiger Einkommenssteigerungen eines aktiven Arbeitnehmers dienten regelmäßig nicht der Entlohnung seiner fortdauernden Betriebstreue, sondern lediglich der Anpassung der Versorgungsanwartschaft an den allgemeinen Lebensstandard.883 Veränderungen des individuellen Arbeitsentgelts können zwar auch der Anpassung an den allgemeinen Lebensstandard geschuldet sein. Sie sind dies jedoch nur insoweit, als das individuelle Arbeitsentgelt Veränderungen des allgemeinen Lebensstandards 882 Gleichwohl haben solche Klauselgestaltungen zur Konsequenz, daß sich Zeiten ohne Arbeitsleistung in dem in Bezug genommenen Zeitraum anwartschaftsmindernd auswirken können, soweit sie das in Bezug genommene Endgehalt verändern. Letzteres ist etwa der Fall, wenn die Versorgungszusage das laufende Gehalt des Arbeitnehmers im letzten Monat vor dessen Eintritt in den Ruhestand in Bezug nimmt, dieser aber in diesem Zeitraum aufgrund den Entgeltfortzahlungszeitraum übersteigender Arbeitsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt gar kein Gehalt mehr bezieht, oder wenn sich der Arbeitnehmer im rechtmäßigen Streik befindet beziehungsweise rechtmäßig ausgesperrt ist. In solchen Fällen ist die Anwartschaftskürzung nicht vom erkennbaren Zweck der Versorgungszusage umfaßt, die gesamte vorangegangene Leistung des Arbeitnehmers während seiner Betriebszugehörigkeit zu vergüten. Daher ist von einer verdeckten Lücke in der Versorgungszusage auszugehen, die durch ein Abstellen auf das Gehalt, das der Arbeitnehmer bei erbrachter Arbeitsleistung erhalten hätte, zu schließen ist. 883 So aber in bezug auf die Betriebstreue BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4. Differenzierend Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 131 f.; P. Hanau/ Preis, RdA 1988, 65 (79 f.).

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nachvollzieht.884 Dies kann selbst bei einem tariflichen Arbeitsentgelt nicht ohne weiteres unterstellt werden, da Tariflohnerhöhungen nicht allein dem Inflationsausgleich und der Anbindung der Arbeitnehmer an die Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards dienen, sondern beispielsweise auch durch die Teilhabe an Produktivitäts- und Gewinnsteigerungen der tarifgebundenen Unternehmen begründet sein können. Insoweit kommt eine Vielzahl von Motivationen der Tarifvertragsparteien in Betracht. Nicht vorhersehbare, zukünftige Veränderungen des Arbeitsverhältnisses können gleichfalls zu erheblichen Gehaltsveränderungen führen, insbesondere infolge einer Beförderung885 oder durch einen Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeitarbeit. Wer dem begegnen wollte, indem er solche Veränderungen des Endgehaltes, welche der Anpassung an den allgemeinen Lebensstandard geschuldet sind, aus dem Betriebstreuebezug ausgrenzte und diese bereits durch das Erbringen der anderweitig in der Versorgungszusage vorausgesetzten Arbeitnehmerleistung als zeitanteilig erdient ansähe,886 setzte sich der Schwierigkeit aus, daß die Versorgungszusage eine solche Differenzierung gerade nicht enthält.887 Darüber hinaus dürfte eine solche Differenzierung praktisch auch kaum durchführbar sein.888 Bereits bei einer tariflichen Entlohnung müßten die Motive der Tarifvertragsparteien für eine Veränderung, insbesondere für eine Steigerung des Tariflohns ermittelt und betragsmäßig quantifiziert werden. Diese Schwierigkeiten potenzieren sich, wenn der Arbeitnehmer nicht nach einer bestimmten (in der Regel tariflichen) Gehaltsgruppe, sondern auf abweichender individualvertraglicher Grundlage entlohnt wird.889 Die Arbeitsvertragsparteien differenzieren regelmäßig nicht zwischen den Anlässen für eine Erhöhung des Arbeitsentgelts. Entscheidend aber ist, daß auch die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen des allgemeinen Lebensstandards bei einer endgehaltsabhängigen Versorgungszusage immer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Die Zusage knüpft damit sinnfällig an die Betriebstreue des Arbeitnehmers an, welche bis zum für die Berechnung des Endgehalts maßgeblichen Zeitpunkt noch zu erbringen ist. Dies gilt auch, wenn eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage keine Verfallklausel enthält. Die Kombination einer endgehaltsbezogenen Versorgungszusage mit einer Verfallklausel und/oder mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten verstärkt den Bindungsanreiz. Vor dem Hintergrund des aus den §§ 612 I, 884

Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 138. Vgl. die Kritik von Blomeyer, Anm. SAE 1986, 98 (100); Schumann, ZIP 1987, 137 (146). 886 So aber Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 131 f.; P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79 f.). 887 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 139. 888 Loritz, ZfA 1989, 1 (28). 889 Zu letzterem Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 139. 885

168 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

628 I BGB folgenden Verbots betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts erweist sich jedoch die Verbindung einer endgehaltsbezogenen Zusage mit Kürzungsklauseln für Zeiten ohne Arbeitsleistung als unwirksam, da die Höhe der Entlohnung der Arbeitsleistung von der Erbringung der vollen Betriebstreue bis zum für die Berechnung des Endgehalts maßgeblichen Zeitpunkt abhängig gemacht wird.890 Dies muß bereits deshalb gelten, weil § 612 I BGB durch § 612 II BGB ergänzt wird und der Schutzzweck des § 612 BGB daher auch die Höhe der Vergütung umfaßt.891 Hinzu tritt bei Zusagen mit Verfallklausel das aus § 2 I BetrAVG folgende Verbot arbeitsleistungsbezogener Kürzungsklauseln bei Zusagen mit Verfallbedingung. Dies hat zur Folge, daß im Ergebnis kein Unterschied zu der oben erörterten Problematik von Zusagen besteht, welche eine Verfallklausel mit einer Kürzungsklausel verbinden. Die Kürzungsregelung ist daher unwirksam, die Zusage ist als reine betriebstreuebezogene Zusage aufrechtzuerhalten. 8. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, daß die einer Versorgungszusage zugrunde gelegte Arbeitnehmerleistung maßgeblich durch die Existenz einer Verfallklausel bestimmt wird. Dienstzeitabhängige Steigerungsraten und Klauseln zur Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Anwartschaftshöhe können modifizierend hinzutreten. Zusagen mit Verfallklausel sind dahingehend auszulegen, daß allein die Betriebstreue die maßgebliche Arbeitnehmerleistung darstellt. Bei fehlender Verfallklausel ist hingegen im Zweifelsfall eine Anknüpfung allein an die Arbeitsleistung anzunehmen. Sieht die Zusage jedoch dienstzeitabhängige Steigerungsraten vor, spricht dies regelmäßig für die Entlohnung von Betriebstreue. Letzteres ist wiederum nicht anzunehmen, wenn eine Zusage ohne Verfallklausel dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit Kürzungsklauseln für Zeiten ohne Arbeitsleistung kombiniert. Dann knüpft die Zusage ausschließlich an die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers an, wenn die Kürzungsmöglichkeit zur vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate führen kann. Anderenfalls ist von einer Anknüpfung an Arbeitsleistung und Betriebstreue auszugehen, wobei keine Abhängigkeit der beiden Zwecke voneinander besteht. Versorgungszusagen, die eine Verfallklausel mit einem Ausschluß der anwartschaftserhöhenden Berücksichtigung von Zeiten der Nichtbeschäftigung verbinden, sind wegen Verstoßes gegen das aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgende Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts und gegen das aus § 2 I BetrAVG folgende Verbot arbeitsleistungsbezogener Kürzungsklauseln bei Zusagen mit Ver-

890 Dies gilt unabhängig davon, ob ein reines Arbeitsleistungsentgelt oder ein Entgelt mit Mischcharakter vorliegt. 891 Hierzu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (2), S. 126 bei Fn. 697, 699.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

169

fallbedingung teilweise unwirksam. Regelmäßig ist wegen des überwiegenden Betriebstreuezwecks die Anrechnungsklausel für Fehlzeiten unwirksam, während der Rest der Regelung jedenfalls zum Schutz erbrachter Vorleistungen der Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten ist. Dies gilt zumindest solange, wie die mit dem Fortfall der Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verbundene Ausweitung des Dotierungsrahmens nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage führt. Die verbleibende Regelung knüpft allein an die Betriebstreue des Arbeitnehmers an. Dienstzeitunabhängige Steigerungsraten, welche die Versorgungsleistung an einen Index oder an das Gehalt einer bestimmten Tariflohngruppe binden, bestimmen lediglich die Arbeitgeberleistung. Endgehaltsbezogene Versorgungszusagen schließlich knüpfen an die Betriebstreue des Arbeitnehmers an, welche bis zum für die Bemessung des Endgehalts maßgeblichen Zeitpunkt zu erbringen ist. Die Kombination mit arbeitsleistungsbezogenen Kürzungsklauseln ist insoweit nicht zulässig. Entsprechende Zusagen sind als rein betriebstreuebezogene Zusagen aufrechtzuerhalten. IV. Leistung des Arbeitgebers Die Bestimmung der Arbeitnehmerleistung hat bereits die für den Zweck dieser Untersuchung wesentlichen Erkenntnisse über die Leistung des Arbeitgebers erbracht. Sie seien hier noch einmal zusammengefaßt. Bei der Leistung des Arbeitgebers handelt es sich nicht um eine betagte Verbindlichkeit, denn die betriebliche Altersversorgung stellt kein aufgespartes Arbeitsentgelt dar.892 Die Arbeitgeberleistung ist – unabhängig vom Bestehen einer Verfallklausel – immer durch den Eintritt des Versorgungsfalles bedingt. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Versorgungsleistungen entsteht mithin erst mit Eintritt des Versorgungsfalles.893 Die mit der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung verbundene wirtschaftliche Übernahme des Versorgungsrisikos durch den Arbeitgeber ist keine Leistung im schuldrechtlichen Sinne.894 Die Leistung des Arbeitgebers besteht allein in den zugesagten Versorgungsleistungen.895 Dies gilt auch für beitragsorientierte Leistungszusagen im Sinne von § 1 II Nr. 1 BetrAVG. Bei diesem Zusagetypus wird lediglich der Umfang der Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers im Versorgungsfall durch bestimmte umzuwandelnde Beiträge festgelegt.896 Die Leistung des Arbeitgebers kann auch durch Aufnahme dienstzeitunabhängiger Steigerungsraten dynamisiert werden, etwa durch Bezugnahme auf das im Zeitpunkt des Versorgungsfalles zuletzt gezahlte 892

Hierzu Hierzu Fn. 770. 894 Hierzu 895 Hierzu 896 Hierzu 893

oben § 3 B. III. 4. a), S. 116 bei Fn. 620 ff. etwa oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3), S. 135 vor Fn. 750, S. 138 nach oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3), S. 136 bei Fn. 756. oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3), S. 137 bei Fn. 766. oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3), S. 137 bei Fn. 768.

170 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Arbeitsentgelt oder durch die Bindung an die Entwicklung des Gehaltes einer bestimmten Tariflohngruppe.897 V. Verknüpfung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung Sind nunmehr für die typischen Versorgungszusagen die maßgeblichen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistungen ermittelt, stellt sich die Frage ihrer Verknüpfung miteinander. Nur bei Vorliegen einer solchen Verknüpfung kann Entgeltlichkeit angenommen werden. Hierzu sind zunächst – 1. – die Möglichkeiten einer entgeltlichen Verknüpfung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung in der Versorgungszusage zu ermitteln. Sodann – 2. – ist unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz auf den Umstand einzugehen, daß die Arbeitgeberleistung – a) – von Eintritt und Dauer des Versorgungsfalles abhängig ist und – b) – der Versorgung des Arbeitnehmers im Versorgungsfall zu dienen bestimmt ist. Unter Vorgabe dieser Prämissen sind schließlich – 3. bis 6. – die ermittelten typischen Klauselgestaltungen auf die entgeltliche Verknüpfung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung hin zu untersuchen. 1. Typologie möglicher entgeltlicher Verknüpfungen Als Formen entgeltlicher Verknüpfung kommen das Synallagma mit beiderseitiger Leistungspflicht und die konditionale Verknüpfung mit einseitiger, bedingter Leistungspflicht in Betracht. Die kausale Verknüpfung mit einseitiger, unbedingter Leistungspflicht898 scheidet hingegen als mögliche entgeltliche Verknüpfung aus, da die Versorgungsleistung als Leistung des Arbeitgebers durch den Eintritt des Versorgungsfalls bedingt ist. Charakteristisch für das Synallagma899 ist die Verknüpfung zweier beiderseitiger Leistungspflichten900 in genetischer, funktioneller und konditioneller Hinsicht.901 Insbesondere das in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck kom-

897

Hierzu oben § 3 B. III. 7., S. 163 ff. Hierzu MK-BGB5 /Emmerich, vor § 320 BGB Rz. 11; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319. 899 Näher hierzu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (2), S. 124 bei Fn. 686 ff. 900 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (S. 17); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Einleitung Rz. 41; Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229 f.); MK-BGB5 /Emmerich, vor § 320 BGB Rz. 12; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 82; Soergel12 /H. Wiedemann, vor § 320 BGB Rz. 14. Anderer Ansicht Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (94 f.). 901 MK-BGB5 /Emmerich, vor § 320 BGB Rz. 9, 18–20; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II 2, S. 314; Soergel12 /H. Wiedemann, vor § 320 BGB Rz. 14. 898

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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mende Teilleistungsprinzip902 ist ein Spezifikum der so verstandenen synallagmatischen Leistungsverknüpfung.903 Bei einer konditionalen Verknüpfung wird eine Leistung unter der Bedingung einer nicht geschuldeten Gegenleistung versprochen.904 Es fehlt also am genetischen und funktionellen Synallagma.905 Das Teilleistungsprinzip ist deshalb nicht direkt anwendbar.906 Eine analoge Anwendung des Teilleistungsprinzips auf konditionale Verknüpfungen ist wegen der Nähe zum konditionellen Synallagma zwar nicht von vornherein ausgeschlossen,907 setzt aber voraus, daß keine Spezialregeln eingreifen.908 2. Abhängigkeit der Arbeitgeberleistung von Eintritt und Dauer des Versorgungsfalles a) Irrelevanz der Äquivalenz von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberleistung für das Vorliegen einer entgeltlichen Verknüpfung Unabhängig davon, ob die entlohnte Arbeitnehmerleistung in der Arbeitsleistung oder in der Betriebstreue besteht,909 gilt es, Zweifel910 an der Möglichkeit einer entgeltlichen Verknüpfung mit der betrieblichen Altersversorgung auszuräumen im Hinblick auf die Äquivalenz beider Leistungen. Die Gewährung der Arbeitgeberleistung ist vom Eintritt des Versorgungsfalles abhängig, bei der Hinterbliebenenversorgung vom Familienstand des Arbeitnehmers. Ihre Höhe ist von der Dauer des Versorgungsfalles abhängig. Daß im Zeitpunkt der Zusage 902 Hierzu BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 Ruhegehalt, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R; Becker, Sonderzuwendungen, S. 153 f.; Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 228). 903 Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 230); Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. 904 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III 1, S. 319; Soergel12 /H. Wiedemann, vor § 320 BGB Rz. 12. 905 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31. 906 Anderer Ansicht Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (95 f.). 907 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31; Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 83. Vor Inkrafttreten des BetrAVG auch BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2R. Im Ansatz nicht unzutreffende Gedankenführung auch bei Haymann, JherJB 56 (1910), 86 (94 f.). 908 Staudinger2004 /H. Otto, Vorbemerkungen zu §§ 320–326 BGB Rz. 31. Zur Abdingbarkeit des Teilleistungsprinzips bereits Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. 909 So zu Recht Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 44. 910 Mit Bezug nur auf die Arbeitsleistung BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4. Mit Bezug nur auf die Betriebstreue Lieb/Westhoff, DB 1976, 1958 (1964); Schulin, ZfA 1979, 139 (150); Schulin, Anm. SAE 1981, 17 (19); U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 183.

172 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

keine bestimmte Wertrelation zwischen beiden Leistungen festgestellt werden kann,911 ist für das Vorliegen einer entgeltlichen Verknüpfung jedoch unerheblich. Letztlich ist mit der objektiven, subjektiven oder auch nur funktionalen Äquivalenz912 ein – hier nicht interessierendes – Problem der materiellen Gerechtigkeitskontrolle angesprochen, das erst auftreten kann, wenn eine entgeltliche Verknüpfung beider Leistungen vorliegt. Dies muß um so mehr gelten, wenn man – mit guten Gründen – das (subjektive) Äquivalenzverhältnis unabhängig von der Leistung im schuldrechtlichen Sinne bestimmt und dabei auf den wirtschaftlichen Wert zurückgreift, welchen die mit der Versorgungszusage verbundene tatsächliche Übernahme des Versorgungsrisikos durch den Arbeitgeber verkörpert.913 b) Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung Mit dem zur Bedeutung der Äquivalenz Gesagten erübrigt sich auch der Hinweis, für die Bemessung der Versorgungsleistung seien Fürsorgegesichtspunkte maßgeblich und nicht die Leistung des Arbeitnehmers.914 Der damit angesprochene, auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes,915 des Bundesgerichtshofes916 und des Bundesverfassungsgerichtes917 betonte Versorgungscharakter der betrieblichen Altersversorgung bezeichnet lediglich den wirtschaftlichen Verwendungszweck der Zusage.918 Er steht einer entgeltlichen 911 So für die Betriebstreue Lieb/Westhoff, DB 1976, 1958 (1964); Schulin, ZfA 1979, 139 (150); Schulin, Anm. SAE 1981, 17 (19); U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 183. Unabhängig von der Art der Arbeitnehmerleistung auch Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 45 f. 912 Zum unterschiedlichen Verständnis von Äquivalenz Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 III, S. 319 ff. 913 Für letzteres Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 46, 49. Zum Wert der Versorgungszusage als solcher bereits Diederichsen, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 225 (S. 229). 914 So aber B. Höfer/Ahrend, DB 1972, 1824 (1825); Lieb/Westhoff, DB 1976, 1958 (1964); Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 116. 915 BAG, Urteil vom 12.02.1971 – 3 AZR 83/70 –, AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/ 71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4; BAG, Urteil vom 20.02.1975 – 3 AZR 514/73 –, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Urteil vom 03.11.1998 – 3 AZR 454/97 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG, Bl. 1R/2. 916 BGH, Urteil vom 28.09.1981 – II ZR 181/80 –, AP Nr. 12 zu § 7 BetrAVG, Bl. 2R; BGH, Urteil vom 24.11.1988 – IX ZR 210/87 –, AP Nr. 15 zu § 17 BetrAVG, Bl. 7R. 917 BVerfG, Urteil vom 19.10.1983 – 2 BvR 298/81 –, AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5/5R. 918 Keller, Die Bedeutung der Fürsorgepflicht im Recht des betrieblichen Ruhegeldes, S. 69 f.; Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (283); ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 5; Stief, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 50 f. Der Sache nach auch BAG, Urteil vom 28.01.1986 – 3 AZR 312/84 –, AP Nr. 18 zu § 59

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Verknüpfung nicht im Wege und kann daher für den weiteren Gang der Untersuchung außer Betracht bleiben. 3. Zusagen mit Verfallklausel Zusagen mit Verfallklausel entlohnen die durch die Verbleibebedingung in ihrem Umfang näher bestimmte Betriebstreue des Arbeitnehmers. Da der Arbeitnehmer aber zur Betriebstreue nicht verpflichtet ist,919 führt die Bedingung zur konditionalen Verknüpfung der Gesamtleistung der Betriebstreue mit der Altersversorgung außerhalb des Synallagmas.920 Das Teilleistungsprinzip ist damit nicht direkt anwendbar. Eine analoge Anwendung des Teilleistungsprinzips scheitert bei verfallbaren Anwartschaften vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer an der Existenz der Verfallklausel,921 weil § 1b BetrAVG die aus der Verfallklausel resultierende Nichtentlohnung von Teilleistungen bis zum Eintritt der Unverfallbarkeit zuläßt. Insoweit fehlt es schon an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Der Ausschluß des Teilleistungsprinzips entfaltet jedoch nur Wirkung gegenüber vor Eintritt der Unverfallbarkeit ausscheidenden Arbeitnehmern, da die Vorschrift bereits ihrem Wortlaut nach sich nur auf diese bezieht. Zudem wird mit Eintritt der Unverfallbarkeit allein die Verbleibebedingung unwirksam, die Anwartschaft des Arbeitnehmers ändert sich daher nicht qualitativ, sondern lediglich nach Maßgabe des § 2 BetrAVG quantitativ.922 Dem entspricht es, wenn das Bundesarbeitsgericht für den Vertrauensschutz gegenüber nachträglichen Verschlechterungen einer Versorgungszusage nicht auf die Unverfallbarkeit abstellt, sondern auf die Vorleistung des Arbeitnehmers.923 Bei mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmern ordnet § 2 BetrAVG die Entlohnung von Teilleistungen an und trägt so dem Teilleistungsprinzip Rechnung. Die Norm knüpft – im Verein mit dem heutigen § 1b BetrAVG – an die Herleitung der Unverfallbarkeit von Ruhegeldanwartschaften aus dem schuldrechtlichen Teilleistungsprinzip durch das BundesKO, Bl. 3; BAG, Urteil vom 03.11.1998 – 3 AZR 454/97 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG, Bl. 2. 919 Mindestens mißverständlich daher BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/ 71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4, 4R: „geschuldete Betriebstreue“. 920 Vgl. S. 124 Fn. 686. 921 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 89; Westhoff, Inhaltskontrolle, S. 89. 922 Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (49); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 1b Rz. 18; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 323; Schulin, DB 1984, Beilage Nr. 10, 1 (8); ähnlich Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (295 f.). 923 Für eine Unterstützungskassenrichtlinie BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R. Ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 120. Anders noch BAG, Urteil vom 24.11.1977 – 3 AZR 732/76 –, AP Nr. 177 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4.

174 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

arbeitsgericht924 an.925 Sie soll dem Arbeitnehmer einen Teil der zugesagten betrieblichen Versorgungsleistungen sichern, der in einem angemessenen Verhältnis zu seiner erbrachten Vorleistung steht,926 und bestätigt so zugleich den Entgeltcharakter von Versorgungsleistungen.927 Einer analogen Anwendung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips bedarf es insoweit nicht. Es fehlt auch an der erforderlichen Regelungslücke. § 2 BetrAVG ist Ausdruck des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips und konkretisiert zugleich das Teilleistungsprinzip für Versorgungszusagen mit Verfallklausel. Nach § 2 I 1 BetrAVG sind die im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen proportional zur geleisteten Betriebstreue und nicht nach dem versicherungsmathematischen Prinzip zu berechnen.928 § 2 I 1 BetrAVG sichert damit das Austauschverhältnis von Versorgungsleistung und Betriebstreue.929 Konkretisierungen und – je nach Ausgestaltung der Versorgungszusage – auch Modifikationen gegenüber dem schuldrechtlichen Teilleistungsprinzip zeigen sich etwa darin, daß für den Unverfallbarkeitsquotienten die gesamte Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und nicht nur die von einer Versorgungszusage begleitete Zeit der ratierlichen Berechnung zugrunde zu legen ist und daß die mögliche Betriebszugehörigkeit auf die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung930 zum einen begrenzt, zum anderen für Zweifelsfälle festgeschrieben wird.931 Enthält die Betriebsvereinbarung eine für den vorzeitig ausscheidenden 924 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4R. 925 Vgl. den Verweis in der Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrAVG, BT-Drucksache 7/1281, S. 19. 926 Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrAVG, BT-Drucksache 7/1281, S. 24. 927 Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (5); Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 132; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 105. Vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrAVG, BT-Drucksache 7/ 1281, S. 20: „Die Regelung der Unverfallbarkeit (§§ 1 bis 4) trägt der Tatsache Rechnung, daß die betriebliche Altersversorgung auch Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag ist.“ 928 Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 71; der Sache nach auch Blomeyer, Festschrift für Zeuner, S. 3 (15 f.). 929 Zu diesem Zweck auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 108. 930 So die Rechtslage seit 01.01.2008, vgl. dazu die Anm. auf S. 161 in Fn. 862. 931 Weitergehende Modifikationen des Teilleistungsprinzips gelten bei beitragsorientierten Leistungszusagen. Gemäß § 2 Va Hs. 2 i.V. m. Hs. 1 BetrAVG ist die Anwartschaft aufrechtzuerhalten, welche vom Zeitpunkt der Zusage bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus den vom Arbeitgeber zu leistenden – bei einer Direktzusage fiktiven – Beiträgen erreicht worden ist. Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, daß beitragsorientierte Leistungszusagen bei der Berechnung der Unverfallbarkeitsbeträge im Rahmen eines an Leistungszusagen orientierten Systems zu problematischen Ergebnissen führen. Die Summe der umgewandelten Beiträge kann bei vorzeitigem Ausscheiden deutlich geringer sein als der Betrag, der sich bei Anwendung des § 2 I BetrAVG ergäbe (ErfK7 /Steinmeyer, § 2 BetrAVG Rz. 80).

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Arbeitnehmer günstigere Regelung zur Bewertung von Teilleistungen, ist wegen § 17 III 3 BetrAVG zwar diese heranzuziehen, jedoch ändert dies nichts an der Geltung des durch § 2 I BetrAVG konkretisierten Teilleistungsprinzips. Für die gesetzlich nicht geregelte Bewertung der erdienten Anwartschaften betriebstreuer Arbeitnehmer im Falle einer Abänderung der durch eine Betriebsvereinbarung begründeten Versorgungszusage durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ist die Regelung des § 2 I 1 BetrAVG entsprechend heranzuziehen, wenn nicht die Betriebsvereinbarung bereits eine Regelung zur Bewertung von Teilanwartschaften enthält. Das § 2 I 1 BetrAVG zugrunde liegende Neutralitätsprinzip932 erfordert nämlich, daß der unter Aufrechterhaltung einer Anwartschaft ausscheidende Arbeitnehmer grundsätzlich nicht besser als ein betriebstreuer Arbeitnehmer gestellt werden darf.933 Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung zugunsten vorzeitig Ausscheidender würde es aber zu erheblichen Wertungswidersprüchen führen, wenn ein kurz vor Wirksamwerden einer nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung ausgeschiedener Arbeitnehmer seine unverfallbaren, erdienten Anwartschaften als Teilleistungen vergütet bekäme, während bei einem betriebstreuen Arbeitnehmer noch nicht einmal ein solcher Teilwert als erdient angesehen werden und von den noch nicht erdienten Teilwerten separiert werden könnte. Eine solche Konsequenz ist auch nicht vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 V 1 BetrAVG hingenommen worden, wonach bei der Berechnung des Teilanspruches gemäß § 2 I 1 BetrAVG solche Änderungen der Versorgungsregelungen außer Betracht zu bleiben haben, welche nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers vorgenommen worden sind. Denn diese Norm wurde lediglich mit Rücksicht auf die Rechtsklarheit bei der Kapitalabfindung von Versorgungsanwartschaften gemäß § 3 BetrAVG und der Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch einen neuen Arbeitgeber oder einen anderen Versorgungsträger gemäß § 4 BetrAVG geschaffen. Der Wert der Anwartschaft sollte bereits kurz nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers endgültig berechnet werden können.934 Ziel der Regelung war also gerade nicht die materielle Bevorzugung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern durch Anwendung des Teilleistungsgrundsatzes. Die Heranziehung des in § 2 I 1 BetrAVG konkretisierten Teilleistungsgrundsatzes ist vielmehr Ausdruck einer gesetzgeberischen Wertung, nach welcher der durch die Verfallklausel bedingte Ausschluß der Vergütung von Teilleistungen auf den Fall des Ausscheidens eines Arbeitnehmers innerhalb der Fristen des § 1b BetrAVG beschränkt werden sollte. Hieraus aber folgt im Umkehrschluß, daß im übrigen Teilleistungen zu vergüten sind.

932 933 934

S. 27.

Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 bei Fn. 806. Vgl. oben S. 145 Fn. 804. Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrAVG, BT-Drucksache 7/1281,

176 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Fehlt es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung, ist dabei die analoge Anwendung der konkretisierenden Norm des § 2 I 1 BetrAVG auch gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern geboten.935 Die Norm regelt einen vergleichbaren Sachverhalt. Wie beim vorzeitigen Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft geht es auch bei der Frage des Schutzes vor Abänderung einer Versorgungsregelung zunächst einmal um die Bewertung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Vorleistung erworbenen Anwartschaftsteils.936 Welche Schlußfolgerungen aus diesem Befund für die hier interessierende Berechnung der erdienten Anwartschaften im Falle der Abänderung einer durch Betriebsvereinbarung begründeten Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung zu ziehen sind, wird sogleich – sub C. – zu erörtern sein. 4. Zusagen ohne Verfallklausel Bei Zusagen ohne Verfallklausel ist im Hinblick auf die zugrundeliegende entgeltliche Verknüpfung entsprechend der oben entwickelten Typologie zu differenzieren zwischen schlichten Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, Versorgungszusagen ohne Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten und Versorgungszusagen ohne Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten, welche eine Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung enthalten. a) Schlichte Versorgungszusagen ohne Verfallklausel Schlichte Zusagen ohne Verfallklausel, die etwa einen Festbetrag als betriebliche Altersversorgung lediglich unter der Bedingung des Versorgungsfalls zusagen, stellen ein synallagmatisches Austauschverhältnis zwischen der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers und der bedingten Pflicht des Arbeitgebers zur Erbringung der Versorgungsleistung her. Wie bereits Schmidt-Rimpler937 am 935 Im Ergebnis ebenso BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R. Vgl. auch die Rechtsprechung zur Ablösung einer Gesamtzusage durch Betriebsvereinbarung BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R, sowie zur Änderung einer Unterstützungskassenversorgung BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4; BAG, Urteil vom 27.08.1996 – 3 AZR 466/95 –, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 7; BAG, Urteil vom 26.08.1997 – 3 AZR 235/96 –, AP Nr. 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 26.08.1997 – 3 AZR 213/96 –, AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3. Aus der Literatur Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 511; Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 132; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 106; ErfK7 /Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 15. 936 Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 104.

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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Beispiel des Versicherungsvertrages gezeigt hat, steht die lediglich bedingte Leistungspflicht einer Seite einer synallagmatischen Verknüpfung mit allen ihren rechtlichen Konsequenzen nicht im Wege. b) Versorgungszusagen ohne Verfallklausel und mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten, verknüpfen die Betriebstreue des Arbeitnehmers mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers konditional. Diese konditionale Verknüpfung unterscheidet sich von der synallagmatischen Verknüpfung nur insoweit, als keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Betriebstreue besteht.938 Die spezielle Gestaltung der Versorgungszusage führt zur sofortigen Unverfallbarkeit von durch Vorleistung erworbenen Anwartschaften. Für die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft eines vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers gilt § 2 I BetrAVG daher erst recht. Da Regelungszweck der §§ 1b, 2 BetrAVG der Schutz des Austauschverhältnisses der Versorgungszusage mit der Betriebstreue ist,939 kann es für die Anwendbarkeit der ratierlichen Berechnungsmethode nicht auf das Vorliegen einer Verfallklausel in der Versorgungszusage ankommen. Liegt eine konditionale Verknüpfung von Betriebstreue und Versorgungsleistung vor, so ist der Teilwert von Anwartschaften ratierlich zu berechnen.940 Wegen des hinter § 2 I BetrAVG stehenden Neutralitätsprinzips ist bei fehlender Bewertung von Teilleistungen in der Versorgungszusage diese Norm auch gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern bei Änderung der Versorgungszusage entsprechend anzuwenden. Im Ergebnis ist daher auch bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten und die Betriebstreue entlohnen, das Teilleistungsprinzip in seiner Konkretisierung durch § 2 I BetrAVG anwendbar. c) Versorgungszusagen ohne Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten und Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung verbin937

Schmidt-Rimpler, Die Gegenseitigkeit bei einseitig bedingten Verträgen, S. 52 ff.,

71 ff. 938 Zu dieser Ausgestaltung der konditionalen Verknüpfung auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 57. 939 Zu diesem Zweck auch Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 108. 940 Ebenso Wackerbarth, Entgelt für Betriebstreue, S. 71.

178 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

den, entlohnen allein die Arbeitsleistung, wenn die Kürzungsklausel zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate führen kann. Es besteht eine synallagmatische Verknüpfung der Arbeitsleistung mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers. Das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip gilt unmittelbar, ist jedoch nach Maßgabe der Kürzungsregelung modifiziert. Führt die Kürzungsklausel hingegen nicht zu einem vollständigen Verzehr der jeweiligen Steigerungsrate, gilt das Vorige nur hinsichtlich des Teiles der Versorgungsleistung, welcher von der Kürzungsklausel erfaßt werden kann. Insoweit verknüpft die Zusage Arbeitsleistung und bedingte Versorgungsleistung synallagmatisch. Das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip gilt unmittelbar, ist jedoch nach Maßgabe der Kürzungsregelung modifiziert. Hinsichtlich des verbleibenden Teils ist die Betriebstreue des Arbeitnehmers mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers konditional verknüpft. Entsprechend dem oben Gesagten zu Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten und die Betriebstreue entlohnen, ist insoweit das Teilleistungsprinzip in seiner Konkretisierung durch § 2 I BetrAVG anwendbar. Letztere Norm gilt auch gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern entsprechend, wenn es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung fehlt. 5. Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verstoßen wegen der mit ihnen verbundenen Kumulation von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Anspruchsvoraussetzungen gegen das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB sowie gegen das aus § 2 I BetrAVG folgende Verbot arbeitsleistungsbezogener Kürzungsklauseln bei Versorgungszusagen mit Verfallklausel. Sie sind regelmäßig geltungserhaltend auf Zusagen mit Verfallklausel ohne Anrechnungsklausel zu reduzieren und weisen damit keine Besonderheiten gegenüber dieser Fallgruppe auf: Sie entlohnen die Betriebstreue des Arbeitnehmers und weisen eine konditionale Verknüpfung zwischen Betriebstreue und Versorgungsleistung auf. Insoweit gilt das Teilleistungsprinzip in seiner Konkretisierung durch § 2 I BetrAVG. Letztere Norm gilt auch gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern entsprechend, wenn es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung fehlt. 6. Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten Bei Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten in Gestalt der Inbezugnahme eines Indexes oder des Tariflohnes einer bestimmten Lohngruppe hängt die zugrundeliegende entgeltliche Verknüpfung von der Versorgungsrege-

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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lung im übrigen ab, da die Inbezugnahme lediglich die Arbeitgeberleistung charakterisiert. Zusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten in Gestalt eines Endgehaltsbezuges hingegen entlohnen allein die Betriebstreue. Die zugrundeliegende entgeltliche Verknüpfung ist daher zwingend eine konditionale. Bei Fehlen einer Verfallklausel unterscheidet sich die vorliegende konditionale Verknüpfung von der synallagmatischen Verknüpfung nur insoweit, als keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Betriebstreue besteht. Wie auch bei Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten und die Betriebstreue entlohnen, ist hier das Teilleistungsprinzip in seiner Konkretisierung durch § 2 I BetrAVG anwendbar. Liegt hingegen eine Verfallbedingung vor, ergeben sich keine Besonderheiten zu den schlichten Versorgungszusagen mit Verfallklausel: Sie entlohnen die Betriebstreue des Arbeitnehmers und weisen eine konditionale Verknüpfung zwischen Betriebstreue und Versorgungsleistung auf. Auch insoweit ist das Teilleistungsprinzip in seiner Konkretisierung durch § 2 I BetrAVG anwendbar. Letztere Norm gilt jeweils entsprechend auch gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern, wenn es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung fehlt.

7. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß alle untersuchten typischen Klauselgestaltungen in Versorgungszusagen entgeltliche Verknüpfungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung aufweisen. Der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung ist insoweit bestätigt worden. Zusagen mit Verfallklausel entlohnen die durch die Verbleibebedingung in ihrem Umfang näher bestimmte Betriebstreue des Arbeitnehmers, wobei eine konditionale Verknüpfung der Versorgungsleistung mit der Gesamtleistung der Betriebstreue außerhalb des Synallagmas vorliegt. Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verstoßen wegen der mit ihnen verbundenen Kumulation von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Anspruchsvoraussetzungen gegen das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB und gegen die Wertung des § 2 I BetrAVG, welche die Kombination von Verfallklauseln mit arbeitsleistungsbezogenen Kürzungsklauseln nicht zuläßt. Derart ausgestaltete Zusagen sind regelmäßig geltungserhaltend auf Zusagen mit einer Verfallklausel ohne Anrechnungsklausel zu reduzieren und weisen damit keine Besonderheiten zu der vorgenannten Fallgruppe auf. Schlichte Zusagen ohne Verfallklausel stellen ein synallagmatisches Austauschverhältnis zwischen der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers und der bedingten Pflicht des Arbeitgebers zur Erbringung der Versorgungsleistung

180 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

her. Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten, verbinden die Betriebstreue des Arbeitnehmers mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers mittels einer konditionalen Verknüpfung. Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung verbinden, entlohnen allein die Arbeitsleistung, wenn die Kürzungsklausel zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate führen kann. Dann besteht eine synallagmatische Verknüpfung mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers. Führt die Kürzungsklausel nicht zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate, entlohnt der nicht kürzbare Teil der Versorgungsleistung die Betriebstreue, der kürzbare Teil die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Hinsichtlich der Arbeitsleistung liegt eine synallagmatische Verknüpfung mit der Versorgungsleistung vor, während zwischen der Versorgungsleistung und der Betriebstreue, zu deren Erbringung der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, lediglich eine konditionale Verknüpfung vorliegt. Endgehaltsbezogene Versorgungszusagen entlohnen allein die Betriebstreue und verknüpfen diese mit der Versorgungsleistung konditional. Die für die Entlohnung von Arbeitsleistung typische Art der Leistungsverknüpfung ist das Synallagma. Die für die Entlohnung von Betriebstreue typische Leistungsverknüpfung ist hingegen die konditionale Leistungsverknüpfung. Im Synallagma sind nach dem in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck kommenden schuldrechtlichen Teilleistungsprinzip grundsätzlich auch Teilleistungen zu entgelten. Bei der synallagmatischen Leistungsverknüpfung von Arbeits- und Versorgungsleistung gilt das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip unmittelbar, gegebenenfalls nur modifiziert durch eine vorhandene Kürzungsregelung. Bei der konditionalen Verknüpfung der Betriebstreue mit der Versorgungsleistung folgt aus § 2 I BetrAVG die Geltung des Teilleistungsprinzips für alle Sachverhalte mit Ausnahme des vorzeitigen Ausscheidens eines Arbeitnehmers mit einer verfallbaren Anwartschaft. Die Modifikationen des Teilleistungsprinzips durch § 2 I BetrAVG gelten gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern jedoch nur dann entsprechend, wenn es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung fehlt.

C. Schlußfolgerungen für die schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers Sind die Art der entgeltlichen Verknüpfung und die grundsätzliche Geltung des Teilleistungsprinzips für Versorgungszusagen damit geklärt, kann im Sinne der eingangs zu B. gestellten Frage das Entstehen einer durch Teilleistung erdienten schuldrechtlichen Anwartschaft als Vorstufe zum Versorgungsanspruch grundsätzlich bejaht werden. Der Arbeitnehmer hat also bereits vor Entstehen

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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des Versorgungsanspruches durch den Eintritt des Versorgungsfalles eine schuldrechtliche Rechtsposition in Gestalt einer erdienten Anwartschaft, soweit er die vorausgesetzte Leistung bereits erbracht hat. Soweit die vorausgesetzte Leistung nicht erbracht worden ist, kann man lediglich von einer Erwerbsaussicht sprechen. Die sich hieran anschließende Frage des Umfangs der zu einem bestimmten Zeitpunkt erdienten Anwartschaft gilt es im folgenden auf Grundlage der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung des einfachen Rechts zu beantworten. I. Bedeutung der Regelungen in der Betriebsvereinbarung für die Berechnung der erdienten Anwartschaft Legt die Betriebsvereinbarung fest, welche Anwartschaftsteile im Falle ihrer Abänderung bis dahin bereits erdient sein sollen, so ist gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern diese Festlegung als die von den Betriebspartnern gewollte maßgeblich.941 Die Arbeitnehmer haben im Hinblick auf diese Regelung vorgeleistet. Gegenstand der Regelungen einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung ist jedoch regelmäßig nicht der jeweilige Wert der Anwartschaft, sondern das Vollrecht und dessen Umfang.942 Dann aber wäre es verfehlt, der Berechnung des Anwartschaftswertes die in der Betriebsvereinbarung für das Vollrecht benannten Beträge zugrunde zu legen.943 Sieht eine Versorgungszusage beispielsweise ab einer bestimmten Mindestbetriebszugehörigkeit pauschal eine Betriebsrente in bestimmter Höhe vor, hätte dies zur Folge, daß der Arbeitnehmer nach Ablauf der Mindestbetriebszugehörigkeit den Höchstbetrag bereits vollständig erdient hätte. Die restliche Dienstzeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalles bliebe ohne Gegenleistung.944 Daran ändert sich nichts Wesentliches, wenn eine Versorgungszusage einen Pauschalbetrag als Betriebsrente mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten kombiniert und der Pauschalbetrag verhältnismäßig höher ist als die Steigerungsraten in der Folgezeit oder die höchste Versorgungsstufe bereits vor Eintritt in den Ruhestand erreicht werden kann. Die in der Betriebsvereinbarung für bestimmte Zeiträume genannten Rentenbeträge wären dann als Gegenleistung für die während dieser Zeit erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers zu sehen.945 Ein solches Ergebnis mag im Einzelfall dem Willen der Betriebsparteien entsprechen. 941 Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 101; für den Fortfall der Betriebsvereinbarung auch Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 130. 942 Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 511; Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 130; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 101; ErfK7 /Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 14. 943 So aber offenbar Finke, BB 1975, 1070 (1071). 944 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 130; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 101. 945 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 130.

182 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

Insbesondere bei einer beitragsorientierten Leistungszusage kommt ein solcher Wille sinnfällig zum Ausdruck, da den einzelnen Zeiteinheiten der jeweils in eine Versorgungsanwartschaft umzuwandelnde Betrag von vornherein fest zugeordnet wird. Ein anderes Verständnis ist bei der beitragsorientierten Versorgungszusage auch nicht möglich, da bei dieser keine maximal erreichbare Versorgungsleistung festgelegt wird. Die den bisherigen Beiträgen entsprechende Anwartschaft ist daher als bereits erdient anzusehen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die Spezialvorschrift des § 2 Va Halbsatz 2 in Verbindung mit Halbsatz 1 BetrAVG, welche den Erhalt der den bisherigen Beiträgen entsprechenden Anwartschaft für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens mit einer unverfallbaren Anwartschaft sichert. Maßstab der Wertberechnung ist folgerichtig nicht die gesamte Versorgungsleistung, sondern die aus den einzelnen Beiträgen bisher erworbene Anwartschaft.946 Bei klassischen Leistungszusagen darf eine solche Sichtweise jedoch nicht ohne besondere Anhaltspunkte in der Betriebsvereinbarung unterstellt werden.947 Denn aus der Bedingtheit der Altersversorgung durch den Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand folgt, daß regelmäßig die jeweils vorausgesetzte Arbeitnehmerleistung bis zu diesem Zeitpunkt mit dem Vollrecht abgegolten werden soll und nicht etwa nur die Zeit, welche die Betriebsvereinbarung bis zum Erreichen der jeweiligen Versorgungsstufe vorsieht.948 Die Berechnungskriterien einer Versorgungsordnung beziehen sich daher regelmäßig auf das Vollrecht und sind zur Ermittlung erdienter Teilleistungen ungeeignet.949 Dies gilt unabhängig vom Vorliegen einer Verfallklausel und betrifft Entgelt für Betriebstreue und Entgelt für Arbeitsleistung gleichermaßen. II. Bedeutung gesetzlicher Wertungen für die Berechnung der erdienten Anwartschaft Fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung, so ist auf gesetzliche Wertungen zur Berechnung der erdienten Anwartschaft zurückzugreifen. Hierbei ist nach den obigen Aussagen zur Geltung des Teilleistungsprinzips zwischen – 1. – Versorgungszusagen, welche die Betriebstreue entlohnen, – 2. – solchen, welche die Arbeitsleistung entlohnen, und – 3. – solchen, welche einen Mischcharakter aufweisen, zu diffe946 Zu diesem Maßstab Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anhang zu § 1 Rz. 622; ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 16. 947 Vgl. zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen oben § 3 A., S. 92 ff. 948 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 131; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 103; ErfK7 /Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 14. 949 Ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 131; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 103 f.; ErfK7 /Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 14 f.

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renzieren. Besonderheiten ergeben sich schließlich – 4. – bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten. 1. Zusagen, welche die Betriebstreue entlohnen Entlohnt eine Zusage die Betriebstreue, ist nach den obigen Ausführungen § 2 I 1 BetrAVG zur Ermittlung des erdienten Anwartschaftsteils bei betriebstreuen Arbeitnehmern entsprechend heranzuziehen. Dabei geht § 2 I 1 BetrAVG hinsichtlich dienstzeitabhängiger Steigerungsraten zugunsten des Arbeitnehmers davon aus, daß diese sich ausschließlich auf das Vollrecht beziehen, nicht jedoch auf die ratierlich zu berechnenden Teilwerte einer Anwartschaft. Hieraus erklärt sich, daß bei der ratierlichen Berechnung alle noch ausstehenden dienstzeitabhängigen Steigerungsraten der erreichbaren Anwartschaft zugeschlagen werden.950 Dies führt zu einer Glättung exponentieller dienstzeitabhängiger Steigerungsraten, und zwar unabhängig davon, ob diese unter dem Ausschluß der Entlohnung von Teilleistungen zwischen den einzelnen Steigerungsstufen formuliert sind oder nicht. 2. Zusagen, welche die Arbeitsleistung entlohnen Zusagen, welche die Arbeitsleistung entlohnen, weisen ein synallagmatisches Austauschverhältnis zwischen der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers und der bedingten Pflicht des Arbeitgebers zur Erbringung der Versorgungsleistung auf. Insoweit ist das in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck kommende Teilleistungsprinzip unmittelbar anwendbar und zur Berechnung der erdienten Anwartschaft heranzuziehen. Für eine entsprechende Anwendung der Berechnungsmethode des § 2 I 1 BetrAVG ist insoweit kein Raum. Die ratierliche Berechnungsmethode des § 2 I 1 BetrAVG wäre im übrigen auch von ihrem Telos her nicht einschlägig, da sie im Verein mit der Unverfallbarkeit gemäß § 1b BetrAVG allein dem Schutz des Austauschverhältnisses der Versorgungszusage mit der Betriebstreue und nicht etwa der Arbeitsleistung dient.951 Den das Teilleistungsprinzip tragenden gesetzlichen Vorschriften läßt sich die Wertung entnehmen, „daß auch Teilleistungen ihrem Werte entsprechend zu entgelten sind.“952 Allerdings enthalten Versorgungszusagen regelmäßig keine exakte Bestimmung der für die volle Versorgungsleistung zu erbringenden Arbeitsleistung. Fehlt eine solche, ist die gesetzliche Wertung des § 2 I 1 BetrAVG insoweit entsprechend heranzuziehen, als sie grundsätzlich die BetriebszugehöZu dieser Berechnungsmethode ErfK7 /Steinmeyer, § 2 BetrAVG Rz. 19. Dazu näher oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 145 bei Fn. 801. 952 BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4R (Hervorhebung vom Verfasser). 950 951

184 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

rigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung953 als den gesamten für eine Versorgungszusage maßgeblichen Leistungszeitraum des Arbeitnehmers bezeichnet. Denn arbeitsleistungsbezogene Versorgungszusagen sollen im Zweifel die gesamte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Betrieb entgelten. Insoweit ist die in § 2 I 1 BetrAVG getroffene Wertung nicht auf die Sicherung des Austauschverhältnisses zur Betriebstreue beschränkt. Bezogen auf eine arbeitsleistungsbezogene Anwartschaft ist daher im Zweifel zur Berechnung der erdienten Anwartschaft der Zeitwert der erbrachten Arbeitsleistung mit dem Zeitwert der von Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung maximal möglichen Arbeitsleistung unter Zugrundelegung der arbeitsvertraglich vorausgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit ins Verhältnis zu setzen. Durch die Nichtberücksichtigung von Zeiten ohne Arbeitsleistung kann sich so ein Unterschied zur ratierlichen Berechnung gemäß § 2 I 1 BetrAVG ergeben. Dies ist jedoch unschädlich, da sich diese Berechnungsmethode lediglich auf betriebstreuebezogene Versorgungszusagen bezieht. Zur Berechnung der erdienten Anwartschaft ist bei rein arbeitsleistungsbezogenen Zusagen in unmittelbarer Anwendung des Teilleistungsprinzips daher der Zeitwert der erbrachten Arbeitsleistung mit dem Zeitwert der bis zum Eintritt in den Ruhestand maximal möglichen Arbeitsleistung ins Verhältnis zu setzen. 3. Zusagen mit Mischcharakter Zusagen mit Mischcharakter können sich nach der oben entwickelten Typologie ergeben, wenn eine Zusage ohne Verfallklausel mit dienstzeitabhängigen Steigerungsklauseln und mit einer Kürzungsregelung für Zeiten ohne Arbeitsleistung kombiniert wird, welche die jeweilige Steigerungsrate nicht vollständig aufzehren kann. In einem solchen Fall ist die Versorgungsleistung zu teilen. Der nicht kürzbare Teil entlohnt die Betriebstreue. Der Wert der erdienten Anwartschaft ist insoweit entsprechend § 2 I 1 BetrAVG zu ermitteln. Der kürzbare Teil entlohnt die Arbeitsleistung. Der Wert der erdienten Anwartschaft ist insoweit unter unmittelbarer Anwendung des Teilleistungsprinzips mit Hilfe der Kürzungsklausel zu ermitteln. 4. Besonderheiten bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten Als problematisch erweist sich die Ermittlung der erdienten Teilleistung bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten. Dabei ist zwischen Versorgungszusagen, welche bereits in der Anwartschaftsphase die Anpassung an die Entwicklung eines Lebenshaltungskostenindexes oder des Tarifgehaltes einer bestimm953

So Rechtslage seit 01.01.2008, vgl. dazu die Anm. auf S. 161 in Fn. 862.

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ten Lohngruppe vorsehen, und solchen, welche auf das zuletzt an den Arbeitnehmer gezahlte Gehalt Bezug nehmen, zu unterscheiden. In beiden Fallkonstellationen stellt sich die Frage, ob lediglich die Anwartschaft auf Grundlage des dienstzeitunabhängigen Bezugswertes im Zeitpunkt der Abänderung der Versorgungszusage erdient ist oder ob auch darüber hinaus die Anwartschaft unter Einbezug der Steigerungen und Senkungen durch Veränderungen des Bezugswertes nach Wirksamwerden der abändernden Betriebsvereinbarung als bereits erdient anzusehen ist. Letzteres wird insbesondere vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen.954 a) Bindung an einen Lebenshaltungskostenindex oder an das Tarifgehalt einer bestimmten Lohngruppe Als unproblematisch erweisen sich Versorgungszusagen, die eine Dynamisierung der Versorgungsanwartschaft anhand eines Lebenshaltungskostenindexes oder des Tarifgehaltes einer bestimmten Lohngruppe vorsehen. Solche Faktoren sind auch im Falle der Abänderung einer Versorgungszusage grundsätzlich als anteilig erdient anzusehen, da sie nicht von weiteren Leistungen des Arbeitnehmers abhängen. Lediglich gegenüber vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausscheidenden Arbeitnehmern schreibt § 2 V 1 BetrAVG diese variablen Berechnungsgrundlagen auf den Zeitpunkt ihres Ausscheidens fest. Bei der Abänderung einer solchen dynamischen Versorgungszusage erfolgt gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern auch keine Festschreibung der variablen Berechnungsgrundlagen auf den Zeitpunkt der Änderung in Analogie zu § 2 V 1 BetrAVG.955 Letztere Vorschrift hat nämlich lediglich den Sinn, beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers mit einer unverfallbaren Anwartschaft und im Falle der Insolvenz die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft unabhängig von einer zukünftigen Entwicklung der variablen Bemessungsgrundlagen sicherzustellen, und dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.956 Auf eine verschlechternde Neuregelung läßt sich diese Spezialvorschrift nicht im Wege der Analo954 Grundlegend BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4 für eine Unterstützungskassenrichtlinie. Diese Judikatur wurde in BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R für nachfolgende Betriebsvereinbarungen übernommen. Vgl. später etwa BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 07.07.1992 – 3 AZR 522/91 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R/6; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 955 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R. 956 Vgl. bereits die Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 27. Ferner BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R.

186 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

gie übertragen, da es an einer vergleichbaren Interessenlage ebenso wie an der erforderlichen Regelungslücke fehlt. Daher verbietet sich auch der Schluß aus § 2 V 1 BetrAVG, die Dynamik sei nicht bereits fest erdient.957 Vielmehr hat der Arbeitnehmer bei einer lebenshaltungskostenindexbezogenen Versorgungszusage bis zu deren Änderung bereits dafür geleistet, daß die in Zukunft erreichbare Entwicklung des in Bezug genommenen Indexes beziehungsweise Tarifgehaltes die Höhe seiner Altersversorgung beeinflußt. Insoweit ist es daher berechtigt, von einer „erdienten Dynamik“ zu sprechen. b) Endgehaltsbezogene Zusagen Bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen kann dies nicht gelten. Vielmehr ist auf die obigen Erkenntnisse zur zugrundeliegenden Arbeitnehmerleistung zurückzugreifen.958 Die mit der Bezugnahme auf das zuletzt erreichte Gehalt des Arbeitnehmers intendierte Berücksichtigung der weiteren Gehaltsentwicklung setzt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraus und entlohnt somit die Betriebstreue des Arbeitnehmers bis zu dem für die Bemessung des in Bezug genommenen Gehalts maßgeblichen Zeitpunkt. Damit wird deutlich, daß ein aktiver Arbeitnehmer vor dem maßgeblichen Zeitpunkt den Endgehaltsbezug der Zusage noch nicht erdient hat, sondern diesen erst in der Zukunft erdienen kann. Entwicklungen des Entgelts, welche auf in der Zukunft liegenden Leistungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers beruhen, kann man nicht als in der Gegenwart erdient betrachten.959 Dem kann auch nicht die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entgegengehalten werden,960 nach welcher ein Eingriff in eine „erdiente Dynamik“ regelmäßig erst mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis feststellbar sein soll, wenn dem Arbeitnehmer gleichzeitig mit der Kürzung des dienstzeitunabhängigen Berechnungsfaktors andere Möglichkeiten zur Steigerung seiner Versorgung eröffnet werden.961 Denn diese ergebnisbezogene Betrachtungsweise führt lediglich dazu, daß die bis zur Änderung der Versorgungsregelung „erdiente Dynamik“ und die durch die Neuregelung eröffneten anderweitigen Möglichkeiten zur Anwartschaftssteigerung nicht derart kumuliert werden können, daß der Arbeitnehmer eine Anwartschaft erwirbt, die sich zum einen aus dem bis zum Ausscheiden dynamisch fortgeschriebenen Besitz957

So aber Blomeyer, RdA 1986, 69 (81). Oben § 3 B. III. 7. b), S. 164 ff. 959 Blomeyer, Anm. SAE 1986, 98 (100); P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (79); Loritz, ZfA 1989, 1 (28); Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 138; der Sache nach auch Schumann, ZIP 1987, 137 (146). 960 So aber Rößler, Der triftige Grund, S. 189. 961 BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 128/01 –, AP Nr. 43 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 10.09.2002 – 3 AZR 635/01 –, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8R/9. 958

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

187

stand im Ablösungszeitpunkt und zum anderen aus den Zuwächsen nach der neuen Versorgungsordnung zusammensetzt. Daß bei der danach anzustellenden Ex-post-Betrachtung sich das beim Ausscheiden erreichte Endgehalt als erdient darstellt,962 ändert nichts daran, daß es im Zeitpunkt der Änderung der Versorgungszusage gerade noch nicht erdient war. Die Annahme einer bereits erdienten Anwartschaft im Zeitpunkt der Änderung der Versorgungszusage wäre insoweit also eine bloße Fiktion.963 Bei dem vom Bundesarbeitsgericht propagierten Schutz der endgehaltsbezogenen Dynamik geht es daher nicht um den Schutz des bereits Erworbenen, sondern des zukünftigen, weiteren Erwerbs. Bei endgehaltsbezogenen Zusagen ist die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor Eintritt in den Ruhestand erreichten Gehalts erst mit Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt erdient. Bei einer vorzeitigen Änderung der Versorgungszusage hingegen ist lediglich die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor der Änderung erreichten Gehaltes durch die bis dahin geleistete Betriebstreue des Arbeitnehmers erdient.

D. Zusammenfassung Der normative Teil einer Betriebsvereinbarung ist wie ein Gesetz auszulegen. Ein vom Wortlaut abweichender Wille der Betriebspartner ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit regelmäßig unbeachtlich. Eine im Zweifelsfall am Arbeitnehmerinteresse orientierte Auslegung ist nicht zulässig, da sie die von den Betriebspartnern gefundenen Kompromisse in Frage stellen würde. Eventuelle Regelungslücken können im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden, wenn der zur Lückenschließung verwandte Rechtssatz in der bestehenden Regelung bereits vorgezeichnet ist und die von den Betriebspartnern gefundene Kompromißlinie nicht einseitig zu Lasten einer Seite abgeändert wird. Die Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung stellt regelmäßig keine reine Fürsorgeleistung ohne Entgeltcharakter dar. Eine solche Sichtweise läßt sich insbesondere nicht mit dem Arbeitsverhältnis als personenrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis begründen. Eine solche Sichtweise des Arbeitsverhältnisses verdrängte das Vertragsprinzip und widerspräche so geltendem Recht. Die Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung begründet auch keine mitgliedschaftlichen Wertrechte der Arbeitnehmer in einem Betriebsverband. Die Existenz eines solchen Verbandes wurde bereits in § 2 dieser Untersuchung widerlegt. Die mit der Versorgungszusage versprochene Leistung des Arbeitgebers besteht nicht in der wirtschaftlichen Übernahme des Versorgungsrisikos, sondern 962 963

Hierauf verweist aber Rößler, Der triftige Grund, S. 189. Loritz, Anm. AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 11R.

188 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

allein in den zugesagten Versorgungsleistungen. Die einer Versorgungszusage zugrunde gelegte Arbeitnehmerleistung wird maßgeblich durch die Existenz einer Verfallklausel bestimmt. Dienstzeitabhängige Steigerungsraten und Klauseln zur Berücksichtigung von Fehlzeiten bei der Anwartschaftshöhe können modifizierend hinzutreten. Zusagen mit Verfallklausel entlohnen die durch die Verbleibebedingung in ihrem Umfang näher bestimmte Betriebstreue des Arbeitnehmers, wobei eine konditionale Verknüpfung der Versorgungsleistung mit der Gesamtleistung der Betriebstreue außerhalb des Synallagmas vorliegt. Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verstoßen wegen der mit ihnen verbundenen Kumulation von Betriebstreue und Arbeitsleistung als Anspruchsvoraussetzungen gegen das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB. Der materielle Grund für die Unzulässigkeit der Betriebstreuebedingung liegt in dem fehlenden inneren Zusammenhang der Betriebstreuebedingung mit der Arbeitsleistung. Lediglich für eine neben der laufenden Grundvergütung gezahlte Zusatzvergütung hat der Gesetzgeber mit § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz inzidenter auch betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt als zulässig anerkannt. Diese Ausnahme beansprucht jedoch keine Geltung für die betriebliche Altersversorgung. Zusagen mit Verfallklausel und Anrechnungsklausel für Fehlzeiten verstoßen des weiteren gegen die Wertung des § 2 I BetrAVG, welche die Kombination von Verfallklauseln mit arbeitsleistungsbezogenen Kürzungsklauseln nicht zuläßt. Derart ausgestaltete Zusagen sind regelmäßig geltungserhaltend auf Zusagen mit Verfallklausel ohne Anrechnungsklausel zu reduzieren und weisen damit keine Besonderheiten zu der vorgenannten Fallgruppe auf. Schlichte Zusagen ohne Verfallklausel stellen ein synallagmatisches Austauschverhältnis zwischen der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers und der bedingten Pflicht des Arbeitgebers zur Erbringung der Versorgungsleistung her. Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten enthalten, verknüpfen die Betriebstreue des Arbeitnehmers mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers mittels einer konditionalen Verknüpfung. Versorgungszusagen ohne Verfallklausel, welche dienstzeitabhängige Steigerungsraten mit einer Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung verbinden, entlohnen allein die Arbeitsleistung, wenn die Kürzungsklausel zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate führen kann. Dann besteht eine synallagmatische Verknüpfung mit der aufschiebend bedingten Versorgungsleistung des Arbeitgebers. Führt die Kürzungsklausel nicht zu einer vollständigen Aufzehrung der jeweiligen Steigerungsrate, entlohnt der nicht kürzbare Teil der Versorgungsleistung die Betriebstreue, der kürzbare Teil die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Hinsichtlich der Arbeitsleistung liegt eine synallagmatische Verknüpfung mit der Versorgungsleistung vor, während zwischen der Versorgungsleistung und der Betriebstreue, zu deren Erbringung der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist,

§ 3 Entgeltliche Struktur und Rechtsposition des Arbeitnehmers

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lediglich eine konditionale Verknüpfung vorliegt. Endgehaltsbezogene Versorgungszusagen entlohnen allein die Betriebstreue und verknüpfen diese mit der Versorgungsleistung konditional. Alle untersuchten typischen Klauselgestaltungen in Versorgungszusagen weisen entgeltliche Verknüpfungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleistung auf. Der Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung ist insoweit bestätigt. Im Synallagma sind nach dem in den §§ 320 II, 326 I 1, 441 I 1, 441 III 1, 441 IV, 628 I 1, 634 Nr. 3, 638 I 1, 638 III 1, 638 IV, 645 I BGB zum Ausdruck kommenden schuldrechtlichen Teilleistungsprinzip grundsätzlich auch Teilleistungen zu entgelten. Bei der synallagmatischen Leistungsverknüpfung von Arbeits- und Versorgungsleistung gilt das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip unmittelbar, gegebenenfalls nur modifiziert durch eine vorhandene Kürzungsregelung. Bei der konditionalen Verknüpfung der Betriebstreue mit der Versorgungsleistung folgt aus § 2 I BetrAVG die Geltung des Teilleistungsprinzips für alle Sachverhalte mit Ausnahme des vorzeitigen Ausscheidens eines Arbeitnehmers mit einer verfallbaren Anwartschaft. Die Modifikationen des Teilleistungsprinzips durch § 2 I BetrAVG gelten gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern jedoch nur dann entsprechend, wenn es an einer Bewertung von Teilleistungen in der Betriebsvereinbarung fehlt. Erbringt der Arbeitnehmer auf eine Versorgungszusage hin die darin vorausgesetzte Leistung, erwirbt er eine schuldrechtliche Versorgungsanwartschaft. Die Berechnung des erdienten Teilwertes einer Versorgungsanwartschaft hat grundsätzlich anhand der Regelungen in der Versorgungszusage zu erfolgen. Regelmäßig sind jedoch in der Versorgungszusage enthaltene Angaben, insbesondere dienstzeitabhängige Steigerungsraten, allein auf das zu erwerbende Vollrecht bezogen und können daher zur Bewertung von Teilanwartschaften nicht herangezogen werden. Etwas anderes gilt bei beitragsorientierten Leistungszusagen. Da bei diesem Zusagetypus die einzelnen vom Arbeitgeber geschuldeten Versorgungsbeiträge konkreten Zeiteinheiten zugeordnet sind, ist insoweit der Anwartschaftswert anhand der geleisteten Beiträge zu ermitteln. Dies entspricht dem Bewertungsverfahren gemäß § 2 Va Halbsatz 2 in Verbindung mit Halbsatz 1 BetrAVG. Enthält die Versorgungszusage keine Regelung zur Bewertung von Teilleistungen, ist bei betriebstreuebezogenen Zusagen § 2 I BetrAVG entsprechend heranzuziehen. Bei arbeitsleistungsbezogenen Zusagen erfolgt eine ratierliche Berechnung anhand des Verhältnisses der geleisteten zur maximal vorausgesetzten Arbeitszeit in Anwendung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips. Bei Zusagen mit Mischcharakter sind beide Verfahren parallel anzuwenden. Bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten ist zwischen der Bindung an einen Index oder das Tarifgehalt einer bestimmten Tariflohngruppe einerseits und der Inbezugnahme des zuletzt erreichten laufenden Arbeitsentgelts andererseits zu unterscheiden. Erstere sind bereits mit Erbringung der anderweitig vor-

190 1. Teil: Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung

ausgesetzten Arbeitnehmerleistung zeitanteilig erdient, während letztere die Betriebstreue des Arbeitnehmers bis zu dem für die Berechnung des in Bezug genommenen Gehalts maßgeblichen Zeitpunkt voraussetzen und vor diesem Zeitpunkt noch nicht erdient sind. Bei einer vorzeitigen Änderung der Versorgungszusage ist lediglich die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor der Änderung erreichten Gehaltes durch die bis dahin geleistete Betriebstreue des Arbeitnehmers erdient. *** Als wesentliches Ergebnis des 1. Teils der Untersuchung bleibt folgendes festzuhalten: § 2 hat ergeben, daß Betriebsvereinbarungen privatrechtliche Normsetzungsverträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind, welche regelmäßig allein kraft staatlicher Anerkennung normativ auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einwirken. Dies gilt insbesondere für Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Die Betriebspartner können eine betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung einführen und durch nachfolgende Betriebsvereinbarung wieder aufheben oder verschlechtern. Damit ist jedoch noch nichts Abschließendes über die Auswirkungen einer verschlechternden Betriebsvereinbarung auf die Rechtspositionen der Arbeitnehmer gesagt. Die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen berühren die beiden bereits in § 1 angesprochenen Gerechtigkeitsmaximen, die ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva). § 3 hat ergeben, daß den Arbeitnehmern mit einer Versorgungszusage Entgelt für eine Leistung – nämlich Arbeitsleistung, Betriebstreue oder beides – versprochen wird und daß das Erbringen eines Teils der vorausgesetzten Leistung bereits zum Erwerb einer schuldrechtlichen Versorgungsanwartschaft führen kann. Daran schließt sich im folgenden 2. Teil der Untersuchung die Frage an, welche Bedeutung für die Rechtsposition eines Arbeitnehmers der Umstand hat, daß die Versorgungszusage nicht kraft eines individualarbeitsrechtlichen, vertraglichen Gestaltungsmittels erteilt worden ist, sondern lediglich über die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis einwirkt. Es geht dabei um die Frage, ob die durch die soeben ermittelte entgeltliche Struktur geschaffene Rechtsposition des Arbeitnehmers nicht bereits durch die normative Einwirkung der Betriebsvereinbarung oder jedenfalls durch die erbrachte Vorleistung des Arbeitnehmers ein integraler Bestandteil des Individualarbeitsverhältnisses geworden ist, der von den Betriebspartnern in seinem Bestand nicht mehr beeinflußt werden kann (§ 4). Angesprochen sind damit zugleich Fragen der Reichweite der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis. Anschließend sind diese Fragen auch für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer und für Betriebsrentner zu klären (§ 5).

2. Teil

Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel vor dem Hintergrund der Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis Im folgenden sollen die Perspektiven beleuchtet werden, die sich zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer Veränderung der Versorgungszusage durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung bereits daraus ergeben, daß die Versorgungszusage nicht kraft eines individualarbeitsrechtlichen, vertraglichen Gestaltungsmittels erteilt worden ist, sondern lediglich über die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis einwirkt. Dabei ist zwischen der Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer (§ 4) und der Wirkung auf die Rechtsverhältnisse vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer und Ruheständler (§ 5) zu differenzieren. Es geht dabei zunächst um die Frage, ob die mittels der soeben in § 3 ermittelten entgeltlichen Struktur geschaffene Rechtsstellung des Arbeitnehmers nicht bereits durch die normative Einwirkung der Betriebsvereinbarung oder jedenfalls durch die erbrachte Vorleistung des Arbeitnehmers ein integraler Bestandteil des Individualarbeitsverhältnisses geworden ist, der von den Betriebspartnern in seinem Bestand nicht mehr beeinflußt werden kann (§ 4). Angesprochen wäre damit zugleich die Reichweite der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis. Anschließend ist die Frage der Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen auf die Rechtsverhältnisse der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer und der Betriebsrentner zu klären (§ 5). Damit ist der personelle Geltungsbereich der betrieblichen Mitbestimmung angesprochen. Das Bundesarbeitsgericht betont seit einer Entscheidung seines Großen Senats von 1956, daß Betriebsvereinbarungen keine normative Wirkung gegenüber Betriebsrentnern hätten, und begründet dies damit, daß es an einem die Betriebszugehörigkeit vermittelnden Arbeitsverhältnis sowie an der erforderlichen Legitimation der Betriebspartner zur Regelung der Rechtsverhältnisse aus dem Betrieb Ausgeschiedener fehle, da diese bei den Betriebsratswahlen nicht mehr wahlberechtigt seien.1 Entsprechen1 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4/4R.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

des dürfte unter Geltung des Betriebsrentengesetzes für solche Arbeitnehmer gelten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Sollten nachfolgende Betriebsvereinbarungen gegenüber den aktiven Arbeitnehmern, den vorzeitig Ausgeschiedenen oder den Betriebsrentnern keine Wirkung entfalten, stellte sich die gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen nicht als Problem der inhaltsorientierten Kontrolle, sondern als Kompetenzproblem dar. Insoweit wäre ein absoluter Schutz der betroffenen Personenkreise vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen darstellbar. Die Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ gälte insoweit nicht. Eine Verschlechterung der Rechtsstellung der Arbeitnehmer könnte dann ausschließlich erfolgen, wenn ein Änderungsvorbehalt vorläge.

§ 4 Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber aktiven Arbeitnehmern Der gerichtlichen Kontrolle einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung bedarf es nur, wenn eine nachfolgende Betriebsvereinbarung sich auf die Rechtsposition des Arbeitnehmers auswirkt, der im Vertrauen auf den Fortbestand der älteren Betriebsvereinbarung vorgeleistet hat. Die Wirkung auf die Rechtsposition des Arbeitnehmers wird jedoch verbreitet geleugnet.2 In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf die Diskussion um die Rechtsfolgen einer Kündigung von Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung.3 Dabei geht es um die Frage eines „individualrechtlichen Kerns“ der Betriebsvereinbarung, der von Kündigungen unberührt bleiben soll4 und möglicherweise auch von einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung unberührt bleibt. Dieser Ansatz hat verwandtschaftliche Bezüge zu der von Siebert5 geprägten Lehre vom kollektivfreien Individualbereich. Danach soll den Kollektivvertragsparteien bereits die Kompetenz zum Eingriff in solche „gewordenen Individualrechte“6 fehlen. Im Gegensatz zu diesen kompetentiellen Ansätzen steht die des Bundesarbeitsgerichtes. Das Bundesarbeitsgericht hat im mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung betont, daß es eines Anspruches auf betriebliche Versorgungsleistungen nicht

Rechtsprechung Zusammenhang für den Erwerb hinreichend sei,

2 So etwa – mit unterschiedlicher Akzentuierung und Reichweite – H. Hanau, RdA 1998, 345 (351); P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (88 f.); Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 136). 3 Zum Besitzstandsschutz nach Kündigung von Betriebsvereinbarungen vgl. GKBetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 404 m.w. N. 4 So insbesondere P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (88 f.). 5 Siebert, BB 1953, 241 (242); derselbe, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 128). 6 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 136).

§ 4 Wirkung gegenüber aktiven Arbeitnehmern

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daß der Arbeitgeber einmal in einer Betriebsvereinbarung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine betriebliche Altersversorgung versprochen habe und daß der Arbeitnehmer diese Voraussetzungen später erfülle.7 Der Anspruchserwerb setze auch voraus, daß sie unter Geltung der Betriebsvereinbarung erfüllt würden.8 Da Versorgungsansprüche in der Regel durch den Eintritt des Versorgungsfalles aufschiebend bedingt seien, seien sie bis zu dessen Eintritt noch nicht entstanden und könnten demnach auch nicht mehr entstehen, wenn die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung zum maßgeblichen Zeitpunkt keinen Bestand mehr habe. Der Schutz der Vorleistung des Arbeitnehmers bedarf aufgrund dieser Prämissen einer besonderen Begründung. Das Bundesarbeitsgericht erreicht diesen Schutz durch die nicht näher begründete Anwendung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.9 Noch intensiver als eine Kündigung kann – je nach Ausgestaltung – eine nachfolgende Betriebsvereinbarung wirken. Bei rein regelungstechnischer Betrachtung gilt folgendes: Ändert eine nachfolgende Betriebsvereinbarung die Anspruchsvoraussetzungen eines noch nicht entstandenen Anspruchs, etwa des Anspruches auf betriebliche Altersversorgung vor Eintritt des Versorgungsfalles, so kommt der Anspruch nur unter den geänderten Voraussetzungen zur Entstehung; insoweit ergibt sich lediglich ein Problem der sogenannten unechten Rückwirkung.10 Darüber hinaus ist bei rein regelungstechnischer Betrachtung auch die rückwirkende Beseitigung bereits entstandener und fälliger Ansprüche möglich (sogenannte echte Rückwirkung). Da das Versorgungsversprechen durch den Eintritt in den Ruhestand aufschiebend bedingt ist, wird letztere Problematik nur gegenüber Ruheständlern relevant. Bei diesen ist jedoch fraglich, ob sie überhaupt von der Normwirkung einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung erfaßt werden.11 7 So aber LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 382/95 –, LAGE § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 1, S. 9; LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 229/95 –, BB 1998, 1010 (Leitsatz); Molkenbur/Roßmanith, AuR 1990, 333 (339); Roßmanith, DB 1999, 634 (636 f.). Zur Kritik am Ansatz von Molkenbur/Roßmanith vgl. auch Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 125 ff. 8 BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (387); BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 9 BAG, Beschluß vom 10.03.1992 – 3 ABR 54/91 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/ 98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/ 00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6. 10 Zur Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung vgl. auch unten § 7 E. I. 1., S. 302. 11 Dazu unten § 5 A., S. 225 ff.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

Das Bundesarbeitsgericht gewährt auch bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen einen Schutz der Vorleistung des Arbeitnehmers aufgrund der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.12 Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichtes stellt dabei nunmehr eine ausdrückliche Beziehung der Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen zum rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot her, indem er in dem Schutz erdienter Anwartschaften vor Entzug durch nachfolgende Betriebsvereinbarung eine Beschränkung der sogenannten unechten Rückwirkung,13 auch tatbestandliche Rückanknüpfung genannt,14 sieht.15 Die Parallelisierung der Auswirkungen von Kündigung und nachfolgender Betriebsvereinbarung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes folgt dem Gedanken, daß der Arbeitgeber mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung nicht mehr erreichen dürfe als bei Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung.16 Im folgenden ist der dogmatische Ansatz des Bundesarbeitsgerichtes, daß es sich bei der nachfolgenden Betriebsvereinbarung um ein Problem der Rechtskontrolle und nicht um ein Problem der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner handele, kritisch zu hinterfragen. Fraglich ist dabei zunächst, ob die aufgrund der Betriebsvereinbarung erwachsene subjektive Rechtsposition des Arbeitnehmers aufgrund ihrer Einordnung in die Dichotomie von individualrechtlichem und kollektivrechtlichem Charakter einen besonderen Schutz vor Verschlechterungen erfährt. Dabei gilt es zunächst – A. –, den Unterschied zwischen Individualrecht und Kollektivrecht vor dem Hintergrund seiner verschiedenen Bedeutungsebenen zu 12 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 3 AZR 81/02 –, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 101/02 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R. 13 So der vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichtes verwandte Begriff, vgl. etwa BVerfG, Beschluß vom 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82 –, BVerfGE 68, 287 (306); BVerfG, Beschluß vom 13.05.1986 – 1 BvR 99, 461/85 –, BVerfGE 72, 175 (196). 14 So der vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes verwandte Begriff, vgl. BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (243); BVerfG, Beschluß vom 08.06.1988 – 2 BvL 9/85, 3/86 –, BVerfGE 78, 249 (283 f.); BVerfG, Beschluß vom 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 –, BVerfGE 83, 89 (110). 15 BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R. 16 BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; vgl. auch bereits BAG, Urteil vom 18.04.1989 – 3 AZR 688/87 –, AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3.

§ 4 Wirkung gegenüber aktiven Arbeitnehmern

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analysieren. Zu fragen ist sodann, inwieweit diese Erkenntnisse für die aus der Betriebsvereinbarung erwachsene Rechtsposition des Arbeitnehmers nutzbar gemacht werden können. Sollte es sich nämlich um eine „individualrechtliche“ Rechtsposition handeln, könnte den Betriebspartnern für eine verschlechternde Betriebsvereinbarung bereits die Normsetzungsbefugnis fehlen17 oder es käme jedenfalls gegenüber einer verschlechternden Betriebsvereinbarung ein Schutz der Rechtsposition des Arbeitnehmers qua Günstigkeitsvergleich analog § 4 III TVG in Betracht.18 In beiden Fällen fehlte es bereits an einer Wirkung der nachfolgenden Betriebsvereinbarung auf die Rechtsposition des Arbeitnehmers, so daß für eine Rechtskontrolle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes weder Notwendigkeit bestünde noch Raum bliebe. Insoweit könnte insbesondere die entsprechende Anwendung des Günstigkeitsprinzips19 der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner Grenzen setzen. Auch wäre an eine entsprechende Anwendung der §§ 2 I, 1 II KSchG zur Begrenzung der Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ zu denken,20 wie sie für die Begrenzung der Ablösungswirkung umstrukturierender Betriebsvereinbarungen gegenüber vertraglichen Einheitsregelungen erwogen wurde.21 Zu erwägen wäre ferner ein Verständnis der Betriebsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter und eine daraus resultierende Anwendung des § 328 II BGB als Regelungsschranke für nachfolgende Betriebsvereinbarungen.22 Ein individualrechtlicher Charakter könnte sich ergeben – B. – unmittelbar aus der normativen Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis, – C. – aus einem hinter der normativen Wirkung der Betriebsvereinbarung stehenden „individualrechtlichen Kern“ oder – D. – daraus, daß der Arbeitnehmer eine Vorleistung von Arbeit beziehungsweise Betriebstreue entsprechend dem oben in § 3 ermittelten Charakter seiner Leistung erbracht hat.

17 So insbesondere Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 133 f.); ähnlich in neuerer Zeit Reichold, Sozialprivatrecht, S. 547. 18 So für bereits unbedingt und unbefristet entstandene Arbeitnehmeransprüche, nicht aber für die hier interessierenden Versorgungsanwartschaften Rolfs, RdA 2006, 349 (355 f.). Zur Geltung des Günstigkeitsprinzips in der Betriebsverfassung nur Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 82 m.w. N. 19 Vgl. S. 195 Fn. 18. 20 Reichold, Anm. AP Nr. 84 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 8R. 21 Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (53); derselbe, NZA 1985, 641 (647). 22 Dafür Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 110 ff., 112.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

A. Individual- und Kollektivrecht und subjektive Rechtspositionen der Arbeitnehmer Die Unterscheidung von Individual- und Kollektivrecht läßt sich auf mehreren Bedeutungsebenen treffen, zum einen auf der Ebene des Zustandekommens einer Regelung als Individualarbeitsvertrag oder als Kollektivvertrag, zum anderen auf der Ebene der Wirkung auf das Individualarbeitsverhältnis, die rechtsgeschäftlicher oder normativer Natur sein kann. Und schließlich kann der Regelungsgegenstand selbst einen individuellen oder – wie bei betrieblichen Sozialleistungen verbreitet – einen kollektiven Bezug aufweisen. Dem kollektiven Bezug betrieblicher Sozialleistungen läßt sich für die hier interessierende Kollision zweier Betriebsvereinbarungen kein Lösungsansatz abgewinnen. Seine historische Bedeutung hat der kollektive Bezug daher auch allein in der Kollision von individualvertraglichen und kollektivvertraglichen Gestaltungsmitteln, so etwa im Ordnungsprinzip Nipperdeyscher Prägung23 für die Kollision allgemeiner Arbeitsbedingungen mit einer Betriebsvereinbarung. Ebensowenig läßt sich allein mit dem Zustandekommen einer Regelung als Kollektivvertrag bereits etwas über die durch sie vermittelte Rechtsposition aussagen. Für die Rechtsposition des Arbeitnehmers, das heißt seine subjektiven Rechte, von primärer Bedeutung ist die Wirkung einer Regelung in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis. Nur über die Wirkungsweise der Betriebsvereinbarung läßt sich die Bestandsfestigkeit der durch sie vermittelten Rechtspositionen erklären. Dabei ist nicht zu leugnen, daß etwa das Zustandekommen einer individualvertraglichen Regelung in Bezug steht zu ihrer Wirkung auf das Arbeitsverhältnis. Es gibt also Wechselwirkungen zwischen Zustandekommen und Wirkung einer Regelung, denen sogleich sub B. nachzugehen sein wird.

B. Normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen und Individualrecht Für die Rechtsposition des Arbeitnehmers, das heißt seine subjektiven Rechte von primärer Bedeutung ist die Wirkung einer Regelung in bezug auf das Individualarbeitsverhältnis. Diese ist bei der Betriebsvereinbarung – wie auch beim Tarifvertrag – eine normative.24 Kollektivrechtlicher Charakter setzt zwar keine normative Wirkung voraus, jedoch ist auf Basis des herrschenden Normbegriffes keine normative Wirkung möglich, die individualrechtlichen Charakter hätte. Denn abgesehen vom Ansatz der durch Kelsen geprägten Wiener Schule, wonach eine Norm bereits dann vorliegen soll, wenn eine Regelung ein Verhalten 23 24

A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/17, § 30 VII 3, S. 593. Dazu bereits oben § 2 B. I. 2., S. 62.

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als gesollt festlegt,25 setzt eine Rechtsnorm – neben der Generalität26 – gerade Heteronomität in der Wirkung voraus.27 Dementsprechend ist individualrechtlicher Charakter mit nichtnormativen Wirkungsweisen verbunden. Dies gilt unabhängig davon, ob die normative Wirkung einer Regelung vordergründig autonom, wie der Tarifvertrag,28 oder heteronom, wie regelmäßig die Betriebsvereinbarung,29 legitimiert ist. Denn wegen des staatlichen Rechtsanerkennungsmonopols hängt Normativität letztlich von einem staatlichen Geltungsbefehl und nicht von der Anerkennung durch die Normunterworfenen ab.30 Der weitergehende Kelsensche Ansatz hat sich im übrigen zu Recht nicht durchsetzen können. Denn er bricht nicht nur mit der seit den Zeiten der Pandektistik31 die Rechtstheorie prägenden Dichotomie von Rechtsnorm und Rechtsgeschäft. Vor allem wird er der Unterscheidung in unserer Rechtsordnung zwischen Rechtsgeschäft und Rechtsnorm weder in funktioneller32 noch in materieller33 Hinsicht gerecht. Betriebsvereinbarungen gestalten das Arbeitsverhältnis mittels normativer Wirkung.34 Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob es sich dabei um ein Eingehen der in der Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen in

Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 4; Kelsen, 2. Festschrift für Nipperdey I, S. 57 (59). Daher werden von der reine Rechtslehre auch privatrechtliche Verträge als Normen angesehen, vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 263 ff. 26 BSG, Urteil vom 30.05.1969 – 6 RKa 13/67 –, BSGE 29, 254 (258); BSG, Urteil vom 27.04.1978 – 8/3 RK 37/76 –, BSGE 46, 155 (156); BSG, Urteil vom 13.07.1978 – 8/3 RK 21/77 –, BSGE 47, 21 (22); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, § 1 IV 5 a, S. 64 f. m.w. N., § 1 IV 9, S. 95. 27 BSG, Urteil vom 30.05.1969 – 6 RKa 13/67 –, BSGE 29, 254 (258); Achterberg, Rechtsnorm, S. 183 (187); Dulckeit, Recht und Staat 158/159 (1951), S. 34; Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 5 I, S. 76 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, § 1 IV 8 a, S. 84; Marburger, Regeln der Technik im Recht, S. 286; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 107, 110, 113; Richardi, Kollektivgewalt, S. 33; H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 162; Zöllner, Die Rechtsnatur der Tarifnormen, S. 29 ff. 28 So die ganz h. M., vgl. nur BVerfG, Urteil vom 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, AP Nr. 1 zu Art. 9 GG, Bl. 2R/3; ErfK7 /Dieterich, Art. 9 GG Rz. 50, 56; ErfK7 / Franzen, § 1 TVG Rz. 3. 29 Dazu bereits oben § 2 B. II., S. 64 ff. 30 Dazu bereits oben § 2 B. II. 2. b) aa), S. 76. Ebenso F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 93. 31 Vgl. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 11 f.; Windscheid/ Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I9, §§ 14 ff., S. 38 ff., § 37.1, S. 155 f., § 68, S. 308, § 69 A 1, S. 310 ff. 32 Hierzu im einzelnen die Kritik bei Richardi, Kollektivgewalt, S. 33 f. 33 Hierzu im einzelnen die Kritik bei Flume, AT II4, § 1.4, S. 5 f.; Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, § 5 II, S. 78 f., § 5 III, S. 80 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 33 f., 48; Säcker, Gruppenautonomie, S. 270–282. 34 Dazu bereits oben § 2 B. I. 2., S. 62. 25

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das Arbeitsverhältnis handelt, ohne Vertragsbestandteil zu werden,35 oder um das Gestalten des Arbeitsverhältnisses von außen.36 Die gleiche Problematik stellt sich bei der Wirkung von Tarifnormen,37 an welche der Gesetzgeber mit § 77 IV 1 BetrVG anknüpfte.38 Auch eine Tarifnorm bleibt nach der ganz herrschenden Meinung auf der Ebene des Gesetzesrechts insofern, als sie nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages wird.39 Ob ihr Inhalt in dem von ihr beherrschten Rechtsverhältnis in konkreter Gestalt wiedererscheint und damit Bestandteil des Arbeitsverhältnisses wird,40 oder ob die Tarifnormen ein von außen bestimmender Faktor sind, der nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses wird,41 hängt ebenso wie bei der Betriebsvereinbarung von der Wirkungsweise ab, die man – I. – Rechtsnormen auf vertragliche Rechtsverhältnisse im allgemeinen und – II. – Rechtsnormen in Kollektivverträgen auf Arbeitsverhältnisse im besonderen zuerkennt. I. Wirkung von Rechtsnormen auf vertragliche Rechtsverhältnisse Um die Wirkung von Rechtsnormen auf vertragliche Rechtsverhältnisse erklären zu können, bedarf es einer Betrachtung des rechtstheoretischen Hintergrundes der Normwirkung. Auch hier spiegelt sich der eingangs sub B. bereits geschilderte Gegensatz zwischen traditionellem und Kelsenschem Normverständnis wider.

35 So zum BetrVG 1972 Kreutz, Betriebsautonomie, § 3 II 1 b, S. 53; GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 Rz. 213; GK-BetrVG3 /Thiele, § 77 Rz. 154. Zum BetrVG 1952 bereits W. Müller, Die Grenzen der normativen Gestaltungswirkung der Betriebsvereinbarung, S. 135; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 373; Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 VIII 1 b, S. 287 f. 36 So zum BetrVG 1972 BAG, Urteil vom 21.09.1989 – 1 AZR 454/88 –, AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5/5R; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 125; Hess/Schlochauer/ Worzalla/Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 181; Lange, Die Betriebsvereinbarung nach Wegfall des Betriebsrates, S. 71; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 25; Niebler, Betriebsvereinbarungsautonomie, S. 17; Richardi, NZA 1990, 331 (333); Säcker, AR-Blattei D-Blatt Betriebsvereinbarung I, 10. Forts.-Blatt R; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 375. Zum BetrVG 1952 bereits BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R; Bulla, DB 1962, 1207 (1207); A. Hueck/Nipperdey/ Säcker, Arbeitsrecht II/27, § 65 C IV 1, S. 1266. 37 Nikisch, Arbeitsrecht II2, § 79 II 2, S. 386 f. 38 BT-Drucksache VI/1786, S. 47. 39 Exemplarisch Nikisch, Arbeitsrecht II2, § 79 II 2, S. 386; A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/17, § 27 II, S. 536. Anderer Ansicht aber nunmehr MünchArbR2 /Löwisch/Rieble, § 270 Rz. 20 a. E.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 1225. 40 So Nikisch, Arbeitsrecht II2, § 79 II 2, S. 386. 41 So A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/17, § 27 II, S. 536 f., insbesondere auch in Fn. 10.

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Nach Kelsen besteht auch bei gesetzlichen Normen, die auf das Rechtsverhältnis der Vertragsparteien untereinander einwirken, kein Unterschied zwischen der Norm und den durch sie konstituierten Pflichten.42 Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß das Rechtsverhältnis und der Norminhalt eins sind, die Rechtsnormen also unmittelbar Inhalt des Vertragsverhältnisses werden. Die gegen diesen Kelsenschen Ansatz sprechenden Argumente wurden bereits oben sub B. kurz skizziert. Insbesondere ist nochmals zu betonen, daß mit ihm die unserer Rechtsordnung zugrunde liegende Dichotomie von Rechtsnorm und Rechtsgeschäft ignoriert würde. Hinzu tritt der Aspekt der unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit durch die mit ihm verbundene Aufhebung des Unterschiedes zwischen der Wirkung von Rechtsgeschäft und Rechtsnorm auf das Rechtsverhältnis. Denn letztlich ist ein Eingehen des Inhaltes einer Rechtsnorm in ein Vertragsverhältnis nicht erforderlich, um ihre unmittelbare und gegebenenfalls auch zwingende Wirkung auf dieses Rechtsverhältnis durchzusetzen. Hierzu ist ein Einwirken der Rechtsnorm auf das Vertragsverhältnis von außen ebenso geeignet wie auch hinreichend. Alles darüber Hinausgehende würde die Vertragsfreiheit der Parteien als Ausdruck der über Art. 2 I GG verfassungsmäßig gewährleisteten Privatautonomie (beziehungsweise die Arbeitsvertragsfreiheit als Ausdruck der – hier spezielleren – über Art. 12 I GG geschützten Berufsausübungsfreiheit) unverhältnismäßig beeinträchtigten. Denn Privatautonomie bedeutet gerade die Selbstgestaltung der Rechtsbeziehungen durch den einzelnen nach seinem eigenen Willen.43 Besonders deutlich zeigt sich diese unverhältnismäßige Beeinträchtigung am Beispiel der außer Kraft getretenen Rechtsnorm. Ein Eingehen des Inhaltes der Rechtsnorm in das Vertragsverhältnis hätte nämlich zur Folge, daß ihr Inhalt auch über die Gültigkeit der Rechtsnorm hinaus für die Parteien festgeschrieben wäre, es mithin einer ausdrücklichen Vertragsänderung bedürfte, um ihre Wirkung zu beseitigen. Eine solche überschießende (Nach-)Wirkung aber bedürfte als Einschränkung der Gestaltungsmacht der Vertragsparteien einer besonderen Rechtfertigung. Diese mag vielleicht im Einzelfall gefunden werden, abstrakt und generell postulieren läßt sie sich jedoch nicht. II. Besonderheiten der Wirkung von Kollektivvertragsnormen Bestätigt wird diese Einschätzung durch den Blick auf die Besonderheiten der Wirkung von Kollektivvertragsnormen. Sowohl § 4 V TVG für den Tarifvertrag als auch § 77 VI BetrVG für die Betriebsvereinbarung im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ordnen die Nachwirkung der darin enthaltenen Rechtsnormen explizit an. Diese gesetzlichen Regelungen aber wären überflüs42 43

Kelsen, Reine Rechtslehre2, S. 169. Flume, AT II4, § 1.1, S. 1.

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sig, wenn der Inhalt der normativen Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen eo ipso zum Bestandteil der Arbeitsverhältnisse würde. Das gleiche gilt für die Regelung des § 613a I 2 BGB, wonach durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelte Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer werden. Der Gesetzgeber geht mithin in der dogmatischen Konzeption sowohl der §§ 4 V TVG, 77 VI BetrVG als auch des § 613a I 2 BGB stillschweigend davon aus, daß der Inhalt der normativen Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen weder Bestandteil der Arbeitsverträge44 noch der durch sie begründeten Arbeitsverhältnisse wird. Die für die gegenteilige Annahme erforderliche besondere Rechtfertigung vor der Privatautonomie ist im übrigen auch für Kollektivverträge nicht erkennbar. Ein Eingehen des Norminhaltes in das Arbeitsverhältnis, ohne Bestandteil des Arbeitsvertrages zu werden, wäre daher allenfalls privatautonomiekonform erklärbar, wenn man die Normen der Kollektivverträge als „akzeptierte Wahlnormen“ im Meyer-Cordingschen Sinne45 auffaßte. Ihre Wirkung auf das Arbeitsverhältnis wäre dann durch den Arbeitsvertrag legitimiert. Damit aber wäre die Brücke zurück zum status- beziehungsweise verbandsrechtlichen Verständnis des Arbeitsvertrages geschlagen,46 dessen Unhaltbarkeit bereits oben in § 2 eingehend belegt worden ist.47 Es verbleibt mithin nur die Möglichkeit, die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Betriebsvereinbarungen mittels normativer Wirkung als Gestalten des Arbeitsverhältnisses von außen zu verstehen. Damit aber ergibt sich ein etwa die Anwendung des Günstigkeitsprinzips gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen oder gar eine Beschränkung der betrieblichen Normsetzungskompetenz bezüglich nachfolgender Betriebsvereinbarungen rechtfertigender individualrechtlicher Charakter von Betriebsvereinbarungen jedenfalls nicht aus ihrer bloßen Einwirkung auf das Individualarbeitsverhältnis.

C. „Individualrechtlicher Kern“ von Betriebsvereinbarungen? Ein besonders geschütztes, selbständiges Individualrecht als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses ergibt sich auch nicht aus einem von der normativen Wirkung lediglich überlagerten „individualrechtlichen Kern“ der Betriebsvereinba44 Dazu oben bereits § 2 B. I. 1., S. 60 ff., sowie Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 33 f.; Däubler, AuR 1984, 1 (4); Nebel, Die Normen des Betriebsverbandes S. 172; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 376. 45 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 12.3, S. 47. 46 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, § 12.2, S. 46, § 12.3, S. 47. 47 Dazu oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff.

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rung.48 Dabei ist es im Ergebnis zwar zutreffend, in der Begründung jedoch zu kurz greifend, einen individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung mit dem bloßen Hinweis auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch die Betriebsvereinbarung von außen abzulehnen.49 Denn die Frage nach dem „individualrechtlichen Kern“ der Betriebsvereinbarung ist untrennbar mit der bereits oben in § 2 diskutierten Frage nach ihrem Geltungsgrund50 und der Frage nach ihrem Regelungsgegenstand, für diese Untersuchung also der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, verbunden. I. Individualrecht als Ausfluß einer Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung? Insbesondere läßt sich ein individualrechtlicher Kern von Betriebsvereinbarungen nicht daraus folgern, daß ihr Regelungsgehalt, insbesondere bei betrieblichen Sozialleistungen, eine Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung schaffe.51 Zweifeln an der Berechtigung dieser Prämisse wird erst im Rahmen der materiellen Kontrollkriterien für nachfolgende Betriebsvereinbarungen52 nachzugehen sein. Denn selbst wenn Betriebsvereinbarungen eine Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung schüfen, verböte sich der Rückschluß aus dieser materiellen Qualifizierung auf die formelle Einordnung der durch sie vermittelten Rechtspositionen der Arbeitnehmer.53 Denn eine individualrechtliche Rechtsposition 48 So aber P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (88); MünchArbR2 /P. Hanau, § 62 Rz. 98; P. Hanau, Anm. AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 9; zustimmend H. Hanau, RdA 1998, 345 (351). Ähnlich Blomeyer, DB 1990, 173 (177): Die gekündigte Betriebsvereinbarung über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung lebe in den Einzelverträgen der Arbeitnehmer fort (Explizit anders später Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (236) vor und in Fn. 64: normative Fortwirkung). Nur im Ergebnis ähnlich, in der dogmatischen Konstruktion jedoch offen LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 229/95 –, Juris Rz. 69; LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 382/95 –, LAGE § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 1, S. 9; Molkenbur/Roßmanith, AuR 1990, 333 (339); Roßmanith, DB 1999, 634 (636); die dem Arbeitnehmer bereits mit Abschluß einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung eine „Anwartschaft“ einräumen wollen. In diese Richtung auch Rühle, Betriebliche Altersversorgung und Mitbestimmung des Betriebsrats, der eine bereits erteilte Zusage betrieblicher Altersversorgung für bindend hält (S. 209) und einer Verbleibebedingung im Falle ihrer Nichterfüllung lediglich anspruchsvernichtende Wirkung zuerkennen will (S. 55). 49 So aber Engelhardt, Kündigung und Nachwirkung von teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen, S. 133. 50 Oben § 2 B. II., S. 64 ff. 51 So aber P. Hanau, RdA 1989, 207 (208). 52 Unten § 9 B. II. 1. b), S. 326 ff. 53 Konsequent daher Reichold, Sozialprivatrecht, S. 545; derselbe, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (289); der den formalen Rechtsetzungscharakter anerkennt und nur materiellrechtlich eine Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung sieht.

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des Arbeitnehmers kann als immanenter Bestandteil des Individualarbeitsverhältnisses nur aufgrund einer arbeitsvertraglichen und damit privatautonomen Legitimation eines Leistungsbestimmungsrechtes durch den Arbeitnehmer entstehen.54 An dieser fehlt es jedoch, wie bereits in § 2 eingehend dargelegt,55 für die Einwirkung von Betriebsvereinbarungen auf das Individualarbeitsverhältnis, insbesondere im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen. Hinzu tritt, daß – wie bereits oben zu B. II. dargelegt – der Gesetzgeber in der dogmatischen Konzeption sowohl der Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 VI BetrVG als auch ihrer Fortgeltung im Zusammenhang mit Betriebsübergängen gemäß § 613a I 2 BGB stillschweigend davon ausgeht, daß der Inhalt der normativen Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen nicht ohne weiteres Bestandteil der Arbeitsverhältnisse wird. Eine individualrechtliche Rechtsposition kann damit allein mit der Einwirkung des normativen Teils einer Betriebsvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis nicht begründet werden. II. Individualrecht als Ausfluß der Möglichkeit zu individualrechtlicher Regelung? Ein „individualrechtlicher Kern“ von Betriebsvereinbarungen, insbesondere von solchen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, läßt sich ebenfalls nicht über die Möglichkeit des Arbeitgebers begründen, mittels individualrechtlicher Instrumentarien wie betrieblicher Übung oder Gesamtzusage Leistungen betrieblicher Altersversorgung zuzusagen, da sich aus dieser Möglichkeit bereits keine Legitimation der Normwirkung der Betriebsvereinbarung ableiten läßt.56 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die eine Umdeutung nichtiger Betriebsvereinbarungen in Gesamtzusagen grundsätzlich für möglich hält,57 was gemäß § 140 BGB voraussetzen würde, daß die Gesamtzusage wesensgleiches Minus der Betriebsvereinbarung wäre. Gerade dies ist aber nicht der Fall, da individualrechtliche und kollektivrechtliche Instrumentarien wegen ihrer unterschiedlichen Wirkung streng voneinander zu unterscheiden sind. Denn während Vergünstigungen, die Bestandteil 54 Vgl. Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 17; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 86; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 59 f. 55 Oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. 56 Dazu bereits oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. 57 BAG, Urteil vom 23.08.1989 – 5 AZR 391/88 –, AP Nr. 42 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 24.01.1996 – 1 AZR 597/95 –, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3; BAG, Urteil vom 05.03.1997 – 4 AZR 532/95 –, AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5; BAG, Urteil vom 21.10.1998 – 10 AZR 770/ 97 –, AP Nr. 11 zu § 140 BGB, Bl. 2; BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 4R/5.

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des Arbeitsvertrages sind, deshalb bestandsgeschützt sind, weil sie über die §§ 1, 2 KSchG und über § 315 BGB am Vertragsinhaltsschutz teilhaben, ist ein solcher Bestandsschutz außerhalb des arbeitsvertraglichen Bereiches gerade nicht gewollt.58 Im Regelfall scheitert aber auch auf Grundlage der Judikatur des Bundesarbeitsgerichtes eine Argumentation im oben genannten Sinne, da ein besonderer Verpflichtungswille des Arbeitgebers erforderlich ist,59 an dem es zumeist fehlen dürfte.60 III. Individualrecht aufgrund der Besonderheiten des Regelungsgegenstandes betrieblicher Altersversorgung? Auch der Gegenstand der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigt keine andere Wertung. 1. Vertrag zugunsten Dritter? Insbesondere stellt sich die Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung nicht als Vertrag zugunsten Dritter dar,61 der Anwartschaften und Ansprüche individualrechtlichen Charakters auf seiten der Arbeitnehmer begründen könnte. Die Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erfolgt im normativen Teil der Betriebsvereinbarung, dem gerade keine schuldrechtliche Wirkung zwischen den Betriebspartnern und erst recht nicht zugunsten Dritter zukommt. Dem steht auch nicht entgegen, daß es den Betriebspartnern unbenommen ist, in einer Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber lediglich gegenüber dem Betriebsrat verpflichtende oder ermächtigende schuldrechtliche Abreden zu treffen.62 Denn diese schuldrechtlichen Abreden werden von der normativen Wir58 So treffend Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 79. Ähnlich Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 82. 59 Vgl. nur BAG, Urteil vom 13.08.1980 – 5 AZR 325/78 –, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3 (obiter dictum); BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 5; Birk, ZfA 1986, 73 (103); Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 105; v. Hoyningen-Huene, DB 1984, Beilage 1, S. 1 (S. 8). 60 Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 78. 61 So aber für begünstigende Betriebsvereinbarungen Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 110 ff. Für eine zumindest materielle Vergleichbarkeit mit einem Vertrag zugunsten Dritter zuvor bereits P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (90). Für den Tarifvertrag Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 244 bei Fn. 97. 62 So jedenfalls Heinze, NZA 1994, 580 (583); ErfK7 /Kania, § 77 BetrVG Rz. 38; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 46 II 3, S. 535; Galperin/Löwisch, BetrVG6, § 77 Rz. 59; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 59, 133, 190; Richardi, ZfA 1992, 307 (322 f.). Anderer Ansicht Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 50; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 44–47; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 187.

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kung gemäß § 77 IV 1 BetrVG gerade nicht erfaßt,63 stellen also keinen Teilaspekt der normativen Wirkung einer Betriebsvereinbarung dar.64 Umgekehrt wirken auch die Normen einer Betriebsvereinbarung nicht schuldrechtlich im Verhältnis der Betriebspartner zueinander.65 Die Pflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat zur Durchführung der Betriebsvereinbarung folgt nicht aus deren normativem Teil, sondern aus § 77 I 1 BetrVG.66 Daher läßt sich auch nicht ohne weiteres annehmen, der Arbeitgeber wolle mit der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung über die Durchführungspflicht nach § 77 I 1 BetrVG hinaus sich gegenüber dem Betriebsrat vertraglich verpflichten, diese Leistungen gegenüber den Arbeitnehmern zu erbringen und diesen über § 77 IV 1 BetrVG hinaus einen individualvertraglichen Anspruch auf jene Leistungen verschaffen. Vor diesem Hintergrund stößt auch eine Verallgemeinerung67 der vom Bundesarbeitsgericht bereits in der Ruhegeldentscheidung des Großen Senats von 1956 vertretenen These auf Bedenken, eine Betriebsvereinbarung, die Ruhegeldverbesserungen für bereits ausgeschiedene Mitarbeiter vorsehe, könne insoweit als Vertrag zugunsten Dritter zu verstehen sein.68 Später hat das Bundesarbeitsgericht diese Judikatur zwar auch auf Sozialplanabfindungen zugunsten leitender Angestellter ausgedehnt.69 Jedoch hat das Bundesarbeitsgericht die Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter bislang nur in Fällen erwogen, in denen nach seiner Rechtsauffassung die in der Betriebsvereinbarung Begünstigten nicht von deren normativer Wirkung erfaßt wurden.70 Diese Judikatur trägt damit konsequent den besonderen Voraussetzungen eines Vertrages zugunsten Dritter Rechnung, insbesondere, daß ein entsprechender Wille der vertragschließenden Parteien vorhanden sein muß, einen Leistungsanspruch des Dritten zu begründen.71 Dabei erlangt das von den Betriebspartnern intendierte Maß an Bestandskraft der Versorgungszusage besondere Bedeutung. Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 46 II 3, S. 535. So zu Recht Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 77, gegen P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (88). 65 Ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 83. 66 Vgl. nur ErfK7 /Kania, § 77 BetrVG Rz. 5. 67 So aber P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (90). 68 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 5/5R. Der Sache nach für tarifliche Sterbebeihilfen zugunsten Hinterbliebener des Arbeitnehmers auch BAG, Urteil vom 13.11.1985 – 4 AZR 269/84 –, AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, Bl. 4/4R. 69 BAG, Urteil vom 31.01.1979 – 5 AZR 454/77 –, AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5. 70 Vgl. BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 5; BAG, Urteil vom 31.01.1979 – 5 AZR 454/77 –, AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5. 71 Zu dieser Voraussetzung MK-BGB5 /Gottwald, § 328 Rz. 28. 63 64

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Dem Arbeitgeber stehen neben der Betriebsvereinbarung insbesondere auch die Instrumentarien der Gesamtzusage gegenüber den Arbeitnehmern oder der Regelungsabrede als Vertrag mit dem Betriebsrat zugunsten der Arbeitnehmer zur Verfügung, um eine betriebliche Altersversorgung betriebseinheitlich für die aktive Arbeitnehmerschaft zuzusagen. Beide Möglichkeiten zeichnen sich durch einen entsprechend zutage getretenen individualvertraglichen Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers aus. Wählt der Arbeitgeber eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung als Form der Zusage, so hat er diesen gesteigerten Bindungswillen regelmäßig nicht. Er will sich – insbesondere hinsichtlich des mitbestimmungsfreien Dotierungsrahmens – gerade die freie Kündbarkeit gemäß § 77 V BetrVG sichern, welche die Betriebsvereinbarung gegenüber der individualvertraglichen Bindung auszeichnet.72 Vor diesem Hintergrund verbietet es sich daher, einer Betriebsvereinbarung über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die gleiche individualvertragliche Bindungswirkung zuzuerkennen wie einer Zusage durch Regelungsabrede, welche ausnahmsweise – aufgrund eines besonderen Verpflichtungswillens des Arbeitgebers – als Vertrag zugunsten Dritter zu werten sein kann.73 Dem kann auch nicht mit dem Ansatz begegnet werden, die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 77 V BetrVG als Einwendung im Sinne des § 334 BGB zu verstehen.74 Denn in jedem Fall würde die damit verbundene Parallelisierung von normativer und individualvertraglicher Wirkung einen dogmatischen Systembruch bedeuten, und zwar in Gestalt einer Rückkehr zu der dogmatisch überholten Vorstellung des Kollektivvertrages als Bestandteil des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages75 oder zumindest des Arbeitsverhältnisses.76 Die Unhaltbarkeit dieser dogmatischen Konzeptionen wurde jedoch bereits im Rahmen dieser Untersuchung eingehend belegt.77 Sie sind insbesondere vor dem grundrechtlichen Postulat des geringstmöglichen erforderlichen Eingriffes in die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien nicht haltbar.

72 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 82; Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 78. 73 So aber P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (90). 74 So aber Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 112. 75 Ebenso bereits Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 79. Diese Konsequenz verneint auch Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 111. 76 Unklar in der dogmatischen Konzeption der Wirkungsweise von Betriebsvereinbarungen insoweit Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 111. 77 Siehe oben § 2 B. I. 1., S. 60 ff., und § 4 B., S. 196 ff.

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2. Mögliche Folgerungen aus der Besitzstandsschutzrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes Ebensowenig läßt sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Besitzstandsschutz in der betrieblichen Altersversorgung78 und zu den angeblichen Individualansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer79 als Beleg für die Existenz eines individualrechtlichen Kerns der Betriebsvereinbarung heranziehen,80 der auch dem Zugriff einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung a priori entzogen wäre. Wie bereits zu Beginn dieses § 4 dargelegt, knüpft die Besitzstandsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auf der Ebene der materiellrechtlichen Bindung der Betriebspartner an, nicht aber auf der Ebene der Normwirkung oder der Normsetzungskompetenz der Betriebspartner. Sie setzt also gerade voraus, daß die Anwartschaften der Arbeitnehmer auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung durch die verschlechternde Regelung tangiert werden können. Die Besitzstandsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wäre schlichtweg überflüssig, wenn es einen individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung gäbe, der der verschlechternden Regelung durch die Betriebspartner a priori entzogen wäre. Die Besitzstandsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann daher auch nicht als Beleg für einen individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung herhalten. Das gleiche gilt für die von der Rechtsprechung angenommenen Individualansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sollen nämlich die Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer mit deren Eintritt in den Ruhestand zu selbständigen schuldrechtlichen Ansprüchen werden.81 Zweifeln an dieser „Anspruchsmutation“82 wird erst im Zusammenhang mit der Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern und anderweitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern nachzugehen sein.83 Denn einen Schluß auf einen individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung erlaubt diese Judikatur ohnehin nicht, da sie eine Wandlung der Anspruchsgrundlage unterstellt und somit der individualrechtliche Anspruch erst nachträglich entstehen soll.84 Die individualrechtliche Verselbständigung 78

Vgl. S. 193 Fn. 9, S. 194 Fn. 12. BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4R/5; BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2/2R, 3. 80 So aber P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (89). 81 Vgl. S. 206 Fn. 79. 82 So die treffende Bezeichnung bei Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 23. 83 Unten § 5 B., S. 230 ff. 79

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der Rechtspositionen ausgeschiedener Arbeitnehmer stellt sich lediglich als Rechtsreflex der Verneinung der Regelungskompetenz der Betriebspartner für diesen Personenkreis dar, eine originär bestandsschützende Bedeutung – etwa auch für den Bereich der aktiven Arbeitnehmerschaft – kommt ihr nicht zu.85 Durch den bloßen Abschluß einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung wird den Arbeitnehmern auch keineswegs bereits ein gesichertes Anwartschaftsrecht eingeräumt, das zum Vollrecht, das heißt Anspruch unabhängig davon erstarken kann, ob die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung gekündigt86 oder durch eine nachfolgende, verschlechternde Betriebsvereinbarung abgelöst wurde. Eine solche Wirkung ginge nämlich über die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 IV 1 BetrVG hinaus. Wie bereits eingangs erörtert, ist unter der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Betriebsvereinbarungen mittels normativer Wirkung das Gestalten des Arbeitsverhältnisses von außen zu verstehen. Dies aber bedeutet, daß allein die Betriebsvereinbarung selbst in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis Anspruchsgrundlage für eventuelle Ansprüche der Arbeitnehmer sein kann. Insoweit besteht kein Unterschied zur Wirkung gesetzlicher Regelungen.87 Einzig mag man darüber streiten, ob – wie das Bundesarbeitsgericht postuliert – der Anspruchserwerb nur durch Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen unter Geltung der normativ wirkenden Anspruchsgrundlage erfolgen kann.88 Eine solche Sichtweise erweist sich gerade für Betriebsvereinbarungen mit dem Regelungsgegenstand einer betrieblichen Altersversorgung als problematisch, da aufgrund der aufschiebenden Bedingtheit von Versorgungsansprüchen durch den Eintritt des Versorgungsfalls diese erst entstehen, wenn der Anspruchsberechtigte nicht mehr Arbeitnehmer ist89 und für ihn daher – jedenfalls 84 So der zutreffende Hinweis von Lange, Die Betriebsvereinbarung nach Wegfall des Betriebsrates, S. 74 f. 85 Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 96. 86 So aber LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 229/95 –, Juris Rz. 69; LAG Frankfurt, Urteil vom 16.07.1997 – 8 Sa 382/95 –, LAGE § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 1, S. 10; Herbst/Mattes, Anm. AuR 2000, 389 (389); Molkenbur/ Roßmanith, AuR 1990, 333 (339); Roßmanith, DB 1999, 634 (636). Vgl. auch Rühle, Betriebliche Altersversorgung und Mitbestimmung des Betriebsrates, S. 210, der allerdings eine stillschweigend vereinbarte Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung unterstellt und so regelmäßig die Grenzen zulässiger Fortbildung von Betriebsvereinbarungen (vgl. dazu oben § 3 A., S. 92 f.) überschreiten dürfte. 87 Lange, Die Betriebsvereinbarung nach Wegfall des Betriebsrates, S. 71 f. 88 BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (387); BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 89 So die Kritik von Roßmanith, DB 1999, 634 (636).

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

auf Grundlage der unten in § 5 noch kritisch zu überprüfenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes90 – die Betriebsvereinbarung gerade nicht mehr normativ gelten soll. Entscheidend aber ist, daß jedenfalls bei einer Kündigung der Betriebsvereinbarung diese als Anspruchsgrundlage für in der Vergangenheit erdiente Rechtspositionen erhalten bleibt, weil die Kündigung die durch die Betriebsvereinbarung begründete Dauerrechtsbeziehung lediglich für die Zukunft zu beseitigen vermag.91 Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer bei einer Versorgungszusage bereits alle Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die vorausgesetzte Arbeits- oder Betriebstreueleistung erbracht hat, und es nur noch am Eintritt des Versorgungsfalles fehlt.92 Andererseits hat aber die Leistung des Arbeitnehmers, also die Erbringung der für die Versorgungsleistung vorausgesetzten Arbeitsleistung oder Betriebstreue unter der Geltung der Betriebsvereinbarung zu erfolgen. Für nach Beendigung der Betriebsvereinbarung erbrachte Leistungen fehlt es an der notwendigen Verknüpfung mit dem Leistungsversprechen des Arbeitgebers, so daß insoweit keine Anwartschaften und Ansprüche mehr entstehen können.93 Dies betrifft namentlich dienstzeitabhängige Steigerungsraten.94 Bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten hingegen ist zu differenzieren. Soweit die Zusage die Höhe der Altersversorgung an einen Index oder das Tarifgehalt einer bestimmten Tariflohngruppe bindet, ist die damit verbundene Dynamik bereits erworben. Die Betriebsvereinbarung bleibt insoweit Rechtsgrundlage der Anwartschaft. Soweit die Zusage dienstzeitunabhängige Steigerungsraten in Gestalt einer Berechnung der Höhe der Altersversorgung anhand des vor Eintritt in des Versorgungsfalls erreichten Endgehalts enthält, ist der Erwerb noch nicht erfolgt und kann auch nicht mehr erfolgen, da die Zusage die weitere Betriebstreue des Arbeitnehmers voraussetzt und es für die nach Beendigung der Betriebsvereinbarung erbrachte Betriebstreue an der notwendigen Verknüpfung mit dem Leistungsversprechen des Arbeitgebers fehlt. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Anwartschaftsschutz nach der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung95 als fragwürdig. Sie weist einer90 Ständige Rechtsprechung seit BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4. 91 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (234); Käppler, Festschrift für Kissel, S. 475 (S. 492); Käppler, Anm. AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 11R; Lieb, Anm. SAE 1983, 130 (134); Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (294); Strick, Anm. ZIP 2000, 855 (858); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1029). 92 Käppler, Anm. AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 12; Strick, Anm. ZIP 2000, 855 (858); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1032); insoweit ebenso Schulin, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 28, S. 13. 93 Zutreffend Strick, Anm. ZIP 2000, 855 (858). 94 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (236); Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (296); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1033). 95 Vgl. S. 193 Fn. 9.

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seits dogmatisch nicht begründete Schutzdefizite auf, indem sie aufgrund der zu Unrecht unterstellten kassatorischen Wirkung der Kündigung auch bereits erdiente Anwartschaften und dienstzeitunabhängige Steigerungsraten in Gestalt eines Indexbezuges durch Kündigung für entziehbar hält und diese über die rechtsfortbildende Anwendung des Drei-Stufen-Schemas zum Anwartschaftsschutz begrenzen muß. Andererseits bedürfte der weitergehende Schutz auch noch nicht erdienter dienstzeitabhängiger Steigerungsraten durch das Erfordernis sachlich-proportionaler Änderungsgründe und erst recht der Schutz einer endgehaltsbezogenen Dynamik durch triftige Änderungsgründe einer besonderen Begründung. Dies braucht aber für die Zwecke dieser Untersuchung nicht weiter vertieft zu werden. Weiterungen für die hier interessierenden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen ergeben sich aus letzterem ohnehin nicht. Denn die verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarung hat die vom Bundesarbeitsgericht fälschlich auch der Kündigung von Betriebsvereinbarungen unterstellte kassatorische Wirkung. Sie ist bei rein regelungstechnischer Betrachtung in der Lage, die Verknüpfung von Leistungsversprechen des Arbeitgebers und Vorleistung des Arbeitnehmers nachträglich zu beseitigen oder die Vorleistung des Arbeitnehmers mit einer anderen, insbesondere schlechteren Gegenleistung zu verknüpfen. IV. Individualrechtliche Festschreibung analog § 613a I 2 BGB? Wegen der kassatorischen Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen kommt auch eine Festschreibung der Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer analog § 613a I 2 BGB nicht in Betracht. Eine solche Möglichkeit würde ohnehin voraussetzen, daß man in dieser Norm eine Transformation von Regelungen in Betriebsvereinbarungen auf die individualvertragliche Ebene96 und keine normative Fortgeltungsanordnung97 sähe. Denn bei einer normativen Fortgeltungsanordnung würden alte und neue Betriebsvereinbarung auf gleicher Ebene miteinander konkurrieren, für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips wäre kein Raum. Jedoch kann die dogmatische Einordnung des § 613a I 2 BGB auf sich beruhen. Denn für eine Analogie zu § 613a I 2 BGB dürfte es bereits an der erforderlichen Regelungslücke fehlen, da das Betriebsverfassungsgesetz von der jederzeitigen Abänderbarkeit vorhandener Betriebsvereinbarungen durch die Betriebspartner aus96 Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 33. Für den Tarifvertrag BAG, Urteil vom 13.09.1994 – 3 AZR 148/94 –, AP Nr. 11 zu § 1 TVG Rückwirkung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 16.05.1995 – 3 AZR 535/94 –, AP Nr. 15 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip, Bl. 2/2R. 97 Staudinger2005 /Annuß, § 613a BGB Rz. 250; Moll, RdA 1996, 275 (276 f., 279); Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (314); Zöllner, DB 1995, 1401 (1402).

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geht.98 Der permanente Anspruch der Betriebspartner, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können,99 ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten.100 Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können daher damit rechnen, daß eine Regelung von Dauer ist. Zum Ausdruck kommt dies auch in der freien Kündbarkeit von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 V BetrVG.101 Zudem fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit dem Regelungsgegenstand des § 613a I 2 BGB. Entgegen ihrem Wortlaut102 greift diese Norm nämlich nur dann ein, wenn der Betriebsrat infolge eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs weggefallen ist. Eine solche Situation kann eintreten, weil die Betriebsidentität verlorengegangen ist,103 der übernommene Betrieb nicht mehr dem Betriebsverfassungsgesetz unterfällt oder ein Rechtsformwechsel in der Arbeitnehmervertretung infolge eines Übergangs des Betriebs von einem privatrechtlichen auf einen öffentlich-rechtlichen Träger stattfindet.104 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt es bei der normativen Geltung bestehender Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 IV 1 BetrVG.105 Dies folgt bereits daraus, daß das Betriebsverfassungsgesetz die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen auf den Betrieb bezieht, sie daher also unabhängig von der Person des Arbeitgebers oder gar der personellen Besetzung des Betriebsrats ist.106 Dementsprechend ist 98 Hierzu Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (179, 190 f.); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). 99 Der Betriebsrat kann allerdings keinen höheren Dotierungsrahmen für freiwillige Sozialleistungen durchsetzen, da dieser nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegt. 100 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231). 101 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Loritz, RdA 1991, 65 (70); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). 102 Vgl. aber die Kritik bei Junker, RdA 1993, 203 (205); Wank, NZA 1987, 505 (507 f.). 103 BAG, Urteil vom 23.11.1988 – 7 AZR 121/88 –, AP Nr. 77 zu § 613a BGB, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 05.02.1991 – 1 ABR 32/90 –, AP Nr. 89 zu § 613a BGB, Bl. 9; BAG, Beschluß vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 –, AP Nr. 118 zu § 613a BGB, Bl. 4/4R; BAG, Urteil vom 15.01.2002 – 1 AZR 58/01 –, AP Nr. 1 zu § 2 SozplKonkG, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 18.09.2002 – 1 ABR 54/01 –, AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, Bl. 6; ErfK7 /Preis, § 613a BGB Rz. 112; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 50. 104 ErfK7 /Preis, § 613a BGB Rz. 112. 105 BAG, Beschluß vom 27.07.1994 – 7 ABR 37/93 –, AP Nr. 118 zu § 613a BGB, Bl. 4R. Für kollektiven Fortbestand nach Betriebsübergang auch Staudinger2005 /Annuß, § 613a BGB Rz. 252; P. Hanau/Vossen, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 271 (272 ff., 275); Jung, RdA 1981, 360 (362); Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 48; Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (314); jetzt auch MünchArbR2 /Wank, § 124 Rz. 199 f. 106 Dementsprechend wirken auch arbeitsgerichtlichen Entscheidungen im Beschlußverfahren gegen den Betriebserwerber, vgl. BAG, Beschluß vom 05.02.1991 – 1 ABR 32/90 –, AP Nr. 89 zu § 613a BGB, Bl. 8.

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auch vom sogenannten funktionalen Arbeitgeberbegriff107 auszugehen,108 so daß der Betriebserwerber in die betriebsverfassungsrechtliche Position des Betriebsveräußerers nachrückt.109 Mit dieser Situation beim Betriebsübergang aber ist die verschlechternde Neuregelung einer betrieblichen Altersversorgung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in keiner Weise vergleichbar. Denn sie berührt die Identität des Betriebes nicht.110 Mit § 613a I 2 BGB wird die Sachwidrigkeit des Fortbestandes der Kollektivordnung im Betrieb angesprochen.111 Gerade diese ist aber bei einer verschlechternden Neuregelung einer betrieblichen Altersversorgung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung nicht zu besorgen. Erst recht fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit dem Herausfallen des Betriebes aus der Betriebsverfassung, da die betriebsverfassungsrechtliche Kontinuität durch den Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gewahrt bleibt. Schließlich spricht gegen eine analoge Anwendung des § 613a I 2 BGB, daß diese Norm an die besondere Interessenlage beim rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang anknüpft. Bereits nach der Präambel der zugrundeliegenden EGRichtlinie 77/187/EWG112 war es ausdrückliches Regelungsziel, die Arbeitnehmer vor den Folgen bei einem Betriebsinhaberwechsel infolge rechtsgeschäftlicher Übertragung zu schützen. Gemäß Art. 3 II der Richtlinie sollten daher die kollektivvertraglichen Arbeitsbedingungen vom Betriebserwerber für mindestens ein Jahr aufrechterhalten werden. Soweit es hierbei um Rechte der Arbeitnehmer geht, ist damit zwar unmittelbar die durch Beteiligung des Betriebsrats ausgefüllte Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung113 tangiert; darüber hinaus sind aber zugleich Rechtssicherheit und Rechtsklarheit angesprochen.114 Letztere verweisen wiederum auf die durch § 613a I 2 BGB intendierte Überbrückung einer Unterbrechung der betriebsverfassungsrechtlichen Kontinuität. Um eine Teilnahme am Vertragsinhaltsschutz geht es hingegen nicht, wie § 613a 107 Dazu Gussen/Dauck, Die Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen bei Betriebsübergang und Umwandlung, Rz. 121–124. 108 Lange, Die Betriebsvereinbarung nach Wegfall des Betriebsrates, S. 85 f. 109 So im Ergebnis auch BAG, Beschluß vom 28.09.1988 – 1 ABR 37/87 –, AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 05.02.1991 – 1 ABR 32/90 –, AP Nr. 89 zu § 613a BGB, Bl. 8. 110 Ähnlich für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen BAG, Urteil vom 11.05. 1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, Juris Rz. 34 (insoweit in AuR 2000, 387 ff. nicht abgedruckt). 111 Näher hierzu Lange, Die Betriebsvereinbarung nach Wegfall des Betriebsrates, S. 91. 112 ABl. EG Nr. L 61 vom 05.03.1977, S. 26 (ebd.) = RdA 1977, 162 (ebd.). 113 Dazu eingehend unten § 7 C. I. 1., S. 253 ff. 114 Hierzu Kraft, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 299 (309); MünchArbR2 /Wank, § 124 Rn. 15.

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I 3 BGB belegt. Danach ist eine kollektivrechtliche Ersetzung der Betriebsvereinbarung durch eine neue auch dann möglich, wenn diese nach dem Betriebsübergang nur individualrechtlich fortgilt.115 Da die betriebsverfassungsrechtliche Kontinuität aber durch den Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gewahrt bleibt, fehlt es an einer Vergleichbarkeit der geregelten Sachverhalte, so daß eine individualrechtliche Festschreibung der Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer analog § 613a I 2 BGB gegenüber einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung nicht in Betracht kommt.

D. Erbrachte Vorleistung und Individualrecht Es verbleibt die Möglichkeit, daß die vom Arbeitnehmer im Hinblick auf die Versorgungszusage erbrachte Vorleistung in Gestalt von Arbeitsleistung oder Betriebstreue zur Entstehung eines besonders geschützten Individualrechts des Arbeitnehmers führen könnte.116 Allen in diese Richtung deutenden Versuchen ist jedoch gemein, daß sie auf einer systemwidrigen Einteilung der subjektiven Rechte in solche der Individualsphäre und solche der Kollektivsphäre beruhen und über die Trennung von Erfüllungsebene und Grundverhältnis jedwede Veränderung des Grundverhältnisses wirkungslos zu machen suchen, ohne dafür eine dogmatisch nachvollziehbare Begründung zu bieten. Sie sollen daher im einzelnen widerlegt werden. I. Kollektivfreier Individualbereich? Prominentester Ansatz zur absoluten Trennung von Grund- und Erfüllungsverhältnis ist die Lehre vom sogenannten kollektivfreien Individualbereich, welche die Regelungskompetenz der Betriebspartner einzuschränken sucht. Sie geht zurück auf die Herschelsche Verfügungstheorie, nach welcher einmal entstan115 Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 94 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 19.03.1986 – 4 AZR 640/84 –, AP Nr. 49 zu § 613a BGB, Bl. 2R/ 3 für den Tarifvertrag. 116 Prägend Siebert, BB 1953, 241 (242 f.); Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 136 f.). In neuerer Zeit auch Reuter, der von „Individual-(= Mitglieder-) rechten“ (Anm. JuS 1993, 701) beziehungsweise verselbständigten „gläubigerrechtsähnlichen Wertrechten“ (ZfA 1993, 221 (243 f.)) spricht. In diese Richtung auch Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (48); H. Hanau, RdA 1998, 345 (351); H. Otto, Anm. AR-Blattei D-Blatt Betriebliche Altersversorgung Entscheidung 226, 3. Forts.-Blatt R; Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 88; Schulin, DB 1984 Beilage Nr. 10, S. 1 (S. 6); Schulin, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 28, S. 11. Ähnlich neuerdings auch Rolfs, RdA 2006, 349 (356), der die Rechtsnormen der nachfolgenden Betriebsvereinbarung gegenüber aufgrund einer älteren Betriebsvereinbarung bereits entstandenen Ansprüchen als Rechtsnormen „unterschiedlichen Ranges“ bezeichnet, insoweit jedoch bedingte und befristete Ansprüche (S. 355), insbesondere Versorgungsanwartschaften (S. 356) ausnimmt.

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dene Einzelansprüche nicht mehr zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehören sollen, aus dem sie erwachsen sind, und daher auch von Veränderungen des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses unabhängig sein sollen.117 Dementsprechend könnten diese Einzelansprüche auch nicht mehr von der Kollektivmacht – sei es die der Tarifparteien, sei es die der Betriebspartner – erfaßt werden.118 Hieran knüpft die in den 1950er Jahren entwickelte Siebertsche Lehre vom kollektivfreien Individualbereich an, nach welcher jener der Regelungsmacht der Betriebspartner a priori entzogen sein soll.119 Siebert hat dabei diesen kollektivfreien Individualbereich als originäre und gewordene Individualrechte definiert. Bei den erstgenannten soll es sich um solche Rechtspositionen handeln, welche von Anfang nur in so losem Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen, daß ihre Unterstellung unter die Regelungsmacht der Betriebspartner den Privatbereich des Arbeitnehmers „ungebührlich“ einengen würde.120 Bei den letztgenannten – hier allein interessierenden – soll es sich um durch Kollektivnorm begründete Ansprüche handeln, welche sich „mit ihrer Entstehung aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsprozeß und dem Arbeitsverhältnis gelöst haben“ sollen, wie etwa Ansprüche auf Lohn, Urlaub und Ruhegeld.121 Versorgungsansprüche sollen ab ihrer Entstehung als Stammrecht mit Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand geschützt sein.122 Gleichzeitig aber hat Siebert die korrespondierenden Versorgungsanwartschaften aktiver Arbeitnehmer nicht als „unter dem Gesichtspunkt des Verdientseins schutzfähig“ angesehen, weil er verfehlt123 vom Fürsorgecharakter und nicht vom Entgeltcharakter dieser Anwartschaften ausgegangen ist.124 In diesem Bereich jenseits

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Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 46 ff., 49. Für den Tarifvertrag Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 46 ff., 50. 119 Siebert, BB 1953, 241 (242); derselbe, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 128). Im wesentlichen zustimmend Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht5, S. 66; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip, S. 42 f.; jeweils für den Tarifvertrag; W. Müller, Die Grenzen der normativen Gestaltungswirkung der Betriebsvereinbarung, S. 174 f., 182, 186; für die Betriebsvereinbarung. Jedenfalls im Ergebnis im wesentlichen zustimmend Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (48); v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht5, § 11 III 5 d, S. 230 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG6, § 77 Rz. 48–53 [anders für aus Betriebsvereinbarungen erwachsene Ansprüche später aber Löwisch/Kaiser, BetrVG5, § 77 Rz. 27 f., 45: Schutz über das Gebot des Vertrauensschutzes]. Ähnlich wie Siebert die dogmatischen Konzepte von Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 193 ff., 195, 215 ff., 217 f.; Karakatsanis, Die kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 78 ff., 85. 120 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 139); ähnlich bereits derselbe, BB 1953, 241 (243). 121 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 136). 122 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 137). 123 Siehe oben § 3 B. I. 1., S. 96 ff. 124 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 138). Anders zuvor derselbe, BB 1953, 241 (243) mit Bezug auf die – aufgrund der Ausführungen in § 3 B. III. 4. a) 118

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

des kollektivfreien Individualbereiches soll das Ordnungsprinzip als Ausdruck uneingeschränkter Regelungsmacht der Betriebspartner greifen.125 Zur Begründung seiner These hat Siebert ausdrücklich die Parallele zum Schutz des einzelnen vor dem Kollektiv im Verbandsrecht gezogen.126 Die Siebertsche Lehre vom kollektivfreien Individualbereich erweist sich damit als Kind ihrer Zeit, ist sie doch gänzlich der Lehre vom Arbeitsverhältnis als personenrechtlichem Gemeinschaftsverhältnis und dem Verständnis des Betriebsverhältnisses als einer verbandsrechtlichen Struktur im v. Gierkeschen Sinne verhaftet.127 Insbesondere die Vorstellung einer verbandsfreien Individualsphäre findet sich bereits in der Genossenschaftstheorie v. Gierkes vorgebildet.128 Beide dogmatischen Grundannahmen sind bereits im Rahmen dieser Untersuchung widerlegt worden.129 Soweit auch noch heute insbesondere an einem Verständnis des Betriebsverhältnisses als Betriebsverband festgehalten wird und Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer als verselbständigte mitgliedschaftliche Wertrechte verstanden werden,130 beruht dies daher auf unzutreffenden Prämissen und ist abzulehnen. Aber auch unabhängig von ihren ursprünglichen, dogmatischen Prämissen begegnet die Konzeption eines kollektivfreien Individualbereiches durchgreifenden Bedenken. Sie beruht auf dem methodisch unzulässigen Zirkelschluß,131 daß kollektivrechtliche Eingriffe in die Individualsphäre unzulässig seien, die Individualsphäre aber jeweils soweit reiche, wie kollektivrechtliche Eingriffe unzulässig seien.132 Zur Abgrenzung des kollektivfreien Individualbereiches und zur Erklärung der Unzulässigkeit kollektivrechtlicher Eingriffe sind vom Individualrecht her keine dogmatischen Ansatzpunkte erkennbar,133 so daß der Individual-

dieser Untersuchung abzulehnende – These vom Ruhegeld als aufgespeichertem Arbeitslohn. 125 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 123). 126 Siebert, BB 1953, 241 (242, mit Bezug auf v. Gierke bei und in Fn. 13); derselbe, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (S. 134, mit Bezug auf v. Gierke in Fn. 1). 127 Eingehend hierzu die Kritik von Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 87–92 m.w. N. 128 v. Gierke, Privatrecht I, § 68, S. 533 ff., insbesondere S. 535, 545 ff. 129 Siehe oben § 3 B. I. 1., S. 96 ff., und § 2 A. I. 4., S. 46 ff. 130 Reuter, Anm. JuS 1993, 701; derselbe, ZfA 1993, 221 (243 f.). 131 Karakatsanis, Die kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 80 f.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 5 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 309; Nause, Die Grenzen der Regelungsbefugnis, S. 17; Richardi, Kollektivgewalt, S. 336 f.; Rüthers, in: Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (18 f.); Säcker, Gruppenautonomie, S. 427; Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 87 m.w. N.; H. Wiedemann, RdA 1959, 454 (457); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 182 m.w. N. 132 So die treffende Darstellung bei Säcker, Gruppenautonomie, S. 427. 133 Karakatsanis, Die kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 80 f.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 6; Richardi, Kollektivgewalt, S. 337, 440; Säcker, Gruppenautonomie, S. 429 m.w. N.

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bereich letztlich doch wieder aus seiner die Kollektivmacht begrenzenden Funktion heraus ermittelt werden müßte.134 Als bislang unmöglich erweist sich dies insbesondere bei den sogenannten gewordenen Individualrechten, das heißt den infolge Vorleistung des Arbeitnehmers entstandenen Anwartschaften und Ansprüchen. Wie auch bei der von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommenen Mutation von Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer in selbständige schuldrechtliche Ruhegeldansprüche mit Eintritt in den Ruhestand135 tritt bei der Konzeption eines kollektivfreien Individualbereiches das Problem auf, auf welche Weise sich der Anspruch des Arbeitnehmers mit seiner Entstehung zugleich von seiner kollektivrechtlichen Anspruchsgrundlage, der Betriebsvereinbarung, emanzipieren soll. Eine dogmatisch kohärente Begründung ist insoweit nicht ersichtlich.136 In der Literatur finden sich hierzu lediglich beschreibende Darstellungen ohne heuristischen Wert. So meint Herschel, Anspruch und Grundverhältnis verhielten sich zueinander wie ein Junges zum Muttertier; der Anspruch sei, einmal entstanden, eine selbständige Größe.137 Ähnlich findet sich bei Karakatsanis der Begriff des Mutterrechtsverhältnisses, von welchem sich der Anspruch mit seiner Entstehung löse. Das Verhältnis des Anspruches zum Arbeitsverhältnis sei ein genetisches, aber kein dauerndes.138 Dabei wird übersehen, daß das „Mutterrecht“ auch weiterhin in einer kollektivrechtlichen Regelung „wurzelt“.139 Mit der Normwirkung der Betriebsvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis ist jedenfalls eine Emanzipation der Ansprüche von ihrer Anspruchsgrundlage – wie sie auch in neuerer Zeit noch behauptet wird140 – weder erklär- noch vereinbar. Insoweit kann an die obigen Ausführungen zu C. III. 2. angeknüpft werden, wonach Anspruchsgrundlage für Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung allein diese in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag ist. Dementsprechend teilt der Anspruch auch das Schicksal seiner Anspruchsgrundlage. Wird diese gekündigt, kann sie nur für in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte Anspruchsgrundlage sein; wird sie – wirksam (!) – rückwirkend aufgehoben, entfallen auch alle durch sie begründeten Ansprüche und Anwartschaften. Dies verweist auf die immanente Schwäche einer durch Betriebsvereinbarung be-

134 Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 182. 135 Vgl. S. 206 Fn. 79. Dazu auch unten § 5 B., S. 230 ff. 136 Ebenso Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (186). 137 Herschel, Tariffähigkeit und Tarifmacht, S. 49. 138 Karakatsanis, Die kollektivrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 82. 139 So die Kritik bei Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (188). 140 Schulin, DB 1984 Beilage Nr. 10, S. 1 (S. 6); Schulin, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 28, S. 11; diesem folgend Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 88. Im Ergebnis auch H. Hanau, RdA 1998, 345 (351).

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

gründeten Rechtsposition.141 Warum – etwa nach Siebert142 – diese Schwäche nur für Anwartschaften, nicht aber für Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen zutreffen, die Anspruchsentstehung also zu einer Zäsur führen soll,143 ist dogmatisch nicht befriedigend erklärbar. Des weiteren spricht auch § 77 IV 2 BetrVG gegen das Fehlen einer Regelungsmacht der Betriebspartner für sogenannte gewordene Individualrechte aus einer Betriebsvereinbarung. Daß nach dieser Norm der Verzicht auf durch Betriebsvereinbarung begründete Ansprüche nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen kann, zeigt deutlich, daß Ansprüche mit ihrer Entstehung eben nicht vollständig aus dem Zuständigkeitsbereich der Betriebspartner herausfallen.144 Um die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen, geht das Betriebsverfassungsgesetz andere Wege, als eine starre Abgrenzung nach Kollektiv- und Individualsphäre vorauszusetzen. Dies belegt § 75 II 1 BetrVG, wonach es ausdrücklich Aufgabe der Betriebspartner ist, die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer zu schützen.145 Schließlich erweist sich die Konzeption eines kollektivfreien Individualbereichs angesichts der materiellrechtlichen Bindung der Betriebspartner an höherrangiges Recht als überflüssig.146 Zugleich wird damit bereits deutlich, daß die Problematik des Vertrauensschutzes vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen keine Frage der Kompetenz der Betriebspartner ist. Es geht vielmehr um eine materiellrechtliche Frage. Die mit der Lehre vom kollektivfreien Individualbereich verbundene Vermengung von Kompetenz und materieller Bindung147 greift letztlich auch zu kurz, wenn man die prozedurale Konzeption betrieblicher Mitbestimmung in Rechnung stellt. Der Gesetzgeber hat den Betriebspartnern die Betriebsvereinbarung als Mittel zur Gestaltung betrieblicher Regelungsfragen in die Hand gegeben. Insbesondere die in § 87 I BetrVG genannten Gegenstände der Mitbestimmung können Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Diese Konzeption würde 141 Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (179, 191). Zu dieser immanenten Schwäche vgl. auch Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231). 142 Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (138). 143 So aber neuerdings auch Rolfs, RdA 2006, 349 (356), der die Rechtsnormen der nachfolgenden Betriebsvereinbarung gegenüber aufgrund einer älteren Betriebsvereinbarung bereits entstandenen Ansprüchen als Rechtsnormen „unterschiedlichen Ranges“ bezeichnet und insoweit das Günstigkeitsprinzip anwendet, für den Schutz von Versorgungsanwartschaften aber auf die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zurückgreifen will. 144 Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 95 f. m.w. N.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 182. 145 Hierauf verweist GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 309. 146 Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 91 f.; ähnlich Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 185. Auch Däubler, AuR 1984, 1 (9); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 26, S. 26; Säcker, Gruppenautonomie, S. 432; welche auf die Grundrechte rekurrieren. 147 Ähnlich Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 26, S. 26.

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aber in Frage gestellt, wenn man – etwa im Bereich des Direktionsrechtes – der Regelungsmacht der Betriebspartner a priori Regelungsgegenstände zu entziehen versuchte, welche der Arbeitgeber ansonsten einseitig regeln könnte.148 Entsprechendes gilt, wenn es um die Abänderung einer bereits bestehenden Betriebsvereinbarung und ihre Auswirkungen auf die Entlohnung eventueller Vorleistungen der Arbeitnehmer in Gestalt von Arbeitsleistung oder Betriebstreue geht. Auch diese Gegenstände hat der Gesetzgeber der Regelungsmacht der Betriebspartner anvertraut. Durch Betriebsvereinbarung begründete Anwartschaften und Ansprüche tragen daher eine immanente Schwäche in sich, durch die Betriebspartner abgeändert zu werden. Ein Vertrauensschutz kann daher allenfalls betriebsverfassungsimmanent materiellrechtlich begründet werden. II. Vertrauensschuldverhältnis als Rechtsgrundlage individualrechtlicher Besitzstände? Individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer ergeben sich auch nicht aufgrund eines neben der abgeänderten, alten Betriebsvereinbarung bestehenden gesetzlichen Vertrauensschuldverhältnisses eigener Art.149 Ein solches läßt sich weder durch Parallelen zur culpa in contrahendo150 noch durch Parallelen zur betrieblichen Übung151 begründen. Eine Parallele zur culpa in contrahendo scheitert bereits daran, daß sich mit ihr allenfalls Schadensersatzansprüche, nicht aber die hier in Rede stehenden Erfüllungsansprüche begründen ließen. Überdies müßte eine selbständige Verpflichtung der Betriebspartner gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern angenommen werden, bereits erdiente Besitzstände der Arbeitnehmer unberührt zu belassen. Der bloße geschäftliche Kontakt zwischen Betriebspartnern einerseits und normunterworfenen Arbeitnehmern andererseits ist hierfür nicht hinreichend, da das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebspartnern zubilligt, Betriebsvereinbarungen unter Beachtung der Formvorschriften des § 77 II BetrVG jederzeit einvernehmlich aufzuheben152 oder abzuändern. Der permanente An148 Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 185. Ähnlich bereits Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 93, 97. Vgl. in bezug auf die Tarifvertragsparteien auch Säcker, Gruppenautonomie, S. 431. 149 So aber für die Kündigung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 478 ff., 481 f., zusammenfassend S. 489 f.; ähnlich Hempelmann, Die freiwillige Betriebsvereinbarung, S. 239 ff., 242 f. 150 So aber Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 482. 151 So aber Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 483 ff. 152 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 355; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 37; je m.w. N.

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spruch der Betriebspartner, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können,153 ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten.154 Die Annahme einer selbständigen Verpflichtung den einzelnen Arbeitnehmern gegenüber, bereits erdiente Besitzstände nicht anzutasten, zöge diesen Anspruch in Zweifel und verließe das kollektivrechtliche System. Ein Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen, insbesondere hinsichtlich erbrachter Vorleistungen, kann daher nur betriebsverfassungsimmanent auf materiellrechtlichem Wege unter Berücksichtigung des Änderungsanspruches der Betriebspartner erfolgen. Auch die Parallele zur betrieblichen Übung geht fehl. Sie setzt die regelmäßige gleichförmige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers voraus, aus denen die Arbeitnehmer einen konkreten Verpflichtungswillen des Arbeitgebers ableiten können, nach dem ihnen eine Leistung dauerhaft gewährt werden soll.155 Bei einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung kommt vor Eintritt des Versorgungsfalles als vertrags-156 beziehungsweise vertrauenshaftungsbegründendes157 Arbeitgeberverhalten mangels regelmäßiger Zahlungen an die aktiven Arbeitnehmer nur die Beteiligung am Abschluß der Betriebsvereinbarung selbst in Betracht. Diese aber ist ein singuläres und kein wiederholtes Arbeitgeberverhalten. Der bloße unveränderte Fortbestand der Betriebsvereinbarung ist ebenfalls kein wiederholtes Verhalten, schon gar nicht eines des Arbeitgebers. Er ist vielmehr bloße Rechtsfolge des Abschlusses der Betriebsvereinbarung. Allenfalls ließe sich – unter Verlagerung des Fokus von der Wiederholung auf den Dauertatbestand – das Unterlassen von Kündigung und/oder Abschluß einer abändernden nachfolgenden Betriebsvereinbarung als vertrauensbegründendes Arbeitgeberverhalten verstehen. Im Ergebnis ist jedoch auch dies nicht weiterführend, da Ansprüche aus betrieblicher Übung nur entstehen können, wenn für den geltend gemachten Anspruch keine anderweitige Anspruchsgrundlage existiert.158 Eine solche besteht aber mit der erstmalig eine betriebliche Altersversorgung zusagenden Betriebsvereinbarung. 153

Vgl. S. 210 Fn. 99. Vgl. S. 210 Fn. 100. 155 Vgl. nur ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 261. 156 Sogenannte Vertragstheorie, vgl. BAG, Urteil vom 14.08.1996 – 10 AZR 69/96 –, AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Bl. 1R; BAG, Urteil vom 21.01.1997 – 1 AZR 572/96 –, AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 16.04.1997 – 10 AZR 705/96 –, AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Bl. 2; ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 262. 157 Sogenannte Theorie der Vertrauenshaftung, vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 387 ff., 403 ff.; Hromadka, NZA 1984, 241 (244 f.); MünchArbR2 /Richardi, § 13 Rz. 19; Seiter, Die Betriebsübung, S. 92 f., 99 ff., 105; Singer, ZfA 1993, 487 (494 ff., zusammenfassend 515 f.). Ergänzend herangezogen auch von BAG, Urteil vom 16.04. 1997 – 10 AZR 705/96 –, AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Bl. 2R; ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 262. 154

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Individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer können sich daher nicht aufgrund eines neben der abgeänderten, alten Betriebsvereinbarung bestehenden gesetzlichen Vertrauensschuldverhältnisses eigener Art ergeben. III. Begründung eines Individualrechtes durch Novation? Im Falle des Abschlusses einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung scheidet auch eine individualrechtliche Weitergeltung von auf der bisherigen Betriebsvereinbarung beruhenden Rechtspositionen im Wege der rechtsgeschäftlichen Schuldumschaffung (Novation) aus. Bei einer Novation heben die Parteien eines Schuldverhältnisses dieses einvernehmlich auf und begründen zugleich ein neues, welches an die Stelle des bisherigen tritt.159 Davon abzugrenzen ist die bloße Vertragsänderung, welche das bisherige Schuldverhältnis in seinem Bestand unberührt läßt und lediglich seinen Inhalt ändert. Ob eine Novation oder eine Vertragsänderung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.160 Betriebsvereinbarungen können von den Betriebspartnern unter Beachtung der Formvorschriften des § 77 II BetrVG jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden.161 Zugleich können die Betriebspartner in einer Regelungsabrede vereinbaren, daß die durch die bisherige Betriebsvereinbarung begründeten Rechtspositionen nunmehr ganz oder teilweise auf individualarbeitsvertraglicher Grundlage beruhen sollen.162 An einem zutage getretenen Novationswillen der Betriebspartner, aufgrund einer Betriebsvereinbarung entstandene Ansprüche und Anwartschaften in selbständige individualarbeitsvertragliche umzuwandeln, dürfte es indessen regelmäßig fehlen.163 Dies gilt insbesondere, wenn die Betriebspartner eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abschließen. Denn damit bringen sie deutlich zum Ausdruck, daß sie bei der Neuregelung die kollektivrechtliche Ebene nicht verlassen wollen. Auch weist die verschlechternde Neuregelung einer betrieblichen Altersversorgung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung auf eine beabsichtigte wirtschaftliche Entlastung des Arbeitgebers hin, die durch die Annahme einer schuldumschaffenden Regelungsabrede hinsichtlich bisher entstandener Rechtspositionen konterkariert würde. Hinzu tritt, daß eine solche schuld158 BAG, Urteil vom 27.06.1985 – 6 AZR 392/81 –, AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4. 159 RG, Urteil vom 12.11.1931 – VI 246/31 –, RGZ 134, 154 (155); RG, Urteil vom 22.12.1939 – VII 139/39 –, RGZ 162, 244 (245); Palandt66 /Grüneberg, § 311 BGB Rz. 8. 160 RG, Urteil vom 21.11.1927 – VI 71/27 –, RGZ 119, 21 (24); Palandt66 /Grüneberg, § 311 BGB Rz. 8. 161 Vgl. S. 217 Fn. 152. 162 Auf diese Möglichkeit weist hin Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 97. 163 Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 25; vgl. für den Fall der Kündigung auch Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 98.

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umschaffende Regelungsabrede auf individualvertraglicher Ebene umgesetzt werden müßte.164 Typischerweise wird der Arbeitgeber aber bei einer verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung gerade dies unterlassen. In Erfüllungshandlungen auf die nachfolgende, verschlechternde Betriebsvereinbarung kann jedenfalls nicht ohne erhebliche Friktionen ein konkludentes Angebot zum Abschluß einer individualvertraglichen Abrede über eine höhere Leistung nach Maßgabe der bisherigen, günstigeren Betriebsvereinbarung gesehen werden. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung muß eine solche Möglichkeit gegenüber den aktiven Arbeitnehmern ohnehin bereits a priori ausscheiden, da es vor Eintritt des Versorgungsfalles keine Erfüllungshandlungen des Arbeitgebers gibt, an welche angeknüpft werden könnte. Ein individualvertraglicher Anspruch aufgrund Novation kommt daher nicht in Betracht.

E. Zusammenfassung Wird eine Betriebsvereinbarung, die eine Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung enthält, durch eine verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt, besteht kein Konflikt zu individualrechtlichen Rechtspositionen der regelungsunterworfenen aktiven Arbeitnehmer. Für die Rechtsstellung des Arbeitnehmers, die dieser durch eine Zusage betrieblicher Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung erwirbt, ist deren Wirkungsweise auf das Individualarbeitsverhältnis entscheidend. Die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung auf das Individualarbeitsverhältnis bewirkt nicht, daß die in ihr enthaltenen Regelungen in das Arbeitsverhältnis eingingen und als weiterer individualrechtlicher Gestaltungsfaktor neben den Arbeitsvertrag träten. Die in der Betriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen gestalten vielmehr das Arbeitsverhältnis von außen. Ein Eingehen der Regelungen in das Arbeitsverhältnis hätte eine unverhältnismäßige Beschränkung der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien zur Folge. Auch die gesetzliche Konzeption der §§ 4 V TVG, 77 VI BetrVG und des § 613a I 2 BGB spricht gegen jede Form des Eingehens kollektivvertraglicher Regelungen in das Arbeitsverhältnis. Betriebsvereinbarungen wohnt auch kein besonders geschützter „individualrechtlicher Kern“ inne. Ein solcher läßt sich nicht über die Interpretation des Regelungsgehaltes von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen als Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung begründen. Denn eine solche wäre durch den Willen des einzelnen normunterworfenen Arbeitnehmers regelmäßig nicht legitimiert. Dasselbe gilt für einen Rückgriff auf die Möglichkeit des Arbeitgebers, betriebliche Sozialleistungen durch einseitige individual-

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Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, S. 97.

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rechtliche Instrumentarien zuzusagen, da nach den Erkenntnissen in § 3 dieser Untersuchung sich insoweit die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen nicht legitimieren läßt. Die Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter scheitert regelmäßig an dem fehlenden Willen des Arbeitgebers, sich durch die Betriebsvereinbarung wie durch einen Individualvertrag zu binden und sich insbesondere der freien Kündbarkeit gemäß § 77 V BetrVG zu begeben. Die damit verbundene Parallelisierung von normativer und individualvertraglicher Wirkung würde zudem einen dogmatischen Systembruch bedeuten, und zwar in Gestalt einer Rückkehr zu der abzulehnenden Vorstellung des Kollektivvertrages als Bestandteil des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages oder zumindest des Arbeitsverhältnisses. Durch den bloßen Abschluß einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung wird den Arbeitnehmern auch kein gesichertes Anwartschaftsrecht eingeräumt, das zum Vollrecht, das heißt Anspruch unabhängig davon erstarken kann, ob die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung gekündigt oder durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgelöst worden ist. Denn eine solche Wirkung ginge über die normative Wirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 IV 1 BetrVG hinaus. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entfaltet die Kündigung einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung keine kassatorische Wirkung in bezug auf erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer. Vor diesem Hintergrund ist die rechtsfortbildende Anwendung des Drei-StufenSchemas zum Anwartschaftsschutz auf die Kündigung von Betriebsvereinbarungen bedenklich. Weiterungen für nachfolgende Betriebsvereinbarungen ergeben sich hieraus jedoch nicht, da diese in bezug auf Anwartschaften aus der vorangehenden Betriebsvereinbarung kassatorische Wirkung haben. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Festschreibung von Anwartschaften in Analogie zu § 613a I 2 BGB aus. Zudem fehlt es an der für die Analogie erforderlichen Regelungslücke. Denn das Betriebsverfassungsgesetz geht von der jederzeitigen Abänderbarkeit vorhandener Betriebsvereinbarungen durch die Betriebspartner aus. Ferner überbrückt § 613a I 2 BGB eine Unterbrechung der betriebsverfassungsrechtlichen Kontinuität. Diese aber bleibt im Falle nachfolgender Betriebsvereinbarungen gewahrt. Daher fehlt es auch an der Vergleichbarkeit der Regelungstatbestände. Die von den Arbeitnehmern erbrachte Vorleistung führt schließlich auch nicht zu einem besonders geschützten „gewordenen Individualrecht“, welches der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner entzogen wäre. Soweit dieser Gedanke als Schutz des einzelnen vor der als Verbandsmacht verstandenen Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner konzipiert wurde, wurden seine Prämissen bereits in § 2 dieser Untersuchung widerlegt. Es existiert im verfaßten Betrieb kein satzungsgebender Betriebsverband. Aber auch im übrigen ist eine Emanzipation der durch Vorleistung erworbenen Anwartschaft oder gar eines Anspruches von der Anspruchsgrundlage nicht befriedigend erklärbar. Durch Betriebs-

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

vereinbarung begründete Ansprüche und Anwartschaften teilen vielmehr das Schicksal ihrer Anspruchsgrundlage. Individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer ergeben sich auch nicht aufgrund eines neben der abgeänderten Betriebsvereinbarung begründeten, selbständigen Vertrauensschuldverhältnisses. Ein solches scheitert an dem permanenten Anspruch der Betriebspartner, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können.165 Ein individualrechtlicher Vertrauensschutz in den weiteren Fortbestand einer Regelung ist daher grundsätzlich nicht gewährleistet. Ein Individualrecht infolge individualvertraglicher Novation der alten Betriebsvereinbarung scheitert regelmäßig am fehlenden Novationswillen der Betriebspartner. Damit besteht kein Konflikt zu individualvertraglichen Rechtspositionen der regelungsunterworfenen aktiven Arbeitnehmerschaft, wenn eine Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung durch eine verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird. Für einen Schutz der Anwartschaften der Arbeitnehmer vor einer Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung mittels Anwendung des Günstigkeitsprinzips oder des § 328 II BGB oder durch das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung analog den §§ 2 I, 1 II KSchG ist daher kein Raum. Schließlich ist dem Bundesarbeitsgericht insoweit zuzustimmen, als es in der Problematik des Anwartschaftsschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen bei den aktiven Arbeitnehmern kein Problem der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner sieht, sondern ein Problem der inhaltsorientierten Kontrolle der Betriebsvereinbarung. Ein Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen, insbesondere hinsichtlich erbrachter Vorleistungen, kann nur betriebsverfassungsimmanent auf materiellrechtlichem Wege unter Berücksichtigung des ständigen Anspruches der Betriebspartner erfolgen, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Dieser Anspruch der Betriebspartner ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten.166 Damit deutet sich der Konflikt zwischen betrieblicher Mitbestimmung und Vertrauensschutz an, der nur im Rahmen einer inhaltsorientierten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen materiellrechtlich gelöst werden kann.

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Vgl. S. 210 Fn. 99. Vgl. S. 210 Fn. 99.

§ 5 Wirkung gegenüber Ruheständlern und ausgeschiedenen Arbeitnehmern 223

§ 5 Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern und anderweitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern Gestalten nachfolgende Betriebsvereinbarungen die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer des Betriebs normativ, schließt sich die Frage an, ob dies auch gegenüber Ruheständlern und anderweitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern gilt. Sollten nachfolgende Betriebsvereinbarungen gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft Ausgeschiedenen oder Betriebsrentnern keine Wirkung entfalten, stellte sich die gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen nicht als Problem der inhaltsorientierten Kontrolle, sondern als Kompetenzproblem dar. Insoweit wäre ein weitgehend absoluter Schutz der betroffenen Personenkreise vor Verschlechterung ihrer aufrechterhaltenen Anwartschaften und Ansprüche durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen möglich. Die Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ würde insoweit nicht gelten. Eine Verschlechterung der Rechtsstellung der Arbeitnehmer könnte dann ausschließlich erfolgen, wenn ein Änderungsvorbehalt vorläge. Hieran schlösse sich die Frage an, ob ein solcher Änderungsvorbehalt individualvertraglich vereinbart werden müßte oder ob ein solcher auch der jeweiligen Betriebsvereinbarung entnommen werden könnte. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichtes hat bereits im Jahre 1956 erkannt, daß nachfolgende Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern nicht gälten. Dabei hat der Große Senat angenommen, daß mit Eintritt in den Ruhestand die Anwartschaften der Arbeitnehmer in selbständige schuldrechtliche Ruhegeldansprüche transformiert würden, welche in der Betriebsvereinbarung wurzelten. Auf diese selbständigen Ansprüche sei eine Beendigung oder Änderung der Betriebsvereinbarung ohne Einfluß.167 Entsprechendes dürfte unter Geltung des Betriebsrentengesetzes für solche Arbeitnehmer gelten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis scheiden. Die Nähe dieser Konzeption zu der bereits oben in § 4 kritisierten Lehre vom kollektivfreien Individualbereich ist unverkennbar. Der Große Senat hat die fehlende Normwirkung auf Ausgeschiedene vor allem damit begründet, daß es an einem die Betriebszugehörigkeit vermittelnden Arbeitsverhältnis168 sowie an der erforderlichen Legitimation der Betriebspartner zur Regelung der Rechtsverhältnisse aus dem Betrieb Ausgeschiedener

167 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4R/5. 168 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

fehle, da diese bei den Betriebsratswahlen nicht mehr wahlberechtigt seien.169 Auch sei eine Vernachlässigung der Interessen Ausgeschiedener durch den Betriebsrat zu besorgen, gegen welche sich diese mangels Antragsbefugnis nicht einmal mit einem Verfahren nach § 23 BetrVG 1952 (heute § 23 I BetrVG) zur Wehr setzen könnten.170 Unter Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 hat das Bundesarbeitsgericht diese Judikatur mehrfach bestätigt.171 Auch in neuerer Zeit sind sowohl der Dritte Senat als auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichtes dieser Linie gefolgt, indem sie weiterhin davon ausgegangen sind, daß Betriebsvereinbarungen nur hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmerschaft normativ wirkten.172 Mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis seien seine ursprünglich in der Betriebsvereinbarung wurzelnden Ansprüche zu selbständigen schuldrechtlichen Ansprüchen geworden.173 In den Mittelpunkt der Diskussion gerückt ist nunmehr aber die Frage, ob es zur Erstreckung der normativen Wirkung nachfolgender, in der Regel verschlechternder Betriebsvereinbarungen auf Ausgeschiedene der Vereinbarung individualarbeitsvertraglicher Jeweiligkeitsklauseln bedarf174 oder ob bereits die Annahme stillschweigender kollektivvertraglicher Jeweiligkeitsklauseln eine Ausdehnung der normativen Wirkung auf Ausgeschiedene ermöglicht175 sowie, ob das Be169 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4/4R. Ebenso BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2. 170 BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4R. Ebenso BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2R. 171 BAG, Urteil vom 28.04.1977 – 3 AZR 300/76 –, AP Nr. 7 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 15.05.1977 – 3 AZR 371/76 –, AP Nr. 175 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 17.01.1980 – 3 AZR 456/78 –, AP Nr. 185 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 1R (obiter dictum). 172 BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2. Offengelassen in BAG, Urteil vom 28.07.1998 – 3 AZR 100/98 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 28.07. 1998 – 3 AZR 357/97 –, AP Nr. 9 zu § 79 LPVG Baden-Württemberg, Bl. 4/4R. 173 BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2/2R, 3. 174 Eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Jeweiligkeitsklausel fordert BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3. Zur Wirksamkeit solcher Klauseln vgl. bereits BAG, Urteil vom 17.10.1957 – 2 AZR 50/57 –, AP Nr. 29 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 1R/2; BAG, Urteil vom 14.03.1961 – 3 AZR 83/60 –, AP Nr. 78 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 1R/2. Aus dem Schrifttum v. Hoyningen-Huene, RdA 1983, 225 (230 f.); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 28.

§ 5 Wirkung gegenüber Ruheständlern und ausgeschiedenen Arbeitnehmern 225

triebsverfassungsgesetz insbesondere hinsichtlich der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen gegenüber Betriebsrentnern eine Regelungslücke enthält, welche im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen ist.176 Diese Fragen bedürfen indessen keiner Klärung, wenn bereits das Betriebsverfassungsgesetz die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen auch gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern jedenfalls im Hinblick auf die hier interessierenden Anwartschaften und Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung ermöglicht mit der Folge, daß auch nachfolgende Betriebsvereinbarungen mit ihrer Normwirkung diesen Personenkreis erfassen. Dies setzt zum einen – A. – voraus, daß Regelungen über eine betriebliche Altersversorgung in einer Betriebsvereinbarung auch gegenüber Ruheständlern und anderweitig Ausgeschiedenen normativ wirken. Zum anderen – B. – kommt es darauf an, ob der normativen Wirkung einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung eine individualrechtliche Verselbständigung von Ansprüchen und Anwartschaften Ausgeschiedener entgegensteht. Insoweit ist an die obigen Ausführungen zum fehlenden individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung anzuknüpfen und zu fragen, ob das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder zumindest der Eintritt des Versorgungsfalles eine individualrechtliche Rechtsposition begründet. Dann könnte es den Betriebspartnern an einer Kompetenz zum Eingriff in diese Rechtposition fehlen; jedenfalls könnte die Wirkung nachfolgender Betriebsvereinbarungen an einem Günstigkeitsvergleich analog § 4 III TVG mit der individualrechtlich verselbständigten Rechtsposition scheitern.

A. Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne als Gegenstand der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen Im Ausgangspunkt zutreffend hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes im Jahre 1988 darauf hingewiesen, daß die Betriebspartner nur insoweit durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen betriebliche Normen setzen können, als hierzu ihre gesetzliche Ermächtigung reicht.177 Das Betriebsverfassungsge175 Ablehnend BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3R; ebenso bereits BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 5. Für den Sonderfall der intendierten Gleichstellung von aktiver Belegschaft und Ausgeschiedenen bei einem Krankenunterstützungsanspruch im Grundsatz bejahend BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3. Ohne Einschränkung bejahend etwa Steinmeyer, RdA 2005, 345 (348). 176 Hierfür Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (320 f.); U. E. Wiese, Das Ruhestandsverhältnis, S. 202 ff., 205; im Ergebnis auch Säcker, Anm. SAE 1970, 269 (272); derselbe, Gruppenautonomie, S. 365 f.; derselbe, AR-Blattei D-Blatt Betriebsvereinbarung I, 4. Forts.-Blatt R. 177 BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

setz trifft jedoch keine explizite Regelung über den personellen Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen.178 Die für die Wirkungsweise von Betriebsvereinbarungen einschlägige Vorschrift des § 77 IV 1 BetrVG bestimmt noch nicht einmal explizit, daß ausschließlich Arbeitsverhältnisse Gegenstand der Einwirkung von Betriebsvereinbarungen sind, sondern lediglich, daß Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend, also normativ gelten. Daß allein die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer Gegenstand der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen sein sollen, ergibt sich auch nicht aus der systematischen Stellung des § 77 IV 1 BetrVG im Vierten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes, dessen Kapitelüberschrift „Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ lautet und damit den Zusammenhang zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG herstellt.179 Denn die Mitbestimmungsrechte des § 87 I BetrVG stehen dem Betriebsrat und nicht den Arbeitnehmern oder der Belegschaft zu,180 und Partei der Betriebsvereinbarung ist ebenfalls der Betriebsrat.181 Hierdurch relativiert sich zum einen die Bedeutung des Wortes „Arbeitnehmer“ in der amtlichen Kapitelüberschrift. Zum anderen würde die Tatsache, daß die „Arbeitnehmer“ mitzubestimmen haben, allein auch noch nicht etwas darüber aussagen, was Gegenstand ihrer Mitbestimmung wäre. Rückschlüsse auf den personellen Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen lassen sich jedoch aus ihrem materiellen Regelungsgegenstand ziehen. Regelungsgegenstand von Betriebsvereinbarungen sind die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer. Dies folgt im Umkehrschluß aus dem Tarifvorbehalt des § 77 III 1 BetrVG. Wenn Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die tarifvertraglich geregelt oder tarifüblich sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, heißt dies nichts anderes, als daß ansonsten Arbeitsbedingungen sehr wohl Gegenstand von Betriebsvereinbarungen und ihrer normativen Wirkung sein können.182 Bestätigt wird dies für den Bereich sozialer Angelegenheiten durch die Katalogtatbestände der §§ 87, 88 BetrVG, welche ausschließlich Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne als Gegenstand betrieblicher Mitbestimmung nennen. Dabei kann hier dahinstehen, ob jenseits bestehender tariflicher Regelungen und jenseits der Tarifüblichkeit alle Arbeitsbedingungen 178 Kreutz, Festschrift für Kraft, S. 323 (ebd.); derselbe, ZfA 2003, 361 (361, 383); Säcker, Gruppenautonomie, S. 364; Steinmeyer, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 423 (441); derselbe, RdA 2005, 345 (347); Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 192, 201; derselbe, NZA 1996, 357 (364); derselbe, NZA 1998, 505 (507). 179 So aber Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (302 f.). 180 Dazu bereits oben § 2 A. II. 2., S. 52 ff. 181 Dazu bereits oben § 2 A. II. 2., S. 52 ff. 182 In diese Richtung insbesondere Kreutz, ZfA 2003, 361 (383); vgl. bereits denselben, Festschrift für Kraft, S. 323 (326).

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auch Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.183 Jedenfalls können die Betriebspartner bestimmte Arbeitsbedingungen normativ regeln. Dies gilt namentlich für Regelungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.184 Arbeitsbedingungen sind in diesem Zusammenhang als Arbeitsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Insbesondere eine vom Arbeitsverhältnis losgelöste, rein betriebsbezogene Betrachtungsweise, die grundsätzlich auch die Einbeziehung Dritter ermöglicht, die weder Arbeitnehmer in dem Betrieb sind noch jemals waren,185 ist damit nicht vereinbar.186 Etwas anderes läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß zahlreiche Beteiligungsrechte des Betriebsrates einen betrieblichen Bezug haben und an Sachmaterien orientiert sind, wie etwa das Mitbestimmungsrecht im Bereich der Ordnung des Betriebes gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG.187 Denn Rückschlüsse auf die Normwirkung von in Ausübung dieser Mitbestimmungsrechte getroffenen Regelungen erlauben diese gerade nicht.188 Insoweit ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber mit der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 IV 1 BetrVG an den Tarifvertrag anknüpfte.189 Da sich aber aus den §§ 4 I, 3 I TVG ergibt, daß selbst bei betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen die tarifliche Normwirkung an das Arbeitsverhältnis anknüpft, wenngleich insoweit gemäß § 3 II TVG die Tarifbindung des Arbeitgebers genügt,190 kann für die Betriebsvereinbarung der Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht völlig aufgegeben werden. Dies muß erst

183 Für letzteres BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 2; BAG, Urteil vom 27.03.1963 – 4 AZR 72/62 –, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG, Bl. 3; BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 19.05.1978 – 6 ABR 25/75 –, AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R/3; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 208 ff., zusammenfassend S. 222; derselbe, Festschrift für Kraft, S. 323 (326); derselbe, ZfA 2003, 361 (383). Anderer Ansicht insbesondere Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 67, 71 f.; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 345 ff., zusammenfassend 423 ff.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 151 ff., zusammenfassend S. 155; derselbe, NZA 1995, 1177 (1181). 184 Vgl. bereits oben § 2 A. II. 2., S. 52 ff., § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff. 185 So aber Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 209; derselbe, NZA 1996, 357 (364 f.); derselbe, NZA 1998, 505 (508). Der Prämisse reiner Betriebsbezogenheit zustimmend Steinmeyer, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 423 (441); derselbe, RdA 2005, 345 (347). 186 Ebenso Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (315 f.); Kreutz, ZfA 2003, 361 (382). 187 So aber Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 202, 209; derselbe, NZA 1996, 357 (364); derselbe, NZA 1998, 505 (507). 188 Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (316). 189 BT-Drucksache VI/1786, S. 47. 190 Noch enger Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (316), die über den Wortlaut des Gesetzes hinaus ein bestehendes Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber voraussetzen.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

recht gelten, soweit – wie im Bereich der betrieblichen Altersversorgung – materielle Arbeitsbedingungen Regelungsgegenstand sind. Mit dem erforderlichen Bezug zum Arbeitsverhältnis ist allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, ob im Zeitpunkt der normativen Wirkung ein Arbeitsverhältnis und dieses darüber hinaus zum Betriebsinhaber bestehen muß.191 Daß Regelungsgegenstand von Betriebsvereinbarungen Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne sind, spricht dafür, daß die entsprechenden Betriebsvereinbarungen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin normative Wirkung entfalten, wenn sich die darin geregelten Arbeitsbedingungen ihrer Natur nach auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstrecken.192 Denn anderenfalls erwiese sich die Betriebsvereinbarung als Regelungsinstrument für derartige Arbeitsbedingungen schlechthin als ungeeignet. Dies betrifft namentlich den Bereich der betrieblichen Altersversorgung, da aufgrund der aufschiebenden Bedingtheit von Vorsorgungsansprüchen durch den Eintritt des Versorgungsfalls diese erst entstehen, wenn der Anspruchsberechtigte nicht mehr aktiver Arbeitnehmer ist. Anwartschaften und Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung stellen jedoch Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis dar193 und sind damit Arbeitsbedingungen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses. Es würde jedoch zu weit führen, die Ruhegeldzusage derart in das Arbeitsverhältnis eingebunden zu sehen, daß es beim Eintritt in den Ruhestand fortbesteht und erst mit Erfüllung aller Ruhegeldverpflichtungen endet,194 und hierüber die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern zu begründen.195 Denn eine solche Konzeption würde im Falle des mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung ausscheidenden Arbeitnehmers unweigerlich zu Friktionen führen. Dort müßte man entweder eine beschränkende Wirkung von Kündigung und Aufhebungsvertrag auf das bisherige Arbeitsverhältnis hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung 191 Zur mit dem letzteren angesprochenen Problematik der Arbeitnehmerüberlassung vgl. Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (317 f.); GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 Rz. 182; denselben, ZfA 2003, 361 (387); Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 80; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 219 ff.; denselben, NZA 1996, 357 (365). 192 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 184 m.w. N.; derselbe, Festschrift für Kraft, S. 323 (329); derselbe, ZfA 2003, 361 (386 f.); Galperin/Löwisch, BetrVG6, § 77 Rz. 33; Löwisch/Kaiser, BetrVG5, § 77 Rz. 22 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 167. 193 Vgl. oben § 3 B. V. 7., S. 179. 194 So aber Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 84; ähnlich bereits Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (184, Ruhestandsverhältnis als noch regelungsfähiges Arbeitsverhältnis) und zuletzt auch Blomeyer, Anm. AP Nr. 9 zu § 79 LPVG BadenWürttemberg, Bl. 15R/16; derselbe, RdA 2000, 279 (281, „Rechtsverhältnis in Liquidation“). 195 Blomeyer, Anm. AP Nr. 9 zu § 79 LPVG Baden-Württemberg, Bl. 16/16R; derselbe, RdA 2000, 279 (281); Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (184).

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annehmen oder aber ein Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt des Versorgungsfalles postulieren. Derartige Konstruktionen sind jedoch überflüssig, wenn man berücksichtigt, daß unverfallbare Anwartschaften ebenso wie Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechtspositionen aus diesem bleiben und damit Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne sind, die einer Regelung durch die Betriebspartner zugänglich sind.196 Denn für den Arbeitgeber bleiben die Verpflichtungen aus der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis.197 Dies gilt für den Anspruch eines Betriebsrentners ebenso wie a maiore ad minus für die unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung eines vor Eintritt des Versorgungsfalles ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Man mag insoweit von Nachwirkungen des früheren Arbeitsverhältnisses sprechen.198 Bestätigt wird diese Sichtweise auch durch § 16 I, IV, V BetrAVG, eine Vorschrift, welche ausschließlich gegenüber Ruheständlern relevant wird. Das Gesetz verpflichtet insoweit ausdrücklich den „Arbeitgeber“ zu einer Anpassungsprüfung, obwohl es sich in allen dort geregelten Fällen um den ehemaligen Arbeitgeber handelt.199 Gegen eine Einbeziehung ausgeschiedener Arbeitnehmer in den personellen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung spricht auch nicht, daß der Betriebsrat gemäß § 7 BetrVG nur von der aktiven Belegschaft gewählt wird.200 Denn wie bereits eingehend dargelegt wurde, folgt die Legitimation der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen nicht aus der Betriebsratswahl, sondern unmittelbar und konstitutiv aus dem Betriebsverfassungsgesetz.201 Überdies wäre eine Argumentation aus der Wahlberechtigung bei der Betriebsratswahl auch aus anderen Gründen ungeeignet, den personellen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung zu bestimmen. Denn sie steht im Widerspruch dazu, daß Betriebsvereinbarungen auch auf Arbeitsverhältnisse einwirken, welche erst nach ihrem Abschluß begründet worden sind.202 Ferner sind minderjährige Arbeitnehmer gemäß § 7 196 Kreutz, Festschrift für Kraft, S. 323 (329); derselbe, ZfA 2003, 361 (384); ähnlich Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 77. 197 Kreutz, ZfA 2003, 361 (385). 198 Insoweit zutreffend Säcker, Anm. SAE 1970, 269 (272); derselbe, Gruppenautonomie, S. 365; derselbe, AR-Blattei D-Blatt Betriebsvereinbarung I, 4. Forts.-Blatt R. 199 Blomeyer, Anm. AP Nr. 9 zu § 79 LPVG Baden-Württemberg, Bl. 16; derselbe, RdA 2000, 279 (281); zustimmend Kreutz, ZfA 2003, 361 (385 Fn. 93). 200 So aber BAG GS, Beschluß vom 16.03.1956 – GS 1/55 –, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG, Bl. 4/4R; BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 13.05.1997 – 1 AZR 75/ 97 –, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2. 201 Dazu bereits oben § 2 B. II. 2. b), S. 75 ff. 202 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 69; derselbe, Festschrift für Kraft, S. 323 (328); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 16; Steinmeyer, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 423 (442). Vgl. auch BAG, Urteil vom 05.09.1960 – 1 AZR 509/57 –, AP Nr. 4 zu § 399 BGB, Bl. 2.

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BetrVG nicht wahlberechtigt, ohne daß dies der normativen Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse durch Betriebsvereinbarungen entgegenstünde.203 Nachdem das Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 durch die §§ 50 I 1 2. Halbsatz, 58 I 1 2. Halbsatz BetrVG neuer Fassung die originäre Zuständigkeit von Gesamt- und Konzernbetriebsrat auch auf betriebsratslose Betriebe ausgedehnt hat, verliert die Argumentation aus der mangelnden Wahlberechtigung ausgeschiedener Arbeitnehmer weiter an Gewicht, da nunmehr Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen gemäß § 77 IV 1 in Verbindung mit den §§ 51 V, 59 I BetrVG auch für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern normativ gelten, welche einem Betrieb ohne Betriebsrat angehören und einen solchen nicht durch Wahl legitimiert haben können.204 Hinzuweisen ist schließlich auch auf die Wirkung von Sozialplänen, welche nicht nur gemäß § 112 I 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung haben, sondern auch Betriebsvereinbarungen sind.205 Sozialpläne können nach der insoweit zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aber auch bereits vor ihrem Abschluß ausgeschiedene Arbeitnehmer erfassen, wenn sie sich auf eine vorangegangene Betriebsänderung beziehen, in deren Rahmen die Arbeitnehmer ausgeschieden sind. Dies gilt sowohl für die Zusage von Sozialplanleistungen206 als auch für die ablösende, verschlechternde Anpassung von Leistungsansprüchen.207 Warum für Betriebsvereinbarungen, die keine Sozialpläne sind, etwas anderes gelten sollte, ist jedenfalls dann nicht einzusehen, wenn ihr Regelungsgegenstand sich seiner Natur nach ebenso wie ein Sozialplan (auch) auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht, wie es insbesondere auf die betriebliche Altersversorgung zutrifft.

B. Individualrechtliche Ansprüche und Anwartschaften Ausgeschiedener? Eine Betriebsvereinbarung über Leistungen betrieblicher Altersversorgung bleibt auch dann alleinige Anspruchsgrundlage, wenn der Arbeitnehmer mit 203 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 69; Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 16. Zur Wirkung gegenüber Nichtwahlberechtigten auch Steinmeyer, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 423 (442). 204 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 180; derselbe, ZfA 2003, 361 (364 Fn. 15). 205 BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 18.12.1990 – 1 ABR 15/90 –, AP Nr. 85 zu § 99 BetrVG 1972, Bl. 4; Kreutz, Festschrift für Kraft, S. 323 (328 bei und in Fn. 25); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 18. 206 BAG, Urteil vom 11.02.1998 – 10 AZR 22/97 –, AP Nr. 121 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2. 207 BAG, Beschluß vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 –, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 7; v. Hoyningen-Huene, RdA 1983, 225 (228 f.); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 17 f.

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Eintritt des Versorgungsfalles oder auch vor dessen Eintritt mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausscheidet.208 Nach dem oben Gesagten wirkt sie auch gegenüber diesem Personenkreis normativ. Dementsprechend können auch nachfolgende Betriebsvereinbarungen, welche die bisherigen Regelungen abändern, diesen Personenkreis normativ erfassen. Mangels individualvertraglicher Rechtspositionen verbietet sich insoweit – ebenso wie bei der aktiven Arbeitnehmerschaft209 – ein Abänderungsschutz, sei es nach der Lehre vom kollektivfreien Individualbereich,210 sei es unter Anwendung des Günstigkeitsprinzips.211 Fehlt es bereits an einem individualrechtlichen Kern der Betriebsvereinbarung während ihrer normativen Einwirkung auf die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmerschaft,212 so ist dogmatisch nicht hinreichend begründbar, weshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Erstarkung der Ruhegeldanwartschaft zum Anspruch213 bei Eintritt des Versorgungsfalles dem Berechtigten zu einem selbständigen schuldrechtlichen Anspruch verhelfen können soll.214 Insbesondere läßt sich ein solcher nicht aus dem Rechtsgedanken des § 613a I 2 BGB herleiten.215 Denn diese Norm dient lediglich der Überbrückung einer Unterbrechung der Kontinuität der Betriebsverfassung durch Veränderungen auf seiten des Betriebes beziehungsweise des Arbeitgebers.216 Damit sind das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb und der Eintritt in den Ruhestand nicht vergleichbar.217 Vielmehr zeigt gerade die Erstreckung der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen, welche eine betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand haben, auf ehemalige Arbeitnehmer, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind, sowie auf Betriebsrentner, daß insoweit die betriebsverfassungsrechtliche Kontinuität gewahrt bleibt. Ebenso fehl geht eine Parallele zur Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 VI BetrVG.218 Denn nach dieser Norm entfällt mit dem Ablauf der 208

Ebenso Kreutz, ZfA 2003, 361 (384 f.). Dazu bereits oben § 4, S. 192 ff. 210 Dazu bereits oben § 4 D. I., S. 212 ff. 211 So aber für unbefristet und unbedingt entstandene Ansprüche Rolfs, RdA 2006, 349 (355 f.). 212 Dazu bereits oben § 4 C., S. 200 ff. 213 Auf die Anspruchsentstehung stellt Rolfs, RdA 2006, 349 (355 f.), ab. 214 Im Ergebnis ebenso Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (302 ff., 306); Kreutz, Festschrift für Kraft, S. 323 (326); derselbe, ZfA 2003, 361 (367 f.); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 23 ff., 26; Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (190); Waltermann, NZA 1998, 505 (507). 215 So aber v. Hoyningen-Huene, RdA 1983, 225 (229). 216 Dazu bereits oben § 4 C. IV., S. 209 ff. 217 Im Ergebnis ebenso Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (305); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 24. 218 So aber v. Hoyningen-Huene, RdA 1983, 225 (229). 209

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Betriebsvereinbarung lediglich ihre zwingende, nicht aber ihre unmittelbare und damit normative Wirkung. Eine Transformation in einen Individualanspruch läßt sich daher insoweit nicht begründen,219 ohne daß es noch auf die bei Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung relevante Frage der Nachwirkung des nichtmitbestimmungspflichtigen Dotierungsrahmens220 ankäme. Hinzu tritt, daß bei der Nachwirkung gemäß § 77 VI BetrVG das Arbeitsverhältnis fortbesteht, während die Betriebsvereinbarung endet. Bei der vom Bundesarbeitsgericht propagierten Anspruchsmutation hingegen besteht die Betriebsvereinbarung fort, während das Arbeitsverhältnis endet.221 Insoweit fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit der geregelten mit der ungeregelten Sachverhaltskonstellation.222 Allenfalls ließe sich noch an eine Entstehung individualrechtlicher Ansprüche und Anwartschaften im Wege der Novation denken.223 Anders als bei einer Vertragsänderung heben bei einer Novation die Parteien eines Schuldverhältnisses dieses einvernehmlich auf und begründen zugleich ein neues, welches an die Stelle des bisherigen tritt.224 Erforderlich ist hierfür eine entsprechende vertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien zum Austausch des Rechtsgrundes für die Versorgungsverpflichtungen aus einer Betriebsvereinbarung. Hiervon ist beim Eintritt in den Ruhestand im Hinblick auf die weitreichenden Folgen einer Novation – etwa das Erlöschen aller Einwendungen – regelmäßig ebensowenig auszugehen225 wie bei einem anderweitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Jenseits einer im Einzelfall von den Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Novation scheiden daher individualrechtliche Ansprüche und Anwartschaften Ausgeschiedener aufgrund einer Betriebsvereinbarung aus.

C. Zusammenfassung und Schußfolgerungen für den weiteren Untersuchungsgang Eine Betriebsvereinbarung über Leistungen betrieblicher Altersversorgung bleibt auch dann alleinige Anspruchsgrundlage, wenn der Arbeitnehmer mit Eintritt des Versorgungsfalles oder vor dessen Eintritt mit einer unverfallbaren 219 Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (305); Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 24. 220 Zu dieser Problematik Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 54 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 428–436; je m.w. N. 221 Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 198. 222 In diese Richtung auch Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (305). 223 Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 24. 224 Vgl. S. 219 Fn. 159. 225 Konzen/Jacobs, Festschrift für Dieterich, S. 297 (306); im Ergebnis ebenso bereits Rüthers/Bakker, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 26, S. 25.

2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

233

Anwartschaft ausscheidet. Sie wirkt gegenüber diesem Personenkreis normativ. Dementsprechend können auch nachfolgende Betriebsvereinbarungen, welche die bisherigen Regelungen abändern, diesen Personenkreis normativ erfassen. Mangels individualvertraglicher Rechtspositionen verbietet sich insoweit – ebenso wie bei der aktiven Arbeitnehmerschaft – ein Abänderungsschutz, sei es nach Lehre vom kollektivfreien Individualbereich, sei es unter Anwendung des Günstigkeitsprinzips. Insoweit gilt grundsätzlich die Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes stellt sich damit die gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen gegenüber Ruheständlern und mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht als Kompetenzproblem, sondern als Frage einer inhaltsorientierten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen dar. Hinzuweisen ist jedoch bereits an dieser Stelle auf die Regelung des § 2 V 1 BetrAVG, die der Veränderung von Versorgungszusagen gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern – nicht aber gegenüber unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand getretenen Betriebsrentnern226 – insoweit Grenzen setzt, als nach Ausscheiden des Arbeitnehmers eintretende Veränderungen der Versorgungszusage für die Berechnung seiner unverfallbaren Anwartschaft unbeachtlich sind. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Frage der materiellen Bindung der Betriebspartner, die ihre Normsetzungskompetenz gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht in Frage stellt. Auf die Regelung des § 2 V 1 BetrAVG wird im Zusammenhang mit der einfachgesetzlichen Gewährleistung des Anwartschaftsschutzes bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen zurückzukommen sein.227 *** Als wesentliches Ergebnis des 2. Teils der Untersuchung bleibt folgendes festzuhalten: § 4 und § 5 dieser Untersuchung haben ergeben, daß nachfolgende Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sowohl gegenüber den aktiven Arbeitnehmern als auch gegenüber den mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmern und den Betriebsrentnern normativ wirken. Insoweit gilt grundsätzlich die Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“, wenn eine Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung durch eine verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird.

226 227

Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 2 Rz. 396. Vgl. unten § 9 C. III. 3. u. 4., S. 367 ff.

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2. Teil: Perspektiven einer Beschränkung der Zeitkollisionsregel

Hinter der Frage des Vertrauensschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen steht kein Problem der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner, sondern ein Problem der inhaltsorientierten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen. § 4 hat jedoch bereits gezeigt, daß insoweit ein Konflikt zu der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung besteht, die den Betriebspartnern einen ständigen Anspruch einräumt, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Dieser Anspruch der Betriebspartner ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten.228 Damit aber steht die Ausgestaltung der gesetzlichen Konzeption selbst auf den Prüfstand. Im folgenden 3. Teil der Untersuchung ist daher zu fragen, welchen Bindungen der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung unterliegt, um die Rechtsstellung der Arbeitnehmer gegenüber dem ständigen Änderungsanspruch der Betriebspartner zu schützen, und wie er diesen Bindungen gerecht werden kann (§ 6).

228

Vgl. S. 210 Fn. 99.

3. Teil

Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen Der 2. Teil der vorliegenden Untersuchung hat bereits gezeigt, daß der Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Konflikt zu der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung steht, die den Betriebspartnern einen ständigen Anspruch einräumt, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Dies ist Anlaß genug, die Ausgestaltung dieser gesetzlichen Konzeption zu überprüfen und zu fragen, ob und inwieweit sie für die Berücksichtigung von Vertrauensschutz – wie ihn etwa das Bundesarbeitsgericht durch die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes praktiziert – Raum läßt. Dazu ist im 3. Teil der Untersuchung zunächst danach zu fragen, welchen materiellen Bindungen der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung unterliegen könnte, um die Rechtsstellung der Arbeitnehmer, wie sie sich insbesondere aus einer durch Vorleistung erworbenen Anwartschaft im Sinne von § 3 dieser Untersuchung ergibt, gegenüber dem ständigen Änderungsanspruch der Betriebspartner zu schützen, und wie er diesen materiellen Bindungen gerecht werden kann (§ 6). Hieraus ist dann der weitere Untersuchungsgang für den 4. und 5. Teil dieser Untersuchung herzuleiten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß erst wenn die gesetzliche Konzeption vor dem Hintergrund der Bindungen des Gesetzgebers beleuchtet ist, Umfang und Reichweite einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen bestimmt werden können.

§ 6 Materielle Bindung des Gesetzgebers bei der Regelung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner Materielle Bindungen des Gesetzgebers zur Gewährleistung von Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen können sich allein aus dem Grundgesetz, insbesondere den Grundrechten der Arbeitnehmer ergeben. Dabei sind zunächst einmal – A. – die Bindungen des Gesetzgebers an die Grundrechte der Arbeitnehmer und ihre Bedeutung für die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen zu analysieren. Anschließend stellt sich die Frage, ob – B. – nicht eine Überprüfung der gesetzlichen Konzeption betrieb-

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

licher Mitbestimmung anhand der Grundrechte entbehrlich ist und statt dessen die Regelungen der Betriebspartner unmittelbar anhand der Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer zu überprüfen sind. Sind diese Vorfragen geklärt, können schließlich – C. – der Maßstab für die Überprüfung anhand der Grundrechte der Arbeitnehmer und das Prüfprogramm für die weitere Untersuchung entwickelt werden.

A. Schutzauftrag der Grundrechte an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes und gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes kann an die obigen Ausführungen zur Legitimation der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen angeknüpft werden.1 Danach legitimiert sich die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen regelmäßig unmittelbar aus § 77 IV 1 BetrVG. Der Gesetzgeber ist zwar bei grundrechtlich relevanten Entscheidungen wegen der grundrechtlichen Vorbehalte des Gesetzes in ihrer Ausprägung durch die Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichtes gehalten, alle wesentlichen grundrechtsrelevanten Entscheidungen selbst zu treffen. Hieraus ergeben sich jedoch keine Aspekte, die gegen die Kompetenz der Betriebspartner zur Aufhebung und insbesondere verschlechternden Abänderung von ihnen selbst geschaffener Regelungen sprächen. Die §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG ermächtigen nach der sogenannten Actus-contrarius-Doktrin die Betriebspartner nicht nur zur Einführung einer betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung, sondern auch zur Aufhebung und Abänderung der dazu von ihnen geschaffenen Regelungen. Die oben in § 2 aufgeworfene Frage, inwieweit hieraus auch eine Ermächtigung der Betriebspartner zu Grundrechtseingriffen folgt,2 kann für die Zwecke dieser Untersuchung dahinstehen. Denn aus der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung folgt nicht nur die formelle Befugnis, sondern auch ein ständiger materieller Anspruch der Betriebspartner, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Hieraus folgt ein jeder Betriebsvereinbarung immanenter Vorbehalt, durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgelöst zu werden. Stehen damit aber aufgrund einer Betriebsvereinbarung entstandene Rechtspositionen a priori unter dem Vorbehalt ihrer Abänderung und ihres Entzuges, kann bei einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung ein Grundrechtseingriff nicht ohne weiteres festgestellt werden. Einer besonderen Ermächtigungsnorm zum Abschluß verschlechternder nachfolgender Betriebsvereinbarungen bedarf es daher vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte nicht. 1 2

Siehe oben § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff. m.w. N. Siehe oben § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff.

§ 6 Materielle Bindung des Gesetzgebers

237

Die Anerkennung einer derart weitreichenden Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner kann jedoch nicht bedeuten, daß sich der staatliche Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Bindungen entledigt. Insoweit angesprochen ist daher nicht die materielle Bindung der Betriebspartner, sondern die des Gesetzgebers bei Ausgestaltung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner.3 Umfang und Reichweite dieser materiellen Bindung gilt es zu bestimmen, bevor die gesetzliche Konzeption vor dem Hintergrund der Bindungen des Gesetzgebers beleuchtet werden kann, um anschließend Umfang und Reichweite der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen bestimmen zu können. Die Grundrechte von Arbeitgeber und Arbeitnehmern lösen in ihrer objektivrechtlichen Funktion eine Pflicht des Staates aus, sie auch vor Beeinträchtigungen durch Private zu schützen. Diesen Schutzpflichten hat der Gesetzgeber auch nachzukommen, wenn er private Rechtsetzung anerkennt.4 Damit ist bei der Anerkennung von Betriebsvereinbarungen als private Rechtsetzung den Grundrechten der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere der am Abschluß der Betriebsvereinbarung nicht unmittelbar beteiligten einzelnen Arbeitnehmer5 Rechnung zu tragen. Dabei kommt dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu.6 Er hat grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Verwirklichung eines bestehenden grundrechtlichen Schutzauftrages:7 Zuallererst kann der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des staatlichen Geltungsbefehls bereits einem Schutzauftrag Genüge tun. Weiterhin kann der Gesetzgeber ein Genehmigungserfordernis für privat gesetzte Rechtsnormen vorsehen, um so eine Überprüfung der Normen bereits vor deren Inkrafttreten zu ermöglichen. Schließlich und endlich kann der Gesetzgeber den Schutzauftrag durch die Rechtsprechung wahrnehmen lassen, indem er die gerichtliche Kontrolle des privat gesetzten Rechts ermöglicht. Die Gerichte sind ihrerseits über Art. 1 III GG an den Schutzauftrag der Grundrechte gebunden und haben ihm bei der Anwendung, Auslegung und Fortbildung des einfachen Rechts Rechnung zu tragen. Es kommt damit darauf an, ob die konkrete Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes den Schutzaufträgen der einzelnen Grundrechte bereits genügt oder ob eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen erforderlich ist. Letztere hat den Grundrechten primär durch Auslegung des einfachen Rechts Geltung zu verschaffen. Verbleiben dabei Schutzdefizite, kann eine rechtsfortbildende Kontrolle indiziert sein.

3

Zu dieser Differenzierung auch H. Hanau, Individualautonomie, S. 37 f. Zum Zusammenhang von Anerkennung privater Rechtsetzung und Schutzauftrag der Grundrechte vgl. F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 522. 5 Partei der Betriebsvereinbarung auf Arbeitnehmerseite ist der Betriebsrat, vgl. oben § 2 A. II. 2., S. 52 ff., 57. 6 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 487. 7 Hierzu und zum folgenden F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 525 f. 4

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

Dies bedeutet, daß eine gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen sich daran zu orientieren hat, ob der Gesetzgeber einem bestehenden Schutzauftrag bereits anderweitig Genüge getan hat. Da eine Staatsaufsicht über die Betriebspartner und die von ihnen abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen nicht besteht,8 ist zu fragen, welche konkreten Anforderungen die Grundrechte an den Gesetzgeber bei der Anerkennung und Ausgestaltung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner stellen und inwieweit bereits das Betriebsverfassungsgesetz dem Schutzauftrag der Verfassung genügt.

B. Unmittelbare Grundrechtsbindung der Betriebspartner? Die Frage nach den Bindungen des Gesetzgebers des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Schutzauftrag der Grundrechte wäre jedoch entbehrlich, wenn die Betriebspartner denselben grundrechtlichen Bindungen wie der Gesetzgeber unterlägen. Dann wären die in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen unmittelbar an den Grundrechten zu messen. Die Grundrechte wären dabei nicht in ihrer Funktion als Schutzauftrag, sondern in ihrer Funktion als Abwehrrechte der betroffenen Arbeitnehmer angesprochen. Bei einer derartigen Kontrolle am Maßstab der Grundrechte entstünde zugleich das Problem, daß aufgrund der gesetzlichen Konzeption des zugunsten der Betriebspartner wirkenden Vorbehaltes, von ihnen selbst geschaffene Regelungen wieder abändern zu können, ein Grundrechtseingriff durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen nur feststellbar wäre, wenn eine Bindung der Betriebspartner an diese Grundrechte auch in Ansehung dieses Vorbehaltes bestünde. Damit aber würde die gesetzliche Konzeption betrieblicher Mitbestimmung selbst in Frage gestellt. Diese Problematik kann hier außer acht gelassen werden. Denn die Betriebspartner sind nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden.9, 10 Eine solche 8

Dazu bereits oben § 2 B. II. 2 b) bb), S. 78 ff. So aber noch BAG, Urteil vom 28.03.1958 – 1 AZR 336/57 –, AP Nr. 28 zu Art. 3 GG, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 07.12.1962 – 1 AZR 245/61 –, AP Nr. 28 zu Art. 12 GG, Bl. 2; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5; BAG, Urteil vom 24.02.1984 – 1 AZR 574/82 –, AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4; BAG, Urteil vom 20.11.1987 – 2 AZR 284/86 –, AP Nr. 2 zu § 620 BGB Altersgrenze, Bl. 5R; Belling, Anm. EzA § 620 BGB Altersgrenze Nr. 1, S 27; DKK/Berg, BetrVG10, § 77 Rz. 9; Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 114; Däubler, AuR 1984, 1 (6 f.); Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (402 f. i.V. m. 399); Jobs, AuR 1986, 147 (148); Konzen, Anm. AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5; Nause, Die Grenzen der Regelungsbefugnis, S. 155; Reuter, Anm. SAE 1987, 285 (286); Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 76; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 245 f. 10 Im Ergebnis wie hier BVerfG, Beschluß vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80 –, BVerfGE 73, 261 (268 f.); BAG GS, Beschluß vom 27.02.1985 – GS 1/84 –, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, Bl. 7; BAG, Beschluß vom 27.05.1986 – 1 ABR 48/84 –, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 4; BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3R/4; Canaris, 9

§ 6 Materielle Bindung des Gesetzgebers

239

Bindung ist dogmatisch nicht überzeugend begründbar, da die Betriebsvereinbarung von Privaten durch privatrechtlichen Vertrag begründet wird und ein Institut des Privatrechts ist.11 Gemäß Art. 1 III GG binden die Grundrechte lediglich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Die Norm wendet sich dabei ausschließlich an die öffentliche Gewalt,12 wie auch der systematische Vergleich mit Art. 20 III GG zeigt, der gleichfalls lediglich die drei staatlichen Gewalten in Bezug nimmt. Vor diesem Hintergrund hätte es sich aber aufgedrängt, Private in Art. 1 III GG ausdrücklich einzubeziehen, wenn eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte intendiert gewesen wäre. Hinzu tritt, daß die Grundrechte nach ihrer historischen Bedeutung ausschließlich staatsgerichtet waren.13 Weiterungen, wie sie durch Art. 118 I 2 und Art. 159 S. 2 der Weimarer Reichsverfassung für die Meinungs- und Koalitionsfreiheit bestanden, sind nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig,14 da sie sich nicht auf jeden Privaten und zudem nur auf einseitig diktierte Rechtsbefehle bezogen.15 Da diese Weiterungen in der Weimarer Reichsverfassung auch nicht in diesem Umfang in das Grundgesetz übernommen worden sind16 – lediglich Art. 9 III 2 GG ordnet für die Koalitionsfreiheit eine unmittelbare Drittwirkung an –, läßt sich eine historische Entwicklung von der ausschließlichen Staatsgerichtetheit der Grundrechte zu einer umfassenden unmittelbaren Wirkung gegenüber Privaten gerade nicht belegen, so daß das Schweigen des Grundgesetzgebers als Entscheidung gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte erscheint.17 AcP 184 (1984), 201 (203 ff., 205, 206 f.); derselbe, JuS 1989, 161 (166 f.); ErfK7 / Dieterich, Einleitung GG Rz. 24; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 104 f.; Kempen, RdA 1994, 140 (151); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 218 i.V. m. S. 517 ff., 521 f.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 248; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 293 f.; Preis/Greiner, Festschrift für Rüfner, S. 653 (667 f.); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 494; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 100; MünchArbR2 / Richardi, § 10 Rz. 34; Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (605); I. Schmidt, Festschrift für Dieterich, S. 585 (592 f.); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 134; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 7 IV 4, S. 104. 11 Hierzu bereits oben § 2 C., S. 86 f. Vgl. im übrigen BVerfG, Beschluß vom 23.04.1986 – 2 BvR 487/80 –, BVerfGE 73, 261 (268); Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 13; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 113; Galperin/Löwisch, BetrVG6, vor § 1 Rz. 8; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 1; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 29. Insoweit auch Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 141. 12 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (204); H. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 52 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG5, Art. 1 III Rz. 221 f., 248. 13 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 389 f. 14 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 519 f. 15 Vgl. dazu Geiger, Die Grundrechte in der Privatrechtsordnung, S. 14 ff., 16. 16 Hierzu Nikisch, Arbeitsrecht II2, § 60 II 1 u. 2, S. 53 f. m. Fn. 39. 17 F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 520; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG5, Art. 1 III Rz. 310.

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

Auch aus der Legitimation ihrer normativen Wirkung durch ein Gesetz folgt weder ein öffentlich-rechtlicher Charakter der Betriebsvereinbarung18 noch das Bedürfnis, die Betriebspartner unmittelbar an die Grundrechte zu binden. Zwar ist zu konzedieren, daß a prima vista die Situation der Arbeitnehmer gegenüber einer Betriebsvereinbarung vergleichbar ist mit der des Bürgers gegenüber der staatlichen Gesetzgebung.19 Ebenso wie der Bürger sich der deutschen staatlichen Gesetzgebung nur durch Auswanderung entziehen kann, kann sich der Arbeitnehmer nur durch Aufgabe seines Arbeitsplatzes der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner entziehen.20 An einer privatautonomen Legitimation der Normwirkung durch die Arbeitnehmer fehlt es regelmäßig.21 Dies rechtfertigt jedoch ebensowenig wie etwa ein soziales Machtgefälle zwischen den Beteiligten22 eine unmittelbare Bindung der Betriebspartner an die Grundrechte. Es ist nämlich primär Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, den Grundrechtsschutz im Bereich privater Rechtsetzung zu gewährleisten.23 Dies ist Ausdruck der objektiven Seite der Grundrechte, welche einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber beinhaltet. Darüber hinaus gewährleistet die objektive Wertordnung der Grundrechte durch ihre Ausstrahlungswirkung auf das Zivilrecht mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln24 mittelbar einen effektiven Grundrechtsschutz. Einer unmittelbaren Bindung der Betriebspartner an die Grundrechte bedarf es daher nicht. Sind mithin die Betriebspartner nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, kommt auch eine Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen unmittelbar anhand der Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer in ihrer Funktion als Ab18 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 140; ähnlich Wlotzke/ Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 26. 19 Däubler, AuR 1984, 1 (6); Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385 (402 i.V. m. 400); Reuter, AcP 188 (1988), 649 (652 f.); Schwarze, ZTR 1996, 1 (5); Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 246; derselbe, RdA 1990, 138 (141 f.). Insoweit auch Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (287). 20 Ähnlich Däubler, AuR 1984, 1 (6); auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 69. 21 Siehe oben § 2 B. II. 1., S. 64 ff. 22 So aber etwa Gamillscheg, AcP 164 (1964), 386 (407 ff., 408, 411, 419 ff., 423); derselbe, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 32 f.; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 379 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT I15, § 15 IV 4 c, S. 96; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 19; Nipperdey, in: Bettermann/Nipperdey, Die Grundrechte IV 2, S. 741 (747 ff., 752 f.). Hiergegen Canaris, AcP 184 (1984), 201 (206 f.); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 494 Fn. 479; MünchArbR2 /Richardi, § 10 Rn. 9. 23 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 104 f.; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 494 f.; ähnlich Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 69. 24 Grundlegend hierzu BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 (205 f.) – „Lüth“ –; Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rz. 132; Maunz/Dürig/ Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 3 Rz. 65. Vgl. auch die Nachweise bei Canaris, AcP 184 (1984), 201 (210 f.); Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 78–83.

§ 6 Materielle Bindung des Gesetzgebers

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wehrrechte nicht in Betracht. Daher kann auch die Frage nach den Bindungen des Gesetzgebers des Betriebsverfassungsgesetzes aufgrund des Schutzauftrages der Grundrechte und nach dessen Verwirklichung nicht dahinstehen.

C. Grundrechtlicher Prüfungsmaßstab und weiterer Gang der Untersuchung Damit ist zu fragen, welche konkreten Anforderungen die Grundrechte an den Gesetzgeber bei der Anerkennung und Ausgestaltung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner stellen und inwieweit bereits das Betriebsverfassungsgesetz dem genügt. Auf dem Prüfstand steht für die Zwecke dieser Untersuchung die gesetzliche Konzeption betrieblicher Mitbestimmung, die den Betriebspartnern einen ständigen Anspruch einräumt, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Aus ihr folgt nach dem oben zu A Gesagten ein jeder Betriebsvereinbarung immanenter Vorbehalt, durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgelöst zu werden. Dieser immanente Änderungsvorbehalt ist die materiellrechtliche Rechtfertigung der Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ in bezug auf die durch die Betriebsvereinbarung normativ erfaßten Individualarbeitsverhältnisse. Ob dieser immanente Änderungsvorbehalt mit dem Verfassungsauftrag zum Schutz insbesondere der Arbeitnehmergrundrechte vereinbar ist, läßt sich nur anhand konkret betroffener Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer beantworten. Für den Schutz von erdienten Anwartschaften und Ansprüchen der Arbeitnehmer auf eine betriebliche Altersversorgung vor Verschlechterung und Entzug ist anhand des für den Schutz des Erworbenen einschlägigen Art. 14 I GG zu fragen, ob der immanente Änderungsvorbehalt eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 I 2 GG darstellt, welche die Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer von vornherein einschränkt, so daß für einen ergänzenden Vertrauensschutz kein Raum ist. Für den Schutz noch nicht erdienter Versorgungsanwartschaften, das heißt zugesagter Erwerbsaussichten, ist anhand des für den Schutz des Erwerbs einschlägigen Art. 12 I GG zu fragen, ob der immanente Änderungsvorbehalt eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung darstellt, welche die durch Betriebsvereinbarung zugesagten Erwerbsaussichten von vornherein so einschränkt, daß für einen ergänzenden Vertrauensschutz hinsichtlich ihres zukünftigen Fortbestandes kein Raum ist. Für beide Grundrechte stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber nicht bereits durch Schaffung des Betriebsverfassungsgesetzes die widerstreitenden Interessen hinreichend zum Ausgleich gebracht hat, so daß ein Schutzdefizit nicht feststellbar wäre. Denn mit der Ausgestaltung der Betriebsverfassung und der Anerkennung der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen durch den Gesetzgeber wird dieser zum einen im Bereich der durch Art. 2 I GG geschützten Privat-

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

autonomie der Arbeitnehmer, im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung auch der des Arbeitgebers, zum anderen im Bereich der durch Art. 12 I GG geschützten Berufsausübungsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern tätig. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits im Mitbestimmungsurteil vom 1979 erkannt hat, kann die Freiheit des Unternehmers „nur mit Hilfe anderer, der Arbeitnehmer“ wahrgenommen werden, „die ebenfalls Träger des Grundrechts aus Art. 12 I GG sind.“25 Entsprechendes gilt vice versa für die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer. In diesem Bereich hat der Gesetzgeber mit dem Betriebsverfassungsgesetz grundrechtskonkretisierende Ausübungsregeln der Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern geschaffen,26 welche grundsätzlich durch die objektivrechtliche Schutzfunktion der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 I GG legitimiert27 und dem Ausgleich konfligierender Grundrechtpositionen zu dienen bestimmt sind. Die Reichweite dieses Ausgleichs gilt es im Einzelfall zu bestimmen. Angesprochen ist mit dem Vorigen die Reichweite des immanenten Vorbehaltes nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung und damit im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit, der iustitia commutativa. Da Betriebsvereinbarungen regelmäßig ausschließlich kraft Gesetzes normativ auf eine Mehrzahl von Arbeitsverhältnissen einwirken, eröffnet der Gesetzgeber den Betriebspartnern die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitnehmergruppen. Damit steht aber zugleich die Frage der Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG bei der Anerkennung privater Rechtsetzung im Raum. Ergänzt wird Art. 3 GG durch das Entgeltgleichheitsgebot in Art. 141 des EG-Vertrages sowie mehrere europäische Antidiskriminierungsrichtlinien,28 welche der Gesetzgeber mit dem Allgemeinen Gleichbehand25

BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532/77 u. a. –, BVerfGE 50, 290 (365). Kempen, RdA 1994, 140 (150); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 489, 493 m.w. N. in Fn. 474. 27 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 493. Zum legitimierenden institutionellen und funktionellen Kern des Art. 12 GG Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 (40 f.). Allgemein zur Legitimation privater Rechtsetzung durch die objektivrechtliche Seite der Grundrechte F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 512 f. Zu abweichenden Rechtfertigungsansätzen der Gesetzgebung im Bereich betrieblicher Mitbestimmung eingehend Reichold, Sozialprivatrecht, S. 488–495 m.w. N. 28 Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 vom 19.07.2000, S. 22); Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 vom 02.12.2000, S. 16; Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 vom 05.10.2002, S. 15); Richtlinie 2004/ 26

§ 6 Materielle Bindung des Gesetzgebers

243

lungsgesetz umgesetzt hat. Angesprochen sind mit alledem Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der iustitia distributiva. Die Prüfung der einschlägigen Grundrechte hat sich jedoch nicht am „Untermaßverbot“ zu orientieren. Das Untermaßverbot ist zwar für die durch die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte motivierte Kontrolle von Handlungen Privater insbesondere von Canaris29 eingehend belegt worden und scheint a prima vista auch für Betriebsvereinbarungen einschlägig zu sein. Danach können allein evidente Schutzpflichtverletzungen des Privatrechtsgesetzgebers relevant werden.30 Da jedoch regelmäßig allein der Gesetzgeber durch die Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner im Betriebsverfassungsgesetz diesen die Möglichkeit eröffnet, im grundrechtsrelevanten Bereich der Arbeitnehmer mit unmittelbarer und zwingender Wirkung regelnd tätig zu werden, und es an einer privatautonomen Legitimation betrieblicher Rechtsetzungsmacht fehlt, verdichtet sich der Prüfungsmaßstab für die Ermittlung verfassungswidriger Schutzdefizite insoweit entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Übermaßverbot.31 Denn es ist lediglich eine Frage der Perspektive,32 ob man beispielsweise auf den Schutzauftrag des Gesetzgebers vor zu weitgehender Fremdbestimmung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber beziehungsweise die Betriebspartner abstellt33 oder auf den in der Zuweisung von Rechtsetzungsmacht an die Betriebspartner liegenden Eingriff in die Selbstbestimmungsfreiheit der Arbeitnehmer abstellt.34 Entsprechendes gilt für die spezielleren Grundrechte aus den Art. 12, 14 GG und auch für Art. 3 GG, soweit man der letztgenannten Norm überhaupt ein Schutzgebot für den

113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EG Nr. L 373 vom 21.12.2004, S. 37). 29 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); derselbe, JuS 1989, 161 (163). 30 Zu diesem Maßstab Schneider, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte I, § 18 Rz. 45 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 28.05.1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92 –, BVerfGE 88, 203 (254 f.). Auch BVerfG, Beschluß vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 –, BVerfGE 97, 169 (176 f.). 31 In der Sache entspricht dies dem auch bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 72 f., zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab. 32 So der zutreffende Befund von M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 112. 33 In bezug auf die staatliche Anerkennung privater Rechtsetzung auf die objektive Schutzfunktion der Grundrechte abstellend F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 522 ff. 34 In bezug auf privatautonome Gestaltungsformen allein auf die staatliche Anerkennung und die insoweit einschlägige Abwehrfunktion der Grundrechte abstellend H. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 65. Ebenso für Betriebsvereinbarungen der Sache nach derselbe, Verhältnismäßigkeit, S. 85 i.V. m. S. 89 ff., 92, 94, wo bei Grundrechtseingriffen auf den Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung durch Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichtes als Schranke und das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schranken-Schranke hingewiesen wird.

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

Privatrechtsverkehr entnimmt.35 Bei genauer Betrachtung erscheinen daher objektive und subjektive Funktion der Grundrechte hier als nicht mehr unterscheidbare Aspekte ein und derselben rechtlichen Wertung.36 Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf den Prüfungsmaßstab bleiben. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung insoweit nur den Regelungsspielraum, der ihm auch bei Gesetzen im hoheitlichen Bereich zukommt. Im folgenden ist daher für die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Übermaßverbot zugrunde zu legen. Vor diesem Hintergrund ist im folgenden, der Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit gewidmeten 4. Teil der Untersuchung zunächst zu prüfen, welche Anforderungen Art. 14 GG an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zum Schutz von Ansprüchen und erdienten Anwartschaften von Arbeitnehmern vor Verschlechterung und Entzug durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen stellt (§ 7). Erweist sich bereits der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente Vorbehalt der Abänderung bestehender Betriebsvereinbarungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, kann insoweit auch kein weitergehender Schutzauftrag an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beschränkung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner bestehen. Sodann ist zu fragen, welche Anforderungen Art. 12 I GG an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zum Schutz noch nicht erdienter Anwartschaften von Arbeitnehmern vor Verschlechterung und Entzug durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen stellt (§ 8). Auch hier kann kein weitergehender Schutzauftrag an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beschränkung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner bestehen, wenn sich bereits der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente Vorbehalt der Abänderung bestehender Betriebsvereinbarungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 I GG erweist. In einem weiteren Schritt ist zu fragen, inwieweit das Betriebsverfassungsgesetz und die übrige Zivilrechtsordnung eventuell bestehende Schutzdefizite anderweitig kompensieren (§ 9). In diesem Zusammenhang werden spezifische Maßstäbe zur Sicherstellung dieses Schutzauftrages und damit auch konkrete Maßstäbe zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen zu entwickeln sein. Eventuell verbleibende Schutzdefizite sind dabei vorrangig im Rahmen verfassungskonformer Auslegung und über die Einwirkung der Grundrechte über Generalklauseln zu beheben. Erst zuletzt kann sich die Frage der Notwendigkeit einer weitergehenden, rechtsfortbildenden Kontrolle stellen.

35

Dazu unten § 10 A., S. 387 ff., sowie § 11 B. I. 3. b) bb), S. 407 ff. Hager, JZ 1994, 373 (381 sub d); zustimmend M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 112. 36

3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

245

Im sich anschließenden 5. Teil der Untersuchung sollen die Grundzüge der gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit skizziert werden. Hierzu sind zunächst die Bindungen des Gesetzgebers anhand der Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG und der entsprechenden europarechtlichen Regelungen zu ermitteln (§ 10), bevor auch insoweit deren Gewährleistung durch das Betriebsverfassungsgesetz und die übrige Zivilrechtsordnung überprüft werden kann (§ 11). Auch insoweit ist eventuell verbleibenden Schutzdefiziten vorrangig im Rahmen verfassungskonformer Auslegung und über die Einwirkung der Grundrechte über Generalklauseln zu begegnen. Die Frage der Notwendigkeit einer weitergehenden, rechtsfortbildenden Kontrolle stellt sich auch hier zuallerletzt.

*** Als wesentliches Ergebnis des 3. Teils der Untersuchung bleibt folgendes festzuhalten: Aus der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte folgt ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber: Er hat bei der Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner die Grundrechte der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere der Arbeitnehmer, zu schützen. Zu überprüfen bleibt im folgenden 4. Teil der Untersuchung, ob die konkrete Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit einem immanenten Vorbehalt der Abänderung betrieblicher Regelungen dem objektivrechtlichen Schutzauftrag an den Gesetzgeber genügt, die Grundrechte der Arbeitnehmer zu schützen (§§ 7, 8). Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Betriebsverfassungsgesetz eine grundrechtskonkretisierende Norm im Bereich der Berufsausübungsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist und dem Ausgleich ihrer konfligierenden Interessen dient. Nur wenn sich hierbei Schutzdefizite zeigen, ist eine materielle Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten indiziert. Hierzu ist die übrige gesetzliche Konzeption zu beleuchten und für die inhaltsorientierte Kontrolle von Betriebsvereinbarungen nutzbar zu machen (§ 9). Denn auch die Gerichte sind gemäß Art. 1 III GG an den Schutzauftrag der Grundrechte gebunden und daher gehalten, diesem bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts Rechnung zu tragen. Dabei hat die Rechtsprechung den Grundrechten primär durch Auslegung des einfachen Rechts Geltung zu verschaffen. Verbleiben dabei Schutzdefizite, kann eine rechtsfortbildende Kontrolle indiziert sein. Die Überprüfung der gesetzlichen Konzeption hat sich dabei jeweils am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Übermaßverbot zu orientieren. Für eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabes auf evidente Schutzpflichtverletzungen ist kein Raum, da Betriebsvereinbarungen sich regelmäßig nicht auf den Willen der einzelnen Arbeitnehmer zurückführen lassen, insoweit

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3. Teil: Grundlegung einer inhaltsorientierten gerichtlichen Kontrolle

also keine Grundrechtsausübung durch privatautonome Gestaltung in Rede steht. Die Überprüfung der gesetzlichen Konzeption ist auch nicht entbehrlich, da die Betriebspartner als Private nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind, wie bereits Art. 1 III GG zeigt.

4. Teil

Gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zur Beschränkung des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung Der vorangegangene 3. Teil dieser Untersuchung hat ergeben, daß aus der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber folgt: Er hat bei der Anerkennung der privaten Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner die Grundrechte der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere der Arbeitnehmer zu schützen. Hieran schließt sich nun die Frage an, ob die konkrete Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit einem immanenten Vorbehalt der Abänderung betrieblicher Regelungen dem objektivrechtlichen Schutzauftrag an den Gesetzgeber genügt, die Grundrechte der Arbeitnehmer zu schützen (§§ 7, 8). Zunächst ist zu prüfen, welche Anforderungen Art. 14 GG an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zum Schutz von Ansprüchen und erdienten Anwartschaften von Arbeitnehmern vor Verschlechterung und Entzug durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen stellt (§ 7). In der Sache geht es dabei um den Schutz der erbrachten Vorleistung. Erweist sich bereits der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente Vorbehalt der Abänderung bestehender Betriebsvereinbarungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, kann insoweit auch kein weitergehender Schutzauftrag an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beschränkung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner bestehen. Sodann ist zu fragen, welche Anforderungen Art. 12 I GG an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zum Schutz noch nicht erdienter Anwartschaften von Arbeitnehmern vor Verschlechterung und Entzug durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen stellt (§ 8). In der Sache geht es dabei um den Schutz bereits zugesagter Erwerbsaussichten. Auch hier kann kein weitergehender Schutzauftrag an den Gesetzgeber hinsichtlich der Beschränkung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner bestehen, wenn sich bereits der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente Vorbehalt der Abänderung bestehender Betriebsvereinbarungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 I GG erweist.

248 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

In einem weiteren Schritt ist zu fragen, inwieweit das Betriebsverfassungsgesetz und die übrige Zivilrechtsordnung die in den §§ 7, 8 zu ermittelnden Schutzdefizite anderweitig kompensieren (§ 9). In diesem Zusammenhang werden spezifische Maßstäbe zur Sicherstellung dieses Schutzauftrages und damit auch konkrete Maßstäbe zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen zu entwickeln sein. Eventuell verbleibende Schutzdefizite sind dabei vorrangig im Rahmen verfassungskonformer Auslegung und über die Einwirkung der Grundrechte über Generalklauseln zu beheben. Erst zuletzt kann sich die Frage der Notwendigkeit einer weitergehenden, rechtsfortbildenden Kontrolle stellen.

§ 7 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung Mit den §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG hat der Gesetzgeber den Betriebspartnern die Möglichkeit eröffnet, materielle Arbeitsbedingungen in Form von Entgelt und damit auch eine betriebliche Altersversorgung einzurichten, diese auch wieder abzuändern, einzuschränken und aufzuheben. Mangels ausdrücklicher abweichender Regelung steht jede von den Betriebspartnern getroffene Regelung unter dem immanenten Vorbehalt ihrer jederzeitigen Abänderung.1 Dies kann auch mit Auswirkungen für die Vergangenheit geschehen, da die Betriebspartner den zeitlichen Geltungsbereich der von ihnen abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen selbst bestimmen können,2 und darüber hinaus sie auch die Anspruchsvoraussetzungen für betriebliche Ruhegelder jederzeit neu ordnen können. Mit diesem immanenten Vorbehalt sind alle Anwartschaften und Ansprüche von vornherein belastet, welche den Arbeitnehmern aus einer Betriebsvereinbarung aufgrund ihrer Leistung in Gestalt von Arbeitsleistung oder Betriebstreue erwachsen. Die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser in der gesetzlichen Rege1 Hierzu Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (179, 190 f.); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). Im Grundsatz geht hiervon auch das Bundesarbeitsgericht aus, vgl. etwa die Argumentation im Zusammenhang mit dem Vertrauensschutz bei Kündigung einer Betriebsvereinbarung in BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388). 2 BAG, Beschluß vom 08.03.1977 – 1 ABR 33/75 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 19.09.1995 – 1 AZR 208/95 –, Nr. 61 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3; DKK/Berg, BetrVG10, § 77 Rz. 41; Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 40 f.; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 29; Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 128; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 56. Anderer Ansicht GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 195, der entgegen den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen meint, eine Betriebsvereinbarung könne nicht echte Rückwirkung entfalten, da sie erst mit ihrem Abschluß wirke.

§ 7 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes

249

lung des Betriebsverfassungsgesetzes angelegten Belastung gilt es anhand von Art. 14 I GG zu überprüfen. Dazu gilt es zunächst zu überprüfen, – A. – inwieweit die aus einer Zusage betrieblicher Altersversorgung mittels Betriebsvereinbarung resultierenden Rechtspositionen der Arbeitnehmer überhaupt dem Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG unterfallen. Nur dann kann sich – B. – der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 I 2 GG darstellen. Diese gilt es sodann – C. bis E. – am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen.

A. Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG Dabei ist zu berücksichtigen, daß durch eine Betriebsvereinbarung begründete Ansprüche und Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung grundsätzlich dem Eigentumsschutz des Art. 14 I 1 GG unterliegen, soweit sie auf einer erbrachten Leistung des Arbeitnehmers beruhen. I. Schutz der Versorgungsansprüche von Betriebsrentnern Die Eigentumsgarantie des Art. 14 I 1 GG schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gegenständen vor nicht gerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Hand. Zu den geschützten vermögenswerten Gegenständen gehören auch schuldrechtliche Forderungen, soweit diese einem Rechtssubjekt bereits zustehen. Bloße Chancen und Verdienstmöglichkeiten werden hingegen nicht geschützt,3 jedenfalls nicht insoweit, als sich diese aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage4 oder der rechtlich nicht gesicherten Erwartung des Fortbestandes eines Vertragsverhältnisses ergeben.5 Hieraus folgt, daß zumindest die Versorgungsansprüche der Betriebsrentner aufgrund einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich dem Eigentumsschutz des Art. 14 I 1 GG unterfallen. II. Schutz der Versorgungsanwartschaften aktiver und vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer Für den Einbezug der Anwartschaften der aktiven Arbeitnehmer und auch derjenigen der ausgeschiedenen Arbeitnehmer in den Schutzbereich des Art. 14 3 BVerfG, Beschluß vom 31.10.1984 – 1 BvR 35, 356, 794/82 –, BVerfGE 68, 193 (222); BVerfG, Beschluß vom 18.03.1970 – 2 BvO 1/65 –, BVerfGE 28, 119 (141 f.); je m.w. N. Im Ansatz insoweit noch ebenso Däubler, AuR 1984, 1 (7). 4 BVerfG, Beschluß vom 18.05.1988 – 2 BvR 579/84 –, BVerfGE 78, 205 (211 f.); Jarass/Pieroth, GG8, Art. 14 Rz. 22; Sachs/Wendt, GG3, Art. 14 Rz. 44. 5 BGH, Urteil vom 20.02.1992 – III ZR 193/90 –, BGHZ 117, 236 (237) m.w. N.; Jarass/Pieroth, GG8, Art. 14 Rz. 22; Sachs/Wendt, GG3, Art. 14 Rz. 44.

250 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

I 1 GG bedarf es hingegen eines weiteren Begründungsschrittes, der nachweist, daß bereits eine über die bloße Erwartung des Fortbestandes der Betriebsvereinbarung hinausgehende Verfestigung der Rechtsposition der Arbeitnehmer eingetreten ist. Für Anwartschaften auf Sozialversicherungsrenten hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, daß diese als vermögenswerte Gegenstände die wesentlichen Merkmale verfassungsrechtlich geschützten Eigentums erfüllen,6 nicht zuletzt da ihr Umfang durch die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten mitbestimmt wird.7 Bei den Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG ist der Gesetzgeber um so stärker gebunden, je höher der einem Anspruch oder einer Anwartschaft zugrunde liegende Anteil eigener Leistung ist, und um so weniger, je mehr die Rechtsposition in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht, wie sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Gedanken der Solidargemeinschaft und des „Generationenvertrages“ und die erheblichen staatlichen Zuschüsse zum Ausdruck kommt.8 Diese Rechtsprechung bestätigt damit den auch für die hier untersuchte Fallkonstellation einleuchtenden Gedanken, daß die zum Erwerb eines Anspruches im Wege der Vorleistung erbrachte Gegenleistung des Arbeitnehmers in Gestalt von Arbeitsleistung oder Betriebstreue bereits zu einer Verfestigung der Rechtsposition des Arbeitnehmers über das bloße Vertrauen in den Fortbestand der ihn begünstigenden Regelungen hinausführt. Dies steht auch im Einklang mit der in § 3 festgestellten weitreichenden Anwendbarkeit des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips auf Versorgungszusagen. Der Umfang der erworbenen Rechtpositionen beurteilt sich nach den Regelungen des Schuldrechts, welche durch die Regelungen des Betriebsrentengesetzes ergänzt werden. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Umfang der durch Vorleistung erworbenen Rechtsposition in § 3 C verwiesen werden. III. Eigentumsschutz von Erwerbsaussichten? Einen über den Schutz erdienter Versorgungsanwartschaften hinausgehenden Schutz der Chance auf weiteren Erwerb von Anwartschaften und Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung gewährt Art. 14 I 1 GG hingegen nicht. Er läßt sich auch nicht mit einer Parallele zum Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes begründen.9 Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes reicht auch der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht weiter als der Schutz, den seine wirtschaftliche

6 7 8 9

BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77 u. a. –, BVerfGE 53, 257 (290). BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77 u. a. –, BVerfGE 53, 257 (291). BVerfG, Urteil vom 28.02.1980 – 1 BvL 17/77 u. a. –, BVerfGE 53, 257 (292 f.). So aber Däubler, AuR 1984, 1 (7).

§ 7 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes

251

Grundlage genießt.10 Auch der eigentumsgrundrechtliche Schutz des Gewerbebetriebs umfaßt daher nicht bloße Umsatz- und Gewinnchancen und günstige tatsächliche Gegebenheiten.11 Der fehlende eigentumsrechtliche Schutz bloßer Chancen und Verdienstmöglichkeiten,12 soweit sich diese aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage13 oder der rechtlich nicht gesicherten Erwartung des Fortbestandes eines Vertragsverhältnisses ergeben,14 läßt sich daher auch nicht durch eine Parallele zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umgehen. Da Betriebsvereinbarungen von vornherein unter dem Vorbehalt der Aufhebung und Abänderung durch die Betriebspartner stehen und sie zudem gemäß § 77 V BetrVG frei kündbar sind, fehlt es gerade für Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich, wie solche über eine betriebliche Altersversorgung, an einer rechtlich gesicherten Erwartung ihres Fortbestandes. Entscheidend aber ist, daß das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Aktualisierung eigentumsrechtlich geschützter Rechtspositionen zu Erwerbszwecken voraussetzt. Die noch nicht eingesetzte Arbeitskraft und die noch nicht erbrachte Betriebstreue des Arbeitnehmers als solche besitzen daher gerade keinen solchen Schutz. Im Ergebnis ist daher die Chance auf weiteren Erwerb von Anwartschaften und Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung aus einer Betriebsvereinbarung nicht von Art. 14 I 1 GG geschützt. Festzuhalten bleibt, daß Ansprüche und durch Vorleistung bereits erdiente Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG erfaßt sind, bloße Erwerbsaussichten aufgrund einer einmal erteilten Versorgungszusage hingegen nicht.

B. Immanenter Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG Diese Bewertung ist freilich insofern eine vorläufige, als Art. 14 I 2 GG die Bestimmung von Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums dem einfachen Gesetzgeber überläßt. Insoweit erweist sich der Ansprüchen und Anwartschaften aus Betriebsvereinbarungen immanente Änderungsvorbehalt als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG. Eine solche ist nur dann verfassungsgemäß, wenn sie zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zweckes geeignet, erforderlich und angemessen, 10 BVerfG, Beschluß vom 15.07.1981 – 1 BvL 77/78 –, BVerfGE 58, 300 (353) – Naßauskiesung –. 11 BVerfG, Beschluß vom 06.10.1987 – 1 BvR 1086, 1468, 1623/82 –, BVerfGE 77, 84 (118). 12 Vgl. S. 249 Fn. 3. 13 Vgl. S. 249 Fn. 4. 14 Vgl. S. 249 Fn. 5.

252 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

mithin verhältnismäßig ist.15 Ist dies nicht der Fall, trifft den einfachen Gesetzgeber aus Art. 14 GG die Schutzpflicht, Schutzmaßnahmen zugunsten durch Leistung erdienter Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer im einfachen Gesetzesrecht zu treffen.

C. Geeignetheit des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung Auf der ersten Stufe der erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu fragen, ob die vom Gesetzgeber den Betriebspartnern eingeräumte Möglichkeit auch zur rückwirkenden Änderung von Betriebsvereinbarungen und der daraus resultierende immanente Vorbehalt von aus Betriebsvereinbarungen erwachsenen Ansprüchen und Anwartschaften der Arbeitnehmer zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsziels überhaupt geeignet ist. Dies läßt sich nur unter Rückgriff auf die Funktionen betrieblicher Mitbestimmung – I. – und unter Rückgriff auf das Zustandekommen der Regelungen in Betriebsvereinbarungen durch privatrechtlichen Vertrag – II. – beantworten. Erst daran anschließend können Erforderlichkeit und Angemessenheit des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung beurteilt werden. Der Gesetzgeber hat sowohl bei der Wahl der von ihm verfolgten Zwecke als auch bei der Wahl der zu ihrer Umsetzung geeigneten Mittel einen weiten Ermessensspielraum. Er kann grundsätzlich jeden verfassungsrechtlich zulässigen Zweck verfolgen und dazu jedes verfassungsrechtlich zulässige Mittel einsetzen.16 Auf der erwähnten ersten Prüfungsstufe kann es daher nur darum gehen, zur Zweckerreichung offensichtlich ungeeignete Mittel auszuscheiden.17 Die offensichtliche Ungeeignetheit zur Zweckerreichung ist bei der Betriebsvereinbarung aber zu besorgen, wenn für die materielle Richtigkeit der in ihr gefundenen Regelungen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht. Angesprochen ist damit die Frage nach der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung. I. Funktionen betrieblicher Mitbestimmung Mit der betrieblichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere derjenigen in sozialen Angelegenheiten, antwortet der Gesetzgeber v. Münch/Kunig/Bryde, GG5, Art. 14 Rz. 63. Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 280. 17 Zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab insbesondere BVerfG, Beschluß vom 09.03.1971 – 2 BvR 326 u. a./69 –, BVerfGE 30, 250 (263 m.w. N.) – Absicherungsgesetz –; auch BVerfG, Beschluß vom 29.10.1987 – 2 BvR 624 u. a./83 –, BVerfGE 77, 170 (215); BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. –, BVerfGE 85, 191 (212). 15 16

§ 7 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Vorleistungsschutzes

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auf zwei wesentliche Strukturdefizite des Individualarbeitsvertrages. Es geht zum einen um den Ausgleich einer unterstellten Ungleichgewichtslage im Individualarbeitsverhältnis. Insoweit spricht man auch von der Schutzfunktion18 betrieblicher Mitbestimmung. Zum anderen geht es um die Kompensation der Blindheit des Schuldvertragsrechts für die betriebliche Dimension des Arbeitsverhältnisses, für den sogenannten multilateralen Regelungsbereich. Insoweit spricht man auch von der Ausgleichsfunktion19 betrieblicher Mitbestimmung. Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Ziele bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen das eingesetzte Mittel einer in ihrer zeitlichen (Rück-) Wirkung nicht explizit eingeschränkten Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner. Im folgenden gilt es, – 1., 2. a) – die Reichweite dieser gesetzgeberischen Ziele zu ermitteln und sie – 2 b), 3. – gegenüber anderen Sichtweisen der Funktionen betrieblicher Mitbestimmung abzugrenzen. Angesprochen sind mit letzteren die Fragen nach der Ordnungs-, der Teilhabe- und der Integrationsfunktion der Mitbestimmung. Sodann ist – 4. – der für den Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung einschlägige Zweck zu ermitteln, anhand dessen – C. II., D., E. – seine Verhältnismäßigkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu überprüfen ist. 1. Betriebliche Mitbestimmung als Kompensation einer unterstellten Ungleichgewichtslage im Individualarbeitsverhältnis (Schutzfunktion) Bei der betrieblichen Mitbestimmung geht es häufig um die Kompensation der verbreitet als strukturell angesehenen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber. Im Gegensatz zum Idealmodell des zivilrechtlichen Vertrages, welcher durch den ihm eigenen Konsens für einen Interessenausgleich im Sinne subjektiver Äquivalenz20 sorgt und eine gewisse „Richtigkeitschance“21, eine „Vermutung der Richtigkeit“22 oder eine „sachliche Richtigkeitsgewähr“23 in

18 Zur Schutzfunktion der betrieblichen Mitbestimmung M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 122 f.; H. Hanau, Individualautonomie, S. 75, 102 ff.; G. Wiese, ZfA 2000, 117 (119 f.); jeweils m.w. N. Zur Schutzfunktion insbesondere der Betriebsvereinbarung bereits Canaris, AuR 1966, 129 (129 f.). 19 Grundlegend H. Hanau, Individualautonomie, S. 105 ff.; derselbe, RdA 1998, 345 (347). Im Grundsatz zustimmend M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 129 ff.; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 334; Reichold, Anm. SAE 1998, 44 (47 f.); G. Wiese, ZfA 2000, 117 (123). 20 H. Hanau, Individualautonomie, S. 81. Zum Begriff der subjektiven Äquivalenz Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30 (61); Canaris, iustitia, S. 46; Larenz, BGB AT7, § 2 V, S. 46; Säcker, Gruppenautonomie, S. 208, 210 f. 21 M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 74. Ebenso Kreutz, ZfA 1975, 65 (72). 22 Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30 (56).

254 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

sich birgt, sei eine solche materielle Äquivalenz im Individualarbeitsverhältnis nicht gewährleistet. Angesprochen ist insoweit die vertragliche Austauschgerechtigkeit im aristotelischen Sinne.24 Der Individualarbeitsvertrag versage als Instrument beiderseitiger Selbstbestimmung,25 da zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wirtschaftliches26 und intellektuelles27 Ungleichgewicht herrsche und aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsmarktes die Arbeitnehmer wirtschaftlich auf ihren Arbeitsplatz angewiesen und vom Arbeitgeber daher abhängig seien.28 Diese Fragen brauchen aber an dieser Stelle noch nicht weiter vertieft zu werden. Denn die Konzeption der Betriebsverfassung als bipolare Struktur29 nach dem sogenannten Gegengewichtsprinzip30 ist Ausdruck eines solchen Leitbildes des autonomiegestörten Individualarbeitsverhältnisses. Nach der gesetzlichen Konzeption soll durch die Bündelung der Individualinteressen auf Arbeitnehmerseite das Erreichen subjektiver Äquivalenz im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander gefördert werden.31 An die Stelle der Privatautonomie tritt so auf Arbeitnehmerseite die Betriebsautonomie des Betriebsrates, welche auf einer höheren Ebene die Vertragsgerechtigkeit sicherstellen soll.32 23 Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (149 ff., 156 f.); derselbe, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 1 (5 f.); derselbe, Festschrift für Raiser, S. 3 (5 f.). Auch Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S. 108; H. Hanau, Individualautonomie, S. 81 f.; Löwisch, Festschrift für Rittner, S. 381 (386 zum Tarifvertrag); Reinhardt, Festschrift für Schmidt-Rimpler, S. 115 (117); Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5 (8). 24 Dazu bereits oben § 1 D., S. 30 ff. 25 BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. –, BVerfGE 85, 191 (213); BAG, Urteil vom 31.03.1966 – 5 AZR 516/65 –, AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 5 AZR 339/92 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, Bl. 5R; Däubler, AuR 1995, 305 (ebd.); Dieterich, RdA 1995, 129 (135); vgl. auch die Nachweise bei Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (229 in Fn. 19). 26 Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197 (205 f.); Säcker, Gruppenautonomie, S. 92 f., 95. 27 Säcker, Gruppenautonomie, S. 88–92. 28 Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S. 117. Vgl. auch den Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucksache VI/334, S. 59. Ferner Reuter, ZfA 1975, 85 (86), der das Problem jedoch durch arbeitsrechtliche Schutzgesetzgebung und gewerkschaftliche Gegenmacht tendenziell gelöst sieht. 29 Dazu bereits oben § 2 A. I. 4., S. 46 ff. 30 Hierzu Reuter/Streckel, Grundfragen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung, S. 7; Schmidt-Salzer, NJW 1971, 173 (175); Westermann, AcP 178 (1978), 150 (153). 31 H. Hanau, Individualautonomie, S. 103. 32 Flume, Festschrift für den Deutschen Juristentag I, S. 135 (143: „Gruppenentscheidung“); Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197 (206); Gast, BB 1990, 1637 (1641); H. Hanau, Individualautonomie, S. 103; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 130; Martens, JuS 1987, 337 (341); Reinhardt, Festschrift für Schmidt-Rimpler, S. 115 (127). Allgemein für den arbeitsrechtlichen Normenvertrag am Beispiel des Tarifvertrages auch Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S. 117.

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Dies gilt jedoch nicht für alle Bereiche betrieblicher Mitbestimmung gleichermaßen. Es kommt insoweit auf das jeweils einschlägige Mitbestimmungsrecht an, ob der Zweck, ein individualarbeitsvertragliches Autonomiedefizit auszugleichen, unmittelbar verfolgt oder ob er lediglich mittelbar, etwa in Gestalt eines Rechtsreflexes, bei der Verfolgung anderer Ziele erreicht wird. Hiervon hängt insbesondere ab, ob dieser Zweck zur Rechtfertigung des immanenten Vorbehaltes der Abänderung bestehender Betriebsvereinbarungen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen herangezogen werden kann. Ein Beispiel für die unmittelbare Verfolgung des Zwecks, ein individualarbeitsvertragliches Autonomiedefizit zu kompensieren, ist der Bereich der betrieblichen Ordnung. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers wird dort durch das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG beschränkt. Die betriebliche Mitbestimmung erfüllt insoweit eine unmittelbare Schutzfunktion33 zugunsten der einzelnen Arbeitnehmer. Diese Schutzfunktion hat auch mittelbar ihren Niederschlag in den Gesetzesmaterialien gefunden. Der Bericht der Mitbestimmungskommission, auf welchen die Begründung des Regierungsentwurfes zum Betriebsverfassungsgesetz von 1972 ausdrücklich Bezug nahm,34 betonte nämlich die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung „bei der gegenständlichen Begrenzung des Weisungsrechtes und beim Schutz des Arbeitnehmers vor unangemessener, durch die Bedingungen des arbeitsteiligen Prozesses nicht gerechtfertigter Inanspruchnahme der Leitungsbefugnis.“35 Die Schutzfunktion dient insofern der Verwirklichung vertraglicher Austauschgerechtigkeit im Individualarbeitsverhältnis, als sie das unterstellte Selbstbestimmungsdefizit durch die Beteiligung des Betriebsrats prozedural zu kompensieren sucht. Die Schutzfunktion wirkt insoweit vertikal. Sie erschöpft sich zugleich in der erfolgten Beteiligung des Betriebsrates,36 weil der Schutzzweck der Mitbestimmung nicht weiter reicht, als es die Kompensation des unterstellten Selbstbestimmungsdefizits im Individualarbeitsverhältnis erfordert. Neben der rein prozedural verstandenen Schutzfunktion läßt sich eine weitergehende materielle Schutzfunktion dogmatisch nicht überzeugend begründen. Daß der Betriebsrat als Interessenvertreter der Arbeitnehmer zu deren Schutz unter anderem beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen tätig wird, spricht nicht a priori gegen eine hinreichende Wahrung der Arbeitnehmerinteressen bei einseitig belastenden Regelungen, insbesondere im Bereich materieller Arbeits-

33

Vgl. S. 253 Fn. 18. BT-Drucksache VI/1786, S. 31. 35 Mitbestimmungskommission, BT-Drucksache VI/334, S. 64. 36 In diese Richtung auch Reichold, Sozialprivatrecht, S. 533 f. (Verwirklichung des Schutzzwecks durch Verfahren); G. Wiese, ZfA 1989, 645 (657); G. Wiese, ZfA 2000, 117 (119); GK-BetrVG8 /G. Wiese, Einleitung Rz. 85. 34

256 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

bedingungen.37 Ebensowenig kann ein Verbot allein den Arbeitgeber begünstigender Regelungen begründet werden.38 Denn es ist zu berücksichtigen, daß Regelungen der Betriebspartner Ausdruck ihrer auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichteten, dauernden Beziehung sind. Eine Belastung der Arbeitnehmer durch eine konkrete Regelung kann daher nicht isoliert von dem ständigen Anspruch der Betriebspartner betrachtet werden, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können. Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls für die hier interessierende Verschlechterung von durch Betriebsvereinbarung begründeten Rechten, aber auch für den Bereich des Direktionsrechts des Arbeitgebers und die Abänderung betriebsvereinbarungsoffener individualrechtlicher Regelungen. Das Verhandlungsmandat des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber würde langfristig geschwächt, wenn der Betriebsrat nicht im Einzelfall berechtigten betrieblichen Belangen auch durch Abschluß verschlechternder Betriebsvereinbarungen Rechnung tragen könnte.39 Denn zum einen sind nur bei der Möglichkeit solcher Zugeständnisse des Betriebsrats langfristig materielle Zugeständnisse seitens des Arbeitgebers zu erwarten,40 zum anderen kommen betriebliche Regelungen, die dem Wohl des Betriebes dienen, mittelbar auch den Arbeitnehmern zugute, etwa durch Sicherung der Arbeitsplätze.41 Schließlich ist zu berücksichtigen, daß betriebliche Regelungen immer als System zu verstehen sind. Einer belastenden Regelung in einem Bereich kann eine begünstigende Regelung in einem anderen Bereich gegenüberstehen.42 Dies alles zeigt letztendlich, daß das Betriebsverfassungsgesetz den Arbeitnehmerschutz insoweit allein prozedural durch die Mitbestimmung des Betriebsrats verwirklicht. Bestätigt wird diese Sichtweise durch den Blick auf den Eingangssatz des § 87 I BetrVG. Bestehende gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen 37 Für ein Verbot die Arbeitnehmer ausschließlich belastender Regelungen im Bereich materieller Arbeitsbedingungen BAG, Urteil vom 01.12.1992 – 1 AZR 260/92 –, AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 3; Canaris, AuR 1966, 129 (131 f.); Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 66; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 247, 248; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 316. Weitergehend, ohne explizite Differenzierung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen BAG, Urteil vom 05.03.1959 – 2 AZR 268/56 –, AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, Bl. 5/5R (Haftungsausschluß für Betriebsparkplatz); BAG, Urteil vom 07.08.1975 – 3 AZR 505/74 –, AP Nr. 169 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3 (obiter dictum, für Sozialplan); Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 111 m.w. N.; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 27. 38 So aber BAG, Urteil vom 01.12.1992 – 1 AZR 234/92 –, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 4. 39 Nause, Die Grenzen der Regelungsbefugnis, S. 103 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 198 f. 40 Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 198. 41 Löwisch/Kaiser, BetrVG5, § 77 Rz. 29; Rieble, Anm. SAE 1992, 199 (200); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 199 f. 42 In diese Richtung bereits Rüthers, in Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (39).

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sperren die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrates unabhängig davon, ob diese gesetzlichen Regelungen die Arbeitnehmer begünstigen oder belasten.43 Würde die betriebliche Mitbestimmung aber den Arbeitnehmerschutz in einem konkreten materiellen Sinne bezwecken, wäre insoweit zumindest die Durchbrechung des Gesetzes- und Tarifvorbehalts für solche Regelungen zu erwarten, welche für die Arbeitnehmer günstiger als die gesetzlichen beziehungsweise tariflichen Regelungen sind. Gerade hierauf hat der Gesetzgeber jedoch verzichtet. Eine von der Existenz eines materiellen Schutzzweckes zu unterscheidende Frage ist im übrigen die Frage nach der Befugnis der Betriebspartner zu Eingriffen in nicht betriebsvereinbarungsoffen gestaltete, individualrechtliche Regelungen,44 die sich für die vorliegende Untersuchung mangels eines individualrechtlichen Kerns der Betriebsvereinbarung nicht stellt. Festzuhalten bleibt, daß die betriebliche Mitbestimmung eine vertikale Schutzfunktion hat, welche sich in der erfolgten Beteiligung des Betriebsrates erschöpft, mithin einen rein formellen, jedoch keinen materiellen Charakter hat. Die Schutzfunktion dient insoweit der Verwirklichung vertraglicher Austauschgerechtigkeit im Individualarbeitsverhältnis, als sie das vom Gesetzgeber unterstellte Selbstbestimmungsdefizit auf seiten des einzelnen Arbeitnehmers durch die Beteiligung des Betriebsrats prozedural zu kompensieren sucht. Ob und inwieweit die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung zum Tragen kommt, hängt von dem jeweils ausgeübten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ab. Als problematisch erweist sich die Annahme einer solchen unmittelbaren Schutzfunktion bei der Mitbestimmung über betriebliches Entgelt gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG. Gerade weil der Arbeitgeber nicht zur Einführung eines zusätzlichen Entgelts, insbesondere zur Direktzusage einer arbeitgeberfinanzierten Altersversorgung, gezwungen werden kann, er den Dotierungsrahmen45 und den abstrakten Zweck46 zusätzlicher Entgeltbestandteile mitbestimmungsfrei vorgeben kann und sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Verteilungskriterien beschränkt,47 erscheint insoweit die unmittelbare Einschlägigkeit der Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung zweifelhaft. Denn wesentliche Parameter sind damit der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen. Das entscheidende Anliegen der Schutzfunktion betrieb43 G. Wiese, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 661 (663); derselbe, ZfA 2000, 117 (119 f.); GK-BetrVG8 /G. Wiese, § 87 Rz. 56 f. 44 Im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes und mangels hinreichend bestimmter Ermächtigungsnorm ablehnend gegenüber einer Ablösung von allgemeinen Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung etwa Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 216 ff., insbesondere S. 317 ff., zusammenfassend S. 345–349. 45 Dazu bereits oben § 2 A. II. 2., S. 50 ff. 46 Dazu bereits oben § 2 A. II. 2., S. 50 ff., sowie § 3 B. III. 3., S. 112 ff. 47 Dazu bereits oben § 3 B. III. 3., S. 112 ff. Ausführlich zu § 87 I Nr. 10 BetrVG unten § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff.

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licher Mitbestimmung, die Alleinentscheidungsmacht des Arbeitgebers durch Beteiligung des Betriebsrats zu begrenzen, kommt insoweit gerade nicht zum Tragen. Hinzu tritt, daß – wie die §§ 87 I Eingangssatz, 77 III BetrVG zeigen – die Wahrung ausgleichender wie austeilender Gerechtigkeit im Entgeltbereich auf kollektiver Ebene in erster Linie den Tarifvertragsparteien überantwortet ist und daher der betrieblichen Entgeltmitbestimmung lediglich eine ergänzende Funktion zukommen kann. Hierauf wird bei der Analyse des Zweckes des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG zurückzukommen sein.48 2. Betriebliche Mitbestimmung als Ausgleich im multilateralen Regelungsbereich a) Ausgleichsfunktion Die betriebliche Mitbestimmung zielt jedoch nicht nur darauf ab, das vom Gesetzgeber unterstellte Selbstbestimmungsdefizit auf seiten des einzelnen Arbeitnehmers zu kompensieren, sondern antwortet auch auf ein Koordinationsproblem im multilateralen Regelungsbereich, welches aus der Parallelität der Arbeitsverhältnisse mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb folgt. Da im betriebsratsfähigen Betrieb der Betriebszweck nur durch das Zusammenwirken mehrerer Arbeitnehmer zu erreichen ist, werden deren Arbeitsverhältnisse hierdurch miteinander verflochten. Somit bedarf es der Koordination der Art und Weise der Leistungserbringung.49 Auch diese Notwendigkeit wurde bereits im Bericht der Mitbestimmungskommission erkannt.50 Hinzu tritt, daß sich Individualvereinbarungen über die Art und Weise der Leistungserbringung, aber auch über personelle Maßnahmen, nicht nur auf die jeweilige Parteibeziehung auswirken, sondern auch die Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmer beeinflussen können,51 so etwa bei der Lage des Urlaubs52 oder der täglichen Arbeitszeit.53 Soll beispielsweise der Betrieb während der Abwesenheit eines bestimmten Arbeitnehmers aufrechterhalten bleiben und sind die von diesem Arbeitnehmer wahrgenommenen Aufgaben für den Betrieb auch vorübergehend nicht verzichtbar, so

48

Vgl. unten § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff. M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 35; H. Hanau, Individualautonomie, S. 90 f. 50 Mitbestimmungskommission, BT-Drucksache, VI/334, S. 59. 51 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 37, 128; H. Hanau, Individualautonomie, S. 91 ff.; Reuter, ZfA 1975, 85 (86 f.). 52 Hierzu M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 37 f., 129 f.; H. Hanau, Individualautonomie, S. 95, 140 f.; Hurlebaus, Fehlende Mitbestimmung, S. 100 f.; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 333; Reuter ZfA 1975, 85 (88). 53 Hierzu H. Hanau, Individualautonomie, S. 94 f.; Schlochauer, in: Hromadka (Hrsg.), Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 221 (235). 49

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muß sie ein anderer Arbeitnehmer wahrnehmen. Entsprechende Auswirkungen auf die Interessen Dritter haben Vereinbarungen über das Verhalten im Betrieb,54 etwa über das Rauchen am Arbeitsplatz.55 Im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen – und hierzu zählt auch die hier interessierende betriebliche Altersversorgung – folgt das Bedürfnis der Koordination bereits aus der Begrenztheit der vorhandenen Ressourcen, wie sie das plastische Bild des zu verteilenden Topfinhaltes verdeutlicht.56 Im Bereich der über- und außertariflichen Entgelte begrenzen Arbeitgeber typischerweise die Gesamtheit der für die Arbeitnehmer des Betriebes ausgeschütteten Leistungen durch einen Dotierungsrahmen. Jede Individualregelung zugunsten eines einzelnen Arbeitnehmers schmälert dabei den an die übrigen zu verteilenden verbleibenden Dotierungsrahmen.57 Umgekehrt kann eine besitzstandswahrende Individualvereinbarung bei einer Verringerung des Dotierungsrahmens einer bestehenden Entgeltregelung zu erhöhtem Anpassungsbedarf bei anderen Arbeitnehmern führen.58 Insoweit antwortet die betriebliche Mitbestimmung auf ein Problem innerbetrieblicher Verteilungsgerechtigkeit.59 Daher kann man auch von der horizontalen Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung sprechen.60 Auch die der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtete Ausgleichsfunktion stellt das Betriebsverfassungsgesetz prozedural durch die Beteiligung des Betriebsrates sicher, indem das Betriebsverfassungsgesetz dem als Distributor verstandenen Arbeitgeber den Betriebsrat zur Wahrnehmung des Belegschaftsinteresses zur Seite stellt.61 Ob sich die Ausgleichsfunktion in der Beteiligung des Betriebsrats erschöpft oder ob daneben weitergehende materielle Bindungen bestehen, kann einstweilen dahinstehen. Hierauf wird jedoch bei der Analyse der einfachgesetzlichen Gewährleistung austeilender Gerechtigkeit zurückzukommen sein.62 b) Ordnungsfunktion? Man mag zwar darüber streiten, ob die horizontale Ausgleichsfunktion auch das Austauschverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien vertikal mitbe54

H. Hanau, Individualautonomie, S. 95. Hierzu M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 132; Mummenhoff, RdA 1976, 364 (372 f.). 56 H. Hanau, Individualautonomie, S. 100; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 334. 57 H. Hanau, Individualautonomie, S. 97. 58 H. Hanau, Individualautonomie, S. 98 f., 100. 59 Zur Verteilungsgerechtigkeit im aristotelischen Sinne bereits oben § 1 D., S. 30 ff. 60 Vgl. S. 253 Fn. 19. 61 Zu letzterem vgl. nur Reichold, Sozialprivatrecht, S. 513 f.; denselben, RdA 1995, 147 (156). 62 Unten § 10 C., S. 391 ff., sowie § 11 B. II., S. 411 ff. 55

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einflußt.63 Für eine über die Kompensation der durch Schutz- und Ausgleichsfunktion angesprochenen Defizite des Individualarbeitsvertrages hinausgehende Ordnungsfunktion ist jedenfalls kein Raum. Angesprochen ist mit der Ordnungsfunktion zum einen der unbestreitbare Rationalisierungseffekt, den die normative Wirkung auf eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen gegenüber individualvertraglichen Regelungsinstrumentarien mit sich bringt,64 zum anderen das Hintantreten des Individualinteresses durch die Schaffung einheitlicher Regelungen nach betrieblichen und anderen überindividuellen Gesichtspunkten.65 Soweit sich hieran die Frage der Ablösbarkeit vertraglicher Einheitsregelungen und Gesamtzusagen durch Betriebsvereinbarungen anschließt (sogenanntes Ordnungsprinzip),66 bedarf es für die Zwecke dieser Untersuchung keiner weiteren Erörterung. Denn nach den obigen Feststellungen in § 4 besteht bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen kein Konflikt zur individualvertraglichen Ebene des Arbeitsverhältnisses. Im übrigen bleibt wiederum anzumerken, daß die betriebliche Mitbestimmung kein Selbstzweck ist, was ihr aber die Konzeption einer Ordnungsfunktion unterstellen würde.67 Der Schutz der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien gebietet es, nicht über den von Schutz- und Ausgleichsfunktion abgedeckten Regelungsbereich einseitiger Gestaltungsmöglichkeiten hinaus den Betriebspartnern Regelungsmacht zuzuerkennen. Es verbleibt damit bei der geschilderten Dichotomie von Schutz- und Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung. 3. Teilhabe- und Integrationsfunktion betrieblicher Mitbestimmung Soweit neben oder gar anstelle von Schutz- und Ausgleichsfunktion in der Literatur von einer eigenständigen Teilhabe-68 oder Integrationsfunktion69 die 63

Hierzu sogleich § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff. Hierzu H. Hanau, Individualautonomie, S. 76; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 198; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 124. 65 Hierzu BAG, Urteil vom 12.08.1982 – 6 AZR 1117/79 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3R/4; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 293 (unter Berufung auf den angeblichen Ordnungszweck bei formellen Arbeitsbedingungen); Canaris, AuR 1966, 129 (130); Gamillscheg, Festschrift für Fechner, S. 135 (137, 145 ff.); H. Hanau, Individualautonomie, S. 76 m.w. N.; Reuter, ZfA 1975, 85 (87); Dietz/Richardi, BetrVG6, § 77 Rz. 76 (anders jetzt Richardi, BetrVG10, § 87 Rz. 8); Rüthers, in Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (32 ff.); Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (123 i.V. m. 122). Anderer Ansicht Kreutz, Betriebsautonomie, S. 239; Richardi, BetrVG10, § 87 Rz. 8. 66 Vgl. nur A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, § 30 VII 3, S. 593. Im Ausgangspunkt auch Siebert, 1. Festschrift für Nipperdey, S. 119 (127). 67 So die Kritik bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 109. 68 G. Wiese, Initiativrecht, S. 11; derselbe, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 661 (662); derselbe, ZfA 1989, 645 (651); derselbe, Festschrift für Kissel, S. 1269 (1278 ff.); GK-BetrVG8 /G. Wiese, Einleitung Rz. 78, § 87 Rz. 95 f.; derselbe, ZfA 2000, 117 (121 ff.); Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 1412. 64

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Rede ist, steht dies nicht im Widerspruch zu dem zuvor Gesagten. Denn die sozialpartnerschaftliche Teilhabe und Integration der Arbeitnehmer durch die Mitbestimmung des von ihnen wählbaren Betriebsrates dient letztlich dazu, die Arbeitnehmer des Betriebes zu schützen.70 Teilhabe und Integration sind kein Selbstzweck.71 Daher ist es zutreffend, wenn die Ausfüllungsbedürftigkeit der Teilhabe- und Integrationsfunktion angemahnt wird.72 Teilhabe und Integration dienen zum einen der Verwirklichung der Schutzfunktion.73 Auch insoweit kann in historischer Hinsicht auf den Bericht der Mitbestimmungskommission verwiesen werden, welcher die Notwendigkeit der Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen noch aus der Schutzfunktion der Menschenwürde abzuleiten suchte.74 Da ausdrücklich auf eine Rechtsposition rekurriert wurde, die immer nur einem einzelnen zukommen kann, nicht aber einem Kollektiv,75 ist die individualschützende Funktion von Teilhabe und Integration auch historisch belegt. Daß sich dieser Individualschutz nach dem oben Gesagten in der Begrenzung der einseitigen Fremdbestimmung durch den Arbeitgeber beschränkt, steht dem nicht entgegen,76 da jeweils ein Defizit im individuellen Austauschverhältnis der Arbeitsvertragsparteien kompensiert werden soll. Des weiteren dienen Teilhabe- und Integrationsfunktion aber auch der Verwirklichung der Ausgleichsfunktion.77 Festzuhalten bleibt daher, daß einer Teilhabe- und Integrationsfunk69 Adomeit, Regelungsabrede, S. 55, 56 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 292; derselbe, BetrVG10, § 87 Rz. 8. 70 Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 129; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 254; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 307; G. Wiese, ZfA 1989, 645 (649, 657); derselbe, Festschrift für Kissel, S. 1269 (1282); derselbe, ZfA 1996, 439 (473 f.). 71 H. Hanau, Individualautonomie, S. 110 f., 194; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 130 bei Fn. 36; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 129 f.; Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 65; G. Wiese, ZfA 2000, 117 (121). 72 H. Hanau, Individualautonomie, S. 111. 73 BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 8; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 7; BAG, Beschluß vom 14.12.1993 – 1 ABR 31/93 –, AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2R, wohl auch bereits BAG, Beschluß vom 06.11.1990 – 1 ABR 88/89 –, AP Nr. 8 zu § 3 AZO Kr, Bl. 3R. In der Konsequenz vergleichbar, jedoch die Teilhabe- als Aspekt der Schutzfunktion sehend BAG, Beschluß vom 18.04.1989 – 1 ABR 100/87 –, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, Bl. 2R/3; BAG, Beschluß vom 04.07.1989 – 1 ABR 40/88 –, AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 30.01.1990 – 1 ABR 101/88 –, AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 13.02.1990 – 1 ABR 13/89 –, AP Nr. 45 zu § 118 BetrVG 1972, Bl. 4. 74 Mitbestimmungskommission, BT-Drucksache VI/334, S. 56, 65. 75 v. Münch/Kunig, GG5, Art. 1 Rz. 17; Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 282 m.w. N. in Fn. 601, S. 287; Stern/Sachs, Staatsrecht III/1, § 58 I 3, S. 11. 76 So aber wohl G. Wiese, ZfA 2000, 117 (130). 77 H. Hanau, Individualautonomie, S. 110 f., 194. Wohl auch G. Wiese, ZfA 2000, 117 (123, 147), der die Ausgleichsfunktion aber als Teilaspekt der Teilhabefunktion sieht.

262 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

tion der betrieblichen Mitbestimmung kein eigenständiger heuristischer Wert zukommt. Es bleibt bei der geschilderten Dichotomie von Schutz- und Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung. 4. Mit dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung verfolgter Mitbestimmungszweck Steht damit fest, daß die betriebliche Mitbestimmung eine der ausgleichenden Gerechtigkeit verpflichtete vertikale Schutz- und eine der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtete horizontale Ausgleichsfunktion hat, gilt es nun zu ermitteln, welchem dieser Zwecke der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung dient. Dies kann nicht unabhängig von dem mit Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung regelmäßig78 ausgeübten Mitbestimmungsrecht beantwortet werden. Es bedarf also zunächst eines Rückgriffes auf das für Versorgungszusagen einschlägige Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG. a) Zweck des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG Austausch- und Verteilungsgerechtigkeit treffen bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich, und damit auch bei der betrieblichen Altersversorgung, aufeinander. Eine Entgeltregelung berührt denknotwendig die vertragliche Austauschbeziehung. Erfolgt diese nach einem System aufgrund eines Dotierungsrahmens, ist zugleich die innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit angesprochen. Man kann Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verteilen, ohne zugleich den Wert der zu erbringenden Gegenleistung des einzelnen Arbeitnehmers zu bestimmen.79 Auf diese Problematik weisen mittelbar auch diejenigen Stimmen in der Literatur hin, welche die Ausgleichsfunktion der Betriebsverfassung nicht nur im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander, sondern auch im Verhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber verorten.80 Gewonnen ist durch diese Annäherung an den Bereich der vertraglichen Austauschgerechtigkeit nichts. Denn sie nimmt vorweg, was erst im Einzelfall anhand der jeweils einschlägi-

78 Zu Fallkonstellationen, in denen kein Mitbestimmungsrecht besteht, sogleich sub b), S. 266 ff. 79 Ähnlich bereits Wittgruber, Die Abkehr des Arbeitsrechts von der Vertragsfreiheit, S. 90. Zum Zusammentreffen von austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei betrieblichen Entgeltregelungen auch Zöllner, ZfA 1993, 169 (ebd.). 80 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 133 f.; G. Wiese, ZfA 2000, 117 (123 f. m. Fn. 23).

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gen Mitbestimmungstatbestände zu belegen wäre, nämlich daß die Wahrnehmung betrieblicher Verteilungsgerechtigkeit durch die Betriebspartner auch der Wahrung vertraglicher Austauschgerechtigkeit zu dienen bestimmt sei und diese sich nicht lediglich als Rechtsreflex darstelle. Für letzteres spricht aber gerade im hier interessierenden Bereich der teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen über Entgelt der Zweck der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG. Dieser liegt in der Wahrung der innerbetrieblichen Verteilungsgerechtigkeit und eben nicht in der Wahrung der vertraglichen Austauschgerechtigkeit.81 Dies findet seinen Niederschlag darin, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Entscheidung über die Höhe des Arbeitsentgeltes nicht der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterliegt,82 insbesondere nicht die Höhe des Dotierungsrahmens bei freiwilligen Leistungen,83 da ansonsten die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere die des Arbeitgebers,84 unverhältnismäßig beeinträchtigt würde.85 Entsprechend ist es den Betriebspartnern auch nicht ohne weiteres möglich, im Kernbereich des arbeitsver81 Explizit etwa H. Hanau, Individualautonomie, S. 146; Reichold, Sozialprivatrecht, S. 523; derselbe, RdA 1995, 147 (156). Im Ergebnis ebenso – wenngleich mit anderer Terminologie – auch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, vgl. BAG, Beschluß vom 22.01.1980 – 1 ABR 48/77 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 5R/6; BAG, Beschluß vom 22.12.1981 – 1 ABR 38/79 –, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 31.01.1984 – 1 ABR 46/81 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, Bl. 2R/3; BAG, Beschluß vom 13.01.1987 – 1 ABR 51/85 –, AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 14.02.1993 – 1 ABR 31/93 –, AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2/2R; BAG, Beschluß vom 17.01.1995 – 1 ABR 19/94 –, AP Nr. 71 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 19.09.1995 – 1 ABR 20/95 –, AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 09.07.1996 – 1 AZR 690/95 –, AP Nr. 86 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 20.07.1999 – 1 ABR 66/98 –, AP Nr. 8 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 15.05.2001 – 1 ABR 39/00 –, AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 31.05.2005 – 1 ABR 22/04 –, AP Nr. 125 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 3R. 82 Explizit BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 24.08.2001 – 1 AZR 619/00 –, AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6; BAG, Beschluß vom 20.07.1999 – 1 ABR 66/ 98 –, AP Nr. 8 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 22.01.1980 – 1 ABR 48/77 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 5R/6. 83 BAG, Urteil vom 24.08.2001 – 1 AZR 619/00 –, AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6; BAG, Beschluß vom 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 –, AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2R/3; BAG, Beschluß vom 14.06.1994 – 1 ABR 63/ 93 –, AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 2R. 84 Auf die Privatautonomie des Arbeitgebers verweist in diesem Zusammenhang zu Recht Reichold, Sozialprivatrecht, S. 523. 85 Dies insbesondere gegen die gegenteilige Ansicht von DKK/Klebe, BetrVG10, § 87 Rz. 255 f.

264 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

traglichen Synallagmas liegende Regelungen zu schaffen.86 Vereinbarungen über ein zusätzliches Entgelt, welches zuvor individualvertraglich nicht geschuldet war, sind hiervon indessen nicht betroffen. Dies trifft auch auf die Regelung einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung zu. Schaffen die Betriebspartner solche betrieblichen Regelungen über Entgelt oder ändern sie solche ab, so ist damit die vertragliche Austauschbeziehung angesprochen, wenn auch nicht in ihrem Kernbereich. Da jedoch die betriebliche Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG lediglich auf die Knappheit der Ressourcen des nichtmitbestimmungspflichtigen Dotierungsrahmens reagiert und so allein ein Verteilungsproblem zum Regelungsanlaß nimmt, läßt sich die Wahrung der Austauschgerechtigkeit als gesetzliches Regelungsziel nicht überzeugend begründen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß bei einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung über Entgelt der in ihr geregelte Dotierungsrahmen vom Betriebsrat jedenfalls formal mitkonsentiert ist.87 Denn das Gesetz räumt hier den Betriebspartnern über § 88 BetrVG lediglich die Möglichkeit ein, auch die mitbestimmungsfreien Vorgaben der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG einvernehmlich zu regeln und so den Anlaß für die erzwingbare Mitbestimmung zu schaffen. Der Arbeitgeber hat daneben die Möglichkeit, den Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei anderweitig zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat hat dann gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG nur über die Verteilungskriterien mitzubestimmen. Entsprechendes gilt bei einer Reduzierung des Dotierungsrahmens. Die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bezüglich des Dotierungsrahmens wird in diesem Fall allein durch die rechtlichen Bindungen begrenzt, welche er selbst mit der Versorgungszusage im Verhältnis zu den einzelnen Arbeitnehmern und ggf. – bei einer Regelung des Dotierungsrahmens in der bisherigen Betriebsvereinbarung – gegenüber dem Betriebsrat bereits eingegangen ist,88 nicht aber durch die Mitbestimmung des Betriebsrats als solche. Die Schutzfunktion 86 So mit unterschiedlicher Akzentuierung im einzelnen MünchArbR2 /Blomeyer, § 48 Rz. 120 i.V. m. Rz. 119; P. Hanau/Preis, NZA 1991, 81 (84 unter Hinweis auf die notwendigen „essentials“); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 514 f.; derselbe, RdA 1995, 147 (152); Richardi, NZA 1984, 387 (389); derselbe, ZfA 1990, 211 (241); derselbe, BetrVG10, § 77 Rz. 72. Aufgrund seiner bereits oben in § 2 A. I. 4., S. 46 ff., widerlegten verbandsrechtlichen Prämissen anderer Ansicht Reuter, RdA 1991, 193 (197, 198 f.); derselbe, ZfA 1993, 221 (238 ff.); derselbe, RdA 1994, 152 (159). 87 Dazu bereits oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. Daß aus Sicht des Betriebsrats dennoch häufig eine faktische Bestimmung des Dotierungsrahmens und des Zweckes durch den Arbeitgeber vorliegen mag, ist ein von der formellen Einigung der Betriebspartner zu unterscheidendes Problem, welches erst bei der Frage der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen ist. Dazu unten § 7 C. II. 3. a) bb), S. 286 ff. 88 Zur begrenzten Wirkung der üblichen steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte vgl. oben § 1 B., S. 22 ff.

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der betrieblichen Mitbestimmung, welche gerade die Begrenzung der Alleinentscheidungsmacht des Arbeitgebers durch Beteiligung des Betriebsrats bezweckt, kann daher insoweit nicht unmittelbar einschlägig sein. Allenfalls läßt sich sagen, daß aufgrund der Tatsache, daß man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verteilen kann, ohne zugleich den Wert der zu erbringenden Gegenleistung des einzelnen Arbeitnehmers zu bestimmen,89 der Interessenausgleich zwischen den einzelnen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber mittelbar Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung im Bereich der horizontalen Ausgleichsfunktion ist.90 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang damit, daß die Wahrung ausgleichender wie austeilender Gerechtigkeit im Entgeltbereich auf kollektiver Ebene in erster Linie den Tarifvertragsparteien überantwortet ist und der betrieblichen Entgeltmitbestimmung daher lediglich eine ergänzende Funktion zukommen kann.91 Einer bestehenden Regelung von Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag hat der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes durch § 87 I Eingangssatz BetrVG den Vorrang vor Regelungen im Rahmen betrieblicher Mitbestimmung eingeräumt.92 Die Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG erlangt damit Bedeutung lediglich bei kollektiven Entlohnungssystemen93 im über- und außertariflichen Bereich, insbesondere bei den freiwilligen Sozialleistungen. Anders als den durch die Koalitionsmitgliedschaft der Tarifunterworfenen legitimierten Tarifvertragsparteien sind zudem mit Rücksicht auf die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien der erzwingbaren Mitbestimmung Regelungen im Kernbereich des arbeitsvertraglichen Synallagmas verschlossen.94 Entsprechendes gilt für die Lohnhöhe,95 und dies, mit Rücksicht auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Einführung zusätzlicher freiwilliger Leistungen, auch außerhalb des Kernbereiches des arbeitsvertraglichen Synallagmas. Vor diesem Hintergrund kann eine unter der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG zustande gekommene Regelung die Funktion des Tarifvertrags im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht übernehmen. Die Mitbestim89

Vgl. S. 262 Fn. 79. In diese Richtung G. Wiese, ZfA 2000, 117 (147). 91 Ähnlich Richardi, BetrVG10, § 87 Rz. 730: Die Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG sei „kein Ersatzinstrument für den Tarifvertrag, sondern“ entfalte „ihre Bedeutung unter Berücksichtung der Ordnungstatsache, daß die Gestaltung der Löhne und Gehälter üblicherweise durch Tarifvertrag“ erfolge. 92 Zur Bedeutung des Tarifvorbehaltes gemäß § 77 III BetrVG vgl. bereits oben § 1 B., S. 22 ff. 93 Zum kollektiven Tatbestand als Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 10; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 11; BAG, Urteil vom 24.01.2006 – 3 AZR 484/04 –, AP Nr. 15 zu § 3 BetrAVG, Rz. 52 f. 94 Zu letzterem bereits oben S. 264 vor Fn. 86. 95 Zu letzterem bereits oben S. 263 vor Fn. 82 f. 90

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mung des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG tritt vielmehr vor allem auf den Plan, weil eine tarifliche Regelung, nur soweit sie selbst reicht, auch die Durchsichtigkeit der betrieblichen Lohngestaltung bewirken und die innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit gewährleisten kann, nicht aber darüber hinaus.96 Nur insoweit kompensiert die betriebliche Mitbestimmung ein strukturelles Defizit des Tarifvertragssystems bei kollektiven Entlohnungssystemen. Festzuhalten bleibt, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG allein dem Ausgleich der divergierenden Arbeitnehmerinteressen dient. b) Immanenter Vorbehalt der Abänderung der Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung und Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung Beim erstmaligen Abschluß einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung über Entgelt wie auch beim Abschluß einer nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung kommt daher unmittelbar allein die horizontale Ausgleichsfunktion zum Tragen, welche dem Ausgleich divergierender Interessen unter den Arbeitnehmern dient. Somit verbleibt auch allein die horizontale Ausgleichsfunktion als mögliche Rechtfertigung eines immanenten Vorbehaltes der Abänderung einer Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung. Die damit angesprochene Verteilungsgerechtigkeit ist ebenfalls betroffen, wenn der Dotierungsrahmen einer Versorgungszusage unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungskriterien gekürzt wird. Eine solche proportionale Kürzung könnte allenfalls dann nicht zu einer Veränderung der Verteilungskriterien führen, wenn sie durch Teilleistung erdiente Besitzstände ignorierte, also auch bereits erdiente Versorgungsanwartschaften proportional kürzte.97 Konsequenterweise müßten sogar Versorgungsansprüche der Betriebsrentner gekürzt werden. Gegen eine solche Vorgehensweise kann jedoch für die Rechtspraxis bereits die nach erdienten Anwartschaften, erdienten Steigerungsraten und noch nicht erdienten Steigerungsraten differenzierende Besitzstandsschutzrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes98 ins Feld geführt werden, die den Besitzstandsstufen unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe, nämlich zwingende, triftige und sachlich-proportionale, zuordnet. Eine proportionale Kürzung der Versorgungs96 Zu letzterem BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 8R; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 9R. 97 Sobald eine Kürzungsregelung erdiente Versorgungsanwartschaften ausnimmt, führt sie zwangsläufig zu einer Änderung der Verteilungskriterien. Für die vollständige Schließung eines individualrechtlich begründeten Versorgungswerkes ebenso Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (305 f.). 98 Dazu bereits oben § 1 C., S. 26 ff., ausführlich unten § 9 C. III. 1. a)–c), S. 359 ff.

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zusage würde danach voraussetzen, daß die vom Bundesarbeitsgericht99 geforderten zwingenden Gründe für den Eingriff in die höchste Besitzstandsstufe, die erdienten Anwartschaften, vorlägen, was nur „in seltenen Ausnahmefällen“100 überhaupt der Fall sein kann. Zu denken ist hier an Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.101 Ein Eingriff in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner durch Betriebsvereinbarung schließlich wäre nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes – allerdings entgegen der hier vertretenen Auffassung102 – wegen fehlender Regelungskompetenz der Betriebspartner grundsätzlich103 ausgeschlossen,104 so daß eine proportionale Kürzung unter Einbezug der Versorgungsansprüche ohnehin nicht möglich wäre. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem aus dem abgestuften Besitzstandsschutz gefolgert, daß bei Einsparungen aus wirtschaftlichen Gründen in Besitzstände mit höherem Bestandsschutz nicht in gleicher Weise eingegriffen werden dürfe wie in Besitzstände mit niedrigerem Bestandsschutz.105 Es kann daher geboten sein, das Versorgungswerk für neueintretende Arbeitnehmer ganz oder teilweise zu schließen106 oder jedenfalls in noch nicht erdiente zukünftige Steigerungsraten stärker einzugreifen als in erdiente Anwartschaften. Das Bundesarbeitsgericht erkennt den Betriebspartnern insoweit zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum zu,107 eine proportionale Kürzung von Versorgungsanwartschaften dürfte sich nach den Prämissen dieser Judikatur jedoch allenfalls unter besonderen Umständen rechtfertigen lassen. Zur Vermeidung eines methodenwidrigen Zirkelschlusses müssen diese Argumente an dieser Stelle jedoch unberücksichtigt bleiben, da Umfang und Reichweite des Besitzstandsschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen erst ermittelt werden sollen.

99

Dazu näher unten § 9 C. III. 1. a), S. 359 ff. BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2. 101 Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 516. 102 Vgl. oben § 5 A., S. 225 ff. 103 Etwas anderes soll nur bei Vorliegen einer arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel gelten, vgl. BAG, Urteil vom 25.10.1988 – 3 AZR 483/86 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3. 104 Dazu bereits oben § 5, S. 223 ff. 105 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2R. 106 In dem BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, zugrunde liegenden Fall wurde das Versorgungswerk bereits drei Jahre vor Abschluß der streitigen nachfolgenden Betriebsvereinbarung für neueintretende Arbeitnehmer geschlossen. Zudem hatten Arbeitnehmergruppen, deren Vertrauen weniger schutzwürdig war, bereits Einschränkungen ihrer Versorgung hinzunehmen. Der Regelungsspielraum der Betriebspartner war insoweit bereits eingeschränkt (Bl. 2R). 107 Den Gestaltungsspielraum betont BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2R. 100

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Die Argumentation aus dem abgestuften Besitzstandsschutz ist auch entbehrlich, wenn man berücksichtigt, daß jede Kürzung des Dotierungsrahmens auch die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung betrifft. Für die Struktur des verteilten Entgelts ist nämlich erheblich, auf welches Gesamtvolumen sie sich bezieht.108 Dies gilt auch dann, wenn die Betriebspartner das bisherige Bezugssystem aufrechterhalten, die Kürzung des Dotierungsrahmens die bisherigen Relationen zwischen den einzelnen Arbeitnehmern also unberührt läßt. Denn das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG betrifft zwar nur den abstrakten Verteilungsmodus, dieser kann jedoch nicht völlig losgelöst von dem zur Verfügung stehenden Dotierungsrahmen betrachtet werden.109 Denn die Festlegung von Verteilungskriterien erfolgt immer auch mit Rücksicht auf den zur Verfügung stehenden, nichtmitbestimmungspflichtigen Dotierungsrahmen. Die Höhe des Dotierungsrahmens und das Gewicht der jeweils auf die einzelnen Arbeitnehmer absolut entfallenden Beträge stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Letztere erhalten ein um so größeres Gewicht, je geringer der Dotierungsrahmen ausfällt. Die Kürzung des Dotierungsrahmens führt daher zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für die bisherigen Verteilungsgrundsätze.110 Folglich wird auch bei einer proportionalen Kürzung grundsätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausgelöst.111 Es ist darüber zu befinden, ob die bisher geltenden Verteilungsgrundsätze unverändert auf den verringerten Dotierungsrahmen angewandt werden sollen. Daher kommt die horizontale Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung als mögliche Rechtfertigung des jeder Betriebsvereinbarung immanenten Vorbehalts ihrer Abänderung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung auch vor dem Hintergrund der Möglichkeit in Betracht, daß in der abändernden Betriebsvereinbarung lediglich der nichtmitbestimmungspflichtige Dotierungsrahmen gekürzt wird, die Verteilungskriterien gegenüber der ursprünglichen Betriebsvereinbarung aber unverändert bleiben.

108 H. Hanau, Individualautonomie, S. 215. Anders für die proportionale Anrechnung einer übertariflichen Zulage aber BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/ 90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 12R; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 11R/12. 109 So aber in der Sache BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 11R; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 12R. 110 So H. Hanau, Individualautonomie, S. 215. 111 H. Hanau, Individualautonomie, S. 215. Im Ergebnis ebenso die den Entscheidungen des Großen Senats zur Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen (Fn. 109, 112) vorausgegangenen Vorlagebeschlüsse des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichtes, vgl. BAG, Beschluß vom 13.02.1990 – 1 ABR 35/87 –, AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 13.02.1990 – 1 AZR 171/87 –, AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 4/4R. Aus der Literatur ferner Mache, DB 1989, 2170 (2171).

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Zu keinem anderen Ergebnis käme man im übrigen, wenn man eine mitbestimmungsfreie proportionale Anpassung freiwilliger Leistungen nach Kürzung des Dotierungsrahmens für zulässig hielte.112 Solange ein zu verteilendes Volumen verbleibt, haben die Betriebspartner die Möglichkeit, die Verteilungskriterien zu ändern. Zudem besteht insoweit ein Initiativrecht des Betriebsrates.113 Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber einen abweichenden Verteilungsvorschlag vorlegen, muß aber darlegen, wie der ggf. verminderte Dotierungsrahmen eingehalten werden kann.114 Wird eine Einigung hinsichtlich der Verteilungskriterien nicht erzielt, kann der Betriebsrat – wie im übrigen auch der Arbeitgeber – die Einigungsstelle anrufen.115 Für die mögliche Rechtfertigung des Vorbehalts der nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist es unerheblich, ob die Betriebspartner von ihren Möglichkeiten zur Änderung der Verteilungskriterien Gebrauch machen oder nicht. Der Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung folgt bereits aus dem Recht jedes Betriebspartners, ständig neue und abweichende Regelungen fordern zu können.116 Die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung ist daher jedenfalls solange einschlägig, wie ein Verteilungsvolumen verbleibt. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG entfällt aus tatsächlichen Gründen, wenn kein auszuschüttendes Volumen mehr zur Verfügung steht.117 Auch insoweit trägt die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung jedoch den immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung: Heben die Betriebspartner einen in der älteren Betriebsvereinbarung geregelten Dotierungsrahmen einvernehmlich auf, beseitigen sie damit nicht nur den 112 Für eine mitbestimmungsfreie proportionale Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertariflicher Zulagen unter Beibehaltung des bisherigen Bezugssystems BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 11R; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 12R. 113 Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anhang zu § 1 Rz. 434; Richardi, BetrVG10, § 87 Rz. 852 i.V. m. Rz. 851. 114 Zur Bindung des Betriebsrats an den vom Arbeitgeber vorgegebenen Dotierungsrahmen BAG, Urteil vom 26.05.1998 – 1 AZR 704/97 –, AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 4R/5. Grundlegend zur Mitbestimmungsfreiheit des Dotierungsrahmens BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 13/74 –, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 137/73 –, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 12.06.1975 – 3 ABR 66/74 –, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Bl. 3R–5. 115 Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anhang zu § 1 Rz. 434. 116 Dazu bereits oben § 4 C. IV., S. 209 ff., § 4 D. II., S. 217 ff. 117 So für übertarifliche Zulagen BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 13R; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 12R; insoweit zustimmend auch H. Hanau, Individualautonomie, S. 214.

270 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Anlaß der mit der älteren Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Verteilungskriterien ausgeübten Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG, sondern sie beenden zugleich auch die Wirkung der Verteilungskriterien. Daher kann man berechtigterweise in der einvernehmlichen Aufhebung des Dotierungsrahmens zugleich einen – nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegenden – actus contrarius zur Aufstellung der Verteilungsgrundsätze sehen. Auch insoweit wird das Verhältnis der Ansprüche und Anwartschaften der Arbeitnehmer untereinander geregelt. Da eine vollständige Aufhebung des Dotierungsrahmens zwangsläufig zu einem Eingriff in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner und in bereits erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer führt, kommt es auch in diesen Fällen zu einer Änderung der Verteilungskriterien: Denn nun sollen die Betriebsrentner und diejenigen Arbeitnehmer, welche bereits eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erdient haben, mit denjenigen Arbeitnehmern unterschiedslos gleichbehandelt werden, welche diese Voraussetzungen noch nicht erfüllen. Wegen der Rückwirkung einer solchen Streichung des Dotierungsrahmens ist die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung betroffen, die allein den Ausgleich der divergierenden Arbeitnehmerinteressen untereinander bezweckt. Auf die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung hingegen kann nicht rekurriert werden, da durch die Beteiligung des Betriebsrates an der Regelung kein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers begrenzt wird. Hat der Arbeitgeber nämlich erst einmal einen Dotierungsrahmen durch eine Betriebsvereinbarung verbindlich zugesagt, kann er ohne Mitwirkung des Betriebsrates diesen nicht mit Rückwirkung aufheben, ihm bleibt allein die ex nunc wirkende Kündigung der Betriebsvereinbarung.118 Daß der – noch zu untersuchende und daher hier aus Betracht bleibende – Besitzstandsschutz ohnehin einer vollständigen Aufhebung des Dotierungsrahmens entgegenstünde und eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Verteilungskriterien erforderlich machen würde, ist bereits eingangs erwähnt worden und sei hier nochmals betont. Ist der Dotierungsrahmen vom Arbeitgeber außerhalb der Betriebsvereinbarung mitbestimmungsfrei vorgegeben worden und wird er – unterstellt – wirksam aufgehoben, so ergibt sich zu dem Vorigen kein wesentlicher Unterschied. Eine durch die vollständige Aufhebung eines mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens motivierte Änderung beziehungsweise Aufhebung der Betriebsvereinbarung über die Verteilungskriterien mittels einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung stellt sich gleichfalls als mitbestimmungsfreier actus contrarius zur Aufstellung der Verteilungskriterien dar, da die Verteilung insoweit beendet wird. Die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung, deren Ziel es ist, die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen, ist nach 118 Zur Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung und zur Frage der Ex-nunc-Wirkung vgl. oben § 4 C. III. 2., S. 206 ff.

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alledem allein einschlägig, wenn es um eine mögliche Rechtfertigung eines immanenten Vorbehaltes der Abänderung einer Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung geht. 5. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, daß die betriebliche Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten eine vertikale Schutz- und eine horizontale Ausgleichsfunktion hat. Die Schutzfunktion dient dem Ausgleich eines Autonomiedefizites im Individualarbeitsverhältnis und erschöpft sich in der Beteiligung des Betriebsrates. Sie bezweckt die Wahrung der ausgleichenden Gerechtigkeit. Die Ausgleichsfunktion hingegen strebt den Interessenausgleich im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander an und bezweckt allein die Wahrung betrieblicher Verteilungsgerechtigkeit. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG dient allein der Ausgleichsfunktion und damit der austeilenden Gerechtigkeit. Jedoch hat die Mitbestimmung des Betriebsrats im Entgeltbereich immer auch eine Reflexwirkung auf die individualvertragliche Austauschbeziehung, ohne daß die Schutzfunktion der Mitbestimmung eingriffe. Beim erstmaligen Abschluß einer Betriebsvereinbarung im Entgeltbereich wie auch bei nachfolgenden, abändernden Betriebsvereinbarungen kommt allein die horizontale Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung zum Tragen. Dies gilt selbst dann, wenn mit der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Einzelfall kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausgeübt wird, weil ein solches nicht (mehr) besteht. Es verbleibt allein die Ausgleichsfunktion als mögliche Rechtfertigung eines immanenten Vorbehaltes der Abänderung einer Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung. Im folgenden gilt es, die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit dieses Vorbehaltes zur Verwirklichung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung zu beleuchten. II. Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung als Kriterium der Geeignetheit zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung Der Gesetzgeber hat den Betriebspartnern mit der Betriebsvereinbarung ein Instrument zur Wahrnehmung der Schutz- und der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung an die Hand gegeben, dessen Fähigkeit zur angemessenen Regelung der im Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegenden Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der sozialen Angelegenheiten gemäß den §§ 87, 88 BetrVG von ihm grundsätzlich vorausgesetzt wird.119 Um dennoch die Grenzen der Regelungsmacht des Gesetzgebers bei 119 Ähnlich bereits Jobs, AuR 1986, 147 (148); Kreutz, ZfA 1975, 65 (78); Thiele, Festschrift für Larenz, S. 1043 (1057).

272 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

der in der zeitlichen (Rück-)Wirkung nicht ausdrücklich eingeschränkten Regelungsmacht der Betriebspartner und dem hieraus folgenden immanenten Vorbehalt aller durch Betriebsvereinbarung begründeten Ansprüche und Anwartschaften auszuloten, ist vor dem Hintergrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung seiner Zwecke zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung der für Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich allein relevanten Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung offensichtlich ungeeignet ist120 und sich daher auch die Ungeeignetheit des Vorbehaltes nachfolgender Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wahrnehmung ergibt. Wegen der grundlegenden Bedeutung der Frage wird neben der für diese Untersuchung allein relevanten Geeignetheit zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion die Geeignetheit zur Wahrnehmung der Schutzfunktion mit erörtert. Im folgenden ist deshalb von der Geeignetheit zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszweckes die Rede, soweit sich kein Unterschied für die Wahrnehmung der Schutz- und der Ausgleichsfunktion ergibt. Die offensichtliche Ungeeignetheit zur Zweckerreichung ist bei der Betriebsvereinbarung zu besorgen, wenn für die materielle Richtigkeit der in ihr getroffenen Regelungen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht. Angesprochen ist damit die Frage nach der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung, welche namentlich vom Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit in Zweifel gezogen wurde, indem es Betriebsvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle unterwarf und diese mit der Ungleichgewichtigkeit der Betriebspartner begründete.121 Insoweit ist mit der Geeignetheit der Betriebsvereinbarung zugleich das Problem imparitätsgeleiteter gerichtlicher Kontrolle aufgeworfen. Zeigte sich die Notwendigkeit einer imparitätsgeleiteten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, wäre damit zugleich die Ungeeignetheit der Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Schutz- und Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung indiziert. Vor dem Hintergrund des Art. 14 I 2 GG bestünde dann ein weitreichendes Schutzgebot im Hinblick auf den Schutz der Vorleistungen von Arbeitnehmern aufgrund einer Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung vor einer Verschlechterung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung. Ergäbe die dann anzustellende Prüfung, daß der Gesetzgeber keine anderweitigen Schutzmaßnahmen ergriffen hat, könnte in der Tat eine imparitätsgeleitete Kontrolle sogar der Verfassung wegen geboten sein. Die Betriebsvereinbarung kommt als privatrechtlicher Vertrag zustande.122 Vertragliche Vereinbarungen sorgen durch den ihnen eigenen Konsens für einen 120

Zum Prüfungsmaßstab vgl. bereits S. 252 Fn. 17. BAG, Urteil vom 16.11.1967 – 5 AZR 157/67 –, AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 17.10.1968 – 5 AZR 281/67 –, AP Nr. 66 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 1R; BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7; BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 158/ 87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R. 121

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Interessenausgleich im Sinne subjektiver Äquivalenz123 und schaffen damit eine gewisse „Richtigkeitschance“.124 Insoweit mag man von einer „Vermutung der Richtigkeit“125 oder von „materieller Richtigkeitsgewähr des Vertrages“126 sprechen, ohne damit einer Mediatisierung der Privatautonomie im Sinne materieller Richtigkeitsgewähr das Wort reden zu wollen.127 Die materielle Richtigkeitsgewähr privatrechtlicher Verträge gebietet eine Zurückhaltung bei der gerichtlichen Kontrolle vertraglicher Regelungen. Sie verbietet insbesondere eine Kontrolle hinsichtlich der Angemessenheit, gerade weil Verträge Ausfluß der Privatautonomie sind.128 Privatautonomie ist mit Flume „das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach eigenem Willen.“ 129 Daher gilt der Satz: „Stat pro ratione voluntas.“ 130 Flume131 hat in diesem Zusammenhang das Theorem aufgestellt, Privatautonomie verlange Selbstbestimmung, Selbstbestimmung verlange Gleichgewicht, also bestehe bei Ungleichgewicht keine Privatautonomie. Dieser einleuchtende Gedanke wird ergänzt durch die Überlegung, daß es für die materielle Richtigkeitsgewähr einer vertraglichen Regelung auch auf die Einflußmöglichkeit einer Vertragspartei auf die zu treffende Regelung, auf einen bestehenden Verhandlungsspielraum ankommt.132 Einfluß und Verhandlungsspielraum hinsichtlich des Vertragsinhaltes sind jedoch letztlich nichts anderes als ein Ausdruck bestehenden Verhandlungsgleichgewichts. Hat hingegen eine Verhandlungspartei ein so starkes Übergewicht, daß sie die vertragliche Regeln faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Part Fremdbestimmung.133 Vor dem Hintergrund der Privatautonomie ist eine solche faktische Fremdbestimmung jedoch nur insoweit relevant, als sie die Entscheidungsfreiheit aus122 Zum Vertragscharakter der Betriebsvereinbarung oben § 2 A. I., S. 40 ff., zu ihrer Privatrechtlichkeit oben § 2 C., S. 86. 123 Vgl. S. 253 Fn. 20. 124 Vgl. S. 253 Fn. 21. 125 Vgl. S. 253 Fn. 22. 126 Vgl. S. 254 Fn. 23. 127 H. Hanau, Individualautonomie, S. 82 m. Fn. 31. Vgl. die Kritik bei Flume, AT II4, § 1.7, S. 10 f., diesem folgend Richardi, Kollektivgewalt, S. 43. 128 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 73 f.; Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197 (205). 129 Flume, Festschrift für den Deutschen Juristentag I, S. 135 (136). 130 Canaris, iustitia, S. 44; Fastrich, RdA 1997, 65 (68); Flume, Festschrift für den Deutschen Juristentag I, S. 135 (141); Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 64. 131 Flume, AT II4, § 1.7, S. 10. 132 BGH, Urteil vom 14.04.1975 – II ZR 147/73 –, BGHZ 64, 238 (241); BGH, Urteil vom 07.07.1976 – IV ZR 229/74 –, NJW 1976, 2345 (2346); BGH, Urteil vom 15.12.1976 – IV ZR 197/75 –, NJW 1977, 624 (625); Roussos, JZ 1988, 997 (999 f.); H. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 3 II 3 a, S. 173 f. 133 BVerfG, Beschluß vom 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 –, BVerfGE 81, 242 (255); BVerfG, Beschluß vom 14.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 –, BVerfGE 89, 214 (232).

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schließt.134 Zwang und Privatautonomie sind miteinander nicht zu vereinbaren.135 Ein derart in Richtung Zwang spezifiziertes Autonomiedefizit aber kann – wenn es typischerweise auftritt136 – die Gerichte dazu berechtigen, im Wege einer Angemessenheitskontrolle vertraglicher Regelungen ausgleichend tätig zu werden.137 Für den Betriebsrat besteht nun im Bereich betrieblicher Rechtsetzung gegenüber den Arbeitnehmern keine Privatautonomie und damit keine umfassende Vertragsfreiheit.138 Seine Verhandlungsmacht reicht so weit wie seine gesetzlichen Befugnisse,139 für Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung also so weit wie die Mitbestimmung gemäß den §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG. Diese umfaßt nach dem oben Gesagten140 aber sowohl den Abschluß als auch die Abänderung und einvernehmliche Aufhebung von Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung. Insoweit ist die Frage nach einer Betriebsautonomie in dem durch die §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG abgesteckten Bereich aufgeworfen, welche als Analogon zur Privatautonomie im durch das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat zugewiesenen betrieblichen Regelungsbereich zu verstehen ist. Hierzu ist in Anlehnung an die Thesen Flumes141 zur Privatautonomie zu fordern: Betriebsautonomie verlangt Selbstbestimmung, Selbstbestimmung verlangt Gleichgewicht, bei Ungleichgewicht besteht also keine Betriebsautonomie. Nur bei Bestehen einer so verstandenen Betriebsautonomie kann man von einer materiellen Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung ausgehen, welche einer gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen Grenzen setzt. Insbesondere einer rechtsfortbildend mit dem Ungleichgewicht der Betriebspartner begründeten allgemeinen Billigkeitskontrolle, wie sie das Bundesarbeitsgericht lange Zeit explizit

134 So die berechtigte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes von Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (26, 32). 135 Flume, Festschrift für den Deutschen Juristentag I, S. 135 (143); derselbe, AT II4, § 1.7, S. 10; zustimmend Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (26 m. Fn. 100). 136 Dazu Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 217 ff., 219; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 191 f.; Lieb, AcP 178 (1978), 196 (203). Auch Hille, Inhaltskontrolle, S. 100 f., unter Hinweis auf die entsprechenden gesetzgeberischen Wertungen im Arbeitsrecht. 137 So im Ergebnis auch Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (32). Vgl. auch Canaris, iustitia, S. 62, der Zwang als paradigmatisch für eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nennt und insoweit korrigierende Eingriffe der Rechtsordnung für geboten hält. 138 Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 64. Zum BetrVG 1952 bereits Nikisch, Arbeitsrecht III2, § 107 V 1, S. 276; Richardi, Kollektivgewalt, S. 322. Zum BRG 1920 bereits Flatow/Kahn-Freund, BRG13, § 66 Erl. 5 III 1, S. 306. 139 Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 64. 140 Siehe oben § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff. 141 Vgl. S. 273 Fn. 131.

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propagiert hat,142 aber auch einer als Angemessenheitskontrolle verstandenen Inhaltskontrolle aufgrund einer Ungleichgewichtslage wäre damit der Boden entzogen. Angemerkt sei schon hier, daß aus Gründen der Rechtssicherheit eine Inhaltskontrolle ohnehin nur bei typischerweise auftretenden Ungleichgewichtslagen überhaupt in Betracht kommt.143 Dies ist bei der Kontrolle individualarbeitsvertraglicher Regelungen über die AGB-Kontrolle hinaus bereits vor dem Hintergrund des Schutzes der verfassungsmäßig verbürgten Privatautonomie geboten, welcher beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen jedoch nur auf seiten des Arbeitgebers greift. Zugleich wäre mit der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung von der Geeignetheit des immanenten Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung auszugehen. 1. Bedeutung des § 310 IV 1 BGB Die Frage einer auf Imparität gestützten Kontrolle unterhalb der Grundrechtsebene und die mit ihr einhergehende Vorfrage einer Ungleichgewichtslage sind auch keineswegs durch den mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführten § 310 IV 1 BGB präjudiziert, mit der Folge, daß derartige Ansätze a priori als unzulässige Rechtsfortbildung contra legem zu qualifizieren wären.144 Daher kann für die Zulässigkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß der Vorbehalt der abändernden Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks ein geeignetes Mittel sei.

142

Vgl. S. 272 Fn. 121. Im Ergebnis ebenso BVerfG, Beschluß vom 14.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 –, BVerfGE 89, 214 (232); Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 219; Reuter, ZfA 1993, 221 (237). 144 So aber Annuß, BB 2002, 458 (459); Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 48 f.; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform2, Rz. 337; Lieb, Festschrift für Ulmer, S. 1231 (1241); ErfK7 /Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 12; Rolfs, RdA 2006, 349 (355). Der Sache nach auch Reuter, Festschrift 50 Jahre BAG, S. 177 (193); Richardi, BetrVG10, § 77 Rz. 125; derselbe, NZA 2002, 1057 (1059); welche die Rückführung der Billigkeitskontrolle auf eine reine Rechtskontrolle bestätigt sehen. Zurückhaltender allerdings Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (312): § 310 IV BGB habe lediglich klarstellende Funktion, die gerichtliche Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen bleibe unberührt. Vieldeutig Däubler, NZA 2001, 1329 (1334), der die Rechtslage unverändert sieht und behauptet, eine Billigkeitskontrolle bleibe ohnehin hinter der AGB-Kontrolle deutlich zurück, und in neuerer Zeit betont, die Billigkeitskontrolle dürfe nicht weiter reichen als nach den §§ 305 ff. BGB (Däubler/Dorndorf, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, § 310 BGB Rz. 33). 143

276 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Nach dem Wortlaut des § 310 IV 1 BGB ist lediglich eine Kontrolle von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen anhand der Vorschriften über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß den §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen. Dies rechtfertigt sich bereits daraus, daß es sich bei Kollektivverträgen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, da sie nicht einseitig vom Arbeitgeber gestellt werden und zudem normativ auf die Arbeitsverhältnisse einwirken.145 Allein aus der Tatsache, daß Tarifverträge keiner imparitätsgeleiteten Inhaltskontrolle unterliegen146 und § 310 IV 1 BGB Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge gleich behandelt, läßt sich nicht schließen, daß auch Betriebsvereinbarungen von jedweder Form imparitätsgeleiteter Inhaltskontrolle freigestellt sein sollen.147 Über eine mögliche imparitätsgeleitete Kontrolle von Betriebsvereinbarungen schweigt das Gesetz vielmehr. Auch der Historie des § 310 IV 1 BGB lassen sich keine Argumente für einen vollständigen Ausschluß imparitätsgeleiteter Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen entnehmen. § 310 IV 1 BGB ist vielmehr im Kontext mit dem gegenüber § 23 I AGBG abweichenden Einbezug der vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsvertragsbedingungen in die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu sehen. Die im Gesetzgebungsverfahren federführende Bundesregierung war seinerzeit der Auffassung, daß auch insoweit ein Bedürfnis nach richterlicher Kontrolle bestehe. Die Vertragsfreiheit gewährleiste insoweit keinen hinreichenden Arbeitnehmerschutz.148 Demgegenüber müsse die bislang in § 23 I AGBG geregelte Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht in bezug auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen bestehenbleiben, da es sich bei ihnen nicht nur um zwischen den Kollektivvertragsparteien ausgehandelte Verträge handele, sondern diese auch Rechtsnormen enthielten, welche unmittelbar und zwingend für die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen beziehungsweise betriebsangehörigen Arbeitnehmer gälten. In diesen normsetzenden Bereich dürfe eine AGB-Kontrolle nicht eingreifen, da ansonsten das System der Tarifautonomie konterkariert würde.149 Aus dieser Begründung ergibt sich, daß die Autoren des Gesetzentwurfes eine AGB-Kontrolle von Kollektivverträgen bereits deshalb für 145 Linnemannstöns, Die Auswirkungen des § 310 III, IV BGB, S. 181, 140 i.V. m. S. 129 f.; Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (312, für Betriebsvereinbarungen). 146 Tarifverträge sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen höherrangiges Recht, gegen die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechtes verstoßen. Vgl. nur BAG, Urteil vom 03.10.1969 – 3 AZR 400/68 –, AP Nr. 12 zu § 15 AZO, Bl. 4; BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R/7; BAG, Urteil vom 06.09.1995 – 5 AZR 174/94 –, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, Bl. 4. 147 So aber Lieb, Festschrift für Ulmer, S. 1231 (1242); Hess/Schlochauer/Worzalla/ Glock, BetrVG6, § 77 Rz. 53; Rolfs, RdA 2006, 349 (354 f.). 148 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/6857, S. 42 (53 f.). 149 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/6857, S. 42 (54) (Hervorhebungen vom Verfasser).

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nicht geboten gehalten haben, weil diese – im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formulararbeitsverträgen – ausgehandelt werden und es sich nicht um Vertragsbedingungen, sondern um Rechtsnormen handelt. Maßgeblich waren also primär rechtstechnische Überlegungen. Daß zudem eine AGB-Kontrolle von Tarifverträgen die Tarifautonomie aushöhlen würde, läßt demgegenüber keinen Schluß auf die Anerkennung einer inhaltskontrollfreien Betriebsautonomie zu. Die Gesetzesbegründung schweigt vielmehr zu dieser Frage. Man mag aus diesem Schweigen sogar den Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage nicht ändern wollte,150 so daß die Frage nach einer Rechtfertigung imparitätsgeleiteter Inhaltskontrolle von Betriebsvereinbarungen und nach der Geeignetheit des Vorbehaltes der abändernden Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG unabhängig von § 310 IV 1 BGB zu beantworten wäre. Aufschluß über den Regelungsgehalt des § 310 IV 1 BGB kann letztlich nur ein Blick auf die materielle Rechtfertigung der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor dem Hintergrund der verfassungsmäßig verbürgten Privatautonomie geben. Diese liegt in dem Ausgleich einer spezifischen Imparitätslage, die durch das einseitige Stellen von Vertragsbedingungen durch eine Vertragspartei veranlaßt wird. Vor der Privatautonomie ist eine solche Angemessenheitskontrolle privatrechtlicher Verträge jedoch nicht ohne einen weiteren Begründungsschritt zu rechtfertigen, der das naheliegende Argument zu entkräften vermag, eine Partei könne als unangemessen empfundenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Gegenseite durch eine Verweigerung des Vertragsschlusses entgehen. Zu bedenken ist nämlich, daß die mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbundene Standardisierung noch nichts über die damit verbundene Niveauveränderung gegenüber dem dispositiven Recht aussagt und sich damit allein keine Gefährdung der Richtigkeitsgewähr des Vertrages begründen läßt.151 Für einen die Richtigkeitsvermutung privatrechtlicher Verträge auslösenden Konsens ist nämlich nicht erforderlich, daß dieser individuell ausgehandelt wurde. Die Zustimmung des Erklärungsempfängers zu einem ihm unterbreiteten Angebot ist insoweit hinreichend. Dies gilt jedenfalls solange, wie die Möglichkeit zum Vertragsverzicht verbleibt.152 Unsere Vertragsrechtsordnung vertraut darauf, daß der Erklärungsempfänger – jedenfalls im Zusammen-

150 So Däubler, NZA 2001, 1329 (1334); Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (312). 151 Ähnlich für standardisierte Arbeitsbedingungen Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 71. 152 Canaris, iustitia, S. 49 f. m. Fn. 95; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 80; Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (235 f.); derselbe, AcP 196 (1996), 1 (32). Vgl. auch Larenz/M. Wolf, BGB AT9, § 42 Rz. 31: Das Moment der Vorformulierung durch eine Vertragspartei sei nicht hinreichend, ein gestörtes Verhandlungsgleichgewicht zu indizieren.

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spiel mit dem Verhalten der anderen, auf seiner Seite auftretenden Marktteilnehmer (etwa der nachfragenden) – über das Druckmittel des Vertragsverzichts die andere Seite dazu bewegen kann, wenigstens das Niveau der angebotenen Vertragskonditionen anzupassen.153 Dies bedeutet letztlich nichts anderes als ein Vertrauen in das Funktionieren von Marktwirtschaft und Wettbewerb. Dementsprechend rechtfertigt sich die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch nicht aus der bloßen Tatsache, daß diese von ihrem Verwender einseitig gestellt werden, sondern aus dem hinzutretenden, empirisch belegten, weitgehenden Wettbewerbsversagen im Bereich vertraglicher Nebenbedingungen,154 welches zu einer typischerweise bestehenden Benachteiligung von Verbrauchern in standardisierten Verträgen geführt hat. An den Zweck der Kompensation von Wettbewerbsversagen im Bereich der Nebenbedingungen knüpft auch der Einbezug vorformulierter Arbeitsverträge in die AGB-Kontrolle an. Der Gesetzgeber hat daher mit seiner Entscheidung, arbeitsrechtliche Kollektivverträge von der AGB-Kontrolle auszunehmen, lediglich eine Wertung dahingehend getroffen, daß diesbezüglich eine Angemessenheitskontrolle aus den die AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen rechtfertigenden Gründen im Bereich der Nebenbedingungen zu unterbleiben hat. Betriebsvereinbarungen beschränken sich ohnehin nicht auf die Regelung arbeitsvertraglicher Nebenbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Gerade die Möglichkeit zum Abschluß nach § 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen über betriebliches Entgelt zeigt, daß sich Betriebsvereinbarungen an das Synallagma der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten annähern können, wenngleich sie in dessen Kernbereich nicht eingreifen dürfen.155 Eine Angemessenheitskontrolle von Kollektivverträgen aufgrund anderer spezifischer Ungleichgewichtslagen außerhalb des Bereichs der Nebenbedingungen ist daher ebensowenig ausgeschlossen wie die Ungeeignetheit des Vorbehaltes der abändernden Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG. Vor diesem Hintergrund verliert auch das Argument aus § 310 IV 3 BGB an Relevanz, da die mittelbare Kontrolle von formulararbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelungen aus Betriebsvereinbarungen ausgeschlossen sei, sei auch eine unmittelbare Kontrolle nicht zu rechtfertigen156. Denn der Ausschluß einer mittelbaren AGB-Kontrolle gemäß § 310 IV 3 BGB, der ohnehin nur im 153 So für standardisierte Arbeitsbedingungen Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 71. 154 Canaris, iustitia, S. 54; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 79–93; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 15, 17; Zöllner, RdA 1989, 152 (157). 155 Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 264 bei Fn. 86. 156 So aber Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 48.

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betriebsratslosen Betrieb sowie bei der formulararbeitsvertraglichen Inbezugnahme betriebsfremder Betriebsvereinbarungen eigenständige Bedeutung erlangen kann,157 sagt nach dem oben Gesagten nichts über eine mittelbare oder unmittelbare imparitätsgeleitete Kontrolle aus, welche durch andere Gründe als durch die einseitige Gestellung von Vertragsbedingungen und eine daran anknüpfende typische Benachteiligung der Arbeitnehmer gerechtfertigt ist. Die Frage einer auf Imparität gestützten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen unterhalb der Grundrechtsebene ist im übrigen nicht durch § 310 IV 1 BGB präjudiziert. Aus § 310 IV 1 BGB allein folgt weder eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen noch die daraus zu folgernde Geeignetheit des Vorbehaltes nachfolgender Betriebsvereinbarungen zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG. Daher kommt es im folgenden darauf an, ob zwischen den Betriebspartnern ein Verhandlungsungleichgewicht besteht, welches die materielle Richtigkeitsgewähr von Betriebsvereinbarungen ausschließt und den Schluß auf die Ungeeignetheit des Vorbehaltes nachfolgender Betriebsvereinbarungen zur Wahrnehmung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG zuläßt. Es ist daher zu fragen, anhand welcher Kriterien eine mangelnde Richtigkeitsgewähr infolge Imparität ermittelt werden kann158 und ob eine solche vorliegt.159 2. Kriterien zur Ermittlung von Imparität Die Frage nach Kriterien zur Ermittlung eines Verhandlungsungleichgewichts knüpft unmittelbar an die vorigen Gedanken zur Rechtfertigung der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen an. Unsere Rechtsordnung basiert auf dem Funktionieren von Marktwirtschaft und Wettbewerb. Hierdurch wird letztlich den Teilnehmern am Rechtsverkehr die selbstbestimmte Findung materiell angemessener Regelungen ermöglicht. Daher akzeptiert das Recht grundsätzlich den Vertrag als Mittel zur Findung subjektiver Äquivalenz und stellt die Frage nach der objektiven Äquivalenz, das heißt der Angemessenheit der gefundenen Regelungen nur höchst ausnahmsweise, wenn die Entscheidungsfreiheit einer Vertragspartei so erheblich beeinträchtigt ist, daß sie Einfluß auf die Validität der vertraglichen Regelung hat.160 In Rechtsprechung und Literatur werden hierzu 157 Vgl. Linnemannstöns, Die Auswirkungen des § 310 III, IV BGB, S. 180; Richardi, NZA 2002, 1057 (1062); Singer, RdA 2003, 194 (198). 158 Dazu sogleich sub 2., S. 279 ff. 159 Dazu sogleich sub 3., S. 284 ff. 160 Canaris, iustitia, S. 51 f.; Hönn, Festschrift für Kraft, S. 251 (259 f.); Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (28).

280 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

die Fallgruppen des existentiellen Angewiesenseins auf den Vertragsschluß, der wirtschaftlichen oder sozialen sowie der intellektuellen Unterlegenheit angeführt. Abweichend hiervon wird teilweise auch auf eine Parität der Verhandlungspartner, wie sie aus dem Arbeitskampfrecht bekannt ist, abgestellt. Dies ist kritisch zu hinterfragen. a) Existentielle Angewiesenheit auf den Vertragsschluß Eine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit liegt typischerweise vor, wenn eine Vertragspartei auf den Vertragsschluß existentiell angewiesen ist.161 Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender „Zwang“ bedeutet in diesem Zusammenhang einen Druck, dem ein Vertragschließender durch einen Verzicht auf Vertragsleistungen bestimmter Art ausgesetzt wird, wenn hierdurch seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz ganz entscheidend berührt ist162 und die Struktur der Marktverhältnisse einen vertraglichen Interessenausgleich im Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt.163 Für das Individualarbeitsverhältnis ergibt sich eine solche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers aus der existentiellen Angewiesenheit des Arbeitnehmers auf den Arbeitsvertrag, in dessen Rahmen er regelmäßig einen Großteil seiner Arbeitskraft gegenüber einem einzigen Vertragspartner vermarkten muß.164 Mangels entsprechender Fähigkeiten165 oder mangels des notwendigen Kapitals166 steht einem Großteil der arbeitsfähigen Bevölkerung insoweit die Alternative unternehmerischer Betätigung nicht als Mittel zur Existenzsicherung zur Verfügung. Verstärkt wird dies durch das sogenannte Konkurrenzparadoxon167: Die bestehende Gefahr, durch die Nichtannahme eines Arbeitsplatzangebotes auf das Existenzminimum zurückgeworfen zu werden, führt regelmäßig auch zur Annahme vergleichsweise schlechter Arbeitsbedingungen und zu einem diesbezüglichen Unterbieten von Mitbewerbern um einen Arbeits-

161

So Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 232 f.; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (32 f.). So Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (33). 163 So Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 233; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (33). 164 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 186 ff.; derselbe, RdA 1997, 65 (77); Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 3 ff.; Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 68; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 34 f.; M. Wolf, RdA 1988, 270 (272). Auch Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (32 f.), der allerdings primär auf das personale Element im Arbeitsverhältnis als Rechtfertigung für eine Beschränkung der Vertragsfreiheit abstellt (34). 165 Reuter, RdA 1991, 193 (195). 166 Beuthien, Festschrift für E. Wolf, S. 17 (20); Dorndorf, Festschrift für Gnade, S. 39 (43); Gast, Festschrift für Kissel, S. 249 (262). 167 Dazu Dorndorf, Festschrift für Gnade, S. 39 (41 f.); Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 91 f. 162

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platz.168 Dies setzt sich auch im bestehenden Arbeitsverhältnis fort169 und gilt um so mehr, als die Zahl der Arbeitsplatzalternativen für einen Großteil der Arbeitnehmer aufgrund privater Dispositionen auch räumlich beschränkt ist.170 Vor diesem Hintergrund wird daher zu prüfen sein, ob die Arbeitnehmerstellung der Betriebsratsmitglieder ein Durchschlagen des Verhandlungsungleichgewichts im Individualarbeitsverhältnis auf die Betriebsebene zur Folge hat und ob Abhängigkeiten im Betriebsverhältnis die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats wesentlich beeinflussen. b) Wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit Demgegenüber ist eine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit allein durch die wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit einer Vertragspartei171 nicht zu besorgen, solange ihre wirtschaftliche Existenz nicht tangiert ist. Anders mag dies bei Monopolsituationen und ähnlichen Wettbewerbsbeschränkungen sein,172 da das Funktionieren des vertraglichen Interessenausgleichs maßgeblich von funktionierenden Marktstrukturen abhängt.173 Vor dem Hintergrund der fehlenden Entscheidungsfreiheit als entscheidendes Element für eine Imparitätslage können solche Umstände aber nur relevant werden, wenn sie dauerhaft vom Gegenüber ausgehen oder jedenfalls von ihm typischerweise ausgenutzt werden. Denn anderenfalls würde der Stärkere hinsichtlich der durch die Kontrollausübung angepaßten Vertragsbedingungen einem Kontrahierungszwang unterworfen.174 Dieser kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Angewiesensein auf die Leistung des Monopolisten existentiell ist.175 Insoweit stellt sich in bezug auf die Betriebspartner die Frage, ob die fehlende Ausweichmöglichkeit des Betriebsrates hinsichtlich der Wahl seines Vertragspartners eine solche ausgleichsbedürftige Zwangssituation schafft.

168 Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 69. 169 Däubler, Diskussionsbeitrag, RdA 1994, 169 (169). 170 Dorndorf, Festschrift für Gnade, S. 39 (43 f.); Reuter, RdA 1991, 193 (195); derselbe, ZfA 1993, 221 (235); Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 93. Ähnlich Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 187. 171 So aber Damm, JZ 1978, 173 (177: Intervention zur Wiederherstellung der Vertragsfreiheit zum „Schutz sozial Schwacher“); Nicklisch, BB 1974, 941 (943 f.). In diese Richtung auch bereits Biedenkopf, Festschrift für Böhm, S. 113 (122, 123). Wie hier hingegen Canaris, Festschrift für Lerche, S. 873 (882); Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (21 f.). 172 Canaris, iustitia, S. 48; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (30). 173 Canaris, iustitia, S. 50; Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (33). 174 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (32). 175 Ähnlich Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (30).

282 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

c) Intellektuelle Unterlegenheit Nicht zu unterschätzen für die Sicherung der Freiheit des Vertragsschlusses und die Gewährleistung materieller Vertragsgerechtigkeit ist schließlich auch die Informiertheit einer Vertragspartei über die vertragsrelevanten Umstände. Denn nur eine hinreichend informierte Partei ist in der Lage, faktisch frei zu entscheiden.176 Andererseits ist zu bedenken, daß, soweit die Rechtsordnung die eigennützige Verfolgung von Interessen erlaubt, sie Informationsdefizite der Gegenseite grundsätzlich hinnimmt.177 Die Annahme einer Störung der Entscheidungsfreiheit aufgrund von Informationsdefiziten,178 gar intellektueller Unterlegenheit179 bedarf daher einer besonderen Begründung. Typischerweise findet die Rechtsordnung hinsichtlich solcher Defizite einen Ausgleich über spezielle Aufklärungs- und Informationspflichten und die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften in Fällen von arglistiger Täuschung, widerrechtlicher Drohung und qualifizierten Irrtümern im Sinne des § 119 BGB. Auch mutet unsere Rechtsordnung grundsätzlich jeder Partei zu, sich die notwendigen Informationen selbst zu verschaffen. Vor dem Hintergrund der fehlenden Entscheidungsfreiheit als entscheidendes Element für eine Imparitätslage können daher auch solche Umstände nur relevant werden, wenn sie vom Gegenüber ausgehen oder von ihm ausgenutzt werden.180 Aber selbst dann bleiben Zweifel, ob solche Umstände nicht allein einer situativen rechtlichen Betrachtung zugänglich sind181 und damit keine die imparitätsgeleitete Inhaltskontrolle rechtfertigende strukturelle Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit begründen. Insoweit ist in bezug auf die Betriebspartner zu fragen, inwieweit überhaupt ein strukturelles Informationsgefälle jenseits der Fälle von Täuschung die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates relevant beeinträchtigt. d) Verhandlungsparität im arbeitskampfrechtlichen Sinne? Vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit als maßgebliches Kriterium ist es nicht möglich, eine Verhandlungsparität im ar176

Canaris, iustitia, S. 47. Canaris, iustitia, S. 47 f. 178 In diese Richtung aber Dieterich, RdA 2002, 1 (4 m. Fn. 17); Seifert, Umfang und Grenzen der Zulässigkeit von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen, S. 103. 179 So aber Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S. 72 ff. (am Beispiel der AGB-Kontrolle); Nicklisch, BB 1974, 941 (944); Raiser, JZ 1958, 1 (7); Säcker, Gruppenautonomie, S. 88 ff.; derselbe, Anm. SAE 1970, 269 (273); derselbe, AuR 1994, 1 (10); Seifert, Umfang und Grenzen der Zulässigkeit von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen, S. 103; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 18, 49. 180 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (32). 181 So die Kritik von Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (31), an den Bürgschaftsentscheidungen des BVerfG (Beschluß vom 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 –, BVerfGE 89, 214 ff. und Beschluß vom 05.08.1994 – 1 BvR 1402/89 –, NJW 1994, 2749 f.). 177

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beitskampfrechtlichen Sinne zwischen den Betriebspartnern zu fordern, um dann festzustellen, daß wegen des Verbotes von Arbeitskampfmaßnahmen zwischen den Betriebspartnern gemäß § 74 II 1 BetrVG zwischen diesen kein Gleichgewicht bestehen könne.182 Wer derartiges fordert, verläßt letztlich den Boden der Betriebsverfassung, die allein den zivilrechtlichen Vertrag als Mittel des Interessenausgleichs nutzt. Für die materielle Richtigkeitsgewähr zivilrechtlicher Verträge kommt es aber allein auf das Bestehen von Entscheidungsfreiheit an, ein Machtgleichgewicht der Parteien ist insoweit entbehrlich.183 Im übrigen beurteilt sich die rechtlich relevante Stärke des Betriebsrates nicht nach seinen effektiven Machtmitteln, sondern nach der Ausgestaltung seiner gesetzlichen Befugnisse.184 Gewährleistet diese seine Entscheidungsfreiheit, besteht eine Richtigkeitsvermutung für die gefundenen Lösungen. Dem steht auch nicht entgegen, daß es insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben zu erheblichen Störungen der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber185 kommen kann. Die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats kann hierdurch jenseits von Täuschung oder Drohung nicht tangiert werden. Insoweit kann wiederum allenfalls186 eine Beeinträchtigung der hier irrelevanten Parität im arbeitskampfrechtlichen Sinne konstatiert werden. Im übrigen bleibt es dem Betriebsrat überlassen, gegen betriebsverfassungswidrige Beeinträchtigungen seiner Arbeit vorzugehen.187 Mit der Einigungsstelle und dem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren hat der Gesetzgeber dem Betriebsrat zwei Mittel in die Hand gegeben, seine Rechte und Interessen auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchzusetzen.188 Damit ist ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet, der die Arbeit des Betriebsrates zu sichern vermag. Eine Abkehr vom Kriterium der 182 So aber im Ergebnis BAG, Urteil vom 16.11.1967 – 5 AZR 157/67 –, AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 2; BAG, Urteil vom 17.10.1968 – 5 AZR 281/67 –, AP Nr. 66 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 1R; BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7; BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R; Däubler, AuR 1984, 1 (27); Hilger, Festschrift für Gaul, S. 327 (332); Kempen, RdA 1994, 140 (150); Richardi, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 269 (278) [anders jetzt derselbe, BetrVG10, § 77 Rz. 125]; Travlos-Tzanetatos, Die Regelungsbefugnis der Betriebspartner, S. 74 f.; Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 106 f. 183 Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (21 f. m. Fn. 81, 25 f., 30). 184 Jobs, AuR 1986, 147 (148); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 201; Kreutz, ZfA 1975, 65 (79). 185 In bezug auf vom Eigentümer geführte kleine und mittlere Betriebe eingehend Bosch, Vom Interessenkonflikt zur Kultur der Rationalität, S. 179 ff., 182. Zu autoritärhegemonial geführten Betrieben in Ostdeutschland Artus, in: Artus/Liebold/Schmidt/ Schmidt/Strohwald, Betriebliches Interessenhandeln II, S. 261 ff., 266 f., 271 f. 186 Zu Zweifeln hieran unter Hinweis auf einschlägige betriebssoziologische Studien Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 36 f. m.w. N. 187 Ähnlich Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 36. 188 Rolfs, Anm. AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 10; derselbe, RdA 2006, 349 (355).

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beeinträchtigten Entscheidungsfreiheit zugunsten der Parität im arbeitskampfrechtlichen Sinne ist daher nicht geboten. 3. Verhandlungsparität zwischen den Betriebspartnern Im folgenden ist mithin anhand der zuvor genannten Kriterien zu untersuchen, ob die Ausgestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse des Betriebsrats seine Entscheidungsfreiheit gewährleistet. Bejahendenfalls wäre von einer Richtigkeitsvermutung für die in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen auszugehen. Diese sperrte nicht nur eine imparitätsgeleitete Inhaltsoder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen, sondern bestätigte zugleich die Geeignetheit des Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung des jeweiligen Zweckes betrieblicher Mitbestimmung, im Bereich der betrieblichen Altersversorgung also zur Wahrnehmung der horizontalen Ausgleichsfunktion. Die vorangegangene Typologie von relevanten Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit strukturiert die bislang in Rechtsprechung und Literatur anhand punktueller Argumente geführte Diskussion neu. Sie soll hier – versehen mit dem Fokus auf die besondere Situation beim Abschluß nachfolgender Betriebsvereinbarungen über Entgelt – auf ihre Ergiebigkeit überprüft werden. a) Existentielle Angewiesenheit von Betriebsratsmitgliedern und Betriebsrat auf den Abschluß von Betriebsvereinbarungen? Eine existentielle Angewiesenheit von Betriebsratsmitgliedern und Betriebsrat auf den Abschluß von Betriebsvereinbarungen besteht nicht. Sie ergibt sich weder aus der existentiellen Angewiesenheit der Betriebsratsmitglieder auf den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses noch aus der Amtsbeziehung zwischen den Betriebspartnern. aa) Durchschlagen individualrechtlicher Imparität auf die Betriebsbeziehung? Die festgestellte Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers im Individualarbeitsverhältnis aufgrund seiner existentiellen Angewiesenheit auf die Vertragsbeziehung setzt sich keineswegs in der Betriebsbeziehung fort.189 Betriebsräte sind heute – anders als Sinzheimer190 es noch für die Ar189 So aber BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR BGB Ruhegehalt, Bl. 7; Däubler, AuR 1984, 1 (26 f.); tion, S. 172 f.; Richardi, Gedächtnisschrift für Dietz, selbe, BetrVG10, § 77 Rz. 125]. 190 Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie Däubler, Diskussionsbeitrag, RdA 1994, 169 (169).

44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 Gast, Arbeitsvertrag und DirekS. 269 (278) [anders jetzt derI, S. 150 (158); zustimmend

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beiterausschüsse vor 1918 annahm – keine Gremien „nur abhängiger Existenzen“, denen eine freie Willensbildung nicht möglich wäre.191 Dies wird bereits dadurch belegt, daß der Gesetzgeber den rechtlichen Schutz der Betriebsratsmitglieder im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 erheblich erweitert hat,192 ohne den bereits seinerzeit bekannten Bedenken des Bundesarbeitsgerichtes hinsichtlich der Verhandlungsstärke des Betriebsrates193 Rechnung zu tragen.194 Zudem hat der Gesetzgeber die Befugnisse des Betriebsrates gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 noch erheblich erweitert, indem er mit § 87 I Nr. 10 und 11 BetrVG auch materielle Arbeitsbedingungen der erzwingbaren Mitbestimmung unterstellt hat. Gerade dies belegt das Vertrauen des Gesetzgebers in die Institution Betriebsrat und in deren Fähigkeit, gemeinsam mit dem Arbeitgeber einen angemessenen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. Ein Durchschlagen der beeinträchtigten Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers im Individualarbeitsverhältnis auf das Betriebsverhältnis ist nicht zu besorgen, weil das Betriebsverfassungsgesetz Individualarbeitsverhältnis und Betriebsratsamt weitgehend entkoppelt. Zwar sind gemäß § 8 BetrVG nur Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes zum Betriebsrat wählbar, jedoch besteht für Betriebsratsmitglieder ein weitreichender Kündigungsschutz gemäß den §§ 103 BetrVG, 15 KSchG.195 Außerordentliche Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern sind gemäß § 103 I BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich, welche nur bei Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung durch das Arbeitsgericht gemäß § 103 II BetrVG ersetzt werden kann. Auch Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern, welche zum Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen, bedürfen gemäß § 103 III 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates, welche wiederum gemäß § 103 III 2 in Verbindung mit § 103 II BetrVG durch das Arbeitsgericht nur dann ersetzt werden kann, wenn hierzu dringende betriebliche Gründe vorliegen. Gemäß § 15 I 1 KSchG genießen Betriebsratsmitglieder zudem absoluten Schutz vor ordentlichen Kündigungen, welcher nach § 15 I 2 KSchG auch noch für ein Jahr nach Ablauf der Amtszeit fortbesteht. Ausnahmen sind lediglich in § 15 IV und V KSchG für den Fall einer Betriebs- oder Abteilungsstillegung vorgesehen, wobei im Falle einer Abteilungsstillegung eine vorrangige Übernahmeverpflichtung in fortbestehende Ab-

191

Reuter, RdA 1991, 193 (196); derselbe, RdA 1994, 152 (154). v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 164; Kreutz, ZfA 1975, 65 (78). 193 BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7. 194 Kreutz, ZfA 1975, 65 (78). 195 Hammen, RdA 1986, 23 (24); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 196 f.; Rolfs, Anm. AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 10; derselbe, RdA 2006, 349 (355); Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (604); E. Wolf/Hammen, Anm. SAE 1982, 301 (303). 192

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teilungen besteht. Ein derart umfassender Schutz gewährleistet, daß die Entscheidungsfreiheit der Betriebsratsmitglieder nicht durch Sorgen um den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes aufgrund der Betriebsratstätigkeit eingeschränkt wird. Diese Entkopplung von Individualarbeitsverhältnis und Betriebsratsamt setzt sich fort in § 78 S. 2 BetrVG, wonach eine Benachteiligung wie auch eine Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern wegen ihrer Tätigkeit verboten ist. Demgegenüber greifen Bedenken, Arbeitgeber könnten im Einzelfall Betriebsratsmitglieder schikanieren und nach Ausscheiden aus dem Amt benachteiligen,196 nicht durch. Zum einen rechtfertigen Einzelfälle nicht die Annahme eines strukturellen Ungleichgewichts, welches die Gerichte zur Inhaltskontrolle von Rechtsgeschäften berechtigen würde.197 Zum anderen ist die Wirkung des § 78 S. 2 BetrVG nicht auf die Dauer der Amtszeit eines Betriebsratsmitgliedes beschränkt. Bereits nach ihrem Wortlaut erfaßt die Vorschrift auch Benachteiligungen, die nach Ende der Amtszeit im Hinblick auf die darin entfaltete Tätigkeit erfolgen. Ein Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG führt über § 134 BGB zur Nichtigkeit entsprechender Rechtsgeschäfte sowie über § 823 II BGB zu Schadensersatzansprüchen bei Schuldhaftigkeit des Verstoßes,198 da § 78 S. 2 BetrVG Schutzgesetz im Sinne dieser Norm ist.199 bb) Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit in der Betriebsbeziehung? Auch eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates aufgrund der Ausgestaltung der Betriebsbeziehung ist nicht zu besorgen. Der Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung ist nicht vom Arbeitgeber existentiell abhängig. Dies gilt bereits für seine rechtliche Existenz. Gemäß § 23 I 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluß eines Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat oder gar eine Auflösung des Betriebsrates nur bei grober Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten verlangen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erkennt hierbei zu Recht nur objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzungen als hinreichend an.200 Insbesondere das Vertreten einer unrichtigen, aber nicht

196 So aber Däubler, AuR 1984, 1 (26); ähnlich derselbe, Diskussionsbeitrag, RdA 1994, 169 (169). 197 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 218 f.; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 202 f.; Reuter, ZfA 1993, 221 (237). 198 ErfK7 /Kania, § 78 BetrVG Rz. 8. 199 Ebenso zur Parallelvorschrift des § 107 BPersVG BAG, Urteil vom 09.06.1982 – 4 AZR 766/79 –, AP Nr. 1 zu § 107 BPersVG, Bl. 1R. 200 BAG, Beschluß vom 02.11.1955 – 1 ABR 30/54 –, AP Nr. 1 zu § 23 BetrVG, Bl. 2R/3; BAG, Beschluß vom 21.02.1978 – 1 ABR 54/76 –, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972, Bl. 8.

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vollkommen abwegigen Rechtsauffassung sowie das Abstimmungsverhalten eines Betriebsratsmitglieds im Betriebsrat zählen hierzu nicht.201 Die Handlungsfähigkeit des Betriebsrates wird durch das Behinderungsverbot gemäß § 78 S. 1 BetrVG sowie durch die Kosten- und Sachmitteltragungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 40 BetrVG abgesichert. Da § 40 BetrVG dem Betriebsrat einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch verschafft, besteht insoweit keine die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigende finanzielle Abhängigkeit.202 Dies muß um so mehr gelten, als eine Durchsetzung des Anspruches aus § 40 BetrVG im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 85 II ArbGG, 940 ZPO in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber die Betriebsratsarbeit wesentlich erschwert, indem er die Kostenerstattung verweigert oder erforderliche Sachmittel nicht zur Verfügung stellt.203 Soweit das Handeln beider Betriebspartner gemäß § 2 I BetrVG an das Wohl von Arbeitnehmern und Betrieb gebunden ist, beeinträchtigt dies die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates nicht.204 Insbesondere führt § 2 I BetrVG nicht zu einer Aufhebung des Interessengegensatzes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als Repräsentanten der Arbeitnehmer zugunsten einer gemeinsamen Zweckverfolgung. Wie bereits oben in § 2 ausführlich dargestellt,205 belegt § 2 I BetrVG den Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Das Betriebsverfassungsgesetz setzt insoweit eine bipolare Struktur voraus.206 § 2 I BetrVG bezeichnet lediglich die Grenzen bei der Interessenwahrnehmung durch die Betriebspartner.207 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung gemäß § 74 I 2 BetrVG, mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln. Denn hieraus folgt keine existentielle Angewiesenheit des Betriebsrates auf eine Einigung. Es besteht kein Einigungszwang.208 Insbesondere Betriebsvereinbarungen im Bereich des § 88 BetrVG sind für beide Seiten freiwillig. Die Verhinderung unangemessener Arbeitsbedingungen in freiwilligen Betriebsvereinbarungen ist zudem wesentlich leichter als etwa in Tarifverträgen. 201 BAG, Beschluß vom 19.04.1989 – 7 ABR 6/88 –, AP Nr. 29 zu § 40 BetrVG 1972, Bl. 4/4R. 202 Dies gegen Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 105. Wie hier Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 73. 203 ErfK7 /Eisemann, § 40 BetrVG Rz. 19; Fitting, BetrVG23, § 40 Rz. 148 m.w. N. 204 So aber bereits zu § 49 I BetrVG 1952 BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7. Auf gleicher Linie zum BetrVG 1972 Däubler, NZA 1988, 857 (861); Veit, Die funktionelle Zuständigkeit, S. 104. 205 Vgl. § 2 A. I. 4., S. 46 ff. 206 Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 14; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 25 f.; MüllerFranken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 100; GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 83. 207 GK-BetrVG4 /Thiele, Einleitung Rz. 83; Zöllner, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 745 (S. 757); ähnlich Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 22. 208 ErfK7 /Kania, § 74 BetrVG Rz. 8; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 74 Rz. 25.

288 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Im erstgenannten Fall reicht das unüberwindbare Nein des Betriebsrates,209 letztgenannter Fall setzt das keineswegs gesicherte erfolgreiche Durchstehen eines Arbeitskampfes voraus.210 Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung, insbesondere in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 I BetrVG, ist der Kompromiß durch die Möglichkeit der Anrufung der Einigungsstelle sogar institutionalisiert,211 so daß eine Angewiesenheit des Betriebsrats auf eine Einigung mit dem Arbeitgeber ebenfalls nicht besteht. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber immer an die – für ihn regelmäßig mit erheblichen Kosten verbundene – Einigungsstelle und auf eine eventuelle Überprüfung des Einigungsstellenspruches durch die Arbeitsgerichte verweisen. Denn anders als auf der individualvertraglichen Ebene kann der Arbeitgeber hier nicht auf andere Vertragspartner ausweichen. Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung hat der Betriebsrat daher die Möglichkeit, Arbeitnehmerinteressen auch in Bereichen durchzusetzen, in welchen der einzelne wegen seiner schwächeren Marktposition dazu nicht in der Lage wäre.212 Für die hier interessierenden teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung folgt aus diesen Prämissen: Werden Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung erstmalig mittels einer Betriebsvereinbarung zugesagt, so ist der Dotierungsrahmen und damit die Frage, ob überhaupt eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wird, durch den Betriebsrat nicht erzwingbar. Gleiches gilt für die Festlegung des mit der betrieblichen Altersversorgung abstrakt verfolgten Zweckes und damit der zugrundezulegenden Arbeitnehmerleistung. Häufig werden daher diese Faktoren zumindest faktisch vom Arbeitgeber einseitig bestimmt sein, selbst wenn der Betriebsrat sie mit Abschluß einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung formal betrachtet vertraglich konsentiert hat. Auch mögen Arbeitgeber mitunter versucht sein, in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung von der Berücksichtigung ihrer Vorstellungen über die mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien abhängig zu machen. Eine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates folgt aus alledem jedoch nicht. Denn der Betriebsrat hat trotz seiner Verpflichtung gemäß § 74 I 2 BetrVG, mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln, die Möglichkeit, den Abschluß einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung zu verweigern. Er kann den Arbeitgeber darauf verwei209 Reuter, RdA 1991, 193 (196 f.); derselbe, ZfA 1993, 221 (237). Zur Bedeutung der Möglichkeit zum Vertragsverzicht für die Entscheidungsfreiheit vgl. bereits oben § 7 C. II. 1., S. 277 mit Fn. 152, sowie Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (31 f.). Auf die Bedeutung der Einigung der Betriebspartner im Bereich des § 88 BetrVG verweist auch Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 74 f. 210 Reuter, ZfA 1993, 221 (237). 211 Reuter, ZfA 1993, 221 (237). 212 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 43.

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sen, Dotierungsrahmen und Zweck einer einzuführenden betrieblichen Altersversorgung mitbestimmungsfrei vorzugeben und seinen der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterfallenden Verteilungsvorschlag im Einigungsstellenverfahren durchzusetzen. Einen eventuell ergehenden Einigungsstellenspruch kann der Betriebsrat dann im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren überprüfen lassen. Da es sich bei Leistungen betrieblicher Altersversorgung um ursprünglich freiwillige, neben die laufende Vergütung der Arbeitnehmer tretende Entgeltbestandteile handelt, ist eine existentielle Betroffenheit der Betriebsratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, welche trotz der weitgehenden Entkopplung von Individualarbeitsverhältnis und Betriebsratsamt auf die Betriebsbeziehung durchschlagen könnte, nicht zu besorgen, denn vor Erteilung einer Versorgungszusage haben sie keinen Anspruch auf eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung. Bei Abschluß nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung geht es inhaltlich meist um die Kürzung des Dotierungsrahmens und eine dadurch bedingte, notwendige Anpassung der Verteilungskriterien, mitunter auch lediglich um eine Veränderung der Verteilungskriterien. Werden allein die der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterliegenden Verteilungskriterien geändert, sichern das Einigungsstellenverfahren und die gerichtliche Überprüfbarkeit des Einigungsstellenspruchs die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats. Aber auch bei einer Kürzung des Dotierungsrahmens bleibt die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates gewahrt. Hat der Arbeitgeber in einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung erst einmal einen bestimmten Dotierungsrahmen zugesagt, gilt im Verhältnis zum Betriebsrat zunächst der Grundsatz pacta sunt servanda. Allerdings kann der Arbeitgeber auch eine Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung gemäß § 77 V BetrVG kündigen. Dies führt jedoch nicht dazu, daß der Betriebsrat in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt würde, etwa weil die Betriebsratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer um den Bestand ihrer erdienten Versorgungsanwartschaften fürchten müßten, so daß sie darauf angewiesen wären, jedes Angebot des Arbeitgebers anzunehmen, welches auf niedrigerem Niveau das Versorgungswerk fortführt. Eine Kündigung der Betriebsvereinbarung führt, wie oben in § 4 eingehend gezeigt wurde,213 entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nämlich nicht dazu, daß diese als Anspruchsgrundlage für in der Vergangenheit bereits erdiente Rechtspositionen verlorengeht. Die Kündigung vermag lediglich die durch die Betriebsvereinbarung begründete Dauerrechtsbeziehung für die Zukunft zu beseitigen. Wenn der Arbeitnehmer bei einer Versorgungszusage be213

Siehe § 4 C. III. 2., S. 206 ff.

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reits alle Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die vorausgesetzte Arbeits- oder Betriebstreueleistung erbracht hat, und es nur noch am Eintritt des Versorgungsfalles fehlt, kann er daher noch den Versorgungsanspruch erlangen. Durch eine Kündigung der Betriebsvereinbarung verloren geht damit lediglich die Möglichkeit, weitere Versorgungsanwartschaften zu erdienen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kommt im übrigen zu ähnlichen Ergebnissen, indem sie einen Vorleistungsschutz aufgrund der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes annimmt.214 Daher besteht auch vor dem Hintergrund der Kündigungsmöglichkeit gemäß § 77 V BetrVG keine existentielle Angewiesenheit der Betriebsratsmitglieder auf den Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung zum Erhalt im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses bereits erdienter Versorgungsanwartschaften. Erst recht besteht in den Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung keine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats. Soweit für den Dotierungsrahmen die Geschäftsgrundlage ganz oder teilweise weggefallen ist, besteht gemäß § 313 I BGB ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitgebers auf entsprechende Anpassung der Versorgungszusage,215 die den Arbeitnehmern einen aufschiebend bedingten Rechtsanspruch216 auf die ursprünglich zugesagten Versorgungsleistungen verschafft. Das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung der Betriebsvereinbarung ist gegenüber dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen – wie sie bei einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung in Rede stehen – zwar grundsätzlich spezieller.217 Es ist hier aber insoweit nicht vorrangig, als eine Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht in der Lage ist, die im Rahmen der Prüfung von Art. 14 I GG interessierenden, bereits entstandenen Versorgungsansprüche und erdienten Anwartschaften218 zu beseitigen219 und insoweit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage Rechnung zu tragen. Ist der Dotierungs214 Vgl. BAG, Beschluß vom 10.03.1992 – 3 ABR 54/91 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6. 215 Zur Konzeption des § 313 I BGB vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucksache 14/6040, S. 176; Palandt66 /Grüneberg, § 313 BGB Rz. 41 m.w. N. 216 Freiwilligkeitsvorbehalte kommen bei Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung aus steuerlichen Gründen praktisch nicht vor. Vgl. dazu oben § 1 B., S. 25. 217 Zur Spezialität der außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen Haarmann, Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen, S. 130. 218 Zum Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG vgl. oben § 7 A. I.–III., S. 249 ff.

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rahmen in der Betriebsvereinbarung geregelt, ist diese diesbezüglich anzupassen. Wie im Regelfall auch schon vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 besteht bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage die Betriebsvereinbarung zunächst mit „anzupassendem Inhalt“220 fort. Die Anpassung der geschäftsgrundlagengestörten Betriebsvereinbarung erfolgt erst durch entsprechende Einigung der Betriebspartner.221 Der Arbeitgeber hat gegen den Betriebsrat neben dem Anspruch auf Anpassung der Betriebsvereinbarung aus § 313 I BGB auch Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen über die Anpassung.222 Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung223 – insbesondere hinsichtlich der Verteilungskriterien – kann zudem auch die Einigungsstelle mit dem Ziel der Anpassung angerufen werden,224 deren Entscheidung aber nicht rechtsfeststellenden, sondern rechtsgestaltenden Charakter hat.225 Zur Anpassung eines in der geschäftsgrundlagengestörten Betriebsvereinbarung geregelten, nichtmitbestimmungspflichtigen Dotierungsrahmens an die geänderte Geschäftsgrundlage bleibt dem Arbeitgeber bei Scheitern der Verhandlungen mit dem Betriebsrat die Möglichkeit, den Anpassungsanspruch aus § 313 I BGB mittels arbeitsgerichtlicher Entscheidung herbeizuführen. Auch diese Entscheidung hat nicht feststellenden, sondern rechtsgestaltenden Charakter.226 Die Arbeitnehmer haben dann entsprechende Einschränkungen hinzunehmen. Eine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats kann daher nicht bestehen, wenn er eine entsprechende verschlechternde Betriebsvereinbarung abschließt. Beide Betriebspartner, und damit auch der Betriebsrat, haben

219 Zur Ex-nunc-Wirkung der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung und den Folgen für erdiente Versorgungsanwartschaften vgl. bereits oben § 4 C. III. 2., S. 206 ff. 220 So zur seinerzeitigen Rechtslage BAG, Beschluß vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/ 93 –, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6R für einen Sozialplan. 221 So bereits BAG, Beschluß vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 –, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6R für einen Sozialplan. 222 So vor Einführung des § 313 BGB n. F. bereits BAG, Beschluß vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 –, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6R für einen Sozialplan. 223 Für eine bindende Entscheidung der Einigungsstelle über die Anpassung freiwilliger Betriebsvereinbarungen auch bei einseitiger Anrufung Beathalter, Einseitige Gestaltungsmöglichkeiten, S. 232 ff., 234; Reichert, Die Störung der Geschäftsgrundlage von Betriebsvereinbarungen, S. 118 ff., 121, 188. Gegen eine solche Ausweitung der Kompetenz der Einigungsstelle spricht jedoch die klare Wertung des § 76 VI 2 BetrVG, wonach der Spruch der Einigungsstelle in derartigen Fällen die Einigung der Betriebspartner nur ersetzen kann, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben. 224 Zu letzterem BAG, Beschluß vom 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 –, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6R (für Sozialplan); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 384; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 243. 225 Reichert, Die Störung der Geschäftsgrundlage von Betriebsvereinbarungen, S. 71. 226 MK-BGB5 /Roth, § 313 BGB Rz. 85. Vgl. auch die Nachweise bei Reichert, Die Störung der Geschäftsgrundlage von Betriebsvereinbarungen, S. 71 in Fn. 277.

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zudem die Möglichkeit, das Vorliegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Beschlußverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen.227 Diese Überprüfungsmöglichkeit besteht im Vorfeld der Mitbestimmung über die Verteilungskriterien gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG im übrigen auch, wenn die Geschäftsgrundlage eines vom Arbeitgeber außerhalb der Betriebsvereinbarung mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens wegfällt oder der Arbeitgeber diesen in Ausübung eines Widerrufsvorbehaltes kürzt, wobei die üblichen steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte ohnehin im wesentlichen nur die Fälle der Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfassen.228 Da die Arbeitnehmer dies hinzunehmen haben und der Betriebsrat den Arbeitgeber nach dem oben Gesagten hinsichtlich einer eventuell notwendigen Anpassung der Verteilungskriterien auf das Einigungsstellenverfahren verweisen kann, fehlt es auch insoweit an einer relevanten Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats. Im Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates aufgrund existentieller Angewiesenheit auf den Fortbestand der Individualarbeitsverhältnisse, der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung im Betrieb oder auch einer abzuändernden Betriebsvereinbarung nicht besteht. b) Wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit durch Verdichtung zur Monopolsituation? Auch die fehlende Ausweichmöglichkeit des Betriebsrates hinsichtlich der Wahl seines Vertragspartners schafft keine die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates beeinträchtigende Zwangssituation. Denn die bestehende Monopolsituation geht nicht vom Arbeitgeber aus, sondern wird vom Betriebsverfassungsgesetz selbst geschaffen. Ein Versuch, von der fehlenden Möglichkeit des Betriebsrats, auf andere Vertragspartner auszuweichen, auf dessen mangelnde Entscheidungsfreiheit zu schließen, würde daher letztlich die betriebliche Mitbestimmung in Frage stellen. Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung liegt, wie soeben gezeigt wurde, die besondere Sicherung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates aber gerade darin, daß der Arbeitgeber genauso wie der Betriebsrat in eine Monopolsituation gezwungen wird und vor der Wahl steht, entweder mit dem Betriebsrat zu kontrahieren oder aber die Einigungsstelle anzurufen. Ein einseitiges Ausnutzen der Monopolsituation ist daher von vornherein ausgeschlossen. Im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung, insbesondere beim Dotierungsrahmen der ursprünglich freiwilligen Arbeitgeberleistungen, bleibt es 227 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 14R für individualrechtlich begründete Ansprüche. 228 Dazu bereits oben § 1 B., S. 23.

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bei der Möglichkeit des Betriebsrats zum Vertragsverzicht als entscheidendem Moment für die Sicherung seiner Entscheidungsfreiheit. Der Betriebsrat kann den Arbeitgeber darauf verweisen, Dotierungsrahmen und Zweck einer einzuführenden freiwilligen Leistung mitbestimmungsfrei vorzugeben und seinen der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterfallenden Verteilungsvorschlag im Einigungsstellenverfahren durchzusetzen. Bei einem in einer Betriebsvereinbarung zugesagten Dotierungsrahmen kann der Betriebsrat den Arbeitgeber auf die ex nunc wirkende Kündigung der Betriebsvereinbarung verweisen. In den Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage haben die Arbeitnehmer ohnehin Einschränkungen hinzunehmen. Im Hinblick auf eine eventuell notwendige Anpassung der Verteilungskriterien, die der Arbeitgeber im Einigungsstellenverfahren durchsetzen kann, kann der Betriebsrat die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gerichtlich überprüfen lassen, selbst wenn der Dotierungsrahmen mitbestimmungsfrei vorgegeben ist. Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber einen mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmen unabhängig vom Wegfall der Geschäftsgrundlage zu kürzen sucht, etwa in Ausübung eines Widerrufsvorbehalts. Da nach dem oben Gesagten eine existentielle Angewiesenheit auf die Einigung mit dem Arbeitgeber in all diesen Fällen nicht besteht, ist auch insoweit eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats nicht zu besorgen. Die Entscheidungsfreiheit des Betriebsrats ist durch die betriebsverfassungsrechtliche Monopolsituation nicht tangiert. c) Intellektuelle Unterlegenheit? Es besteht schließlich auch kein strukturelles Informationsdefizit des Betriebsrates, welches seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen würde. Insoweit ist zu konzedieren, daß es selbstverständlich ein Informationsgefälle zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinsichtlich aller Fragen gibt, welche die Leitung des Betriebs betreffen.229 Jedoch wirken die umfassenden Informationsrechte und die Möglichkeit zur Hinzuziehung von Sachverständigen, welche das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber einräumt, einer relevanten Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit entgegen. § 80 II 1 und 2 BetrVG statuieren eine allgemeine, im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren durchsetzbare Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Betriebsrat die zur Erledigung seiner Aufgaben benötigten Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Da die Informationspflicht des Arbeitgebers den Betriebsrat in die Lage versetzen soll, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob er tätig werden kann und soll, besteht sie nicht erst dann, wenn bereits feststeht, daß Auf-

229 Seifert, Umfang und Grenzen der Zulässigkeit von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen, S. 103.

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gaben des Betriebsrates vorliegen.230 Es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß die gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats tangiert sind.231 Ergänzt werden diese allgemeinen Rechte durch zahlreiche spezielle Informationsrechte des Betriebsrates.232 Darüber hinaus kann dieser gemäß § 106 I 2 BetrVG selbst auf die einem bestehenden Wirtschaftsausschuß gemäß § 106 II BetrVG überlassenen Informationen über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zurückgreifen. Reicht die Sachkompetenz des Betriebsrates zur Erledigung der anstehenden Aufgaben nicht aus, kann er auf Kosten des Arbeitgebers gemäß den §§ 80 III, 111 I 2 BetrVG auch externe Sachverständige hinziehen. Angesichts dieser umfassenden Informationsrechte des Betriebsrats, bleibt es letztlich – wie jedem anderen Teilnehmer des Rechtsverkehrs auch – ihm selbst überlassen, zu entscheiden, ob er aufgrund der ihm vorliegenden Informationen bereits eine Entscheidung treffen kann oder nicht. Von einer strukturellen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit kann insoweit nicht die Rede sein. Dementsprechend lassen sich entsprechende Einwände hinsichtlich eines strukturellen intellektuellen Ungleichgewichts von Arbeitgeber und Betriebsrat233 auch nicht auf die hier allein relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit zurückführen, sondern lediglich auf unzulässige Paritätserwägungen arbeitskampfrechtlicher oder anderweitiger, ungeklärter234 Provenienz. Im Ergebnis fehlt es daher auch im Hinblick auf das intellektuelle Gleichgewicht an einer relevanten Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber. d) Fazit Die vorangegangene Prüfung hat ergeben, daß eine relevante Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber weder aufgrund einer Angewiesenheit auf den Abschluß von Betriebsvereinba230 BAG, Beschluß vom 26.01.1988 – 1 ABR 34/86 –, AP Nr. 31 zu § 80 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 15.12.1998 – 1 ABR 9/98 –, AP Nr. 56 zu § 80 BetrVG 1972, Bl. 4; BAG, Beschluß vom 09.07.1991 – 1 ABR 45/90 –, AP Nr. 94 zu § 99 BetrVG 1972, Bl. 6R. 231 Vgl. in bezug auf die erzwingbare Mitbestimmung BAG, Beschluß vom 15.12. 1998 – 1 ABR 9/98 –, AP Nr. 56 zu § 80 BetrVG 1972, Bl. 4. 232 Etwa in den §§ 89 II, V, VI, 90 I, 92 I 1, III, 99 I, 100 II 1, 102 I 2, 111 I 1 BetrVG. 233 Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 75–78; Säcker, Anm. SAE 1970, 269 (273); derselbe, AuR 1994, 1 (10); Seifert, Umfang und Grenzen der Zulässigkeit von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen, S. 103. 234 Unklar insoweit Seifert, Umfang und Grenzen der Zulässigkeit von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen, S. 103, und auch Kühn, Nachteiligkeit als Schranke, S. 78, der allein auf die fehlende Sachkompetenz des Betriebsrats in wirtschaftlichen Fragen abstellt, andererseits aber keine Parität im arbeitskampfrechtlichen Sinne fordert, wie seine Ausführungen zum Arbeitskampfverbot belegen (S. 74 f.).

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rungen noch aufgrund eines wirtschaftlichen, sozialen oder intellektuellen Ungleichgewichts besteht. Damit besteht eine materielle Richtigkeitsgewähr für die von den Betriebspartnern gefundenen Lösungen. Bestätigt wird diese Sichtweise im übrigen durch § 76 V 4 BetrVG, wonach die gerichtliche Kontrolle eines Einigungsstellenspruches auf Ermessensfehler nur auf Antrag eines Betriebspartners erfolgt. Die Betriebspartner sollen grundsätzlich selbst entscheiden, ob die von ihnen getroffene Regelung billigem Ermessen entspricht235 und einen angemessenen Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgeber darstellt.236 Das Vertrauen des Gesetzgebers in die hinreichende Interessenwahrnehmung durch den Betriebsrat wird schließlich belegt durch die auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkte Überprüfbarkeit von in Betriebsvereinbarungen enthaltenen Auswahlrichtlinien im Sinne des § 95 BetrVG gemäß § 1 IV KSchG sowie die Regelung des § 1 V KSchG.237 Gemäß § 1 V 1 KSchG wird bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vermutet, daß sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet ist. Gemäß § 1 V 2 KSchG ist die Sozialauswahl der betroffenen Arbeitnehmer zudem nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Regelungen der Betriebspartner in personellen Angelegenheiten, der daran anknüpfenden Darlegungs- und Beweislastverschiebung bei betriebsbedingten Kündigungen und der mit alledem verbundenen Auswirkungen für den Fortbestand von Individualarbeitsverhältnissen würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wollte man bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten Betriebsvereinbarungen einer imparitätsgeleiteten Inhaltskontrolle unterziehen. Besteht eine materielle Richtigkeitsgewähr für die von den Betriebspartnern gefundenen Lösungen, ist einer imparitätsgeleiteten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen damit die Grundlage entzogen. Die Geeignetheit der Betriebsvereinbarung zur Erreichung des jeweiligen Mitbestimmungszwecks ist bei der Betriebsvereinbarung aber gewährleistet, wenn die materielle Richtigkeit der in ihr gefundenen Regelungen hinreichend wahrscheinlich ist. Insoweit ist daher auch von der Geeignetheit der Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung der Schutzund der bei Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich allein relevanten Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung auszugehen. Hieraus wiederum folgt, daß der immanente Vorbehalt der abändernden Betriebsvereinbarung zur

MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 87. Ebenso Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 79. 237 Zu § 1 IV, V KSchG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung bereits Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 201. Zu § 1 IV KSchG auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 79. 235 236

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Wahrnehmung des Mitbestimmungszweckes im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG geeignet ist.

D. Erforderlichkeit des Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung Weiterhin müßte die nachfolgende Betriebsvereinbarung und damit auch der bestehenden Betriebsvereinbarungen immanente Vorbehalt der abändernden Betriebsvereinbarung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 I 2 GG zur Wahrnehmung der bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich allein relevanten Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung erforderlich sein. Wegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist insoweit nur zu prüfen, ob sich zur Durchsetzung der gesetzgeberischen Ziele mildere Mittel geradezu aufdrängen.238 Wie bereits oben erörtert,239 ist der immanente Vorbehalt einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung von der Schutzfunktion der Mitbestimmung nicht gedeckt, da Zweck der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG allein der Ausgleich divergierender Arbeitnehmerinteressen im multilateralen Regelungsbereich im Sinne der horizontalen Ausgleichsfunktion und nicht die Begrenzung arbeitgeberseitiger Alleinentscheidungsmacht im Sinne der vertikalen Schutzfunktion ist. Dies gilt auch dann, wenn eine gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird, selbst wenn für letztere aus tatsächlichen Gründen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht.240 Es verbleibt mithin allein die horizontale Ausgleichsfunktion als mögliche Rechtfertigung eines immanenten Vorbehaltes der Abänderung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung. Da die Ausgleichsfunktion jedenfalls bei § 87 I Nr. 10 BetrVG allein auf der Ebene der betrieblichen Verteilungsgerechtigkeit anzusiedeln und zugleich die Eingriffsgrenze der vertraglichen Austauschbeziehung zu beachten ist,241 könnte dies zu dem Schluß verleiten, daß dort, wo vom Arbeitnehmer bereits eine Leistung im Hinblick auf eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung erbracht worden ist, die alleinige Herrschaft der Arbeitsvertragsparteien über den Kernbereich 238 Zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab BVerfG, Beschluß vom 16.03.1971 – 1 BvR 52 u. a./66 –, BVerfGE 30, 292 (319) – Erdölbevorratung –: Die sachliche Gleichwertigkeit des erwogenen milderen Mittels müsse in jeder Hinsicht feststehen. Zum Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers auch BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. –, BVerfGE 85, 191 (213). 239 Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff. 240 Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. 241 Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 264 bei Fn. 86.

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der vertraglichen Austauschbeziehung einsetzt und ein weiterer Ausgleich divergierender Arbeitnehmerinteressen, wie ihn ein Abänderungsvorbehalt durch nachfolgende Betriebsvereinbarung impliziert, offensichtlich nicht erforderlich ist. Diesen Weg geht namentlich Reichold, indem er die Zuständigkeit der Betriebsparteien auf eine von der vertraglichen Austauschbeziehung im engeren Sinne zu scheidende Betriebsbeziehung beschränkt.242 Richtig an dieser Sichtweise ist, daß die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers notwendig in den Kernbereich der vertraglichen Austauschbeziehung fällt, und zwar unabhängig davon, ob man den der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien vorbehaltenen Grundlohn betrachtet oder ein zusätzliches, über § 87 I Nr. 10 BetrVG zu verteilendes Entgelt, wie eine betriebliche Altersversorgung, wenn diese im konkreten Fall die Arbeitsleistung entlohnt. Die erbrachte Arbeitsleistung ist insoweit nicht mehr separierbar, der Bezug zum Kernbereich des Synallagmas im Erfüllungsverhältnis ist hergestellt. Gegen einen absoluten Entzug der durch Arbeitsleistung bereits erdienten Rechtspositionen der Arbeitnehmer aus dem Regelungsbereich der Betriebspartner spricht aber, daß der Schutz des Kernbereiches der arbeitsvertraglichen Austauschbeziehung lediglich den Zweck verfolgt, die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien zu schützen und damit allein im Grund-, nicht aber im für die Arbeitsleistung relevanten Erfüllungsverhältnis243 wirkt. Es geht um die insoweit nicht tangierte Freiheit der Arbeitsvertragsparteien, das persönliche Leistungsversprechen des Arbeitnehmers und die korrespondierende Gegenleistung des Arbeitgebers, den Kernbereich des Synallagmas individuell auszuhandeln.244 Zusätzliche Entgelte wie eine betriebliche Altersversorgung fallen nach dem oben Gesagten245 auf der Ebene des Grundverhältnisses ohnehin nicht in den Kernbereich des Synallagmas. Daran ändert auch die tatsächlich erfolgte Leistungserbringung nichts. Aus einer fehlenden Separierbarkeit der entlohnten Arbeitsleistung im Erfüllungsverhältnis folgt im Hinblick auf die Grenzen der Regelungsmacht der Betriebspartner nicht gleich eine Notwendigkeit der rechtlichen Gleichbehandlung mit dem Grundlohn im Grundverhältnis. Insoweit besteht ein entscheidender Unterschied zu dem Vorleistungsschutz durch das Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgeltes gemäß den §§ 612 I, 628 I BGB, angesichts dessen der Grundlohn und die betriebliche Altersversorgung 242 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 521, 523, 547; derselbe, RdA 1995, 147 (152, 156); derselbe, Anm. EWiR § 1 BetrAVG 3/2000, 265 (266). 243 Zur Unterscheidung von Grund- und Erfüllungsverhältnis bereits oben § 3 B. III. 2. b), S. 107 bei Fn. 561. 244 Zum Kernbereichsschutz vgl. bereits die Nachweise auf S. 264 in Fn. 86. Aufgrund seiner bereits oben in § 2 A. I. 4., S. 46 ff., widerlegten verbandsrechtlichen Prämissen anderer Ansicht Reuter, RdA 1991, 193 (197, 198 f.); derselbe, ZfA 1993, 221 (238 ff.); derselbe, RdA 1994, 152 (159). 245 Vgl. oben § 7 C. I. 4. a), S. 264 nach Fn. 86.

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gleich zu behandeln sind.246 Denn das Gebot zur rechtlichen Gleichbehandlung folgt dort daraus, daß der Gesetzgeber in den §§ 612 I, 628 I BGB nicht zwischen Grundlohn und zusätzlichen Entgelten unterschieden hat und die Wertung des § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz für die betriebliche Altersversorgung keine Geltung beansprucht, nach welcher neben der laufenden Vergütung ausgezahltes betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt zulässig ist. An einer zwingenden gesetzlichen Wertung, welche die Gleichbehandlung von Grundlohn und betrieblicher Altersversorgung erforderte, fehlt es indes im Hinblick auf die Grenzen der Regelungsmacht der Betriebspartner. Entsprechendes gilt, wenn die Betriebstreue des Arbeitnehmers entgolten wird. Diese stellt auf den Bestand des zur Arbeitsleistung verpflichtenden Grundverhältnisses, umschrieben als Betriebszugehörigkeit, ab und begründet so ein eigenständiges Erfüllungsverhältnis,247 welches jedenfalls rechtlich von der Arbeitsleistung separierbar ist, wenngleich ein anzuerkennender enger motivischer Zusammenhang zur Arbeitsleistung besteht.248 Hinsichtlich der ausschließlichen Entlohnung der – vom Arbeitnehmer im übrigen nicht geschuldeten – Betriebstreue führt auch deren tatsächliche Erbringung nicht zu einer Berührung mit dem arbeitsvertraglichen Synallagma, so daß insoweit sich schon von vornherein keine Begrenzung der Regelungsmacht der Betriebspartner ableiten läßt. Entscheidend aber ist – und dies gilt für die Regelung der Entlohnung von Arbeitsleistung wie auch von Betriebstreue –, daß der Gesetzgeber – in den durch die §§ 87 I Eingangssatz, 77 III BetrVG und den Kernbereich des arbeitsvertraglichen Synallagmas gezogenen Grenzen – mit der Möglichkeit teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich gemäß den §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG den Betriebspartnern, wenn auch nicht ihnen ausschließlich, so doch im übrigen vollumfänglich diesen Regelungsbereich in die Hand gegeben hat. Der Gesetzgeber trägt damit der aufgrund ständig sich ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Betriebe notwendigen Flexibilisierung materieller Arbeitsbedingungen Rechnung. Dementsprechend beschränkt sich die Ausgleichsfunktion der erzwingbaren Mitbestimmung im Entgeltbereich gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG auch nicht auf die einmalige Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen. Aus der erzwingbaren – aber auch der nichterzwingbaren – Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten folgt vielmehr ein permanenter Anspruch der Betriebspartner, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können.249, 250 Weder Arbeitgeber noch 246

Vgl. oben § 3 B. III. 4. b) cc) (3) (b), S. 135 ff. Dazu bereits oben § 3 B. III 2. d), S. 110 f. 248 Dazu bereits § 3 B. III. 2. b), S. 106 f. 249 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231). 250 Der Betriebsrat kann allerdings keinen höheren Dotierungsrahmen für freiwillige Sozialleistungen durchsetzen. 247

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Arbeitnehmer können damit rechnen, daß eine Regelung von Dauer ist. Zum Ausdruck kommt dies auch in der freien Kündbarkeit von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 V BetrVG251 und in der Möglichkeit, getroffene Regelungen einvernehmlich wiederaufzuheben. Dies trifft nachgerade für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu. Wie auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes schon früh anerkannt hat, können gerade im Bereich der betrieblichen Altersversorgung veränderte Rahmenbedingungen ein Handeln der Betriebspartner erforderlich machen. Eine „Versteinerung“ betrieblicher Versorgungsordnungen ginge insoweit an den unabweisbaren Erfordernissen der Praxis vorbei.252 Vor diesem Hintergrund ginge eine Beschränkung der Regelungsmacht der Betriebspartner auf eine von der Leistungsebene zu scheidende Betriebsebene an dem der gesetzlichen Regelung immanenten ständigen Regelungsanspruch der Betriebspartner vorbei. Um dem Rechnung zu tragen, ist kein offensichtlich milderes Mittel gegenüber der immanent vorbehaltenen nachfolgenden Betriebsvereinbarung ersichtlich. Sie ist daher auch im Hinblick auf die Beschränkung von Rechtspositionen erforderlich, welche den Arbeitnehmern aufgrund einer Betriebsvereinbarung durch Vorleistung erwachsen.

E. Angemessenheit des Vorbehaltes der nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Verfolgung der Zwecke betrieblicher Mitbestimmung und rechtsstaatlicher Vertrauensschutzgrundsatz Nicht zu verkennen ist jedoch, daß der Anspruch der Betriebspartner auf ständige, auch abändernde Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Ausgleichsfunktion blind ist für den Schutz aufgrund älterer Regelungen erbrachter Vorleistungen der Arbeitnehmer vor einer Minderung der Gegenleistung. Damit ist die Frage der Angemessenheit des Mittels der immanent vorbehaltenen nachfolgenden Betriebsvereinbarung aufgeworfen. Auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Angemessenheit, überläßt das Bundesverfassungsgericht es dem einfachen Gesetzgeber weitgehend, die hier erforderliche Güterabwägung selbst vorzunehmen.253 Die Gerichte dürfen insoweit den Entscheidungen des Gesetzgebers die Anerkennung nur versagen, wenn sie „offensichtlich fehlsam sind oder der Wertordnung des

251 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Loritz, RdA 1991, 65 (70); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). 252 Vgl. nur BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3R/4. 253 BVerfG, Beschluß vom 09.05.1972 – 1 BvR 518/62 u. a. –, BVerfGE 33, 125 (159); BVerfG, Beschluß vom 27.01.1976 – 1 BvR 2325/73 –, BVerfGE 41, 251 (264).

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Grundgesetzes widersprechen.“254 Es wird geprüft, ob „bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe [. . .] die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt“ ist.255 Der Prüfungsmaßstab ist also insoweit grundsätzlich auf evidente Fehler beschränkt. Dies gilt jedoch weitgehend nicht, soweit Vertrauensschutzaspekte zu berücksichtigen sind. Angesprochen ist damit das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Dieses folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG, ist aber in die Prüfung des insoweit spezielleren Grundrechtes aus Art. 14 I GG zu implementieren. 256 Es ist vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zwingend zu beachten. Lediglich bei Stichtagsregelungen im Zusammenhang mit der vertrauenszerstörenden Ankündigung einer Neuregelung erkennt das Bundesverfassungsgericht einen Regelungsspielraum des Gesetzgebers an.257 Allerdings hat der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente Vorbehalt verschlechternder nachfolgender Betriebsvereinbarungen für sich genommen keine Rückwirkung. Jedoch ist vor der Verfassung die darin enthaltene Anerkennung auch rückwirkender Rechtsetzungsmacht privater Rechtsträger einer rückwirkenden Regelung des Gesetzgebers selbst gleichzustellen. Dies gebieten bereits die Einheit der Rechtsordnung und die uneingeschränkte Bindung des einfachen Gesetzgebers an die Verfassung. I. Rechtsstaatliches Rückwirkungsverbot Das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG setzt mit den inkorporierten Teilgeboten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Frustration von Vertrauen in den Fortbestand von Rechtsvorschriften insoweit Schranken, als die Änderung belastende Wirkung hat258 und in verfassungsmäßig geschützte Rechtsstellungen eingreift.259 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes 254 BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 – 1 BvR 638, 673/64 u. a. –, BVerfGE 24, 367 (406) [Hervorhebung vom Verfasser]. Ebenso BVerfG, Beschluß vom 27.11.1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 (51); auch bereits BVerfG, Beschluß vom 17.07.1961 – 1 BvL 44/55 –, BVerfGE 13, 97 (105, 107). 255 BVerfG, Beschluß vom 16.03.1971 – 1 BvR 52 u. a./66 –, BVerfGE 30, 292 (316) [Hervorhebung vom Verfasser]. Ebenso BVerfG, Urteil vom 03.11.1982 – 1 BvL 4/78 –, BVerfGE 61, 291 (312); BVerfG, Beschluß vom 17.10.1984 – 1 BvL 18/82 u. a. –, BVerfGE 68, 155 (171); BVerfG, Beschluß vom 28.11.1984 – 1 BvL 13/81 –, BVerfGE 68, 272 (282). 256 Dazu BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86). 257 BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (89) unter Hinweis auf BVerfG; Beschluß vom 08.12.1976 – 1 BvR 810/70 –, BVerfGE 44, 1 (21). 258 BVerfG, Beschluß vom 20.02.2002 – 1 BvL 19, 20, 21/97, 11/98 –, BVerfGE 105, 48 (57); Jarass/Pieroth, GG8, Art. 20 Rz. 67.

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unterscheidet dabei zwischen echter und unechter Rückwirkung. Ein Fall echter Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in in der Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände eingreift, während ein Fall unechter Rückwirkung vorliegt, wenn eine Norm auf Rechtsbeziehungen einwirkt, welche in der Vergangenheit begründet worden, auf Dauer angelegt und noch nicht abgeschlossen sind.260 Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes unterscheidet hingegen zwischen rückwirkender normativer Herbeiführung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung. Eine rückwirkende normative Herbeiführung von Rechtsfolgen liegt vor, wenn die Rechtsfolgen einer Norm für einen bestimmten Zeitpunkt vor deren Verkündung eintreten sollen.261 Demgegenüber liegt lediglich eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor, wenn Grundrechte berührt werden, die mit der Erfüllung des jeweiligen Tatbestandsmerkmales vor Verkündung der Norm „ins Werk gesetzt worden“ sind, die Rechtsfolgen der Norm aber erst ab deren Verkündung eintreten sollen.262 In der Sache bedeutet dies keinen wesentlichen Unterschied zur Rechtsprechung des Ersten Senats.263 Unechte Rückwirkung beziehungsweise tatbestandliche Rückanknüpfung ist bei Gesetzen grundsätzlich zulässig. Sie ist nach dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit aber dann unzulässig, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand einer bestimmten Regelung gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit überwiegt.264 Anders ist es bei echter Rückwirkung beziehungsweise rückwirkender normativer Herbeiführung von Rechtsfolgen. Hier ist nur in Ausnahmefällen ein Rückbezug zulässig, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern,265 sich kein Vertrauen auf den Fortbestand des geltenden Rechts bilden konnte266 oder durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde.267

259 BVerfG, Beschluß vom 22.03.1983 – 2 BvR 475/78 –, BVerfGE 63, 343 (356 f.); BVerfG, Beschluß vom 10.04.1984 – 2 BvL 19/82 –, BVerfGE 67, 1 (14). 260 BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86); BVerfG, Beschluß vom 13.05.1986 – 1 BvR 99, 461/85 –, BVerfGE 72, 175 (196). 261 BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (242). 262 BVerfG, Beschluß vom 05.02.2002 – 2 BvR 305, 348/93 –, BVerfGE 105, 17 (37 f.); BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (242). 263 Jarass/Pieroth, GG8, Art. 20 Rz. 67; Sachs, GG3, Art. 20 Rz. 132 m.w. N. 264 BVerfG, Beschluß vom 05.02.2002 – 2 BvR 305, 348/93 –, BVerfGE 105, 17 (37); BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86); BVerfG, Beschluß vom 13.05.1986 – 1 BvR 99, 461/85 –, BVerfGE 72, 175 (196). 265 BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 –, BVerfGE 101, 239 (263 f.); BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (258). 266 BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 –, BVerfGE 101, 239 (263); BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86 f.); BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (258).

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Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Voraussetzungen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von echter und unechter Rückwirkung fragt sich für die hier interessierende Problematik, für welche Fallkonstellationen der immanente Abänderungsvorbehalt von Betriebsvereinbarungen anhand welcher der genannten spezifischen Voraussetzungen zu messen ist. Erst dann kann überprüft werden, für welche Fallkonstellationen der immanente Abänderungsvorbehalt verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, und für welche ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber verbleibt, einen entsprechenden Schutz sicherzustellen.268 1. Abgrenzung von echter und unechter Rückwirkung Maßgeblich für die Abgrenzung von echter und unechter Rückwirkung ist nach dem Obigen die Frage, ob in einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird. Bei einem zivilrechtlichen Anspruch kommt es dafür allein darauf an, ob dessen materielle Voraussetzungen bereits erfüllt sind. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Eingriff in öffentlich-rechtliche Leistungsansprüche. Echte Rückwirkung liegt danach bei öffentlich-rechtlichen Anspruchsnormen bereits dann vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung einer verschlechternden Norm die Anspruchsvoraussetzungen der bisherigen Norm erfüllt sind. Ein – im Recht der Leistungsverwaltung die Fälligkeit der Leistung begründender – Bewilligungsbescheid ist nicht erforderlich.269 Bereits aus der Erfüllbarkeit von Ansprüchen vor ihrer Fälligkeit gemäß § 271 II BGB ergibt sich, daß die Fälligkeit nicht Voraussetzung für die Anspruchsentstehung sein kann. Daher liegt echte Rückwirkung auch dann vor, wenn in materiell bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ansprüche eingegriffen wird, weil die Anspruchsentstehung bereits einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt darstellt. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang auch nicht auf die tatsächliche Abwicklung des Anspruches durch Auszahlung abgestellt werden,270 da diese mehr oder minder von Zufällen abhängen kann, die nicht zum Nachteil des Gläubigers gehen dürfen.271 Dem entspricht

267 BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86 f.); BVerfG, Beschluß vom 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 –, BVerfGE 72, 200 (258); BVerfG, Beschluß vom 23.03.1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 –, BVerfGE 30, 367 (389). 268 Dazu unten sub II., S. 304 ff. 269 BVerfG, Beschluß vom 23.03.1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 –, BVerfGE 30, 367 (386 f.). 270 So aber Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 360 m.w. N.; H. Wiedemann, RdA 1959, 454 (458). 271 Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 99 f.

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es, wenn das Bundesarbeitsgericht bei Tarifverträgen die rückwirkende Herabsetzung nicht nur bereits entstandener und fällig gewordener Ansprüche,272 sondern auch bereits entstandener, aber noch nicht fälliger Ansprüche273 an den Voraussetzungen echter Rückwirkung mißt, auch wenn die Ansprüche noch nicht erfüllt waren. 2. Zuordnung einzelner Fallkonstellationen Nach alledem ist der Zeitpunkt der Wandlung der Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung in einen Anspruch entscheidend für die Frage, ob der immanente Vorbehalt der verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung im konkreten Fall eine echte oder lediglich eine unechte Rückwirkung von Betriebsvereinbarungen ermöglicht. a) Rentenansprüche Dabei ist zu berücksichtigen, daß die typische Leistung betrieblicher Altersversorgung in der Zahlung einer Rente besteht.274 Bei Rentenzahlungsansprüchen aber ist zwischen der Entstehung des Stammrechtes und der Entstehung der jeweiligen einzelnen zeitanteiligen Rentenzahlungsansprüche zu differenzieren.275 Das Stammrecht entsteht bereits nach Erfüllung der in der Versorgungszusage festgelegten Anspruchsvoraussetzungen mit dem Eintritt des Versorgungsfalles, das heißt bei einer Altersversorgung mit dem Eintritt in den Ruhestand,276 bei der Absicherung anderer Risiken mit deren Verwirklichung, so zum Beispiel mit dem Eintritt der Invalidität bei einer Invaliditätsversorgung277 oder mit dem Vorversterben des Arbeitnehmers bei einer Hinterbliebenenversorgung.278 Die einzelnen Rentenzahlungsansprüche entstehen hingegen jeweils erst mit Fortbestehen des Versorgungsfalles für den maßgeblichen Zeitraum, bei einer Altersrente also mit Erleben des jeweiligen Zahlungszeitraums. Verände272 BAG, Urteil vom 23.11.1994 – 4 AZR 879/93 –, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Rückwirkung, Bl. 8; BAG, Urteil vom 17.05.2000 – 4 AZR 216/99 –, AP Nr. 19 zu § 1 TVG Rückwirkung, Bl. 3R/4. 273 BAG, Urteil vom 22.10.2003 – 10 AZR 152/03 –, AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung, Bl. 4. 274 MünchArbR2 /Förster/Rühmann, § 104 Rz. 17; R. Höfer, BetrAVG, ART Rz. 37; Schoden, BetrAVG2, § 1 Rz. 5. 275 Schwerdtner, ZfA 1975, 171 (187). Ebenso für die Leibrente RG, Urteil vom 12.12.1907 – Rep. IV 221/07 –, RGZ 67, 204 (210 f.); RG, Urteil vom 12.10.1912 – Rep IV 75/12 –, RGZ 80, 208 (209 f. zu einem Ruhegehaltsversprechen im Rahmen eines Dienstverhältnisses); RG, Urteil vom 19.12.1916 – Rep. VII 349/16 –, RGZ 89, 259 (261). 276 Hierzu ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 6. 277 Hierzu ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 7. 278 Hierzu ErfK7 /Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 8.

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rungen der einzelnen Rentenzahlungsansprüche sind nicht möglich, ohne zugleich den wirtschaftlichen Wert des Stammrechtes zu beeinflussen. Jede Erhöhung der laufenden Betriebsrentenzahlungen erhöht – bei gleichbleibenden übrigen Parametern – den versicherungsmathematischen Wert des Stammrechtes. Entsprechendes gilt vice versa für eine Verringerung der laufenden Rentenzahlungen. Daher ist für die Frage der Abänderbarkeit eines Anspruches auf betriebliche Altersversorgung allein die Entstehung des Stammrechtes entscheidend. Ist der Anspruch erst einmal als Stammrecht entstanden, hat jede nachteilige Veränderung echte Rückwirkung.279 Diese ist nach dem Obigen nur zulässig, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern, sich kein Vertrauen auf den Fortbestand des geltenden Rechts bilden konnte oder durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde. b) Erdiente Anwartschaften Vor Entstehung des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung als Vollrecht liegt hingegen lediglich eine unechte Rückwirkung vor, soweit in bereits durch Vorleistung des Arbeitnehmers verfestigte Anwartschaften eingegriffen wird.280 Da diese noch nicht zum Vollrecht erstarkt sind, liegt insoweit ein noch nicht abgeschlossener Sachverhalt vor. Der Rückbezug liegt lediglich in der belastenden Neubewertung der in Aussicht gestellten Gegenleistung für bereits in der Vergangenheit erbrachte Vorleistungen. Diese Neubewertung ist nach dem Obigen dann unzulässig, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Abänderung überwiegt. II. Abwägung des Vertrauens der Arbeitnehmer gegenüber dem verfolgten Zweck betrieblicher Mitbestimmung Nach dem Vorigen ist für die Angemessenheit des Mittels der immanent vorbehaltenen nachfolgenden Betriebsvereinbarung eine Abwägung des Vertrauens der Arbeitnehmer in den Bestand von Ansprüchen und Anwartschaften gegenüber dem Zweck betrieblicher Mitbestimmung erforderlich.

279 Nicht überzeugend daher GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 BetrVG Rz. 322; Schulin, Anm. EzA § 77 BetrVG Nr. 28, S. 16 f., die in der Änderung der Voraussetzungen eines bereits entstandenen, aber noch nicht fälligen Anspruches keine echte Rückwirkung sehen. 280 So im Ergebnis auch BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R.

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1. Weitgehende Unzulässigkeit echter Rückwirkung Soweit dabei mit der Eingriffsmöglichkeit in bereits entstandene Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung die Anforderungen an eine echte Rückwirkung von Gesetzen ins Blickfeld kommen, ist es für die vorliegende Prüfung nicht ohne methodisch unzulässigen Zirkelschluß möglich, darauf abzustellen, daß sich wegen der Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit einer zeitlich nicht explizit begrenzten Regelungsbefugnis und einem ständigen Regelungsanspruch der Betriebspartner kein schützenswertes Vertrauen der Arbeitnehmer bilden kann, da gerade diese Ausgestaltung Gegenstand der Prüfung ist. Die Eingriffsmöglichkeit in bereits entstandene Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung kann daher nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern oder durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde. a) Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Gemeinwohls Da nur der Gesetzgeber selbst beurteilen kann, ob zwingende Gründe des Gemeinwohls vorliegen,281 kann er diese Beurteilung auch nicht auf die Betriebsebene delegieren. Zwingende Gründe des Gemeinwohls können nur solche Gründe sein, welche dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind.282 Damit beschränkt sich die Rechtfertigung einer echten Rückwirkung durch zwingende Gründe des Gemeinwohls auf Ausnahmefälle.283 Im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung sind solche der Rechtssicherheit übergeordneten Gründe nicht ersichtlich. Ausgleichs- und Schutzfunktion haben dabei als lediglich einfachgesetzliche Zwecke von vornherein außer Betracht zu bleiben. Aber auch die verfassungsrechtliche Legitimation des Betriebsverfassungsgesetzes enthält keinen der Rechtssicherheit übergeordneten Grund. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Betriebsverfassungsgesetz grundrechtskonkretisierende Ausübungsregeln der Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern geschaffen,284 welche durch die objektivrechtliche Schutzfunktion der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 I GG legitimiert sind.285 Die hieraus folgende 281 Beathalter, Einseitige Gestaltungsmöglichkeiten, S. 101; Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 89. 282 BVerfG, Urteil vom 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261 (272). 283 Degenhart, Staatsrecht I21, Rz. 378; Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 20 Abschnitt VII Rz. 67 m.w. N. in Fn. 7. 284 Kempen, RdA 1994, 140 (150); Reichold, Sozialprivatrecht, S. 489, 493 m.w. N. in Fn. 474. 285 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 493. Zum legitimierenden institutionellen und funktionellen Kern des Art. 12 GG Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 (40 f.). Allgemein zur Legitimation privater Rechtsetzung durch die objektivrechtliche Seite der Grundrechte F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 512 f.

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Notwendigkeit der Herstellung von praktischer Konkordanz zwischen der Berufsausübungsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern ist jedoch nicht höher zu bewerten als das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Rechtssicherheit. Vielmehr läßt sich sagen, daß im Bereich echter Rückwirkung das Gebot der Rechtssicherheit den objektiven Schutzauftrag an den Gesetzgeber zur Herstellung von praktischer Konkordanz zwischen der Berufsausübungsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern verfassungsrechtlich überwölbt. b) Bagatellvorbehalt Ob schließlich durch die Möglichkeit der Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde, ist eine Frage der Ausgestaltung der betrieblichen Regelungen im Einzelfall und läßt sich nicht a priori generell postulieren. Damit aber erweist sich die Möglichkeit eines rückwirkenden Eingriffs in bereits entstandene Ansprüche durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung als nicht verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 I 2 GG. Es bleibt damit jenseits des im Einzelfall zu berücksichtigenden Bagatellvorbehalts der uneingeschränkte Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 I 2 GG, den Schutz zivilrechtlich bereits entstandener Ansprüche vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung auf einfachgesetzlicher Ebene anderweitig sicherzustellen. 2. Zulässigkeit unechter Rückwirkung Im Bereich der unechten Rückwirkung beziehungsweise tatbestandlichen Rückanknüpfung ist der immanente Vorbehalt der verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt und löst keinen weitergehenden Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit an ihrer Abänderung nicht überwiegt. Diese Abwägung ist nicht ohne Rücksichtnahme auf den Einzelfall einer betrieblichen Regelung möglich, da sie nicht bereits mit der Möglichkeit des Abschlusses nachfolgender Betriebsvereinbarungen zum Nachteil der anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer präjudiziert ist.286 Zu abweichenden Rechtfertigungsansätzen der Gesetzgebung im Bereich betrieblicher Mitbestimmung eingehend Reichold, Sozialprivatrecht, S. 488–495 m.w. N. 286 Anderer Ansicht aber Däubler, AuR 1984, 1 (25 Fn. 254 i.V. m. S. 4), der von einer verhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ausgeht, den Anwartschaftsschutz aber über eine unmittelbare Bindung der Betriebspartner an den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz erreichen will (24 ff.). Gegen eine un-

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Insbesondere kann in diesem Zusammenhang nicht auf die Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung verwiesen werden mit dem Argument, die ausgeübte Mitbestimmung des Betriebsrates beinhalte bereits eine unwiderlegliche tatsächliche Vermutung für eine hinreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen auch hinsichtlich des Anwartschaftsschutzes, die auch vor dem Hintergrund der Verfassung hinzunehmen wäre. Die Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung umfaßt nämlich nur Regelungsfragen auf seiten der Betriebspartner, nicht jedoch die hier interessierende Rechtsfrage, ob der Gesetzgeber selbst mit der Möglichkeit zum Abschluß nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich die Arbeitnehmerinteressen auch hinsichtlich des Anwartschaftsschutzes hinreichend berücksichtigt hat. Letzteres wäre nur der Fall, wenn die Mitbestimmung des Betriebsrates der Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich des Anwartschaftsschutzes diente. Nur dann ließe sich nämlich insoweit auf den Charakter des Betriebsverfassungsgesetzes als grundrechtsschützende Verfahrensordnung287 verweisen, wie er bereits in der Kaufhausentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes angeklungen ist. Darin wurde das Anrufen der Einigungsstelle als Möglichkeit zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Berufsfreiheit des Arbeitgebers und derjenigen der Arbeitnehmer gesehen.288 Die Frage, ob die Mitbestimmung des Betriebsrates der Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich des Anwartschaftsschutzes dient, läßt sich grundsätzlich nur anhand von Sinn und Zweck des bei Abschluß der Betriebsvereinbarung jeweils ausgeübten Mitbestimmungsrechtes beurteilen. Bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung kommt es auf Sinn und Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes aus § 87 I Nr. 10 BetrVG an. Dieses dient allein der Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung und erfaßt damit unmittelbar lediglich die austeilende Gerechtigkeit. Es erfaßt die mit der Frage des Anwartschaftsschutzes angesprochene ausgleichende Gerechtigkeit allenfalls als Rechtsreflex, da man Entgelt nicht verteilen kann, ohne zugleich eine Aussage über die Austauschgerechtigkeit zu treffen.289 Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung aus tatsächlichen Gründen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht

mittelbare Bindung der Betriebspartner an Verfassungsprinzipien sprechen aber die gleichen Argumente wie gegen eine unmittelbare Grundrechtsbindung (dazu bereits oben § 6 B., S. 238 ff.). 287 Zu dieser Funktion betrieblicher Mitbestimmung Plander, Festschrift für Gnade, S. 79 (90); Starck, JuS 1981, 237 (242 bei Fn. 75); Söllner, RdA 1989, 144 (150). Eingehend Clodius, Die Bedeutung der Grundrechte im Betriebsverfassungsgesetz, S. 80 ff., insbesondere S. 89, 90, 92, 96. 288 BVerfG, Beschluß vom 18.12.1985 – 1 BvR 143/83 –, AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, Bl. 2. 289 Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 bei Fn. 79.

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gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht, die Regelung also vollständig in den Bereich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG fällt. Eine solche Regelung betrifft als actus contrarius zu einer gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG (teil-) mitbestimmten Regelung ebenfalls allein die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und damit gleichfalls unmittelbar nur die austeilende Gerechtigkeit.290 Der lediglich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG unterfallende actus contrarius deckt insoweit keine weitergehenden Funktionen der betrieblichen Mitbestimmung ab als der mitbestimmungspflichtige actus selbst. Von einer angemessenen Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen im Hinblick auf den der ausgleichenden Gerechtigkeit unterfallenden Anwartschaftsschutz kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, da § 87 I Nr. 10 BetrVG insoweit blind ist. Die Beschränkung des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG auf die Ausgleichsfunktion begründet bei isolierter Betrachtung vielmehr einen a priori bestehenden, unbeschränkten Vorrang der austeilenden vor der ausgleichenden Gerechtigkeit, der auch bereits erdiente, vom Schutzbereich des Art. 14 I GG erfaßte Anwartschaften dem Solidaritätsprinzip291 unterwirft, soweit diese auf einer Betriebsvereinbarung beruhen. In kompetentieller Hinsicht ist dies letztlich eine Konsequenz aus der Befugnis der Betriebspartner, von ihnen selbst geschaffene Regelungen abzuändern oder aufzuheben.292 Bleiben jedoch Vertrauensschutzaspekte insoweit völlig außer acht, verbleibt der verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber, den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz anderweitig einfachgesetzlich umzusetzen. In § 9 bleibt zu prüfen, inwieweit dies geschehen ist und inwieweit eventuelle Schutzdefizite durch eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle auszugleichen sind.

F. Zusammenfassung Ansprüche und durch Vorleistung bereits erdiente Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung sind grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG erfaßt, bloße Erwerbsaussichten aufgrund einer einmal erteilten Versorgungszusage hingegen nicht. In bezug auf die erstgenannten Rechtspositionen der Arbeitnehmer stellt sich der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 I 2 GG dar. Die damit den Betriebspartnern eingeräumte Möglichkeit auch zum Eingriff in Ansprüche und durch Vorleistung bereits er290

Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. Dazu H. Hanau, Individualautonomie, S. 108 f. m.w. N. in Fn. 17. 292 Zur sogenannten Actus-contrarius-Doktrin vgl. oben § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff. Die horizontale Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung begründet im Rahmen des § 87 I Nr. 10 BetrVG jedoch keine zusätzlichen Kompetenzen der Betriebspartner, vgl. Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 335 f. Ein Eingriff in individualrechtliche Rechtspositionen kann daher mit ihr nicht begründet werden. 291

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diente Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung durch rückwirkende Änderung von Betriebsvereinbarungen muß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, wenn sie nicht einen weitergehenden Schutzauftrag an den Gesetzgeber auslösen soll. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung hat sich am jeweils einschlägigen Zweck betrieblicher Mitbestimmung zu orientieren. Die betriebliche Mitbestimmung hat eine Schutz- und eine Ausgleichsfunktion. Die Schutzfunktion dient der Kompensation einer unterstellten Ungleichgewichtslage im Individualarbeitsverhältnis und damit der Wahrung ausgleichender Gerechtigkeit. Sie erschöpft sich in der erfolgten Beteiligung des Betriebsrats. Sie hat einen rein prozeduralen, jedoch keinen materiellen Charakter. Ob und inwieweit die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung zum Tragen kommt, hängt von dem jeweils ausgeübten Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ab. Die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung antwortet auf ein Koordinationsproblem im multilateralen Regelungsbereich, das aus der Parallelität der Arbeitsverhältnisse mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb und der Begrenztheit der vorhandenen Ressourcen folgt. Die Ausgleichsfunktion dient allein dem Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer untereinander und bezweckt die Wahrung austeilender Gerechtigkeit. Sie wird in erster Linie prozedural durch die Beteiligung des Betriebsrates verwirklicht. Jedoch ist damit nicht ausgeschlossen, daß weitergehende materielle Bindungen hinzutreten. Für eine Ordnungsfunktion betrieblicher Mitbestimmung, die das Hintantreten des Individualinteresses der Arbeitnehmer zugunsten einheitlicher Regelungen nach betrieblichen oder anderen überindividuellen Interessen a priori geböte, ist hingegen kein Raum. Dies gebietet die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien. Auch eine selbständige Teilhabe- und Integrationsfunktion betrieblicher Mitbestimmung läßt sich nicht begründen. Denn Teilhabe und Integration der Arbeitnehmer durch die Mitbestimmung des Betriebsrats sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Verwirklichung der Schutz- und der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und damit der Wahrung ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit. Der Vorbehalt nachfolgender Betriebsvereinbarungen ist bei Regelungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung allein an der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung zu messen. Insoweit kommt regelmäßig das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG zum Tragen. Dieses dient allein der Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit, da die Höhe des Dotierungsrahmens nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegt. Die ausgleichende Gerechtigkeit wird von der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG jedoch mittelbar erfaßt, da man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Personen verteilen kann, ohne zugleich eine Aussage über das Austauschverhältnis im Einzelfall zu treffen. Man kann insoweit von einem Rechtsreflex sprechen. Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung aus tatsächlichen Gründen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I

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Nr. 10 BetrVG besteht, die Regelung also vollständig in den Bereich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG fällt. Eine solche Regelung betrifft als actus contrarius zu einer gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG (teil-)mitbestimmten Regelung allein die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und damit gleichfalls unmittelbar nur die austeilende Gerechtigkeit. Der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung geeignet. Denn die Betriebsvereinbarung ist als Instrument betrieblicher Mitbestimmung zur Wahrnehmung der jeweils mit ihr verfolgten Mitbestimmungszwecke grundsätzlich geeignet. Es besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen, welche zugleich eine imparitätsgeleitete Inhalts- oder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen ausschließt. Dies folgt nicht bereits aus § 310 IV 1 BGB, wonach eine Kontrolle von Betriebsvereinbarungen anhand der Vorschriften über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß den §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen ist. Die §§ 305 ff. BGB knüpfen an ein Wettbewerbsversagen im Bereich der einseitig von einer Vertragspartei gestellten Nebenbedingungen an. § 310 IV 1 BGB läßt sich daher lediglich die Wertung entnehmen, daß eine Angemessenheitskontrolle von Betriebsvereinbarungen aus den die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen rechtfertigenden Gründen zu unterbleiben hat. Aus § 310 IV 1 BGB allein folgt noch keine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen, die sich nicht auf Nebenbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB beschränken. Dennoch besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen. Diese schließt eine imparitätsgeleitete Inhalts- oder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen im Sinne einer Angemessenheitskontrolle aus und spricht sowohl für die grundsätzliche Geeignetheit der Betriebsvereinbarung zur Wahrnehmung der jeweils mit ihr verfolgten Mitbestimmungszwecke als auch für die Geeignetheit des immanenten Vorbehalts der nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Entgeltbereich zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung. Die materielle Richtigkeitsvermutung privatrechtlicher Verträge ist gewährleistet, soweit Selbstbestimmung gewährleistet ist. Bei Betriebsvereinbarungen kommt es dabei auf die Selbstbestimmung des Betriebsrats an. Diese setzt ein Verhandlungsgleichgewicht voraus. Dieses ist beeinträchtigt bei einer erheblichen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit, insbesondere bei existentieller Angewiesenheit einer Partei auf den Vertragsschluß sowie bei wirtschaftlicher, sozialer oder intellektueller Unterlegenheit einer Partei. Diese Merkmale treffen auf den Betriebsrat nicht zu, da seine Stellung gegenüber dem Arbeitgeber durch das Betriebsverfassungsgesetz in wirtschaftlicher, sozialer und intellektueller Hinsicht abgesichert ist. Ein Machtgleichgewicht zwischen den Betriebspartnern im Sinne arbeitskampfrechtlicher Parität ist nicht erforderlich, da die Betriebsverfassung

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nicht den Arbeitskampf, sondern allein den zivilrechtlichen Vertrag als Mittel des Interessenausgleichs nutzt. Der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung im Entgeltbereich nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Die Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG beschränkt sich nicht auf das einmalige Aufstellen von Verteilungsgrundsätzen. Aus ihr folgt vielmehr ein permanenter Anspruch der Betriebspartner, neue und abweichende Regelungen fordern zu können. Hinzu tritt das Recht zur Kündigung der Betriebsvereinbarung und zu ihrer einvernehmlichen Aufhebung. Der Gesetzgeber trägt insoweit der für die Betriebe notwendigen Flexibilisierung materieller Arbeitsbedingungen Rechnung. Ein milderes Mittel zur Durchsetzung der so verstandenen Ausgleichsfunktion ist nicht ersichtlich. Der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist jedoch im Hinblick auf die Anforderungen des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes bei isolierter Betrachtung unangemessen und löst daher einen weitergehenden Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus. Dessen Verwirklichung durch die übrigen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes und die Zivilrechtsordnung bleibt zu überprüfen. Soweit der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung Eingriffe in bereits entstandene Ansprüche der Betriebsrentner auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung ermöglicht, ist er am rechtsstaatlichen Verbot von Normen mit echter Rückwirkung zu messen. Denn der Vorbehalt ermöglicht den Eingriff in bereits abgeschlossene Erwerbstatbestände. Eine solche echte Rückwirkung ist nur durch zwingende Gründe des Gemeinwohls zu rechtfertigen. Deren Beurteilung obliegt dem Gesetzgeber selbst. Der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist nicht durch solche dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz vorgehenden Gründe gerechtfertigt. Er erweist sich als nicht verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 I 2 GG. Jenseits eines im Einzelfall zu berücksichtigenden Bagatellvorbehalts bleibt der uneingeschränkte Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 I 2 GG, den Schutz zivilrechtlich bereits entstandener Ansprüche vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung auf einfachgesetzlicher Ebene anderweitig sicherzustellen. Inwieweit dies geschehen ist und inwieweit eventuelle Schutzdefizite durch eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle auszugleichen sind, bleibt in § 9 zu prüfen. Soweit der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung die Verschlechterung erdienter Anwartschaften ermöglicht, ist er an den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes bei Normen mit sogenannter unechter Rückwirkung zu messen. Er ist dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt

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und löst keinen weitergehenden Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Abänderung nicht überwiegt. Diese Abwägung ist nicht ohne Rücksicht auf den Einzelfall einer betrieblichen Regelung möglich, da sie nicht bereits mit der Möglichkeit des Abschlusses nachfolgender Betriebsvereinbarungen zum Nachteil der anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer präjudiziert ist. Diese ist auch nicht aufgrund der materiellen Richtigkeitsgewähr von Betriebsvereinbarungen entbehrlich, da jene nur Regelungsfragen erfaßt und auf die Rechtsfrage der hinreichenden Abwägung von Bestandsschutz- und Änderungsinteressen nur so weit ausstrahlen kann, wie der Zweck des mit ihrem Abschluß ausgeübten Mitbestimmungsrechtes diese Frage mitumfaßt. Bei einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist diesbezüglich auf § 87 I Nr. 10 BetrVG abzustellen. Dieses Mitbestimmungsrecht dient allein der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und damit der austeilenden Gerechtigkeit. Es erfaßt die ausgleichende Gerechtigkeit lediglich als Rechtsreflex und ist daher blind für die hier interessierenden Fragen des Vertrauensschutzes, welche der ausgleichenden Gerechtigkeit zuzuordnen sind. Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung aus tatsächlichen Gründen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht, die Regelung also vollständig in den Bereich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG ist. Eine solche Regelung betrifft als actus contrarius zu einer gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmten Regelung ebenfalls allein die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und damit gleichfalls unmittelbar nur die austeilende Gerechtigkeit. Bleiben aber Vertrauensschutzaspekte insoweit völlig außer acht, verbleibt der verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber, den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz anderweitig einfachgesetzlich umzusetzen. Inwieweit dies geschehen ist und inwieweit eventuelle Schutzdefizite durch eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle auszugleichen sind, bleibt in § 9 zu prüfen. Bevor in § 9 dieser Untersuchung jedoch die Verwirklichung des Schutzauftrages an den Privatrechtsgesetzgeber aus Art. 14 I GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Verbot rückwirkender Normen überprüft werden kann, den Vertrauensschutz bei Versorgungsansprüchen und bei durch Vorleistung bereits erdienten Versorgungsanwartschaften zu gewährleisten, ist im folgenden § 8 zu klären, ob auch die durch eine ältere Betriebsvereinbarung begründeten Erwerbsaussichten der Arbeitnehmer, welche von dem Schutz durch Art. 14 I GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Verbot rückwirkender Normen nicht erfaßt sind, einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, den der Gesetzgeber zu gewährleisten hat.

§ 8 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes von Erwerbsaussichten 313

§ 8 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes zugesagter Erwerbsaussichten gegenüber dem immanenten Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung Ist nach dem Vorigen der Schutzauftrag des Gesetzgebers zum Schutz von Ansprüchen und erdienten Anwartschaften der Arbeitnehmer bestimmt worden, so verbleibt die Frage, ob darüber hinaus ein Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber besteht, auch die bloßen Erwerbsaussichten der Arbeitnehmer, welche durch eine ältere Betriebsvereinbarung begründet worden sind, vor verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen zu schützen. Hierbei erlangt das betroffene Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit Bedeutung, in dessen Rahmen auch allgemeine rechtsstaatliche Vertrauensschutzgrundsätze zu berücksichtigen sind.

A. Immanenter Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 I GG Der dem Betriebsverfassungsgesetz immanente ständige Änderungsvorbehalt bezüglich betrieblicher Regelungen ist zunächst an dem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer aus Art. 12 I GG zu messen. Der immanente Änderungsvorbehalt ist ein Ausdruck der Befugnis der Betriebspartner, Arbeitsbedingungen normativ zu regeln. Davon betroffen ist zunächst die Arbeitsvertragsfreiheit der Arbeitnehmer. Diese ist als Aspekt der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 I GG geschützt; Art. 2 I GG als allgemeine Gewährleistung der Privatautonomie tritt insoweit zurück.293 Wie bereits in § 2 dargelegt wurde, ist die Befugnis der Betriebspartner zur normativen Regelung von Arbeitsbedingungen und zur Aufhebung und Abänderung solcher Regelungen als actus contrarius hierzu vor dem Hintergrund der Herstellung praktischer Konkordanz 293 Dazu bereits oben § 2 B. II. 2. a), S. 74 bei und in Fn. 352. Im Ergebnis wie hier Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 58; Richardi, Kollektivgewalt, S. 120 f.; 368; derselbe, Festgabe für v. Lübtow, S. 755 (782); Söllner, RdA 1989, 144 (147–149); Sachs/Tettinger, GG3, Art. 12 Rz. 162 m.w. N. Vgl. auch die Nachweise bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 38 f. in Fn. 14. Ebenfalls auf Art. 12 I GG abstellend BVerfG, Urteil vom 01.03.1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. –, BVerfGE 50, 290 (349). Den Vorrang besonderer Grundrechtsgewährleistungen der Vertragsfreiheit gegenüber Art. 2 I GG betont auch BVerfG, Beschluß vom 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56 u. a. –, BVerfGE 8, 274 (328). Anderer Ansicht (auf Art. 2 I GG abstellend) BVerfG, Beschluß vom 19.10.1983 – 2 BvR 298/81 –, BVerfGE 65, 197 (210, für Arbeitgeber); Däubler, AuR 1984, 1 (9); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 115 m. Fn. 2, S. 116 ff.; Martens, RdA 1983, 217 (222). Vgl. auch die Nachweise bei H. Hanau, Individualautonomie, S. 38 in Fn. 13. Zur geringen praktischen Relevanz der dogmatischen Einordnung der Arbeitsvertragsfreiheit eingehend H. Hanau, Individualautonomie, S. 39 f.

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zwischen der Berufsfreiheit des Arbeitgebers und derjenigen der Arbeitnehmer gerechtfertigt.294 Die Befugnis zur Abänderung und Aufhebung betrieblicher Regelungen wurde bislang jedoch nur unter dem formellen Aspekt der Regelungskompetenz beleuchtet. Im folgenden bedarf es ergänzend hierzu der Betrachtung des hinzutretenden materiellen Aspektes, daß durch eine Betriebsvereinbarung begründete Rechte unter dem immanenten Vorbehalt ihrer Abänderung stehen. Den Betriebspartnern ist damit auch materiellrechtlich die Möglichkeit eingeräumt, einmal getroffene Regelungen über betriebliches Entgelt – und damit auch über eine betriebliche Altersversorgung – mit Einwirkung auf die Individualarbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer abändern zu können, ohne daß ein Bestandsschutz greifen kann. Insbesondere ein Eingriff in Grundrechte der Arbeitnehmer durch die nachfolgende, verschlechternde Betriebsvereinbarung selbst kann daher von vornherein nicht festgestellt werden.295 Der jeder Betriebsvereinbarung immanente Vorbehalt der abändernden Betriebsvereinbarung stellt sich – wie bereits die Befugnis zu normativer Regelung von Arbeitsbedingungen in Betriebsvereinbarungen selbst – inhaltlich als Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 I GG296 mit berufsregelnder Tendenz297 dar, die in die Arbeitsvertragsfreiheit als Aspekt der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer eingreift. Im folgenden ist die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des immanenten Vorbehaltes der abändernden Betriebsvereinbarung zu beleuchten, der es ermöglicht, daß den Arbeitnehmern die durch die ältere Betriebsvereinbarung gewährte Möglichkeit zum Erwerb einer betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung für die Zukunft genommen werden kann.

B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des immanenten Vorbehalts der nachfolgenden Betriebsvereinbarung Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind gesetzliche Regelungen, welche die Modalitäten regeln, unter denen sich die Ausübung eines Berufes vollzieht, verfassungsmäßig gerechtfertigt, wenn diese verhältnismäßig, das heißt zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles geeignet und erforderlich sind und darüber hinaus vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen.298 Hinsichtlich der Bestimmung des ge294

Dazu oben § 2 B. II. 2. b) cc), S. 83 ff. Dazu oben § 6 A., S. 236 ff. 296 Zur sogenannten Stufentheorie des BVerfG vgl. BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 – 1 BvR 596/56 –, BVerfGE 7, 377 (405 ff.) – Apotheke –. 297 Zum Erfordernis der berufsregelnden Tendenz BVerfG, Urteil vom 30.10.1961 – 1 BvR 833/59 –, BVerfGE 13, 181 (185 f.). 295

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setzgeberischen Ziels sowie der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Mittels der abändernden Betriebsvereinbarung zur Erreichung dieses Ziels kann an die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit dieser Regelung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums angeknüpft werden. Danach dienen Betriebsvereinbarungen mit betrieblichen Entgeltregelungen – und damit auch solche über eine betriebliche Altersversorgung – der Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung. Sie sollen die Interessen der Arbeitnehmer untereinander ausgleichen.299 Dies gilt auch hinsichtlich der Beschränkung bereits zugesagter Erwerbsmöglichkeiten, und zwar nicht nur dann, wenn die gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien geändert werden, sondern auch, wenn lediglich der Dotierungsrahmen gekürzt wird.300 In dieses Bild fügt sich zudem die Möglichkeit ein, erdiente Besitzstände zu wahren und den hier interessierenden zukünftigen Erwerb weiterer Versorgungsanwartschaften gänzlich auszuschließen. Zwar könnte dann vor dem Hintergrund der Besitzstandsschutzrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes301 ein rechtliches Hindernis für eine anderweitige Verteilung vorliegen, welches – ähnlich einer vollständigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen302 – ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausschlösse.303 Die Berechtigung dieser Besitzstandsschutzrechtsprechung und das Vorliegen eines rechtlichen Hindernisses für die erzwingbare Mitbestimmung können jedoch an dieser Stelle dahinstehen. Werden lediglich – nach welchen Kriterien auch immer zu ermittelnde – erdiente Besitzstände gewahrt und der Erwerb weiterer Versorgungsanwartschaften für die Zukunft ausgeschlossen, reicht eine nachfolgende Regelung mittels einer Betriebsvereinbarung in ihrer Wirkung nicht weiter als die jederzeit mitbestimmungsfrei mögliche Kündigung der bisherigen Betriebsvereinbarung.304 Jedoch läßt sich auch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung, welche die aufgrund der bisherigen Betriebsvereinbarung erdienten Besitzstände wahrt und lediglich den Erwerb weiterer Versorgungsanwartschaften ausschließt, als mitbestimmungsfreier actus contrarius zur mitbe298 Grundlegend BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 – 1 BvR 596/56 –, BVerfGE 7, 377 (405 f.) – Apotheke –. 299 Dazu oben § 7 C. I. 4. a) u. b), S. 262 ff. 300 Zur bloßen Reduzierung des Dotierungsrahmens unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungskriterien bereits oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. 301 Dazu bereits oben § 1 C., S. 26 ff., ausführlich unten § 9 C. III. 1. a)–c), S. 359 ff. 302 Dazu BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 1/90 –, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 13; BAG GS, Beschluß vom 03.12.1991 – GS 2/90 –, AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Bl. 14. 303 So Richardi, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 299 (307 f.). 304 Zur Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung vgl. oben § 4 C. III. 2., S. 206 ff.

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stimmungspflichtigen Aufstellung der Verteilungskriterien begreifen, der sich von der vollständigen Aufhebung des Dotierungsrahmens305 nur insoweit unterscheidet, als er keine unechte Rückwirkung entfaltet, sondern die Verteilung lediglich mit Wirkung für die Zukunft beendet. Auch hier ist allein die der Verteilungsgerechtigkeit verpflichtete horizontale Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung betroffen. Die Schutzfunktion, deren Ziel es ist, die individualrechtliche Alleinentscheidungsmacht des Arbeitgebers zu begrenzen, ist in solchen Fällen schon deshalb nicht einschlägig, weil dieser sich von der Betriebsvereinbarung nicht durch einseitige individualrechtliche Mittel lösen könnte. Da auch die nachfolgende Betriebsvereinbarung ein Regelungsinstrument mit einer materiellen Richtigkeitsvermutung für die getroffenen Regelungen darstellt, ist sie auch grundsätzlich zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung geeignet, deren Ziel es ist, die Interessen der Arbeitnehmer untereinander ausgleichen.306 Das Mittel der abändernden Betriebsvereinbarung ist auch zur Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung erforderlich, da der Gesetzgeber mit der Möglichkeit teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich gemäß den §§ 87 I Nr. 10, 88 BetrVG den Betriebspartnern diesen Regelungsbereich vollumfänglich in die Hand gegeben hat. Der Gesetzgeber trägt damit der aufgrund ständig sich ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Betriebe notwendigen Flexibilisierung materieller Arbeitsbedingungen Rechnung. Dementsprechend beschränkt sich die Ausgleichsfunktion der erzwingbaren Mitbestimmung im Entgeltbereich gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht auf die einmalige Aufstellung von Verteilungsgrundsätzen, sie erfaßt auch deren Änderung. Hinzu tritt auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 87 I Nr. 10 BetrVG das Recht zur einvernehmlichen Aufhebung der getroffenen Regelungen. Die Notwendigkeit der Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen zeigt sich nachgerade im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, in welchem veränderte Rahmenbedingungen ein Handeln der Betriebspartner erforderlich machen können. Eine „Versteinerung“ betrieblicher Versorgungsordnungen ginge insoweit an den unabweisbaren Erfordernissen der Praxis vorbei.307 Um dem Rechnung zu tragen, ist kein offensichtlich milderes Mittel gegenüber der immanent vorbehaltenen nachfolgenden Betriebsvereinbarung ersichtlich. Sie ist daher im Hinblick auf die Beschränkung aufgrund Betriebsvereinbarung eröffneter zukünftiger Erwerbsmöglichkeiten erforderlich.

305 306 307

Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. Dazu bereits oben § 7 C. II. 3. d), S. 294. Dazu oben § 7 D., S. 299 bei Fn. 252.

§ 8 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Schutzes von Erwerbsaussichten 317

Vor diesem Hintergrund erweist sich das Mittel der immanent vorbehaltenen nachfolgenden Betriebsvereinbarung aufgrund vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls regelmäßig als zweckmäßig und damit verhältnismäßig im engeren Sinne. Dem steht grundsätzlich auch nicht der Vertrauensschutz der Arbeitnehmer entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes umfaßt der verfassungsrechtlich über das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG gewährleistete Vertrauensschutz regelmäßig nicht das Vertrauen in den Fortbestand einer begünstigenden Regelung.308 Damit wird der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Rechnung getragen, der die Möglichkeit haben soll, auf neue Entwicklungen zu reagieren, neue Erkenntnisse zu berücksichtigen und veränderten politischen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen.309 Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz bindet daher den Gesetzgeber insoweit nur, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand vorliegt, etwa weil der Gesetzgeber den Fortbestand einer Regelung für einen bestimmten Zeitraum zugesichert hat.310 Eine solche besondere Vertrauenslage liegt jedoch nicht vor, wenn der Gesetzgeber den Betriebspartnern von vornherein die Möglichkeit einräumt, getroffene Regelungen mit Wirkung für die Zukunft abzuändern. Jedoch schließt der immanente Vorbehalt abändernder, verschlechternder Betriebsvereinbarungen nicht aus, daß die Betriebspartner selbst einen solchen besonderen Vertrauenstatbestand des Inhalts schaffen, daß die von ihnen geschaffenen Regelungen – jedenfalls über einen gewissen Zeitraum – unverändert fortbestünden. Da die gesetzliche Legitimation der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen kraft des staatlichen Rechtsanerkennungsmonopols nicht bedeuten kann, daß sich der staatliche Gesetzgeber mit der Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner seiner verfassungsmäßigen Bindungen entledigt,311 hat der Gesetzgeber insoweit auch den verfassungsrechtlichen Auftrag, in diesem Sinne ausnahmsweise schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer zu schützen. Nur dann erweist sich die ständige Möglichkeit der Betriebspartner, ältere Betriebsvereinbarungen mit Wirkung für die Zukunft abzuändern, auch in diesen besonderen Fallkonstellationen als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 I GG.

C. Fazit Ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes ergibt sich aus Art. 12 I GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauens308 BVerfG, Beschluß vom 30.09.1987 – 2 BvR 933/82 –, BVerfGE 76, 256 (349 f. m.w. N.). 309 Maurer, in: Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV3, § 79 Rz. 75 f. 310 BVerfG, Beschluß vom 23.03.1971 – 2 BvL 17/69 –, BVerfGE 30, 392 (404). 311 Dazu bereits oben § 6 A., S. 236 ff.

318 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

schutzprinzip mithin nur hinsichtlich besonderer, von den Betriebspartnern geschaffener Vertrauenstatbestände des Inhalts, daß die von ihnen geschaffenen Regelungen – jedenfalls über einen gewissen Zeitraum – unverändert fortbestünden. In allen übrigen Fällen erweist sich der immanente Vorbehalt der nachfolgenden Betriebsvereinbarung als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 I GG, welche keinen weitergehenden grundrechtlichen Schutzauftrag des Gesetzgebers auslöst. Im folgenden § 9 wird daher neben den Fragen der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Auftrages an den Gesetzgeber zum Schutz von Anwartschaften und Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung auch der Umsetzung des Schutzes besonderen Vertrauens in den Fortbestand einmal eingeräumter Erwerbsmöglichkeiten nachzugehen sein.

§ 9 Perspektiven des Schutzes von Ansprüchen, erdienten Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten auf einfachgesetzlicher Grundlage Im folgenden ist der Frage nachzugehen, inwieweit bereits das Betriebsverfassungsgesetz dem oben in den §§ 7, 8 formulierten, verbleibenden Schutzauftrag der Verfassung im Hinblick auf konkret betroffene Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer – für den Schutz von erdienten Anwartschaften und Ansprüchen der Arbeitnehmer vor Verschlechterung und Entzug also solche aus Art. 14 I GG, für den Schutz zugesagter Erwerbsaussichten bei besonderen Vertrauenstatbeständen solche aus Art. 12 I GG – Rechnung trägt. Da insoweit mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Regelungen der Betriebspartner aufgrund der gesetzlichen Legitimation der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen durch den Gesetzgeber vermittelt sind, hat sich diese Prüfung an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Übermaßverbot zu orientieren.312 Dabei erlangen – A. – der Schutzzweck betrieblicher Mitbestimmung, – B. – die Grundsätze des Rechts und der Billigkeit im Sinne von § 75 I 1 BetrVG und – C. – der betriebsverfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Relevanz. In diesem Zusammenhang werden konkrete Maßstäbe zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen auf Grundlage des vom Gesetzgeber gesetzten Rechts zu entwickeln sein. Nur wenn dabei Schutzdefizite verbleiben, kann sich die Frage der Notwendigkeit einer weitergehenden, ggf. rechtsfortbildenden Kontrolle stellen, zu welcher die Gerichte dann ermächtigt sein können. Denn sie sind gemäß Art. 1 III GG an den Schutzauftrag der Grundrechte ebenso gebunden wie der Gesetzgeber selbst.

312

Dazu bereits oben § 6 C., S. 241 ff.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

319

A. Perspektiven des Schutzes über die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung Zum Schutz von Ansprüchen, erdienten Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten der Arbeitnehmer vor Verschlechterung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ist die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung nicht geeignet. Soweit eine materielle Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung behauptet wird, die – jedenfalls im Bereich materieller Arbeitsbedingungen – Regelungen ausschließlich zum Nachteil der Arbeitnehmer verbietet,313 läßt sich diese nicht aus den tatsächlichen Grundlagen der Schutzfunktion deduzieren, die einseitige Gestaltungsmacht des Arbeitgebers im Individualarbeitsverhältnis zu beschränken. Die Schutzfunktion erschöpft sich nämlich in der erfolgten Beteiligung des Betriebsrates, weil sie nicht weiter reicht, als es das ihr zugrunde liegende, unterstellte Selbstbestimmungsdefizit im Individualarbeitsverhältnis erfordert.314 Hinzu tritt, daß das bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausgeübte Mitbestimmungsrecht allein der austeilenden Gerechtigkeit dient.315 Daher kann in diesem Bereich nicht auf die Schutzfunktion der Mitbestimmung rekurriert werden, welche allein der ausgleichenden Gerechtigkeit verpflichtet ist. Unabhängig vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG kann die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung auch von ihrem tatsächlichen Anknüpfungspunkt316 her bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich nicht relevant werden, da sich der Arbeitgeber von einer allein mittels teilmitbestimmter Betriebsvereinbarung zugesagten Entlohnung, etwa einer betrieblichen Altersversorgung, nicht mehr durch einseitige individualrechtliche Mittel lösen kann. Insoweit bedarf es der von der Schutzfunktion intendierten Begrenzung der individualrechtlichen arbeitgeberseitigen Gestaltungsmacht nicht. Hat der Arbeitgeber hingegen den Dotierungsrahmen außerhalb der bisherigen Betriebsvereinbarung mitbestimmungsfrei vorgegeben, kann der Betriebsrat dessen Kürzung nicht verhindern, so daß eine Begrenzung der individualrechtlichen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers gerade nicht erfolgt. Die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung kann also auch insoweit nicht eingreifen. Nach alledem kann die Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung für den Schutz von Ansprüchen, Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten ei-

313 314 315 316

Vgl. die Nachweise auf S. 256 in Dazu bereits oben § 7 C. I. 1., S. Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), Dazu bereits oben § 7 C. I. 1., S.

Fn. 37. 255 bei und mit Fn. 36. S. 262 ff. 253 ff.

320 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

ner betrieblichen Altersversorgung vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung nicht nutzbar gemacht werden.317

B. Perspektiven des Schutzes über die Bindung der Betriebspartner an Recht und Billigkeit gemäß § 75 I BetrVG Zweifelhaft ist auch, ob § 75 I BetrVG unmittelbar geeignet ist, den Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen zu erfüllen und besonderen Vertrauenstatbeständen beim Schutz zugesagter Erwerbsaussichten Rechnung zu tragen. Zur Klärung dieser Frage bedarf es zunächst – I. – einer Analyse des Regelungsgehaltes von § 75 I BetrVG. Hieran schließt sich – II. – die Frage an, inwieweit die in § 75 I BetrVG genannten Grundsätze der Billigkeit eine für den Schutzauftrag nutzbar zu machende, positivrechtlich fundierte Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen ermöglichen. Schließlich sind – III. – die in § 75 I BetrVG genannten Grundsätze des Rechts zu beleuchten. Dabei ist – 1. – auf die Perspektiven eines spezifisch betriebsrentenrechtlichen Vertrauensschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen einzugehen sowie – 2. – die Möglichkeit zu beleuchten, dem Schutzauftrag bereits dadurch zu genügen, daß man § 75 I BetrVG unmittelbar als Einwirkungsnorm für die Grundrechte heranzieht. I. Regelungsgehalt des § 75 I BetrVG § 75 I BetrVG weist den Betriebspartnern lediglich die Aufgabe zu, „darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, daß jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“ Da die in § 75 I BetrVG statuierte Überwachungspflicht nur dann Sinn macht, wenn auch die Betriebspartner 317 Nur im Ergebnis ebenso Canaris, AuR 1966, 129 (132, unter Hinweis auf das Ordnungsprinzip); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 316 (unter Hinweis auf die Actuscontrarius-Doktrin); Rieble, Anm. SAE 1992, 199 (200, allgemein zur Eignung als Regelungsschranke unter Hinweis auf die Förderung des Betriebswohls gemäß § 2 I BetrVG als mittelbare Arbeitnehmerbegünstigung); letzterem zustimmend Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 94 ff., 98 f.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 204 f., dort auch ausführliche Nachweise zum Streitstand, S. 194 ff.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

321

selbst an die von ihnen zu überwachenden Grundsätze gebunden sind,318 statuiert § 75 I BetrVG inzidenter auch die Bindung der Betriebspartner an die Grundsätze von Recht und Billigkeit sowie explizite Benachteiligungsverbote.319 Die Betriebspartner haben daher insbesondere beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen die in § 75 I BetrVG genannten Grundsätze zu wahren.320 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 75 I BetrVG bezieht sich diese Verpflichtung nur auf die im Betrieb Beschäftigten; ausgeschiedene Arbeitnehmer und Ruheständler fallen nicht unmittelbar hierunter.321 Jedoch ist § 75 I BetrVG zumindest entsprechend anzuwenden, soweit sich die Betriebsverfassung auch auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer erstreckt.322 Dies muß schon aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit gelten. Damit bindet § 75 I BetrVG aber die Betriebspartner bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auch insoweit, als diese nach den Ausführungen in § 5 dieser Untersuchung bereits Ausgeschiedene und Ruheständler erfassen. Mit den Benachteiligungsverboten verweist § 75 I BetrVG auf Fragen der austeilenden Gerechtigkeit, auf welche erst im Rahmen der §§ 10, 11 dieser Untersuchung zurückzukommen sein wird. Im übrigen verweist die Norm auf die Grundsätze von Recht und Billigkeit. Diese Grundsätze werden durch § 75 I BetrVG nicht definiert, sondern als bestehend vorausgesetzt.323 Eine Bindung der Betriebspartner an die Grundsätze von Recht und Billigkeit ist damit nur insoweit verbunden, als diese außerhalb von § 75 I BetrVG bereits konkretisiert sind. 318

Explizit Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 173. BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 606/93 –, AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 30.03.1994 – 10 AZR 352/93 –, AP Nr. 76 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; Haneberg, § 75 BetrVG 1972 – Rechte und Pflichten, S. 7; GKBetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 9, 22 m.w. N.; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 12; Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 3 m.w. N.; Thiele, Festschrift für Larenz, S. 1043 (1059); Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 75 Rz. 3a. 320 BAG, Urteil vom 11.03.1976 – 3 AZR 334/75 –, AP Nr. 11 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Urteil vom 20.07.1993 – 3 AZR 52/93 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Bl. 2R; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 173, 176; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 291; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 12; für Sozialplan GK-BetrVG8 /Oetker, §§ 112, 112a Rz. 281 m.w. N.; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock, BetrVG6, § 75 Rz. 3a. Zweifelnd jedoch Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (299). 321 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 17. 322 DKK/Berg, BetrVG10, § 75 Rz. 7; Fitting, BetrVG23, § 75 Rz. 13; GK-BetrVG8 / Kreutz, § 75 Rz. 17; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 8; Hess/Schlochauer/Worzalla/ Glock, BetrVG6, § 75 Rz. 3. In bezug auf Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz auch Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 7. 323 Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 173 f.; GKBetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 28, 32, § 77 Rz. 304; Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (605). 319

322 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

II. Grundsätze der Billigkeit Die in § 75 I BetrVG in Bezug genommenen Grundsätze der Billigkeit sind nicht geeignet, den Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung zu erfüllen und besonderen Vertrauenstatbeständen beim Schutz zugesagter Erwerbsaussichten Rechnung zu tragen. Sie rechtfertigen keine für diese Zwecke nutzbar zu machende Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen, und zwar weder – 1. – in abstrakter noch – 2. – in konkreter Form. 1. Abstrakte Billigkeitskontrolle Das Bundesarbeitsgericht propagiert seit 1970324 in ständiger Rechtsprechung eine sogenannte abstrakte325 Billigkeitskontrolle326 von Betriebsvereinbarungen, die es – jedenfalls in neuerer Zeit – als Rechtskontrolle versteht und auch so 324 Grundlegend BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R. 325 Die ausdrückliche Bezeichnung als abstrakte Billigkeitskontrolle geht zurück auf BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3. 326 Aus dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 11.03.1976 – 3 AZR 334/75 –, AP Nr. 11 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Urteil vom 13.10.1976 – 3 AZR 345/75 –, AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4. Aus dem Bereich der Sondervergütungen BAG, Urteil vom 13.09.1974 – 5 AZR 48/ 74 –, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; BAG, Urteil vom 03.11.1987 – 8 AZR 316/81 –, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 3; auch noch BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 3R. Aus dem Bereich der Sozialpläne BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.02.1981 – 1 AZR 290/78 –, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 09.12.1981 – 5 AZR 549/79 –, AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 14.02.1984 – 1 AZR 574/82 –, AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R. Ferner BAG, Urteil vom 25.03.1971 – 2 AZR 185/70 –, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG, Bl.6R – obiter dictum – (Einführung einer Altersgrenze); BAG, Urteil vom 12.08.1982 – 6 AZR 1117/79 –, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4 (Abschaffung der Barabgeltung für Kohledeputate).

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

323

bezeichnet.327 Dabei konnte es nie um eine Billigkeitskontrolle im technischen Sinne gehen, weil eine solche die Einzelfallgerechtigkeit zum Maßstab hat und aus diesem Grunde für die Überprüfung abstrakt-genereller Regelungen ungeeignet ist.328 Das Bundesarbeitsgericht hat die Billigkeitskontrolle für sich daher bei Betriebsvereinbarungen in einer abstrahierten Form reklamiert.329 In der Praxis wird die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen von den aus dem Verfassungsrecht stammenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beherrscht,330 so daß sich hinter der abstrakten Billigkeitskontrolle tatsächlich nur eine Rechtskontrolle zu verbergen scheint.331 In neuerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht den Terminus der Billigkeitskontrolle daher weitgehend aufgegeben und spricht nur noch von einer Rechtskontrolle.332

327 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2. Auch BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 26.10.1994 – 10 AZR 482/93 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie, Bl. 3R. 328 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 204; v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 24, 163; derselbe, BB 1992, 1640 (1641); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 33, 170; Konzen, Anm. AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5R/6; GKBetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 301; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 7 V 4 b, S. 187, § 7 VI 3 a, S. 193; Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (605); Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen, S. 66. 329 So bereits in der Ausgangsentscheidung BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7. 330 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 23.10.2001 – 3 AZR 74/01 –, AP Nr. 33 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 18.03.2003 – 3 AZR 101/02 –, AP Nr. 41 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R. Der Sache nach auch bereits BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R. 331 Von einem lediglich terminologischen Mißverständnis geht daher auch Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), 55 (67), aus. 332 Etwa in BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2.

324 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Zweifel an dieser dogmatischen Einordnung sind jedoch in jüngster Zeit wieder aufgetreten, als der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes ausführte, die speziell zum Besitzstandsschutz im Betriebsrentenrecht entwickelten und auch auf nachfolgende Betriebsvereinbarungen angewandten Grundsätze könnten wegen des aus der verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie folgenden Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien nicht unbesehen auf Tarifverträge angewandt werden. Tarifverträge unterlägen keiner Billigkeitskontrolle.333 Es verbleibt damit die Frage, ob nach Auffassung des Dritten Senates Betriebsvereinbarungen einer über die bloße Rechtskontrolle hinausgehenden Billigkeitskontrolle unterliegen sollen. Durch den jahrzehntelang verwandten Begriff der Billigkeitskontrolle hat das Gericht jedenfalls in der Vergangenheit für sich zumindest verbal darüber hinausgehende Beurteilungsspielräume in Anspruch genommen und die Tür für allgemeine Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen geöffnet. Bei der Billigkeitskontrolle ist das Gericht zudem nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeitsfolge beschränkt, sondern kann die beanstandete Regelung selbst durch eine eigene Entscheidung ersetzen334 und insoweit selbst vertragsgestaltend tätig werden.335 Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen der Billigkeitskontrolle beispielsweise einen Sozialplan wegen Nichtberücksichtigung einer unter einen früheren Sozialplan fallenden Arbeitnehmergruppe für unwirksam erklärt und an dessen Stelle einen einheitlichen Sozialplan gesetzt, welcher die Dotierungsrahmen beider Sozialpläne zusammenführte und die Arbeitnehmergruppe berücksichtigte.336 Ein allgemein billiges Ergebnis dürfte letztlich ebensowenig nachweisbar sein337 wie ein allgemeiner Rechtssatz, daß unbillige Regelungen stets unwirksam seien,338 so daß bereits aus diesen Gründen eine über die bloße Rechtskontrolle hinausgehende richterliche Billigkeitskontrolle abzulehnen ist. Es fehlt für eine solche rechtsgestaltende, abstrakte Kontrolle anhand allgemeiner Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen aber auch an einer Rechtsgrundlage. Begründete das Bundesarbeitsgericht339 die Billigkeitskontrolle von

333 BAG, Urteil vom 28.07.2005 – 3 AZR 14/05 –, AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R/5. 334 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 17; v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 129 f.; Kreutz, ZfA 1975, 65 (66); Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 7 V 4 b, S. 187 f.; derselbe, AuR 1994, 139 (147). 335 G. Hueck, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 241 (248 f.); Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 7 V 4 b, S. 188; derselbe, AuR 1994, 139 (147). 336 BAG, Urteil vom 09.12.1981 – 5 AZR 549/79 –, AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3/3R. 337 So zu Recht Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 171. 338 So zu Recht Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (299). Ähnlich Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 61. 339 Vgl. S. 272 Fn. 121.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

325

Betriebsvereinbarungen anfangs mit dem angeblichen Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Betriebspartnern,340 stützte es sich in seinem Beschluß vom 08.12.1981 auf einen angeblich in den §§ 315 BGB, 75 I, 76 V 3 BetrVG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken.341 In neuerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen überwiegend auf § 75 I BetrVG gestützt.342 Im folgenden wird darzulegen sein, daß weder – a) – § 75 I BetrVG noch – b) – die §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB noch – c) – § 76 V 3, 4 BetrVG für sich genommen eine geeignete Rechtsgrundlage darstellen. Vor diesem Hintergrund sind schließlich – d) – das Argument eines in den §§ 315 BGB, 75 I, 76 V 3 BetrVG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens sowie – e) – nochmals343 abschließend die Möglichkeit einer imparitätsgeleiteten, intensivierten Kontrolle im Rahmen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung zu beleuchten. a) § 75 I BetrVG als Rechtsgrundlage? § 75 I BetrVG ist keine geeignete Rechtsgrundlage zur allgemeinen Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen, da diese Norm die Grundsätze von Recht und Billigkeit nur in Bezug nimmt, nicht aber inhaltlich bestimmt.344 Hinzu kommt, daß § 75 I BetrVG im Unterschied zu den §§ 315 III 2, 319 I 2 BGB keine ausdrückliche Ermächtigung der Gerichte zu einer rechtsgestaltenden Billigkeitskontrolle enthält. Eine allgemeine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen kann daher nicht auf § 75 I BetrVG gestützt werden.345 340

Zu dieser Frage bereits oben § 7 C. II., S. 271 ff. BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4; zustimmend Däubler, AuR 1984, 1 (26); Kempen, RdA 1994, 140 (150 f.). 342 BAG, Urteil vom 11.03.1976 – 3 AZR 334/75 –, AP Nr. 11 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unverfallbarkeit, Bl. 2; BAG, Urteil vom 24.03.1981 – 1 AZR 805/78 –, AP Nr. 12 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 09.12.1981 – 5 AZR 549/ 79 –, AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 25.04.1991 – 6 AZR 183/90 –, AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, Bl. 4R. Ebenso Hilger/ Stumpf, Festschrift für G. Müller, S. 209 (222); Fastrich, RdA 1999, 24 (27); Löwisch, DB 1983, 1709 (1712). 343 Dazu bereits § 7 C. II., S. 271 ff., zusammenfassend § 7 C. II. 3. d), S. 294. 344 Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 173 f.; GKBetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 28, 32, § 77 Rz. 304. Ablehnend auch v. Hoyningen-Huene, BB 1992, 1640 (1642): § 75 I 1 BetrVG betreffe Regelungsfragen, deren gerichtliche Kontrolle einer besonderen Kompetenz bedürfe. 345 Im Ergebnis ebenso Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 58; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 204; Hammen, RdA 1986, 23 (24); Herrmann, Anm. SAE 1982, 295 (299); v. Hoyningen-Huene, BB 1992, 1640 (1642); Jobs, AuR 1986, 147 (148); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 172 ff., 176; Konzen, Anm. AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6; GK-BetrVG8 / Kreutz, § 77 Rz. 304; E. Wolf/Hammen, Anm. SAE 1982, 301 (302 f.). 341

326 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Die vom Bundesarbeitsgericht in Anspruch genommene Billigkeitskontrolle kommt also nur in Betracht, wenn sich außerhalb des § 75 I BetrVG dafür eine Rechtsgrundlage finden läßt. b) §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB als Rechtsgrundlage? Auch § 315 I, III 1 BGB sowie die §§ 317 I, 319 I 1 BGB kommen als Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Wie die §§ 315 III 2, 319 I 2 BGB zeigen, ermöglichen diese Vorschriften in ihrem Anwendungsbereich eine gerichtliche Billigkeitskontrolle.346 Jedoch setzt die unmittelbare Anwendung dieser Vorschriften eine einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei (§ 315 I BGB) oder einen Dritten (§ 317 I BGB) voraus. An einem individualarbeitsvertraglich vereinbarten Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Regelung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung fehlt es aber in aller Regel ebenso wie an einer Übereinkunft, daß der Arbeitgeber als Dritter mit dem Betriebsrat die Leistungsbestimmung durch Betriebsvereinbarung vornimmt.347 Eine solches Leistungsbestimmungsrecht kann auch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung der Individualarbeitsverträge betroffener Arbeitnehmer statuiert werden, da es wegen der normativen Wirkung von Betriebsvereinbarungen auf die Individualarbeitsverhältnisse gemäß § 77 IV 1 BetrVG und wegen der funktionalen Zuständigkeit der Betriebspartner, die auch Regelungen über die betriebliche Altersversorgung umfaßt, an der hierzu erforderlichen planwidrigen Unvollständigkeit des Arbeitsvertrages348 fehlt. Entscheidend aber ist in diesem Zusammenhang, daß die Annahme einer Unterwerfung der Arbeitnehmer unter die Gestaltungsmacht der Betriebspartner auch mit dem materiellen Geltungsgrund der Betriebsvereinbarung nicht vereinbar wäre. Dieser läßt sich insbesondere bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich gerade nicht auf den privatautonomen Arbeitnehmerwillen bei Abschluß des Arbeitsvertrages zurückführen.349 Auch eine privatautonome Legitimation durch die Betriebsratswahlen kommt nicht in Betracht.350 Die Geltung von Betriebsvereinbarungen im Individualarbeitsverhältnis ist vielmehr konstitutiv auf die normative Geltungsanordnung in § 77 IV 1 BetrVG zurückzuführen.351 Dann aber kann regelmäßig nicht von einer arbeitsvertraglichen

346

Für § 315 BGB G. Hueck, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 241 (246). Zu letzterem Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298). 348 Zu diesem Erfordernis nur Palandt66 /Heinrichs, § 157 BGB Rz. 3 m.w. N. 349 Dazu bereits oben § 2 B. II. 1. a), S. 64 ff. 350 Dazu bereits oben § 2 B. II. 1. b), S. 69. 351 Dazu bereits oben § 2 B. II. 2. b) bb), S. 78 ff. Der Gedanke demokratischer Legitimation ist insoweit auch nicht weiterführend, da damit allenfalls das Betriebsratsamt, nicht aber die normative Wirkung von Betriebsvereinbarungen legitimiert werden könnte. 347

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Unterwerfung unter ein Leistungsbestimmungsrecht der Betriebspartner ausgegangen werden. § 315 I BGB wie § 317 I BGB setzen zudem eine unvollständige vertragliche Regelung voraus. Beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen bestehen jedoch keine ausfüllungsbedürftigen Lücken, welche durch Anwendung des § 315 I, III 1 BGB oder der §§ 317 I, 319 I 1 BGB zu schließen wären.352 Eine unmittelbare Anwendung der §§ 315, 317 BGB auf Betriebsvereinbarungen scheidet daher aus.353 Für eine analoge Anwendung sowohl des § 315 I, III 1 BGB als auch der §§ 317 I, 319 I 1 BGB354 fehlt es bereits an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Insoweit wäre nämlich eine zu schließende planwidrige Lücke im Bereich der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit erforderlich.355 Eine solche wurde in der Vergangenheit vom Bundesarbeitsgericht inzidenter mit der These vom Verhandlungsungleichgewicht der Betriebspartner behauptet.356 Diese These wurde jedoch im Rahmen dieser Untersuchung bereits widerlegt.357 Darüber hinaus fehlt es auch an der Vergleichbarkeit des Anwendungsbereiches der §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB mit der Situation bei Betriebsvereinbarungen, da diese Vorschriften die freiwillige Unterwerfung unter das Leistungsbestimmungsrecht voraussetzen. Damit ist die zwingende Wirkung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 IV 1 BetrVG nicht vergleichbar.358 Ebensowenig ist das Leistungsbestimmungsrecht eines Vertragspartners oder eines Dritten strukturell und funktional mit der Gestaltungsmacht der Betriebspartner vergleichbar,359 so daß sich auch die Einordnung der Betriebsvereinbarung als gesetzlicher Sonderfall der Leistungsbestimmung durch Dritte360 verbietet. Eine allgemeine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen kann

352 Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 163; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 65. 353 Im Ergebnis ebenso Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 64 f. Für § 315 BGB der Sache nach auch BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4: „§ 315 BGB betrifft zweifellos nicht die Regelungsmacht der Betriebspartner.“ 354 So aber – ohne ausdrücklichen Analogieschluß – einst Richardi, Anm. AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 12R. Anders jetzt aber derselbe, BetrVG10, § 77 Rz. 118. 355 Kreutz, ZfA 1975, 65 (74); ähnlich GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 302 a. E.; jeweils zu § 315 BGB. 356 Vgl. S. 272 Fn. 121. 357 Siehe oben § 7 C. II. 3 a)–d), S. 284 ff. 358 Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 163; Kreutz, ZfA 1975, 65 (80). 359 Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); Konzen, Anm. AP Nr. 21 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 303. 360 So aber P. Hanau, RdA 1989, 207 (208); Kempen, RdA 1994, 140 (150).

328 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

daher weder auf eine Analogie zu § 315 I, III 1 BGB361 noch auf eine Analogie zu den §§ 317 I, 319 I 1 BGB362 gestützt werden. c) § 76 V 3 und 4 BetrVG als Rechtsgrundlage? Eine abstrakte Kontrolle von Betriebsvereinbarungen anhand allgemeiner Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen läßt sich auch nicht auf eine Analogie zu § 76 V 3, 4 BetrVG stützen.363 Die Einigungsstelle hat gemäß § 76 V 3 BetrVG ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu fassen. Eine Ermessensüberschreitung kann gemäß § 76 V 4 BetrVG von Arbeitgeber oder Betriebsrat binnen zwei Wochen nach Zuleitung des Beschlusses arbeitsgerichtlich geltend gemacht werden. Auch insoweit fehlt es an der für die Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht die Ermessensüberprüfung nur hinsichtlich Beschlüssen der Einigungsstelle vor, nicht aber hinsichtlich frei ausgehandelter Betriebsvereinbarungen. Hinsichtlich letzterer vertraute der Gesetzgeber auf die Richtigkeitsgewähr des ausgehandelten Normsetzungsvertrages,364 während er hinsichtlich ersterer dem allgemeinen Rechtsgedanken folgte, daß bei einer Leistungsbestimmung durch Dritte eine gerichtliche Überprüfbarkeit gewährleistet sein muß.365 Dies hat seinen Hintergrund darin, daß die Beschlüsse der Einigungsstelle nicht durch autonomes Handeln der Betriebspartner zustande kommen366 und in den Fällen des § 76 V 1 BetrVG auch für den Betriebspartner verbindlich sind, der die Einigungsstelle nicht anruft.367 Aber auch in sachlicher Hinsicht kann eine Analogie zu § 76 V 3, 4 BetrVG eine abstrakte Kontrolle von Betriebsvereinbarungen anhand allgemeiner Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen nicht tragen. Im Rahmen der Überprüfung gemäß § 76 V 4 BetrVG kann das Arbeitsgericht lediglich dem angegriffenen Beschluß der Einigungsstelle die Wirksamkeit versagen, eine gestaltende Vertragshilfe im Sinne einer Billigkeitskontrolle ist ihm hingegen verwehrt.368 361 Im Ergebnis ebenso Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); Kreutz, ZfA 1975, 65 (74); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 302 a. E. 362 Im Ergebnis ebenso Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); wohl auch GKBetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 303. 363 So aber Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, 41 (48 m. Fn. 26). 364 Dazu bereits eingehend oben § 7 C. II. 3. d), S. 282 ff. 365 Hammen, RdA 1986, 23 (25); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 185; ähnlich v. Hoyningen-Huene, BB 1992, 1640 (1642). 366 Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 185. 367 Ähnlich Hammen, RdA 1986, 23 (24 f.). 368 Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 61; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 186; Kreutz, ZfA 1975, 65 (83); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 304 a. E.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Die Überprüfung gemäß § 76 V 4 BetrVG findet zudem lediglich auf Ermessensfehler hin statt, sie ist daher nicht umfassend.369 Auch ist die Ermessenskontrolle gemäß § 76 V 4 BetrVG einem Beschlußverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorbehalten, setzt also die Initiative eines Betriebspartners voraus, während die vom Bundesarbeitsgericht reklamierte Billigkeitskontrolle auch im Individualprozeß Anwendung finden soll,370 ohne daß es dazu der Zustimmung der Betriebspartner bedürfte. Im Ergebnis verbietet sich daher eine auf § 76 V 3, 4 BetrVG gestützte allgemeine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen.371 d) Allgemeiner Rechtsgedanke aus den §§ 315 BGB, 75 I, 75 V 3 und 4 BetrVG? Scheiden nach dem Obigen sowohl § 75 I BetrVG als auch die §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB als auch § 76 V 3, 4 BetrVG für sich genommen als Rechtsgrundlage einer allgemeinen Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen aus, so läßt sich diese erst recht nicht auf einen in den §§ 315 BGB, 75 I, 76 V 3 BetrVG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken des Inhalts stützen, daß keine Vereinbarung dem Grundsatz der Billigkeit widersprechen dürfe. Ein derartiger allgemeiner Rechtsgedanke ist diesen Vorschriften nicht zu entnehmen: § 75 I BetrVG nimmt die Grundsätze von „Recht und Billigkeit“ lediglich in Bezug, bestimmt sie aber inhaltlich nicht und enthält im Unterschied zu den §§ 315 III 2, 319 I 2 BGB keine Ermächtigung der Gerichte zu einer rechtsgestaltenden Billigkeitskontrolle.372 Die §§ 315 I, III 1, 317 I, 319 I 1 BGB ermöglichen zwar eine rechtsgestaltende Billigkeitskontrolle, beziehen sich aber auf den Sonderfall eines eingeräumten Leistungsbestimmungsrechtes.373 Einen allgemeinen Rechtsgedanken, daß Regelungen schlechthin der Billigkeit zu entsprechen und die Gerichte erforderlichenfalls rechtsgestaltend darauf hinzuwirken hätten, enthalten diese Normen gerade nicht. § 76 V 3 BetrVG schließlich bezieht sich auf die Entscheidungsfindung der Einigungsstelle und ist – wie auch die §§ 317 I, 319 I 1 BGB – lediglich Ausdruck des allgemeinen Rechts369 Hammen, RdA 1986, 23 (24); Kreutz, ZfA 1975, 65 (83); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 304. 370 Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 186; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 304; Löwisch/Bittner, Anm. SAE 1985, 324 (325). 371 Im Ergebnis ebenso Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 60 m.w. N.; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 204; Hammen, RdA 1986, 23 (24 f.); v. Hoyningen-Huene, BB 1992, 1640 (1642); Jobs, AuR 1986, 147 (148); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 186; Kreutz, ZfA 1975, 65 (83); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 304; MünchArbR2 /Matthes, § 328 Rz. 87 i.V. m. Rz. 85; Reichold, Anm. AP Nr. 84 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 5R. 372 Dazu oben § 9 B. II. 1. a), S. 325. 373 Dazu oben § 9 B. II. 1. b), S. 326 f.

330 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

gedankens, daß bei einer Leistungsbestimmung durch Dritte eine gerichtliche Überprüfbarkeit gewährleistet sein muß. Durch im Rahmen ihrer gesetzlich legitimierten Rechtsetzungsmacht autonomes Handeln der Betriebspartner zustande gekommene Betriebsvereinbarungen sind damit nicht vergleichbar.374 Erst recht läßt sich der Vorschrift kein allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen, daß betriebliche Regelungen schlechthin der Billigkeit zu entsprechen und die Gerichte erforderlichenfalls rechtsgestaltend darauf hinzuwirken hätten. Letzteres ist im übrigen bereits im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle nach § 76 V 3, 4 BetrVG unzulässig.375 Im Ergebnis kann daher eine allgemeine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen auch nicht auf einen in den §§ 315 BGB, 75 I, 76 V 3 BetrVG enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken gestützt werden.376 e) Abstrakte Billigkeitskontrolle aufgrund gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung? Ist damit eine gesetzesimmanente Fundierung der vom Bundesarbeitsgericht in Anspruch genommenen abstrakten Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen nicht möglich, erweist sich diese Judikatur als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung. Eine solche ist vor dem Hintergrund des mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführten § 310 IV 1 BGB auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat mit seiner Entscheidung, Kollektivverträge von der AGB-Kontrolle auszunehmen, lediglich eine Wertung dahingehend getroffen, daß insoweit eine Angemessenheitskontrolle aus den die AGB-Kontrolle rechtfertigenden Gründen zu unterbleiben hat.377 Eine Angemessenheitskontrolle von Kollektivverträgen aufgrund einer anderweitigen spezifischen Ungleichgewichtslage scheitert jedoch daran, daß eine solche im Verhältnis der Betriebspartner zueinander nicht vorliegt.378 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß eine als richterliche Vertragshilfe verstandene abstrakte Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen unzulässig ist. Sie gehört damit auch nicht zu den von § 75 I BetrVG in Bezug genommenen Grundsätzen der Billigkeit. Sie kann daher auch nicht zur Erfüllung des oben in den §§ 7, 8 formulierten, verbleibenden Schutzauftrages der Verfassung im Hinblick auf konkret betroffene Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer nutzbar gemacht werden.

374

Dazu oben § 9 B. II. 1. c), S. 328. Dazu § 9 B. II. 1. c), S. 328 m.w. N. in Fn. 368. 376 Im Ergebnis ebenso Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 59; Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 67. Der Sache nach auch bereits Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (299). 377 Dazu bereits eingehend oben § 7 C. II. 1., S. 275 ff. 378 Dazu bereits eingehend oben § 7 C. II. 3. a)–d), S. 284 ff. 375

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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2. Konkrete Billigkeitskontrolle Entsprechendes gilt für die vom Bundesarbeitsgericht neben der abstrakten Billigkeitskontrolle praktizierte, nachgelagerte konkrete Billigkeitskontrolle anhand der Einzelfallgerechtigkeit. Bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung wird dabei im Individualprozeß geprüft, ob die an sich zulässige Verschlechterung einer Versorgungszusage wegen der mit ihr verbundenen besonderen Härten für den betroffenen Arbeitnehmer ausnahmsweise auf diesen nicht anzuwenden ist.379 Diese konkrete Billigkeitskontrolle zählt ebenfalls nicht zu den von § 75 I BetrVG in Bezug genommenen Grundsätzen der Billigkeit. a) Fehlen einer Rechtsgrundlage Auch für eine solche Kontrolle fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Insoweit kann auf die Erkenntnisse dieser Untersuchung zur Rechtfertigung einer abstrakten Billigkeitskontrolle verwiesen werden. Läßt sich eine solche rechtsgestaltende Kontrolle anhand allgemeiner Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen bereits nicht auf abstrakter Ebene rechtfertigen, so kann für eine solche Kontrolle im konkreten Einzelfall nichts anderes gelten. Zudem widerspräche die mit der konkreten Billigkeitskontrolle angesprochene Berücksichtigung der Einzelfallgerechtigkeit dem abstrakt-generellen Charakter des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen.380 Sie wäre damit systemwidrig und ist auch aus diesem Grunde abzulehnen. b) Ergänzung der Betriebsvereinbarung im Wege der Lückenfüllung? Eine konkrete Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen läßt sich im übrigen auch nicht im Wege der ergänzenden Auslegung der nachfolgenden Be-

379 BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4 (obiter dictum); BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3/3R; BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R; BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 21.01.1992 – 3 AZR 21/91 –, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3. Zustimmend R. Höfer/Küpper, BB 1982, 565 (567); Löwisch, DB 1983, 1709 (1713). 380 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 310 i.V. m. S. 204; Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 531; ähnlich Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 70.

332 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

triebsvereinbarung durch Einfügung einer Härteklausel rechtfertigen.381 Eine ergänzende Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen nach den §§ 133, 157 BGB kommt wegen des Normcharakters ohnehin nicht in Betracht, allenfalls ist an eine Lückenfüllung durch Rechtsfortbildung zu denken. Insbesondere die größere Sachnähe der Betriebspartner gebietet insoweit jedoch äußerste Zurückhaltung der Gerichte. Eine Lückenschließung durch die Arbeitsgerichte ist lediglich dann zulässig, wenn sie in der bestehenden Regelung gewissermaßen vorgezeichnet ist und sie die im Wege der Vertragsverhandlungen zwischen den Betriebspartnern gefundene Kompromißlinie nicht einseitig zu Lasten einer Seite abändert.382 Doch bereits der Nachweis einer Regelungslücke dürfte in aller Regel nicht möglich sein. Ansonsten würde nämlich den Betriebsparteien unterstellt, daß sie bei Abschluß einer verschlechternden Betriebsvereinbarung davon ausgegangen seien, daß übermäßige nachteilige Folgen durch diese nicht eintreten könnten und daß die verschlechternde Betriebsvereinbarung derartige Härtefälle nicht abschließend regeln solle.383 Ein solcher Wille aber bleibt angesichts des Einbezugs auch der von unbilligen Härten betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig eine bloße Fiktion.384 Nur wenn im Einzelfall ein solcher Wille der Betriebspartner nachweisbar wäre, wäre dieser ausnahmsweise beachtlich, auch soweit er in der Betriebsvereinbarung nicht zum Ausdruck gekommen ist, da es bei der Ausnahme von belastenden Regelungen wegen unbilliger Härte um Normen geht, welche die Arbeitnehmer ausschließlich begünstigen und den Arbeitgeber ausschließlich belasten. Der am Abschluß der Betriebsvereinbarung beteiligte Arbeitgeber verdient keinen Schutz vor seinem eigenen Regelungswillen, selbst wenn dieser im Wortlaut der Regelung nur unzureichend zum Ausdruck gekommen ist.385 Im Regelfall muß aber eine solche rechtsfortbildende Ergänzung von Betriebsvereinbarungen um eine Härteklausel im Wege der konkreten Billigkeitskontrolle ausscheiden. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß eine als richterliche Vertragshilfe verstandene konkrete Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen unzulässig ist. Sie gehört damit auch nicht zu den von § 75 I BetrVG in Bezug genommenen Grundsätzen der Billigkeit.

381 So aber wohl BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 , AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4 (obiter dictum); BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/ 80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3/3R. 382 Hierzu bereits eingehend oben § 3 A., S. 92 f. 383 So kritisch Jobs, AuR 1986, 147 (ebd.). 384 Ähnlich Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 140; E. Koenig, Änderung von Betriebsvereinbarungen über betriebliches Entgelt, S. 165. 385 Hierzu bereits eingehend oben § 3 A., S. 92 f.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Diese sind nicht geeignet, den Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen zu erfüllen und besonderen Vertrauenstatbeständen beim Schutz zugesagter Erwerbsaussichten Rechnung zu tragen. Im Bereich der hier interessierenden ausgleichenden Gerechtigkeit rechtfertigen sie weder in abstrakter noch in konkreter Form eine insoweit nutzbar zu machende Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen. III. Grundsätze des Rechts Ist also die Bindung der Betriebspartner an die Grundsätze der Billigkeit gemäß § 75 I BetrVG nicht geeignet, den Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen zu erfüllen und besonderen Vertrauenstatbeständen beim Schutz zugesagter Erwerbsaussichten Rechnung zu tragen, ist im folgenden zu prüfen, inwieweit die dort in Bezug genommenen Grundsätze des Rechts einen solchen Schutz ermöglichen. Dabei ist zunächst – 1. – auf die Möglichkeit jedenfalls eines Anwartschafts- und Anspruchsschutzes über § 17 III 3 BetrAVG in Verbindung mit den §§ 1b I, 2 I BetrAVG einzugehen. Sodann – 2. – sind die Perspektiven zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen und zur Berücksichtigung besonderer Vertrauenstatbestände beim Schutz zugesagter Erwerbsaussichten im Wege einer mittelbaren Grundrechtseinwirkung, insbesondere der für die ausgleichende Gerechtigkeit relevanten Art. 14 I, 12 I GG über § 75 I BetrVG zu untersuchen. Dabei wird sich zeigen, daß § 75 I BetrVG nur mittelbar über die in Bezug genommenen Generalklauseln des Zivilrechts eine solche Perspektive eröffnet. Bevor hierauf zurückgegriffen werden kann, ist im konkreten Einzelfall immer zu fragen, ob nicht vorrangige, spezifisch betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze eine Lösungsperspektive eröffnen. Dies weist bereits den Weg zu einer Lösung über den betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.386 1. Rechtskontrolle anhand von § 17 III 3 BetrAVG in Verbindung mit den §§ 1b I, 2 I BetrAVG? Dem Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen kann nicht bereits durch Anwendung von § 17 III 3 BetrAVG in Verbindung mit den §§ 1b I, 2 I BetrAVG genügt werden.

386

Dazu unten sub C., S. 336 ff.

334 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Gemäß § 1b I BetrAVG bleiben einem Arbeitnehmer, welchem Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, die zeitanteilig erdienten Anwartschaften erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet387 und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat. Die Höhe dieser unverfallbaren Anwartschaft berechnet sich gemäß § 2 I 1 BetrAVG grundsätzlich nach dem Verhältnis der bis zum Ausscheiden erreichten zu der bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung388 erreichbaren Betriebszugehörigkeit. Von diesen Bestimmungen kann gemäß § 17 III 3 BetrAVG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, mit der Folge, daß abweichende Vereinbarungen unwirksam sind. Bereits nach ihrem Wortlaut schränken die §§ 1b, 2 BetrAVG lediglich die Verfallbarkeit von Anwartschaften für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers ein. Die §§ 1b, 2 BetrAVG betreffen damit zwar die Vereinbarungsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien389 und auch der Betriebspartner, soweit diese Regelungen über eine betriebliche Altersversorgung treffen. Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit bezieht sich jedoch lediglich auf die Zulässigkeit von Verfallklauseln. Ein Schutz vor Verschlechterung von Anwartschaften und Ansprüchen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen ist insoweit nicht gewährleistet. Mit Eintritt der Unverfallbarkeit wird lediglich eine eventuell vorhandene Verbleibebedingung unwirksam. Die Anwartschaft des Arbeitnehmers ändert sich daher nicht qualitativ, sondern lediglich nach Maßgabe des § 2 BetrAVG quantitativ.390 Es war erklärtes Regelungsziel des Gesetzgebers, lediglich die Wirkung von Verfallklauseln einzuschränken.391 Auch die objektiv-teleologische Betrachtung des § 1b I 1 BetrAVG ergibt keinen anderen Regelungszweck, als die Vertragsfreiheit hinsichtlich der Verfallklauseln einzuschränken.392 Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht möglich, die §§ 1b, 2 BetrAVG über ihren Wortlaut hinaus auch zur Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen einzusetzen, sei es im Wege der extensiven Auslegung, der Analogie oder der Anwendung als Rechtsgedanke. Dies aber wäre die notwendige Konsequenz, wenn man in den Unverfallbarkeitsvorschriften eine unabdingbare Rechtsfolgenanordnung sähe.393 Unverfallbare Versorgungsanwartschaften wären dann 387

Zur Rechtslage ab 01.01.2009 vgl. die Anm. auf S. 117 in Fn. 635. So die Rechtslage seit 01.01.2008, vgl. dazu die Anm. auf S. 161 in Fn. 862. 389 Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (49). 390 Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (49); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 323; Schulin, DB 1984, Beilage Nr. 10, 1 (8); ähnlich Reichold, Gedenkschrift für Blomeyer, S. 275 (295 f.). 391 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache 7/1281, S. 19 f. zu A I 2. 392 ErfK7 /Steinmeyer, § 1b BetrAVG Rz. 3. 393 Loritz, RdA 1991, 65 (78); ähnlich R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2971. 388

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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nicht mehr durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen entziehbar. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes hat sich auf eine ähnliche Argumentation gestützt, als er bei der Änderung einer Unterstützungskassenversorgung den Teil der Versorgungsanwartschaft für unveränderbar erklärte, der dem „Arbeitnehmer selbst dann nicht mehr entzogen werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis zur Zeit der Neuregelung beendet würde oder der Arbeitgeber Konkurs anmelden müßte.“394 Weiterungen im Hinblick auf ein Verständnis der Unverfallbarkeitsvorschriften als unabdingbare Rechtsfolgenanordnung hat der Dritte Senat jedoch hieraus zu Recht nicht gefolgert. Für eine andere Sichtweise kann als Argument insbesondere nicht § 7 II BetrAVG herangezogen werden, der die unverfallbaren Anwartschaften der Arbeitnehmer neben den aufrechterhaltenen der Ausgeschiedenen in den Insolvenzschutz mit einbezieht.395 Denn diese Vorschrift hat Ausnahmecharakter, da sie die Anwartschaften und Ansprüche der Arbeitnehmer aus einer Versorgungszusage über den Schutzbereich des bürgerlichen Schuldrechts hinaus gegen insolvenzbedingte Wertverluste schützt.396 Rückschlüsse auf den hier zu untersuchenden Schutz von Anwartschaften jenseits der Insolvenz des Arbeitgebers lassen sich hieraus daher nicht ziehen. Daher können die §§ 1b, 2 BetrAVG über ihren Wortlaut hinaus auch nicht zur Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung nutzbar gemacht werden. Dem entspricht es im übrigen, wenn der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes für seine Vertrauensschutzrechtsprechung nicht auf die Unverfallbarkeit abstellt, sondern auf die Vorleistung des Arbeitnehmers.397 Dem Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung kann daher nicht bereits durch Anwendung von § 17 III 3 BetrAVG in Verbindung mit den §§ 1b I, 2 I BetrAVG genügt werden. 2. Mittelbare Grundrechtseinwirkung direkt über § 75 I BetrVG? Dem Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen und zur Gewährleistung besonderen Vertrauensschutzes bei Eingriffen in zugesagte Erwerbsaussichten kann auch nicht über eine mittelbare Grund394 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4. 395 So aber R. Höfer, BetrAVG, § 1b Rz. 2972 f. 396 Blomeyer, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (49). 397 Für eine Unterstützungskassenrichtlinie BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R. Ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 120. Anders noch BAG, Urteil vom 24.11.1977 – 3 AZR 732/76 –, AP Nr. 177 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 4.

336 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

rechtseinwirkung, insbesondere des Art. 14 I GG und des Art. 12 I GG via § 75 I BetrVG genügt werden. § 75 I BetrVG selbst stellt jedenfalls für die den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit abdeckenden Freiheitsgrundrechte keine unmittelbare Einwirkungsnorm dar.398 § 75 I BetrVG verweist hinsichtlich der ausgleichenden Gerechtigkeit nämlich lediglich auf die Grundsätze des Rechts und der Billigkeit, ohne diese selbst zu bestimmen.399 Die Freiheitsgrundrechte können daher lediglich über die durch die Grundsätze des Rechts in Bezug genommene Zivilrechtsordnung und die darin enthaltenen Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe Wirkung entfalten, etwa über die §§ 138, 242 BGB. Diese sind jedoch gegenüber den spezielleren, spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen Wertungen subsidiär. Im folgenden400 wird zu zeigen sein, daß die für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit relevanten Freiheitsgrundrechte über die Pflicht gemäß § 75 II 1 BetrVG, die freie Entfaltung der Arbeitnehmerpersönlichkeit zu schützen und zu fördern, hinreichend Berücksichtigung finden, so daß für eine über § 75 I BetrVG in Verbindung mit den §§ 138, 242 BGB vermittelte Grundrechtseinwirkung in der Regel kein Raum bleibt. Denn § 75 II 1 BetrVG implementiert für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in das Betriebsverfassungsgesetz.

C. Perspektiven des Schutzes über den betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Dem Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zum Schutz erdienter Anwartschaften und Ansprüche vor nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen und zur Berücksichtigung besonderer Vertrauenstatbestände bei Eingriffen in zugesagte Erwerbsaussichten hat dieser durch die Implementierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in das Betriebsverfassungsgesetz Genüge getan. § 75 II 1 BetrVG implementiert für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in das Betriebsverfassungsgesetz. Verstößt eine betriebliche Regelung hiergegen, ist sie grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtig. Dem entspricht es jedenfalls im Ergebnis, wenn der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes in ständiger Rechtsprechung401 nachfolgende Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes überprüft. Der Vertrauensschutz ist – wie bereits oben in § 7 gezeigt wurde402 – bei 398 Auf § 75 I BetrVG abstellend aber GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 294; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 134 f. 399 Vgl. S. 321 Fn. 323. 400 Sogleich § 9 C., S. 336 ff. 401 Vgl. S. 323 Fn. 330. 402 Vgl. oben § 7 E., S. 299 ff.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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grundrechtsrelevanten Eingriffen in die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu integrieren. Im folgenden ist zunächst – I. – die Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln. Sodann – II. – ist vor dem Hintergrund der materiellen Richtigkeitsvermutung für die von Betriebspartnern getroffenen Regelungen die Intensität einer solchen Verhältnismäßigkeitskontrolle zu hinterfragen, um schließlich – III. – Kriterien zur Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zu ermitteln. I. Rechtsgrundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes In Rechtsprechung403 und Literatur404 ist anerkannt, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner Schranken setzt. Dies muß schon vor dem Hintergrund gelten, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeiner Rechtsgrundsatz überall dort Geltung beansprucht, wo eine Norm Rechtsausübung mit Wirkung für Dritte zuläßt.405 Die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Betriebsverfassungsrecht braucht 403 Vgl. neben den auf S. 323 in Fn. 330 genannten Entscheidungen BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 11R; BAG, Urteil vom 03.11.1987 – 8 AZR 316/81 –, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.07.2000 – 1 AZR 551/99 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung, Bl. 3/3R; BAG, Urteil vom 15.11.2000 – 5 AZR 310/99 –, AP Nr. 84 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 –, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 14.12.2004 – 1 ABR 34/03 –, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3. 404 Vgl. etwa Ahrens, NZA 1999, 686 (689); Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 128; Blomeyer, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 17 (25); denselben, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (53 f.); Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 74 ff., 76; Canaris, AuR 1966, 129 (136 f., 138); denselben, JuS 1989, 161 (167); Däubler, AuR 1984, 1 (9); ErfK7 /Dieterich, Einl. GG Rz. 60; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 114 ff., 116; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 155 ff., zusammenfassend S. 169; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 306; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 29, 34; Preis/Greiner, Festschrift für Rüfner, S. 653 (668 bei Fn. 78, 669 bei Fn. 81); Reichold, Anm. AP Nr. 84 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R, 5; Reuter, ZfA 1993, 221 (240); denselben, RdA 1994, 152 (159); Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 41; Rüthers, in: Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (36); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 213 f. 405 Belling, Die Haftung des Betriebsrats, S. 169; Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 127; Blomeyer, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 17 (18, 21, 22, 25); P. Hanau, Festschrift für Zeuner, S. 53 (60); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 213.

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dabei jedoch nicht auf die Grundsätze des Rechts406 oder der Billigkeit407 im Sinne von § 75 I 1 BetrVG, den Norm- und Zwangscharakter der Betriebsvereinbarung408 oder gar einen überpositiven verfassungsrechtlichen Grundsatz409 zurückgeführt werden. Sie ergibt sich bereits aus dem für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit spezielleren § 75 II 1 BetrVG.410 Im folgenden ist – 1. – anhand des Schutzgutes des § 75 II 1 BetrVG dessen Anwendungsbereich zu bestimmen und – 2. – die Implementation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch § 75 II 1 BetrVG im einzelnen herzuleiten. 1. Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers als Schutzgut des § 75 II 1 BetrVG § 75 II 1 BetrVG nimmt in seinem Wortlaut auf die Wertung des Art. 2 I GG Bezug, bindet die Betriebspartner jedoch nicht unmittelbar an diese Norm.411 Letzteres wäre ohne Qualitätsveränderung auch gar nicht möglich, da die Grundrechte gemäß Art. 1 III GG unmittelbar nur die staatliche Gewalt binden412 und 406 So aber Ahrens, NZA 1999, 686 (689); Blomeyer, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 17 (25); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 306; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 29 [anders aber Rz. 34]; Reuter, ZfA 1993, 221 (240); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 213 f.; Hess/Schlochauer/Worzalla/ Glock, BetrVG6, § 75 Rz. 4. 407 So aber zu § 51 BetrVG 1952 Canaris, AuR 1966, 129 (138); Rüthers, in: Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (36). Zum BetrVG 1972 neben den Grundsätzen des Rechts auch die Billigkeit einbeziehend Blomeyer, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 17 (25). 408 So aber Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 128; Herrmann, Anm. SAE 1992, 295 (298); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 155 ff., zusammenfassend S. 169; Reichold, Anm. AP Nr. 84 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R. Ähnlich Canaris, JuS 1989, 161 (167): Analogie zu Art. 1 III GG. 409 So aber Blomeyer, Festschrift 25 Jahre BAG, S. 17 (25); derselbe, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 41 (53 f.). 410 Ohne Differenzierung zwischen ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit auf § 75 II 1 BetrVG abstellend auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 74 ff., 76; Däubler, AuR 1984, 1 (9); ErfK7 /Dieterich, Einl. GG Rz. 60; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 114 ff., 116; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 77 Rz. 34 [anders aber Rz. 29]; Preis/Greiner, Festschrift für Rüfner, S. 653 (669); Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 41. Für spezifische Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 4; BAG, Beschluß vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 –, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 14.12.2004 – 1 ABR 34/03 –, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3. 411 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 112; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 89 m.w. N. Anderer Ansicht Riedel, ArbRGeg 14 (1977 – Dok. 1976), 79 (91); unter Zugrundelegung der oben in § 6 B, S. 238 ff., widerlegten Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch Haneberg, § 75 BetrVG 1972 – Recht und Pflichten, S. 36, 40 f. 412 GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 89 i.V. m. Rz. 30.

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sich die Gesetzesvorbehalte ersichtlich nur an den Gesetzgeber richten.413 Jedoch konkretisiert und positiviert § 75 II 1 BetrVG das Grundrecht aus Art. 2 I GG für die besondere Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb,414 führt damit auch die Grundsätze der spezielleren Freiheitsrechte des Grundgesetzes in das Betriebsverfassungsgesetz ein415 und bindet so die Betriebspartner auch beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen.416 Dadurch ist insoweit auch eine arbeitsgerichtliche Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen eröffnet.417 § 75 II 1 BetrVG schützt die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers in einem umfassenden Sinn.418 Hierfür spricht der an Art. 2 I GG angelehnte Wortlaut des § 75 II 1 BetrVG419 ebenso wie die Historie. Die Norm geht, wie auch die Individualrechte der §§ 81 ff. BetrVG, auf den am 29.01.1971 vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück. Nach dessen Begründung zu § 75 II 1 BetrVG sollte die Vorschrift einer verstärkten Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte auch im Arbeitsleben Rechnung tragen, indem Arbeitgeber und Betriebsrat auf den Schutz der Persönlichkeit des einzelnen Arbeitnehmers und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit verpflichtet wurden.420 Mit der Differenzierung zwischen dem Schutz der Persönlichkeit einerseits und der freien Entfaltung der Persönlichkeit andererseits wird deutlich, daß sich die Verpflichtung 413

Canaris, JuS 1989, 161 (162, 167). M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 112; Isele, Festschrift für Schwinge, S. 143 (146). 415 BAG GS, Beschluß vom 07.11.1989 – GS 3/85 –, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 11.07.2000 – 1 AZR 551/99 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung, Bl. 3; BAG, Beschluß vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 –, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 2R; BAG, Beschluß vom 14.12.2004 – 1 ABR 34/03 –, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 2R („insbesondere“ das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit); Belling, Die Haftung des Betriebsrates, S. 205, 212 f.; Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 70; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 116 f.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 218; Löwisch, AuR 1972, 359 (ebd.); Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 38; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 245. 416 BAG, Urteil vom 21.08.1990 – 1 AZR 567/89 –, AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 3R (für das Persönlichkeitsrecht); Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 70; ErfK7 /Dieterich, Einl. GG Rz. 60; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 112, 113; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 218; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 51; Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 41. 417 ErfK7 /Dieterich, Einl. GG Rz. 60; Löwisch, AuR 1972, 359 (ebd.). 418 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 25, 27; diesem folgend Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 71. 419 BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 11.07.2000 – 1 AZR 551/99 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung, Bl. 3; Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 71. 420 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache VI/1786, S. 46. 414

340 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

der Betriebspartner sowohl auf die passive als auch auf die aktive Dimension des Persönlichkeitsrechtes erstreckt. Damit aber erstreckt sich der Schutz nicht nur auf die anerkannten zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechte, den der passiven Dimension zuzurechnenden Persönlichkeitskern, sondern auch auf jede aktive, selbstbestimmte Tätigkeit.421 Bestätigt wird dies durch den in der Begründung des Regierungsentwurfes zum Betriebsverfassungsgesetz in Bezug genommenen422 Bericht der Mitbestimmungskommission, in welchem die Forderung nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betrieb und Unternehmen auf die Menschenwürde, die unveräußerlichen Menschenrechte und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 und 2 GG) der Arbeitnehmer zurückgeführt wurde.423 Dieser Bezug zum Recht der Arbeitnehmer auf freie Persönlichkeitsentfaltung rechtfertigt ein an Art. 2 I GG angelehntes Verständnis dieses Begriffes.424 Art. 2 I GG schützt aber nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht nur den Kernbereich der menschlichen Persönlichkeit, sondern auch die Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinn.425 Denn seine Persönlichkeit kann nur derjenige frei entfalten, der auch befugt ist, frei zu handeln.426 Für § 75 II 1 BetrVG gilt entsprechendes. Vor diesem Hintergrund schützt § 75 II 1 BetrVG auch nicht nur die immaterielle Seite der Arbeitstätigkeit,427 sondern auch die bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich interessierende materielle Seite.428 Für einen Schutz der lediglich immateriellen Seite der Arbeitstätigkeit spricht auch nicht die Entstehungsgeschichte des § 75 II 1 BetrVG. Zwar war von materiellen Interessen der Arbeitnehmer bei den parlamentarischen Beratungen nicht die Rede. Ein Schluß von dem diesbezüglichen Schweigen des Gesetzgebers auf den Ausschluß materieller Interessen aus dem Schutzbereich des § 75 II 1 BetrVG429 ließe jedoch den materiellen Hintergrund eines jeden Arbeitsverhält421

M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 25; diesem folgend Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 71. 422 Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucksache VI/1786, S. 31. 423 Mitbestimmungskommission, BT-Drucksache VI/334, S. 56. 424 Im Ergebnis ebenso Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 71; Hallenberger, Die Pflicht des Arbeitgebers zur Förderung der freien Persönlichkeitsentfaltung nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, S. 45; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 25. 425 Grundlegend BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32 (36 f.). 426 Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht2, S. 175. 427 So aber Hallenberger, Die Pflicht des Arbeitgebers zur Förderung der freien Persönlichkeitsentfaltung nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, S. 56 f.; v. Hoyningen-Huene, Festschrift für Kissel, S. 387 (409 f.). 428 Explizit M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 26; Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 39. Bezogen auf die Förderungspflicht auch GK-BetrVG8 / Kreutz, § 75 Rz. 119.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

341

nisses außer acht. Die Arbeitsleistung wird gerade um der Vergütung willen erbracht. Jede Handlung eines Arbeitnehmers im Betrieb hat damit mindestens mittelbar einen materiellen Bezug. Im Hinblick auf den Schutz der Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers ist daher eine Unterscheidung zwischen Handlungen mit immateriellem Bezug und solchen mit materiellem Bezug nicht sinnvoll zu begründen. Hinzu tritt, daß § 75 II 1 BetrVG auf Art. 2 I GG Bezug nimmt und damit die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers unabhängig davon schützt, ob diese immateriellen oder materiellen Interessen dient. Auch beeinträchtigt eine solche Deutung des § 75 II 1 BetrVG nicht die Koalitionsfreiheit. Auch wenn der Schutz der Persönlichkeitsentfaltung des Arbeitnehmers durch § 75 II 1 BetrVG die Wahrnehmung von Vermögensinteressen umfaßt, handelt es sich damit nicht um eine staatliche Regelung, welche die Tarifautonomie verletzten könnte.430 Eine solche Sichtweise ließe nämlich außer acht, daß im Bereich individualvertraglicher Regelungen § 4 I, III TVG und im Bereich betrieblicher Regelungen die §§ 87 I Eingangssatz, 77 III BetrVG die Tarifautonomie sicherstellen, § 75 II 1 BetrVG diese Vorschriften aber unberührt läßt.431 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß § 75 II 1 BetrVG als einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 2 I GG und aller speziellen Freiheitsgrundrechte die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers in einem umfassenden Sinn schützt. Dies gilt sowohl für Betätigungen mit immateriellem als auch für solche mit materiellem Hintergrund. § 75 II 1 BetrVG bindet die Betriebspartner auch beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen und ermöglicht so die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen. Deren Kriterien sind im folgenden zu konkretisieren. 2. Implementation des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich ausgleichender Gerechtigkeit Die Verpflichtung der Betriebspartner, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, setzt stillschweigend voraus, daß Arbeitgeber und Betriebsrat bei ihren Maßnahmen das Recht des Arbeitnehmers auf freie Persönlichkeitsentfaltung nicht verletzen dürfen.432 Da § 75 II 1 BetrVG so das Grundrecht aus Art. 2 I GG für die 429 So aber Hallenberger, Die Pflicht des Arbeitgebers zur Förderung der freien Persönlichkeitsentfaltung nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, S. 56. 430 So aber Hallenberger, Die Pflicht des Arbeitgebers zur Förderung der freien Persönlichkeitsentfaltung nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, S. 56 f. 431 M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 26 f. 432 Hallenberger, Die Pflicht des Arbeitgebers zur Förderung der freien Persönlichkeitsentfaltung nach § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz, S. 68 m.w. N.; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 114; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 93 m.w. N.; Löwisch, AuR 1972, 359 (ebd.).

342 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

besondere Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb konkretisiert und positiviert und zugleich die Grundsätze der spezielleren Freiheitsrechte des Grundgesetzes in das Betriebsverfassungsgesetz einführt, ergibt sich hieraus auch die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Institut zur Beschränkung von Eingriffen in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Arbeitnehmers.433 Ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Arbeitnehmers durch Betriebsvereinbarung ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn er um eines Rechtsgutes willen erfolgt, zu dessen Schutz die Betriebspartner berechtigt oder verpflichtet sind.434 Damit ist zugleich der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß § 75 II 1 BetrVG bestimmt. Er beschränkt sich auf den Schutz freiheitsgrundrechtsrelevanter Positionen der Arbeitnehmer und bezieht sich damit ausschließlich auf den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa). Wie noch im einzelnen darzulegen sein wird,435 kann gleichwohl bei der Anwendung des § 75 II 1 BetrVG im Rahmen der Mitbestimmung im Entgeltbereich, und damit auch bei der betrieblichen Altersversorgung, die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva)436 nicht außer Betracht bleiben. Die Betriebspartner sind auch an den Zweck des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG gebunden, die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen. Es besteht eine Bindung an diese sogenannte horizontale Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung, welche der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtet ist. Insoweit besteht wiederum ein untrennbarer Zusammenhang mit der ausgleichenden Gerechtigkeit, da man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verteilen kann, ohne zugleich den Wert der zu erbringenden Gegenleistung des einzelnen Arbeitnehmers zu bestimmen.437 Dieses Verständnis des § 75 II 1 BetrVG ist auch mit der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes vereinbar, Arbeitgeber und Betriebsrat mit einer betrieblichen Rechtsetzungsmacht auszustatten, bei welcher grundsätzlich eine

433 BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.07.2000 – 1 AZR 551/99 –, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung, Bl. 3/3R; BAG, Beschluß vom 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 –, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3R; BAG, Beschluß vom 14.12.2004 – 1 ABR 34/03 –, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, Bl. 3; Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 76; M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 116; Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 41. 434 Vgl. in bezug auf die Selbstbestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 116. 435 Sogleich in § 9 C. II., S. 344 ff., insbesondere § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., und § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 436 Zur austeilenden Gerechtigkeit (iustitia distributiva) vgl. ausführlich unten in den §§ 10, 11 dieser Untersuchung (S. 386 ff., 396 ff.). 437 Hierzu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

343

Richtigkeitsvermutung für die getroffenen Regelungen besteht.438 Denn die Bindung der Betriebspartner an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Eingriff in freiheitsgrundrechtsrelevante Positionen der Arbeitnehmer ist Ausdruck der Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers, derer dieser sich nicht entledigen kann, wenn er durch eine Rechtsnorm private Rechtsetzung mit zwingender Wirkung für Dritte zuläßt.439 Eine andere Frage jedoch ist, inwieweit die Richtigkeitsvermutung der Betriebsvereinbarung bei deren gerichtlicher Überprüfung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sich auf die Prüfungsintensität auswirkt.440 Bevor diese Frage geklärt werden kann, ist jedoch die personelle Reichweite des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bestimmen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 75 II 1 BetrVG bezieht sich diese Bindung nur auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer; ausgeschiedene Arbeitnehmer und Ruheständler fallen nicht unmittelbar hierunter.441 Jedoch ist § 75 II 1 BetrVG – ebenso wie § 75 I BetrVG442 – jedenfalls entsprechend anzuwenden, soweit sich die Betriebsverfassung auch auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Ruheständler erstreckt.443 Dies muß schon aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit gelten. Damit bindet § 75 II 1 BetrVG aber die Betriebspartner bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auch insoweit, als diese nach den Ausführungen in § 5 dieser Untersuchung bereits Ausgeschiedene und Ruheständler erfassen. Festzuhalten bleibt, daß § 75 II 1 BetrVG als einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 2 I GG und aller spezielleren Freiheitsgrundrechte die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers in einem umfassenden Sinn schützt. Dies gilt für Betätigungen mit immateriellem wie mit materiellem Hintergrund. § 75 II 1 BetrVG bindet die Betriebspartner auch beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen und ermöglicht so die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen. Ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Arbeitnehmers durch Betriebsvereinbarung ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn er um eines Rechtsgutes willen erfolgt, zu dessen Schutz die Betriebspartner berechtigt oder verpflichtet sind. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß § 75 II 1 BetrVG beschränkt sich auf den Schutz freiheitsgrundrechtsrelevanter Positionen der Arbeitnehmer und bezieht sich damit auf den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa). § 75 II 1 438 439 440 441 442 443

Dazu bereits oben § 7 C. II., S. 271 ff., zusammenfassend § 7 C. II. 3. d), S. 294. Dazu bereits oben § 6 A., S. 236 ff. Dazu sogleich sub II., S. 344 ff. GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 17. Dazu bereits oben § 9 B. I., S. 320. Fitting, BetrVG23, § 75 Rz. 13; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 17.

344 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

BetrVG ist auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner jedenfalls entsprechend anzuwenden, soweit diese von betrieblichen Regelungen erfaßt werden. Letzteres ist namentlich im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Fall. II. Intensität der Verhältnismäßigkeitsprüfung Die in § 75 II 1 BetrVG normierte Bindung der Betriebspartner an die Freiheitsgrundrechte der Arbeitnehmer und damit auch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Eingriff in Arbeitnehmerrechte unterscheidet sich nicht nur rechtstechnisch, sondern auch qualitativ von der Bindung des einfachen Gesetzgebers gemäß Art. 1 III GG. Da die Betriebspartner beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen ihre durch das Betriebsverfassungsgesetz gewährleistete Betriebsautonomie ausüben und insoweit eine Richtigkeitsvermutung für die von ihnen getroffenen Regelungen besteht,444 liefe es der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung zuwider, wenn man die Arbeitnehmer belastende Betriebsvereinbarungen einer uneingeschränkten gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwürfe.445 Ob insoweit die Gefahr einer nicht gerechtfertigten,446 verdeckten Inhaltskontrolle besteht,447 mag zwar bezweifelt werden, da eine Überprüfung anhand der rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes Rechtskontrolle ist448 und dies auch solange bleibt, wie bei ihrer Durchführung Wertungen des Gesetzes und der Betriebspartner nicht durch solche des Gerichtes ersetzt werden. Es zeigt sich jedoch die Notwendigkeit einer Konkretisierung der Abwägungsmaßstäbe anhand gesetzlicher Wertungen.449 Bevor eine solche erfolgen kann, ist die Justitiabilität der Bindungen des Gesetzgebers an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Regelungen im Bereich 444

Dazu bereits oben § 7 C. II., S. 271 ff., zusammenfassend § 7 C. II. 3. d), S. 294. Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 76 f.; Canaris, AuR 1966, 129 (138 f.); Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen, S. 67; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 218 f. (für materielle Arbeitsbedingungen). 446 Zur Rechtfertigung gerichtlicher Inhaltskontrolle vgl. oben § 7 C. II., S. 274 bei Fn. 136 f. 447 Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 77. Weitergehend Singer, ZfA 1995, 611 (615), der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Prüfungsmaßstab der vertraglichen Inhaltskontrolle gleichstellt. 448 BAG, Urteil vom 29.10.2002 – 1 AZR 573/01 –, AP Nr. 18 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, Bl. 3R; Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 208; Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 530; derselbe, Anm. RdA 2003, 293 (296); Heither, ArbRGeg 31 (1994 – Dok. 1993), 55 (67 f.); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 161. 449 Zur Notwendigkeit der Rückkopplung an die Rechtsordnung auch Griebeling, Festschrift für Ahrend, S. 208 (212). 445

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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der ausgleichenden Gerechtigkeit nochmals zu rekapitulieren, um sodann zu analysieren, inwieweit die Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes diesen Anforderungen genügt. 1. Justitiabilität der gesetzgeberischen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Regelungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit Eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung von in grundrechtsrelevante Positionen der Arbeitnehmer eingreifenden Betriebsvereinbarungen ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zum Schutz von Anwartschaften und Ansprüchen aus älteren Betriebsvereinbarungen vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen ebensowenig geboten wie bei der Gewährleistung besonderen Vertrauensschutzes hinsichtlich zugesagter Erwerbsaussichten. Schutzdefizite können insoweit nicht vorliegen, wenn der Prüfungsmaßstab bei der vom Gericht im Rahmen der Rechtskontrolle der Betriebsvereinbarung anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sich an den Bindungen des Privatrechtsgesetzgebers selbst orientiert und diese adaptiert. Insoweit rechtfertigt sich die Kontrollüberlegung, in welchem Maße der Gesetzgeber selbst einer (verfassungs-)gerichtlichen Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgesetzt wäre, wenn er die Verschlechterung selbst vornähme. Hierbei kann an die Ausführungen in § 7 angeknüpft werden. Der Gesetzgeber hat sowohl bei der Wahl der von ihm verfolgten Zwecke als auch bei der Wahl der zu ihrer Umsetzung geeigneten Mittel einen weiten Ermessensspielraum. Er kann grundsätzlich jeden verfassungsrechtlich zulässigen Zweck verfolgen und dazu jedes verfassungsrechtlich zulässige Mittel einsetzen.450 Daher überprüft das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung lediglich, ob zur Zweckerreichung offensichtlich ungeeignete Mittel eingesetzt werden.451 Auch auf der zweiten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung, der Erforderlichkeit, fragt das Bundesverfassungsgericht wegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers lediglich, ob sich zur Durchsetzung der gesetzgeberischen Ziele mildere Mittel geradezu aufdrängen.452 Auch auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, der Angemessenheit, überläßt das Bundesverfassungsgericht es dem einfachen Gesetzgeber weitgehend, die hier erforderliche Güterabwägung selbst vorzunehmen.453 Die Gerichte dürfen insoweit den Entscheidungen des Gesetzgebers die Anerkennung nur versagen, 450 451 452 453

Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 280. Zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. S. 252 Fn. 17. Zu diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab vgl. S. 296 Fn. 238. Vgl. S. 299 Fn. 253.

346 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

„wenn sie offensichtlich fehlsam sind oder der Wertordnung des Grundgesetzes widersprechen“.454 Es wird geprüft, ob „bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.“455 Der Prüfungsmaßstab ist also auch insoweit auf evidente Fehler beschränkt. Wenn jedoch, etwa bei der unechten Rückwirkung beziehungsweise tatbestandlichen Rückanknüpfung von Gesetzen, Vertrauensschutzaspekte zu berücksichtigen sind, nimmt das Bundesverfassungsgericht eine solche Einschränkung des Prüfungsmaßstabes auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit regelmäßig nicht vor.456 Lediglich bei Stichtagsregelungen im Zusammenhang mit der vertrauenszerstörenden Ankündigung einer Neuregelung erkennt das Bundesverfassungsgericht einen Regelungsspielraum des Gesetzgebers an.457 Ein verfassungsrechtlich relevantes Schutzdefizit ist mithin nicht zu besorgen, wenn sich die Überprüfung von in freiheitsgrundrechtsrelevante Positionen der Arbeitnehmer eingreifenden Betriebsvereinbarungen bei der Beurteilung von Zwecksetzung, Geeignetheit und Erforderlichkeit der verschlechternden Regelung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus den Art. 14 I, 12 I GG ist bereits Genüge getan, wenn auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine strikte Abwägung des schützenswerten Vertrauens des einzelnen Arbeitnehmers in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Abänderungsinteresse der Betriebspartner erfolgt. 2. Justitiabilität der Bindung der Betriebspartner an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Regelungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit Im folgenden ist daher zu prüfen, inwieweit das Betriebsverfassungsgesetz diesen Anforderungen genügt. Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an den Zweck der kontrollierten Regelung anknüpft, ist zunächst – a) – die diesbezügliche Kontrolldichte auszuloten, bevor – b) – die Prüfungsintensität bezüglich der drei Stufen der Verhältnismäßigkeit – Geeignetheit des Mittels zur Zweckerreichung, Erforderlichkeit und Angemessenheit – überprüft werden kann.

454

Vgl. S. 300 Fn. 254. Vgl. S. 300 Fn. 255. 456 Vgl. BVerfG, Beschluß vom 05.02.2002 – 2 BvR 305, 348/93 –, BVerfGE 105, 17 (37); BVerfG, Beschluß vom 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 –, BVerfGE 95, 64 (86); BVerfG, Beschluß vom 13.05.1986 – 1 BvR 99, 461/85 –, BVerfGE 72, 175 (196). 457 Vgl. S. 300 Fn. 257. 455

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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a) Kontrolle der Zwecksetzung Mit der Bindung der Betriebspartner an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Eingriffen in Freiheitsgrundrechte der Arbeitnehmer gemäß § 75 II 1 BetrVG hat der Gesetzgeber den Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung von der Allgemeinheit auf die Betriebsebene übertragen. Maßgeblich für die Abwägung sind die von den Betriebspartnern verfolgten Zwecke und Interessen. Eine solche Verschiebung des Bezugspunktes vom Allgemeinwohl auf die Betriebsebene ist mit dem Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus Art. 14 I GG vereinbar, den Anwartschaftsschutz vor nachfolgenden Betriebsvereinbarungen auf einfachgesetzlicher Ebene sicherzustellen, da es insoweit auf das schutzwürdige Vertrauen in die betriebliche Regelung ankommt. Gleiches gilt für den Schutzauftrag aus Art. 12 I GG, beim Eingriff in zugesagte Erwerbsaussichten besonderen Vertrauenstatbeständen Rechnung zu tragen. Denn das Betriebsverfassungsgesetz – und damit auch § 75 II 1 BetrVG – ist eine grundrechtskonkretisierende Ausübungsregel der Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern, welche durch die objektivrechtliche Schutzfunktion der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 I GG legitimiert ist.458 Bei seiner Ausgestaltung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Regelungsspielraum zu. Vor dem Hintergrund des Vorbehaltes des Gesetzes dürfen Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Arbeitnehmer jedoch nur zur Realisierung eines Rechtsgutes erfolgen, zu dessen Schutz die Betriebspartner nach dem Betriebsverfassungsgesetz berechtigt oder verpflichtet sind.459 Insoweit erlangen § 2 I BetrVG und das jeweils ausgeübte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, bei einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung in Form von Direktzusagen also regelmäßig § 87 I Nr. 10 BetrVG, Relevanz. aa) Bindung an § 2 I BetrVG Die Betriebspartner sind bei der Zwecksetzung betrieblicher Regelungen nicht dem Allgemeinwohl verpflichtet, sondern gemäß § 2 I BetrVG dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.460 § 2 I BetrVG bildet mit seiner Bindung an das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes eine Schranke bei der Zwecksetzung betrieblicher Regelungen,461 ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, 458

Dazu bereits oben § 6 C., S. 241 ff. So in bezug auf die Selbstbestimmungsfreiheit M. Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht, S. 116. 460 Däubler, AuR 1984, 1 (8); Fastrich, RdA 1994, 129 (134); F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 218 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 77 Rz. 295, 291, je m.w. N.; Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 216. 461 Explizit Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 216. Zu § 49 I BetrVG 1952 bereits BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/ 68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 7. 459

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daß beim Abschluß einer Betriebsvereinbarung nur eine beide divergierenden Interessen gleichermaßen berücksichtigende Zweckverfolgung zulässig wäre.462 Für eine solchermaßen enge Bindung gibt bereits der generalklauselartig weite Wortlaut des § 2 I BetrVG nichts her. § 2 I BetrVG setzt den Betriebspartnern nur insoweit Grenzen, als sie in einer Betriebsvereinbarung Regelungen, die ausschließlich dem Wohl entweder der Arbeitnehmer oder aber des Betriebes dienen,463 und Maßnahmen, die keinerlei Bezug zum Wohl von Arbeitnehmern und Betrieb haben, nicht treffen können. Bei einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung dürfte diese Zweckbindung in jedem Falle gewahrt sein. Selbst wenn die Betriebspartner in erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer wegen einer Kürzung des Dotierungsrahmens eingreifen wollen, kann dies letztlich auch dem Wohl der Arbeitnehmer dienen, wenn durch die damit verbundene Kostensenkung die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs steigt und die Arbeitsplätze hierdurch langfristig gesichert werden464 oder der Arbeitgeber Zugeständnisse in anderen Bereichen macht.465 Regelmäßig kommen Regelungen, die dem Wohl des Betriebs dienen, mittelbar auch den Arbeitnehmern zugute.466 Die hierbei von den Betriebspartnern angestellten Erwägungen sind allenfalls eingeschränkt justitiabel. Da der Gesetzgeber dem Arbeitgeber zwecks Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen den Betriebsrat zur Seite gestellt hat und eine Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern im Rahmen ihrer Zweckbindungen getroffenen Regelungen besteht,467 ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Betriebsrat eine in erdiente Anwartschaften eingreifende oder anderweitig für die Arbeitnehmer belastende nachfolgende Betriebsvereinbarung nur dann abschließt, wenn aus seiner Sicht gewichtige Arbeitnehmerinteressen für diesen Eingriff sprechen.468 Entsprechendes gilt für die Verschlechterung zugesagter Erwerbsaussichten durch Eingriffe in nichterdiente Steigerungsraten. § 2 I BetrVG steht damit verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen,

462 So aber Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 216, der den Betriebspartnern insoweit jedoch eine Beurteilungsprärogative zubilligt (S. 219). 463 Ähnlich E. Koenig, Änderung von Betriebsvereinbarungen über betriebliches Entgelt, S. 163: Betriebsvereinbarungen seien dahingehend zu überprüfen, ob eine im ganzen nicht einseitige oder willkürliche Regelung getroffen worden sei. 464 Ähnlich bereits Martens, RdA 1983, 217 (221); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 199. 465 Dazu Rüthers, in: Rüthers/Boldt, Zwei arbeitsrechtliche Vorträge, S. 7 (39). 466 Rieble, Anm. SAE 1992, 199 (200). Dazu vgl. auch bereits oben in Fn. 317. 467 Dazu bereits oben § 7 C. II., S. 271 ff., zusammenfassend § 7 C. II. 3. d), S. 294. 468 Ebenso für belastende Betriebsvereinbarungen Martens, RdA 1983, 217 (221); Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 200. Für verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarungen kann nichts anderes gelten.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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insbesondere im Bereich der betrieblichen Altersversorgung, regelmäßig nicht entgegen. bb) Bindung an den Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes Im Bereich der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten wird der Grundsatz des § 2 I BetrVG konkretisiert und ergänzt durch den Zweck des jeweils ausgeübten Mitbestimmungsrechtes. Bei Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung ist der Zweck des § 87 I Nr. 10 BetrVG zu beachten, die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen. Es besteht eine Bindung an diese der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtete, horizontale Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung. Sie ist insoweit untrennbar mit den hier interessierenden Fragen der ausgleichenden Gerechtigkeit verbunden,469 als man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verteilen kann, ohne zugleich den Wert der zu erbringenden Gegenleistung des einzelnen Arbeitnehmers zu bestimmen.470 Wird eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ausnahmsweise nicht in Ausübung eines Mitbestimmungsrechts abgeschlossen, weil ein solches nicht (mehr) besteht, ist der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts zu beachten, da ein mitbestimmungsfreier actus contrarius in teleologischer Hinsicht nicht größere Regelungsspielräume eröffnet als der mitbestimmungspflichtige actus selbst. Auch insoweit besteht ein weiter Regelungsspielraum der Betriebspartner. Die Verteilung der Regelungskompetenzen auf zwei gleichberechtigte Betriebspartner im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung belegt die gesetzgeberische Erwartung, daß der damit intendierte Kompromiß nicht nur die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern auszugleichen vermag,471 sondern auch darüber hinaus die Interessen der Arbeitnehmer untereinander. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt dem Arbeitgeber den Betriebsrat auch insoweit zur Wahrnehmung des Belegschaftsinteresses zur Seite.472 Dem entspricht es, daß eine Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen besteht, die eine imparitätsgeleitete Inhaltskontrolle ebenso ausschließt473 wie eine imparitätsgeleitete Billigkeitskontrolle.474 Das Vertrauen des Gesetzgebers in die Fähigkeit der Betriebspartner zum Ausgleich auch der Arbeitnehmerinteres469 470 471 472 473 474

Dazu bereits oben § 9 C. I. 2., S. 342 bei Fn. 435. Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 bei Fn. 79. Fastrich, RdA 1999, 24 (31). Zu letzterem vgl. nur Reichold, Sozialprivatrecht, S. 513 f. Dazu bereits oben § 7 C. II., S. 271 ff., zusammenfassend § 7 C. II. 3. d), S. 294. Dazu eingehend oben § 9 B. II. 1. u. 2., S. 322 ff. u. S. 331 ff.

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sen untereinander wird bestätigt durch die auf grobe Fehlerhaftigkeit eingeschränkte Überprüfbarkeit der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen aufgrund von in Betriebsvereinbarungen enthaltenen Auswahlrichtlinien im Sinne des § 95 BetrVG gemäß § 1 IV KSchG sowie gemäß § 1 V 2 KSchG im Rahmen einer Betriebsänderung, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich der Betriebspartner namentlich bezeichnet ist. Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Regelungen der Betriebspartner in personellen Angelegenheiten und der damit verbundenen Auswirkungen für den Fortbestand von Individualarbeitsverhältnissen würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wollte man bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten die Frage, ob die Zwecksetzung einer verschlechternden Betriebsvereinbarung mit der Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung vereinbar ist, einer uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterziehen. Nur mit der Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung schlichtweg unvereinbare Regelungen können daher ausgeschieden werden. Wie bereits eingehend gezeigt wurde,475 ist allein die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung einschlägig, wenn es um eine mögliche Rechtfertigung eines immanenten Vorbehaltes der Abänderung einer Versorgungszusage durch nachfolgende Betriebsvereinbarung geht. Die Ausgleichszweckwidrigkeit einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist damit nicht feststellbar. Im einzelnen: Mit dem Zweck des Ausgleiches divergierender Arbeitnehmerinteressen ist eine nachfolgende Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung selbst dann nicht schlichtweg unvereinbar, wenn nicht die dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterliegenden Verteilungskriterien geändert werden, sondern lediglich der nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegende Dotierungsrahmen gekürzt wird. Jede Kürzung des Dotierungsrahmens betrifft auch die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung, da es für die Struktur des verteilten Entgelts erheblich ist, auf welches Gesamtvolumen sie sich bezieht.476 Ein schlechthin ausgleichszweckwidriges Vorgehen der Betriebspartner ist in einem Eingriff in erdiente Anwartschaften aber nicht zu sehen, da auch insoweit das Verhältnis der Anwartschaften der Arbeitnehmer zueinander geregelt wird.477 Wie bereits festgestellt,478 begründet die Beschränkung des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG auf die Ausgleichsfunktion bei isolierter Betrachtung zudem einen a priori bestehenden, unbeschränkten Vorrang der austeilenden vor der ausgleichenden Gerechtigkeit, 475

Vgl. oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff., § 8 B., S. 314 ff. Vgl. oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. 477 Dies gilt selbst bei einer Kürzung unter Beibehaltung der bisherigen Verteilungskriterien, vgl. oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. 478 Vgl. oben § 7 E. II. 2., S. 308 bei Fn. 291. 476

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der auch bereits erdiente, vom Schutzbereich des Art. 14 I GG erfaßte Anwartschaften dem Solidaritätsprinzip unterwirft, so daß ein Eingriff in erdiente Anwartschaften keineswegs ausgleichszweckwidrig sein kann. Die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung bleibt selbst dann thematisch einschlägig, wenn das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG entfällt, weil kein auszuschüttendes Volumen mehr zur Verfügung steht.479 Die Aufhebung des Dotierungsrahmens ist als actus contrarius zu der mit der älteren Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG zu sehen und betrifft das Verhältnis der Anwartschaften der Arbeitnehmer untereinander. Verbleibt nämlich ausnahmsweise kein Verteilungsvolumen mehr, weil die Betriebspartner es völlig aufheben, ist wegen des damit verbundenen Eingriffes in bereits erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer auch eine Änderung der Verteilungskriterien verbunden, da nun diejenigen Arbeitnehmer, welche bereits eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung erdient haben, mit denjenigen unterschiedslos gleich behandelt werden sollen, welche diese Voraussetzungen noch nicht erfüllen. Wegen der unechten Rückwirkung einer solchen Streichung des Dotierungsrahmens ist daher die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung betroffen.480 Eine Ausgleichszweckwidrigkeit kann insoweit nach dem oben Gesagten nicht festgestellt werden. Entsprechendes gilt für Eingriffe in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner. Der Zweck des § 87 I Nr. 10 BetrVG, die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen, steht damit verschlechternden Betriebsvereinbarungen selbst dann nicht entgegen, wenn diese in erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer und Ansprüche der Betriebsrentner auf eine betriebliche Altersversorgung eingreifen. Erst recht vor dem Hintergrund der Ausgleichsfunktion zulässig ist die Änderung von Verteilungskriterien für die Zukunft,481 das heißt der Eingriff in zugesagte Erwerbsaussichten. b) Kontrolle der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit Die Bindung der Betriebspartner an die Zwecke der Mitbestimmung bei einem Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Arbeitnehmer sowie die Richtigkeitsvermutung für die von ihnen in diesem Rahmen getroffenen Regelungen sind auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung verschlechternder Betriebsvereinbarungen zu berücksichtigen. Für die Frage, inwieweit den Betriebspartnern eine Einschätzungsprärogative für die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der nachfolgenden Betriebsvereinbarung für den verfolgten Zweck zukommt, kommt es grundsätzlich darauf an, ob der jeweils betroffene 479 480 481

Vgl. oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. Vgl. oben § 7 C. I. 4. b), S. 266 ff. Zur Einschlägigkeit der Ausgleichsfunktion insoweit vgl. oben § 8 B., S. 314 ff.

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Gerechtigkeitsaspekt vom Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes gedeckt ist. Nur insoweit kann davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die Fähigkeit der Betriebspartner zu einem angemessenen Interessenausgleich vorausgesetzt hat. Erfolgt der Abschluß einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung ausnahmsweise nicht in Ausübung eines Mitbestimmungsrechts, weil ein solches nicht (mehr) besteht, ist der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts zu beachten, da ein mitbestimmungsfreier actus contrarius in teleologischer Hinsicht keine größeren Regelungsspielräume eröffnet als der mitbestimmungspflichtige actus selbst. Im einzelnen: Die Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung bezieht sich zwar unmittelbar nur auf Regelungsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen wie die der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Jedoch weisen Regelungsfragen, wie die Ausgestaltung eines kollektiven Entgeltsystems, immer auch einen Gerechtigkeitsbezug auf,482 der sich unter anderem in der Rechtsfrage widerspiegelt, ob bei einer verschlechternden, in Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreifenden Regelung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Der mit der Angemessenheitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen vom Betriebsverfassungsgesetz vorausgesetzte Regelungsspielraum liefe jedoch leer, wenn man verschlechternde Regelungen einer strikten gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwürfe. Gerade im Bereich der betrieblichen Altersversorgung würde so die auch vom Bundesarbeitsgericht nicht intendierte Versteinerung von Anwartschaften gefördert. Insbesondere der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichtes erkennt seit langem grundsätzlich an, daß veränderte wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen eine Anpassung von Regelungen der betrieblichen Altersversorgung erforderlich machen können und auch dürfen.483 Weiterhin erkennt der Dritte Senat jedenfalls grundsätzlich auch einen Regelungs- und Ermessensspielraum der Betriebspartner an sowie, daß die Bewertung der innerbetrieblichen Lohngestaltung und Lohngerechtigkeit Änderungen unterliegen kann.484 Eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung auf allen drei Stufen würde diese Prämissen in Frage stellen.

482 So in bezug auf die austeilende Gerechtigkeit auch Fastrich, RdA 1999, 24 (28). Austeilende und ausgleichende Gerechtigkeit sind jedoch bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen über Entgelt untrennbar miteinander verwoben, da man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern verteilen kann, ohne zugleich den Wert der zu erbringenden Gegenleistung des einzelnen Arbeitnehmers zu bestimmen. Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 bei Fn. 79, § 9 C. I. 2., S. 342 bei Fn. 435. Für die ausgleichende Gerechtigkeit kann daher nichts anderes gelten. 483 BAG, Urteil vom 30.01.1970 – 3 AZR 44/68 –, AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3R zur Ablösung einer vertraglichen Einheitsregelung durch Betriebsvereinbarung. 484 BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5.

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Damit stellt sich die Frage nach der Reichweite der Angemessenheitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen. Diese kann nur so weit in den Bereich der Rechtmäßigkeit ausstrahlen, wie der mit dem ausgeübten Mitbestimmungsrecht verfolgte, gesetzlich vorgegebene Zweck reicht. Denn der Betriebsrat wird beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen nicht privatautonom, sondern lediglich durch das Betriebsverfassungsgesetz legitimiert tätig. Die Beschränkung auf den gesetzlich vorgegebenen Zweck wird problematisch, wenn die Betriebspartner eine Regelung in Wahrnehmung der Ausgleichsfunktion treffen, welche allein der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtet ist, die Regelung aber Auswirkungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit hat. Dies ist namentlich bei den nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Entgeltbereich der Fall, wie bei der betrieblichen Altersversorgung, wenn es um die Verschlechterung von Ansprüchen der Betriebsrentner sowie von Anwartschaften und zugesagten Erwerbsaussichten der Arbeitnehmer geht. Insoweit greift allein das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG. Weil die betriebsverfassungsrechtliche Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung im Entgeltbereich nur der austeilenden Gerechtigkeit dient und die ausgleichende Gerechtigkeit lediglich als Rechtsreflex mit erfaßt,485 beinhaltet die ausgeübte Mitbestimmung des Betriebsrates an der Regelung insoweit nicht bereits eine Vermutung für eine hinreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen auch hinsichtlich des Anspruchs- und Anwartschaftsschutzes sowie des Schutzes zugesagter Erwerbsaussichten bei besonderen Vertrauenstatbeständen. Nichts anderes gilt, wenn mit einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht ausgeübt wird, weil ein solches nicht (mehr) besteht, etwa weil der Dotierungsrahmen der Versorgungszusage vollkommen aufgehoben wird. Mit einer solchen Regelung werden zugleich die ursprünglichen, mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien außer Kraft gesetzt. Sie stellt sich damit auch als actus contrarius zu der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung dar. Daher ist der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts zu beachten. Denn ein lediglich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG unterfallender actus contrarius eröffnet den Betriebspartnern keine größeren Regelungsspielräume als der mitbestimmungspflichtige actus selbst. Auch insoweit begrenzt der Zweck des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG die Reichweite der Angemessenheitsvermutung der Betriebsvereinbarung, die sich auf Fragen der austeilenden Gerechtigkeit beschränkt. Eine dadurch an sich indizierte, vollumfängliche Verhältnismäßigkeitsprüfung im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit würde jedoch die gerichtliche Prüfung der austeilenden Gerechtigkeit präjudizieren, da beide Gerechtigkeits485

Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff.

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aspekte bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich untrennbar miteinander verschränkt sind.486 Dies würde dazu führen, daß bei belastenden Regelungen im Entgeltbereich der Regelungsspielraum der Betriebspartner in dem vom Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr. 10 BetrVG ihnen zugewiesenen Bereich der austeilenden Gerechtigkeit auf Null reduziert würde,487 weil sie sich an den Vorgaben der ausgleichenden Gerechtigkeit zu orientieren hätten. Damit würde jedoch nicht der Tatsache Rechnung getragen, daß gerade im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit komplexe Gerechtigkeitsvergleiche mit Anspruch auf Rationalität kaum möglich sind.488 Entgeltsysteme – und hierzu zählt eine durch Betriebsvereinbarung eingeführte betriebliche Altersversorgung – lassen sich nur sehr beschränkt anhand positiver Gerechtigkeitskriterien messen, zu zahlreich sind die möglichen Anknüpfungspunkte für die Gewährung der Leistung und vor allem die Bemessung ihrer Höhe. Lediglich eine Falsifizierung ist möglich, soweit zwingende rechtliche Gründe489 die Gleichbehandlung bestimmter Personengruppen erfordern.490 Die Ausgestaltung eines Entgeltsystems orientiert sich zudem nicht nur an der Frage der Gleichbehandlung. Es treten Gerechtigkeitsaspekte wie die Solidarität der Arbeitnehmer untereinander – etwa bei Sozialkomponenten – hinzu.491 Schließlich ist auch zu berücksichtigen, daß das Betriebsverfassungsgesetz dieser eingeschränkten Justitiabilität komplexer Gerechtigkeitserwägungen gerade durch die Mitbestimmung des Betriebsrats Rechnung trägt. Insoweit tritt neben den in der Bindung der Betriebspartner an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 75 II 1 BetrVG verkörperten Gedanken der materiellen Gerechtigkeit der Gedanke der Gerechtigkeit durch Verfahren.492 Die Verteilung der Regelungskompetenzen auf zwei gleichberechtigte Betriebspartner im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung belegt die gesetzgeberische Erwartung, daß der damit intendierte Kompromiß nicht nur den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gerecht wird,493 sondern auch darüber hinaus die Interessen der Arbeitnehmer untereinander nach den Grundsätzen der austeilenden Gerechtigkeit zu koordinieren vermag. Nicht nur der der ausgleichenden Gerechtigkeit 486

Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 bei Fn. 79. Anders wäre es bei Regelungen, die neben der Ausgleichs- auch der Schutzfunktion dienen, weil sie das Direktionsrecht des Arbeitgebers beschränken, etwa im Bereich der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG. 488 Fastrich, RdA 1999, 24 (29). 489 Beispielsweise § 4 I 2, II 2 u. 3 TzBfG oder die Diskriminierungsverbote gemäß § 75 I BetrVG. 490 Fastrich, RdA 1999, 24 (29). 491 Fastrich, RdA 1999, 24 (29). 492 Zum Zusammenspiel von materieller und prozeduraler Gerechtigkeit Fastrich, RdA 1999, 24 (30). 493 Fastrich, RdA 1999, 24 (31). 487

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verpflichtete Schutzzweck betrieblicher Mitbestimmung wird durch ein Verfahren, nämlich die Beteiligung des Betriebsrates verwirklicht. Auch die austeilende Gerechtigkeit wird zunächst einmal prozedural durch die Beteiligung des Betriebsrates sichergestellt, indem das Betriebsverfassungsgesetz dem als Distributor verstandenen Arbeitgeber den Betriebsrat zur Wahrnehmung des Belegschaftsinteresses zur Seite stellt.494 Inwieweit weitergehende materielle Bindungen der Betriebspartner an Gleichheitsgrundsätze hinzutreten, bedarf hier noch keiner Erörterung.495 Da der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes das Mittel vertraglichen Aushandelns und die diesem entspringende, der ausgleichenden Gerechtigkeit zuzuordnende Richtigkeitsvermutung496 bei Betriebsvereinbarungen gerade auch zur Sicherung der austeilenden Gerechtigkeit einsetzt, werden beide Gerechtigkeitsprinzipien miteinander verschränkt. Um den Regelungsspielraum der Betriebspartner im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit sicherzustellen, ist es bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich wegen der dortigen Interdependenz von austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit erforderlich, die dem Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zuzuordnende Verhältnismäßigkeitskontrolle auf eine Evidenzkontrolle zu beschränken.497 Dies kann jedoch nur soweit gelten, wie nicht vor dem Hintergrund des oben in den §§ 7, 8 konstatierten Auftrags an den Gesetzgeber, den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz vor Regelungen mit unechter Rückwirkung sowie im übrigen bei besonderen Vertrauenstatbeständen einfachgesetzlich umzusetzen, ein strengerer Kontrollmaßstab erforderlich wird. Der Vertrauensschutz wird aber allein auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit relevant.498 Nur insoweit also ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine strikte Überprüfung von Betriebsvereinbarungen geboten. Im übrigen verbleibt es bei einer Evidenzkontrolle. Diese entspricht den Anforderungen, welche an den staatlichen Gesetzgeber zu stellen wären. Ein Schutzdefizit ist insoweit nicht zu besorgen. 494 Zu letzterem vgl. nur Reichold, Sozialprivatrecht, S. 513 f.; denselben, RdA 1995, 147 (156). 495 Dazu aber unten § 10 C., S. 391 ff., sowie § 11 B. II., S. 411 ff. 496 G. Hueck, Festschrift für Dietz, S. 241 (254 Fn. 38). Dem entspricht es, wenn zum einen Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (161), nur der Rechtsetzung einen allumfassenden Impetus zu sachlicher Richtigkeit unterstellt, die Richtigkeitsgewähr des Vertrages aber auf die Parteibeziehung beschränkt und wenn zum anderen M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 33, zur Verwirklichung der iustitia distributiva auf die rechtliche Wertung verweist. 497 Für eine Evidenzkontrolle ohne die hier angestellte differenzierte Betrachtung anhand des Mitbestimmungszweckes auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 81; Canaris, AuR 1966, 129 (138 f.); Sommer, Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Sozialleistungen, S. 67. In der Tendenz ähnlich wie die Vorgenannten Wollgast, Geltung, Wirkung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen, S. 221 (Beurteilungsprärogative des Betriebsrates). 498 Siehe oben § 7 E., S. 299 ff.

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Der weitgehenden Beschränkung der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf eine Evidenzkontrolle scheinen auch neuere Tendenzen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu entsprechen.499 So hat der Erste Senat bei der Kontrolle einer Betriebsvereinbarung im Bereich der betrieblichen Ordnung der Sache nach eine Evidenzkontrolle vorgenommen, indem er bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung lediglich die gröbliche Verletzung der Interessen einer Arbeitnehmergruppe als Kontrollmaßstab wählte.500 Offen bleiben muß, inwieweit die im Bereich der Entgeltmitbestimmung auf den Ausgleichszweck der Mitbestimmung beschränkte materielle Richtigkeitsvermutung von Betriebsvereinbarungen und ihre Ausstrahlungswirkung auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Ergebnis mit der neueren Rechtsprechung des Dritten Senats zur Kontrolle nachfolgender Tarifverträge im Bereich der betrieblichen Altersversorgung harmoniert. Der Dritte Senat hat insoweit den Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Tarifvertragsparteien betont und auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit jeden sachlichen Grund ausreichen lassen, wenn nicht in den erdienten Besitzstand einer Versorgungsanwartschaft eingegriffen worden ist und die Nachteile nicht schwerwiegend waren.501 In der Konsequenz dieser Ausführungen läge an sich eine bloße Willkürkontrolle auch auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit. Gerade dies scheint der Dritte Senat jedoch nicht zu intendieren, wenn er betont, es dürften keine Eingriffe in erdiente Besitzstände und keine schwerwiegenden Nachteile durch die Neuregelung vorliegen.502 Für einen auf allen drei Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf eine Willkürkontrolle beschränkten Kontrollmaßstab spricht jedoch, daß bei den Tarifvertragsparteien von einer umfassenden materiellen Richtigkeitsvermutung der von ihnen getroffenen Regelungen auszugehen ist, welche auch bei der Rechtskontrolle anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen ist und daher die Proportionalität auf der dritten Prüfungsstufe mitumfaßt. Dementsprechend ist die Verhältnismäßigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen, welche in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreifen, auf allen drei Prüfungsstufen auf eine Evidenzkontrolle zu reduzieren, wenn eine betriebliche Regelung in Ausübung eines Mitbestimmungsrechtes erfolgt, welches sowohl ausgleichender als auch austeilender Gerechtigkeit unmittelbar verpflichtet ist, das heißt welches der Schutz- und der Ausgleichsfunktion dient. Denn in derartigen Fallkonstellationen strahlt die Richtigkeitsvermutung 499 In diese Richtung bereits Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 81 unter Hinweis auf BAG (S. 356 Fn. 500). 500 BAG, Urteil vom 19.01.1999 – 1 AZR 499/98 –, AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, Bl. 6R. 501 BAG, Urteil vom 28.07.2005 – 3 AZR 14/05 –, AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 502 Vgl. S. 356 Fn. 501.

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für die in der Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen vollumfänglich auf sämtliche Gerechtigkeitsaspekte aus. Erfolgt die Regelung hingegen lediglich in Ausübung eines Mitbestimmungsrechtes, welches – wie § 87 I Nr. 10 BetrVG – allein der Ausgleichsfunktion dient, oder stellt sie einen mitbestimmungsfreien actus contrarius zu einer solchen Regelung dar, erfordert der verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes eine strikte Abwägung der Vertrauensschutzaspekte auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Insoweit greift die Richtigkeitsvermutung für die in der Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen nicht. III. Maßstäbe zur Abwägung der Vertrauensschutzaspekte auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere die Abwägung auf seiner dritten Stufe, bedarf der Konkretisierung im Hinblick auf den aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen Vertrauensschutz. Hierzu soll zunächst – 1. – auf die die Praxis beherrschende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes eingegangen werden, bevor auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse dieser Untersuchung diese kritisch zu würdigen und eine dogmatisch kohärente Lösung zu entwickeln sein wird. Dabei wird zwischen dem Schutz von – 2. – Versorgungsansprüchen, – 3. – erdienten Versorgungsanwartschaften, – 4. – erdienten dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten und – 5. – von besonderen Vertrauenstatbeständen bei nichterdienten dienstzeitunabhängigen und dienstzeitabhängigen Steigerungsraten zu differenzieren sein. 1. Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichtes In der Rechtsprechung des Dritten Senates des Bundesarbeitsgerichtes wird die Verhältnismäßigkeit von nachfolgenden, in Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreifenden Betriebsvereinbarungen anhand einer typisierten Betrachtung beurteilt. Während die Teilprinzipien der Geeignetheit und der Erforderlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes meist nicht explizit geprüft werden,503 nimmt die Angemessenheitskontrolle einen breiten Raum ein. Hierzu hatte der Dritte Senat in seinen Entscheidungen vom 08.12.1981 zunächst für die Ablösung einer vertraglichen Einheitsregelung durch Betriebsvereinbarung und die Änderung einer Unterstützungskassenrichtlinie einen abgestuften Besitzstandsschutz zwischen den erdienten und den nichterdienten Versorgungsanwartschaften entwickelt, dabei von vornherein aber auch die Änderung von durch Betriebsvereinbarung begründeten Versorgungszusagen im 503 So auch der Befund von Feuerborn, Anm. AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 12.

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Blick gehabt. Bereits erdiente Versorgungsanwartschaften und deren unter Heranziehung des § 2 BetrAVG berechnete Teilwerte sollten grundsätzlich einer sie zum Nachteil der Arbeitnehmer verschlechternden Betriebsvereinbarung entzogen sein. Begründet wurde dies mit dem Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung. Eine Kürzung des bereits erdienten Teilwertes entzöge dem Arbeitnehmer nachträglich die Gegenleistung, für die er bereits in Vorleistung getreten sei.504 Hingegen genössen Steigerungsbeträge, für welche die Gegenleistung noch nicht erbracht sei, geringeren Vertrauens- und Bestandsschutz.505 Liege keine individuelle Versorgungszusage vor, sondern beruhten die Versorgungsanwartschaften auf einer vertraglichen Einheitsregelung oder einer Betriebsvereinbarung, so könnten die Arbeitnehmer nicht ohne weiteres auf deren unveränderten Fortbestand vertrauen. Hierbei seien die sachlichen Gründe, welche den Arbeitgeber beziehungsweise die Betriebspartner zu der Änderung veranlaßten, gegenüber den Abstrichen, welche die Arbeitnehmer hinzunehmen hätten, abzuwägen. Da es in diesem Zusammenhang nicht um Eingriffe in erdiente Besitzstände, sondern um Eingriffe in die Versorgungsplanung gehe, seien das Lebensalter und das Ausmaß der Kürzung auf seiten der Arbeitnehmer besonders zu berücksichtigen.506 Diese Judikatur wurde zunächst für eine Unterstützungskassenrichtlinie fortentwickelt durch ein Urteil des Dritten Senats vom 17.04.1985. Eingriffe in den nach § 2 BetrAVG zu berechnenden507 erdienten Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft sollten zum Schutz der erbrachten Vorleistung des Arbeitnehmers nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig sein,508 welche in späteren Entscheidungen als zwingende Gründe bezeichnet wurden.509 Dienstzeitunabhängige Steigerungsraten510 sah der Dritte Senat zwar ebenfalls als bereits erdient an,511 504 BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R. 505 BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5; BAG, Urteil vom 08.12.1981 – 3 AZR 518/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R. 506 BAG, Beschluß vom 08.12.1981 – 3 ABR 53/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 507 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4. 508 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R. 509 Etwa in BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R/6; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 510 Hierzu bereits oben § 3 B. III. 7., S. 163 ff., § 3 B. V. 6., S. 178 ff., § 3 C. II. 4., S. 184 ff. 511 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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hielt sie aber wegen ihrer fehlenden Unverfallbarkeit und ihres fehlenden Insolvenzschutzes für weniger schutzwürdig. Insoweit sei eine Parallele zum Teuerungsausgleich bei Betriebsrenten gemäß § 16 BetrAVG zu ziehen. Eingriffe in eine erdiente Dynamik seien nur aus Gründen zulässig, die auch eine Verweigerung des Teuerungsausgleiches gemäß § 16 BetrAVG bei Betriebsrenten rechtfertigen könnten.512 Bei Eingriffen in noch nicht erdiente, dienstzeitabhängige Steigerungsbeträge hingegen reichten bereits sachliche Gründe aus, die nicht willkürlich seien und nachvollziehbar erkennen ließen, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlaß gegeben hätten. Diese Gründe seien gegen das Vertrauen der Arbeitnehmer in den unveränderten Fortbestand der Versorgungszusage abzuwägen.513 Diese Dreiteilung der Versorgungsbesitzstände wurde vom Dritten Senat in der Folgezeit auf die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen übertragen514 und ist seitdem ständige Rechtsprechung.515 Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze auch auf den Vertrauensschutz nach der Kündigung einer Betriebsvereinbarung ausgedehnt.516 Auch wurden die zur Rechtfertigung von Eingriffen in die einzelnen Besitzstandsstufen erforderlichen Gründe präzisiert. a) Rechtfertigung von Eingriffen in erdiente Anwartschaften Ein zwingender Grund, der einen Eingriff in den erdienten Teilbetrag einer Anwartschaft rechtfertigen kann, wird vom Bundesarbeitsgericht vor allem in der wesentlichen Änderung und im Wegfall der Geschäftsgrundlage gesehen. Hierzu zählte bis zum 31.12.1998 die schwere, konkursgleiche wirtschaftliche Notlage des Versorgungsschuldners.517 Das Bundesarbeitsgericht sah diesen Eingriffsgrund durch § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung als vom Gesetzgeber 512 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5. 513 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5. 514 Grundlegend für die jüngere Rechtsprechung BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4, 4R, 6R. 515 Beispielsweise BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R/6; BAG, Urteil vom 29.07.2003 – 3 AZR 630/02 –, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5. 516 BAG, Beschluß vom 10.03.1992 – 3 ABR 54/91 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 4; BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 4R/5; BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/ 00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Urteil vom 18.09. 2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R/6. 517 Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R/3 m.w. N. Für den

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anerkannt an.518 Nach dieser Vorschrift erhielten die Versorgungsempfänger einen Anspruch in Höhe der geschuldeten Versorgungsleistungen gegen den Pensionssicherungsverein, wenn der Arbeitgeber die Leistungen wegen einer konkursgleichen wirtschaftlichen Notlage kürzte oder einstellte. Der hieraus abgeleitete zwingende Grund zum Eingriff in erdiente Versorgungsanwartschaften setzte zudem auf den ersten beiden Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus, daß die Einstellung oder Kürzung der Versorgungsleistungen geeignet war, die wirtschaftliche Notlage zu beseitigen,519 und zur Sanierung des Unternehmens unerläßlich erschien.520 Nachdem mit Einführung der Insolvenzordnung der Sicherungsfall gemäß § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung gestrichen worden ist, ist der Arbeitgeber nunmehr zur Abwendung einer akuten Existenzgefährdung seines Unternehmens durch Verpflichtungen aus Versorgungszusagen auf einen außergerichtlichen Vergleich im Sinne des § 7 I 4 Nr. 2 BetrAVG neuer Fassung oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwiesen.521 Das Bundesarbeitsgericht hatte die Frage des Eingriffes in erdiente Versorgungsanwartschaften aufgrund wirtschaftlicher Notlage zunächst offengelassen,522 hat aber nunmehr klargestellt, daß ein Wegfall der Geschäftsgrundlage hiermit nicht mehr begründet werden kann.523 Es verbleiben damit die Fälle planwidriger Überversorgung.524 Angesprochen sind damit Zweckverfehlungen bei Gesamtversorgungssystemen, welche unter Einbeziehung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung eine dem letzten Nettoeinkommen als aktiver Arbeitnehmer entsprechende Versorgung intendieren. Dies sind zum einen die Fälle der absoluten Überversorgung. Eine absolute Überversorgung liegt vor, wenn die betriebliche Versorgungsleistung Widerruf einer Versorgungszusage bereits BAG, Urteil vom 18.05.1977 – 3 AZR 371/ 76 –, AP Nr. 175 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 2R/3 m.w. N. 518 BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R/3 m.w. N. 519 Für den Widerruf einer Versorgungszusage BAG, Urteil vom 10.11.1981 – 3 AZR 1134/78 –, AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG Widerruf Bl. 2R. 520 Für den Widerruf einer Versorgungszusage BAG, Urteil vom 18.05.1977 – 3 AZR 371/76 –, AP Nr. 175 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 3R. 521 Vgl. die Begründung zum Entwurf des EGInsO, BT-Drucksache 12/3803, S. 109, 110 f. 522 Für den Teilwiderruf einer Versorgungszusage BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 512/00 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6 i.V. m. Bl. 6R/7. 523 Für den Teilwiderruf einer Versorgungszusage BAG, Urteil vom 17.06.2003 – 3 AZR 396/02 –, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf, Bl. 6R. 524 Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3/3R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3/3R. Vgl. auch für die Änderung einer betriebseinheitlichen individualrechtlichen Versorgungszusage BAG, Urteil vom 09.07.1985 – 3 AZR 546/82 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3 i.V. m. Bl. 2R; BAG, Urteil vom 28.07.1998 – 3 AZR 100/98 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung, Bl. 4R/5.

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zusammen mit den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung einen Versorgungsgrad ermöglicht, der das Nettoeinkommen des Berechtigten als aktiver Arbeitnehmer übersteigt.525 Eine absolute Überversorgung stellt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes einen zwingenden Grund zum Eingriff in erdiente Anwartschaften der Arbeitnehmer dar. Voraussetzung ist jedoch, daß die Überversorgung planwidrig ist, das heißt die Versorgungszusage nicht von vornherein die Möglichkeit eines Versorgungsgrades von mehr als 100% eröffnet.526 Zum anderen können auch die Fälle planwidriger relativer Überversorgung einen zwingenden Grund zum Eingriff in erdiente Anwartschaften darstellen, wenn ein geringerer Versorgungsgrad als 100% des letzten Nettoeinkommens angestrebt war und dieser mit der Zeit erheblich überschritten wird.527 Dies hat das Bundesarbeitsgericht – allerdings für die verschlechternde Ablösung einer Gesamtzusage durch Einigungsstellenspruch – angenommen, wenn ein Nettoversorgungsgrad von durchschnittlich 107% statt der ursprünglich angestrebten 81% erreicht worden ist.528 Voraussetzung ist auch hier die Planwidrigkeit der Überversorgung. Jenseits der Störung der Geschäftsgrundlage529 erkennt das Bundesarbeitsgericht die Beseitigung einer planmäßigen, das heißt bereits in der Versorgungszusage angelegten Überversorgung als zwingenden Grund dann an, wenn diese zu einem gesetzwidrigen Zustand geführt hat und dieser korrigiert werden soll. Dies betrifft namentlich die planmäßige Überversorgung bei Gesamtversorgungssystemen des öffentlichen Dienstes, welche gegen die gesetzlich bindenden Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstößt.530 Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen nicht darauf vertrauen, eine haushaltsgesetzwidrige Überversorgung zu erhalten. b) Rechtfertigung von Eingriffen in eine erdiente Dynamik Der einen Eingriff in eine erdiente Dynamik rechtfertigende triftige Grund setzt in Anlehnung an § 16 BetrAVG voraus, daß die Entwicklung des Unter525 Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 517. Vgl. auch Dieterich, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 77 (97 f.). 526 Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 260/89 –, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R; BAG, Urteil vom 09.04.1991 – 3 AZR 598/89 –, AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3. Vgl. auch für die Änderung einer betriebseinheitlichen individualrechtlichen Versorgungszusage BAG, Urteil vom 28.07.1998 – 3 AZR 100/98 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung, Bl. 3. 527 Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 517. 528 BAG, Beschluß vom 23.09.1997 – 3 ABR 85/96 –, AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R. 529 Insoweit zutreffend Kasseler Handbuch2 /Griebeling, 2.9 Rz. 857. 530 Für die Ablösung einer betriebseinheitlichen individualrechtlichen Versorgungszusage durch Dienstvereinbarung BAG, Urteil vom 03.09.1991 – 3 AZR 369/90 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Überversorgung, Bl. 5/5R.

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nehmens aufgrund schwerwiegender wirtschaftlicher Schwierigkeiten beeinträchtigt und die Unternehmenssubstanz langfristig gefährdet ist.531 Dies ist bereits dann der Fall, wenn ohne den Eingriff eine angemessene Eigenkapitalverzinsung dauerhaft gefährdet wäre.532 Als angemessen betrachtet dabei das Bundesarbeitsgericht eine Eigenkapitalverzinsung, die mindestens der Höhe der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspricht, zuzüglich eines pauschalen Risikozuschlages in Höhe von 2% p. a.533 Daneben erkennt das Bundesarbeitsgericht, in Anlehnung534 an die Rechtsprechung seines Großen Senats zur Ablösung von Ansprüchen aus vertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage und betrieblicher Übung535, einen nichtwirtschaftlichen triftigen Grund zum Eingriff in eine erdiente Dynamik an, wenn dringende betriebliche Bedürfnisse die Neuregelung des Versorgungswerks erfordern, der Gesamtaufwand gleichbleibt und die erforderlichen Kürzungen durch anderweitige Leistungsverbesserungen aufgewogen werden.536 Die Zustimmung des Betriebsrates indiziert dabei das Vorliegen dringender betrieblicher Bedürfnisse zur Umstrukturierung.537 Als dringenden betrieblichen Grund für eine Umstrukturierung unter Beibehaltung des Dotierungsrahmens hat das Bundesarbeitsgericht etwa die bessere Entlohnung

531 Grundlegend BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5 für den Widerruf einer Unterstützungskassenversorgung. Für die Rechtsfolgenkontrolle nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung BAG, Beschluß vom 21.08.2001 – 3 ABR 44/00 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5R. Für den Teilwiderruf einer Unterstützungskassenversorgung in neuerer Zeit BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 512/00 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8. Zu den Voraussetzungen nach § 16 BetrAVG vgl. BAG, Urteil vom 23.04.1985 – 3 AZR 548/82 –, AP Nr. 16 zu § 16 BetrAVG, Bl. 3; BAG, Urteil vom 23.04.1985 – 3 AZR 156/83 –, AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 28.04.1992 – 3 AZR 142/91 –, AP Nr. 24 zu § 16 BetrAVG, Bl. 3R/4; BAG, Urteil vom 17.04.1996 – 3 AZR 56/95 –, AP Nr. 35 zu § 16 BetrAVG Bl. 4R. 532 BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; jeweils zur Rechtsfolgenkontrolle nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung. 533 BAG, Urteil vom 23.05.2000 – 3 AZR 146/99 –, AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG, Bl. 3R. 534 So Griebeling, ZIP 1993, 1055 (1060). 535 BAG GS, Beschluß vom 16.09.1986 – GS 1/82 –, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 10/10R. 536 BAG, Urteil vom 07.07.1992 – 3 AZR 522/91 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3/3R für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung und unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 11.09.1990 – 3 AZR 380/89 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3R. 537 BAG, Urteil vom 07.07.1992 – 3 AZR 522/91 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3R unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 11.09.1990 – 3 AZR 380/89 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3R.

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längerer Betriebszugehörigkeitszeiten oder die Vereinheitlichung verschiedener Versorgungsordnungen anerkannt.538 Ein Eingriff in eine erdiente Dynamik unter Kürzung des Dotierungsrahmens wäre danach allerdings nicht gerechtfertigt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes besteht jedoch bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen kein schützenswertes Vertrauen des Arbeitnehmers darauf, den nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes im Zeitpunkt der Abänderung der Versorgungszusage bereits erdienten, bis zu seinem Ausscheiden dynamisch fortgeschriebenen Besitzstand neben solchen Steigerungsbeträgen zu erhalten, welche eine nachfolgende Versorgungsregelung anstelle der bisherigen Dynamik vorsieht.539 Dies führt zu einer ergebnisbezogenen Betrachtungsweise, nach welcher ein Eingriff in eine „erdiente Dynamik“ nur vorliegt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Neuregelung weniger erhält, als er zum Änderungsstichtag bei Aufrechterhaltung des Berechnungsfaktors Endgehalt, wie er ursprünglich vorgesehen war, auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bereits erdient hatte.540 c) Rechtfertigung von Eingriffen in nichterdiente dienstzeitabhängige Steigerungsraten Für den Eingriff in nichterdiente dienstzeitabhängige Steigerungsraten rechtfertigende, sachlich-proportionale Gründe verlangt das Bundesarbeitsgericht, daß diese die Willkürfreiheit des Eingriffs in noch nicht erdiente Zuwächse belegen.541 Diese Gründe können auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung innerhalb des betrieblichen Versorgungswerkes beruhen.542 Für einen anzuerkennenden wirtschaftlichen 538 BAG, Urteil vom 07.07.1992 – 3 AZR 522/91 –, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, Bl. 3R. 539 BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 128/01 –, AP Nr. 43 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 10.09.2002 – 3 AZR 635/01 –, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 9R. 540 BAG, Urteil vom 10.09.2002 – 3 AZR 635/01 –, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8R; BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 3 AZR 81/02 –, AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4. Ebenso für eine Besitzstandsgarantie BAG, Urteil vom 16.12.2003 – 3 AZR 39/03 –, AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Berechnung, Bl. 3R. 541 Grundlegend BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 5 für den Widerruf einer Unterstützungskassenversorgung. Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung etwa BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R, 7R. Auf gleicher Linie für die Rechtsfolgenkontrolle nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Urteil vom 11.05. 1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6R. 542 Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 16.07.1996 – 3 AZR 398/95 –, AP Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3. Für die Rechtsfolgenkon-

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Grund ist es nicht erforderlich, daß ohne den Eingriff eine angemessene Eigenkapitalverzinsung dauerhaft gefährdet wäre,543 da dann bereits Gründe vorlägen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes einen Eingriff in eine zeitanteilig erdiente Dynamik rechtfertigen könnten. Als sachlicher Grund anerkannt sind weiterhin Kostensteigerungen durch unvorhersehbare Rechtsänderungen, insbesondere wenn Änderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu „sehr erheblichen“ Mehrbelastungen bei Gesamtversorgungssystemen führen.544 Der finanziellen Mehrbelastung infolge der Einführung der Unverfallbarkeit von Ruhegeldanwartschaften und des Teuerungsausgleiches durch das Betriebsrentengesetz im Jahre 1974 hat das Bundesarbeitsgericht hingegen die Anerkennung als sachlichen Grund versagt. Durch diese Regelungen habe der Gesetzgeber lediglich sich bereits aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergebende Rechtssätze positiviert.545 Neben den wirtschaftlich bedingten sachlichen Gründen erkennt das Bundesarbeitsgericht auch veränderte Vorstellungen über die Verteilungsgerechtigkeit546 als sachlichen Grund an, der Eingriffe in noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Steigerungsraten zu rechtfertigen vermag. d) Schutz von Versorgungsansprüchen der Betriebsrentner und unverfallbaren Anwartschaften Ausgeschiedener über die fehlende Regelungskompetenz der Betriebspartner Versorgungsansprüche der Betriebsrentner und unverfallbare Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer bleiben nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits mangels entsprechender Regelungskompetenz der Betriebspartner für diesen Personenkreis von nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarungen unberührt.547 Bei Vorliegen einer arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel, welche auf die jeweilige Kollektivregelung Bezug nimmt, trolle nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5; BAG, Beschluß vom 17.08.1999 – 3 ABR 55/98 –, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972, Bl. 6R. 543 Für die Rechtsfolgenkontrolle nach Kündigung einer Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 20/98 –, AuR 2000, 387 (388); BAG, Urteil vom 11.05.1999 – 3 AZR 21/98 –, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 5. 544 Für die Änderung einer Unterstützungskassenrichtlinie BAG, Urteil vom 22.04. 1986 – 3 AZR 496/83 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R. 545 Für die Änderung einer Unterstützungskassenrichtlinie BAG, Urteil vom 22.04. 1986 – 3 AZR 496/83 –, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 3R/4. 546 Für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung BAG, Urteil vom 17.03.1987 – 3 AZR 64/84 –, AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 5R. Auf gleicher Linie für die Änderung der Bedingungen eines Konditionenkartells (Bochumer Verband) BAG, Urteil vom 27.08.1996 – 3 AZR 466/95 –, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 9R. 547 Dazu bereits ausführlich oben § 5 A., S. 225 ff.

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verweist das Bundesarbeitsgericht konsequent auf die Nichtübertragbarkeit des dreiteiligen Prüfungsrasters zum Schutz von Versorgungsanwartschaften auf Versorgungsansprüche.548 Eingriffe in Versorgungsansprüche sind an den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu messen,549 lediglich bei Bagatelleingriffen läßt das Bundesarbeitsgericht bereits sachliche Gründe genügen.550 Dies entspricht dem Bagatellvorbehalt, welchen das Bundesverfassungsgericht bei Normen mit echter Rückwirkung anerkennt.551 e) Diskrepanz zu den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung hat bereits einige Prämissen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes widerlegt. So hat § 5 dieser Untersuchung gezeigt, daß die Betriebspartner eine Regelungskompetenz zur Abänderung betrieblicher Versorgungsregelungen auch gegenüber den Betriebsrentnern und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern haben. Sind diese aber in eine Neuregelung grundsätzlich einzubeziehen, kann dies nicht ohne Einfluß auf die Gewichtung bei der Interessenabwägung auch gegenüber den aktiven Arbeitnehmern bleiben. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Spezialvorschrift des § 2 V 1 BetrAVG, welche zugunsten mit unverfallbarer Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer aus Praktikabilitätsgründen nach dem Ausscheiden eintretende Veränderungen der Versorgungszusage für die Berechnung ihrer unverfallbaren Anwartschaft unberücksichtigt läßt. § 7 dieser Untersuchung hat ergeben, daß Eingriffe in Ansprüche der Betriebsrentner eine echte Rückwirkung betrieblicher Normsetzung darstellen, welche nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Des weiteren hat § 3 dieser Untersuchung ergeben, daß dienstzeitunabhängige Steigerungsraten entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur dann bereits im Zeitpunkt ihrer Abänderung auch hinsichtlich zukünftiger Steigerungen erdient sind, wenn beispielsweise ein Index oder der 548 Für in Bezug genommene Versorgungsregelungen unterschiedlichster Rechtsqualität, vgl. BAG, Urteil vom 27.08.1996 – 3 AZR 466/95 –, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 7R (für Bedingungen eines Konditionenkartells); BAG, Urteil vom 26.08.1997 – 3 AZR 235/96 –, AP Nr. 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3R (für Unterstützungskassenrichtlinien); BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R (für Dienstvereinbarungen). 549 Vgl. für einen in Bezug genommenen Tarifvertrag BAG, Urteil vom 24.08.1993 – 3 AZR 313/93 –, AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R/3 (Abbau einer planwidrigen Überversorgung). 550 BAG, Urteil vom 27.08.1996 – 3 AZR 466/95 –, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 8 (Änderung der Anpassungsregelungen für Betriebsrenten); BAG, Urteil vom 23.09.1997 – 3 AZR 529/96 –, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 2R (Umstellung des Zahlungstermins). Für Tarifverträge greift hinsichtlich der Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG ohnehin § 17 III 2 i.V. m. III 1 BetrAVG, vgl. BAG, Urteil vom 24.08.1993 – 3 AZR 313/93 –, AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 3. 551 Dazu oben § 7 E. II. 1. b), S. 306.

366 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

Tariflohn einer bestimmten Tariflohngruppe in Bezug genommen sind. Setzt der in Bezug genommene Wert dagegen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zu einem späteren Zeitpunkt voraus, sind die Steigerungsraten insoweit noch nicht erdient. Bei einer vorzeitigen Änderung der Versorgungszusage ist dann lediglich die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor der Änderung erreichten Gehaltes durch die bis dahin geleistete Betriebstreue des Arbeitnehmers erdient. Insbesondere endgehaltsbezogene Versorgungszusagen bedürfen daher einer abweichenden Behandlung. Schließlich ist bei der Abänderung noch nicht erdienter Anwartschaftsteile, das heißt bei der bloßen Beschneidung früher zugesagter Erwerbsmöglichkeiten zu berücksichtigen, daß nach den Erkenntnissen in den §§ 4, 7 dieser Untersuchung ein immanenter Änderungsvorbehalt zugunsten der Betriebspartner besteht, dessen Verhältnismäßigkeit nur bei besonderen Vertrauenstatbeständen in Frage gestellt ist. Damit steht aber auch das in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes für nichterdiente dienstzeitabhängige Steigerungsraten gebräuchliche Erfordernis des sachlich-proportionalen Grundes auf dem Prüfstand. 2. Schutz bereits entstandener Ansprüche Die Ansprüche der Betriebsrentner auf die versprochene Versorgungsleistung stellen eine eigentumsgleiche Rechtsposition im Sinne von Art. 14 I GG dar, welche nur im Wege der echten Rückwirkung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung beeinträchtigt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht verlangt zur Rechtfertigung eines mit echter Rückwirkung erfolgenden Eingriffs in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition zwingende Gründe des Gemeinwohls, soweit es sich nicht lediglich um einen Bagatelleingriff handelt. Da nur der Gesetzgeber selbst beurteilen kann, ob zwingende Gründe des Gemeinwohls vorliegen, kann er diese Beurteilung nicht auf die Betriebsebene delegieren.552 Da es an einer entsprechenden Regelung durch den Gesetzgeber fehlt, können Eingriffe aufgrund nachfolgender Betriebsvereinbarungen nur wirksam sein, wenn der Betriebsrentner diese nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ohnehin hinzunehmen hat, so daß die Rechtssicherheit – auch im verfassungsrechtlichen Sinne – nicht tangiert ist. Dies weist auf die auch vom Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit individualvertraglichen Jeweiligkeitsklauseln anerkannten Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB553 und betrifft in erster Linie die Fälle der planwidrigen Überversorgung. Eine planmäßige Überversorgung im öffentlichen Dienst kann demgegenüber nicht mit dem Hinweis auf die verletzten, gesetzlich bindenden Haushaltsgrund552 553

Dazu oben § 7 E. II. 1. a), S. 305. Vgl. oben S. 365 Fn. 548.

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sätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegenüber Betriebsrentnern abgebaut werden, da es sich nicht um einen Fall der fehlenden Geschäftsgrundlage handelt.554 Zudem stellen die genannten Haushaltsgrundsätze kein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB dar,555 und die Grenzen des § 138 BGB dürften regelmäßig gewahrt sein. Daher scheidet auch die Annahme einer nichtigen Betriebsvereinbarung aus, welche Spielraum für eine Neuregelung eröffnen könnte, da das Vertrauen der Betriebsrentner in eine gesetzwidrige Regelung grundsätzlich nicht schutzwürdig wäre. Auch kann ein einen Eingriff in Versorgungsansprüche rechtfertigender Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht auf eine insolvenzgleiche wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers gestützt werden. Einer solchen Annahme ist mit Aufhebung des Widerrufsgrundes gemäß § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung die Grundlage entzogen.556 Insoweit greift das Beschaffungsrisiko, welches der Arbeitgeber mit Abschluß der die Versorgungszusage enthaltenden Betriebsvereinbarung übernommen hat und welches wegen der Regelung des § 276 I 1 BGB die Anwendung des Instituts der Geschäftsgrundlage ausschließt.557 Festzuhalten bleibt, daß sich die Möglichkeiten zum Eingriff in die Versorgungsansprüche der Betriebsrentner durch nachfolgende Betriebsvereinbarung auf die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB beschränken. Hauptanwendungsfall ist der Abbau einer planwidrigen Überversorgung. 3. Schutz erdienter Anwartschaften Die erdienten Teilanwartschaften der Arbeitnehmer stellen ebenfalls eine eigentumsgleiche Rechtsposition im Sinne von Art. 14 I GG dar. Greift eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in diese Rechtspositionen ein, bevor sie zum Vollrecht erstarkt sind, entfaltet diese Betriebsvereinbarung unechte RückZu letzterem vgl. Kasseler Handbuch2 /Griebeling, 2.9 Rz. 857. So zu § 69 II SGB IV BAG, Urteil vom 26.09.1984 – 4 AZR 343/83 –, AP Nr. 21 zu § 1 TVG, Bl. 2R. 556 BAG, Urteil vom 17.06.2003 – 3 AZR 396/02 –, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf, Bl. 5R, 6R; Bepler, BetrAV 2000, 19 (24 f.); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anh. § 1 Rz. 524 f.; Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 517; Schwerdtner, Festschrift für Uhlenbruck, S. 799 (806, 807 f.); ErfK7 /Steinmeyer, § 7 BetrAVG Rz. 40; derselbe, RdA 2005, 345 (348, 350). Anders noch Blomeyer/K. Otto, BetrAVG3, vor § 7 Rz. 67 ff.; Diller, ZIP 1997, 765 (773). Für den Fall des Nichteingreifens der Insolvenzsicherung nach § 7 I, II BetrAVG eine Berufung auf die wirtschaftliche Notlage auch weiterhin zulassend Rößler Der triftige Grund, S. 150. 557 BAG, Urteil vom 17.06.2003 – 3 AZR 396/02 –, AP Nr. 24 zu § 7 BetrAVG Widerruf, Bl. 6R; ErfK7 /Steinmeyer, § 7 BetrAVG Rz. 40. Zu § 279 BGB a. F. bereits ebenso Bepler, BetrAV 2000, 19 (25); Schwerdtner, Festschrift für Uhlenbruck, S. 799 (809). Das Argument des § 276 I 1 BGB spricht auch gegen den differenzierenden Ansatz von Rößler (S. 367 Fn. 556). 554 555

368 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

wirkung. Denn eine Kürzung des erdienten Teilwertes entzöge dem Arbeitnehmer nachträglich die Gegenleistung, für die er bereits die Vorleistung erbracht hat558 und auf die er nur wegen der Bedingtheit der Versorgungsleistung durch den Versorgungsfall noch keinen Anspruch hat.559 Ein solcher Eingriff ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt und löst keinen weitergehenden Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Abänderung nicht überwiegt. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber mit der Implementierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die Betriebsebene übertragen, da sie nicht ohne Rücksichtnahme auf den Einzelfall einer betrieblichen Regelung durchgeführt werden kann. Es sind daher die Vertrauensschutzinteressen der Arbeitnehmer gegen die Änderungsinteressen der Betriebspartner abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitnehmer die vorausgesetzte Arbeitsleistung beziehungsweise Betriebstreue im Vertrauen auf den Fortbestand der Versorgungszusage irreversibel vorgeleistet hat: „Gelebtes Leben kann man nicht rückabwickeln.“560 Für die Konkretisierung der erforderlichen Abwägungskriterien auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist damit allein jedoch noch nichts gewonnen.561 Aufschluß über die Gewichtung der Bestandsschutzinteressen der Arbeitnehmer kann insoweit nur ihre im Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Betriebsvereinbarung erworbene Rechtsposition im Sinne von Art. 14 I GG geben, welche sich anhand der in der Versorgungszusage zugrunde gelegten schuldrechtlichen Strukturen beurteilt. Damit erlangt das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip Bedeutung, welches nach den Erkenntnissen in § 3 dieser Untersuchung für Versorgungszusagen, welche die Arbeitsleistung entlohnen, unmittelbar gilt und für Versorgungszusagen, welche die Betriebstreue entlohnen, gemäß beziehungsweise entsprechend § 2 I BetrAVG in modifizierter Form. Lediglich bei Vorliegen einer Verfallbedingung und vorzeitigem Ausscheiden eines Arbeitnehmers innerhalb der Verfallfrist ist die Entlohnung von Teilleistungen gemäß § 1b BetrAVG ausgeschlossen. 558 BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, Bl. 4R für eine Unterstützungskassenrichtlinie; Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, Anhang zu § 1 Rz. 619; Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 130; Feuerborn, Sachliche Gründe im Arbeitsrecht, S. 492; Griebeling, Festschrift für Ahrend, S. 208 (212); P. Hanau/Preis, RdA 1988, 65 (78); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 96, 98. 559 Griebeling, Festschrift für Ahrend, S. 208 (210); Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung, S. 99. 560 So treffend Griebeling, Festschrift für Ahrend, S. 208 (212). Ähnlich bereits im Zusammenhang mit der richterrechtlichen Begründung der Unverfallbarkeit von Ruhegeldanwartschaften BAG, Urteil vom 10.03.1972 – 3 AZR 278/71 –, AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, Bl. 5R. 561 Ähnlich Griebeling, Festschrift für Ahrend, S. 208 (212).

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Das Teilleistungsprinzip ist – soweit es nicht durch eine die Grenzen des § 1b BetrAVG wahrende Verfallklausel wirksam abbedungen worden ist – nicht nur Maßstab zur Ermittlung der geschützten Rechtsposition,562 sondern auch Maßstab für das Gewicht des Vertrauens der Arbeitnehmer bei Abwägung gegen die Änderungsgründe. Das Teilleistungsprinzip ist Ausdruck der Entgeltlichkeit der betrieblichen Altersversorgung und schützt das Vertrauen des vorleistenden Arbeitnehmers in den Erhalt der versprochenen Gegenleistung. Soweit der Arbeitnehmer danach auch Teilleistungen von Arbeitsleistung beziehungsweise Betriebstreue durch anteilige Versorgungsleistungen vergütet bekommt, kann er auch auf den unveränderten Fortbestand der Versorgungsregelung in einer Betriebsvereinbarung vertrauen. Nur soweit das Teilleistungsprinzip ihm keinen Schutz gewährt, besteht auch kein schutzwürdiges Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der Versorgungsregelung in einer Betriebsvereinbarung. Bei der Angemessenheitsprüfung eines Eingriffs in erdiente Versorgungsanwartschaften sind daher die Änderungsgründe der Betriebspartner anhand der Durchbrechungen des Teilleistungsprinzips im allgemeinen Schuldrecht zu gewichten. Damit verweist das Teilleistungsprinzip die Betriebspartner auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB. In solchen Fallkonstellationen hat das Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen günstigeren Regelung hinter dem Änderungsinteresse der Betriebspartner zurückzustehen. Insoweit ergibt sich kein Unterschied zum Schutz der Versorgungsansprüche der Betriebsrentner. Daher kann insbesondere ein Eingriffe in Versorgungsanwartschaften rechtfertigender Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht auf eine insolvenzgleiche wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers gestützt werden. Einer solchen Annahme ist mit Aufhebung des Widerrufsgrundes gemäß § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung die Grundlage entzogen, so daß der Arbeitgeber das Beschaffungsrisiko trägt, welches wegen der Regelung des § 276 I 1 BGB die Anwendung des Instituts der Geschäftsgrundlage ausschließt. Der Anbindung an das Institut der Geschäftsgrundlage steht auch nicht entgegen, daß bei der Gewichtung des schützwürdigen Vertrauens der betriebstreuen Arbeitnehmer in den Bestand ihrer erdienten Anwartschaften das Neutralitätsprinzip gegenüber den mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern zu beachten ist. Das § 2 I BetrAVG zugrunde liegende Neutralitätsprinzip563 erfordert nämlich, daß der unter Aufrechterhaltung einer Anwartschaft ausscheidende Arbeitnehmer hinsichtlich seiner erdienten Anwartschaft nicht besser als ein betriebstreuer Arbeitnehmer gestellt werden darf.564 Im Hinblick hierauf würde es aber zu erheblichen Wertungswidersprü562 563 564

Dazu bereits oben § 3 C. II., S. 182 ff. Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 bei Fn. 806. Vgl. oben S. 145 Fn. 804.

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chen führen, wenn ein kurz vor Wirksamwerden einer nachfolgenden, verschlechternden Betriebsvereinbarung ausgeschiedener Arbeitnehmer hinsichtlich des Schutzes seiner unverfallbaren, erdienten Anwartschaften über die Veränderungssperre des § 2 V 1 BetrAVG besser gestellt wäre als ein betriebstreuer Arbeitnehmer. Eine solche Konsequenz ist auch nicht vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 V 1 BetrAVG hingenommen worden, wonach bei der Berechnung des Teilanspruches gemäß § 2 I BetrAVG nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers vorgenommene Änderungen der Versorgungsregelungen außer Betracht zu bleiben haben. Denn die Norm wurde lediglich mit Rücksicht auf die Rechtsklarheit bei der Kapitalabfindung von Versorgungsanwartschaften gemäß § 3 BetrAVG und der Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch einen neuen Arbeitgeber oder einen anderen Versorgungsträger gemäß § 4 BetrAVG geschaffen. Der Wert der Anwartschaft sollte bereits kurz nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers endgültig berechnet werden können.565 Ziel der Regelung war also gerade nicht die materielle Bevorzugung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern. Zudem folgt aus § 2 V 1 BetrAVG auch kein absoluter Schutz der unverfallbaren Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer. Wie das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit individualrechtlichen Versorgungsregelungen zutreffend erkannt hat, stellt die im Bereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage relevante Beseitigung einer planwidrigen Überversorgung keine Veränderung der Versorgungsregelung im Sinne von § 2 V 1 BetrAVG dar, da mit der Anpassung der Versorgungsregelung lediglich der vertragsgemäße Zustand wiederhergestellt wird. Sinn und Zweck des § 2 V 1 BetrAVG ist es gerade nicht, Störungen der maßgeblichen Versorgungsordnung festzuschreiben. Daher können insoweit auch ausgeschiedene Arbeitnehmer erfaßt werden.566 Dies gilt darüber hinaus für alle Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB, da die Grundlage der mit der Veränderungssperre aufrechterhaltenen Regelung berührt ist. Eine Festschreibung von Störungen der Versorgungsordnung ist auch nicht vom Telos des § 2 V 1 BetrAVG umfaßt, so daß auch die Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer bei Störungen der Geschäftsgrundlage der Versorgungsregelung von einer sie verschlechternden Anpassung erfaßt werden können. Hinzu treten Fälle, in denen kein schutzwürdiges Vertrauen auf Arbeitnehmerseite besteht. Hierzu zählen insbesondere die bereits erwähnten567 Fälle der planmäßigen, das heißt in der ursprünglichen Versorgungszusage bereits angelegten, Überversorgung im öffentlichen Dienst, wenn diese gegen die gesetzlich 565

Begründung des Regierungsentwurfes zum BetrAVG, BT-Drucksache 7/1281,

S. 27. 566 Vgl. BAG, Urteil vom 28.07.1998 – 3 AZR 100/98 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung, Bl. 5, wo insoweit ein Anpassungsrecht des Arbeitgebers bejaht wird. 567 Vgl. oben § 9 C. III. 1. a), S. 361 nach Fn. 529.

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bindenden Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstößt. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst können von vornherein nicht darauf vertrauen, eine haushaltsgesetzwidrige Überversorgung zu erhalten. Zu denken ist ferner daran, daß das Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Versorgungszusage bereits vor deren Abänderung zerstört wurde, etwa durch entsprechende Ankündigungen des Arbeitgebers oder der Betriebspartner.568 In solchen Fällen ist eine Regelung mit unechter Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die Arbeitnehmer mit einer Änderung der Versorgungszusage rechnen mußten, ohne weiteres möglich.569 4. Schutz erdienter dienstzeitunabhängiger Steigerungsraten § 3 dieser Untersuchung hat ergeben, daß dienstzeitunabhängige Steigerungsraten bereits dann im Zeitpunkt ihrer Abänderung auch hinsichtlich zukünftiger Steigerungen erdient sind, wenn beispielsweise ein Lebenshaltungskostenindex oder der Tariflohn einer bestimmten Tariflohngruppe in Bezug genommen sind. Setzt der in Bezug genommene Wert dagegen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zu einem späteren Zeitpunkt voraus, sind die Steigerungsraten insoweit noch nicht erdient. Bei einer vorzeitigen Änderung der Versorgungszusage ist dann lediglich die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor der Änderung erreichten Gehaltes durch die bis dahin geleistete Betriebstreue des Arbeitnehmers erdient. Soweit Steigerungen aufgrund dienstzeitunabhängiger Steigerungsraten im Änderungszeitpunkt bereits eingetreten sind, ergibt sich kein Unterschied zum Schutz erdienter Anwartschaften. Die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unabhängige, bereits erdiente Dynamik ist insoweit Teil der Versorgungsanwartschaft.570 Entsprechendes gilt für die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängige endgehaltsbezogene Dynamik hinsichtlich des vor einer Änderung der Versorgungszusage zuletzt erreichten Gehaltes. Dies entspricht in der Rechtsfolge der Veränderungssperre des § 2 V 1 BetrAVG gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmern, ohne daß es eines Analogieschlusses zu dieser Norm bedürfte. Im Ergebnis bestätigt sich damit 568 BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R m.w. N. Für den Teilwiderruf einer Unterstützungskassenversorgung auch BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 512/00 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R/7. 569 Ebenso BAG, Urteil vom 18.09.2001 – 3 AZR 728/00 –, AP Nr. 34 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 4/4R m.w. N.; für den Teilwiderruf einer Unterstützungskassenversorgung auch BAG, Urteil vom 11.12.2001 – 3 AZR 512/00 –, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG Ablösung, Bl. 6R/7. Auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 131. 570 Ebenso Rech, Die Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen, S. 141 f. mit Fn. 499.

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das hinter § 2 I BetrAVG stehende Neutralitätsprinzip, wonach die betriebstreuen Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer erdienten Anwartschaften im Grundsatz nicht schlechter gestellt werden dürfen als die mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen. Mit der Festschreibung des Endgehaltsbezugs auf den Änderungszeitpunkt erweist sich zugleich die vom Bundesarbeitsgericht angestellte ergebnisbezogene Betrachtungsweise571 als entbehrlich, die bei verschlechternden Neuregelungen eine Kumulation von endgehaltsbezogener Dynamik aus der ursprünglichen Versorgungsregelung und von anderweitigen Steigerungsraten aus der Nachfolgeregelung zu verhindern sucht. Soweit jedoch zukünftige Steigerungen bei einer vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Dynamik in Rede stehen, ist das Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der Regelung weniger schutzwürdig als das Vertrauen in den Fortbestand nichtdynamisierter Anwartschaftsteile, da insoweit lediglich nicht abgeschlossene Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft beschnitten werden. Dies wird bestätigt durch die Wertung des § 16 I BetrAVG, welche auch das Bundesarbeitsgericht zum Schutz zukünftiger Steigerungen entsprechend heranzieht und als „triftigen Grund“ umschreibt.572 Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage und der Belange des Versorgungsempfängers zu entscheiden. Insbesondere eine verschlechterte Ertragslage des Unternehmens kann dabei jedoch zu einem Aussetzen der Anpassung führen, wenn die Entwicklung des Unternehmens aufgrund schwerwiegender wirtschaftlicher Schwierigkeiten beeinträchtigt und die Unternehmenssubstanz langfristig gefährdet ist. § 16 I BetrAVG führt zu einer Dynamisierung der laufenden Versorgungsleistungen. Die Norm ist mittelbar hervorgegangen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes573 zur Geldentwertung bei Betriebsrenten Anfang der 1970er Jahre574 und wurde geschaffen, um das Inflationsrisiko der Betriebsrentenempfänger zumindest teilweise auszugleichen. Die bei der Abwägung nach § 16 I BetrAVG zu berücksichtigenden Belange des Versorgungsempfängers sind daher in seinem Interesse am Ausgleich einer zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung zu sehen, wie nunmehr auch § 16 II Nr. 1 BetrAVG bestätigt. Nach dieser Vorschrift gilt die Verpflichtung aus § 16 I BetrAVG als er-

571

Vgl. oben § 9 C. III. 1. b) bei Fn. 539, 540. Vgl. S. 362 Fn. 531. 573 BAG, Urteil vom 30.03.1973 – 3 AZR 26/72 –, AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung, Bl. 5 ff.; BAG, Urteil vom 30.03.1973 – 3 AZR 34/72 –, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung, Bl. 5 ff. 574 Vgl. den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucksache 7/2843, S. 5, 12 (zu § 6k des Entwurfes); ferner Blomeyer, RdA 2000, 279 (285); Blomeyer/Rolfs/K. Otto, BetrAVG4, § 16 Rz. 8 ff. m.w. N. 572

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füllt, wenn die erfolgte Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für die Bundesrepublik Deutschland in dem dreijährigen Prüfungszeitraum. Eine vergleichbare Intention steht regelmäßig hinter der Bindung der Versorgungsanwartschaften der aktiven Arbeitnehmer an außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehende Faktoren wie etwa einen Lebenshaltungskostenindex oder das Gehalt einer bestimmten Tariflohngruppe. Hier wie dort geht es um die Anpassung an die sich verändernden, wertbeeinflussenden wirtschaftlichen Verhältnisse außerhalb des konkreten Individualarbeitsverhältnisses, die Einfluß auf den Wert der versprochenen beziehungsweise geschuldeten Arbeitgeberleistung haben. Die im Fokus des § 16 I BetrAVG stehende Inflation ist das typische Beispiel solcher sich ändernder, wertbeeinflussender wirtschaftlicher Verhältnisse. Vor dem Hintergrund dieses die Vergleichbarkeit begründenden Kriteriums steht selbst die Tatsache, daß die Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen auch andere Ziele als den Inflationsausgleich verfolgen können,575 einer Anwendung der zu § 16 I BetrAVG entwickelten Grundsätze auf eine an die Tarifentwicklung gekoppelte Zusage nicht entgegen. Gegenstand einer solchen Zusage ist die Teilhabe an der Tarifentwicklung, geschuldet ist mithin ein gleichbleibendes Wertverhältnis von abstraktem Tarifgehalt und Versorgungsanwartschaft. Die Vergleichbarkeit in der Zielsetzung rechtfertigt die entsprechende Heranziehung der zur Anpassungsentscheidung nach § 16 I BetrAVG entwickelten Kriterien zum Schutz bereits erdienter, zukünftiger Steigerungen bei einer vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Dynamik. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit der Zusage einer bereits im Anwartschaftsstadium dynamisierten Altersversorgung der Arbeitgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von noch nicht eingetretenen und damit ungewissen Veränderungen des in Bezug genommenen Maßstabes eine stärkere Bindung eingehen will, als ihm vom Gesetzgeber gegenüber den Betriebsrentnern gemäß § 16 I BetrAVG auferlegt worden ist.576 Hier wie dort besteht daher kein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer in die Ausweitung der versprochenen Versorgungsleistung unter langfristiger Gefährdung der Unternehmenssubstanz. Bestätigt wird dies durch einen Blick auf die Gründe, weshalb eine Betriebsrentenanpassung nach § 16 I BetrAVG unterbleiben kann. Mit der Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange des Arbeitgebers bei der Anpassungsentscheidung gemäß § 16 I BetrAVG zog der Gesetzgeber jedenfalls insoweit eine Parallele

575

Dazu bereits oben § 3 B. III. 7. b), S. 164 ff. So aber im Ergebnis Rößler, Der triftige Grund, S. 206 f., der hieran anschließend aus den Unterschieden zwischen wirtschaftlicher Lage des Arbeitgebers im Sinne von § 16 I BetrAVG und richterrechtlich entwickeltem „triftigem Grund“ die Notwendigkeit eines von § 16 I BetrAVG unabhängigen Prüfungsmaßstabes ableiten will (S. 215). 576

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zum Institut der Geschäftsgrundlage,577 als er eine Zumutbarkeitsgrenze statuierte. Der Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers ist Voraussetzung für die Anpassung von Versorgungsleistungen. Die Betriebsrentner müssen insoweit Rücksicht auf ihren früheren Betrieb und dessen Arbeitnehmer nehmen, da hier die Erträge erwirtschaftet werden, die erforderlich sind, um überhaupt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbringen zu können.578 Eine Anpassung der Betriebsrenten im Rahmen des § 16 I BetrAVG kann unterbleiben, wenn ohne den Eingriff eine angemessene Eigenkapitalverzinsung dauerhaft gefährdet wäre.579 Der Sache nach statuiert § 16 I BetrAVG damit eine Zumutbarkeitsgrenze, wie sie auch § 313 I BGB explizit enthält. Warum aber die anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer vom Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängigen Dynamisierung ihrer Versorgungsanwartschaften weniger Rücksicht auf die Ertragskraft des Unternehmens nehmen müssen sollen als die Betriebsrentner, erschließt sich nicht. Denn bereits für die Versorgungsanwartschaften der aktiven Arbeitnehmer müssen entsprechende bilanzielle Rückstellungen gemäß § 249 I 1 HGB gebildet werden,580 die das Bilanzergebnis regelmäßig stark belasten.581 Der Ertragsfähigkeit des Unternehmens kommt damit bereits in der Anwartschaftsphase entscheidende Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund aber wird der Erhalt der Ertragsfähigkeit des Arbeitgeberunternehmens zur Erbringung der versprochenen Versorgungsleistungen zur Geschäftsgrundlage jeder zukünftigen Dynamisierung,582 die bereits fortfällt, wenn ohne den Eingriff eine angemessene Eigenkapitalverzinsung dauerhaft gefährdet wäre.583 Aus der Anknüpfung an die Geschäftsgrundlage entsteht auch kein Wertungswiderspruch dazu, daß nach Aufhebung des Widerrufsgrundes gemäß § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung Eingriffe in Versorgungsansprüche und erdiente Versorgungsanwartschaften nicht mehr auf eine insolvenzgleiche wirtschaftliche Notlage gestützt werden können und insoweit das Beschaffungsrisiko greift, 577 Weitergehend für eine Dogmatisierung des § 16 BetrAVG als Unterfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Lieb/Westhoff, DB 1976, 1958 (1959); Schwerdtner, ZfA 1978, 553 (569 f.); jeweils unter tatsächlicher Inbezugnahme der vorgesetzlichen Wurzeln der Norm in der auf § 242 BGB gründenden Geldentwertungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. oben S. 372 bei Fn. 574). 578 BAG, Urteil vom 15.09.1977 – 3 AZR 654/76 –, DB 1977, 1903 (1907). 579 Zum Erfordernis der angemessenen Eigenkapitalverzinsung BAG, Urteil vom 23.04.1985 – 3 AZR 156/83 –, AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG, Bl. 5R; BAG, Urteil vom 23.05.2000 – 3 AZR 83/99 –, AP Nr. 43 zu § 16 BetrAVG, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 23.05.2000 – 3 AZR 146/99 –, AP Nr. 45 zu § 16 BetrAVG, Bl. 2R–5. 580 Dazu Rößler, Der triftige Grund, S. 19. 581 Rößler, Der triftige Grund, S. 84. 582 Nur insoweit wie hier Rößler, Der triftige Grund, S. 207. 583 So das ohne Bezug zur Geschäftsgrundlage verwandte Kriterium aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. die Nachweise oben auf S. 362 in Fn. 532.

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welches der Arbeitgeber mit Abschluß der die Versorgungszusage enthaltenden Betriebsvereinbarung übernommen hat und welches wegen der Regelung des § 276 I 1 BGB die Anwendung des Instituts der Geschäftsgrundlage gerade ausschließt. Weil bei einer vom konkreten Arbeitsverhältnis unabhängigen Anwartschaftsdynamisierung nicht davon auszugehen ist, daß sich der Arbeitgeber hinsichtlich noch nicht eingetretener Anwartschaftsveränderungen für die Zukunft über das Maß hinaus binden will, in dem er gegenüber den Betriebsrentnern zur Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 I BetrAVG verpflichtet ist, trägt er insoweit auch nicht das uneingeschränkte Beschaffungsrisiko im Sinne von § 276 I 1 BGB. Im Ergebnis besteht damit kein wesentlicher Unterschied zwischen den Voraussetzungen der Kürzung einer vom konkreten Arbeitsverhältnis unabhängigen Rentendynamik und den Voraussetzungen der Verweigerung einer Betriebsrentenanpassung gemäß § 16 I BetrAVG. Hier wie dort besteht daher auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer in die Ausweitung der versprochenen Versorgungsleistung unter langfristiger Gefährdung der Unternehmenssubstanz. Damit bleibt festzuhalten, daß die zur Anpassungsentscheidung nach § 16 I BetrAVG entwickelten Kriterien zum Schutz bereits erdienter, zukünftiger Steigerungen bei einer vom Arbeitsverhältnis unabhängigen Dynamik entsprechend heranzuziehen sind. Gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft Ausgeschiedenen stellt sich diese Problematik nicht, da ihnen gegenüber ohnehin eine Festschreibung der variablen Berechnungsfaktoren auf den Zeitpunkt des Ausscheidens gemäß § 2 V 1 BetrAVG erfolgt. Nicht rechtfertigen läßt sich demgegenüber ein Eingriff in zukünftige Steigerungen bei einer vom Arbeitsverhältnis unabhängigen, bereits erdienten Dynamik in Anlehnung an die Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes zur Ablösung von Ansprüchen aus vertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage und betrieblicher Übung durch umstrukturierende Betriebsvereinbarung, wenn dringende betriebliche Bedürfnisse die Neuregelung des Versorgungswerks erfordern, der Gesamtaufwand gleichbleibt und die erforderlichen Kürzungen durch anderweitige Leistungsverbesserungen aufgewogen werden.584 Abgesehen von den berechtigten Zweifeln, denen die Ablösung individualrechtlicher Versorgungszusagen durch eine Betriebsvereinbarung vor dem Hintergrund des bereits in § 2 dieser Untersuchung thematisierten Vorbehaltes des Gesetzes in seiner Ausprägung durch die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ausgesetzt ist,585 würde eine solche Parallele zum sogenannten kollektiven Günstigkeitsvergleich voraussetzen, daß das schutzwür584

So aber die auf S. 362 in Fn. 536 genannten Entscheidungen des BAG. Mangels hinreichend bestimmter Ermächtigungsnorm ablehnend gegenüber einer Ablösung etwa Müller-Franken, Die Befugnis zu Eingriffen, S. 216 ff., insbesondere S. 317 ff., zusammenfassend S. 345–349. 585

376 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

dige Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Regelung auf den Erhalt des Dotierungsrahmens beschränkt wäre. Eine solche Annahme wäre jedoch mit dem individualistischen Ansatz des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes gegenüber Normen mit unechter Rückwirkung, den der Gesetzgeber mittels des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die einfachgesetzliche Ebene adaptiert hat, unvereinbar. Das schützenswerte Vertrauen der Arbeitnehmer bezieht sich auf die bestehende Regelung insgesamt und damit auch auf die zugunsten jedes einzelnen Arbeitnehmers wirkenden Verteilungskriterien. Im Hinblick auf diese hat der Arbeitnehmer vorgeleistet und eine unwiederbringliche Vertrauensinvestition erbracht. Nur soweit eine solche Vertrauensinvestition noch nicht vorliegt, das heißt bei der Frage des Schutzes mit der älteren Betriebsvereinbarung zugesagter Erwerbsaussichten, mag dies anders zu beurteilen sein. Im Ergebnis läßt sich daher nicht mittels einer Parallele zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum kollektiven Günstigkeitsvergleich bei ablösenden Betriebsvereinbarungen ein geringerer Vertrauensschutz der Arbeitnehmer bei Eingriffen in zukünftige Steigerungen im Rahmen einer vom Arbeitsverhältnis unabhängigen, bereits erdienten Dynamik rechtfertigen. 5. Schutz nichterdienter dienstzeitunabhängiger und nichterdienter dienstzeitabhängiger Steigerungsraten Soweit Steigerungsraten noch nicht erdient sind, besteht kein Auftrag aus Art. 14 I GG in Verbindung mit den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsätzen an den Gesetzgeber zum Schutz dieser Rechtspositionen. Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in noch nicht erdiente Steigerungsraten eingreift, liegt kein Eingriff in das Grundrecht der betroffenen Arbeitnehmer aus Art. 12 I GG vor, der über § 75 II 1 BetrVG auf einfachgesetzlicher Ebene den Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffnete. Denn die verdrängte ältere, günstigere Regelung stand von vornherein unter dem seinerseits verhältnismäßigen, immanenten Vorbehalt der Abänderung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung. Insoweit greift die den Betriebspartnern eingeräumte Möglichkeit, getroffene Regelungen jederzeit mit Wirkung für die Zukunft abzuändern, ohne weiteres durch. Wie jedoch § 8 dieser Untersuchung gezeigt hat, erweist sich der immanente Vorbehalt der Abänderung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung wegen des verfassungsrechtlich über Art. 12 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG gewährleisteten Vertrauensschutzes dann als unverhältnismäßig und löst einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber aus, wenn die Betriebspartner Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der bisherigen Regelung in Anspruch genommen haben. In solchen Fällen greift die nachfolgende Betriebsvereinbarung in Rechtspositionen der Arbeitnehmer aus Art. 12 I

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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GG, nämlich in eine diese begünstigende Berufsausübungsregelung ein. Der Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist damit eröffnet. Dabei ist auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit eine Interessenabwägung im Einzelfall geboten, in deren Rahmen es auf sachlich-proportionale Änderungsgründe ankommen kann. Ein Vertrauenstatbestand im vorgenannten Sinne kann jedoch weder in der bloßen Zusage einer endgehaltsabhängigen Versorgung noch in der Zusage dienstzeitabhängiger Steigerungsraten durch die ältere Betriebsvereinbarung gesehen werden. Der Arbeitnehmer kann weder mit dem Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalles586 noch mit dem unveränderten Fortbestand der ursprünglichen Betriebsvereinbarung rechnen. Bezüglich letzterer greift der permanente Anspruch der Betriebspartner, neue, das heißt abweichende oder nachfolgende Regelungen fordern zu können, wobei der Betriebsrat allerdings keinen höheren Dotierungsrahmen für freiwillige Sozialleistungen durchsetzen kann. Dieser Anspruch ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten.587 Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können daher damit rechnen, daß eine Regelung von Dauer ist. Zum Ausdruck kommt dies auch in der freien Kündbarkeit von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 V BetrVG.588 Das Vertrauen in den weiteren Fortbestand einer Betriebsvereinbarung ist daher regelmäßig nicht schutzwürdig.589 Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Erfordernis eines sachlich-proportionalen Grundes auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Eingriffen in bloße Erwerbsaussichten nicht aufrechtzuerhalten. Vielmehr folgt aus dem immanenten Änderungsvorbehalt jeder Betriebsvereinbarung eine tatsächliche Vermutung für das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Regelung, so daß es insoweit weder einer Verhältnismäßigkeitsprüfung noch sachlich-proportionaler Änderungsgründe bedarf.590

586 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (236); Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 135. 587 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231). 588 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Loritz, RdA 1991, 65 (70); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). 589 Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (231); Loritz, RdA 1991, 65 (70); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1024). 590 Gegen das Erfordernis sachlich-proportionaler Änderungsgründe für nichterdiente Steigerungsraten im Ergebnis auch Borngräber, Die inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 138; v. Hoyningen-Huene, BB 1992, 1640 (1644). In diese Richtung ebenfalls Blomeyer/Vienken, Anm. SAE 2000, 230 (236 bei Fn. 63); Waltermann, Gedächtnisschrift für Heinze, S. 1021 (1033).

378 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

D. Fazit und Zusammenfassung Perspektiven zur Erfüllung des in den §§ 7, 8 dieser Untersuchung formulierten verfassungsrechtlichen Auftrages zum Vertrauensschutz in bezug auf durch Betriebsvereinbarung begründete Ansprüche, erdiente Anwartschaften und – bei Vorliegen besonderer Umstände – auch Erwerbsaussichten ergeben sich weder aus der Schutzfunktion der betrieblichen Mitbestimmung noch aus den von § 75 I BetrVG lediglich in Bezug genommenen Grundsätzen von Recht und Billigkeit. Insbesondere eine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen zur Erfüllung dieses Schutzauftrages scheidet aus. Sie läßt sich weder auf § 75 I BetrVG, noch auf die §§ 315 I, III 1, 319 I 1 BGB noch auf § 76 V 3 und 4 BetrVG, noch auf einen in den genannten Vorschriften enthaltenen Rechtsgedanken stützen. Die Möglichkeit einer imparitätsgeleiteten, gesetzesübersteigenden Billigkeitskontrolle wurde bereits in § 7 dieser Untersuchung widerlegt. Auch ein spezifisch betriebsrentenrechtlicher Schutz scheidet insoweit aus. Die Unverfallbarkeitsvorschriften des Betriebsrentengesetzes enthalten keine unabdingbare Rechtsfolgenanordnung, die für die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen nutzbar gemacht werden könnte. Der durch Art. 14 I GG geschützte Entgeltcharakter betrieblicher Versorgungsanwartschaften setzt nicht erst mit Eintritt der Unverfallbarkeit ein. Der Gesetzgeber hat dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag jedoch durch die Implementierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit in § 75 II 1 BetrVG Genüge getan. Für eine darüber hinausgehende gerichtliche Kontrolle fehlt es an einem verfassungsrechtlich fundierten Schutzdefizit, da sich die insoweit deduzierten Maßstäbe an den für den Gesetzgeber selbst geltenden Maßstäben orientieren. § 75 II 1 BetrVG schützt als einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 2 I GG und aller spezielleren Freiheitsgrundrechte die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers in einem umfassenden Sinn. Dies gilt für Betätigungen mit immateriellem wie mit materiellem Hintergrund. § 75 II 1 BetrVG bindet die Betriebspartner auch beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen und ermöglicht so die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen. Ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Arbeitnehmers durch Betriebsvereinbarung ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn er um eines Rechtsgutes willen erfolgt, zu dessen Schutz die Betriebspartner berechtigt oder verpflichtet sind. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß § 75 II 1 BetrVG beschränkt sich auf den Schutz freiheitsgrundrechtsrelevanter Positionen der Arbeitnehmer und bezieht sich damit auf den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa). § 75 II 1 BetrVG ist auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner jedenfalls entsprechend anzuwenden, soweit diese von betrieblichen Regelungen erfaßt werden. Letzteres ist namentlich im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Fall.

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Für die Betriebspartner ergibt sich damit folgendes: Eingriffe in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Normunterworfenen aufgrund von Betriebsvereinbarungen bedürfen einer Kontrolle anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Da die Betriebspartner beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen ihre durch das Betriebsverfassungsgesetz gewährleistete Betriebsautonomie ausüben und insoweit eine Richtigkeitsvermutung für die von ihnen getroffenen Regelungen besteht, liefe es der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung zuwider, wenn man Betriebsvereinbarungen, welche die Arbeitnehmer belasten, einer uneingeschränkten gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwürfe. Vor dem Hintergrund des Vorbehaltes des Gesetzes dürfen Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Arbeitnehmer zwar nur zur Realisierung eines Rechtsgutes erfolgen, zu dessen Schutz die Betriebspartner nach dem Betriebsverfassungsgesetz berechtigt oder verpflichtet sind. Insbesondere die insoweit relevante Bindung der Betriebspartner an § 2 I BetrVG steht verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen jedoch regelmäßig nicht entgegen. Regelmäßig kommen Regelungen, die dem Wohl des Betriebs dienen, mittelbar auch den Arbeitnehmern zugute. Die hierbei von den Betriebspartnern angestellten Erwägungen sind allenfalls eingeschränkt justitiabel. Da der Gesetzgeber dem Arbeitgeber den Betriebsrat zwecks Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen zur Seite gestellt hat und eine Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern im Rahmen ihrer Zweckbindungen getroffenen Regelungen besteht, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Betriebsrat eine in erdiente Anwartschaften eingreifende oder anderweitig für die Arbeitnehmer belastende nachfolgende Betriebsvereinbarung nur dann abschließt, wenn aus seiner Sicht gewichtige Arbeitnehmerinteressen für diesen Eingriff sprechen. Die Betriebspartner sind des weiteren an den Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes, bei Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung also an den Zweck des § 87 I Nr. 10 BetrVG gebunden. Nichts anderes gilt, wenn mit einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht ausgeübt wird, weil ein solches nicht (mehr) besteht, etwa weil der Dotierungsrahmen der Versorgungszusage vollkommen aufgehoben wird. Mit einer solchen Regelung werden zugleich die ursprünglichen, mitbestimmungspflichtigen Verteilungskriterien außer Kraft gesetzt. Sie stellt sich damit auch als actus contrarius zu der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung dar. Daher ist der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts zu beachten. Denn ein lediglich der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG unterfallender actus contrarius eröffnet den Betriebspartnern keine größeren Regelungsspielräume als der mitbestimmungspflichtige actus selbst. Mit dem intendierten Ausgleich divergierender Arbeitnehmerinteressen ist eine nachfolgende Betriebsvereinbarung selbst dann nicht schlichtweg unverein-

380 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

bar, wenn nicht die dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG unterliegenden Verteilungskriterien geändert werden, sondern der nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegende Dotierungsrahmen gekürzt wird. Jede Kürzung des Dotierungsrahmens betrifft auch die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung, da es für die Struktur des verteilten Entgelts erheblich ist, auf welches Gesamtvolumen sie sich bezieht. Selbst die mitbestimmungsfreie völlige Aufhebung des Dotierungsrahmens erweist sich als nicht ausgleichsfunktionswidrig, da sie lediglich den Anlaß der erzwingbaren Mitbestimmung beseitigt. Erst recht vor dem Hintergrund der Ausgleichsfunktion zulässig ist die Änderung von Verteilungskriterien für die Zukunft, das heißt der Eingriff in zugesagte Erwerbsaussichten. Die Bindung der Betriebspartner an die Zwecke der Mitbestimmung bei einem Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Arbeitnehmer sowie die Richtigkeitsvermutung für die von ihnen in diesem Rahmen getroffenen Regelungen sind bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung verschlechternder Betriebsvereinbarungen zu berücksichtigen. Insoweit besteht eine Wechselbeziehung zwischen Regelungsfragen und Rechtsfragen. Für die Frage, inwieweit den Betriebspartnern eine Einschätzungsprärogative für die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der nachfolgenden Betriebsvereinbarung für den verfolgten Zweck zukommt, kommt es darauf an, ob der jeweils betroffene Gerechtigkeitsaspekt vom Zweck des ausgeübten Mitbestimmungsrechtes gedeckt ist. Bei einer mitbestimmungsfreien aufhebenden Regelung strahlt der Zweck des mit der aufzuhebenden Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts auf erstere aus, so daß auf diesen Zweck abzustellen ist. Nur soweit der danach einschlägige Mitbestimmungszweck reicht, kann davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die Fähigkeit der Betriebspartner zu einem angemessenen Interessenausgleich vorausgesetzt hat. Nur insoweit kann die Richtigkeitsvermutung für die in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen auf die Rechtsfrage der Verhältnismäßigkeit ausstrahlen. Bei der Mitbestimmung im Engeltbereich wird jedoch allein die Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung relevant. Weil die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung im Entgeltbereich nur der austeilenden Gerechtigkeit dient und die ausgleichende Gerechtigkeit lediglich als Rechtsreflex mit erfaßt, beinhaltet die ausgeübte Mitbestimmung des Betriebsrates an der Regelung insoweit nicht bereits eine Vermutung für eine hinreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen auch hinsichtlich des Anspruchs- und Anwartschaftsschutzes. Um jedoch den Regelungsspielraum der Betriebspartner im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit sicherzustellen, ist es bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich wegen der dortigen unauflösbaren Interdependenz von austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit erforderlich, die dem Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit zuzuordnende Verhältnismäßigkeitskontrolle auf eine Evidenzkontrolle zu beschränken. Dies gilt jedoch nur insoweit, als nicht vor dem Hinter-

§ 9 Perspektiven des Schutzes auf einfachgesetzlicher Grundlage

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grund des oben in den §§ 7, 8 konstatierten Auftrags an den Gesetzgeber, den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz vor Regelungen mit unechter Rückwirkung sowie im übrigen bei besonderen Vertrauenstatbeständen einfachgesetzlich umzusetzen, ein strengerer Kontrollmaßstab erforderlich wird. Der Vertrauensschutz wird aber allein auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit relevant. Nur insoweit ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine strikte Überprüfung von Betriebsvereinbarungen geboten. Die Verhältnismäßigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen, welche in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreifen, ist jedoch auf allen drei Prüfungsstufen auf eine Evidenzkontrolle zu reduzieren, wenn eine betriebliche Regelung in Ausübung eines Mitbestimmungsrechtes erfolgt, welches sowohl der ausgleichenden als auch der austeilenden Gerechtigkeit unmittelbar verpflichtet ist, das heißt sowohl der Schutz- wie der Ausgleichsfunktion der betrieblichen Mitbestimmung dient. In derartigen Fällen besteht eine umfassende Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen, die umfassend auf die Rechtsfrage der Verhältnismäßigkeit ausstrahlt. Zur Konkretisierung der Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens der Arbeitnehmer in den Fortbestand einer älteren begünstigenden Betriebsvereinbarung gegenüber dem Interesse der Betriebspartner am Abschluß einer verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung ist auf Grundlage der Erkenntnisse in § 3 C dieser Untersuchung zwischen bereits erdienten und noch nicht erdienten Rechtspositionen zu differenzieren. In Versorgungsansprüche der Betriebsrentner und in erdiente Anwartschaften können die Betriebspartner beim Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB eingreifen. Hierzu zählen insbesondere die Fälle planwidriger Überversorgung, nicht hingegen eine insolvenzgleiche wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers, welche seit Aufhebung des Widerrufsgrundes gemäß § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG alter Fassung unter das Beschaffungsrisiko des Arbeitgebers im Sinne von § 276 I 1 BGB fällt. Der Maßstab zum Schutz erdienter Anwartschaften folgt aus der Wertung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips, welches das Vertrauen des Vorleistenden in den Erhalt der versprochenen Gegenleistung schützt, und aus seinen im Gesetz angelegten Durchbrechungen. Hinsichtlich der unverfallbaren Anwartschaften Ausgeschiedener wird die Wertung des Teilleistungsprinzips durch die Veränderungssperre des § 2 V 1 BetrAVG überlagert, welche jedoch – wie auch das schuldrechtliche Teilleistungsprinzip – in den Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durchbrochen wird. Jenseits des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst auch eine planmäßige Überversorgung korrigiert werden, da eine solche den bindenden Haushaltsgrundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit widerspricht. Insoweit besteht kein schutzwürdiges Ver-

382 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

trauen der Arbeitnehmer. Gleiches gilt, wenn eine verschlechternde Neuregelung angekündigt war. Bereits erdiente dienstzeitabhängige und dienstzeitunabhängige Steigerungsraten sind Teil der erdienten Anwartschaft. Soweit dienstzeitunabhängige Steigerungsraten nicht die weitere Betriebstreue des Arbeitnehmers voraussetzen, sind auch zukünftige Veränderungen bereits erdient. Insoweit besteht jedoch ein geringeres schutzwürdiges Vertrauen in deren Bestand als in den Bestand nichtdynamisierter Anwartschaftsteile, da noch nicht abgeschlossene Entwicklungen in der Zukunft betroffen sind. Entsprechend § 16 I BetrAVG besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer in die Ausweitung der versprochenen Versorgungsleistung unter langfristiger Gefährdung der Unternehmenssubstanz. Da das schutzwürdige Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht auf den Erhalt des Dotierungsrahmens beschränkt ist, sondern auch die Verteilungskriterien umfaßt, kommt eine Rechtfertigung von Eingriffen in bereits erdiente zukünftige Steigerungsraten in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum kollektiven Günstigkeitsvergleich bei ablösenden, umstrukturierenden Betriebsvereinbarungen nicht in Betracht. Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in noch nicht erdiente Steigerungsraten eingreift, ist dies grundsätzlich durch den jeder Betriebsvereinbarung immanenten Änderungsvorbehalt gerechtfertigt. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann nicht indiziert. Bestehen ausnahmsweise Anhaltspunkte für einen besonderen, von den Betriebspartnern geschaffenen Vertrauenstatbestand hinsichtlich des Fortbestandes der bisherigen Regelung, ist jedoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung mit einer Interessenabwägung im Einzelfall geboten.

*** Als wesentliches Ergebnis des 4. Teils der Untersuchung bleibt folgendes festzuhalten: § 7 hat gezeigt, daß aus der objektivrechtlichen Funktion des Art. 14 I GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Verbot rückwirkender Normen ein Auftrag an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes folgt, Ansprüche und durch Vorleistung bereits erdiente Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen zu schützen. Beim Eingriff in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner entfaltet die Betriebsvereinbarung echte Rückwirkung. Diese ist grundsätzlich unzulässig. Beim Eingriff in bereits erdiente Versorgungsanwartschaften entfaltet die Betriebsvereinbarung unechte Rückwirkung. Diese kann gerechtfertigt sein, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber

4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit 383

dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Abänderung nicht überwiegt. Eine solche Beurteilung ist durch die betriebliche Mitbestimmung im Entgeltbereich gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht vorgezeichnet, da diese allein der austeilenden Gerechtigkeit dient und für die in den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit fallende Frage des Vertrauensschutzes blind ist. Die erforderliche Abwägung ist daher anhand der konkreten betrieblichen Regelung vorzunehmen. Es besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen. Diese schließt eine imparitätsgeleitete Inhaltsoder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen aus und strahlt auf die Beurteilung von Rechtsfragen, wie etwa der hinreichenden Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten, aus, soweit der Zweck des mit Abschluß der Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmungsrechtes diese Fragen mitumfaßt. § 8 hat ergeben, daß durch eine Betriebsvereinbarung zugesagte Erwerbsaussichten in bezug auf eine betriebliche Altersversorgung regelmäßig keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, der ein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderte. Der ständige Anspruch der Betriebspartner, Regelungen mit Wirkung für die Zukunft abändern zu können, erweist sich als regelmäßig verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 I GG. Lediglich hinsichtlich besonderer, von den Betriebspartnern geschaffener Vertrauenstatbestände, die von ihnen geschaffenen Regelungen bestünden – jedenfalls über einen gewissen Zeitraum – unverändert fort, ergibt sich ein Auftrag an den Gesetzgeber, den Vertrauensschutz zu gewährleisten. § 9 hat ergeben, daß der Gesetzgeber den in den §§ 7, 8 formulierten Schutzaufträgen durch Implementation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 75 II 1 BetrVG Genüge getan hat. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind Vertrauensschutzaspekte auf der Ebene der Angemessenheit zu berücksichtigen. Die dabei erforderliche Abwägung von Bestandsschutz- und Änderungsinteressen hat sich am schuldrechtlichen Schutz der erbrachten (Teil-)Leistung zu orientieren. Den Betriebspartnern kommt hingegen ein weiter Regelungsspielraum in bezug auf die Zwecksetzung und die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Erreichung des verfolgten Zweckes zu. Dieser Regelungsspielraum folgt im Bereich der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG aus der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung für Regelungsfragen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit. Nichts anderes gilt, wenn mit einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung über Entgelt ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausgeübt wird, da bei einem actus contrarius der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts auf die nachfolgende Regelung ausstrahlt. Auch insoweit besteht lediglich eine Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung für Regelungsfragen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit. Diese Richtigkeitsgewähr strahlt auf

384 4. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit

die Beurteilung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen aus. Dabei erstreckt sich die Ausstrahlungswirkung wegen des nicht auflösbaren Zusammenhangs zwischen austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei der Entgeltmitbestimmung auch auf Rechtsfragen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit. Ihre Grenzen findet die Ausstrahlungswirkung der materiellen Richtigkeitsgewähr für betriebliche Regelungen in dem auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigenden Vertrauensschutz. Im Hinblick auf den Schutz von Versorgungsbesitzständen ist eine weitergehende inhaltliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen durch die Gerichte mangels verbleibender verfassungsrechtlich fundierter Schutzdefizite nicht indiziert. Eine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen scheidet mangels einer Rechtsgrundlage ohnehin aus. Angesichts des aufgezeigten Zusammenhanges zwischen ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit bei der Entgeltmitbestimmung und der Auswirkungen dort bestehender Regelungsspielräume auf den Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen verbleibt die Frage, inwieweit dieser Gerechtigkeitsbereich einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dem ist im abschließenden 5. Teil der Untersuchung nachzugehen.

5. Teil

Grundzüge der gerichtlichen Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit Im vorangegangenen 4. Teil der Untersuchung wurden die wesentlichen Parameter zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung entwickelt. Dieser Bereich ist der ausgleichenden Gerechtigkeit im aristotelischen Sinne zuzuordnen, da es um den Schutz eines bestehenden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung geht. Zugleich hat sich gezeigt, daß das für Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung einschlägige, in teleologischer Hinsicht auch auf mitbestimmungsfreie aufhebende Regelungen ausstrahlende Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG gerade nicht der ausgleichenden, sondern der austeilenden Gerechtigkeit dient. Zwischen beiden Erscheinungsformen der Gerechtigkeit besteht jedoch bei der Entgeltmitbestimmung ein untrennbarer Zusammenhang, da man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Personen verteilen kann, ohne zugleich eine Aussage über das Austauschverhältnis im Einzelfall zu treffen. § 9 hat insoweit gezeigt, daß Regelungsspielräume im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit auch bei der Gewährleistung von Vertrauensschutz gegenüber nachfolgenden Betriebsvereinbarungen durch den betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen sind. Den Betriebspartnern kommt bei der Zwecksetzung sowie der Beurteilung von Geeignetheit und Erforderlichkeit einer verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung, welche in Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingreift, für den damit verfolgten Zweck ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Hieran schließt sich die Frage an, inwieweit betriebliche Regelungen hinsichtlich der austeilenden Gerechtigkeit einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Dazu sollen zunächst in § 10 die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben an den Staat zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit beleuchtet werden, um dann in § 11 Umfang und Reichweite der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen vor dem Hintergrund der einfachgesetzlichen Umsetzung dieser Vorgaben zu bestimmen.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit Ausgangspunkt für die Frage nach den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes und, hieran anknüpfend, auch an die Gerichte bei der Auslegung und Fortbildung des einfachen Gesetzesrechts zur Gewährleistung der austeilenden Gerechtigkeit bei Betriebsvereinbarungen ist die bereits angesprochene Erkenntnis, daß der Gesetzgeber sich seiner Bindungen nicht dadurch entledigen kann, daß er mit dem Betriebsverfassungsgesetz die Normsetzung durch die Betriebspartner, das heißt durch Private ermöglicht und anerkennt.1 Da Betriebsvereinbarungen normativ auf eine Mehrzahl von Arbeitsverhältnissen einwirken, eröffnet der Gesetzgeber den Betriebspartnern zugleich die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitnehmergruppen. Damit steht die Frage der Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG bei der Anerkennung privater Rechtsetzung im Raum. Ergänzt wird Art. 3 GG durch das Entgeltgleichheitsgebot in Art. 141 des EG-Vertrages sowie mehrere europäische Antidiskriminierungsrichtlinien,2 welche der Gesetzgeber mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt hat. Trotz ihrer unterschiedlichen Ansatzpunkte handelt es sich bei Art. 3 II, III GG und den europarechtlichen Diskriminierungsverboten ebenso wie bei dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG um Ausprägungen der iustitia distributiva im aristotelischen Sinne. Aristoteles verstand unter der austeilenden Gerechtigkeit allgemein die proportionale Gleichheit in Ansehung der Person. Nichtgleiche Personen können danach nicht gleiche Anteile an einem zu verteilenden Gut erhalten.3 Art. 3 II, III GG und die europarechtlichen Diskriminierungsverbote ordnen jedoch nicht die ausnahmslose Gleichbehandlung bei Vorliegen der dort genannten Unterschiede in der Person an, sondern bestimmen 1

Dazu bereits oben § 6 A., S. 236 ff. Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.06.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG Nr. L 180 vom 19.07.2000, S. 22); Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 vom 02.12.2000, S. 16); Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr. L 269 vom 05.10.2002, S. 15); Richtlinie 2004/ 113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EG Nr. L 373 vom 21.12.2004, S. 37). 3 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.6, S. 1331a. 2

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben

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lediglich, daß diese Unterschiede für eine Verteilung keine Rolle spielen dürfen, während in der gleichen Person verwirklichte andere Differenzierungskriterien dies grundsätzlich4 durchaus können und dürfen. Dies fügt sich nahtlos in die aristotelische Betrachtungsweise ein, wenn man berücksichtigt, daß Aristoteles die Frage der Kriterienbildung für das Vorliegen von Gleichheit oder Ungleichheit offenläßt und sich auf das Merkmal der Proportionalität zurückzieht.5 Zudem ist selbst eine unterschiedslose Zuteilung durchaus mit dem Gedanken der iustitia distributiva ohne weiteres vereinbar.6 Der Unterschied zwischen Differenzierungs- beziehungsweise Diskriminierungsverboten und dem allgemeinen Gleichheitssatz ist lediglich folgender, wie das Beispiel des Art. 3 GG verdeutlicht: Bei den Differenzierungsverboten des Art. 3 II, III GG geht es nicht um eine „schärfere“7 oder „striktere“8 Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG, sondern um eine partielle Durchbrechung der dort geforderten Proportionalität.9 Entsprechendes gilt für das Verhältnis der europarechtlichen Diskriminierungsverbote zu Art. 3 I GG. Im folgenden sollen zunächst diese – A. – verfassungsrechtlichen und – B. – europarechtlichen Vorgaben zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit untersucht werden, bevor – C. – Schlüsse auf den Umfang des hieraus folgenden Schutzauftrages an den Gesetzgeber und, hieran anknüpfend, auch an die Gerichte bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts gezogen werden können.

A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Gesetzgebers zur Gewährleistung austeilender Gerechtigkeit Art. 1 III 1 GG bindet den Privatrechtsgesetzgeber an die Grundrechte und damit auch an die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG. Dies gilt uneingeschränkt für Art. 3 GG in seiner abwehrrechtlichen Funktion. Bei Betriebsvereinbarungen ist jedoch auf Art. 3 GG in seiner objektivrechtlichen Schutzgebotsfunktion zurückzugreifen, da es sich um Rechtsetzungsakte Privater handelt. Da die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen gegenüber den Arbeitneh4 Eine Einschränkung stellt insoweit die europarechtliche Figur der mittelbaren Diskriminierung dar. 5 Explizit Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V.6, S. 1331a: „Denn das Gerechte bei den Verteilungen muß nach einer bestimmten Angemessenheit in Erscheinung treten; darin stimmen alle überein. Aber gerade unter der Angemessenheit verstehen nicht alle dasselbe: die Vertreter des demokratischen Prinzips meinen die Freiheit, die des oligarchischen den Reichtum, oder den Geburtsadel, und die Aristokraten den hohen Manneswert. Das Gerechte ist also etwas Proportionales – [. . .]“ 6 Hierzu Canaris, iustitia, S. 12 f. m.w. N. 7 So aber Maunz/Dürig/Herzog, GG, Anh. Art. 3 Rz. 40. 8 So aber Maunz/Dürig/Herzog, GG, Anh. Art. 3 Rz. 44. 9 Fastrich, RdA 2000, 65 (73).

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

mern regelmäßig nicht privatautonom legitimiert ist,10 sondern durch die Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner seitens des Gesetzgebers selbst, greifen insoweit nicht die tiefgreifenden Bedenken, welche aus der Privatautonomie gegen eine Erstreckung der grundrechtlichen Schutzgebotsfunktion gegenüber Handlungen Privater auf die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG erwachsen.11 Wie bereits in § 6 dieser Untersuchung gezeigt wurde, entsprechen aus diesem Grunde zugleich die Regelungsspielräume des Gesetzgebers denen, die er hätte, wenn er die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen selber träfe, da es letztlich nur eine Frage der Perspektive ist, ob man auf eine Grundrechtsverletzung durch die Betriebspartner abstellt oder das Ermöglichen einer solchen Verletzung durch den Gesetzgeber. Der Prüfungsmaßstab von Abwehr- und Schutzgebotsfunktion der Grundrechte ist insoweit in seiner Intensität gleich. Im folgenden sind daher zunächst die Bindungen des Gesetzgebers zu beleuchten, wenn er selbst eine Regelung trifft. Dabei ist zwischen den besonderen Gleichheitssätzen des Art. 3 II, III GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG zu differenzieren. Erst dann können, unter Berücksichtigung der ergänzend hierzu – sub B. – zu beleuchtenden europarechtlichen Vorgaben an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit, – C. – Schlüsse für Umfang und Reichweite des hieraus folgenden Schutzauftrages des Gesetzgebers und – in § 11 – auch der Gerichte bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts gezogen werden. I. Besondere Gleichheitssätze des Art. 3 II, III GG Art. 3 III 1 GG enthält ein Differenzierungsverbot wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen und politischen Anschauungen. Art. 3 III 2 GG enthält ein Benachteiligungsverbot wegen Behinderungen. Art. 3 II 1 GG statuiert – in der begrifflichen Anknüpfung inhaltsgleich mit dem Differenzierungsverbot wegen des Geschlechts in Art. 3 III 1 GG12 – die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Regelungsspielräume des Gesetzgebers im Bereich von Art. 3 II, III GG sind gering. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sind wegen Art. 3 II GG zwischen Männern und Frauen differenzierende Regelungen nur ausnahmsweise zulässig, wenn „sie zur Lösung von Problemen, die ihrer 10

Dazu bereits oben § 2 B. II. 1. a), b), S. 64 ff., 69 ff. Dazu nur Isensee, in Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts V, § 111 Rz. 96 m.w. N. in Fn. 207. Für eine Schutzgebotsfunktion auch der Gleichheitsgrundrechte etwa ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 11, der insoweit explizit nicht zwischen privat-, betriebs- und tarifautonom gesetzten Regelungen differenziert. Ohne explizite Differenzierung auch Sachs/Osterloh, GG3, Art. 3 Rz. 65. 12 Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 446. 11

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben

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Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.“13 Bei den übrigen Differenzierungsverboten des Art. 3 III 1 GG darf grundsätzlich nicht „wegen“ der dort genannten Merkmale differenziert werden. Eine unmittelbare Anknüpfung scheidet auch insoweit grundsätzlich aus,14 wenngleich eine Anknüpfung ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, wenn sie dem Schutzzweck des jeweiligen Differenzierungsverbotes nicht zuwiderläuft. Insoweit sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen,15 um den Grundrechtsschutz nicht leerlaufen zu lassen. II. Allgemeiner Gleichheitssatz des Art. 3 I GG Art. 3 I GG statuiert nach seinem Wortlaut die Gleichheit vor dem Gesetz. Im Verein mit Art. 1 III 1 GG folgt hieraus die Bindung des Gesetzgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz.16 Aus diesem ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber. Diese reichen vom bloßen Willkürverbot, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich sowie wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln,17 bis zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsbindung bei der Differenzierung im Rahmen der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichtes.18 Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung, die um so enger ist, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 III GG genannten annähern und je größer die Gefahr ist, daß die an sie anknüpfende Differenzierung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Für Regelungen, die zwischen Personengruppen differenzieren, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die unterschiedlichen Rechtsfolgen zu rechtfertigen vermögen.19 Ebenso verengt sich der Gestaltungs13 BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. –, BVerfGE 85, 191 (207); BVerfG, Beschluß vom 24.01.1995 – 1 BvL 18/93 u. a. –, BVerfGE 92, 91 (109). 14 BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. –, BVerfGE 85, 191 (206 f.). 15 Dazu ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 77 m.w. N. 16 Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 428. 17 BVerfG, Beschluß vom 09.08.1978 – 2 BvR 831/76 –, BVerfGE 49, 148 (165) m.w. N. 18 BVerfG, Beschluß vom 07.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79 u. a. –, BVerfGE 55, 72 (88); BVerfG, Beschluß vom 26.01.1993 – 1 BvL 38 u. a./92 –, BVerfGE 88, 87 (96 f.); BVerfG, Urteil vom 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26 (51). 19 BVerfG, Beschluß vom 07.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79 u. a. –, BVerfGE 55, 72 (88); BVerfG, Beschluß vom 26.01.1993 – 1 BvL 38 u. a./92 –, BVerfGE 88, 87 (97); BVerfG, Urteil vom 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26 (52).

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

spielraum des Gesetzgebers, wenn zugleich erheblich in den Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechtes eingegriffen wird20 oder ein besonderer Gleichheitssatz21 oder ein grundgesetzlicher Schutzauftrag22 berührt ist.23 Dabei führt die Betonung verhältnismäßiger Gleichheit durch die sogenannte neue Formel des Bundesverfassungsgerichtes zum Erfordernis eines spezifischen Legitimationszusammenhangs.24 Die Differenzierungsgründe müssen sachbereichsbezogen gewählt sein, und es muß ein sachgerechter Zusammenhang zwischen Differenzierungsgrund und -folgen bestehen.25 Dabei kommt dem Gesetzgeber jedoch ein Gestaltungsspielraum zu, so daß sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle auch insoweit auf die Einhaltung äußerster Grenzen beschränken muß und nicht danach zu fragen hat, ob der Gesetzgeber die jeweils zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt hat.26 Bei der Wahl der zu verfolgenden Zwecke besteht ein weitreichender Freiraum des Gesetzgebers.27 Bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit bestimmter Differenzierungskriterien kommt ihm eine Einschätzungsprärogative zu.28

B. Europarechtliche Bindungen des Gesetzgebers zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit Zu diesen verfassungsrechtlichen Bindungen treten die Bindungen des Privatrechtsgesetzgebers aus dem europarechtlichen Entgeltgleichheitsgebot gemäß Art. 141 des EG-Vertrages sowie insbesondere aus vier Richtlinien29 zur Durchsetzung des Diskriminierungsschutzes im Bereich von Beschäftigung und Beruf auf einfachgesetzlicher Ebene, namentlich hinsichtlich der Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht. Soweit diese Richtlinien die Diskriminierung wegen 20 So bei berufsbezogenen Prüfungen, vgl. BVerfG, Beschluß vom 06.12.1988 – 1 BvL 5, 6/85 –, BVerfGE 79, 212 (218). 21 Neben Art. 3 II, III GG etwa Art. 33 II GG (Zugang zu öffentlichen Ämtern), Art. 38 I 1, II GG (Wahlrechtsgleichheit). 22 Etwa Art. 6 IV GG (Mutterschutz), vgl. BVerfG, Beschluß vom 04.10.1983 – 1 BvL 2/81 –, BVerfGE 65, 104 (112 f.). 23 ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 42. 24 BVerfG, Beschluß vom 30.05.1990 – 1 BvL 2/83 u. a. –, BVerfGE 82, 126 (148). 25 ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 43 m.w. N. 26 BVerfG, Beschluß vom 26.03.1980 – 1 BvR 121, 122/76 –, BVerfGE 54, 11 (25 f.); BVerfG, Beschluß vom 07.10.1980 – 1 BvL 50/79 u. a. –, BVerfGE 55, 72 (90); BVerfG, Beschluß vom 10.01.1984 – 1 BvL 5/83 –, BVerfGE 66, 84 (95); BVerfG, Beschluß vom 29.11.1989 – 1 BvR 1402, 1528/87 –, BVerfGE 81, 108 (117 f.). 27 Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 441. 28 Ähnlich Pieroth/Schlink, Grundrechte22, Rz. 444: weiter Ermessensspielraum. 29 Vgl. S. 386 Fn. 2.

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben

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des Geschlechtes verbieten, konkretisieren sie auch das Entgeltgleichheitsgebot gemäß Art. 141 des EG-Vertrages. Soweit die Richtlinien die Diskriminierung wegen des Alters verbieten, konkretisieren sie den vom Europäischen Gerichtshof in der Mangold-Entscheidung30 herangezogenen ungeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Primärrechtsgrundsatz des Verbotes der Diskriminierung wegen des Alters. Die Richtlinien enthalten weithin konkrete Vorgaben an den Gesetzgeber zu ihrer Umsetzung in nationales Recht, denen angesichts ihrer nunmehr erfolgten Umsetzung durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hier nicht im einzelnen nachgegangen werden soll.31

C. Schutzauftrag der Gleichheitsrechte Aus den Grundrechten des Art. 3 GG in ihrer objektivrechtlichen Funktion folgt ein Auftrag an den Staat, auch gegenüber Grundrechtseingriffen Privater den Schutz sicherzustellen. Hinsichtlich der Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG erkennt das Bundesverfassungsgericht jedoch nach dem oben Gesagten sowohl im Anwendungsbereich der Willkürformel als auch im Bereich personenbezogener und freiheitsgrundsrechtsrelevanter Differenzierung Regelungsspielräume des Gesetzgebers an, welche auch bei der Anerkennung privater Rechtsetzung im Rahmen der Betriebsverfassung Regelungsspielräume eröffnen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, über seine eigene Grundrechtsbindung hinaus den Betriebspartnern engere Regelungsschranken aufzuerlegen. Wegen der hier bestehenden Identität der Prüfungsintensität von Abwehr- und Schutzgebotsfunktion verbleibt die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung den Betriebspartnern auch weitergehende Regelungsspielräume eröffnen kann, welche über seine eigenen Regelungsspielräume hinausgehen, etwa dahingehend, daß bereits die Beteiligung des Betriebsrats beim Abschluß der Betriebsvereinbarung die unwiderlegliche Vermutung der Wahrung der aus Art. 3 I GG folgenden Bindungen trage.32 Solche aus einem ausschließlich prozeduralen Verständnis austeilender Gerechtigkeit resultierenden Regelungsspielräume ließen sich vor Art. 3 I GG indes nur rechtfertigen, soweit der Gesetzgeber die Möglichkeiten privat- oder tarifautonomer und damit anderweitig verfassungsrechtlich geschützter Gestaltung einschränkte. Nur 30 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 75 f.). 31 Zu § 2 II 2 AGG jedoch sogleich sub § 11 A., S. 396 ff. 32 Ein solches Verständnis findet sich bei Clodius, Die Bedeutung der Grundrechte im Betriebsverfassungsgesetz, S. 99, die ihre Untersuchung jedoch allein den Freiheitsgrundrechten der Arbeitsvertragsparteien und der Koalitionen widmet (S. 79) und zu Art. 3 GG schweigt.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

dann wäre der Schutzauftrag der Grundrechte lediglich anhand des Untermaßverbotes auf evidente Schutzpflichtverletzungen zu überprüfen.33 Da jedoch die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen gegenüber den Arbeitnehmern nicht privatautonom, sondern gesetzlich legitimiert ist,34 hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung insoweit nur den Regelungsspielraum, der ihm auch bei Gesetzen im hoheitlichen Bereich zukommt. Dies gilt auch für Art. 3 I GG. Auch insoweit hat der Gesetzgeber durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß die von ihm anerkannten betrieblichen Regelungen nicht hinter den Schutzstandards zurückbleiben, welche gälten, wenn er die Regelung selbst träfe. Die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes auch durch Verfahren ist damit nicht ausgeschlossen. Sie wird jedoch begrenzt durch das Gebot effektiven Grundrechtsschutzes,35 der im Anwendungsbereich der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichtes, insbesondere bei freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen kritisch wird.36 Erforderlich ist diese Klarstellung insbesondere gegenüber mißverständlichen Ausführungen bei Fastrich, der unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit der Kleinbetriebsklausel gemäß § 23 I 2 KSchG alter Fassung37 einen weitergehenden Regelungsspielraum des Gesetzgebers annimmt, der auch bezogen auf die Betriebsparteien in Frage stehe.38 Nur unterscheidet sich die vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit zu entscheidende Fallkonstellation von der Situation betrieblicher Rechtsetzung eben insoweit, als die Einschränkung der Möglichkeiten privatautonomer und damit anderweitig verfassungsrechtlich geschützter Gestaltung des Arbeitsverhältnisses – nämlich die Kündigungsfreiheit – und nicht die Reichweite einer allein durch den einfachen Gesetzgeber legitimierten Gestaltung in Rede stand. Entsprechendes gilt für den Bereich der Differenzierungs- beziehungsweise Diskriminierungsverbote. Aus den Differenzierungsverboten des Art. 3 III 1 GG und dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 III 2 GG folgt ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber, diese Standards auch bei von ihm anerkannter privater Recht33 Vgl. BVerfG, Beschluß vom 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 –, BVerfGE 97, 169 (176 f.), wo das Untermaßverbot auf privatrechtliche Regelungen angewandt wird, welche die Vertragsfreiheit begrenzen (dort § 23 I 2 KSchG a. F.) 34 Dazu oben § 2 B. II. 2. b) bb), S. 78 ff. 35 Zu dieser Anforderung BVerfG, Beschluß vom 14.11.1979 – 1 BvR 654/79 –, BVerfGE 52, 391 (408); BVerfG, Beschluß vom 08.02.1983 – 1 BvL 20/81 –, BVerfGE 63, 131 (143); BVerfG, Urteil vom 05.02.1991 – 1 BvF 1/84 u. a. –, BVerfGE 83, 238 (296); BVerfG, Beschluß vom 17.04.1991 – 1 BvR 1529/84 u. a. –, BVerfGE 84, 59 (72 f.). 36 Dazu unten § 11 B. II., S. 411 ff. 37 Vgl. S. 392 Fn. 33. 38 Fastrich, RdA 1999, 24 (28) m. Fn. 42, der im Ergebnis jedoch auch ein Zusammenspiel von prozeduraler und materieller Gewährleistung austeilender Gerechtigkeit sieht (S. 30) und für eine Evidenzkontrolle von Gleichheitsverstößen eintritt (S. 29).

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben

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setzung sicherzustellen. Die dort bestehenden Regelungsspielräume sind geringer als beim allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, so daß insoweit die Möglichkeit eines effektiven Grundrechtsschutzes durch Verfahren deutlich eingeschränkt ist. Bei den europarechtlich fundierten Diskriminierungsverboten ergibt sich eine dem Schutzauftrag der Grundrechte vergleichbare Bindung aus der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht mit Wirkung für den Privatrechtsverkehr. Bei unzureichender Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sind die Gerichte kraft ihrer Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 III GG gehalten, einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Bei unzureichender Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht kommt eine unmittelbare Anwendung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien im Verhältnis der Arbeitnehmer zum Arbeitgeber beziehungsweise zu den Betriebspartnern hingegen nicht in Betracht. Da Richtlinien sich lediglich an die Mitgliedsstaaten richten und die Bürger deren Nichtumsetzung oder mangelhafte Umsetzung nicht zu vertreten haben, verneint der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu Recht die sogenannte horizontale unmittelbare Richtlinienwirkung39 unter Privatrechtssubjekten.40 Dem kann auch nicht die Mangold-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes41 entgegengehalten werden.42 In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof erkannt, es obliege den nationalen Gerichten, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewandt lasse, auch wenn die verlängerte Frist für die Umsetzung der entsprechenden Richtlinie 2000/78/EG43 noch nicht abgelaufen sei.44 Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters sei nicht in der Richtlinie 2000/78/EG selbst verankert.45 Es handle sich vielmehr um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der unabhängig von der Umsetzungsfrist für die Richtlinie Geltung beanspru-

Dazu auch Haratsch/C. Koenig/Pechstein, Europarecht5, Rz. 343 m.w. N. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 –, DVBl. 2005, 35 (39, Tz. 108 f.) m.w. N. 41 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53–61. 42 So aber Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (33). Wie hier hingegen Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 42. 43 Vgl. S. 386 Fn. 2. 44 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 78). 45 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 74). 39 40

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

che.46 Den nationalen Gerichten obliege es, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht ergebe, zu gewährleisten.47 Eine antizipierende unmittelbare Richtlinienwirkung hat der Europäische Gerichtshof damit also keineswegs bejaht. Er wendet vielmehr den ungeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung an.48 Unglücklich wird diese Entscheidung freilich dadurch, daß der Europäische Gerichtshof ergänzend Art. 6 I der Richtlinie heranzieht.49 Letztendlich bleibt aber offen, ob das Ergebnis der Nichtanwendung nationaler Vorschriften auch im Wege der antizipierenden richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts oder im Wege der antizipierenden unmittelbaren Richtlinienwirkung erreicht werden soll,50 so daß von einer Rechtsprechungsänderung insoweit nicht auszugehen ist. Gegen eine unmittelbare horizontale Richtlinienwirkung sprechen jedenfalls tiefgreifende Bedenken aufgrund des Rechtsstaatsprinzips des Grundgesetzes,51 denen im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht weiter nachgegangen werden kann. Eine unmittelbare horizontale Wirkung europäischer Richtlinien scheidet auf Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus. An der fehlenden unmittelbaren Richtlinienwirkung ändert sich auch dadurch nichts, daß die Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner durch den staatlichen Gesetzgeber legitimiert ist.52 Dadurch werden die Betriebspartner nicht zu dem Staat vergleichbaren Rechtssubjekten, welche eine sogenannte vertikale unmittelbare Richtlinienwirkung53 im Verhältnis zwischen den Betriebspartnern und den Arbeitnehmern rechtfertigen könnte. Denn die Betriebspartner sind weder Bestandteil der Staatsorganisation noch Träger hoheitlicher Befugnisse, noch nehmen sie eine primär staatliche Aufgabe wahr.54

46 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 75 f.). 47 EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 77). 48 Ebenso Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 42. 49 Vgl. EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 22.11.2005 – C-144/04 –, SAE 2006, 53 (60, Tz. 78). 50 So zu Recht Giesen, SAE 2006, 45 (51 f.). 51 Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag4, Art. 249 EGV Rz. 12. 52 Zur Legitimation durch den Staat bereits oben § 2 B. II. 2. b) bb), S. 78 ff. 53 Dazu Haratsch/C. Koenig/Pechstein, Europarecht5, Rz. 341 m.w. N. 54 Dazu bereits oben § 2 B. II. 2. b) aa), bb), S. 76 ff.

§ 10 Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben

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D. Zusammenfassung Die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG und die europarechtlichen Diskriminierungsverbote sind gleichermaßen Ausprägungen der austeilenden Gerechtigkeit. Aus den Gleichheitsgrundrechten des Art. 3 GG folgt ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes. Da die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen gegenüber den Arbeitnehmern regelmäßig nicht privatautonom legitimiert ist, sondern durch die Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner seitens des Gesetzgebers selbst, greifen insoweit nicht die schwerwiegenden Bedenken, welche aus der Privatautonomie gegen eine Erstreckung der grundrechtlichen Schutzgebotsfunktion gegenüber Handlungen Privater auf die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG erwachsen. Zugleich folgt aus der Legitimation der Normwirkung durch den Gesetzgeber die Angleichung der Intensität des Prüfungsmaßstabes der Schutzfunktion an den der Abwehrfunktion der Gleichheitsgrundrechte. Dabei zeigt eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG, daß die Bindungen im Bereich des Art. 3 II, III GG nur sehr geringe Gestaltungsspielräume für die Ausgestaltung der Betriebsverfassung zulassen, da eine Differenzierung wegen der dort genannten Merkmale grundsätzlich ausscheidet. Ein Grundrechtsschutz allein durch das Verfahren der betrieblichen Mitbestimmung wird damit zweifelhaft. Im Bereich des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG hingegen reichen die Bindungen vom bloßen Willkürverbot bis zur Forderung verhältnismäßiger Gleichheit bei personenbezogenen und freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen nach der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichtes. Auch letztere beläßt aber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung Regelungsspielräume. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle ist auf die Einhaltung äußerster Grenzen beschränkt. Bei der Wahl der zu verfolgenden Zwecke besteht ein weitreichender Freiraum des Gesetzgebers; bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit bestimmter Differenzierungskriterien kommt ihm eine Einschätzungsprärogative zu. Eine Gewährleistung des Schutzes der Gleichheitsgrundrechte durch die betriebliche Mitbestimmung als Verfahren ist damit nicht ausgeschlossen. Sie findet jedoch ihre Grenze in einem effektiven Grundrechtsschutz. Bei unzureichender Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sind die Gerichte kraft ihrer Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 III GG gehalten, selbst einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Bei den europarechtlich fundierten Diskriminierungsverboten ergibt sich eine dem Schutzauftrag der Grundrechte vergleichbare Bindung aus der Verpflichtung zur Umsetzung der jeweiligen Richtlinien in nationales Recht mit Wirkung für den Privatrechtsverkehr. Bei unzureichender Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht kommt eine unmittelbare Anwendung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien durch die Gerichte nicht in Betracht.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

Im folgenden § 11 ist zu untersuchen, inwieweit der Gesetzgeber seine Bindungen hinsichtlich der Wahrung austeilender Gerechtigkeit durch das Betriebsverfassungsgesetz verwirklicht hat und ob gegebenenfalls Schutzdefizite bestehen, die eine weitergehende gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen erforderlich machen.

§ 11 Perspektiven der Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit auf einfachgesetzlicher Grundlage Im folgenden gilt es, die einfachgesetzliche Umsetzung der soeben in § 10 formulierten Schutzaufträge an den Gesetzgeber hinsichtlich – A. – des Diskriminierungsschutzes und – B. – des allgemeinen Gleichheitssatzes zu beleuchten. In diesem Zusammenhang werden konkrete Maßstäbe zur gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen auf Grundlage des vom Gesetzgeber gesetzten Rechts zu entwickeln sein. Nur wenn dabei Schutzdefizite verbleiben, kann sich die Frage der Notwendigkeit einer weitergehenden, gegebenenfalls rechtsfortbildenden Kontrolle stellen, zu welcher die Gerichte dann ermächtigt sein können. Denn sie sind gemäß Art. 1 III GG an den Schutzauftrag der Grundrechte ebenso gebunden wie der Gesetzgeber selbst.

A. Diskriminierungsschutz Der Gesetzgeber hat seinen verfassungs- und europarechtlichen Auftrag zur Gewährleistung des Diskriminierungsschutzes über die Bindung der Betriebspartner an die Diskriminierungsverbote des § 75 I BetrVG erfüllt. Hinzu tritt der Schutz vor Diskriminierung wegen gewerkschaftlicher Betätigung als Ausfluß der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 III GG. § 75 I BetrVG bildet insoweit eine zwingende rechtliche Schranke für Betriebsvereinbarungen. Schutzdefizite, welche eventuell eine rechtsfortbildende gerichtliche Kontrolle auslösen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich. Eine gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen hat sich daher insoweit auf die Einhaltung der Diskriminierungsverbote gemäß § 75 I BetrVG zu beschränken. Nach dem Willen des Gesetzgebers können gemäß § 75 I BetrVG unzulässige Differenzierungen, soweit sie sich mit den in § 1 AGG genannten Merkmalen decken, nunmehr unter den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgestellten Voraussetzungen gerechtfertigt sein.55 55 Begründung des Regierungsentwurfes zum Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, BT-Drucksache 16/1780, S. 56.

§ 11 Perspektiven der Kontrolle auf einfachgesetzlicher Grundlage

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Einer Anwendung der Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Rahmen des § 75 I BetrVG steht auch nicht § 2 II 2 AGG entgegen, wonach für die betriebliche Altersvorsorge das Betriebsrentengesetz gilt. Diese Vorschrift ist nicht etwa als Bereichsausnahme zu verstehen.56 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, die – im Gegensatz zur Parallelvorschrift des § 2 IV AGG für das Kündigungsschutzrecht – keine ausschließliche Geltung des Betriebsrentengesetzes anordnet. Zudem enthält § 10 S. 3 Nr. 4 AGG nach wie vor eine dezidierte Regelung für die betriebliche Altersversorgung, die ansonsten ohne Anwendungsbereich bliebe, während die ursprünglich für Kündigungen geltenden Rechtfertigungsgründe in § 10 S. 3 Nrn. 6, 7 AGG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes vom 02.12.2006 mangels Anwendbarkeit aufgehoben worden sind. Zwar ist zu konzedieren, daß die Begründung des Gesetzesentwurfes für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz § 2 II 2 AGG als Klarstellung ansah, daß für die betriebliche Altersversorgung die auf Grundlage des Betriebsrentengesetzes geregelten Benachteiligungsverbote gälten.57 Das Betriebsrentengesetz enthält jedoch keine Benachteiligungsverbote,58 wenn man einmal von dem im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsschutz unspezifischen und nicht weiterführenden Neutralitätsgebot des § 2 BetrAVG59 absieht, das allein auf das Verhältnis von vorzeitig ausscheidenden zu betriebstreuen Arbeitnehmern zugeschnitten ist. Der Hinweis des Gesetzgebers auf das Betriebsrentengesetz geht damit ins Leere. In der Begründung ihres Entwurfes zu § 6 I 2 Var. 2 AGG ist die Bundesregierung zudem davon ausgegangen, daß Diskriminierungen auch vom Gesetz erfaßt sein sollen und daher auch ehemalige Arbeitnehmer vom Schutzbereich des Gesetzes erfaßt sind.60 Mangels anderweitiger Regelungen hätte zudem eine Bereichsausnahme für die betriebliche Altersversorgung aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zur Folge, daß die europäischen Diskriminierungsrichtlinien nicht vollständig umgesetzt wären,61 da das Betriebsrentenrecht unter deren Anwendungsbereich fällt62 und eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des Betriebsrentengesetzes zur ordnungsgemäßen Umsetzung in nationales Recht nicht

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So aber Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (32). So die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/1780, S. 32. 58 ErfK7 /Schlachter, § 2 AGG Rz. 12; Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (29). 59 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 bei Fn. 806. 60 So die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/1780, S. 34. 61 Hiervon gehen Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 2 Rz. 137, und Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (32), aus. 62 Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 55; Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 2 Rz. 136 f.; Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (28); MK-BGB5 /Thüsing, § 2 AGG Rz. 27; derselbe, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 116. 57

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genügt.63 Dies spricht dafür, im Wege der europarechtskonformen Auslegung des § 2 II 2 AGG davon auszugehen, daß diese Norm die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die betriebliche Altersversorgung nicht ausschließt.64 Eine solche europarechtskonforme Auslegung ist auch ohne weiteres möglich, da – wie gezeigt wurde – Wortlaut und vom Gesetzgeber verfolgter Zweck nicht eindeutig sind65 und daher eine richtlinienkonforme Auslegung zulassen.66 Sind damit die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung anwendbar, bleibt es dabei, daß gemäß § 75 I BetrVG unzulässige Differenzierungen, soweit sie sich mit den in § 1 AGG genannten Merkmalen decken, nunmehr unter den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgestellten Voraussetzungen gerechtfertigt sein können. Dies betrifft insbesondere eine Differenzierung anhand des Alters der Arbeitnehmer. Eine solche kann, wie das Regelbeispiel der Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gemäß § 10 S. 3 Nr. 4 AGG zeigt, durchaus gerechtfertigt sein, wenn sie die Grenzen der Verhältnismäßigkeit im Sinne von § 10 S. 1 und 2 AGG wahrt. Damit besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, Differenzierungen in verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen anhand des Alters, etwa zur Schonung rentennaher Jahrgänge, zu rechtfertigen. Eine solche Differenzierung darf jedoch nicht zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führen,67 da sich die Rechtfertigungswirkung von § 10 AGG allein auf Differenzierungen wegen des Alters erstreckt.68 Alles in allem erweist sich der Diskriminierungsschutz seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als europarechtlich überlagerte Spezialmaterie, deren Aufbereitung aufgrund der zahlreichen möglichen Fallkonstellationen anderen Untersuchungen69 vorbehalten bleiben soll.

ErfK7 /Schlachter, § 2 AGG Rz. 12. Ebenso Rühl/Schmid/Viethen, AGG, S. 55; ErfK7 /Schlachter, § 2 AGG Rz. 12; MK-BGB5 /Thüsing, § 2 AGG Rz. 27; derselbe, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 116. 65 Anderer Ansicht Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 2 Rz. 139; Steinmeyer, ZfA 2007, 27 (31 f.). 66 Zu den genannten Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung vgl. nur BAG, Beschluß vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02 –, NZA 2003, 742 (748). 67 Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 10 Rz. 137; ErfK7 /Schlachter, § 10 AGG Rz. 5. 68 ErfK7 /Schlachter, § 10 AGG Rz. 5. 69 Ein Überblick über den Problemkreis findet sich bei MK-BGB5 /Thüsing, § 10 AGG Rz. 54–57; demselben, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 464–467. 63 64

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B. Betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot Als weitaus problematischer erweist sich hingegen die Frage, inwieweit der Gesetzgeber seiner Bindung an den Schutzauftrag des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Anerkennung privater Rechtsetzung Genüge getan hat und welche Perspektiven einer gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen sich hieraus ergeben. Daß der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zur Gewährleistung des Diskriminierungsschutzes aus Art. 3 II, III GG über die Bindung der Betriebspartner an die Diskriminierungsverbote des § 75 I BetrVG erfüllt hat, läßt allein noch keinen hinreichenden Schluß darauf zu, daß die Norm dem Schutzauftrag aus Art. 3 I GG bereits dadurch genügte, daß sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG auf die betriebliche Ebene transformierte.70 Wenn dies so wäre, wären insbesondere auch die Implikationen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur personenbezogenen und freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierung71 nahtlos auf die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen zu übertragen. Eine solche Sichtweise hätte zwar ihre Parallele in dem hier vertretenen Verständnis des § 75 II 1 BetrVG als einfachgesetzliche Umsetzung des Art. 2 I GG in materielles Betriebsverfassungsrecht.72 Sie ist jedoch zu überprüfen vor dem Hintergrund, daß die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung in erster Linie durch die Betriebspartner mittels des ihnen zur Verfügung stehenden Verfahrens, nämlich durch das Zustandekommen der Betriebsvereinbarung im Wege des Aushandelns gewahrt wird und insoweit dem Gesetzgeber in privatrechtlichen Regelungen ein Gestaltungsspielraum zukommt,73 dessen Ausgestaltung durch Verfahrensregelungen nicht zwingend zu Schutzdefiziten führen muß. Aus der Formulierung des § 75 I GG, die Betriebspartner hätten „insbesondere“ die Einhaltung der dort genannten Benachteiligungsverbote zu überwachen, und aus der aus der Überwachungsfunktion folgenden materiellen Bindung der Betriebspartner an diese zu überwachenden Grundsätze74 folgt ein Verbot unsachlicher Differenzierung.75 Die dort genannten Differenzierungsver70 So aber wohl ErfK7 /Kania, § 75 BetrVG Rz. 1; ähnlich ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 29. 71 Vgl. oben S. 389 Fn. 18 ff. 72 Dazu bereits oben § 9 C. I. 1. u. 2., S. 338 ff., S. 341 ff. 73 Zu letzterem bereits oben § 10 C., S. 391 ff. 74 Dazu bereits oben § 9 B. I., S. 320. 75 Im Ergebnis ebenso ErfK7 /Dieterich, Einleitung GG Rz. 60; Fastrich, RdA 2000, 65 (76); Fritsch, BB 1992, 701 (704); Kallrath, Die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 177 f.; GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 28. Zu § 51 BetrVG 1952 bereits G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, S. 93.

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bote betreffen Differenzierungen, für die es auch wirtschaftlich keine sachlichen Gründe geben kann.76 § 75 I BetrVG statuiert damit ein spezifisch betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot77 mit einem spezifischen Prüfungsmaßstab. Verstößt eine nachfolgende Betriebsvereinbarung gegen das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, ist sie grundsätzlich gemäß § 134 BGB nichtig. Die ältere, zu ersetzende Betriebsvereinbarung besteht dann einstweilen fort. Nach dem Wortlaut des § 75 I BetrVG bezieht sich das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot nur auf die im Betrieb Beschäftigten; ausgeschiedene Arbeitnehmer und Ruheständler fallen nicht unmittelbar hierunter. Jedoch ist § 75 I BetrVG jedenfalls entsprechend anzuwenden, soweit sich die Betriebsverfassung auch auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Ruheständler erstreckt.78 Dies muß schon aus Gründen der Rechtsanwendungsgleichheit gelten. Damit bindet das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot aber die Betriebspartner bei nachfolgenden Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auch insoweit, als diese nach den Ausführungen in § 5 dieser Untersuchung bereits Ausgeschiedene und Ruheständler erfassen. Beim Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes ist vor dem Hintergrund des bereits aufgezeigten engen Zusammenhangs von Regelungs- und Gerechtigkeitsfragen79 die in erster Linie prozedurale Verwirklichung der Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung zu berücksichtigen. Bevor – II. – dieser spezifische Prüfungsmaßstab entwickelt werden und nach verbleibenden Schutzdefiziten im Hinblick auf die Schutzgebotsfunktion des Art. 3 I GG gefragt werden kann und hieraus – III. – Schlüsse für die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung gezogen werden können, bedarf es jedoch – I. – einer Abgrenzung zum individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wel-

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Fastrich, RdA 2000, 65 (76). Explizit anderer Ansicht Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 1439, der ausschließlich den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Bezug genommen sieht. Explizit den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz prüft BAG, Urteil vom 22.03.2005 – 1 AZR 49/05 –, AP Nr. 48 zu § 75 BetrVG 1972, Bl. 2. Auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz rekurriert bei der Kontrolle von älteren Betriebsvereinbarungen nachfolgenden Betriebsvereinbarungen auch explizit Fitting, BetrVG23, § 77 Rz. 193 unter allerdings fehlgehendem Hinweis auf BAG, AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand und AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung. 78 Hierzu bereits oben § 9 B. I., S. 320. 79 Zum Zusammenhang von Regelungs- und Rechtsfragen bereits oben § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 77

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chen Rechtsprechung80 und weite Teile der Literatur81 durch § 75 I BetrVG in Bezug genommen sehen. I. Abgrenzung zum individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Aus § 75 I BetrVG folgt keine Bindung der Betriebspartner bei der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnisse an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieses weithin anerkannte Rechtsinstitut des Individualarbeitsrechtes sieht die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG bestimmt.82 In der Literatur wird daher teilweise explizit die Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 3 I GG entwickelten Grundsätze zu personenbezogenen und freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen83 gefordert.84 Den Gegenpol hierzu bildet eine Strömung in der Literatur, welche eine Orientierung der Prüfung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes am bloßen Willkürverbot fordert.85 Es handelt sich bei dem individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch weder – 1. – um einen Ausfluß von Recht und Billigkeit im Sinne des § 75 I BetrVG86 noch – 2. – um einen Grundsatz der Billigkeit im 80 So etwa BAG, Beschluß vom 11.11.1986 – 3 ABR 74/95 –, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, Bl. 2R. Vgl. ferner die Nachweise sogleich auf S. 401 in Fn. 86. 81 Fastrich, RdA 2000, 65 (72); Fitting, BetrVG23, § 75 BetrVG Rz. 24; GKBetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 36; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 16, 31; Richardi, BetrVG10, § 75 Rz. 13; Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 136. In der Konsequenz ähnlich Kallrath, Die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 180 m. Fn. 603, die im individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen allgemeinen Rechtsgedanken sehen will, der durch § 75 I BetrVG eine gesetzliche Ausgestaltung gefunden habe. Auf gleicher Linie bereits Haneberg, § 75 BetrVG 1972 – Rechte und Pflichten, S. 44. 82 BAG, Urteil vom 28.07.1992 – 3 AZR 173/92 –, AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 15.11.1994 – 5 AZR 682/93 –, AP Nr. 121 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 2; BAG, Urteil vom 03.12.1997 – 10 AZR 563/ 96 –, AP Nr. 149 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 17.11.1998 – 1 AZR 147/98 –, AP Nr. 162 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Bl. 4. 83 Vgl. oben S. 389 Fn. 18 ff. 84 ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 30. Im Grundsatz auch H. Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, S. 54, einschränkend aber S. 58. 85 Fastrich, RdA 2000, 65 (70 f., 72 m. Fn. 87); H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (243); Lieb, ZfA 1996, 319 (320 f.); Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 109; Löwisch, Arbeitsrecht7, Rz. 141 f.; Meissinger, Reliefbild des Arbeitsrechts, S. 125; Zierold, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 84; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 17 IV 2, S. 221 f. 86 So aber undifferenziert BAG, Urteil vom 15.01.1991 – 1 AZR 80/90 –, AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2/2R; BAG, Urteil vom 05.10.2000 – 1 AZR 48/00 –, AP

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Sinne des § 75 I BetrVG noch – 3. – um einen solchen Grundsatz des Rechts, welcher kraft seines Geltungsgrundes speziell gegenüber den Betriebspartnern bei Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse Geltung beanspruchte.87 Dennoch – 4. – weist der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine strukturelle Nähe zum betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auf, so daß anhand eines Vergleichs seiner mit dem Geltungsgrund zusammenhängenden Funktion mit den Funktionen und dem Geltungsgrund betrieblicher Mitbestimmung Rückschlüsse auf die Reichweite des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes möglich sind. Zugleich wird sich auch in Abgrenzung hierzu der Prüfungsmaßstab des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestimmen lassen. 1. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluß von Recht und Billigkeit im Sinne von § 75 I BetrVG? Nicht zielführend ist die Annahme einer Bindung der Betriebspartner an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluß von Recht und Billigkeit im Sinne von § 75 I BetrVG. Da Recht und Billigkeit Unterschiedliches betreffen, ist dieses Begriffspaar aufzulösen.88 Eine Bindung der Betriebspartner kann sich mithin nur ergeben, wenn es sich bei dem individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entweder um einen für sie verbindlichen Grundsatz der Billigkeit oder aber um einen für sie verbindlichen Grundsatz des Rechts handelt. 2. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundsatz der Billigkeit im Sinne von § 75 I BetrVG? In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, insbesondere bei der Kontrolle von Sozialplänen, wurde die Gleichbehandlungsprüfung zum Teil als Ausdruck der vom Bundesarbeitsgericht lange Zeit für sich in Anspruch genommenen Billigkeitskontrolle verstanden. So prüfte das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen explizit, ob die von den Betriebspartnern getroffene Regelung in sich der Billigkeit entspreche oder ob einzelne Arbeitnehmer oder Nr. 141 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 5R m.w. N.; BAG, Urteil vom 12.11.2002 – 1 AZR 58/02 –, AP Nr. 159 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Urteil vom 21.10.2003 – 1 AZR 407/02 –, AP Nr. 163 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2; BAG, Beschluß vom 24.08.2004 – 1 ABR 23/03 –, AP Nr. 174 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 6; Fritsch, BB 1992, 701 (704). 87 Für letzteres aber explizit GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 36; wohl auch Fastrich, RdA 2000, 65 (71); Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (605). Ferner Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 1439; Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 136. 88 Schliemann, Festschrift für Hanau, S. 577 (605).

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Gruppen von ihnen in unbilliger Art und Weise benachteiligt würden.89 Damit knüpfte das Bundesarbeitsgericht an die These von Söllner an, der Arbeitgeber müsse bei der Behandlung der Arbeitnehmer gemäß § 315 I BGB billiges Ermessen ausüben, wobei auch die Wertentscheidungen des Art. 3 GG einflössen.90 Gleichheitsgebote hätten in der Rechtsordnung stets die Funktion, einseitige Machtstellungen zu begrenzen.91 Gegen einen solchen Prüfungsmaßstab spricht jedoch bereits, daß Billigkeit Einzelfallgerechtigkeit bedeutet, während die Gleichbehandlung notwendig einen kollektiven Bezugspunkt hat.92 Eine Bindung der Betriebspartner an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kann daher nicht aus den gemäß § 75 I BetrVG verbindlichen Grundsätzen der Billigkeit folgen. 3. Bindung an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundsatz des Rechts im Sinne von § 75 I BetrVG? Eine Bindung der Betriebspartner an den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt auch nicht aus den gemäß § 75 I BetrVG verbindlichen Grundsätzen des Rechts. Denn der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beansprucht kraft seines Geltungsgrundes93 nicht Geltung gegenüber den Betriebspartnern bei Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse, insbesondere nicht beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen. Richtigerweise handelt es sich bei dem individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht um einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz,94 sondern um eine Rechtsfortbildung,95 für welche es insoweit schon an der erforderlichen Regelungslücke fehlt.96 89 BAG, Urteil vom 11.06.1975 – 5 AZR 217/74 –, AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, Bl. 3; BAG, Urteil vom 17.02.1981 – 1 AZR 290/78 –, AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 4R; BAG, Urteil vom 09.12.1981 – 5 AZR 549/79 –, AP Nr. 14 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 2R; BAG, Urteil vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87 –, AP Nr. 45 zu § 112 BetrVG 1972, Bl. 3R. Auf gleicher Linie zu § 51 BetrVG 1952 bereits Canaris, AuR 1966, 129 (139). 90 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, S. 30, 118, 132 ff., 134. 91 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, S. 135. 92 G. Hueck, Gedächtnisschrift für Dietz, S. 241 (254); Kallrath, Gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen, S. 182 f. 93 Zum Geltungsgrund des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in neuerer Zeit aus unterschiedlicher Perspektive Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 13–138; Zierold, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 23–45; jeweils m.w. N. 94 Dazu sogleich sub a), S. 404. 95 Ausdrückliche Einordnung als Rechtsfortbildung etwa bei Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 75 ff., 137.

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a) Gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtssatz? Insbesondere handelt es sich bei dem individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht um einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz,97 da nach wie vor seine Grundlage, Reichweite und Ausgestaltung weitgehend ungeklärt sind,98 es also an einer allgemein anerkannten, konkreten Ausgestaltung als Rechtssatz fehlt.99 Man kann insoweit nicht davon sprechen, „daß der fragliche Rechtszustand der allgemeinen Rechtsauffassung entspreche“.100 Daran ändert sich – weder für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der betrieblichen Altersversorgung noch darüber hinaus – auch nichts durch die Regelung des § 1b I 4 BetrAVG.101 Die Norm nimmt zwar den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug. Damit hat der Gesetzgeber jedoch nur an die Anerkennung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als anspruchsbegründendes Rechtsinstitut des Individualarbeitsrechts durch Rechtsprechung und weite Teile der Literatur angeknüpft und diese für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung gebilligt, nicht jedoch eine darüber hinausgehende konstitutive Regelung geschaffen. Erst recht trifft § 1b I 4 BetrAVG keine Aussage über die hier interessierende Anwendbarkeit des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im kollektiven Arbeitsrecht, namentlich in der Betriebsverfassung. b) Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz? Allein aus der Tatsache, daß § 75 I BetrVG ein spezifisch betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot statuiert, kann noch nicht geschlossen 96 Dazu unten sub b), S. 404 ff. Ohne nähere Prüfung einer Regelungslücke die Wirkung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als Schranke der Regelungsmacht der Betriebspartner bejahend aber Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 136. 97 So aber Boemke, NZA 1993, 532 (536); Hunold, DB 1984, Beilage 5, S. 1 (3); Konzen Festschrift für G. Müller, S. 245 (251); GK-BetrVG8 /Kreutz, § 75 Rz. 38; Mayer-Maly, AR-Blattei D-Blatt Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis I, C V, 9. Forts.-Blatt; MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 611 Rz. 1122; ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 713; Wlotzke/Preis, BetrVG3, § 75 Rz. 31; H. Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, S. 10. 98 H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (ebd.). Insoweit hat sich an dem Befund aus dem Jahre 1963 von A. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I7, § 48a I 1, S. 418, nichts geändert. 99 Zierold, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 24. Kritisch gegenüber dem bloßen Abstellen auf gewohnheitsrechtliche Anerkennung auch MünchArbR2 /Richardi, § 14 Rz. 8. 100 Zu diesem Erfordernis BAG, Urteil vom 26.04.1966 – 1 AZR 242/65 –, AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung, Bl. 2. 101 Auf diese Norm verweisen aber MK-BGB4 /Müller-Glöge, § 611 Rz. 1122, und ErfK7 /Preis, § 611 BGB Rz. 713.

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werden, daß das Betriebsverfassungsgesetz keine Regelungslücke enthält, welche die rechtsfortbildende Anwendung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu rechtfertigen vermag. Daß das Betriebsverfassungsgesetz keine solche Regelungslücke enthält, zeigt jedoch die folgende Analyse von Funktion und Geltungsgrund dieses Rechtsinstituts im Vergleich zur Funktion und zum Regelungsanliegen der betrieblichen Mitbestimmung. aa) Funktion und Geltungsgrund des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Da es sich bei dem individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz um eine Rechtsfortbildung handelt, vermag für seinen individualarbeitsrechtlichen Anwendungsbereich nur eine Dogmatisierung überzeugen, welche zugleich die dafür erforderliche gesetzliche Regelungslücke erklärt. Eine solche Perspektive bietet allein102 die Einordnung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als Instrument zur Imparitätskorrektur im Individualarbeitsverhältnis. Das wesentliche Strukturdefizit des Individualarbeitsvertrages, die Blindheit des Schuldvertragsrechts für die betriebliche Dimension des Arbeitsverhältnisses, für den sogenannten multilateralen Regelungsbereich,103 läßt allein noch keine solche Regelungslücke erkennen. Das Schuldvertragsrecht nimmt das Nebeneinander verschiedener, voneinander unabhängiger Vertragsverhältnisse ohne weiteres hin, ohne daraus ein Defizit zu folgern, welches mittels der Gleichbehandlung zu kompensieren wäre. Vielmehr begegnet der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz einer spezifischen Beeinträchtigung der materiellen Richtigkeitsvermutung des Vertrages104 und damit einem Defizit der Rechtsordnung im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa).105 Die Anwendung distributiver Kriterien erweist sich dabei lediglich als Mittel zum Zweck der Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit im Individualarbeitsverhältnis, nicht aber als originärer Ausdruck austeilender Gerechtigkeit. Letztere wird allenfalls als Rechtsreflex durch Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes mit verwirklicht. Die insoweit notwendige Grenzziehung zwischen den beiden Gerechtigkeitsmaximen kann daher nicht 102 Zu weiteren Ansätzen und der diesbezüglichen Kritik nur Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 13–58 m.w. N. 103 Dazu bereits oben § 7 C. I. 2. a), S. 258 ff. 104 Zur Richtigkeitsvermutung des Vertrages bereits oben § 7 C. I. 1., S. 253 ff., § 7 C. II., S. 271 ff. 105 Zum Verständnis des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als Kompensation negativer Störungen der Austauschgerechtigkeit Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rz. 976; hieran anknüpfend Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 98.

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mit der Frage der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verbunden werden.106 Bei individualarbeitsrechtlichen Regelungen ist die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers infolge seiner existentiellen Angewiesenheit auf das Arbeitsverhältnis beeinträchtigt, so daß für die insoweit getroffenen Regelungen die materielle Richtigkeitsvermutung des Vertrages nicht ohne weiteres gilt. Diese Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit wirkt sich nicht nur beim Abschluß des Arbeitsvertrages aus, sondern setzt sich auch im bestehenden Arbeitsverhältnis fort, zumal die Zahl der Arbeitsplatzalternativen für einen Großteil der Arbeitnehmer beschränkt ist.107 Sie zeigt sich insbesondere in der einseitigen Gewährung freiwilliger Leistungen – auch einer betrieblichen Altersversorgung – durch den Arbeitgeber durch individualarbeitsrechtliche Gestaltungsmittel wie eine Gesamtzusage, eine vertragliche Einheitsregelung oder eine betriebliche Übung. Dort ist der Arbeitgeber kraft des bestehenden Machtgefälles in der Lage, die Bedingungen ihrer Gewährung faktisch allein zu bestimmen und einzelne Arbeitnehmer von der Begünstigung auszunehmen. Bezüglich der Kompensation dieser Folge faktischer Fremdbestimmung weist das arbeitsrechtliche Regelungssystem, welches traditionell auf das Machtgefälle im Arbeitsverhältnis durch zwingendes Recht (zum Beispiel durch gesetzliche Inhaltsnormen, Kündigungsschutz, AGB-Kontrolle von Nebenbedingungen) und Regelungsinstrumentarien nach dem Prinzip der Gegenmachtbildung (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) reagiert, eine Regelungslücke auf.108 Diese wird auch durch den Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und weitere Maßnahmen, wie den Schutz koalitionsspezifischer Betätigung durch Art. 9 III 2 GG und das an das Betriebsratsamt anknüpfende Benachteiligungsverbot des § 78 BetrVG, nicht vollständig geschlossen. Denn diese Vorschriften bezwecken lediglich die Absicherung anderer Freiheits- und Bürgerrechte der Arbeitnehmer.109 Es verbleibt die Gefahr benachteiligender Auswirkungen der mangelnden Selbstbestimmung des Arbeitnehmers im Individualarbeitsverhältnis hinsichtlich der Regelung von Arbeitsbedingungen aus Gründen, die nicht dem punktuellen Schutz der Diskriminierungsverbote unterliegen. Diese verbleibende Lücke schließt der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß eine vom Arbeitgeber vorgenommene Differenzierung bezüglich betrieblicher Arbeitsbedingungen auf Erwägungen beruht, die mit der aktuell zu treffenden Entscheidung in keinem 106

So aber H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (241). Hierzu bereits oben § 7 C. II. 2. a), S. 280. 108 In diesem Sinne auch Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 76, 78. 109 Zu dieser Funktion spezifischer Diskriminierungsverbote H. Otto, Personale Freiheit, S. 29 f.; Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 93 ff. 107

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Zusammenhang stehen, verweist ihn der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auf das Vernunft- und Angemessenheitsurteil, das er selbst in anderen Fällen zur Geltung gebracht hat.110 Voraussetzung für ein Funktionieren dieser Kompensationstechnik ist die Abweichung von einer selbst gebildeten, allgemein begünstigenden Regel.111 Mit diesem Erfordernis ist zugleich dem Bedürfnis Rechnung getragen, die Privatautonomie des Arbeitgebers nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen und ihm bei der faktisch einseitigen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen in seinem Betrieb die Wahl zwischen einer generalisierenden und schematisierenden Betrachtung, das heißt generalisierender Austauschgerechtigkeit112, einerseits und einer am Fall jedes einzelnen Arbeitnehmers orientierten ausgleichenden Gerechtigkeit, das heißt Billigkeit, andererseits zu lassen.113 Zudem bieten nur eine größere Anzahl von Vergleichsfällen und eine erkennbare Systematisierung hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Arbeitgeber seiner Entscheidung eine generalisierende Sichtweise der Austauschgerechtigkeit zu eigen gemacht hat. Nur dann werden die Standards der jeweils in Rede stehenden Arbeitsbedingungen an die Gewährung von Leistungen für vergleichbare Arbeitnehmer angepaßt, und der Arbeitgeber wird auf das Erfordernis sachlich begründeter Differenzierung verwiesen. Ein Autonomiedefizit bei der Klärung von Regelungsfragen wird so durch einen rechtsfortbildend gewonnenen zwingenden Rechtssatz kompensiert. bb) Vergleich mit der Funktion und dem Regelungsanliegen betrieblicher Mitbestimmung Die betriebliche Mitbestimmung hingegen reagiert auf das Selbstbestimmungsdefizit bei Regelungsfragen im Individualarbeitsverhältnis mit dem Prinzip der Gegenmachtbildung. Hiermit ist der oben bereits ausführlich beschriebene114 Bereich der Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung angesprochen, die im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit durch spezifische Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates die Regelungsmacht des Arbeitgebers begrenzt. Hinzu tritt die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung, die dem Kollektivbezug betrieblicher Arbeitsbedingungen Rechnung trägt und auf die Knappheit der vorhandenen Ressourcen reagiert.115 Auch hierbei geht es um

110 Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 97. 111 Zu dieser Voraussetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes grundlegend Bötticher, RdA 1953, 161 (162 f.). 112 Zu diesem Begriff v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 22. 113 Hierzu Rinsdorf, Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Kündigungen durch den Arbeitgeber, S. 125. 114 Dazu oben § 7 C. I. 1., S. 253 ff. 115 Dazu oben § 7 C. I. 2. a), S. 258 ff.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

eine Begrenzung der Entscheidungsmacht des Arbeitgebers bei Regelungsfragen, deren enger Zusammenhang zu der Rechtsfrage der Gleichbehandlung gemäß § 75 I BetrVG nicht zu leugnen ist.116 Soweit der spezifische Gerechtigkeitsbezug einer Regelungsfrage von dem durch den Betriebsrat ausgeübten Mitbestimmungsrecht erfaßt ist, besteht zwar eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern in einer Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen. Jedoch ist das der Betriebsverfassung immanente Prinzip der Gegenmachtbildung nicht in der Lage, ein wesentliches Legitimationsdefizit auszugleichen, das auch schon Anlaß für die Entwicklung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes war, nämlich den aus Sicht des einzelnen Arbeitnehmers bestehenden Mangel an Selbstbestimmtheit bei den getroffenen Regelungen. Insoweit besteht eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Rechtsinstituten. Ist die faktisch einseitige Regelungsmacht des Arbeitgebers im Individualarbeitsverhältnis – wenn auch mit Defiziten – aber noch privatautonom durch die Arbeitnehmer als Arbeitsvertragspartei legitimiert, fehlt es regelmäßig an einer solchen Legitimation für die Regelungsmacht des Betriebsrates.117 Dieser Unterschied kann nicht ohne Folgen bleiben, da man mit Blick auf den Schutz der Privatautonomie Art. 3 I GG keinen privatrechtsrelevanten Schutzauftrag an den Staat beimessen kann, soweit privatautonome Gestaltungsformen in Rede stehen.118 Vor diesem Hintergrund erscheint die richterrechtliche Anerkennung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht als Ausdruck der über Art. 1 III GG auch die Gerichte bindenden Schutzgebotsfunktion des Art. 3 I GG, sondern als die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Privatautonomie von Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Hinsichtlich des anzuwenden Prüfungsmaßstabes ist insoweit zu beachten, daß die – wenn auch geschwächte – privatautonome Legitimation arbeitgeberseitiger Gestaltungsmacht durch die Arbeitnehmer im Individualarbeitsverhältnis und die ebenfalls zu schützende Privatautonomie des Arbeitgebers nur zurückhaltende Eingriffe der Rechtsprechung in die Vertragsfreiheit zulassen. Angesprochen ist damit der Prüfungsmaßstab des Untermaßverbotes,119 wonach allein evidente Schutzpflichtverletzungen des Privatrechtsgesetzgebers relevant werden können.120 Dieser Forderung aber wird bereits eine Orientierung des individualarbeitsrechtlichen 116 Zum Zusammenhang von Regelungs- und Rechtsfragen bereits oben § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 117 Zu letzterem oben § 2 B. II. 1. a) u. b), S. 64 ff. 118 Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts V, § 111 Rz. 96. Anderer Ansicht ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 11; Sachs/Osterloh, GG3, Art. 3 Rz. 65. 119 Grundlegend Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); derselbe, JuS 1989, 161 (163). 120 Zu diesem Maßstab vgl. die Nachweise auf S. 243 in Fn. 30.

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Gleichbehandlungsgrundsatzes am bloßen Willkürverbot121 gerecht. Insoweit erscheint der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausdruck der Schutzgebotsfunktion der Arbeitsvertragsfreiheit gemäß Art. 12 I GG in der Diktion der zu Art. 2 I GG ergangenen Bürgschaftsentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Fehlfunktionen der Privatautonomie ein Tätigwerden des Staates erforderlich machen.122 Eine Orientierung an den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 3 I GG entwickelten Grundsätzen zu personenbezogenen und freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen123 verbietet sich hingegen124 mangels eines entsprechenden Schutzgebotes aus Art. 3 I GG bei privatautonomen Gestaltungsformen.125 Die betriebliche Mitbestimmung hingegen dient in weiten Bereichen bereits dem Ausgleich von Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmer im Individualarbeitsverhältnis durch ihre Schutzfunktion.126 Deutlich wird dies etwa bei der Mitbestimmung im Bereich der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG oder hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit gemäß § 87 I Nr. 2 BetrVG, soweit hierdurch das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt wird. Insoweit geht es zunächst um die Wahrung ausgleichender Gerechtigkeit. Gleichbehandlung beziehungsweise horizontale Ausgleichsfunktion stellen sich hier – anders als beim individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz – nicht als Kompensation eines Verhandlungsdefizits dar, denn die Betriebspartner handeln Betriebsvereinbarungen aus, und es besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von ihnen getroffenen Regelungen. Es geht vielmehr um den Ausgleich der divergierenden Arbeitnehmerinteressen untereinander, der einen weiteren, eigenständigen Zweck der betrieblichen Mitbestimmung verkörpert.127 Bei Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung in Form von Direktzusagen besteht die Besonderheit, daß dort die Entgeltmitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG relevant wird. Diese dient allein dem 121 Fastrich, RdA 2000, 65 (70 f., 72 m. Fn. 87); H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (243); Lieb, ZfA 1996, 319 (320 f.); Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht9, Rz. 109; Löwisch, Arbeitsrecht7, Rz. 141 f.; Meissinger, Reliefbild des Arbeitsrechts, S. 125; Zierold, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote im Entgeltbereich, S. 84; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5, § 17 IV 2, S. 221 f. 122 BVerfG, Beschluß vom 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89 –, BVerfGE 89, 214 (232). 123 So aber ErfK7 /Dieterich, Art. 3 GG Rz. 30. Im Grundsatz auch H. Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, S. 54. 124 Im Ergebnis ebenso H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (244). 125 Vgl. S. 408 Fn. 118. 126 Zur Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung bereits oben § 7 C. I. 1., S. 253 ff. 127 Zur Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung bereits oben § 7 C. I. 2. a), S. 258 ff.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

Ausgleich der divergierenden Arbeitnehmerinteressen und ist damit der Wahrung austeilender Gerechtigkeit verpflichtet. Die Kompensation eines individualvertraglichen Selbstbestimmungsdefizits und die damit einhergehenden Fragen der ausgleichenden Gerechtigkeit stehen also gerade nicht in Rede.128 Mit dieser unmittelbar nur der austeilenden Gerechtigkeit verpflichteten gesetzlichen Konzeption wird nicht zuletzt auch dem in § 87 I Eingangssatz BetrVG zum Ausdruck kommenden Regelungsvorrang der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen.129 Die bei Betriebsvereinbarungen bestehende Richtigkeitsvermutung für Regelungsfragen strahlt nur so weit auf die Rechtsfrage der Gleichbehandlung aus, wie der jeweilige Zweck des mit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmungsrechtes beziehungsweise der auf eine ausnahmsweise nur freiwillig mitbestimmte nachfolgende Betriebsvereinbarung ausstrahlende Zweck des bei Abschluß der vorangegangenen Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmungsrechtes130 diese Frage mitumfaßt. Im Bereich der Entgeltmitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG131 kann hieraus jedoch nicht etwa ein Verhandlungsdefizit im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit gefolgert werden, welches durch Anwendung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu kompensieren wäre. Der Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit wird vielmehr von der Richtigkeitsvermutung des Verhandlungsergebnisses im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit reflexartig mit erfaßt, weil man Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Personen verteilen kann, ohne zugleich eine Aussage über das Austauschverhältnis zu treffen. Auch insoweit fehlt es an dem für den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ausschlaggebenden Verhandlungsdefizit und damit an der erforderlichen Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz. Da zudem der Arbeitgeber durch den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich an die von ihm selbst gesetzte Regel gebunden wird, scheidet eine Kontrolle dieser Regel durch den individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus.132 Der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erweist sich damit zur Normenkontrolle auch als strukturell ungeeignet, wenn man von der erforderlichen Prüfung, ob die gewählten Verteilungskriterien auch konsequent beachtet wurden,133 einmal absieht. 128

Dazu bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 262 ff. Dazu näher bereits oben § 7 C. I. 4. a), S. 265. 130 Dazu bereits oben § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., sowie § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 131 Entsprechendes gilt, wenn eine nach § 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird, für welche ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht. Dazu bereits oben § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., sowie § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 132 Fastrich, RdA 2000, 65 (71); H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (243). 133 H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (243). 129

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Der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beansprucht daher keine Geltung gegenüber den Betriebspartnern bei Ausübung ihrer durch das Betriebsverfassungsgesetz vermittelten Befugnisse. Zudem erweist er sich als zur Normenkontrolle ungeeignet und kann daher auch nicht zur Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen herangezogen werden. II. Spezifischer Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots Besteht damit ein wesentlicher wertungsmäßiger Unterschied zwischen individualarbeitsrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz und betriebsverfassungsrechtlichem Gleichbehandlungsgebot, gilt es nun, anhand der soeben herausgearbeiteten Unterschiede den spezifischen Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes zu bestimmen. Die Gleichbehandlung im Sinne von § 75 I BetrVG reagiert nicht auf ein unmittelbares Selbstbestimmungsdefizit auf der Ebene der Betriebspartner, sondern dient dem Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer untereinander. Sie ist Bestandteil eines geschlossenen Systems zur Kompensation des Selbstbestimmungsdefizits im Individualarbeitsverhältnis und zur Kompensation der Blindheit des Individualarbeitsverhältnisses für die ihm eigene betriebliche Dimension. Die Gleichbehandlung im Sinne von § 75 I BetrVG ergänzt so die auf Regelungsfragen beschränkte, in erster Linie prozedural verwirklichte Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung durch eine weitergehende rechtliche Bindung der Betriebspartner. Der Gesetzgeber begegnet damit der Gefahr der sachwidrigen Majorisierung der durch den Betriebsrat nicht angemessen vertretenen Minderheit.134 Insoweit geht es um ein Problem der austeilenden Gerechtigkeit, da ohne unmittelbaren Blick auf die ausgleichende Gerechtigkeit der Blick auf das Verhältnis einzelner Arbeitnehmergruppen zueinander gelenkt wird. Die austeilende Gerechtigkeit und insbesondere der Minderheitenschutz135 sind nicht zuletzt auch ein Anliegen des durch die gesetzlich legitimierte Normund Zwangswirkung der Betriebsvereinbarung ausgelösten, gegenüber dem übrigen Privatrecht gesteigerten Schutzauftrages an den Gesetzgeber aus Art. 3 I GG.136 Da insoweit die praktische Konkordanz zwischen der Selbstbestimmungsfreiheit des Arbeitgebers und derjenigen der Arbeitnehmer über die Preis134 Zu dieser Gefahr aus dem Blickwinkel des Schutzes der Individualfreiheit bei der Mitbestimmung auch Isensee, Der Staat 20 (1981), 161 (164); Rupp, AöR 101 (1976), 161 (180). Auf diese Gefahr verweist auch Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 246, im Zusammenhang mit der – abzulehnenden – unmittelbaren Grundrechtsgeltung bei Regelungen durch Betriebsvereinbarung. 135 Dazu bereits oben § 10 A. II., S. 389 f. 136 Dazu bereits oben § 10 C., S. 391 ff.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

gabe letzterer durch staatlichen Zwang sichergestellt wird („Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung“), hat der Gesetzgeber durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß die von ihm anerkannten betrieblichen Regelungen nicht hinter den Schutzstandards zurückbleiben, welche gälten, wenn er die Regelung selbst träfe.137 Er kann sich insoweit nicht auf die Verhinderung evidenter Gleichheitsverstöße nach Maßgabe des Untermaßverbotes beschränken und hat auch die Zwecksetzung der Regelungen mit einzubeziehen.138 Wie er diese Schutzstandards gewährleistet, das heißt über materielle Bindung der Betriebspartner oder über das Verfahren der Mitbestimmung, bleibt dabei dem Gesetzgeber überlassen. Für die Ermittlung des spezifischen Prüfungsmaßstabes des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist daher zu fragen, ob der bereits im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit angeklungene Gedanke der prozeduralen Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit und der enge Zusammenhang von Regelungs- und Rechtsfragen in diesem Bereich auch zu einer Reduzierung des Prüfungsmaßstabes gegenüber den Anforderungen aus dem Schutzauftrag des Art. 3 I GG führt, etwa im Hinblick auf eine Willkürkontrolle, wie sie das Bundesarbeitsgericht139 bei der Rechtskontrolle von Tarifverträgen favorisiert. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn sich ein betriebsverfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz durch Verfahren nachweisen läßt, der hinausgeht über die bloße Anerkennung einer Einschätzungsprärogative der Betriebspartner, welche der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers entspricht, und die Regelungsspielräume, welche sich aus der eingeschränkten Justitiabilität komplexer Gerechtigkeitserwägungen ergeben,140 und der die entstehende Legitimationslücke zwischen ansonsten strenger Verhältnismäßigkeitsbindung und bloßer Willkürkontrolle zu überbrücken vermag. Hierzu ist das vom Gesetzgeber gewählte Mittel des vertraglichen Aushandelns der Betriebsvereinbarung durch die Betriebspartner vor dem Hintergrund der bestehenden materiellen Richtigkeitsvermutung für die von ihnen getroffenen Regelungen im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes141 zu untersuchen. Der Aushandlungsprozeß zwischen den Betriebspartnern ist jedoch – anders als bei Fragen der Austauschgerechtigkeit, wie dem Vertrauensschutz gegenüber verschlechternden Regelungen – strukturell nicht in der Lage, spezifische personenbezogene oder freiheitsgrundrechtsrelevante Anknüpfungen, die den daraus resultierenden besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen an die Differen137

Dazu bereits oben in § 6 A. u. C., S. 236 ff., 241 ff., sowie in § 10 C., S. 391 ff. Zu letzterem H. Hanau, Festschrift für Konzen, S. 233 (244, 247). 139 Beispielsweise in BAG, Urteil vom 30.08.2000 – 4 AZR 563/99 –, AP Nr. 25 zu § 4 TVG Geltungsbereich, Bl. 6, unter Berufung auf die Koalitionsfreiheit. 140 Dazu bereits ausführlich oben § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 141 Zu dieser Anforderung vgl. die Nachweise auf S. 392 in Fn. 35. 138

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zierung nicht genügen, effektiv auszuschließen. Denn das vom Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes eingesetzte Mittel des vertraglichen Aushandelns und die diesem entspringende Richtigkeitsvermutung für die getroffenen Regelungen sind der ausgleichenden Gerechtigkeit zuzuordnen.142 Werden sie – wie in der Betriebsverfassung – zur Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit für das Zustandekommen von betrieblichen Rechtssätzen nach dem Prinzip der Gegenmachtbildung eingesetzt, bedarf es der ergänzenden materiellen Überprüfung von Betriebsvereinbarungen anhand von § 75 I BetrVG, die sich bei personenbezogenen oder freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungsmerkmalen zu einer Verhältnismäßigkeitsprüfung verdichtet.143 Nicht ohne Grund hat daher der Gesetzgeber das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 75 I BetrVG geschaffen. Im Rahmen der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist jedoch der oben bereits angeklungene Zusammenhang zwischen der Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen und der Rechtsfrage der Wahrung verhältnismäßiger Gleichheit ebenso zu berücksichtigen wie die eingeschränkte Meßbarkeit von Entgeltsystemen wie einer betrieblichen Altersversorgung anhand positiver Gerechtigkeitskriterien.144 Da neben den in der Bindung der Betriebspartner an den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 75 I BetrVG verkörperten Gedanken der materiellen Gerechtigkeit der Gedanke der Gerechtigkeit durch Verfahren tritt, kommen den Betriebspartnern insoweit die gleichen Regelungsspielräume zu wie auch dem Gesetzgeber bei personenbezogenen oder freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen.145 Zwar müssen die Differenzierungsgründe sachbereichsbezogen gewählt sein, und es muß ein sachgerechter Zusammenhang zwischen Differenzierungsgrund und -folgen bestehen. Dabei kommt den Betriebspartnern jedoch ein Gestaltungsspielraum zu, so daß sich die gerichtliche Kontrolle auch insoweit auf die Einhaltung äußerster Grenzen beschränken muß und nicht danach zu fragen hat, ob sie die jeweils zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt haben. Es kommt daher darauf an, ob das Gebot verhältnismäßiger Gleichheit durch eine Regelung offensichtlich verletzt ist. Bei der Wahl der zu verfolgenden Zwecke besteht ein weitreichender Freiraum der Betriebspartner. Bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit bestimmter Differenzierungskriterien kommt ihnen eine Einschätzungsprärogative zu. In der Sache entspricht dies der für den 142

Vgl. S. 355 Fn. 496. Nur im Ergebnis ebenso BAG, Urteil vom 22.03.2005 – 1 AZR 49/04 –, AP Nr. 48 zu § 75 BetrVG 1972, Bl. 2. 144 Dazu bereits oben § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 145 Ohne nähere Begründung erkennt auch das Bundesarbeitsgericht einen solchen Regelungsspielraum an, vgl. BAG, Urteil vom 22.03.2005 – 1 AZR 49/04 –, AP Nr. 48 zu § 75 BetrVG 1972, Bl. 2R. 143

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit geforderten Evidenzkontrolle im Rahmen einer strukturierten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Bei nichtpersonenbezogenen und nichtfreiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungskriterien hingegen lockert sich der Maßstab noch weiter zu einer bloßen Willkürkontrolle, die nicht nach Verhältnismäßigkeitskriterien strukturiert ist. Durch diese Anbindung der Prüfungskriterien an die Bindungen des staatlichen Gesetzgebers ist zugleich sichergestellt, daß keine Schutzdefizite entstehen können, welche eine nachgelagerte rechtsfortbildende Kontrolle von Betriebsvereinbarungen erforderlich machen würden.

III. Schlußfolgerungen für die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung: Zum Verhältnis der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit Ist damit der Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 75 I BetrVG bestimmt, fragt sich, welche Schlußfolgerungen sich für die Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung hieraus ergeben. Angesprochen ist damit die Koordination der ermittelten Kontrollkriterien der ausgleichenden mit den Kontrollkriterien der austeilenden Gerechtigkeit. Angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Fallkonstellationen können im folgenden nur grundsätzliche Überlegungen hierzu angestellt werden. Grundsätzlich ist zu differenzieren zwischen Betriebsvereinbarungen, welche in Ansprüche und bereits erdiente Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung eingreifen, und Betriebsvereinbarungen, welche lediglich noch nicht erdiente Steigerungsraten schmälern. 1. Zusammenspiel der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei Eingriffen in erdiente Rechtspositionen Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in Ansprüche und bereits erdiente Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung eingreift, liegt ein Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen vor, der anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich der austeilenden wie der ausgleichenden Gerechtigkeit zu überprüfen ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip des § 75 II 1 BetrVG und das Gleichheitsgebot des § 75 I BetrVG begrenzen insoweit im Bereich der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG deren alleinige Ausgleichsfunktion. Entsprechendes gilt, wenn eine nach § 87 I Nr. 10 BetrVG teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird, für welche ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß

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§ 87 I Nr. 10 BetrVG besteht.146 Den Betriebspartnern kommt jedoch wegen ihrer Kompetenz zur Regelung von Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und der materiellen Richtigkeitsvermutung für die von ihnen ausgehandelten Ergebnisse bei der Zwecksetzung, der Geeignetheit und Erforderlichkeit hinsichtlich der Differenzierung zwischen einzelnen betroffenen Arbeitnehmergruppen für den verfolgten Zweck eine weite Einschätzungsprärogative zu. Da Entgelt nicht verteilt werden kann, ohne zugleich eine Aussage über die ausgleichende Gerechtigkeit zu treffen, und die Regelungsspielräume im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit sichergestellt werden müssen,147 besteht dieselbe Einschätzungsprärogative auch hinsichtlich der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim Eingriff in die jeweilige individuelle Rechtsposition. Beide Male zeigt sich der enge Zusammenhang von Regelungs- und Rechtsfragen. Auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne prägen die zum Anwartschaftsschutz entwickelten Kriterien auch die Gleichbehandlungsprüfung, da die Betriebspartner mit ihren Regelungen nicht unter den vorgegebenen Standards des Besitzstandsschutzes bleiben dürfen. Dem entspricht es, wenn in der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des Eingriffes in Besitzstände beim Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichtes mitunter die Nähe zur Gleichbehandlungsprüfung anklingt und ausgeführt wird, daß in Besitzstände mit höherem Bestandsschutz nicht in gleicher Weise eingegriffen werden dürfe wie in Besitzstände mit niedrigerem Bestandsschutz.148 Rechtfertigt eines der oben149 ermittelten Kriterien auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung den Eingriff in einen Anspruch oder eine erdiente Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, stellt sich die Frage, ob und nach welchen Kriterien die Betriebspartner zwischen Arbeitnehmern derselben Besitzstandsstufe differenzieren dürfen. Grundsätzlich haben die Betriebspartner nach dem oben Gesagten in der Wahl des Differenzierungskriteriums einen weiten Regelungsspielraum. Nur völlig ungeeignete oder für das Regelungsziel offensichtlich nicht erforderliche Differenzierungen haben auszuscheiden. Da insoweit im wesentlichen Fälle des Abbaus planwidriger Überversorgung in Rede stehen, sind Differenzierungen an diesem Zweck zu messen. Die Bevorzugung 146 Zu dieser Fallgruppe bereits oben § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., sowie § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff., sowie § 11 B. I. 3. b) bb), S. 410 bei Fn. 130. 147 Dazu bereits oben § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff. 148 BAG, Urteil vom 22.05.1990 – 3 AZR 128/89 –, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, Bl. 2R. Eine Verbindung zwischen Vertrauensschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Kontrolle verschlechternder Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung sieht explizit der Österreichische OGH, Urteil vom 24.06.1999 – 8 ObA 20/99w –, DRdA 2000, 235 (235). Vgl. aus verfassungsrechtlicher Perspektive auch H. Hanau, Verhältnismäßigkeit, S. 116, der das freiheitsrechtssichernde Verhältnismäßigkeitsprinzip als Teil des Gleichheitssatzes sieht. 149 Vgl. § 9 C. III. 2.–5., S. 366 ff.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

etwa langjähriger Mitarbeiter oder bestimmter, sachbezogen gebildeter Arbeitnehmergruppen (zum Beispiel von Außendienstmitarbeitern150) ist dabei nicht von vornherein zur Zweckerreichung ungeeignet, solange der Arbeitgeber nicht – wie im öffentlichen Dienst zwecks Herstellung haushaltsrechtlich zulässiger Verhältnisse – zum vollständigen Abbau der Überversorgung verpflichtet ist. Ebenfalls nicht von vornherein ungeeignet ist eine solche Differenzierung beim Abbau zukünftiger Steigerungen bei dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten, welche nicht die weitere Betriebstreue des Arbeitnehmers voraussetzen und daher bereits erdient sind. Insoweit ist es hinreichend, wenn die gesamte Verringerung des Dotierungsrahmens zur Abwendung einer langfristigen Gefährdung der Unternehmenssubstanz nicht von vornherein ungeeignet und offensichtlich nicht erforderlich erscheint. Im Hinblick auf mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedene Arbeitnehmer ist jedoch das Neutralitätsgebot des § 2 BetrAVG151 zu beachten. Dieses grundsätzliche Benachteiligungs- und Bevorteilungsverbot zwischen mit einer unverfallbaren Anwartschaft Ausgeschiedenen und Betriebstreuen strahlt auf die Gleichbehandlungsprüfung aus und verbietet Differenzierungen anhand dieses Kriteriums. Insoweit ist der Regelungsspielraum der Betriebspartner eingeschränkt. 2. Zusammenspiel der Kontrolle austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei Eingriffen in noch nicht erdiente Steigerungsraten Schmälert eine Betriebsvereinbarung lediglich noch nicht erdiente Steigerungsraten, greift regelmäßig der der vorangehenden Betriebsvereinbarung immanente Änderungsvorbehalt, so daß insoweit auch keine Auswirkungen von Bindungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit in den Bereich der austeilenden Gerechtigkeit zu besorgen sind.152 Differenzieren die Betriebspartner nicht nach personenbezogenen Kriterien, hat sich die Prüfung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots gemäß § 75 I BetrVG nicht an Verhältnismäßigkeitskriterien, sondern am Willkürverbot zu orientieren. Bei besonderen, von den Betriebspartnern geschaffenen Vertrauenstatbeständen hinsichtlich des unveränderten Fortbestandes der bisherigen Regelungen liegt jedoch ein Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen vor, der anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich der austeilenden wie der 150 Vgl. die Fallkonstellation in BAG, Urteil vom 09.12.1997 – 3 AZR 661/96 –, AP Nr. 40 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu einer allerdings individualrechtlichen Regelung. 151 Dazu bereits oben § 3 B. III. 4. b) cc) (5), S. 146 bei Fn. 806. 152 Dazu bereits oben § 9 C. III. 5., S. 376.

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ausgleichenden Gerechtigkeit zu überprüfen ist. Auch insoweit begrenzen das Verhältnismäßigkeitsprinzip des § 75 II 1 BetrVG und das Gleichheitsgebot des § 75 I BetrVG im Bereich der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG und in dem von ihr in besonderen Fallkonstellationen geprägten Bereich der freiwilligen Mitbestimmung153 deren alleinige Ausgleichsfunktion. Den Betriebspartnern kommt dabei wiederum eine weite Einschätzungsprärogative zu.

C. Zusammenfassung Der Gesetzgeber hat seinen verfassungs- und europarechtlichen Auftrag zur Gewährleistung des Diskriminierungsschutzes über die Bindung der Betriebspartner an die Diskriminierungsverbote des § 75 I BetrVG erfüllt. § 75 I BetrVG bildet eine zwingende rechtliche Schranke für Betriebsvereinbarungen. Mangels feststellbarer Schutzdefizite hat sich die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen insoweit auf die Einhaltung der Diskriminierungsverbote gemäß § 75 I BetrVG zu beschränken. Der Gesetzgeber hat seinem Verfassungsauftrag aus Art. 1 III, 3 I GG zur Gewährleistung der Rechtsetzungsgleichheit Genüge getan, indem er in § 75 I BetrVG das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot statuiert hat. Dieses ist gegenüber den aktiven Arbeitnehmern, aber auch gegenüber Ausgeschiedenen und Ruheständlern zu beachten, soweit diese nach den Ausführungen in § 5 dieser Untersuchung von Betriebsvereinbarungen normativ erfaßt werden. Dessen Einhaltung ist von den Gerichten zu kontrollieren. Für eine darüber hinausgehende inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen nach Kriterien der austeilenden Gerechtigkeit ist kein Raum. Das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot unterscheidet sich in seiner Funktion vom individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Letzterer bindet die Betriebspartner bei der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse, insbesondere beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen, nicht. Der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist wegen seines kollektiven Bezugspunktes kein für die Betriebspartner gemäß § 75 I BetrVG bindender Grundsatz der Billigkeit. Er ist auch kein für die Betriebspartner bindender Grundsatz des Rechts im Sinne dieser Vorschrift. Eine Anerkennung als Gewohnheitsrecht scheitert insoweit bereits an einer allgemein anerkannten, konkreten Ausgestaltung als Rechtssatz. Der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist eine Rechtsfortbildung. Diese dient der Kompensation der strukturellen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers im Individualarbeitsverhält153 Zu dieser Fallgruppe bereits oben § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., sowie § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff., sowie § 11 B. I. 3. b) bb), S. 410 bei Fn. 130.

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

nis und damit der Verwirklichung ausgleichender Gerechtigkeit. Die richterrechtliche Anerkennung des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist nicht Ausdruck der Schutzgebotsfunktion des Art. 3 I GG. Sie bezweckt die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Privatautonomie von Arbeitgeber und Arbeitnehmern und ist damit Ausdruck der Schutzgebotsfunktion der Art. 2 I, 12 I GG. Die betriebliche Mitbestimmung hingegen dient dem Ausgleich von Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit auf Arbeitnehmerseite im Rahmen ihrer Schutzfunktion bereits durch die Mitbestimmung des Betriebsrats. Gleichbehandlung stellt sich hier – anders als beim individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz – nicht als Kompensation eines Verhandlungsdefizits dar, denn die Betriebspartner handeln Betriebsvereinbarungen aus, und es besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für das von ihnen gefundene Ergebnis, soweit der jeweilige Zweck des mit Abschluß der Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmungsrechtes beziehungsweise der Zweck des auf eine ausnahmsweise nur freiwillig mitbestimmte nachfolgende Betriebsvereinbarung ausstrahlenden Mitbestimmungsrechtes154 reicht. In dem von der Entgeltmitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG geprägten Bereich wird der Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit von der Richtigkeitsvermutung des Verhandlungsergebnisses im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit reflexartig mit erfaßt. Mangels eines relevanten Verhandlungsdefizits fehlt daher der Anlaß für kompensierende Eingriffe mittels des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Bei der betrieblichen Mitbestimmung stellt sich Gleichbehandlung nicht als Mittel zur Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit dar, sondern als Frage der austeilenden Gerechtigkeit. Insoweit einschlägig ist die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung, deren Ziel es ist, die divergierenden Interessen der Arbeitnehmer untereinander auszugleichen. Die regelmäßig nur gesetzlich legitimierte Norm- und Zwangswirkung der Betriebsvereinbarung löst den Schutzauftrag des Art. 3 I GG aus, dessen Reichweite sich an den für staatliche Gesetze geltenden Standards orientiert, während beim individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wegen der dort zu berücksichtigenden Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien lediglich eine Willkürkontrolle geboten ist und die Zwecksetzung zudem vollkommen kontrollfrei bleibt. Aus den unterschiedlichen Funktionen des individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes folgen damit auch unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe. Aus der Bindung an die für staatliche Gesetze geltenden Standards resultiert der spezifische Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes. Betriebsvereinbarungen mit personenbezogenen oder freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen müssen einer Verhältnismäßigkeitsprü154

Dazu bereits oben § 9 C. II. 2. a) bb), S. 349 ff., sowie § 9 C. II. 2. b), S. 351 ff.

§ 11 Perspektiven der Kontrolle auf einfachgesetzlicher Grundlage

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fung nach Maßgabe der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichtes genügen. Den Betriebspartnern stehen insoweit lediglich dieselben Einschätzungsspielräume zu wie dem staatlichen Gesetzgeber. Die Differenzierungsgründe müssen sachbereichsbezogen gewählt sein, und es muß ein sachgerechter Zusammenhang zwischen Differenzierungsgrund und -folgen bestehen. Dabei kommt den Betriebspartnern ein Gestaltungsspielraum zu. Es kommt im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen darauf an, ob das Gebot verhältnismäßiger Gleichheit durch eine Regelung offensichtlich verletzt ist. Bei der Wahl der zu verfolgenden Zwecke besteht ein weitreichender Freiraum der Betriebspartner. Bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit bestimmter Differenzierungskriterien kommt ihnen eine Einschätzungsprärogative zu. Ein weitergehender Gleichheitsschutz durch Verfahren, der eine Rechtskontrolle lediglich anhand des Willkürverbotes nahelegen würde, ist nicht gewährleistet. Der Prozeß des Aushandelns der Betriebsvereinbarung und damit auch der Differenzierungskriterien gewährleistet keinen effektiven Grundrechtsschutz in bezug auf unverhältnismäßige personenbezogene oder freiheitsgrundrechtsrelevante Differenzierungen. Lediglich bei nichtpersonenbezogenen und nichtfreiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungskriterien kann sich der Prüfungsmaßstab zur bloßen Willkürkontrolle lockern. Für die gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ergibt sich hieraus folgendes: Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in Ansprüche und bereits erdiente Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung eingreift, liegt ein Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen vor, der anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich der austeilenden wie der ausgleichenden Gerechtigkeit zu überprüfen ist. Den Betriebspartnern kommt jedoch wegen ihrer Kompetenz zur Regelung von Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und der materiellen Richtigkeitsvermutung für die von ihnen ausgehandelten Ergebnisse bei der Zwecksetzung sowie der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Differenzierung zwischen einzelnen betroffenen Arbeitnehmergruppen für den verfolgten Zweck eine weite Einschätzungsprärogative zu. Diese strahlt auch auf die entsprechende Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in erdiente Rechtspositionen aus. Auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne prägen die zum Anwartschaftsschutz entwickelten Kriterien auch die Gleichbehandlungsprüfung, da die Betriebspartner mit ihren Regelungen nicht unter diesen vorgegebenen Standards des Besitzstandsschutzes bleiben dürfen. Rechtfertigt eines der oben in § 9 C ermittelten Kriterien auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung den Eingriff in einen Anspruch oder eine erdiente Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, haben die Betriebspartner bei Differenzierungen innerhalb derselben Besitzstandsstufe hinsichtlich der Wahl des Differenzierungskriteriums einen weiten Regelungsspielraum. Im Hin-

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5. Teil: Gerichtliche Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit

blick auf mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedene Arbeitnehmer ist jedoch das Neutralitätsgebot des § 2 BetrAVG zu beachten, das Differenzierungen zwischen Betriebstreuen und Ausgeschiedenen insoweit untersagt. Soweit eine Betriebsvereinbarung lediglich noch nicht erdiente Steigerungsraten schmälert, greift regelmäßig der der vorangehenden Betriebsvereinbarung immanente Änderungsvorbehalt, so daß insoweit auch keine Auswirkungen von Bindungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit in den Bereich der austeilenden Gerechtigkeit zu besorgen sind. Soweit die Betriebspartner nicht nach personenbezogenen Kriterien differenzieren, hat sich die Prüfung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots gemäß § 75 I BetrVG nicht an Verhältnismäßigkeitskriterien, sondern am Willkürverbot zu orientieren. Etwas anderes gilt nur bei besonderen, von den Betriebspartnern geschaffenen Vertrauenstatbeständen hinsichtlich des unveränderten Fortbestandes der bisherigen Regelungen. Dann liegt ein Eingriff in grundrechtsrelevante Rechtspositionen vor, der anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich der austeilenden wie der ausgleichenden Gerechtigkeit zu überprüfen ist. *** Als wesentliches Ergebnis des 5. Teils der Untersuchung bleibt folgendes festzuhalten: Der abschließende 5. Teil der Untersuchung hat gezeigt, daß die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG und die europarechtlichen Diskriminierungsverbote Ausprägungen der austeilenden Gerechtigkeit sind, welche den staatlichen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung und die Gerichte bei der Kontrolle von Betriebsvereinbarungen binden (§ 10). Der Gesetzgeber hat seinen verfassungs- und europarechtlichen Auftrag zur Gewährleistung des Diskriminierungsschutzes über die Bindung der Betriebspartner an die Diskriminierungsverbote des § 75 I BetrVG erfüllt. Seinem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gewährleistung von Rechtsetzungsgleichheit hat er genügt, indem er ein in Funktion und Prüfungsmaßstab vom individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz scharf zu trennendes, spezifisch betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot in § 75 I BetrVG implementiert hat. § 75 I BetrVG bildet insoweit eine zwingende rechtliche Schranke für Betriebsvereinbarungen. Mangels feststellbarer Schutzdefizite hat sich die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen insoweit auf die Einhaltung der Schranken des § 75 I BetrVG zu beschränken (§ 11). Im Hinblick auf die Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit ist eine weitergehende inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen durch die Gerichte mangels verbleibender verfassungsrechtlich fundierter Schutzdefizite nicht indiziert.

6. Teil

Zusammenfassung Die Problematik gerichtlicher Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erschließt sich nur, wenn man einerseits den Rechtscharakter und den Geltungsgrund von Betriebsvereinbarungen und deren Wirkungsweise auf das Individualarbeitsverhältnis und andererseits den Regelungsgegenstand der betrieblichen Versorgungszusage und die aus ihr resultierende schuldrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers erkannt hat (1. Teil, §§ 2, 3). Betriebsvereinbarungen sind privatrechtliche Normsetzungsverträge zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, welche regelmäßig allein kraft staatlicher Anerkennung normativ auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer einwirken (§ 2). Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen bleiben. Eine pauschale Anlehnung der Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen an die Kontrolle von Verbandssatzungen ist ausgeschlossen. Es gibt keinen Arbeitnehmer und Arbeitgeber umfassenden, satzungsgebenden Betriebsverband. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 setzt eine bipolare Struktur voraus, welche der Annahme eines gemeinschaftlich von Arbeitgeber und Arbeitnehmern verfolgten Verbandszweckes entgegensteht (§ 2). Eine uneingeschränkte Parallele zur gerichtlichen Kontrolle von Tarifverträgen verbietet sich bereits vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Legitimation. Betriebsvereinbarungen lassen sich im Gegensatz zu Tarifverträgen hinsichtlich ihrer Geltung nicht auf einen autonomen Verbandsbeitritt der Arbeitnehmer zurückführen. Sie sind regelmäßig auch nicht durch den Abschluß des Arbeitsvertrages legitimiert. Auch eine der Tarifautonomie im Sinne von Art. 9 III GG vergleichbare Betriebsautonomie ist nicht gewährleistet (§ 2). Betriebsvereinbarungen gestalten nicht den Arbeitsvertrag, sondern wirken normativ auf das Individualarbeitsverhältnis ein. Die Normwirkung von Betriebsvereinbarungen ist regelmäßig allein durch das Betriebsverfassungsgesetz legitimiert. Der Gesetzgeber hat kraft seines Rechtsnormanerkennungsmonopols die Rechtsetzung durch die Betriebspartner anerkannt, ohne dabei staatliche Befugnisse zu delegieren. Die Betriebspartner können eine betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung einführen und durch nachfolgende Betriebsvereinbarung wie-

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6. Teil: Zusammenfassung

der aufheben oder verschlechtern (§ 2). Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, welchen Einfluß eine solche nachfolgende Betriebsvereinbarung auf die Rechtsstellung der einzelnen Arbeitnehmer hat. Die Frage, ob aufgrund einer begünstigenden Betriebsvereinbarung erworbene Rechtspositionen später durch kollektive Regelung entzogen werden können, ist daher in zwei Schritten zu beantworten. Zunächst ist die Rechtsposition des Arbeitnehmers aus schuldrechtlicher Sicht zu betrachten (§ 3). Hieran anschließend können die Auswirkungen nachfolgender Betriebsvereinbarungen auf diese Rechtsposition beschrieben werden (2. Teil, §§ 4, 5). Mit einer Versorgungszusage wird den Arbeitnehmern Entgelt für eine Leistung – nämlich Arbeitsleistung, Betriebstreue oder beides – versprochen. Versorgungszusagen haben je nach ihrer Ausgestaltung mit Verfallklauseln für den Fall vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, mit dienstzeitabhängigen und dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten sowie mit Kürzungsklauseln für Zeiten ohne Arbeitsleistung eine eigentümliche entgeltliche Struktur. Diese weist entweder eine synallagmatische Verknüpfung von Arbeits- und Versorgungsleistung oder aber eine konditionale Verknüpfung von Betriebstreue und Versorgungsleistung auf. Die kumulative Abhängigkeit einer Versorgungszusage von Arbeitsleistung und Betriebstreue verstößt gegen das aus den §§ 612 I, 628 I BGB folgende Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts. Der materielle Grund für die Unzulässigkeit der Betriebstreuebedingung liegt in dem fehlenden inneren Zusammenhang der Betriebstreuebedingung mit der Arbeitsleistung. Lediglich für eine neben der laufenden Grundvergütung gezahlte Zusatzvergütung hat der Gesetzgeber mit § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz inzidenter auch betriebstreuebedingtes Arbeitsleistungsentgelt als zulässig anerkannt. Diese Ausnahme beansprucht jedoch keine Geltung für die betriebliche Altersversorgung. Die kumulative Abhängigkeit einer Versorgungszusage von Arbeitsleistung und Betriebstreue verstößt des weiteren gegen die Wertung des § 2 I BetrAVG, welche die Kombination von Verfallklauseln mit arbeitsleistungsbezogenen Kürzungsklauseln nicht zuläßt. Entsprechende Versorgungszusagen sind geltungserhaltend zu reduzieren (§ 3). Das Erbringen eines Teils der vorausgesetzten Arbeitnehmerleistung führt regelmäßig bereits zum Erwerb einer anteiligen schuldrechtlichen Versorgungsanwartschaft. Für synallagmatische Leistungsverknüpfungen folgt dies unmittelbar aus dem schuldrechtlichen Teilleistungsprinzip. Für konditionale Leistungsverknüpfungen folgt dies aus der entsprechenden Anwendung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips. Letztere ist geboten, soweit hierdurch nicht eine Verfallklausel für den Fall vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb der Fristen gemäß § 1b BetrAVG konterkariert wird (§ 3). Enthält die Versorgungszusage keine Regelung zur Bewertung von Teilleistungen, ist für die Berechnung des erdienten Anwartschaftsteils bei betriebstreuebezogenen Zusagen § 2 I BetrAVG entsprechend heranzuziehen. Bei ar-

6. Teil: Zusammenfassung

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beitsleistungsbezogenen Zusagen erfolgt eine ratierliche Berechnung anhand des Verhältnisses der geleisteten zur maximal vorausgesetzten Arbeitszeit in Anwendung des schuldrechtlichen Teilleistungsprinzips. Bei Zusagen mit ausnahmsweise zulässigem Mischcharakter sind beide Verfahren parallel anzuwenden. Dabei handelt es sich um Versorgungszusagen, bei denen ein Teil der zugesagten Leistung ausschließlich die Betriebstreue entlohnt, während ein anderer, hiervon klar separierbarer Teil ausschließlich die Arbeitsleistung entlohnt. Besonderheiten bestehen bei Versorgungszusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten. Hier ist zwischen der Bindung an einen Index oder das Tarifgehalt einer bestimmten Tariflohngruppe einerseits und der Inbezugnahme des zuletzt erreichten laufenden Arbeitsentgelts andererseits zu unterscheiden. Erstere sind bereits mit Erbringung der anderweitig vorausgesetzten Arbeitnehmerleistung zeitanteilig erdient, während letztere die Betriebstreue des Arbeitnehmers bis zu dem für die Berechnung des in Bezug genommenen Gehalts maßgeblichen Zeitpunkt voraussetzen und vor diesem Zeitpunkt noch nicht erdient sind. Bei einer vorzeitigen Änderung der Versorgungszusage ist lediglich die Versorgung auf Grundlage des zuletzt vor der Änderung erreichten Gehaltes durch die bis dahin geleistete Betriebstreue des Arbeitnehmers erdient (§ 3). Nachfolgende Betriebsvereinbarungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung wirken sowohl gegenüber den aktiven Arbeitnehmern als auch gegenüber den mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmern und den Betriebsrentnern normativ. Grundsätzlich gilt die Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“, wenn eine Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung durch eine verschlechternde nachfolgende Betriebsvereinbarung ersetzt wird. Nachfolgende Betriebsvereinbarungen können durch Betriebsvereinbarung erteilte Versorgungszusagen nicht nur mit Wirkung für die Zukunft abändern, sondern auch in bereits durch Vorleistung erdiente Versorgungsanwartschaften betriebstreuer und mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer sowie in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner eingreifen (2. Teil, §§ 4, 5). Im Gegensatz zur Kündigung einer Betriebsvereinbarung kann eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in bezug auf Versorgungsanwartschaften und -ansprüche also kassatorische Wirkung haben (§ 4). Weder durch die Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung noch durch die im Vertrauen auf deren Fortbestand erbrachte Vorleistung des Arbeitnehmers werden besonders geschützte individualrechtliche Rechtspositionen begründet. Ein Schutz der Arbeitnehmer vor verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarungen über eine Beschränkung der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner im Sinne eines kollektivfreien Individualbereiches, über das Günstigkeitsprinzip oder über § 328 II BGB scheidet daher ebenso aus wie eine Rechtskontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen anhand der §§ 2 S. 1, 1 II KSchG. Auch ein individualrechtlicher Vertrauensschutz ist insoweit nicht gewährleistet. Hinter der Frage des Vertrauensschutzes gegenüber nachfolgenden

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6. Teil: Zusammenfassung

Betriebsvereinbarungen steht kein Problem der Rechtsetzungskompetenz der Betriebspartner, sondern ein Problem der inhaltsorientierten Kontrolle von Betriebsvereinbarungen. Dabei besteht jedoch ein Konflikt zu der gesetzlichen Konzeption betrieblicher Mitbestimmung, die den Betriebspartnern einen ständigen Anspruch einräumt, von ihnen selbst getroffene Regelungen abändern zu können. Dieser Anspruch der Betriebspartner ist Folge der erzwingbaren und nichterzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten (§ 4). Hieraus folgt, daß jeder Betriebsvereinbarung der Vorbehalt ihrer Abänderung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung immanent ist. Dieser immanente Änderungsvorbehalt ist die materiellrechtliche Rechtfertigung der Zeitkollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ in bezug auf die durch die Betriebsvereinbarung normativ erfaßten Individualarbeitsverhältnisse (3. Teil, § 6). Damit stellt sich die Frage nach den Grenzen dieses immanenten Änderungsvorbehaltes. Aus der objektivrechtlichen Funktion der Grundrechte folgt ein Schutzauftrag an den Gesetzgeber, bei der Anerkennung der Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner die Grundrechte der Arbeitsvertragsparteien, insbesondere der Arbeitnehmer zu schützen (§ 6). Die Frage der Reichweite und der Auswirkungen dieses Schutzauftrages stellt sich für beide unsere Rechtsordnung prägenden Gerechtigkeitsmaximen, die ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva). Diese sind bei der Mitbestimmung im Entgeltbereich untrennbar miteinander verbunden. Denn man kann Entgelt nicht an eine Mehrzahl von Personen verteilen, ohne zugleich auch eine Aussage über das Austauschverhältnis im Einzelfall zu treffen. Das Problem des Anwartschaftsschutzes stellt sich zunächst auf der Ebene der ausgleichenden Gerechtigkeit, da insoweit das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung betroffen ist. Die konkrete Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit einem jeder Betriebsvereinbarung immanenten Vorbehalt der Abänderung betrieblicher Regelungen muß insoweit dem objektivrechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber genügen, die betroffenen Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 14 I, 12 I GG zu schützen (4. Teil, §§ 7, 8). Soweit sich hierbei Schutzdefizite zeigen, kann eine materielle Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten indiziert sein. Hierzu ist die übrige gesetzliche Konzeption zu beleuchten und für die inhaltsorientierte Kontrolle von Betriebsvereinbarungen nutzbar zu machen (§ 9). Denn auch die Gerichte sind gemäß Art. 1 III GG an den Schutzauftrag der Grundrechte gebunden und daher gehalten, diesem bei der Auslegung und Fortbildung des Rechts Rechnung zu tragen. Dabei hat die Rechtsprechung den Grundrechten primär durch Auslegung des einfachen Rechts Geltung zu verschaffen. Verbleiben dabei Schutzdefizite, kann eine rechtsfortbildende Kontrolle indiziert sein (§ 6). Die Überprüfung der gesetzlichen Konzeption hat sich dabei jeweils am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung als Übermaßverbot zu

6. Teil: Zusammenfassung

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orientieren. Für eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabes auf evidente Schutzpflichtverletzungen ist kein Raum, da Betriebsvereinbarungen sich regelmäßig nicht auf den Willen der einzelnen Arbeitnehmer zurückführen lassen, insoweit also keine Grundrechtsausübung durch privatautonome Gestaltung in Rede steht. Die Überprüfung der gesetzlichen Konzeption ist auch nicht entbehrlich, da die Betriebspartner als Private nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind (§ 6). Aus der objektivrechtlichen Funktion des Art. 14 I GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verbot rückwirkender Normen folgt ein Auftrag an den Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes, Ansprüche und durch Vorleistung bereits erdiente Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung vor Verschlechterung durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen zu schützen. Beim Eingriff in Versorgungsansprüche der Betriebsrentner entfaltet die Betriebsvereinbarung echte Rückwirkung. Diese ist grundsätzlich unzulässig. Beim Eingriff in bereits erdiente Versorgungsanwartschaften entfaltet die Betriebsvereinbarung unechte Rückwirkung. Diese kann gerechtfertigt sein, wenn bei einer Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Vertrauen des einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Regelung gegenüber dem Interesse an ihrer Abänderung nicht überwiegt. Eine solche Beurteilung ist durch die betriebliche Mitbestimmung im Entgeltbereich gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG nicht vorgezeichnet, da diese allein der austeilenden Gerechtigkeit dient und für die in den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit fallende Frage des Vertrauensschutzes blind ist. Die erforderliche Abwägung ist daher anhand der konkreten betrieblichen Regelung vorzunehmen (§ 7). Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn für eine nachfolgende Betriebsvereinbarung aus tatsächlichen Gründen ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG besteht, etwa weil der Dotierungsrahmen der Entgeltregelung vollständig aufgehoben worden ist. Eine solche Regelung betrifft als nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegender actus contrarius zu einer gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG (teil-)mitbestimmten Regelung ebenfalls allein die Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung und betrifft damit gleichfalls unmittelbar nur die austeilende Gerechtigkeit (§ 7). Es besteht eine materielle Richtigkeitsvermutung für die von den Betriebspartnern getroffenen Regelungen. Diese schließt eine gesetzesübersteigende imparitätsgeleitete Inhalts- oder Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen aus und strahlt auf die Beurteilung von Rechtsfragen, wie etwa der hinreichenden Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten, aus, soweit der Zweck des mit Abschluß der Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmungsrechtes diese Fragen mitumfaßt. Die materielle Richtigkeitsvermutung von Betriebsvereinbarungen setzt die Entscheidungsfreiheit der Betriebspartner beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen voraus, nicht hingegen Verhandlungsparität im arbeitskampfrechtlichen Sinne. Die Entscheidungsfreiheit ist auch auf seiten des

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6. Teil: Zusammenfassung

Betriebsrats durch dessen besondere betriebsverfassungsrechtliche Stellung gewährleistet (§ 7). Durch eine Betriebsvereinbarung zugesagte Erwerbsaussichten in bezug auf eine betriebliche Altersversorgung genießen regelmäßig keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der ein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderte. Der ständige Anspruch der Betriebspartner, Regelungen mit Wirkung für die Zukunft abändern zu können, erweist sich als regelmäßig verhältnismäßige Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 I GG. Lediglich hinsichtlich besonderer, von den Betriebspartnern geschaffener Vertrauenstatbestände des Inhalts, daß die von ihnen geschaffenen Regelungen – jedenfalls über einen gewissen Zeitraum – unverändert fortbestünden, ergibt sich ein Auftrag aus Art. 12 I GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz an den Gesetzgeber, den Vertrauensschutz zu gewährleisten (§ 8). Der Gesetzgeber hat den in den §§ 7, 8 dieser Untersuchung formulierten Schutzaufträgen durch Implementation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 75 II 1 BetrVG Genüge getan. § 75 II 1 BetrVG schützt als einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 2 I GG und aller speziellen Freiheitsgrundrechte die Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers in einem umfassenden Sinn. § 75 II 1 BetrVG bindet die Betriebspartner auch beim Abschluß von Betriebsvereinbarungen und ermöglicht so die Rechtskontrolle von Betriebsvereinbarungen anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß § 75 II 1 BetrVG beschränkt sich auf den Schutz freiheitsgrundrechtsrelevanter Positionen der Arbeitnehmer und bezieht sich damit auf den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa). § 75 II 1 BetrVG ist auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Betriebsrentner jedenfalls entsprechend anzuwenden, soweit diese von betrieblichen Regelungen erfaßt werden. Letzteres ist namentlich im Bereich der betrieblichen Altersversorgung der Fall. Am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind Eingriffe durch Betriebsvereinbarung in grundrechtsrelevante Rechtspositionen der Normunterworfenen zu messen. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung sind Vertrauensschutzaspekte auf der Ebene der Angemessenheit zu integrieren. Die dabei erforderliche Abwägung von Bestandsschutz- und Änderungsinteressen hat sich am schuldrechtlichen Schutz der erbrachten (Teil-)Leistung zu orientieren. Insoweit wirkt sich die weitreichende Anwendung des Teilleistungsprinzips auch auf nichtsynallagmatische Versorgungsanwartschaften (§ 3) auch bei der Rechtskontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen aus. In Versorgungsansprüche der Betriebsrentner und in erdiente Versorgungsanwartschaften können die Betriebspartner daher bei Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 I BGB eingreifen. Dies gilt auch gegenüber mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig Ausgeschiedenen, da die Veränderungssperre des § 2 V 1 BetrAVG in den Fällen des

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§ 313 I BGB keine Wirkung entfaltet. Gegenüber betriebstreuen Arbeitnehmern sind Eingriffe in erdiente Anwartschaften auch möglich, soweit kein schützenswertes Vertrauen in den Erwerb der zugesagten Versorgung bestand, als die zugrundeliegende Teilleistung erbracht wurde. Bereits erdiente dienstzeitabhängige und dienstzeitunabhängige Steigerungsraten sind Teil der erdienten Anwartschaft. Soweit dienstzeitunabhängige Steigerungsraten nicht die weitere Betriebstreue des Arbeitnehmers voraussetzen, sind auch zukünftige Veränderungen bereits erdient. Insoweit besteht jedoch ein geringeres schutzwürdiges Vertrauen in deren Bestand als in den Bestand nichtdynamisierter Anwartschaftsteile, da nicht abgeschlossene Entwicklungen in der Zukunft betroffen sind. Entsprechend § 16 I BetrAVG besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer in die Ausweitung der versprochenen Versorgungsleistung unter langfristiger Gefährdung der Unternehmenssubstanz. Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in noch nicht erdiente Steigerungsraten eingreift, ist dies grundsätzlich durch den jeder Betriebsvereinbarung immanenten Änderungsvorbehalt gerechtfertigt. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann regelmäßig nicht indiziert (§ 9). Den Betriebspartnern kommt ein weiter Regelungsspielraum in bezug auf die Zwecksetzung und die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer verschlechternden nachfolgenden Betriebsvereinbarung zur Erreichung des verfolgten Zwekkes zu. Dieser Regelungsspielraum folgt im Bereich der Mitbestimmung gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG aus der Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung für Regelungsfragen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit. Nichts anderes gilt, wenn mit einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung über Entgelt ausnahmsweise kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG ausgeübt wird, da bei einem actus contrarius der Zweck des mit der abgeänderten beziehungsweise aufgehobenen Regelung ausgeübten Mitbestimmungsrechts auf die nachfolgende Regelung ausstrahlt. Auch insoweit besteht lediglich eine Richtigkeitsgewähr der Betriebsvereinbarung für Regelungsfragen im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit. Diese Richtigkeitsgewähr strahlt auf die Beurteilung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen aus. Dabei erstreckt sich die Ausstrahlungswirkung wegen des nicht auflösbaren Zusammenhangs zwischen austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit bei der Entgeltmitbestimmung auch auf Rechtsfragen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit. Ihre Grenzen findet die Ausstrahlungswirkung der materiellen Richtigkeitsgewähr für betriebliche Regelungen in dem auf der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigenden Vertrauensschutz (§ 9). Im Hinblick auf den Schutz von Versorgungsbesitzständen ist eine weitergehende inhaltliche Kontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen durch die Gerichte mangels verbleibender verfassungsrechtlich fundierter Schutzdefizite nicht indiziert. Eine rechtsgestaltende Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen scheidet mangels Rechtsgrundlage ohnehin aus (§ 9).

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6. Teil: Zusammenfassung

Der in § 9 angesprochene Zusammenhang von ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit bei der Rechtskontrolle nachfolgender Betriebsvereinbarungen weist auf die im 5. Teil der Untersuchung beleuchtete Frage nach Grundlagen und Reichweite der Kontrolle im Bereich der austeilenden Gerechtigkeit. Die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG und die europarechtlichen Diskriminierungsverbote sind Ausprägungen der austeilenden Gerechtigkeit, welche den staatlichen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Betriebsverfassung und die Gerichte bei der Kontrolle von Betriebsvereinbarungen binden (§ 10). Der Schutzauftrag der Gleichheitsgrundrechte ist notwendige Folge der regelmäßig nicht privatautonomen Legitimation der Normwirkung von Betriebsvereinbarungen (§§ 2, 10). Der Gesetzgeber hat seinen verfassungs- und europarechtlichen Auftrag zur Gewährleistung des Diskriminierungsschutzes über die Bindung der Betriebspartner an die Diskriminierungsverbote des § 75 I BetrVG erfüllt. Seinem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gewährleistung von Rechtsetzungsgleichheit hat er genügt, indem er ein in Funktion und Prüfungsmaßstab vom individualarbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz scharf zu trennendes, spezifisch betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot in § 75 I BetrVG implementiert hat. Dieses ist gegenüber den aktiven Arbeitnehmern, aber auch gegenüber Ausgeschiedenen und Ruheständlern zu beachten, soweit diese nach den Erkenntnissen in § 5 von Betriebsvereinbarungen normativ erfaßt werden. § 75 I BetrVG bildet insoweit eine zwingende rechtliche Schranke für Betriebsvereinbarungen. Aus der Bindung an die für staatliche Gesetze geltenden Standards resultiert der spezifische Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes. Betriebsvereinbarungen mit personenbezogenen oder freiheitsgrundrechtsrelevanten Differenzierungen müssen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Maßgabe der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichtes genügen. Den Betriebspartnern stehen lediglich dieselben Einschätzungsspielräume zu wie dem staatlichen Gesetzgeber. Mangels feststellbarer Schutzdefizite hat sich daher die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen insoweit auf die Einhaltung der Schranken des § 75 I BetrVG zu beschränken (§ 11). Bei der Wahl des mit einer Differenzierung verfolgten Zwecks besteht ein weitreichender Freiraum der Betriebspartner. Bei der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit bestimmter Differenzierungskriterien kommt ihnen eine Einschätzungsprärogative zu. Es kommt im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Betriebsvereinbarungen darauf an, ob das Gebot verhältnismäßiger Gleichheit durch eine Regelung offensichtlich verletzt ist. Dies entspricht der in § 9 für den Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit geforderten Evidenzkontrolle bei der Zwecksetzung und auf den ersten beiden Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Demgegenüber ist der individualarbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz mit Rücksicht auf die Privatautonomie der Arbeitsvertragspar-

6. Teil: Zusammenfassung

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teien von vornherein auf ein bloßes Willkürverbot zu beschränken. Die einer Entgeltregelung zugrunde liegende Zwecksetzung bleibt unkontrolliert. Dies ist Ausdruck des insoweit geltenden Untermaßverbotes (§ 11). Soweit eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in Ansprüche und bereits erdiente Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung eingreift, liegt ein Eingriff in freiheitsgrundrechtsrelevante Rechtspositionen vor, der anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinsichtlich der austeilenden wie der ausgleichenden Gerechtigkeit zu überprüfen ist. Den Betriebspartnern kommt bei der Zwecksetzung sowie der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Differenzierung zwischen einzelnen betroffenen Arbeitnehmergruppen für den verfolgten Zweck eine weite Einschätzungsprärogative zu. Diese strahlt auch auf die entsprechende Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in erdiente Rechtspositionen aus. Auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne prägen die zum Anwartschaftsschutz entwickelten Kriterien auch die Gleichbehandlungsprüfung, da die Betriebspartner mit ihren Regelungen nicht unter diesen vorgegebenen Standards des Besitzstandsschutzes bleiben dürfen. Ist ein Eingriff in einen Anspruch oder eine erdiente Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt, haben die Betriebspartner bei Differenzierungen innerhalb derselben Besitzstandsstufe bei der Wahl des Differenzierungskriteriums einen weiten Regelungsspielraum. Im Hinblick auf mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedene Arbeitnehmer ist jedoch das Neutralitätsgebot des § 2 BetrAVG zu beachten, das Differenzierungen zwischen Betriebstreuen und Ausgeschiedenen insoweit untersagt (§ 11). Soweit eine Betriebsvereinbarung lediglich noch nicht erdiente Steigerungsraten schmälert, greift regelmäßig der der vorangehenden Betriebsvereinbarung immanente Änderungsvorbehalt, so daß insoweit auch keine Auswirkungen von Bindungen im Bereich der ausgleichenden Gerechtigkeit in den Bereich der austeilenden Gerechtigkeit zu besorgen sind. Soweit die Betriebspartner nicht nach personenbezogenen Kriterien differenzieren, hat sich die Prüfung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots gemäß § 75 I BetrVG nicht an Verhältnismäßigkeitskriterien, sondern am Willkürverbot zu orientieren (§ 11). Auch im Hinblick auf die Wahrung der austeilenden Gerechtigkeit ist daher eine weitergehende inhaltliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen durch die Gerichte mangels verbleibender verfassungsrechtlich fundierter Schutzdefizite nicht indiziert (§ 11).

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Verzeichnis der Gesetzesmaterialien Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Änderungen Kübel, Franz Philipp von: Recht der Schuldverhältnisse: I. Allgemeiner Theil mit Begründung, in: Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Berlin 1882 (zitiert: v. Kübel, Redaktorenentwurf Recht der Schuldverhältnisse, Abschn. I). Motive: Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Amtliche Ausgabe, Band II: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin/Leipzig 1888 (zitiert: Motive II). Protokolle: Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfes des Bürgerlichen Gesetzbuchs, im Auftrage des Reichs-Justizamts bearbeitet von Alexander Georg Achilles/Albert Gebhard/Peter Spahn, Band I: Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse Abschn. I, Abschn. II Tit. I, Berlin 1897 (zitiert: Protokolle, Band I). Mugdan, Benno (Hrsg./Bearb.): Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band: Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899 (zitiert: Mugdan, Materialien II). Richtlinie 77/187/EWG: Richtlinie des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (77/187 EWG), ABl. EG Nr. L 61 vom 05.03.1977, S. 26–28 = RdA 1977, 162– 163. Schuldrechtsreform – Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), BT-Drucksache 14/6040. Schuldrechtsreform – Gegenäußerung der Bundesregierung: Gegenäußerung der Bundesregierung, Anlage 3 zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechtes (Gesetzentwurf der Bundesregierung), BT-Drucksache 14/6857, S. 42–72.

Materialien zum Tarifvertragsgesetz von 1949 Gesetzentwurf des Gewerkschaftsrats der Vereinigten Zonen: Entwurf eines Tarifvertragsgesetzes des Gewerkschaftsrates der Vereinigten Zonen vom 7.9.1948 (Gewerkschaftsratsentwurf), ZfA 1973, 144–149.

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Verzeichnis der Gesetzesmaterialien Materialien zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952

Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb, BTDrucksache I/970 = RdA 1950, 224–227. Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb – Nr. 970 der Drucksachen –, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Wirtschaft – Nr. 1229 der Drucksachen –, den Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz) – Nr. 1546 der Drucksachen –, BT-Drucksache I/3585. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz), BT-Drucksache I/1546 = RdA 1950, 343–350 (Gesetzentwurf), 375–384 (Amtliche Begründung).

Materialien zum Betriebsverfassungsgesetz von 1972 Bericht der Mitbestimmungskommission: Mitbestimmung im Unternehmen, Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (Mitbestimmungskommission), BT-Drucksache VI/334. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes (Entwurf der Bundesregierung), BT-Drucksache VI/1786.

Materialien zum Betriebsrentengesetz nebst Änderungen Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, BT-Drucksache 7/1281. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Drucksache 7/1281 –, BT-Drucksache 7/2843. Gesetzentwurf des EGInsO: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO), BT-Drucksache 12/3803. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum RRG 1999: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. – Drucksache 13/ 8011 –: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999), BT-Drucksache 13/8671. RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz: Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der ge-

Verzeichnis der Gesetzesmaterialien

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setzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.04. 2007, BGBl. I (2007), S. 554–575. Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge: Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge und zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 10.12.2007, BGBl. I (2007), S. 2838–2839. Materialien zur Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Entwurf eines arbeitrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz), BT-Drucksache 13/4612. Materialien zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Richtlinie 2000/43/EG: Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. EG Nr. L 180 vom 19.07.2000, S. 22–26 Richtlinie 2000/78/EG: Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. EG Nr. L 303 vom 02.12.2000, S. 16–22. Richtlinie 2002/73/EG: Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. EG Nr. L 269 vom 05.10.2002, S. 15–20. Richtlinie 2004/113/EG: Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl. EG Nr. L 373 vom 21.12.2004, S. 37–43. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, BT-Drucksache 16/1780.

Personen- und Sachwortverzeichnis Actus-contrarius-Doktrin 84 Anwartschaft, erdiente – Begriff 94, 180 – bei arbeitsleistungsbezogenen Versorgungszusagen 183 – bei betriebstreuebezogenen Versorgungszusagen 183 – bei Versorgungszusagen mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten 184 – bei Versorgungszusagen mit Mischcharakter 184 – Eigentumsschutz 249 – gesetzliche Wertung 182 – individualrechtliche Festschreibung analog § 613a I 2 BGB 209 – Rechtfertigung von Eingriffen in der Rechtsprechung des BAG 359 – Regelung in Betriebsvereinbarung 181 – Schutz in Anlehnung an das Teilleistungsprinzip 367 – und Rückwirkung 304 Anwartschaft, nichterdiente – kein Eigentumsschutz 250 – Schutz bei besonderen Vertrauenstatbeständen 317, 376 – und immanenter Abänderungsvorbehalt 313 Arbeitsleistung – als Leistungsgegenstand 106 – Kumulation mit Betriebstreue bei Zwecksetzung 119 – und Versorgungszusage mit Verfallklausel 115 – und Versorgungszusage ohne Verfallklausel 152 – Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts 130, 159

Arbeitsverhältnis – als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis 96 – als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis 96, 214 – als schuldrechtliches Austauschverhältnis 98 – gesellschaftsrechtliche Elemente 49, 100 Aristoteles 35, 386 ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa) 35, 68, 242, 263, 341 – Verhältnis zur Kontrolle austeilender Gerechtigkeit 414 austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva) 35, 66, 68, 243, 263, 386 – betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot 399 – Diskriminierungsschutz 396 – europarechtliche Bindungen des Gesetzgebers 390 – gerichtliche Kontrolle 396 – verfassungsrechtliche Bindungen des Gesetzgebers 387 – Verhältnis zur Kontrolle ausgleichender Gerechtigkeit 414 beitragsorientierte Leistungszusage 20, 169, 182 Beitragszusage 20 Belegschaftsverband 56 Betriebliche Altersversorgung – Begriff 19 – beitragsorientierte Leistungszusage 20, 169, 182 – Beitragszusage 20 – Betriebsvereinbarung als Gestaltungsmittel 22, 205

Personen- und Sachwortverzeichnis – Entgeltcharakter 95, 103 – Leistungszusage 20 – Motivation des Arbeitgebers 22, 99 – unmittelbare Versorgung 21 – Versorgungscharakter 172 – Versorgungszusage als Rechtsgrund 21 Betriebsautonomie 274 – Verhandlungsgleichgewicht 284 Betriebstreue – als angestaffelter Zweck 118 – als Leistungsgegenstand 106 – Kumulation mit Arbeitsleistung bei Zwecksetzung 119 – und Arbeitsleistung 107 – und Versorgungszusage mit Verfallklausel 116 – Verbot betriebstreuebedingten Arbeitsleistungsentgelts 130, 159 Betriebsverband 46, 214 Betriebsvereinbarung – AGB-Kontrolle 275 – als „akzeptierte Wahlnorm“ 200 – als Struktur vertraglicher Leistungsbestimmung 201 – als Vertrag zugunsten Dritter 203 – Auslegung 92 – Betriebsrat als Partei 58 – Eingehen in den Arbeitsvertrag 60 – Fortbildung zur Lückenschließung 94 – Geltungsbefehl des § 77 IV 1 BetrVG 75, 78, 80, 83 – Grundrechte 238 – heteronome Legitimation 71 – immanenter Abänderungsvorbehalt 34, 210, 217, 222, 236, 242, 247, 248, 251, 252, 262, 266, 296, 299, 313, 314, 366, 376, 377, 416 – individualrechtlicher Kern 192, 200 – kollektivfreier Individualbereich 192, 212 – Kündigung 192, 208, 270 – Legitimation durch Arbeitsvertrag 64 – Legitimation durch Betriebsratswahlen 69

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– Legitimation durch den Staat 75 – Legitimation durch Direktionsrecht 66 – Legitimation durch originäre Betriebsautonomie 72 – materielle Richtigkeitsgewähr 93, 271, 352 – materieller Geltungsgrund 64 – Nachwirkung 199, 202, 231 – normative Wirkung 62, 74, 196 – Parteien 50 – personeller Geltungsbereich 225 – privatautonome Legitimation 64 – privatheteronomes Rechtsgeschäft 80 – Privatrechtlichkeit 86 – Privatrechtsakzessorietät 87 – Subsidiaritätsprinzip 72 – Teilunwirksamkeit 159 – Wirkung auf das Individualarbeitsverhältnis 59, 192, 196 – Zustandekommen 40 – Zustandekommen durch Vertrag 50 Betriebszugehörigkeit – und Arbeitnehmerleistung 108 – Verhältnis zu Arbeitsleistung und Betriebstreue 110 Billigkeitskontrolle 28, 322 – abstrakte 322 – konkrete 28, 331 – und individualarbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 402 Canaris, Claus-Wilhelm 243 dienstzeitabhängige Steigerungsraten – Begriff 102 – Rechtfertigung von Eingriffen in nichterdiente Steigerungsraten in der Rechtsprechung des BAG 363 – Schutz nichterdienter 376 – und Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung bei Versorgungszuage ohne Verfallklausel 156 – und Versorgungszusage mit Verfallklausel 115

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– und Versorgungszusage ohne Verfallklausel 153 dienstzeitunabhängige Steigerungsraten – Begriff 102 – Bindung an Lebenshaltungskostenindex 163, 185 – Bindung an Tarifentwicklung 163, 185 – endgehaltsbezogene Zusage 164, 186 – Geschäftsgrundlage 374 – Rechtfertigung von Eingriffen in erdiente Dynamik in der Rechtsprechung des BAG 361 – Schutz erdienter 371 – Schutz nichterdienter 376 Flume, Werner 273, 274 Freiwilligkeitsvorbehalt 23 Gefahrtragungstheorie 136 Geldleistungstheorie 136 Gierke, Otto v. 47, 64, 72, 96, 214 Gleichbehandlungsgrundsatz – Abgrenzung von betriebsverfassungsrechtlichem und individualarbeitsrechtlichem 401 – betriebsverfassungsrechtlicher 399 – individualarbeitsrechtlicher 29, 401 – Prüfungsmaßstab des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes 411 Grundrechte – Bindung der Betriebspartner 238 – Bindung des Gesetzgebers 236 Günstigkeitsprinzip 195, 222, 225, 231, 233 Herschel, Wilhelm 212, 215 Inhaltskontrolle 29 Jhering, Rudolf v. 55 Kelsen, Hans 196, 197, 199 Kirchhof, Ferdinand 76

Leistung als Gegenstand eines Schuldverhältnisses 105, 136 Leistungszusage 20 Meyer-Cording, Ulrich 200 Mitbestimmung des Betriebsrats 52 – Ausgleichsfunktion 258, 266, 342, 349, 353, 407, 409, 411 – funktionelle Zuständigkeit 53, 58, 69, 113 – mitbestimmungsfreie Zwecksetzung 52, 112, 113 – mitbestimmungsfreier Dotierungsrahmen 52, 264 – Ordnungsfunktion 259 – Schutzfunktion 253, 270, 319 – Teilhabe- und Integrationsfunktion 260 – Verteilungskriterien 25, 84, 113, 264 – Zweck bei immanentem Abänderungsvorbehalt von Betriebsvereinbarungen 262 – Zweck des Mitbestimmungsrechtes gemäß § 87 I Nr. 10 BetrVG 262 mittelbare Versorgung 21 Müller-Franken, Sebastian 76 nachfolgende Betriebsvereinbarung – Begriff 26 – und Ausgleichsfunktion betrieblicher Mitbestimmung 266 – und Schutzfunktion betrieblicher Mitbestimmung 270 – Wirkung auf Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer 193 – Wirkung gegenüber Ausgeschiedenen und Ruheständlern 223 Nebel, Andreas 76 Neutralitätsprinzip 146, 175, 177, 369, 372 Nipperdey, Hans Carl 196 Normanerkennungsmonopol 77, 197 Normsetzungsmonopol 76, 78 Ordnungsprinzip 196, 214

Personen- und Sachwortverzeichnis Privatautonomie 273 – Verhandlungsgleichgewicht 279 Rechtskontrolle 29, 194 Rückwirkung – Abgrenzung von echter und unechter 302 – bei erdienten Anwartschaften 304, 367 – bei Rentenansprüchen 303, 366 – echte 193, 301, 305, 366 – und Vertrauensschutz 304, 368 – unechte 193, 194, 301, 306, 367 Schmidt-Rimpler, Walter 176 Siebert, Wolfgang 192, 213 Sinzheimer, Hugo 47, 284 Söllner, Alfred 403 Spannungsklausel 102 Subsidiaritätsprinzip 72 Teilleistungsprinzip 32, 123, 368 – und konditionale Verknüpfung 171 – und Synallagma 171 – und Verfallklausel 173 – und Wegfall der Geschäftsgrundlage 369 Übermaßverbot 243 unmittelbare Versorgung 21 Untermaßverbot 35, 243, 392, 408, 412 Verfallklausel – aufgrund Fortbildung der Betriebsvereinbarung 150 – Begriff 101 – konditionale Verknüpfung 124, 173 – und Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung 158, 178 – und Teilleistungsprinzip 123, 173 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 26, 193, 194, 243, 336

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– Prüfungsintensität 344 – Rechtsgrundlage im Betriebsverfassungsrecht 337 – und ausgleichende Gerechtigkeit 341 – und Vertrauensschutz 357 Versorgungsanspruch des Betriebsrentners – Eigentumsschutz 249 – Schutz über Verbot echter Rückwirkung 366 – Schutz vor Eingriffen in der Rechtsprechung des BAG 364 Versorgungszusage – als Fürsorgeleistung 96 – als mitgliedschaftliches Wertrecht 100, 214 – als Rechtsgrund 21 – entgeltliche Struktur 94 – Gegenstand der Arbeitgeberleistung 135, 169 – mit dienstzeitabhängigen Steigerungsraten 153, 178 – mit dienstzeitunabhängigen Steigerungsraten 163 – mit Kürzungsklausel für Zeiten ohne Arbeitsleistung 156, 158, 177, 178 – mit Verfallklausel 114, 173 – ohne Verfallklausel 149, 176 – typische Klauselgestaltungen 101 – Verknüpfung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerleitung 170 – Wegfall der Geschäftsgrundlage 267, 290, 293, 359, 366, 369, 374 – zugrundeliegende Arbeitnehmerleistung 104 Vertrauensschutz 26, 193, 194, 217, 305, 357 Waltermann, Raimund 76 Widerrufsvorbehalt 22, 292, 293 Zeitkollisionsregel 26, 34, 192, 195, 223, 233, 241