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German Pages 386 [390] Year 2015
Karsten C. Ronnenberg
Mythos bei Hieronymus Zur christlichen Transformation paganer Erzählungen in der Spätantike
108 Klassische Philologie Franz Steiner Verlag
HERMES – Einzelschriften 108
Karsten C. Ronnenberg Mythos bei Hieronymus
H E RME S zeitschr if t f ü r klas si sch e p h i lo lo gi e Einzelschriften
Herausgeber: Prof. Dr. Jan-Wilhelm Beck, Universität Regensburg, Institut für Klassische Philologie, Universitätsstr. 31, 93053 Regensburg (verantwortlich für Latinistik) Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp, Universität zu Köln, Historisches Institut – Alte Geschichte, 50923 Köln (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. Martin Hose, Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften, Griechische und Lateinische Philologie, Schellingstr. 3 (VG), 80799 München (verantwortlich für Gräzistik)
Band 108
Karsten C. Ronnenberg
Mythos bei Hieronymus Zur christlichen Transformation paganer Erzählungen in der Spätantike
Franz Steiner Verlag
Überarbeitete und gekürzte Version der Dissertation, die der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen unter dem Titel „Griechischer Mythos bei Hieronymus. Zur christlichen Transformation paganer Erzählungen in der Spätantike“ zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie vorgelegt wurde. Datum der mündlichen Doktorprüfung: 5.9.2013 D82 (Diss. RWTH Aachen University, 2013) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11146-1 (Print) ISBN 978-3-515-11149-2 (E-Book)
Meinen Eltern
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT .................................................................................................... 11 1. EINLEITUNG ............................................................................................ 13 2. ZUM MYTHOS-BEGRIFF ....................................................................... 22 2.1 Versuch einer Definition .................................................................... 22 2.2 Die Christen und der Mythos ............................................................. 28 2.2.1 Ablehnung ............................................................................... 28 2.2.1.1 Vergleich mit der (biblischen) Wahrheit ................... 29 2.2.1.2 Unwürdiges Verhalten der Götter ............................. 31 2.2.1.3 Erfindungen der Dichter ............................................ 35 2.2.1.4 Exkurs: Der christliche Altersbeweis ........................ 37 2.2.2 Annäherung ............................................................................. 38 2.2.2.1 Allegorische Deutung ................................................ 39 2.2.2.2 Euhemeristische Dekonstruktion ............................... 40 2.2.3 Versöhnung ............................................................................. 44 2.2.3.1 Interpretatio Christiana............................................. 45 2.2.3.2 Mythen als Exempla .................................................. 47 2.2.3.3 Christliche Dichtung .................................................. 48 2.2.4 Zusammenfassung ................................................................... 49 3. HIERONYMUS: LEBEN UND WERK.................................................... 51 3.1 Sein Leben.......................................................................................... 51 3.2 Sein Werk ........................................................................................... 58 3.3 Sein Verhältnis zur heidnischen Literatur .......................................... 59 4. HIERONYMUS ÜBER DIE MYTHEN .................................................... 65 4.1 Mythos in hieronymianischer Terminologie ...................................... 65 4.2 Mythos im Urteil des Hieronymus ..................................................... 70 4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis ................................... 74 4.3.1 Die Chronik des Eusebios von Kaisareia ................................ 74 4.3.2 Der Altersbeweis im hieronymianischen Opus ....................... 78 4.3.3 Porphyrios über den Propheten Daniel.................................... 80 4.3.4 Zusammenfassung ................................................................... 83
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Inhaltsverzeichnis
5. MYTHOS IN DER VULGATA ................................................................ 84 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7
Er hat den Orion geschaffen............................................................... 85 Wie bist du vom Himmel gefallen, Lucifer ....................................... 86 Die Giganten – Empörer gegen Gott.................................................. 90 Mit sanfter Stimme singen Sirenen .................................................... 91 Eselskentauren treffen sich dort ......................................................... 94 Dort sah ich Frauen, die Adonis beweinten ....................................... 96 Zusammenfassung .............................................................................. 98
6. DIE NUTZUNG MYTHISCHER REFERENZEN DURCH HIERONYMUS ........................................................................ 102 6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen ............................................. 102 6.1.1 Die Fesseln der Andromeda .................................................. 103 6.1.2 Der Ort, der den Brudermörder hervorgebracht hat .............. 109 6.1.3 Zusammenfassung ................................................................. 118 6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus ......... 121 6.2.1 Referenzen in negativen Aussagen ...................................... 122 6.2.1.1 Die Wüste glaubt ..................................................... 122 6.2.1.2 Buddha von einer Jungfrau geboren ........................ 129 6.2.1.3 Wunderliche Verwandlungen des Zeus ................... 132 6.2.1.4 Asklepios weckt keine Toten auf ............................ 135 6.2.2 Mit Herakles’ Keule gegen den Kaiser. Eine mythische Referenz mit positiver Aussageabsicht ....... 138 6.2.3 Zusammenfassung ................................................................. 142 6.3 Mythische Referenzen in Aussagen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta ...................................................... 145 6.3.1 Referenzen mit negativer Aussageabsicht............................. 146 6.3.1.1 Zwischen den Symplegaden der Notwendigkeit und der Schamhaftigkeit ........... 146 6.3.1.2 Die eingeschlossene Danae ..................................... 148 6.3.1.3 Ich wusste, dass ich einen Sterblichen gezeugt habe ............................................................ 156 6.3.1.4 Alles, was wir lesen, sind Geistergeschichten und fabulae ............................... 164 6.3.1.5 Saturns Goldenes Zeitalter ...................................... 168 6.3.1.6 Im Labyrinth der Mysterien Gottes ......................... 173 6.3.2 Referenzen mit positiver Aussageabsicht ............................. 177 6.3.2.1 Den inneren Feind mit Argusaugen beobachten ..... 177 6.3.2.2 Die Greife mögen sich beklagen ............................. 179 6.3.3 Zusammenfassung ................................................................. 183
Inhaltsverzeichnis
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern ..... 189 6.4.1 Referenzen mit negativer Aussageabsicht............................. 190 6.4.1.1 Die Charybdis der Ausschweifung und die Skylla der Begierde .................................... 190 6.4.1.2 Die Kentauren und der Wein ................................... 193 6.4.1.3 Die Felsgeburt des Unholds..................................... 195 6.4.1.4 Diese Helenas folgen ihren Alexandern .................. 198 6.4.2 Der Frauen-Katalog in der Streitschrift gegen Iovinianus. Mythische Referenzen mit positiver Aussage über den Verzicht auf lasterhaftes Verhalten ....................................... 199 6.4.2.1 Die fabulae berichten von vielen Jungfrauen .......... 200 6.4.2.2 Athene und Artemis, jungfräuliche Göttinnen ........ 205 6.4.2.3 Gegenseitige Befreiung von der Schmach .............. 205 6.4.2.4 Platon von einer Jungfrau geboren .......................... 206 6.4.2.5 Auch von einer Jungfrau geboren: Romulus und Remus................................................ 208 6.4.2.6 Karthagos Aufstieg und Niedergang zum Lobpreis der Keuschheit .................................. 208 6.4.2.7 Ihre Keuschheit wird mit Dichterstimme besungen 213 6.4.2.8 Exkurs: Sollen sie doch wenigstens von den Heiden lernen ............................................. 215 6.4.2.9 Böser Frauen Rat hat mich getäuscht ...................... 216 6.4.2.10 Alles sind die Frauen schuld.................................... 217 6.4.3 Zusammenfassung ................................................................. 219 6.5 Mythische Referenzen in Aussagen zu biblischen Personen und Erzählungen ......................................... 224 6.5.1 Heras Zorn und die Räder an Gottes Thronwagen ................ 224 6.5.2 Weder Leviatan noch Enkelados entkommen Gott ............... 225 6.5.3 Ganymedes als Pharaos Mundschenk ................................... 227 6.5.4 Zusammenfassung ................................................................. 230 6.6 Mythische Referenzen in Aussagen zu zeitgenössischen und historischen Personen ............................... 231 6.6.1 Der satirische Gebrauch mythischer Referenzen zur Diffamierung von Personen .................................................. 231 6.6.1.1 Ein Deukalion für die Welt...................................... 231 6.6.1.2 Den lahmen Hephaistos im eigenen Feuer brennen sehen .......................................................... 236 6.6.1.3 Ein Proteus unserer Tage ......................................... 244 6.6.1.4 Euphorbos und die Seelenwanderung der Häretiker ............................................................ 248 6.6.1.5 Deine Amazonen fordern zum Duell der Lust ........ 253 6.6.2 Viele Monster hat der Erdkreis schon hervorgebracht. Die Beschimpfung des Gegners als Ungeheuer .................... 256 6.6.2.1 Tauben Ohres an den Sirenen vorbei ....................... 256
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Inhaltsverzeichnis
6.6.2.2 Während die Lernäische Bestie wütet ..................... 267 6.6.2.3 Eine Chimäre aus den gegensätzlichsten Naturen ... 274 6.6.2.4 Kerberos, Skylla und andere Kläffer ....................... 276 6.6.2.5 Vigilantius und der Monsterkatalog ........................ 290 6.6.3 Mythische Referenzen zum Lob zeitgenössischer und historischer Personen...................................................... 296 6.6.3.1 So hätte selbst Jupiter an Christus glauben können . 296 6.6.3.2 Agamemnonis inclita proles. Mythische Ahnherren einer christlichen clarissima .................. 298 6.6.4 Zusammenfassung ................................................................. 301 7. SCHLUSSBETRACHTUNG .................................................................. 307 8. ANHANG: VERZEICHNIS DER MYTHISCHEN REFERENZEN IM WERK DES HIERONYMUS ................................. 323 LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................... 333 STELLENVERZEICHNIS ........................................................................... 352 REGISTER: ORTE, PERSONEN UND MYTHISCHE FIGUREN ............ 375
VORWORT Incipere plurimorum est, perseverare paucorum, hat Hieronymus gegenüber seinem Widersacher Iovinianus geäußert (1,36). Dass ich das vorliegende Buch – bei dem es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation handelt, die im September 2013 der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen vorlag – beginnen und vollenden konnte, hängt eng mit der Unterstützung durch bestimmte Personen und Institutionen zusammen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Lehrer, Professor Dr. Raban von Haehling, der das Entstehen der Arbeit mit seinem ermunternden Zuspruch und seinem hilfreichen Rat begleitet und gefördert hat. Ebenso habe ich den Professores Klaus Scherberich, Karl Leo Noehtlichs und Stefan Rebenich zu danken, die sich nicht nur für das Korreferat und die Prüfungskommission zur Verfügung gestellt, sondern auch durch konstruktive Kritik und guten Rat zum Gelingen beigetragen haben. Zu großer Dankbarkeit bin ich der RWTH-Graduiertenförderung verpflichtet, die meine Dissertation über drei Jahre lang mit einem großzügigen Stipendium gefördert hat. Ebenso schätze ich mich glücklich über die Unterstützung durch KarlJoachim Hölkeskamp, der zuletzt in seiner Eigenschaft als Herausgeber – im Verein mit Jan-Wilhelm Beck und Martin Hose – die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe der Hermes-Einzelschriften veranlasst hat. Darüber hinaus sorgen er und seine Kölner Kollegen Walter Ameling und Peter Franz Mittag dafür, dass ich am dortigen Historischen Institut eine akademische Heimat gefunden habe – ein Verdienst, das freilich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kölner Alten Geschichte zukommt. Weit über materielle Unterstützung hinaus gingen die Geduld und Liebe meiner Mutter Karin sowie meiner Schwestern Uschi und Verena. Abschließend möchte ich einigen Weggefährten und Helfern danken, die auf ganz unterschiedliche Weise zum Werden dieser Arbeit beigetragen haben: Andrea Strobl, Carla Nicolaye, Thomas Bounas, Michael Kleu, Leonie Püttmann, dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der RWTH, der Diözesanbibliothek Aachen, Katharina Stüdemann und Sarah-Vanessa Schäfer beim Franz Steiner Verlag sowie zu guter Letzt Suza Knežević. Unde et grande praemium eorum qui perseveraverint. Köln, im Juni 2015
K.C.R.
1. EINLEITUNG Wir betrachten Dinge mit Argusaugen, widerstehen Sirenengesängen und mühen uns mit Sisyphusarbeiten ab. Dass die griechischen Mythen so in unsere Alltagssprache hineinstrahlen, obwohl niemand mehr die Götter verehrt, von denen sie handeln, zeugt von der enormen Kraft dieser Erzählungen. Von ihrer Verschriftlichung in den Gesängen Homers über die szenische Ausgestaltung in der attischen Tragödie bis hin zur augusteischen Dichtung und darüber hinaus ist die antike Überlieferung durchdrungen von den Taten und Untaten der Götter und Helden. Mit dem Aufkommen des Christentums wird ab dem 2. Jh. monotheistisch begründete Kritik an den Erzählungen laut, die gegen alles Herkommen den Universalitätsanspruch eines einzigen Gottes gegenüber den übrigen transportiert. Diese Stimme einiger weniger, die für ihre religiöse Überzeugung immer wieder Schikanen und Verfolgung in Kauf nehmen müssen, bleibt jedoch lange weitgehend ungehört. Die christlichen Apologeten bemühen sich in vorkonstantinischer Zeit, die alten Götter anhand der Mythen entweder als unmoralisch herauszustellen oder die Erzählungen selbst als verzerrte Adaptionen biblischer Stoffe zu entlarven. Paradigmatisch sei ein Zitat des Minucius Felix aus dem 3. Jh. herausgegriffen: „Eure Geschichtswerke und Tragödien prunken mit Inzesten, von denen ihr gerne lest und hört. So verehrt ihr auch blutschänderische Götter, die sich mit ihrer Mutter, mit ihrer Tochter, mit ihrer Schwester verbunden haben.“1
Nichtsdestotrotz finden die Christen mitunter lobende Worte für ethisch vorbildliches Verhalten der handelnden Figuren oder versehen einzelne Mythen mit christianisierenden Deutungen.2 Als schließlich durch das Edikt des Galerius im Jahr 311 sowie die Mailänder Vereinbarung des Jahres 313 zwischen Konstantin und Licinius den mittlerweile gar nicht mehr so wenigen Christen die Rechtssicherheit einer religio licita zugebilligt wird und Theodosius I. durch das Zurückdrängen der alten Kulte bis 392 dem Christentum faktisch den Rang einer Staatsreligion verschafft,3 lässt die antiheidnische Polemik nach und innerkirchliche Fragestellungen gewinnen weiter an Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt ist der 45-jährige Hieronymus aus der illyrischen Provinz Dalmatia damit beschäftigt, in Bethlehem eine bemerkenswerte literarische Produktion zu entfalten. In Rom zur Schule gegangen und in jungen Jahren zur christlichen Askese gekommen, etabliert er sich – nachdem er eine Zeit lang mit theologischen Studien in Antiocheia und Konstantinopel verbracht hat – als Übersetzer in 1
2 3
Min. Fel. 31,3 (CSEL 2, 44): memoriae et tragoediae vestrae incestis gloriantur, quas vos libenter et legitis et auditis; sic et deos colitis incestos, cum matre, cum filia, cum sorore coniunctos. Unten 2.2. Lact. mort. pers. 34. 48; Eus. h.e. 8,17,1–11; Cod. Theod. 16,7,1. 10,7 passim; Zos. 4,33. 37. 59.
14
1. Einleitung
Diensten des römischen Bischofs Damasus sowie als Mentor asketisch interessierter Damen des Stadtadels. Als sich die Lage zu seinem Nachteil ändert, kehrt er Rom den Rücken und lässt sich im fernen Bethlehem in einem Kloster bei der Geburtskirche nieder. Als Lateiner im Osten des Reiches kommt ihm die Rolle eines Vermittlers griechischer und hebräischer Gelehrsamkeit in den Westen zu, nicht zuletzt durch seine Bibelübersetzung, die später als Vulgata bekannt wird. Hieronymus verkörpert den neuen Typus des gebildeten Mönches, der nicht nur die Bibel und die Kirchenschriftsteller liest. Daher hat von jeher der Umstand große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass sich im umfangreichen Corpus seiner erhaltenen Schriften ein reicher Fundus von Zitaten aus den Werken der klassischen Autoren findet. Als Ciceronianus fällt er bereits seinen Zeitgenossen auf und schon mit Erasmus von Rotterdam setzt ein reges neuzeitliches Interesse an dem antiken Erbe im Werk dieses pater ecclesiae ein. So mangelt es auch in der lebendigen Hieronymus-Forschung der Moderne nicht an Beiträgen zu diesem Themenfeld.4 Vor diesem Hintergrund kann es erstaunen, dass es bisher keine Untersuchung zum Mythos bei Hieronymus gibt – vor allem angesichts des überwältigenden Befunds von 772 Nennungen mythischer Figuren im Opus des Kirchenvaters, die weitgehend unbeachtet geblieben sind.5 Das ist insofern umso bemerkenswerter, als Hieronymus eine eigene Art des Umgangs mit den Mythen erkennen lässt. Obwohl dem Verhältnis der Christen zum Mythos in jüngerer Zeit ein verstärktes Interesse entgegengebracht wurde,6 fehlen erschöpfende Überblicksdarstellungen und detaillierte Untersuchungen zu einzelnen Autoren.7 Arbeiten zur Mythenrezeption sind zumeist entweder kurze epocheübergreifende Darstellungen, die Hieronymus weitgehend ignorieren,8 oder sie beziehen sich auf die christlichen Autoren vorkonstantinischer Zeit.9 Was die Hieronymus-Forschung selbst angeht, berühren manche Beiträge das Thema zwar, wenn seine Rezeption antiker Literatur,10 sein Gebrauch von exempla11 oder die paganen Einflüsse in der Vulgata untersucht werden12 – aber kommentieren es bestenfalls en passant. 4 5
Hierzu unten 3.3. Dagegen bereits STUMMER 1941, 252: „Was uns vielleicht zuerst auffällt, ist die Verwendung von Gestalten griechisch-römischer Mythologie“. 6 Vgl. bspw. LEPPIN 2015. 7 GRAF 2011, 320. Eine Ausnahme stellt Dracontius dar, der in jüngerer Zeit Gegenstand gleich zweier Monographien wurde: SIMONS 2005; SELENT 2009. 8 GRAF 2011, 319–337; SCHMITZ 2013, 471–483. 487–510; LEPPIN 2015. 9 ROBERTSON 1900; GLOCKMANN 1968; VERMANDER 1982, 3–128; BURKERT 2005, 173–193. 10 LÜBECK 1872; PEASE 1919, 150–167; EISWIRTH 1955; HAGENDAHL 1958, 382–395; ANTIN 1960, 47–57; GODEL 1964, 65–70; HAGENDAHL 1974; SCHOLL 1976, 503–526; MCDERMOTT 1982, 372–382; ADKIN 1997A, 25–39; ADKIN 1997B, 240–241; LAURENCE 1998B, 885–899; ROUSSEAU 1999, 172–187; ADKIN 1999B, 635–639; ADKIN 2000A , 67–79; ADKIN 2000C, 209– 215; HENKE 2002, 174–177; BOUTON-TOUBOULIC 2005A, 95–113; ADKIN 2005A, 93–110; ADKIN 2005B, 1–11; JAKOBI 2006, 250–255. 11 SCHNEIDERHAN 1916; CARLSON 1948, 93–104; REBENICH 1992B, 29–46; HAMBLENNE 1996, 93–146. 12 STUMMER 1941, 251–269; BARTELINK 1982, 463–471; BROWN TKACZ 1997, 378–382; BROWN TKACZ 1999, 93–104; ADKIN 2000B, 77–87; ADKIN 2009, 167–175.
1. Einleitung
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Nur wenige Arbeiten sind erschienen, die Einzelaspekte des Themenfelds Mythos bei Hieronymus behandeln. PAUL ANTIN hat sich in einem Aufsatz von 1961 den Sirenen- und Odysseus-Referenzen bei Hieronymus gewidmet, geht damit jedoch nicht wesentlich über eine positivistische Stoffsammlung hinaus.13 Wichtige Beobachtungen, die nicht zuletzt einen Anstoß zur vorliegenden Arbeit gegeben haben, finden sich in MANFRED FUHRMANNS Aufsatz über die drei Mönchs-Viten des Hieronymus aus dem Jahr 1976.14 Ihm zufolge richten sich die mythischen Referenzen in der Vita Pauli in erster Linie an das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums. Das ist mit Sicherheit ein wichtiger Teilaspekt, der auch für das übrige Schaffen des Kirchenvaters Gültigkeit beanspruchen kann, greift als alleinige Deutung jedoch zu kurz. BENEDIKT OEHL hat in seinem Beitrag zum 2005 erschienenen Sammelband „Griechische Mythologie und frühes Christentum“ gezeigt, dass Mythenbezüge auch innerhalb des christlichen Diskurses hergestellt werden, wenn es darum geht, theologische Gegner zu diffamieren und diese durch den Vergleich mit negativ besetzten Figuren aus der Mythologie in die Nähe des Heidnischen zu rücken.15 Hierbei führt er auch Hieronymus als Beispiel an und benennt damit einen weiteren wichtigen Aspekt seiner Mythen-Nutzung. Das Paradigma der älteren Forschung, wonach die griechischen Mythen ein Gegenstand sind, mit dem sich die Christen – wenn überhaupt – kritisch auseinandersetzen oder ihn zu ihren Zwecken umdeuten,16 stößt bereits angesichts der großen Menge mythischer Referenzen im hieronymianischen Schaffen an seine Grenzen. Wenn der Befund also einerseits quantitativ so bemerkenswert ist, sich Hieronymus aber andererseits keiner der benannten Weisen des christlichen Umgangs mit den Mythen in hinreichender Weise zuordnen lässt, stellt sich unweigerlich die Frage nach den Formen seiner Nutzung des mythischen Erzählguts. Das führt in den Bereich, der üblicherweise mit ‚Rezeption‘ bezeichnet wird. Die Frage nach der Rezeption der Mythen bei Hieronymus greift jedoch in der Hinsicht zu kurz, dass der Begriff eine reine Aufnahme der Überlieferung suggeriert, bei der die Gestalt der Wiedergabe das Ergebnis einer einmaligen Handlung darstellt. Zudem basiert Rezeption darauf, dass eine medial fassbare Hinterlassenschaft durch den Rezipienten verarbeitet wird: Einerseits ist das problematisch, weil damit eine bestimmte Fixierung der Mythen (in Schrift oder Bild) vorausgesetzt wird, die als Ursprungsfassung zu gelten hat. Andererseits sind aus dieser Perspektive bereits alle späteren Bearbeitungen dem Bereich Rezeption zuzuordnen. Gerade für die Mythen lassen sich jedoch beide Postulate nicht aufrechterhalten, da das Zusammenspiel von stetiger Wiederholung und gleichzeitiger Veränderung eines ihrer zentralen Wesensmerkmale ausmacht.17 Ungleich weiter führt daher der Begriff der ‚Transformation‘, wie er für den Berliner Sonderforschungsbereich „Transformationen der Antike“ definiert wird: 13 14 15 16 17
ANTIN 1961, 59–70. FUHRMANN 1976, 41–89; vgl. FUHRMANN 1990, 138–151. OEHL 2005, 311–338. HAEHLING 2005, 347; MARKSCHIES 2005, 239. 242. FUHRMANN 1971, 121–143. Vgl. unten 2.1.
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1. Einleitung „Transformationen sind als komplexe Wandlungsprozesse zu verstehen, die sich zwischen einem Referenz- und einem Aufnahmebereich vollziehen. Dabei modifizieren sie im Akt der Aneignung nicht nur die Aufnahmekultur, sondern konstruieren insbesondere auch die Referenzkultur.“18
Auf die vorliegende Arbeit bezogen heißt das, nach den Funktionen und Wandlungen zu fragen, denen Hieronymus19 die griechischen Mythen (die den ‚Referenzbereich‘ darstellen) in seinem literarischen Schaffen (also dem ‚Aufnahmebereich‘) zuführen. Dabei ist seine Sicht auf die Mythen bereits Teil des Prozesses, der nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Vorlage bestimmt: Hieronymus’ Zugang zu den Inhalten des Referenzbereichs gibt diesen bereits eine Form.20 Der Veränderbarkeit sind jedoch Grenzen gesetzt, welche ihrer Flexibilität zum Trotz die wesentliche Charakteristik der Referenz-Inhalte wahren.21 Zugespitzt auf ein konkretes Beispiel heißt das, dass Hieronymus in einer Bezugnahme auf den Sirenen-Mythos zwar grundsätzlich alle Elemente abändern oder weglassen kann (Odysseus, Seefahrt, Bedrohung, Gesang, Verschließen der Ohren, erfolgreiches Passieren), jedoch nie alle gleichzeitig. Die Referenz wäre sonst unkenntlich, die Transformation nicht mehr wahrnehmbar. Umgekehrt gibt auch der Aufnahmebereich Grenzen für die Wandlungsprozesse der Mythen vor, die auf formaler Ebene aus den gattungsbedingten Eigenheiten der Briefe, Streitschriften oder Kommentare des Hieronymus bestehen.22 Auf inhaltlicher Ebene ist hierbei sicherlich zuerst an die religiöse Bindung seiner Texte zu denken, die dogmatische, ethische und nicht zuletzt ästhetische Implikationen mit sich bringt.23 Eine Besonderheit der hier zu betrachtenden Transformation besteht ja gerade darin, dass sich der Aufnahmebereich religiösen 18 Website des SFB 644 „Transformationen der Antike“, Projektbeschreibung (Langfassung), 4. 4. Transformationsbegriff (URL: http://www.sfb-antike.de/kurzprofil-des-sfb/langfassung, Abruf am 12.8.2014). 19 Ebd.: „Initiiert werden Transformationsprozesse von einem oder mehreren ‚Agenten‘. [...] Der Regelfall ist, dass der Agent in seinem Zugriff auf den Referenzbereich den Gegenstand der Transformation konturiert“. 20 Ebd.: „Transformationen generieren also Dynamiken der kulturellen Produktion, in denen immer auch das verändert wird, was der Transformation voraus liegt, worauf sie sich reflexiv bezieht und was erst im Laufe der Transformation spezifiziert wird. [...] Transformationen sind bipolare Konstruktionsprozesse, in denen die beiden Pole einander wechselseitig konstituieren und konturieren. […] Aus dem Referenzbereich wird ein Aspekt selegiert, wobei diese Auswahl bereits eine Konstruktion darstellt. Transformationen erzeugen dabei sowohl Veränderungen des Referenzbereichs wie des Aufnahmebereichs“ 21 Ebd.: Die Inhalte des Referenzbereichs „sind einerseits durch eine charakteristische Widerständigkeit und Fremdheit geschlossen, andererseits aber durch Prozessualität sowie formale und semantische Offenheit gekennzeichnet.“ 22 Ebd.: „Bei jeder Transformation kommt den Medien […] eine besondere Bedeutung zu, insofern sie keine neutralen Informationsträger oder Übertragungskanäle sind. Vielmehr prägen Medien mit ihren spezifischen Vorgaben sowohl die Gegenstände des Referenz- als auch des Aufnahmebereichs und beeinflussen damit den Transformationsprozess entscheidend.“ 23 Ebd.: „Auch der ‚Aufnahmebereich‘ verfügt über formale und strukturelle Repertoires, die Auswahl und Aneignung der Inhalte des Referenzbereichs bestimmen. Transformation umfasst in gleicher Weise die (Re-)Konstruktion des Referenzbereichs wie auch die Konstruktion des Aufnahmebereichs.“
1. Einleitung
17
Vorgaben unterwirft, zu denen die weltanschauliche Ablehnung des Referenzbereichs gehört: paganer Mythos in christlicher Literatur.24 Das primäre Forschungsziel dieser Arbeit besteht somit darin, die spezifische Art der Nutzung der griechischen Mythen durch Hieronymus herauszuarbeiten und diese im Verhältnis zu christlichen bzw. zeitgenössischen paganen Diskursen historisch einzuordnen. Daher gilt es zunächst, sich einer Definition des Gegenstands ‚Mythos‘ zu nähern und einen Überblick über den Umgang in der christlichen Literatur zu schaffen (Kap. 2), um vor diesem Hintergrund die grundsätzliche Sichtweise des Kirchenvaters auf das Phänomen zu erfassen. Damit ist die Meta-Ebene betreten, die einerseits die Frage nach seiner eigenen Begrifflichkeit und andererseits nach seinem generellen Urteil über die Mythen beinhaltet (Kap. 4). Die Kernfrage dieser Arbeit ist jedoch die nach der Funktion mythischer Referenzen im Werk des Hieronymus. Wie bezieht er das heidnische Erzählgut ein? Was ist von einem Spannungsverhältnis zwischen christlicher und paganer Religiosität im Zusammenhang mit den Mythen wahrnehmbar? Sind die Mythen vielmehr als Bestandteil des gemeinsamen kulturellen Erbes akzeptiert? Werden sie in religiöser Hinsicht als neutral angesehen? Von Hieronymus selbst führen diese Fragen unmittelbar zu seiner Leserschaft: Was lässt sich an seinen Schriften über die Mythen als Teil der Wissenskultur gebildeter Christen um die Wende zum 5. Jh. ablesen? Vor diesem Hintergrund dürfte wohl außer Frage stehen, dass die vorliegenden Untersuchungen nicht von einem theologischen Interesse geleitet sind, sondern einen Beitrag zur althistorischen Erforschung der Geistesgeschichte der Spätantike zur Zeit Theodosius’ des Großen und seiner Söhne leisten wollen. Die schiere Masse von 772 Nennungen mythischer Namen, die in den Schriften des Hieronymus ermittelt werden konnte, ließ es von vornherein ausgeschlossen sein, jede einzelne Textstelle einer Untersuchung zuzuführen. Mit der vorliegenden Arbeit wird der Anspruch auf Vollständigkeit jedoch insofern erhoben, als sich darum bemüht wurde, das Phänomen der Mythen im Werk des Kirchenvaters in seiner ganzen Breite in den Blick zu nehmen. Eine Analyse aller Stellen würde jedoch eine positivistische Materialsammlung zum Ergebnis haben, die bestenfalls einen Nutzen als Nachschlagewerk hätte. In Anbetracht der formulierten Fragestellungen ist es daher unabdingbar, eine repräsentative Auswahl von Textstellen zu treffen, deren exemplarische Analysen zu einem konsistenten Gesamtergebnis führen. Das primäre praktische Problem ist daher die sinnvolle Selektion der Fallbeispiele. In einem ersten Schritt lässt sich eine große Gruppe von mythischen Referenzen aus dem Kernbereich der Arbeit dergestalt ausnehmen, dass es sich um einen Sonderfall handelt: Hieronymus’ lateinische Bibelübersetzung enthält eine Reihe mythischer Namen. Zum einen ist damit die Besonderheit gegeben, dass Hieronymus’ Übersetzungsentscheidungen im Einzelnen am zugrunde liegenden Text sowie an der griechischen Septuaginta als der maßgeblichen Vorgängerübersetzung überprüft werden können. Zum anderen sind Nennungen jener mythischen Namen im restlichen Œuvre des Hieronymus, die sich auf biblische Figuren beziehen, unter 24 LEPPIN 2015, 2.
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1. Einleitung
anderen Voraussetzungen zu betrachten als genuin mythische Bezüge. Daraus ergibt sich, dass alle Stellen, die sich nominell auf Mythen beziehen, tatsächlich jedoch auf biblische Erzählungen rekurrieren, von dem Kernproblem dieser Arbeit auszuschließen sind. Unter diese Maßgaben fallen 281 Nennungen, die in einem eigenen Kapitel vorzustellen sein werden (Kap. 5). Unter den verbleibenden 491 mythischen Referenzen sind für die Fragestellung der Arbeit zudem solche von primärem Interesse, die tatsächlich den Bezug zu einer Erzählung herstellen. Die bloße Nennung einer Figur, die im Mythos als handelndes Personal auftritt, bedeutet nicht zwingend, dass auf die narrativen Hintergründe Bezug genommen wird. Wenn Hieronymus beispielsweise fordert, dass einem Christ Ausrufe wie „Allmächtiger Jupiter! Beim Hercules! Beim Castor!“25 nicht über die Lippen kommen sollen, besteht darin kein unmittelbarer Bezug zu einem Mythos. Ähnliches gilt, wenn er die Priesterinnen der Vesta und der taurischen Artemis als Beispiele für Jungfrauen im heidnischen Kultus anführt.26 Nichtsdestotrotz werden in Einzelfällen auch solche Nennungen zu berücksichtigen sein. Das vermeintliche Aussieben ganzer Gruppen von mythischen Referenzen dient an dieser Stelle lediglich der pragmatischen Ersteingrenzung und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass prinzipiell alle fraglichen Stellen als Bestandteil des hieronymianischen Œuvres in einem Zusammenhang zu betrachten sind und im Einzelfall zu prüfen ist, welchen Erkenntniswert sie im Sinn der Problemstellung haben können. Somit ist das Hauptaugenmerk, das auf die Stellen mit ‚echten‘ Bezügen zum Mythos zu richten ist, nur als ein primäres, nicht als ausschließliches zu betrachten. Die Gruppe von 276 Nennungen mythischer Namen, die nun die Bedingungen erfüllen, einerseits keine biblische Figuren zu bezeichnen und andererseits narrative Bezüge aufzuweisen, stellt den zentralen Gegenstand dieser Arbeit dar (Kap. 6). Ihre Betrachtung bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Zum einen ist die Anzahl nach wie vor so hoch, dass eine Herausforderung darin besteht, den Befund zu überblicken und anschließend überschaubar zu bearbeiten. Zum anderen erstrecken sich die Referenzen über ein breites Schaffen, sowohl was das Volumen als auch was den Entstehungszeitraum von mehr als vier Dekaden angeht. Innerhalb des Œuvres sind die einzelnen Schriften wiederum sehr ungleichmäßig verteilt. Hinzu kommt das heterogene Bild, das sich aus der Verteilung der Texte in die einzelnen Gattungen ergibt. Die Untersuchungen stellen daher den Versuch dar, aus einer großen, disparaten Fülle von Einzelfällen ein schlüssiges Gesamtbild zu gewinnen. Die nächstliegende Möglichkeit zur Bewältigung dieser Aufgaben wäre wohl das kursorische Abarbeiten der einzelnen Referenzen gemäß ihrer Chronologie. Abgesehen von der ästhetischen Zumutung stellt sich die Frage nach dem Nutzen eines solchen Unternehmens. Gewichtungen, Querverbindungen oder Entwicklungen über längere Zeiträume blieben verborgen. Die Arbeit würde vielmehr den Charakter eines Kommentars bekommen und in ihrem Umfang auf ein unerwünschtes 25 Hier. epist. 21,13,8 (CSEL 54, 123): absit, ut de ore Christiano sonet ‚Iuppiter omnipotens‘ et ‚mehercule‘ et ‚mecastor‘ et cetera magis portenta quam numina. 26 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B): Et sacerdotes Dianae Tauricae, et Vestae, innumerabiles exstiterunt.
1. Einleitung
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Maß anwachsen. Eine Selektierung des Stoffes wiederum würde ein adäquates System von Ausschlusskriterien erfordern, das durch fehlende Implikationen aus der gewählten Perspektive dazu verurteilt wäre, kaum einer schlüssigen Konzeption folgen zu können. Ein ähnlicher Ansatz, der ebenfalls von der Überlieferungslage ausgeht, wäre die Einteilung nach Werkgruppen bzw. Textgattungen. Von hier aus könnten Überlegungen über die sich ergebenden Unterschiede angestellt werden. Abgesehen davon, dass sich die einzelnen Genera sehr in ihrem Umfang unterscheiden und dadurch die Vergleichbarkeit beeinträchtigt ist, sind die Grenzen zwischen den Werkgruppen kaum sinnvoll zu ziehen. So haben einzelne Briefe den Charakter von eigenständigen exegetischen Abhandlungen, während sich die praefationes mancher Bibelkommentare und -übersetzungen aufgrund ihrer persönlichen Ausführung kaum von Briefen unterscheiden. Zudem würde der Blick auf die Einheit des Gesamtwerkes unnötig verstellt werden. Weitaus mehr ordnende Tätigkeit des Interpreten setzt eine Bearbeitung des Stoffes voraus, die vom mythischen Personal ausgeht und beispielsweise alle ZeusNennungen gemeinsam betrachtet. Der Vorteil wäre ein verbesserter inhaltlicher Überblick über die Nutzung mythischer Referenzen durch Hieronymus. Diesem Anspruch folgt die Ordnung des Index,27 so dass die vorliegende Arbeit das Auffinden aller Hieronymus-Stellen zu einer mythischen Figur ermöglicht. Etwaige Nachteile dieses Ansatzes liegen zum einen in dem Umstand begründet, dass in einem einzelnen Exemplum oft verschiedene mythische Figuren genannt werden und somit Wiederholungen unausweichlich würden. Zum anderen würde dieser Ansatz bei 174 verschiedenen Lemmata aus der Mythologie im hieronymianischen Schaffen zu einer viel zu weit verästelten Gliederung und einer großen Ansammlung disparater Einzelbeobachtungen führen. Zudem bliebe das Problem des Umfangs dieser Arbeit bzw. der Selektierung der Textstellen bestehen. Daher sollen die mythischen Referenzen weder vom Werk aus noch vom Mythos aus untersucht werden, sondern in Bezug auf die ihnen zugewiesene Funktion im Rahmen der Nutzung durch Hieronymus. Bezogen auf den in der Einleitung eingeführten Transformationsbegriff heißt das, dass weder der ‚Aufnahmebereich‘ die Gliederung vorgibt noch der ‚Referenzbereich‘. Damit wird vielmehr der eigentliche Wandlungsprozess durch Hieronymus als ‚Agenten‘ in den Fokus gerückt. Zu diesem Zweck wurde in einem ersten Schritt für jede Textstelle, die eine oder mehrere Nennungen von Figuren aus den griechischen Mythen enthält, das ‚Objekt‘28 der jeweiligen Aussage identifiziert. Als einfache Frage formuliert hieße das: „Auf wen oder was bezieht sich das Exemplum?“ Wenn Hieronymus beispielsweise Rufinus als Hydra bezeichnet,29 ist zweitgenannter das Objekt des Exemplums. In diesem Arbeitsschritt wurden auch rein nominelle Referenzen berücksichtigt, die zwar mythisches Personal enthalten, aber keinen inhaltlichen Bezug 27 Unten 8 Anhang: Verzeichnis der mythischen Referenzen im Werk des Hieronymus. 28 Der Begriff „Objekt“ wird hier nicht im grammatischen, sondern im ontologischen Sinn eines ‚Gegenstands‘ gebraucht. 29 Hier. epist. 130,16,1 (CSEL 56, 196).
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1. Einleitung
zum Mythos erkennen lassen. Als Beispiel soll hier der Verweis auf eine Erwähnung der Priesterinnen der taurischen Artemis genügen,30 die zwar nur eine Bezugnahme auf den Kultus enthält – also nicht auf den Mythos –, aber dennoch als Objekt des Exemplums die Jungfräulichkeit der Priesterinnen festmachen lässt. In einem nächsten Schritt wurden die so gewonnenen Objekte in ihrer großen Fülle auf inhaltliche Gemeinsamkeiten hin überprüft und davon ausgehend auf eine möglichst geringe Zahl von ‚Objekt-Typen‘ aufgeteilt. Die verschiedenen ObjektTypen wurden aus den beobachteten Gemeinsamkeiten hergeleitet. Textstellen, in denen Hieronymus mit Hilfe mythischer Referenzen beispielsweise Bemerkungen über Iovinianus, Rufinus und Vigilantius macht, fielen zum Typus „Historische und zeitgenössische Personen“ zusammen. Bei diesem klassenbildenden Superieren bestand ein besonderes Problem in der Festlegung der Klassengrenzen: Zum einen kamen ihnen manche Objekte so nahe, dass die Entscheidung problematisch war, auf welche Seite der jeweiligen Grenze sie gehörten. Zum anderen musste die Klassifikation so vorgenommen werden, dass sie der Quelle gegenüber gerecht blieb, deren Autor einen solchen Vorgang sicher nie im Sinn gehabt hatte. Es wurde somit der Versuch unternommen, eine Systematik aus moderner Perspektive auf die antiken Texte anzuwenden, ohne ihnen durch die gewählten Klassengrenzen Gewalt anzutun. Die Zuordnung der mythischen Referenzen zu den Objekt-Typen, die unweigerlich einem gewissen Maß an Subjektivität unterworfen ist, hat daher als heuristisches Werkzeug zur Untersuchung des Gegenstands dieser Arbeit zu gelten, nicht als eine selbst zu beweisende Hypothese. Am Ende wird daher danach zu fragen sein, welche spezifischen Ergebnisse sich aus der gewählten Methode ergeben haben und inwiefern diese sich auf den tatsächlichen Quellenbefund, der eine solche Klassifizierung nicht kennt, anwenden lassen. Es sind sechs verschiedene Objekt-Typen hergeleitet worden, die sich als praktikabel und ertragreich für den Arbeitsprozess erwiesen haben: a) Orte und historische Ereignisse (Kap. 6.1) b) Heidnischer Kultus (Kap. 6.2) c) Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta (Kap. 6.3) d) Die sieben Hauptlaster (Kap. 6.4) e) Biblische Personen und Erzählungen (Kap. 6.5) f) Zeitgenössische und historische Personen (Kap. 6.6) Die Charakteristika und Auswahlkriterien der einzelnen Objekt-Typen werden zu Beginn der jeweiligen Kapitel darzulegen sein. Die aus dieser Systematik abgeleiteten Kapitel sind in sich chronologisch aufgebaut, sofern nicht die Inhalte im Einzelfall eine andere Vorgehensweise nahelegen. Für die folgenden Untersuchungen sind einige Begriffe konstitutiv, die nicht zu Unrecht als problematisch betrachtet werden. Vor allem für die Bezeichnungen ‚heidnisch‘ und ‚pagan‘ gilt, dass sie Grenzen ziehen, von denen mindestens frag-
30 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284B).
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lich ist, ob sie der Komplexität der spätantiken Kultlandschaft oder einem Selbstverständnis der ‚Heiden‘ gerecht werden.31 Die hier behandelten Probleme sind jedoch gerade dadurch bedingt, dass Hieronymus diese Grenzziehung zwischen Christen und Heiden scharf vollzieht. Seine geläufige Vokabel zu Bezeichnung des Heidnischen ist gentilis. So wendet er sich beispielsweise gegen philosophisch beeinflusste Ideen zur Entstehung der Seele „gemäß Pythagoras und Platon sowie deren Schülern, die unter christlichem Namen die Lehre der gentiles einführen“.32 Ebenso deutlich wird die Dichotomie im Gebrauch des griechischen Lehnwortes ethnicus, das er synonym gebraucht, das sich aber nicht ganz so häufig in seinen Schriften findet. So schreibt er in seinem Schriftstellerkatalog: „Minucius Felix, ein berühmter Rechtsanwalt in Rom, verfasste einen Dialog zwischen einem Christen und einem ethnicus“.33 Der Befund zeigt deutlich, dass Hieronymus alle religiösen und kultischen Vorstellungen, die sich weder dem christlichen noch dem jüdischen Bereich zuordnen lassen, als heidnisch bzw. pagan zusammenfasst, bevorzugt die des griechisch-römischen Kulturkreises.34 In dieser Arbeit werden die Begriffe daher als wertfreie Sammelbezeichnungen für die Kulte benutzt, die auf Basis dieser christlichen Konstruktion gentilis oder ethnicus sind. Ähnliches gilt für die Unterscheidung zwischen ‚orthodox‘ und ‚heterodox‘/‚häretisch‘,35 mit der keine Einschätzungen theologischer Fragen vorgenommen werden sollen, geschweige denn Wertungen. Jede ‚Häresie‘ ist stets aus ihrem eigenen Blickwinkel rechtgläubig und darüber zu urteilen, ist hier nicht der Ort. Die beiden Begriffe beziehen sich daher ebenfalls auf Hieronymus’ Perspektive, der stets darum bemüht war, sich dogmatisch auf dem Boden der römischen Kirche zu bewegen.36 Unter dem Begriff ‚arianisch‘ werden gemäß orthodoxer Diktion solche Positionen subsummiert, die im Gegensatz zum nizänischen Credo den Wesensunterschied von Gottvater und Gottsohn betonen, ohne dass tatsächlich eine Verbindung zu Arius’ Lehren oder eine Einheit der verschiedenen als ‚arianisch‘ titulierten Strömungen gegeben sein muss.37
31 Hierzu SHORROCK 2011, 1–12. 32 Hier. epist. 120,10,2 (CSEL 55, 500): iuxta Pythagoram et Platonem et discipulos eorum, qui sub nomine Christiano introducunt dogma gentilium. Gemeint ist wohl Origenes. 33 Hier. vir. ill. 58,1 (BARTHOLD 2010, 214): Minucius Felix, Romae insignis causidicus, scripsit dialogum christiani et ethnici disputantis. Übers. nach ebd. 215. Formen von gentilis lassen sich 276-mal belegen; Formen von ethnicus 100-mal. Paganicus erscheint allein in einem Zusatz zu Hier. vir. ill. 106, den nur manche Hss. haben; BARTHOLD 2010, 246 f. app. crit. 34 Religiöse Vorstellungen außerhalb des römischen Reichs weist er den barbari zu: Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B). Vgl. OPELT 1965A, 13–22; LEPPIN 2004, 62–64; KAHLOS 2009, 305. 35 BROX 1986, 262–264. 36 VESSEY 1996, 495–513; REBENICH 2002, 21. Formen von haereticus sind 875-mal belegt. 37 GENTZ 1950, 647 f.; HEIL 2014, 85–116; Zum nizänischen Bekenntnis unten 6.6.1.1. Formen von arianus sind 75-mal bei Hieronymus belegt.
2. ZUM MYTHOS-BEGRIFF 2.1 VERSUCH EINER DEFINITION Der Umstand, dass es bis heute nicht möglich ist, eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs ‚Mythos‘ aufzustellen,1 entbindet nicht von der Pflicht, den Mythenbegriff zu klären, der den Überlegungen in dieser Arbeit zugrunde zu legen ist. Ausgehend von Ursprung und Herkunft der Vokabel µῦθος („Rede, Erzählung, Konzeption“2) wird der Begriff auf den Kulturraum der griechischen Antike einzugrenzen sein – wenngleich es gute Argumente für eine weiter gefasste Terminologie geben mag, nach der in den unterschiedlichsten epochalen und geographischen Kontexten ‚Mythen‘ erblickt werden können. Allgemein gesprochen werden als Mythen traditionelle Erzählungen von kollektiver Bedeutsamkeit bezeichnet.3 Dass sie von (weitgehend anthropomorphen) Göttern und Heroen oder vom Ursprung der Welt handeln, sind zwei ergänzende Spezifizierungen, die aber für die griechische Mythologie ebenso kurz greifen wie der Versuch, Mythos grundsätzlich als sakralisierte Erzählung zu sehen.4 Mythen sind Volkserzählung, die für eine individuelle Gestaltung des jeweiligen Erzählers offen bleibt. Bindend ist dabei ein narrativer Kern, dessen einzelne Elemente stark variieren können.5 Von der Sage unterscheiden sich Mythen trotz einer gewissen Nähe dadurch, dass sie sich zumeist nicht auf einen historischen Kern zurückführen lassen. Ihnen haftet zwar Unwirkliches an, aber im Unterschied zum Märchen werden sie nicht um ihrer selbst willen oder für Kinder erzählt. Bei alledem gilt: „Die einzelnen Erzählungen respektieren die von der Theorie gezogenen Grenzen kaum und treten wechselnd als ‚echte‘ Mythen, als Märchen, Sagen, Legenden oder Schwänke auf und sind doch auch in dieser Form durchaus bedeutsam.“6
Daher ist die Besonderheit des Mythos nicht nur im Inhalt, sondern auch in seiner Funktion zu suchen: Das Erzählte enthält einen Bezug zur Wirklichkeit, es stiftet Institutionen, erläutert Rituale, begründet Genealogien und enthält Weisungen für Diesseits wie Jenseits. „Mythos ist angewandte Erzählung“,7 die in der Fülle ihrer
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GRAF 1993A, 2; HÖLKESKAMP 2009, 1–50, bes. 9–36. TEPE 2001, 15–68, identifiziert 68 verschiedene Bedeutungen des Begriffs „Mythos“ in der Alltags- und Mediensprache. BURKERT 1981, 11. Vgl. bspw. Hom. Od. 11,561; Il. 9,443. KIRK 1970, 1–41; BURKERT 1979A, 23; BREMMER 1990, 1–7; LEPPIN 2015, 5. NESTLE 1942, 2; KERÉNYI 1963, 23; BLUMENBERG 1979, 207; GRAF 1991, 79–97. FUHRMANN 1971, 139; BLUMENBERG 1979, 194. BURKERT 1981, 12. Fast alle Figuren tragen Eigennamen; BURKERT 1993, 17. BURKERT 1981, 12; vgl. BURKERT 1979A, 22–26.
2.1 Versuch einer Definition
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Überlieferung ein metaphorisches Instrumentarium liefert, um Wirklichkeit zu gliedern oder in Worte zu fassen. Er bindet Gegenwärtiges an (vermeintlich) Vergangenes und kanalisiert damit Erwartungen für Zukünftiges.8 Seine jeweilige Funktion ist dem Mythos oft nicht selbst zu entnehmen, er bekommt sie erst durch den Erzähler verliehen, also durch den Prozess der Transformation. So ist er als Erzählgut nicht an einen bestimmten Text und oder an eine bestimmte Textgattung gebunden und ist so gut wie nie Erfindung eines Einzelnen.9 „Er kann kunstvoll entfaltet oder aufs dürrste Résumé komprimiert werden, kann in Prosa, Gedicht und Lied erscheinen [...]. Mythen sind Sinnstrukturen.“10 Das bedeutet, dass neben der literarischen von einer mündlichen Tradierung auszugehen ist, die in einzelnen Fällen für Zeiten weit vor den frühesten erhaltenen Schriftzeugnissen nachweisbar ist. So finden sich oftmals Hunderte von Jahren nach Hesiod und Homer schriftliche Überlieferungen und bildliche Darstellungen von Mythen, die eindeutig auf weitaus ältere Versionen schließen lassen.11 Oft lässt sich nicht einmal eine dominierende literarische Tradition bestimmen oder sie steht im Widerspruch zu lokalen Ausprägungen. Ebenso, wie sich die Mythologie als ambivalent darstellt, sind auch die einzelnen Erzählungen in ihrem Sinngehalt verschiedenen Deutungen zugänglich. Daneben steht die bildliche Darstellung von Mythen, die zwar allem Anschein nach von der Überlieferung der Texte abhängig ist, jedoch genauso eigene Versionen kennt. Der antike Begriff µῦθος hat bereits seit der griechischen Aufklärung des 5. Jh. v. Chr. die Konnotation des Unwahren und Märchenhaften. Herodot und Thukydides grenzen dezidiert ihre historischen Darstellungen davon ab.12 Aus der vielfältigen antiken Kritik am Mythos sei vor allem das Beispiel des Euhemeros von Messene herausgegriffen, der zu Beginn des 3. Jh. v. Chr. in seiner Ἱερὰ ἀναγραφή das Personal der Mythen als historische Personen präsentiert, die wegen ihrer großen Taten zu Göttern stilisiert worden seien.13 Trotz der wahrnehmbaren Ablehnung der Authentizität mythischer Erzählungen werden sie seit frühester Zeit auch von den Historikern tradiert: Gerade die lokalen Mythen werden gemeinhin als Teil der vorhistorischen Zeit betrachtet.14 Die Unterscheidung zwischen fiktiver Erzählung und historischem Bericht hält sich im Hellenismus und im Prinzipat. So ist auch der größte Teil der prosaischen Texte aus der Kaiserzeit überliefert, etwa in mythographischen Sammlungen wie Apollodoros’ Βιβλιοθήκη und Hyginus’ Fabulae. In Rom setzt die Rezeption der griechischen Mythen freilich wesentlich früher durch die Aufnahme griechischer Götter ein. Ab dem 2. Jh. v. Chr. findet eine literarische Übernahme statt. Im literaturtheoretischen Diskurs bildet sich in der späten Republik eine Dreiteilung von narrationes heraus, wonach neben der historia als 8 9 10 11 12 13 14
BLUMENBERG 1979, 200 f.; GRAF 1991, 43. DÖRRIE 1966, 53, der das auch für Platon verneint. BURKERT 1981, 12; vgl. FUHRMANN 1971, 121–143. OTTO 1934, 19 f. Hdt. 2,23,1. 45,1; Th. 1,22,4. Vgl. BURKERT 1984, 281–283; BURKERT 2005, 174. FGrH 63 F 1–30; vgl. D.S. 5,41–46; 6,1; hierzu GRAF 1991, 168–189. Plu. Thes. 1,1–3.
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2. Zum Mythos-Begriff
Tatsachenbericht das argumentum steht, in dem glaubwürdige Geschehnisse aus dem Erfahrungshorizont der Leserschaft fingiert werden, und eben die fabula, „in der weder Wahres noch Wahrscheinliches enthalten ist“.15 Cicero referiert die euhemeristische Sichtweise von den Göttern als überhöhten Menschen und Lucretius widmet Teile seines Werkes De rerum natura einer rationalistischen Widerlegung mythischer Inhalte.16 Solchen Einzelstimmen der späten Republik zum Trotz entstehen jedoch bereits seit der Frühzeit Roms aitiologische Erzählungen für Feste und Riten, wie sie in Ovids Fasti und in Plutarchs Quaestiones Romanae überliefert sind. Unter Verwendung römischer Protagonisten und Schauplätze folgen sie den Mustern der griechischen Mythen. Gerade diese Aitiologien werden von den Befürwortern der Existenz eines ‚römischen Mythos‘ ins Feld geführt. Zudem weisen Teile der annalistischen Historiographie Merkmale mythischer Erzählungen auf. Das gilt vor allem für die Königs- und Frühzeit, aber auch für die augusteische Dichtung, insbesondere Vergils Aeneis. Durch die gesamte antike Literatur hindurch kommt dem Mythos – gerade in seiner griechischen Form – die wichtige Funktion zu, als Exemplum für bestimmte Verhaltensweisen zu dienen. Die moderne Verwendung des Begriffs „Mythos“ setzt zu Beginn des 19. Jh. mit CHRISTIAN GOTTLOB HEYNES Untersuchungen zum Sermo mythicus seu symbolicus ein und steht in Zusammenhang mit seinen Arbeiten zu Apollodoros’ Bibliothek.17 Den frühen Deutungsansätzen und -modellen ist gemeinsam, dass sie unter Berufung auf die antike Allegorese in den Mythen verschlüsselte Mitteilungen über das Wissen und die Geschichte der Menschheit suchen und daher vor allem nach dem Ursprung der Mythen fragen. Sie werden etwa als Erklärung von Naturphänomenen oder als von Legenden überformte Historie verstanden.18 In der Suche nach einem Sinn hinter dem eigentlichen Wortsinn drohen allegorische Deutungen jedoch, die Bedeutung außerhalb des Mythos selbst zu suchen. Ende des 19. Jahrhunderts wird durch JANE HARRISON eine Deutungsrichtung angeregt, die in den 1930er Jahren unter dem Schlagwort ‚myth and ritual‘ Schule macht.19 Für den deutschsprachigen Raum sind hier die Arbeiten WALTER F. OTTOS und KARL KERÉNYIS herauszuheben.20 So erscheinen viele Mythen als Erzählungen von Initiations- oder Opferriten und lassen sich zu einem großen Teil mit belegbaren Kulthandlungen in direkte Verbindung bringen. Prominentes Beispiel ist der Opferbetrug des Prometheus, in dem die aitiologische Erklärung dafür erblickt werden kann, warum im griechischen Opferkult das Fleisch verzehrt wird, während die schlechteren Teile wie Knochen und Sehnen den Göttern geopfert werden. Mythen 15 Rhet. 1,12: Fabula est, quae neque veras neque veri similes continet res, ut eae sunt, quae tragoedis traditae sunt. Vgl. Cic. inv. 1,27; Quint. inst. 2,4,2; Aug. civ. 6,5. 16 Cic. nat. deor. 1,119; Lucr. 5,878–906; hierzu ERDBEER/GRAF 2001, 644 f.; vgl. unten 6.6.2.3. 17 CH. G. HEYNE Sermonis mythici seu symbolici interpretatio (Göttingen 1807); hierzu GRAF 1993C, 284–294. Detaillierter zur Forschungsgeschichte HORSTMANN 1984, 288–316; GRAF 1991, 15–57; BURKERT 1993, 25–43; JAHN 2007, 5–14. 18 OTTO 1934, 12 f. Vgl. JOOSEN/WASZINK 1950, 283–293. 19 Hierzu KIRK 1970, 8–31; BURKERT 1979A, 56–58. 20 OTTO 1934; KERÉNYI 1951/1958.
2.1 Versuch einer Definition
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sind demnach als „der gesprochene Teil des Rituals“21 zu begreifen. Doch die Ritualtheorie stößt an ihre Grenzen, wenn sich die Priorität des Ritus als nicht haltbar erweist oder immer wieder Mythen ohne Riten und vice versa zu finden sind.22 Mit SIGMUND FREUD und seinem Schüler C. G. JUNG nimmt sich die Psychoanalyse der Mythen an, die zu ihrer Deutung als Archetypen des kollektiven Unbewussten führt. Das bekannteste Beispiel ist der ‚Ödipus-Komplex‘.23 Für das Verständnis der Mythen ist dieses Deutungsmuster jedoch weniger dienlich als umgekehrt. Erst der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgekommene, strukturalistische Ansatz, den CLAUDE LÉVI-STRAUSS entwickelt hat, löst sich vom starren Blick auf den Ursprung der Mythen.24 Dieses kommunikationswissenschaftliche Modell entschlüsselt die einzelnen bedeutungstragenden Elemente der Handlung zu entsprechend vielen Codes, genannt Mythemen, die das Aufdecken analoger Strukturen ermöglichen. Das lässt nicht nur systematische Vergleiche griechischer Mythen untereinander zu, sondern auch von Erzählungen unterschiedlichster Kulturen. Die Sichtbarmachung des hohen Grads an Wandlungsfähigkeit der Mythen ließ LÉVI-STRAUSS den radikalen Schluss ziehen, dass alle Versionen eines Mythos gleichberechtigt nebeneinander stehen und es keine Urfassung gibt, die einen höheren Anspruch auf Gültigkeit hat. HANS BLUMENBERG hat dieses Postulat relativiert und das Phänomen der stetigen Veränderung von Mythen auf die Formel „Arbeit am Mythos“ gebracht.25 Der rezeptionsgeschichtliche Ansatz, der ebenfalls von der Suche nach einem Mythenverständnis aus ihrem Ursprung heraus weitgehend gelöst ist, hat entscheidende Impulse durch die Arbeiten MANFRED FUHRMANNS erhalten.26 So wird die historiographisch ablesbare Wirkung der Mythen zum Anlass genommen, nach Gründen für und Tendenzen von Veränderungen in den Erzählungen zu fragen; ihre Funktion wird im jeweiligen Zusammenhang betrachtet. In jüngerer Zeit haben WALTER BURKERT und sein Schüler FRITZ GRAF einen funktionalistischen Ansatz entwickelt, der das Phänomen Mythos aus dem literarischen Befund heraus erklärt sowie unter Berücksichtigung seiner spezifischen Eigenheiten, der sich aber zugleich bemüht, die Ergebnisse der ritualistischen und der struktural-semiotischen Schule sowie des rezeptionsgeschichtlichen Ansatzes zu berücksichtigen. Auf diese Weise gelangt vor allem GRAF zu einem Mythenbegriff, der die Integrität des griechischen Ursprungs wahrt, zugleich aber den konstruktiven Vergleich mit Erzählungen anderer Kulturen ermöglicht. Vor diesem Hintergrund sei im Folgenden nun eine Eingrenzung des Gegenstands „griechischer Mythos“ vorgenommen, die zumindest als Arbeitshypothese für diese Arbeit Gültigkeit beanspruchen kann. So hat BURKERT wiederholt Definitionen vorgeschlagen, die eine Lösung für die sinnvolle Eingrenzung des MythosBegriffs über den Zugang der maßgeblichen literarischen Überlieferung bieten: 21 22 23 24 25 26
BURKERT 1981, 18. Vgl. Hes. Th. 511 ff.; A. Pr. 482 ff.; Hyg. astr. 2,15. BURKERT 1972, 39–45; GRAF 1991, 45. BURKERT 1981, 19. LÉVI-STRAUSS 1955, 59–74; hierzu KIRK 1970, 42–83; BURKERT 1979A, 10–14. BLUMENBERG 1979, 194–218. FUHRMANN 1971, 121–143; BURKERT 1993, 9–24, bes. 19 f.
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2. Zum Mythos-Begriff „Mit einem gewissen naiven Realismus sei also festgehalten, daß wir, was die griechische Kultur betrifft, immerhin über fünf literarische Corpora verfügen, die uns maßgebliche Gruppen von griechischen Mythen vor Augen führen und so eine denotative, deiktische Definition des Phänomens ‚griechischer Mythos‘ ermöglichen: das ‚Corpus Hesiodeum‘ – ‚Theogonie‘ samt Katalogen –, die sogenannten ‚homerischen Hymnen‘, die Dichtung des Stesichoros [...], die ‚Tragodumena‘, d.h. den Inhalt der attischen Tragödien, und schließlich die ‚Bibliotheke‘ Apollodors. Gewiß kommt noch Wichtiges dazu, vor allem was bei Plutarch und Pausanias steht. Dagegen gehen die großen Dichtungen Homers eben als ‚große Dichtung‘ über das spezifisch Mythische in vielerlei Hinsicht hinaus“.27
An anderer Stelle bietet er demgegenüber eine Annäherung, die mit umgekehrter Blickrichtung vier verschiedene Gruppen von Mythen benennt und diese jeweils der maßgeblichen literarischen Überlieferung zuordnet: Die erste Gruppe besteht aus den Mythen, die durch die Großepen Ilias und Odyssee repräsentiert sind. Hierzu rechnet BURKERT auch die verlorenen Texte des so genannten Troischen und des Thebanischen Kyklos. Er betont, dass die ‚homerische‘ Überlieferung nur einen recht jungen, „spezifisch bearbeiteten Ausschnitt“ der Mythologie darstellt, und sieht „in ihrer primären Funktion unterhaltende Dichtung.“28 Davon weitgehend unabhängig benennt er eine zweite Gruppe mythischer Komplexe, die eher „einer Vielfalt ‚volkstümlicher‘ Tradition“29 angehören und ein Konglomerat von lokalen und gesamtgriechischen Erzählungen bilden, so etwa die Mythen um Herakles und Perseus. „Es geht vor allem um die Themen ‚Kulturbringer‘ und ‚Initiation‘ im Rahmen der allgemeinen Abenteuer-Sequenz.“30 Die dritte Gruppe sieht er in der Überlieferung aus der Epoche der Tragödie sowie in späteren Mythen, die jedoch „einen ausgesprochen altertümlichen Eindruck machen“.31 Kennzeichen dieser Erzählungen ist, dass es sich zumeist um lokal gebundene Ursprungs- und Zeugungsmythen mit deutlichen Bezügen zum Kultus handelt. Beispiele sind die Zeugung des athenischen Erechtheus,32 der Raub der Persephone sowie die Geburt des Pferdes Arion. Als letzte Gruppe führt er Kosmogonie- und allgemeine Theogonie-Erzählungen an. Hier ist natürlich in erster Linie an Hesiod zu denken; darüber hinaus seien der 1962 gefundene Derveni-Papyrus33 sowie einige wichtige Hinweise in der Ilias zu nennen. Die Mythen dieser vierten Gruppe tauchen weder in lokaler noch in kultischer Gebundenheit auf; sie sind eng mit der epischen Dichtung verbunden und haben große Verwandtschaft zu orientalischen Narrativen, wie etwa die Kastration des Kronos, die ihre Entsprechung im hurritisch-hethitischen Kumarbi hat.34 Ein Manko beider Definitionen besteht in der ausschließlichen Bezugnahme auf die literarische Überlieferung unter Vernachlässigung der bildlichen sowie der mündlichen. Da der Gegenstand dieser Arbeit jedoch ein Corpus von literarischen Quellen ist, bieten die beiden Definitionen einen Rahmen, der das Operieren mit 27 28 29 30 31 32 33 34
BURKERT 1993, 13 f. BURKERT 1999, 16. Ebd. 17. Ebd. Ebd. 18. Zu Erichthonios unten 6.4.1.3. Zur Identifikation mit Erechtheus BAUDY 1992, 3 f. KOUREMENOS/PARÁSSOGLOU/TSANTSANOGLOU 2006. BURKERT 1979A, 18–22; BURKERT 1999, 19.
2.1 Versuch einer Definition
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dem Begriff ‚griechischer Mythos‘ ermöglicht. Eine Einschränkung ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass von Hieronymus als einem römischen Autor der Spätantike kaum zu erwarten ist, dass er einem vergleichbaren Mythenbegriff folgt. Es stellt sich daher vor allem die Frage, ob und wie die Überlieferung der römischen Sagen in die Überlegungen einbezogen werden kann, die nicht nur in weitgehender Personalunion mit den Protagonisten der griechischen Mythen erscheint, sondern auch mit gräzisierendem Habitus auftritt – man denke an Vergils ‚homerisches‘ Epos der Aeneis und Ovids Metamorphosen. Lange Zeit ist die Forschung dem Paradigma gefolgt, dass die Römer keinen Mythos kennen.35 Bestätigt fand man das in einer berühmten Bemerkung des Dionysios von Halikarnassos über Romulus’ Einrichtung der Kulte bei der Gründung Roms: „Allein die über sie [sc. die Götter] verbreiteten Mythen, worin so manche Lästerungen oder Beschuldigungen gegen sie enthalten sind, achtete er für frevelhaft, unnütz und entehrend, und verwarf sie alle als nicht nur Göttern, sondern selbst guten Menschen unanständig“.36
Dagegen wurden in neuerer Zeit wieder Stimmen laut, die das Phänomen µῦθος auch in Rom lokalisieren. Vor allem FRITZ GRAF verweist in diesem Zusammenhang auf den „Gründungsmythos“37 der Stadt sowie die aitiologischen Erzählungen zu den Festen, Riten und Heroengräbern in Rom: „die Aitia waren auch für Roms Antiquare fabulae, fiktive Geschichten, Gründungsberichte und Genealogien lagen demgegenüber irgendwo im unscharfen Grenzbereich zwischen historia und fabula. Die Ereignisse ante conditam condendamve urbem hatte ja bereits Livius als weithin mythisch angesehen, und Plutarch stimmt ihm zu“.38
Unter Verweis auf das oben skizzierte Verständnis der Mythen als traditioneller Erzählungen von kollektiver Bedeutsamkeit nach GEOFFREY KIRK und WALTER BURKERT39 versucht GRAF somit, die römischen Gegebenheiten in den Rahmen zu fassen, der für den ‚echten‘, griechischen Mythos gesteckt ist. Das Problem kann und soll hier nicht gelöst werden. Festzuhalten gilt, dass die römische Überlieferung zum einen Erzählungen kennt, die immerhin in vielerlei Hinsicht mit den griechischen Mythen vergleichbar sind, und zum anderen die Geschichte der römischen Frühzeit spätestens seit augusteischer Zeit als durchsetzt und überformt von fabulae betrachtet wird – also mit demselben Terminus benannt wird, der im Lateinischen auch die griechischen Mythen bezeichnet. Vor diesem Hintergrund wird also zu überprüfen sein, ob Hieronymus in der Begrifflichkeit eine grundsätzliche Unterscheidung in griechische und römische fabulae macht, die in nennenswertem Maß über die jeweilige lokale Zuordnung hinausgeht. 35 WISSOWA 1912, 9. Zu Ovid GRAF 1994, 22–42. 36 D.H. 2,18,3: τοὺς δὲ παραδεδοµένους περὶ αὐτῶν µύθους, ἐν οἷς βλασφηµίαι τινὲς ἔνεισι κατ᾽ αὐτῶν ἢ κακηγορίαι, πονηροὺς καὶ ἀνωφελεῖς καὶ ἀσχήµονας ὑπολαβὼν εἶναι καὶ οὐχ ὅτι θεῶν ἀλλ´ οὐδ´ ἀνθρώπων ἀγαθῶν ἀξίους, ἅπαντας ἐξέβαλε; Übers. nach SCHALLER 1827, 176. Hierzu GRAF 1993B, 31 f. 37 GRAF 1993B, 25. Einführung und Forschungsüberblick ebd., 25–43. Vgl. BREMMER 1987, 1– 11; BEARD 1993, 44–64; BLOCH 2011, 51–54. 38 Ebd. 26. Vgl. Liv. praef. 6; Plu. Rom. 1 f., bes. 2,3. 39 KIRK 1970, 1–41; BURKERT 1979A, 23.
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2. Zum Mythos-Begriff
2.2 DIE CHRISTEN UND DER MYTHOS Für die Fragestellung dieser Arbeit ist natürlich die Stellung der antiken Christen zum Mythos von besonderem Interesse, da nur so der Befund im Werk des Hieronymus richtig gewürdigt und historisch verortet werden kann.40 Zu diesem Zweck wird im Folgenden der Versuch unternommen, einen groben Überblick über den christlichen Umgang mit den Mythen bis ins 6. Jh. zu gewinnen. Da erschöpfende Untersuchungen zu dem Bereich bisher ebenso fehlen wie ausführliche Überblicksdarstellungen, wird hiermit kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die lokalen und persönlichen Besonderheiten der Autoren sowie die durch die Zeit variierenden Umstände und Intentionen, die die Entstehung der jeweiligen Schriften bedingt haben, machen es unmöglich, eine lineare Entwicklung nachzuzeichnen.41 Daher empfiehlt es sich, Kategorien für die möglichen Varianten verschiedener Haltungen gegenüber den Mythen zu bilden. Zum einen ermöglicht das, doch grobe, sich überlagernde Entwicklungslinien aufzuzeigen. Zum anderen ist somit eine Art Koordinatensystem gegeben, in das sich Hieronymus zum Schluss gegebenenfalls einschreiben lässt. Ausgehend von unterschiedlichen Graden der Akzeptanz paganer Mythen von christlicher Seite lassen sich grob drei Stufen festmachen: 1. Ablehnung, 2. Annäherung und 3. Versöhnung.42 2.2.1 Ablehnung Die Ablehnung der paganen Götter und ihrer Kulte durch die Christen war nicht allein das Ergebnis eines historischen Prozesses der Auseinandersetzung mit den Heiden, sondern war von vorne herein in der Bibel vorgegeben. Weite Teile der hebräischen Bibel dienen der Formulierung des Universalitätsanspruchs JHWHs, etwa in der Abrechnung mit dem Polytheismus bei Jesaja.43 Zur Parole für die Christen wurde Ps 96,5: „Denn alle Götter der Völker sind Nichtigkeiten, aber Jehova hat die Himmel gemacht.“44 Daran schloss im Neuen Testament Paulus mit einer vielzitierten Formel an, die noch deutlicher einen normativen Duktus trägt: 40 RÜPKE/RÜPKE 2010, 38: „Eine Antwort auf diese Frage ist schwierig.“ 41 LEPPIN 2015, 8 f. 42 GRAF 2000, 646 f., unterscheidet in Kapitel VII. „Die Alte Kirche“ einerseits zwischen der „Ablehnung der Mythen“ und andererseits der „Versöhnung mit den Mythen“, die in GRAF 2011, 319–337, mit einer Kategorisierung nach literarischen Genera verzahnt wird. SIMONS 2005, 15, nimmt eine Dreiteilung vor: „polemische Ablehnung“, „Verwendung euhemeristischer rationalisierender Ansätze“ und „Allegorese mythischer Stoffe“; SCHMITZ 2013, 500, macht den Vorschlag, „von strikter Ablehnung der griech.-röm. Bildungsgüter durch die Christen über problematisierende Übernahme bis zu konstruktiver Adaptierung u. Transformierung ins Christliche“ zu skalieren. Da sich diese Kategorisierung nicht im Aufbau des Artikels wiederfindet, hat sich dem Vf. nicht erschlossen, ob es sich dabei um eine Drei- oder eine Vierteilung handelt. Klar dagegen LEPPIN 2015, 15 f., der „Polemik und Abgrenzung“, „Neutralisierung“ sowie „Aneignung“ unterscheidet. Vgl. HORSTMANN 1984, 283; FUHRMANN 1990, 151. 43 Bspw. Jes 43,10–11; 45,14. 44 SCHMITZ 2013, 494 f.
2.2 Die Christen und der Mythos
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„Was sage ich nun? Dass das einem Götzen Geopferte etwas sei? Oder dass ein Götzenbild etwas sei? [Nein], sondern dass das, was sie opfern, sie den Dämonen opfern und nicht Gott. Ich will aber nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen.“45
Obwohl mit der christlichen Kritik vorrangig die kultische Verehrung der paganen Götter anvisiert war, wurde die Ablehnung auf die göttlichen Protagonisten der mythischen Erzählungen übertragen. Der Diskurs wurde damit vom Ritual weg verlagert, indem man voraussetzte, dass den Mythen dieselbe Bedeutsamkeit für die heidnischen Kulte zukam wie der Bibel für die christliche Religion.46 Augustinus machte sich zu Beginn des 5. Jh. die Mühe, diesen Sachverhalt theoretisch zu untermauern. In seiner Auseinandersetzung mit dem varronischen Modell der so genannten theologia tripertita, wonach zwischen einer mythischen, einer philosophischen und einer staatlichen – also kultischen – Götterlehre zu unterscheiden sei, kommt er zu dem Schluss, dass „eine Beziehung zwischen der staatlichen Theologie und jener mythischen Theater- und Bühnentheologie besteht“.47 Ohne Zweifel waren die Protagonisten der Erzählungen ja identisch mit den in den Tempeln verehrten Idolen. Der Gegensatz zu den alten Kulten war also im christlichen Glauben vorgegeben und schloss die Mythen ein: „Die Beschäftigung und intellektuelle Auseinandersetzung mit diesem griechischen Erzählgut markiert einen Schnittpunkt zwischen Polytheismus und Monotheismus“.48
2.2.1.1 Vergleich mit der (biblischen) Wahrheit Grundsätzlich setzt jede Ablehnung einer Sache ihre Abgrenzung und somit ihre vergleichende Betrachtung voraus. Nichtsdestotrotz steht ganz am Anfang der christlichen Auseinandersetzung mit den Mythen ein recht wertfreier Gebrauch. Die frühen Apologeten nutzten mitunter Analogien in den Erzählungen, um ihrem klassisch gebildeten Publikum die Erzählungen der Bibel verständlich zu machen. So weist Iustinus in seiner zweiten Apologie am Ende des 2. Jh. auf eine Ähnlichkeit zur biblischen Erzählung über Noahs Rolle bei der Sintflut hin: „so nennen wir jenen, während er bei euch Deukalion heißt, von dem dann wieder so viele Menschen entstammt sind, teils schlechte, teils gute.“49
45 1 Kor 10,19 f.: Τί οὖν φηµι; ὅτι εἰδωλόθυτόν τί ἐστιν ἢ ὅτι εἴδωλόν τί ἐστιν; (20) ἀλλ’ ὅτι ἃ θύουσιν, δαιµονίοις καὶ οὐ θεῷ [θύουσιν]· οὐ θέλω δὲ ὑµᾶς κοινωνοὺς τῶν δαιµονίων γίνεσθαι. 46 GRAF 2011, 320. 47 Aug. civ. 6,7 (CSEL 40,1, 283): Revocatur igitur ad theologian civilem theologia fabulosa theatrica scaenica; Vgl. Eus. p.e. 4,1,2; hierzu LIEBERG 1982, 25–53; LÖHR 2015, 115–119. 48 HAEHLING 2005, 339. 49 Just. 2 apol. 7,2 (PG 6, 456A): σὺν τοῖς ἰδίοις παρ’ ἡµῖν καλούµενον Νῶε, παρ’ ὑµῖν δὲ ∆ευκαλίωνα, ἐξ οὗ πάλιν οἱ τοσοῦτοι γεγόνασιν, ὧν οἱ µὲν φαῦλοι, οἱ δὲ σπουδαῖοι. Übers. BKV 12, 145. Vgl. FUHRMANN 1990, 140; GRAF 2011, 320–323 m. Verw. auf Just. 1 apol. 21; Tat. orat. 21. Biblische Sintflut: Gen 6,5–9,29. Deukalion: Hes. gyn. Fr. 82 (= Str. 7,7,2); Apollod. 1,7,1 f.; D.S. 5,81,3; Verg. georg. 1,60 ff.; 6,41 ff.; Ov. met. 1,260–415; vgl. unten 6.6.1.1.
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2. Zum Mythos-Begriff
Solche narrativen Parallelen, wie sie die beiden Sintfluterzählungen aufweisen, forderten jedoch auch zur Abgrenzung heraus. Clemens von Alexandreia stellt im Exordium zu seinem 195 entstandenen Protreptikos gleich mehrere Wundergeschichten von mythischen Musikern zusammen: Amphion, Arion und allen voran Orpheus präsentiert er ausführlich als Beispiele für „Männer, nicht würdig dieses Namens, in Wahrheit Betrüger, die unter dem Deckmantel der Musik Unheil über das Menschenleben brachten“.50 Ihnen stellt Clemens König David gegenüber: „Ja, der König David, der Harfenspieler […] ermahnte zur Wahrheit, mahnte ab vom Götzendienst und war weit davon entfernt, die Dämonen zu besingen“.51 Deutlich zeigt sich hier die Antithese von µῦθος als unwahrer Erzählung und λόγος als biblischer Wahrheit. So hebt auch Tertullianus im 21. Kapitel seiner um 200 verfassten Apologie die größere Verlässlichkeit der Geschichte Jesu von Nazareth gegenüber vergleichbaren paganen Erzählungen hervor, wie etwa der Apotheose des Romulus: „Nachdem diese [sc. die Apostel] hierauf für das Amt, auf dem ganzen Erdkreis zu predigen, bestimmt waren, wurde er [sc. Jesus], von einer Wolke umgeben, in den Himmel aufgenommen, was viel zuverlässiger ist, als was bei euch Leute wie Proculus von Leuten wie Romulus zu bekräftigen pflegen.“52
Neben Fragen des Wahrheitsgehalts der Mythen spielten bei solchen Vergleichen auch ethische Fragen eine wichtige Rolle. Der Christenkritiker Kelsos hatte auf Ähnlichkeiten der Josefsgeschichte zu den Mythen über Bellerophon hingewiesen, was Origenes in seiner 248 veröffentlichten Zurückweisung zu einer moralischen Bewertung Josefs veranlasste: „Man kann doch wohl sehen, wieviel besser sich Joseph im Vergleich mit den über Bellerophon erzählten Taten verhalten hat; er wollte lieber ins Gefängnis geworfen werden als seine Keuschheit zu verlieren.“53
Solche expliziten Vergleiche zwischen mythischen und biblischen Erzählungen lassen sich durch die gesamte christliche Literatur bis hin zu Dracontius im frühen 6.
50 Clem. prot. 1,3,1 (GCS Clem 1, 4): ἄνδρες τινὲς οὐκ ἄνδρες, ἀπατηλοὶ γεγονέναι, προσχήµατι 〈τε〉 µουσικῆς λυµηνάµενοι τὸν βίον; Übers. BKV² 7, 73. 51 Clem. prot. 1,5,4 (GCS Clem 1, 6): ναὶ µὴν ὁ ∆αβὶδ ὁ βασιλεύς, ὁ κιθαριστής, οὗ µικρῷ πρόσθεν ἐµνήσθηµεν, προὔτρεπεν ὡς τὴν ἀλήθειαν, ἀπέτρεπε δὲ εἰδώλων, πολλοῦ γε ἔδει ὑµνεῖν αὐτὸν τοὺς δαίµονας ἀληθεῖ πρὸς αὐτοῦ διωκοµένους µουσικῇ. Übers. BKV² 7, 76. Zu Amphion Hom. Od. 11,262 f.; zu Arion Hdt. 1,23 f. Vgl. WLOSOK 2008, 395–403; SCHMITZ 2013, 506 f.; HOSE 2014, 46 f.; JOURDAN 2015, 193. 52 Tert. apol. 21,23 (CUFr WALTZING 52): Dehinc ordinatis eis ad officium praedicandi per orbem, circumfusa nube in caelum est receptus multo verius quam apud vos adseverare de Romulo Proculi solent. Übers. BKV 24, 103. Zur Apotheose des Romulus vgl. Ov. fast. 2,492– 512. Zu Proculus HELM 1957, 74. 53 Or. Cels. 4,46: πολλῷ γὰρ κρείττονα τῶν κατὰ τὸν Βελλεροφόντην ἱστορουµένων ἴδοιµεν ἂν τὸν Ἰωσήφ, ἑλόµενον κατακλεισθῆναι ἐν φυλακῇ ἤπερ ἀπολέσθαι τὸν σώφρονα· Text & Übers. FC, 50/3, 760 f. Josefsgeschichte: Gen 37–50.
2.2 Die Christen und der Mythos
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Jh. nachweisen, ohne dass sie das Bild beherrschen.54 Implizit ist der Vergleich mit der eigenen Lehre jedoch bei jeglicher Auseinandersetzung der Christen mit den paganen Mythen vorausgesetzt.
2.2.1.2 Unwürdiges Verhalten der Götter In der dezidierten Zurückweisung der paganen Mythen lassen sich zwei Hauptargumentationsstrategien ausmachen, die sich bereits bei Aristeides von Athen in der ältesten vollständig erhaltenen Apologie greifen lassen. An Hadrian adressiert schreibt er über die Mythen: „Gottloses, lächerliches und albernes Gerede, o Kaiser, haben also die Griechen über ihre Götter und über sich selbst aufgebracht, wenn sie solche Götter nannten, die keine sind. Und daher nahmen die Menschen jeweils Anlaß, Ehebruch und Unzucht zu treiben, zu rauben und alles Böse, Häßliche und Scheußliche zu verüben.“55
Zum einen stellt Aristeides die Mythen als menschliche Erfindungen heraus – was im nächsten Abschnitt zu berücksichtigen sein wird.56 Viel stärker tritt demgegenüber die Schändlichkeit und Absurdität ihres Verhaltens in den Vordergrund. Zunächst werden die Mythen daher als gottlos und lächerlich abqualifiziert. Nachdem Aristeides den Göttern abgesprochen hat, ebensolche zu sein, macht er die Mythen dafür verantwortlich, Menschen zu allerlei Schandtaten verleitet zu haben. Hier zeigt sich deutlich, dass er die Funktion der Bibel als normativer Instanz für die Christen unmittelbar auf die Mythen überträgt. Was hier als spezifisch christliche Kritik an den Mythen erscheint, fußt auf einer langen Tradition paganer Einwände, die sich bis zurück zu Xenophanes ins 6. Jh. verfolgen lässt.57 An konkret benennbaren Beispielen für das Fehlverhalten der Götter fehlt es nicht, so dass bereits Athenagoras von Athen im dritten Viertel des 2. Jh. ihre Missetaten aus Homer und den Tragödien kompilieren konnte.58 Der Star solcher Aufzählungen war Zeus, dem man immer wieder seine erotischen Abenteuer vorwarf. Der unmoralische Charakter dieser Episoden wurde zudem durch die bizarren Verwandlungen des Gottes verstärkt, wenn er beispielsweise Verkehr in Gestalt eines Tieres hatte. Tertullianus’ komprimierte Aufzählung ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Christen für ihre Angriffe aus den Vollen schöpfen konnten:
54 Drac. laud. dei 3,533–535; hierzu SCHMITZ 2013, 494. Weitere Beispiele: Tert. apol. 47,11 f.; Or. Cels. 3,23; 4,38; 7,54; Eus. p.e. 10,9; Lact. inst. 7,24; Ambr. in Luc. 6,88; Aug. epist. 166,2,3; cur. mort. 2,3; civ. 18,15; Max. Taur. serm. 37,1. 55 Arist. apol. 8,5 f. (GEFFCKEN 1907, 11 f.): ὅθεν γελοῖα καὶ µωρὰ καὶ ἀσεβῆ παρειςήγαγον οἱ Ἕλλενης, βασιλεῦ, ῥήµατα, τοὺς 〈τοιούτους〉 µὴ ὄντας προσαγορεύοντες θεοὺς κατὰ τὰς ἐπιθυµίας αὐτῶν τὰς τονηράς, ἴνα τούτους συνηγόρους ἔχοντες τῆς κακίας µοιχεύωσιν, ἁρπάζωσι φονεύωσι καὶ τὰ δεινὰ πάντα ποιῶσιν. Übers. BKV 12, 36. 56 Hierzu im Folgenden 2.2.1.3. 57 FUHRMANN 1990, 141; LIEBESCHUETZ 1995, 199; GRAF 2011, 323. Vgl. Pl. R. 1,377–380c. 58 Athenag. leg. 21.
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2. Zum Mythos-Begriff „Er [sc. Jesus] hat nicht Gott zum Vater bekommen infolge von Blutschande mit der Schwester oder Schändung der Tochter oder Gattin eines andern – etwa einen schuppigen, gehörnten, befiederten oder als Liebhaber der Danae in Gold verwandelten Vater. Das ist das Menschliche, das ihr dem Jupiter beilegt.“59
Es reicht dem Autor, Anspielungen auf die Gestalt des Zeus zu machen, in der er sich jeweils den Mädchen genähert hat: der Persephone als Schlange, der Europa als Stier und der Leda als Schwan. Offenbar konnte Tertullianus davon ausgehen, dass seiner Leserschaft die Geschichten so geläufig waren, dass es eher überrascht, dass Danae überhaupt namentlich genannt wird.60 Das Christentum, dessen Attraktivität auch in seinem moralischem Rigorismus begründet war, konnte hier leicht mit dem Finger auf ein Verhalten der alten Götter zeigen, das beim Wort genommen selbst nach paganen Maßstäben anstößig war: Ehebruch, Sodomie, Inzest.61 Solche Aufzählungen der prominenten Lustobjekte des Göttervaters nahmen schnell topischen Charakter an und lassen sich in beinahe deckungsgleicher Zusammenstellung noch an der Wende zum 5. Jh. bei Prudentius finden. Hier polemisiert der Dichter gegen den Mythos von Ganymedes, den Zeus in Gestalt eines Adlers erobert hat.62 Die homoerotischen Abenteuer der Götter und Halbgötter lieferten den Christen zusätzliche Munition, um gegen die von Paulus verdammte Päderastie und Homosexualität zu schreiben, wie es bereits Clemens von Alexandreia demonstriert, indem er schimpft, „nicht einmal Knaben verschonten euere Götter“, und eine Reihe berühmter Lustknaben der Götter aufzählt.63 Offenbar waren auch diese Erzählungen so geläufig, dass er Hylas nicht expressis verbis mit Herakles in Verbindung bringen musste und Hyakinthos nicht mit Apollon, geschweige denn Ganymedes mit Zeus.64 Mitte des 4. Jh. zeigt Firmicus Maternus, wie solche Beispielreihen zu ganzen Katalogen göttlicher Schandtaten zusammengeführt wurden, die sich versatzstückartig einsetzen ließen: „Es hat jemand am Ehebruch Freude: er schaut auf Jupiter und gewinnt bei ihm eine Förderung seiner Leidenschaft; er billigt, ahmt nach und lobt, daß sein Gott als Schwan getauscht, als Stier geraubt, als Satyr gefoppt und, um an Freigebigkeit bei den Schandtaten zu gewöhnen, die eingeschlossene königliche Jungfrau durch reichlichen Goldfluß verführt hat. Jemand hat Freude an Knabenschändung: er möge den Ganymed im Schoße Jupiters suchen, er möge auf Hercules sehen, wie er in ungestümer Liebe den Hylas sucht, er möge bei Apollon lernen, der
59 Tert. apol. 21,8 (CUFr WALTZING 49): Non de sororis incesto nec de stupro filiae aut coniugis alienae deum patrem passus est squamatum aut cornutum aut plumatum, amatorem in auro conversum Danaes. Iovis ista sunt numina vestra. Übers. BKV 24, 97. Vgl. Apollod. 3,10,5–7. 60 Zu Danae unten 6.3.1.2. 61 LIEBESCHUETZ 1995, 203 f. 62 Hom. Il. 20,231–235; h.Ven. 5,202–217; Apollod. 2,5,9; 3,12,2; Ov. met. 10,155–161. 63 Clem. prot. 2,33,5 (GCS Clem 1, 24): οὐδὲ γὰρ οὐδὲ παίδων ἀπέσχοντο οἱ παρ' ὑµῖν θεοί, ὃ µέν τις Ὕλα, ὃ δὲ Ὑακίνθου, ὃ δὲ Πέλοπος, ὃ δὲ Χρυσίππου, ὃ δὲ Γανυµήδους ἐρῶντες. Übers. BKV² 7, 103. Vgl. Röm 1,26 f.; 1 Kor 6,9; vgl. auch HOHEISEL 1994, 337–339; RONNENBERG 2015C. 64 Hylas: Apollod. 1,9,19; A.R. 1,1153–1283; Hyakinthos: Apollod. 1,3,3; Ov. met. 10,162–219.
2.2 Die Christen und der Mythos
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von Sehnsucht nach Hyakinthus überwältigt ward, ein anderer schaue auf Chrysippus, ein anderer auf Pelops, damit er sagen könne, es sei ihm durch seine Götter erlaubt, was heutzutage aufs strengste durch die römischen Gesetze bestraft wird.“65
Häufig verweisen die christlichen Autoren auf den schädlichen Einfluss, den die mythischen Erzählungen auf die Menschen ausüben können. Maternus spitzt diesen Kontrast zwischen moralisch richtigem Verhalten und dem schändlichen Vorbild der Götter zu, indem er darauf verweist, dass selbst das geltende Recht solche Taten verbiete. Hier stellt sich die Frage, inwieweit eher die angesprochenen Gesetze den gesellschaftlichen Konsens der Römer – Heiden wie Christen – abbilden als die Mythen.66 Ein Stück weit entlarvt er damit die eigene Argumentation als Polemik. Die Unterstellung, dass die alten Erzählungen mit ihren phantastischen Inhalten als ethische Vorbilder dienen sollten, müsste den Zeitgenossen ähnlich abwegig erschienen sein wie dem modernen Interpreten. Interessant wird die Polemik nicht zuletzt durch den impliziten Rückschluss: Das Christentum stellt sich ostentativ als eine Kultgemeinschaft dar, deren Texte den eigenen ethischen Ansprüchen gerecht werden und damit normative Funktionen erfüllen können. Wenige Absätze später demonstriert Maternus, wie die Christen den Protagonisten der mythischen Erzählungen über deren sexuelle Ausschweifungen hinaus allgemein Verhaltensweisen vorwarfen, die göttlicher Wesen unwürdig waren: „Der keusche und nüchterne Diomedes verwundet die Venus, besiegt und durchbohrt den Mars. Auf Anordnung des Otus und Ephialtes ward der kriegsgewaltige Mars zu einer zeitweiligen Verbannung verurteilt und mußte einen eisernen Kettenhund sich gefallen lassen. Seinen in Troja verstorbenen Sohn Sarpedon beklagt Jupiter, und Neptun erhielt von dem hochmütigen König den Lohn für erstellte Mauern nicht. Apollon weidet die Herden eines andern Königs und ein anderer meldet dem allsehenden Sonnengott den Tod seiner hingemordeten Rinder. Sparta bestattet das Kastorpaar, Hercules geht am Öta in Flammen auf und Äskulap wird anderswo vom Blitze getroffen. Vulcan bricht, von seinem Vater heruntergestürzt, den Fuß, Liber stirbt auf der Flucht vor Lykurg. Venus wird beim Ehebruch ertappt und überwiesen, und nach der Vermählung mit dem Gotte trachtet sie nach dem Schlafgemach des Menschen Anchises. Saturn verzehrt aus Angst für seine Herrschaft seine Söhne und versteckt sich auf der Flucht vor seinem Sohn in Italien als Flüchtling. Wegen der Liebe zu Katamitus wird Juno verschmäht, zu Endymion steigt Luna herab und gegen den Willen von Gemahlin und Tochter schläft Jupiter, da er ungern den Trojanern Hilfe brachte.“67
65 Firm. err. 12,2 (CSEL 2, 92): probat, imitatur et laudat, quod deus suus in cygno fallit, in tauro rapit, ludit in satyro et, ut liberalis in flagitiis esse consuescat, quod inclusam regiam virginem auro largiter fluente corruperit. puerorum aliquis delectatur amplexibus: Ganymedem in sinu Iovis quaerat, Herculim videat Hylam inpatienti amore quaerentem, Hyacinthi desiderio captum Apollinem discat, Chrysippum alius, alius Pelopem videat, ut per deos suos sibi licere dicat quicquit hodie severissime Romanis legibus vindicatur. Übers. BKV 14, 242. Zeus als Satyr: Ov. met. 6,110 f.; Nonn. D. 31,216–218. Chrysippos: Hyg. fab. 85. Pelops: Pi. O. 1,24 ff. 66 LIEBESCHUETZ 1995, 203 f. 67 Firm. err. 12,8 (CSEL 2, 94): Diomedis pudicus ac sobrius Venerem vulnerat, Martem vincit et percutit: Oti et Efialtae edicto Mars belli potens temporali exilio damnatus ferrea catenarum vincla sustinuit: Sarpedonem filium mortuum in Troia Iuppiter plangit et mercedem fabricatorum murorum Neptunus a superbo rege non recipit: alterius regis Apollo greges pascit et Soli omnia videnti alius occisarum boum nuntiat mortes: Castores sepelit Sparta, ardet aput Oetam
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2. Zum Mythos-Begriff
Vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens an die Allmacht Gottes, konnte es befremdlich erscheinen, dass die Götter der Heiden sich mitunter der Macht anderer unterwarfen, zumal wenn es sich um Sterbliche handelte, und sie sich zu Tätigkeiten herabließen, die ihrer dignitas zuwiderliefen. Dass Gott sich verletzen, verbannen oder um Lohn prellen ließe, erschien nach christlichen Maßstäben unvorstellbar. Götter, die sich beinahe auf Augenhöhe zu Menschen herabdrücken ließen, konnten sich also in Hinblick auf ihre Macht nicht mit dem Christengott messen.68 Der Anthropomorphismus der alten Götter, den die Christen an den Kultbildern monierten, fand in ihren Augen seine Entsprechung in den Mythen. Diesen Umstand nutzten sie für ihre Polemik aus, indem sie ethische Maßstäbe, mit denen die Heiden weitestgehend einverstanden gewesen sein dürften, auf die Protagonisten der Erzählungen übertrugen. Dabei wurde den Mythen – nach dem Vorbild der Bibel – normativer Charakter für die Anhänger der alten Kulte unterstellt.69 Indem sie den Abstand zwischen dem Verhalten der Götter in den Mythen und den moralischen Anspruch ihrer Verehrer herausstellten, wiesen sie die Überlegenheit der christlichen Religion nach. Diese Art von Polemik gegen die Mythen setzt mit den frühen Apologeten ein und lässt sich bis ins augustinische Schaffen hinein häufig belegen.70 Die Tatsache, dass jedoch immer wieder dieselben Kataloge von Mythen perpetuiert wurden, zeigt, dass hier schnell kein ernst zu nehmender Diskurs mehr vorlag, sondern bewährte Topoi wiederholt wurden. Der Vorwurf, dass sich die Götter in den Mythen schändlich bzw. unwürdig verhalten, ist der locus classicus schlechthin, so dass bereits JOHANNES GEFFCKEN bemerkte: „der breiteste Gemeinplatz wird unaufhörlich betreten“.71 Erst im 5. Jh. scheint das Wiederholen nachzulassen – vielleicht weil die Position als gegeben vorausgesetzt wird –, wobei sich die Linie noch bis ins 8. Jh. zu Johannes von Damaskus fortsetzen lässt.72
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Hercules et Aesculapius alibi fulminatur: Vulcanus a patre praecipitatus pedem frangit, Lycurgum fugiens Liber moritur: Venus in adulterio deprehensa detegitur et post dei nuptias Anchisae hominis cubile sectatur: Saturnus pro regno timens devorat filios et filium fugiens in Italia fugitiuus absconditur: ob amorem Catamiti Iuno spernitur et ad Endymionem Luna descendit et contra voluntatem uxoris et filiae Troianis auxilium ferens deceptus Iuppiter dormit. Übers. BKV 14, 244. Min. Fel. 23,5. Dagegen Joh 13,1–16. Diese Sichtweise bereits bei Pl. Lg. 636b–d zu Zeus und Ganymedes. Just. 1 apol. 5,2. GEFFCKEN 1907, 62. Vgl. GRAF 2011, 323. Joh. Damasc. v. Barl. Joas. 245 (PG 96, 1113). Zu Schenute von Atripe LIEBESCHUETZ 1995, 204. Weitere Beispiele für christliche Kritik am unwürdigen Verhalten der Götter in den Mythen: Arist. apol. 9,6; 10,3; Just. 1 apol. 22; Tat. orat. 10; Athenag. leg. 29; Clem. prot. 2,36,1 f.; Tert. nat. 2,14; apol. 14,4; Or. Cels. 4,48; Comm. instr. 1,11; Lact. epit. 8,2; 10; Eus. l.C. 7,4; Ath. gent. 11; Ps.-Just. or. Gr. 2; Gr. Naz. c. Iul. 1,122; Chrys. hom. in Rom. 6,6; Prud. c. Symm. 1,59–83; perist. 10,239 f.; Aug. civ. 2,8; 4,1. 25; Cyr. Is. 18,1; Bas. Sel. or. 27,1; Thdt. affect. 1,112; 3,98; Paul. Petric. Mart. 3,213–215; Fulg. myth. 1 praef.; Evagr. h.e. 1,11.
2.2 Die Christen und der Mythos
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2.2.1.3 Erfindungen der Dichter Nicht ganz so prominent vertreten ist der Vorwurf, der oben bei Aristeides schon anklang: dass nämlich die Mythen nichts weiter als Erfindungen der Dichter seien. Dem Begriff µῦθος haftete ohnehin die Bedeutung an, dass er Unwahres enthalte. Dass die Geschichten über die Götter erlogen seien – zumal mit deren unmoralischem Verhalten –, war ebenfalls seit langem fester Bestandteil der antiken Mythenkritik. Schon Hesiod lässt die Musen zu Beginn seiner Theogonie sagen: „täuschend echte Lügen wissen wir viele zu sagen“.73 Und von Solon wird berichtet, dass er urteilte: „vieles lügen die Sänger“.74 Auf die pagane Mythenkritik nahmen die Christen explizit Bezug, so etwa Minucius Felix Mitte des 3. Jh.: „Platon hat deshalb ganz mit Recht den berühmten, gefeierten und gekrönten Homer aus seinem im Dialog aufgebauten Staatswesen verbannt. Er hat nämlich vor allem im Trojanischen Krieg eure Götter in das menschliche Tun und Treiben versetzt; freilich treibt er damit Scherze.“75
Der Umstand, dass die Götter tatsächlich ebensolche sind, zieht Minucius nicht in Zweifel – wie im Übrigen auch nicht die eingangs angeführten Bibelstellen –, sondern kritisiert, dass göttliches Walten in die Welt der Menschen projiziert worden sei. Darin bestehe die Lüge der Dichter. Um das zu belegen, schließt er hieran einen der oben exemplifizierten Kataloge unwürdigen Verhaltens von Göttern an. So erklärt sich dann auch, inwiefern Homer seine ludi mit den Göttern treibe.76 Die schlichte Behauptung, die Mythen seien Erfindungen der Dichter, konnte jedoch auch mit dem Bemühen um eine differenziertere Haltung hergeleitet werden, wie es etwa Lactantius 324 in seinen Institutiones divinae demonstriert: „Kurz gesagt wird sich dann jenes ereignen, was sich, wie die Dichter behaupten, schon unter der Herrschaft des Saturn in der Goldenen Zeit ereignet habe. Der Irrtum hat seinen Ursprung darin, dass die Propheten den größten Teil der zukünftigen Ereignisse so darstellen und ankündigen, als ob sie geschähen und zu ihrem Abschluss kämen. Und weil das Hörensagen deren Prophezeiungen allmählich verbreitet hatte, kamen die Dichter, da sie ja in das Heilsgeheimnis nicht eingeweiht waren und nicht wussten, im Hinblick worauf diese Prophezeiungen gesagt wurden, zu der Meinung, dass sich all jenes schon in alten Zeiten erfüllt habe, was doch unter der Herrschaft eines Menschen überhaupt nicht hätte vollendet werden können.“77
73 Hes. Th. 27: ἴδµεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύµοισιν ὁµοῖα. Übers. SCHIRNDING 2012, 9. Vgl. SCHMITZ 2013, 492. 74 Solon F 29 WEST: πολλά ψεύδονται ἀοιδοί. 75 Min. Fel. 23,2 f. (CSEL 2, 32 f.): et Plato ideo praeclare Homerum illum inclytum laudatum et coronatum de civitate, quam in sermone instituebat, eiecit. hic enim praecipuus bello Troico deos vestros, etsi ludos facit, tamen in hominum rebus et actibus miscuit. Übers. nach BKV 14, 53. Vgl. Pl. R. 3,389d2–3. 390a10–b2. 76 Min. Fel. 23,3–7. Vgl. FUHRMANN 1990, 147. 77 Lact. inst. 7,24,9 f.: denique tum fient ilia quae poetae aureis temporibus facta esse iam Saturno regnante dixerunt. quorum error hinc ortus est, quod prophetae futurorum pleraque sic proferunt et enuntiant quasi iam peracta. visiones enim divino spiritu offerebantur oculis eorum et videbant ilia in conspectu suo quasi fieri ac terminari. (10) quae vaticinia eorum cum
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2. Zum Mythos-Begriff
Lactantius bezieht sich hier einerseits auf das so genannte Goldene Zeitalter, das unter Kronos geherrscht haben soll, andererseits auf Jesajas Ankündigung des messianischen Reiches, in dem Wolf und Lamm friedlich nebeneinander liegen.78 Die Ähnlichkeit der schlaraffenlandartigen Szenarien legte den Vergleich zwischen Mythos und biblischer Überlieferung nahe. Die Erklärung des Christen bestand nun darin, dass die paganen Dichter die Bibel gelesen und dahingehend missverstanden haben, dass der Prophet von Vergangenem und nicht von Zukünftigem berichtet habe. Damit ist nicht nur die Unglaubwürdigkeit der mythischen Überlieferung herausgestellt, seine Argumentation erweist sich zudem als ein klassischer Altersbeweis, wie im folgenden Kapitel zu erläutern sein wird.79 Augustinus greift das Motiv in seinem Frühdialog De ordine aus dem Jahr 386 in einer Bemerkung über den Flug des Daidalos auf: „Wer würde dem, der das erdichtet hat, nicht vorwerfen, daß er ein Lügner ist, dem, der es glaubt, daß er ein Tor, dem, der danach fragt, daß er unverschämt ist?“80 Noch in seinem 426 fertiggestellten Gottesstaat bemerkt er über den Unhold Cacus aus den römischen Sagen: „Übrigens mag er wohl gar nicht existiert haben oder, was wahrscheinlicher ist, nicht so gewesen sein, wie ihn dichterische Erfindungsgabe beschreibt; denn würde nicht Cacus über die Maßen schwarz gemacht, so würde ja Herkules zu wenig gepriesen.“81
Über vier Jahrzehnte hinweg lässt sich hier bei Augustinus eine Kontinuität nachzeichnen in Hinblick auf die Position, dass die Mythen von den Dichtern erfunden worden seien. Zudem bietet er zu Beginn des 5. Jh. einen der seltenen Fälle, in denen die Existenz mythischer Wesen grundsätzlich angezweifelt werden. Auch wenn noch Dracontius ein knappes Jahrhundert später von fabula mendax spricht,82 sei betont, dass die christliche Position, der zufolge die Mythen erfunden seien, eher eine untergeordnete Rolle in der intellektuellen Auseinandersetzung mit der paganen Überlieferung spielt. Die hier vorgenommene Einteilung der Ablehnung von Mythen durch die Christen in drei Aspekte blendet den Umstand aus, dass die einzelnen Aspekte der Ablehnung jeweils in sich Unterschiede aufweisen, die auch über bloße Nuancierungen hinausgehen können. Ebenso sollte hervorgehoben werden, dass keiner der drei Aspekte singulär vorkommen muss: Die Mythen als Erfindungen der Dichter zu verfemen, schließt keinesfalls aus, den Protagonisten der Erzählungen gleichzeitig unwürdiges Verhalten vorzuwerfen.
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paulatim fama vulgasset, quoniam profani a sacramento ignorabant quatenus dicerentur, completa esse iam veteribus saeculis ilia omnia putaverunt, quae utique fieri complerique non poterant homine regnante. Text u. Übers. FREUND 2009, 182 f.; vgl. ebd. 558 f. Hes. Op. 106–201; Paus. 5,7,6; Nonn. D. 41,65 ff.; Jes 11,6–8; hierzu unten 6.3.1.5. Unten 2.3.1.4. Aug. ord. 2,12,37 (CSEL 63, 173): Quis enim […] mendacem illum, qui finxerit, stultum, qui crediderit, impudentem, qui interrogaverit, non videri; Übers. zit. n. SCHMITZ 2013, 492. Aug. civ. 19,12 (CSEL 40,2, 374): Verum iste non fuerit vel, quod magis credendum est, non talis fuerit, qualis poetica vanitate describitur; nisi enim nimis accusaretur Cacus, parum Hercules laudaretur. Übers. BKV 28, 226. Drac. laud. dei 3,527. Weitere Beispiele: Or. Cels. 1,25; Lact. inst. 1,11,17 f.; Ambr. exc. Sat. 2,127; Aug. conf. 1,13,20–22. 17,27; cur. mort. 10,12; civ. 8,18. Vgl. auch GOMPF 1973, 53 f.
2.2 Die Christen und der Mythos
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2.2.1.4 Exkurs: Der christliche Altersbeweis Die Ablehnung, die das Christentum in seinen Anfängen von Seiten der heidnischen Umwelt hervorrief, war nicht zuletzt durch sein vergleichsweise junges Alter bedingt.83 Illustriert wird dies etwa in der berühmten Stelle der Nero-Vita Suetons, in der die Christen als genus hominum superstitionis novae ac maleficae charakterisiert werden.84 So sahen sich die Apologeten gezwungen, ihre Religion als unmittelbare Fortsetzung des Judentums darzustellen und im Altersbeweis die Kontinuität vom Alten Testament her zu betonen.85 Aus jüdischen Schriften von Eupolemos bis hin zu Numenios von Apameia konnten sie dabei auf bestehende Modelle zurückgreifen, die bereits den zeitlichen Vorrang Mose insbesondere vor den griechischen Philosophen nachwiesen.86 Der Altersbeweis als Argumentationsmuster, das nicht auf religiöse Fragen beschränkt sein musste, war in der Antike weit verbreitet und lässt sich bis zurück zu Hekataios von Milet nachweisen.87 „Wie ihre heidnischen Zeitgenossen waren sie [sc. die Christen] der sicheren Überzeugung, daß, wo immer zwei Menschen gleiche oder ähnliche Gedanken von einiger Bedeutung geäußert haben, einer vom anderen abhängig sein müsse; einer müsse ja der πρῶτος εὑρετής des Gedankens sein, und natürlich kam dieser Ehrentitel nur dem älteren zu. Bei Christen, Juden und Heiden fand der Grundsatz breite Zustimmung, daß über Originalität die zeitliche Priorität entscheidet.“88
So hatte der Topos Bestand, dass insbesondere Platon die mosaische Lehre – die ja nach dem typologischen Verständnis der Christen bereits die Lehre Jesu enthielt – rezipiert und verfälscht wiedergegeben hatte.89 Im Grunde sei er nichts anderes als ein „attisch sprechender Mose“ gewesen.90 Ähnliches wurde auch für Homer und Hesiod, ja sogar die Schriftlichkeit selbst postuliert, so dass sich bei Justin erstmals der christliche Altersbeweis dezidiert auf die Mythen angewandt findet: „Dagegen bieten die, welche die von den Dichtern ersonnenen Mythen weitererzählen, der lernenden Jugend keinerlei Beweis dar; wir können auch nachweisen, daß sie zur Betörung und Verführung des Menschengeschlechtes auf Antrieb der bösen Geister ersonnen worden sind. Denn als diese von der durch die Propheten verkündeten Ankunft Christi und von der Bestra-
83 Vgl. KINZIG 1994, 372; GNILKA 2005, 197. 84 Suet. Nero 16,2. Auch bei dem von Hieronymus so hoch verehrten Cicero findet sich die ablehnende Haltung gegen religiöse Neuerungen; vgl. Cic. Manil. 60; rep. 5,1 (= Aug. civ. 2,21); hierzu PILHOFER 1990, 77–82. 138; GNILKA 2005, 197. 85 Zum Weissagungsbeweis PILHOFER 1990, 295; KINZIG 1994, 120 f. Vgl. GNILKA 2005, 197. 86 Eupolemos bei Clem. str. 1,23 und Eus. p.e. 9,26,1; Numenios F 28 DES PLACES; hierzu PILHOFER 1990, 66–71. 143–220; GEMEINHARDT 2007, 101 f. 87 PILHOFER 1990, 13. 26–141. 88 DÖRRIE 1990, 489 (zu Just. 1 apol. 44); vgl. GNILKA 2005, 194; HAEHLING 2006, 139 f. 89 GNILKA 2005, 195, unterscheidet drei Elemente des Altersbeweises: „den Erweis des höheren Alt er s des Alten Testaments, den Erweis der Ab h ä n gi g k eit griechischen Denkens und den der Ver f äl sc h u n g der Wahrheit.“ Zu letzterer bes. ebd. 205–219. 90 Numenios F 8 DES PLACES: τί γάρ ἐστι Πλάτων ἢ Μωσῆς ἀττικίζων. Die Stelle bezieht sich auf Platons Heno- bzw. Monotheismus; hierzu DÖRRIE 1990, 487 f.; GNILKA 2005, 201.
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2. Zum Mythos-Begriff fung der Gottlosen durch Feuer hörten, brachten sie die Sage auf von vielen dem Zeus geborenen Söhnen in der Meinung, sie könnten es fertig bringen, daß die Menschen die Geschichte von Christus für eine Wundermär und für ähnlich den Erzählungen der Dichter hielten.“91
Mögliche Beispiele für christliche Altersbeweise sind zahlreich und mit Origenes, Eusebios oder Tertullianus und Lactantius seien nur einige derjenigen Vertreter genannt, die Einfluss auf das Schaffen des Hieronymus hatten.92 So nimmt Tertullianus einen Altersbeweis in Bezug auf den Trojanischen Krieg vor: „Auch bei euch verleiht es ja eine religiöse Weihe, wenn man Glaubwürdigkeit auf Grund der Zeit in Anspruch nehmen kann. Ansehen verleiht den Schriftstücken ein sehr hohes Alter. Der älteste Prophet war Moses. [...] Dem trojanischen Kriege geht er tausend Jahre voraus, und deshalb auch dem Saturn selbst. [...] Darnach gab es vieles und auch andere Propheten, welche älter sind als eure Urkunden.“93
Es handelt sich dabei „um den klassischen Altersbeweis der Apologetik. [...] Entscheidend ist, dass sich Tertullian hier einfach den paganen Traditionalismus aneignet, ohne ihn theoretisch zu begründen. Die Frage, wieso denn das Alter die Wahrheit einer Lehre begründe, kann in diesem Kontext unbeantwortet bleiben, da dies von den paganen Gegnern ja gerade nicht bestritten wird.“94 Obwohl der Altersbeweis ab dem 3. Jh. zunehmend an Bedeutung verlor, wurde auch in der Folge nicht ganz auf seine Anwendung verzichtet.95 2.2.2 Annäherung Der Begriff ‚Annäherung‘ mag hier insofern irreführend sein, als damit kein Aussetzen christlicher Kritik an den Mythen bzw. ihrer Protagonisten gemeint ist. Im Folgenden werden Modelle vorzustellen sein, derer sich die Christen bedienten, um die Mythen in einer Weise zu erklären, die den Erzählungen ihre religiöse Brisanz und damit den Rang als Konkurrenztradition zur Bibel nehmen sollte. Es handelt sich also bei dieser Annäherung in gewisser Hinsicht um ein Sich-arrangieren mit den mythischen Erzählungen. 91 Just. 1 apol. 54,1 (PG 6, 408C): Οἱ δὲ παραδιδόντες τὰ µυθοποιηθέντα ὑπὸ τῶν ποιητῶν οὐδεµίαν ἀπόδειξιν φέρουσι τοῖς ἐκµανθάνουσι νέοις, καὶ ἐπὶ ἀπάτῃ καὶ ἀπαγωγῇ τοῦ ἀνθρωπείου γένους εἰρῆσθαι ἀποδείκνυµεν κατ’ ἐνέργειαν τῶν φαύλων δαιµόνων. ἀκούσαντες γὰρ διὰ τῶν προφητῶν κηρυσσόµενον παραγενησόµενον τὸν Χριστόν, καὶ κολασθησοµένους διὰ πυρὸς τοὺς ἀσεβεῖς τῶν ἀνθρώπων, προεβάλλοντο πολλοὺς λεχθῆναι λεγοµένους υἱοὺς τῷ ∆ιΐ, νοµίζοντες δυνήσεσθαι ἐνεργῆσαι τερατολογίαν ἡγήσασθαι τοὺς ἀνθρώπους τὰ περὶ τὸν Χριστὸν καὶ ὅµοια τοῖς ὑπὸ τῶν ποιητῶν λεχθεῖσι. Übers. BKV 12, 121 f. Vgl. PILHOFER 1990, 233 f.; DÖRRIE 1990, 490; GNILKA 2005, 217 ff. 92 Vgl. bspw. Or. Cels. 4,39 zu Platons Zeugungsmythos des Eros als missverstandenem Sündenfall; hierzu DÖRRIE 1990, 498–500. Vgl. auch Lact. inst. 4,5. 93 Tert. apol. 19,1,1–3 (CUFr WALTZING 42 f.): Apud vos quoque religionis est instar, fidem de temporibus adserere. Auctoritatem litteris praestat antiquitas summa. Primus enim prophetes, Moyses, [...]. Troiano denique proelio ad mille annos ante est: unde et ipso Saturno [...]. Deinceps multa et alii prophetae, vetustiores litteris vestris. Übers. nach BKV 24, 91 f. 94 KINZIG 1994, 243. Vgl. PILHOFER 1990, 274–280. 95 KINZIG 1994, 360 f.; GNILKA 2005, 200.
2.2 Die Christen und der Mythos
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2.2.2.1 Allegorische Deutung Bereits die pagane kritische Auseinandersetzung mit den Mythen hatte in Form der allegorischen Auslegung ein „intellectual toolkit“ entwickelt,96 das es ermöglichte, die unmoralischen und absurden Erzählungen zu rezipieren, ohne sie vollständig zurückweisen zu müssen. Gemäß diesem aitiologisch ausgerichteten Ansatz ist hinter dem Wortsinn der mythischen Überlieferung stets ein verborgener zweiter Sinn zu suchen, der entweder naturalistischer oder moralischer Art sein kann.97 So erklärt beispielsweise Cicero das Wesen Jupiters als einer Personifikation des Äthers und weiß auch über Juno, die römische Entsprechung der Hera, zu sagen: „Die Luft wiederum, die zwischen Meer und Himmel eingeschoben ist, wird, wie die Stoiker erklären, unter dem Namen Iuno verehrt; sie ist Schwester und Gattin Iuppiters, da sie dem Äther ähnlich ist und mit ihm auf das innigste verbunden. Sie haben die Luft als eine weibliche Person verstanden und Iuno genannt, weil es nichts weicheres gibt als die Luft.“98
Die Christen übernahmen solche stoisch beeinflussten Modelle mitunter und wandten sie auf die paganen Mythen an. Der Apologet Athenagoras formuliert diese allegorische Deutung zur Kritik an den heidnischen Göttern um: „Auch Zeus kann nicht Gott sein; ist er Luft, die ihr Dasein dem Kronos verdankt (der männliche Teil von ihr heißt Zeus, während der weibliche Hera genannt wird; deswegen gilt auch Hera als Schwester und Gattin des Zeus), so ändert er sich; ist er Zeitmaß, so ist er wandelbar. Das Göttliche aber ist über Veränderung und Wechsel erhaben.“99
Die Götter als Teile der Natur aufzufassen, hieß für die Christen, sie als Teil der Schöpfung zu verstehen, so dass sie selbst nicht die Schöpfenden sein konnten. Da auf diese Weise der Nachweis ihrer Nichtigkeit erbracht ist, konnten aber im Umkehrschluss die Mythen als Erzählungen über nicht-göttliche Naturgewalten gelesen werden und somit ihren eigenen Wert auch in einer christlich geprägten Kultur behalten. Dieselben Beispiele für die Übernahme allegorischer Mythendeutungen finden sich noch bis hin zu Fulgentius’ Mythologiae an der Wende zum 6. Jh.: Auch er deutet Juno als Luft, kennt darüber hinaus aber auch eine moralisierende Allegorese, nach der er beispielsweise Kerberos als den dreifachen Ursprung des Neids interpretiert: Der Zahl der Köpfe entsprechend unterscheidet der Autor zwischen angeborenem, sachlich bedingtem und zufälligem Neid.100 Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass die Übernahmen der allegorischen Deutung in den Schriften der Christen eher Ausnahmen darstellen, denen eine 96 GRAF 2011, 319. Vgl. MARKSCHIES 2005, 229 f. 97 FUHRMANN 1990, 142 f.; LIEBESCHUETZ 1995, 196 f. 98 Cic. nat. deor. 2,66: Aer autem, ut Stoici disputant, interiectus inter mare et caelum Iunonis nomine consecratur, quae est soror et coniux Iovis, quod 〈ei〉 et similitudo est aetheris et cum eo summa coniunctio. effeminarunt autem eum Iunonique tribuerunt, quod nihil est eo mollius. Übers. GIGON/STRAUME-ZIMMERMANN 1996, 147. 99 Athenag. leg. 22,7 (GEFFCKEN 1907, 140): περὶ δὲ τοῦ ∆ιός, εἰ µὲν ἀήρ ἐστι γεγονὼς ἐκ Κρόνου, οὗ τὸ µὲν ἄρσεν ὁ Ζεύς, τὸ δὲ θῆλυ Ἥρα (διὸ καὶ ἀδελφὴ καὶ γυνή), ἀλλοιοῦται, εἰ δὲ καιρός, τρέπεται· οὔτε δὲ µεταβάλλει οὔτε µεταπίπτει τὸ θεῖον. Übers. BKV 12, 304. 100 Fulg. myth. 1,3. 6.
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2. Zum Mythos-Begriff
deutlich stärkere Präsenz von Kritik an dieser Methode gegenübersteht.101 Lactantius nimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug auf die Stoiker, „deren Ansicht Cicero referiert hat, als er vom Wesen der Götter gesprochen hat“.102 Augustinus gliedert die Kritik in De civitate Dei in seine theologia tripertita ein: „Wenn übrigens derlei Kulte, die erwiesenermaßen abscheulicher sind als die Schändlichkeiten der Bühne, damit entschuldigt und rein gewaschen werden könnten, daß ihnen Auslegungen zur Seite gehen, wodurch Beziehungen zur Natur der Dinge dargetan werden, warum sollten dann nicht auch die Erzählungen der Dichter in ähnlicher Weise entschuldigt und gerechtfertigt werden können? Haben doch viele auch sie in dieser Art ausgelegt, und sogar für das Ungeheuerlichste und Unerhörteste, was da vorkommt, daß nämlich Saturnus seine Kinder aufgefressen habe, geben manche eine Auslegung dahin, daß die Länge der Zeit, die man als Saturnus bezeichnet, alles wieder aufzehrt, was sie selbst geschaffen hat“.103
Was oben als Chance identifiziert wurde, sich ein Stück weit den paganen Mythen anzunähern, wird hier als Problem benannt. Hinzu kommt, dass die naturalistischen Deutungen, nach denen etwa in Hera die Luft oder in Ge die Erde vergöttlicht worden sei, dem Gedanken widersprechen, dass die Welt eine göttliche Schöpfung ist: „Nach der wahren Theologie ist aber die Erde ein Werk Gottes, nicht seine Mutter.“104 Offenbar war die Annäherung in der allegorischen Deutung zu offensichtlich und weitreichend, so dass die Methode – auch wegen entsprechender gnostischer Modelle105 – als problematisch betrachtet wurde. Die einmal etablierten Beispiele der allegorischen Mythendeutung und ihre Kritik nahmen topischen Charakter an und finden sich noch bei Isidor in der ersten Hälfte des 7. Jh.106
2.2.2.2 Euhemeristische Dekonstruktion Die Beobachtung, dass die Existenz der paganen Götter generell von den Christen nicht angezweifelt wurde, führt zu der Frage, auf welche Weise sie sich das Wesen der Götter vorgestellt bzw. erklärt haben. Auch hier konnten sie auf profane Vorlagen zurückgreifen und zwar in Form der rationalistischen Mythenkritik, die von den
101 GRAF 2011, 324. 326 f. m. Verweis auf Arnob. nat. 3–5. Zu allegorischen bildlichen Darstellungen LIEBESCHUETZ 1995, 195–199. 102 Lact. inst. 1,12 (CSEL 19, 48): quorum sententiam Cicero de natura deorum disserens posuit. 103 Aug. civ. 6,8 (CSEL 40,1, 287 f.): Deinde si ista sacra, quae scaenicis turpitudinibus convincuntur esse foediora, hinc excusantur atque purgantur, quod habent interpretationes suas, quibus ostendantur rerum significare naturam: quur non etiam poetica similiter excusentur adque purgentur? Multi enim et ipsa ad eundem modum interpretati sunt, usque adeo ut, quod ab eis inmanissimum et infandissimum dicitur, Saturnum suos filios devorasse, ita nonnulli interpretentur, quod longinquitas temporis, quae Saturni nomine significatur, quidquid gignit ipsa consumat. Übers. BKV 1, 319. 104 Aug. civ. 6,8 (CSEL 40,1, 287): In vera autem theologia opus Dei est terra, non mater. Vgl. Aug. serm. 26,17–24. 34 f.; hierzu GRAF 2011, 325. 105 FUHRMANN 1990, 150. 106 Isid. orig. 8,11,29 ff. Weitere Beispiele: Tert. nat. 2,12; Lact. inst. 1,18,21; Firm. err. 2,6; 7,7 f.
2.2 Die Christen und der Mythos
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Christen Euhemeros von Messene (Anfang 3. Jh. v. Chr.) zugeschrieben wird, sich jedoch bereits bei dem Sophisten Prodikos von Keos im 5. Jh. findet.107 Die Grundidee der euhemeristischen Kritik durch die Christen war es, die Götter zu Menschen zu erklären, die durch eine Überhöhung in der paganen Überlieferung für Götter gehalten und dann als solche angebetet wurden. Damit stellt diese Deutung einen Sonderfall der Allegorese dar. Dadurch, dass man die Protagonisten auf die Ebene Sterblicher herabdrückte, konnten die Erzählungen selbst besser geduldet werden, weil sie nicht mehr im Bereich des Göttlichen verortet waren und nicht mehr so unmittelbar mit der Bibel konkurrierten. Die euhemeristische Deutung bot den Christen auf diese Weise einen Weg der Annäherung an die Mythen. Bereits bei den Apologeten des 2. Jh. findet sich das Argument vereinzelt, so etwa bei Theophilos von Antiocheia: „Und die Namen der Götter, die du verehrst, wie du sagst, sind Namen verstorbener Menschen. Und zwar welcher Menschen!“108 Sofort schlägt das euhemeristische zu einem moralischen Argument um, da der Apologet es mit einer langen Reihe schändlicher Verfehlungen der vermeintlichen Götter untermauert. Damit kann er zugleich ihre Menschlichkeit belegen, indem er auch auf ihre Verwundbarkeit abhebt: „Was soll ich reden vom entmannten Attis, oder von Adonis, der im Walde herumirrt und jagt und vom Eber verwundet wird; oder von Asklepius, der vom Blitze getroffen wird“.109 Das unwürdige Treiben der paganen Götter erfährt durch den Nachweis ihrer Sterblichkeit zusätzliches Gewicht im Repertoire der christlichen Argumente. Daneben bildete sich auch eine Spielart der euhemeristischen Sichtweise heraus, gemäß der die Götter nicht zu Menschen, sondern zu Dämonen erklärt wurden. So bemerkt Justin über die Heiden: „von Furcht berückt und verkennend, daß es böse Dämonen waren, nannten sie jene Götter und legten den einzelnen den Namen bei, den ein jeder der Dämonen sich selbst gab.“110 Auf diese Weise gestand man den heidnischen Göttern weiterhin eine Wesensebene zu, die über der rein menschlichen lag. So nimmt es nicht Wunder, dass die Degradierung zu Menschen die beherrschende Linie blieb. Vor allem Clemens von Alexandreia gibt dem euhemeristischen Argument wiederholt Raum in seinen Werken: „Die von euch Angebeteten waren einst Menschen, sind aber hernach gestorben; mit [göttlichen] Ehren aber hat sie die Sage und die Länge der vergangenen Zeit ausgestattet. Denn das Gegenwärtige pflegt wohl gering geachtet zu werden, weil man daran gewöhnt ist; das Vergangene aber, das durch die Dunkelheit der Zeit der augenblicklichen Prüfung entrückt ist, pflegt durch erdichtete Erzählungen geehrt zu werden; und während man gegen jenes Mißtrauen hegt,
107 THRAEDE 1966, 877–882; FUHRMANN 1990, 143; GRAF 2011, 324 f. 108 Thphl. Ant. Autol. 1,9 (PG 6, 1037B): Καὶ τὰ µὲν ὀνόµατα ὧν φῂς σέβεσθαι θεῶν, ὀνόµατά ἐστιν νεκρῶν ἀνθρώπων. Καὶ τούτων τίνων καὶ ποταπῶν; Übers. BKV 14, 19. 109 Thphl. Ant. Autol. 1,9 (PG 6, 1037C): τί δέ µοι λέγειν Ἄττιν ἀποκοπτόµενον, ἢ Ἄδωνιν ἐν ὕλῃ ῥεµβόµενον, καὶ κυνηγετοῦντα καὶ τιτρωσκόµενον ὑπὸ συός; ἢ Ἀσκληπιὸν κεραυνούµενον; Übers. BKV 14, 20. 110 Just. 1 apol. 5,2 (PG 6, 336B): ἀλλὰ δέει συνηρπασµένοι, καὶ µὴ ἐπιστάµενοι, δαίµονας εἶναι φαύλους, θεοὺς προσωνόµαζον, καὶ ὀνόµατι ἕκαστον προσηγόρευον, ὅπερ ἕκαστος αὐτῷ τῶν δαιµόνων ἐτίθετο. Übers. BKV 12, 69. Vgl. FUHRMANN 1990, 146 f.
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2. Zum Mythos-Begriff wird dieses bewundert. So werden die vor langem verstorbenen Toten, die durch die lange Zeit des Irrtums zu Ehren kommen, von den späteren Geschlechtern für Götter gehalten.“111
Der Transformationsvorgang der fraglichen Erzählungen, den Clemens hier nachzeichnet, entspricht dem gängigen Verständnis von Legendenbildung und zeigt damit den Unterschied zum eigentlichen Mythos deutlich auf. Die euhemeristische Kritik dekonstruiert somit Mythen zu Legenden – macht sie damit für die Christen jedoch verträglicher. Lactantius bietet in seiner 314–317 entstandenen Schrift De ira Dei ein ganz ähnliches Erklärungsmodell, nach dem es „die ersten und großen Könige“ gewesen seien, die „nach dem Tode göttlicher Ehren teilhaftig“ wurden. Um seine Position zu untermauern, bezieht er sich namentlich auf die einschlägigen Autoritäten der profanen Literatur wie Euhemeros sowie – mit höherer Wahrscheinlichkeit seine direkten Gewährsleute – Ennius und Cicero.112 Auch Arnobius nutzt das Argument noch hundert Jahre später, um eine apologetische Erklärung für die menschliche Existenz Jesu zu bieten, der er pagane Beispiele entgegenhält: „Habt ihr nämlich den Liber als Erfinder des Weinbaus, die Ceres als Erfinderin des Landbaus, den Äskulap als Entdecker der Kräuter, die Minerva als Anpflanzerin des Ölbaums, den Triptolemus als Anfertiger des Pfluges, den Herkules endlich als Überwinder und Bezähmer wilder Tiere, Räuber und vielköpfiger Drachen in den Census der Gottheiten aufgenommen“.113
Im Folgenden kontrastiert er dies mit den ungleich größeren Leistungen des Menschensohns und lässt sich so auf einen direkten Vergleich zwischen dem Christengott und den paganen Göttern ein. Die Tendenz ist dabei ausschließlich apologetisch, da er die heidnischen Götter dazu nutzt, das christliche Gottesbild zu stützen. Die von den Christen zu Menschen herabgewürdigten Götter werden nicht nur ihrer Unsterblichkeit beraubt, sondern dadurch auch in eine historische Zeit eingeschrieben, die sich in Bezug zur biblischen Geschichte setzen lässt. Vor diesem Hintergrund sind auch die nicht wenigen mythischen Erzählungen verstehen, die Eusebios von Kaisareia in seiner 326 abgeschlossenen Chronik bestimmten Jahren zuordnet. Für das Jahr 1358 v. Chr., also 114 Jahre nach dem Tod Mose,114 berichtet 111 Clem. prot. 4,55,2 f. (GCS Clem 1, 43): οἱ προσκυνούµενοι παρ’ ὑµῖν, ἄνθρωποι γενόµενοί ποτε, εἶτα µέντοι τεθνᾶσιν· τετίµηκεν δὲ αὐτοὺς ὁ µῦθος καὶ ὁ χρόνος. φιλεῖ γάρ πως τὰ µὲν παρόντα συνηθείᾳ καταφρονεῖσθαι, τὰ δὲ παρῳχηκότα τοῦ παραυτίκα ἐλέγχου κεχωρισµένα χρόνων ἀδηλίᾳ τετιµῆσθαι τῷ πλάσµατι, καὶ τὰ (3) µὲν ἀπιστεῖσθαι, τὰ δὲ καὶ θαυµάζεσθαι. αὐτίκα γοῦν οἱ παλαιοὶ νεκροὶ τῷ πολλῷ τῆς πλάνης χρόνῳ σεµνυνόµενοι τοῖς ἔπειτα νοµίζονται θεοί. Übers. BKV² 7, 131. Vgl. Th. 1,21. 112 Lact. ira 11,7 (CSEL 27, 96): nimirum ii omnes qui coluntur ut dii, homines fuerunt et idem primi ac maximi reges, sed eos aut ob virtutem qua profuerant hominum generi divinis honoribus adfectos esse post mortem; Übers. BKV 36, 95. Ennius hatte im 2. Jh. v. Chr. Euhemeros ins Lateinische übertragen. Für die Vermittlung des Modells an die griechischen christlichen Schriftsteller waren v. a. die Exzerpte bei Diodoros verantwortlich; GRAF 2011, 324 f. 113 Arnob. nat. 1,38 (CSEL 4, 25): si enim vos Liberum, quod usum reppererit vini, si quod panis, Cererem, si Aesculapium, quod herbarum, si Minervam, quod oleae, si Triptolemum, quod aratri, si denique Herculem, quod feras, quod fures, quod multiplicium capitum superavit conpescuitque natrices, divorum retulistis in censum. Übers. nach BERNARD 1842, 40. 114 Eus./Hier. chron. a. Abr. 545 (GCS Eus 7, 45a).
2.2 Die Christen und der Mythos
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er von der Entführung des Ganymedes, die zum Krieg zwischen seinem Vater Tros und Tantalos geführt habe. „Vergebens ist daher der Mythos von Zeus und der raubende Adler erfunden.“115 Das Beispiel belegt deutlich, wie sich die euhemeristische Dekonstruktion der Mythen mit dem oben vorgestellten Altersbeweis vertrug. Das christliche Geschichtsmodell lieferte zugleich Beweise für die menschliche Existenz der vorgeblichen Götter.116 Das Verfahren wurde auch detailliert auf einzelne Erzählungen angewandt, so etwa durch Epiphanios von Salamis in seinem 374 entstandenen Ancoratus, hier ebenfalls in Bezug auf Ganymedes: „Als Adler aber flog er wohl niemals auf, niemals zum Adler geworden, er, der Lehrmeister der Knabenschänder, sondern er fuhr mit einem Schiffe, das wegen seiner Schnelligkeit einen Adler zum Abzeichen hatte und nach diesem Zeichen benannt wurde, nach Troja, raubte dort den Sohn des trojanischen Königs Ganymed und vollbrachte dessen Schändung.“117
Deutlich tritt Zeus’ Menschsein in den Vordergrund und durch die rationalisierende Dekonstruktion wird die vermeintliche Entstehung des Mythos transparent gemacht. Wollte man die heidnischen Götter zu Menschen machen, war es unerlässlich, ihre Taten, die den Bereich des Übernatürlichen berührten, zu erklären. Jesus hatte Wunder gewirkt und, müsste man dem Menschen Zeus dasselbe zugestehen, blieben der Figur göttliche Eigenschaften erhalten. Als Kapitän eines Schiffes mit dem Abzeichen eines Adlers machte er sich lediglich einer Entführung schuldig. Noch bei Fulgentius, der um 500 ein ganzes Werk zur euhemeristischen Dekonstruktion der Mythen kompiliert, erscheint dieselbe Erklärung. Ihren Realismus versucht er, durch die Hinzufügung narrativer Details zu erhöhen: Weil Jupiter vor einem Krieg gegen die Titanen – die nichts anderes als die Söhne eines gewissen Titanus waren, eines Bruders des Saturnus – einen Adler als Vorzeichen des bevorstehenden Sieges gesehen habe, habe er anschließend einen goldenen Adler als Feldzeichen hergestellt, wie das dann ja auch die Römer übernommen hätten.118 Fulgentius versucht die Mythen in ein genealogisches und historiographisches System einzuschreiben, in dem alle Protagonisten Menschen sind, die in nachvollziehbaren Beziehungen zueinander stehen und rational fassbare Handlungen durchführen. Der Mythos wird hier noch stärker seiner genuinen Eigenschaften entkleidet und – was seine übernatürlichen Aspekte angeht – auf Geschichte reduziert. Die Mythologiae des Fulgentius machen – nebenbei bemerkt – dem modernen Betrachter auf diese Weise deutlich, wie essentiell das Irrationale für die Mythen ist.
115 Eus./Hier. chron. a. Abr. 659 (GCS Eus 7, 51b): Frustra igitur Iovis fabula, et raptrix aquila confingitur. Womöglich ist hierin auch eine Anspielung auf ältere Versionen des Mythos zu erblicken, die den Adler nicht kennen; vgl. Hom. Il. 20,231–235. Zu Ganymedes unten 6.5.3. 116 Vgl. auch Jo. Mal. chron. 1–4; hierzu HÖRLING 1980, 43–77; LIEBESCHUETZ 1995, 201. 117 Epiph. anc. 105,9 (GCS Epiph 1, 128): ἀετὸς δὲ 〈γενόµενος〉 µηδεπώποτε ἀναπετασθεὶς παιδοφθόρων διδάσκαλος προκαθέζεται· µηδέποτε ἀετὸς γενόµενος, ἀλλ’ ἐν πλοίῳ παρασήµῳ, ἀετῷ ὀνοµαζοµένῳ διὰ τὸ τάχος, Τροίαν παραπλεύσας καὶ τὸν υἱὸν τοῦ βασιλέως [Τρώων] Γανυµήδην ἁρπάσας τὴν φθορὰν ἀπειργάσατο. Übers. BKV 38, 163. 118 Fulg. myth. 1,19 f.
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2. Zum Mythos-Begriff
Aus der Position heraus, dass die paganen Götter nichts weiter als Menschen seien, ließ sich der Kreis zur Kritik an ihrem unwürdigen Dasein schließen, wie Augustinus in De civitate Dei demonstriert: „Wie kann man also die Macht, das ewige Leben zu verleihen, irgend einem dieser Götter zuschreiben, die nach dem Zeugnis ihrer Bildnisse und ihres Kultes den ausdrücklichst abgelehnten Fabelgöttern durchaus ähnlich sind an Gestalt, Alter, Geschlecht, Kleidung, ehelichen Verbindungen, Zeugungen, Manieren und in all dem sich verraten entweder als ehemalige Menschen, für die nach Maßgabe ihres Lebens oder ihres Todes jeweils Kult und Festfeier angeordnet wurde“?119
Er kritisiert hier nicht die moralische Schwäche der Akteure in den Mythen, sondern noch davor die Schwäche, die sich aus dem Dasein der Götter als Menschen ergibt, durch ihre conditio humana. Ihr Anthropomorphismus, den Augustinus in einem Nebensatz euhemeristisch herleitet, disqualifiziert sie als Götter.120 2.2.3 Versöhnung Aller Kritik am unmoralischen Verhalten der Götter zum Trotz kamen die Christen nicht umhin, auch Handlungsweisen und Haltungen der Protagonisten in den Mythen zu erkennen, die sie in ethischer Hinsicht für lobenswert befanden. Über eine vorsichtige Annäherung hinaus kam es mitunter zu einer „Versöhnung mit den Mythen“, wie GRAF in Bezug auf das Phänomen der interpretatio Christiana formuliert hat, oder mit FUHRMANN zu einem „Geltenlassen“, wie nun zu zeigen sein wird.121 Zu Beginn der zweiten Hälfte des 4. Jh. formulierte Bischof Basileios von Kaisareia in seiner Schrift Ad adolescentes die Anforderungen an den „rechten Gebrauch“ (χρῆσις) der heidnischen Bildung: „Fürs erste dürft ihr nicht allem, was die Dichter sagen, […] und allen der Reihe nach eure Aufmerksamkeit schenken. Aber wenn sie von Handlungen und Reden guter Männer erzählen, so sollt ihr sie lieben und nach Kräften nachzuahmen versuchen. Kommen sie auf schlechte Menschen zu sprechen, so müßt ihr euch in Acht nehmen und eure Ohren verschließen, genau so, wie es Odysseus bei den Sirenengesängen gemacht haben soll.“122
119 Aug. civ. 6,8 (CSEL 40,1, 289): Quo modo igitur vitae aeternae dandae potestas cuiquam deorum istorum tribuitur, quos sua simulacra et sacra convincunt dis fabulosis apertissime reprobatis esse simillimos formis aetatibus, sexu habitu, coniugiis generationibus ritibus, in quibus omnibus aut homines fuisse intelleguntur et pro uniuscuiusque vita vel morte sacra eis et sollemnia constituta […]? Übers. BKV 1, 320. 120 Euhemeristische Mythendeutung: Clem. prot. 2,29. 41,2; str. 1,16,79,2; 1,21,103,5; Hipp. haer. 5,7,32 f.; Or. Cels. 3,22. 28; Min. Fel. 21,1–3; Arnob. nat. 1,41; 7,32; Ast. Am. hom. 10,9; Eus. p.e. 2,1,5; 5,3,2; Lact. inst. 1,23,3; 4,27,12–20; epit. 14; Ath. gent. 9; Firm. err. 7; 13,4; Prud. c. Symm. 1,42–58. 365–378; Rufin. Clement. 10,26; Thdt. affect. 3,25. 30. 42; 8,114; Fulg. myth. 1,2; Jo. Mal. chron. 2,15; Mart. Brac. corr. passim; Isid. orig. 8,11,1 f.; 17,5,1. 121 FUHRMANN 1990, 151; GRAF 2000, 646 f. 122 Bas. leg. lib. gent. 2,29–31 (PG 31, 568C.D): Πρῶτον µὲν οὖν τοῖς παρὰ τῶν ποιητῶν, ἐπεὶ παντοδαποί τινές εἰσι κατὰ τοὺς λόγους, µὴ (30) πᾶσιν ἐφεξῆς προσέχειν τὸν νοῦν, ἀλλ´ ὅταν µὲν τὰς τῶν ἀγαθῶν ἀνδρῶν πράξεις ἢ λόγους ὑµῖν διεξίωσιν, ἀγαπᾶν τε καὶ ζηλοῦν,
2.2 Die Christen und der Mythos
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Die hier formulierte Maxime, die einige Wirkung zeitigen sollte, findet sich in Plutarchs moralischer Schrift Quomodo adolescens poetas audire debeat vorbereitet123 und enthält ihrerseits mit dem Sirenenbezug bereits ein Beispiel für eine typische interpretatio Christiana eines Mythos.
2.2.3.1 Interpretatio Christiana Um ethisch Richtiges in den Mythen erblicken zu können, war es zum einen naheliegend, den Blick von den Tätern auf die Opfer der viel zitierten Schandtaten zu lenken. Apollon, der in den Mythen verschiedenen Jungen und Mädchen nachstellt, wird von Tatianos in seiner 165 entstandenen „Rede an die Griechen“ der Daphne gegenübergestellt, die ihre Jungfräulichkeit nur dadurch bewahren kann, dass sie sich durch Ge in einen Lorbeerbaum verwandeln lässt: „Da gebührt dir, Daphne, mein Lob: denn mit deinem Sieg über die Wollust Apolls hast du auch dessen Wahrsagekunst zuschanden gemacht, weil er nicht voraussah, was mit dir vorgehen werde, und so mit seiner Kunst Fiasko machte.“124
Aus einem solchen moralischen Blickwinkel gelesen konnte eine Figur wie Daphne zum Sinnbild der Keuschheit auch für Christen avancieren. Aus der apologetischen Absicht des Tatianos ergibt sich zudem, dass er sie zur Überwinderin der mit Apollon verbundenen Mantik macht. Clemens greift dies drei Jahrzehnte später auf.125 Die andere Möglichkeit, die die Christen nutzten, um Figuren des Mythos positiv aufzunehmen, bestand in den Helden der Erzählungen. Besonders im Fall des Odysseus lässt sich dies gut belegen. Da er im Mythos ein Mensch ist, barg sein Lob keine theologischen Probleme. Hinzu kam, dass die gängige homerische Überlieferung seiner Taten kaum Anlass zu moralischen Bedenken liefert, anders als etwa im Fall der amourösen Abenteuer eines Zeus. Vor allem für die Vorbeifahrt des Odysseus an den Sirenen lässt sich das zeigen: Nachdem Odysseus durch Kirke vor den Sirenen gewarnt worden ist, lässt er seine Mannschaft sich die Ohren mit Wachs verschließen, damit sie sich durch den Gesang der Vogelwesen nicht anlocken lassen und so den sicheren Untergang finden. Er selbst lässt sich aufrecht stehend an den Mast des Schiffes binden, damit er dem Gesang lauschen kann, ohne seiner betörenden Wirkung zu erliegen.126 So hat Clemens von Alexandreia eben diesen Mythos für eine Bemerkung über die Gewohnheit (συνήθεια) benutzt:
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καὶ ὅτι µάλιστα πειρᾶσθαι τοιούτους εἶναι· ὅταν δὲ ἐπὶ µοχθηροὺς ἄνδρας ἔλθωσι, τῂν µίµησιν ταύτηδεῖ (31) φεύγειν, ἐπιφρασσοµένους τὰ ὦτα, οὐχ ἧττον ἢ τὸν Ὀδυσσέα φασὶν ἐκεῖνοι τὰ τῶν Σειρήνων µέλη. Übers. BKV 47, 450. Plu. Moralia 15d. Tat. orat. 8,4 (PG 6, 825A): Ἐπαινῶ σὲ νῦν, ὦ ∆άφνη· τὴν ἀκρασίαν τοῦ Ἀπόλλωνος νικήσασα, ἤλεγξας αὐτοῦ τὴν µαντικήν· ὅτι µὴ προγνοὺς τὰ περὶ σὲ, τῆς αὑτοῦ τέχνης οὐκ ὤνατο. Übers. BKV 12, 207. Vgl. Ov. met. 1,452–567. Clem. prot. 2,32,3. Vgl. auch FUHRMANN 1990, 143. Hom. Od. 12,39–54. 158–200.
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2. Zum Mythos-Begriff „Fahre an dem Gesange vorbei; er bewirkt den Tod! Wenn du nur willst, so bist du Sieger über die Macht der Zerstörung, und angebunden an das Holz wirst du von allem Verderben frei sein. Dein Steuermann wird der Logos Gottes sein, und in den Hafen des Himmels wird dich der Heilige Geist einlaufen lassen.“127
Odysseus’ Schiff steht hier für die Kirche, die den Christen sicher durch die gefährliche diesseitige Welt bringt, die ihrerseits im Meer mit all seinen Gefahren und Unwägbarkeiten gedacht wird.128 Von besonderer Bedeutung ist dabei der Mast des Schiffes mit seiner Querstange, der Rah, die sinnfällig das hölzerne Kreuz Christi vergegenwärtigt.129 Bereits HUGO RAHNER hat die enorme Wirkung dieser interpretatio Christiana, die sich durch die christliche Spätantike hindurch vielfach belegen lässt, in zwei wichtigen Studien herausgearbeitet.130 Diese Allegorie ließ sich nun auf verschiedene Dinge anwenden. Hippolytus von Rom bezog sie um 235 auf Irrlehren: „Mein Rat […] geht dahin, entweder wegen ihrer Schwachheit mit zugeklebten Ohren die Ansichten der Häresien zu durchsegeln und auch nicht auf das zu hören, was, wie der liebliche Gesang der Sirenen, leicht zur Wollust anreizen kann, oder aber sich an das Holz Christi zu binden und in Treuen zu lauschen und sich nicht verwirren zu lassen, sondern aufrecht stehen zu bleiben, im Vertrauen auf das, an das man gebunden ist.“131
Mit den Sirenen war der besondere Fall gegeben, dass sie als mythische Schreckgestalten auch im griechischen Bibeltext nach der Septuaginta zu finden waren.132 Von hier aus war der Weg geebnet, Häretiker mit allen möglichen Monstern der griechischen Mythologie zu belegen: den Giganten (die auch in der Septuaginta vorkommen),133 der Hydra,134 Kyklopen, Charybdis und Skylla,135 sowie der Kirke.136 Die mythischen Wesen in christlichen Diskursen zu benutzen, stellte kein dogmatisches Problem dar, da sie zum Mittel der Polemik gegen abweichende Glaubensrichtungen wurden. „Es war legitim, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.“137
127 Clem. prot. 12,118,4 (GCS Clem 1, 83): παράπλει τὴν ᾠδήν, θάνατον ἐργάζεται· ἐὰν ἐθέλῃς µόνον, νενίκηκας τὴν ἀπώλειαν καὶ τῷ ξύλῳ προσδεδεµένος ἁπάσης ἔσῃ τῆς φθορᾶς λελυµένος, κυβερνήσει σε ὁ λόγος ὁ τοῦ θεοῦ, καὶ τοῖς λιµέσι καθορµίσει τῶν οὐρανῶν τὸ πνεῦµα τὸ ἅγιον· Übers. BKV² 7, 194. 128 Vgl. RAHNER 1957, 281–300. 129 Vgl. RAHNER 1957, 55–73; 315–328. 130 Vgl. RAHNER 1941, 123–152; RAHNER 1957, 281–328. Vgl. HOFMANN 1999A, 37–39; MARKSCHIES 2005, 237 f.; ZILLING 2011, 108–115; ZILLING 2015, 161–164. unten 5.4. 131 Hipp. haer. 7,13,1–3 (GCS Hipp 3, 190 f.): ὃ ποιῆσαι τοῖς ἐντυγχάνουσιν συµβουλεύω, καὶ ἢ τὰ ὦτα κατακηρώσαντας δι’ ἀσθένειαν διαπλεῦσαι τὰ τῶν αἱρετικῶν δόγµατα µηδε κατακούσαντας πείθειν εὐκόλως δυνάµένα πρὸς ἡδονήν, ὡς λιγυρὸν ᾆσµα Σειρήνων, ἢ ἑαυτὸν τῷ ξύλῳ Χριστοῦ προσδήσαντα πιστῶς κατακούσαντα µὴ ταραχθῆναι, πεποιθότα ᾧ προσέσφιγκται, καὶ ἑστηκέναι ὀρθῶς. Übers. BKV 40, 194. 132 Bspw. Jes 13,22; hierzu unten 5.4. 133 Iren. haer. 2,30,1. Zu den Giganten in der Bibel unten 5.3. 134 Iren. haer. 1,30,15; Hipp. haer. 5,11; Ambr. fid. 3,1,3 f. 135 Hipp. haer. 7,13; Ambr. fid. 1,6,46 f. 136 Hipp. haer. 6,16; Or. Cels. 5,63. 137 OEHL 2005, 325 f. Weitere Beispiele: Hipp. haer. 5,11; Ambr. fid. 1,6,46 f.; 3,1,3 f.
2.2 Die Christen und der Mythos
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Die christliche Umdeutung der paganen Mythen war jedoch nicht die Regel. Abgesehen von der Odysseus-Sirenen-Erzählung und den mythischen Monstern, die zu Schimpfnamen der Häretikerpolemik umfunktioniert wurden, lassen sich nur wenige Beispiele finden. Prudentius berichtet in seinem Gedicht über das Martyrium des Hippolytus von Rom von dessen Todesart: Man habe ihn von wilden Pferden zerreißen lassen.138 Offenbar wurde hier die Erzählung des mythischen Hippolytos, den Poseidon auf dieselbe Art sterben lässt, auf den christlichen Bischof übertragen. Als Grund dafür lässt sich der „Apellcharakter eines mythologischen Namens“ ausmachen, zumal Hippolytos wie Daphne die Wahrung seiner Jungfräulichkeit mit dem Leben bezahlen musste.139
2.2.3.2 Mythen als Exempla Die wenigen Beispiele für interpretationes Christianae dürften bereits deutlich gemacht haben, dass die Grenzen von der tatsächlichen Umdeutung bis hin zur Nutzung als Exemplum fließend sind. Insbesondere in der Tatianos-Stelle über Daphne fiele es schwer, eine Entscheidung zu treffen. Mythen können somit wie auch in der paganen Literatur die Funktion von Exempla einnehmen. Ebenfalls im Rahmen seiner Häretikerpolemik bemüht Clemens den Zaubertrank der Kirke, mit dem sie Odysseusʼ Gefährten in Schweine verwandelt hat: „Gerade also, wie wenn jemand aus einem Menschen zu einem Tier würde, ähnlich wie die von Kirke durch Zauber in Tiere Verwandelten, geht es denen, die der kirchlichen Überlieferung verächtlich einen Fußtritt gegeben und sich schnell den Meinungen menschlicher Irrlehren zugewendet haben; sie verlieren die Eigenschaft, Menschen Gottes zu sein“.140
Schlagend ist bei diesem Exemplum vor allem das Gift als tertium comparationis, das auch bei den Beschimpfungen von Häretikern als Hydra eine große Rolle spielt. Zur etwa gleichen Zeit findet sich eine Bemerkung bei Tertullianus, der den Häretiker Markion mit Amazonen vergleicht.141 Eusebios kommt in seiner Praeparatio evangelica im Rahmen chronologischer Aufstellungen auf den alttestamentlichen Simson zu sprechen und erklärt mit einem Nebensatz, er sei wie Herakles bei den Griechen.142 Auch wenn die Bemerkung als Teil der Argumentation für den christlichen Altersbeweis zu verstehen ist, bleibt der Sachverhalt bestehen, dass die mythische Figur eingesetzt wird, um fast beiläufig die biblische zu erklären. Noch unbefangener geht Ambrosius von Mailand mit 138 Prud. perist. 11,87 f. 123–144. 139 SCHMITZ 2013, 501. Zum mythischen Hippolytos unten 6.2.1.4. 140 Clem. str. 7,16,95,1 f. (GCS Clem 3, 67): Καθάπερ οὖν εἴ τις ἐξ ἀνθρώπου θηρίον γένοιτο παραπλησίως τοῖς ὑπὸ τῆς Κίρκης φαρµαχθεῖσιν, οὕτως 〈τὸ〉 ἄνθρωπος εἶναι τοῦ θεοῦ καὶ πιστὸς τῷ κυρίῳ διαµένειν ἀπολώλεκεν ὁ ἀναλακτίσας τὴν ἐκκλησιαστικὴν παράδοσιν καὶ ἀποσκιρτήσας εἰς δόξας αἱρέσεων ἀνθρωπίνων. ὁ δὲ ἐκ τῆσδε τῆς ἀπάτης παλινδροµήσας, κατακούσας τῶν γραφῶν καὶ τὸν ἑαυτοῦ βίον ἐπιτρέψας τῇ ἀληθείᾳ, οἷον ἐξ ἀνθρώπου θεὸς ἀποτελεῖται. Übers. BKV² 20, 98. Vgl. Hom. Od. 10,233 ff. Vgl. auch FUHRMANN 1990, 150. 141 Tert. adv. Marc. 1,1,4. 142 Eus. p.e. 10,9,7 f. Vgl. Ri 13–16. Zu Herakles auch ZILLING 2015, 149–151.
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2. Zum Mythos-Begriff
mythischen Exempla in seinen Schriften um. So dient ihm der Fall des Ikaros zweimal als Beispiel für jugendlichen Leichtsinn.143 Rufinus von Aquileia setzt sich in seinem 410 entstandenen Commentarius in symbolum apostolorum mit dem Spott der Heiden über die Geburt Jesu von einer Jungfrau auseinander und führt die Mythen von Athenes Geburt aus dem Kopf des Zeus und von der Geburt des Dionysos aus dessen Schenkel als Beispiele aus der paganen Tradition an, die von Göttergeburten unter ebenfalls außergewöhnlichen Umständen berichten.144 Mythische Exempla erscheinen jedoch auch fernab der Diskurse, in denen sich die Christen von den alten Kulten abgrenzen. So nutzt Augustinus den Mythos von Orestes und Pylades als Beispiel einer vorbildlichen Freundschaft: „So elend war ich und hatte doch mein elendes Leben lieber noch als meinen Freund. […] Ich weiß auch nicht, ob ich es für ihn geopfert hätte, wie von Orestes und Pylades erzählt wird – wenn’s nicht bloß eine Fabel ist –, die gewillt waren, füreinander zu sterben“.145
Die Haltung der beiden Freunde im mythischen Exemplum wird als höherwertig eingeschätzt als die eigene. Zwar entspricht es der Aussageabsicht der 397–400 entstandenen Confessiones, das eigene Verhalten vor dem Bekehrungserlebnis negativ darzustellen, doch bedeutet der Vergleich, wie Augustin ihn hier vornimmt, eine Aufwertung der Erzählung. Der Hinweis, si non fingitur, nimmt sich wie eine Proforma-Kritik am Mythos aus, die der positiven Bewertung von Orestes und Pylades jedoch keinen Abbruch tut. Noch im 6. Jh. dient dem Dichter Boethius der Mythos von Orpheus, der seine Eurydike nicht aus der Unterwelt zurückholen kann, weil er sich neugierig nach ihr umdreht, als Beispiel für übertriebenen Forschergeist.146 Der Einsatz von mythischen Referenzen als Exempla ist in der christlichen Literatur jedoch nicht zur Regel geworden und lässt sich vornehmlich ab konstantinischer Zeit beobachten. Notwendigerweise setzt dieser Gebrauch der Mythen einen gewissen Grad an Versöhnung mit den Mythen voraus.
2.2.3.3 Christliche Dichtung Eine Sonderform des christlichen Umgangs mit den Mythen liegt in Gestalt der christlichen Poesie ab Ende des 4. Jh. vor. Zwar gab es Autoren, die durch pagane Dichtung beeinflusst war, sich aber ausschließlich mit christlichen Themen befassten, so etwa Prudentius oder Eudokia, die Frau Theodosius’ I. Demgegenüber sind jedoch Werke erhalten, die mit ihren mythischen Inhalten neben christlichen stehen.
143 Ambr. virg. 18,117; exc. Sat. 2,129; hierzu GRAF 2011, 330; SCHINDLER 2015, 21. 144 Rufin. symb. 9. 145 Aug. conf. 4,6,11: ita miser eram et habebam cariorem illo amico meo vitam ipsam miseram. […] et nescio an vellem vel pro illo, sicut de Oreste et Pylade traditur, si non fingitur, qui vellent pro invicem vel simul mori. Text u. Übers. THIMME 2004, 132 f. 146 Boeth. cons. 3,12,52–54 (CSEL 67, 78): Vos haec fabula respicit, / quicumque in superum diem / mentem ducere quaeritis.
2.2 Die Christen und der Mythos
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Hier ist an Claudianus sowie im 5. Jh. Dracontius von Karthago, Sidonius Apollinaris und Nonnos von Panopolis zu denken.147 Vor dem Hintergrund der ablehnenden Stellungnahmen in den theologischen Texten kann der Verweis auf genrespezifische Traditionen nicht genügen, diese Öffnung zum Mythos zu erklären. Die zeitliche Koinzidenz des Aufkommens dieser Gedichte mit dem Verbot der alten Kulte ist nicht zu übersehen und legt den Schluss nahe, dass den paganen Mythen nicht mehr die religiöse Bedeutsamkeit beigemessen wurde, die sie zuvor offenbar für christliche Kunst tabuisiert hatte. Damit ist der Blick freilich zugleich auf die christliche Bildkunst gelenkt, in der sich Beispiele wie die bekannte Orpheus-Darstellung in den Marcellinus-Petrus-Katakomben finden. Der mythische Held wurde nicht zuletzt wegen seiner Rückkehr aus dem Reich der Toten als eine Präfiguration Jesu verstanden.148 Diese Fälle sollen jedoch wegen der geringen Relevanz für den literarischen Fokus dieser Untersuchungen unberücksichtigt bleiben.149 2.2.4 Zusammenfassung Die christliche Ablehnung der paganen Kulte, die bereits in der Bibel vorgegeben ist, wurde in der literarischen Auseinandersetzung auf den Mythos übertragen, dem kategorisch dieselbe religiöse Bedeutung zugeschrieben wurde. Dabei lassen sich verschiedene Grade und Formen der Ablehnung feststellen, die zwar keine einheitliche Entwicklungslinie aufweisen, ab konstantinischer Zeit jedoch eine Tendenz zur zunehmenden Akzeptanz erkennen lassen. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, dass die Mythenkritik vornehmlich in Schriften zu finden ist, die thematisch auf eine Zurückweisung des Heidentums ausgerichtet waren, welche jedoch mit dem Ende des 4. Jh. an Dringlichkeit verlor. In der kritischen Auseinandersetzung mit den Mythen rekurrierten die Christen auf Modelle, die in der paganen Tradition vorhanden waren, am deutlichsten wohl im Fall des so genannten Euhemerismus. Aus einer vergleichenden Sichtweise auf Mythen und biblische Erzählungen entstand schnell eine starke Ablehnung. So wurde zum einen argumentiert, dass die Mythen Erfindungen der Dichter oder verfälschte Übernahmen aus der Bibel waren. Im Zusammenhang damit steht der so genannte Altersbeweis, demzufolge das Christentum als Fortsetzung des Judentums einen zeitlichen und inhaltlichen Vorrang vor den paganen Kulten beanspruchte. Diese Positionen lassen sich bis in justinianische Zeit belegen, haben jedoch nie eine große Bedeutung in der christlichen Literatur erlangt. Ganz anders sieht das mit den Einwänden gegen die Immoralität und Absurdität der Götter als Protagonisten der mythischen Erzählungen aus. Diese 147 GRAF 2011, 328 f. verweist überdies auf Dioskoros von Aphrodito. Zu Dracontius SELENT 2009, bes. 320 ff. Zu Nonnos LIEBESCHUETZ 1995, 203–208; ACCORINTI 2015, 43–70. Zu Agathias Scholastikos und Dioskoros aus Aphrodito (beide 2. Hälfte 6. Jh.) LIEBESCHUETZ 1995, 201 f. Vgl. auch GOMPF 1973, 53–62. 148 ROBERTSON 1900, 249–258; HÖRLING 1980, 123 f. Dagegen JOURDAN 2015, 193. 149 Hierzu LIEBESCHUETZ 1995, 193–208; BASSETT 2015, 239–262.
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2. Zum Mythos-Begriff
Vorwürfe sind durch die gesamte christliche Literatur der Antike hindurch belegbar. Die angeführten Beispiele für verwerfliches Verhalten der Götter, die immer wieder zu Katalogen kompiliert wurden, nahmen jedoch recht bald topischen Charakter an und ließen in ihrer Intensität ab dem 5. Jh. nach. Eine Annäherung an die Mythen fand vereinzelt in Gestalt der allegorischen Auslegung der Erzählungen statt, der zufolge hinter den vordergründigen Inhalten entweder Naturphänomene oder moralische Aussagen erblickt wurden. Als weitaus stärker sollte sich jedoch die Kritik an der allegorischen Auslegung der Mythen erweisen, in der man pagane Versuche erblickte, die anstößigen Erzählungen zu retten. Demgegenüber wurde in Gestalt der euhemeristischen Dekonstruktion eine Sonderform der Allegorese beherrschend, nach der die Mythen von nichts weiter als legendär überhöhten Menschen berichteten. So waren die Protagonisten der Erzählungen ihrer Göttlichkeit entkleidet und ihre Taten ließen sich als banale Handlungen Sterblicher in historischer Zeit erklären. Vereinzelt fand eine ‚Versöhnung‘ mit den Mythen statt, indem einzelne Erzählungen eine interpretatio Christiana erfuhren. Wo ethische Maßstäbe der Christen erfüllt waren, konnten einzelne Figuren des Mythos für literarische Bilder genutzt werden. Das war zum einen für positiv besetzte Helden wie Odysseus der Fall, aber auch für negative Figuren wie die Sirenen, deren Gesang in kongruenter Wertigkeit zum Sinnbild für Wollust oder Häresien wurde. Die christliche Umdeutung von Mythen setzte sich nur in Einzelfällen durch, konnte aber gerade im Bereich der Häretikerpolemik eine gewisse Wirkmacht durch die ganze Spätantike hindurch entfalten: Vertreter abweichender Lehren mussten sich mit den Namen mythischer Monstren wie der Hydra, der Charybdis oder den Giganten beschimpfen lassen. Damit hängt auch die Nutzung mythischer Erzählungen als Exempla zusammen, die zum einen der Abgrenzung von paganen Traditionen diente, mitunter aber in Kontexten zur Anwendung kam, die vom weltanschaulichen Diskurs gelöst waren. Insgesamt lässt sich auf Ebene der mythischen Überlieferung eine literarische Auseinandersetzung der Christen mit den alten Kulten fassen, die über die Jahrhunderte an Schärfe zu verlieren scheint: Spätestens zur Zeit des Verbots der alten Kulte durch Theodosius I. begann der Diskurs, die Betonung des Gegensatzes langsam zu überwinden, so dass die christliche Poesie sich sogar der klassischen mythischen Inhalte ihrer eigenen Kunstform annehmen konnte.
3. HIERONYMUS: LEBEN UND WERK Das große Glück des Hieronymus-Biographen ist es, dass er – obwohl keine Schüler oder andere antiken Autoren eine Lebensbeschreibung über ihn hinterlassen haben – seine Leserschaft selbst mit einer großen Fülle von Informationen über die eigene Person versorgt, die durch sein ganzes Werk hindurch zu finden sind. Unter den drei großen Hieronymus-Biographien, die GEORG GRÜTZMACHER (1901–1908), FERDINAND CAVALLERA (1922) und JOHN N. D. KELLY (1975) vorgelegt haben, zeichnet sich die erste durch ihre Ausführlichkeit aus, aber auch dadurch, dass sie cum ira et studio gegen den Katholiken Hieronymus verfasst ist. Die größte Verlässlichkeit, vor allem in Hinblick auf Datierungen, bietet CAVALLERAS zweibändiges Werk. 1992 hat STEFAN REBENICH eine maßgebliche prosopographische Studie vorgelegt, die die bisherigen Lebensbeschreibungen in vielen Punkten ersetzt hat. Aus ihr ging 2002 eine gekürzte, englischsprachige Biographie hervor.1 Die nur ein Jahr später erschienene Monographie von ALFONS FÜRST bietet wenig Neues und weicht in manchen Punkten von dem ab, was wohl als Forschungsstand gelten darf. Das Buch ist indes von großem Wert als Handbuch gerade für Interessierte, die noch keine profunden Hieronymus-Kenntnisse haben und sich in seiner komplexen Welt aus geographisch weitgespannten Beziehungen, theologischen Kontroversen und persönlichen Differenzen zurechtfinden wollen. Daneben sei paradigmatisch auf wichtige Einzeluntersuchungen verwiesen, wie ANDREW CAINS Arbeit über Hieronymus’ Briefe und deren Rezeption (2009), MEGAN H. WILLIAMS’ Betrachtungen zu den Umständen seiner literarischen Produktion (2006), ALFONS FÜRSTS Untersuchung des Briefwechsels mit Augustinus (1999) oder BARBARA FEICHTINGERS Studie zur Frauenaskese im Umfeld des Hieronymus (1995).2 3.1 SEIN LEBEN Eusebius Hieronymus wurde wahrscheinlich 347 in Stridon geboren,3 einer Kleinstadt in der Provinz Dalmatia an der Grenze zu Pannonia Superior bzw. Pannonia
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REBENICH 1992A; REBENICH 2002. Vgl. auch: CAMPENHAUSEN 1965, 109–150; BARDENHEWER 1962, 634–655; BARTELINK 1984, 145–165; LEPPIN 2000, 74–86; FÜRST 2002, 168–183. CAIN 2009B; vgl. auch FÜRST 1999; CONRIG 2001; WILLIAMS 2006; vgl. auch FÜRST 1994; FEICHTINGER 1995; FÜRST, in: FC 41,1/2. So der weitgehende Konsens gegen Prosp. chron. I 451, 1032, der das Jahr 331 nennt; vgl. KELLY 1975, 337–339; REBENICH 1992A, 21 mit Anm. 3. Hieronymus ist der einzige gesicherte Teil seines Namens; hierzu LIETZMANN 1913, 1565.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Savia, unweit der städtischen Zentren Emona (Ljubljana) und Aquileia.4 Seine Eltern waren Christen5 und stammten womöglich aus den östlichen Provinzen des Reiches – wie der griechische Name des Vaters Eusebius nahe legen könnte – und lebten in ansehnlichem Wohlstand, d. h. sie hatten Land und Sklaven. Außer seinem jüngeren Bruder Paulinianus hatte Hieronymus eine Schwester. Außerdem erfahren wir von einer Großmutter.6 Nach dem Elementarunterricht in der Heimat7 nahm er in der Zeit von ungefähr 358 bis 366 in Rom Grammatik-Unterricht bei einem Lehrer, der wohl mit Aelius Donatus zu identifizieren ist, einem führenden Grammatiker der Zeit und Verfasser von Handbüchern sowie einem Terenz- und einem Vergil-Kommentar.8 Im Anschluss daran dürfte er bei einem anderen Lehrer in Rhetorik ausgebildet worden sein.9 Offenbar scheuten die Eltern des jungen Hieronymus weder Kosten noch Mühen, ihm eine exzellente Ausbildung zuteilwerden zu lassen, die an den überkommenen römischen Bildungsidealen orientiert war und auf die er zeitlebens stolz war. Er lernte sein späteres Handwerk, das Schreiben, an den Meisterwerken der lateinischen Sprache, beeinflusst durch den Geist der heidnischen Klassiker. Hier fing er an, seine Bibliothek aufzubauen, die zunächst aus klassischen Autoren bestand.10 Während der Schulzeit knüpfte er u. a. Freundschaften zu Pammachius, Heliodorus von Altinum sowie Rufinus von Aquileia.11 Während letztgenannter später sein erbitterter Gegner werden sollte, hielten andere hier begründete Freundschaften sein Leben lang. Vor allem Pammachius aus der hoch angesehenen gens Furia sollte Hieronymus ein treuer Freund und Unterstützer in Rom bleiben.12 Nach Abschluss der Schulzeit ging Hieronymus wohl in die Kaiserresidenz Trier,13 die Augusta Treverorum in der gallischen Provinz Belgica prima, wo sich 367 auch Valentinian I. niedergelassen hatte. Allgemein wird angenommen, dass Hieronymus eine Laufbahn im staatlichen Dienst anstrebte, für die seine Schulbil-
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Hier. vir. ill. 135,1 (BARTHOLD 2010, 263). Die Lokalisierung Stridons bleibt ungeklärt; vgl. KELLY 1975, 3–5; REBENICH 1992A, 21; LEPPIN 2000, 76; FÜRST 2003, 145. Hier. praef. Vulg. Iob (WEBER 1975, 732); epist. 82,2,2 (CSEL 55, 109). Paulinianus: bspw. Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74. 76); hierzu unten 6.1.2; epist. 82,8,1 (CSEL 55, 114); hierzu unten 6.6.2.1. Schwester: epist. 6,2,1; 7,4,1 (CSEL 54, 25. 29). Großmutter: adv. Rufin. 1,30 (CCL 79, 31). Hier. adv. Rufin. 1,30 (CCL 79, 31). Hier. chron. a. Abr. 2370 (GCS Eus 7, 239). Die verbreitete Annahme, dass er auch Schüler des christlichen Rhetors C. Marius Victorinus gewesen sei (vgl. DEMANDT 1989, 333), ist schon von GRÜTZMACHER 1901, 118, überzeugend zurückgewiesen worden. Zur Bedeutung des Schulwesens und insbesondere des Donatus für die lateinische Literatur der Zeit FUHRMANN 1982, 67–72. Vgl. auch KALIDOVE 1997, 223 f. REBENICH 2002, 5 f. Hier. epist. 22,30,1 (CSEL 54, 189). Zu Heliodorus Hier. epist. 14 (CSEL 54, 44–62); unten 6.4.1.1; vgl. epist. 60 (CSEL 54, 548– 575); unten 6.3.1.3. Zu Rufinus unten 6.3.1.2. Empfänger von Hier. epist. 57 (CSEL 54, 503–526); vgl. PCBE 2,2, 1576–1581 s.v. Pammachius; PLRE 1, 663 s.v. Pammachius. Hier. epist. 5,2,3 (CSEL 54, 22).
3.1 Sein Leben
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dung ihn durchaus qualifizierte. Offenbar traf er jedoch die folgenschwere Entscheidung, stattdessen ein Leben als Mönch zu führen. Hier in Trier fing er an, seine Bibliothek um Schriften christlicher Autoren zu erweitern, worunter sich auch ein Exemplar von Athanasios’ Vita Antonii befunden haben mag.14 Vermutlich kam er zu dieser Zeit auch mit Gemeinschaften asketischer Christen in Berührung. Die asketische Idee hatte jedenfalls so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, dass er um 370 nach Italien zurückging, wo er in Gemeinschaften mit anderen Mönchen zusammenlebte. Die Informationen über diese Zeit fallen spärlich aus, so dass nur Aquileia, die Hauptstadt der Provinz Venetia et Histria, als eine wahrscheinliche Station in dieser Zeit gelten darf. Sein Aufenthalt fiel mit einem allgemeinen Boom der christlichen Askese nach östlichem Vorbild in Norditalien und Südgallien zusammen, die Hieronymus ein inspirierendes Umfeld bot. Während dieser Zeit knüpfte er zahlreiche Kontakte zu anderen Asketen und Klerikern.15 Mit einer kleinen Gruppe enger Freunde brach er Anfang der 370er Jahre zu einer Pilgerreise ins Heilige Land und nach Jerusalem auf. Über Griechenland und Kleinasien kam er ins syrische Antiocheia, wo seine Reise wegen einer schweren Erkrankung ihr vorläufiges Ende nahm.16 Dort wurde er von Evagrius, dem späteren Bischof der Stadt, aufgenommen, einem wohlhabenden Freund aus der Zeit in Aquileia.17 Hieronymus verbesserte sein Griechisch und profitierte von Evagrius’ umfangreicher Bibliothek. Während seines antiochenischen Aufenthaltes zog sich Hieronymus zu Beginn des Jahres 375 wohl für 18 Monate auf das Landgut Maronia zurück, das ca. 45 km östlich von Antiocheia in der Nähe der Stadt Chalkis und in Nachbarschaft zu Eremitenkolonien lag.18 Bei diesem Aufenthalt, den er später zu einer eremitischen Erfahrung in der Wüste stilisieren sollte,19 war er in Gesellschaft von anderen Mönchen und Anwärtern (alumni), die ihm als Schreiber dabei halfen, seine Bibliothek weiter zu vergrößern, die er auch hierhin mitgenommen hatte.20 Waren schon seine in Antiocheia ausgebauten Griechischkenntnisse eine Besonderheit für einen Lateiner seiner Zeit, begann er hier, ein wenig Syrisch zu lernen21 und sich mit Unterstützung eines konvertierten Juden auch des Hebräischen zu bemächtigen.22 Als er im Zuge des antiochenischen Schismas, dessen Auswirkungen bis nach Chalkis reichten, in Auseinandersetzungen um die Trinitätslehre geriet, kam er als Parteigänger des Bischofs Damasus von Rom in Konflikt mit den ansässigen Mönchen und musste wieder nach Antiocheia zurückkehren.23 14 15 16 17 18
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REBENICH 1992A, 32–41. Zu Hieronymus’ Aufenthalt in Norditalien ebd. 42–51. Hier. epist. 3,3,1 (CSEL 54, 14). REBENICH 1992A, 52 ff.; BALKE 1998, 223 f. Maronia erwähnt in Hier. vita Malchi 2,1 (SC 508, 186). Die Indizien zu den lokalen Gegebenheiten hat REBENICH 1992A, 86–98, zusammengetragen. Vgl. BAtlas 68, C2: Chalkis ad Belum. Zur Datierung des Aufenthalts in Maronia zuletzt WILLIAMS 2006, 273–275. Hier. epist. 22,7 (CSEL 54, 152–154). Hier. epist. 5,2,4; 17,3,2 (CSEL 54, 22. 72); vgl. CAMERON 2004, 120 f. Hier. epist. 7,2,1; 17,2,4 (CSEL 54, 27. 71 f.); hierzu KING 2009, 209–223. Hier. epist. 125,12,1 f. (CSEL 56, 131); vgl. MILLAR 2010, 65–69. Hier. epist. 15; 16; 17,2,1 (CSEL 54, 62–72).
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Dort studierte er bei Apollinaris von Laodikeia griechische Exegese24 und wurde durch Bischof Paulinus von Antiocheia zum Priester geweiht, blieb jedoch weitgehend befreit von Amtspflichten.25 Von hier aus ging er im Jahr 380 nach Konstantinopel, wo er neben anderen Werken vermutlich seine Übersetzung und Erweiterung der Chronik des Eusebios von Kaisareia sowie seine Vita Pauli primi eremitae abfasste und eine intensive Beschäftigung mit den exegetischen Arbeiten des Origenes von Alexandreia aufnahm. Anlässlich des Konzils, das Theodosius 381 einberief, waren zahlreiche wichtige Persönlichkeiten der Kirche in der Stadt und Hieronymus hatte die Gelegenheit, einige von ihnen zu treffen. Vermittelt durch Gregor von Nazianz lernte er Gregor von Nyssa und Amphilochios von Ikonion kennen.26 382 nahm er jedoch im Gefolge der Bischöfe Paulinus von Antiocheia und Epiphanius von Salamis an der Synode in Rom teil, die Gratian auf Betreiben des Ambrosius von Mailand einberufen hatte.27 Damasus, der amtierende Bischof der urbs, zu dem Hieronymus bereits brieflich in Kontakt getreten war,28 nahm den vir trilinguis,29 der zudem besondere Kenntnisse der griechischen Theologie mitbrachte, in seinen Dienst als Übersetzer von Korrespondenz und theologischen Werken.30 Von Bedeutung ist vor allem sein Auftrag an Hieronymus, die Vereinheitlichung der lateinischen Bibelübersetzungen vorzunehmen, beginnend mit den Evangelien und den Psalmen.31 Dieser Impetus des Damasus, der den philologischen Wert des ursprünglicheren Textes erkannt hatte, führte dazu, dass Hieronymus später, lange nach dem Tod des Bischofs, sukzessive die Übersetzungen aller Bücher des Alten Testaments nach den hebräischen, aramäischen und griechischen Originaltexten anfertigen sollte, die unter dem Namen Vulgata geläufig sind. Mit diesem Unternehmen sollten die unterschiedlichen, in Umlauf befindlichen lateinischen Bibelfassungen ersetzt werden, die unter dem Namen Vetus Latina zusammengefasst werden und die zumeist Übersetzungen nach der als göttlich inspiriert geltenden griechischen Septuaginta waren. Trotz der verhältnismäßig kurzen Dauer kann die Bedeutung des zweiten römischen Aufenthaltes für die Vita Hieronymi nicht hoch genug veranschlagt werden. Denn hier kam der Mönch auch mit christlichen asketischen Kreisen der obersten Gesellschaftsschichten in Berührung. Zum einen ist da sein Freund aus der Zeit in Aquileia zu nennen, der asketisch interes-
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Hier. epist. 84,3,1 (CSEL 55, 122 f.); vgl. FEIGE 1998, 41 f.; FÜRST 2002, 179 f. Hier. c. Ioh. 41 (CCL 79A, 78 f.). Hier. vir. ill. 128; 133 (BARTHOLD 2010, 258. 260). REBENICH 2002, 31. Hier. epist. 15; 16 (CSEL 54, 62–69). Hier. adv. Rufin. 3,6 (CCL 79, 79). Zu seinen Hebräisch-Kenntnissen BURSTEIN 1975, 3–12; BROWN 1992; REBENICH 1993, 50–77; SCHULZ-FLÜGEL 2000, 33–50; LÖSSL 2001, 157–175; REICHERT 2007, 1–18; GRAVES 2007B; NEWMAN 2009, 131–140; MILLAR 2010, 59–79. 30 Hier. epist. 123,9,1 (CSEL 56, 82 f.); hom. Orig. in cant. prol. (GCS 33, 26); epist. 46,1,4 (CSEL 54, 329 f.). 31 Hier. praef. Vulg. evang. (WEBER 1975, 1515). Hierzu BELL 1977, 230–233. Das so genannte Psalterium Romanum ist nicht erhalten.
3.1 Sein Leben
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sierte Senator Pammachius, über den Hieronymus auch Leute wie Oceanus kennenlernte.32 Auf dem Aventin, im Haus der Witwe Marcella,33 wirkte der glühende Streiter der Askese andererseits auf einen Kreis der vornehmsten Damen der Stadt, unter denen Paula mit ihren Töchtern Blesilla und Eustochium hervorzuheben ist, und wurde zu ihrem spiritus rector.34 Neben praktischen Anleitungen zum Fasten und jungfräulichen Leben führte er sein Umfeld auch in die fortgeschrittene Theologie des griechischen Ostens ein, insbesondere in das Werk des von ihm hoch verehrten Origenes.35 Als Damasus am 11. Dezember 384 verstarb, folgte ihm Siricius auf den Bischofstuhl, ein erklärter Gegner der asketischen Bewegung. Das Klima in Rom wurde zunehmend feindselig gegenüber den Ideen von Askese und Jungfräulichkeit, wie Hieronymus sie vertrat. Auch seine Neuübersetzung der Evangelien wurde als blasphemisch angesehen.36 Unter diesem Druck und enttäuscht von den mangelnden Perspektiven, seine Ideale in Rom verwirklichen zu können,37 verließ er im August 385 mit seinem Bruder und einigen anderen Mönchen die ewige Stadt. Von Ostia aus führte sie die Reise über Salamis auf Zypern und über Konstantinopel nach Jerusalem. Dort stießen Paula und Eustochium zu ihnen, die aus Rom nachgereist waren. Gemeinsam unternahm man eine ausgedehnte Pilgerfahrt durch Palästina und Ägypten, die für Hieronymus einen vierwöchigen Aufenthalt bei Didymos dem Blinden in Alexandreia beinhaltete. Dieser war ein Schüler des Origenes, dessen zahlreiche Schriften Hieronymus wie die kaum eines anderen Autors studierte.38 Im Sommer 386 ließ sich die Gruppe in Bethlehem nieder, wo in den folgenden drei Jahren mit dem Vermögen Paulas Klosteranlagen und ein Pilgerhospiz errichtet wurden.39 Bis an sein Lebensende leitete Hieronymus nun das Männerkloster, wo er predigte und seine literarische Tätigkeit fortsetzte.40 Durch eine rege Korrespondenz pflegte er nicht nur bestehende Kontakte, sondern weitete sie über das ganze Imperium aus. Prominentestes Beispiel dürfte der Briefwechsel mit Augustinus sein.41 Hieronymus lebte als umfassend gebildeter Exeget in der fernen Provinz Palaestina prima und war in dem Sinn „Außenposten der lateinischen Kirche“,42 dass er mit seinen Übersetzungen und exegetischen Veröffentlichungen griechische
32 REBENICH 1992A, 201 f. 33 Empfängerin von Hier. epist. 43. Vgl. REBENICH 1992A, 154–170; KRUMEICH 1993, 68–107. 34 Zu Hieronymus und den Asketinnen SCHILLING 1961, 113–129; BROWN 1988; SIVAN 1993B, 81–93; KRUMEICH 1993; DEMING 1995; FEICHTINGER 1995; FEICHTINGER 1997B, 187–200; LAURENCE 1998A, 241–267; CLARK 2005, 154–181; HEINE 2008, 87–101; CAIN 2009A, 47–58. 35 Hier. epist. 33,5 (CSEL 54, 259); vgl. CLARK 1992, 121 f. 36 Hier. epist. 27,1,1–3 (CSEL 54, 223 f.). Vgl. HAGENDAHL/WASZINK 1991, 125; REBENICH 1992A, 170–180; CURRAN 1997, 213–229; LEPPIN 2000, 79 f.; FÜRST 2002, 171; REBENICH 2002, 34. 38 f. 37 Hier. epist. 43 (CSEL 54, 318–321). 38 Unten 6.1.1 und 6.1.2. 39 Hier. epist. 108,14,4. 20,1–3 (CSEL 55, 325. 334 f.); hierzu CAIN 2010, 111 f. 40 Predigtmitschriften sind in Gestalt der tractatus erhalten (CCL 73A, 803–809; CCL 78, 3–500). 41 Hierzu FÜRST, in: FC 41,1, 9–93. 42 LEPPIN 2000, 81.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Theologie und hebräische Philologie in den Westen holte bzw. dort durch wohlhabende Freunde wie Pammachius und Marcella vervielfältigen und verbreiten ließ. Mit zunehmender Berühmtheit wurde er zum Empfänger vieler Anfragen und das Kloster in Bethlehem zum Anlaufpunkt christlicher Reisender.43 Obwohl sein Interesse vornehmlich bei zwei Dingen lag, der christlichen Askese sowie der Übersetzung und Auslegung des Bibeltextes, geriet Hieronymus immer wieder in theologische Auseinandersetzungen, zu denen er entweder Stellung beziehen musste, um seine eigene Rechtgläubigkeit im Sinne des römischen Bischofs zu beweisen, oder in die er sich einmischen wollte, um seine Rolle als literarische Autorität auf dem Gebiet der Jungfräulichkeit und Askese auszufüllen. Als Anhänger der nizänischen Orthodoxie ließ er sich 393 durch Epiphanius von Salamis in die Auseinandersetzungen mit Bischof Johannes von Jerusalem um die Rechtgläubigkeit des Origenes hineinziehen und trat unter anderem 396/397 durch die Abfassung einer Streitschrift gegen Johannes in Erscheinung.44 Hieronymus hatte einen Paradigmenwechsel vollzogen, indem er von nun an die Distanz zu den Lehren seines einstigen Vorbilds betonte. Der immense Einfluss auf sein Denken und die deutlich nachweisbare, ausgiebige Rezeption in seinen Schriften brachten ihn jedoch immer wieder in Rechtfertigungszwang. Dass er sich weiter vorbehielt, die unbedenklichen, nicht-häretischen Inhalte der origenistischen Lehre in seinen Werken zu nutzen, stieß bei Zeitgenossen auf Unverständnis.45 Durch seine Haltung wurde Hieronymus wohl zum Protagonisten im Zerwürfnis mit seinem Jugendfreund Rufinus. Dieser Konflikt verschärfte sich, als letztgenannter 397 zurück nach Italien ging und durch seinen unmittelbaren Einfluss auf asketisch orientierte Kreise in Rom Hieronymus’ Renommee und die materielle Unterstützung für den monastischen Betrieb in Bethlehem bedrohte. Literarischer Höhepunkt dessen wurden zwei Apologien gegen Rufinus aus den Jahren 401 und 402, die als Adversus Rufinum libri tres zusammengefasst werden.46 In einer flammenden Streitschrift des Jahres 393 verteidigte Hieronymus den Wert der Jungfräulichkeit gegenüber den Agitationen des Mönches Iovinianus.47 Ähnliches gilt für seine Invektive gegen den südgallischen Laien-Prediger Vigilantius, der mit seinen anti-asketischen Positionen in Rom ab 405 gezielt die Arbeit des Hieronymus unterminierte.48 Gegen die Lehren des Pelagius, der die Möglichkeit eines sündlosen Lebens predigte, schrieb er noch im Jahr 415, ohne das theologische Problem völlig auflösen zu können.49 Sein Hauptwerk bestand jedoch in der Übersetzung des Alten Testaments nach dem Hebräischen und der ausführlichen Kommentierung der Bücher. Im Fall des 43 Hier. epist. 71,5,1 (CSEL 55, 5). 44 Contra Iohannem Hierosolymitanum episcopum (CCL 79A). 45 Hier. epist. 61,2,1–3 (CSEL 54, 577); vgl. COURCELLE 1969, 100; BAUS/EWIG 1973, 127–134; DUNPHY 1990, 145; CLARK 1992, 121–151; REBENICH 2002, 43–51; FÜRST 2003, 30–36. 46 HAMMOND 1977, 372–429. 47 Adversus Iovinianum (PL 23, 211–338). 48 Contra Vigilantium presbyterum Gallum (CCL 79C). 49 Dialogus adversus Pelagianos (CCL 80). Zum Pelagianismus-Streit GRÜTZMACHER 1908, 257 ff.; BAUS/EWIG 1973, 168–185; CLARK 1992, 221–227; FÜRST 2003, 37–42, 205 f.
3.1 Sein Leben
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Psalters, den er bereits 392 abschließen konnte, sind heute noch zwei Fassungen parallel in der Vulgata enthalten, das so genannte Psalterium Gallicanum nach der Septuaginta und die Psalmen nach dem Hebräischen.50 Die letzten Bücher des Alten Testaments konnte er im Jahr 405 abschließen, während die Kommentierung aller Propheten eine Lebensaufgabe blieb und er den Jeremia-Kommentar unvollendet zurückließ.51 Bei seiner Tätigkeit stützte er sich neben einer großen Bandbreite griechischer und lateinischer Werke auch weiterhin auf die philologische Arbeit des Origenes und konsultierte zusätzlich jüdische Berater.52 Auch wenn es aus moderner Perspektive als das einzig Richtige erscheinen mag, die direkte Übersetzung eines Textes nach seiner Originalfassung der Übersetzung einer Übersetzung vorzuziehen, setzte sich Hieronymus’ Bibeltext nur zögerlich durch und wurde von Zeitgenossen scharf kritisiert.53 Mit dem neuen Jahrhundert wurde das Leben für Hieronymus zunehmend schwieriger. Am 26. Januar 404 verlor er seine treue Gefährtin und Unterstützerin Paula. Raubzüge kleinasiatischer Barbaren verwüsteten 405/406 Phönikien sowie Galiläa und bedrohten auch Palästina. Der sonst in Bezug auf das weltliche Geschehen und die politische Geschichte äußerst zurückhaltende Mönch reagierte mit großer Bestürzung auf die Eroberung und Plünderung Roms durch Alarichs Westgoten am 24. August 410.54 Seine wichtigen und langjährigen amici Marcella und Pammachius fielen den Ereignissen in Rom zum Opfer. Auch in Bethlehem musste man Christen aufnehmen, die vor den Wirren geflohen waren.55 Zwei Jahre später waren die Klöster erneut durch Barbareneinfälle bedroht. Zu einem schweren Schlag kam es im Jahr 416, als fanatische Anhänger des Pelagius die Anlage überfielen, in Brand steckten und plünderten. Dabei verlor Hieronymus einen Diakon und vielleicht auch seine kostbare Bibliothek.56 Um den Jahreswechsel 418/419 starb mit Eustochium eine weitere enge Weggefährtin, die ihrer Mutter Paula in der Leitung des Frauenklosters gefolgt war.57 Am 30. September 419 oder 420 starb Hieronymus als 72- oder 73-jähriger.58
50 WEBER 1975, 770–955. 51 CSEL 59. 52 Hier. epist. 84,3,2 (CSEL 55, 123); adv. Rufin. 1,13 (CCL 79, 12); Rufin. apol. adv. Hier. 2,15 (CCL 20, 95). 53 Bspw. Hier. in Ion. 4,6 (FC 60, 205–209). Vgl. LÖSSL 2001, 157–175. 54 Hier. epist. 128,5,1 (CSEL 56, 161). Zum geringen Echo der Ereignisgeschichte bei Hieronymus GRÜTZMACHER 1901, 275; FUHRMANN 1982, 71. 55 Hier. epist. 128,5,1 (CSEL 56, 161); hierzu demnächst RONNENBERG 2015B. 56 Hier. epist. 139,3 (CSEL 56, 268); vgl. GRÜTZMACHER 1908, 277. 57 Hier. epist. 143,2,1 (CSEL 56, 293). 58 Prosp. chron. I 469, 1032.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
3.2 SEIN WERK Nach Augustinus war Hieronymus der produktivste unter den christlich-lateinischen Schriftstellern der Antike.59 Seine Tätigkeit entfaltete sich erst nach seiner endgültigen Niederlassung in Bethlehem voll, was gewiss in Zusammenhang mit seiner bis dato bewegteren Biographie steht. Die meist beachtete Gruppe von Schriften des Hieronymus ist ein Corpus von 122 Briefen,60 die aus der Zeit von seinem ersten Aufenthalt in Antiocheia bis in die letzten Monate seines Lebens reichen. Wenngleich längst nicht alle Briefe erhalten sind, decken sie ohne größere zeitliche Lücken eine Spanne von 46 Jahren ab. Quantitativ reicht das Spektrum von kurzen Grußadressen bis hin zu ausführlichen Abhandlungen, die Hieronymus selbst libelli nennt.61 Inhaltlich variieren sie zwischen persönlichen Bemerkungen im Rahmen üblicher Freundschaftspflege und exegetischen Abhandlungen. Daneben stehen die Traktate, die ihrerseits in zwei Kategorien zerfallen: Zum einen ist sein Schriftstellerkatalog De viris illustribus (393) zu nennen,62 der nach dem Vorbild Suetons eine Auflistung christlicher Autoren und ihrer Werke enthält; zum anderen die so genannten Streitschriften, in denen sich Hieronymus jeweils der Zurückweisung heterodoxer Lehren oder unliebsamer Kritik widmet. In der Altercatio Luciferiani et orthodoxi (376) widerlegt er nach dem Vorbild ciceronischer Dialoge die Thesen Lucifers von Calaris zum Umgang mit ehemals arianischen Bischöfen; gegen Helvidius verteidigt er in Adversus Helvidium de Mariae virginitate perpetua (383)63 die unbefleckte Empfängnis Mariens; die Streitschriften gegen Iovinianus (393), Johannes von Jerusalem (396/397), Rufinus von Aquileia (401 und 402), Vigilantius (406) sowie der Dialogus adversus Pelagianos (415) kamen oben bereits zur Sprache. Eine Sonderstellung nehmen die drei Mönchsromane der Jahre 373 bis 386 ein, in denen Hieronymus unterhaltsame Erbauungsliteratur bietet. Hier ist insbesondere die zwischen 373 und 380 entstandene Vita eines gewissen Paulus von Theben als Antwort auf die Antonius-Biographie des Athanasios zu nennen.64 Aus der Gruppe der Übersetzungen, zu der auch eine Reihe von Werken des Origenes zählt, ist die Chronik des Eusebios von Kaisareia hervorzuheben, die Hieronymus bis zum Tod des Valens im Jahr 378 fortgesetzt hat.65 Seine wirkmächtigste Übersetzungsleistung ist jedoch die Vulgata: Nachdem er in Rom den lateinischen Text der Evangelien aufgearbeitet hatte, übertrug er in Bethlehem von 389 59 Verzeichnis seiner Schriften: Thesaurus Linguae Latinae, Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla afferentur (Leipzig 51990) 113–121. 227 f. Vgl. GRÜTZMACHER 1901, 1–21; CAVALLERA 1922/2, 153–165; FÜRST 2003, 283–304; WILLIAMS 2006, 273–301. 60 CSEL 54–56. Zum Corpus zählen auch 29 Briefe, deren Empfänger Hieronymus ist oder die zwischen seinen Korrespondenz-Partnern ausgetauscht wurden. Hinzu kommen zwei Briefe, die unter den pseudepigraphischen Schriften ediert sind, mittlerweile aber wieder Hieronymus selbst zugeschrieben werden; vgl. Ps. Hier. epist. 18. 26 (PL 30, 188–194. 228–230). 61 Bspw. Hier. in Matth. 4,26,31 (CCL 77, 252). 62 BARTHOLD 2010, 160–262. 63 PL 23, 193–221. 64 Vita Pauli primi eremitae; Vita Malchi monachi captivi; Vita Hilarioni (SC 508); unten 6.2.1.1. 65 GCS Eus 7. Hierzu unten 4.3.1.
3.2 Sein Werk
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bis 405 sämtliche Bücher des Alten Testaments auf Grundlage der originalsprachlichen Texte. Von Predigten, die Hieronymus in Bethlehem hielt, sind einige Mitschriften erhalten, die zumeist als tractatus bezeichnet werden. Inhaltlich ließen sie sich zu der großen Gruppe der exegetischen Schriften rechnen: Neben einer philologisch ausgerichteten Einzeluntersuchung zu hebräischen Begriffen im Buch Genesis66 hat Hieronymus zahlreiche Kommentare zu Büchern der Bibel abgefasst. Noch in der ersten Zeit in Bethlehem 386 hat er die Evangelien kommentiert, um von 392/393 bis zu seinem Tod Kommentare zu den Propheten zu veröffentlichen. Aus den exegetischen Schriften spricht zum einen der Philologe Hieronymus, der viele Details auf Basis seiner Hebräischkenntnisse erklärt. Inhaltlich ist er stark Origenes und anderen griechischen Kirchenschriftstellern verpflichtet, was auch seinen Hang zu allegorischer Auslegung erklärt. In den Kommentaren nutzt er, soweit jeweils fertig gestellt, den lateinischen Bibeltext, wie er in der Vulgata vorliegt. Häufig weist er auf Unterschiede zur Septuaginta sowie zu den heute verlorenen griechischen Übersetzungen des Aquila, des Symmachus und des Theodotion hin, die ihm in der Hexapla des Origenes vorlagen.67 An den Stellen, wo sein Text inhaltlich von der Septuaginta abweicht, gibt er in seinen Kommentaren häufig alternative Deutungen nach der Septuaginta – auch wenn er in demselben Abschnitt nachweist, dass der griechische Text hier falsch ist. Die wenigsten der Kommentare liegen in Übersetzung vor, was wohl an der enormen Länge mancher dieser Texte liegt68 sowie an dem Umstand, dass ihnen keine große theologische Originalität zugebilligt wird. Als Quelle für althistorische Fragestellungen werden sie daher in der Forschung kaum beachtet. 3.3 SEIN VERHÄLTNIS ZUR HEIDNISCHEN LITERATUR Die Frage, inwiefern Hieronymus’ Schaffen seiner klassischen Bildung verpflichtet ist, hat für die Fragestellungen dieser Arbeit nur sekundäre Relevanz. Da die Mythen als traditionelles und zugleich dynamisches Erzählgut grundsätzlich nicht an bestimmte Texte gebunden sind, lassen sich die Erkenntnisse über die Nutzung der profanen Literatur durch Hieronymus nicht unmittelbar auf seinen Gebrauch der Mythen übertragen. Zwar wurden die klassischen Texte, insbesondere die Dichtung Ovids und Vergils, „bedeutsam als die eigentlichen Träger mythologischer Bildung durch das ganze abendländische Mittelalter bis zur Renaissance“, so „daß die antike Mythologie bis ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich in latinisiertem Gewand auftrat, ehe die griechischen Originale schrittweise wieder zur Wirkung kamen“,69 doch erscheinen die mythischen Bezüge bei Hieronymus zumeist unabhängig von literarischen Referenzen. Lediglich in der Hinsicht, dass die literarische Überlieferung Teil der griechisch-römischen Kultur ist, wie dies auch auf die mythische 66 67 68 69
Quaestiones hebraicae in genesim (CCL 72, 1–56). Hier. in Tit. 3,9 (CCL 77C, 65). Jüngste Edition des Jesaja-Kommentars in fünf Bänden: VL 23; 27; 30; 35; 36. BURKERT 1981, 33. Vgl. NESTLE 1942, 547 f.; KERÉNYI 1963, 30; DÖRRIE 1966, 45. 57.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Überlieferung zutrifft, lassen sich womöglich Analogien oder Differenzen aufzeigen. Eine offene Haltung gegenüber paganen Schriften könnte demnach erwarten lassen, dass Hieronymus den Mythen nicht allein Ablehnung entgegenbringt. Sein Verhältnis zur heidnischen Literatur hat wohl unter allen Themen die meiste Aufmerksamkeit in der althistorischen Hieronymus-Forschung erfahren.70 Dank einschlägiger Studien konnte ein recht klares Bild gezeichnet werden: Besonders prominent sind Zitate aus den Texten Vergils und Ciceros vertreten, aber auch andere Lateiner wie Terenz, Lukrez, Horaz, Ovid, Persius, Quintilian, Seneca, Plinius der Jüngere sowie Hieronymus’ Zeitgenosse Claudianus begegnen einem immer wieder. Unter den lateinischen christlichen Autoren nimmt Tertullianus eine herausragende Rolle ein. Texte griechischer Autoren, vor allem die immer wieder erwähnten philosophi und poetae, kannte Hieronymus hauptsächlich aus zweiter Hand,71 vor allem vermittelt durch Cicero und Seneca. Seine Kenntnis der griechischen Literatur geht nicht annähernd so weit, wie er sein Publikum glauben machen will. Dass er hingegen Iosephus gut kannte und ausgiebig nutzte, überrascht angesichts seines Interesses an der Sprache und Kultur des Alten Testaments nicht. Weitaus besser kaschiert ist seine Nutzung des Neuplatonikers Porphyrios, der zwar mit seiner Abhandlung „Über die Enthaltsamkeit von fleischlicher Nahrung“ philosophische Argumentationshilfen für das christliche Fasten bot, der jedoch auf Grund seiner Schrift „Gegen die Christen“ nicht offen gelobt werden konnte.72 Abschließend seien die zentralen Selbstzeugnisse betrachtet, die Aufschluss über sein Verhältnis zur profanen Literatur geben. Im 21. Brief aus dem Jahr 383 an seinen Mentor Damasus73 fällt er ein vernichtendes Urteil: „Die Speise der Dämonen sind die Lieder der Dichter, die Weisheit der Welt und der prunkvolle Wortschwall der Rhetoren. [...] Sie bieten keine Sättigung dem Sehnen nach Wahrheit, keine Befriedigung dem Suchen nach Gerechtigkeit. Wer sich mit ihnen beschäftigt, leidet ständig unter dem Hunger nach Wahrheit, und sein Tugendleben verödet.“74
Dennoch will er ihre Lektüre nicht ausschließen und stellt mit einer allegorischen Deutung der Anweisungen für die Ehe mit einer Kriegsgefangenen im Deuteronomium den rechten Umgang mit profaner Literatur dar.75 Wie man dieser den Kopf scheren, die Nägel schneiden und die Gefangenenkleidung abnehmen soll, so habe der Christ mit den antiken Klassikern umzugehen: „Finden wir in ihnen etwas Brauchbares, so benutzen wir es zur Verteidigung unseres Glaubens. Was aber in unnützer Weise von den Götzen, von der Liebe und von den Sorgen um die
70 Oben 1., Anm. 9. 71 GRÜTZMACHER 1901, 122 f.; HAGENDAHL 1958, 93 f.; COURCELLE 1969, 414; HAGENDAHL 1974, 223; CAMERON 2011, 534. 72 Hierzu unten 4.3.3. Vgl. MAGNY 2014, 55–96. 73 Zur Datierung CAVALLERA 1922/2, 26. 155. 74 Hier. epist. 21,13,4 (CSEL 54, 121): daemonum cibus est carmina poetarum, saecularis sapientia, rhetoricum pompa verborum. [...] nulla ibi saturitas veritas, nulla iustitiae refectio repperitur. studiosi earum in fame veri, in virtutum penuria perseverant. Übers. BKV² 18, 312. 75 Dtn 21,10–13. Zum Begriff des usus proprius GNILKA 1984, 21–101.
3.3 Sein Verhältnis zur heidnischen Literatur
61
irdischen Dinge handelt, das rasieren wir ab, das scheren wir kahl, das schneiden wir wie Nägel mit scharfem Messer fort.“76
Hieronymus bejaht also den kritisch-reflektierten Umgang mit den Werken der heidnischen Autoren, mahnt aber, den eigenen Glauben durch die religiösen Inhalte der Texte keinen Schaden nehmen zu lassen. Seine Haltung zeigt ein vernünftiges Augenmaß und bescheinigt seinem Lesepublikum die geistige Mündigkeit, das utile in den Texten selbst erkennen zu können. Die hier vertretene Position entspricht seinem Entwurf eines gebildeten Mönchtums, das er etwa in seiner Vita Pauli dem überholten Bild entgegensetzt, wonach die materielle auch mit einer geistigen Entsagung einherzugehen habe. Dem scheint die Haltung diametral gegenüberzustehen, die ein Jahr später aus dem 22. Brief an Paulas Tochter Eustochium spricht.77 Auf ihre Bitte hin hatte er eine praktische Anleitung zum Leben als christliche Jungfrau verfasst, die unter dem Titel De custodia virginitatis rasch eine gewisse Berühmtheit erlangte. In dem Schreiben enthalten ist die viel diskutierte Traumsequenz, in der sich Hieronymus in einer kafkaesk anmutenden Szene vor dem himmlischen Richter wiederfindet. Auf die Frage nach seinem Stand (condicio) antwortet Hieronymus, dass er Christ sei; der Richter bezichtigt ihn jedoch der Lüge: Ciceronianus es, non Christianus, und lässt ihn schlagen:78 „Ich fing an, bei seinem Namen zu schwören: ‚Herr, wenn ich je wieder weltliche Handschriften besitze oder aus ihnen lese, dann will ich dich verleugnet haben!‘ [...] Und danach habe ich mich mit solchem Eifer den göttlichen Schriften zugewandt, wie ich ihn bei der Beschäftigung mit den profanen nie gekannt hatte.“79
Um diese Episode drehen sich zahlreiche Kontroversen, die Aspekte wie die Historizität des Traums, seine Datierung und die damit verbundene Lokalisierung oder das psychologische Profil des Hieronymus problematisieren.80 Wesentlich für sein Verhältnis zur heidnischen Literatur ist wohl zum ersten die Frage nach der Einhaltung des Schwures, die profane Literatur nicht mehr zu lesen, die sich vor allem deshalb stellt, weil die Zitate aus diesen Texten auch nach Veröffentlichung des
76 Hier. epist. 21,13,6 (CSEL 54, 122 f.): si quid in eis utile repperimus, ad nostrum dogma convertimus, si quid vero superfluum, de idolis, de amore, de cura saecularium rerum, haec radimus, his calvitium indicimus, haec in unguium morem ferro acutissimo descamus. Übers. BKV² 18, 313. Hierzu EISWIRTH 1955, 30 ff.; HOFMANN 1999A, 38. 77 Zur Datierung WILLIAMS 2006, 277–280. 78 Hier. epist. 22,30,1–4 (CSEL 54, 189–191). 79 Hier. epist. 22,30,5 f. (CSEL 54, 189–191): deiurare coepi et nomen eius obtestans dicere: ‚domine, si umquam habuero codices saeculares, si legero, te negavi‘. [...] et tanto dehinc studio divina legisse, quanto mortalia ante non legeram. Übers. nach BKV² 16, 100 f. 80 Der jüngste Forschungüberblick zum Traumgesicht bei CONRIG 2001, 233–236 mit Anm. 14– 22. Ausführlicher: EISWIRTH 1955, 9–29. ANTIN 1963, 71–100, stellt die Wirkungsgeschichte bis zur Moderne dar (mit Bibliographie). Vgl. THIERRY 1963, 28–40; FEICHTINGER 1991, 54– 77; REBENICH 1992A, 37–41; ADKIN 1995, 183–190; FEICHTINGER 1997A, 41–61; ADKIN 1999A, 161–167; ADKIN 2003, 283–297; GAMBERALE 2008, 171–197; ADKIN 2008, 145–149.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Briefes an Eustochium weiterhin Teil seiner literarischen Produktion blieben.81 Bereits Rufinus hatte diese Beobachtung als Vorwurf formuliert. Nun bestünde kein Problem in der Annahme, dass sich ihm die Texte Vergils, Ovids und Ciceros, die er als Schüler in extenso abschreiben, auswendig lernen, rezitieren und auslegen musste, so nachhaltig ins Gedächtnis gebrannt hatten, dass er auch im hohen Alter noch ganze Passagen aus der Aeneis fehlerfrei zitieren konnte, ohne sie nachlesen zu müssen. Hieronymus verweist jedoch selbst in seiner Antwort an Rufinus darauf, dass es sich bei dem Schwur lediglich um einen Traum gehandelt habe, der somit keine bindende Geltung habe.82 Das führt zur zweiten Frage, die sich aus der Traumsequenz ergibt, wie sich nämlich im Vergleich zum 21. Brief an Damasus der mutmaßliche Paradigmenwechsel binnen eines Jahres erklärt. Dieser Eindruck der Indifferenz wird noch dadurch verschärft, dass Hieronymus im Jahr 397 von Bethlehem aus an Flavius Magnus, den Rhetor der Stadt Rom, zur Frage nach dem richtigen Umgang mit der profanen Literatur schreibt: „Ist es da so merkwürdig, wenn ich die weltliche Weisheit wegen der Gefälligkeit des Ausdruckes und der Schönheit der Glieder aus einer Magd und Gefangenen in eine wahre Israelitin umzuwandeln trachte? Ist es so unbegreiflich, wenn ich alles, was an ihr tot ist, den Götzendienst, die Sinnlichkeit, den Irrtum, die Begierlichkeit vorher abschneide oder wegrasiere, um dann in Vereinigung mit dem gereinigten Körper dem Herrn der Heerscharen aus ihr Kinder des Landes zu erzeugen? Meine Arbeit kommt der Familie Christi zugute, die vermeintliche Schändung einer Fremden vermehrt die Zahl ihrer Anhänger.“83
Nicht nur die Kriegsgefangenen-Allegorie aus Dtn 21,10–13 ist dieselbe wie die gegenüber Damasus 14 Jahre zuvor, auch die positive Einstellung gegenüber einem kritischen Umgang mit den heidnischen Texten erscheint wieder. Ist Hieronymus also von seiner neuen Position, die aus der Traumsequenz ablesbar ist, wieder abgefallen? Betrachtet man die jeweiligen Empfänger und Intentionen der Schreiben, wird jedoch klar, dass er in der Sache nie einen Paradigmenwechsel vollzogen hat. Auf der einen Seite stehen zwei Schreiben an männliche Intellektuelle, die zudem durch ihre jeweilige Stellung hohes gesellschaftliches Ansehen genossen: Damasus, den Bischof der Stadt Rom, sowie den Senator Flavius Magnus, einen rhetor urbis aeternae, der für seine Verdienste sogar zum comes primi ordinis erhoben 81 Ab 393 lässt sich sogar eine Erhöhung der Frequenz von Zitaten aus der heidnischen Literatur feststellen; vgl. GRÜTZMACHER 1901, 132 f. 154; SCHNEIDERHAN 1916, 111. 142 f.; HAGENDAHL 1958, 320–323; MCDERMOTT 1982, 372; FEICHTINGER 1991, 67 m. Anm. 44; ZELZER 1993, 146. Dem entspricht jedoch eine generelle Intensivierung seiner literarischen Produktion. EISWIRTH 1955, 9–29, und ADKIN 1999A, 161–167, stehen allein mit ihrer These, Hieronymus habe sich an den Schwur gehalten. 82 Vgl. Hier. adv. Rufin. 1,30 f. (CCL 79, 29–33); vgl. JACOBS 2011, 40. 83 Hier. epist. 70,2,5 f. (CSEL 55, 702): quid ergo mirum, si et ego sapientiam saecularem propter eloquii venustatem et membrorum pulchritudinem de ancilla atque captiva Israhelitin facere cupio, si, quidquid in ea mortuum est idolatriae, voluptatis, erroris, libidinum, vel praecido vel rado et mixtus purissimo corpori vernaculos ex ea genero domino sabaoth? Labor meus in familiam Christi proficit, stuprum in alienam auget numerum conservorum. Übers. BKV² 18, 291. Zu diesem Brief auch unten 6.2.2.
3.3 Sein Verhältnis zur heidnischen Literatur
63
wurde.84 Mit ihnen diskutierte Hieronymus solche dogmatischen Fragen auf Augenhöhe. Vermutlich antizipierte er hier zugleich eine Leserschaft, die an der ernsthaften Auseinandersetzung mit solchen Problemstellungen interessiert war.85 Demgegenüber steht ein Pamphlet christlicher Erbauungsliteratur an Iulia Eustochium, eine junge Frau der gehobenen Gesellschaft,86 die dabei war, sich einem Leben als Nonne zu verschreiben. Es liegt auf der Hand, dass Hieronymus sich mit der Veröffentlichung des Büchleins generell an junge Frauen in ähnlicher Lage richtete, um so seinen Rang als „ascetic champion“87 in Rom zu festigen. Hier kam es auf die spirituelle Wirkung auf Laien an, die gegebenenfalls durch gesteigerte Plastizität und vereinfachte Darstellung komplexer Probleme erreicht werden musste. Vor diesem Hintergrund erscheint die Traumsequenz überaus gelungen. Hinzu kommt, dass Hieronymus in intellektuellen und theologischen Fragen Frauen geringere Fähigkeiten beimaß als Männern.88 Die Mündigkeit, selbst zwischen nützlich und verderblich in den heidnischen Texten zu unterscheiden, die er seiner Leserschaft in den Schreiben an Damasus und Magnus zubilligt, gesteht er den antizipierten Leserinnen von De custodia virginitatis nicht zu.89 Daher kann es für die jungen Damen nur eine Antwort auf jene Fragen geben: „Was hat Horaz mit dem Psalter zu tun? Was Vergil mit den Evangelien? Was Cicero mit den Aposteln?“90 Am besten gar nichts. Die literarische Ausgestaltung des Traums darf nicht als Ausdruck eines tatsächlichen inneren Konflikts verstanden werden,91 sondern als Inszenierung seiner eigenen Person, die wie ein Exemplum als Identifikationsfigur mit menschlichen Schwächen fungiert. Sein nachweisbarer Umgang mit der heidnischen Literatur entspricht der aufgeklärten Haltung, die aus den Briefen an Damasus und Magnus ablesbar ist und somit als schlüssig gelten kann.92 Schließlich war es eines seiner Anliegen, die christliche Askese für die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem überkommenen Bildungsgut zu gewinnen, gleich welcher religiösen Couleur. Dass der Ciceronianus Hieronymus nur einen Aspekt des Christianus Hieronymus ausmacht, weiß er und das spricht unzweifelhaft aus seinem Werk.93 Was sagen diese Überlegungen nun über Hieronymus’ Haltung zu den griechischen Mythen aus? Alle möglichen Schlüsse müssen von einer Vergleichbarkeit der Gegenstände ausgehen, die nicht mehr als eine Hypothese sein kann. Demnach wäre zu erwarten, dass er die heidnische Provenienz der Mythen zwar als mögliches 84 85 86 87 88 89
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NIQUET 2000, 171. ANTIN 1947, 345–363. Eustochium war kaum älter als 16 Jahre; vgl. PCBE 2,1, 713–718 s.v. Iulia Eustochium. REBENICH 2002, 20. Hierzu unten 6.6.1.5. So hebt er in seiner Verteidigung gegen Rufinus’ Vorwürfe, er habe sich nicht an seinen eigenen Schwur gehalten, selbst hervor, dass es sich lediglich um ein Schreiben an eine Christi virginem gehandelt habe; vgl. Hier. adv. Rufin. 1,30 (CCL 79, 29). Hier. epist. 22,29,7 (CSEL 54, 189): quid facit cum psalterio Horatius? cum evangeliis Maro? cum apostolo Cicero? Pace HAGENDAHL 1958, 92; CONRIG 2001, 236. COURCELLE 1969, 124 f. ANTIN 1960, 56.
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3. Hieronymus: Leben und Werk
Problem erkennt, ihren Nutzen jedoch gegebenenfalls über diesen Nachteil stellen würde. Teil dieses Nutzens könnte analog zur Literatur ein wie auch immer gearteter ästhetischer Wert sein, der seinen Reiz dann hat, wenn die jeweiligen Mythen auch einen Erkenntnisgewinn für die eigene Lehre versprechen. Zu diesem Zweck müssten die Mythen jedoch gemäß der Kriegsgefangenen-Allegorie von ihren problematischen Inhalten bereinigt werden. Aber dies ist nun der Punkt, an dem sich diese Spekulationen als Holzweg erweisen: Denn was bliebe von der Mythologie übrig, wenn man „alles, was an ihr tot ist, den Götzendienst, die Sinnlichkeit, den Irrtum, die Begierlichkeit“94 abschnitte? Nichtsdestotrotz vermittelt Hieronymus’ Verhältnis zur heidnischen Literatur den Eindruck, dass auch die griechischen Mythen nicht auf uneingeschränkte Ablehnung in seinem Werk stoßen.
94 Hier. epist. 70,2,5 f. (CSEL 55, 702).
4. HIERONYMUS ÜBER DIE MYTHEN Es ist wohl kaum zu erwarten, dass sich der Mythenbegriff, der oben entwickelt und theoretisch begründet wurde, mit dem deckt, was Hieronymus unter Mythos, insbesondere griechischem Mythos verstand. Damit die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit nicht an ihrem eigenen Gegenstand vorbeigreifen, scheint es daher ratsam, den Kirchenvater selbst zu Wort kommen zu lassen. Da mit diesen Betrachtungen seiner Begrifflichkeit einmal die Meta-Ebene betreten ist, ist im unmittelbaren Anschluss danach zu fragen, wie er grundsätzlich über die Mythen dachte. Während im Kern dieser Arbeit vor allem die konkrete Nutzung mythischer Referenzen in seinem Werk zu untersuchen sein wird, werden im zweiten Teil dieses Kapitels seine Äußerungen über die Mythen zu betrachten sein. 4.1 MYTHOS IN HIERONYMIANISCHER TERMINOLOGIE Die Vokabel, mit der Hieronymus Mythen üblicherweise bezeichnet, ist fabulae. Der Begriff kommt 127-mal in seinen Schriften vor, ist jedoch nicht exklusiv den Mythen vorbehalten. Auf die Fabeln des Aisopos rekurriert Hieronymus beispielsweise als fabulae Aesopi.1 Mitunter qualifiziert er auch Dinge als Gerüchte (fabula rumoris) oder als Ammenmärchen (aniles fabulae) ab.2 Ebenso können Teile der alttestamentlichen Überlieferung in seiner Diktion fabulae sein, die er dann zumeist als Iudaicae fabulae charakterisiert3 oder durch eine Wendung wie hebraei tradunt fabulam einführt.4 So können auch einzelne Erzählungen nach ihren Protagonisten als Susannae fabula5 oder totam Samson fabulam6 bezeichnet werden. Gerade die biblischen Erzählungen nennt er jedoch gleichrangig damit auch historia.7 Daraus ergibt sich, dass der Begriff fabulae für ihn nicht zwingend eine apodiktische Ablehnung der Authentizität einer Erzählung beinhaltet. Die griechischen Mythen selbst nennt er schlicht fabulae oder versieht den Begriff mit Attributen, die ihn eindeutig dem paganen Bereich zuweisen: Zumeist bezeichnet er die Erzählungen dann als fabulae poetarum oder als fabulae gentilium,
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Hier. epist. 29,7,2 (CSEL 54, 242); 79,3,3 (CSEL 55, 91). Hier. in Is. 2,5 (VL 23, 296); 16,59 (VL 36, 1697); in Ezech. 11,38 (CCL 75, 526); epist. 60,10,5 (CSEL 54, 560); 79,5,2 (CSEL 55, 92); 121,10,19; 127,3,1 (CSEL 56, 48. 147). Bspw. Hier. epist. 72,5,1 (CSEL 55, 12). Bspw. Hier. in Os. 2,10; 3,11 (CCL 76, 106. 129). Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 773); vgl. Dan 13,1–64. Hier. in Philem. 4–6 (CCL 77C, 91); vgl. Ri 13,1–16,31. Bspw. Hier. in Ier. 4 (CSEL 59, 264).
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4. Hieronymus über die Mythen
selten fabulae ethnicorum.8 Auf einzelne Mythen weist er unter Hinzuziehung namengebender Protagonisten hin, so etwa iuxta Lapitharum, Centaurorumque fabulam9 oder iuxta Protei fabulam.10 Hieronymus war sich der Vieldeutigkeit der Vokabel fabula bewusst, da stets die eindeutige Zuordnung zum Mythos oder zu einer anderen Art der fabulae gegeben ist. Selbst da, wo das Wort ohne weitere Attribute steht, lässt sich der Bezug problemlos durch den Kontext herstellen. Andere Begriffe für Mythos benutzt Hieronymus nicht. An einer Stelle im Jesaja-Kommentar spricht er von Eselskentauren, „welche die fabulae der Heiden und die Erfindungen (figmenta) der Dichter beschreiben“.11 Die Formulierung hat als Sonderfall zu gelten, da er mit „Erdichtungen“ oder „Erfindungen“ der Heiden üblicherweise ihre Götter bezeichnet, nicht die Mythen.12 Bei dieser Gelegenheit gilt es jedoch festzuhalten, dass Hieronymus keinen inhaltlich klar umrissenen Mythenbegriff kennt. Dieser Umstand wird vor allem problematisch, wenn man sich dem Bereich der Sagen um die Gründung und Frühzeit Roms nähert.13 Fast ausnahmslos und mit größter Selbstverständlichkeit berichtet Hieronymus von den entsprechenden Erzählungen und ihren Akteuren wie von historischen Nachrichten, so etwa im Kommentar zum Propheten Amos über die Regierungszeit des judäischen Königs Usija: „Und bei den Latinern [herrschte zu dieser Zeit] Procas Silvius, dem Amulius in der Königsherrschaft folgte, welcher von seinem Bruder Numitor vertrieben wurde. Nachdem dieser durch eine versammelte Schar von Hirten und Räubern getötet wurde, gründete Romulus in seinem eigenen Namen die Stadt.“14
An einzelnen Stellen ordnet er entsprechende Nachrichten auch explizit dem Bereich der historia zu und setzt dabei die römische Geschichte sowie die der „übrigen Völker“ in Bezug zu „unserer Geschichte“, sprich: der Geschichte von Gottes Volk, die im Alten Testament dokumentiert ist.15 Hierher gehören auch die Bemerkungen über die phönikische Dido und ihren Vater Belus, die Hieronymus in seinem HoseaKommentar ausdrücklich dem historischen Bereich zuordnet.16 Dabei darf jedoch nicht die apologetische Absicht übersehen werden, mit der Hieronymus in einer euhemeristischen Deutung die Götter zu Menschen erklären will, indem er den alttestamentlichen Baal mit Belus gleichsetzt. Da er auf diese Weise Dido historisiert, 8 9 10 11
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15 16
Hier. in Eph. 2 (PL 26, 535B); in Am. 2,5 (CCL 76, 280). Vgl. auch KAHLOS 2010, 640. Hier. in Eph. 3 (PL 26, 561B). Hier. adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33); vgl. auch epist. 52,3,6 (CSEL 54, 418). Hier. in Is. 10,34,8 (VL 30, 1162): onocentauri et pilosi et lamia, quae gentilium fabulae et poetarum figmenta describunt; hierzu unten 5.5. Zum Fortleben der Wendung im Mittelalter GOMPF 1973, 53. Bspw. Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B. 285B); hierzu unten 6.2.1.2. Zum Problem des Verhältnisses zwischen Mythos und Geschichte im Bereich der römischen Frühgeschichte RAAFLAUB 2006, 30 f. Hier. in Am. 1,1 (CCL 76, 213): Et apud Latinos Procas Silvius, cui Amulius, expulso Numitore germano, successit in regnum. Quo interfecto, congregata pastorum et latronum manu, Romulus sui nominis condidit civitatem. Vgl. Am 1,1. Hier. in Is. 1,1,1 (VL 23, 143). Hier. in Os. 1,2 (CCL 76, 28).
4.1 Mythos in hieronymianischer Terminologie
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verleiht er einer zentralen Figur den außeritalischen Passagen in der Aeneis zusätzliche Authentizität, so dass hier die Grenzen zwischen Dichtung und Geschichtsschreibung weiter aufgeweicht werden. Anzunehmen, dass Hieronymus damit die ganze Aeneas-Sage mit allen ihren Einzelheiten zu faktischer Geschichte erklären wollte, wäre sicher verfehlt. Das unterstreicht ein Blick in seine Streitschrift gegen Iovinianus, in der er eine lange Reihe von Exempla aus den Bereichen Geschichte, Literatur, Kultus und Mythos unter dem Begriff Graecae et Latinae Barbaraeque historiae subsumiert.17 Dass hieraus nicht geschlossen werden kann, dass er die Mythen generell für historisch hält, macht er an anderen Stellen in demselben Text durch den Gebrauch des Begriffs fabula im unmittelbaren Zusammenhang mit mythischen Exempla deutlich.18 Vor diesem Hintergrund versteht es sich beinahe von selbst, dass sämtliche Episoden der römischen Frühgeschichte, die Hieronymus in der Chronik des Eusebios von Kaisareia ergänzt hat, ebenfalls als historische Nachrichten intendiert sind.19 Auch hier bringt er einzelne Ereignisse explizit mit dem Begriff historia in Verbindung, so dass kein Zweifel bestehen kann: „In der latinischen Geschichte finden wir Folgendes wörtlich niedergeschrieben: Während Agrippa Silvius bei den Latinern herrschte, glänzte in Griechenland der Dichter Homer – so bezeugen es der Grammatiker Apollodoros und der Historiker Ephoros –, 124 Jahre vor Gründung der Stadt Rom – wie Cornelius Nepos sagt – und 100 Jahre vor der ersten Olympiade.“20
Im Fall des Verrats der Tarpeia an die Sabiner verweist Hieronymus auf den Felsen, wo sich nunc das Kapitol befinde.21 Durch die lokale wie temporale Aktualisierung verschafft er der Nachricht ein zusätzliches Maß an Historizität.22 Gelegentlich geraten die römischen Sagen dennoch in ein Spannungsverhältnis zu ihren phantastischen Zügen. Die Erzählung von der Aufzucht der ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus durch Acca Larentia führt Hieronymus einer euhemeristischen Deutung zu:
17 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282B). Vgl. ebd. 1,43 (PL 23, 286A.B). 18 Hier. adv. Iovin. 1,41. 45 (PL 23, 282C. 287C). 19 Hier. chron. a. Abr. 839. 851. 875. 879. 908. 1029. 1052. 1080. 1093. 1101. 1141. 1161. 1197. 1221. 1224. 1263 f. 1271. 1284. 1289. 1303. 1305. 1352. 1395. 1505. 1511 (GCS Eus 7, 62b– 64b. 66b. 72b. 74b–77b. 79b–81b. 83b–85a. 88a–91b. 94a. 97a. 106 f.). 20 Hier. chron. a. Abr. 1104 (GCS Eus 7, 77b): In Latina historia ad verbum haec scripta reperimus: Agrippa apud Latinos regnante Homerus poeta in Graecia claruit, ut testantur Apollodorus grammaticus et Euforbus [sic] historicus ante urbem Romam conditam ·ann·CXXIIII· et, ut ait Cornelius Nepos, ante olympiadem primam ·anni·C·. Die Notiz findet sich zum Jahr 913 v. Chr., verweist jedoch mit beiden Datierungen im Text ins Jahr 876, also an das Ende der Herrschaft Agrippas; vgl. chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 79b). Zur Identität des Euforbus mit Ephoros von Kyme BNJ 70 F 1026 (= Apollodoros von Athen FGrH 244 F 63e). Zum historiaBegriff in ähnlichem Zusammenhang Hier. chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b). 21 Hier. chron. a. Abr. 1284 (GCS Eus 7, 90a); hierzu unten 6.1.2. 22 Vgl. Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104); hierzu unten 6.1.1.
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4. Hieronymus über die Mythen „Diese wurde wegen der Schönheit und der Habsucht ihres gewinnbringenden Körpers von den Nachbarn lupa genannt. Von daher werden nach unserer Erinnerung die Kämmerchen der Prostituierten lupanaria genannt.“23
Die Pointe seiner Bemerkung besteht natürlich darin, dass lupa neben seiner Grundbedeutung Wölfin auch eine Prostituierte bezeichnet. Auf diese Weise assoziiert der Mönch die Stadt schon vor ihrer Gründung mit der Sünde.24 Fragt man nach dem Sinn einer solchen Dekonstruktion eines Mythos in einem apologetischen Text, wird man wohl zu dem Schluss kommen, dass die wunderliche Erzählung vom Säugen der beiden Söhne eines Gottes durch eine Wölfin mit christlichen Anschauungen in Konflikt stand. Dem steht jedoch gegenüber, dass an anderer Stelle in der Chronik lapidar vermerkt ist: „Remus und Romulus werden durch Mars und Ilia gezeugt.”25 Hier, wo von dem direkten Eingreifen eines Gottes berichtet wird, lässt der Text weder Zweifel an der Historizität noch ein Bemühen um Relativierung der übernatürlichen Vorgänge etwa durch eine euhemeristische Umdeutung erkennen. So bleibt die Acca-Larentia-/lupa-Notiz eine Ausnahme in der Behandlung der römischen Sagen. Solche Inkonsistenzen im Umgang mit Exempla sind jedoch nicht singulär und zeugen eher von Hieronymus’ Desinteresse an paganen Sujets als von ernstzunehmenden Rissen in seinem Gedankengebäude. Das wird auch durch Gegenbeispiele deutlich, in denen er Figuren aus den Gründungssagen Roms dem mythischen Bereich zuweist: In seiner Invektive gegen Vigilantius nennt er den Unhold Cacus in einer Reihe mit Figuren wie Kerberos, Chimäre oder Hydra und weist ihn ausdrücklich den fabulae poetarum zu.26 Auch Camilla erscheint in der Streitschrift gegen Iovinianus in einer Reihe mit mythischen Exempla, die gemeinsam der Dichtung zugewiesen werden,27 und in demselben Werk artikuliert er Zweifel an der Historizität von Romulus’ Zeugung durch Mars.28 Die Widersprüchlichkeit im Umgang mit diesen Sagen lässt sich nur auflösen, wenn man in Rechnung stellt, dass Hieronymus seine Argumentation der jeweiligen unmittelbaren Aussageabsicht anpasst. An den weitaus selteneren Nennungen von Königen aus der historisch dunklen Frühzeit Athens lassen sich ähnliche Beobachtungen machen: Kekrops und Kodros ordnet Hieronymus expressis verbis dem Bereich der historia zu,29 während er die Erzählung von Erichthonios an einer dritten Stelle ausdrücklich als gentilium fabulae bezeichnet.30 Doch zum einen geht es im letztgenannten Beispiel um die Geburt des Erichthonios von der Göttin Ge (weil der Samen des Hephaistos auf die Erde 23 Hier. chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a): […] quae propter pulchritudinem et rapacitatem corporis quaestuosi, Lupa a vicinis appellabatur, unde ad nostram usque memoriam meretricum cellulae lupanaria dicuntur. 24 Zu Charakterisierung Roms als eines sündhaften Ortes unten 6.1.2. 25 Hier. chron. a. Abr. 1241 (GCS Eus 7, 87b): Remus et Romulus generantur Marte et Ilia. Sofern HELM die mit Recht Notiz Eusebios zuschreibt, ändert das den Befund nicht wesentlich. 26 Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5 f.); hierzu unten 6.6.2.5. 27 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A). 28 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A). 29 Hier. chron. a. Abr. 2395 (GCS Eus 7, 250); in Eph. 1 (PL 26, 480C). 30 Hier. adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C); hierzu unten 6.4.1.3.
4.1 Mythos in hieronymianischer Terminologie
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gefallen ist). Es ist also ein Aspekt der Erzählungen angesprochen, der mit einiger Berechtigung als mythisch zu verstehen ist. Zum anderen verknüpft Hieronymus das Exemplum mit der Felsgeburt des Mithras, die eine ungleich engere Verbindung zum Mythos hat. Für die Gruppe dieser beiden Exempla stellte die gemeinsame Kategorisierung fabula somit eine naheliegende Wahl dar.31 Die Erzählungen aus dem Bereich der griechischen und vor allem der römischen Gründungssagen sind für Hieronymus also Teil der historia. Nichtsdestotrotz bilden die Figuren aus dem eigentlichen griechischen Mythos die überwältigende Mehrheit von 656 Nennungen, denen 116 Nennungen aus den Sagen gegenüberstehen.32 Dabei darf jedoch nicht von einer reflektierten, kritischen Auseinandersetzung ausgegangen werden. In Einzelfällen diktiert die Tendenz seiner jeweiligen Arbeit widersprüchliche Positionen. Insofern zeigt Hieronymus einen pragmatischen Umgang mit den Exempla, der nicht sehr an Konsistenz interessiert ist. Die 48 Male, wo Hieronymus die Mythen als fabulae tituliert, lassen sich zu drei etwa gleichgroßen Gruppen von Formulierungstypen zusammenfassen: Recht homogen ist die Gruppe der präpositionalen Ausdrücke, die Hieronymus parenthetisch nutzt, um auf die Zugehörigkeit zu den Mythen hinzuweisen. Sie werden ausnahmslos mit iuxta gebildet. Der häufigste Fall ist das beinahe stereotype iuxta fabulas poetarum, das eine hieronymianische Wendung zu sein scheint.33 Die zweite Gruppe wird durch die Formulierungen gebildet, in denen die fabulae als Subjekt in einem Satz oder Satzteil auftauchen und mit einem Prädikat stehen, das die Weitergabe von Informationen bezeichnet. Neben dem Verb ferre und Derivativen wie inferre oder referre benutzt Hieronymus dicere, describere, narrare oder intellegere. So sagt er beispielsweise über die Hydra: „Die Mythen berichten von der Lernäischen Schlange“.34 Aber auch eingeschobene Relativsätze wie ut fabulae ferunt sind typisch.35 Die fabulae treten dabei zumeist als personifiziertes Subjekt auf. Demnach sind die Dichter lediglich als die Verfasser der Texte angesprochen, die die Mythen transportieren, nicht aber als Urheber der Inhalte. Selbst da, wo der Hinweis auf die Mythen mit einem präpositionalen Ausdruck wie iuxta fabulas poetarum erfolgt, sind die fabulae als Autor der angesprochenen Erzählung eingesetzt. Ganz selten betrachtet Hieronymus der Formulierung nach die poetae als die Urheber der Mythen: Der Pferdemensch, dem Paulus in der Wüste 31 Einen weiteren Sonderfall stellen die Figuren orientalischen Ursprungs dar, deren Erzählungen durch Kultus und Literatur Teil der griechisch-römischen Tradition geworden waren, wie etwa der phrygische Attis in Hier. in Os. 1,4 (CCL 76, 44) oder der persische Mithras in adv. Iovin. 1,7; 2,14 (PL 23, 229C. 317A); epist. 107,2,2 (CSEL 55, 292). Eine stringente Abgrenzung vom griechischen Mythos vollzieht Hieronymus nicht, wenngleich ihm der herkunftsmäßige Kontext zumeist bewusst ist; vgl. bspw. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B); hierzu unten 6.2.1.2. 32 SCHNEIDERHAN 1916, 114 f. 33 Bspw. Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 443); in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151); epist. 70,3,2 (CSEL 54, 704). Danach wieder in Isid. orig. 7,5,3; Beda Venerabilis, In principum Genesis 2,6; Rabanus Maurus, De universo 1,5. 34 Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150): Lerneum anguem fabulae ferunt; hierzu unten 6.6.2.2. 35 Hier. epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475); hierzu unten 6.3.2.1.
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4. Hieronymus über die Mythen
begegnet, heißt nach der opinio poetarum Kentaur,36 Laodameias Keuschheit wird poetarum ore besungen37 und an anderer Stelle spricht Hieronymus den Helikon als den Wohnsitz der Musen an, ut poetae canunt.38 Die dritte Gruppe von Verweisen auf die Mythen wird durch solche Formulierungen gebildet, die sich aus dem jeweiligen Sinnzusammenhang ergeben und dadurch sehr unterschiedlich ausfallen. So spricht Hieronymus beispielsweise vom Begriff „Giganten“ in der Bibel, den die griechischen Übersetzer vor ihm „in Anlehnung an die Mythen“39 aus dem Hebräischen übertragen haben, und mahnt in seinem Amos-Kommentar, „nicht den Mythen der Dichter sowie ihren lächerlichen und widernatürlichen Lügen zu folgen“.40 Von den heidnischen Gestirnsnamen oder den Titanen in der griechischen Bibelübersetzung erklärt er, dass diese Begriffe „ihre Ursachen und ihre Ursprünge in den Mythen der Heiden haben“.41 Zweimal verwendet Hieronymus eine Formulierung, um die Nutzung eines mythischen Exemplums mit dem Hinweis auf einen abwechslungsreicheren Text zu rechtfertigen: „damit ich auch mal etwas aus den Mythen der Dichter streife“.42 Der ganze Komplex der Begrifflichkeit legt daher den Schluss nahe, die Vokabel fabula in dieser Arbeit generell unübersetzt wiederzugeben. Ein zentrales Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist es ja gerade, das Mythenverständnis des Kirchenvaters herauszuarbeiten und zu untersuchen. Den Begriff fabulae mit „Mythen“ zu übersetzen, nähme eine Deutung vorweg. Für die Fälle fabulae gentilium und fabulae poetarum ergibt sich zusätzlich die Schwierigkeit, dass die schlichte Übertragung zu „Mythen“ die Unterscheidungen in der hieronymianischen Terminologie verdecken würde; andererseits sind Wendungen wie „Mythen der Heiden“ und „Mythen der Dichter“ krude Pleonasmen. 4.2 MYTHOS IM URTEIL DES HIERONYMUS Da die griechischen Mythen Erzählungen über Götter sind, muss Hieronymus’ Urteil über die Mythen mit seinem Urteil über die römisch-griechischen Götter zusammenhängen.43 Der Frage, wie sie zu betrachten sind, ist er nicht eigens nachgegangen, weder in Traktaten zu dem Thema noch in einzelnen Textabschnitten. Dennoch hat er immer wieder die Gelegenheit genutzt, im jeweiligen Zusammenhang
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Hier. vita Pauli 7,4 (SC 508, 158); hierzu unten 6.2.1.1. Vgl. auch Hier. adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C); hierzu unten 6.4.2.7. Hier. epist. 58,8,3 (CSEL 54, 538). Hier. in Is. 6,13,3 (VL 27, 692): in similitudinem fabularum gentilium; Vgl. in Is. 6,13,19 (VL 27, 712); hierzu unten 6.4. Hier. in Am. 2,5 (CCL 76, 280 f.): non debemus sequi fabulas poetarum, et ridicula ac portentosa mendacia. Hier. in Gal. 1 (CCL 77A, 67): gentilium fabularum et causas et origines habet. Hier. epist. 108,8,2 (CSEL 55, 314): ut aliquid perstringam de fabulis poetarum. Hierzu unten 6.1.1. Vgl. Hier. epist. 130,7,7 f. (CSEL 56, 184 f.); hierzu unten 6.6.2.4. Hierzu oben 4.2.
4.2 Mythos im Urteil des Hieronymus
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auf seine Position hinzuweisen. Hieronymus ist hierin jedoch nicht originell, sondern wiederholt im Wesentlichen die von den Apologeten entwickelte Ansicht, dass die Götter der Heiden nichts weiter als Menschen seien, die nach ihrem Tod heroisiert und angebetet wurden.44 Als Simon Petrus seinen Herrn Jesus ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ τοῦ ζῶντος anspricht, bemerkt der Hieronymus in seinem Matthäus-Kommentar aus dem Jahr 398 dazu: „Er nennt ihn den ‚lebendigen Gott‘ im Vergleich zu ihren Göttern, die für Götter gehalten werden, aber eigentlich Tote sind – Saturn, Jupiter, Ceres, Liber, Hercules und all die anderen, die ersponnene Götzen bezeichnen.“45
Der Kirchenvater betont den Gegensatz zwischen Jesus und den heidnischen Göttern, die er ausdrücklich als mortui bezeichnet. Damit ist nicht nur angedeutet, dass sie obsolet sind und keine Macht besitzen, sondern auch, dass sie eigentlich Menschen sind. Kronos und Dionysos sind klassische Götter des Olymps, während Herakles als Sohn des Zeus ein Heros ist und erst nach seinem Tod in den Olymp auffährt.46 Dass Hieronymus den Halbgott als Beispiel für einen Toten anführt, der für einen Gott gehalten wird, ist also durch den narrativen Hintergrund seines Mythos begründet. Hinzu treten „auffällige biographische Schnittpunkte“47 mit der Geschichte des Gottessohnes Jesus, der ebenfalls Wundertaten vollbringt und in den Himmel auffährt; die vorliegende Stelle mag eine Reaktion darauf sein. Gegenüber seinem theologischen Widersacher Vigilantius verweist Hieronymus im Jahr 406 auf die Episode in der Apostelgeschichte, als Paulus und Barnabas im kleinasiatischen Lystra wegen der Heilung eines Lahmen von der Bevölkerung für Zeus und Hermes gehalten werden.48 Während die beiden Apostel vor allem darauf hinweisen, dass sie keine besseren Menschen als die Umstehenden seien, betont Hieronymus demgegenüber einen anderen Aspekt: „Geht es hier nicht weniger darum, dass sie nicht besser wären als die längst gestorbenen Menschen Jupiter und Mercur, als vielmehr darum, dass ihnen gemäß irrigem heidnischen Gebrauch Ehre erwiesen werden sollte, die Gott geschuldet ist?“49
Der eigentliche error der Heiden ist hier also nicht, dass sie die Apostel für Zeus und Hermes halten, sondern dass sie die olim mortui homines für Götter halten. Auch in alttestamentlichen Zusammenhängen, in denen von ganz anderen Göttern als den griechisch-römischen die Rede ist, streut Hieronymus wiederholt die Bemerkung ein – zumeist in einem kurzen Nebensatz –, dass die Götter ja nichts
44 Hierzu oben 2.2.2.2. 45 Hier. in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14): Deum vivum appellat ad comparationem horum deorum qui putantur dii sed mortui sunt, Saturnum, Iovem, Cererem, Liberum, Herculem et cetera idolorum portenta significans. Vgl. Mt 16,16. 46 Apollod. 2,7,7. 47 ZILLING 2011, 153. 48 Apg 14,11–15. 49 Hier. c. Vigil. 5 (CCL 79C, 11): non quo meliores non essent olim mortuis hominibus Iove atque Mercurio, sed quod sub gentilitatis errore honor eis deo debitus deferretur? Übers. nach BKV 15, 308.
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4. Hieronymus über die Mythen
anderes als Verstorbene sind. So identifiziert er im Kommentar zu Hos 2,19 zunächst den assyrischen Gottesbegriff Baal (בעל/b‘l) mit dem phönikischen Belus und merkt am Schluss des Passus fast beiläufig an: „alle Götzen sind nämlich aus einem Irrtum über Tote entstanden.“50 Hieronymus vertritt seine Position einerseits mit großer Selbstverständlichkeit, andererseits mit einem gewissen Desinteresse. Offenbar sieht er weder die Notwendigkeit zu erklären, was unter Christen ohnehin communis opinio ist, noch ist das Wesen der heidnischen Götter eine Thematik, die ihn beschäftigt oder durch einen äußeren Anlass Gegenstand seiner Schriften wird. Tote als Götter zu verehren, ist der große Irrtum der Heiden, der error gentilium, den Hieronymus häufig als metonymen Sammelbegriff für ihre Kulte gebraucht, gerade wenn es um die Provenienz mythischer Figuren geht. Der Satyr, welchem Hieronymus den Antonius in der Vita Pauli begegnen lässt, sagt über sich selbst: „Ich bin ein Sterblicher, einer von den Bewohnern der Wüste, welche das durch mannigfache Irrtümer getäuschte Heidentum mit den Namen Faunen, Satyrn und Inkuben verehrt.“51 Gegenüber Iovinianus, der im Jahr 393 den Jungfrauenstand angegriffen hatte, weist Hieronymus auf Athene und Artemis hin: „Kein Wunder, dass man solche Dinge über Menschen liest, wo sich der Irrtum der Heiden Minerva und Diana als jungfräuliche Göttinnen vorgestellt hat“.52 Ab hier erscheint error gentilium als feststehender Ausdruck zur Bezeichnung des Heidentums. Hieronymus macht den error für die Erfindung jungfräulicher Göttinnen verantwortlich, die damit nicht nur erhöhte Menschen, sondern sogar Fiktion (finxerit) sind. Über die mythischen Sirenen aus der Odyssee, die manche Bibelübersetzer (so auch Hieronymus) beim Propheten Jesaja erscheinen lassen, erklärt er: „damit bezeichnen sie irgendwelche Tiere oder Dämonen, die nach dem Irrtum der Heiden mit sanfter Stimme singen und Menschen in die Irre führen“.53 Der error gentilium erscheint hier als Urheber des Sirenenmythos. Während damit die Religiosität der Heiden weiterhin als Irrtum gilt, lässt die Formulierung die Historizität der Sirenen offen.54 Hieronymus übt also Kritik an dem Stellenwert der heidnischen Götter, indem er sie zu Menschen herabwürdigt, und er übt Kritik am Heidentum, weil es dem Irrtum anhängt, sie trotzdem für Götter zu halten. Wie äußert er sich aber über die Erzählungen, die von eben diesen zu Göttern stilisierten Menschen handeln, also über die eigentlichen Mythen? Die Beantwortung dieser Frage stellt den Betrachter vor ein Problem: Während die Zahl der mythischen Referenzen in seinen Schriften recht hoch ist, begibt sich Hieronymus in seinen Bemerkungen nur sehr selten auf die Meta-Ebene, d. h. wertende Äußerungen über die Mythen sind rar.
50 Hier. in Os. 1,2 (CCL 76, 28): omnia enim idola ex mortuorum errore creverunt. 51 Hier. vita Pauli 8,3 (SC 508, 160): Mortalis ego sum, et unus ex accolis eremi, quos vario delusa errore gentilitas Faunos, Satyrosque, et Incubos vocans colit. Übers. GRESCHAT/TILLY 2009, 120. Hierzu unten 6.2.1.1. 52 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A.B): Nec mirum hoc de hominibus, cum Minervam quoque et Dianam virgines deas finxerit error gentilium. Hierzu unten 6.4.2.2. 53 Hier. in Is. 6,13,19 (VL 27, 712): significantes vel bestias aliquas esse, vel daemonas, iuxta errorem gentilium dulce cantantes et decipientes homines. 54 Jes 13,21 f.; hierzu unten 5.4.
4.2 Mythos im Urteil des Hieronymus
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In Zusammenhang mit der biblischen Erzählung von Jona, der nach drei Tagen im Bauch eines Wales unversehrt wieder ausgespuckt wird, versucht Hieronymus in seinem Kommentar aus dem Jahr 396 die Glaubwürdigkeit des alttestamentlichen Berichts gegenüber heidnischen wie christlichen Kritikern zu untermauern, indem er auf die Mythen verweist, die ja im Vergleich viel Unglaublicheres enthielten. Wesentlich ist dabei zum einen die Information, dass die Erzählungen Hieronymus zufolge die „Heiligkeit der göttlichen Natur“ leugnen.55 Was damit gemeint ist, erhellt sich wohl dadurch, dass die turpitudo der Mythen zweimal auf engstem Raum hervorgekehrt wird. Vor allem an den drei Beispielen von Verwandlungen, die Zeus als höchster Gott vollzogen hat, um sich unzüchtig jungen Frauen zu nähern (Leda, Europa, Danae), zeigt sich, dass Hieronymus den alten Vorwurf der christlichen Apologeten wiederholt, dass die heidnischen Götter sich in den Mythen unmoralisch verhalten.56 Fast zehn Jahre später formuliert er erneut den Einwand gegen „die fabulae der Dichter, mit denen Schändlichkeit verbunden ist,“57 im Ezechiel-Kommentar. An besagter Stelle geht es um den Adonis-Mythos sowie seinen Kult, der wegen seiner sexualisierten Rituale bereits in der Antike Anstoß unter den Heiden erregt hatte.58 Im Wesentlichen bewegt sich Hieronymus mit seiner Mythenkritik also auch hier auf den ausgetretenen Pfaden der Apologeten. Als er sich im Jahr 406 im AmosKommentar zu den Gestirnsnamen äußert, die den Mythen entstammen, mahnt er: „Wenn wir aber Arkturos und Orion hören, dürfen wir nicht den fabulae der Dichter folgen, den lächerlichen und missgestalten Lügen, mit denen sie sich anschicken, den Himmel zu entehren, um dann den Preis der Schändung zwischen die Gestirne hinzustellen“.59
Der mythische Hintergrund zu den Gestirnsbezeichnungen sei also auszublenden, weil die Mythen ridicula ac portentosa mendacia sind. Sein Urteil fällt vernichtend aus. Zur Erläuterung weist er – ohne sie zu benennen – auf die Erzählungen von Unzucht hin,60 denen die Mythen Denkmäler am Firmament gesetzt haben. Die schiefe Übersetzung eines Jesaja-Verses in der Septuaginta korrigiert er zwar in der lateinischen Übersetzung, unterlässt es aber nicht, in seinem Kommentar (408 bis 410) auch die abgelehnte griechische Fassung auszulegen: „Dann folgt: ‚auch Ärzte werden sie gewiss nicht auferwecken‘, der Sinn ist offensichtlich, die fabulae der Dichter zu verurteilen, weil sie sich mit Virbius rühmen, der von Äskulap auferweckt worden sei.“61
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Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 144. 146): divinitatis denegat sanctitatem; hierzu unten 6.2.1.3. Oben 2.2.1.2. Hier. in Ezech. 3,8,13 f. (CCL 75, 99): fabulas poetarum, quae habent turpitudinem. BAUDY 1992, 38 f. Hierzu unten 5.6. Hier. in Am. 2,5 (CCL 76, 280 f.): Quando autem audimus Arcturum et Oriona, non debemus sequi fabulas poetarum, et ridicula ac portentosa mendacia, quibus etiam caelum infamare conantur, et mercedem stupri inter sidera collocare. 60 Sen. Herc. f. 1–13. 61 Hier. in Is. 8,26,14 (VL 30, 977): Quodque sequitur: ‚nec medici suscitabunt‘, sensus perspicuus est, condemnari fabulas poetarum, qui ab Aesculapio iactant Virbium suscitatum. Hierzu unten 6.2.1.4. Vgl. Jes 26,14.
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4. Hieronymus über die Mythen
Nach seinem Verständnis liegt hier im Jesaja-Buch eine Spitze gegen den Gott Asklepios vor, der im Mythos Virbius von den Toten auferstehen lässt. Da ihm aber der Glaube fehle, gehe ihm auch die Kraft zu heilen ab. Nach Hieronymus’ Verständnis der Stelle ist es also offensichtlich, dass man die Mythen verurteilen muss. Für sein Bild von den griechischen Mythen lässt sich daraus im Prinzip nicht viel mehr als die Erkenntnis ableiten, dass er ihre Verurteilung mindestens gutheißt. Zusammenfassend lässt sich aus Hieronymus’ spärlich gesäten Kommentaren ein überraschend konsistentes Bild zeichnen, das er von den Mythen zu haben scheint: Als Erzählungen über vorgebliche Götter, die in Wahrheit verstorbene Menschen sind, sind sie lächerlich, erlogen und widerwärtig, weil sie voll von Schändlichkeiten sind. Aus diesem Grund sind sie zu ignorieren, wenn sie den semantischen Hintergrund zu Begriffen des christlichen Sprachgebrauchs bilden, oder zu verurteilen, wenn es um ihre Inhalte geht und diese dem christlichen Glauben zuwiderlaufen. Damit lassen sich seine Aussagen problemlos in das Modell einordnen, das oben zur Darstellung des christlichen Umgangs mit Mythen entwickelt wurde. Seine Äußerungen kritisieren „Unwürdiges Verhalten der Götter“ (oben 2.2.1.2) und sind als „Euhemeristische Dekonstruktion“ aufzufassen (oben 2.2.2.2), da er die Götter als verstorbene Menschen deutet. Dieser Positionierung steht jedoch die große Masse von mythischen Namen gegenüber, die in Hieronymus’ Schriften Erwähnung finden und von ihm als Exempla eingesetzt werden. Sein negatives Urteil über die Mythen, das den klassischen Positionen der Apologeten verpflichtet ist, entspricht nicht dem tatsächlichen Umgang in seinem Werk – wie zu zeigen sein wird. 4.3 HIERONYMUS UND DER CHRISTLICHE ALTERSBEWEIS Der so genannte Altersbeweis, mit dem sich die Christen – wie oben gezeigt – bemühten, den altersmäßigen Vorrang der biblischen Wahrheit vor der paganen Überlieferung aufzuzeigen,62 ist auch für Hieronymus’ Schaffen von gewisser Bedeutung. Da dies die griechischen Mythen explizit einschloss, ist es unerlässlich, seinen Standpunkt in der Sache zu verorten. Ein Vertreter des christlichen Altersbeweises musste zwangsweise einen anderen Blickwinkel auf die griechischen Mythen haben als jemand, der die christliche Lehre als das Neuere verstand. 4.3.1 Die Chronik des Eusebios von Kaisareia Den frühesten und zugleich zentralen Hinweis bietet der zweite Teil der Chronik des Eusebios von Kaisareia, den Hieronymus 380/381 in Konstantinopel wohl auf Betreiben Gregors von Nazianz ins Lateinische übertragen und für die Jahre 327 bis 378 fortgesetzt hat.63 Das Werk des Eusebios, das 326 in seiner endgültigen 62 Oben 2.2.1.4. 63 JEANJEAN/LANÇON 2004, 19. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 276 f.
4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis
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Fassung vorlag,64 enthält in Spalten angelegt die synchronisierten Chroniken verschiedener Völker wie der Assyrer, Ägypter, Griechen und natürlich der Hebräer. Jede Zeile dieser Tabelle entspricht einem Jahr, in der die jeweiligen Ereignisse eines Volkes in die entsprechende Spalte eingetragen sind. Die einzelnen Jahre werden dabei sukzessive nach Herrschaftsjahren durchnummeriert, so dass konkurrierende Zeitrechnungen parallel dargestellt sind. Die Anzahl und Zuordnung der Spalten richtet sich nach den historischen Entwicklungen. Mit dem Jahr 820 v. Chr. wird beispielsweise die Spalte der Assyrer durch die der Meder abgelöst,65 während die Spalte für die Geschichte der Römer erst mit Romulus einsetzt.66 Fortlaufend durch das ganze Werk werden jedoch die Jahre seit Abrahams Geburt durchgezählt, die Eusebios 2016 v. Chr. ansetzt. Diese Zahl dient somit als konstante Bezugsgröße durch das ganze Werk hindurch. Was zunächst als annalistische Universalgeschichte erscheint, stellt sich bei näherer Betrachtung als ein großer apologetischer Altersbeweis dar. Bereits seine praefatio eröffnet Eusebios programmatisch: „Dass Mose aus dem Geschlecht der Hebräer, der als erster von allen Propheten vor der Ankunft unseres Herrn und Erlösers die göttlichen Gesetze in heiligen Texten erklärt hat, zu den Zeiten des Inachos gelebt hat, haben die gelehrtesten Männer (aus unseren Reihen Clemens, Iulius Africanus und Tatianus, aus den Reihen der Juden Iosephus und Iustus von Tiberias) unter Rückgriff auf die Zeugnisse der alten Geschichte berichtet. Zugleich geht Inachos dem Trojanischen Krieg 500 Jahre voraus. Aus den Reihen der Heiden hat sogar jener gottlose Porphyrios im vierten Buch seines Werkes, das er gegen uns in vergeblicher Mühe zusammengestrickt hat, bestätigt, dass Semiramis nach Mose gelebt hat; diese hat aber bei den Assyrern 150 Jahre vor Inachos regiert. Daher ist mit Hilfe seiner Angaben herausgefunden worden, dass Mose fast 850 Jahre älter ist als der Trojanische Krieg.“67
Wie weit nun solche Datierungen den Erkenntnissen der modernen Forschung entsprechen,68 ist für die hier angestellten Überlegungen weitaus weniger erheblich als
64 Die Chronik wurde zuerst 311 veröffentlicht, 325 zu Konstatins Vicennalien in erweiterter Form vorgelegt und im Folgejahr zu der Version korrigiert, die Hieronymus vorlag. Der erste Teil, die Chronographia, ist eine Quellensammlung mit Eusebios’ Kommentaren zu dem Stoff, den die Chronik enthält; vgl. Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 8). Sie fehlt in Hieronymus’ Fassung, ist jedoch in der armenischen enthalten (GCS Eus 5). Hierzu KELLY 2010, 14. 65 Eus. chron. a. Abr. 1191 f. (GCS Eus 7, 83a. 84a). 66 Eus. chron. a. Abr. 1265 (GCS Eus 7, 88b). 67 Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 7 f.): Moysen gentis Hebraeae, qui primus omnium prophetarum ante aduentum Domini Salvatoris divinas leges sacris litteris explicavit, Inachi fuisse temporibus, eruditissimi viri tradiderunt, ex nostris Clemens et Africanus et Tatianus, ex Iudaeis Iosephus et Iustus, veteris historiae monumenta replicantes. Porro Inachus quingentis annis Troianum bellum antecedit. Ex ethnicis vero, impius ille Porphyrius in quarto operis sui libro, quod adversum nos casso labore contexuit, post Moysen Semiramim fuisse adfirmat, quae apud Assyrios ·CL· ante Inachum regnavit annis. Itaque iuxta eum ·DCCC· paene et quinquaginta annis Troiano bello Moyses senior invenitur. Zur Identifikation des Africanus JEANJEAN/LANÇON 2004, 16. 68 Die Datierung verwirft Eusebios im Weiteren selbst zugunsten der Gleichzeitigkeit von Mose und Kekrops; vgl. Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 10). Vgl. auch Hier. chron. a. Abr. 460 (GCS
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4. Hieronymus über die Mythen
Eusebios’ erkennbares Bemühen, mit Hilfe der Angaben des Alten Testaments die altersmäßige Überlegenheit des Christentums gegenüber dem nachzuweisen, was er als griechische Geschichte präsentiert. Wenige Zeilen später konkretisiert er: „Denn Mose, der zwar vielleicht jünger als die oben genannten ist, wird jedoch als älter erkannt als alle, die die Griechen für die ältesten halten, d.h. älter als Homer und Hesiod, als der Trojanische Krieg und viel älter noch als Herakles, Musaios, Linos, Chiron, Orpheus, Kastor und Pollux, Asklepios, Liber, Mercur, Apollon und all die übrigen Götter der Heidenvölker, älter als ihre Heiligtümer und ihre Seher, ja selbst als die Taten des Zeus, dem die Griechen den höchsten Rang an Göttlichkeit zuwiesen.“69
Im Folgenden rechnet Eusebios dann einige biblische und heidnische Datierungsbeispiele gegeneinander auf, um die Problematik und seine Methode zu erläutern. Da er die Chronik erst mit der Geburt Abrahams beginnen lässt, sind seiner Einleitung ergänzend die Informationen zu entnehmen, dass die Sintflut 2800 v. Chr. und Adam 5200 v. Chr. zu datieren seien.70 In der Chronik selbst erscheint dann bis zum Fall Trojas – und in geringerem Maße auch darüber hinaus – neben zahlreichen legendären Herrschergestalten der Griechen auch eine große Zahl von Einträgen, die einzelne Episoden aus den Mythen bestimmten Jahren zuordnen. So wird beispielsweise für das Jahr 487 nach Abrahams Geburt (1530 v. Chr.) die Verbindung des Zeus mit Io verzeichnet.71 Vier Jahre später lässt Eusebios die Deukalische Flut stattfinden, welcher damit die biblische Sintflut um 1433 Jahre vorausgeht.72 Während sich die griechische Geschichte also deutlich ablesbar noch in den Bahnen einer mythischen Vorzeit bewegt, kann die jüdische bereits auf eine schriftlich fixierte, historische Zeit zurückblicken: So führt etwa Mose das Volk Israel nur 15 Jahre später aus Ägypten.73 Eusebios verstärkt diesen Eindruck dadurch, dass er viele Angaben aus den Mythen mehrfach in das Zeitraster einbindet; so findet sich Europas Raub durch Zeus gleich an drei verschiedenen Stellen.74 Das Vage der heidnischen Überlieferung steht damit im krassen Gegensatz zur Geschichtsschreibung des Alten Testaments, die hier als durchgängig zuverlässig und frei von chronologischen Widersprüchen erscheint.75 Dass er die mythischen Erzählungen als authentischen Teil der Ge-
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Eus 7, 43a); hierzu und zu den Folgen für die die Chronik KELLY 2010, 20 f. Sowohl der Trojanische Krieg als auch der Exodus aus Ägypten werden gemeinhin in das 13. Jh. v. Chr. datiert; vgl. GNILKA 2005, 196, Anm. 6. Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 9 f.): Nam Moyses, licet iunior supra dictis sit, ab omnibus tamen, quos Graeci antiquissimos putant, senior deprehenditur, Homero scilicet et Hesiodo, Troianoque bello, ac multo superius Hercule, Musaeo, Lino, Chirone, Orfeo, Castore, Polluce, Aescolapio, Libero, Mercurio, Apolline et ceteris dis gentium sacrisque vel vatibus, ipsius quoque Iovis gestis, quem Graecia in arce divinitatis conlocavit. Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 14 f.). Hier. chron. a. Abr. 487 (GCS Eus 7, 42b); hierzu unten 6.3.2.1. Hier. chron. a. Abr. 491 (GCS Eus 7, 42b). Zur Bedeutung der Deukalischen Flut für die christliche Zeitrechnung HERMANN 1957B, 790. Hierzu unten 6.6.1.1. Vgl. Gen 7,17–8,14. Hier. chron. a. Abr. 505 (GCS Eus 7, 43a). Hier. chron. a. Abr. 572. 698. 732 (GCS Eus 7, 47b. 53b. 55b); hierzu KELLY 2010, 24 f. KELLY 2010, 27.
4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis
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schichte behandelt, stellt dabei keine Aufwertung der fabulae dar, sondern eine Abwertung der „irrtümlich für Götter Gehaltenen“,76 die mit Hilfe dieser euhemeristischen Dekonstruktion zu einfachen Menschen gemacht werden. Die Vielfalt der mythischen Exempla im Chronicon übertrifft beinahe das Gesamtwerk des Hieronymus und auch die Zahl von circa 600 namentlichen Nennungen von Figuren aus den Mythen ist frappierend. So mag der Altersbeweis zwar nicht Eusebios’ einzige Intention gewesen sein, aber zumindest ein wesentliches Ziel, das bereits im Exordium für die ganze Schrift abgesteckt wird.77 Sein Chronicon ist jedenfalls nicht nur eine rein positivistische Synopsis von historischen Einzelereignissen – deren innovative Leistung als solche auch nicht gering geschätzt werden darf –, sondern zugleich eine apologetische Schrift, die sich historiographisch-annalistischer Mittel bedient.78 Der eigentlichen Chronik ist die praefatio des Eusebios vorangestellt, welcher wiederum ein Vorwort des Hieronymus vorausgeht, genannt epistula. Hier macht er vor allem Ausführungen zu seiner Tätigkeit des Übersetzens79 sowie zu seinen addita und admixta: Er habe das Werk ab dem 21. Regierungsjahr Konstantins (327 n. Chr.) fortgesetzt und überdies vereinzelt Informationen in den eusebianischen Text eingefügt, vor allem zur römischen Geschichte.80 Da der griechische Text nicht erhalten ist, bleibt für die Rekonstruktion der ursprünglichen Chronik in der Hauptsache der Vergleich mit der mindestens zwei Jahrhunderte später entstandenen armenischen Übersetzung.81 Die mutmaßlichen Erweiterungen im lateinischen Text, die RUDOLF HELM in seiner Edition durch Asteriske kenntlich gemacht hat,82 bestehen vor allem aus Ergänzungen zur römischen Frühgeschichte und Königszeit sowie zur römischen Geistesgeschichte, etwa in Form von Lebensdaten wichtiger lateinischer Schriftsteller. Hier und da flicht Hieronymus moralisch verwerfliche Details aus dem Privatleben einzelner Kaiser ein (beispielsweise über die Lüsternheit Caracallas83) und lässt vereinzelt aus solchen Äußerungen auch eine indirekte Kritik am Heidentum erkennen, wie etwa in seiner Adaption der berühmten SuetonNotiz, dass Domitian sich als dominus et deus anreden ließ.84 Die meisten Einschübe, die Hieronymus vorgenommen hat, lassen sich damit erklären, dass er den Text für seine Leserschaft im Westen interessanter und attraktiver machen wollte, als es der ursprüngliche griechische Text war. Recht deutlich
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Eus. chron. praef. (GCS Eus 7, 18 f.): falso crediti dii; oben 2.2.2.2. GNILKA 2005, 199. JEANJEAN/LANÇON 2004, 16; GNILKA 2005, 205. 225. JEANJEAN/LANÇON 2004, 16 f. Hier. chron. epist. (GCS Eus 7, 6 f.). Zu seinen Quellen JEANJEAN/LANÇON 2004, 47–53. Eusebius Werke. Bd. 5: Die Chronik. Aus dem Armenischen übersetzt mit textkritischem Kommentar, ed. J. KARST (Leipzig 1911) 156–227; zur Datierung ebd. XXXVI–LIV. Hinzu kommen zwei syrische Epitome sowie eine Reihe byzantinischer Chroniken; vgl. KELLY 2010, 14. 82 Eusebius Werke 7: Die Chronik des Hieronymus, ed. R. HELM (GCS, Berlin 1956). 83 Hier. chron. a. Abr. 2232 (GCS Eus 7, 213); vgl. Eutr. 8,20,1 f.; Hist. Aug. Carac. 10,1. 84 Hier. chron. a. Abr. 2102 (GCS Eus 7, 190); vgl. Suet. Dom. 13,2.
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4. Hieronymus über die Mythen
wird dies, wenn mehreren Erwähnungen des Dionysos parenthetisch die Bemerkung qui Latine Liber pater beigefügt ist.85 Im Fall der biographischen Notizen zu den literarischen Persönlichkeiten lassen sich sogar die persönlichen Vorlieben und Interessen des Kirchenvaters erkennen. Am Schluss der Chronik resümiert Hieronymus gleich einem kurzen Rückblick einige Eckdaten, indem er zu einer Reihe ausgewählter Einzelereignisse den jeweiligen Abstand zum Jahr 378 angibt: „Vom Fall Trojas, der Zeit, als Samson bei den Hebräern war, Von Mose und Kekrops, dem ersten König von Attika Von Abraham und der Herrschaft des Nino und der Semiramis Das macht von Adam bis zum 14. Regierungsjahr des Valens, also bis zu seinem sechsten Konsulat sowie dem zweiten Valentinians,
1561 Jahre 1890 Jahre 2395 Jahre [...]. 5579 Jahre.“86
Prinzipiell übernimmt Hieronymus also das Geschichtsbild des Eusebios. Seine Einfügungen zeigen jedoch nicht grundsätzlich in demselben Maße dessen apologetische Tendenz. BENOÎT JEANJEAN und BERTRAND LANÇON sehen in der Einleitung zu ihrer Ausgabe des Chronicon an der Stelle des Heidentums den Arianismus und andere Häresien, denen gegenüber Verfechter des Nizänums wie Gregor von Nazianz und Hieronymus die zeitliche Priorität und Kontinuität der Orthodoxie beweisen wollten, zumal durch die Erweiterung um die Jahre 327 bis 378.87 In jedem Fall wollte Hieronymus mit seiner Übersetzung eine Schrift, die zweifelsohne seine Zustimmung fand, einem möglichst breiten römischen Adressatenkreis zugänglich machen und sich darüber hinaus als literarische Autorität in theologischen und auch historischen Fragen etablieren. An der Tatsache, dass in der Chronik Geschichte und Mythos gegeneinander aufgestellt werden – wodurch die mythische Zeit gewissermaßen eine Historisierung erfährt –, ändert Hieronymus jedenfalls nichts. Mythos wird hier als Teil der Geschichte betrachtet, dem die Ereignisse in der biblischen Überlieferung jedoch vorausgehen. 4.3.2 Der Altersbeweis im hieronymianischen Opus In der Folge ließ der Kirchenvater dem Thema in seinem Werk nicht mehr diese Aufmerksamkeit zukommen; die Geschichte als solche war für ihn nicht von großem Interesse.88 An einigen Stellen macht er jedoch Angaben zur biblischen Chronologie und setzt diese in Relation zu Ereignissen der römischen Geschichte. Paradigmatisch sei Brief 18A an Damasus herausgenommen, der eine exegetische Abhandlung zur Berufung Jesajas bietet. Bevor über die eigentliche Vision zu sprechen sei, wolle Hieronymus zunächst einmal klären, wer dieser König Usija 85 Hier. chron. a. Abr. 629 (GCS Eus 7, 50b); vgl. ebd. 587. 687 (GCS Eus 7, 48b. 52b). 86 Hier. chron. a. Abr. 2395 (GCS Eus 7, 250): A captivitate Troiae, quo tempore Sampson aput hebraeos erat, anni ·MDLXI· / A Moyse et Cecrope primo rege Atticae anni ·MDCCCXC· / Ab Abraham et regno Nini et Semiramidis anni ·MMCCCXCV· [...] / Fiunt ab Adam usque ad ·XIIII· Valentis annum id est / usque ad consulatum eius ·VI· et Valentiniani iterum omnes anni ·MMMMMDLXXVIIII·. 87 REBENICH 2002, 22; JEANJEAN/LANÇON 2004, 19. 30–41. 88 In Hier. chron. epist. (GCS Eus 7, 7) kündigt er ein nie ausgeführtes Geschichtswerk an.
4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis
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überhaupt sei, in dessen Todesjahr der Prophet seine Berufung datiert, wie lange er regierte und wer seine Zeitgenossen gewesen seien.89 Die angekündigten Angaben zur relativen Chronologie folgen am Ende des Abschnitts – freilich nicht ohne auf seine kurz zuvor fertiggestellte Übersetzung der Chronik hinzuweisen: „Usija regierte aber 52 Jahre lang zu der Zeit, als Amulius bei den Latinern und Agamestor als elfter König bei den Athenern regierten. Nach seinem Tod90 hat der Prophet Jesaja diese Vision gesehen, die zu erklären ich mich jetzt anschicke, und zwar in dem Jahr, als Romulus, der Begründer des römischen Reiches, geboren wurde; das mag denen offenbar werden, die gewillt sind, die Chronik zu lesen, die wir aus der griechischen Rede in die lateinische Sprache übertragen haben.“91
So lassen sich weitere vergleichbare Textstellen finden, in denen Hieronymus die alttestamentlichen Datierungen mit denen der römischen Geschichte abgleicht.92 Er bedient sich dabei fest datierbarer Synchronismen verschiedener geographischer Provenienz (wie etwa der Gründung Roms) und legt den jeweiligen Abstand der Ereignisse zueinander fest. Soweit bisher betrachtet, sind diese chronologischen Angaben auf die Funktion einer bloßen Orientierungshilfe für die Leserschaft der Vulgata beschränkt. Mitunter lässt sich jedoch an seinen Formulierungen eine wertende Haltung in Bezug auf das Alter der erwähnten Ereignisse erahnen. So zählt er in dem 404 verfassten Kondolenzbrief anlässlich des Todes der älteren Paula verschiedene Stationen ihrer Reisen im Heiligen Land auf: „Ich müsste auch Schilo erwähnen, wo der zerstörte Altar heute noch gezeigt wird und wo dem von Romulus in Szene gesetzten Raub der Sabinerinnen im Stamme Benjamin eine ältere Parallele zur Seite gestellt werden kann.“93
Nach Ri 21,21 ff. ist Schilo Schauplatz des Frauenraubs durch die Benjaminiter, den Hieronymus hier mit dem berühmten Raub der Sabinerinnen durch Romulus vergleicht.94 Dabei betont er, dass das biblische Beispiel „Vorläufer“ des römischen ist: raptum Sabinarum praecucurrit.
89 Hier. epist. 18A,1,1 (CSEL 54, 74): antequam de visione dicamus, pertractandum videtur, qui sit Ozias, quot annis regnaverit, qui ei in ceteris gentibus sint coaevi. Vgl. Jes 6,1. 90 Gemeint ist Usijas Tod. Gemäß dem Bibeltext fallen beide Ereignisse lediglich in dasselbe Jahr, über ihre Reihenfolge ist nichts gesagt; vgl. Hier. epist. 18A praef. (CSEL 54, 74); hierzu auch MIEROW, in: ACW 33, 215 f., Anm. 4. 91 Hier. epist. 18A,1,4 (CSEL 54, 75): regnavit autem Ozias annis quinquaginta duobus, quo tempore apud Latinos Amulius, apud Athenienses Agamestor undecimus imperabant. post cuius mortem Esaias propheta hanc visionem, quam explanare nunc nitimur, vidit, id est eo anno, quo Romulus, Romani imperii conditor, natus est, sicut manifestum esse poterit his, qui voluerint legere Temporum librum, quem nos in Latinam linguam ex Graeco sermone transtulimus. Die Angaben im Chronicon weichen davon ab bzw. sind unklar: chron. a. Abr. 1213. 1245. 1248. 1252 (GCS Eus 7, 84a. 87a.b). Zur Datierung des Briefes WILLIAMS 2006, 276 f. 92 Hier. in Agg. prol. (CCL 76A, 713); in Os. 1,5 (CCL 76, 54); in Am. 1,1 (CCL 76, 213). 93 Hier. epist. 108,13,2 (CSEL 55, 322): quid narrem Silo, in quo altare dirutum hodieque monstratur et raptum Sabinarum a Romulo tribus Beniamitica praecucurrit? Übers. nach BKV 15, 116. Zu Paulas Reise unten 6.1.1. 94 Liv. 1,9,1–16; Plu. Rom. 14. Der Frauenraub in Schilo ist nicht im Chronicon erwähnt.
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4. Hieronymus über die Mythen
Ungleich deutlicher kehrt Hieronymus die zeitliche Priorität der biblischen Erzählungen in Bezug auf das Proömium bei Jesaja hervor. In seinem zwischen 408 und 410 entstandenen Kommentar bemerkt er dazu: „Wir wissen ja auch, dass Hiskia seine Herrschaft in Jerusalem im zwölften Jahr des Romulus antrat, der nach seinem Namen die Stadt in Italien gegründet hat, so dass vollkommen klar wird, um wieviel älter unsere Geschichte ist als die der übrigen Völker.“95
Demzufolge handelt es sich um das Jahr 742 v. Chr. unserer Zeitrechnung.96 Die Abweichung der Datierung der Regierungszeit Hiskias ist recht gering zu der modernen Datierung in die Jahre 728 bis 699 v. Chr.97 Entscheidend ist aber der Nachdruck, mit dem Hieronymus den zeitlichen Vorrang „unserer“ Geschichte betont. Was der Kirchenvater hier betreibt, ist ein christlicher Altersbeweis in Reinkultur: „Unter Rekurs auf die Entwicklung der jüdischen Mutterreligion“98 hebt er das Alter der alttestamentlichen Schriften hervor und nimmt die zeitliche Priorität für die eigene Religion in Anspruch. Das einzige Element eines Altersbeweises, das fehlt, ist die Hervorkehrung der inhaltlichen Überlegenheit des Christentums als Folge seiner altersmäßigen. Denn es gehört eigentlich zur inneren Logik dieser Argumentationsfigur, auch die klassische antike Maxime des πρεσβύτερον κρεῖττων zur Anwendung zu bringen.99 Es scheint jedoch so, als ob der Kirchenvater das Selbstverständliche schlicht unausgesprochen gelassen hat. Bemerkenswert ist ferner, wie er die nostrae historiae von denen der gentium ceterarum abhebt. Hieronymus, der in Norditalien als römischer Bürger aufwuchs und in Rom Schüler des berühmten Grammatikers und VergilAuslegers Aelius Donatus war, versteht sich offenbar als Teil einer neuen – oder im Sinne dieses Exkurses: einer besonders alten – gens, nämlich der Christen. 4.3.3 Porphyrios über den Propheten Daniel Eine Sonderstellung hinsichtlich der Frage nach der zeitlichen Priorität der christlichen Lehre nimmt bei Hieronymus das Buch Daniel ein, dessen Entstehung die Chronik ins Jahr 585 v. Chr. datiert.100 Bei den Juden galt das Buch weitgehend als apokryph. In den christlichen Kirchen scheint es in der Praxis nach der Version
95 Hier. in Is. 1,1,1 (VL 23, 143): Sciamus quoque Ezechiam in Hierusalem duodecimo anno Romuli, qui sui nominis in Italia condidit civitatem, regnare coepisse, ut liquido appareat quanto antiquiores sint nostrae historiae quam gentium ceterarum. Vgl. Jes 1,1. 96 Hier. chron. a. Abr. 1278 (GCS Eus 7, 89a). 97 REITERER 2008, 317. 98 KINZIG 1994, 120, hier allgemein zum christlichen Altersbeweis. 99 PILHOFER 1990, 8 f.: „Die mit dem Begriff »Altersbeweis« bezeichnete Argumentationsweise beruht auf dem Satz (I) Was alt ist, ist gut. Wer diesem Satz zustimmt, wird auch die andere Fassung akzeptieren: (II) Was älter ist, ist besser. [...] Dem entspricht die Umkehrung: (III) Was neu ist, ist schlecht, und entsprechend dann auch: (IV) Was neuer ist, ist schlechter.“ 100 Hier. chron. a. Abr. 1432 (GCS Eus 7, 100a f.).
4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis
81
Theodotions gelesen worden zu sein,101 so dass Hieronymus ihm darin folgt, es in seine lateinische Übersetzung aufzunehmen. Das Buch zeichnet sich dadurch aus, dass es zwar recht konkret gehaltene Datierungen enthält, die jeweils zu Beginn die einzelnen Visionen bestimmten Herrschaftsjahren der babylonischen Könige Nebukadnezar und Beltschazar sowie des „Meders“ Darius und Kyros II. zuordnen;102 andererseits wird an manchen Stellen recht eindeutig auf historische Ereignisse angespielt, die sich mitunter mehr als zwei Jahrhunderte nach dem Tod Kyros’ II. im Jahre 530 v. Chr. ereignet haben, so z. B. der Aufstieg und Fall Alexanders des Großen mit der Entstehung der Diadochenreiche (Dan 8,3–22) oder die Entweihung des Jerusalemer Tempels durch Antiochos IV. Epiphanes im Jahr 167 v. Chr. (Dan 12,11 f.). Aus diesem Grund musste das Buch aus christlicher Perspektive insofern von besonderem Interesse sein, als einige der apokalyptischen Prophezeiungen103 durch den Lauf der Geschichte bereits bestätigt worden waren – so man denn die vorgebliche Datierung annahm. Die Richtigkeit der Vorhersehungen im Bereich der profanen Geschichte konnte somit als unumstößlicher Beweis für die Richtigkeit der typologischen Vorausdeutungen auf Christus im ganzen Alten Testament bürgen. Gerade das Buch Daniel enthält besonders viele Andeutungen, die als deutliche Hinweise auf Jesus verstanden werden können, wie Hieronymus selbst betont, so etwa Dan 12,7: „Und ich hörte den Mann in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Stroms stand.“ Nicht nur die Tatsache, dass er kommen würde, sei dem Buch zu entnehmen – wie den übrigen Propheten auch, so der Kirchenvater –, sondern auch Angaben über die tatsächliche Zeit seiner Ankunft seien hier zu finden.104 In seinem 407 verfassten Daniel-Kommentar sah er sich jedoch gezwungen, sich mit heidnischer Kritik auseinanderzusetzen.105 So machte er zu einem zentralen Thema die Verteidigung des Alters und der Authentizität des Buches gegen die Angriffe des Neuplatonikers Porphyrios von Tyros in dessen Schrift „Gegen die Christen“ aus dem Jahre 271.106 Der Prolog des Hieronymus eröffnet unmittelbar mit der Formulierung und Begründung dieser Zielsetzung: „Gegen den Propheten Daniel schrieb Porphyrios sein zwölftes Buch, denn er wollte nicht wahrhaben, dass das Buch von dem selbst sei, dessen Name im Titel steht, stattdessen von jemandem, der zur Zeit des Antiochos Epiphanes in Judäa gelebt habe; und Daniel habe nicht so sehr von kommenden Dingen gesprochen, als vielmehr von Vergangenem berichtet; denn schließlich enthalte alles, was er bis hin zu Antiochos sagt, wahre Geschichte, während alles, was er darüber hinaus vermute, gelogen sei, da er die Zukunft nicht kannte.“107
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Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 774). Hierzu COURTRAY 2007, 127. Zu den schwierigen historischen Angaben GERTZ 2006, 482. Zum apokalyptischen Charakter des Buches Daniel GERTZ 2006, 483 f. Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 772). HAGENDAHL 1958, 224. Zur Datierung COURTRAY 2007, 123 f.; COURTRAY 2009, 23–29. COURTRAY 2009, 34; MAGNY 2014, 55–96. Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 771): Contra prophetam Danielem duodecimum librum scribit Porphyrius, nolens eum ab ipso cuius inscriptus est nomine esse compositum sed a quodam qui temporibus Antiochi, qui appellatus est Epiphanes, fuerit in Iudaea, et non tam Danielem ventura dixisse quam illum narrasse praeterita; denique quidquid usque ad Antiochum dixerit,
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4. Hieronymus über die Mythen
Während die heutige Lehrmeinung die Visionen im Buch Daniel im Wesentlichen als vaticinia ex eventu bestätigt und die vorliegende Textgestalt als „Trostbuch“ für die Juden unter der Herrschaft des Antiochos IV. versteht,108 rief eine derartige Behauptung den vehementen Protest der antiken Christen hervor. Hieronymus berichtet von ausführlichen Zurückweisungen durch Methodios von Olympos, Eusebios von Kaisareia und Apollinaris von Laodikeia.109 Auch das Verbot und die angeordnete Vernichtung der Schrift durch Konstantin110 hatten ihre Verbreitung offenbar nicht aufhalten können, denn noch 420 sah sich Philostorgios genötigt, gegen Porphyrios zu schreiben.111 Der Neuplatoniker hatte noch weitere Einwände gegen das Buch Daniel geltend gemacht, die durch Hieronymus’ Kommentar überliefert sind, doch sei hier nur der gegen das Alter der Schrift berücksichtigt.112 So kann der Kirchenvater den divinatorischen Charakter der Visionen nur mit dem Argument der fides verteidigen: „Sein Angriff [sc. des Porphyrios] bezeugt die Wahrheit: Denn im Gesagten war so viel Glaube, dass es Ungläubigen erschien, als würde Daniel nicht Zukünftiges vorhersagen, sondern von Vergangenem erzählen.“113
Auch wenn Hieronymus zu anderen Stellen des Alten Testaments selbst mitunter Zweifel an der Authentizität einzelner Visionen artikuliert,114 ging ihm die grundsätzliche In-Frage-Stellung des Propheten Daniel durch Porphyrios zu weit. An diesem Punkt kommt wohl zum Tragen, dass der Glaube letztendlich keine Frage von Argumenten und Beweisen ist: Das Buch Daniel ist für Hieronymus Teil seiner zu verteidigenden fides quae creditur. Doch was haben diese Beobachtungen mit dem christlichen Altersbeweis zu tun? Am Ende des Prologs zählt Hieronymus eine Reihe heidnischer Autoren auf, die er im Kommentar für seine historische Auslegung zu Rate ziehen musste: „Und wann immer wir genötigt sind, weltliche Literatur zu berücksichtigen und irgendetwas daraus zu erwähnen, was wir ansonsten ausgelassen haben, ist das nicht unser Wille, sondern sozusagen lästige Notwendigkeit: damit wir nämlich beweisen können, dass das, was vor vielen
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veram historiam continere, siquid autem ultra opinatus sit, quae futura nescierit esse mentitum; vgl. auch in Dan. 3,11 (CCL 75A, 932); hierzu COURTRAY 2009, 149. Nach GERTZ 2006, 483–487, fällt die Endredaktion in die Zeit zwischen 167 und 165 v. Chr. In die vorgebliche Entstehungszeit zwischen 598/597 und 530 v. Chr. lässt sich wohl nur der aramäische Kern datieren (Kap 2–6 bzw. 1 und 7). Vgl. auch BAUER 1996, 27–29; COURTRAY 2009, 35. 149. 391 f.; MAGNY 2014, 81–83. Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 771 f.). Aus diesem Grund hatte er es zuvor abgelehnt, sich mit Porphyrios zu befassen; Hier. in Matth. 4,24,16–18 (SC 259, 192. 194); vgl. LÜBECK 1872, 85; COOK 2000, 145, Anm. 217. Socr. h.e. 1,9,30; hierzu COURTRAY 2009, 140 f. m. Anm. 35. COURTRAY 2009, 141. COURTRAY 2009, 143–150, hat 38 solcher Fragmente zusammengestellt und vermutet, dass Hieronymus diese Schrift des Porphyrios vermutlich nur aus den Repliken kannte; vgl. COURCELLE 1969, 74–78, bes. 76: „ he is one of the few writers to have a precise idea of its contents.“ Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 772): cuius impugnatio testimonium veritatis est: tanta enim dictorum fides fuit, ut propheta incredulis hominibus non videatur futura dixisse sed narrasse praeterita. Bspw. Hier. in Ezech. 6,19 (CCL 75, 250); hierzu COURTRAY 2009, 30.
4.3 Hieronymus und der christliche Altersbeweis
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Jahrhunderten von den heiligen Propheten vorhergesagt wurde, in den Schriften der Griechen, Lateiner und anderer Völker enthalten ist.“115
In der Hervorkehrung der imitatio biblischer Wahrheit zeigt sich, dass er das Buch Daniel wegen der enthaltenen Prophezeiungen, die nachprüfbar eingetreten sind, als ein Kernstück der Beweisführung für die zeitliche Priorität und inhaltliche Superiorität des Christentums ansieht. Er selbst hebt den speziellen Fall auf eine allgemeine Ebene und macht das Daniel-Problem zu einer Grundsatzfrage. Das illustriert somit recht eindrücklich, wie immanent wichtig die Kontinuität vom Alten zum Neuen Testament für das Glaubensverständnis des Kirchenvaters war. Gerade das Buch Daniel, das eschatologische Grundfragen berührt, stellte für ihn als Christen ein wichtiges Scharnier dar.116 Porphyrios wollte dem Alter der Schrift und damit der Autorität ihrer Prophezeiungen die Grundlage entziehen: „en écrivant contre Daniel, Porphyre a écrit contre le Christ“117 – das konnte Hieronymus nicht auf sich sitzen lassen. 4.3.4 Zusammenfassung In dem Moment, in dem jedweder Mythos als verfälschte Übernahme alttestamentlicher Weisheit betrachtet werden kann, verliert er mit seiner Eigenständigkeit auch einen Teil seiner Bedeutsamkeit. Durch den christlichen Altersbeweis ist nicht nur das Alter der eigenen Religion bewiesen, sondern zugleich auch das gesamte Heidentum als error entlarvt. Die Mythen sind dabei dasjenige Erzählgut, das als direkter Widerpart zu den biblischen Erzählungen funktionalisiert wird. Wenn Hieronymus also in Gen 6,4 die ( נפליםnfljm) vorfindet und sie zu gigantes überträgt, sind es aus christlicher Perspektive nicht die Ähnlichkeiten der biblischen Figuren zu den mythischen, die dieses Vorgehen veranlassen, sondern umgekehrt. In letzter Konsequenz ließe sich damit jede mythische Referenz im Werk des Kirchenvaters als ein Vorgriff auf eine Entwicklungsstufe herab zu demjenigen Bildungskanon deuten, von dem Hieronymus annahm, dass er seinem Adressatenkreis eher entsprach als der biblische, also der ursprüngliche. Der christliche Altersbeweis ist im hieronymianischen Denken nur latent wahrnehmbar, hintergründig jedoch vorhanden und damit als konstante Bedingung seiner Bezugnahmen auf die griechischen Mythen vorauszusetzen.
115 Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 775): et siquando cogimur litterarum saecularium recordari et aliqua ex his dicere quae olim omisimus, non nostrae est voluntatis sed, ut ita dicam, gravissimae necessitatis: ut probemus ea quae ante saecula multa a sanctis prophetis praedicta sunt, tam Graecorum quam Latinorum et aliarum gentium litteris contineri. Zur Autorenaufzählung COURCELLE 1943, 64; HAGENDAHL 1958, 225 f. 116 COURTRAY 2009, 36. 365 f. 117 COURTRAY 2009, 36.
5. MYTHOS IN DER VULGATA In Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit nimmt die Vulgata als seine lateinische Bibelübersetzung eine Sonderrolle innerhalb des hieronymianischen Schaffens ein. Sie enthält Namen von Figuren aus den griechischen Mythen, deren Erwähnungen jedoch eigenen, ganz anderen Bedingungen folgen, als dies für den großen Rest seines Werkes zu zeigen sein wird. Diese Besonderheiten wurde in einer eigenen Untersuchung mit dem Titel „Giganten und Sirenen in der Vulgata. Griechischer Mythos in der lateinischen Bibel des Hieronymus“ herausgearbeitet, deren Ergebnisse Teilen des folgenden Abschnitts zugrunde liegen.1 Für den Sonderstatus der mythischen Referenzen in der Vulgata lassen sich drei Gründe benennen. Zum ersten liegt, anders als bei den meisten anderen seiner Übersetzungen, die originalsprachliche Vorlage nebst einer Reihe älterer Übersetzungen vor, insbesondere der Septuaginta: Da in Alexandreia die Hebräischkenntnisse unter den Diaspora-Juden nicht allgemein vorhanden waren, entstand vom 3. Jh. v. Chr. bis in christliche Zeit diese erste vollständige Übersetzung des Tanachs.2 Was die Entstehung angeht, stieß in der Antike die Legende auf weitestgehende Akzeptanz, dass Ptolemaios II. Philadelphos je sechs Gelehrte aus allen zwölf Stämmen Israels mit der Übersetzung der Tora beauftragt hatte.3 Die Erzählung wandelte sich später dahingehend, dass diese 72 Übersetzer (abgerundet Septuaginta) unabhängig voneinander zu völlig identischen Übersetzungen des ganzen Tanachs gekommen waren.4 Damit war klar: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2 Tim 3,16). Mit diesem Nimbus versehen, etablierte sich die Septuaginta bei Juden und Christen als kanonische Bibelfassung, deren Autorität trotz starker Freiheiten gegenüber dem hebräischen Text bis weit in die Spätantike ungebrochen blieb.5 Hieronymus hat sich mit seiner lateinischen Bibelfassung nicht nur bemüht, den Text der Septuaginta zu korrigieren, wo es ihm nötig schien, sondern insbesondere auch einen weitaus zuverlässigeren Text zu schaffen, als ihn die verschiedenen in Umlauf befindlichen lateinischen Bibelübersetzungen darstellten, die unter dem Namen Vetus Latina zusammengefasst werden. Diese waren, was das Alte Testament betrifft, überwiegend nach der Septuaginta verfasst6 und somit als Übersetzung einer Übersetzung weit vom eigentlichen Originaltext entfernt. Daher war es
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RONNENBERG 2015A, zum Zeitpunkt der Schriftlegung im Druck befindlich. Die nachfolgenden Betrachtungen zu den Gestirnsnamen (unten 5.1), den Giganten (5.3) und den Sirenen (5.4) fassen die entsprechenden Abschnitte dieser Untersuchung zusammen. Koh liegt nur in der Fassung Aquilas vor; SIEGERT 2004, 72. EpArist 9–50 passim. Phil. v. Mos. 2,25–44; Iren. haer. 3,21,2; vgl. 2 Tim 3,16 f. JANZ 1997, 638. Zum griechischen Mythos in der Septuaginta BLOCH 2011, 121–127. Z.T. wohl auch nach anderen griechisch-jüdischen Targumen; NIEHOFF 1998, 1197 f.
5. Mythos in der Vulgata
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eine der wesentlichen Leistungen des Kirchenvaters, den Wert des hebräischen Bibeltextes zu erkennen. Für die vorliegende Arbeit bedeutet das, dass mit der Vulgata also die besondere Situation vorliegt, dass sich Hieronymus’ Entscheidungen für mythische Begriffe entweder als eigene Eingriffe oder aber als Übernahmen aus Parallelübersetzungen erkennen und entsprechend bewerten lassen. Zum zweiten war die Bibel für das Christentum als Buchreligion gerade wegen ihrer zentralen Funktion besonders prekär für den Übersetzer. Kleine mythische Referenzen, die vielleicht als Bonmot in einem persönlichen Brief keinen Anstoß erregt haben, könnten in der Heiligen Schrift leicht zu Kontroversen geführt haben. Auch wenn der Mythos in der Spätantike seine alte Verbindung zum Ritual eingebüßt hatte, war trotzdem das Bewusstsein vorhanden, dass das mythische Personal in den Tempeln und Götterbildern der Heiden fortbestand. Dies war auch Hieronymus klar, wenn er griechische Mythen in die Vulgata brachte, jedoch stand er vor einem mehrschichtigen Problem: Einerseits musste er erwarten, dass jede veränderte Namensgebung aus älteren Übersetzungen der Akzeptanz seiner neuen Fassung in den lateinischen Gemeinden im Wege stehen konnte. Andererseits sah er sich genauso wie die Übersetzer der Septuaginta mit dem Problem konfrontiert, dass ihm mitunter Termini in seiner Muttersprache fehlten, die nicht mythischen Ursprungs oder zumindest nicht mythisch besetzt waren. Drittens konnten Namen aus dem griechischen Mythos, die einmal Einzug in die Bibelübersetzung gehalten und sich durchgesetzt hatten, als legitimiert gelten und fortan auch in anderen christlichen Kontexten benutzt werden, ohne notwendigerweise die erwähnten heidnischen Implikationen beinhalten zu müssen. Für das übrige hieronymianische Werk bedeutet das, dass solche Begriffe – die wenigstens überall dort wieder auftauchen, wo er auf die entsprechenden Bibelstellen rekurriert, vor allem in seinen exegetischen Werken – sich nicht notwendigerweise auf den Mythos beziehen müssen, in einigen Fällen sogar ausschließlich in einem nichtmythischen Gebrauch zu finden sind. Die betreffenden Erwähnungen zerfallen dabei grob in zwei Gruppen. Zum einen haben Begriffe ihren Weg mangels begrifflicher Alternativen in die Vulgata gefunden. Ihr Erscheinen stellt somit vor allem ein lexikalisches Problem dar. Bei anderen Namen zeichnen sich narrative Parallelen zu den entsprechenden Mythen dafür verantwortlich, dass sie in der Vulgata erscheinen. Dabei ist es gerade im Fall der paganen Götter- und Heldenerzählungen überraschend, dass Hieronymus sie in seiner Revision des Bibeltextes nicht konsequent mied. In manchen Fällen scheint er sich der mythischen Bezüge gar nicht bewusst zu sein, während er in anderen Fällen die Problematik sogar in seinen exegetischen Werken anspricht und Rechtfertigungen bietet. 5.1 ER HAT DEN ORION GESCHAFFEN An vier Stellen führt Hieronymus die Gestirnsnamen Arktur, Orion sowie die Hyaden und die Plejaden in die Vulgata ein, mit denen im Mythos jeweils eigene Er-
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5. Mythos in der Vulgata
zählungen verbunden sind.7 Er weist selbst mehrfach auf das Problem hin und begründet die Wortwahl mit der Unverständlichkeit der hebräischen Bezeichnungen für westliche Leser sowie dem Fehlen entsprechender Termini im Lateinischen, die frei von mythischen Implikationen seien.8 Um diese pragmatisch orientierte Rechtfertigung dogmatisch zu unterfüttern und den eigenen Abstand zu den mythischen Inhalten herauszustellen, lehnt er die Mythen ostentativ ab.9 Seine Argumentation folgt etablierten apologetischen Mustern: Das Verhalten der Götter sei unwürdig und die Erzählungen seien von den heidnischen Dichtern erfunden worden.10 Die deutliche Ablehnung der Mythen lässt sich hier aus dem Bestreben erklären, die eigene Übersetzungspraxis zu legitimieren. Dass Hieronymus mit diesen mythenkritischen Äußerungen keine zentralen Anliegen verband, lässt sich an der oberflächlichen und wenig originellen Argumentation ablesen – die überdies einen veralteten Diskurs aufgreift. Entscheidend ist, dass die mythisch konnotierten Gestirnsnamen nach lexikalischen Gesichtspunkten in den Bibeltext eingeführt wurden. 5.2 WIE BIST DU VOM HIMMEL GEFALLEN, LUCIFER An vier Stellen nennt die Vulgata lucifer, den Morgenstern, der im Lateinischen die wörtliche Entsprechung zum griechischen Phosphoros bzw. Heosphoros bildet.11 Mit einer Ausnahme bezeichnet Hieronymus damit stets den Planeten Venus als astronomisches Phänomen, so dass der Name vordergründig als Teil der vorausgegangenen Überlegungen betrachtet werden könnte. Der Umstand, dass sich lucifer jedoch als Name christlicher Teufelsvorstellungen etabliert hatte und dieses Verständnis mit narrativen Parallelen zum mythischen Heosphoros zusammenhängt, weist ihn der zweiten Gruppe von mythischen Namen in der Vulgata zu. Zunächst sei daher in aller Kürze nachgezeichnet, wie lucifer überhaupt zu einem Namen des Teufels werden konnte. Prinzipiell ist diese Deutung „schon eine recht merkwürdige Sache“,12 da die Bibel keine direkte Vorlage liefert. Nichtsdes-
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Hierzu RONNENBERG 2015A, Kap. 2. Vgl. Ijob 9,9 (Kapitelüberschrift hier); 37,9; 38,31; Am 5,8; hierzu SCHIAPARELLI 1904, 48–58; MÜLLER 2001, 214–218. Zu Arctos vgl. Eratosth. Cat. 8; Ov. met. 2,496–532; fast. 2,187–192; Hyg. astr. 2,1. 4; Serv. georg. 1,67; zu Orion Hom. Od. 5,121–124; 11,572–575; Apollod. 1,4,3–5; Hyg. fab. 195; astr. 2,21. 26. 33 f.; Serv. Aen. 10,763; zu den Hyaden Apollod. 3,4,3; Hyg. fab. 182; astr. 2,21; zu den Plejaden: Apollod. 3,10,1–3; Hyg. fab. 192; astr. 2,21. 8 Hier. in Is. 6,13,3 (VL 27, 692 f.). 9 Hier. in Am. 2,5 (CCL 76, 280); zitiert oben 4.1. 10 Oben 2.2.1.2 und 2.2.1.3. 11 Ijob 11,17; 38,32; Ps 108,3 (= Vulg. psalm. [LXX] 109,3); Jes 14,12. Vor allem zu dem Psalmvers hat Hieronymus sich wiederholt geäußert; bes. Hier. tract. in psalm. I 109,3 (CCL 78, 224 f.). Zur Gleichsetzung der beiden Namen STEUDING 1890B, 2036. 12 SCHMIDT 1951, 162. Vgl. auch BARTELINK 1982, 463–471. Überraschend ist die negative Wendung der Lichtsymbolik, die seit Pl. R. 7,514a–518b gemeinhin positiv besetzt war. Jesus bezeichnet sich in Offb 22,16 sogar selbst als ὁ ἀστήρ ὁ λαµπρός καί ὄρθρινος; hierzu SCHMIDT
5.2 Wie bist du vom Himmel gefallen, Lucifer
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totrotz konnte Hieronymus auf eine längst etablierte Deutungstradition zurückgreifen.13 Die zentrale Bibelstelle für die Begriffsentwicklung ist das Spottlied auf den König von Babylon in Jesaja 14. Ihm wird vorgeworfen, er habe sich im Rausch seiner Macht auf eine Ebene mit Gott stellen und über die Sterne erheben wollen. Aufgrund seiner Hybris wird er jedoch von Gott auf die Erde niedergeworfen.14 So heißt es in Vers 12: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du strahlender Sohn der Morgenröte (הילל בן־שחר/hjll bn-šḥr)“.15 An diese Stelle wurde spätestens seit dem 3. Jh. von christlichen Interpreten ein Diktum Jesu aus dem Lukas-Evangelium geknüpft: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“.16 Die Parallele ist offensichtlich: eine in Ungnade gefallene Figur wird aus ihrer ins Himmlische erhobenen Stellung von Gott verbannt und – im Wortsinn – erniedrigt.17 Hinzu treten weitere Stellen, die das Bild vom Teufel als lucifer verdichten, der in seinem Hochmut zu Fall kommt. So wird in Ez 28,14–17 über den König von Tyros berichtet, dass er die besondere Gunst Gottes an dem Tag verwirkt habe, als er begonnen habe, Böses zu tun: „Dein Herz wollte hoch hinaus wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht um deines Glanzes willen. Ich habe dich zu Boden geworfen“ (V. 17). In seinem Kommentar stellt Hieronymus nun explizit die Verbindung zu den beiden zuvor genannten Textstellen her: „So bist du auf die Erde geworfen worden, der du vorher auf dem Berg Gottes gewohnt hast, von dem auch Jesaja schreibt: ‚Wie bist du vom Himmel gefallen, Lucifer, Sohn der Morgenröte‘, und der Heiland im Evangelium sagt: ‚Ich schaute den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen‘, und was auch Jeremia zu Jerusalem spricht: ‚Wehe, wie umwölkt in seinem Zorn der Herr die Tochter Zion! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel zur Erde geworfen‘.“18
Der König von Tyros wird also mit dem König von Babylon gleichgesetzt und dadurch ebenfalls mit dem gefallenen Satan im Lukas-Evangelium assoziiert. So kann Hieronymus auf ein ganzes Konvolut von Bibelstellen zurückgreifen, deren
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1951, 162; VERCRUYSSE 2001, 172 f. So erklärt sich auch, dass Lucifer als christlicher Taufnahme belegt ist. Berühmtestes Beispiel dürfte Bischof Lucifer von Calaris auf Sardinien sein, dessen Anhängern Hieronymus die Altercatio Luciferiani et Orthodoxi (SC 473) gewidmet hat. Hieronymus wird in der Literatur immer wieder als Urheber der Gleichsetzung Lucifer-Satan gehandelt; vgl. THIERRY 1967, 121 f.; LUCK 2001, 297; implizit: GRELOT 1956, 48. SCHMIDT 1951, 165; GRELOT 1956, 47; MARX 2000, 183; VERCRUYSSE 2001, 149. Jes 14,12; hierzu Hier. in Is. 5,14,12 (VL 27, 566); 6,14,12 (VL 27, 723); epist. 22,27; 69,9 (CSEL 54, 183 f. 698 f.); vgl. Or. hom. in num. 12,4; hom. in Ezech. 9,2; vgl. auch SCHMIDT 1951, 164; GRELOT 1956, 18; CRAIGIE 1973, 224; VERCRUYSSE 2001, 166–168. HebräischUmschriften folgen dem Abkürzungsverzeichnis der Neuen Echter Bibel. ANNETT GIERCKEUNGERMANN, JANA MÜLLER-SIEGWARDT und KARL LEO NOETHLICHS gilt der Dank des Vf. für die Hilfe bei der Kompensation mangelnder Hebräisch-Kenntnisse. Lk 10,18; hierzu VERCRUYSSE 2001, 154. 173 f. MARX 2000, 176. Hier. in Ezech. 9,28 (CCL 75, 397): unde in terram proiectus es, qui ante habitabas in monte Dei – de quo et Esaias scribit: ‚Quomodo cecidit lucifer, qui mane oriebatur?‘, et Salvator in evangelio: ‚Videbam‘, inquit, ‚Satanam quasi fulgur de caelo cadentem‘, quod et Hieremias loquitur ad Hierusalem: ‚Quomodo obscuravit Dominus in ira sua filiam Sion, proiecit de caelo in terram gloriam Israel.‘ Vgl. Klgl 2,1.
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5. Mythos in der Vulgata
Verknüpfung kumulativ die Gleichsetzung vom hochmütigen Herrscher in Jes 14,12 mit Satan in Lk 10,18 zementiert hat.19 Dem ist jedoch hinzuzufügen, dass der ( שטןšṭn) im Alten Testament noch nicht die „eigenständige widergöttliche Macht“20 des Neuen Testaments ist. Die Vokabel bezeichnet zumeist menschliche Widersacher, die sehr divergente Funktionen und Bedeutungen tragen.21 In einigen, wenigen Fällen sind auch solche Gegner als Satan bezeichnet, die dem himmlischen Bereich zugewiesen sind und mitunter im Auftrag JHWHs handeln.22 Für den Paradigmenwechsel hin zum christlichen Satansbegriff23 ist der Einfluss der zwischentestamentlichen Pseudepigraphen wesentlich, insbesondere des Buchs der Weisheit sowie des Buchs der Jubiläen.24 In einem zweiten Schritt gilt es nun, die narrativen Bezüge zwischen dem Fall Lucifers und dem griechischen Mythos darzustellen. Bei Hesiod wird Heosphoros als Sohn des Astraios und der Eos, also der Morgenröte, vorgestellt. Nach Homer zieht er der Mutter bei Tagesanbruch voraus. Hiermit ist der Wechsel zwischen Tag- und Nachthimmel in einen aitiologischen Mythos gekleidet, der wohl das Phänomen illustriert, dass der Morgenstern nur kurz vor Tagesbeginn zu sehen ist. Das nächtliche Ausbleiben am Firmament ist im Mythos damit erklärt, dass Aphrodite dem Heosphoros die Bewachung ihrer Tempel während der Nacht aufgetragen habe.25 Parallelen zum biblischen Bericht werden hier freilich nicht deutlich.26 Die Lösung ist wohl in der bekannten Erzählung über Phaethon zu erblicken,27 wie sie bei Ovid ausführlich wiedergegeben wird, aber bereits bei Hesiod zu finden ist: Als sein Gefährte Epaphos ihn verspottet und anzweifelt, dass der Sonnengott Helios tatsächlich sein Vater sei, bricht Phaethon von Ägypten auf und sucht ihn in seinem Palast im Osten auf, von dem täglich die Sonne aufgeht. Zum Beweis seiner Vaterliebe gewährt dieser dem Phaethon einen Wunsch. In seinem jugendlichen Übermut wünscht der Sohn sich, den Sonnenwagen einen Tag über den Himmel lenken zu dürfen, und insistiert darauf, auch gegen die eindringlichen Mahnungen 19 Die Verknüpfung der beiden Textstellen vollzieht Hieronymus wiederholt: Hier. in Is. 6,14,12 (VL 27, 722 f.); 10,34,1 (VL 30, 1156); in Ezech. 10,31 (CCL 75, 437 f.); in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810); in Mich. 1,1 (CCL 76, 435); in Nah. 2 f. (CCL 76A, 552. 575 f.); tract. in psalm. I 81,7 (CCL 78, 87); adv. Iovin. 2,4 (PL 23, 302B); epist. 22,4,3 (CSEL 54, 148); vgl. in Gal. 1 (CCL 77A, 21). Vgl. GRELOT 1956, 47; MARX 2000, 180; VERCRUYSSE 2001, 173. 20 FREY-ANTHES 2009, 3.4 Christentum; vgl. MARX 2000, 172. 21 SCHÄRF 1972, 190; 206–229; FREY-ANTHES 2009, 1. Der Begriff „Satan“ mit Belegen. 22 Ijob 1,6–12; 2,1–7; Sach 3,1–7; 1 Chr 21,1; Num 22,22. 32; hierzu FREY-ANTHES 2009, 2. Satan im Alten Testament. Vgl. SCHÄRF 1972, 204. 307–319. 23 Or. princ. praef. 6; Aug. gen. ad litt. 11,16,21; hierzu VERCRUYSSE 2001, 152. 24 SCHMIDT 1951, 169–171; SCHÄRF 1972, 187 f.; MARX 2000, 172–177; VERCRUYSSE 2001, 152; FREY-ANTHES 2009, 3.2. Apokryphen und zwischentestamentliche Literatur. 25 Hom. Il. 23,226 f.; Od. 13,93 f.; Hes. Th. 378 ff. 984–991; Eratosth. Cat. 43; Cic. nat. deor. 2,53; Verg. Aen. 8,589; hierzu STEUDING 1890B, 2036; WEIZSÄCKER 1909, 2444–2446; GRELOT 1956, 27 f.; MCKAY 1970, 454. 26 Hyg. astr. 2,42,4 überliefert eine Notiz des Eratosthenes: Lucifer sei mit Venus einen Wettstreit um die Schönheit eingegangen, der ihm den Namen stella Veneris einbrachte. Vielleicht stand Lucifers Hybris bei Eratosthenes stärker im Vordergrund der Erzählung. 27 Wie geläufig der Phaethon-Mythos in der Antike war, bezeugt u. a. Mart. 5,53, wenn er einem schlechten Dichter empfiehlt, einen ‚Phaethon‘ zu dichten; hierzu ROSCHER 1909, 2193.
5.2 Wie bist du vom Himmel gefallen, Lucifer
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des Vaters. Helios fühlt sich an sein Versprechen gebunden und überlässt Phaethon widerwillig die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe. Kaum dass dieser mit dem Wagen am Morgenhimmel aufgestiegen ist, spüren die Pferde die unsichere Hand des Lenkers und gehen mit ihm durch. Bald steigen sie unkontrolliert empor, bald rasen sie mit großer Geschwindigkeit derart tief herab, dass die Welt in Flammen steht. Um ihre Zerstörung zu verhindern, tötet Zeus den Jungen mit einem Blitz und schleudert ihn auf die Erde nieder in den Fluss Eridanos:28 „Phaethon aber, das Haar gerötet von rasender Flamme, stürzt wirbelnd vom Himmel durch den weiten Luftraum herab, so wie manchmal ein Stern vom heiteren Himmel, der, wenn er auch nicht fiel, doch den Anschein erweckt, er sei gefallen.“29
Das Motiv der Hybris, das Ovid hervorkehrt, wird bei Hyginus noch dadurch verstärkt, dass er Phaethon den Wagen ohne Zustimmung des Vaters nehmen lässt.30 Die Erzählung von einem Sterblichen, der zwar eine bevorzugte Stellung bei den Göttern hat, sich dann aber über sie oder zumindest auf gleichen Rang erheben will und zuletzt durch die höchste Gottheit, den pater omnipotens, zu Fall gebracht wird, lässt sich unschwer mit dem König von Babylon in Jes 14,12 parallelisieren.31 Phaethon ist freilich nicht Heosphoros. Während letzterer bei Nonnos sogar für Phaethon die Rosse des Helios an den Wagen spannt,32 fallen in anderen Überlieferungen beide Personen in eins. So findet sich erst bei Hyginus die Notiz, dass Heosphoros nach einigen ein Sohn der Aurora/Eos und des Kephalos sei.33 Hesiod nennt als Sohn desselben Paares Phaethon, wobei der weitere Bericht an dieser Stelle auf Heosphoros passt: Aphrodite habe ihn nachts ihr Heiligtum bewachen lassen.34 Phaethon wird hier als Name des Morgensterns gebraucht und ist daher mit lucifer gleichzusetzen. Der griechische Mythos kennt somit für Phaethon zwei verschiedene Genealogien, einmal als Sohn der Eos und einmal als Sohn des Helios (niemals jedoch beider), deren Geschichten in den unterschiedlichen Überlieferungen nicht immer sauber geschieden werden.35 Hinzu kommt, dass Φαέθων, der Leuchtende, der Strahlende, in seiner Wortbedeutung dem hebräischen Terminus ( היללhjll) entspricht.36 So ist im Mythos vom Sohn des Helios, der wegen seiner 28 Ov. met. 1,746–2,400. Weitere Belege: ROSCHER 1909, 2179–2193; GRELOT 1956, 31. 29 Ov. met. 2,319–322: At Phaethon rutilos flamma populante capillos, / volvitur in praeceps longoque per aera tractu / fertur, ut interdum de caelo stella sereno / etsi non cecidit, potuit cecidisse videri. Übers. FINK 2010, 83. Am Fluss betrauern ihn seine Schwestern, die Heliaden, die in Pappeln verwandelt werden; vgl. Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 146). Motiv fallender Sterne: Orac. Sibyll. 2,200–2003; 5,512–531; 8,190–191. 341. In 5,516 ff. endet ein Kampf der Sterne mit einem Sturz auf die Erde; vgl. ROSCHER 1909, 2190; GRELOT 1956, 29; MARX 2000, 176. 30 Ov. met. 2,56–58; Hyg. fab. 152a. 31 Ov. met. 2,304. Vgl. GRELOT 1956, 32; MARX 2000, 181. 32 Nonn. D. 38,299; hierzu STEUDING 1890B, 2036. 33 Hyg. astr. 2,42,2; hierzu WEIZSÄCKER 1909, 2444; GRELOT 1956, 29. 34 Hes. Th. 984–991; hierzu WEIZSÄCKER 1909, 2444 f. Vgl. Paus. 1,3,1. 35 E. Phaëth. 779; A.R. 3,241 ff.; Jo. Gaz. 3,10; hierzu KNAACK 1909, 2201; ROSCHER 1909, 2177; vgl. SCHMIDT 1951, 167; GRELOT 1956, 25. 32; MCKAY 1970, 454 f. 36 GRELOT 1956, 25; CRAIGIE 1973, 223; MARX 2000, 180 f. Φαέθων ist auch als Epitheton für verschiedene Götter belegt; vgl. GRELOT 1956, 28.
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5. Mythos in der Vulgata
Hybris von Zeus aus höchster Höhe auf die Erde geschleudert wird, eine deutliche Parallele zum König von Babylon festzumachen.37 Trotz dieser Bezüge, die einen komplexen Überlieferungshintergrund zu dem biblischen Lucifer bilden, scheint Hieronymus jedoch bei keiner Gelegenheit in seinem Œuvre auf den Heosphoros des griechischen Mythos anzuspielen, geschweige denn auf Phaethon. Während ihm der Phaethon-Mythos zumindest in der ovidischen Version bekannt war,38 deutet nichts darauf hin, dass ihm der mythische Hintergrund des Namens lucifer überhaupt bewusst war. Stets ist der astronomische Terminus oder der gefestigte christliche Teufelsbegriff gemeint. 5.3 DIE GIGANTEN – EMPÖRER GEGEN GOTT Die Giganten, die im griechischen Mythos als Empörer gegen die olympischen Götter erscheinen,39 waren bereits von den Übersetzern der Septuaginta an 40 Stellen in den Bibeltext eingeführt worden.40 Ausgangspunkt hierfür war das Auftreten der ( נפליםnfljm), die in Gen 6,1–4 entstehen, als „Söhne Gottes“ sich mit Menschentöchtern verbinden – in den so genannten Engelehen. Unter dem zusätzlichen Einfluss einer stark mythologisch aufgeladenen Parallelüberlieferung der Erzählung in der pseudepigraphischen Henoch-Apokalypse wurden diese Nachkommen von hellenistisch gebildeten Interpreten als γίγαντες aufgefasst.41 Aufgrund verschiedener mehr oder weniger assoziativer Parallelen im Text des Tanachs wurden mitunter die ( גבריםgbrjm), die ( רפאיםrf’jm) sowie vier weitere hebräische Vokabeln gleichermaßen in den Text der Septuaginta übertragen.42 Hieronymus hat in der Vulgata dahingehend eine Vereinheitlichung erreicht, dass er nur noch die drei genannten Termini zu gigantes übertragen und zudem die Zahl der Nennungen auf 19 reduziert hat.43 Dabei folgt er oft dem Text der Septuaginta, geht jedoch mitunter Sonderwege, indem er die Giganten in die Bibel einführt, wo die griechische Vorläuferin sie nicht hatte. Vornehmlich in seinen exegetischen Schriften erwähnt er die biblischen Unholde wiederholt. Zwar weist er dabei
37 GRELOT 1956, 30. Eine Abhängigkeit zwischen Jesaja und den Mythen ist nicht anzunehmen, vielmehr die ugaritische Athtar-Sage als gemeinsame Quelle; hierzu GRELOT 1956, 18 f. 32– 42; MCKAY 1970, 461 ff.; CRAIGIE 1973, 223 f.; MARX 2000, 181–184; LUCK 2001, 300. 38 Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 146). 39 Hom. Od. 11,627–631; Pi. P. 1,30–54; Apollod. 1,6,1–3; Prop. 3,5; Hor. carm. 3,4,69–76; Ov. met. 5,346–358; Lucan. 6,665; Sil. 13,590. 40 SPEYER 1978B, 1259 f.; BLOCH 2011, 122–124. 204–206; RONNENBERG 2015A, Kap. 3. 41 Hen(gr) 6–19; hierzu UHLIG 1984, 468 f. 482 ff. 42 Bes. Num 13,32 f.; Dtn 2,10 f.; Ijob 16,14; Ps 19,6; vgl. auch DEXINGER 1966, 48–88. 96–130; SPEYER 1978B, 1258–1274. 43 Gen 6,4; Num 13,33 (= Vulg. num. 13,34); Dtn 2,11. 20; 3,11. 13; 2 Sam 23,13 (= Vulg. II reg. 23,13); Jdt 16,8; Ijob 16,14 (= Vulg. Iob 16,15); 26,5; Ps 19,6 (= Vulg. psalm. [LXX] 18,6); 33,16 (= Vulg. psalm. [LXX] 32,16); 88,11 (= Vulg. psalm. 87,11); Spr 9,18; 21,16; Jes 14,9; 26,14. 19. Hinzu kommt eine Nennung der Titanen in Jdt 16,8.
5.3 Die Giganten – Empörer gegen Gott
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auch auf die Bezüge zum Mythos hin,44 erwähnt jedoch nie die Giganten der paganen Tradition separat.45 Im Unterschied zu den Gestirnsnamen und Lucifer stellt Hieronymus auch narrative Bezüge zwischen den biblischen und den mythischen Giganten her.46 Hier ist insbesondere an die Gigantomachie zu denken, in der sie sich auf Betreiben ihrer Mutter Ge gegen die olympischen Götter erheben und sich von diesen nur schwer in einem dramatischen Kampf niederringen lassen. Die Empörung gegen die göttliche Ordnung verstand Hieronymus also, hellenistisch-jüdischen Deutungstraditionen folgend, als Analogie zu den Engelehen in Gen 6,1–4 und schrieb den Giganten inpietas zu.47 Ihre Sündhaftigkeit bestehe in Hochmut,48 der sie zu „Empörern gegen Gott und seine Kirche“ machte, rebelles contra Deum et ecclesiam eius.49 Von diesem Standpunkt aus war nun der Schritt naheliegend, in den Giganten Vertreter von Irrlehren zu sehen: „Wenn aber Giganten Empörer gegen Gott sind und sich alle Häresien entgegen der Wahrheit wider Gott empören, sind alle Häretiker Giganten, die sich an ihrem Irrtum freuen und dann am meisten prahlen, wenn sie der Kirche Schande bereitet haben.“50
Mit dieser interpretatio Christiana der mythisch-biblischen Giganten stellt sich Hieronymus grundsätzlich in eine Tradition, die auch bei anderen Autoren in häresiologischen Kontexten nachweisbar ist.51 Bemerkenswert ist jedoch die Bestimmtheit, mit der er diese Allegorie bereits im Bibeltext selbst verortet. 5.4 MIT SANFTER STIMME SINGEN SIRENEN Während die Septuaginta die hebräische Vokabel ( תניםtnjm), die eigentlich gewöhnliche Schakale bezeichnet, an fünf Stellen zu σειρῆνες überträgt,52 bevorzugt Hieronymus in der Vulgata fast durchgängig dracones. Nur in Jesajas Prophezeiung über das zerstörte Babylon erscheinen die mythischen Vogelwesen an einer Stelle: „Aber Tiere werden dort lagern, und voller Drachen werden ihre Häuser sein. Strauße werden dort wohnen und Waldteufel dort tanzen. 44 Bspw. Hier. in Is. 6,13,3 (VL 27, 692 f.). 45 Abgesehen von Erwähnungen literarischer Werke, die jeweils den Titel „Gigomantomachie“ tragen: Hier. in Is. 8,27,1 (VL 30, 995); in Am. 2,5 (CCL 76, 280). 46 Hier. in Is. 6,14,7 (VL 27, 721); in Am. 2,5 (CCL 76, 280). 47 Hier. epist. 10,1,1 (CSEL 54, 35); vgl. quaest. hebr. in gen. 6,4 (CCL 72, 10); in Is. 8,26,14 (VL 30, 979); 18,66,7 (VL 36, 1889). 48 Hier. in Is. 6,13,4 (VL 27, 694); in Ezech. 10,32 (CCL 75, 461). 49 Hier. in Ezech. 10,32 (CCL 75, 461). 50 Hier. in Is. 6,13,3 (VL 27, 693): Si autem gigantes rebelles dei sunt, et omnes haereses contrariae veritati rebellant deo, omnes haeretici gigantes sunt, qui gaudent in errore suo et tunc maxime gloriantur, quando ecclesiae contumeliam fecerint. Hierzu JEANJEAN 1999, 289. 51 Oben 2.2.3.1. 52 BLOCH 2011, 124 f.; RONNENBERG 2015A, Kap. 4. Vgl. Ijob 30,29; Jes 13,21; 34,13; 43,20; Mi 1,8; vgl. auch KEEL/KÜCHLER/UEHLINGER 1984, 147; FREY-ANTHES 2007, 2.1 Begriff; thos lässt sich bei Hieronymus nicht belegen; vgl. Plin. nat. 8,123; 10,206.
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5. Mythos in der Vulgata (22) Eulen werden antworten in seinen Palästen und Sirenen in den Lustschlössern.“53
Der Passus entspricht einem geläufigen Topos, mit dem im Alten Testament verwüstete und vom Menschen verlassene Orte beschrieben werden.54 Das Erscheinen der sirenae folgt keiner erkennbaren Notwendigkeit und wirft die Frage auf, warum Hieronymus sie nicht ganz aus dem Text der Vulgata verbannt hat. Um dies zu beantworten, sei in aller Kürze eine Paraphrase „des für alle Zeiten typisch gewordenen homerischen Bildes“55 vorgenommen: Die erste der Gefahren, die Kirke dem Odysseus für seine Heimreise voraussagt, sind zwei Sirenen auf einer Insel. Wer sich ihnen nähert, wird durch ihren Gesang bezaubert, so dass er auf sie zu steuert und den Untergang findet. Als Odysseus sich der Stelle nähert, singen sie seinen Namen. Zuvor hat er jedoch seiner Mannschaft die Ohren mit Wachs verschlossen und sich selbst, um den Gesang hören zu können, aufrecht stehend an den Mast des Schiffes fesseln lassen. So kommt das Schiff sicher an den Sirenen vorbei. Wie die Übersetzer der Septuaginta dazu gekommen sind, die ( תניםtnjm), mit denen sie offenbar „nichts Rechtes anzufangen“56 wussten, zu den mythischen Wesen zu übertragen, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Unwirtlichkeit ihres Aufenthaltsortes und ihre Bedrohlichkeit scheinen dabei ebenso eine Rolle gespielt zu haben wie das unheimliche Geheul, das sie von sich geben.57 Die Annäherung an den Mythos wird an zwei Stellen deutlich, die nur im griechischen Text vorhanden sind. Zum einen ist Jer 27,39 als Teil eines Zusatzes ohne hebräische Vorlage zu nennen (V. 23–46): „Deshalb werden Gespenster auf den Inseln wohnen und Töchter von Sirenen werden in ihr [sc. der Stadt Babylon] wohnen.“58 Der oben vorgestellte Topos ist hier dahingehend variiert, dass die Fabelwesen nicht in der Wüste, sondern ἐν ταῖς νήσοις hausen. Im griechischen 4. Makkabäer-Buch, das nur in der Septuaginta zum Kanon gehört, wird die Gestalt ihrer Laute konkretisiert: „Nicht melodische Gesänge von Sirenen, und keine Stimmen, die wie Schwanengesang ins Ohr dringen, locken die Hörer so wie die Stimmen von Kindern, wenn sie unter Qualen nach der Mutter schreien.“59
Durch den maritimen Kontext, den Gesang und das Motiv des Lockens war die Identifizierung der ( תניםtnjm) mit den Sirenen des griechischen Mythos für die Leserschaft der Septuaginta unzweifelhaft. 53 Jes 13,21 f.: sed requiescent ibi bestiae et replebuntur domus eorum draconibus / et habitabunt ibi strutiones et pilosi saltabunt ibi (22) et respondebunt ibi ululae in aedibus eius / et sirenae in delubris voluptatis. 54 Bspw. Jer 9,10. Vgl. auch KEEL/KÜCHLER/UEHLINGER 1984, 102 ff. 147; FREY-ANTHES 2007, 2.2 Verwendung, 1) Schakale als Bewohner der Einöde (Ruinen und Wüste). 55 WEICKER 1915, 602. Vgl. Hom. Od. 12,39–54. 158–200. 56 KEEL/KÜCHLER/UEHLINGER 1984, 147. 57 Neben Jes 13,22 f. auch Jer 14,6; Mi 1,8; hierzu RAHNER 1941, 135; FREY-ANTHES 2007, 2.2 Verwendung, 1) Schakale als Bewohner der Einöde (Ruinen und Wüste). 58 Jer 27,39: διὰ τοῦτο κατοικήσουσιν ἰνδάλµατα ἐν ταῖς νήσοις, καὶ κατοικήσουσιν ἐν αὐτῇ θυγατέρες σειρήνων. Übers. LXX.D 1317. 59 4 Makk 15,21: οὐχ οὕτως σειρήνιοι µελῳδίαι οὐδὲ κύκνειοι πρὸς φιληκοΐαν φωναὶ τοὺς ἀκούοντας ἐφέλκονται ὡς τέκνων φωναὶ µετὰ βασάνων µητέρα φωνούντων. LXX.D 744.
5.4 Mit sanfter Stimme singen Sirenen
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Hieronymus übernahm die griechischen Zusätze jedoch nicht in die Vulgata und wusste um die mythischen Bezüge der Sirenen. Das hielt ihn nicht nur nicht davon ab, sie an einer Stelle in seine Bibelübersetzung zu übernehmen. Er integrierte die narrativen Hintergründe auch in seine exegetischen Überlegungen: „damit bezeichnen sie [sc. die Übersetzer der Bibel] irgendwelche Tiere oder Dämonen, die nach dem Irrtum der Heiden mit sanfter Stimme singen und Menschen in die Irre führen, die nicht mit verschlossenen Ohren am Schiffbruch des irdischen Lebens vorbeikommen.“60
Der Hinweis auf das saeculi naufragium zeigt, dass Hieronymus einer wirkmächtigen interpretatio Christiana des Mythos folgt, die sich bereits für früheste christliche Interpreten belegen lässt. Ausschlaggebend ist die nautische Allegorie, nach welcher das Schiff für die Kirche steht, die einen Christen sicher durch die gefährliche diesseitige Welt bringt, die ihrerseits im Meer gedacht wird. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Mast des Schiffes mit seiner Querstange, der Rah, lateinisch antenna. Dieser vergegenwärtigt sinnfällig das hölzerne Kreuz Christi: „In dem zum Port der Ewigkeit fahrenden Christen, der sich an den Mastbaum des Kreuzes anklammert, um so den Gefahren zu entgehen und sicher zur Heimat zu gelangen, sah sich das symbolische Denken des hellenisch gebildeten Christen erinnert an den berühmtesten der Seefahrer, an Od ys s e u s, der sich an den Mastbaum seines Schiffes anfesseln ließ, um den Verlockungen der Sirenen zu entkommen.“61
Die Gefahren dieser Verlockungen wurden von den Christen entweder in der weltlichen Philosophie oder in häretischen Lehren erblickt.62 Gerade letzteres lässt sich auch bei Hieronymus zeigen, so etwa in dem zwischen 389 und 392 entstandenen Kommentar zum Propheten Micha in Bezug auf die Septuaginta-Fassung von Mi 1,8: „Und sie werden Wehklage halten wie die Sirenentöchter, denn süß sind die Lieder der Häretiker und mit sanfter Stimme täuschen sie die Völker.“63 Der Fall scheint ähnlich gelagert zu sein wie bei den Giganten: Hieronymus kennt die narrativen Parallelen zum griechischen Mythos und nutzt sie für seine Auslegung der entsprechenden Stellen. Wie die Giganten deutet er auch die Sirenen als Häretiker, die der Kirche schaden wollen, und ihre Gesänge als verlockende, aber gefährliche Irrlehren. Ein großer Unterschied besteht darin, dass er die mythischen Sirenen in seinen übrigen Schriften auch einsetzt, ohne dass biblische Bezüge im Vordergrund stehen, geschweige denn erkennbar sind.64
60 Hier. in Is. 6,13,19 (VL 27, 711 ff.): significantes vel bestias aliquas esse, vel daemonas, iuxta errorem gentilium dulce cantantes et decipientes homines, qui huius saeculi naufragium clausis auribus transire non possunt. Vgl. auch in Is. 6,13,3 (VL 27, 692); 12,43,16 (VL 35, 1341). 61 RAHNER 1941, 125. Vgl. ebd. 55–73; 123–152; 281–300; 315–328; RAHNER 1957, 281–328; FUHRMANN 1990, 150; HOFMANN 1999A, 37–39; ZILLING 2011, 108–115. 62 Hipp. haer. 7,13,1–3; Phys. 13 (SBORDONE 1936, 51–54); hierzu RAHNER 1941, 139 f. 63 Hier. in Mich. 1,1 (CCL 76, 429): Et lugebunt quasi filiae Sirenarum, dulcia enim sunt haereticorum carmina, et suavi voce populos decipientia. Vgl. Mi 1,8: ποιήσεται κοπετὸν ὡς δρακόντων καὶ πένθος ὡς θυγατέρων σειρήνων. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283. 64 Unten 6.6.2.1.
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5. Mythos in der Vulgata
5.5 ESELSKENTAUREN TREFFEN SICH DORT Eng mit den alttestamentlichen Sirenen sind die Eselskentauren verbunden, die Hieronymus in Jes 34,14 aus der Septuaginta übernimmt: „Und Dämonen werden Eselskentauren begegnen und der Waldteufel wird rufen, einer zum anderen; dort wird die Lamia sich niederlassen, denn sie findet für sich selbst einen Ruheplatz.“65
Zwar kennt auch der griechische Mythos die onocentauri nicht, doch ist die Vorstellung von Eselskentauren kaum ohne die Vorlage der mythischen Kentauren denkbar. Tatsächlich sind die frühesten schriftlichen Belege für ὀνοκένταυροι überhaupt in der Septuaginta erhalten, die sie gleich viermal in den Bibeltext einführt.66 Das Wort ’( אייםjjm) bezeichnet im Tanach wahrscheinlich Hyänen oder Schakale,67 die zum topischen Szenario von den schauerlichen Bewohnern verwüsteter Stätten gehören, wie dies für die ( תניםtnjm) gezeigt wurde. Die früheste erhaltene Notiz in der profanen Literatur über die Eselskentauren findet sich erst Anfang des 3. Jh. n. Chr. bei Claudius Aelianus. Er widmet der ὀνοκένταυρα, die er anscheinend nur in der femininen Form kennt, ein Kapitel seiner Naturgeschichte. Als Quelle gibt er den Geographen und Seefahrer Pythagoras an, der nach 277 v. Chr. unter Ptolemaios II. gewirkt hat und dessen Werk nur fragmentarisch erhalten ist. Nach eigenen Angaben kannte Aelianus es lediglich durch Auszüge des Grammatikers und Philosophen Krates von Pergamon aus der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr.68 Wirkungszeit und -raum der Gewährsleute des Aelianus bieten also durchaus die Möglichkeit, dass die Autoren der Septuaginta Kenntnis dieser Schriften oder zumindest Zugang zu demselben Wissen hatten. Aus der Beschreibung des Fabelwesens bei Aelianus lässt sich ein wesentlicher anatomischer Unterschied zu den Hippokentauren des griechischen Mythos erkennen: Letztere haben üblicherweise vier Beine an ihrem Pferderumpf, mit denen sie sich fortbewegen, und zudem zwei Arme an ihrem menschlichen Oberkörper, der an der Stelle des Halses sitzt. Über die Eselskentauren heißt es dagegen ausdrücklich, dass sie die Hinterläufe eines Esels und vorne zwei Arme haben, die sie sowohl zur Fortbewegung als auch zum Halten von Gegenständen einsetzen.69 Die dürftige Überlieferung abseits der Septuaginta und ihrer Rezeption lässt vermuten, dass das Fabelwesen einen sehr niedrigen Bekanntheitsgrad hatte. Sein Vorkommen in der 65 Jes 34,14: et occurrent daemonia onocentauris / et pilosus clamabit alter ad alterum / ibi cubavit lamia et invenit sibi requiem; Übers. nach LXX.D 1259. Hieronymus überträgt hier לילית (ljljt), das Nachtgespenst, zur lamia des römischen Volksglaubens; vgl. Klgl (= Vulg. thren.) 4,3; hierzu STOLL 1897, 1819–1821. Vgl. Hier. in Is. 10,35,1 (VL 30, 1165 f.). 66 Jes 13,22; 34,14; Jer 50,39 (fehlt in der LXX; Vulg.: fatui ficarii). Dafür jedoch Jes 34,11; hierzu PREISENDANZ 1939, 487. Vgl. Hier. in Is. 5,13,21 (VL 27, 560). 67 KÖNIG 1910, 16 s.v. אי. Vgl. 68 Ael. NA 17,9 = Krates Mallotes JCV 2113 F 40. 69 Die ὀνοκένταυρα wurde daher wiederholt als eine Art Menschenaffe interpretiert, zumal das vorhergehende Kapitel Ael. NA 17,8 einer Affenart namens κ6πος gewidmet ist; hierzu PREISENDANZ 1939, 489–491. Die einzige bekannte bildliche Darstellung im Nil–Mosaik der Villa Barberini in Palestrina ist offenkundig von Aelianus abhängig; MEYBOOM 1994, 112 f.
5.5 Eselskentauren treffen sich dort
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griechischen Bibel sorgte zwar für eine gewisse Resonanz bei den christlichen Autoren, aufgrund der undurchsichtigen Übersetzung war das Verständnis der Onokentauren jedoch von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden.70 Hieronymus geht in seinem Jesaja-Kommentar auf die Eselskentauren ein und bemerkt zur Septuaginta-Version von V. 13,22: „Statt der Eselskentauren jedenfalls, die nur die Siebzig so übersetzt haben – wohl in Nachahmung der fabulae der Heiden, die sagen, es habe Hippokentauren gegeben –, haben die drei übrigen Übersetzer das hebräische Wort IHIM eingesetzt, das wir zu Käuzen übertragen. [...] Ferner scheint der Name der onocentauri, der aus Eseln und Kentauren zusammengesetzt ist, jene zu bezeichnen, die zu einem Teil als irgendwie menschlich zu begreifen sind, und zum anderen Teil durch Wollust und den Schmutz der Unsittlichkeit zu Lastern verführt werden.“71
Das belegt, dass die ὀνοκένταυροι der Septuaginta nach seinem Verständnis eine Abwandlung der mythischen Kentauren sind.72 Eine Bewertung der Entscheidung der griechischen Übersetzer, sie in den Bibeltext einzuführen, oder eine Erörterung ihrer möglichen Motive nimmt er nicht vor.73 Auf allegorischer Ebene wird die Ambivalenz der Eselskentauren als Sinnbild eines Menschen aufgefasst, der sich zwischen höher stehenden Motiven, dem aliquid humanum einerseits, und den niederen, animalischen Instinkten andererseits bewegt.74 Schon bei Basileios setzt diese „moralisierende, aufs Wesen der schlechten Menschen anspielende Erklärung ein, die späterhin herrschend bleibt“.75 Im Physiologos, der vor allem für die Wirkung und die Bekanntheit der onocentauri auch über die Antike hinaus von zentraler Bedeutung ist, wird dem Fabelwesen ein gemeinsamer Eintrag mit den Sirenen gewidmet. Der Eselskentaur wird auch hier als „symbol for mankind, combining qualities of character with animal instincts“ verstanden.76 Zu den Eselskentauren und den übrigen Dämonen, die das verwüstete Edom in Jes 34,14 bevölkern, bemerkt Hieronymus im Kommentar: „Nach der Septuaginta begegnen sich hier verschiedene Erscheinungen von Dämonen oder, wie alle anderen nach dem Hebräischen siim und iim übersetzen, Eselskentauren, Waldteufel und die Lamia, wie sie die fabulae der Heiden und die Erfindungen der Dichter beschreiben. [...] Das übrige, was dieser bildlichen Redeweise folgt, nachdem das Volk der Juden unter den Namen von Tieren und Ungeheuern vertrieben wurde, bestätigt, dass in Jerusalem Götzendiener und die Anhänger diversen Aberglaubens wohnen werden, und zwar sind dies Pelikane und Igel, Ibis und Rabe, Drachen und Strauße, Eselskentauren und Dämonen, Waldteufel und die
70 PREISENDANZ 1939, 487 f.; MEYBOOM 1994, 111. 71 Hier. in Is. 6,13,19 (VL 27, 712): Pro onocentauris quoque, quos soli LXX interpretati sunt, imitantes gentilium fabulas, qui dicunt fuisse hippocentauros, tres reliqui interpretes ipsum posuere verbum hebraicum IHIM, quod nos in ululas vertimus. [...] Porro onocentauri nomen, ex asinis centaurisque compositum, videtur mihi significare eos qui ex parte aliquid humanum sapiunt, et rursum voluptatibus et caeno turpitudinis abducuntur ad vitia. Vgl. auch Hier. in Gal. 1 (CCL 77A, 67). 72 Bestätigt durch Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5), wo das Präfix ono- fehlt; unten 6.6.2.5. 73 STUMMER 1941, 252. 74 KIRK 1970, 152–162. Vgl. SPEYER 2012, 919. 75 PREISENDANZ 1939, 488 m. weiteren Belegen; hier Bas. Is. 13. 76 MEYBOOM 1994, 111. Vgl. Phys. 13 (SBORDONE 1936, 51–54).
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5. Mythos in der Vulgata Lamia, die auf Hebräisch lilith heißt und allein von Symmachus als Lamia übersetzt wurde, die man als eine Art erinýs der Hebräer begreift, d.h. als eine Furie.“77
Hier erklärt Hieronymus unmissverständlich, dass er bewusst Namen aus den Mythen einsetzt, um Entsprechungen für hebräische Namen von Fabelwesen im Alten Testament zu finden. Er bezeichnet die onocentauri neben anderen Wesen als daemonum phantasmata, deren Herkunft er nicht nur mit der üblichen Formel gentilium fabulae, sondern darüber hinaus mit poetarum figmenta angibt. Allegorisch deutet er sie zusammen mit den übrigen Dämonen als idololatras et variis superstitionibus servientes, womit sie auf seine Gegenwart bezogen wohl ebenfalls als Häretiker aufzufassen sind. 5.6 DORT SAH ICH FRAUEN, DIE ADONIS BEWEINTEN In seiner Vision über die Entweihung des Tempels berichtet Ezechiel in V. 8,14 von Frauen, die am Nordtor dem mesopotamischen Fruchtbarkeitsgott Tammus ()תמוז huldigen, indem sie seinen Tod beweinen, und richtet sich damit „gegen einen Synkretismus von mesopotamischen, ägyptischen und kanaanäischen Vorstellungen“.78 Während die Septuaginta seinen Namen unübersetzt als θαµµουζ wiedergibt, ersetzt ihn Hieronymus in der Vulgata durch Adonis und erläutert seine Entscheidung in seltener Ausführlichkeit in seinem Kommentar: „Was wir mit Adonis übersetzt haben, nennt sowohl die hebräische als auch die syrische Sprache Tammus. Und weil nach einer heidnischen fabula erzählt wird, dass im Monat Juli der Geliebte der Venus, der wunderschöne Jüngling, getötet und anschließend wieder lebendig geworden sei, nennen sie eben diesen Monat Juli mit dem Namen desselben und feiern jedes Jahr sein Fest, in welchem er von den Frauen gleich einem Verstorbenen beklagt und anschließend als Auferstehender besungen und gepriesen wird. Und nachdem zuvor gezeigt wurde, was die Fürsten und Ältesten des Hauses Israel im Tempel sowie in der Finsternis und in ihren Schlafgemächern gemacht haben, werden folgerichtig auch die Laster der Frauen beschrieben, die in der Abgeschiedenheit der Gesellschaft ihrer Liebhaber wehklagen und prahlen, wenn sie sie festhalten konnten. Und weil dasselbe Heidentum derartig die fabulae der Dichter, mit denen Schändlichkeit verbunden ist, spitzfindig auslegt und die Tötung und Wiederauferstehung des Adonis mit Klagen und Freude begleitet – von welchen es glaubt, dass das eine im Samen, der in der Erde stirbt, das andere in der Saat, die aus den toten Samen wiedergeboren wird, bewiesen werde –, so lasst uns ebenso jene, die über das Schlechte und Gute des Diesseits entweder traurig sind oder jubeln, Frauen nennen, mit zartem und weichem Gemüt, und sagen, dass sie
77 Hier. in Is. 10,34,8 (VL 30, 1162 ff.): Et occurrent sibi in ea iuxta LXX diversa daemonum phantasmata sive, ut omnes alii iuxta hebraicum transtulerunt, siim et iim, onocentauri et pilosi et lamia, quae gentilium fabulae et poetarum figmenta describunt. [...] Ceterum qui tropologiam sequuntur, expulso populo Iudaeorum sub bestiarum et portentorum nominibus, idololatras et variis superstitionibus servientes in Hierusalem habitaturos esse confirmant, et hos esse onocrotalos et ericios, ibin et corvum, dracones et struthiones et onocentauros, et daemonia et pilosos et lamiam, quae hebraice dicitur LILITH, et a solo Symmacho translata est lamia, quam quidam hebraeorum ἐρινύν, id est furiam, suspicantur. Nach Plin. nat. 10,131 handelt es sich beim onocrotalus um den so genannten Rosapelikan. 78 STEYMANS 2007, 2.2 Verehrung fremder Götter.
5.6 Dort sah ich Frauen, die Adonis beweinten
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Tammus beklagen, gewissermaßen dasjenige, von dem sie glauben, dass es unter den weltlichen Dingen das schönste sei.“79
Hieronymus’ Ausführungen zerfallen in drei Teile: Zunächst erläutert er die Identifizierung von Tammus und Adonis, paraphrasiert die zugrunde liegende gentilis fabula und stellt den damit verbundenen Ritus vor. Im zweiten Schritt verknüpft er den Vers mit dem Vorausgegangenen und kommentiert so den Textaufbau der Ezechiel-Vision. Zuletzt nimmt er eine allegorische Deutung der Textstelle vor, nach der die Frauen in Ez 8,14 für alle Menschen stehen, die über die saeculi mala zu viel Klage einerseits und zu viel Freude über die bona andererseits äußern. Tammus stehe dabei für das, was für sie das Schönste unter den weltlichen Dingen ist. Das reviviscere, das Hieronymus in seiner kurzen Paraphrase des Adonis-Mythos anspricht, spielt auf einen Schiedsspruch des Zeus an, wonach der Jüngling nach seinem Tod einen Teil des Jahres aus der Unterwelt hervorkommen und bei Aphrodite verbringen darf.80 Weit detaillierter als zum Mythos äußert sich Hieronymus jedoch zum Kultischen.81 Der Adonis-Kult war früh von Phönikien nach Griechenland gekommen und im Mittelmeerraum weit verbreitet. Die Ἀδώνια fanden an allen Kultstätten entweder im Frühling oder im Hochsommer statt und bestanden im Wesentlichen daraus, dass am ersten Tag der Tod des Jünglings in Klageliedern besungen wurde, vornehmlich von Frauen, die sich dabei an die Brust schlugen. Der Folgetag diente einer Freudenfeier über seine Wiederauferstehung.82 Hieronymus’ Identifizierung des Adonis mit Tammus ist durchaus zutreffend, sind doch die Erzählungen über ihn als Geliebten der mesopotamischen Ištar in ihren wesentlichen Elementen ebenso wie die zugehörigen Riten deckungsgleich.83 Er kann hier also für seine Übersetzung auf eine unmittelbare Entsprechung aus
79 Hier. in Ezech. 3,8 (CCL 75, 99 ff.): Quod nos ‚Adonidem‘ interpretati sumus, et hebraeus et syrus sermo ‚thamuz‘ vocat; unde, quia iuxta gentilem fabulam in mense Iulio amasius Veneris et pulcherrimus iuvenis occisus et deinceps revixisse narratur, eundem Iulium mensem eodem appellant nomine et anniversariam ei celebrant solemnitatem, in qua plangitur a mulieribus quasi mortuus, et postea reviviscens canitur atque laudatur. Consequenterque postquam principes et seniores domus Israel quid fecerint in templo ac tenebris cubiculisque monstratum est [Ez 8,12], etiam mulierum vitia describuntur quae plangunt, amatorum societate privatae, et exsultant si eos potuerint obtinere. Et quia eadem gentilitas huiuscemodi fabulas poetarum, quae habent turpitudinem, interpretatur subtiliter, interfectionem et resurrectionem Adonidis planctu et gaudio prosequens, quorum alterum in seminibus quae moriuntur in terra, alterum in segetibus quibus mortua semina renascuntur, ostendi putat, nos quoque eos, qui ad saeculi mala et bona vel contristantur vel exsultant, mulieres appellemus, molli et effeminato animo, dicamus que plangere eos ‚thamuz‘, ea videlicet quae in rebus mundi putantur esse pulcherrima. Vgl. Amm. 19,1,11. Hierzu BURKERT 1979A, 101 m. Anm. 10. 80 Apollod. 3,14,4; Ov. met. 10,519–559. 708–739; Hyg. fab. 58; 248; 251.; astr. 2,7; vgl. auch Theoc. 15; hierzu ROSCHER 1886A, 69–72. 81 Nach Ov. met. 10,725 ff. stiftet die Göttin selbst den Kult. 82 ROSCHER 1886A, 72 f. Zu den Adonien auch NILSSON 1957, 384–387. 83 Or. sel. in Ezech. (PG 13, 797). BURKERT 1979A, 194, Anm. 16, stuft Hieronymus als unabhängigen Zeugen ein; vgl. ebd. 108–111; ROSCHER 1886A, 69 ff.; JEREMIAS 1924, 60–64.
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5. Mythos in der Vulgata
dem Bildungshorizont seiner Adressaten zurückgreifen. Es lässt sich leicht vorstellen, dass die Leserschaft der Vulgata mit Adonis mehr anzufangen wusste, als die der Septuaginta mit der hebräischen Übertragung θαµµουζ.84 Die allegorische Auslegung der Textstelle eröffnet Hieronymus mit einer Spitze gegen die gentilitas und ihre Deutung der verkommenen Mythen und setzt den Tammus aus Ez 8,14 mit den weltlichen Dingen gleich, wobei er das Bild im Vergleich zum beschriebenen Vorgang erweitert: Während in der Szene am Nordtor des Tempels lediglich der Tod des Tammus beweint wird – also das Schlechte in der Welt –, hat Hieronymus mit Hilfe der vorausgegangenen Erläuterung zu den mythischen und rituellen Hintergründen auch die Wiederauferstehung in das Bild integriert – also entsprechend seiner Allegorie das Gute in der Welt. Durch diesen Kunstgriff steht der heidnische Heros zugleich für die weltlichen Freuden. Diejenigen, die sich daran erfreuen und die über das Leid in der Welt klagen, sind also gemäß seiner Deutung mit den Frauen am Nordtor gleichzusetzen und als verweichlichte Weiber zu bezeichnen. Am Ende der Ausführung hebt er wieder die in rebus mundi pulcherrima hervor, ohne konkret zu benennen, was gemeint ist. Die starke sexuelle Aufladung des Mythos von Aphrodite und Adonis wird dem Lesepublikum jedoch präsent genug gewesen sein, um die Andeutung zu verstehen.85 Dadurch, dass er den naheliegenden Vergleich zur Wiederauferstehung Christi unterlässt,86 scheint er die heidnische Deutung ins Lächerliche ziehen zu wollen, die er zudem nicht ohne ironischen Unterton als subtilis bezeichnet. Während die Christen den Sohn Gottes haben, der ihnen Hoffnung auf ein ewiges Leben gibt, bleibt den Heiden nichts anderes als der Vergleich mit Saatgut. Der Mythos ist hier nicht der eigentliche Gegenstand seiner Exegese, bietet ihm jedoch ein Mittel, um die Stelle im Sinne der christlichen Askese auszulegen und gegen pagane Vorstellungen zu polemisieren. Die Entscheidung für die Übernahme des mythischen Namens liegt offensichtlich in narrativen Parallelen begründet. 5.7 ZUSAMMENFASSUNG Es konnte gezeigt werden, dass es zwei Kategorien von mythischen Namen und Begriffen gibt, die Hieronymus in seine Bibelübersetzung eingeführt hat. Zum ersten sind das die begrifflichen Entsprechungen im Lateinischen, die er in Ermangelung anderer verständlicher Termini einsetzt. Grundsätzlich lehnt er den fahrlässigen Gebrauch mythischer Begriffe ab, doch bleibt ihm beispielsweise im Fall der Gestirnsnamen kaum eine Wahl. Daher empfiehlt er, die entsprechenden narrativen Hintergründe zu ignorieren. Sein Bemühen, Details der alttestamentlichen Texte 84 Ähnlich die Übertragung der Gottheit ( גדgd) zu Fortuna in Jes 65,11 f.; vgl. KOENEN 2009, 3. Gad und Meni im Alten Testament. Vgl. auch Hier. in Is. 18,65,11 (VL 36, 1843 f.). 85 Luc. Syr.D. 6: kultische Prostitution der Teilnehmerinnen; hierzu ROSCHER 1886A, 73 f.; vgl. Apollod. 3,14,3. Unter dem Einfluss der Formulierung ἐν τῷ κοιτῶνι (הדריב/bḥdrj) sind wohl auch Hieronymus’ cubiculi als Hinweis auf Prostitution zu verstehen. 86 1 Kor 15,35–38.
5.7 Zusammenfassung
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durch Begriffe darzustellen, die der Lebenswirklichkeit seiner Leserschaft entsprachen, lässt sich mehrfach für mythische Namen belegen.87 In seinem Vorwort zu Eusebios’ Chronik zeigt er ein deutliches Bewusstsein für diese Problematik: „Und zu den allgemeinen Schwierigkeiten, die wir bei jeder Übersetzung beklagt haben, kommt als Besonderheit hinzu, dass es sich um eine bunte Geschichte handelt, in der barbarische Namen vorkommen, den Lateinern unbekannte Sachverhalte“.88
Das lässt sich zweifellos auch auf seine lateinische Bibelübersetzung nach dem hebräischen Text übertragen.89 Sie war ein ambitioniertes Projekt, dessen Aufnahme in den Gemeinden noch in Frage stand. Die bestehenden Bibelfassungen der Vetus Latina erfüllten im persönlichen und liturgischen Gebrauch weitgehend ihren Zweck. Wenn Hieronymus also hebräische Termini zu Begriffen des griechischrömischen Heidentums übertrug, geschah dies immer mit einem Auge auf die Verständlichkeit und damit auf die Akzeptanz seines Textes. Zum zweiten sind mythische Figuren in die Vulgata gelangt, die in der Septuaginta auf Basis mythischer Vorstellungen auf hebräische Begriffe übertragen worden waren und die Hieronymus nun teilweise übernahm. Dass die Autoren der griechischen Bibelübersetzung die Figuren aus der Mythologie in ihre Bibelübersetzung übernahmen, ist Ergebnis der stark hellenistisch geprägten jüdischen Exegese.90 Hierbei entsteht eine mitunter verworrene Gemengelage aus biblischen, altorientalischen und mythischen Einflüssen. Sie beruhen teilweise auf recht freien Assoziationen und folgen keiner Systematik. So ist Lucifer bzw. ἑωσφόρος zunächst auch nichts anderes als eine astronomische Bezeichnung für den Morgenstern, die jedoch, ausgehend von Jes 14,12 und in Verbindung mit anderen Bibelstellen, eine Bedeutungserweiterung hin zu einem Namen des Teufels erfahren hat. Nach manchen Traditionen wird er als Sohn des Helios betrachtet, so dass auch die berühmte Erzählung von Phaethons Himmelssturz auf ihn übertragen wurde. Damit war sowohl die Identifikation mit dem Morgenstern als auch die Entsprechung im Motiv des Niederfahrens aus der göttlichen Sphäre auf die Erde gegeben. Für Hieronymus ist der Begriff jedoch so eindeutig 87 Hierbei zeigt Hieronymus Eigenständigkeit gegenüber der Septuaginta; vgl. Ijob 21,33: dulcis fuit glareis Cocyti (רגבי נחל/rgbj nḥl; LXX: χάλικες χειµάρρου) et post se omnem hominem trahet et ante se innumerabiles; Spr 26,8: sicut qui mittit lapidem in acervum Mercurii (מרגמה/mrgmh; LXX: ἐν σφενδόνῃ) ita qui tribuit insipienti honorem; Ez 27,11: sed et Pigmei (גמדים/gmdjm; LXX: φύλακες) qui erant in turribus tuis faretras suas suspenderunt in muris tuis per gyrum; hierzu Hier. in Ezech. 8,27 (CCL 75, 365 f.): Hi sunt in exercitu urbis Tyriae custodesque turrium eius et suspendunt pharetras suas per gyrum complentque pulchritudinem eius ut sagittarios esse docent, sive pygmaei sunt, hoc est bellatores et ad bella promptissimi ἀπὸ τῆς πυγµῆς, quae graeco sermone ‚in certamen‘ vertitur. 88 Hier. chron. epist. (GCS Eus 7, 6): et ad communem difficultatem, quam in omni interpretatione causati sumus, hoc nobis proprium accedat, quod historia multiplex est habens barbara nomina, res incognitas Latinis. Übers. nach FÜRST 2003, 261. Vgl. KELLY 2010, 19. 89 STUMMER 1941, 254, verweist auf Hieronymus’ „Bestreben, dem im griechisch-römischen Kulturkreis aufgewachsenen Leser verständlich zu sein“. 90 Pace PILHOFER 1990, 144, über griechische Leser der Septuaginta: „Er hätte sich durch eine ungeheure Stoffmasse durchzuarbeiten, ohne auch nur auf eine vertraute Gestalt zu stoßen.“
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5. Mythos in der Vulgata
als ein Name des Teufels festgelegt, dass sich nicht einmal Belege dafür finden lassen, dass ihm die Herkunft des Terminus aus den Mythen bewusst war. Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Bezügen, die dazu geführt haben, dass in der Septuaginta recht häufig von den γίγαντες zu lesen ist, die Hieronymus in 20 Fällen für die Vulgata übernommen hat: In Gen 6,1–4 findet sich der Bericht über „Gottessöhne“, die auf die Erde hinabsteigen und mit Menschentöchtern Nachkommen zeugen, die ( נפליםnfljm). Hieran knüpft sich ein Konglomerat von Bibelstellen und apokryphen Texten, das dazu führte, dass die hellenistisch-jüdischen Übersetzer die mythischen Götterfeinde der ‚Gigantomachie‘ in der Septuaginta auftreten ließen. Im Unterschied zu lucifer übernimmt Hieronymus den Begriff nicht nur, sondern thematisiert auch mehrfach die Provenienz der Vokabel gigantes aus den Mythen und lässt mythische Vorstellungen in seine Auslegung der entsprechenden Bibelstellen einfließen. Demnach sind die ‚Erd-geborenen‘ als Sinnbild für irdisch gesinnte Menschen aufzufassen oder in ihrer Eigenschaft als rebelles contra Deum et ecclesiam eius als Allegorie auf Häretiker.91 Schwieriger zu fassen ist der Weg der σειρῆνες in die Septuaginta. Sie erscheinen zumeist in topischen Beschreibungen von verwüsteten Orten als Übertragung von ( תניםtnjm), was eigentlich Schakale bezeichnet. Vermutlich waren es ihre heulenden Laute, ihr Aufenthalt an menschenfeindlichen Orten und ihre dämonische Bedrohlichkeit, die die Autoren der Septuaginta an die mythischen Sirenen denken ließen. Während Hieronymus sie in der Regel als dracones wiedergibt, führt er in Jes 13,22 die sirenes in den Text der Vulgata ein. Wo er sich in seinen exegetischen Texten zu dieser Stelle sowie zu den σειρῆνες-Stellen der Septuaginta äußert, weist er nicht nur auf ihre mythische Herkunft hin, sondern bezieht diese Hintergründe auch in seine Auslegungen ein. Wie die Giganten versteht er dabei auch die Sirenen als Häretiker und ihren Gesang als verlockende, aber tödliche Irrlehren. Damit folgt er einer christlichen Deutungstradition, die in dem an den Mast gebundenen Odysseus eine Präfiguration Christi erblickte. Im Unterschied zu den Giganten, deren Erwähnung stets in direktem Bezug zum Bibeltext geschieht, bezieht er sich in seinem übrigen Schaffen auch regelmäßig auf die Sirenen des griechischen Mythos. Hieronymus’ Absicht war es, mit seiner lateinischen Bibelübersetzung einen zuverlässigen Text nach der originalsprachlichen Vorlage schaffen, der die VetusLatina-Fassungen nach der Septuaginta ersetzen sollte. Wenngleich er die fabulae gentilium an einigen Stellen ostentativ ablehnt, scheint er nicht versucht zu haben, mythische Figuren konsequent aus dem Bibeltext zu tilgen, um ihn damit gewissermaßen zu entmythisieren. Im Fall der Giganten hat er die Zahl von 40 Nennungen in der Septuaginta halbiert und im Fall der Sirenen drei von vier Nennungen gestrichen. Gerade bei den mythischen Vogelwesen wäre es ein Leichtes gewesen, ausnahmslos alle Erwähnung zu ersetzen. So stellt sich die Frage, warum er das unterlassen hat. Es macht den Eindruck, als habe er mit Absicht dafür Sorge tragen wollen, dass die mythischen Begriffe nicht ganz aus der Bibel verschwinden. Er könnte dafür drei Gründe gehabt haben. Erstens musste er nicht nur in Hinblick auf die Verständlichkeit des Textes sein Publikum im Auge haben, sondern 91 Hier. in Ezech. 10,32 (CCL 75, 461).
5.7 Zusammenfassung
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auch in Hinblick auf dessen Gewohnheiten. Die Abwesenheit der Giganten und Sirenen im neuen Bibeltext hätte zusätzliche Hindernisse für seine Akzeptanz bedeutet. Wie kritisch Veränderungen aufgenommen werden konnten, zeigt die berühmte Diskussion mit Augustinus über die Pflanze ( קיקיוןqjqjwn) in Jona 4,6–10.92 Auf der anderen Seite belegt dieses Beispiel aber auch, dass Hieronymus durchaus das Selbstbewusstsein hatte, sich dem Traditionsdruck der Septuaginta und der von ihr abhängigen Übersetzungen zu widersetzen. Der zweite Grund, warum er die Giganten und Sirenen womöglich nicht ganz aus dem Text tilgen wollte, ist im christlichen Altersbeweis zu erblicken. Wollte man darauf verweisen können, dass die heidnischen Mythen verfälschte Übernahmen der mosaischen Weisheit waren, war es hilfreich, auch auf mythische Figuren verweisen zu können, die bereits in der Bibel vorkamen. Gerade angesichts der recht deutlichen Parallelen zum Mythos im Fall der Giganten und Sirenen könnte Hieronymus solche Überlegungen angestellt haben. Da der Altersbeweis inzwischen vorwiegend den Zweck hatte, gegenüber häretischen Strömungen das Alter der Orthodoxie zu beweisen,93 führen diese Beobachtungen zum dritten Grund: Neben der bekannten Praxis christlicher Exegeten, Präfigurationen christlicher Wahrheit in den Inhalten der Hebräischen Bibel zu suchen, verfolgt Hieronymus in seinen exegetischen Schriften stets ein zweites Prinzip, indem er an vielen Stellen Bezüge zur zeitgenössischen Kirche herausstellt. Im Fall der Giganten und Sirenen ist da vor allem an die Auseinandersetzungen mit Häresien zu denken. Außer der Askese und dem Text der Bibel war die Zurückweisung heterodoxer Positionen das dritte große Themenfeld innerhalb seiner literarischen Produktion. Wenn er also weiterhin Häretiker als Giganten beschimpfen und ihre Lehren als Sirenengesänge verunglimpfen wollte, war es vorteilhaft, wenn diese auch weiterhin im Bibeltext vorhanden waren. Es lagen zudem bereits Werke christlicher, teils antihäretischer Literatur vor, die die entsprechenden Bilder benutzte. Das Löschen der mythischen Figuren aus dem Bibeltext hätte diese Argumente eines Teils ihrer Schlagkraft beraubt. Da die häretischen Strömungen eines der zentralen Probleme der Kirche in den Jahrzehnten waren, als Hieronymus das Alte Testament übersetzte, wollte er als Verfechter orthodoxer Positionen nicht biblische Beweise unterschlagen, die im literarischen Kampf gegen Häretiker nützlich waren. Es macht daher den Eindruck, als wäre in der Übernahme der Giganten und Sirenen ein Zeitbezug zu erblicken.
92 Vgl. Hier. epist. 112,22,1 (CSEL 55, 392); Aug. epist. 71,5,1 (= Hier. epist. 104, CSEL 55, 241); hierzu REBENICH 1993, 50–77; FÜRST 1994, 12–19; BOUTON-TOUBOULIC 2005B, 185– 229; FRAÏSSE 2010, 145–165. 93 REBENICH 2002, 22; JEANJEAN/LANÇON 2004, 19. 30–41.
6. DIE NUTZUNG MYTHISCHER REFERENZEN DURCH HIERONYMUS 6.1 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZU ORTEN UND HISTORISCHEN EREIGNISSEN Eine kleine Gruppe mythischer Referenzen wird in den Schriften des Hieronymus durch diejenigen gebildet, die er nutzt, um Orte der antiken Welt oder historische Ereignisse zu kommentieren. Es handelt sich dabei zumeist um Städte, die bedingt durch den jeweiligen Kontext zur Sprache kommen und die er charakterisiert, indem er auf einen Mythos rekurriert. Darüber hinaus sind hier historische Ereignisse zu fassen, die der Kirchenvater mithilfe von mythischen Bezügen kommentiert. Für den Befund ergibt sich jedoch in mehrerlei Hinsicht eine Schräglage. Wenngleich sich nominell 93 Textstellen auf Orte und Ereignisse beziehen, scheidet der größte Teil aus, da diejenigen Ereignisse, die Hieronymus seiner Bearbeitung von Eusebios’ Chronik hinzugefügt hat, einen Sonderfall darstellen. Wie gezeigt wurde, kann die Tendenz dieses Werkes für die Fragestellung dieser Arbeit hinreichend mit dem christlichen Altersbeweis erklärt werden, demzufolge die Mythen nichts anderes als verfälschte Übernahmen aus der Bibel seien.1 Tatsächlich gibt es nur ein historisches Ereignis, das Hieronymus mithilfe einer mythischen Referenz kommentiert – die überdies nicht ohne Weiteres als solche festzulegen ist: Über den Tsunami, der am 21. Juli 365 die Küstenregionen des östlichen Mittelmeeres verwüstet hat, sagt Hieronymus in der vita Hilarionis: „Um diese Zeit – es war nach Julians Tode – suchte ein Erdbeben den ganzen Erdkreis heim und die Meere traten über ihre Ufer. Wie wenn Gott mit einer neuen Sintflut hätte drohen, wie wenn er alles ins alte Chaos hätte zurückverwandeln wollen, wurden die Schiffe an die Felsenriffe der Berge getrieben, wo sie sich festfuhren.“2
Der Ausdruck antiquum chaos erinnert stark an das mythische χάος, das in Hesiods Theogonie am Beginn der Welt steht.3 Der Fall wird jedoch dadurch verkompliziert, dass die Vulgata in Lk 16,26 nach einigen Hss. chaos statt chasma bietet: „Und zu diesem allen ist zwischen uns und euch eine große Kluft (chasma) festgelegt“.4 Hieronymus’ Bemerkung über den Tsunami wäre damit nicht mehr eindeutig dem griechischen Mythos zuzuordnen.
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Oben 4.3. Hier. vita Hilar. 40,1 (SC 508, 286): Ea tempestate terrae motu totius orbis, qui post Iuliani mortem accidit, maria egressa sunt terminos suos, et quasi rursum Deus diluvium minaretur vel in antiquum chaos redirent omnia, naves ad praerupta delatae montium pependerunt. Übers. GRESCHAT/TILLY 2009, 163. Vgl. Amm. 26,10,16–19; Socr. h.e. 4,3; Soz. h.e. 6,2. Hes. Th. 116. Vgl. BAUKS 2006, 2. Der Begriff „Chaos“. Vgl. auch Lk 16,26: καὶ ἐν πᾶσι τούτοις µεταξὺ ἡµῶν καὶ ὑµῶν χάσµα µέγα ἐστήρικται.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
103
Um eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den betrachteten Stellen zu gewährleisten, werden daher im Folgenden ausschließlich mythische Referenzen untersucht, die sich auf Orte beziehen. In den meisten dieser Fälle bezieht sich Hieronymus auf Stätten, die in einem direkten Zusammenhang zu seiner eigenen Biographie stehen: Rom, die Straße von Messina, Athen, Galatien, Antiocheia, Jafo, Jerusalem, Bethlehem und No in Ägypten.5 6.1.1 Die Fesseln der Andromeda Im Winter 396/397 legte Hieronymus einen Kommentar zum Buch des Propheten Jona vor,6 das er wenige Jahre zuvor aus dem Hebräischen übersetzt hatte. Wie er in seinem Vorwort betont, hatte er sich besondere Mühe gegeben, da Jona der Prophet war, den Jesus auf sich selbst bezogen hatte – typus est Salvatoris.7 Zu Beginn des Buches ergeht der Auftrag JHWHs an Jona, zur etwa 900 km nordöstlich gelegenen assyrischen Residenzstadt Ninive zu reisen, um ihr Gottes Gericht anzukündigen. Jona begibt sich jedoch auf die Flucht vor dem Auftrag und will von der Hafenstadt Jafo aus nach Tartessos in Spanien entkommen.8 Hieronymus erklärt zunächst, dass Jafo derselbe Hafen ist, zu dem auch König Hiram von Tyros Bauholz für den ersten Tempel in Jerusalem hatte schiffen lassen,9 bevor er zu Bemerkungen über die Topographie übergeht, fügt er eine Anekdote ein: „Dies ist der Ort, wo bis heute die Uferfelsen gezeigt werden, an denen einst Andromeda angebunden und durch die Hilfe des Perseus befreit worden sei. Der gebildete Leser kennt die Geschichte.“10
Wie aus einer Bemerkung in einem Brief aus dem Jahr 404 hervorgeht, auf die noch einzugehen sein wird, war Hieronymus während seiner Pilgerreise mit Paula der Älteren im Jahr 385 selbst dort und hatte besagte saxa in litore sehen können.11
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Rom: Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74. 76); hierzu unten 6.1.2; Straße von Messina: adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93); epist. 108,7,2 (CSEL 55, 312); Athen: epist. 70,2,3 (CSEL 54, 701); Galatien: in Gal. 2 (CCL 77A, 78); Antiocheia: in Ezech. 14,47 (CCL 75, 723); Jafo: in Ion. 1,3b (FC 60, 104); epist. 108,8,2 (CSEL 55, 313); hierzu unten 6.1.1; Jerusalem: in Zach. 3,12 (CCL 76A, 862); Bethlehem: epist. 46,11,2 (CSEL 54, 341); hierzu unten 6.1.2; No: in Ezech. 9,30 (CCL 75, 422); vgl. auch Ez 30,14–16; Jer 46,25; Hier. epist. 108,14,1 (CSEL 55, 324). 6 Zu den Datierungen der hieronymianischen Schriften zuletzt WILLIAMS 2006, 284–288. RISSE, in: FC 60, 16; DUVAL, in: SC 323, 11 f., datieren ins Jahr 396. 7 Hier. in Ion. praef. (FC 60, 88); vgl. Mt 12,40; hierzu HAGEMANN 1970, 47–50; RISSE, in: FC 60, 49–51; GERHARDS 2008, 8.2.1. Neues Testament. 8 Jona 1,3. Zur Identifikation von Tarsis mit Tartessos MULZER 2006, 46. 9 Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104); vgl. 2 Chr 2,15; Esra 3,7; hierzu RISSE, in: FC 60, 104, Anm. 43; DUVAL, in: SC 323, 344 f., Anm. 2. 10 Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104. 106): Hic locus est in quo usque hodie saxa monstrantur in litore in quibus Andromeda religata Persei quondam sit liberata praesidio. Scit eruditus lector historiam. Übers. ebd. 105. 107. 11 Hier. epist. 108,8,2 (CSEL 55, 314); hierzu DUVAL, in: SC 323, 345, Anm. 3.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Noch heute ist vor Jafo, das zur Gemeinde Tel Aviv-Jaffa gehört, eine kleine Formation von Felsen zu sehen, die ca. 100 Meter vor der Küste in der gedachten Verlängerung der Hafenmole aus dem Wasser ragen und als „Andromeda Rock“ eine kleine Touristenattraktion darstellen. Verschiedenen Umgestaltungen des Hafens zum Trotz handelt es sich hierbei wohl um die Reste des natürlichen Hafens, den die Felsformation gebildet hatte und dem die heutige Anlage folgt.12 Der zugrundeliegende Mythos, auf den Hieronymus sich hier bezieht, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Kassiopeia, Andromedas Mutter und Frau des Kepheus, des Königs der Phöniker,13 hat den Zorn der Nereiden erregt, weil sie sich rühmt, schöner als die Meeresnymphen zu sein. Diese veranlassen daher Poseidon, eine Sturmflut und ein furchtbares Seeungeheuer zu senden. Einem Orakelspruch zufolge liegt nun die einzige Rettung für die Stadt darin, Andromeda diesem κῆτος zu opfern. Sie wird daraufhin an der Küste an einen Felsen gekettet. Perseus, der Sohn des Zeus und der Danae, der zuvor die Gorgo Medusa getötet hat, entdeckt Andromeda zufällig, tötet das Ungeheuer und befreit die Königstochter.14 Im Rahmen seiner Auslegung des Propheten Jona präsentiert Hieronymus hier also einen Rekurs auf einen griechischen Mythos. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass ein solcher Kommentar für ein Publikum bestimmt war, das ausschließlich aus gebildeten Christen bestand.15 Die heidnische Erzählung scheint in diesem Zusammenhang kein Problem darzustellen. Es sieht vielmehr so aus, als wollte der Kirchenvater seine Leserschaft von seinem großen Realienwissen über das Heilige Land profitieren lassen. Der Andromeda-Felsen erscheint somit als eine harmlose Anekdote, deren Relikt Hieronymus bei seinem Besuch in Jafo elf Jahre zuvor mit touristischem Interesse besichtigt hatte. Für seine Leserschaft im Westen des Reiches war Palaestina prima eine weit entfernte, semibarbarische Provinz, die die wenigsten selbst bereist hatten. Durch den Hinweis auf etwas Bekanntes aus dem eigenen – wenn auch paganen – Kulturgut konnte dem exotischen Landstrich ein wenig des Fremdartigen genommen und die mitunter trockene Lektüre eines Bibelkommentars aufgelockert werden. Da Hieronymus offenbar annehmen durfte, dass der Perseus-Andromeda-Mythos geläufig war, reicht der Einschub, scit eruditus lector historiam, aus, die Kürze der Andromeda-Bemerkung zu begründen, und liefert zugleich eine gewisse Rechtfertigung, da der Kirchenvater ja nur referiert, was ohnehin jeder wusste. „Der gebildete Leser“ konnte, falls er den Mythos kannte, geschmeichelt sein.16 Im anderen Fall lag der Makel bei ihm selbst, da er offenkundig nicht eruditus war. Das Erstaunliche an dem Satz ist jedoch, dass Hieronymus von historia spricht und nicht von fabula. Der Formulierung nach billigte er der Erzählung somit ein gewisses Maß an Historizität zu. Zum einen mag das an „der visionären Kraft“ liegen, die er 12 MULZER 2006, 52. 13 Ps.-Scyl. 104; Con. 40; Str. 16,2,28; Paus. 4,35,9. Nach den meisten Versionen ist er König von Äthiopien; vgl. ROSCHER 1886C, 345 f. 14 Apollod. 2,4,3; Ov. met. 4,670–734; Hyg. fab. 64; astr. 2,11. Vgl. WERNICKE 1894, 2155 ff.; ROSCHER 1886C, 345–347; KERÉNYI 1958, 49 f. 15 ANTIN 1947, 349. 16 DUVAL, in: SC 323, 345, Anm. 4; ANTIN 1947, 349 f.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
105
nach dem Autopsieprinzip solchen „Erinnerungsorten ganz in der Tradition überkommener Auffassungen“17 beimaß: Er hatte mit eigenen Augen den AndromedaFelsen sehen können. Zum anderen können die Quellen Aufschluss geben, die Hieronymus bemüht hatte. Sofern sich im Zusammenhang mit seinen mythischen Referenzen literarische Vorlagen ausmachen lassen, sind häufig Vergil und Ovid seine Gewährsmänner. Jedoch hat nur letztgenannter über die Befreiung der Andromeda geschrieben, benennt allerdings wie die meisten maßgeblichen Überlieferungen Äthiopien als Schauplatz des Geschehens.18 Unter den Autoren, die den Mythos an die phönikische Küste verlegen, kommt eigentlich nur Flavius Iosephus in Frage.19 Hieronymus besaß dessen gesammelte Werke und Zeitgenossen hatten ihm sogar fälschlicherweise eine lateinische Übersetzung zugeschrieben; „to him this text was almost his bedside book.“20 In De bello Iudaico verknüpft der Autor die topographische Beschreibung Jafos ebenfalls mit der Erwähnung der mythischen Sehenswürdigkeit am Hafen: „Dort werden noch jetzt die Abdrücke von den Fesseln der Andromeda gezeigt, die das hohe Alter des Mythos verbürgen.“21 Die Vokabel µῦθος bezeichnet hier entgegen dem heutigen Sprachgebrauch gerade nicht eine unwahre Geschichte. Stattdessen wird die sichtbar vorhandene topographische Besonderheit als Beleg für das hohe Alter des Mythos angeführt.22 Das setzt sowohl für die Erzählung als auch für ihr Relikt ein Mindestmaß an Authentizität voraus. Mythos ist hier also nicht im Sinne von fabula, sondern im Sinne von Erzählung, Geschichte, eben historia zu verstehen. Die Darstellung ähnelt der Passage bei Hieronymus, in der er lediglich die Figur des Perseus ergänzt und den Hinweis auf das Alter des Mythos durch die Bemerkung ersetzt, dass der gebildete Leser die Geschichte kenne. Damit sieht es so aus, als habe er eine lateinische Paraphrase der Iosephus-Stelle gegeben, im Rahmen derer er die Andromeda-Erzählung als historia bezeichnet. Mit der Beschreibung hat Hieronymus also auch die fehlende Skepsis gegenüber der Historizität der Erzählung übernommen.23 Sucht man nach einer Motivation für die mythische Referenz im Jona-Kommentar, lassen sich gewisse Parallelen der Erzählungen auf Ebene der handlungstragenden Elemente kaum übersehen: Beide Figuren, Jona und Andromeda, befinden sich durch ein Meerestier bedroht in Lebensgefahr und werden durch göttlichen 17 HARTMANN 2010, 628. 18 Apollod. 2,4,3; Ov. met. 4,668 f.; Hyg. fab. 64; astr. 2,11. 19 Ps.-Scyl. 104; Str. 1,2,35; 16,2,28; Con. 40; Plin. nat. 5,14,69; 9,5,11; J. BJ 3,9,3; Paus. 4,35,9. Bis auf Plinius hatte Hieronymus keinen der Autoren gelesen. Laut COURCELLE 1969, 88 f. m. Anm. 213, hat er dessen Werk zwar gelesen, entsprechende Stellen jedoch aus Tertullianus und anderen Kirchenschriftstellern übernommen. Nach KROLL 1951, 271, verwechselt Hieronymus die beiden Plinii. Vgl. LÜBECK 1872, 210 f.; dagegen HAGENDAHL 1958, 102, Anm. 9. 20 COURCELLE 1969, 84; vgl. HAGENDAHL 1958, 130. Ios.-Übers.: Hier. epist. 71,5,2 (CSEL 55, 6). 21 J. BJ 3,9,3: ἔνθα καὶ τῶν Ἀνδροµέδας δεσµῶν ἔτι δεικνύµενοι τύποι πιστοῦνται τὴν ἀρχαιότητα τοῦ µύθου. Übers. nach MICHEL/BAUERNFEIND 1962, 379. 22 SCHMIDT 1907, 15; BLOCH 2011, 90 f. 23 Das lässt sich auch an der zeitlichen Bestimmung quondam ablesen. Vgl. STUMMER 1941, 253.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Beistand gerettet – Perseus ist immerhin Sohn des Zeus. Auch für die Vorgeschichte lassen sich Analogien aufzeigen: Wie Jona durch seinen Hochmut gegen Gott in die missliche Lage gerät, so ist Andromeda Opfer der Hybris ihrer Mutter Kassiopeia. Beide Erzählungen bieten zudem im weiteren Verlauf die Versöhnung mit dem göttlichen Element: Andromeda wird von Perseus zur Frau genommen und Jona zieht schließlich nach Ninive, um Gottes Weisung zu erfüllen.24 Hinzu kommt eine sprachlicher Aspekt, auf den Hieronymus an anderer Stelle selbst hinweist: Während Jona in V. 2,1 nach der Vulgata von einem piscis verschluckt wird, ist es den Übersetzern der Septuaginta zufolge ein κῆτος. Davon abhängig benutzt Jesus in Mt 12,40 dasselbe Wort, als er sich mit dem Propheten vergleicht, so dass letztlich auch Hieronymus den griechischen Text an dieser Stelle mit dem Lehnwort cetus übersetzt hat. Zu der Problematik erklärt er im Jona-Kommentar, dass mit κῆτος ein Wal gemeint sei, während ( דג גדולdg gdwl) ganz allgemein einen großen Fisch bezeichne. Nichtsdestotrotz kann mit κῆτος im Griechischen auch ein Seeungeheuer gemeint sein, wie ja auch Andromeda in den meisten Überlieferungen durch ein κῆτος/cetus bedroht wird.25 Plinius und Pomponius Mela berichten zudem, dass in Jafo das gewaltige Skelett des Seeungeheuers ausgestellt war, bis es im Jahr 58 v. Chr. durch M. Aemilius Scaurus nach Rom gebracht und dort ausgestellt wurde. Das Zeigen solcher mirabilia war Usus im Rom der republikanischen und noch mehr der Kaiserzeit.26 Die skurrile Gestalt eines solchen Walskelettes, die sich nur schwer mit dem Anblick eines lebendigen Wales in Verbindung bringen lässt, seine monströse Größe und vor allem die bizarre Form des Kopfes mit den überlangen Kieferknochen machen begreiflich, dass ein solches κῆτος auch als Seeungeheuer aufgefasst wurde. Über die Wege möglicher Wechselwirkungen von biblischer Jona- und mythischer Andromeda-Tradition seien hier keine Spekulationen angestellt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Verbindung – etwa durch jüdisch-hellenistische Einflüsse – hergestellt wurde und zum Überleben der entsprechenden Lokaltradition beigetragen hat.27 Den Andromeda-Felsen, der nach manchen mythischen Überlieferungen vor der phönikischen Küste zu suchen war, verortete diese ad Ionae portum28. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass Hieronymus auf den narrativen Zusammenhang zwischen Mythos und Altem Testament abheben wollte. Acht Jahre später kommt Hieronymus noch einmal auf Jafo zu sprechen: Der 108. Brief ist ein Nachruf auf Paula die Ältere, Hieronymus’ langjährige Weggefährtin, die wenige Monate zuvor am 26. Januar 404 in Bethlehem verstorben war. Die fe-
24 Jona 1,4–2,11. Vgl. SCHMIDT 1907, 3–24; WOLFF 1965, 26–27; LIWAK 1998, 1085, mit weiteren Parallelen zu mythischen Traditionen um Herakles und Hesione sowie um Iason. Nach Lyc. Alexandra 834 ff. wird auch Perseus vom Untier verschlungen und tötet es von innen heraus; vgl. SCHMIDT 1907, 19 f. Dagegen WOLFF 1965, 24 m. Anm. 26. 25 Hier. in Ion. 2,1a (FC 60, 140); vgl. KIESSLING 1970, 169; LIDDELL/SCOTT 1996 949 s.v. κῆτος. 26 Plin. nat. 9,5,11; Mela 1,64. Vgl. HARTMANN 2010, 126–135. 27 WOLFF 1965, 27; HARTMANN 2010, 594. Pace GERHARDS 2008, 5.2.1. Verschlingungsmotiv. 28 Hier. adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93). Vgl. LARDET 1993, 307; DUVAL, in: SC 323, 344 f.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
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mina clarissima wurde 347 in Rom in die gens Maecia geboren, die ihre noble Abstammung auf die Gracchen und Scipionen zurückführte.29 Nachdem Paula sich ein Jahr zuvor der christlichen Askese verschrieben hatte, lernte sie Hieronymus bei seinem Romaufenthalt im Jahr 382 kennen und als spirituellen Mentor schätzen. Als er drei Jahre später Rom verließ, folgte sie ihm mit ihrer Tochter Iulia Eustochium. Bevor sie sich wie er in Bethlehem niederließ und dort mit ihrem Vermögen den Bau der Klosteranlagen ermöglichte, unternahmen sie gemeinsam mit einigen anderen die erwähnte Pilgerreise zu biblischen Stätten im Heiligen Land.30 Entgegen seiner erklärten Absicht31 bietet der Mönch in ihrem Nekrolog eine ausführliche Reisebeschreibung, die sich, beginnend mit ihrem Aufbruch in Rom im 6. Kapitel, bis zur Ankunft in Bethlehem am Ende des 14. Kapitels erstreckt.32 Im 8. Kapitel handelt er, ohne zu thematisieren, dass er selbst Mitreisender war, die einzelnen Stationen dieser „Pilgertour“ von Berytos bis Jerusalem ab, die in der Bibel Erwähnung finden.33 So werden auf engstem Raum 20 Orte erwähnt – Städte, Landschaften und einzelne Gebäude –, die jeweils narrativ mit Episoden und Personen aus dem Alten und Neuen Testament in Verbindung gebracht werden sowie – in einem Fall – mit dem Andromeda-Mythos: „Unweit davon34 hat sie Arimathäa besucht, das Dörfchen Josephs, der den Herrn begraben hat, sowie Nob, einst die Stadt der Priester, nun ein Gefallenenfriedhof; ebenso ist sie nach Jafo an den Hafen gekommen, von dem aus Jona floh und – damit ich auch mal etwas aus den fabulae der Dichter streife – von wo aus sie den Felsen sehen konnte, an den Andromeda gefesselt war; die Weiterreise führte sie nach Nikopolis, das früher Emmaus genannt wurde und bei dem der Herr, als er durch das Brechen des Brotes erkannt wurde, das Haus des Kleopas zu einer Kirche weihte.“35
Die kontextuelle Wiedergabe der Stationen Arimathäa, Nob und Nikopolis soll hier lediglich verdeutlichen, auf welche Weise Hieronymus den Ort mit der mythischen Referenz in seinen Text eingeflochten hat. Jafo wird zunächst wie die übrigen Orte mit einer biblischen Gestalt sowie einem Element ihrer Geschichte in Verbindung 29 Hier. epist. 108,1,1–4. 4,1. 33,2 (CSEL 55, 306 f. 309. 350). Vgl. REBENICH 1992A, 185–192; REBENICH 1992B, 41 ff.; KRUMEICH 1993, 80–91; PAOLI 1994, 241–249 ; FEICHTINGER 1995, 177–188. 30 Vgl. GRÜTZMACHER 1901, 242–250; GRÜTZMACHER 1906, 1–17; GRÜTZMACHER 1908, 95– 101; SCHADE, in: BKV 15, 89; CAVALLERA 1922/1, 123–127. 293 f.; KELLY 1975, 273 ff.; PLRE 1, 674 f. s.v. Paula 1; FÜRST 2003, 146. 201 f. 31 Hier. epist. 108,8,1 (CSEL 55, 313). 32 Hier. epist. 108,14,4 (CSEL 55, 325). Hierzu CAIN 2010, 109. 118–121. 33 FÜRST 2003, 200. Vgl. Hier. epist. 108,8,1 (CSEL 55, 313). 34 Sc. Lydda, das heutige Lod; Apg 9,32–41. 35 Hier. epist. 108,8,2 (CSEL 55, 314): haut procul ab ea Arimathiam, viculum Ioseph, qui dominum sepelivit, et Nob, urbem quondam sacerdotum, nunc tumulos occisorum, Ioppen quoque, fugientis portum Ionae et – ut aliquid perstringam de fabulis poetarum – religatum ad saxum Andromedae spectatricem, repetitoque itinere Nicopolim, quae prius Emmaus vocabatur, apud quam in fractione panis cognitus dominus Cleopae domum in ecclesiam dedicavit. Zu Arimathäa Mt 27,57–60; Mk 15,42–46; Lk 23,50–54; Joh 19,38; vgl. KOENEN 2007B, 2.1.2 Identifizierung mit Rentīs [Rentis]; HARTMANN 2010, 596. Zu Nob 1 Sam 22,19; vgl. EDERER 2008, 3 Lage und Identifizierung. Zu Emmaus Lk 24,13–35; vgl. WOLTER 2010.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
gebracht – Jona und seine Flucht – und damit gewissermaßen in den Status eines christlichen Erinnerungsortes gehoben. Anschließend fügt Hieronymus den Hinweis auf den Andromeda-Felsen hinzu und sagt ausdrücklich, dass Paula ihn selbst zu Gesicht bekommen habe. Den Dichter-Rekurs beiseitegelassen, ist die Darstellung der beiden mit Jafo verbundenen Episoden völlig analog: fugientis portum Ionae bzw. religatum at saxum Andromedae. Die Informationen fallen gleichermaßen spärlich aus. Hieronymus setzt voraus, dass sein Publikum weiß, wer Andromeda ist, wie er auch Jona als bekannt voraussetzt. Dass er sich dessen gewiss ist, zeigt auch, dass er beide Male am eigentlichen Kern der Erzählung vorbeigreift: Jonas Rettung aus dem Leib des Fisches durch sein Gebet zum einen (Jona 2,8–11) und die Rettung der Andromeda durch Perseus zum anderen.36 Seine Motivation für die recht unvermittelte mythische Referenz, die hier gewissermaßen einen „touche païenne sur un fond chrétien“37 darstellt, schiebt er mit einer kurzen Parenthese ein: ut aliquid perstringam de fabulis poetarum. Er wird wohl nicht angenommen haben, dass seine Leserschaft nicht selbst bemerkt hätte, dass auf einmal ein Thema aus den fabulae auftaucht.38 Jedoch mag er sich genötigt gefühlt haben, darauf hinzuweisen, dass die Andromeda-Erzählung eben nichts als fabula sei und damit in einen gewissen Kontrast zur Jona-Episode trete, die natürlich als historisch anzusehen sei. Dass Hieronymus sich trotzdem erlauben kann, den heidnischen Mythos in die Aufzählung aufzunehmen, wird wohl dadurch gerechtfertigt, dass es ja die Dichter sind, denen der Einschub entnommen ist. Das zeigt, dass die Schriften der klassischen Autoren einen hohen kulturellen Stellenwert hatten und ihnen ungeachtet möglicher religiöser Implikationen die nötige Autorität eigen war, einen solchen Exkurs zu legitimieren.39 Andererseits verteidigt der Kirchenvater den Einschub mit dem Hinweis auf die variatio. Das Einbinden des Andromeda-Mythos hat so auch den Zweck, den Unterhaltungswert des Textes zu steigern. Zudem liegt ein Hinweis auf die eigene Belesenheit und Bildung vor.40 Offenbar hat Hieronymus sich aber von der Formulierung im Jona-Kommentar vollständig gelöst, denn er weist den Andromeda-Mythos ausdrücklich dem Bereich der profanen Bildung zu und grenzt ihn deutlich von den Bibelreferenzen in der Reisebeschreibung ab. Das wird besonders deutlich am Paradigmenwechsel, da nicht mehr von historia, sondern explizit von fabula die Rede ist. Hier tritt ein
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ROSCHER 1886C, 347. Vgl. CAIN 2013A, 226 f. ANTIN 1960, 47. Zu Hieronymus’ Bild seiner Leserschaft vgl. ANTIN 1947, 345–363. REBENICH 1992B, 33. 36. Der Hinweis auf die poetae kann nicht den Rang einer Quellenangabe beanspruchen, da diejenigen Autoren, die den Mythos an der phönikischen Küste verorten, ausnahmslos Prosa schrieben. Es entspricht jedoch Hieronymus’ gängiger Praxis, jeweils auf die Quelle zu verweisen, die er als die ursprüngliche ansieht, selbst wenn er sie nur aus zweiter Hand und in epitomatischer Wiedergabe kennt. COURCELLE 1969, 83 ff., stellt einen ganzen Katalog heidnischer Autoren zusammen, die er namentlich zitiert, jedoch nur aus Iosephus kennt. Vgl. auch CAMERON 2004, 66; BARTHOLD 2010, 95 m. Anm. 395.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
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christliches Bewusstsein für den Unterschied zwischen den fiktiven Erzählungen der heidnischen Dichter und der biblischen Wahrheit ungleich schärfer ans Licht.41 Leider muss offen bleiben, ob es sich um eine bewusste Revision handelt, die womöglich auf kritischer Resonanz fußt, oder ob der Unterschied darin besteht, dass Hieronymus für die Auslegung des Propheten seinerzeit den Iosephus-Text vorliegen hatte, während er solche Details im Nachruf auf Paula nun aus dem Gedächtnis einstreute. Das Letztere erscheint das Naheliegende, was bedeuten würde, dass Hieronymus eine Erzählung wie die Befreiung der Andromeda intuitiv dem Kreis der fabulae zuordnete. Die Spannung zwischen dichterischer Fiktion und den Relikten des Mythos, die er vor der Küste Jafos selbst gesehen hatte, löst er jedoch auch in der jüngeren Formulierung nicht auf, denn er lässt nicht den geringsten Zweifel an deren Authentizität erkennen. Die Stelle vermittelt den Eindruck, als könne einem Mythos für Hieronymus eine gewisse Historizität eigen sein, zumindest wenn er persönlich – wie in diesem Fall – hinreichende Beweise per Autopsie in Augenschein genommen hat. Die Verbindungen zwischen heidnischem und christlichem Reliquienkult, die jüngst ANDREAS HARTMANN in einer stoff- und umfangreichen Monographie mit dem Untertitel „Objektbezogene Erinnerungspraktiken in antiken Gesellschaften“ untersucht hat, treten hier deutlich zu Tage: „Es zeigt sich, dass der Wandel der religiösen Anschauung durchaus mit einer faktischen Kontinuität im Umgang mit dem Außergewöhnlichen einhergehen konnte.“42 Dass Hieronymus diese Lokaltradition nicht unerwähnt lässt, hat seinen Grund gewiss auch darin, dass Jafo der einzige Schauplatz eines Mythos in Palästina ist. So überrascht es nicht, dass vergleichbare Bemerkungen zu anderen Stationen in dem Reisebericht fehlen. Aus diesem Blickwinkel tritt der heidnisch-mythische Aspekt der Episode wieder ein wenig in den Hintergrund, denn das mirabilium war als kuriose Touristenattraktion interessant genug, um in einem ansonsten durch und durch christlichen Text, der immerhin das einzige „Heiligenleben im strengen Wortsinn“43 aus Hieronymus’ Feder darstellt, Erwähnung zu finden. 6.1.2 Der Ort, der den Brudermörder hervorgebracht hat In der ersten Zeit seiner Niederlassung in Bethlehem, genauer im Jahr 387, fertigte Hieronymus eine Übersetzung der Schrift De spiritu sancto des Alexandriner Theologen Didymos des Blinden an, bei dem er nach seiner Abreise aus Rom im Sommer 385 einen Monat lang verweilt hatte.44 Obwohl jener seit seiner Kindheit blind 41 HARTMANN 2010, 602, bewertet die Dichotomie Mythos/Historie über, da er die Stelle im JonaKommentar übersieht, an der Hieronymus dieselbe Episode als historia bezeichnet. 42 HARTMANN 2010, 137, hier zum konservierten Satyr, der Constantius II. gezeigt wird; hierzu auch unten 6.2.1.1. Zu ähnlichen Traditionen HARVEY 1998, 54 f.; CAMERON 2004, 234 f. 43 HAGENDAHL/WASZINK 1991, 122. CAIN 2010, 118, negiert touristisches Interesse bei Paula. 44 CAVALLERA 1922/1, 134 f.; CESAREO 2009, 31–49. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283; SIEBEN, in: FC 78, 42 f. Vor Hieronymus hatte sich bereits Rufinus in der Zeit von 373 bis 380 bei Didymos aufgehalten; hierzu SKEB 1998A, 536.
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war, hatte er mittels seines Talents, sich einmal gehörte Texte zu merken, eine gewisse Prominenz als hochgelehrter Bibelausleger und Lehrer erlangt. Er pflegte einen asketischen Lebensstil und blieb bis zu seinem Tod 398 in Alexandreia.45 Seine Abhandlung De spiritu sancto, zu der das griechische Original verloren ist, ist vor allem in Hinblick auf die Genese der Trinitätslehre von großer Bedeutung. Datieren lässt sie sich nicht genau,46 jedoch hat bereits Ambrosius für seine gleichnamige Schrift aus dem Jahre 381 daraus geschöpft.47 Hieronymus hat der lateinischen Übersetzung einen prologus vorangestellt, der weniger in die Thematik einführt,48 als vielmehr den Raum für einige persönliche Bemerkungen bietet. Selbst die Begründung für sein Unternehmen, den Text zu übertragen, schlägt nach einem kurzen Hinweis auf die ursprüngliche Anregung durch Damasus von Rom in eine heftige Kritik an dem namentlich nicht genannten Ambrosius um.49 Eröffnet wird der Prolog mit einem Rückblick auf Hieronymus’ Abschied aus Rom: „Als ich in Babylon weilte, ein Bewohner der purpurgewandeten Dirne (Offb 17,2. 4) war und nach dem Gesetz der Quiriten lebte, wollte ich ein paar lose Gedanken über den Heiligen Geist zu Papier bringen und das begonnene kleine Werk dem Pontifex eben dieser Stadt widmen. Doch siehe, jener Kessel, der bei Jeremias hinter dem Zweig erblickt wird, begann von Norden her zu sieden (Jer 1,11–13) und der Senat der Pharisäer schrie Zeter und Mordio, und zwar nicht irgendein unbekannter Schriftgelehrter oder bloß jemand, der sich dafür hielt, nein, die ganze Zunft der Ignoranten verschwor sich gegen mich, als ob sie zu einer Schlacht um die Lehre aufgerufen würden. Ich aber bin, auf der Stelle, wie aufgrund eines Heimatrechts, nach Jerusalem zurückgekehrt und hatte nach dem Unterschlupf des Romulus und den Lupercalien die Herberge Mariens (Lk 2,7) und die Grotte des Heilandes vor Augen. So nun, mein lieber Bruder Paulinianus, wurde ich, da der oben genannte Pontifex Damasus, der mich als erster zu diesem Werk angeregt hatte, im Herrn entschlafen ist, jetzt durch deine Bitte und die der mir ehrwürdigen Mägde Christi, Paula und Eustochium, ermutigt, und es kommt das Lied, das ich in fremdem Land nicht singen konnte (Ps 137,4), hier in Judäa, von euch herausgefordert, leise von meinen Lippen. Dabei halte ich den Ort, der den Heiland der Welt hervorbrachte, für viel majestätischer als den, der den Brudermörder erzeugte.“50
45 NEUSCHÄFER 1998, 169. 46 SIEBEN, in: FC 78, 39–41. 47 NEUSCHÄFER 1998, 169; vgl. auch DOUTRELEAU 1987, 299 m. Anm. 9; DOUTRELEAU, in: SC 386, 139, Anm. 5; SIEBEN, in: FC 78, 76, Anm. 15. 48 DOUTRELEAU 1987, 301. 49 Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 76. 78). 50 Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74. 76): Dum in Babylone versarer et purpuratae Meretricis essem colonus et iure Quiritum viverem, volui aliquid garrire de Spiritu Sancto et coeptum opusculum eiusdem urbis Pontifici dedicare. Et ecce olla illa, quae in Ieremia post baculum cernitur, a facie coepit aquilonis ardere, et pharisaeorum conclamavit senatus; et nullus scriba vel fictus sed omnis, quasi indicto sibi praelio doctrinarum, adversum me imperitiae factio coniuravit. Illico ego velut postliminio Hierosolymam sum reversus et, post Romuli casam et ludicrum Lupercal, diversorium Mariae et speluncam Salvatoris aspexi. Itaque, mi Pauliniane frater, quia supradictus Pontifex Damasus, qui me ad hoc opus primus impulerat, iam dormivit in Domino, tam tuo quam venerabilium mihi ancillarum Christi, Paulae et Eustochii, nunc adiutus oratu, canticum quod cantare non potui in terra aliena, hic a vobis in Iudaea provocatus immurmuro, augustiorem multo locum existimans, qui Salvatorem mundi quam qui fratris genuit parricidam. Übers. ebd. 75. 77.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
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Hieronymus hat Rom immer wieder als Babylon tituliert, nachdem er die Stadt verlassen hatte.51 Mit diesem Bild bezeichnet er sie als einen Ort der Sünde und des Lasters, an dem gerade für einen asketisch lebenden Christen zahlreiche Gefahren und Versuchungen lauern.52 Deutlich ist Hieronymus’ Bitterkeit über die Opposition gegen ihn aus den Reihen des römischen Klerus zu spüren. Im Zuge seines Aufenthaltes in der urbs hatte sich Widerstand gegen zentrale Positionen seiner asketischen Ideale gebildet, zum einen gegen das Mönchtum an sich, das man als orientalisch und übertrieben empfand, und zum anderen gegen die damit verbundene Überschätzung der Virginität.53 Nach Damasus’ Tod am 11. Dezember 384 wurde mit Siricius ein entschiedener Kritiker Nachfolger auf dem römischen Bischofssitz. Um gegen die Lehrer der Askese in Rom vorzugehen, berief er wohl in der ersten Hälfte des folgenden Jahres eine Versammlung ein, die Hieronymus einen pharisaeorum senatus nennt.54 Die Beschimpfung liegt zum einen darin, die kirchlichen Würdenträger als Pharisäer zu bezeichnen, jene im Neuen Testament stets negativ behaftete jüdische Glaubensrichtung, die sich durch eine besonders strenge und textnahe Auslegung der alttestamentlichen Gesetze auszeichnete;55 zum anderen mag hierin das Bewusstsein eines römischen Bürgers dafür durchklingen, dass der Senat in Rom zu einer veralteten Institution degeneriert war, die nur noch wenig von ihrer einstigen Bedeutung und Machtfülle besaß.56 Ein wenig dunkel ist die Jeremia-Referenz, die wohl so zu verstehen ist, dass seine Gegnerschaft von Norden her kommt. Da Bischof Siricius Stadtrömer war und somit kaum gemeint sein kann, ist hierin vielleicht eine Anspielung auf den aus Trier stammenden Ambrosius zu erblicken, der überdies Bischof des nördlich gelegenen Mailand war.57 Vor dem Hintergrund der im weiteren Textverlauf folgenden Anspielungen auf dessen Schrift De spiritu sancto könnte er zudem mit scriba vel fictus gemeint sein, zumal es durchaus denkbar ist, dass Ambrosius an dem Verfahren gegen Hieronymus beteiligt war.58 Die „Rückkehr“ nach Jerusalem, von der er spricht, ist kein Hinweis auf einen etwaigen früheren Aufenthalt, sondern stellt eine Anspielung auf das himmlische
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58
BEHRWALD 2009, 252 f.; CAIN 2009B, 126 f.; GRIG 2012, 140–142. DOUTRELEAU 1987, 307; GRIG 2012, 133 (zu Hier. epist. 22,7). REBENICH 1992A, 176. GRÜTZMACHER 1901, 291–298; CAVALLERA 1922/1, 113–120; KELLY 1975, 108 f.; REBENICH 1992A, 224; DOUTRELEAU, in: SC 386, 137, Anm. 3; SIEBEN, in: FC 78, 74, Anm. 5; REBENICH 2002, 39; CAIN 2009B, 99–128; CAIN 2010, 108. Vgl. Hier. epist. 33,5,5 (CSEL 54, 259); 127,9,2 (CSEL 56, 152); Siric. epist. 1,6 (PL 13, 1137B.C); hierzu DOUTRELEAU 1987, 297. J. AJ 13,171–173. Vgl. KAHLOS 2010, 639. DEMANDT 1989, 329–342. DOUTRELEAU 1987, 307, schlägt vor, die Tagungsstätte des Klerus nördlich von Hieronymus’ „situation géographique“ innerhalb Roms anzunehmen oder den Norden als Ort der (metaphorischen) Kälte aufzufassen. DOUTRELEAU 1987, 297; REBENICH 2002, 39; CAIN 2009B, 118 f. Zu Hieronymus und Ambrosius auch ZELZER 1993, 146–157; LAYTON 2002, 489–522. Zur Rolle des Origenismus in dem Verfahren CAIN 2006, 727–734. Zu Pharisäern und Schriftgelehrten Mt 23,2. 13 ff.; 5,20; Joh 8,3; vgl. DOUTRELEAU 1987, 297, Anm. 2.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Jerusalem dar, das nach Offb 3,12 die wahre Heimat des Christen ist.59 Die ohnehin offensichtliche Gegenüberstellung von Jerusalem und Babylon/Rom verdeutlicht er daraufhin noch einmal durch einen Rekurs auf den Sagenkreis um die Gründung Roms. Direkt kontrastiert er die Romuli casa und das ludicrum Lupercal mit dem diversorium Mariae sowie der spelunca Salvatoris. Mit der Hütte des Romulus, die seit augusteischer Zeit an der Südwestseite des Palatins als authentische Wohnstätte des Stadtgründers verehrt und gepflegt wurde, sowie dem Lupercal in unmittelbarer Nähe nennt Hieronymus als partes pro toto zwei bedeutende Erinnerungsorte der Stadt Rom, die auf das engste mit ihrer Gründung verbunden waren.60 Hieronymus spielt allein durch ihre Nennung auf die Erzählung an. Im Fall des Lupercals bezieht er sich insbesondere auf die zugehörigen Kultfeierlichkeiten, die so genannten Lupercalien. Dass es sich nicht um bloße topographische Angaben handelt,61 sondern um Bezugnahmen auf die mit den Orten verbundene Sage, wird durch die Gegenüberstellung mit dem Ort der Geburt Christi mehr als deutlich. Zunächst sei daher die Erzählung in ihren Grundzügen skizziert: Nachdem Amulius seinen Bruder Numitor als König von Alba Longa abgesetzt hat, zwingt er dessen Tochter Ilia bzw. Rhea Silvia, eine Vestalin zu werden, um durch die damit auferlegte Jungfräulichkeit zu gewährleisten, dass sie keine rechtmäßigen Thronerben zur Welt bringen kann. Als sie jedoch die Zwillinge Romulus und Remus gebiert und behauptet, dass der Gott Mars sie verführt habe, sperrt Amulius seine Nichte ein und setzt die beiden Kinder in einem Korb im Tiber aus. Nachdem der Korb ans Ufer getrieben ist, werden sie von einer Wölfin in einer Grotte am südwestlichen Fuß des Palatins gesäugt, dem Lupercal.62 Faustulus, der Oberhirte des Amulius, findet die Kinder und überantwortet sie seiner Frau Acca Larentia. Romulus und Remus wachsen zu starken und mutigen Männern heran, denen sich ein Gefolge von Hirten verpflichtet fühlt. Als Remus fälschlicherweise angeklagt wird, aus der Herde des Numitor gestohlen zu haben, wird er vor Amulius gebracht, der ihn jedoch zur Bestrafung an Numitor übergibt. Dieser beginnt zu ahnen, dass es sich um seinen tot geglaubten Enkel handelt. Da Faustulus dieselbe Vermutung gegenüber Romulus äußert, entschließen sich die Zwillinge, Numitor wieder zu seinem Thron zu verhelfen. Zusammen mit den Hirten greifen sie Amulius an und töten ihn, so dass Numitor wieder über Alba Longa herrschen kann. Die Enkel sind sehr ehrgeizig und wollen mit ihren Anhängern eine eigene Stadt gründen. Da jedoch beide der Stadt ihren Namen geben wollen, vereinbaren sie, die Entscheidung den Göttern zu überlassen. Nach einer der überlieferten Versionen soll derjenige Sieger sein, der zuerst eine Schar Geier sichtet. Vom Aventin aus erblickt Remus recht bald sechs Tiere, während Romulus kurz darauf zwölf Tiere erspäht. Es entbrennt ein Streit zwischen den beiden, wer den Sieg für sich in Anspruch nehmen 59 Vgl. auch Hier. epist. 45,6,1 (CSEL 54, 327); hierzu DOUTRELEAU 1987, 301. 60 D.H. 1,79,11; Plu. Rom. 20,4–6; D.C. 48,43,4; 53,16,5; vgl. COARELLI 1993, 241 f.; RAAFLAUB 2006, 18–39; HARTMANN 2010, 527. 61 Marcellas Haus auf dem Aventin, in dem sich die asketisch interessierten Christinnen um Hieronymus trafen, stellt einen topographischen Bezug dar; DOUTRELEAU 1987, 308. 62 D.H. 1,32,3–5. 79,8; R. Gest. div. Aug. 19. add. 2; Ov. fast. 2,381–422; Vell. 1,15,3; Serv. Aen. 8,90. 343; vgl. CARTER 1915, 176; COARELLI 1996, 198 f.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
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darf. In dem Kampf, der nun zwischen den beiden Lagern der Hirten entbrennt, wird Remus getötet. Nach einer anderen Überlieferung tötet Romulus seinen Bruder, weil er zum Hohn über die Mauer der Stadt springt, die Romulus gerade aufbaut. Gemeinsam ist fast allen Versionen, dass Romulus alleine übrig bleibt und die Stadt nach seinem Namen benennt.63 Bei dem Fest der Lupercalien liefen zwei Gruppen junger Männer, die luperci, eingeölt und nur mit einem Ziegenfell als Lendenschurz bekleidet, durch die Straßen Roms und schlugen im Vorbeilaufen Mädchen und junge Frauen mit der Haut eines geopferten Ziegenbocks.64 Bereits im vorchristlichen Rom waren diese „karnevalesken Riten“65 als anstößig empfunden worden und so wurde von christlicher Seite wiederholt Kritik an dem Treiben geäußert.66 Das Fest blieb jedoch so populär, dass noch der römische Bischof Gelasius I. (492–496) sich genötigt sah, Christen die Teilnahme zu untersagen.67 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass auch Hieronymus von Glaubensgenossen wusste, die an dem heidnischen Ritus teilnahmen. Die Bemerkung würde damit noch deutlicher zeigen, dass Rom ein Ort ist, der die Tugendhaftigkeit eines Christen in Gefahr bringt. Dem stellt er die Herberge Mariens und die Geburtsgrotte gegenüber.68 Dass von der spelunca Salvatoris die Rede ist, die im Kanon des Neuen Testaments keine Erwähnung findet, könnte ein Echo des apokryphen Jakobusevangeliums aus der zweiten Hälfte des 2. Jh. darstellen, das Maria Jesus in einer Grotte (σπήλαιον) gebären lässt.69 Diese Lebensbeschreibung Marias war trotz fehlender Kanonizität weithin geläufig und Gelehrte wie Gregor von Nyssa und Epiphanios, die für Hieronymus prägend waren, haben die Schrift gekannt.70 Was seine Kenntnis der Geburtsgrotte angeht, kommt hinzu, dass er die von Konstantin dem Großen und seiner Mutter Helena erbaute Geburtskirche nicht nur besichtigt hatte, sondern er auch in unmittelbarer Nachbarschaft die Klosteranlage bezogen hatte, die er mit der Unterstützung Paulas der Älteren gegründet hatte.71
63 Vgl. Liv. 1,3,10–7,3; Ov. fast. 2,381–422; 3,41; Verg. Aen. 1,272–277; 6,777 f.; D.H. 1,76,1– 87,3; Plu. Moralia 314 f. (Para. min. 36); Plu. Rom. 3–11; Hier. chron. a. Abr. 1263–1284 (GCS Eus 7, 88a–90a); vgl. auch CARTER 1915, 174–183; BREMMER 1987, 34–38. 64 Vgl. Ov. fast. 2,267–474; hierzu WISSOWA 1912, 208–211. 65 GRAF 2008, 10. 66 Cic. Cael. 26; Tert. spect. 5; Min. Fel. 22; hierzu GRAF 2008, 9 f. 67 Avell. 100,30 (= Gelasius Papa I. adversus Andromachum senatorum); vgl. SCHÄUBLIN 1995, 117, Anm. 5; GRAF 2008, 10 f. 68 Lk 2,7 spricht lediglich von einer Herberge (κατάλυµα) und einer Futterkrippe (φάτνη), ohne dass etwas auf eine räumliche Trennung hindeuten würde. 69 Protev. 18,1 (TISCHENDORF 1853, 32): Καὶ εὗρεν σπήλαιον ἐκεῖ καὶ εἰσήγαγεν αὐτήν. Vgl. 19,1 f. passim; hierzu HARTMANN 2010, 596 m. Anm. 22; CAIN 2010, 109. Vgl. auch Hier. epist. 46,11,1 (CSEL 54, 341); hierzu DOUTRELEAU 1987, 301; vgl. ferner GRIG 2012, 141. 70 Vgl. Gr. Nyss. nativ. 1; Epiph. haer. 78,7; 79,5; vgl. TISCHENDORF 1853, XII. 71 Eus. v.C. 3,41. 43. Nach Hier. epist. 58,3,5 (CSEL 54, 532) befand sich hier vorher ein Tammus-Heiligtum. Entgegen ROBERTSON 1900, 329, besagt das nicht, dass es noch zu seiner Zeit bestand. Die heutige Katharinenkirche in Bethlehem, auf deren Gebiet man Reste eines mit Hieronymus in Verbindung gebrachten Klosters aus dem 5. Jh. ergraben hat, stößt unmittelbar
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Die Gegenüberstellung der Stätten in Bethlehem und Rom ist völlig parallel gestaltet: In beiden Fällen geht es um Geburtssagen von Figuren, deren Leben nachhaltige Wirkung zeitigte: Romulus stiftete ein Weltreich, Jesus Christus eine Weltreligion. Mit der casa Romuli und dem diversorium Mariae entsprechen sich zwei gebaute Behausungen, mit dem Lupercal und der spelunca Salvatoris zwei Grotten.72 Auf den ersten Blick mag es dabei verwundern, dass Hieronymus auch in Rom zwei Orte wählt, die gerade durch ihre simplicitas gekennzeichnet sind.73 Einen ganz anderen Kontrast zur Stätte der Geburt Christi in Bethlehem, deren Einfachheit konstitutiv für die neutestamentliche Erzählung ist, hätte er mit Wahrzeichen der Stadt Rom erzeugen können, die durch Prunk und luxuria gekennzeichnet sind.74 Dadurch, dass er jedoch Orte wählt, die auf mehreren Ebenen vergleichbar sind, tritt der eigentliche Unterschied, auf den es ihm ankommt, ungleich schärfer ins Licht, nämlich der auf Ebene der mit ihnen verbundenen Erzählungen: Die Gründung Roms war mit einer Blutschande befleckt. Doch zurück zum zitierten Passus: Im zweiten Absatz weist Hieronymus nun namentlich auf den verstorbenen Damasus hin und spricht direkt seinen leiblichen Bruder Paulinianus als denjenigen an,75 der zusammen mit Paula und Eustochium den Anstoß zu der Didymos-Übersetzung gegeben habe. Mit Hilfe der Referenz auf Ps 137,4, „Wie sollten wir des Herrn Lied singen auf fremder Erde“, lässt er seine Situation erscheinen, als hätte er in Rom nicht die Freiheit genossen, nach Belieben schreiben zu können. Schließlich stellt er einen direkten Vergleich zwischen der urbs und Bethlehem an und nimmt expressis verbis eine Wertung vor, indem er Bethlehem als den augustiorem multo locum bezeichnet und es weiter als den Ort charakterisiert, der „den Heiland der Welt“ hervorgebracht hat. Als wäre damit die Aussage nicht schon deutlich genug, nennt er demgegenüber Rom den Ort, der den Brudermörder hervorgebracht hat. Diese Bezeichnung für Romulus ist in der Negativität ihrer Wertung ebenso wenig zu übertreffen wie im Gegensatz dazu das Lob Jesu im vorausgegangenen Epitheton.76 Zudem nimmt Hieronymus hier wesentlich unmittelbarer Bezug auf die Sage von den Zwillingen als weiter oben durch die bloße Nennung bedeutender Schauplätze. Die kritische Haltung gegenüber der Blutschande im Zusammenhang mit der Gründung Roms ist keine Erfindung des Kirchenvaters und lässt sich schon bei den Dichtern der augusteischen Zeit belegen.77 Auch christlichen Autoren vor Hierony-
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an die Nordapsis des Querschiffs der Geburtskirche; hierzu CAIN 2010, 109. Zur Geburtsgrotte Just. dial. 78,5 f.; Or. Cels. 1,51. DOUTRELEAU 1987, 308. HARTMANN 2010, 524. Lk 2,7. DOUTRELEAU 1987, 308. Paulinianus hielt sich zu der Zeit wohl bei Hieronymus in Bethlehem auf; DOUTRELEAU 1987, 300; SIEBEN, in: FC 78, 76, Anm. 10. DOUTRELEAU 1987, 300. Hor. epod. 7,17–20; carm. 1,35,33 f.; Verg. georg. 2,510; Lucan. 1,95; 2,149–151; hierzu CARRUBA 1966, 29–34.
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
115
mus kam dieser Vorwurf gelegen, wenn es darum ging, gegen die pagane Vergangenheit Roms zu polemisieren.78 Dabei ist jedoch zu bemerken, dass Hieronymus sich hier gerade gegen seine christlichen Widersacher wendet und es ihm nicht um etwaige Anfeindungen von heidnischer Seite geht. Die Gründungssage und die zugehörigen Erinnerungsorte repräsentieren zwar das heidnische Rom, werden hier jedoch als Symbole für den innerkirchlichen Widerstand gegen ihn gebraucht. Hieronymus konnte sich in beiderlei Hinsicht als Teil einer Avantgarde betrachten, sowohl, was seine Beschäftigung mit der Theologie des griechischen Ostens anging, deren Tiefgang und Innovation im lateinischen Westen bis dato unerreicht war, als auch in Hinblick auf die mönchische Lebensweise. Indem er seine christlichen Gegner mit der legendären Frühgeschichte Roms in Verbindung brachte, breitete er eine Folie aus, auf der er selbst als fortschrittlich erscheinen konnte. Von ihm abweichende theologische Ideen konnte er dadurch, dass er sie in die Nähe des Heidnischen rückte, als rückwärtsgewandt brandmarken, was sich wohl auch in der Betitelung senatus niederschlägt. Der 46. Brief, in dem Hieronymus 392/393 vergeblich versuchte, Marcella zu überreden, Paula und Eustochium von Rom nach Bethlehem ins Kloster zu folgen, enthält ein ausführlicheres Lob dieses Ortes.79 Eindringlich schildert der Mönch die schlichte Schönheit der Geburtskirche mit der Geburtsgrotte, indem er sie dem architektonischen Prunk Roms gegenüberstellt, der auch Ende des 4. Jh. noch von der heidnisch geprägten Vergangenheit der Stadt zeugte.80 Die Beschreibung gipfelt erneut in einem direkten Vergleich: „Da in diesem kleinen Loch in der Erde wurde der Schöpfer des Himmels geboren. Hier wurde er in Windeln eingewickelt, hier von den Hirten besucht, hier vom Stern gewiesen und hier von den Magiern angebetet. So halte ich diesen Ort für heiliger als den tarpejischen Felsen, der durch die häufigen Blitzeinschläge gezeigt hat, was dem Herrn missfiel.“81
Der steile Felsen an der Südseite des Kapitols, von dem bis in claudische Zeit Verurteilte in den Tod gestürzt wurden,82 stand ebenfalls in Zusammenhang mit den Gründungssagen Roms: Wegen des Raubes ihrer Frauen durch Romulus ziehen die Sabiner gegen Rom zu Felde. Auf dem Weg zur Stadt begegnen sie der Vestalin Tarpeia, der Tochter des Spurius Tarpeius, des Kommandanten der Burg der Stadt. Der Sabinerkönig Titus Tatius verspricht ihr eine Belohnung ihrer Wahl, woraufhin 78 Bspw. Tert. spect. 5,6; Aug. civ. 3,6; 15,5. 79 Dem Brief zufolge sind Eustochium und Paula die Verfasserinnen, doch wird er gemeinhin Hieronymus zugeschrieben. Zu dem Brief GRÜTZMACHER 1906, 145–147; CAVALLERA 1922/1, 165–167. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283. Zur Aufwertung Bethlehems durch Hieronymus CAIN 2010, 113–116. 80 BEHRWALD 2009, 238–245. 81 Hier. epist. 46,11,2 (CSEL 54, 341): ecce in hoc parvo terrae foramine caelorum conditor natus est. hic involutus pannis, hic visus a pastoribus, hic demonstratus ab stella, hic adoratus a magis. et, puto, sanctior locus est rupe Tarpeia, quae de caelo saepius fulminata ostendit, quid domino displiceret. Hierzu auch SIEBEN, in: FC 78, 75, Anm. 9; DOUTRELEAU 1987, 301. Zu den Magiern Mt 2,1–12; Lk 2,7–20. 82 D.C. 60,18,4; Dig. 48,19,25,1.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
sie den Sabinern Zugang zur Burg verschafft. Da sie als Bestechungsgeld verlangt hat, was die Männer am linken Arm tragen – womit sie deren Goldschmuck meint –, werfen die Sabiner das Mädchen mit ihren Schilden, die sie ebenfalls am linken Arm tragen, zu Tode.83 Indem Hieronymus Blitzeinschläge in den tarpejischen Felsen als Zeugnisse für das Missfallen Gottes anführt, gestaltet er den Kontrast zwischen den beiden Stätten noch ein wenig schärfer als im Prolog zur Didymos-Übersetzung.84 Der pagan anmutende Glaube an Blitzschlag als göttliche Strafe, der bei den Heiden vor allem Frevler gegen kultische Keuschheit traf, war auch unter den Christen weit verbreitet.85 Dass Tarpeia gemeinhin als Jungfrau betrachtet wurde,86 unterschlägt der Mönch zum einen wohl, weil es für den Zusammenhang unerheblich ist, zum anderen aber auch, weil ihm eine virgo auch dann nicht als Negativbeispiel gelegen war, wenn sie eine Heidin war. In seiner Streitschrift gegen Iovinianus, die etwa zu derselben Zeit entstanden ist, stellte er sogar einen ganzen Katalog heidnischer Jungfrauen als Vorbilder für Christen zusammen.87 Hieronymus ging es hier vielmehr darum, Rom im Gegensatz zu Bethlehem als verdorbenen Ort zu kennzeichnen, um Marcella nach Bethlehem zu locken. Im Anschluss an die betrachtete Stelle verfällt er daher auch wieder auf die bekannte Babylon-Metapher. Allerdings räumt er sogleich ein, dass Rom ja mittlerweile eine christliche Stadt sei.88 Der Hinweis auf den tarpejischen Felsen im Brief an die römische Jungfrau als Ort des Frevels kann daher letztlich nicht als antiheidnische Bemerkung verstanden werden, zumal der Verrat der Tarpeia trotz kultischer Verehrung auch in der paganen Literatur negativ besetzt war.89 Eine Figur, deren Verhalten die Heiden selbst als unmoralisch betrachteten, war kaum tauglich, ihnen etwa in der Tradition der christlichen Apologeten ihre eigene Amoralität vorzuwerfen. Hieronymus wollte das schaurige Bild der Stadt keinen etwaigen Gegnern zeichnen, sondern seiner Freundin und Glaubensgenossin Marcella, vermeintlich aus der Feder ihrer amicae Paula und Eustochium. Aus diesem Grund erklärt sich auch hier „die Nennung heidnischer Monumente aus dem jeweiligen Adressaten, nicht aus einem abstrakten Gegensatz zwischen heidnischer Babylon/Roma und dem christlichen Bethlehem.“90
83 Prop. 4,5; D.H. 2,38,1–5; Liv. 1,11,6–99; Val. Max. 9,6,1; Ov. met. 14,775–777; Flor. epit. 1,1,12 f.; Vir. ill. 2,4–6; Hier. chron. a. Abr. 1284 (GCS Eus 7, 90a). Vgl. CARTER 1915, 188; HÖFER 1924, 111–116; BURKERT 1979A, 76 f. 84 Hier. chron. a. Abr. 2195 (GCS Eus 7, 209): In Capitolium fulmen ruit, et magna inflammatione facta, bibliotheca, et vicinae quoque aedes concrematae. Zu Blitzeinschlägen im Kapitol AUST 1894, 720. Zum Kapitol GRIG 2012, 135–139. 85 SPEYER 1978A, 1127 f. 1157–1160. 86 HÖFER 1924, 112. 87 Hier. adv. Iovin. 1,41–46 (PL 23, 282C–288C); hierzu unten 6.4.2. 88 Hier. epist. 46,12,1 (CSEL 54, 341 f.); hierzu MAIER 1995, 222; BEHRWALD 2009, 256. 89 HÖFER 1924, 113–115. 90 BEHRWALD 2009, 256.
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Über diese Beobachtungen hinaus bietet sich die Romulus-Remus-Sage als anschauliches Beispiel dafür an, wie flexibel Hieronymus Exempla einsetzte. Ein Gebrauch mit gänzlich abweichender Aussageabsicht findet sich in dem wohl 412 entstandenen 125. Brief an einen jungen Asketen aus Südgallien namens Rusticus, der möglicherweise mit dem späteren Bischof von Narbonne zu identifizieren ist. Dieser hatte den Gelehrten in Bethlehem brieflich um Rat ersucht und so erhielt Rusticus wunschgemäß „ein Handbüchlein für Kandidaten des mönchischen Lebens“.91 Mit einer Bestimmtheit, die Züge einer Regel trägt, rät Hieronymus dazu, das Leben als Koinobit im Kloster und unter der Führung eines Abtes zu wählen: „Keine Kunst wird ohne Lehrer gelernt. Auch die stummen Tiere und die Rudel von Wildtieren folgen ihren Führern. Unter den Bienen gibt es Königinnen; Kraniche folgen als Buchstaben angeordnet einem einzelnen. Es gibt einen obersten Befehlshaber und einen Richter für jede Provinz. Rom konnte, als es gegründet wurde, keine zwei Brüder zugleich als Könige haben und wurde durch eine Blutschande geweiht. Esau und Jakob führten Krieg miteinander in Rebekkas Schoß. Die Kirchen haben je einen einzelnen Bischof, einen Erzpriester und einen Archidiakon; die gesamte kirchliche Ordnung stützt sich auf ihre Führer. Auf einem Schiff gibt es einen Steuermann, in einem Haus einen Hausherrn; in jedem noch so großen Heer wird der Befehl eines einzelnen erwartet.“92
Hieronymus entschuldigt sich sogleich für die Fülle von Beispielen, die alle darauf abzielen, den Vorteil eines monarchischen Prinzips in verschiedenen Bereichen zu verdeutlichen. Dabei stellt er eine bunte Mischung zusammen, die vom Tierreich über die Geschichte bis hin zur Kirche sowie zum zivilen und militärischen Alltagsleben reicht. Hier ist die Wirkung der Regel des Pachomios aus der ersten Hälfte des 4. Jh. zu spüren, die Hieronymus acht Jahre vor dem Brief an Rusticus ins Lateinische übersetzt hatte. Mit seiner Mönchsregel stand Pachomios als Begründer des ägyptischen Koinobitentums unter dem Eindruck seiner Soldatenzeit unter Konstantin: Sie enthält eine klare Hierarchie mit strengen Verordnungen und festgelegten Sanktionen bei Verstößen. Hieronymus war die entscheidende Rolle des princeps monasterii daher bestens bekannt.93 Offenkundig dient in diesem Zusammenhang Romulus’ Brudermord als positives Exemplum. Der Wortwahl nach verurteilt Hieronymus das parricidium zwar, aber de facto ist das Ergebnis dieser Schandtat, nämlich das Entstehen der Weltmacht Rom, das tertium comparationis zum erfolgreichen mönchischen Leben. Rusticus’ Vorsatz, sich der christlichen Askese zu verschreiben, kann Hieronymus zufolge nur dann Erfolg haben, wenn er sich einem Abt in einem Kloster anschließt, 91 SCHADE, in: BKV² 16, 215. Vgl. GRÜTZMACHER 1908, 244–246; CAVALLERA 1922/1, 320; REBENICH 1992A, 291 f.; FÜRST 2003, 212 f. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 298–301. 92 Hier. epist. 125,15,1 (CSEL 56, 133): Nulla ars absque magistro discitur. etiam muta animalia et ferarum greges ductores sequuntur suos. in apibus principes sunt; grues unam sequuntur ordine litterato. imperator unus, iudex unus provinciae. Roma, ut condita est, duos fratres simul habere reges non potuit et parricidio dedicatur. in Rebeccae utero Esau et Iacob bella gesserunt. singuli ecclesiarum episcopi, singuli archipresbyteri, singuli archidiaconi et omnis ordo ecclesiasticus suis rectoribus nititur. in navi unus gubernator, in domo unus dominus; in quamvis grandi exercitu unius signum expectatur. Übers. nach BKV² 16, 230. Zur Biene bei Hieronymus RONNENBERG 2008, 150 f. 159–161. 93 V. Pach. 10; Hier. reg. Pachom. praef. 2 (PL 23, 65B). Datierung: WILLIAMS 2006, 294–298.
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so wie das Gemeinwesen der Römer nur prosperieren konnte, weil sie von nur einem König regiert wurden. Der Brudermord, der in den beiden obigen Textstellen ein Makel der Stadt war, ist hier die Voraussetzung für ihren Vorbildcharakter. Bemerkenswert ist zudem, dass Hieronymus diesem profanen Exemplum ein alttestamentliches an die Seite stellt, indem er auf die Prophezeiung anspielt, die Isaaks Frau Rebekka in Bezug auf ihre Zwillingssöhne und die Volksstämme in Gen 25,22 f. erhält, die aus ihnen entstehen werden. Romulus und Remus, Esau und Jakob, beide Male handelt es sich um Zwillingsbrüder, die ein konfliktreiches Verhältnis zueinander haben und deren persönliches Geschick von frühester Zeit eng verbunden ist mit den politischen Geschicken der Gemeinwesen, denen sie einst voran stehen werden. Hieronymus zeigt eine große Vorliebe für solche Paarungen ähnlicher Exempla, die nach dem Prinzip eines Hendiadyoins seine Aussage unterstreichen sollen. Dass er hier die heidnischen Sagen der Frühgeschichte Roms mit der biblischen Geschichte des Volkes Israel parallelisiert, ohne in der Wertung zu unterscheiden, scheint für ihn offenkundig kein Problem darzustellen. 6.1.3 Zusammenfassung Zweimal verbindet Hieronymus die Erwähnung der Hafenstadt Jafo als des Ortes, von dem aus Jona in See gestochen ist, mit einem knapp gehaltenen Hinweis darauf, dass hier der Felsen zu sehen sei, von dem im Mythos Andromeda durch Perseus gerettet wurde. Beide Male handelt es sich um genuin christliche Zusammenhänge, in denen die mythischen Referenzen erscheinen: zum einen den Jona-Kommentar und zum anderen den Bericht über die einzelnen Stationen seiner Pilgerreise mit Paula der Älteren.94 Obwohl er für ein christliches Publikum schrieb, scheint er in der heidnischen Erzählung kein Problem gesehen zu haben. Der Andromeda-Felsen als Erinnerungsort, in dem mythische und alttestamentliche Traditionen zusammenfallen, war eine touristische Attraktion avant la lettre, deren Erwähnung dazu dienen konnte, die Beschreibungen des fernen und fremden Palästinas für seine lateinische Leserschaft durch den Rekurs auf etwas Bekanntes ansprechender zu gestalten. Der Hinweis, scit eruditus lector historiam, zeigt, dass Hieronymus die Kenntnis eines solchen Mythos voraussetzte. Vor allem aber ist der Umstand bemerkenswert, dass hier nicht von fabula, sondern von historia die Rede ist, was bedeutet, dass er die Historizität der Erzählung nicht kategorisch ablehnt. Zum einen mag das dadurch bedingt sein, dass er die real vorhandenen Relikte per Autopsie zur Kenntnis genommen hat. Zum anderen scheint sich hier der Einfluss von Iosephus’ De bello Iudaico bemerkbar zu machen, nach der das hohe Alter des µῦθος und dessen sichtbare Spuren vor Jafo gegenseitig ihre Authentizität bedingen. In dem acht Jahre später entstandenen Nekrolog auf Paula scheint ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben, da Hieronymus hier ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei der Andromeda-Erzählung um eine Zutat aus den fabulis poetarum handelt. Anscheinend war ihm hier daran gelegen, sie von der nach christlichen Maßstäben 94 Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104. 106); epist. 108,8,2 (CSEL 55, 314).
6.1 Mythische Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen
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historischen Jona-Episode abzugrenzen, wobei er nach wie vor keinen Zweifel an der Authentizität des Andromeda-Felsens vor Jafo erkennen lässt. Der Hinweis auf die Dichter hilft ihm dabei, sich als vielseitig gelehrten Literat zu inszenieren. Die narrativen Analogien zwischen der Jona-Erzählung und dem Andromeda-Mythos scheinen ihn jedoch nicht geleitet zu haben. Anderer Natur sind die Bezugnahmen auf die römischen Sagen, die Hieronymus macht, um Rom Bethlehem gegenüberzustellen. Seine Bemerkungen über die Stadt Rom sind von der deutlichen Verbitterung über seinen „unfreiwilligen Abschied“95 im Sommer 385 geprägt. Von seinem Kloster in Bethlehem aus schreibend, lässt er die Stadt gerne als einen Ort der Sünde und des Lasters erscheinen. An den zwei oben betrachteten Stellen kontrastiert er damit seine Wahlheimat, deren Charakter als heiligen Ort er hervorkehrt. Zu diesem Zweck verweist er auf die Verkommenheit Roms und die Freveltaten, die im Kontext der Gründung der Stadt überliefert sind: im ersten Fall den Brudermord durch Romulus, im zweiten den Verrat der Tarpeia.96 Statt einer tatsächlichen Wiedergabe der jeweiligen Erzählungen führt er mit der casa Romuli und dem Lupercal sowie dem tarpejischen Felsen einzelne Schauplätze des Geschehens an, die offenkundig nicht als bloße topographische Angaben, sondern im Sinne einer Synekdoche zu begreifen sind, d. h. sie stehen jeweils für die mit ihnen verbundene Erzählung. Im Vorwort zu De spiritu sancto nimmt Hieronymus am Ende des Passus einen wertenden Vergleich vor, indem er Bethlehem als den heiligeren Ort bezeichnet,97 der hier nun explizit mit der Fleischwerdung des Heilands in Verbindung gebracht wird. Im direkten Kontrast dazu bringt er Rom mit dem Brudermord zusammen. Einen direkten Vergleich unternimmt Hieronymus auch in epist. 46, lässt hier jedoch den zusätzlichen Verweis auf die jeweilige Erzählung weg. Stattdessen berichtet er von Blitzen, die als Zeichen des Missfallens durch Gott in den tarpejischen Felsen eingeschlagen seien. Die negative Bewertung des Brudermordes sowie des Verrats durch Tarpeia ist in der klassischen lateinischen Literatur geläufig und stellt somit keine genuin christliche Deutung dar. Der Makel, mit dem Hieronymus „Rome as a symbolic city“98 beide Male belegen will, ist nicht im Sinn eines heidnisch-christlichen Gegensatzes zu verstehen, da er im ersten Fall gegen eine klerikale Opposition schreibt und im zweiten Christin von den Unbilden der Stadt überzeugen will. In einem Brief an einen jungen Mönch bildet Hieronymus’ Rekurs auf die Romulus-Sage ein eindrucksvolles Beispiel für seine Flexibilität im Umgang mit solchen Referenzen.99 In einer Reihe von Exempla zur Illustration der Vorteile eines monarchischen Prinzips erscheint der Brudermord als positives Beispiel, da das Resultat des Verbrechens, nämlich das Entstehen der Weltmacht Rom, das tertium comparationis zum mönchischen Leben darstellt. Was in den vorherigen Textstellen ein Makel der Stadt Rom war, verleiht ihrer Gründung hier Vorbildcharakter. 95 96 97 98 99
REBENICH 1992A, 193. Hier. epist. 46,11,2 (CSEL 54, 341). Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74. 76). GRIG 2012, 127. Hier. epist. 125,15,1 (CSEL 56, 133).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Wenn es um konkrete Orte der antiken Welt geht, sind Mythen für Hieronymus Teil der mit ihnen verbundenen Erinnerungskultur. Dabei scheint er keinen gravierenden Unterschied zu machen, ob er eine mythische oder eine biblische Erzählung mit der jeweiligen Stätte in Verbindung bringt. Dass er gegenüber dem Mythos im Vergleich zur Bibel eine größere Distanz wahrt, macht er mitunter kenntlich, doch lässt er nicht erkennen, dass er die jeweiligen Lokaltraditionen in ihrer Historizität grundsätzlich in Frage stellt. Wo ein Mythos negativ behaftet ist, dient er der Charakterisierung des Ortes, nicht der Wertung des Mythos selbst oder etwa der heidnischen Überlieferung insgesamt. Das Bewusstsein für den paganen Hintergrund der Erzählungen und die Abgrenzung von der biblischen Überlieferung ist zumeist erkennbar, jedoch nicht von zentraler Bedeutung. Die betrachteten Textstellen lassen den Schluss zu, dass Hieronymus von Seiten seiner Leserschaft keine Kritik hinsichtlich der Verwendung der mythischen Bezüge zu befürchten hatte. Der Mythos war als Teil der antiken Erinnerungslandschaft für die Christen nicht durch biblische Erzählungen verdrängt, sondern lediglich durch sie ergänzt.100
100 Zu „christlichen Landschaften“ LEPPIN 2012, 268 f.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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6.2 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZUM HEIDNISCHEN KULTUS Im Folgenden werden solche Nennungen mythischer Figuren zu untersuchen sein, die Hieronymus nutzt, um Dinge zu kommentieren, die dem Kultus und der Religiosität des griechisch-römischen Heidentums zuzurechnen sind. Dieser Fall ist immer dann gegeben, wenn er auf einen Mythos rekurriert, um sich zu bestimmten Formen der Kultausübung sowie den damit verbundenen Gegenständen und Personen zu äußern. Um kurz zu konkretisieren, was darunter zu verstehen ist, sei ein rascher Überblick der verschiedenen Gegenstände gegeben, die Hieronymus kommentiert: Seine Aussagen können ganz allgemein den heidnischen Irrglauben,1 den Götzendienst oder bestimmte Kultpraktiken wie die Anbetung von Tiergottheiten betreffen, ferner Magie oder Divination.2 Aber auch kultische Details wie jungfräuliche Priesterinnen oder kleine Nachbildungen von Tempeln bis hin zu unzüchtigem Bildschmuck bei Tisch können Gegenstand der mythischen Exempla sein, die in diesem Kapitel zu untersuchen sind.3 Davon zu unterscheiden sind einerseits Orte, die losgelöst von jeder kultischen Funktion und Bedeutung genannt werden und oben in Kapitel 6.1 behandelt wurden. Andererseits sind religiös konnotierte Ideale wie Jungfräulichkeit an sich – die ja auch von paganer Seite eine besondere Wertschätzung erfuhr – auszuschließen, da sie nicht zu den eigentlichen Kulthandlungen zu rechnen sind. Sie werden unter die Abstrakta zu fassen sein (unten 6.3) bzw. unter die christlichen Tugenden und Laster (6.4). Im Zusammenhang mit Hieronymus’ mythischen Exempla zum heidnischen Kultus ist die Verbindung zwischen dem griechischen Mythos und der heidnischen Religiosität von besonderer Bedeutung. Es sei daher daran erinnert, dass die Götterund Heldensagen der Griechen zwar kein religiös bindendes Textcorpus darstellen, wie es in den Buchreligionen der Fall ist, so beispielsweise bei der Tora im Judentum, jedoch ist die wechselseitige Beziehung zwischen Mythos und Religion so vielschichtig wie essentiell für das Verständnis beider. Oft lässt sich zum Beispiel bei aitiologischen Erzählungen – die gerade für den ‚myth-and-ritual‘-Forschungsansatz im Vordergrund standen – nicht sicher entscheiden, ob der Ritus auf den Mythos gewirkt hat oder umgekehrt.4 Wie ausgiebig nutzt Hieronymus nun mythische Referenzen, um Kritik am Heidentum zu üben? Wie setzt er Referenzen auf mythische Stoffe ein, um gegen pagane Religiosität zu argumentieren? Oder ist sein Interesse an den Mythen frei von der antipaganen Polemik der Apologeten?
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Über die betrachteten Stellen hinaus Hier. in Is. 10,33,13 (VL 30, 1147); in Ioel 3 (CCL 76, 199); in Tit. 1,5 (CCL 77C, 12); c. Vigil. 5 (CCL 79C, 11); vita Hilar. 16,1 (SC 508, 258); epist. 14,11,1 (CSEL 54, 61). Zur Zwietracht im Polytheismus tract. in psalm. I 96 (CCL 78, 157). Götzendienst: Hier. epist. 58,3,5 (CSEL 54, 531); Tiergottheiten: in Ezech. 3,8 (CCL 75, 96); Magie: vita Hilar. 11,4; 12,3 (SC 508, 242. 246); Divination: in Is. 12,41,21–24 (VL 35, 1309). Priesterinnen: Hier. adv. Iovin. 1,11 (PL 23, 236A); epist. 49,6,2 (CSEL 54, 358); Tempelchen: nom. hebr. (CCL 72, 143); Bildschmuck: epist. 27,2,1 (CSEL 54, 225); hierzu CAMERON 2011, 706; BASSETT 2015, 241. BURKERT 1972, 39–45; BURKERT 1981, 18; GRAF 1991, 45; ERDBEER/GRAF 2001, 643 f.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Ein Blick auf die quantitativen Verhältnisse gibt erste Aufschlüsse. Denn tatsächlich stellt die hier zu untersuchende Kategorie mit 65 Nennungen einen recht geringen Anteil am Gesamtbefund dar, der bei unter 9% liegt. Der Umstand, dass das Polemisieren gegen die Heiden keinen Schwerpunkt der literarischen Tätigkeit des Kirchenvaters bildet, sondern vor allem die christliche Askese sowie der Text der Bibel und seine Auslegung, ist bekannt und wird durch diese Zahl bestätigt. Wenig überraschend ist der Befund, dass Hieronymus die mythischen Exempla fast ausschließlich nutzt, um negative Aussagen über den heidnischen Kultus zu treffen. Auffällig ist, dass Hieronymus recht selten auf einen bestimmten Mythos anspielt, zumeist bleibt es bei der schlichten Nennung von mythischen Figuren, die in ihrer Eigenschaft als Götter zur Sprache kommen. Nur ein Drittel der namentlichen Nennungen mythischer Figuren lässt die inhaltliche Bezugnahme auf eine bestimmte Erzählung erkennen. Diese recht niedrige Quote ist leicht damit zu erklären, dass im Zusammenhang mit dem heidnischen Kultus mitunter Dinge wie Tempel oder Priester erwähnt werden, ohne dass damit der Zusammenhang zum Mythos hergestellt sein muss. 6.2.1 Referenzen in negativen Aussagen 6.2.1.1 Die Wüste glaubt Zunächst seien Beispiele dafür betrachtet, wie Hieronymus Referenzen auf Personal aus den griechischen Mythen einsetzt, um gegen das Heidentum zu polemisieren. Mit der Vita Pauli primi eremitae, seinem berühmten Frühwerk aus den Jahren 373 bis 380, hatte Hieronymus der Antonius-Vita des Athanasios ein lateinisches Pendant geben wollen. Mehr noch: Dadurch, dass er seinen Paulum quemdam Thebaeum,5 der mit größter Wahrscheinlichkeit eine fiktive Figur ist, als den allerersten Eremiten hinstellte, versuchte er das berühmte Vorbild zu überbieten.6 Erzählerisch äußert sich das darin, dass sich der 90-jährige Antonius höchstselbst auf den beschwerlichen Weg macht, Paulus zu treffen, nachdem er durch einen Traum von dessen Existenz erfahren hat, sowie, dass dieser noch vor ihm selbst Eremit geworden sei. Auf seiner Wanderung durch die Wüste lässt Hieronymus ihn zwei überraschende Begegnungen mit Gestalten des griechischen Mythos haben.7 Zunächst trifft Antonius auf ein Wesen, halb Mensch, halb Pferd, das nach Ansicht der Dichter Hippokentaur heiße. Seinem Schrecken zum Trotze fragt er das Wesen nach dem Weg, das daraufhin zwar unverständliches Kauderwelsch von sich gibt, aber die Richtung weist und anschließend davonläuft. Hieronymus verleiht
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Hier. vita Pauli 1,2 (SC 508, 144). FUHRMANN 1976, 74–77. 80; REBENICH 2009, 13–16. 22 f. Zur Datierung WISNIEWSKI 2000, 105; WILLIAMS 2006, 273–276; REBENICH 2009, 17 f. MILLER 1996, 221: „the story seems odd, even uncanny.“ Vgl. HARVEY 1998, 35–40; MERRILLS 2004, 217–244. BURRUS 2001, 455, legt die Episode homoerotisch aus.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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seiner eigenen Unsicherheit darüber Ausdruck, ob der Teufel dem Mönch ein Trugbild vorgegaukelt habe oder ob es sich tatsächlich um eines der vielen, sonderbaren Tiere der Wüste handle. Wenig später trifft Antonius auf ein Männlein mit Hörnern und Bocksfüßen. Gegen seine Furcht wappnet er sich mit dem „Schild des Glaubens“;8 indes erhält er von dem Wesen Datteln sowie die Auskunft, dass dieser ein sterblicher Wüstenbewohner sei, den das durch viele Irrtümer getäuschte Heidentum Faun, Satyr und Incubus zu nennen pflege. Ferner ersucht der Satyr Antonius darum, für seine Gemeinschaft, die ihn geschickt habe, und für ihn selbst zum Herrn zu beten, da sie von seiner Ankunft zur Erlösung der Welt wüssten. Unter Freudentränen über den Glauben seines Gegenübers ruft Antonius aus: „Wehe dir Alexandreia, weil du an Stelle Gottes Götzenbilder verehrst! Wehe dir, buhlerische Stadt, in welcher die bösen Geister des ganzen Erdballes zusammengeströmt sind! Was wirst du nun sagen? Die Tiere sogar bekennen Christus und du verehrst an Stelle Gottes Götzen.“9
Nachdem nun auch der Satyr blitzschnell weggelaufen ist, verbürgt sich Hieronymus für die Glaubwürdigkeit dieser Episode und berichtet zum Beleg von einem Satyr, der vor einiger Zeit lebendig in Alexandreia zur Schau gestellt worden sein soll. Später sei sein Leichnam konserviert und dem Kaiser Constantius II. zur Begutachtung nach Antiocheia gebracht worden.10
8 Eph 6,14. 9 Übers. GRESCHAT/TILLY 2009, 121. Vgl. Num 21,29; Jer 48,46; Mt 11,21. 10 Hier. vita Pauli 7,3–8,6 (SC 508, 158–162): Illico erumpente luce, venerabilis senex infirmos artus baculo regente sustentans, coepit ire velle quo nesciebat. Et iam media dies coquente desuper sole feruebat, nec tamen a coepto itinere deducebatur dicens: ‚Credo in Deo meo, quod servum suum, quem mihi promisit, ostendet.‘ 4. Nec plura his, conspicit hominem equo mixtum, cui opinio poetarum Centauro vocabulum indidit. Quo viso, salutaris impressione signi armat frontem, et: ‚heus tu, inquit, quanam in parte Dei servus hic habitat?‘ 5. At ille barbarum nescio quid infrendens, et frangens potius verba quam proloquens inter horrentia ora, satis blandum quaesivit adloquium. Et dexterae manus protensione cupitum indicat iter, ac sic patentes campos volucri transmittens fuga, ex oculis mirantis evanuit. 6. Verum haec utrum diabolus ad terrendum eum simulaverit, an, ut solet, eremus monstruosorum ferax animalium istam quoque gignat bestiam, incertum habemus. 8,1. Stupens itaque Antonius, et de eo quod viderat secum voluens, ulterius progrediebatur. Nec mora, inter saxosam convallem haud grandem homunculum videt, aduncis naribus, fronte cornibus asperata, cuius extrema pars corporis in caprarum pedes desinebat. 2. Et hoc adtonitus exspectaculo, scutum fidei et loricam spei bonus proeliator arripuit. Nihilominus memoratum animal palmarum fructus ad viaticum, quasi pacis obsides, offerebat. 3. Quo cognito, gradum pressit Antonius, et quisnam esset interrogans, hoc ab eo responsum accepit: ‚Mortalis ego sum, et unus ex accolis eremi, quos vario delusa errore gentilitas Faunos, Satyrosque, et Incubos vocans colit. Legatione fungor gregis mei. Precamur ut pro nobis communem Dominum depreceris; salutem mundi olim venisse cognovimus, et in universam terram exiit sonus eius.‘ 4. Talia eo loquente, longaeuus viator ubertim faciem lacrimis rigabat, quas magnitudo laetitiae indices cordis effuderat. 5. Gaudebat quippe de Christi gloria, de interitu Satanae, simulque admirans, quod eius posset intelligere sermonem, et baculo humum percutiens, aiebat: ‚Vae tibi Alexandria, quae pro Deo portenta veneraris; vae tibi civitas meretrix, in qua totius orbis daemonia confluxere. Quid nunc dictura es? Bestiae Christum loquuntur.‘ Necdum verba compleverat, et quasi pennigero volatu petulcum animal aufugit. 6. Hoc ne cui ad incredulitatem scrupulum moveat, sub rege
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Da die zweite Episode unproblematischer ist, sei zunächst die Begegnung mit dem Satyr betrachtet. Diese Waldgeister werden in der Kunst zumeist als kräftige junge Männer mit Pferdeschwänzen, spitzen Ohren oder Hörnern sowie gelegentlich Bocksfüßen dargestellt, häufig auch mit übertrieben großen, erigierten Phalli. Zwar werden sie im Mythos häufig erwähnt, doch treten sie nur selten einzeln auf und schon gar nicht als Protagonisten einzelner Erzählungen. Üblicherweise werden sie im Gefolge des Dionysos erwähnt oder sie stellen Nymphen nach. Von den Römern wurden sie schon früh mit Faunen gleichgesetzt. Ein Incubus ist eigentlich ein koboldartiges Wesen, das Alb- und unzüchtige Träume erzeugt. Durch das Erschreckende und Obszöne seiner Erscheinung wurde es mit Satyrn identifiziert.11 Höhepunkt der Begegnung ist zweifellos Antonius’ tiefe Bewegtheit über den Glauben des Satyrs, die in dem Verdikt gegen Alexandreia gipfelt. Sein Schimpfen auf die Heiden ist die einzige verbale Reaktion auf den Satyr, von der Hieronymus berichtet. Das seltsame Wüstenwesen breitet durch sein Erscheinen, sein Verhalten und seine Worte eine Vergleichsfolie aus, vor der die alexandrinischen Heiden als besonders töricht erscheinen können. „If pagan gods and social deviants could pay homage to Christ and his servant, the inhabitants of Alexandria seem all the more culpable for not doing the same.“12 Wie kaum eine andere Stadt bot sich Alexandreia als Sinnbild für die Renitenz der verbleibenden Heiden an – sollte sie doch spätestens mit der Zerstörung des Serapeions im Jahr 391 zu einem Brennpunkt heidnisch-christlicher Auseinandersetzung werden.13 Ein Fabelwesen des griechischen Mythos an Christus glauben zu lassen, enthält natürlich eine gewisse Ironie, die Hieronymus in einem Brief von 400/402 in noch drastischerer Weise anwendet, als er den Göttervater Zeus selbst als potentiellen Christus-Verehrer anführt.14 Dass der Satyr sich dagegen selbst als Sterblicher ausweist, hat PATRICIA COX MILLER daher mit gutem Grund hervorgehoben: „The word mortalis refers not simply to a being subject to death, in which case it would refer to all animals, but specifies humankind in particular, often in contrast with the immortal gods.“15 Nun ist hier natürlich nicht an eine Vielzahl unsterblicher Götter zu denken, da Hieronymus ja nur einen unsterblichen Gott kennt, gegen den das
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Constantio, universo mundo teste, defenditur. Nam Alexandriam istiusmodi homo vivus perductus magnum populo spectaculum praebuit, et postea cadaver exanime, ne calore aestatis dissiparetur, sale infusum, et Antiochiam, ut ab Imperatore videretur, adlatum est. Zum Satyr bei Constantius’ II. HARTMANN 2010, 137. STEUDING 1894A, 127 f.; KIRK 1970, 153 f. MERRILLS 2004, 219. Vgl. WISNIEWSKI 2000, 133–137; MONACI CASTAGNO 2011, 656 f. SCHUBART 1950, 280–282. Hinzu kommt, dass die Erwähnungen des Ortes No in Jer 46,25; Ez 30,14; Nah 3,8, den Hieronymus für das spätere Alexandreia hält, die Stadt als Hort der Vielgötterei erscheinen lassen. Mit ( נאn’) ist eigentlich das ägyptische Theben bezeichnet; zu Hieronymus’ Identifikation mit Alexandreia Hier. in Ezech. 9,30 (CCL 75, 422). Hier. epist. 107,1,3 (CSEL 55, 291); hierzu unten 6.6.3.1. MILLER 1996, 223. Vgl. WEINGARTEN 2005, 37 f.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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Personal der Mythen als sterblich abgesetzt wird. Indirekt ist also das alte christliche Argument gegen die heidnischen Götter vorgebracht, dass sie nämlich nichts weiter als glorifizierte Tote seien.16 Auffällig ist die Vehemenz, mit der Hieronymus die Glaubwürdigkeit seiner Episode gegen antizipierte Zweifler verteidigt. FUHRMANN bemerkt dazu: „Allzu aufdringlich sind die ästhetischen Reize, die Hieronymus bereitgestellt hat, und allzu weit entfernt sich ein Teil der Wundergeschichten doch wohl auch für den gläubigen Christen vom normalen Lauf der Dinge.“17 Der Referenz-Bericht vom öffentlich vorgeführten und schließlich als konservierten Leichnam zum Kaiser verbrachten Satyr wirkt kaum weniger phantastisch als die ganze Begegnungs-Geschichte selbst – obwohl sie mit konkreten Orten, Personen und dadurch mit ungefähren Datierungen ausgestattet ist. Die Quelle für seine Informationen verschweigt Hieronymus natürlich, da er keine nennen könnte. Tatsächlich gibt es aber ein deutliches Vorbild für diese Echtheitsbezeugung in Philostratos’ Vita des Apollonios von Tyana.18 Dieser gelangt einmal in ein äthiopisches Dorf, dessen Frauen regelmäßig von einem Satyr heimgesucht werden und von denen dieser bereits zwei getötet haben soll. Indem Apollonios den Unhold durch Wein gefügig macht, gelingt es ihm, das Dorf von der Heimsuchung zu befreien.19 Mit einem ganz ähnlichen redaktionellen Einschub begegnet Philostratos skeptischen Lesern, die den Wahrheitsgehalt der Apollonios-Episode nicht abstreiten sollen. Denn – so berichtet er zum Beleg – während seiner Jugendzeit auf Lemnos habe die Mutter eines Freundes Besuch von einem Satyr bekommen. Dieser habe ein Rehfell über den Rücken getragen, das er sich mit den Vorderläufen um den Hals gebunden habe.20 Wie bei Antonius’ Begegnung mit dem Satyr steht die Authentizitätsbezeugung am Ende der Episode, stellt ferner einen Einschub in der ersten Person dar, kann zudem eine grobe Datierung aufweisen und erhält durch hervorgehobene Details einen erhöhten Grad an Realismus. Hieronymus geht einen Schritt weiter, indem er durch die zuvor geäußerten Zweifel am Bericht über den Kentaur sein eigenes kritisches Vorgehen suggeriert und auf diese Weise die Glaubwürdigkeit der Satyr-Stelle steigert.21 Die Parallele bei Philostratos dürfte in seinen Augen zudem als Unterstützung gedient haben: Wer immer seine Erzählung las, konnte sich an die Episode in der Apollonios-Vita erinnern und hatte damit einen weiteren Beleg dafür, dass Satyrn real waren.22
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Oben 2.2.2.2. FUHRMANN 1976, 83. Vgl. WISNIEWSKI 2000, 106. FUHRMANN 1976, 72 f.; ROTHE 1997, 533 f.; ADKIN 2000A, 67–79; CAMERON 2011, 554 ff. Vorlage hierfür ist wiederum die berühmte Gefangennahme eines Silens durch Midas: Arist. Fr. 44 ROSE; Hdt. 8,138; Ath. 2,45C; Cic. Tusc. 1,114; Ov. met. 11,85–145; Plu. Moralia 115d (= cons. Ap. 27). Gigantenrelikte: Tert. resurr. 42; Aug. civ. 15,9; vgl. SPEYER 1978B, 1270. 20 Philostr. VA 6,27; vgl. Aug. civ. 15,23. 21 FUHRMANN 1976, 79. 22 Zu mythischen Relikten oben 6.1.1; vgl. HARTMANN 2010, 602 f. Zu Hieronymus und Apollonios von Tyana JONES 2006, 49–64. Zu seinem Bemühen um Glaubwürdigkeit REBENICH 2009, 24 f., bes. 25: „Jerome intended the Vita Pauli to be considered history.“
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Wie verhält sich nun dazu die vorausgegangene Begegnung mit dem Pferdemenschen? Kentauren sind die bekannten Mischwesen, die allgemein als Pferde dargestellt werden, deren Schultern in Oberkörper von Männern auslaufen. Sie sind die Nachfahren des Kentauros, der entweder ein Sohn Apollons und der Stilbe oder des Ixion mit der Wolke ist, die ihm Zeus statt der Hera ins Bett gelegt hat. Im Mythos erscheinen sie als ein unzivilisierter Stamm aus den Bergen von Magnesia in Thessalien, werden jedoch auch in anderen Gegenden verortet. Die berühmteste Erzählung ist ihr Kampf gegen die Lapithen, ein anderes thessalisches Gebirgsvolk: Weil die Kentauren keinen Alkohol gewöhnt sind, werden sie als Gäste auf einer Hochzeit gewalttätig und versuchen unter der Führung Eurytions, die Frauen der Lapithen zu entführen. Es entbrennt ein blutiger Kampf, der mit der Vertreibung der Kentauren endet. Herakles begegnet den Kentauren in Westarkadien. Einmal stören sie sein Mahl, als er bei dem gebildeten Kentaur Pholos zu Gast ist, weil sie vom Duft des Weines erregt werden. Zu einem weiteren Kampf kommt es, als Eurytion versucht, die Tochter des Dexamenos zu entführen.23 Wie beim Satyr steht auch beim Kentaur seine aggressive Sexualität im Vordergrund. Genauso zeigen beide starke, wenn auch gegenläufige Reaktionen auf Alkohol.24 Für Hieronymus als den Verfechter der christlichen Askese wird dieser Aspekt wohl von gewisser Bedeutung bei der Auswahl der Figuren gewesen sein. Das Animalische und Zivilisationsfeindliche ihres Wesens,25 das natürlich eng mit ihrer partiellen Tiergestalt zusammenhängt, verstärkt den von Antonius ausgerufenen Gegensatz zu den Heiden Alexandreias. Dass Hieronymus nach einigen Hss. hier von einem hippocentaurus spricht, könnte eine bewusste Unterscheidung von den ὀνοκένταυροι der Septuaginta sein, die er später für die Vulgata in einem Fall übernehmen sollte.26 Die Eselskentauren gehören im Jesaja-Buch zur topischen Beschreibung menschenfeindlicher und verlassener Orte in der Wüste, Szenarien also, die dieser Station des Antonius auf seiner Wanderung entsprechen. In dem Bewusstsein, dass die biblischen Kentauren irgendwie mit den mythischen in Zusammenhang stehen, erklärt Hieronymus sie in seinem Jesaja-Kommentar als Mischwesen, denen die menschliche Vernunft und die tierhafte Triebhaftigkeit zugleich innewohnen.27 Für seine Erzählung hätte es also zunächst keinen Unterschied gemacht, ob Antonius einen ono- oder einen hippocentaurus trifft, so dass die Vokabel centaurus ohne Präfix völlig hinreichend gewesen wäre. So hebt er jedoch das Mischwesen bewusst von der biblischen Überlieferung ab und ordnet es dezidiert dem Mythos zu bzw. der opinio poetarum. Damit ist der Ausruf gegen die alexandrinischen Heiden im nächsten Kapitel noch
23 Hom. Il. 1,267 f.; 2,742–744; Od. 21,295–298; Hes. Sc. 178–190; Pi. Fr. 166 f.; Apollod. Epit. 1,21 f.; A.R. 1,40–44. 59–64; D.S. 4,69 f.; Ov. met. 12,210–535; vgl. ROSCHER 1897, 1851 ff. 24 Hierzu auch unten 6.4.1.2. 25 MILLER 1996, 217; MERRILLS 2004, 219. 26 Jes 34,14; hierzu oben 5.5. Zu den verschiedenen Lesarten SC 508, 158, app. crit. 27 Hier. in Is. 6,13,19 (VL 27, 712). Zum Jesaja-Buch in der Vita WISNIEWSKI 2000, 106–115.
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pointierter. Dass seine christliche Leserschaft trotzdem die Jesaja-Stellen damit assoziiert haben mag, dürfte der Wirkung nicht abträglich gewesen sein.28 Auch der Kentaur, der erzählerisch das Erscheinen des Satyrs vorbereitet, deutet seiner Unfähigkeit zu sprechen zum Trotz die richtige Richtung zu Paulus. Unmittelbar bevor Antonius ihn trifft, hat dieser gesagt: „Ich glaube an meinen Gott, der mir seinen Diener zeigen wird, wie er es mir versprochen hat.“29 Dies weist den Kentaur – vor dem Hintergrund der Parallelen zur zweiten Begegnung – ebenfalls als gottesfürchtig aus, wenn auch nur implizit.30 Antonius’ Begegnung mit den beiden Figuren aus dem griechischen Mythos ist von FUHRMANN so verstanden worden, als diene sie dazu, „an das – als »Erbauung« kamuflierte – Unterhaltungs- und Sensationsbedürfnis des Lesers zu appellieren“.31 Damit ist jedoch nur ein Teilaspekt benannt, der als Erklärung gewiss zu kurz greift. Die beiden mythischen Wesen als Metapher auf das eremitische Wüstenleben aufzufassen bzw. mit MILLER als „pictorial image of Jerome’s view of the ascetic self“,32 mag ebenfalls eine gewisse Geltung haben. Fragt man jedoch nach einer möglichen Tendenz der Episoden, wird bei Antonius’ Ausruf an die Adresse Alexandreias deutlich, dass sie der Kritik am Heidentum dienen.33 Antonius formuliert selbst den Vorwurf, dass die alexandrinischen Heiden noch unter den Tieren stünden, weil selbst diese Christus erkannt haben. Kritik am Heidentum ist ein wiederkehrendes Motiv in der Schrift, die in diesem Maße und in dieser Form ungewöhnlich für Hieronymus ist: Bereits in der Einleitung widmet er zwei ganze Kapitel des kleinen Werkes den Christenverfolgungen unter Decius und Valerian und schildert eine Reihe von Martyrien.34 Das ist sicherlich auch als Versuch zu bewerten, sich „geschickt das Air des kritischen Historikers“35 zu geben, doch ist das ausgebreitete Szenario für die weitere Geschichte konstitutiv. Paulus’ Eremitenleben beginnt dann auch mit der Flucht vor den Verfolgungen.36 Nach dem Ende der tetrarchischen Verfolgungen war es den Christen im Römischen Reich nahezu unmöglich geworden, durch den Märtyrertod direkt ins Himmelreich zu gelangen. Somit wurde die gottgeweihte Askese als eine alternative Möglichkeit betrachtet und das Mönchtum konnte sich erfolgreich etablieren. Hieronymus versetzt Paulus’ conversio also in ein Szenario, in dem die Option zum Märtyrertod noch greifbar bestanden hätte. Dieser sieht aber in der Ver-
28 Genauso erinnert die Beschreibung der Begegnung mit dem Satyr an die pilosi, die in Jes 13,21. 34,14 mit den onocentauri auftauchen; vgl. MILLER 1996, 224; WISNIEWSKI 2000, 111–115. 29 Hier. vita Pauli 7 (SC 508, 158): ‚Credo in Deo meo, quod servum suum, quem mihi promisit, ostendet.‘ Übers. nach GRESCHAT/TILLY 2009, 119. 30 Der Eselskentaur, dem Antonius in Ath. v. Anton. 53,1–3 begegnet, ist von einem Dämon besessen. Vgl. MERRILLS 2004, 220; WEINGARTEN 2005, 34; MONACI CASTAGNO 2011, 655 f. 31 FUHRMANN 1976, 88. REBENICH 2009, 19, spricht von „voyeuristic pleasure“. 32 MILLER 1996, 209; MERRILLS 2004, 220. 33 WISNIEWSKI 2000, 128 f.; MERRILLS 2004, 218. 34 Hier. vita Pauli 2 f. (SC 508, 146–150). 35 FUHRMANN 1976, 77. 36 Hier. vita Pauli 4 f. (SC 508, 150–154).
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folgung keine Chance, sondern im Gegenteil „machte er die Not zu seinem Willen“.37 Durch diesen Kunstgriff wertet Hieronymus das Asketentum auf, da Paulus seine Wahl frei trifft und auf diese Weise der mönchischen Lebensweise der Charakter einer Ersatzleistung für das Martyrium genommen wird.38 Später, im weiteren Verlauf der Geschichte, als Antonius bei Paulus angekommen ist, erkundigt dieser sich bei seinem Gast nach der Welt außerhalb seiner eremitischen Existenz und stellt am Ende die Frage, ob das Heidentum noch Anhänger habe: „Gibt es noch Menschen, die in teuflischem Irrtum befangen sind?“39 Offenbar hoffte Paulus auf verbesserte Zustände, da er selbst ja der Welt den Rücken in einem Moment der schwersten Bedrückung für die Christen zugekehrt hatte. Vielleicht sollen hier auch divinatorische Fähigkeiten suggeriert werden. Da die Szene um das Jahr 345 anzusiedeln ist,40 also gute drei Jahrzehnte vor ihrer Publizierung, weiß die Leserschaft, dass die freie Ausübung der christlichen Religion mittlerweile als gesichert gelten konnte, da sich selbst Julians Bemühungen um eine heidnische Restauration als Episode erwiesen hatten. Dass Hieronymus der Frage aus Paulus’ Mund besondere Bedeutung beimisst, lässt sich an dem unmittelbar darauf stattfindenden Wunder ablesen: Ein Rabe, der – wundersam genug – Paulus bisher mit einem halben Brot täglich ernährt hatte, bringt nun ein ganzes, um mit der doppelten Ration beide heiligen Männer zu versorgen.41 Sein Erscheinen tritt an die Stelle einer Antwort auf die Frage nach den Heiden. Ohne eine zu scharfe Positionierung vornehmen zu müssen, kann Hieronymus so im Sinne der Christen antworten. Am Ende der Erzählung wird das Motiv aus Antonius’ Schmähruf gegen Alexandreia wieder aufgegriffen, dass selbst die Tiere an Gott glaubten: Als zwei Löwen den verstorbenen Paulus begraben haben und anschließend Antonius durch das Lecken seiner Hände und Füße um seinen Segen bitten, ist dieser „haltlos in seinem Lob Christi, weil auch die stummen Tiere spüren, dass Gott existiert“.42 Durch die inhaltliche Wiederholung erhält der Ausruf gegen Alexandreia zusätzliches Gewicht. Mehr oder weniger antiheidnische Aussagen ziehen sich also durch das ganze opusculum, so dass davon auszugehen ist, dass Hieronymus auf diesen Aspekt besonderen Wert gelegt hat. Die beiden mythischen Figuren nehmen dabei eine Mittlerrolle ein, da sie, selbst den Werken der vario delusa errore gentilitas entstammend, zu Gott gefunden haben und Zeugnis davon ablegen. Es stellt sich die Frage, wieso Hieronymus in dieser Schrift beinahe leidenschaftlich gegen das Heidentum schreibt, zumal sich in der vita Pauli mehr als in den beiden späteren Mönchsviten zahlreiche Zitate aus der profanen Literatur finden.43 Ob ein Zusammenhang mit dem Umstand besteht, dass die Schrift mit ihrer 37 Hier. vita Pauli 5,1 (SC 508, 152): necessitatem in voluntatem vertit. 38 REBENICH 2009, 26. 39 Hier. vita Pauli 10,1 (SC 508, 166): an supersint aliqui qui daemonum errore rapiantur. Übers. GRESCHAT/TILLY 2009, 123. 40 Zu den Unstimmigkeiten in der Datierung FUHRMANN 1976, 78 f. 41 FUHRMANN 1976, 73; WISNIEWSKI 2000, 125 f. 42 Hier. vita Pauli 16,6 (SC 508, 178): in laudationem Christi effusus, quod muta quoque animalia Deum sentirent. Zu den Löwen WISNIEWSKI 2000, 123–125. 43 FUHRMANN 1976, 74.
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antiheidnischen Tendenz in einer Zeit entstanden ist, als Theodosius’ Verbot der heidnischen Kulte noch nicht abzusehen war, d. h. ob Hieronymus eine solche Schrift auch danach noch hätte schreiben können, lässt sich nicht entscheiden. Der wesentliche Grund für die antiheidnische Ausrichtung der Erzählung ist wohl darin zu sehen, dass er der athanasischen Antonius-Vita nicht nur ein lateinisches Pendant geben, sondern auch ein verändertes Idealbild des christlichen Asketen gegenüberstellen wollte, das sich in dem wesentlichen biographischen Unterschied zu Antonius manifestiert: Paulus ist mit der heidnischen Bildung vertraut.44 Hieronymus lag hier also vor allem „das Konzept des gebildeten Mönchs“45 am Herzen. Diesem Entwurf musste er natürlich die scharfe Abgrenzung von den religiösen Inhalten des Heidentums an die Seite stellen, um die Nutzung der profanen Literatur rechtfertigen zu können. Die Abgrenzung vom Heidentum kristallisiert sich in origineller wie schillernder Weise in den Begegnungen des Antonius mit den beiden mythischen Figuren.
6.2.1.2 Buddha von einer Jungfrau geboren Hieronymus’ Streitschrift gegen Iovinianus ist einer der Gründe dafür, dass ihm der Ruf als streitbarer Hitzkopf anhaftet. Über Iovinianus ist wenig bekannt, bis er mit acht seiner Anhänger im Jahr 390 durch Bischof Siricius in Rom und ein Jahr später in Mailand noch einmal durch Ambrosius exkommuniziert wurde,46 wohl wegen kritischer Positionen zu der Jungfräulichkeit Marias.47 Obwohl Iovinianus selbst der christlichen Askese anhing, wandte er sich zudem gegen die neue, orientalisch geprägte Form des Mönchtums, die ihm offensichtlich in ihren Forderungen zu weit ging.48 Diese Agitation war es, die Hieronymus veranlasste, im Jahr 393 in Bethlehem seine Schrift Adversus Iovinianum zu verfassen. Seine Freunde Pammachius und Domnio hatten von Rom aus eine Kopie der fraglichen Schrift des Iovinianus auf den Weg gebracht, aus deren Inhalt Hieronymus in seinem Traktat vier zentrale Thesen systematisch widerlegt: „Er sagt, dass Jungfrauen, Witwen und verheirateten Frauen, die einmal in Christus gereinigt sind, dasselbe Verdienst zukommt, wenn sie sich nicht in ihren übrigen Werken unterscheiden. Er will anerkannt wissen, dass die, die voll des Glaubens in der Taufe wiedergeboren sind, vom Teufel nicht vernichtet werden können. Zum dritten schlägt er vor, dass zwischen der Enthaltsamkeit von Speisen und ihrer Annahme in Dankbarkeit kein Unterschied besteht. Zum vierten
44 Hier. vita Pauli 4,1 (SC 508, 150). Dies widerspricht der von STROUMSA 2012, 29–41, postulierten Verschiebung des Bildungskanons hin zu einem dezidiert christlichen. 45 FUHRMANN 1976, 75 f. m. Verw. auf ebd. 53. Vgl. REBENICH 2002, 25; REBENICH 2009, 23. 46 Siric. epist. 7,1–4 (PL 13, 1168A–1172A); Ambr. epist. 41. 42; hierzu GRÜTZMACHER 1906, 149–152; OPELT 1973, 37; HUNTER 2003, 457. Vgl. Hier. adv. Iovin. 1,34 (PL 23, 286A). 47 Ambr. epist. 8; Aug. haer. 82; hierzu HUNTER 2003, 457 f. Hieronymus’ Schweigen hierzu ließe sich damit erklären, dass Iovinianus bereits sanktioniert worden war und Hieronymus das Thema in seiner Streitschrift gegen Helvidius (PL 23, 193–221) abgehandelt hatte. Dass er Iovinianus’ These nicht kannte, wie GRÜTZMACHER 1906, 151, meint, ist unwahrscheinlich. 48 HUNTER 2003, 453–470; CAIN 2009B, 135–140.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen und letzten sagt er, dass für alle, die ihrem Taufgelübde treu bleiben, dieselbe Vergeltung im Himmelreich wartet.“49
Mit solchen Aussagen rüttelte Iovinianus an den Grundfesten der hieronymianischen Weltanschauung, zumal er anscheinend gewisse Erfolge mit seiner Agitation hatte.50 Hieronymus sah sein „Evangelium der Virginität“51 bedroht. Über das Inhaltliche hinaus bot die Streitschrift aber auch die Möglichkeit, nach seinem Weggang aus Rom 385 wieder mit seinen stadtrömischen amici anzuknüpfen und sich als christlicher Literat zu rehabilitieren.52 Da Hieronymus in manchen Punkten wohl jedoch zu heftig gegen die Institution der Ehe im Allgemeinen polemisierte, versuchte Pammachius die bereits zirkulierenden Kopien der Streitschrift bald nach Erscheinen in Rom einzuziehen. Die Tatsache, dass der Text vorliegt, zeugt vom Misserfolg des Unternehmens.53 Nach einer Einleitung (Kapitel 1–4) zur Streitschrift ist das erste der zwei Bücher gegen Iovinianus vollständig der ersten These gewidmet (5–49), mit der dieser sich gegen die Überbewertung des Jungfrauen- und Witwenstandes gegenüber verheirateten Frauen wandte. Hieronymus versucht den Primat der Jungfräulichkeit unter anderem mit Beispielen für ihre nicht-christliche Wertschätzung zu untermauern. Nach einer langen Reihe Exempla von Jungfrauen aus der griechisch-römischen Mythologie und Geschichte, die wegen ihrer Standhaftigkeit berühmt geworden sind, eröffnet er mit dem 42. Kapitel eine Aufzählung von nicht-christlichen Beispielen zur jungfräulichen Geburt: „Bei den Gymnosophisten Indiens wird mit dem Gewicht ihrer Meinung sozusagen von Hand zu Hand weitergegeben, dass Buddha, der Begründer ihres Glaubens, aus der Hüfte einer Jungfrau geboren sei. Also darf man sich nicht über die Barbaren wundern, wenn sich selbst das kultivierte Griechenland ausdenkt, dass Athene aus dem Kopf des Zeus und Dionysos aus seinem Schenkel geboren seien.“54
49 Hier. adv. Iovin. 1,3 (PL 23, 224B): »Dicit, virgines, viduas, et maritatas, quae semel in Christo lotae sunt, si non discrepent caeteris operibus, eiusdem esse meriti. »Nititur approbare eos, qui plena fide in baptismate renati sunt, a diabolo non posse subverti. »Tertium proponit, inter abstinentiam ciborum et cum gratiarum actione perceptionem eorum, nullam esse distantiam. »Quartum quod et extremum, esse omnium qui suum baptisma servaverint, unam in regno coelorum remunerationem.« Zu Domnio REBENICH 1992A, 200 ff. 50 Aug. haer. 82; hierzu GRÜTZMACHER 1906, 149. 51 GRÜTZMACHER 1906, 150. 52 HUNTER 2003, 462–466, erblickt hierin zudem den Versuch einer Behauptung gegen Ambrosius und Siricius. Vgl. auch GRÜTZMACHER 1906, 150. 53 Hier. epist. 49,2,1 (CSEL 54, 351). Domnio übersandte Hieronymus ein Verzeichnis aller anstößigen Stellen; epist. 50,3,5 (CSEL 54, 391). 54 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B): Apud gymnosophistas Indiae, quasi per manus, huius opinionis auctoritas traditur, quod Buddam, principem dogmatis eorum, e latere suo virgo generarit. Nec hoc mirum de Barbaris, cum Minervam quoque de capite Iovis, et Liberum patrem de femore eius procreatos doctissima finxerit Graecia. Strukturanalyse des Textes bei OPELT 1973, 37–63. Zu den mythischen Jungfrauen unten 6.4.2.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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Die von den Griechen so bezeichneten Gymnosophisten waren indische Asketen, denen Alexander begegnet war.55 Aus Porphyrios’ De abstinentia entnimmt Hieronymus weitere Informationen über ihre Einteilung in Brahmanen und Samanäer, ihre Lebensweise sowie ihre soziale Stellung.56 Woher er die Informationen über die jungfräuliche Geburt Buddhas bezieht, bleibt im Dunkeln.57 Die Legende, nach der im Traum ein weißer Elefant seiner Mutter Maya eine Lotusblüte überbringt, ist jedenfalls dem Mahayana-Buddhismus zuzuordnen.58 Die Erzählung dient Hieronymus als Vergleichsfolie für die zwei nun folgenden Mythen, die ebenfalls von wundersamen Geburten berichten. Zunächst spricht er den Geburtsmythos der Athene an: Als Zeus’ erste Frau Metis von ihm schwanger ist, erhält er von Ge und Uranos die Warnung, dass, sollte er je ein zweites Kind bekommen, dies ein Sohn sein werde, der im Himmel herrschen werde. Um nicht selbst gestürzt zu werden, wie er seinen Vater Kronos einst gestürzt hatte, verschlingt Zeus Metis. Als es eigentlich Zeit für die Geburt des Kindes ist, plagen ihn jedoch Zweifel. Schließlich lässt er Prometheus (oder Hephaistos) seinen Kopf mit einer Axt spalten. Heraus springt Athene in voller Rüstung.59 In typischer Manier bildet Hieronymus nun ein Paar mit einem ähnlichen Exemplum, dem Mythos der Dionysos-Geburt aus dem Schenkel des Zeus, der in seiner geläufigsten Version kurz wiedergegeben sei: Semele, die Tochter des thebanischen Königs Kadmos und der Harmonia, wird von Zeus geschwängert. Die eifersüchtige Hera nimmt daraufhin die Gestalt ihrer Amme an und überredet sie in dieser Tarnung, darauf zu bestehen, dass Zeus ihr – wie seiner Frau – in voller Majestät erscheine. Da dieser versprochen hat, ihr einen Wunsch zu erfüllen, ganz gleich, was es sei, muss er das Mädchen als Donnergott besuchen und tötet sie unweigerlich mit einem Blitz. Das ungeborene Kind rettet Zeus aus ihrem Leib und näht es sich selbst in den Schenkel ein. Als es Zeit ist, öffnet er die Naht und bringt Dionysos δισσοτόκος, den zweifach Geborenen, zur Welt.60 Schnell wird deutlich, dass diese beiden mythischen Exempla überhaupt weder mit der Thematik jungfräulicher Geburten noch mit der Geburt Buddhas im Speziellen etwas zu tun haben. Stattdessen sind sie – gewissermaßen als Exemplum im Exemplum – direkt dem Buddha-Exemplum zugeordnet: Gegen die Erzählung der indischen Barbaren, die ja durchaus gewisse Parallelen zur Geburt Jesu enthält,61 55 Plu. Alex. 64; Nearch. FGrH 133 F 6. 23; Aristobul. FGrH 139 F 41; Arr. An. 7,2; Ind. 11,7. 56 Hier. adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317B), der wie Porph. Abst. 4,17 den babylonischen Theologen Bardesanes als Quelle angibt; vgl. BICKEL 1915, 150 f.; BONGARD-LEVIN/KARPYUK 1996, 701 f. 708; BRUNS 1998, 92 f. Dagegen DIHLE 1984, 98–101. 57 Nach Hegem. Arch. 52 war es ein ägyptischer Ketzer namens Terebinthos, der sich, um der Verfolgung zu entgehen, unter dem Namen Buddha in Persien versteckte und behauptete, er sei von einer Jungfrau geboren; vgl. Cyr. H. catech. 6,23. Hierzu BICKEL 1915, 148–151; BONGARD-LEVIN/KARPYUK 1996, 709. 58 HUTTER 2003, 168; sein Vorschlag, aufgrund von Eus. h.e. 5,10 eine ägyptische Quelle für Hieronymus anzunehmen, kann nicht recht überzeugen. Vgl. BICKEL 1915, 149. 59 Hes. Th. 924; h.Hom. 28,4–11; Pi. O. 7,35; vorauszusetzen bei Hom. Il. 4,515; 5,747. 875. 880. Hierzu ROSCHER 1886E, 675 f. mit weiteren Belegen. 60 Nonn. D. 1,4; vgl. Apollod. 3,4,3; Ov. met. 3,253–310, bes. 307 ff.; hierzu VOIGT 1886, 1044 f. 61 ROBERTSON 1900, 171. 193 f.; GRÜTZMACHER 1906, 157; HUTTER 2003, 168–171.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
erscheinen die Geburtserzählungen von Athene und Dionysos um Einiges bizarrer, so die Aussageabsicht des Kirchenvaters. Folglich kann Christi Geburt von den Heiden nicht verworfen werden, wenn ihre eigene Kultur noch phantastischere Geschichten kennt, als man sie aus besagter orientalischen Erzählung kennt. Indem Hieronymus also zwei Mythen mit einer barbarischen Tradition kontrastiert, würdigt er die heidnische Tradition herab. Dass er im Umkehrschluss den Buddhismus aufwertet, nimmt er wohl in Kauf, vielleicht weil dieser nie in einem Konkurrenzverhältnis zum Christentum gestanden hatte wie das griechisch-römische Heidentum. Hieronymus ist hier ganz in seinem romanozentrischen Weltbild befangen: Indien ist weit weg.
6.2.1.3 Wunderliche Verwandlungen des Zeus In dem drei Jahre später entstandenen Kommentar zum Propheten Jona argumentiert Hieronymus auf ähnliche Weise, ohne jedoch den Bezug zu orientalischen Erzählungen herzustellen. Zu Jonas’ Gebet im Bauch des Fisches bemerkt er: „Ich weiß auch, dass es einige geben wird, denen es unmöglich erscheint, dass ein Mensch drei Tage und Nächte im Bauch eines Seeungeheuers, in dem die Überreste vom Schiffbruch verdaut wurden, unversehrt bewahrt werden konnte. Das werden natürlich sowohl Gläubige als auch Ungläubige sein. [...] Wenn es aber Ungläubige sein werden, sollen sie die fünfzehn Bücher von Nasos Metamorphóseōn lesen und die ganze griechische und lateinische Geschichte. Dort werden sie Daphne in einen Lorbeerbaum verwandelt sehen oder Phaëthons Schwestern in Pappelbäume; wie Jupiter, ihr höchster Gott, sich in einen Schwan verwandelte, in einem Goldregen sich ergoss, in Gestalt eines Stiers einen Raub beging, und die übrigen Erzählungen, in denen die Schändlichkeit der fabulae unmittelbar der Heiligkeit der göttlichen Natur widerspricht. Jenen glauben sie und sagen, für einen Gott sei alles möglich; und während sie schändlichen fabulae glauben und sie mit dem Hinweis auf die göttliche Allmacht verteidigen, billigen sie dieselbe Kraft nicht auch den schicklichen Berichten zu.“62
Fünf mythische Erzählungen streift der Kirchenvater, die in zwei Gruppen zerfallen. Die ersten beiden Exempla beinhalten Frauenfiguren, die in Bäume verwandelt werden, während die letzten drei von Verwandlungen des Zeus berichten. Sie sind sprachlich noch knapper gehalten.63
62 Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 144. 146): Nec ignoro quosdam fore quibus incredibile videatur tribus diebus ac noctibus in utero ceti in quo naufragia dirigebantur hominem potuisse servari. Qui utique aut fideles erunt aut infideles. [...] Sin autem infideles erunt, legant quindecim libros Nasonis Μεταµορφόσεων, et omnem Graecam Latinamque historiam ibique cernent vel Daphnen in laurum vel Phaetontis sorores populos arbores fuisse conversas, quomodo Iupiter, eorum sublimissimus deus, sit mutatus in cygnum, in auro fluxerit, in tauro rapuerit, et cetera in quibus ipsa turpitudo fabularum, divinitatis denegat sanctitatem. Illis credunt et dicunt deo cuncta possibilia, et cum turpibus credant potentiaque dei universa defendant, eamdem virtutem non tribuunt et honestis. Übers. nach FC 60, 145. 147. Vgl. Jona 2,2. 63 Auffällig ist der spielerische Umgang mit ähnlich klingenden Begriffen in parallelen Formulierungen: in auro fluxerit, in tauro rapuerit. Diese Zusammenstellung der Zeus-Exempla ist keine Erfindung des Hieronymus: Ov. am. 3,12,33 f.; Ps. Verg. Dirae 125–130; Aetna 87–90.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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Die fünf Mythen seien im Folgenden kurz paraphrasiert und anlässlich der exponierten Erwähnung des ovidischen Werkes auf ihren dortigen Stellenwert hin betrachtet: Als Vergeltung für Apollons Überheblichkeit lässt Eros ihn in Liebe zu Daphne entflammen, einer Nymphe aus Arkadien bzw. Tochter des thessalischen Flussgottes Peneios. Diese will jedoch ihre Jungfräulichkeit wahren. Als Apollon nicht aufhört, ihr nachzustellen, verwandelt Ge das Mädchen in einen Lorbeerbaum (δάφνη), der fortan Apollon heilig ist. Ovid widmet der Darstellung dieser Geschichte 116 Verse in seinen Metamorphosen,64 die noch deutlich von 433 Versen zum Phaethon-Mythos überboten werden: Nachdem Zeus den Jüngling mit einem Blitz niedergestreckt hat, so dass er in den Fluss Eridanos hinabstürzt, trauern am Ufer seine Schwestern, die Heliaden, und werden in Pappeln verwandelt; ihre Tränen werden zu Bernstein.65 Zu Zeus’ Verwandlung in einen Schwan konkurrieren zwei voneinander abweichende Traditionen: Nach der einen nutzt der Göttervater die Tiergestalt, um sich Nemesis zu nähern, der Tochter der Nyx, die sich ihrerseits die Gestalt einer Gans gegeben hat. Sie bringt daraufhin ein Ei zur Welt, das zu Leda gebracht wird, der Gattin des lakedaimonischen Königs Tyndareos. Als schließlich Helena aus dem Ei schlüpft, zieht Leda sie wie ihre eigene Tochter auf. Nach der anderen Tradition ist sie es selbst, der sich Zeus in Gestalt eines Schwanes nähert und die daraufhin die Helena gebiert.66 In den Metamorphosen ist die Erzählung jedoch nur kurz als eines der 21 Bildmotive erwähnt, die Arachne im Wettstreit mit Athene webt.67 Auch im übrigen Werk Ovids wird diese Verwandlung des Zeus nur beiläufig in den Heroides angesprochen.68 Ebenso wird die Erzählung von Zeus, der sich der Danae als Goldregen nähert, in den Metamorphosen nur am Rande und dann zumeist zur Charakterisierung ihres Sohnes Perseus erwähnt.69 Dem Mythos von Zeus, der „in Gestalt eines Stiers einen Raub beging“, widmet Ovid wiederum 42 Verse seiner Metamorphosen: Um sich Europa, der Tochter des Königs Agenor, nähern zu können, verwandelt sich der Gott in einen weißen Stier und gesellt sich zu einer Herde Rinder am sidonischen Strand, wo das Mädchen mit Freundinnen spielt. Als er ihr Vertrauen gewonnen hat und sie sich sogar auf den Rücken des schönen Tieres setzt, schwimmt er mit ihr nach Westen zur Insel Kreta, wo er sie zur Geliebten nimmt.70
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Die beiden letztgenannten Werke mag Hieronymus seinem Lehrer folgend für authentisch vergilisch gehalten haben; Don. vita Verg. 17. 19. Vgl. auch Tert. apol. 21,8. Ov. met. 1,452–567; vgl. auch Paus. 10,7,8; Hyg. fab. 203. Ov. met. 1,746–2,400, Verwandlung der Schwestern: 2,340–366; hierzu HABERMEHL 2009, 46. Vgl. A.R. 4,592–626; D.S. 5,23,2 f.; Plin. nat. 37,31; Val. Fl. 5,429–432; Hyg. fab. 153 f.; Philostr.Jun. Im. 1,11. Vgl. auch oben 5.2. Apollod. 3,10,5–7 sowie Hyg. astr. 2,8. Vgl. Sen. Phaedr. 299–304; Val. Fl. 1,427–432; Stat. Theb. 10,503–507; Luc. DDeor. 20; Hyg. fab. 177. Ov. met. 6,109. Zur Geläufigkeit dieses Mythos in der Spätantike BURKERT 2005, 181 m. Verw. auf Procop. Arc. 9,21 f. Ov. epist. 8,67–78; 16,249–252; 17,43–56. Ov. met. 4,610 f. 696 f.; 5,11 f. 250 f.; 6,110–114; am. 3,8,29–34. Zu Danae unten 6.3.1.2. Ov. met. 2,833–875; vgl. auch Hom. Il. 14,319 f.; Hes. Fr. 30; Apollod. 3,1,1 f.; Hor. carm. 3,27,25 ff.; Sen. Phaedr. 299–304; Hyg. fab. 178.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Dass Hieronymus nun mit et cetera bestimmte Mythen im Sinn gehabt hatte, ist nicht wahrscheinlich. Wesentlich ist für ihn zum einen die große Menge solcher Mythen von übernatürlichen Verwandlungen, die der Jona-Erzählung gegenüberstehen, und zum anderen die Tatsache, dass sie nicht nur als incredibile angesehen werden können, sondern auch – im Sinn der apologetischen Tradition – durch ihre Lasterhaftigkeit die göttliche Heiligkeit ad absurdum führen. Hieronymus’ Festlegung auf Verwandlungsmythen ist jedoch keineswegs zwingend durch den Vergleich mit der Jona-Erzählung erforderlich, da sie ja gerade dadurch den Charakter eines Wunders erhält, dass der tragische Held trotz des Aufenthaltes in dem Walfisch unbeschadet, also unverwandelt bleibt. Bei der Hervorhebung der ovidischen Metamorphosen im Zusammenhang mit seiner Exempla-Reihe scheint sich Hieronymus bewusst gewesen zu sein, dass dort nicht alle erwähnten Mythen in gleicher Ausführlichkeit behandelt werden, wie man wohl aus dem Zusatz schließen darf, man solle auch omnem Graecam Latinamque historiam lesen, deren Nennung somit auch als erweiterte Quellenangabe dient. Die libri Nasonis Μεταµορφόσεων sind nicht ohne Grund das erste Werk, das Hieronymus als wesentlich zum Thema Mythos aufführt, und zudem das einzige, das er konkret mit Autor und Titel benennt: Häufig lässt sich beobachten, dass seine mythischen Exempla auf den ovidischen Beschreibungen beruhen.71 Sofern man also so etwas wie eine zentrale literarische Quelle für seine Kenntnis der Mythen benennen möchte, dürfte man am ehesten in Gestalt dieses Werkes fündig werden. Die Beobachtung ist insofern nicht sonderlich überraschend, als spätestens PIERRE COURCELLE nachgewiesen hat, dass Hieronymus gerade unter den heidnischen Autoren die lateinischen bevorzugt genutzt hat. Unter diesen bot sich Ovids „mythologische Weltgeschichte“72 mit ihren rund 250 Erzählungen in besonderem Maße als Steinbruch für Exempla an. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Umstand, dass Hieronymus hier im Zusammenhang mit den Mythen von historia spricht und zunächst nicht wie sonst von fabulae. Anders als bei seinem Exemplum vom Felsen der Andromeda bei Jafo weiter oben im Jona-Kommentar, wo er anmerkt, scit eruditus lector historiam,73 ist die Vokabel hier im Sinne von Geschichtsschreibung zu verstehen. Zum einen weist er unmittelbar vorher auf ein literarisches Werk hin und zum anderen bezieht sich die Bezeichnung Latina historia auf die Sprachlichkeit. Meinte er den Verlauf der Geschichte, wäre wohl historia Romana oder eine ähnliche Wendung zu erwarten.74 Wie ist nun der Umstand zu bewerten, dass Hieronymus Ovids Metamorphosen neben „die ganze griechische und lateinische Geschichte“ setzt, als seien sie ein Teil von ihr oder zumindest gleichrangig? Dass er die Mythen gerade nicht für historisch hält, geht aus dem Exemplum selbst hervor, da er ja die Glaubwürdigkeit 71 Bspw. unten 6.6.1.1. Werktitel gibt Hieronymus bevorzugt als griechische Einschaltungen wieder; hierzu WENSKUS 2006, 289–302, bes. 292 f. Mit der Re-Transliteration trägt er ein wenig dick auf, um die eigene Bildung herauszustellen, da weder Autor noch Werk griechisch sind. 72 HOLZBERG 1997, 492; vgl. auch BURKERT 2005, 173. 73 Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104); hierzu oben 6.1.1. Vgl. auch epist. 108,8,2 (CSEL 55, 313). 74 Vgl. bspw. Cic. rep. 2,33: obscura est historia Romana.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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der biblischen Erzählung durch den Kontrast zu den phantastischen Geschichten aus der Mythologie hervorkehren möchte. Vielmehr ist die implizite Gleichsetzung der Metamorphosen mit der paganen Geschichtsschreibung an dieser Stelle als antiheidnische Spitze zu verstehen, indem er suggeriert, dass die Graeca Latinaque historia genauso wie die ovidische Dichtung fabulae enthalte. Er zieht im Umkehrschluss die Heiden ins Lächerliche, indem er ihnen unterstellt, sie nähmen die phantastischen Erzählungen aus den Metamorphosen für bare Münze, als seien sie Zeugnis faktischer historia. Nur wenig später spricht er dann folgerichtig von der turpitudo fabularum. Insgesamt ist seine Argumentation recht einfach: Heidnische Kritik an der Historizität der biblischen Jona-Erzählung sei vor dem Hintergrund haltlos, dass die Mythen unzählige Beispiele für Erzählungen böten, deren Inhalt noch weit phantastischer sei. Das Jona-/Walfisch-Mythologem ist dabei noch vergleichsweise realitätsnah, denn die einzigen Aspekte, die Kritik provozieren können, sind rein physikalisch-biologische.75 Hieronymus’ mythische Exempla enthalten im Gegensatz dazu weitaus mehr und gewichtigere Aspekte, die dem Bereich des Fabulösen zuzuordnen sind – und damit der Historizität der Erzählungen zuwiderlaufen. Hinzu tritt ein inhaltlich nicht zwingend notwendiger Ausfall gegen die Amoralität der Mythen bzw. der darin handelnden Götter, der in dieser Ausführlichkeit und Schärfe ungewöhnlich ist. Er wiederholt Argumente, derer sich die Apologeten des 2. Jh. zur Zurückweisung der heidnischen Mythen bedient hatten.76 Mythos ist hier als Göttergeschichte verstanden, die unmittelbar als heidnisches Gegenstück zur Bibel betrachtet wird. Das hat zur Folge, dass eine der seltenen Stellen vorliegt, an denen Hieronymus Mythos und Bibel direkt vergleicht. Der Vergleich ist jedoch nicht beliebig, sondern inhaltlich begründet, da er das eigentliche Objekt seiner Bemerkung darstellt. So soll ja gerade die moralische Überlegenheit der biblischen Wundergeschichten über die griechischen Mythen herausgestellt werden. Vermutlich rechnete Hieronymus mit kritischen Stimmen aus den Reihen seines christlichen Lesepublikums, das wohl zu den Schichten zu zählen war, die eine klassische Bildung genossen hatten. Während er in der Paulus-Vita die zwei Begegnungen mit Fabelwesen glaubhaft machen wollte, sah er an dieser Stelle die Notwendigkeit, die Glaubwürdigkeit der biblischen Erzählung durch den Vergleich mit ungleich phantastischeren Mythen zu untermauern.
6.2.1.4 Asklepios weckt keine Toten auf In seinem 408–410 entstandenen Jesaja-Kommentar geht Hieronymus im Zusammenhang mit dem 26. Kapitel des Buches auf die Auferstehung des Menschen ein und fügt seiner Argumentation an zwei Stellen mythische Exempla hinzu, die im 75 Jona würde im Wal einerseits den Verdauungsprozessen des Tieres ausgesetzt sein und andererseits Vitalfunktionen wie Atmung und Ernährung nicht aufrecht erhalten können, schon gar nicht über drei Tage; DAVIS 1991, 224–237; DASSMANN 1998, 682. 76 Oben 2.2.1.2.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Zusammenhang zu betrachten sind. Während er in seiner eigenen Übersetzung von Jes 26,14 die Vokabel ( רפאיםrf’jm) mit gigantes wiedergibt, findet sich in der Septuaginta folgender Wortlaut: „Die Toten aber werden das Leben gewiss nicht sehen, auch Ärzte werden (sie) gewiss nicht auferwecken“.77 Zu dem lexikalischen Problem, dass רפאיםmitunter fälschlich als ἰατροὶ, „Ärzte“, wiedergegeben wird, äußert sich der Exeget wenig später im Text.78 Obwohl ihm also offenkundig bewusst ist, dass die griechische Übersetzung falsch ist, nimmt er eine Deutung des Septuaginta-Textes vor: „der Sinn ist offensichtlich, die fabulae der Dichter zu verurteilen, weil sie sich mit Virbius rühmen, der von Äskulap auferweckt worden sei. Aber nicht nur von den Toten, sondern von aller Krankheit ist zu sagen, dass abseits der Gnade Gottes die Heilkunst nichts zu heilen vermag. Aber wie es heißt: ‚Wenn der Herr das Haus nicht baut, arbeiten seine Erbauer vergebens daran. Wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, wacht der Wächter vergebens‘; genauso arbeiten die Ärzte umsonst, die Kranke gesund machen wollen, wenn der Herr nicht die Gebrechen heilt. Wenn nicht der Herr über die Gesundheit wacht, wachen sie umsonst, die auch die Lehren vom Heil, das bewacht werden soll, in eigenen Büchern ausbreiten; denn stets ist nicht allein von der körperlichen, sondern auch von der Gesundheit in der Seele zu sprechen“.79
Während Jesaja hier zunächst von gefallenen Gegnern spricht, heißt es fünf Verse später über das Volk des Herrn: „Deine Toten werden lebendig, meine Leichen 〈wieder〉 auferstehen. Wacht auf und jubelt, Bewohner des Staubes! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Schatten gebären“.80 Hieronymus setzt diese Stelle nun mit ähnlichen Aussagen im Johannes-Evangelium in Beziehung und greift dann indirekt das Virbius-Asklepios-Exemplum wieder auf: „Der Tau des Herrn, der über all die Kräuter Paions siegt, von denen wir in den fabulae der Dichter lesen, wird nämlich die Körper der Toten zum Leben erwecken.“81
Zunächst sei der Mythos betrachtet, auf den Hieronymus in Bezug auf V. 14 rekurriert: Phaidra verliebt sich in Hippolytos, den Sohn ihres Gatten Theseus, welcher sie jedoch zurückweist, weil er Frauen verachtet und ein Anhänger der jungfräuli-
77 Jes 26,14: οἱ δὲ νεκροὶ ζωὴν οὐ µὴ ἴδωσιν, οὐδὲ ἰατροὶ οὐ µὴ ἀναστήσωσιν. Übers. LXX.D 1251. 78 Vgl. Hier. in Is. 8,26,19 (VL 30, 987); hierzu oben 5.3. 79 Hier. in Is. 8,26,14 (VL 30, 977): sensus perspicuus est, condemnari fabulas poetarum, qui ab Aesculapio iactant Virbium suscitatum. Non solum autem hoc de mortuis, sed de omni infirmitate dicendum est, quod absque dei misericordia nihil medendi ars valeat. sed quomodo ‚nisi dominus aedificaverit domum, in vanum laboraverunt qui aedificant eam, nisi dominus custodierit civitatem, frustra vigilabit qui custodit eam‘ [Ps 127,1], sic nisi dominus languorem curaverit, in uanum laborant medici qui cupiunt sanare languentes, nisi dominus custodierit sanitatem, in vanum custodiunt qui etiam praecepta custodiendae salutis propriis edunt libris, semperque dicendum est non solum in corporis, sed etiam in animae sanitate. Falls hier auf Galenus angespielt ist, ist das überraschend, da Hieronymus sonst positiv über ihn spricht; vgl. in Am. 2,5 (CCL 76, 274); adv. Iovin. 2,11 (PL 23, 300B); in Eph. 2 (PL 26, 535B). 80 Jes 26,19. Die Vulgata bietet für ( רפאיםrf’jm) abermals gigantes, die Septuaginta ἀσεβῶν. Vgl. OEPKE 1950, 933. 81 Hier. in Is. 8,26,19 (VL 30, 986): Ros enim domini – iuxta fabulas poetarum vincens omnes herbas paeonias – vivificabit corpora mortuorum. Vgl. Joh 5,25. 29.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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chen Artemis ist. Die Zurückgewiesene sagt daraufhin ihrem Mann, dass Hippolytos sie missbraucht habe, und nimmt sich das Leben. Theseus straft seinen Sohn mit Verbannung und ruft überdies einen der drei Flüche auf ihn herab, die Poseidon ihm gewährt hat: Ein Stier, der aus dem Meer hervorkommt, erschreckt Hippolytos’ Pferde, so dass sie ihn zu Tode schleifen.82 Nach einigen Überlieferungen wird er nun von Asklepios wieder zum Leben erweckt, weigert sich jedoch, seinem reumütigen Vater zu verzeihen. Er geht nach Aricia in den Albaner Bergen, wo er König wird. Er setzt einen Kult zu Ehren der Diana Nemorensis ein und wird dort später als Virbius verehrt.83 Hieronymus’ anschließende Erwähnung der herbae paeoniae im Kommentar zu V. 19 setzt offenbar die Identifikation des Götterarztes Paion mit dem Heilgott Asklepios voraus,84 wenn man HARALD HAGENDAHL darin folgen möchte, dass mit Hieronymus’ Rekurs auf die fabulae poetarum ein Passus in der Aeneis gemeint ist, in dem es über Hippolytos-Virbius ausdrücklich heißt, er sei „neu belebt durch des Päons Kräuter und die Gunst der Diana.“85 Hieronymus greift in seinem Jesaja-Kommentar einen alten Topos der christlichen Apologetik wieder auf: Asklepios wurde von seinen Anhängern mit den Epitheta σωτήρ und ἰατρός belegt. Gerade wegen dieses Charakters als Heiland erblickten die Christen in dem heidnischen Gott einen direkten Konkurrenten zu Jesus und versuchten daher, die Überlegenheit Christi herauszustellen.86 Da Hieronymus betont, dass auch die Seele von Gott geheilt werden müsse, um körperliche Heilung zu erlangen, ist hier womöglich das Echo einer Stelle bei Eusebios zu erblicken. In dessen Bericht über die durch Konstantin angeordnete Zerstörung des Asklepionheiligtums in Aigeai im Jahr 331 spricht er Asklepios nicht nur ab, σωτήρ καὶ ἰατρός zu sein, sondern bezeichnet ihn im Gegenteil als ψυχῶν ὀλετὴρ, als einen „Verderber der Seelen“.87 Der antiheidnische Ausfall, der eigentlich für die Auslegung der betreffenden Jesaja-Verse nicht notwendig wäre, ergibt sich aus Hieronymus’ Bemühen, auch den Text der Septuaginta in seiner Exegese zu berücksichtigen, selbst wenn er falsch ist. Um die „Ärzte“, die der griechische Text bietet, einer Deutung zuführen zu können, schlägt er die Brücke zum heidnischen Götterarzt Asklepios bzw. zum Hippolytos-Virbius-Mythos. Da dieser apologetische Aspekt für ihn keine Priorität in der Auslegung gehabt zu haben scheint, beschränkt er sich auf die Wiederholung vorgeformter Positionen aus der christlichen Literatur, ohne eigene Argumente für seine Polemik zu entwickeln.88
82 E. Hipp.; Apollod. Epit. 1,18 f.; Sen. Phaedr.; Paus. 1,22,1–3; Hyg. fab. 47. 83 Verg. Aen. 7,761–782; Ov. met. 15,490–546; epist. 4,1–176; Paus. 2,27,4. 32,1–4; Serv. Aen. 5,95; hierzu WISSOWA 1937A, 328; OEPKE 1950, 932; FAUTH 1991, 481–492. 84 TRIPP 1974, 400 s.v. Paiëon; EISELE 1902, 1245 f. 1249 f. 85 Verg. Aen. 7,761–769, hier 769: Paeoniis revocatum herbis et amore Dianae. Übers. nach FINK 2009, 347. Hierzu HAGENDAHL 1958, 231. Vgl. auch Ov. met. 15,534–537. 86 HAEHLING 1996, 107–133; BERTRAM 1950, 927. 87 Eus. v.C. 3,56,1 f.; hierzu HAEHLING 1996, 123–125. 88 Die spätere Erwähnung des Asklepios in Hier. in Is. 18,65,4 (VL 36, 1830) beschränkt sich auf eine Kritik an den heidnischen Kultbräuchen; GRÜTZMACHER 1908, 188.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
6.2.2 Mit Herakles’ Keule gegen den Kaiser. Eine mythische Referenz mit positiver Aussageabsicht Flavius Magnus, ein verdienter Rhetor der Stadt Rom,89 hatte Hieronymus gefragt, warum er in seinen Werken zuweilen Exempla aus der profanen Literatur anführe und „so den Glanz der Kirche durch den Schmutz des Heidentums besudle“.90 In der erhaltenen Antwort aus dem Jahr 397 führt der Kirchenvater zunächst recht knapp einige Beispiele für die Nutzung profaner Literatur aus der Bibel und den christlichen Schriftstellern an, um seine eigene Vorgehensweise zu rechtfertigen, und kommt dann auf die christenfeindlichen Schriften des Porphyrios, des Kelsos und auch Julians zu sprechen: „Kaiser Julian hat während seines Partherfeldzugs sieben Bücher gegen Christus ausgespien und sich dadurch, um mit den fabulae der Dichter zu sprechen, mit seinem eigenen Schwert zerfleischt. Willst du mir denn verbieten, falls ich den Versuch unternehme, gegen diesen tollwütigen Hund zu schreiben, ihn mit den Lehren der Philosophen und der Geschichtsschreiber niederzuschlagen, also mit der Keule des Herakles? Freilich hat Julian unseren Nazaräer – oder ‚Galiläer‘, wie er selbst zu sagen pflegte – kurz darauf in der Schlacht zu spüren bekommen und, als ihm ein Speer die Weichteile durchbohrte, den Lohn für seine widerwärtige Zunge empfangen.“91
Die Herculis clava ist als Requisite selbst Gegenstand der mythischen Überlieferung: Als Sohn des Zeus und der Alkmene ist Herakles der berühmteste und beliebteste griechische Heros, dessen Taten in unzähligen Bildern dargestellt und auch in der Literatur immer wieder aufgegriffen wurden. Er ist ein Liebling der Götter, die vor Beginn seiner Arbeiten im Rahmen des berühmten Dodekathlos darum wetteifern, ihn mit Waffen und anderem Gerät auszurüsten.92 Der bronzeköpfigen Keule, die Hephaistos für ihn fertigt, zieht er jedoch eine vor, die er selbst aus einem Olivenbaum auf dem Helikon schnitzt. Eine zweite stellt er in Nemea auf die gleiche Art her und einigen Überlieferungen zufolge später noch eine dritte. Als er diese
89 PCBE 2,2, 1350 s.v. Fl(avius) Magnus 1; PLRE 1, 535 s.v. Fl. Magnus 10 (evtl. identisch mit ebd. 534 s.v. Magnus 6). Vgl. CAVALLERA 1922/1, 188 mit Anm. 4; GEMEINHARDT 2007, 29. Zur Datierung von Hier. epist. 70 CAVALLERA 1922/2, 46. 159. 90 Hier. epist. 70,2,1 (CSEL 54, 700): Quod autem quaeris in calce epistulae, cur in opusculis nostris saecularium litterarum interdum ponamus exempla et candorum ecclesiae ethnicorum sordibus polluamus. Übers. BKV² 18, 288. Vgl. HAMBLENNE 1996, 118 f. 91 Hier. epist. 70,3,2 (CSEL 54, 703 f.): Iulianus Augustus septem libros in expeditione Parthica adversum Christum evomuit et iuxta fabulas poetarum suo se ense laceravit. si contra hunc scribere temperavero, puto, interdices mihi, ne rabidum canem philosophorum et historicum doctrinis, id est Herculis clava, repercutiam? quamquam Nazareum nostrum et – ut ipse solebat dicere – Galileum statim in proelio senserit et mercedem linguae putidissimae conto ilia perfossus acceperit. Vgl. in Matth. 1,16 (SC 242, 74. 76); hierzu GRÜTZMACHER 1906, 257 f. 92 Apollod. 2,4,8–7,7; D.S. 4,9,1–39,4; Hyg. fab. 29–36; astr. 2,23 ff.; vgl. Hom. Il. 5,395–402; 14,249–262; 19,96–133; 20,144–148; Od. 11,601–625; 21,22–38; Hes. Th. 313–318. 523–531; Hes. Sc.; Pi. N. 1,67–69; 4,22–30; Pi. I. 6,27–54; S. Tr.; E. Heracl.; Theoc. 24,1–25,281; Ov. met. 9,280–323; 11,194–217; Sen. Herc. f.; Herc. O.; Val. Fl. 1–3; vgl. FURTWÄNGLER 1890, 2135–2252; GRUPPE 1918, 1015–1090; BURKERT 1981, 13; GRAF 1998B, 388.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
139
bei seinem Besuch in Troizen gegen die Statue des Hermes lehnt, schlägt sie Wurzeln und wächst zu einem Baum heran.93 Die Keule ist wohl neben dem Löwenfell das wichtigste ikonographische Attribut des Herakles und somit in der allgemeinen Vorstellung fest mit dem Heros verbunden.94 In der vorliegenden Textstelle vertritt Hieronymus in Form einer rhetorischen Frage die Legitimität der christlichen Nutzung philosophischer und historiographischer Schriften zum Zweck der Widerlegung heidnischer Gegner. Damit bewegt er sich zwar im Rahmen seiner bekannten Ansichten zur Nutzung der profanen Literatur, gibt sich dabei jedoch recht kämpferisch. Es fällt auf, wie die Textstelle vor gewaltsamen Sprachbildern strotzt: Da ist ein Schwert, mit dem sich selbst zerfleischt wird, ein Speer in die Eingeweide und natürlich besagte clava. Hieronymus nennt die Keulen-Metapher erst im Anschluss an die Darlegung der zugeordneten Bedeutungsebene – philosophorum et historicum doctrinis, id est Herculis clava –, um die Stilfigur durch ihre Stellung hervorzuheben.95 Das Bild ist jedoch keine Erfindung des Kirchenvaters; eine allegorische Deutung der Keule ist bereits um 400 v. Chr. in der Heraklesgeschichte des Herodoros von Herakleia vorgebracht worden.96 Unter den christlichen Autoren bietet Hieronymus’ Zeitgenosse Prudentius in seiner Polemik gegen die Kyniker eine ähnliche Deutung: Er nimmt die Herakles-Keule als Attribut der heidnischen Philosophen und zitiert sie als Sinnbild der Gegenstandslosigkeit ihrer Götzenanbetung, womit er möglicherweise auf eine Art Stab anspielt, der zur Philosophentracht gehörte.97 Da Julian einen Philosophenbart trug, könnte Hieronymus Ähnliches im Sinn gehabt haben. In seinem Exemplum nimmt er die Keule jedoch selbst in die Hand, damit sie als Waffe der Christen im literarischen Kampf gegen ihre Feinde dient. Die Ironie in der Wahl der Requisite ist kaum zu übersehen. So primitiv sie als Waffe ist, so sinnfällig wird ihre Schlagkraft durch ihre bloße Erwähnung. Das Exemplum passt hervorragend mit der unmittelbar zuvor geäußerten Beschimpfung Julians als tollwütigen Hund zusammen, da Herakles in der Unterwelt mit seiner unbändigen Kraft den furchtbaren Kerberos bezwingt, um ihn am Hof des Eurystheus vorzuführen.98 Das Bild ist nur insofern ein wenig schief, als Hades das Unternehmen allein unter der Bedingung zulässt, dass Herakles auf den Einsatz jeglicher Waffen verzichtet, also auch auf den seiner Keule. Es scheint Hieronymus hier nicht auf alle erzählerischen Details anzukommen. Ihm reicht für sein mythisches Exemplum die nachvollziehbare Verbindung auf assoziativer Ebene. Er erwähnt hier zwar nur die 363 entstandene Schrift Julians Κατά Γαλιλαίων, doch ist zu vermuten, dass er auch an das berühmte Rhetorenedikt vom 17. Juni 362 denkt, zumal sein Briefpartner zu eben diesem Berufsstand zu zählen ist. Mit diesem Erlass hatte sich der Kaiser gegen Lehrer gewandt, die zwar im Unterricht die 93 94 95 96 97 98
Paus. 2,31,10; hierzu HUNGER 1959, 164 s.v. Herakles; RANKE-GRAVES 1960, 427. GERLACH 1970, 243–246. SCHNEIDERHAN 1916, 112; OPELT 1973, 163 f. Vgl. Herodor. FGrH 31 F 14; vgl. auch MALHERBE 1988, 560. Prud. ham. 401–405; hierzu LAVARENNE 1945, 56; MALHERBE 1988, 576 f. Zu Heraklesʼ Taten unten 6.6.2.5.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
klassischen heidnischen Autoren lasen, zugleich aber diejenigen religiösen Überzeugungen ablehnten, die diesen Werken zugrunde lagen. Das Edikt kam somit einem Lehrverbot für Christen gleich.99 Der damals wohl 15-jährige Hieronymus dürfte die dadurch ausgelöste Kontroverse in Rom hautnah mitbekommen haben, wenngleich sein Lehrer Aelius Donatus als Heide von dem Gesetz nicht selbst betroffen war.100 Die Frage nach der Legitimität christlicher Nutzung profaner Literatur war seinerzeit eine ähnliche, wie Magnus sie in seinem Schreiben aufgeworfen hat. Hieronymus scheint sich daher der Perfidie seines Exemplums bewusst zu sein, mit dem er einen Schritt weiter als die Zielsetzung des Rhetorenedikts geht – denn über den bloßen propädeutischen Zweck hinaus will er die philosophischen und historiographischen Schriften zur Demontage heidnischer Anfeindungen nutzen. Schließlich hatte Julian mit seinen Vorstößen zur heidnischen Restauration vergleichbar gehandelt: Er hatte ausgiebig die Bibelkenntnisse genutzt, die ihm sein Lehrer Eusebios von Nikomedeia in seinen Jugendtagen vermittelt hatte.101 Der Hinweis auf die fabulae poetarum zu Anfang der Textstelle bezieht sich wohl auf einen Vers aus Terentius’ Adelphoe: suo sibi gladio hunc iugulo.102 Mit dieser Referenz setzt sich Hieronymus nicht nur ostentativ über Magnus’ Einwand hinweg und bringt gewissermaßen ein Anwendungsbeispiel, sondern greift zudem ein Motiv aus dem vorherigen Abschnitt des Briefes auf, in welchem er Paulus als den wahren David bezeichnet, der das Haupt Goliaths mit dessen eigenem Schwert abgetrennt habe: „Denn er hatte von dem wahren David gelernt, den Gegnern die Waffen aus ihren Händen zu entwinden und das Haupt des stolzen Goliath mit dessen eigenem Schwert abzutrennen.“103 Inwiefern Julian sich selbst geschadet haben soll, wird jedoch erst durch die Bemerkung am Ende der Textstelle deutlich, an dem Hieronymus den Schlachtentod des Kaisers am 26. Juni 363 bei Maranga am Tigris durch einen Wurfspieß als unmittelbare Vergeltung durch Christus interpretiert. Damit nimmt er die berühmte Legende vorweg, die in Theodoretos’ Kirchengeschichte so ausgeformt ist, dass die letzten Worte des sterbenden Kaisers gewesen sein sollen: „Galiläer, du hast gesiegt!“104 Hieronymus spielt hier zugleich auf Julians Gewohnheit an, die Christen Galiläer zu nennen, um sie in Anlehnung an Joh 7,52, „dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht“, als „ungebildete Hinterwäldler abzustempeln“.105 Hieronymus, der das Konzept eines gebildeten Mönchtums verfocht, mag diese Polemik ein besonderer Dorn im Auge gewesen sein, so dass er dem julianischen „Galiläer“ die Bezeichnung „Nazaräer“ entgegengesetzt hat. 99 Cod. Theod. 13,3,5. Vgl. GIEBEL 2002, 137–141. 100 Hier. in Hab. 2,3 (CCL 76A, 645). Vgl. auch LIETZMANN 1913, 1565. Ob Magnus von dem Edikt selbst betroffen war, lässt sich nicht entscheiden, da zum einen sein Alter nicht zu ermitteln ist und offen bleiben muss, wann er Christ geworden war. 101 ROSEN 1999, 12. 102 Ter. Ad. 5,8,35. 103 Hier. epist. 70,2,4 (CSEL 54, 702): didicerat enim a vero David extorquere de manibus hostium gladium et Goliae superbissimi caput proprio mucrone truncare. Übers. BKV² 18, 290. Vgl. 1 Sam 17,51. 104 Thdt. h.e. 3,20 (PG 82, 1120B): Νενίκηκας, Γαλιλαῖε. Vgl. Hier. vita Hilar. 11,11 (SC 508, 244). 105 GIEBEL 2002, 129.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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In dem Herakles-Exemplum ist womöglich noch eine weitere Anspielung enthalten. In der Kaiserzeit war Herakles ob seiner Tugendhaftigkeit zu einer Hauptfigur der Kyniker geworden und avancierte auch für die Stoa zu einem Vorbild menschlichen Handelns.106 So findet sich bereits bei Cicero der Gedanke, dass wegen „ihrer Wohltätigkeit zugunsten der Menschheit [...] Personen wie H.[erakles] nach ihrem Tod der Status von Göttern gewährt“107 werde. Vor allem Seneca entwarf in seinem Werk Hercules Oetaeus ein Heraklesbild, das frappierende Parallelen zur Geschichte Jesu Christi aufwies, „wie sich ja ganz allgemein das althellenische Heroenideal mehr und mehr dem Ideal näherte, das in den christlichen Heiligen sich verkörperte.“108 Die Geburt von der jungfräulichen Alkmene,109 der göttliche Auftrag durch den Vater, die Überwindung des Todes und die Himmelfahrt am Ende des irdischen Lebens seien hier nur als grobe Parallelen skizziert, ohne damit die schwierige Frage aufwerfen zu wollen, wie die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Heraklesdarstellungen und den Evangelien gelagert sein mögen.110 Während der Tetrarchie hatte die Figur des Herakles eine Aufwertung erfahren, die wohl als Reaktion auf das Christentum mit dem Zweck angesehen werden kann, Jesus ein Äquivalent entgegenzusetzen. Diesen Gedanken griff Julian bei seinen Restaurationsversuchen auf.111 So bietet er etwa für die goldene Schale, die Helios dem Heros in Spanien gibt, um damit nach Erytheia zu segeln und das Vieh des Geryones zu holen, eine Deutung an, die eine auffällige Parallele zum Leben Christi hat: Julian denke bei den Göttern nicht, dass es tatsächliche eine Schale gewesen sei. Vielmehr glaube er, dass Herakles auf dem Wasser gewandelt sei, als sei es Festland. Denn was sei Herakles schließlich unmöglich gewesen!112 Man darf wohl annehmen, dass hier die bewusste Adaption und Umgestaltung einer der berühmtesten Wundertaten Christi vorliegt, der ἐπὶ τῆς θαλάσσης einherging.113 Dass Hieronymus das Werk des Kaisers im griechischen Wortlaut kannte, ist nicht wahrscheinlich, aber bis zu einem gewissen Grad war er mit Sicherheit über den Inhalt der julianischen Schriften unterrichtet.114 Ein solches Detail, das für einen Christen empörend gewesen sein muss, könnte ihm also bekannt gewesen sein, zumal in Magnus ein Adressat zu erblicken ist, der sowohl mit heidnischer als auch vermutlich mit christlicher Literatur vertraut war – er also die besten Voraussetzungen mitbrachte, um solche Hintergründe mitdenken zu können.115 106 107 108 109 110 111 112
PFISTER 1937, 43 f.; MALHERBE 1988, 560 f. Zur Stoa bei Hieronymus EISWIRTH 1955, 71. MALHERBE 1988, 561; vgl. Cic. off. 3,25; fin. 2,118. PFISTER 1937, 42. Zu Hieronymus’ Seneca-Kenntnissen HAGENDAHL 1958, 297. Apollod. 2,4,6; Hes. Sc. 14–19. PFISTER 1937, 46–58; MALHERBE 1988, 569–572. ZILLING 2011, 149–151. Jul. Or. 7,219C f.: καὶ τὴν δι’ αὐτοῦ πορεῖαν οἶµαι τοῦ πελάγους ἐπὶ τῆς χρυσῆς κύλικος, ἣν ἐγὼ νοµίζω νὴ τοὺς θεοὺς οὐ κύλικα εἶναι, βαδίσαι δὲ αὐτὸν ὡς ἐπὶ ξηρᾶς τῆς θαλάττης νενόµικα. τί γὰρ ἄπορον ἦν Ἡρακλεῖ; 113 Mk 6,48. Vgl. PFISTER 1937, 50; MALHERBE 1988, 570; GIEBEL 2002, 135. 114 LÜBECK 1872, 97 f.; COURCELLE 1969, 76. 115 Es wurde immer wieder postuliert, dass Magnus Heide sei; zuletzt FÜRST 2003, 190. Seine Grabinschrift trägt jedoch ein doppeltes ΑΩ-Christogramm (CIL 6, 9858 = ILS 2951 = ILCV 102 = ICUR N.S. 7, 18802 = CE 6934); hierzu NIQUET 2000, 170 f.; RIESS 2001, 183. Da mit
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Nach Hieronymus’ eigenem Ausweis steht die Keule des Herakles für die Lehren der Philosophen und Historiker.116 Dadurch, dass er sie in seinem Bild selbst in die Hand nimmt, wird sie zu einem positiv besetzten Exemplum. Das Ganze ist jedoch nicht frei von Ironie, da er sie ja gerade zur Demontage eines Teilbereichs dessen nutzen will, wofür sie steht, sprich: christenfeindliche Schriften. Zu diesem Zweck vertritt er hier vehement die Legitimität der christlichen Nutzung profaner Schriften. Da diese Zweckgebundenheit als Einschränkung nicht übersehen werden darf, lassen sich keine Aussagen über sein Verhältnis zur profanen Literatur ableiten, die dem bekannten Bild widersprechen. Herakles’ Keule wird hier als Exemplum gewählt worden sein, da er ein Heros war, der von Julian als Gegenentwurf zu Jesus genutzt wurde. Die mögliche Vielschichtigkeit der impliziten Bezüge nimmt auf die heidnische und christliche Bildung des Adressaten Rücksicht. 6.2.3 Zusammenfassung Mythische Referenzen, die Hieronymus zur Bewertung des heidnischen Kultus nutzt, sind nicht prominent vertreten, ziehen sich jedoch durch sein ganzes Schaffen hindurch, von der vita Pauli bis hin zum unvollendeten Ezechiel-Kommentar. Der erstgenannte Text nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein, in diesem Zusammenhang vor allem durch seine ungewöhnlich deutliche antiheidnische Tendenz. Hieronymus wollte mit der Schrift dem literarischen Antonius des Athanasios sein eigenes Idealbild des christlichen Asketen gegenüberstellen, der sich durch eine umfassende Bildung auszeichnet, auch in der heidnischen Literatur. Damit dieses Konzept streng christlichen Ansprüchen gegenüber bestehen konnte, musste er den religiösen Inhalten der heidnischen Schriften eine klare Absage erteilen. Zu diesem Zweck lässt er einen Satyr und einen Kentaur gewissermaßen zum Christentum überlaufen. Die intellektuelle Metropole Alexandreia verharrt im Irrtum, aber die Wüste glaubt!117 In der Streitschrift gegen Iovinianus benutzt Hieronymus zwei mythische Exempla, um vor der Vergleichsfolie der Tradition von der jungfräulichen Geburt
einer späten Konversion zu rechnen ist, sei auf Indizien im Text hingewiesen: Sollte candorum ecclesiae ethnicorum sordibus polluere wörtlich aus Magnus’ Schreiben zitiert sein, kann dies nur von einem Christen stammen. In epist. 70,2,1 (CSEL 54, 700 f.) legt Hieronymus ihm nahe, eher die Propheten zu lesen als Cicero; das lässt offen, dass Magnus grundsätzlich beides tat (pace EISWIRTH 1955, 37). Zudem deutet die väterliche Sorge, die beide um einen Sebesius noster teilen, auf ein vertrautes Verhältnis hin; vgl. epist. 70,1 (CSEL 54, 700). Hieronymus äußert den Verdacht, dass Rufinus hinter Magnusʼ Frage stecke, was auf ein gutes Verhältnis jener beiden deutet; vgl. adv. Rufin. 1,30 (CCL 79, 29); hierzu KELLY 1975, 213; LARDET 1993, 125–127. All das spricht zumindest gegen eine rigoros pagane Haltung des Magnus. 116 Zu weiteren Nutzungen der Herakles-Keule Hier. in Mich. 2 prol. (CCL 76, 473); in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151); hierzu unten 6.6.2.2 sowie 6.6.2.4. 117 Hier. vita Pauli 7 f. (SC 508, 158–162). Vgl. oben 3.3. „Die Wüste glaubt“ in Anspielung auf den Walt-Disney-Dokumentarfilm „Die Wüste lebt“ („The living Desert“) aus dem Jahr 1953. Zur Bedeutung des Topos Wüste für die Askese KELLER 2010, 191–206.
6.2 Mythische Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus
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Buddhas die griechischen Mythen abzuwerten.118 Die Geburt Athenes aus dem Kopf des Zeus und die Geburt des Dionysos aus dessen Schenkel stellt er als Geschichten dar, die in ihrer Absurdität selbst barbarische Erzählungen übertrumpfen. Implizit greift er damit alte apologetische Positionen auf, die die Geburt Jesu Christi von einer Jungfrau gegen Vorwürfe der Unglaubwürdigkeit zu verteidigen suchten. Ähnlich argumentiert Hieronymus in Bezug auf Jona im Bauch des Fisches, indem er damit fünf Beispiele aus den Mythen kontrastiert, in denen entweder Zeus wundersame Verwandlungen vollzieht oder Frauengestalten in Bäume verwandelt werden.119 Kritik an der Historizität der biblischen Erzählung – auch von christlicher Seite – ist also haltlos, so Hieronymus’ Aussageabsicht, da die heidnischen Mythen unzählige Beispiele für Erzählungen bieten, deren Inhalt noch weit phantastischer sei. Ein Aspekt verdient dabei besondere Aufmerksamkeit: Hieronymus bezeichnet die griechische und lateinische Überlieferung insgesamt als historia, womit er die heidnische Geschichtsschreibung insofern in Misskredit bringen will, als dass sie von fabulae durchsetzt sei. Durch den direkten Vergleich mit der Bibel ist natürlich auch impliziert, dass letztere ausschließlich glaubwürdige historia enthalte. Hieronymus versteht Mythos hier im Sinn von Göttergeschichte als Gegenstück zur Bibel und wiederholt abermals Argumente der Apologeten. Obwohl er weiß, dass die Vokabel „Ärzte“ in der Septuaginta-Fassung von Jes 26,14 fehlerhaft ist, nimmt er eine Deutung des griechischen Textes vor und kommt so auf den Mythos von Hippolytos-Virbius, der von Asklepios wieder zum Leben erweckt wird. Der Sinn der Stelle sei es nämlich, derartige fabulae poetarum zu verurteilen, weil die Heilung des Körpers nur möglich sei, wenn zugleich die Seele durch Gott geheilt werde.120 Für Hieronymus’ Auslegung der Jesaja-Stelle wäre die antiheidnische Spitze nicht vonnöten gewesen. Sie resultiert daraus, dass er den Text der Septuaginta für seine Exegese auch dann berücksichtigt, wenn er offenkundig falsch ist. Zu diesem Zweck stellt er die Verbindung zu Asklepios bzw. zu Hippolytos-Virbius her. Da sein Interesse nicht apologetisch geleitet ist, beschränkt er sich auf bekannte Topoi der christlichen Literatur. Nur in einem Fall nutzt Hieronymus ein mythisches Exemplum, um eine positive Aussage über einen Aspekt des Heidentums zu treffen: An den Rhetor Magnus in Rom formuliert er eine Rechtfertigung der christlichen Nutzung profaner Literatur zur Polemisierung gegen heidnische Gegner der Kirche. So beansprucht er das Recht, philosophische und historiographische Schriften etwa in der Auseinandersetzung mit Julians Κατά Γαλιλαίων zu nutzen, und kleidet sie in die Metapher von der Keule des Herakles.121 Hierbei erweist er sich als recht originell und geschickt in der Wahl des Bildes. Der qualitative Unterschied zu manch anderen Fällen in diesem Kapitel mag darin begründet sein, dass ihm die profane Literatur als Bestandteil des Bildungskanons auch für Christen weit mehr am Herzen lag als die möglicherweise als obsolet empfundene Widerlegung der heidnischen Kulte. 118 119 120 121
Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B). Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 144). Hier. in Is. 8,26,14 (VL 30, 977). Hier. epist. 70,3,2 (CSEL 54, 703 f.).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
So lässt Hieronymus insgesamt kein besonderes Interesse an der Zurückweisung des Heidentums mit Hilfe mythischer Exempla erkennen. Dafür spricht nicht nur der quantitative Befund, sondern auch der qualitative Umgang mit den mythischen Referenzen. Sofern er den Bezug zu einem bestimmten Mythos überhaupt herstellt, handelt er die Exempla ausnahmslos in aller Kürze ab und beschränkt sich auf die bloße Nennung der jeweiligen Figur, manchmal unter Zuhilfenahme von Attributen, die den Bezug zu einer bestimmten Erzählung herstellen. Auch im JonaKommentar, in dem er immerhin fünf bestimmte Mythen anspricht, ist die Auseinandersetzung mit dem Thema minimalistisch gehalten. In den meisten Fällen lässt sich zudem zeigen, dass es für seine Argumentationsweisen Vorlagen in der christlichen Literatur gibt. Das Schöpfen aus solchen Quellen war nach spätantiken Maßstäben nicht weiter verwerflich, zeigt aber recht deutlich, dass Hieronymus keine Mühe darauf verwendet hat, eigene Strategien zu entwickeln. Das Bild, das sein Umgang mit mythischen Exempla zur Diskreditierung des Heidentums zeichnet, stützt den generellen Eindruck des Desinteresses an dem Sujet. Vielmehr waren die philologisch orientierte Auslegung der Bibel und die christliche Askese seine Herzensangelegenheiten. Dass die betrachteten Stellen dennoch von deutlichen Stellungnahmen gegen das Heidentum begleitet sind, liegt vor allem darin begründet, dass Hieronymus durch den jeweiligen Gegenstand darauf gestoßen wird. Die antipagane Polemik ist meist durch die jeweiligen Sachzwänge bedingt, was auch erklären mag, warum er dabei wenig originell vorgeht. Als sprichwörtliche Ausnahme, die die Regel bestätigt, darf wohl die vita Pauli gelten, die insgesamt von einem deutlich antiheidnischen Tenor durchzogen ist. Tatsächlich ist dieser hier auch nur Mittel zum Zweck, da Hieronymus ja mit dieser Schrift sein Idealbild des umfassend – also auch in der profanen Literatur – gebildeten Mönches propagieren wollte. Um Kritik von christlicher Seite vorzubeugen, erschien es ihm daher wichtig, die Distanzierung zum Kult deutlich zu machen. Überhaupt muss davon ausgegangen werden, dass sein Lesepublikum ein christliches war. Polemik gegen das Heidentum ist in diesem Fall also Eulen-nachAthen-tragen. So war es wohl nicht in Hieronymus’ Interesse, viel mehr als besagte Allgemeinplätze zu kolportieren. Da, wo jedoch ein halbwegs ernstes Bemühen erkennbar ist, kritischen Einwänden zuvorzukommen, wie z. B. im Kommentar zur Episode von Jona im Walfisch, scheint er skeptischen Glaubensgenossen den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen. Beweisführungen, die ursprünglich in der apologetischen Literatur dazu entworfen worden waren, möglichen oder tatsächlichen Anfeindungen von heidnischer Seite zu begegnen, nutzt Hieronymus, um seinem Lesepublikum die Inhalte der Bibel näherzubringen. Dabei scheut er sich nicht, die Bibel direkt mit der mythischen Überlieferung zu vergleichen, wie etwa im Fall von Asklepios im Kommentar zu Jes 26,14. Mythos wird von ihm als Göttergeschichte verstanden, die zumindest theoretisch in Konkurrenz zur Heiligen Schrift steht. Mythische Exempla zur Kommentierung von Dingen des heidnischen Kultus sind im Schaffen des Hieronymus so rar wie oberflächlich. Alles deutet darauf hin, dass ihm die Positionierung wider das Heidentum eine selbstverständliche, jedoch zweitrangige Angelegenheit war.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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6.3 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZU BESTIMMTEN TATEN, VERHALTENSWEISEN UND ABSTRAKTA Bei dem Unternehmen, die von Hieronymus genutzten mythischen Referenzen nach ihrer jeweiligen Funktion zu kategorisieren, ergaben sich manche Kategorien von selbst – so beispielsweise Kapitel 6.6 zu Personen. Daneben kristallisierte sich jedoch eine Gruppe von Stellen heraus, die nur schwer auf einen Nenner zu bringen war, da Hieronymus die unterschiedlichsten Gegenstände mit mythischen Referenzen belegt. Dabei kommen natürlich vor allem Themen zum Tragen, die eng mit den inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten seiner Arbeit verbunden sind. Im Folgenden seien nun solche Stellen betrachtet, in denen Hieronymus auf Mythen rekurriert, um bestimmte Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta zu kommentieren. Die Formulierung deutet bereits auf die Schwierigkeiten hinsichtlich der Kategorisierung und der Abgrenzung hin. Zunächst einmal seien damit alle Stellen ausgeschlossen, in denen Hieronymus konkrete Personen, Orte oder Dinge durch ein mythisches Exemplum bewertet. Diese Stellen zeichnen sich durch einen hohen Grad der Gegenständlichkeit aus, so dass sich die jeweils angesprochenen Objekte leicht benennen und anderen Kategorien zuordnen lassen. Stellen, in denen hingegen Abstrakta angesprochen werden, die den christlichen Begriffen Tugend und Laster zuzuordnen sind, werden im nächsten Kapitel zu betrachten sein.1 Unter die abstrakten Begriffe, die Hieronymus mit Hilfe eines Rückgriffs auf einen Mythos kommentiert und die im Folgenden zu betrachten sind, werden eher ideelle Begriffe gefasst: beispielsweise Weisheit, menschliche Unvollkommenheit, Trauer, Wachsamkeit oder das Alter.2 Aber auch kulturelle Errungenschaften wie die Gesellschaft, die Ehe oder Musik sind hierzu zu zählen.3 Zum anderen wird sich dieses Kapitel bestimmten Sachverhalten zu widmen haben, die etwa mit Hieronymus’ Arbeit am Bibeltext zu tun haben, wie die schwierige Verständlichkeit eines Textes oder ein seiner Ansicht nach falsches Schriftverständnis.4 Doch ebenso konkretere Sachverhalte wie der Diebstahl des Epiphanios-Briefes aus dem Haus Eusebius von Cremonas oder Rufinus’ Kritik an Hieronymus, die nicht als historische Ereignisse im eigentlichen Sinne begriffen werden sollten, werden hier zu betrachten sein. In dem Bemühen, die Kategorisierung in dieser Arbeit nicht zu kleinteilig 1 2
3 4
Personen: unten 6.6. Orte: oben 6.1. Tugenden und Laster: unten 6.4. Weisheit: Hier. epist. 58,7,2 (CSEL 54, 537). Unvollkommenheit: adv. Pelag. 1,19 f. (CCL 80, 26); hierzu unten 6.3.2.2. Trauer: epist. 60,5,1 (CSEL 54, 553); 60,14,4 (CSEL 54, 567); hierzu unten 6.3.1.3. Wachsamkeit: epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475); hierzu unten 6.3.2.1. Alter: epist. 52,3,6 (CSEL 54, 418); vgl. CAIN 2013B, 100. 102. Gesellschaft: Hier. epist. 128,4,3 (CSEL 56, 160); hierzu unten 6.3.1.2. Ehe: in Ier. 3 (CSEL 59, 196). Musik: epist. 54,13,1 (CSEL 54, 479); 117,6,4 (CSEL 55, 429). Hier. in Is. 4 praef. (VL 23, 397); hierzu unten 6.3.1.1; in Is. 4,11,6 (VL 23, 443); 9,30,26 (VL 30, 1102); hierzu unten 6.3.1.5; in Ezech. 14 praef. (CCL 75, 677); hierzu unten 6.3.1.6; in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810); hierzu unten 6.3.1.4; in Nah. 2 (CCL 76A, 541); in Zach. 2 prol. (CCL 76A, 795); adv. Iovin. 1,36 (PL 23, 271D); hierzu unten 6.3.1.1; chron. epist. (GCS Eus 7, 5); hierzu unten 6.3.1.6; epist. 10,2,1 (CSEL 54, 36); epist. 53,7,3 (CSEL 54, 454); hierzu unten 6.3.1.5; epist. 78,35,2 (CSEL 55, 76).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
ausfallen zu lassen, ergab sich daher die Notwendigkeit zur Einrichtung des Kapitels über Mythische Referenzen in Aussagen zu abstrakten Begriffen und bestimmten Sachverhalten. In der Abgrenzung zu den übrigen Kapiteln sollte die Zielsetzung deutlich geworden sein.5 6.3.1 Referenzen mit negativer Aussageabsicht 6.3.1.1 Zwischen den Symplegaden der Notwendigkeit und der Schamhaftigkeit Die erste zu betrachtende Textstelle bietet die Möglichkeit, dem Kirchenvater zuzusehen, wie er sich aus einer Zwickmühle befreit, in die ihn Iovinianus durch seine Kritik gebracht hat.6 In der Streitschrift Adversus Iovinianum legt Hieronymus ihm einen Einwand gegen die sexuelle Enthaltsamkeit in den Mund, über den er als glühender Verfechter eben dieser nicht hinweggehen konnte: „Wozu, fragst du, gibt es denn die Geschlechtsorgane und wozu sind wir vom allerweisesten Schöpfer so gefertigt worden, dass wir uns im gegenseitigen Verlangen verzehren und die naturgegebene Verbindung ersehnen? Mit der Beantwortung bringen wir jedoch unser Gefühl für Anstand in Gefahr; wie zwischen zwei Felsen zu beiden Seiten, gewissermaßen den symplēgádes der Notwendigkeit und der Schamhaftigkeit, erleiden wir entweder Schiffbruch in Sachen Scham oder in der Angelegenheit selbst. Wenn wir auf das Anliegen eingehen, erröten wir vor Scham. Wenn aber unsere Scham zu Schweigen führt, wirkt es, als ob wir von unserem Posten desertieren und dem Gegner die Gelegenheit zum Zuschlagen geben.“7
Bei den mythischen Symplegaden, die Hieronymus hier erwähnt, handelt es sich um zwei bewegliche Felsen an der nördlichen Einfahrt zum Pontos, die, vom Wind angetrieben, mit ungeheurer Wucht gegeneinanderprallen. Diese „Kinnbacken des Bosporos“8 machen Schiffen die Durchfahrt unmöglich. Erst den Argonauten gelingt sie unter großen Mühen und nur mit Hilfe der Athene, die mit der linken Hand einen der Felsen aufhält und mit der rechten die Argo durch die Meerenge stößt. In der Folge bleiben die Symplegaden schließlich ortsfest.9 5
6 7
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Brief-Diebstahl: Hier. adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76); epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507); hierzu unten 6.3.1.2; vgl. adv. Rufin. 1,30; 3,37 (CCL 79, 30. 106); epist. 57,12,3 (CSEL 54, 525). Wegen der Heterogenität der Gegenstände lassen sich aus dem quantitativen Befund kaum inhaltliche Schlüsse ziehen. Mit 51 Nennungen ist die Kategorie die kleinste, was jedoch lediglich als Bestätigung dafür angesehen werden kann, dass die Einteilung sinnvoll ist, da so die Gruppe mit der größten Disparität weniger als 7% des Gesamtbefunds ausmacht. Zu Iovinianus oben 6.2.1.2. Hier. adv. Iovin. 1,36 (PL 23, 271D–272A): Et cur, inquies, creata sunt genitalia, et sic a Conditore sapientissimo fabricati sumus, ut mutuum nostri patiamur ardorem, et gestiamus in naturalem copulam? Periclitamur responsionis verecundia, et quasi inter duos scopulos, et quasdam necessitatis et pudicitiae συµπληγάδας, hinc atque inde, vel pudoris, vel causae naufragium sustinemus. Si ad proposita respondeamus, pudore suffundimur. Si pudor impetrarit silentium, quasi de loco videmur cedere, et adversario feriendi occasionem dare. TRIPP 1974, 490 s.v. Symplegaden. Pi. P. 4,208 ff.; A.R. 2,317–340. 549–618; Apollod. 1,9,22; Hyg. fab. 19; hierzu JESSEN 1909A, 2540–2548.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Hieronymus bringt mit dem Bild seinen eigenen Zwiespalt zum Ausdruck, da ihm einerseits sein Schamgefühl verbietet, auf den Geschlechtsakt als solchen näher einzugehen, er aber andererseits die Notwendigkeit sieht, Iovinianus’ Einwand gegen die sexuelle Enthaltsamkeit zu entkräften. Er kleidet sein Dilemma hier sehr sinnfällig in ein mythisches Bild, das zunächst mit der bloßen Nennung des Namens auskommt. Lediglich die aufgezeigte Alternative deutet durch die Zweizahl auf den zugrunde liegenden Mythos hin. Streng genommen ist sein Vergleich insofern nicht ganz zutreffend, als dass die Schiffe im Mythos gar nicht so sehr Gefahr laufen, gegen einen der beiden Felsen zu prallen (vel pudoris, vel causae), als vielmehr zwischen den πέτραι κυανέαι zermalmt zu werden.10 Nichtsdestotrotz funktioniert die Metapher und ist leicht verständlich – durch den Kontext sogar ohne Kenntnis des Mythos. Vor diesem Hintergrund war es Hieronymus möglich, die συµπληγάδες als griechische Einschaltung im Text wiederzugeben und seine eigene Gelehrsamkeit zu demonstrieren, ohne auf Leute Rücksicht nehmen zu müssen, die des Griechischen vielleicht nicht mächtig waren. Das Bild der Gefahr, die von zwei Seiten droht, scheint dabei eng mit dem griechischen Denken und Sprachempfinden zusammenzuhängen; die Idee findet sich beispielsweise auch in der Vokabel ἀµφιβολία, Zweifel, die einen mehrseitigen Angriff ausdrückt, während man im Deutschen eher „hin- und hergerissen“ ist, sich also der gegenläufigen Bewegung ausgesetzt fühlt. Dabei steht es für Hieronymus offenbar außer Frage, dass er sich der schwierigen Aufgabe gewachsen sieht, ohne naufragium zu erleiden. Als mögliche Vorlage hat ILONA OPELT eine Formulierung bei Tertullianus ausgemacht. In dessen Schrift De anima steht er selbst vor der Aufgabe, detailliert auf den Geschlechtsakt eingehen zu müssen, als er seine traduzianistische Lehre von der Entstehung der Seele beim Akt der Zeugung entwickelt.11 Der Sinnzusammenhang und das vergleichbare Dilemma könnten Hieronymus zu einer ähnlichen Aussage veranlasst haben. Das mythische Exemplum ist dabei seine eigene Zutat.12 Das gleiche Bild von den Symplegaden gebraucht er ungefähr 15 Jahre später ein weiteres Mal in der praefatio zum vierten Buch seines Jesaja-Kommentars: „Wir diktieren Bücher von verschiedenem Umfang, denn wegen der unterschiedlichen Länge der Visionen und ihrer Deutungen wird manches abgekürzt, während anderes breiter ausgeführt wird. [...] Damit wir also Verbundenes nicht trennen und bereits Ausgelegtes nicht übergehen, lenken wir unser Schiffchen zwischen den symplēgádes am Pontos hindurch, das mit dem Wehen des Heiligen Geistes sowie der Lenkung des Herrn und Erlösers Kurs aufs offene Meer nehmen wird“.13
10 A.R. 2,317 f.; vgl. auch S. Ant. 966. 11 Tert. anim. 27,6 (PL 2, 696); hierzu OPELT 1973, 49, Anm. 95; vgl. ADKIN 2002, 128–130 m. Verw. auf Quint. inst. 7,2,12 als mögliche gemeinsame Vorlage. 12 Tertullianus verwendet das Exemplum selbst nur in adv. Marc. 1,2, jedoch in anderem Kontext. 13 Hier. in Is. 4 praef. (VL 23, 397 f.): Inaequales dictamus libros et pro diversitate visionum ac sensuum alius contrahitur, alius extenditur. [...] Dum enim nolumus coniuncta dividere et olim interpretata transire, quasi inter duas maris pontici συµπληγάδας naviculam nostram direximus, quae flante spiritu sancto et domino salvatore cursum dirigente nostrum elabetur in pelagus.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Hieronymus rechtfertigt so die unterschiedlichen Längen seiner Kommentare zu den einzelnen Büchern des Propheten. Diese richteten sich nicht nur nach der Menge der jeweiligen Verse, sondern eben auch nach inhaltlichen Anforderungen. Mit der navicula ist in diesem Bild das Unternehmen gemeint, den Propheten Jesaja auszulegen, während die See für das Ziel steht, den Kommentar erfolgreich und zufriedenstellend bewältigt zu haben. Die Symplegaden stehen für eine angemessene Länge seines Textes einerseits und dem Zwang inhaltlicher Vorgaben andererseits, zwischen denen Hieronymus das richtige Maß finden muss. Der Bezug zum Argonauten-Zug ist hier wesentlich deutlicher gegeben als noch in der Streitschrift gegen Iovinianus: Zum einen lokalisiert Hieronymus die Irrfelsen ausdrücklich am Bosporos; zum anderen erinnert die göttliche Hilfestellung bei der Durchfahrt, flante spiritu sancto et domino salvatore dirigente, sehr sinnfällig an das aktive Eingreifen Athenes.14 Gott tritt gleichsam an ihre Stelle. An beiden Stellen ist das mythische Exemplum der συµπληγάδες ohne Sachzwang eingefügt und erfährt darüber hinaus eine interpretatio Christiana, die der positiven Wertung von Schiffsbesatzung und göttlichem Helfer im Mythos nicht entgegensteht. Die Wertigkeit des Mythems wird in keiner Weise umgekehrt. Eine kritische Haltung gegenüber dem Mythos lässt Hieronymus nicht erkennen.
6.3.1.2 Die eingeschlossene Danae Der im Sommer 396 entstandene 57. Brief ist vor allem durch den Umstand berühmt geworden, auf den der Titel De optimo genere interpretandi hinweist, den Hieronymus dem Schreiben in Anlehnung an Ciceros De optimo genere oratorum gegeben hat.15 In diesem „ersten eigenständigen Traktat der Literaturgeschichte über das Übersetzen“16 legt er die Grundsätze seiner eigenen Übersetzungstätigkeit dar, wonach eine sinngemäße Übersetzung, die den literarischen Maßgaben der Zielsprache gerecht wird, traditionell zu bevorzugen ist. Ausgenommen davon seien die Texte der Heiligen Schrift, wo man näher am Wortlaut zu übersetzen habe.17 Anlass zu diesem Schreiben waren erste Auswüchse der origenistischen Streitigkeiten, im Zuge derer Hieronymus auf Bitten seines Freundes Eusebius von Cremona18 einen Brief aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt hatte.19 Hierin hatte der zypriotische Bischof Epiphanios von Salamis20 im Jahr zuvor seinen
14 Oder anderer Götter; JESSEN 1909A, 2544. Vgl. Claud. 26,1–14; hierzu SCHINDLER 2015, 32 f. 15 Hieronymus bezieht sich mehrfach auf den Brief: Hier. epist. 112,20,5 (CSEL 55, 390 f.); in Ion. praef. (FC 60, 88). Vgl. FÜRST 2003, 88 m. Anm. 145; SCHADE, in: BKV² 18, 262. Allgemein zu epist. 57 GRÜTZMACHER 1908, 9 ff.; CAVALLERA 1922/1, 217 ff.; REBENICH 2002, 43 ff. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 284–288. 16 FÜRST 2003, 88. 17 Hierzu BARTELINK 1980, 3–5. 18 Zu Eusebius REBENICH 1992A, 205 f. 231 f.; DÜMLER 1998, 214; FÜRST 2003, 172 f. 19 Hier. epist. 51 (CSEL 54, 395–412). 20 Zu Epiphanius REBENICH 1992A, 106 f. 141–143; LÖHR 1998, 196–198; FÜRST 2003, 172.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Amtskollegen Johannes von Jerusalem ermahnt, von den Lehren des Origenes abzurücken und in dieser Angelegenheit „auch auf Rufin ein wachsames Auge zu halten“,21 der zu diesem Zeitpunkt in Jerusalem weilte. Hieronymus wurde nun der Vorwurf gemacht, tendenziös übersetzt zu haben.22 Als jedoch das Schriftstück aus Eusebius’ Haus gestohlen wurde, versuchte Hieronymus dem entgegenzuwirken, vor allem in Hinblick auf sein Ansehen in Rom.23 Der Mönch sandte den vorliegenden 57. Brief aus Bethlehem an Pammachius, den Senator und treuen Freund aus Studienzeiten, der dafür Sorge tragen sollte, seine Position publik zu machen. Abgesehen von Vorwort und Schluss des Briefes spricht Hieronymus jedoch nicht den Empfänger, sondern seine Gegner direkt in der zweiten Person an, teils im Singular, teils im Plural. Bevor er sich gegen den eigentlichen Inhalt der genannten Vorwürfe zur Wehr setzt, stellt er zunächst die Tatsache als solche, dass man ihm Vorwürfe aus der Übersetzung des Epiphanios-Schreibens macht, als illegitim dar. Dabei verfolgt er drei Argumentationsstränge: Erstens sei seine Übersetzung nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen und damit etwaige darin enthaltene Verleumdungen nicht verwerflich; zweitens seien die Vergehen derer, die jetzt Vorwürfe gegen ihn erhöben, schlimmer als die seinen; drittens dienten jene Vorwürfe nur dem Ablenken eben hiervon.24 Schließlich stellt er den Weg, auf dem sich Zugang zu seiner Übersetzung des Epiphanios-Briefes verschafft wurde, als Verbrechen in Form von Bestechung und Diebstahl dar: „Du bestichst die Sklaven, wiegelst die clientes auf und dringst, wie wir in den fabulae lesen, durch Gold zur Danae vor? Du verhehlst deine Tat und nennst mich einen Fälscher, obwohl du durch dein Anklagen ein viel schlimmeres Verbrechen eingestehst als jenes, dessen du mich beschuldigst?“25
In der vorliegenden Textstelle ist wohl Rufinus angesprochen, der zusammen mit Johannes von Jerusalem von Hieronymus als Initiator der Tat vermutet wurde.26 Die beiden konkret gehaltenen Vorwürfe der Bestechung und des Aufwiegelns der clientes, durch die das Schreiben in seinen Besitz gekommen sei, erweitert Hieronymus mit einem mythischen Exemplum zu einem Trikolon. Der Mythos, den der Kirchenvater hier anspricht, lässt sich wie folgt paraphrasieren: Weil sich Akrisios, der greise König von Argos, einen Sohn wünscht, befragt er das Orakel von Delphi, das jedoch voraussagt, dass ihm seine Tochter Danae einen Enkel gebären werde, durch dessen Hand er einst sterben werde. Aus Angst davor sperrt er sie mit ihrer Amme in ein unterirdisches ehernes Verlies und lässt sie streng bewachen. Zeus aber verwandelt sich in einen Goldregen, dringt durch eine Öffnung im Dach zu 21 22 23 24 25
SCHADE, in: BKV² 18, 262. Zu Johannes vgl. RÖWEKAMP 1998, 348 f.; FÜRST 2003, 185 f. Hier. epist. 57,1 (CSEL 54, 503 f.); hierzu BARTELINK 1980, 1 f. Hier. epist. 57,2,3 (CSEL 54, 505); vgl. EISWIRTH 1955, 41 f. Hier epist. 57,2,2. 4,1. 3 (CSEL 54, 505. 507 f.). Hier. epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507): tu corrumpas servulos, sollicites clientes et, ut in fabulis legimus, auro ad Danaen penetres dissimulatoque, quod feceris, me falsarium voces, cum multo peius crimen accusando in te confitearis, quam in me arguis? Zu sprachlichen Besonderheiten BARTELINK 1980, 41. 26 SCHADE, in: BKV² 18, 269, Anm. 1; BARTELINK 1980, 2. Zu Epiphanius’ Vorwürfen gegen Rufinus Hier. epist. 51,6,4 (CSEL 54, 406).
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Danae vor und zeugt so mit ihr den Perseus. Als einige Jahre später Akrisios die Stimme des Knaben aus dem Verlies vernimmt, tötet er die Amme und, da er nicht glaubt, dass Zeus tatsächlich der Vater sei, schließt er Mutter und Kind in einen Kasten und wirft diesen ins Meer. An die Küste der Kykladeninsel Seriphos getrieben, wird Perseus von Polydektes großgezogen. Nachdem der junge Held vom Ziehvater ausgesandt wird, das Haupt der Medusa zu holen, und er bei seiner Wiederkehr die Mutter in Bedrängnis durch Polydektes vorfindet, tötet er diesen und kehrt nach Argos zurück, wo er schließlich die Weissagung des pythischen Orakels erfüllt und seinen Großvater Akrisios tötet.27 Nimmt man den Einschub ut in fabulis legimus zum Anlass, nach den Werken zu fragen, die Hieronymus konkret als Vorlage im Sinn hatte, stößt die Bestimmung schnell an ihre Grenzen. Es ist nicht einmal eindeutig, ob er mit dem Ablativ auro ‚in der Gestalt von Gold‘ oder ‚mithilfe von Gold‘ meint. Der vorhergehende Vorwurf, tu corrumpas, deutet jedoch auf Letzteres hin. So bezieht er sich im etwa gleichzeitig entstandenen Jona-Kommentar ausdrücklich auf den Olympier – ohne jedoch die Danae zu nennen.28 Die Formulierung in auro fluxerit ist hier eindeutig gehalten und im Unterschied dazu hat Hieronymus im vorliegenden Brief zweifellos eine Deutung des Mythos im Sinn, wie sie Horaz bietet und der zufolge sich Zeus nicht in Goldregen verwandelt, sondern die Wächter der Danae mit Gold besticht.29 Hieronymus’ Gebrauch des mythischen Exemplums ist wohl im Sinne dieses euhemeristisch-rationalistischen Mythen-Verständnisses zu begreifen:30 Die Bewacher sind korrupt. Das Augenmerk liegt dabei in beiden Fällen auf dem Bestechenden, nicht auf den Bestochenen. Hieronymus kannte Horaz gut und macht nicht selten Gebrauch von dessen Werken, so auch im weiteren Verlauf desselben Briefes, wo er ihn zitiert und als vir acutus et doctus lobt.31 Eine literarische Abhängigkeit lässt sich nicht feststellen, so dass auch die gedankliche unsicher bleibt. Derselbe Epiphanios von Salamis, der hier als Autor des strittigen Briefes an Johannes von Jerusalem erscheint und bei dem Hieronymus im Jahre 385 auf Zypern weilte, hatte in seinem weitere elf Jahre zuvor geschriebenen Ancoratus gegen die Lasterhaftigkeit der griechischen Götter polemisiert, vor allem des Zeus: „Bei Danae verwandelte er sich in Gold, um die züchtige, in ihrem Gemache weilende Jungfrau zu entehren; doch konnte er wohl niemals zu Gold werden, sondern ein Schelm, der er war, betörte er die Jungfrau durch goldene Geschenke.“32
27 Apollod. 2,4,1. 4; Ov. met. 4,607–616; 5,11 f.; Hyg. fab. 63; vgl. STOLL 1884, 946–949; HUNGER 1959, 95 f. s.v. Danaë; TRIPP 1974, 143 s.v. Danae. 28 Hier. in Ion. 2,2 (FC 60, 146): quomodo Iupiter, eorum sublimissimus deus, sit mutatus in cygnum, in auro fluxerit, in tauro rapuerit; hierzu oben 6.2.1.3. 29 Hor. carm. 3,16,1–16; vgl. HERMANN 1957A, 568; BARTELINK 1980, 41. 30 Oben 2.2.2.2; vgl. auch FUHRMANN 1990, 143 ff.; BARTELINK 1980, 41. 31 Hier. epist. 57,5,5 (CSEL 54, 509 f.); vgl. auch HAGENDAHL 1958, 256; HENKE 2002, 174 ff. 32 Epiph. anc. 105 (PG 43, 208C): Πρὸς ∆ανάην δὲ χρυσὸς ἐγίνετο, ἵνα παρθένον σώφρονα θαλαµευοµένην φθείρῃ. Χρυσὸς δὲ ἐκεῖνος οὐκ ἠδύνατο γενέσθαι ποτέ· ἀλλὰ γόης ὢν, διὰ χρυσοῦ δωροδοκῶν τὴν παρθένον ἠπάτησε. Übers. BKV 37, 162. Zu Hieronymus auf Zypern Hier. adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93); vgl. GRÜTZMACHER 1906, 2; CAVALLERA 1922/1, 123 f.; KELLY 1975, 116; COURCELLE 1969, 50; FÜRST 2003, 172. Epiphanius: REBENICH 1992A, 106 f.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Nicht die Wächter sind hier die Empfänger des Lohnes sind, sondern Danae selbst: Epiphanios beschreibt somit käufliche Liebe.33 Das moralische Urteil ist indes – wie bei Hieronymus – auf den Geldgeber bezogen, nicht auf den Empfänger des Goldes. Eine Wertung des Verhaltens der Danae ist nicht wahrnehmbar. Unter den christlichen Schriftstellern ist diese Auffassung des Danae-Mythos als Allegorie für Prostitution zuerst durch Lactantius vorgebracht worden.34 In seinen Divinae institutiones legt er seine Ansicht dar, die heidnischen Götter seien nichts als von den Dichtern überhöhte Menschen, und versucht, dies durch die euhemeristische Deutung verschiedener Mythen zu beweisen. So sei etwa Ganymedes nicht durch einen Adler, sondern durch Soldaten geraubt worden, deren Feldzeichen ein Adler war; ebenso sei die Europa durch ein Schiff entführt worden, dass einen Stier als Verzierung am Bug trug.35 Daneben führt er auch die Danae an: „In der Absicht, die Danae zu schänden, hat er [sc. Jupiter] reichlich Goldmünzen in ihren Schoß geschüttet; das war die Bezahlung für die Unzucht. Und die Dichter, die wie von einem Gott sprachen, haben das Herabgefallene mit derselben Stilfigur zu einem Goldregen umgedichtet, wie man auch von einem ‚Pfeilhagel‘ spricht, um eine große Menge Geschosse und Pfeile zu beschreiben.“36
Eine mögliche Verwandlung des Zeus wird erst gar nicht als Möglichkeit in Betracht gezogen und der berühmte „Goldregen“ rationalistisch dekonstruiert. Wächter spielen keine Rolle, die Bezahlung geht unmittelbar an Danae, zudem noch in sinum eius.37 Zusammen mit den Vokabeln violare und stuprum stellt das eine eindeutig sexuelle Konnotation her. Unter den klassischen Autoren wiederum war es Ovid, der den Mythos als Beispiel für Prostitution eingeführt hat. Zeus gibt sich hier selbst als pretium direkt der Danae, die nicht namentlich genannt, sondern als corrupta virgo tituliert wird und damit Empfängerin des Geldes ist.38 Die Verwandlung scheint stattzufinden, aber nicht in wundersamen Goldregen, sondern in Bares. Somit könnten die Stellen bei Ovid, Lactantius und Epiphanios zu einer Gruppe zusammengefasst werden, der zufolge Danae selbst bestochen wird, d. h. der Mythos als Beispiel käuflicher Liebe aufgefasst wird. Diesen können die Stellen bei Horaz und Hieronymus als eine zweite Gruppe gegenübergestellt werden, in deren Darstellung die Wächter die Empfänger der munera sind, nicht die Bewachte, d. h. Zeus’ Handeln wird als Beispiel für Bestechung verstanden. Die moralische Last, die durch das Exemplum angeprangert werden soll, wird jedoch in allen vorgestellten Fällen mit dem Freier assoziiert. Die Bestechlichkeit der Bewacher bleibt in der zweiten Gruppe unbewertet wie die Käuflichkeit der Danae in der ersten. 33 HERMANN 1957A, 569. 34 Bereits bei Hekataios ist ausdrücklich von geschlechtlichem Umgang zwischen Zeus und Danae die Rede; vgl. Hecat. F 25: τῇ ∆ανᾷ µίσγεται Ζεύς; hierzu FRITZ 1967, 73. 35 Lact. inst. 1,11,19; zu Ganymedes in Hier. quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 46); vgl. unten 6.5.3. 36 Lact. inst. 1,11,17 f. (HECK/WLOSOK 2005, 44): Danaen violaturus aureos nummos largiter in sinum eius infudit, haec stupri merces fuit. at poetae, qui quasi de deo loquebantur, ne auctoritatem creditae maiestatis infringerent, finxerunt ipsum in aureo imbre delapsum eadem figura qua ‚imbres ferreos‘ dicunt, cum multitudinem telorum sagittarumque describunt. 37 Pace LARDET 1993, 253. 38 Ov. am. 3,8,29–34; vgl. HERMANN 1957A, 568.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Beim genauen Blick auf die tertia comparationis zwischen dem Mythos und dem von Hieronymus angenommenen Szenario des Brief-Diebstahls, scheint zunächst eine zentrale Komponente unaufgelöst zu bleiben. So steht der eherne Käfig für die scrinia, in denen sich die Übersetzung des Epiphanios-Briefes befunden hat; die bestochenen Wächter des Akrisios symbolisieren die servuli und clientes des Eusebius. Demnach müsste man als Entsprechung für Danae das entwendete Schreiben annehmen. Da aber im Mythos weder sie noch irgendetwas anderes aus dem Verlies gestohlen wird, scheint das Exemplum nicht vollends schlüssig zu sein. Was die Motivation für das Einschließen angeht, ist beide Male der freie Zugang zum Eingeschlossenen unheilbringend für Akrisios bzw. für Epiphanios und Hieronymus. Im Mythos bedeutet Zeus’ Vordringen zu Danae letztlich den Tod für ihren Vater. Derart schlimme Folgen hatte Hieronymus durch das Bekanntwerden seiner Übersetzung gewiss nicht zu befürchten, aber die Analogie zum unausgesprochenen Fortgang der mythischen Erzählung gibt seinem Exemplum eine dramatische Steigerung. In ihren Konsequenzen werden Metapher und Ausgangsszenario wieder kongruent und bieten, indem der Tod des Opfers evoziert wird, eine rhetorische Übertreibung, die Hieronymus gewiss willkommen war. Sieben Jahre später sah sich Hieronymus mit dem gleichen Vorwurf konfrontiert, den nun umgekehrt sein großer Widersacher Rufinus gegen ihn richtete: Hieronymus’ Freunde hätten Rufinus’ Sekretär bestochen und eine unredigierte Fassung seiner Übersetzung von Origenes’ Περὶ ἀρχῶν entwendet.39 Die Auseinandersetzung um diesen Text ist paradigmatisch für den Streit zwischen den beiden ehemaligen Freunden und die damit verbundene theologische Kontroverse. De principiis, so der lateinische Titel, stellt das dogmatische Hauptwerk des Origenes dar, in dem er systematisch die christlichen Glaubensinhalte darlegte. Im Jahr 398 fertigte Rufinus besagte lateinische Übersetzung an (zugleich die einzige vollständig erhaltene Fassung des Textes) in der er jedoch vehement diejenigen Stellen glättete, von denen er wegen des Subordinatianismus der origenistischen Trinitätslehre fürchtete, dass sie als heterodox eingestuft würden.40 Dieser origenes-apologetischen Fassung setzte Hieronymus im Winter desselben Jahres eine eigene Übersetzung entgegen, in der er sich bemühte, die kontroversen Stellen umso drastischer erscheinen zu lassen.41 Obschon er offensichtlich enger am griechischen Originaltext gearbeitet hatte, war seine Version nicht weniger tendenziös. Jedoch war sie mit entgegengesetzter Stoßrichtung geschrieben, da sich Hieronymus von den Lehren des großen Alexandriner Theologen, denen er eigentlich so viel zu verdanken hatte, dezidiert distanzieren und durch den bewusst verschärften Kontrast seine eigene Rechtgläubigkeit hervorkehren wollte.42 39 40 41 42
Hier. adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76). Rufinus’ Vorwort in Hier. epist. 80 (CSEL 55, 102–105). Fragmentarisch überliefert in Hier. epist. 124 (CSEL 56, 96–117). Hier. adv. Rufin. 1,7; 3,36 (CCL 79, 6. 105); epist. 85,3 (CSEL 55, 136 f.); 124,1 (CSEL 56, 96). Zum Streit um Περὶ ἀρχῶν GRÜTZMACHER 1908, 35–49; CAVALLERA 1922/1, 229–240; HABERMEHL 1997B, 484 f.; CLARK 1992, 121–151; VOGT 1998, 462 f.; FÜRST 2003, 35.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Auf Rufinus’ Andeutung reagiert Hieronymus empört, als hätte dieser ihn beschuldigt, das Schriftstück selbst entwendet zu haben, und weist den Vorwurf als Unterstellung zurück. Er spricht noch einmal den Diebstahl seiner EpiphaniosÜbersetzung an und zieht erneut den Danae-Mythos als Exemplum hinzu: „Hast du mittlerweile tatsächlich die Stirn, deine Hoffnung auf eine Lüge zu setzen, und meinst du, dass du dich so schützen kannst und man dir glauben wird, was immer du dir da ausdenkst? Wer hat denn den Brief, in dem du so gelobt wirst, aus der Zelle des Bruders Eusebius in Bethlehem gestohlen? [...] Oder hältst du dich für unschuldig, wenn du alles, was dir gilt, anderen vorwirfst? Wird denn jeder, der dich angreift – ganz gleich wie aufrichtig oder unschuldig er ist –, sofort zu einem Verleumder? Dir geht es nämlich nur um das, wodurch die Keuschheit der Danae überwunden wurde, was Gehasi der Heiligkeit seines Meisters vorzog und wofür Judas seinen Herrn verriet.“43
Der Kirchenvater reagiert recht heftig auf den Vorwurf des Diebstahls, den Rufinus lediglich angedeutet hat.44 Der erste Teil der Textstelle, in dem Hieronymus die Fragen formuliert, dient allein der Zurückweisung, wobei er sich im Prinzip darauf beschränkt, seinem Gegner das Behaupten von Unwahrheiten vorzuwerfen. Der nun folgende Aussagesatz stellt keine Antwort auf die rhetorischen Fragen dar, sondern beantwortet die nicht gestellte Frage nach der Motivation für Rufinus’ Handeln. Hieronymus wirft ihm keine theologisch-dogmatischen Erwägungen vor, sondern unterstellt ihm schnöde Gier. Dass es um Geld geht, spricht er jedoch nicht direkt aus, sondern macht seinen Punkt durch drei kurze Exempla klar, in deren zugrunde liegenden Erzählungen jeweils Zahlungsmittel den Weg für moralische Vergehen ebnen. Zunächst führt er das mythische Beispiel Danaes an. Dem folgt das alttestamentliche Exemplum von Gehasi: Nachdem Elisa, ein „Mann Gottes“, den Aramäer Naaman vom Aussatz befreit hat, nutzt sein Diener Gehasi die Dankbarkeit des Geheilten aus und erschleicht sich von ihm zwei Talente Silber, indem er vorgibt, Elisa hätte ihn geschickt. Zurück bei seinem Herrn versucht er ohne Erfolg, die Tat zu verheimlichen, und wird schließlich zur Strafe selbst mit Aussatz geschlagen. Mit dem neutestamentliche Exemplum von Judas, der Jesus an die ἀρχιερεῖς verrät beendet Hieronymus die Reihe.45 Zwei Dinge sind dabei bemerkenswert: Zum einen gebraucht Hieronymus das Danae-Exemplum zwar im exakt gleichen sachlichen Zusammenhang wie sieben Jahre zuvor, bezieht es jedoch auf einen ganz anderen Aspekt des Hergangs. Liegt im oben betrachteten Brief an Pammachius der Akzent auf dem unerlaubten Vordringen zu einem verborgen gehaltenen Gegenstand, hat sich das Augenmerk in der
43 Hier. adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76): Usque adeone obdurasti frontem, ut mendacium ponas spem tuam, et aestimes te protegi posse mendacio, et quicquid finxeris tibi credendum putes? Quis Bethleem de cubiculo fratris Eusebii furatus est epistulam laudatricem tuam? [...] An idcirco te aestimas innocentem si quicquid tuum est in alios conferas? Quicumque te offenderit, quamvis simplex, quamquis innoxius sit, ilico criminosus fiet? Habes enim per quod Danaae est victa pudicitia, quod Giezi magistri praetulit sanctitati, propter quod Iudas tradidit Dominum suum. Vgl. ANTIN 1960, 53. Pace BARTELINK 1980, 41. Zur Ironie LARDET 1993, 252. 44 Hier. adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76). 45 2 Kön 5,19–27; Mk 14,10 f.; Mt 26,14–16; Lk 22,3 f.
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Streitschrift gegen Rufinus auf die Motivation des Bestochenen verschoben, nämlich seine Gier nach Geld. De facto haben die beiden Danae-Exempla also keine inhaltliche Entsprechung, obwohl das kommentierte Ereignis beide Male dasselbe ist. Im zweiten Fall ist das tertium comparationis darauf beschränkt, dass jemand Geld annimmt, um eine moralisch verwerfliche Tat zuzulassen. Während es sich auf der aktuellen Ebene um Rufinus handelt, ist auf der Ebene des Exemplums unklar, wer das Geld entgegennimmt. So wirft Hieronymus seinem Widersacher Bestechlichkeit vor, lässt zugleich aber die Möglichkeit offen, dass der Vorwurf der Prostitution mit hineingelesen werden kann. Das ergäbe in Rufinus’ Fall freilich nur einen übertragenen Sinn, nämlich dass dieser sich dogmatisch prostituiert und somit aus Gewinnsucht an origenistischen Lehren festhält. Doch bereits im 57. Brief hatte Hieronymus den namentlich nicht genannten corruptor, mit dem wohl Rufinus angesprochen ist, mit Judas verglichen und ihm unterstellt, dass er seinerseits gegen Entgelt gehandelt habe.46 Will man den Vorwurf nicht als reine Polemik abtun, könnte man hierin einen Seitenhieb auf Rufinus’ amicitia zu Melania der Älteren erblicken:47 Die überaus wohlhabende nobilissima hatte sich in Rom der asketischen Bewegung zugewandt und im Jahr 378 auf dem Ölberg in Jerusalem die ersten lateinischen Klostergemeinschaften im Heiligen Land gegründet, also in unmittelbarer Nähe zu Bethlehem, wo Hieronymus sich 15 Jahre später niederlassen sollte. Dem von Melania gegründeten Männerkloster stand ab 381 Rufinus vor, der in ihr fortan eine potente Unterstützerin hatte. Die Parallelen zu Hieronymus’ eigener Vita zeigen deutlich, dass bei allen theologischen Differenzen auch die Konkurrenzsituation ihren Beitrag zum Streit zwischen den einstigen Jugendfreunden geleistet hat. Obschon Paula die Ältere für Hieronymus eine ganz ähnliche Rolle gespielt hat wie Melania für Rufinus, wirft ihm der Kirchenvater unlautere Motive vor.48 Der zweite Aspekt, der in Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Arbeit besondere Beachtung verdient, ist der Umstand, dass Hieronymus die drei Exempla völlig gleichrangig nebeneinander stellt, ohne eine Differenzierung in der Wertung der verschiedenen Erzählungen erkennen zu lassen. Deutlich wird Hieronymus’ „Vorliebe für die Dreizahl“,49 die ihn heidnischen Mythos, Hebräische Bibel und die Evangelien zu einer Einheit zusammenfügen lässt. Fast ist man geneigt, die Reihenfolge als eine chronologische zu verstehen was jedoch der Lehre des christlichen Altersbeweises zuwiderlaufen würde. Vermutlich hat Hieronymus die drei Exempla jedoch mit steigender Wertigkeit und damit mit zunehmender Gewichtung für seine Argumentation angeordnet. Die unterschiedliche Wertung der Exempla wäre demnach allein in der Reihenfolge ablesbar.
46 Hier. epist. 57,2,3 (CSEL 54, 505). Vgl. adv. Rufin. 3,23 (CCL 79, 95); hierzu LARDET 1993, 316. 47 PLRE 1, 592 f. s.v. Melania 1; FEICHTINGER 1995, 188–193; FÜRST 2003, 193 f. 48 CAVALLERA 1922/1, 200. Vgl. Hier. chron. a. Abr. 2390 (GCS Eus 7, 247); epist. 3,3; 4,2; 39,5; 45,5 f. (CSEL 54, 15. 20. 304. 325–327); 133,3 (CSEL 56, 246). 49 SCHNEIDERHAN 1916, 133. Vgl. auch LARDET 1993, 253.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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In einem völlig anderen Zusammenhang taucht das Danae-Exemplum einige Jahre später wieder auf. Ein ansonsten unbekannter Gaudentius, vielleicht ein Stadtrömer, hatte sich ratsuchend an Hieronymus gewandt, wie er sein dreijähriges Töchterchen Pacatula zu erziehen habe.50 Sie wurde 410 geboren und war von ihren Eltern entweder noch vor ihrer Geburt oder zumindest bald danach für ein Leben als Nonne bestimmt worden. Hieronymus kam der Bitte in dem recht kurzen 128. Brief nach, der wohl in das Jahr 413 zu datieren ist und über den LUDWIG SCHADE nicht zu Unrecht bemerkt hat: „Hieronymus war nicht mit Liebe bei der Sache“.51 Nach einer langen Reihe rhetorischer Fragen im ersten Kapitel, mit denen er die Schwierigkeiten deutlich machen will, ein kleines Kind zur überzeugten Asketin zu erziehen, geht er zu konkreten Anweisungen über. Das vierte Kapitel des Briefes an Gaudentius steht im Wesentlichen unter dem Zeichen des richtigen Umgangs für das heranwachsende Mädchen: „In ihrem Zimmerchen soll sie alle Freuden haben, niemals aber soll sie Jünglinge und niemals Lockenköpfe zu Gesicht bekommen, die mit dem Liebreiz ihrer Worte durchs Ohr hindurch die Seele verletzen; jedwede Ausgelassenheit anderer Mädchen soll von ihr zurückgewiesen werden; denen ist nämlich umso schwieriger aus dem Wege zu gehen, je leichteren Zugang die Mädchen haben; und was sie gelernt haben, geben sie heimlich weiter und schänden die eingeschlossene Danae mit ihrer Gossensprache.“52
Bezieht man die einzelnen metaphorischen Elemente, die durch das Danae-Exemplum aufgerufen werden, auf das beschriebene Szenario, ergibt sich ähnlich wie im 57. Brief eine schlüssige Kongruenz. Der eherne Käfig des Akrisios ist dem Haus des Gaudentius gleichzusetzen. Mit ihr wird der Danae in diesem Fall tatsächlich eine Jungfrau statt eines Schriftstücks gleichgesetzt. An die Stelle des Zeus treten die puellae, die an der elterlichen Bewachung vorbei (secreto) die Eingeschlossene schänden, violant. An die Stelle des Goldes treten die vulgi sermones. Diese jedoch wie oben als Zahlungsmittel aufzufassen, würde den Sinn verfehlen, da hier im Gegenteil der eingeschlossenen Danae die Rolle der zu beschützenden Pacatula zugewiesen wird. Der Text ist aus Perspektive des Beschützers geschrieben, also des Akrisios respektive des Gaudentius. Zentrales Anliegen des Schreibens ist die Bewahrung des Mädchens vor allem Bösen. Die vulgi sermones sind damit zugleich der Samen der lascivia, der in der kleinen Asketin nicht aufgehen soll.53 Hieronymus ist somit von der oben dargestellten, rationalistischen Deutung des Mythos wieder abgerückt. Der goldene Regen wird als das zeugende Element verstanden, aus dem im Mythos Perseus hervorgeht und im skizzierten Szenario die lascivia der kleinen Pacatula hervorzugehen drohen. Damit hat sich der Mönch in
50 PLRE 2, 493 s.v. Gaudentius 4. Zu epist. 128 GRÜTZMACHER 1908, 250 f.; CAVALLERA 1922/1, 321; FEICHTINGER 1995, 220 ff. 51 SCHADE, in: BKV² 16, 403. 52 Hier. epist. 128,4,3 (CSEL 56, 160): in cubiculo suo totas delicias habeat. nunquam iuvenculos, nunquam cincinnatos videat vocis dulcedine per aures animam vulnerantes, puellarum quoque lascivia repellatur, quae, quanto licentius adeunt, tanto difficilius evitantur et, quod didicerunt, secreto docent inclusamque Danaen vulgi sermonibus violant. 53 EISWIRTH 1955, 40; BARTELINK 1980, 41.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Bethlehem zum Ende seines Lebens einem ursprünglicheren Verständnis des Mythos zugewandt, das in dieser Gestalt keine christlichen Vorläufer hat und von Zeus’ Verwandlung zu „himmlischem Samen“54 ausgeht. Die apologetische Positionsbestimmung gegenüber dem mythischen Stoff, wie sie noch bei Epiphanios zu erkennen war, fehlt. Hieronymus setzt die Metapher als rhetorisches Mittel ein, ohne sich darum zu bemühen, sie um ihren paganen Inhalt zu beschneiden.
6.3.1.3 Ich wusste, dass ich einen Sterblichen gezeugt habe Bischof Heliodorus von Altinum bei Aquileia und sein Neffe Nepotianus waren mit Hieronymus seit dessen Tagen in Norditalien befreundet und teilten mit ihm die Begeisterung für die Askese.55 Im Jahr 394 hatte der Kirchenvater auf Bitten des jungen Priesters Nepotianus einen ausführlichen Leitfaden für das Leben nach der christlichen Askese geschrieben.56 Als dieser zwei Jahre später an einer Fiebererkrankung starb, übersandte Hieronymus einen recht umfangreichen Nachruf aus Bethlehem an den Onkel in Altinum, in dem er Nepotianus zum Idealtypus des christlichen Priesters stilisierte und seiner offenkundig tief empfundenen Trauer Ausdruck verlieh. Zugleich versuchte er damit, Heliodorus Trost zu spenden.57 Zu diesem Zweck führt Hieronymus im 5. Kapitel des Briefes eine ganze Reihe Exempla von bekannten Figuren der griechischen und römischen Geschichte an, die entweder zum Thema Trauer geschrieben hatten oder selbst den Verlust enger Vertrauter zu verschmerzen hatten. In der Hauptsache scheint sich Hieronymus dabei auf Ciceros weitestgehend verlorene Schrift De consolatione zu stützen.58 Die Aufzählung wird durch ein mythisches Exemplum eröffnet: „Was soll ich tun, mein Herz? Wohin mich wenden? Womit mich zuerst befassen? Worüber schweigen? Alle Regeln der Rhetoren sind dir entfallen und von Trauer vereinnahmt, mit zurückgehaltenen Tränen und mit unterdrücktem Schluchzen wahrst du nicht die Ordnung der Worte! Was ist mit jenem Studium der Literatur aus frühester Kindheit und was mit dem viel gelobten Satz des Anaxagoras und des Telamon: ‚Ich wusste, dass ich einen Sterblichen gezeugt habe‘?“59
In gefühlvollen Worten zeigt Hieronymus seine Unsicherheit darüber, wie er der gemeinsam mit Heliodorus empfundenen Trauer Ausdruck verleihen soll. Der Kirchenvater stellt sich dennoch der Aufgabe und holt sich Hilfe bei dem von ihm am höchsten verehrten Meister der Rhetorik. 54 55 56 57 58 59
RADERMACHER 1927, 216 f. PCBE 2,1, 965–967 s.v. Heliodorus 2; PCBE 2,2, 1535 f. s.v. Nepotianus. Hier. epist. 52 (CSEL 54, 413–441). Zu dem Brief CAIN 2013B, 60–273. GRÜTZMACHER 1906, 215–218; CAVALLERA 1922/1, 183 f.. SCHADE, in: BKV² 16, 35, Anm. 5; 36, Anm. 5. Hier. epist. 60,5,1 (CSEL 54, 553 f.): Quid agimus, anima? quo nos vertimus? quid primum adsumimus? quid tacemus? exciderunt tibi praecepta rhetorum et occupata luctu, oppressa lacrimis, praepedita singultibus dicendi ordinem non tenes! ubi illud ab infantia studium litterarum et Anaxagorae ac Telamonis semper laudata sententia: ‚sciebam me genuisse mortalem‘? Hierzu auch SCOURFIELD 1993, 49. 113; DUNN 2012, 199–201.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Das Zitat, sciebam me genuisse mortalem, legt Hieronymus gleich zwei Personen in den Mund, die jedoch nichts miteinander zu tun haben. Daher seien zunächst die beiden Erzählungen im Einzelnen betrachtet, die dem doppelten Exemplum zugrunde liegen. Bei dem erstgenannten handelt es sich um den Vorsokratiker Anaxagoras von Klazomenai aus dem 5. Jh. v. Chr.60 Die ausführlichste Wiedergabe der Anaxagoras-Legende ist bei Diogenes Laertios erhalten, der sich seinerseits auf die verlorene Vita des Satyros aus Kallatis aus der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. beruft: So sei von Thukydides, einem politischen Gegner des Perikles, gegen Anaxagoras ein Prozess wegen Gottlosigkeit und Spionage für die Perser angestrengt worden. Als diesen mit dem Todesurteil auch die Nachricht vom Tod seiner Kinder erreichte, habe er zum Urteil bemerkt: „Lange zuvor schon hat die Natur meine Richter ebenso wie mich zum Tode verurteilt“, und über seine Kindern: „Ich wusste, dass ich sterbliche Wesen gezeugt hatte.“61 Der zweitgenannte ist Telamon, der mythische König der Insel Salamis. Er ist einer der Argonauten und erstürmt Seite an Seite mit seinem Freund Herakles die Mauern von Troja. Weil Telamon vor ihm in die Stadt eindringt, will der berühmte Heros ihn ob dieser Beleidigung töten, lässt sich jedoch umstimmen. Zur Versöhnung schenkt er Telamon die Hesione, die beide gemeinsam vor einer Wasserschlange gerettet haben, und betet zu seinem Vater Zeus, dass er seinem Freund Telamon und dessen Frau Periboia (oder Eeriboia) einen tapferen Sohn schenke. Als Zeichen der Zustimmung erscheint ein Adler (ἀετός, ionisch αἰετός), nach dem der Sohn den Namen Aias erhält. Mit Hesione zeugt Telamon den unehelichen Sohn Teukros. Die beiden Halbbrüder kämpfen Seite an Seite im Trojanischen Krieg und erwerben großen Ruhm. Teukros ist der beste Bogenschütze der Griechen, der im Kampf Aias’ großen Schild als Deckung nutzt. Der große Bruder ist neben Achilleus der tapferste Krieger auf griechischer Seite. Sein Zweikampf gegen Hektor endet unentschieden, worüber der Troer seine Wertschätzung ausdrückt, indem er seinem griechischen Gegner sein Schwert schenkt. Später verteidigt Aias den Leichnam des Patroklos und trägt den toten Achilleus vom Schlachtfeld. Im anschließenden Streit um die Waffen des gefallenen Helden unterliegt er jedoch und muss sie Odysseus überlassen. In seiner Ehre gekränkt will er die verantwortlichen Führer der Griechen töten. Von Athene mit Wahnsinn geschlagen, metzelt er stattdessen die Herden der griechischen Truppen nieder. Als er wieder bei Sinnen ist, hält er die Schmach über seine irre Tat nicht aus und bringt sich selbst mit Hektors Schwert um. Aus Aias’ Blut entspringt eine Blume, deren Blätter die Anfangsbuchstaben seines Namens ΑΙ zeigen, was zugleich ein Ausruf der Trauer ist. Gegen den Wunsch des Teukros verweigern Agamemnon und Menelaos dem Toten das Begräbnis, bis Odysseus sie endlich umstimmen kann. Als Teukros nach Salamis zurückkehrt, verwehrt ihm sein Vater Telamon, an Land zu gehen, weil er ihn für
60 HABERMEHL 1997A, 38 f. 61 D.L. 2,3,12 f.: κἀκείνων κἀµοῦ πάλαι ἡ φύσις κατεψηφίσατο […] ᾔδειν αὐτοὺς θνητοὺς γεννήσας. Übers. JÜRSS 1998, 150.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
mitschuldig an der Behandlung des Aias hält oder für zu feige, um etwas dagegen unternommen zu haben.62 Das Motiv des hieronymianischen Exemplums ist damit klar: der Ausspruch, sciebam me genuisse mortalem, stammt jeweils von einem Vater, der einen Sohn verloren hat. Das Doppel-Exemplum passt daher dazu, dass Hieronymus das Verhältnis des Nepotianus zu Heliodorus und auch zu ihm selbst in dem Schreiben mehrfach mit einer Vater-Sohn-Beziehung gleichsetzt.63 Der vorliegenden Textstelle folgen zudem weitere Exempla von Gestalten der griechischen und römischen Geschichte, von denen Hieronymus ausdrücklich erwähnt, dass sie ihre Söhne verloren haben – so etwa Perikles und Xenophon.64 Die Formulierung, wie der Kirchenvater sie hier gebraucht, ist Ciceros Tusculanae disputationes entlehnt.65 Das große literarische Vorbild des Mönches führt hier aus, dass Kummer (aegritudo) als das größte Übel überwunden werden kann, wenn man versucht, mögliche Anlässe durch eine Art Zweckpessimismus vorherzusehen und umfassend zu begreifen. Das Zitat wird dem Philosophen Anaxagoras von Klazomenai zugeschrieben, der auf diese Weise seine Gefasstheit zum Ausdruck gebracht habe, als ihm vom Tod seines Sohnes berichtet wurde.66 Wenig vorher im Text zitiert Cicero zu demselben Thema aus der verlorenen Tragödie Telamon des Ennius. Es handelt sich um die Reaktion des Titelhelden auf die Nachricht, dass sein Sohn nicht aus Troja zurückgekehrt ist: Ego cum genui, tum morituros scivi.67 Trotz der abweichenden Formulierung bei Ennius ist der Ausruf des Telamon mit dem des Anaxagoras inhaltlich beinahe deckungsgleich.68 Als Bindeglied zwischen beiden Zitaten gibt Cicero einen Ausspruch des Theseus aus einer verlorenen Tragödie des Euripides wieder: „Denn wie ich mich erinnere, von einem weisen Manne gehört zu haben, habe ich mir kommendes Leiden vorgestellt, den bitteren Tod oder die traurige Flucht in die Verbannung, oder auch sonst bedachte ich immer irgendein ungeheures Unheil, damit mich nicht, wenn zufällig etwas Widriges auf mich stürzen sollte, die plötzliche Sorge unvorbereitet zerfetzte“.69
62 Hom. Il. 7,161–310; 8,266–334; 9,622–657; 12,351–403; 13,169–205; 15,415–483 passim; Pi. I. 6,24–54; Pi. N. 3,36–39; 7,20–31; S. Aj. passim; Apollod. 2,6,4; 3,10,8. 12,6 f.; Epit. 5,4–7; E. Hel. 87–104 passim; Ov. met. 11,216–220; 12,620–13,398; Paus. 1,28,11; 8,15,6 f.; Hyg. fab. 89; vgl. SCHMIDT 1924, 221–226. 63 Hier. epist. 60,10,3. 6 (CSEL 54, 559 f.); vgl. epist. 60,7,3. 19,3 (CSEL 54, 556. 574). 64 Hier. epist. 60,5,2 f. (CSEL 54, 554 f.); vgl. Val. Max. 5,10 ext. 1 f.; D.L. 2,6,54 f. 65 Hierzu VEŠOVIC/PUTNIK 2009, 90 f., die fälschlicherweise annehmen, Hieronymus bediene sich in seinen Trostschreiben weitaus weniger paganer Traditionen als Ambrosius. 66 Vgl. Cic. Tusc. 3,30: Fuerat [sc. Euripides] enim auditor Anaxagorae, quem ferunt nuntiata morte filii dixisse: ‚sciebam me genuisse mortalem‘. 67 Cic. Tusc. 3,28 = Enn. scaen. 312 (VAHLEN 1928, 177). Zum Plural von murituri VAN DEN HOUT 1999, 500. 68 Durch cum genui betont Telamon, dass ihm die Sterblichkeit seiner Söhne schon bei ihrer Zeugung bewusst war; sciebam me genuisse mortalem sagt darüber nichts aus. 69 Cic. Tusc. 3,29: Nam qui haec audita a docto meminissem viro, / Futuras mecum commentabar miserias: / Aut mortem acerbam aut exili maestam fugam / Aut semper aliquam molem meditabar mali, / Ut, si qua invecta diritas casu foret, / Ne me inparatum cura laceraret repens. Übers. GIGON 1976, 197. Vgl. Plu. Moralia 112d.e; hierzu VEŠOVIC/PUTNIK 2009, 91.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Mit dem gelehrten Mann, so Cicero weiter, sei nämlich Anaxagoras gemeint, der Schüler des Euripides gewesen war.70 Einige Abschnitte später kommt er noch einmal auf Menschen zu sprechen, die als Beispiel dafür dienen sollen, mit welcher Haltung man den Verlust der eigenen Kinder nicht zu schwer nehmen müsse, und wiederholt in diesem Zusammenhang in stark verkürzter Form die drei Zitate des Telamon, des Theseus und des Anaxagoras: „Ebenso werden beim vorzeitigen Verlust von Kindern Beispiele angeführt, und der Schmerz derer, die dies allzu schwer nehmen, wird durch Beispiele Anderer gelindert. So bewirkt das Dulden Anderer, daß man das, was einem zustieß, für bedeutend geringer hält, als man es zuvor geglaubt hatte. [...] Dies erklärt auch jener Telamon: ‚Ich, als ich sie zeugte...‘ und Theseus: ‚Ich überlegte mir die kommenden Leiden‘ und Anaxagoras: ‚Ich wußte, daß ich ihn als einen Sterblichen gezeugt hatte.‘“71
Wie Cicero fasst Hieronymus die Exempla zusammen, zieht jedoch die beiden sehr ähnlichen Aussagen des Anaxagoras und des Telamon zu einem gemeinsamen Zitat zusammen. Das Euripides-Exemplum fällt dabei heraus, wohl weil es sprachlich und inhaltlich zu sehr von den beiden anderen abweicht. Hieronymus verbindet hier zwei Traditionen, die zu den klassischen Topoi der antiken Literatur zum Thema Trauer gezählt werden dürfen.72 Der Kirchenvater ist sich dessen offenbar bewusst, da er von einer semper laudata sententia spricht. Er gibt den Ausspruch als Zitat wieder, das an seine eigene anima gerichtet ist. So kann er es Heliodorus selbst überlassen, ob die Worte ihm Trost spenden, ohne dass Hieronymus sich einer Anmaßung schuldig macht, die der Onkel des Verstorbenen unter Umständen als zynisch hätte auffassen können – dies ist ein weiteres Indiz dafür, wie schwer die Aufgabe war, den Nachruf auf Nepotianus zu schreiben, und zugleich, mit welchem Geschick der Kirchenvater sie zu meistern wusste. Abgesehen davon, dass es unorthodox erscheinen mag, das Zitat einer Person in demselben Wortlaut einer zweiten Person zuzuschreiben, die etwas sinngemäß Ähnliches gesagt hat, ist für die Fragestellung dieser Arbeit die Verbindung von mythischem Exemplum mit einem historischen von Interesse, die Hieronymus beide jeweils gleichrangig behandelt.73 Eine Abstufung in der Wertigkeit zwischen historia und fabulae ist nicht erkennbar. In der Mitte des Trostschreibens unternimmt Hieronymus den Versuch, den Bischof dazu zu motivieren, seiner Trauer nicht zu sehr nachzugeben, da er eine Vorbildfunktion in der Gemeinde habe und allzu offen gezeigte Trauer als Verzweiflung 70 Cic. Tusc. 3,30; D.L. 2,3,10. 71 Cic. Tusc. 3,58: Similiter commemorandis exemplis orbitates quoque liberum praedicantur, eorumque, qui gravius ferunt luctus aliorum exemplis leniuntur; sic perpessio ceterorum facit, ut ea quae acciderint multo minora quam quanta sint existimata videantur. [...] atque hoc idem et Telamo ille declarat: ‚Ego cum genui...‘ et Theseus: ‚Futuras mecum commentabar miserias‘ et Anaxagoras: ‚Sciebam me genuisse mortalem.‘ Übers. GIGON 1976, 221. 72 VAN DEN HOUT 1999, 500. Vgl. Sen. dial. 11,11,1; Val. Max. 5,10 ext. 3; Fronto p. 220,1; Ael. VH 3,2; Plu. Moralia 463d.e (de cohib. ira 16); 474d.e (Tranq. An. 16); Hist. Aug. Gall. 17,1. 73 Dass Hieronymus den Philosophen Anaxagoras mit dem gleichnamigen mythischen König von Argos verwechselt haben könnte, ist wohl auszuschließen; Paus. 2,18,4 f. 30,10.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
gegenüber Gott missverstanden werden könne.74 Im Zusammenhang damit zieht Hieronymus zwei weitere Exempla aus dem Bereich des Mythos heran: „Beim Dichter Naevius heißt es: ‚Die Sterblichen müssen viele Übel erdulden.‘ Daher hat sich das Altertum die Niobe ausgedacht, die, weil sie so viel weinte, in einen Stein verwandelt wurde, sowie andere Frauen in unterschiedliche Tiere, etwa die Hekabe in eine Hündin.“75
In der Erzählung, die dem ersten mythischen Exemplum zugrunde liegt, zeugt Niobe, die Tochter des lydischen Königs Tantalos, sieben Söhne und ebenso viele Töchter mit Amphion, dem Mitkönig von Theben. Sie ist sehr stolz auf ihre Kinder und rühmt sich, nicht nur mehr, sondern auch bessere Kinder als die Göttin Leto zu haben. Diese verlangt daher von ihren Kindern Apollon und Artemis, die Beleidigung zu rächen. Die beiden töten alle Kinder der hochmütigen Mutter bis auf zwei. Niobe wird daraufhin von ihrem Kummer überwältigt und kann nicht aufhören zu weinen. Sie kehrt nach Lydien zurück, wo sie auf dem Berg Sipylos in einen Stein verwandelt wird, der ohne Unterlass Tränen verströmt.76 Hekabe stammt vom Fluss Sangarios, dem heutigen Sakarya, der östlich des Bosporos in das Schwarze Meer mündet. Priamos, der König von Troja, heiratet sie, nachdem er sich von seiner ersten Frau Arisbe getrennt hat. Hekabe schenkt ihm viele Kinder, von denen Hektor und Paris die berühmtesten sind. Nach dem Fall Trojas wird sie Odysseus als Beute zugesprochen und kommt im Zuge seiner Heimreise zur thrakischen Halbinsel Chersones, wo sie erfährt, dass der dortige König Polymestor ihren Sohn Polydoros wegen seines Goldes ermordet hat. Nach Euripides wird zudem ihre Tochter Polyxena auf dem Grab des Achilleus getötet. Indem Hekabe vorgibt zu wissen, wo die verbliebenen Schätze Trojas seien, lockt sie Polymestor in ihr Zelt und blendet ihn, nachdem sie auch seine Söhne getötet hat. Hekabe wird daraufhin in einen Hund mit glühenden Augen verwandelt.77 Welche Mythen Hieronymus mit alias meinen könnte, ist nicht klar. Vielleicht denkt er an Kyknos, der aus Trauer um seinen Freund Phaethon zu einem Schwan wird, oder an Alkyone, die aus Trauer über ihren Mann Keÿx in einen Vogel verwandelt wird.78 Es ist durchaus auch denkbar, dass er hier lediglich den Eindruck erwecken will, er könne weitere Beispiele nennen, um seiner Aussage mehr Gewicht zu verleihen und seine eigene Bildung beeindruckender erscheinen zu lassen.
74 Hier. epist. 60,14,6 (CSEL 54, 568); hierzu VEŠOVIC/PUTNIK 2009, 90–98; vgl. epist. 39,3,4 f. (CSEL 54, 299). 75 Hier. epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567): Naevius poeta: ‚pati‘, inquit, ‚necesse est multa mortalem mala.‘ unde et Niobam, quia multum fleverit, in lapidem et in diversas bestias conversas alias ut Hecubam in canem commutatam finxit antiquitas. Vgl. Naev. com. 106. 76 Hom. Il. 24,602–617; Apollod. 3,5,6; D.S. 4,74,3; Ov. met. 6,148–312; Hyg. fab. 9. 11; Paus. 1,21,3; 2,21,9 f.; 8,2,5. 7; Q.S. 1,292–306; vgl. auch ENMANN 1902, 372–386. Die Zahl der Kinder variiert je nach Überlieferung. Die auffällige Felsformation, die an ihrer Spitze das Profil eines Frauenkopfes zeigt, kann heute noch ca. 30 km nordöstlich von Izmir im Spil-DağıNationalpark am Rand der Stadt Manisa besichtigt werden (BAtlas 56, E4: Sipylos Mons). 77 Pi. Pae. 8; E. Hec.; E. Tr.; Apollod. Epit. 5,23; Ov. met. 13,399–573; Hyg. fab. 91. 110 f.; Paus. 10,27,2; Q.S. 14,21–29. 210–328. 347–351; Tryph. 686–691; vgl. HÖFER 1890, 1878–1883. 78 Vgl. Ov. met. 2,367–380; 11,410–748.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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In den beiden konkret genannten Exempla werden Mütter von ihrem Schmerz über den Verlust der eigenen Kinder derart übermannt, dass sich daraus nachhaltige, negative Konsequenzen für sie ergeben. Der Bischof soll sich mit den Frauenfiguren identifizieren, um zu sehen, dass es verheerende Folgen haben kann, seiner Trauer allzu sehr nachzugeben. Die Folgen sind in beiden Fällen so nachhaltig, dass Niobe und Hekabe ihr Leben nicht weiterführen können. Das gewählte Bild ist zwar drastisch, aber eindrücklich. Hieronymus hat sich in der vorliegenden Stelle ein weiteres Mal aus den Tusculanae disputationes bedient. In der Absicht zu erklären, dass viele Formen der Trauer aus gesellschaftlichen Normen und Erwartungen entspringen,79 verbindet Cicero in einer Reihe von Beispielen für Personen, die sich durch ihre Trauer selbst geschadet haben, dieselben beiden Exempla: „Ebenso stellt man sich Niobe steingeworden vor, wohl wegen des ewigen Schweigens ihrer Trauer. Von Hekuba dagegen meint man, sie sei wegen der Bitterkeit ihrer Seele und ihres Hasses als in einen Hund verwandelt dargestellt worden.“80
Cicero macht auf Aspekte der Erzählungen aufmerksam, die Hieronymus in seinem Gebrauch der Exempla übergeht: Niobe sei zwar tatsächlich propter aeternum in luctu silentium zu einem Fels erstarrt, doch gibt Cicero durch die Parenthese credo einer gewissen Unsicherheit darüber Ausdruck, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen genau sie sich verwandelt habe. Tatsächlich schweigt die mythische Überlieferung zu dieser Frage weitgehend. Im Fall von Hekabe grenzt Cicero den Grund für ihre Verwandlung scharf von bloßer Trauer ab: Sie sei propter animi acerbitatem quandam et rabiem zu einer Hündin geworden. Der grundliegende Unterschied der mythischen Exempla zu Heliodorus’ Trauer über seinen Neffen ist vor allem die Schuld, die die Protagonisten beider Erzählungen auf sich geladen haben. Niobe zeigt eine Hybris gegen zwei Götter und ihre ebenfalls göttliche Mutter – im Grunde auch gegen Zeus als den Vater, auch wenn dieser in das Geschehen nicht involviert ist. Hyginus berichtet sogar detailliert, dass Niobe über die Männergewänder der Artemis und über die langen Haare sowie die Frauenkleider des Apollon spottet.81 Es handelt sich hier also um einen typischen Fall von Hochmut gegen die Göttlichkeit, der im Mythos stets hart bestraft wird. In Hekabes Fall ist nicht der Tod der eigenen Kinder als Strafe zu sehen, sondern erst die Verwandlung in eine Hündin. Die Mutter rächt den Tod ihrer Kinder und muss für diese Raserei mit der Metamorphose büßen. Zwar ist auch in diesem Mythos der Schmerz über den Verlust zentrales Motiv, doch ist es bei Hekabe eher Zorn als Trauer, der zu ihrem Handeln und damit zu ihrem Dasein als Hündin führt. Dieses Zwischenglied der Bluttat in der Kausalitätskette Verlust der Kinder, Schmerz, Rache und zuletzt Metamorphose fehlt in Niobes Fall. Ihre Verwandlung in Fels ist unmittelbare Folge ihrer Trauer. Genau genommen ist das Beispiel von 79 Vgl. Cic. Tusc. 3,64. 80 Cic. Tusc. 3,63: et Nioba fingitur lapidea propter aeternum, credo, in luctu silentium, Hecubam autem putant propter animi acerbitatem quandam et rabiem fingi in canem esse conversam. Übers. GIGON 1976, 225. 81 Hyg. fab. 9.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Hekabe also weniger geeignet, Heliodorus’ Situation in ein Bild zu kleiden, als das erste. Jedoch waren beide Exempla spätestens seit Cicero feste literarische Topoi zum Thema Trauer geworden,82 so dass sie letztlich dem Zweck durchaus dienlich sind, Heliodorus vor den negativen Folgen des allzu heftigen Trauerns zu warnen. Abschließend sei zum Vergleich ein variierter Gebrauch des Niobe-Exemplums durch Hieronymus herangezogen. Im 69. Brief, der zwischen 397 und 400, also nur wenige Jahre später, entstanden sein muss, wird Hieronymus von seinem stadtrömischen Freund Oceanus nach seiner Meinung in einer kirchlichen Angelegenheit gefragt: Der spanische Bischof Carterius hatte nach dem Tod seiner ersten Frau – die er vor seiner Taufe geehelicht hatte – erneut geheiratet. Da nach dem berühmten Paulus-Wort in 1 Tim 3,2 Bischöfen eine zweite Ehe verboten war, wurde Carterius’ Episkopat angefochten.83 Hieronymus vertrat nun die Ansicht, dass dieser durch seine Taufe wie jeder Täufling ein neuer Mensch geworden sei, die erste Ehe also in Hinblick auf seine Bischofswürde keine Gültigkeit mehr habe. Diese Haltung überrascht vor dem Hintergrund des hohen Wertes, den der Mönch der Ehelosigkeit in seinen übrigen Schriften beimisst. Dabei ignorierte er außerdem, dass der römische Bischof Siricius sich bereits 385 zu der gleichen Fragestellung gegenteilig geäußert hatte.84 Vielleicht schlägt sich hierin noch der Gegensatz zum DamasusNachfolger auf dem römischen Bischofstuhl nieder, der Hieronymus im selben Jahr zum Weggang aus Rom bewogen hatte. Das Thema bot immerhin Raum für Widerspruch, ohne dass er augenblicklich Gefahr lief, als Anhänger einer häretischen Glaubensrichtung gelten zu müssen. Um seine „merkwürdige Forderung“85 herzuleiten, gibt Hieronymus ein Gespräch wieder, das er angeblich mit einem namentlich nicht genannten vir eloquentissimus zu genau diesem Thema geführt hatte, als er noch in Rom weilte.86 Die Argumentation folgt dem Vorbild sophistischer Dialoge. Nachdem der Gegner zu Beginn des Gesprächs überlegen ist, kann Hieronymus das Blatt schnell wenden und schmückt den Moment seines Triumphes besonders aus, indem er beschreibt, wie sein Gegner ihm schließlich eine Antwort schuldig bleibe: „Er wollte nicht antworten. Ich brachte die Sache trotzdem erneut vor und stellte die Frage ein zweites und drittes Mal. Doch man hätte meinen können, man habe Niobe vor sich. Also wandte ich mich an die Zuhörer: ‚Es macht keinen Unterschied, werte Richter, ob ich meinen Gegner wach oder schlafend fessle, auch wenn es natürlich leichter ist, einen Ruhenden in Ketten zu legen als einen, der Widerstand leistet.‘“87
82 OSTER 2008, 469–471. 83 Hier. epist. 69,2,1 (CSEL 54, 680). Zu Oceanus CAVALLERA 1922/1, 175; PLRE 1, 636 s.v. Oceanus. Zur Datierung CAVALLERA 1922/2, 46. 158; WILLIAMS 2006, 288–294. 84 Siric. epist. 1,10 f. (PL 13, 1143 f.); hierzu CAVALLERA 1922/1, 175. 85 GRÜTZMACHER 1906, 48. 86 Hier. epist. 69,2,3 (CSEL 54, 680). 87 Hier. epist. 69,2,6 (CSEL 54, 682): respondere nolebat. ego tamen id ipsud ingerere et secundo ac tertio sciscitare. Niobam putares. verto me ad auditores: ‚nihil interest, o boni iudices, adversarium vigilantem an dormientem ligem, nisi quod facilius est quiescenti quam reluctanti vincula innectere.‘
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Im Folgenden nimmt Hieronymus dann den eigentlichen Faden seiner Argumentation wieder auf. Über die Erwähnung der Niobe hinaus verbirgt sich hinter der Bemerkung, adversarium vigilantem an dormientem ligem, sicherlich eine Anspielung auf die mythische Erzählung von Proteus, der im Schlaf von Menelaos und seinen Gefährten gefesselt wird.88 Während in diesem Fall die namentliche Nennung der Protagonisten gänzlich unterlassen ist und nur skizzenhaft einige wenige tragende Elemente der Handlung genannt werden, verfährt Hieronymus in der ersten mythischen Referenz gegenteilig, indem er allein den Namen nennt: Niobam putares. Selbst im Vergleich zu seinen sonst gewöhnlich knapp gehaltenen Referenzen fällt dieses Exemplum besonders kurz aus. Damit ist klar, dass Hieronymus davon ausgehen konnte, dass seiner Leserschaft die wesentlichen Züge des Niobe-Mythos geläufig waren. Seine Bemerkung ergibt freilich nur Sinn, wenn er auf ihren Zustand nach der Verwandlung anspielt: sein Gesprächspartner ist zu Stein erstarrt, weil er ihm die Antwort schuldig bleiben muss. Der Name Niobe musste also so eng mit dem Mythos über ihre Verwandlung verbunden sein, dass jeder, der diesen Brief zu lesen bekam, sofort die richtige Assoziation hatte. Der entscheidende Unterschied zur oben betrachteten Nennung Niobes ist nun, dass die angedeutete Versteinerung nicht den geringsten Bezug zu Gefühlen der Trauer hat. Der vir eloquentissimus stockt, weil ihm keine Argumente einfallen, und er bleibt regungslos, womöglich mit offenem Mund stehen. Der Anlass für die Metamorphose, der im Mythos in Niobes grenzenloser Trauer zu sehen ist, wird soweit abstrahiert, dass wie im vorliegenden Fall das Fehlen von Worten an dessen Stelle treten kann. Man könnte es mit der Wendung „zur Salzsäule erstarren“ vergleichen, die in unserem Sprachgebrauch ganz ähnlich auf solche Situationen angewandt wird – auch ohne dass wie im Fall von Lots Frau in Gen 19,26 die göttliche Anweisung besteht, sich nicht nach dem brennenden Sodom umzudrehen. Der kleine Vergleich an dieser Stelle zeigt, dass Hieronymus ein biblisches Äquivalent für das Niobe-Exemplum vorlag, so dass er von seinem Gegner hätte sagen können: statuam salis putares. Es scheint jedoch so, als ob er ein bzw. zwei mythische Exempla als angemessener und passender zum Modus seines sophistischen Dialogs empfunden hätte. Gewiss fühlte sich auch seine Leserschaft an das ciceronische Vorbild erinnert, so dass allein durch die Form des Textes das Assoziationsfeld klassische Literatur und heidnische Bildung betreten war. Trotz seiner genuin christlichen Fragestellung enthält der Dialog somit keine direkten Verweise auf Bibelstellen, sondern ist gespickt mit Referenzen auf pagane Überlieferung: einige Zeilen zuvor zitiert Hieronymus aus den Academica priora Ciceros die Lügner-Antinomie des Chrysippos: si mentiris, idque verum dicis, mentiris;89 Piso dient ihm als Exemplum; er zitiert Quintilianus, Martialis und Plautus.90 Lediglich auf 88 Hierzu unten 6.6.1.3. 89 Hier. epist. 69,2,4 (CSEL 54, 681). Vgl. Cic. ac. 2,75. 95–98; vgl. auch Hier. in Eph. 1,1. (PL 26, 463C–464A); tract. in psalm. I 115,11 (CCL 78, 241); hierzu HAGENDAHL 1958, 288; LARDET 1993, 134 f. 90 Hier. epist. 69,2,5 f. (CSEL 54, 681 f.); vgl. Cic. Pis. 1,1; Quint. inst. 8,5,18; Mart. 6,41; Plaut. Amph. 269.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
die fragliche Paulus-Stelle 1 Tim 3,2 nimmt Hieronymus einmal Bezug, deren Auslegung ja den eigentlichen Gegenstand des Gesprächs ausmacht. Erst im folgenden Kapitel des Briefes verlässt er, ohne es kenntlich zu machen, das Szenario des Dialogs und wendet sich dem Text des 1. Timotheus-Briefes zu. Gegenstand der mythischen Exempla ist hier jener vir eloquentissimus, der in dem kurzen Dialog als Gegner des Hieronymus dient.91 Einiges deutet darauf hin, dass das ganze Gespräch fingiert ist: die Tatsache, dass er nicht namentlich genannt wird; der philosophische Anstrich, den der Kirchenvater dem Text gibt; die zahlreichen Referenzen auf heidnisches Bildungsgut; die Wahl der Stadt Rom als Bühne für die Szene, die von allen Stationen seines Lebens den größten Bezug zur profanen Bildung und Wissenschaft hatte; der Umstand, dass Hieronymus den Dialog für sich entscheiden kann, obwohl er den Syllogismus seines Gegners argumentativ de facto nicht auflöst; und zuletzt das diffuse Ende des Szenarios, in dem der Dialogpartner recht unvermittelt keine Rolle mehr spielt. Somit darf man wohl annehmen, dass der Gesprächspartner ebenfalls keine reale Person war, sondern als Stellvertreter für Oceanus in einer durch Hieronymus antizipierten Diskussion fungierte. Auf diese Weise konnte der Kirchenvater recht schonungslos versuchen, ihn argumentativ bloßzustellen. Der sophistische Dialog bietet eine Folie, auf der Hieronymus vergleichsweise frei agieren kann, ohne seinen Freund direkt brüskieren zu müssen. Dazu gehören auch die zahlreichen paganen Referenzen, einschließlich der beiden mythischen Exempla, die zugleich dazu dienen, das Szenario zu gestalten und seine Leserschaft auf die richtige Textgattung einzustimmen.
6.3.1.4 Alles, was wir lesen, sind Geistergeschichten und fabulae Im Folgenden wird einer der seltenen Fälle zu betrachten sein, in denen sich letztlich wohl der Schluss aufdrängt, dass Hieronymus’ Argumentation, für die er mythische Exempla nutzt, fehlerhaft ist. In seinem 407 entstandenen Daniel-Kommentar92 legt er auch das 4. Kapitel des Buches aus, das dem Traum Nebukadnezars vom umgehauenen Baum gewidmet ist: Im Traum sieht der König Babylons, wie ein riesiger Baum, der bis an den Himmel reicht und unter dem alle Tiere Platz finden, von einem himmlischen Wächter bis auf die Wurzel abgeschlagen wird. Daniel deutet den Traum daraufhin so, dass der König wegen seiner Hybris sieben Jahre lang ohne Verstand und wie ein Tier in der Wildnis leben müsse. Wenn er am Ende die Allmacht des Höchsten anerkenne, werde er, da die Wurzel noch da sei, sein Königtum zurückerlangen. Schließlich wird Nebukadnezar von den Menschen ausgestoßen und Daniels Prophezeiung erfüllt sich.
91 Die Stelle ist also eigentlich dem Kapitel 6.6.1 zuzuordnen. 92 Zur Datierung COURTRAY 2004, 33–53; WILLIAMS 2006, 294–298.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Die Kommentierung der Passage eröffnet Hieronymus mit der Feststellung, dass der Sinn der Erzählung offensichtlich sei und eigentlich keiner großen Interpretation bedürfe.93 Diese lapidare Bemerkung ist wohl im Zusammenhang mit seiner Ankündigung zu Beginn der Schrift zu sehen, dass er anders als in den zuvor abgeschlossenen Kommentaren zu den zwölf kleinen Propheten (392–406) das Buch Daniel breviter darlegen und nur, um den Leser nicht durch eine zu große Textmenge zu überfordern, per intervalla solche Stellen erläutern wolle, die tatsächlich Verständnisschwierigkeiten böten.94 Allerdings gebe es Leute, fährt er in seinem Kommentar zum Traum vom abgeschlagenen Baum fort, die unter Hinzuziehung verschiedener anderer Bibelstellen in Nebukadnezar den Teufel sehen wollten.95 Sie zögen die Historizität der Erzählung in Zweifel, indem sie behaupteten, dass es einem Menschen unmöglich sei, sieben Jahre unter wilden Tieren zu überleben oder sich nur von Gräsern zu ernähren. Außerdem sei es kaum vorstellbar, dass der Thron sieben Jahre vakant bleibe, zumal in Erwartung der Rückkehr eines Herrschers, der den Verstand verloren habe; oder dass, falls es einen Nachfolger gegeben habe, dieser nach so langer Zeit freiwillig die Macht wieder hergeben würde. Außerdem gebe es keine Nachrichten über so etwas in der Geschichtsschreibung der „Chaldäer“; schließlich sei es unvorstellbar, dass sie so etwas Wichtiges übergangen hätten, wo sie sonst viel unwichtigere Dinge aufgezeichnet hätten. Da man all diese Dinge nicht als historisch stehen lassen könne, so sagten manche, müsse Nebukadnezar für den Teufel stehen.96 Neben dem Postulat der brevitas ist Hieronymus in seinem Daniel-Kommentar darum bemüht, sich an den buchstäblichen und historischen Sinn des Prophetenbuches zu halten. So weist er die skizzierte allegorische Auslegung des 4. Kapitels entschieden zurück: „Das kann ich nicht im Geringsten anerkennen, weil sonst alles, was wir lesen, als Geistergeschichten und fabulae zu betrachten ist: Denn wer will nicht einsehen, dass wahnsinnige Menschen wie wilde Geschöpfe auf Feldern und in Wäldern leben können? Und – alles andere beiseite – weil die griechische und die römische Geschichte den Menschen überliefern, dass sich viele, noch unglaublichere Dinge ereignet haben sollen – wie etwa die Skylla und die Chimäre, die Hydra und auch die Kentauren, Vögel und wilde Tiere, Pflanzen und Bäume, Sterne und Steine, von denen die fabulae erzählen, dass sie aus Menschen gemacht wurden –, wie kann man sich da wundern, dass durch Gottes Ratschluss solche Dinge zum Beweis seiner Macht und zur Erniedrigung hochmütiger Könige geschahen?“97 93 Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 809). 94 Hier. in Dan. prol. (CCL 75A, 775). Offenbar reagiert er hiermit auf Kritik; vgl. in Is. 11 praef. (VL 30, 1175); hierzu COURTRAY 2007, 126. Zu den Datierungen WILLIAMS 2006, 281–298. 95 Lk 10,18; Offb 12,9; Jes 14,22; hierzu auch oben 5.2. 96 Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810). 97 Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810 f.): Quod nos nequaquam recipimus, ne omnia quae legimus videantur umbrae et fabulae: quis enim amentes homines non cernat instar brutorum animantium in agris vivere locisque silvestribus? et – ut cuncta praeteream – cum multa incredibiliora et graecae et romanae historiae accidisse hominibus prodiderint, Scyllam quoque et Chimaeram, Hydram atque Centauros, aves et feras, flores et arbores, stellas et lapides factos ex hominibus narrant fabulae: quid mirum est si, ad ostendendam potentiam Dei et humiliandam regum superbiam, hoc Dei iudicio sit paratum? Vgl. COURTRAY 2007, 129 f.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Der erste Satz der zitierten Passage stellt ein gewichtiges Argument dar: In dem Moment, in dem prinzipiell ein verborgener Sinn hinter dem buchstäblichen Wortsinn eines Textes gesucht wird, werden Tür und Tor für Spekulationen geöffnet. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass der Zugang zu einem verborgenen Sinn ebenfalls verborgen ist und der Weg zum Erkenntnisgewinn somit nicht nachvollziehbar ist. Man könnte daher nach modernen Maßstäben die mangelhafte Überprüfbarkeit der allegorischen Methode kritisieren. Zum anderen verlieren Texte grundsätzlich an Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit, wenn sie der Möglichkeit beraubt werden, allein das wortwörtlich Bezeichnete auszudrücken. Die allegorische Deutung von Dan 4, die Hieronymus hier so entschieden zurückweist, findet sich bei Origenes. Von dessen heterodoxen Lehren distanzierte sich der Kirchenvater in Bethlehem seit Beginn der unerfreulichen Kontroverse so deutlich, wie es ihm möglich war.98 Bemerkenswert ist dabei, dass er nicht auf logische Fehler in der dargestellten Argumentation eingeht. Denn würde man die rationalistischen Kritikpunkte an der Darstellung in Dan 4 anerkennen, wäre durch die Widerlegung der Historizität noch lange nicht der zwingende Beweis dafür erbracht, dass Nebukadnezar als Allegorie auf den Teufel stehe. Ebenso wäre der Hinweis auf die fehlenden Aufzeichnungen in der neubabylonischen Geschichtsschreibung als klassisches argumentum e silentio zu verwerfen. Hieronymus hält sich stattdessen – ganz im Sinne seines brevitas-Postulats – kaum an der Widerlegung einzelner Argumente auf. Der eingeschobene Einwand, dass die psychische Störung eines Menschen sehr wohl dazu führen könne, dass er fernab der Zivilisation lebe, wirkt recht verloren. Inhaltlich wird damit nur die Aussage des Daniel-Textes wiederholt und nichts zur Entkräftung des kritischen Hinweises auf die Versorgungsproblematik und die Gefahr durch Raubtiere gesagt. Der Kirchenvater legt das Gewicht seiner Argumentation auf die grundsätzliche Favorisierung der buchstäblich-historischen Lesart. Zu diesem Zweck zieht er in Hinblick auf ihre jeweilige Glaubwürdigkeit einen Vergleich zwischen der Erzählung vom Traum Nebukadnezars einerseits und der Gesamtheit der mythischen Überlieferung andererseits. Zunächst führt er einzelne Ungeheuer und Mischwesen des Mythos an, um dann geradezu detailverliebt verschiedene Lebewesen und Gegenstände aufzuzählen, in die Menschen in mythischen Erzählungen verwandelt worden sind. Zu den vier namentlich genannten Fabelwesen Skylla, Chimäre, Hydra und Kentauren treten sechs weitere solcher Exempla, die jeweils für eine ganze Gruppe von Mythen stehen.99 Sein Argument ist dabei sehr einfach: Weil die
98 Or. str. Fr. 9 = Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 811 f.); vgl. NAUTIN 1977, 295; COURTRAY 2007, 134 f. 99 Das Ende des Nebensatzes, factos ex hominibus narrant fabulae, bezieht sich auch auf die genannten vier. Zwar ist die Skylla ursprünglich ein schönes Mädchen gewesen, das durch Gift in das bekannte Scheusal verwandelt wurde (hierzu unten 6.6.2.4), doch sind sowohl Chimäre als auch Hydra durch die Ur-Ungeheuer Typhon und Echidna gezeugt worden. Die Kentauren kennen ebenfalls keinen Verwandlungsmythos. RÉGIS COURTRAY hat im Manuskript seiner Übersetzung dieser Textstelle, das er dem Vf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, einige Beispiele für Mythen zusammengetragen, auf die Hieronymus hier rekurrieren könnte;
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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griechische und römische Geschichte viel mehr und noch unwahrscheinlichere Dinge böten, könne man die Episode in Dan 4 nicht als unhistorisch verwerfen. Das ist wohlgemerkt nur eine relative Aussage über die Mythen, die lediglich besagt, dass die biblische Überlieferung im Vergleich mehr Glaubwürdigkeit besitze. Der Wahrheitsgehalt der Mythen ist damit also nicht absolut negiert. Mehr noch: Streng genommen funktioniert Hieronymus’ Argument sogar nur, solange die Historizität seiner mythischen Exempla angenommen wird. Würde er nämlich sagen, die Skylla hat es nie gegeben und es ist auch nie ein Mensch in einen Baum verwandelt worden, würden Kritiker einwenden können, dass es folglich auch Nebukadnezars Leben in der Wildnis mit seiner anschließenden Rückkehr auf den babylonischen Thron nicht gegeben haben müsse. Somit stünde Origenes’ Zweifeln an der Historizität der biblischen Erzählung nichts mehr entgegen. Dadurch, dass Hieronymus zufolge zwischen beiden verglichenen Corpora von Erzählungen nur ein relativer Unterschied besteht, muss auch bei beiden ein gewisses Mindestmaß an Glaubwürdigkeit gegeben sein. Denn quasi zu sagen, dass die Unwahrheit incredibilior ist als die Wahrheit, wäre so trivial, dass man die Aussage als absurd betrachten müsste. Gewiss kommt es Hieronymus in erster Linie darauf an, das Buch Daniel als historia aufzufassen, um es nicht zusammen mit der übrigen biblischen Überlieferung zu umbrae et fabulae degenerieren zu lassen, wie er am Anfang postuliert. Daher kontrastiert er den Propheten mit den heidnischen Mythen. Doch äußern sich seine Schwierigkeit mit der Argumentation auch in einer gewissen begrifflichen Unschärfe: Heißt es zu Beginn der Exempla-Reihe noch graecae et romanae historiae prodiderint, so heißt es an ihrem Ende in demselben Satz: narrant fabulae. Dennoch benutzt er mythische Exempla und erhebt sie damit expressis verbis zu historia, um mit ihrer Hilfe den Beweis zu erbringen, dass Dan 4 ebenfalls historia ist – wenn auch mit einem relativ höheren Grad an Glaubwürdigkeit. Hieronymus nimmt mit seiner Exempla-Reihe die allegorische Exegese des Nebukadnezar-Traums in die Kritik, da er in seinem Daniel-Kommentar die buchstäbliche und historische Ausdeutung bevorzugt. Abgesehen davon, dass es seiner Argumentation an Schlüssigkeit fehlt, besteht ein weiteres Problem darin, dass er zu allgemein argumentiert. So, wie Hieronymus formuliert, ist sein Argument tatsächlich auf omnia quae legimus zu beziehen. Das heißt wiederum, dass er an dieser Stelle die Methode der allegorischen Exegese in ihrer Gänze ablehnt. Auf sein ei-
zu Menschen, die in Vögel verwandelt werden, Ov. met. 2,367–380 (Kyknos); 5,539 ff. (Askalaphos); 6,426 ff. (Prokne und Philomele); 11,410–748 (Alkyone); zu Verwandlungen in wilde Tiere Ov. met. 1,196 ff. (Lykaon); 2,409 ff. (Kallisto); 3,151 ff. (Aktaion); zu Pflanzen Ov. met. 3,509–510 (Narkissos); 4,206–270 (Klytia); zu Bäumen Ov. met. 10,106 ff. (Kyparissos); zu Sternen Ov. met. 15,746 ff. (Caesar); zu Steinen Ov. met. 2,676 ff. (Battos); 2,710–835 (Aglauros); 14,698 ff. (Anaxarete). Andere Mythen, die hierunter zu fassen sind, spricht Hieronymus an anderer Stelle direkt an; Atalante: Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C); hierzu unten 6.4.2.1. Adonis: in Is. 18,65,3 (VL 36, 1828); in Ezech. 3,8 (CCL 75, 99–101); epist. 58,3,5 (CSEL 54, 532); hierzu oben 5.6. Hyakinthos: adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284B). Daphne: in Ezech. 14,47 (CCL 75, 723). Daphne/Heliaden: in Ion. 2,2 (FC 60, 146); hierzu oben 6.2.1.3. Niobe: epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567); 69,2,6 (CSEL 54, 682); hierzu oben 6.3.1.3.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
genes Werk bezogen würde das eine Revision seiner bisherigen exegetischen Tätigkeit bedeuten, die durch die allegorische Arbeitsweise seiner Vorläufer geprägt war. Auch in späteren Kommentaren hat Hieronymus nicht auf allegorische Deutungen verzichtet, selbst im Daniel-Kommentar kommen sie zur Anwendung.100 Wie ist es also zu bewerten, dass Hieronymus sich hier so grundlegend selbst widerspricht? Es wäre mit Sicherheit verfehlt anzunehmen, dass eine grundsätzliche Ablehnung der Allegorese und Revision der eigenen Arbeit vorliegt. Ebenso darf man die oben gezeigten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Frage nach der Historizität der Mythen nicht als eine Konzession an die pagane Überlieferung auffassen. Die Erklärung muss viel eher sein, dass Hieronymus es an Sorgfalt hat fehlen lassen. Sein eigenes Postulat, brevitas bei der Auslegung des Propheten Daniel walten zu lassen, hat er eingehalten. Vielleicht ist das auch mit einer gewissen Hastigkeit bei der Arbeit einhergegangen. Hieronymus hatte für die Kommentierung der zwölf kleinen Propheten – mit Unterbrechungen – 14 Jahre gebraucht. Nimmt man die Kommentare zu den neutestamentlichen Büchern hinzu, dauerte seine exegetische Arbeit bereits über 20 Jahre an. Zum Zeitpunkt des Daniel-Kommentars war er 60 Jahre alt und musste wohl befürchten, dass er nicht mehr alle Kommentare würde schreiben können, wenn er sein Arbeitstempo nicht erhöhen würde. Daher handelt es sich wohl bei den wenig überzeugend eingesetzten mythischen Exempla in der vorliegenden Textstelle um eine Nachlässigkeit, die aus dem Bemühen um einen kurzen Text und schnelles Vorankommen entsprungen ist.
6.3.1.5 Saturns Goldenes Zeitalter Der Prophet Jesaja beschreibt in der Ankündigung des messianischen Reiches in 11,6–8 den kommenden Zustand der Gerechtigkeit und des Friedens anhand einer Reihe Beispiele über die Eintracht von Fressfeinden aus dem Tierreich bzw. von Mensch und ihm gefährlichen Tieren: „Und der Wolf wird beim Lamm weilen und der Leopard beim Böckchen lagern. Das Kalb und der Junglöwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Junge wird sie treiben. (7) Kuh und Bärin werden weiden, ihre Jungen werden zusammen lagern. Und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. (8) Und der Säugling wird spielen an dem Loch der Viper und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Otter.“
Im Kommentar zu der Textstelle spricht sich Hieronymus entschieden für eine Auslegung des Textes in einem übertragenen Sinn aus, nach der das beschriebene Szenario eine Allegorie auf die zu erwartende Frucht eines tugendhaften Lebens im Zeichen Christi sei.101 Der Mönch hat die Arbeit am Jesaja-Kommentar im Jahr 408 aufgenommen, also sehr bald nach der Fertigstellung des Daniel-Kommentars. Von der rigorosen Ablehnung der allegorischen Exegese ist hier nichts mehr zu spüren – im Gegenteil: Seiner eigenen Deutung stellt er die der Iudaei et nostri iudaizantes 100 COURTRAY 2007, 129–133. GRAVES 2007A, 151, Anm. 27, weist darauf hin, dass Hieronymus mitunter selbst Nebukadnezar als den Teufel interpretiert. 101 Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 442).
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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gegenüber, die unzulässiger Weise eine Interpretation der Stelle nach dem Wortsinn folgen.102 Damit verwirft er jedoch nicht grundsätzlich die historisch-wörtliche Deutung alttestamentarischer Texte, die er sonst in seinen exegetischen Werken neben die Interpretation iuxta tropologiam stellt, wo immer er Prophezeiungen in der Geschichte Israels zumindest teilweise erfüllt sieht.103 Lediglich das wörtliche Schriftverständnis in Hinblick auf Zukünftiges brandmarkt er als „judaisierend“ und wendet sich damit gegen die Vertreter des Millenarismus oder Chiliasmus, die die Ankündigung des tausendjährigen Reiches in Offb 20,1–6 wörtlich verstehen und entsprechende Stellen des Alten Testaments hierauf beziehen.104 So spottet er über die chiliastische Auslegung der Jesaja-Stelle: „Es sei denn, sie wollen uns mit aller Kraft – um mit den fabulae der Dichter zu sprechen – das Goldene Zeitalter des Saturn wieder herstellen, in dem Wölfe und Lämmer zusammen geweidet werden, Flüsse von honigsüßem Wein fließen, von den Blättern der Bäume süßer Honig tröpfelt und alles von Milchquellen gespiesen wird.“105
Hieronymus rekurriert auf die antike Einteilung der Menschheit in fünf Weltalter, die erstmalig von Hesiod fixiert worden ist: Das erste Goldene Geschlecht von Menschen lebt frei von Sorgen unter Kronos’ Herrschaft. Nach diesem wird ein silbernes Geschlecht erschaffen, das dem vorhergehenden weit unterlegen ist. Die Ehrung der Götter beachtet es nur wenig und wird von Zeus vernichtet. Es folgte das Kupferne Zeitalter, dessen Geschlecht sich fast ausschließlich Kriegen widmet und sich somit selbst auslöscht. Danach kommt ein Geschlecht von Halbgöttern, nach denen ihr Zeitalter das Heroische genannt wird. Das folgende Eiserne Zeitalter ist das gegenwärtige und das minderwertigste.106 Deutlich drückt sich im Mythos ein kulturpessimistisches Geschichtsbild aus. In der Kaiserzeit wurde die Ausgestaltung der Weltalter bei Ovid maßgeblich, der im Unterschied zu Hesiod das Heroenzeitalter auslässt.107 In Hieronymus’ Formulierung über das Zeitalter des Saturn sind deutliche Anklänge an die ovidische Beschreibung von der üppigen Fülle an köstlichen Nahrungsmitteln zu erkennen, die für jeden ohne die geringste Anstrengung verfügbar sind: „Schon flossen Ströme von Milch, schon Ströme von Nektar dahin, und von den grünen Steineichen träufelte goldener Honig.“108 Die Motive sind deutlich wiedererkennbar. Zwischen 102 Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 442). 103 GRAVES 2007A, 144–146. 104 Ebd. 150–152. Namentlich spricht Hieronymus damit Irenaeus von Lyon, Tertullianus, Victorinus von Pettau, Lactantius und Apollinaris von Laodikeia an; hierzu GRAVES 2007A, 156, Anm. 40. Vgl. auch Hieronmyus’ Überarbeitung von Victorin. Poetov. in apoc.; hierzu DULAEY 1988, 83–98; BUCHHEIT 1990, 21–35; FÜRST 2003, 117. Die Bezeichnung iudaizantes ist rein polemisch und sagt nichts über die jüdische Exegese aus; NEWMAN 2001, 421–452. 105 Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 443): nisi forte iuxta fabulas poetarum, aureum nobis Saturni saeculum restituent, in quo lupi et agni pascentur simul et mulso vino plena current flumina et de foliis arborum stillabunt mella dulcissima lacteisque fontibus omnia complebuntur. 106 Hes. Op. 106–201; Paus. 5,7,6; Nonn. D. 41,65 ff.; vgl. SEELIGER 1937, 375–430. 107 Ov. met. 1,89–112; 15,96–103; hierzu SEELIGER 1937, 387 f. 404 f. 108 Ov. met. 1,112 f.: flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant, / flavaque de viridi stillabant ilice mella. Übers. FINK 2010, 15.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
diese Aufzählung und die vorhergehende Nennung des Goldenen Zeitalters schiebt Hieronymus eine abgewandelte Wiederholung von Jes 11,6: habitabit lupus cum agno. Die Vermengung von mythischen und biblischen Bezügen wird noch enger verzahnt, da das Begriffspaar Milch und Honig, das hier vornehmlich als Bestandteil der Ovid-Rezeption erscheint, besonders prominent im Alten Testament auftritt und dort als verheißenes „Land, in dem Milch und Honig fließen“ (Ex 3,8), zu einem festen Topos eschatologischer Vorstellungen geworden ist.109 Indem Hieronymus hier jedoch die pagane Hoffnung auf eine Wiederkehr des Goldenen Zeitalters unter Kronos mit der Erwartung eines irdischen Paradieses gleichsetzt, wie es seiner Ansicht nach aus der „judaisierenden“ Auslegung von Jes 11 folge, will er natürlich letztere herabwürdigen. Offensichtlich hält er das Goldene Zeitalter des Mythos für irreal und albern, eben für fabulae poetarum, woraus folgt, dass auch ein wörtliches Verständnis der Verse nichts als fabulae ergebe. Der Befund ist spiegelverkehrt zu der oben betrachteten Stelle im Daniel-Kommentar, nach der gerade die allegorische Bibelauslegung zu umbrae et fabulae führe.110 Durch das besonders prominente Herausstellen der Aspekte Essen und Trinken aus der Beschreibung bei Ovid, die verglichen mit den eschatologischen Vorstellungen eines kommenden Reiches von Frieden und Gerechtigkeit banal wirken, erhält seine Bemerkung zudem einen deutlich ironischen Unterton. Damit steht der Kirchenvater in einer Tradition, die ihren Ursprung in der attischen Komödie hat. Beschreibungen des Goldenen Zeitalters wurden dort mitunter so zur Persiflage ausgestaltet, dass sie mit neuzeitlichen Schlaraffenlandvorstellungen vergleichbar sind. Der Athener Pherekrates beschreibt beispielsweise ein solches Szenario im Hades.111 Hieronymus gebraucht an dieser Stelle also den Verweis auf eine mythische Erzählung, um die Vertreter einer „judaisierenden“, chiliastischen Exegese abzuqualifizieren. Auch wenn es ihm vornehmlich um die Sache zu gehen scheint, ridikülisiert er sie wegen ihrer Interpretation, deren Wert seiner Ansicht nach den fabulae poetarum gleichkommt. Weiter unten in demselben Kommentar benutzt Hieronymus das Exemplum erneut und in ganz ähnlicher Weise. So bietet Jesaja in den Kapiteln 18 ff. im Wechsel Drohungen und Heilsversprechen für Israel.112 Hieronymus berichtet unter Rekurs auf verschiedene neutestamentliche Stellen113 von der chiliastischen Auslegung, nach der der Passus vom himmlischen Jerusalem handle: „Manche beziehen die Stelle da – sowie alle anderen, die in diesem Kapitel der Verheißungen enthalten sind – auf das Himmlische Jerusalem und auf die Umkehr seines Volkes, wenn man jenes ergänzt, was geschrieben steht: ‚Der Himmel und die Erde werden vergehen‘; andere [beziehen es] auf die Zeiten Elijas und sagen, dass er es selbst sei, von dem weiter oben geschrieben stehe: ‚Deine Augen werden deinen Lehrer sehen und deine Ohren werden ein Wort hinter dem Rücken dessen hören, der mahnt‘, und dass dann entsprechend den fabulae der 109 110 111 112 113
Hierzu RONNENBERG 2008, 140 f. Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810 f.). Pherecr. Fr. 113. 137 (= Ath. 6,268e–269e); vgl. SEELIGER 1937, 396 ff.; ZIMMERMANN 1997, 525. KOENEN 2007A, 3.1.2 Jesaja. Mt 13,43; Röm 8,19. 21; Offb 6,9 f.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Dichter und Saturns Goldenem Zeitalter von den Bergen und Anhöhen Flüsse von Milch fließen und reinster Honig von den Blättern der Bäume tröpfelt. Aber wer das annimmt, nimmt auch mit jüdischem Irrtum die fabula von den tausend Jahren für wahr sowie das Reich des Erlösers auf Erden, ohne zu verstehen, dass die Offenbarung des Johannes die vortrefflichen Sakramente der Kirche in der Oberfläche des Buchstabens einwebt.“114
Wieder benutzt der Kirchenvater das mythische Exemplum, um sich gegen das allzu wörtliche Verständnis der Schrift zu wenden. Er hebt vor allem auf den eschatologisch ausgerichteten Charakter des Jesaja-Textes ab und verknüpft ihn inhaltlich aufs Engste mit der Johannes-Offenbarung, die im Sinne des Chiliasmus auszulegen ein Fehler nach jüdischer Art sei. Gemeint ist natürlich nicht eine Auseinandersetzung jüdischer Exegeten mit der Apokalypse des Neuen Testaments, sondern erneut die sonst so genannten iudaizantes.115 Wieder zieht er die Schlussfolgerungen, die sich aus einer solchen Interpretation ergeben, dergestalt ins Lächerliche, dass er sie mit den schlaraffenlandartigen Zuständen des Goldenen Zeitalters des Kronos vergleicht, und erneut enthält seine Formulierung deutliche Anklänge an besagte Ovid-Verse, die in ihrer Aufzählung hier nicht einmal mit BibelReferenzen vermengt werden.116 Pagane Hoffnungen auf die Wiederkehr eines Goldenen Zeitalters unter der Herrschaft des Kronos scheinen für den Kirchenvater ein deutliches Signum für den error gentilium zu sein, so dass er sie im Vergleich zur Charakterisierung allzu naiver Vorstellungen seiner „judaisierenden“ Glaubensgenossen benutzen kann. Auch als er sich im Jahr 395 zu den Vergil-Centonen geäußert hatte, rekurrierte er auf die Saturnische Ära, um die theologischen Implikationen einer solchen Lyrik in die Kritik zu nehmen.117 Der Schluss liegt nahe, dass das Goldene Zeitalter des Kronos für ihn ein griffiges Sinnbild darstellt, das die Sinnlosigkeit paganer Heilserwartungen symbolisiert. Die als heterodox gebrandmarkte Position der Chiliasten wird in die Nähe des Heidnischen gerückt. Hieronymus erweist sich als Pragmatiker, indem er das gleiche Exemplum auch mit völlig gegenläufiger Intention nutzt. Im Jahr 393 bemüht er es in seiner Schrift gegen Iovinianus, der sich gegen die strenge christliche Askese ausgesprochen hatte: „Dikaiarchos hat in seinem Buch der Altertümer und seiner Beschreibung Griechenlands berichtet, dass unter Saturn, also im Goldenen Zeitalter, als der Boden alle Dinge hergab, niemand
114 Hier. in Is. 9,30,26 (VL 30, 1102): Quidam locum istum et omnia quae in hoc repromissionum capitulo continentur, ad caelestem referunt Hierusalem et ad reversionem populi eius, quando implebitur illud quod scriptum est: ‚Caelum et terra pertransibunt‘ [Mt 24,35], alii ad Heliae tempora, et ipsum dicunt esse de quo supra scriptum sit: ‚Erunt oculi tui videntes praeceptorem tuum,‘ et ‚aures tuae audient verbum post tergum monentis‘ [Vulg. Is. 30,21 f.]; tunc de montibus et collibus, iuxta fabulas poetarum et Saturni aureum saeculum lactis rivos fluere, et de arborum foliis stillare mella purissima. Quae qui recipiunt, mille quoque annorum fabulam et terrenum salvatoris imperium iudaico errore suscipient, non intellegentes Apocalypsin Iohannis in superficie litterae medullata ecclesiae sacramenta contexere. 115 GRAVES 2007A, 150 f., zählt 26 solcher Stellen. 116 Ov. met. 1,109–112; vgl. auch Jes 30,22. 117 Hier. epist. 53,7,3 (CSEL 54, 454); hierzu unten 6.6.2.4.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen Fleisch gegessen habe, sondern jeder von Früchten und Obst gelebt habe, die die Erde von selbst hervorbrachte.“118
Den dreibändigen Βίος Ἑλλάδος des Aristoteles-Schülers hat der Kirchenvater freilich nicht selbst gelesen, sondern offenbar aus seiner intensiven Beschäftigung mit Porphyrios geschöpft: „Among those who have concisely and exactly compiled accounts of Greek customs is Dicaearchus the Peripatetic. Expounding the ancient way of life of Greece, he says that the ancients were born close to the gods, they were the best in nature and lived the best kind of life, so as to be reckoned a race of gold in comparison with those of the present day who are made from base and valueless matter; and they killed no animate being. The poets, he says, offered this in evidence when they named them the golden race: they said that all good things ‚were for them; the corn-giving earth bore fruit / of itself in abundance, and they in gladness / and quiet managed their fields, with many goods around.’ Commenting on this, Dicaearchus says that was what life in the age of Kronos was like“.119
Der Philosoph berichtet, dass die Menschen des alten Griechenlands als Goldenes Geschlecht angesehen wurden, weil sie nichts Beseeltes aßen. Als Beleg dafür führt Porphyrios ein Zitat aus den Ἔργα καὶ ἡµέραι Hesiods an. Dikaiarchos deutet den Begriff vom Goldenen Zeitalter also rationalistisch und versteht Porphyrios zufolge das χρυσοῦν γένος als metaphorische Bezeichnung für frühere Generationen. Dieses distanzierende Moment lässt Hieronymus fallen und bezieht sich unter Berufung auf Dikaiarchos positiv auf das Goldene Geschlecht, um mithilfe dessen die christliche Askese gegenüber ihrem Kritiker Iovinianus aufzuwerten. Auf diese Weise macht er sich die „Kulturstufentheorie Hesiods“120 und den paganen Kulturpessimismus zu eigen bzw. folgt den Heiden in ihrer Verklärung der mythischen Vorzeit nicht nur, sondern steigert diese noch gegenüber Dikaiarchos und Porphyrios.121 Der Kirchenvater nimmt auch keine Akzentverschiebung gegenüber seinem Gebrauch im Jesaja-Kommentar vor, da er allein auf die kulinarischen Aspekte, das Schlaraffenlandartige, abhebt.
118 Hier. adv. Iovin. 2,13 (PL 23, 316A): Dicaearchus in libri Antiquitatum, et descriptione Graeciae, refert sub Saturno, id est, in aureo saeculo, cum omnia humus funderet, nullum comedisse carnes, sed universos vixisse frugibus et pomis, quae sponte terra gignebat. Hierzu HAGENDAHL 1958, 148; WIESEN 1964, 51 f.; OPELT 1973, 58. 119 Porph. Abst. 4,2,1–3: Τῶν τοίνυν συντόµως τε ὁµοῦ καὶ ἀκιθῶς τὰ Ἑλληνικὰ συναγαγόντων ἐστὶ καὶ ὁ περιπατητικὸς ∆ικαίαρχος, ὃς τὸν ἀρχαῖον βίον τῆς Ἑλλάδος ἀφηγούµενος, τοὺς παλαιοὺς καὶ ἐγγὺς θεῶν φησὶ γεγονότας, βελτίστους τε ὄντας φύσει καὶ τὸν ἄριστον ἐζηκότας βίον, ὡς χρυσοῦν γένος νοµίζεσθαι παραβαλλοµένους πρὸς τοὺς νῦν, κιβδήλου καὶ φαυλοτάτης ὑπάρχοντας ὕλης, µηδὲν φονεύειν ἔµψυχον. (2) Ὃ δὴ καὶ τοὺς ποιητὰς παριστάντας χρυσοῦν µὲν ἐπονοµάζειν γένος, ‚ἐσθλὰ δὲ πάντα‘, λέγειν, ‚τοῖσιν ἔην· καρπὸν δ´ ἔφερεν ζείδωρος ἄρουρα / αὐτοµάτη πολλόν τε καὶ ἄφθονον· οἳ δ´ ἐθεληµοὶ / ἥσυχοι ἔργ´ ἐνέµοντο σὺν ἐσθλοῖσιν πολέεσσιν‘ [Hes. Op. 116–119]. (3) Ἃ δὴ καὶ ἐξηγούµενος ὁ ∆ικαίαρχος τὸν ἐπὶ Κρόνου βίον τοιοῦτον εἶναι φησίν; Übers. CLARK 2000, 100 f.; hierzu COURCELLE 1969, 74. Vgl. Varro rust. 2,1,3 f. Zu Hieronymus und Porphyrios oben 4.3 sowie unten 6.6.1.4. 120 ALONSO-NÚÑEZ 1997, 204. 121 COURCELLE 1969, 74.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Man könnte einwenden, dass zwischen der Streitschrift und dem Jesaja-Kommentar mehr als 20 Jahre liegen, binnen derer ein Paradigmenwechsel bei Hieronymus stattgefunden habe. Anstelle einer Entwicklung zeigt sich jedoch eher der Pragmatismus des Kirchenvaters im Umgang mit dem griechischen Mythos, den er auch in anderen Bereichen zeigt. Lag ihm die innere Logik tiefgehender theologischer Fragen schon recht fern, wird er sich noch viel weniger um solche Kategorien in Bezug auf die fabulae poetarum geschert haben. Was hier Vorbild für das Handeln eines Christen sein soll, ist dort ein lächerlicher Irrtum in Bezug auf die christliche Heilserwartung.
6.3.1.6 Im Labyrinth der Mysterien Gottes Den Ezechiel-Kommentar, der im Anschluss an den Jesaja-Kommentar in den Jahren 410 bis 414 entstanden ist, hat Hieronymus in 14 Bücher unterteilt, denen jeweils eine an Eustochium gerichtete praefatio voransteht. Angesichts der Folgen der Einnahme Roms, die nicht zuletzt durch die ankommenden Flüchtlinge auch in Bethlehem bedrückend wurden, sowie seiner eigenen Altersleiden, die ihn quälten und in der Arbeit behinderten,122 zeichnen sich diese recht persönlich gehaltenen Einschübe in die eigentliche Exegese durch einen düsteren, pessimistischen Duktus aus. Das Vorwort zum letzten Buch nimmt dabei die Funktion eines Schlussteils ein, in dem Hieronymus seinen Kommentar resümiert, insbesondere in Hinblick auf seine Interpretation der Vision des messianischen Tempels.123 Dabei scheint er darum bemüht, mit seinen Worten sowohl der Größe und Bedeutung des Stoffes als auch seiner eigenen Stimmung gerecht zu werden: „Was ich schon zu Beginn von Ezechiels Tempel sagen musste, will ich nun in umgekehrter Reihenfolge am Ende sagen, eingedenk dieses Versleins: ‚hier auch der mühevoll errichtete Bau und die unentrinnbare Wirrsal der Gänge‘, von dem derselbe Dichter an anderer Stelle singt: ‚So wie einst im weiten Kreta das Labyrinth nach der Sage einen verschlungenen Weg durch dunkles Gemäuer ob seiner tausend Gänge in verwirrendem Trug verbarg, damit dort unbegreifliche, unauflösliche Täuschung die Zeichen wirkungslos machte, denen man folgen müsste‘. So habe auch ich mich in das Meer der Heiligen Schriften begeben und, wenn ich denn so sagen darf, in das Labyrinth der Mysterien Gottes, von dem geschrieben steht: ‚Er machte Finsternis zu seinem Versteck rings um sich her‘ und ‚Gewölk und Dunkel sind um ihn her‘. Nur wage ich es leider nicht, die vollendete Wissenschaft der Wahrheit für mich in Anspruch zu nehmen, sondern lediglich die Gewissheit zu haben, den Wissbegierigen ein paar Einblicke in die Lehre geboten zu haben: nicht durch meine Anstrengungen, sondern durch die Barmherzigkeit Christi, der für uns Umherirrende ‚wies selbst den Weg aus dem verwirrenden Gewinkel und lenkte mit dem Heiligen Geist im Dunkel die Schritte.‘ Im Folgenden wird nun der Zielhafen der Erklärungen zum Propheten Ezechiel erreicht werden, von denen dieses das letzte und 14. Buch ist.“124 122 CAVALLERA 1922/1, 316–320; GRÜTZMACHER 1908, 199–211. Zu den Fluchtbewegungen christl. Aristokraten demnächst RONNENBERG 2015B. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 298–301. 123 Ez 40–48. Vgl. NEUMANN 2006, 561. 124 Hier. in Ezech. 14 praef. (CCL 75, 677): Quod in principio templi Ezechielis debui dicere, nunc praepostero ordine in fine dicturus sum, illius versiculi memor: ‚Hic labor ille domus, et
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Hieronymus hatte im Ezechiel-Kommentar bereits zuvor wiederholt auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die er bei der Interpretation des messianischen Tempels (Ez 40–48) erwartete. Er zeigt sich ungewohnt verunsichert und geht sogar so weit, seiner Leserschaft zu empfehlen, die Wahrheit bei anderen zu suchen: si veritatem desiderat, quaerat ab aliis.125 Vor dem Hintergrund, dass er kurz zuvor noch hervorkehrt, dass in den exegetischen Werken seiner Vorgänger weitestgehend Schweigen zu diesem Thema herrsche,126 wirkt diese Bemerkung beinahe höhnisch. Auch in der praefatio zum 13. Buch, das bereits das mittlere der drei Bücher zur Tempelversion darstellt und mit Ez 42,1 einsetzt, betont er, dass er sich dem Stoff pro rei magnitudine nicht gewachsen fühle.127 Es macht den Anschein, als ob es nicht nur Bescheidenheitsfloskeln sind, die Hieronymus veranlassen, sich bei der Leserschaft für seine Arbeit vorsorglich zu entschuldigen. Auffällig sind die drei Vergil-Zitate, die hier in einer selten zu findenden Häufung auftreten. Sie alle beziehen sich auf das zweimal erwähnte Labyrinth bzw. die mythischen Erzählungen, die damit verbunden sind. Zunächst sei daher der Mythos in seiner gängigsten Ausgestaltung paraphrasiert: Pasiphae, die Tochter des Helios und der Perseis, ist die Gattin des kretischen Königs Minos. Weil dieser den Poseidon beleidigt, indem er ihm einen besonders schönen Stier als Opfer verweigert, lässt der Gott Pasiphae sich in das Tier verlieben. Von dem Baumeister Daidalos, der wegen eines Mordes aus Athen verbannt worden ist, lässt sie sich eine hölzerne, mit Fell bezogene Kuh auf Rädern bauen, in deren Hohlraum sie Platz findet, um darin ihre Leidenschaft mit dem Tier zu befriedigen. Infolgedessen gebiert sie den Asterios, der, weil er auf dem Körper eines Mannes den Kopf eines Stieres trägt, Minotauros genannt wird. Weil König Minos sich des Ungeheuers entledigen möchte, lässt er den Daidalos ein Verlies bauen, aus dem der Minotauros wegen der zahllosen, endlos verworrenen Gänge nicht mehr entkommen kann: besagtes Labyrinth.128 Berühmt ist im Zusammenhang damit vor allem ein zweiter Mythos, nach dem sich die Athener unter König Aigeus von Minos den Tribut haben aufzwingen lassen, alle neun Jahre je sieben junge Männer und Frauen nach Kreta zu entsenden, um sie dem Minotauros zum Fraß zu opfern. Als Theseus König von Athen ist, fährt er selbst als einer der 14 nach Kreta mit dem Ziel, das Ungeheuer zu töten, um die
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inextricabilis error‘ [Verg. Aen. 6,27]. De quo et in alio loco idem poeta decantat: ‚Ut quondam Creta fertur labyrinthus in alta / Parietibus textum caecis iter, ancipitemque / Mille viis habuisse dolum, qua signa sequendi / Falleret indeprensus, et irremeabilis error.‘ [Aen. 5,588–591] Ita et ego istarum Scripturarum ingressus Oceanum, et mysteriorum Dei, ut sic loquar, labyrinthum, de quo scriptum est: ‚Posuit tenebras latibulum suum‘ [Ps 18,12]; Et: ‚Nubes in circuitu eius‘ [Ps 97,2]: perfectam quidem scientiam veritatis mihi vindicare non audeo, sed nosse cupientibus aliqua doctrinae indicia praebuisse, non meis viribus, sed Christi misericordia, qui errantibus nobis, ...‚ipse dolos tecti ambagesque resolvit, / caeca regens Spiritu sancto vestigia‘ [Aen. 6,29 f.]; quem sequentes, ad portum explanationum prophetae Ezechielis pervenire poterimus, in quem extremus, id est, quartus decimus liber est. Verg.-Übers. FINK 2009, 245. 277. Hier. in Ezech. 12 praef. (CCL 75, 549). Hier. in Ezech. 11 praef. (CCL 75, 480); hierzu CAVALLERA 1922/1, 318. Hier. in Ezech. 13 praef. (CCL 75, 605). GRÜTZMACHER 1908, 206, bestätigt seine Selbsteinschätzung und beurteilt die Deutung des Tempels als „wilde allegorische Spielereien“. Apollod. 3,1,3 f.; D.S. 4,77,1–4; Paus. 3,26,1; Ov. met. 8,136–142. 157–173.
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Tributverpflichtung für immer aufzulösen. Dort verliebt sich Minos’ Tochter Ariadne in ihn. Da sie Sorge hat, dass Theseus – selbst für den Fall, dass er den Minotauros tötet – den Weg aus dem Labyrinth nicht zurückfindet, wendet sie sich an den Erbauer Daidalos. Auf seinen Rat hin gibt sie Theseus ein großes Fadenknäuel, das er mit einem Ende am Eingang des Labyrinths festbindet und dann sorgfältig auf dem Weg ins Innere abwickelt. Dort angekommen erschlägt er das Ungeheuer und findet anschließend mit Hilfe des Fadens seinen Weg zurück.129 Die Aussageabsicht des Labyrinth-Exemplums in der vorliegenden Textstelle liegt offen dar: Ezechiels Vision vom Tempel erscheint Hieronymus verworren und er sieht große Gefahr, dass er an ihrer Interpretation scheitern könnte, so wie das Labyrinth des Daidalos eine sichere Falle für jeden war, der es betrat. Das labyrinthus wird als das mythische Verlies des Minotauros eingeführt, so dass auch die zweite Nennung, die nicht in ein Zitat eingebunden ist, als eine Referenz auf den Mythos gelten muss. Es handelt sich hierbei nicht um den metonymen Gebrauch irgendeines Labyrinths, wie es in unserem Sprachgebrauch üblich ist und wie es sich auch beim Kirchenvater für die gut 30 Jahre zuvor entstandene Übersetzung von Eusebios’ Chronik belegen lässt.130 So erklärt Hieronymus in seinem Vorwort, dass die Spalten der verschiedenen Königsreihen (Assyrer, Hebräer, Ägypter etc.) zur besseren Übersicht in verschiedenen Farben angelegt seien, und wendet sich in diesem Zusammenhang an Schreiber, die damit betraut sind, Kopien anzufertigen: „Daher meine ich, folgenden Hinweis vorausschicken zu müssen: So wie die einzelnen Partien geschrieben werden, sollten auch die unterschiedlichen Farben übernommen werden – allerdings nicht, damit der Eindruck entsteht, aus sinnloser Genusssucht sei lediglich ein Augenschmaus erstrebt worden, und weil man die Langeweile des Schreibens scheute, webte man ein Labyrinth der Irrungen in den Text.“131
Lediglich die Vokabel intexere, einweben, könnte eine schwache Anspielung auf Ariadnes Faden darstellen, ansonsten ist die Labyrinth-Metapher hier ihres mythischen Bezugs im Wesentlichen beraubt. Die Wendung labyrinthus erroris erinnert bereits an den deutschen Begriff „Irrgarten“ und gerät damit zum Gattungsbegriff. Nicht so in der Textstelle des Ezechiel-Kommentars, die hier zu betrachten ist. Zwar hat Hieronymus sie zu Anfang des letzten der 14 Bücher platziert – seine Deutung des Tempels ist also noch nicht abgeschlossen –, doch schreibt er bereits mit Blick zurück auf den Kommentar. Aber so wie Theseus den Weg wieder herausgefunden hat, so hat schließlich auch er die Aufgabe erfolgreich gemeistert. Geschickt versteht er es, ein Lob auf seine eigene Leistung in einem mythischen Exemplum zu kaschieren. Abgesehen von der Ausführlichkeit, mit der er aus der Aeneis zitiert, fällt die eigentümliche Durchmengung mit christlichen Inhalten auf. 129 Apollod. 3,15,8; Epit. 1,8 f.; Plu. Thes. 15–19; D.S. 4,61,1–4; Verg. Aen. 6,20–30; Ov. met. 8,174–181; Paus. 1,27,10; 2,31,1; Hyg. fab. 40–42; Philostr.Jun. Im. 1,16; Serv. Aen. 6,14; vgl. auch HELBIG 1897, 3004–3011; HÖFER 1897A, 1778–1783; STEUDING 1924, 690–707. 130 Zu Eusebios’ Chronik oben 4.3.1. 131 Hier. chron. epist. (GCS Eus 7, 5): Unde praemonendum puto ut, prout quaeque scripta sunt, etiam colorum diversitate serventur, ne quis inrationabili aestimet voluptate oculis tantum rem esse quaesitam et, dum scribendi taedium fugit, labyrinthum erroris intexat. Übers. nach FÜRST 2003, 259.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Weitaus bemerkenswerter sind jedoch die beiden letzten Vergil-Verse, die im Text des sechsten Buches der Aeneis dem ersten Vers folgen, den Hieronymus zu Eingang der praefatio zitiert hat. Die beiden Zitate bilden den Rahmen der einleitenden Worte über seine Schwierigkeiten mit der Tempelvision. Sie stammen aus der Beschreibung des Bildschmucks an den goldenen Türflügeln des Artemis-Tempels in Cumae, den Daidalos nach geglückter Flucht aus Kreta errichtet haben soll: „Hier ist die widernatürliche Liebe zu einem Stier, ist Pasiphae zu sehen, durch Trug mit ihm gepaart, und das Mischwesen, ihr zwiegestalteter Sohn, der Minotaurus, der an ihre Wollust erinnert, hier auch der mühevoll errichtete Bau und die unentrinnbare Wirrsal der Gänge. Aber der großen Liebe der Königstochter erbarmte sich Daedalus, wies selbst den Weg aus dem verwirrenden Gewinkel und lenkte mit einem Faden im Dunkel die Schritte.“132
Zunächst hat Hieronymus in seinem Text Daidalos am Anfang von V. 29 ausgelassen und mit Hilfe des relativen Anschlusses an Christi misericordia durch Christus ersetzt, so dass dieser es ist, der „der Gänge Gewirr und die Listen des Baus“ löste. Ferner hat er Ariadnes filum durch den Spiritus sanctus ersetzt, der somit seinen irrenden Schritt aus dem mysteriorum Dei labyrinthum herauslenkte. Da Hieronymus’ Gebrauch der profanen Literatur recht gut erforscht ist, hat auch diese Stelle Beachtung gefunden und sein Vorgehen ist nicht zu Unrecht als „christianisation“133 bezeichnet worden. Vordergründig scheint der Fall eindeutig: Um ein profanes Zitat für den christlichen Zusammenhang zu ‚entschärfen‘, tilgt Hieronymus den mythischen Namen und ersetzt ihn so, dass das Zitat christlich erscheint. In seiner Apologie gegen Rufinus ersetzt er beispielsweise einmal den Ausdruck altus Apollo in einem Aeneis-Zitat: „So möge er es, der Vater, fügen, so auch großer Jesus, dass du den Zweikampf aufnimmst!“134 Im Exordium zum 46. Brief gibt er das geläufige Sprichwort sus Minervam docet in einer verkürzten Version wieder, in der er den Namen der Göttin durch den Ausdruck „Erfinderin der Künste“ ersetzt: sus artium reppertricem (ergänze: docet).135 In diesen Stellen wurde zuweilen einen Beleg dafür gesehen, dass Hieronymus mythische Namen aus seinen Texten löscht, um seine christliche Botschaft frei von heidnischen Elementen zu halten.136 Jedoch wird eine solche Intention zum einen durch die überwältigende Masse von Stellen widerlegt, an denen eine solche als Zensur verstandene Tilgung nicht stattgefunden hat. Zum anderen lassen sich die hier versammelten Fälle auch im Einzelnen entkräften: Für den einmalig getilgten Apollon-Namen lassen sich sieben Stellen anführen, in denen Hieronymus den Namen beibehalten
132 Verg. Aen. 6,24–30: hic crudelis amor tauri, suppostaque furto / Pasiphaë, mixtumque genus prolesque biformis / Minotaurus inest, Veneris monumenta nefandae; / hic labor ille domus et inextricabilis error; / magnum reginae sed enim miseratus amorem / Daedalus ipse dolos tecti ambagesque resolvit, / caeca regens filo vestigia. Übers. FINK 2009, 245. 133 LARDET 1993, 34. 134 Hier. adv. Rufin. 1,5 (CCL 79, 5): Sic pater ille Deus faciat, sic magnus Iesus. Incipiat conferre manum. Übers. nach FINK 2009, 501. Vgl. Verg. Aen. 10,875 f.: Sic pater ille deum faciat, sic altus Apollo, / incipias conferre manum. Hierzu HAGENDAHL 1958, 387; LARDET 1993, 34. 135 Hier. epist. 46,1,1 (CSEL 54, 329); hierzu ANTIN 1960, 49; NAUTIN 1984, 444. 136 GRIG 2012, 134 f.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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hat – wenn auch nicht im Rahmen von Vergil-Zitaten.137 Das Sprichwort vom Schwein, das die Athene unterrichtet, findet sich gleich an zwei Stellen in Hieronymus’ Schriften gegen Rufinus in derselben unverkürzten Form, wie es etwa auch sein heidnischer Zeitgenosse Symmachus gebraucht.138 Für alle diese Stellen gilt zudem, dass Hieronymus wohl davon ausgehen musste, dass seinem Lesepublikum die jeweiligen Vorlagen geläufig waren, so dass die damit verbundenen profanen Inhalte ohnehin durch die Zitate evoziert wurden. Ariadnes Faden durch den Heiligen Geist zu ersetzen, dürfte eher noch mehr Aufmerksamkeit auf den zugrunde liegenden Mythos gelenkt haben, auf die ja ohnehin deutlich genug angespielt ist. Besonders eindrücklich ist das in der vorliegenden Stelle, in der den zwei ‚christianisierten‘ Versen fünf Verse vorangehen, die unverändert sind. Ihre prominente Stellung im Text wird zudem durch die Signalwörter versiculus und idem poeta verstärkt, so dass von Kaschieren keine Rede sein kann. Ein Zitieren mit dem Ziel, das Zitat unbemerkt zu verwenden, würde zudem in solch einem Fall gar keinen Nutzen haben. Die ‚Christianisierung‘ der Verse findet in einem anderen Sinne statt: die profanen Zitate werden der christlichen Aussageabsicht nutzbar gemacht – in diesem Fall zur Illustration des schwierigen Verständnisses der Tempelvision Ezechiels.139 Durch das Verweben mit christlichen Elementen werden sie noch enger an die eigentliche Aussage gebracht, als entstammten sie demselben Sinnzusammenhang. Die Verflechtung wird verstärkt durch die Stellung der beiden Psalmenverse, die von Vergilversen eingerahmt werden und die ihrer Formulierung nach derart uneindeutig in den Text eingefügt sind, dass sie sich auch auf das mythische Exemplum vom kretischen Labyrinth beziehen ließen. Hieronymus nimmt hier durch die Ersetzung heidnischer Namen keine Distanzierung von den mythischen Inhalten vor, sondern vollzieht im Gegenteil eine Annäherung. 6.3.2 Referenzen mit positiver Aussageabsicht 6.3.2.1 Den inneren Feind mit Argusaugen beobachten Abschließend seien einige wenige Exempla betrachtet, in denen Hieronymus abstrakte Begriffe und bestimmte Sachverhalte mit Hilfe mythischer Referenzen positiv bewertet. Furia, eine junge clarissima aus Rom, hatte Hieronymus um Beistand gebeten, da ihr Vater sie drängte, gegen ihren Willen eine zweite Ehe einzugehen, 137 Hier. in Is. 12,41,21–24 (VL 35, 1309); adv. Iovin. 1,1 (PL 23, 221B); 1,41 f. (PL 23, 283A. 285C); hierzu unten 6.4.2; chron. a. Abr. 1949 (GCS Eus 7, 153); epist. 84,4,5 (CSEL 55, 126); epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80). 138 Hier. adv. Rufin. 1,17; 3,33 (CCL 79, 15. 103); Symm. epist. 1,3,2. Vgl. auch Cic. ac. 1,5,18; fam. 9,18,3; de orat. 2,233; hierzu OTTO 1890, 224 s.v. Minerva 1, Nr. 1118, m. weiteren Belegen. Über die genannten Stellen hinaus macht Hieronymus unter Weglassung des Trojanischen Pferdes eine Anspielung auf Cic. Mur. 37,78 in Hier. epist. 14,6,3 (CSEL 54, 52); hierzu OTTO 1890, 126 s.v. equus 7, Nr. 610. 139 Vgl. auch Hier. in Zach. 2 prol. (CCL 76A, 795).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
nachdem sie bereits nach kurzer Ehe ihren Mann verloren hatte, den Konsularen Probus.140 Sie selbst stammte aus einer angesehenen Familie und war mit Hieronymus’ Freund Pammachius und mit Blesilla verschwägert, der Tochter Paulas der Älteren.141 Für den frühen Tod Blesillas war in Rom ihre große Leidenschaft für die christliche Askese verantwortlich gemacht worden.142 Die dadurch aufgeheizte Stimmung innerhalb der Nobilität richtete sich auch gegen Hieronymus und war schließlich ein Auslöser für seinen Weggang aus Rom im Sommer 385.143 Dass Furia knapp zehn Jahre später den Kontakt suchte, auch ohne dass die beiden sich persönlich kannten, lässt darauf schließen, dass der Vorfall in Rom nicht unisono als sein Verschulden betrachtet wurde.144 In seinem Antwortschreiben bietet Hieronymus in der Hauptsache pragmatische Argumente gegen eine Zweitehe sowie praktische Ratschläge für ein Leben als Witwe im Zeichen Christi. Im 9. Kapitel des Briefes wendet er sich thematisch der Standhaftigkeit gegenüber Versuchungen zu. Die meisten Sünden wie Völlerei, Geiz und Hochmut werden von außen an uns herangetragen, so Hieronymus, und es sei leicht, ihnen zu widerstehen. Allein die Fleischeslust ist dem Menschen zum Zwecke der Vermehrung eingepflanzt und kann leicht zum Laster werden: „Daher erfordert es große Tugendhaftigkeit und unermüdliche Sorgfalt zu überwinden, was dir im Fleisch angeboren ist, also nicht fleischlich zu leben, den täglichen Kampf mit dir selbst aufzunehmen und deinen inneren Feind mit den hundert Augen des Argos zu beobachten, wie die fabulae berichten.“145
Der mythische Argos Panoptes, „der alles sieht“, hat in frühen Überlieferungen vier, später hundert Augen am ganzen Körper. Über seine Abstammung herrscht Unklarheit, Apollodoros referiert fünf verschiedene Versionen und weiß von verschiedenen Abenteuern im Stile des herakleischen Dodekathlos. So tötet Argos einen Stier, der in Arkadien gewütet hat und dessen Haut er fortan trägt; einen Satyr, der sich als Viehdieb verdingt, tötet er ebenfalls und erlegt außerdem das Ungeheuer Echidna. Berühmt ist jedoch der Mythos um Argos’ eigenes Ende: Als Zeus von seiner Frau Hera erwischt wird, wie er das Mädchen Io verführen will, verwandelt er sie in eine weiße Kuh und leugnet sie seiner Frau gegenüber. Hera beansprucht daraufhin das schöne Tier für sich selbst und beauftragt Argos, dem sie 140 Hier. epist. 54,4,3 (CSEL 54, 469 f.); 123,17,3 (CSEL 56, 95). Sextus Anicius Petronius Probus cos. 371? Vermutlich ein Sohn des Sextus Claudius Petronius Probus; vgl. PLRE 1, 736–740 s.v. Probus 5; FÜRST 2003, 180. Vgl. auch GRÜTZMACHER 1906, 179–182; CAVALLERA 1922/1, 185; FEICHTINGER 1995, 200. 141 PCBE 2,1, 878 s.v. Furia; PLRE 1, 375 f. s.v. Furia. 142 CAIN 2009B, 102–105; GRIG 2012, 129. 143 Entgegen VEŠOVIC/PUTNIK 2009, 98, war Hieronymus nicht „under attack by the pagan community of Rome“, sondern durch christliche Vertreter der Nobilität. 144 Hier. epist. 54,2,1 f. 3,1 (CSEL 54, 467 f.); 120,1,15 (CSEL 55, 479); GRÜTZMACHER 1906, 179–182; CAVALLERA 1922/1, 185; PLRE 1, 375 f. s.v. Furia; PCBE 2,1, 878 f. s.v. Furia. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 284–288. 145 Hier. epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475): grandis ergo virtutis est et sollicitae diligentiae superare, quod natus sis in carne, non carnaliter vivere, tecum pugnare cottidie et inclusum hostem Argi, ut fabulae ferunt, centum oculis observare. Übers. nach BKV² 16, 158. Vgl. 1 Kor 6,18.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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unbändige Kraft verleiht, Io zu bewachen. Da er immer nur zwei Augen schließen muss, um sich auszuruhen, hat er sie stets im Blick, egal wie er zu ihr gewendet ist. Um Io dennoch für Zeus stehlen zu können, muss Hermes Argos schließlich mit einer List töten. Hera gibt seine Augen daraufhin ihrem Vogel, dem Pfau, der sie fortan in seinen Schwanzfedern trägt.146 „Argusaugen“ sind im heutigen Deutsch wie in der Antike sprichwörtlich und stehen als Metapher für das unablässige im-Auge-halten einer Sache.147 Die vorliegende Stelle ist daher ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie selbstverständlich Hieronymus mythische Exempla einsetzt, um Sachverhalte zu kommentieren. Da Furias Libido wie bei jedem Menschen angeboren ist und sie sich diesen Impuls nicht nachhaltig abtrainieren kann, erfordert es unaufhörliche Wachsamkeit, ihm nicht nachzugeben. Das tertium comparationis im Mythos ist Io, die der Göttervater verführen möchte und in eine Kuh verwandelt hat, um sie vor seiner Frau zu verstecken. Dass Hera, die die Ränke ihres Gatten durchschaut, das Rind daher buchstäblich mit „Argusaugen“ bewachen lässt, hat jedoch mehr mit der Treue zu tun, die sie von Zeus erwartet, als etwa mit ihrer Sorge um die Keuschheit der Io. Dennoch ist das Exemplum, das sich auf die vielfältigsten Situationen anwenden ließe, geschickt gewählt, zumal es auch in der zugrunde liegenden Erzählung um das Verhindern geschlechtlicher Liebe geht. Die Beiläufigkeit, mit der „Argusaugen“ im deutschen Sprachgebrauch verwendet werden, ist bis zu einem gewissen Grad vergleichbar mit dem hieronymianischen Gebrauch des Exemplums.148 Zwar bringt der Kirchenvater das narrative Detail der Anzahl der Augen und weist auf den Ursprung in den fabulae hin – vielleicht um sein Bewusstsein darüber kenntlich zu machen, dass er damit den rein christlichen Bildungskanon verlässt –, doch scheint der Rekurs auf eine Erzählung, in der die heidnischen Götter Protagonisten der Handlung sind, für ihn keine Brisanz zu beinhalten.
6.3.2.2 Die Greife mögen sich beklagen In der Streitschrift gegen den Laienasketen Pelagius findet sich ein Exemplum, das nicht notwendigerweise als mythisches gewertet werden muss – nicht unbedingt wegen der nichtgriechischen Herkunft der Greife, sondern weil nicht sicher zu entscheiden ist, ob Hieronymus sie selbst den fabulae zuordnete. Pelagius stammte wohl aus Britannien und betätigte sich ab 380 wie Hieronymus als Mentor der christlichen Askese innerhalb der stadtrömischen Nobilität.149 Vor den Goten fliehend kam er über Nordafrika nach Jerusalem, wo er sich ab 146 A. Supp. 291–305; Apollod. 2,1,2 f.; Ov. met. 1,621–722; Hyg. fab. 145; Claud. 21,312 f.; Serv. Aen. 7,790; vgl. ENGELMANN 1886A, 537–539; ENGELMANN 1894A, 264–270. 147 OTTO 1890, 37 s.v. Argus, Nr. 162. 148 Zur zweiten Nennung des Argos Panoptes unten 6.5.1. 149 Die Rivalität wird am deutlichsten an dem Umstand, dass Pelagius 413/414 ebenfalls an Demetrias geschrieben hatte; vgl. Pelag. epist. ad Demetr. (PL 30, 15–45); Hier. epist. 130 (CSEL 56, 175–201); hierzu auch FÜRST 2003, 39. 206.
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411/412 im Umfeld des Bischofs Johannes von Jerusalem bewegte.150 Pelagius war ein Moralprediger, der die christliche Askese nicht allein einer mönchischen Elite nahebringen, sondern diese Ansprüche auf alle Christen übertragen wollte. Zu diesem Zweck propagierte er das Ideal der Sündlosigkeit: posse hominem sine peccato esse, si velit.151 Hieronymus widersetzte sich dieser Ansicht, begründete seine Ablehnung jedoch nicht etwa mit der Erbsünden-, Gnaden- und Prädestinationslehre eines Augustinus,152 sondern in der Hauptsache mit der Schwachheit (imbecillitas) des Menschen, die das Leben in Sündlosigkeit auf Dauer unmöglich mache. Hieronymus’ Haltung wird gemeinhin als semipelagianisch bezeichnet, da er dem Menschen immerhin das zeitweilige Vermeiden von Sünden zugesteht, wenn er achtsam und penibel ist: Qui cautus et timidus est, potest ad tempus vitare peccata.153 Die Versuche unter anderem des Orosius, Pelagius der Häresie zu überführen, scheiterten an der Entscheidung einer Synode am 20. Dezember 415 in Diospolis (Lydda) zu Pelagius’ Gunsten. Erst am 1. Mai 418 verabschiedete ein Konzil in Karthago mit der Unterstützung des Kaisers Honorius neun antipelagianische Canones, die von einer Exkommunikation des Pelagius und seines Anhängers Caelestius durch Bischof Zosimus von Rom flankiert wurden.154 Hieronymus’ Streitschrift gegen Pelagius aus dem Jahre 415 – die damit in die erste Phase der Anstrengungen gegen den Pelagianismus fällt – ist in Form eines fiktiven Streitgespräches nach dem Vorbild sokratischer Dialoge angelegt. Darin tritt ein gewisser Critobulus als Anhänger der pelagianischen Lehren auf und ein gewisser Atticus als Vertreter der Orthodoxie. Dieser begründet nun im 19. Kapitel der Streitschrift die Ansicht, dass es dem Menschen unmöglich sei, dauerhaft sündlos zu leben, unter anderem damit, dass die pelagianische Sicht die Verschiedenartigkeit der Geschöpfe ausblende. In letzter Konsequenz erhebe Critobulus den Menschen damit auf eine Stufe mit Gott. So nütze es nichts, sich über die verschiedenen Gnadenstände und darüber zu beklagen, dass man als Mensch und nicht als Engel geschaffen worden sei.155 Um seinen Punkt zu verdeutlichen, lässt Hieronymus den Atticus daher Beispiele von Kreaturen anführen, die ebenso Grund haben könnten, sich über die Gegebenheiten ihres Daseins zu beklagen: „Die Elefanten mit ihrer großen Masse und die Greife mit ihrem Gewicht mögen sich beklagen, warum sie auf je vier Füßen gehen, während Fliegen, Mücken sowie andere derartige Tiere unter ihren kleinen Flügeln je sechs Füße haben und es irgendwelche Würmchen gibt, die von so vielen Füßen wimmeln, dass der schärfste Blick die zahllosen Bewegungen nicht fasst.“156
150 151 152 153
Demnächst hierzu RONNENBERG 2015B. Hier. adv. Pelag. 1,1 (CCL 80, 6). Bspw. Aug. epist. 188,3. Hier. adv. Pelag. 2,24 (CCL 80, 87); vgl. ebd. 3,4 (CCL 80, 102); hierzu FÜRST 1995, 142. Zur Sündlosigkeit bei Hieronymus BARTELINK 1986, 23–32; BARTELINK 1988, 9–23. 154 Zu Pelagius STÜBEN 1998, 490–493; FÜRST 2003, 37–42. 155 Hier. adv. Pelag. 1,20 (CCL 80, 26 f.). 156 Hier. adv. Pelag. 1,20 (CCL 80, 26): Elephanti tantae molis, et gryphes in sua gravitate causentur cur quaternis pedibus incedant, cum muscae culicesque et caetera huiuscemodi animantia sub pennulis senos pedes habeant, et aliqui vermiculi sint qui tantis pedibus scateant ut innumerabiles simul motus nulla acies comprehendat.
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Für sein Exemplum setzt Hieronymus Tiere ein, die aus menschlicher Perspektive physische Extreme aufweisen. So stellt er den winzigen Insekten und Würmern große, schwere Tiere gegenüber.157 So wie sie mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen geschaffen wurden, ist der Mensch schwächer als die Engel oder Gott selbst und wird früher oder später sündigen, ob er will oder nicht. Hierbei handelt es sich um eine Variation des imbecillitas-Arguments, das unter einem schöpfungsgeschichtlichen Aspekt betrachtet wird. Abseits aller theologischen Probleme, die sich aus seiner Argumentation ergeben mögen, ist der Umstand bemerkenswert, dass er die gryphes gleichrangig mit den Elefanten und Wirbellosen als Teil der Creatoris artificis varietas versteht.158 Denn Greife sind fabelhafte Mischwesen, die den Körper eines Löwen haben, aber den Kopf und die Flügel eines Adlers. Ihre bildlichen Darstellungen sind nicht selten, doch im Mythos spielen sie im Grunde kaum eine Rolle, zumal sie nicht griechischen Ursprungs sind. So berichtet Herodot, dass die Kenntnis von den Greifen durch die Skythen vermittelt wurde, während andere Quellen auf ihre indische Herkunft verweisen. In Griechenland wurden sie bekannt, weil Aristeas von Prokonnesos im 6. Jh. v. Chr. berichtet hat, dass sie die Goldvorkommen im Gebiet der einäugigen Arimaspen bewachen.159 Daran, dass Hieronymus tatsächlich an die Fabelwesen denkt und nicht an gewöhnliche Geier wie in Lev 11,13 und Dtn 14,12, besteht kein Zweifel, da er über sie ausdrücklich sagt, dass sie wie die Elefanten quaternis pedibus incedant. Nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in der antiken geographischen und zoologischen Literatur sind Greife immer wieder ausdrücklich als ὄρνεα τετράποδα beschrieben worden.160 Warum stellt Hieronymus hier also ein mythisches Fabelwesen als Teil der Schöpfung Gottes dar? Vielleicht will er im Sinne des christlichen Universalitätsanspruchs und der Allmacht des Christengottes argumentieren. Auch in seinem Mönchsroman über den Eremiten Paulus werden der Satyr und der Kentaur als Geschöpfe Gottes ausgewiesen, um die Wesen des heidnischen Irrglaubens Christus unterzuordnen.161 Es hat jedoch vielmehr den Anschein, als ob Hieronymus Greife gar nicht als Fabelwesen, sondern schlichtweg als exotische Tiere betrachtete. Ob er ihre Heimat nun in Skythien oder Indien vermutete, über beide Gegenden besaß er nur rudimentäre Kenntnisse. Hinzu kommt, dass sich auch in der übrigen antiken
157 Die einzige konkrete Größenangabe über Greife bietet Ktesias bei Phot. cod. 72, der ihre Größe mit Wölfen vergleicht. Ansonsten werden sie gemeinhin als sehr kräftig beschrieben; mit ihren Schnäbeln etwa können sie Steinklumpen tragen. Es lag also nahe, sie sich sehr groß vorzustellen. Zudem gehörten sie wie Elephanten nicht zum alltäglichen Erfahrungshorizont der Menschen und waren wie die Rüsseltiere von bizarrer Anatomie. 158 Hier. adv. Pelag. 1,20 (CCL 80, 26). 159 A. Pr. 802–807; Hdt. 3,116,1 f.; 4,13,1 f. 27,1; Ctes. in Phot. cod. 72; Ar. Ra. 929; Plin. nat. 10,70; Apul. met. 11,24; Paus. 1,24,6; 8,2,7; Ael. NA 4,27; Philostr. VA 3,48; 6,1; vgl. STEUDING 1890A, 1767–1770; SELZER 1997, 87 f. 160 Ctes. in Phot. cod. 72 (PG 103, 217C); vgl. Ael. NA 4,27. 161 Hierzu oben 6.2.1.1.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Literatur keine Zweifel an ihrer tatsächlichen Existenz finden lassen. Selbst Herodot äußert sich lediglich skeptisch darüber, dass es mit den Arimaspen ein Volk geben solle, das einäugig geboren wird.162 Im Rahmen seiner imbecillitas-Argumentation gegen die Möglichkeit der dauerhaften Sündlosigkeit hebt Hieronymus die unterschiedlichen Fähigkeiten und körperlichen Gegebenheiten der verschiedenen Lebewesen hervor. Sein Exemplum, mit dem er eine positive Bewertung dieser diversitas vornimmt, ist in sich schlüssig. Es muss lediglich die Frage offen bleiben, ob Hieronymus bewusst war, dass Greife den fabulae angehören. Das Exemplum wäre in diesem Falle zwar nicht als mythisches zu betrachten, zeigt jedoch ein weiteres Mal, dass für Hieronymus eine Grauzone zwischen fabulae und historiae bestand. Wenige Jahre zuvor, wahrscheinlich 412, hatte Hieronymus die Greife schon in dem Brief an den jungen Asketen Rusticus aus Südgallien erwähnt, der oben bereits im Zusammenhang mit Hieronymus’ positiver Wertung des Brudermordes durch Romulus zur Sprache kam.163 Zu Beginn des Briefes erklärt Hieronymus, dass er dem jungen Mann zunächst nicht die Vorzüge des asketischen Lebens vor Augen führen wolle, von dem er ja bereits begeistert sei, sondern ihn mit einer Erörterung der Laster auf die Schwierigkeiten vorbereiten wolle.164 Einleitend hierzu beschreibt Hieronymus im dritten Kapitel des Briefes eine gefährliche und mühselige Schiffsreiseroute, die ihren Ausgang im Roten Meer hat, von wilden Völkern gesäumt ist und schließlich um Indien herum nach einem Jahr zum Ganges führt, wenn man Glück habe: „Dort entsteht der Karfunkel, der Smaragd und die weißglänzende sowie andere Perlen, für die die Eitelkeit edler Frauen brennt, und goldene Berge, die man als Mensch nicht betreten kann wegen der Drachen, Greife und Monster von ungeheurer Gestalt, die uns lehren sollen, was für Wächter die Habgier hat.“165
Was das Ganze solle, fragt er anschließend selbst und erklärt sogleich, dass, wenn weltliche Kaufleute schon für zweifelhafte und verderbenbringende Reichtümer solche Strapazen auf sich nehmen, man erst recht erwarten müsse, dass ein Kaufmann Christi für die kostbarste Perle ungleich mehr auf sich nehmen würde.166 162 Hdt. 3,116,2. 163 Oben 6.1.2. 164 Hier. epist. 125,2,1. 5,1 (CSEL 56, 120. 122). Nach SCHADES Übersetzung in BKV² 16, 386 führt Hieronymus auch in epist. 107,2,2 (CSEL 55, 292) den „Greifen“ als die Bezeichnung eines der Weihegrade im Mithraskult an. In der HILBERG-Edition ist jedoch nicht von gryphus, sondern von cryphius die Rede, das die latinisierte Form des griechischen κρύφιος ist und ‚geheim‘, ‚vergraben‘, ‚verborgen‘ bedeutet; vgl. ThLL 4, 1260,27–29 s.v. cryphia; ebd. s.v. cryphii. Überdies ist der Text hier ohnehin problematisch, da einige Hss. nymphus bieten; CSEL 55, 292, app. crit. Vgl. CLAUSS 1990, 138; BLOMART 1992, 624–632. 165 Hier. epist. 125,3,3 (CSEL 56, 122): ibi nascitur carbunculus, et zmaragdus et margarita candentia, et uniones, quibus nobilium feminarum ardet ambitio, montesque aurei, quos adire propter dracones et gryphas et immensorum corporum monstra hominibus impossibile est, ut ostendatur nobis, quales custodes habeat avaritia. 166 Hier. epist. 125,4 (CSEL 56, 122).
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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Hieronymus vergleicht also die Strapazen eines asketischen Mönchslebens mit denen einer Handelsreise in das ferne Indien. Innerhalb dieses Szenarios fungiert das Gold, das die Greife vor dem Zugriff der ortsansässigen Arimaspen bewachen, als Motiv für die Reisen der negotiatores saeculi. Hieronymus spielt mit den montes aurei auf die Nachricht des Aristeas an, ohne dass er die Arimaspen eigens erwähnt, und folgt dabei den Traditionen, die die Greife in Indien verorten. Die logische Ungereimtheit, wie es sein kann, dass Kaufleute solche Mühen für ein Gut auf sich nehmen, das sie nach Hieronymus’ eigenem Ausweis gar nicht in ihren Besitz bringen können, einmal beiseitegelassen, wird den Greifen zusammen mit den Drachen und den übrigen monstra eine gesonderte Funktion zugewiesen: Die Wächter der Bodenschätze dienen zugleich als Wächter der Habgier. In das eigentliche Exemplum der Indienreise ist somit eine davon unabhängige moralische Bemerkung eingeschaltet. Sicherlich ist custodes habeat avaritia dabei objektivisch zu verstehen, d. h. die Wächter bewachen nicht die Habgier – was keinen Sinn ergeben würde –, sondern sie sind es, „die uns vor der Habsucht bewahren wollen.“ Weil die avaritia eine Sünde ist167 und sie dem Menschen selbst schadet, gibt es also in den Goldbergen am Ganges, so Hieronymus, Greife, Drachen und andere Ungeheuer, die uns vor unserem eigenen Verderben durch die Sünde beschützen wollen – wohl indem sie drohen, uns physischen Schaden zuzufügen. Warum aber sollte es so eingerichtet sein, dass der Mensch vor seinen eigenen Fehltritten durch solche Wesen geschützt wird? Die Antwort kann hier vermutlich nicht anders lauten, als dass es Gottes Wille ist. Daraus folgt, dass der Kirchenvater die Greife hier als Wesen vorstellt, die nicht nur Teil der Schöpfung sind, sondern darüber hinaus von Gott als seine Werkzeuge eingesetzt werden. Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Bemerkung, ut ostendatur nobis, quales custodes habeat avaritia, einen stark parenthetischen Charakter hat, geradezu als ob Hieronymus spontan etwas dazu eingefallen sei. Die eigentliche Aussage an dieser Stelle des Textes bezieht sich auf die Unbilden der Reise bzw. des mönchischen Lebens. Es wäre daher verfehlt, der kleinen Ungeheuer-Episode zu große Bedeutung beizumessen und daraus die grundsätzliche These abzuleiten, dass Hieronymus mythische Wesen als Werkzeuge Gottes fungieren lässt. Zudem lässt sich auch hier nicht feststellen, ob Hieronymus die Greife für real hielt oder nicht. Warum sollte es solche Wesen nicht geben an einem Ort, der so weit entfernt war, dass man ein Jahr mit dem Schiff dahin brauchte! 6.3.3 Zusammenfassung Die mythischen Referenzen in Aussagen zu abstrakten Begriffen und bestimmten Sachverhalten bilden zwar zahlenmäßig die kleinste Kategorie im Opus Hieronymianum, weisen aber zugleich eine große Bandbreite von verschiedenen Arten des 167 Daher ist die Stelle eigentlich dem folgenden Kapitel 6.4 zuzuordnen. So bezeichnet Hieronymus bereits im Kapitel zuvor die Habgier metaphorisch als Charybdis und den Neid als Skylla; Hier. epist. 125,2,3 (CSEL 56, 120 f.).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Gebrauchs auf. Auch die Mythen, auf die der Kirchenvater rekurriert, sind unterschiedlichster Provenienz und bieten diverse mythische Figuren: vom Göttervater Zeus über den hundertäugigen Argos bis hin zu den schwimmenden Felsen am Bosporos, den Symplegaden. Diese Vielfältigkeit dürfte jedoch den recht offenen Kriterien geschuldet sein, nach denen die Kategorie in diesem Kapitel zusammengestellt ist. Die Textstellen weisen insgesamt eine große Heterogenität auf, so dass auch die Ergebnisse nur schwer auf einen Nenner zu bringen sind. Auch in dieser Kategorie überwiegen zahlenmäßig die Stellen mit negativer Aussageabsicht, d. h. es handelt sich um solche Exempla, die Hieronymus nutzt, um etwas kritisch zu kommentieren oder gegen etwas zu polemisieren. Mit den Symplegaden, den schwimmenden Felsen, die im Mythos an der Nordseite des Bosporos gegeneinander treiben, kleidet er zweimal ein Dilemma sehr sinnfällig in ein Bild, das die Alternative zweier Übel repräsentiert: zum ersten die angemessene Länge seiner Bibeltextauslegung und zum zweiten den Sachzwang gegenüber dem Schamgefühl in einer Frage der Sexualität.168 Die Irrfelsen-Metapher ist leicht verständlich und funktioniert durch den jeweiligen Kontext sogar ohne Kenntnis des Mythos. Zudem entspricht die Hilfestellung, die er durch den Heiligen Geist erfährt, dem Eingreifen Athenes bei der Durchfahrt der Argo. Indem Gott quasi an ihre Stelle tritt, erfährt die Erzählung eine interpretatio Christiana. Eine kritische Haltung gegenüber dem Mythos lässt der Kirchenvater nicht erkennen, zumal die Bewertung der Protagonisten im Mythos wie im Exemplum gleich bleibt. Überdies sind die συµπληγάδες beide Male ohne Sachzwang eingefügt, d. h. die Gründe für seine Entscheidung sind rein kosmetischer Natur: Zum einen konnte er seine Texte auf diese Weise ansprechender und lockerer gestalten und zum anderen universale Gelehrtheit demonstrieren. Auf den Mythos von Danae, in deren Verlies Zeus als Goldregen vordringt, rekurriert Hieronymus dreimal auf recht ähnliche Weise. Die erste Stelle, in der er den Diebstahl seiner Übersetzung eines Epiphanios-Briefes aus dem Haus seines Freundes Eusebius von Cremona beklagt,169 ist dabei im Sinne eines euhemeristisch-rationalistischen Mythen-Verständnisses aufzufassen, wonach Zeus sich nicht in Gold verwandelt, sondern die Bewacher der Danae mit Gold bezahlt hat. Die mythische Erzählung wird als Allegorie auf die Bestechung begriffen, die Rufinus und Johannes von Jerusalem geleistet haben sollen, um in den Besitz des Schriftstückes zu gelangen. Denselben Diebstahl kommentiert er sieben Jahre später erneut mit dem Verweis auf den Danae-Mythos, diesmal jedoch bezogen auf einen anderen Aspekt: Rufinus sei nur an dem gelegen, was Danaes Keuschheit gebrochen habe, nämlich Gold. Die zwei Verwendungen weichen also wegen der unterschiedlichen Akzentuierung in ihrem Gebrauch voneinander ab, obwohl der Anlass sowie das Exemplum beide Male dieselben sind. Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass die mythische Referenz auf eine Stufe mit Bezugnahmen auf die alttestamentliche Gehasi-Episode und den Judas-Verrat gestellt wird, ohne dass Hieronymus dabei eine Differenzierung in der jeweiligen Wertung erkennen lässt. 168 Hier. in Is. 4 praef. (VL 23, 397); adv. Iovin. 1,36 (PL 23, 271D). 169 Hier. epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507).
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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In der letzten Nutzung des Mythos vergleicht Hieronymus die kleine Pacatula mit Danae: Die junge Tochter des Gaudentius soll vor dem schlechten Einfluss leichtfertiger Mädchen geschützt werden wie im Mythos die Akrisios-Tochter vor dem Zugang durch Freier.170 Hieronymus verwendet das mythische Exemplum hier als rhetorisches Mittel, ohne sich gegen dessen heidnisch konnotierten Inhalt zu stellen. Der Kirchenvater nutzt mythische Exempla auch, um sich argumentativ gegen Trauer zu wenden. So weist er seinen Freund Bischof Heliodorus von Altinum, dessen junger Neffe Nepotianus kurz zuvor verstorben war, darauf hin, dass der Tod von Angehörigen etwas sei, womit man rechnen müsse, und übernimmt zu diesem Zweck ein Zitat aus Ciceros Tusculanae disputationes: „ich wusste, dass ich einen Sterblichen gezeugt habe“.171 Damit fasst Hieronymus zwei inhaltlich sehr ähnliche Aussprüche zusammen, die zum einen dem Philosophen Anaxagoras von Klazomenai und zum anderen Telamon zugeschrieben werden, dem mythischen König von Salamis und Vater des Troja-Helden Aias. Dabei ist vor allem die Gleichrangigkeit bemerkenswert, mit der die historische Persönlichkeit und die mythische Figur behandelt werden, geradezu als ob Hieronymus keinen Unterschied zwischen historia und fabulae macht. Im weiteren Verlauf des Briefes gebraucht er zwei weitere mythische Exempla, um Heliodorus vor den negativen Folgen allzu stark empfundener Trauer zu warnen: die zu Stein erstarrte Niobe und Hekabe, die über den Tod ihrer Kinder zur rasenden Hündin wird.172 Auch wenn Niobe durch ihre Hybris gegen die Göttin Leto eine Mitschuld am Tod ihrer Kinder trägt und Hekabe eher wegen ihres Zorns als wegen ihrer Trauer zur Hündin wird, funktionieren die Exempla gemäß Hieronymus’ Aussageabsicht, zumal sie geläufige Topoi der antiken Trauerliteratur waren. Dass in allen drei Fällen – also auch beim Anaxagoras-/Telamon-Zitat – mythische Exempla gewählt sind, in denen die Protagonisten den Verlust ihrer Kinder beklagen müssen, passt damit zusammen, dass Hieronymus durch das ganze Schreiben hindurch Nepotianus die Rolle eines Sohnes für Heliodorus und ihn selbst zuweist. Dasselbe Niobe-Exemplum gebraucht Hieronymus wenige Jahre später in einem fingierten Dialog über die Zweitehe eines Bischofs, dessen erste Eheschließung in die Zeit vor seiner Taufe fiel. In dem Moment, als Hieronymus den argumentativen Triumph davonträgt, stockt der Gesprächspartner und erstarrt, weil ihm die Worte fehlen: Niobam putares.173 Die mythische Referenz kommt ohne weitere Hinweise auf die Erzählung aus, Niobe musste also eine so bekannte Figur und zudem so eng mit ihrem tragischen Ende verbunden sein, dass Hieronymus’ Leserschaft klar sein musste, dass er auf ihre Versteinerung anspielte. Hinzu kommt, dass hier nicht Trauer das auslösende Moment ist, sondern Sprachlosigkeit. Das mythische Exemplum ist damit so weit abstrahiert worden, dass es auch ohne einen Anlass funktioniert, der dem Mythos entspricht. Überdies stand Hieronymus mit Lots Frau, die sich in Gen 19,26 nach dem brennenden Sodom umdreht und deshalb zur Salzsäule erstarrt, ein gleichwertiges 170 171 172 173
Hier. epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507); adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76); epist. 128,4,3 (CSEL 56, 160). Hier. epist. 60,5,1 (CSEL 54, 553 f.). Vgl. Cic. Tusc. 3,28–30. 58. Hier. epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567). Hier. epist. 69,2,6 (CSEL 54, 682).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Exemplum aus der Bibel zur Verfügung. Da er für die Erörterung der Frage nach der Zweitehe eines Bischofs allerdings einen sophistischen Dialog nach dem Vorbild Ciceros gewählt hatte, erschien ihm ein mythisches Exemplum offenbar passender zur Gestalt des Textes. In einem Fall nutzt Hieronymus eine ganze Reihe mythischer Exempla, um seine Auslegung von Dan 4 gegenüber der des Origenes zu verteidigen, wobei ihm jedoch Fehler unterlaufen. Der große Alexandriner hatte aus Zweifeln an der Historizität der Erzählung von der Einsiedelei König Nebukadnezars abgeleitet, dass es sich um eine Allegorie auf den Teufel handeln müsse. Hieronymus verzichtet auf den möglichen Einwand, dass dieser Schluss keineswegs zwingend ist, und zieht stattdessen einen Vergleich zwischen Dan 4 und den Mythen, die er mit einer Reihe von Beispielen für wundersame Verwandlungen einführt: Weil die griechische und römische Geschichte viel mehr und noch unwahrscheinlichere Dinge enthalte, könne man die biblische Episode von Nebukadnezar nicht als unhistorisch verwerfen.174 Da Hieronymus hiermit nur eine relative Aussage trifft, ist der Wahrheitsgehalt der Mythen letztlich nicht negiert. Aus seiner Argumentation ergibt sich zudem noch ein weiteres Problem, da er sie auf omnia quae legimus bezieht. Beim Wort genommen lehnt der Exeget damit nämlich die allegorische Bibelauslegung grundsätzlich ab. Das käme jedoch einer Revision seines bisherigen Schaffens gleich und widerspräche auch den allegorischen Auslegungen, die Hieronymus in den folgenden Jahren zu den übrigen Prophetenbüchern vornehmen sollte. Es handelt sich bei dieser Stelle um ein kleines Lehrstück, dass er nicht der systematische Denker war, bei dem sich jede Aussage in ihrer Gültigkeit auf das gesamte Werk übertragen lässt. Hieronymus war ein Pragmatiker, dem an dieser Stelle jene Argumentation recht kam. Weder ist daraus eine grundsätzliche Ablehnung der Allegorese noch eine grundsätzliche Bejahung der Mythen abzuleiten. Für die gegenteilige Argumentation, nach der gerade die historische Lesart zugunsten der allegorischen zu verwerfen ist, nutzt er in seinem Jesaja-Kommentar ein mythisches Exemplum. Der Prophet beschreibt im 11. Kapitel ein irdisches Paradies, das der chiliastisch ausgerichteten Exegese zufolge in tausend Jahren entstehen werde, so Hieronymus. Diese Erwartung setzt er mit der paganen Hoffnung auf eine Wiederkehr des Goldenen Zeitalters unter Kronos gleich. Nicht zuletzt durch das ironisierende Hervorkehren des Essens und Trinkens, wie er es in der Beschreibung bei Ovid vorfand, lässt er die chiliastischen Vorstellungen trivial und weltlich gesinnt wirken.175 Der Kirchenvater knüpft damit an eine Tradition der attischen Komödie an, in der Beschreibungen des Goldenen Zeitalters oft zur Persiflage ausgestaltet wurden, die an neuzeitliche Schlaraffenlandvorstellungen erinnern. Das aureum Saturni saeculum scheint ihm ein gutes Bild für die Sinnlosigkeit paganer Heilserwartungen zu sein, mit denen er heterodoxe Ansichten in Verbindung bringt. In seiner Streitschrift gegen Iovinianus erweist sich der Mönch jedoch erneut als Pragmatiker, indem er das gleiche Exemplum mit gegenläufiger Intention
174 Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810 f.). Vgl. Or. str. Fr. 9 = Hier. in Dan. 4,6 (CCL 75A, 811 f.). 175 Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 443); vgl. Ov. met. 1,109–112.
6.3 Mythische Referenzen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta
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als Argumentationsstütze für die christliche Askese nutzt. Auch im Goldenen Zeitalter haben die Menschen auf Fleisch verzichtet, erklärt er, ohne auf Porphyrios als seine Quelle hinzuweisen.176 Er nutzt die mythische Referenz also mit umgekehrter Wertigkeit, ohne eine Akzentverschiebung vorzunehmen: hier die lächerliche Heilserwartung der Heiden, dort das pagane Beispiel der Askese. In seinem Ezechiel-Kommentar räumt Hieronymus ein, dass er die Aufgabe, die Vision vom Tempel auszulegen, als äußerst anspruchsvoll empfindet. Die Gefahr, dass er an der Verworrenheit und schweren Verständlichkeit des Textes scheitern könnte, illustriert er durch ein Vergil-Zitat mit einer Referenz auf das mythische Labyrinth des Minotauros, das er unmittelbar danach als mysteriorum Dei labyrinthum wieder aufgreift, um es als Metapher für die Unergründlichkeit der Wege des Herrn zu nutzen.177 Da der Kirchenvater jedoch rückblickend schreibt, ist das Bild so zu begreifen, dass er wie Theseus erfolgreich den Weg durchs Labyrinth gefunden hat. So versteht er es, seine Leistung, den Text erfolgreich gedeutet zu haben, in ein mythisches Exemplum zu kleiden, ohne dass er allzu offensichtlich gegen das Gebot der Bescheidenheit verstößt. Zudem lässt sich an dieser Stelle beobachten, dass er klassische Zitate mit christlichen Inhalten verwebt, indem er beispielsweise Ariadnes Faden durch den Heiligen Geist ersetzt.178 Diese ‚Christianisierung‘ der Vergil-Verse dient jedoch keineswegs dem Kaschieren ihrer paganen Herkunft, sondern verwebt vielmehr die mythischen Inhalte noch enger mit der genuin christlichen Aussageabsicht. Zwar überwiegen die Gelegenheiten, bei denen Hieronymus mythische Referenzen mit negativer Intention einsetzt, doch sind auch solche Stellen fester Bestandteil seiner literarischen Arbeit, in denen er die Mythen nutzt, um Dinge positiv herauszustellen. Der jungen Furia schreibt Hieronymus von den Gefahren der Versuchung und hebt dabei besonders die Lust hervor, da sie dem Menschen als einzige Sünde angeboren sei. Aus diesem Grund müsse man diesen inneren Feind mit den hundert Augen des Argos beobachten,179 also große Wachsamkeit an den Tag legen. „Argusaugen“ waren in der Antike wie heute sprichwörtlich, so dass die Stelle recht deutlich zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit und Beiläufigkeit Hieronymus mythische Exempla nutzt. Durch den beinahe stereotypen Einschub ut fabulae ferunt macht er zwar kenntlich, dass er den christlichen Bildungskanon verlässt, doch ist damit kein wertender Vorbehalt gegen die pagane Herkunft der Erzählung oder ihre unmoralischen Elemente ausgedrückt. Gegen Pelagius’ Postulat der möglichen Sündlosigkeit des Menschen argumentiert Hieronymus unter anderem mit einem Lob der Unterschiedlichkeit der Geschöpfe, aus der ihre verschiedenen Gnadenstände resultierten. Daher könne der Mensch nicht wie Gott oder die Engel dauerhaft sündlos leben. Der Kirchenvater zieht zur Illustration einen Vergleich zu anatomischen Unterschieden im Tierreich, 176 Hier. adv. Iovin. 2,13 (PL 23, 316A); vgl. Porph. Abst. 4,2. In Hier. adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317B) berichtet er, dass Orpheus Vegetarismus propagiert habe; hierzu JOURDAN 2015, 206. 177 Hier. in Ezech. 14 praef. (CCL 75, 677); vgl. Verg. Aen. 5,588–591; Röm 11,33. 178 Verg. Aen. 6,27–30. 179 Hier. epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
in dem Elefanten und Greife ihre ganze Last auf vier Beinen tragen müssten, während den kleinen Insekten mehr Beine beschieden seien.180 Das Merkwürdige ist hier, dass er die Greife, die durch die Vierzahl ihrer Füße eindeutig als die Fabelwesen zu identifizieren sind, zusammen mit den übrigen Tieren als Teil der Schöpfung Gottes vorstellt. Entweder will er damit demonstrativ die Wesen des heidnischen Mythos dem christlichen Universalitätsanspruch unterordnen oder aber er hält Greife schlichtweg für exotische Tiere aus dem fernen Indien. Letzteres wird durch eine zweite Stelle gestützt, in der er einem jungen Mönch namens Rusticus die Unbilden des asketischen Lebens vor Augen führen will und dieses mit einer beschwerlichen Handelsreise nach Indien vergleicht. Dort erwarten die Händler unter anderem Greife, die den Zugang zum Gold in den Bergen unmöglich machen. Hieronymus interpretiert sein eigenes Exemplum sogleich dergestalt, dass sie die Menschen vor ihrer eigenen Gier bewahren.181 Damit werden die Fabelwesen nicht nur als Teil der Schöpfung, sondern überdies als Werkzeuge Gottes dargestellt. Insgesamt lässt Hieronymus in den hier betrachteten Stellen selten eine kritische Haltung gegenüber den Mythen erkennen, die zudem ausschließlich ihre Faktizität betrifft. Als es um Niobe, Hekabe und andere verwandelte Frauen geht, betont er, dass sie keine realen Figuren seien, indem er ausdrücklich über sie sagt: finxit antiquitas.182 An den übrigen Stellen, an denen er seine üblichen Floskeln wie iuxta fabulas poetarum,183 ut in fabulis legimus184 oder ut fabulae ferunt185 benutzt, lässt sich kaum entscheiden, ob die Vokabel fabulae schlicht sein gebräuchlicher Terminus für die Mythen ist, dessen Wortbedeutung in den Hintergrund getreten ist, oder ob er mit der Wortwahl zugleich auf ihre Fiktionalität hinweisen will. In vielen Fällen verzichtet Hieronymus sogar auf diesen Hinweis, wohl weil er ihm unnötig erscheint. Im Fall der Greife spricht überdies einiges dafür, dass ihm die Herkunft der Wesen aus den fabulae nicht bewusst war. Eine dezidiert ablehnende Haltung gegenüber den Mythen oder moralische Werturteile äußert Hieronymus jedenfalls nicht.
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Hier. adv. Pelag. 1,19 (CCL 80, 26). Hier. epist. 125,3,3 (CSEL 56, 122). Hier. epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567). Hier. in Is. 9,30,26 (VL 30, 1102). Hier. epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507). Hier. epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475).
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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6.4 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZU DEN SIEBEN HAUPTLASTERN In diesem Kapitel sollen solche Stellen im Werk des Hieronymus untersucht werden, an denen er eine mythische Referenz nutzt, um Handlungen bzw. Haltungen zu kommentieren, die sich auf die Missachtung genuin christlicher Normen beziehen. Der einzelne Verstoß wird gemeinhin mit dem Begriff Sünde bezeichnet, während die grundsätzliche Haltung, die sich in der wiederholten Abweichung von einer Verhaltensregel zeigt, Laster genannt wird. Doch trotz seines besonderen Interesses an der Befolgung solcher Regeln hat Hieronymus sich nicht um systematische Lasterkataloge bemüht, wie das andere Kirchenschriftsteller getan haben.1 Mit Gregor dem Großen sollte sich im 6. Jh. ein kanonischer Katalog von sieben Hauptlastern etablieren; er definierte die septem principalia vitia folgendermaßen: Eitelkeit, Neid, Zorn, Trägheit des Herzens, Habgier, Völlerei und Wollust.2 Nimmt man den Anachronismus hin, soll diese Einteilung als praktikable Arbeitsdefinition für dieses Kapitel dienen – zumal sie sich als durchweg anwendbar auf die Schriften des Hieronymus erweist. Ohne dass der Kirchenvater um die Wende zum 5. Jh. eine eigene, feste Begrifflichkeit entwickelt hätte,3 lassen sich die im Folgenden betrachteten Textstellen problemlos den einzelnen Hauptlastern zuordnen. Gewiss ist dabei zu erwarten, dass Hieronymus auf griechische Mythen rekurriert, um lasterhaftes Verhalten zu diskreditieren – zumal es der oben dargelegten Argumentation der Apologeten entspricht.4 An den 33 Stellen, auf die das zutrifft, treten ganz deutlich Hieronymus’ Lieblingsthemen hervor, nämlich zum einen die Askese in Bezug auf Speisen (also der Verzicht auf ventris ingluvies) und zum anderen die sexuelle Enthaltsamkeit (der Verzicht auf luxuria). Das vorliegende Kapitel ist das Ergebnis des Bemühens, die ursprünglich weitaus umfangreichere Kategorie des vorhergehenden Kapitels Mythische Referenzen in Aussagen zu abstrakten Begriffen und bestimmten Sachverhalten schärfer zu konturieren und schlanker zu gestalten. Die Herauslösung hat sich dabei als fruchtbar für die Betrachtung beider Gruppen herausgestellt. Mit 91 zugeteilten Stellen ist diese Gruppe die zweitgrößte. Es scheint also für Hieronymus das bevorzugte Themenfeld für mythische Referenzen zu sein, das nur der Beurteilung von Personen nachsteht.5 58 Exempla mit positiver Ausrichtung stehen dabei 33 Exempla mit negativer gegenüber, d. h. es gibt entgegen der oben formulierten Erwartung fast doppelt so viele Exempla, in denen er eine mythische Referenz nutzt, um den Verzicht auf lasterhaftes Verhalten zu loben, wie Exempla, in denen er Laster verurteilt. Es lässt sich daran also bereits ablesen, dass Mythos nicht per se mit dem Laster als 1 2
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Cassian. conl. 5,18,1; hierzu VÖGTLE 1950, 74–76 m. weiteren Belegen. Greg. M. moral. 31,45 (PL 76, 621A): Primae autem eius soboles, septem nimirum principalia vitia, de hac virulenta radice proferuntur, scilicet inanis gloria, invidia, ira, tristitia, avaritia, ventris ingluvies, luxuria. Hier. in Soph. 2,12–15 (CCL 76A, 693) kommt einem Lasterkatalog am nächsten; hierzu Zef 2,14 f.; vgl. Hier. in Hab. 2,3 (CCL 76A, 632 f.). Oben 2.2.1.2. Unten 6.6.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Negativum verbunden ist. Die Verbindung positives Exemplum/Tugendhaftigkeit einerseits und negatives Exemplum/Sündhaftigkeit andererseits ist jedoch starr, d. h., es liegen keine Fälle vor, in denen beispielsweise ein mythisches Exemplum dazu dienen würde, lasterhaftes Verhalten zu loben. Das ist nicht überraschend, verdient es aber, als Beobachtung festgehalten zu werden. Mit zwei Dritteln der betreffenden Stellen richtet sich Hieronymus gegen luxuria,6 die sich damit einmal mehr als eines der Themen erweist, die ihm besonders wichtig sind. Mit zehn Nennungen mythischer Figuren wendet er sich gegen inanis gloria, invidia, ira, tristitia, avaritia sowie gegen ventris ingluvies.7 Für die mythischen Exempla zum Lob tugendhaften Verhaltens fällt der Befund noch eindeutiger aus: Neben sieben Nennungen in Bezug auf die Enthaltsamkeit von Speisen steht die siebenfache Zahl zum Lob der Keuschheit.8 In diesem Zusammenhang ist die Streitschrift Adversus Iovinianum besonders hervorzuheben, der wegen ihrer Thematik alleine 49 Nennungen mythischer Figuren zufallen, die unter diese Kategorie fallen. 6.4.1 Referenzen mit negativer Aussageabsicht 6.4.1.1 Die Charybdis der Ausschweifung und die Skylla der Begierde Heliodorus, der oben bereits in seiner Eigenschaft als Onkel des Nepotianus in Erscheinung trat, hatte sich wie sein Freund Hieronymus während der gemeinsamen Zeit in Aquileia Anfang der 370er Jahre dem Mönchtum zugewandt.9 Während Heliodorus seinen Platz innerhalb der Gesellschaft sah, um dort auch als Priester tätig sein zu können – schließlich wurde er wenig später Bischof von Altinum –, plädierte der junge Hieronymus für die Abgeschiedenheit von der Welt. Der vorliegende Brief fällt in die erste Zeit seines Aufenthaltes auf dem Landgut Maronia im Jahr 375. Heliodorus, der Hieronymus auf die Reise in den Osten begleitet hatte, hatte bereits die Heimreise angetreten.10 In dem Brief fordert der Kirchenvater seinen Freund auf, er solle sich die Bedeutung des Wortes „Mönch“ klar machen, das sich von µοναχῆ, einzeln, allein, ableitet, und den Trubel der Masse ja gerade ausschließe. Hieronymus spreche schließlich als jemand, der selbst schon Schiffbruch erlitten habe, und fährt fort:
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Hier. in Is. 18,65,3 (VL 36, 1828); adv. Iovin. 1,7. 48 (PL 23, 229C. 292A–C); epist. 14,6,2; 22,18,2; 54,5,1. 9,1. 5 (CSEL 54, 52. 167. 470. 474); 123,13,1; 128,4,6 (CSEL 56, 87. 161). 7 Hier. in Gal. 3 (CCL 77A, 218); in Eph. 3 (PL 26, 561B); adv. Iovin. 2,17 (PL 23, 326B); epist. 107,10,2 (CSEL 55, 301); 125,2,3 (CSEL 56, 121). 8 Askese: Hier. adv. Iovin. 2,7. 13 f. (PL 23, 310B. 316A. 317B). Keuschheit: adv. Iovin. 1,41– 43. 45. 48 (PL 23, 282C–286B. 287C. 293A.C); epist. 123,7,1. 3. 13,1 (CSEL 56, 80 f. 88). 9 Oben 6.3.1.3. 10 CAVALLERA 1922/1, 35–37; DUNN 2012, 199–201. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 273–276.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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„In dieser Brandung verschlingt die Charybdis der Sinnlichkeit das Heil der Seele. Da lockt verführerisch mit jungfräulichem Munde die Skylla der Begierde zum Schiffbruch der Keuschheit. Hier liegt ein wildfremdes Gestade, dort lauert der Seeräuber Teufel, der mit seinen Genossen die Fesseln bereithält für die, welche er als seine Gefangenen ausersehen hat.“11
Hieronymus reizt das nautische Bildfeld aus und versieht die einzelnen Metaphern sogleich mit der zugehörigen Bedeutung. Diese Unmittelbarkeit, mit der er die Bedeutungsebene der Bildebene an die Seite stellt, ist in späteren Schriften seltener. Doch seien zunächst die mythischen Hintergründe zusammengefasst: Die Charybdis, eine Tochter des Poseidon und der Ge, ist ein Strudel an der Westseite der nördlichen Einfahrt in die Straße von Messina unterhalb des Vorgebirges Peloron. Durch einen Blitzstrahl des Zeus ist sie ins Meer geschleudert worden, weil sie die Rinder des Herakles geraubt hatte. Dort fristet sie ihr Dasein als Ungeheuer, das dreimal täglich das Wasser der Umgebung verschluckt und wieder ausspeit. Schiffe, die ihr zu nahe kommen, sind dem Untergang geweiht. Während die Argo sie unbeschadet umschiffen kann, verliert Odysseus bei seiner zweiten Durchfahrt ein Boot an sie.12 Passiert man die Meerenge jedoch mit zu großem Abstand, läuft man Gefahr, der Skylla zum Opfer zu fallen. Diese wohnt in einer Höhle gegenüber der Charybdis. Ursprünglich ist sie eine schöne Jungfrau gewesen, die sich der Liebe des Glaukos erfreut hat. Aus Eifersucht verwandelt Kirke sie in ein Ungeheuer, indem sie das Wasser an der Stelle vergiftet, an der Skylla im Meer badet.13 Fortan lebt sie als Scheusal mit zwölf Stummelfüßen sowie sechs langen Hälsen und Köpfen mit je drei Zahnreihen, jedenfalls nach der Beschreibung Homers. In bildlichen Darstellungen findet man sie zumeist als schöne, junge Frau, deren Körper in einem Schlangenleib endet. Etwa auf der Höhe der Hüfte entspringen ihr mehrere Hundeleiber. Sie bellt wie ein junger Hund (σκυλάξ) und schnappt aus der Höhle eines glatten Steilfelsens herab nach Beute im Meer. So verliert Odysseus bei der ersten Fahrt durch die Straße von Messina, die ihn schadlos an der Charybdis vorbeiführt, sechs Männer an die Skylla.14 Aeneas, der es vorzieht, Sizilien wegen der beiden Ungeheuer westlich zu umfahren,15 begegnet bei seinem Aufenthalt „im Rachen der Unterwelt“16 neben anderen Schauergestalten auch Scyllae biformes.17 Mit luxuria hat die Charybdis also dem Mythos nach eigentlich nichts zu tun und die Verbindung der Skylla zur libido beschränkt sich auf ihre Liebe zu Glaukos, die aber in der Erzählung von dem Motiv der Eifersucht Kirkes überschattet wird.
11 Hier. epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52): in illo aestu Charybdis luxuriae salutem vorat, ibi ore virgineo ad pudicitiae perpetranda naufragia Scyllaceum renidens libido blanditur; hic barbarum litus, hic diabolus pirata cum sociis portat vincla capiendis. Übers. nach BKV² 16, 284. 12 Hom. Od. 12,101–110; 12,234–244; A.R. 4,825 f.; Orph. A. 1251 ff.; Ov. met. 7,62–65; 13,730 ff.; Th. 4,24,5; Apollod. 1,9,25; Hyg. fab. 125. 13 Ov. met. 13,730–737; 14,1–74.; Hyg. fab. 125; 199. 14 Hom. Od. 12,73–100. 201–259. 15 Verg. Aen. 3,420–432. 16 Verg. Aen. 6,273: in faucibus Orci. Übers. FINK 2009, 261. 17 Verg. Aen. 6,286.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Ohnehin spielt Hieronymus in beiden Fällen auf den Zustand nach der Metamorphose an, in dem beide zu ortsfesten Monstren geworden sind, deren Handeln sich auf das Verschlingen vorbeifahrender Seeleute beschränkt. Hieronymus kommt es allein auf die Illustration der Gefahren der metaphorischen Seereise an, vor denen er Heliodorus warnen möchte. Auch der geographische Bezug zur Straße von Messina ist nicht gegeben, da dessen Reiseroute aus dem Osten ins heimische Norditalien auf dem Schiff durch die Adria führt und nicht an Sizilien vorbei. Dass Hieronymus’ Wahl für die beiden mythischen Referenzen auf Charybdis und Skylla fiel, ist wohl zum einen durch die nautische Allegorie an dieser Stelle bedingt und zum anderen durch die paarweise Zusammengehörigkeit der beiden Ungeheuer, die auch sonst in der antiken Literatur häufig gemeinsam genannt wurden. Zur Beliebtheit der Schiffsreisen-Metapher in der christlichen Literatur sei noch einmal an die Kreuzessymbolik von Mast und Rah erinnert:18 „Das Kreuz der Rah soll am Bug befestigt sein.“19 Bemerkenswert ist die Verbindung mit der christlichen Figur des diabolus,20 der als Pirat an fremden Gestaden darauf aus ist, Seelen einzufangen. Wie Charybdis und Skylla bezieht sich auch diese Metapher auf das Leben eines Mönches innerhalb der säkularen Gesellschaft. Dass Hieronymus die beiden unheilvollen Ungeheuer des Mythos mit dem Teufel assoziiert, zeigt, dass der Kirchenvater offenbar kein Problem darin sah, der christlichen Personifikation des Bösen Schreckgestalten des Mythos an die Seite zu stellen21 – was freilich daran liegen mag, dass es sich in beiden Fällen um negativ besetzte Figuren handelt. Teufel und mythische Ungeheuer gleichzusetzen, die ja ohnehin als dämonische Wesen betrachtet wurden, bot nach christlichem Verständnis keine Probleme. Rund 30 Jahre später gebrauchte Hieronymus dieselbe Charybdis-Skylla-Metapher noch einmal auf ganz ähnliche Weise in seinem Brief an den jungen Mönch Rusticus.22 Die oben besprochene, detailreiche Beschreibung der mühseligen Schiffsreise nach Indien, die ihm der Kirchenvater beinahe romanhaft ausmalt, um ihn auf die Unbilden des mönchischen Lebens vorzubereiten,23 leitet Hieronymus zuvor mit einer eher allgemein gehaltenen Allegorie ein: „Alles, was ich mir vorgenommen habe, dir nahezubringen, was ich selbst als erfahrener Seemann, der manchen Schiffbruch nach rauer See erlitten hat, zu vermitteln versuche, ist jenes, dass du weißt, an welcher Küste der Seeräuber der Keuschheit lauert, wo die Charybdis Habgier als Wurzel alles Bösen haust und wo die Hunde der Skylla zu finden sind, die missgünstig sind und von denen der Apostel sagt: ‚Wenn ihr aber einander beißt, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet!‘ Du sollst wissen, auf welche Weise man auch mitten in der sicheren
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RAHNER 1941, 125; hierzu oben 5.4. Hier. epist. 14,6,3 (CSEL 54, 53): crux antemnae figatur in frontibus. Zur Figur des Teufels oben 5.2. Man beachte die Asymmetrie, dass diabolus die Bedeutungsebene zur Bildebene pirata darstellt, während Charybdis und Skylla ebenfalls der Bildebene zuzuordnen sind. 22 Zu Charybdis und Skylla auch unten 6.6.2.4. 23 Vgl. Hier. epist. 125,3,1–3 (CSEL 56, 121 f.); hierzu oben 6.3.2.2.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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Ruhe libyscher Gewässer plötzlich durch die Sandbänke des Lasters versenkt werden kann und was für giftige Tiere die Wüste dieser Welt nährt.“24
Es macht ganz den Anschein, als ob der Kirchenvater hier aus seinem Brief an Heliodorus schöpft: Die Allegorie der Seereise leitet er ebenfalls mit dem Hinweis auf seine eigene Erfahrungen ein. Der Seeräuber Teufel, der in epist. 14 für das Böse allgemein stand, ist hier an die erste Stelle getreten und zum Seeräuber der pudicitia geworden, der also die Keuschheit des Mönches bedroht. Wieder ordnet Hieronymus der Bildebene unmittelbar die Bedeutungsebene zu, so auch der Charybdis und der Skylla avaritia, Habgier, Neid bzw. obtrectatio, Missgunst. Diese Laster – Hieronymus spricht hier selbst von vitia – konnte er an die Stelle von luxuria und libido aus dem Brief an Heliodorus treten lassen, zumal der Bereich der Sexualität bereits durch den pudicitiae pirata abgedeckt ist. Hinzu kommt, dass Hieronymus sich gegenüber Rusticus allgemein zum mönchischen Leben äußert, während im Fall des Heliodorus die Frage nach der Askese innerhalb der weltlichen Gesellschaft im Vordergrund stand. Zudem hatte sich bei Hieronymus ein gewisser Paradigmenwechsel vollzogen, da er mittlerweile zu der Einsicht gelangt war, dass ein Mönch das Leben in der klösterlichen Gemeinschaft wählen und sich erst von da aus der Einsiedelei widmen solle.25 Mit der gleichen Allegorie trifft er also zwei Aussagen, die zwar ähnliche Themen haben, sich jedoch gegenseitig ausschließen. Hieronymus nutzt die beiden mythischen Referenzen Charybdis und Skylla in seinem Schaffen mehrfach,26 wobei hier die Ähnlichkeit der beiden Verwendungen sowohl in Gestalt als auch in Inhalt auffällt. Beide Male nutzt er die Ungeheuer des Mythos, um andere Mönche vor den Gefahren der Sünde zu warnen. Offenbar hat er den Einsatz der Referenz in seinem 14. Brief als erfolgreich bewertet, worin ihn die positive Resonanz auf das Schreiben bestärkt haben dürfte.27 Wegen der Ähnlichkeit des Sujets ist es durchaus denkbar, dass Hieronymus tatsächlich eine Abschrift des alten Briefes an Heliodorus zur Hand nahm, als er Rusticus’ Wunsch nach asketischer Unterweisung nachkam.
6.4.1.2 Die Kentauren und der Wein Der Kommentar zum Epheserbrief ist eines der ersten exegetischen Werke des Hieronymus und fällt in den Sommer 386, die erste Zeit seiner Niederlassung in Bethlehem, nachdem er den Orient bereist und Didymos den Blinden in Alexandreia 24 Hier. epist. 125,2,3 (CSEL 56, 120 f.): totum, quod adprehensa manu insinuare tibi cupio, quod quasi doctus nauta post multa naufragia rudem conor instruere vectorem, illud est, ut, in quo litore pudicitiae pirata sit, noveris, ubi Charybdis et radix omnium malorum avaritia [vgl. 1 Tim 6,10], ubi Scyllaei obtrectatorum canes, de quibus apostolus loquitur: ‚ne mordentes invicem mutuo consumamini‘ [Gal 5,15], quomodo in media tranquillitate securi Libycis interdum vitiorum Syrtibus obruamur [vgl. Apg 27,17], quid venenatorum animantium desertum huius saeculi nutriat. 25 Hier. epist. 125,9,1–3 (CSEL 56, 127–129); hierzu oben 6.1.2. 26 Hierzu auch unten 6.6.2.4. 27 Fabiola hatte das Schreiben sogar auswendig gelernt; Hier. epist. 77,9,2 (CSEL 55, 46).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
gehört hatte.28 In den Paula und Eustochium gewidmeten prologi zu den drei Büchern seines Kommentars weist er wiederholt darauf hin, dass Paulus sich in keinem seiner Briefe so schwer verständlich geäußert habe wie hier.29 In der vorliegenden Stelle geht es jedoch um eine recht konkrete Anweisung des Apostels in Eph 5,18, die dem Asketen Hieronymus gefallen haben dürfte: „Und berauscht euch nicht mit Wein, worin Ausschweifung ist, sondern werdet voller Geist“. Zunächst greift der Exeget die paarweise Gegenüberstellung von guten und schlechten Eigenschaften aus den vorhergehenden Paulusversen auf30 und erklärt, dass, wer voller Geist sei, Klugheit, Sanftmut, Zurückhaltung und Keuschheit habe, während man voller Wein nur im Besitz von Dummheit, Wut, Zudringlichkeit und Begierde sei. Das sei es, was Paulus mit einem Wort als luxuria bezeichne. Gewisse Leute, die das nicht verstehen wollten, hätten Hieronymus der Vermessenheit und Ketzerei bezichtigt, weil er junge Mädchen vom Weingenuss abhalten wollte, damit sie dadurch nicht in Wallung gerieten.31 Hierin ist wohl ein Echo der Kritik zu sehen, die nach dem Tod der Jungfrau Blesilla in Rom gegen Hieronymus laut wurde. Dass er nach eigenem Bekunden der Häresie beschuldigt wurde, dürfte eine direkte Anspielung auf Siricius und Ambrosius sein, die wohl maßgeblich an seinem Weggang aus der urbs beteiligt waren.32 Von dieser persönlichen Bemerkung findet Hieronymus jedoch schnell zurück zur eigentlichen Auslegung des Paulus-Verses: „Ferner kann der Wein, in dem Ausschweifung ist, auch jenes bedeuten, von dem im Lied des Mose gesagt wird: ‚Drachengift ist ihr Wein und grausames Viperngift‘; denn alle, die von den Vorstellungen dieser Welt berauscht sind, trinken, werden verrückt, übergeben sich und brechen kopfüber zusammen. In der fabula der Lapithen und der Kentauren bringen sie sich auch gegenseitig Vernichtung. Zu diesem Wein ist jener Wein das Gegenteil, von dem der Herr versprochen hat, dass er ihn mit uns in seinem Reich trinken wird.“33
Nachdem er sich zum Aspekt der gesteigerten Lust durch Weingenuss geäußert hat, wendet er sich nun der Aggressivität und Gewalt zu. Zu diesem Zweck zitiert er aus dem Lied Mose, wo Schreckensbilder von den Feinden Israels gezeichnet werden. Gemäß der „Tropologie“, wie Hieronymus sich üblicherweise ausdrückt, lassen sich alttestamentliche Textstellen bildhaft auf Stellen aus dem Neuen Testament beziehen. Dass er den Wein aus dem Paulusvers schließlich als Allegorie auf die „Vorstellungen dieser Welt“ deutet, ist wohl vor dem Hintergrund der Gegenüberstellung von Wein und Geist aus dem Pauluswort zu verstehen. Kurz zeichnet er 28 Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283. 29 Hier. in Eph. prol. (PL 26, 471C); in Eph. 3 prol. (PL 26, 545D). Zum Epheser-Kommentar GRÜTZMACHER 1906, 37–44; CAVALLERA 1922/1, 138–142. 30 Eph 5,15. 17. 31 Hier. in Eph. 3 (PL 26, 561A). 32 Zu Blesilla sowie zu Hieronymus’ Weggang aus Rom oben 6.1.2 und 6.3.2.1. 33 Hier. in Eph. 3 (PL 26, 561B): Potest autem vinum, in quo est luxuria, et illud accipi, de quo in cantico Moysi dicitur: ‚Furor draconum vinum eorum, et furor aspidum insanabilis‘: quod omnes qui saeculi istius cogitatione sunt ebrii, bibunt et insaniunt, et vomunt, et praecipites corruunt. Et iuxta Lapitharum, Centaurorumque fabulam, in mutuum feruntur exitium. Huic vino illud vinum contrarium est quod Dominus se nobiscum in regno suo bibitarum esse promittit. Vgl. Vulg. deut. 32,33.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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hier in Anspielung auf Jer 25,15–27 ein abstoßendes Bild von den negativen Folgen des Weingenusses bis hin zur Alkoholvergiftung, das wohl als Allegorie auf die Beschäftigung mit weltlichen Dingen und Gedanken zu begreifen ist. Sogleich illustriert er seinen Punkt mit dem Beispiel der Lapithen und Kentauren: Im Mythos werden die Kentauren, weil sie keinen Alkohol gewöhnt sind, als Gäste auf einer Hochzeit bei den Lapithen gewalttätig und versuchen, deren Frauen zu entführen. Daraus entsteht ein blutiger Kampf, der schließlich mit der Vertreibung der Kentauren endet.34 Die Pferdemenschen als Sinnbild des inneren Widerstreits menschlicher Vernunft und animalischer Rohheit, die zudem den Alkohol nicht vertragen, bieten sich für Hieronymus’ Aussageabsicht an. Das mythische Exemplum dient der Warnung vor mehreren Lastern: Aus dem übermäßigen Weingenuss (ventris ingluvies) entstehen Lüsternheit (luxuria) und Raserei (ira). Im unmittelbaren Anschluss daran hebt Hieronymus daher den Wein, der dem Weltlichen zugeordnet ist, von jenem Wein ab, den Christus im Markus-Evangelium für das Reich Gottes verspricht (Mk 14,25). Hieronymus versteht diesen metaphorischen Wein also als den Lohn für ein Leben voller Geist, statt eines Lebens voll von buchstäblichem Wein, der in Eph 5,18 angesprochen ist.
6.4.1.3 Die Felsgeburt des Unholds Hieronymus argumentiert in seiner Streitschrift gegen Iovinianus, dass Paulus zufolge die Ehe zwar gestattet sei, jedoch nur zur Vermeidung größeren Übels in Gestalt von Unzucht. Wenn der Apostel in 1 Kor 7,1 also sagt, „so ist es gut für einen Menschen, keine Frau zu berühren“, dann müsse es im Umkehrschluss schlecht sein, eine Frau zu berühren, und in der Berührung liege Gefahr, quasi et in tactu periculum. Der Apostel verbiete jedoch nur das Berühren einer Frau, nicht das Haben einer Ehefrau.35 So benutzt Hieronymus den Paulusvers als Argument für die Enthaltsamkeit in der Ehe und illustriert mit Hilfe zweier paganer Exempla, welche weitreichenden Folgen schon bloße Berührung haben kann: „Die fabulae der Heiden berichten auch, dass Mithras und Erichthonios jeweils im Stein oder in der Erde durch die Glut der Leidenschaft entstanden sind.“36
Sowohl die Geburtssage des persischen Mithras, der nach einer weit verbreiteten Version aus einem Felsen geboren war,37 als auch die Erzählung von der Geburt des Erichthonios weist Hieronymus dem Bereich der gentilium fabulae zu. Einen spezifischen Mythos-Begriff, der zwischen griechischem und nicht-griechischem Erzählgut unterscheidet, lässt er hier nicht erkennen. Zunächst sei der Geburtsmythos des Erichthonios paraphrasiert, weil er für den Zusammenhang dieser Arbeit 34 Hierzu oben 6.2.1.1. 35 Hier. adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229B); vgl. epist. 49,14,4 (CSEL 54, 372). 36 Hier. adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C): Narrant et gentilium fabulae Mithram et Erichthonium, vel in lapide, vel in terra, de solo aestu libidinis esse generatos. Vgl. OPELT 1973, 41. 37 Just. dial. 70,1 m. Verw. auf Dan 2,34; Comm. instr. 1,13; Firm. err. 20; vgl. MERKELBACH 1984, 96–98. 189 f. 221. Zur persischen Herkunft des Mithras adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317A).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
deutlich unproblematischer ist: Hephaistos versucht, Athene zu vergewaltigen. Da diese jedoch erfolgreich ihre Jungfräulichkeit verteidigt, fällt sein Samen auf die Erde, weshalb Ge später den Erichthonios gebiert. Athene sperrt das Kind in einen Kasten und gibt diesen der Pandrosos nach Athen mit der Anweisung, den Behälter nicht zu öffnen. Deren Schwestern Agraulos und Herse geben jedoch ihrer Neugier nach und finden in dem Kasten eine Schlange vor. Zur Strafe werden sie von Athene in den Wahnsinn getrieben und stürzen sich von der Akropolis. Erichthonios aber wird von Athene aufgezogen und schließlich König von Athen.38 Ge wird also nur durch die zufällige Berührung mit dem Samen des Hephaistos zu Erichthonios’ Mutter. Hierin ist wohl der Punkt zu erblicken, der wesentlich für die hieronymianische Argumentation ist, dass in tactu periculum sei. Erichthonios ist der ungewollte Spross einer versuchten Vergewaltigung. Unzucht und Gewalt sind also bereits im Vorgang der Zeugung präsent. Das Unheil wird im Mythos durch die Schlange im Kasten sinnfällig und fügt sich damit in die christliche Schlangenmetaphorik, die auch bei Hieronymus zumeist das Böse symbolisiert und die er bei Tertullianus in Zusammenhang mit Erichthonios finden konnte.39 Das Exemplum muss für Hieronymus besonders willkommen gewesen sein, da Athene, die wehrhaft ihre Jungfräulichkeit verteidigt, als pagane Figur mit positiver Konnotation in Frage kommt. Der ‚erdgeborene‘ Erichthonios lässt hingegen an die Giganten der Vulgata denken, die ebenfalls aus einer unkeuschen Verbindung hervorgehen, als sich Engel mit Menschentöchtern einlassen.40 Im griechischen Mythos werden die Giganten wie Erichthonios von Ge geboren. Das mythische Exemplum, das Hieronymus fast beiläufig einflicht, enthält also eine ganze Fülle von tertia comparationis zu dem Schluss, den Hieronymus aus 1 Kor 7,1 zieht, dass das Berühren einer Frau schlecht sei. Weniger zweifelsfrei ist das Mithras-Exemplum zu deuten, da zwar die Sage von seiner Geburt aus dem Felsen gut belegt ist, aber nichts über die Befruchtung des Steins bekannt ist. Der Bezug zu der von Hieronymus beschworenen Gefahr durch Berührung lässt sich lediglich mittels einer Notiz in der Plutarch zugeschriebenen Schrift De fluviis des 2. Jh. n. Chr. herstellen, in der größtenteils eponyme Mythen zu insgesamt 25 Flüssen und ihrer Landschaft wiedergegeben werden. Im vorliegenden Fall geht es um den Berg Diorphos am Araxes in Armenien: „Mithras, der sich einen Sohn wünscht, aber das Frauengeschlecht hasst, ergießt seinen Samen auf einen Felsen, woraufhin der Fels einen Sohn namens Diorphos gebiert. Der Jüngling wird später von Ares, den er zum Zweikampf herausfordert, besiegt und in den gleichnamigen Berg verwandelt.“41 38 E. Ion 20–24. 260–274; Apollod. 3,14,6; Hyg. fab. 166; astr. 2,13; vgl. ENGELMANN 1886B, 1303–1308; BAUDY 1992, 1–47. 39 Tert. spect. 9,3 (CCL 1, 235). Vgl. Lact. inst. 1,17; Serv. georg. 1,205; hierzu BICKEL 1915, 276. 40 Gen 6,1–4; hierzu oben 5.3. Zur Schlange in der Vulgata vgl. WISSEMANN 1992, 109 f. 41 Ps.-Plu. Fluv. 23,4 (GGM 2, 663): Μίθρας υἱὸν ἔχειν βουλόµενος καὶ τὸ τῶν γυναικῶν γένος µισῶν πέτρᾳ τινὶ προσεξέθορεν. Ἔγκυος δὲ ὁ λίθος γενόµενος µετὰ τοὺς ὡρισµένους χρόνους ἀνέδωκε νέον τοὔνοµα ∆ίορφον· ὃς ἀκµάσας καὶ εἰς ἅµιλλαν ἀρετῆς τὸν Ἄρη προκαλεσάµενος ἀνῃρέθη· οὗτος κατὰ πρόνοιαν θεῶν εἰς ὁµώνυµον ὄρος µετεµορφώθη. Hierzu BURKERT 1979B, 260 f.; MERKELBACH 1984, 47; CLAUSS 1990, 71.
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Die Ähnlichkeit zum Erichthonios-Mythos ist so deutlich, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass Hieronymus diese „seltsame Geschichte“42 im Sinn hatte, um ein Paar aus zwei analogen Exempla zu bilden. Wenn dem so ist, hat er jedoch die Felsgeburt des Mithras mit der seines Sohnes Diorphos verwechselt. Der Jüngling nimmt ein tragisches Ende, das als schicksalhafte Folge seiner verwerflichen Zeugung zu deuten ist. Zugleich erhält die bei Erichthonios beobachtete Analogie zu den erdgeborenen Giganten mehr Gewicht, wenn man Diorphos’ Herausforderung zum Zweikampf mit Ares – die bei Pseudo-Plutarch eher beiläufig wirkt – als Anmaßung gegenüber den Göttern versteht.43 Erhärtet wird dieser Verdacht durch eine Untersuchung BURKERTS, der den Absatz aus De fluviis mit älteren, orientalischen Erzählungen in Verbindung bringt. Demnach sind die Anfänge in der hethitisch-hurritischen Erzählung vom felsgeborenen Ullikummi zu suchen, den der Gott Kumarbi mit einem Fels gezeugt hat, um sich gegen den Wettergott aufzulehnen. Nach göttlichem Ratschluss wird der felsgeborene „Unhold“ schließlich zu Fall gebracht, indem er unter den Füßen vom Felsen abgeschnitten wird.44 Davon abhängig sieht BURKERT den Agdistis-Mythos, wie er bei Pausanias und – für unsere Fragestellung fruchtbarer – bei Arnobius überliefert ist: Jupiter ergießt, nachdem ihn Kybele abgewiesen hat, seinen Samen auf den Felsen Agdus in Phrygien.45 Der später aus dem Fels geborene Agdistis ist von unbändiger Kraft und hochmütig gegen die Götter. Nach längeren Beratungen der Götter, wie ihm beizukommen sei, überlistet ihn Liber, indem er Agdistis mit Wein berauscht und dem Schlafenden Fuß und Genitalien durch einen Strick verknüpft. Als dieser aufwacht und aufspringt, entmannt er sich durch seine eigene Kraft.46 Auch hier ist sowohl das Motiv von der Befruchtung durch den Samen, der zu Boden fällt, als auch von der Hybris des Erdgeborenen gegen die Götter vorhanden. Es liegt uns somit ein Konvolut von vier Erzählungen vor – Ullikummi, Agdistis, Erichthonios, Mithras –, die starke Ähnlichkeiten aufweisen und in einem Überlieferungszusammenhang zu stehen scheinen.47 Freilich geht es Hieronymus an dieser Stelle der Schrift gegen Iovinianus nicht darum zu zeigen, dass alle Menschen grundsätzlich dazu verdammt sind, sich gegen Gott aufzulehnen, nur weil sie ex tactu entstanden sind. Dennoch wird ihm die negative Konnotation für die Sprösslinge seiner beiden Exempla nicht unwillkommen gewesen sein, um ein negatives Bild der körperlichen Liebe auch zwischen Ehepartnern zu zeichnen und das Laster der luxuria anzuprangern. Fraglich bleibt, inwiefern die Vermengung der Geburtssagen von Mithras und Diorphos eine Erfindung des Hieronymus ist, zumal die letztere zu den entlegeneren Beispielen zählt. Es wäre überdies interessant, ob der Kirchenvater auf eine Vorlage zurückgegriffen hat, die beide Exempla bereits verband und inwieweit seine Leserschaft mit den Erzählungen vertraut war. 42 43 44 45 46 47
MERKELBACH 1984, 47. CLAUSS 1990, 71. BURKERT 1979B, 253–261. Vgl. auch Dan 2,34. Wohl identisch mit dem Felsen Ἄγδιστις bei Paus. 1,4,5; hierzu ROSCHER 1886B, 100. Arnob. nat. 5,5 f.; Paus. 7,17,10 f. BURKERT 1979B, 253–261, berücksichtigt die Erichthonios-Erzählung nicht.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
6.4.1.4 Diese Helenas folgen ihren Alexandern Der 128. Brief an Gaudentius über die Erziehung seiner kleinen Tochter Pacatula zur christlichen Jungfrau aus dem Jahre 413 kam bereits im Zusammenhang mit den Danae-Referenzen zur Sprache.48 Von den Gefahren des Umgangs mit leichtfertigen Mädchen leitet Hieronymus nun zu den Konsequenzen über, die drohen, wenn sie als Heranwachsende dem Einfluss von ausgelassenen und herausgeputzten Jünglingen, lascivi et comptuli iuvenes, ausgesetzt ist. Mit einer Reihe von Metaphern, die zum Teil aus der profanen Literatur zitiert sind,49 zeichnet er ein Szenario der Lasterhaftigkeit und mahnt, dass auch adlige Herkunft nicht schütze: „Vornehme Frauen, die noch vornehmere Freier außer Acht ließen, gingen Verbindungen zu Männern von niedrigstem Stand und sogar zu Sklaven ein. Unter dem Deckmantel des Glaubens und dem Schein der Selbstbeherrschung verlassen sie gelegentlich ihre Männer. Diese Helenas folgen ihren Alexandern, ohne ihre Menelaoi zu fürchten.“50
Hieronymus spielt hier auf einen der wohl bekanntesten Mythen an: Alexander oder Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, hat in einem Schönheitswettbewerb zwischen den drei Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite zu Gunsten der letztgenannten entschieden, weil sie ihm als Belohnung die schöne Helena versprochen hat, die Frau des Menelaos, des Königs von Sparta. Nichts ahnend nimmt jener den Paris als Gast bei Hofe auf. Als Menelaos jedoch verreisen muss, beauftragt er Helena, sich um den Besuch zu kümmern. In dieser Situation segelt Paris mit Menelaos’ Frau, die später behauptet, dass Aphrodite sie den Kopf hat verlieren lassen, sowie einem großen Teil des Vermögens nach Troja. Dieses Ereignis ist der Auslöser für den Trojanischen Krieg, da Menelaos zusammen mit seinem Bruder Agamemnon, dem König von Mykene, alle Griechen mobilisiert, um Vergeltung zu üben und Helena zurückzuholen.51 Hieronymus setzt die drei Personen des Mythos jeweils in den Plural, wodurch seine Sentenz etwas Sprichwortartiges annimmt oder den Anschein erweckt, aus einer Komödie zu entstammen. Er illustriert, was er vorher über die nobiles feminae gesagt hat, denn Paris als Königssohn aus der Fremde ist standesmäßig unter der Würde des Menelaos, des Königs von Sparta. Entsprechend seiner Leserschaft ist Hieronymus offenkundig trotz seiner mönchischen Lebensweise dem römischen Standesdenken verpflichtet. Beurteilt wird mit dieser mythischen Referenz allein das leichtfertige Verhalten Helenas, das den Kategorien religio und continentia gegenübergestellt wird. Die Erzählung, die zum Trojanischen Krieg führte, war weithin bekannt und für das 48 Oben 6.3.1.2. 49 Hier. epist. 128,4,5 (CSEL 56, 160 f.); vgl. Curt. 6,3,11; Publil. sent. 52. 50 Hier. epist. 128,4,6 (CSEL 56, 161): nobiles feminae, quae nobiliores habiturae procos vilissimae condicionis hominibus et servulis copulantur ac sub nomine religionis et umbra continentiae interdum deserunt viros, Helenae sequuntur Alexandros, nec Menelaos pertimescunt. Übers. nach BKV² 16, 410. 51 Hom. Il. 3,38–57. 421–454; 6,290–292; Hdt. 2,113,1–3; Apollod. 3,12,6; Paus. 3,22,1 f.; Luc. DDeor. 20; Hyg. fab. 92; Serv. Aen. 1,526; vgl. ENGELMANN 1890, 1936 ff.
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Lesepublikum des Kirchenvaters leicht verständlich. Sämtliche tertia comparationis lösen sich widerspruchsfrei auf. Die Themenfelder Untreue und Unkeuschheit, die Hieronymus hier mit Hilfe der mythischen Referenz kommentiert, scheinen ihm die Möglichkeit geboten zu haben, trotz der Ernsthaftigkeit und der christlichen Ausrichtung seines Ansinnens profane Elemente zur Auflockerung und zu einer gewissen Aufheiterung des Textes hinzuziehen. Hieronymus lässt immer wieder erkennen, dass er sich schwer damit tut, anzügliche Themen allzu explizit anzusprechen.52 Womöglich ist hier in der Zuhilfenahme einer mythischen Referenz zur Kritik an luxuria ein Zeugnis der eigenen Unsicherheit darüber zu erblicken, wie er mit solchen Fragen umzugehen hatte. 6.4.2 Der Frauen-Katalog in der Streitschrift gegen Iovinianus. Mythische Referenzen mit positiver Aussage über den Verzicht auf lasterhaftes Verhalten Iovinianus hatte nicht nur theologische Einwände gegen die übertriebene Askese vorgebracht,53 wie Hieronymus sie propagierte, sondern sie auch in Hinblick auf ihre Akzeptanz in eher weltlich gesinnten Kreisen kritisiert. Damit sprach er wohl die mögliche Ablehnung durch Heiden an wie auch durch solche Christen, denen kein religiöser Eifer eigen war und die in der formellen Annahme des christlichen Glaubens keine Notwendigkeit zum Bruch mit ihrem paganen Umfeld erblickten. Zugleich erhob Iovinianus den Vorwurf, dass das Christentum mit der Überbewertung des Jungfrauen- und Witwenstandes ein neuartiges Dogma lehre, das der Natur zuwider laufe. Damit wiederholte er einen alten Vorbehalt, der ursprünglich allgemein gegen die Christen bestanden hatte: dass sie nämlich ein „ein Menschenschlag mit einem neuen und gottlosen Aberglauben“54 seien, der mit dem mos maiorum unvereinbar sei. Der Vorwurf, Neues gegen Althergebrachtes aufzustellen, wog auch nach spätantikem Empfinden so schwer, dass Hieronymus den Asketenstand vor ein „Gericht der weltlichen Weisheit“ gestellt sah, wie er sagte. Er fühlte sich daher genötigt, das Alter des Ideals der Jungfräulichkeit herauszustellen, um die feste Verankerung der sexuellen Enthaltsamkeit als virtus „in der Geschichte der Griechen, Lateiner und Barbaren“ nachzuweisen.55 Zu diesem Zweck breitet er in seiner Streitschrift gegen Iovinianus einen catalogus feminarum aus mit insgesamt 83 Exempla für die pagane Wertschätzung der Jungfräulichkeit, der Einehe, der Ehelosigkeit sowie der ehelichen Enthaltsamkeit, die den Bereichen Geschichte, Literatur, Kultus und Mythos entnommen sind. 52 53 54 55
Hierzu oben 6.3.1.1. Zu Iovinianus oben 6.2.1.2. Suet. Nero 16,2: genus hominum superstitionis novae ac maleficae. Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282B): Satis abundeque Christianae pudicitiae et virginitatis angelicae, de divinis libris exempla praebuimus. Sed quoniam intellexi in Commentariis adversarii, provocari nos etiam ad mundi sapientiam, quod nunquam hoc genus in saeculo sit probatum, et novum dogma contra naturam religio nostra prodiderit, percurram breviter Graecas et Latinas Barbarasque historias, et docebo virginitatem semper tenuisse pudicitiae principatum. Hierzu CAVALLERA 1922/1, 158 f.; OPELT 1973, 51;
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Damit hat er seiner Vorliebe für katalogartige Beispielreihen freien Lauf gelassen:56 Bei den Kapiteln 41–49 des ersten Buches Adversus Iovinianum handelt es sich um eines der längsten zusammenhängenden Textstücke, die Hieronymus der paganen Überlieferung gewidmet hat.57 Schon früh ist bemerkt worden, dass der Kirchenvater auf bestehende ExemplaSammlungen zurückgegriffen hat. So haben sich hier wohl einige Fragmente aus Senecas verlorener Schrift De matrimonio erhalten, die ERNST BICKEL 1915 herausgearbeitet hat.58 Zwar ist Seneca hier einer von Hieronymus’ „chief informants“,59 doch ist die Lage insgesamt wesentlich komplexer und gerade für die mythischen Exempla ergibt sich der Befund, dass BICKEL lediglich eine Stelle als Übernahme aus De matrimonio identifiziert.60
6.4.2.1 Die fabulae berichten von vielen Jungfrauen Die Fülle der Exempla und das katalogartige Verfahren des Kirchenvaters legen eine kursorische und knappe Behandlung der Exempla nahe. Hieronymus beginnt seine „satura exemplorum“61 sogleich mit sieben Frauengestalten, deren höchstes Gut ihre Jungfräulichkeit war: „Die fabulae berichten, dass die Jungfrau Atalante, die den Kalydonischen Eber gejagt hatte, stets auf der Jagd und im Wald war und dass sie sich nicht für Empfängnis und Schwangerschaft erwärmen konnte, sondern die freie und keusche Tugend liebte. Auch Harpalyke, eine thrakische Jungfrau, beschreibt der ausgezeichnete Dichter; ebenso Camilla, die Königin der Volsker, für die Turnus, als er ihr zur Hilfe kam, kein größeres Lob hatte, als sie eine Jungfrau zu nennen: ‚Du Zierde Italiens, Jungfrau!‘ Aus Athen wird von jener Tochter des Leos berichtet, einer ewigen Jungfrau, die ihr Land durch ihren freiwilligen Tod von der Pest befreit hat; und das Blut der Jungfrau Iphigenie soll ungünstige Winde beruhigt haben. Was soll ich von den Sibyllen von Erythraea und Cumae berichten oder den acht anderen? Denn Varro behauptet, es seien zehn gewesen, deren Kennzeichnen Jungfräulichkeit ist, für welche wiederum die Gabe zur Wahrsagerei der Lohn ist. Denn da die Sibylle im äolischen Dialekt Theobúlē genannt wird, heißt es, dass allein die Jungfräulichkeit den Ratschluss Gottes kennen kann. Auch lesen wir, dass Kassandra und Chryseis, die Seherinnen Apollons und Junos, Jungfrauen waren.“62
56 Hier. adv. Iovin. 1,47 (PL 23, 288C). Vgl. OPELT 1973, 171; KRUMEICH 1993, 251–257. 57 Daneben auch Hier. adv. Iovin. 2,6–14 (PL 23, 304C–319A), wo der Mönch vor allem aus Porphyrios’ De abstinentia schöpft; vgl. auch HAGENDAHL 1958, 147. 58 BICKEL 1915, 382–420 mit kritischer Textausgabe von adv. Iovin. 1,41–49; 2,5–14. Zu anderen Eheschriften, die Hieronymus benutzt hat, adv. Iovin. 1,49 (PL 23, 293A.B). 59 HAGENDAHL 1958, 152; vgl. HAGENDAHL 1958, 150–156; WIESEN 1964, 152–158; TRILLITZSCH 1965, 46; COURCELLE 1969, 72; OPELT 1973, 51; MORESCHINI 1997, 187–189. 60 Hierzu unten 6.4.2.7. 61 BICKEL 1915, 141. 62 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A): Referunt fabulae Atalantam Calydoniam virginem semper in venatibus, semper in silvis, non tumentes uteros feminarum fastidiaque conceptuum, sed expeditam et castam amasse virtutem. Harpalicem quoque uirginem Thraciam insignis poeta describit; et reginam Volscorum Camillam, quam Turnus, cui auxilio uenerat, laudare volens, non amplius habuit quod diceret, nisi virginem nominaret. O decus Italiae, virgo! [Verg.
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Eröffnet wird die Reihe mit Atalante, deren Erzählung kurz vorgestellt sei: Weil Iasos, König von Tegea, nur Söhne haben will, setzt er seine Tochter Atalante nach ihrer Geburt aus. Sie wird von einer Bärin gesäugt und von Jägern gefunden. So wächst sie selbst als Jägerin auf, die aus Liebe zur Jagd Jungfrau bleiben möchte. Die Kentauren Rhoikos und Hylaios erschießt sie, als diese versuchen, sie zu missbrauchen. Nach einigen Überlieferungen nimmt sie gegen die Bedenken Iasons am Argonautenzug und an der hier erwähnten Kalydonischen Jagd teil. Als sich ihr Ruhm verbreitet, nimmt der Vater sie wieder auf und will sie verheiraten. Dabei kann sie jedoch die Bedingung stellen, dass jeder Bewerber sich in einem Wettlauf mit ihr messen muss, was im Fall seiner Niederlage die Hinrichtung durch ihre Hand bedeutet. Nachdem der Wettbewerb um die schöne Jungfrau viele Freier das Leben gekostet hat, besiegt Melanion (oder Hippomenes) sie durch eine List: Er lässt immer dann, wenn Atalante ihn einholt, einen von drei goldenen Äpfeln fallen, die er von Aphrodite bekommen hat. Neugierig bückt die Jungfrau sich nach jedem der Äpfel, verliert den Wettlauf und die beiden heiraten. In seiner Ungeduld entweiht Melanion durch den Liebesakt mit Atalante einen heiligen Hain des Zeus, der beide zur Strafe in Löwen verwandelt.63 Wie wehrhaft Atalante ihre Jungfräulichkeit verteidigt, musste Hieronymus gefallen, zumal in der ovidischen Ausgestaltung, in der sie den göttlichen Ratschlag bekommt, zu ihrem eigenen Wohl einen Ehemann zu meiden: „Ein Gatte frommt dir nicht, Atalante, fliehe vor der Umarmung des Gatten. Doch wirst du ihr nicht entfliehen und lebend dich selber verlieren!“64 Der Kirchenvater betont, dass sie für die Jagd Jungfrau bleibt, also ähnlich einer Nonne für einen übergeordneten Zweck.65 Jedoch unterschlägt er dabei den weiteren Fortgang der Erzählung und den Umstand, dass Atalante nicht nur die Jungfräulichkeit freiwillig aufgibt, sondern im Zuge dessen auch ein Sakrileg begeht, für das sie bestraft wird. Bei der folgenden Erwähnung der Thrakerin Harpalyke verweist Hieronymus auf Vergil als insignis poeta.66 Dieser erwähnt die Jungfrau jedoch nur beiläufig, describit ist also eine Übertreibung. Ausführlicher berichtet Hyginus, schweigt jedoch zu ihrer Jungfräulichkeit: Harpalykos, König der Amymneer in Thrakien, säugt seine Tochter Harpalyke nach dem Tod der Mutter an Kuh- und Stutenzitzen und zieht sie zu einer Kriegerin auf, die ihm irgendwann auf dem Thron folgen soll. Erfolgreich verteidigt Harpalyke ihn bei einem Angriff des Neoptolemos, doch wird
63 64 65 66
Aen. 11,508] Chalchioecus quoque illa filia Leo, virgo perpetua, pastilentiam [sic] patriae scribitur spontanea morte solvisse; et Iphigeniae virginis sanguis adversos placasse ventos. Quid referam Sibyllas Erythraeam atque Cumanam, et octo reliquas? nam Varro decem fuisse autumat, quarum insigne virginitas est, et virginitatis praemium divinatio. Quod si Aeolici genere sermonis Sibylla Θεοβούλη appellatur, recte consilium Dei sola scribitur nosse virginitas. Cassandram quoque et Chrysein vates Apollinis, ac Iunonis virgines legimus. Call. Hec. 3,221 ff.; Theoc. 3,40–42; Apollod. 3,9,2; Ov. met. 10,560–680; Hyg. fab. 174; 185; vgl. SYBEL 1886A, 664 f. Ov. met. 10,564–566. BICKEL 1915, 142, meint, Hieronymus habe hier aus Vergil, Ovid „aut ex eruditione rhetorica generali“ geschöpft; vgl. Clem. str. 4,19,121. Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C). Verg. Aen. 1,314–317; hierzu BICKEL 1915, 141; HAGENDAHL 1958, 155. Zu Harpalyke allg. CROSIUS 1890, 1835–1837.
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ihr Vater später bei einem Aufstand des eigenen Volkes getötet. Schwer von seinem Tod getroffen, zieht sie sich in die Wälder zurück und wird letztendlich von Viehhirten getötet, weil sie in deren Herden wildert.67 Dieselbe Erzählung gibt Servius in seinem Aeneis-Kommentar wieder und berichtet darüber hinaus, dass sich der Brauch erhalten habe, dass Stämme der Umgebung am Grab der virgo zusammenkamen.68 Auch Harpalyke enthält sich für einen höheren Zweck, nämlich das Wohl ihres Vaters. Ihre eremitische Lebensweise bringt sie in Konflikt mit den Normen der Gesellschaft, so dass sie letztlich dafür sterben muss. Virginität und Martyrium liegen in diesem Exemplum dicht beieinander. Von dieser griechischen Erzählung, die nur in lateinischen Texten überliefert ist, kommt Hieronymus auf das Exemplum der Camilla, das dem römischen Sagenkreis entstammt: Die latinische Lokalheldin, deren Rolle Vergil dichterisch ausgestaltet hat,69 wird von ihrem Vater Metabus als kleines Kind vor heranrückenden Feinden gerettet und mit Stutenmilch aufgezogen. Metabus weiht die Camilla zum Dank der Diana als jungfräuliche Kriegerin.70 Gegen die Trojaner kämpft sie später im Verbund mit Turnus, dessen Diktum Hieronymus zitiert, um seine These zu verdeutlichen, dass die virginitas nicht erst durch die Christen zur Tugend erhoben worden sei: O decus Italiae, virgo!71 Auch hier, stärker ausgeprägt noch als bei Atalante und Harpalyke, führt er eine Frau an, die sich für einen höheren, sakral ausgerichteten Zweck der Jungfräulichkeit verschrieben hat. Leos, dessen Tochter im Anschluss daran erwähnt wird, ist einer der Heroen, von denen die attischen Phylen ihre Namen herleiteten. Er ist Sohn des Orpheus und hat selbst einen Sohn namens Kylanthos sowie die drei Töchter Praxithea, Theope und Eubule. Auf Weisung der delphischen Pythia opfert er seine jungfräulichen Töchter, um Athen von einer Hungersnot zu befreien. Die drei jungen Frauen wurden im Leokoreion auf der Agora verehrt.72 Hieronymus ist hier in mehrerlei Hinsicht ungenau. Zunächst bezeichnet pestilentia, von der er hier spricht, eine ansteckende Seuche und keine Hungersnot.73 Zum anderen gibt es nicht eine, sondern drei jungfräuliche, namentlich bekannte Töchter des Leos, wenngleich Praxithea besondere Prominenz zukommt. Darüber hinaus deutet aber nichts darauf hin, dass die Mädchen sich spontanea geopfert haben.74 Den Orakelspruch zu befolgen, ist Entscheidung und Tat des Vaters. Womöglich ist hier Hieronymus’ Tendenz zu erkennen, den Heroismus der Leos-Tochter zu steigern, um den Stand der Jungfräulichkeit aufzuwerten. Auch beim Beispiel der Iphigenie scheint ihm ein Fehler unterlaufen zu sein: Über Menelaos oder Agamemnon erzürnt, hat Artemis eine Windstille gesandt, 67 68 69 70 71 72 73
Hyg. fab. 193; 252; 254. Serv. Aen. 1,317. Vielleicht hängen er und Hieronymus hier von Donatus ab. WISSOWA 1886, 848 f. Verg. Aen. 11,582–584. Auf die Parallele zu Harpalyke weist Serv. Aen. 1,317 hin. Verg. Aen. 11,508 f.; vgl. auch ebd. 7,803; 11,535–841. Cic. nat. deor. 3,50; D.S. 17,15,2; Paus. 1,5,2; Eus. l.C. 13,7; vgl. HÖFER 1897B, 1946 f. Dies dürfte einer Verwechlung der Vokabeln λιµός und λοιµός geschuldet sein, was auf eine griechische Quelle hindeutet; vgl. BICKEL 1915, 231–233, der die Frage jedoch offen lässt. 74 JESSEN, Praxithea 3 (RLM 3,2) 2931 f.
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welche die Flotte der Griechen auf dem Zug gegen Troja im Hafen von Aulis festsetzt. Der Seher Kalchas erklärt, dass Iphigenie, Agamemnons und Klytaimnestras Tochter, der Göttin geopfert werden müsse, um die Weiterfahrt zu ermöglichen. Von Menelaos und den Griechen bedrängt, lässt Agamemnon schweren Herzens seine jungfräuliche Tochter opfern. Artemis ersetzt Iphigenie aber im letzten Moment durch eine Hirschkuh und entführt das Mädchen in einer Wolke nach Tauris, wo sie ihr fortan als Priesterin dient.75 Demnach ist es also nicht so, wie Hieronymus aus Vergil übernimmt, dass das Blut der Iphigenie die Winde beruhigen sollte, sondern im Gegenteil, ihr Opfertod sollte die Flaute beenden.76 Für die Aussagekraft des Exemplums ist der Fehler jedoch nicht von Belang. Iphigenies Jungfräulichkeit gewinnt für die Erzählung vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass Artemis selbst Jungfrau ist – wie auch ihre Priesterinnen bzw. die der Diana. Die unbefleckte Göttin akzeptiert nur ein ebenso reines Menschenopfer. Dass Hieronymus auf diesen mehrschichtigen Bezug nicht eigens hinweist, liegt wohl darin begründet, dass er die Jungfräulichkeit der Göttinnen sowie ihrer Priesterinnen an anderen Stellen im Text gesondert erwähnt.77 Die besondere Stellung von Jungfrauen und ihre dadurch bedingte Nähe zur Göttlichkeit exemplifiziert er unmittelbar darauf folgend anhand der Sibylle: Σίβυλλα war bei den Griechen ursprünglich der Eigenname einer bestimmten Seherin, die ähnlich der delphischen Pythia unter Apollons Einfluss wahrsagte. Von dieser einen, nicht näher lokalisierten Sibylla fand eine Entwicklung hin zu mehreren Seherinnen statt, die in schwankender Zahl an verschiedenen Orten tätig waren.78 Von Varro, bei dem es schließlich zehn Sibyllen sind, sind die späteren, besonders die Kirchenschriftsteller abhängig – so auch Hieronymus, der ihn als Gewährsmann nennt, anscheinend jedoch auf Lactantius zurückgreift.79 Sie begegnet uns hier eindeutig als Gattungsbegriff. Die von ihm genannte erythraeische Sibylle war die bekannteste, wohingegen die cumanische die Sibyllinischen Bücher verfasst und dem Tarquinius Superbus verkauft haben soll.80 Die Existenz von Sibyllen ist als historisch anzunehmen, doch ist ihr Ursprung Gegenstand des Mythos, wie sich auch um ihre Rolle in der römischen Geschichte fabulae gebildet haben.81 Hieronymus hebt den Umstand hervor, dass es ihre Jungfräulichkeit sei, die sie zur Divination befähige.82 Die etymologische Herleitung entnimmt er wohl in verkürzter Form Lactantius,83 wobei er betont, dass diese göttlich inspirierte Fähigkeit „zu Recht“ der Jungfräulichkeit vorbehalten sei. Auf eine Begründung für diese Behauptung, die im Hinblick auf eine angestrebte Widerlegung des Iovinianus durchaus hätte zweckdienlich sein können, verzichtet er. Bemerkenswert ist dabei 75 76 77 78 79 80 81 82 83
S. El. 563–576; E. IA 1540 ff.; IT 1–30; Ov. met. 12,24 ff.; Paus. 9,19,6 f.; Hyg. fab. 98; 238. Verg. Aen. 2,116. Vgl. SCHAFF/WACE, in: NPNF² 6, 379, Anm. 2. Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A.B). BUCHHOLZ 1915, 791–794. Lact. inst. 1,6; ira 22,5; hierzu BICKEL 1915, 235 f.; BUCHHOLZ 1915, 794. D.H. 4,62; vgl. BUCHHOLZ 1915, 797–800. Liv. 5,13,4–6; 7,27,14. 28,6–8. SCHÖLLGEN 2001, 532 mit Verweis auf das christlich interpolierte Orac. Sibyll. 2,49 f. Lact. inst. 1,6 (PL 6, 141A).
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vor allem, dass die göttlich inspirierte Divination eine positive Wertung erfährt, obwohl es sich um heidnische Göttlichkeit handelt. Das bedeutet, dass Hieronymus hier in Kauf nimmt, Elemente der paganen Religion aufzuwerten, um die christliche Jungfräulichkeit als althergebrachte Tugend zu erweisen.84 In direkter Folge werden die Juno-Priesterinnen zusammen mit Kassandra und Chryseis genannt, die Hieronymus beide als jungfräuliche Priesterinnen Apollons vorstellt.85 Die Anordnung nach den Sibyllen mag durch den gemeinsamen Apollon-Bezug bedingt sein. Zunächst sei der Kassandra-Mythos paraphrasiert: Sie ist Tochter des trojanischen Königs Priamos und der Hekabe. In der Hoffnung, ihre Gunst zu gewinnen, lehrt Apollon sie die Kunst der Weissagung. Als Kassandra sich jedoch entgegen ihrer Versprechungen enthält, straft er sie damit, dass ihre Prophezeiungen von niemandem mehr geglaubt werden. So bleibt auch ihre Warnung unbeachtet, in dem hölzernen Pferd der Griechen seien Soldaten versteckt. Auch dem Koroibos aus Phrygien und dem Othryoneus aus Kabesos, die sich nur ihretwegen den Trojanern angeschlossen haben, widersetzt sie sich. Agamemnon macht sie jedoch nach dem Fall Trojas zu seiner Sklavin und Gespielin, ihm gebiert sie die beiden Söhne Teledamos und Pelops, bevor sie durch Klytaimnestra getötet wird.86 Kassandra als Exemplum der standhaften Keuschheit scheint insofern nicht ideal gewählt zu sein, als dass sie ihre Jungfräulichkeit nicht zu halten vermag. Dass ihr Widerstand durch Agamemnon gebrochen wird, ändert jedoch nichts an ihrer Haltung, die hier von Hieronymus als positives Beispiel angeführt wird, zumal sich das Exemplum auf ihre Tätigkeit als Seherin bezieht. Chryseis ist die Tochter des trojanischen Apollon-Priesters Chryses, die von Achilleus geraubt und Agamemnon als Beute zugewiesen wird. Auf das Gebet des Chryses hin erzwingt Apollon die Herausgabe des Mädchens durch eine Pest, die er unter den Griechen wüten lässt. Nach Hyginus beharrt sie jedoch darauf, von Agamemnon nicht angerührt worden zu sein. Als sie einen Sohn gebiert, Chryses den Jüngeren, sagt sie, das Kind sei von Apollon.87 Was die Jungfräulichkeit der Chryseis angeht, die ansonsten nicht erwähnt wird, scheint Hieronymus von einer allgemeinen Bemerkung über Juno-Priesterinnen bei Tertullianus abhängig zu sein.88 Eine Parallele zur jungfräulichen Empfängnis Marias hatte er wohl nicht im Sinn. Es macht vielmehr den Anschein, als habe er das Beispiel der Chryseis wegen seiner Ähnlichkeit zum Kassandra-Mythos gewählt. Wo es ihm möglich ist, versammelt er gerne zwei oder mehrere passende Exempla. So fügen sich auch die Juno-Priesterinnen ins Bild und bilden eine Trias.
84 15 Jahre später spricht er Sehern diese Göttlichkeit ab; Hier in Is. 12,41,21 (VL 35, 1309). 85 Vgl. auch Hier. epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80); Tert. castit. 13,2. 86 Hom. Il. 13,361–382; Od. 11,421 ff.; A. A. 1202 ff.; Pi. P. 11,49; Apollod. 3,12,5.; Epit. 5,17. 22 f.; Verg. Aen. 2,404; Paus. 2,16,6; 3,19,6; 3,26,5; 10,27,1; Hyg. fab. 93; Serv. Aen. 2,247; vgl. ENGELMANN 1894B, 977–979. 87 Hom. Il. 1,8–474; Hyg. fab. 121. 88 Tert. castit. 13,2; uxor. 1,6,4; monog. 17,5; hierzu BICKEL 1915, 234. 238. Vgl. D.H. 1,21,2.
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6.4.2.2 Athene und Artemis, jungfräuliche Göttinnen Auf vier weitere Exempla aus dem römischen Kultus, wie etwa die vestalischen Jungfrauen,89 folgt das Beispiel zweier Göttinnen: „Kein Wunder, dass man solche Dinge über Menschen liest, da sich der heidnische Irrtum ja Minerva und Diana als jungfräuliche Göttinnen vorgestellt hat“.90
Die römischen Identifikationen der Athene und Artemis dienen ihm als positive Beispiele für Jungfrauen aus dem heidnischen Pantheon.91 Doch fühlt sich der Mönch an dieser Stelle offensichtlich genötigt zu betonen, dass sie Fiktion sind, da hier eben nicht Menschen oder Heroen, sondern deae angesprochen sind. Dennoch erscheint die Bemerkung nur wie ein beiläufiger Versuch, die positiven paganen Exempla in ihrer Dichte aufzulockern und somit möglichen Vorwürfen zuvorzukommen, er bediene sich zu sehr aus den paganen Mythen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass er hier mit kritischen Stimmen rechnete. Auch wenn der Gebrauch mythischer Exempla grundsätzlich unproblematisch gewesen zu sein scheint, ist es an dieser Stelle wohl ihre Masse, wegen der er seine Ausführungen ins rechte Licht rücken möchte – wenn auch nur sehr flüchtig. Vielleicht tritt an dieser Stelle die apologetische Tendenz der Streitschrift deutlicher als anderswo hervor. Nicht zuletzt muss Hieronymus sich auch für den weiteren Textverlauf rüsten, denn die Kette der Beispiele reißt noch nicht ab.
6.4.2.3 Gegenseitige Befreiung von der Schmach Nach sechs Exempla aus der griechischen Geschichte92 fährt er fort: „Wie soll man die Töchter des Skedasos im boiotischen Leuktra ausreichend preisen, von denen berichtet wird, dass sie in Abwesenheit ihres Vaters nach dem Gebot der Gastfreundlichkeit zwei durchreisende Jünglinge aufnahmen. Nach zu viel Wein bedrängten diese die Jungfrauen gewaltsam, die jedoch den Verlust ihrer Keuschheit nicht überleben wollten und sich daher gegenseitig tödliche Verletzungen zufügten.“93
In ungewöhnlicher Ausführlichkeit paraphrasiert Hieronymus den Mythos. Die meisten Überlieferungen stellen die Erzählung auch nicht detaillierter dar, lediglich 89 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A–B): Priesterinnen der Taurischen Diana und der Vesta, Minutia, Jungfrauen bei bestimmten kultischen Anlässen wie Triumphen sowie die Vestalin Claudia; vgl. hierzu TRILLITZSCH 1965, 44. 90 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B): Nec mirum hoc de hominibus, cum Minervam quoque et Dianam virgines deas finxerit error gentilium [...]. 91 ROBERTSON 1900, 168 f. 92 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B–284C): Sternzeichen Jungfrau, die Töchter des Phidon, die Braut des Leosthenes, Spartas und Messenes Frauenaustausch, Aristoklides und Aristomenes. 93 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284C–285A): Quo ore laudandae sunt Scedasi filiae in Leuctris Boeotiae, quas traditum est, absente patre, duos iuvenes praetereuntes iure hospitii suscepisse. Qui multum indulgentes vino vim per noctem intulere virginibus. Quae amissae pudicitiae nolentes supervivere, mutuis conciderunt vulneribus.
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die Plutarch zugeschriebenen Narrationes amatoriae bieten mehr Einzelheiten und berichten vom Fortgang der Geschichte: So heißen die Töchter Hippo und Miletia oder Theano und Euxippe. Die Jünglinge aus Sparta befinden sich auf dem Rückweg vom Delphischen Orakel und haben bereits auf dem Hinweg bei Skedasos genächtigt, der zu diesem Zeitpunkt jedoch anwesend war. Bei Pseudo-Plutarch sind es überdies die Spartaner, die die Mädchen töten, um ihre Schandtat zu verbergen. Der Vater versucht danach vergeblich, in Sparta die Bestrafung der Täter zu bewirken, verflucht die Lakedaimonen und begeht Selbstmord.94 Während Skedasos’ Töchter sich den meisten Überlieferungen zufolge selbst das Leben genommen haben, ist nur bei Hieronymus überliefert, dass sie sich gegenseitig getötet haben. Offenbar hat Hieronymus eine Variation des Mythos „mit einer neuen Pointe“ geschaffen.95 Ein solcher Eingriff in die Tradition ist vor dem Hintergrund seiner erklärten Absicht überraschend, gerade die Verankerung der Jungfräulichkeit im traditionellen Wertesystem der Heiden herauszustellen. Abgesehen vom technischen Problem der Durchführbarkeit einer solchen Doppeltat, wirft es die Frage nach Hieronymus’ Intention auf, denn die beiden Jungfrauen nicht als Selbstmörderinnen erscheinen zu lassen, lässt sie immer noch des Tötens schuldig bleiben. Eine moralische Aufwertung der beiden Mädchen wäre damit also auch nicht gegeben. Hinzu kommt, dass der Kirchenvater auch sonst in seinen Schriften nicht die grundsätzliche Ablehnung gegenüber dem Suizid erkennen lässt, wie sie etwa Lactantius oder Augustinus zeigen.96 Hieronymus führt bspw. dieselbe Lucretia, die dem Bischof von Hippo als Beleg dafür dient, dass Selbstmorde auch vergewaltigter Frauen nicht gerechtfertigt sind, hier in der Streitschrift gegen Iovinianus gleich zweimal als Exemplum paganer Tugendhaftigkeit aus der römischen Geschichte an und knüpft damit an die traditionelle römische Sichtweise an.97 Die Töchter des Skedasos sind, weil ihnen ihre pudicitiae über alles geht, für den Mönch in Bethlehem ohne Einschränkung laudandae.
6.4.2.4 Platon von einer Jungfrau geboren Nach vier abschließenden Beispielen aus der griechischen Geschichte98 eröffnet Hieronymus eine Reihe von nicht-christlichen Exempla zur jungfräulichen Geburt mit der oben besprochenen Erwähnung der indischen Gymnosophisten, nach deren
94 X. HG 6,4,7; D.S. 15,54,3; Plu. Pel. 20,5 ff.; Plu. Moralia 773b–774d (= Ps.-Plu. amat. narrat. 3); Paus. 9,13,5; hierzu BURKERT 1979A, 74 f. 95 BICKEL 1915, 62: „Hieronymus acumine novo fabulam exstruit“. Vgl. HÖFER 1915, 989. 96 Lact. inst. 3,18,6; Aug. civ. 1,19; hierzu SIMONS 2005, 148; HOFMANN 2007, 50–59. 114–116. 97 Hier. adv. Iovin. 1,46 (PL 23, 287C); 1,49 (PL 23, 294C); vgl. in Ion. 1,12 (FC 60, 130); hierzu LAURENCE 1996B, 50–69; HOFMANN 2007, 52. Traditionelle Sichtweise: Liv. 1,57–60; Cic. rep. 2,46; Ov. met. 13,479 f.; fast. 2,685–865; hierzu HOFMANN 2007, 106, Anm. 347. 98 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 285A.B): die Jungfrauen von Lokris und Milet, Nikanor sowie die Jungfrauen von Theben.
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Überlieferung Buddha von einer Jungfrau geboren sei.99 Daran anschließend führt er mit ungewöhnlich vielen Quellenbelegen die jungfräuliche Geburt Platons an: „Sowohl Platons Neffe Speusippos als auch Klearchos in seiner Lobschrift auf Platon und Anaxilides im zweiten Buch seiner Philosophie berichten, dass Periktione, die Mutter Platons, von einer Erscheinung Apollons vergewaltigt wurde. So betrachten sie den Fürsten der Weisheit nicht anders als von einer Jungfrau geboren.“100
Die Grenzen zwischen Mythos und Legende sind hier schwer zu ziehen. Ein Bericht, der diesem hier sehr ähnlich ist, hat sich bei Diogenes Laertios erhalten, demzufolge es Ariston von Kollytos war, der Periktione vergewaltigen wollte und der die Apollon-Erscheinung hatte.101 Das Thema Jungfräulichkeit ist in dieser Darstellung nicht präsent und die Frage, inwieweit der eigentliche Akt der Zeugung stattgefunden hat, bleibt in einer Art und Weise offen, die eher die Vaterschaft Aristons nahelegt. Die Verschiebung hin zur Zeugung durch die Apollon-Erscheinung dürfte Hieronymus von Origenes übernommen haben: „Über Plato hat, wenn ich nicht irre, Aristander berichtet, er sei nicht der Sohn des Ariston, sondern eines Geistes gewesen, der sich in der Gestalt des Apollon der Amphiktione [sc. Periktione] genaht habe.“102
Erst dadurch, dass in Hieronymus’ Version Apollons Geist unmittelbar an die Stelle Aristons tritt, wird es ihm möglich, Periktione als Beispiel für eine jungfräuliche Mutter heranzuziehen. Überhaupt wird das Exemplum erst durch diesen Unterschied zu einem mythischen, da Apollon nicht nur als Erscheinung, sondern als handelnde Figur auftritt.103 Mit der Zeugung durch einen Gott – trotz des drastischen Gewaltakts, den Hieronymus ihm zuschreibt – ist die Parallelität zur jungfräulichen Geburt Jesu enorm gesteigert. Das Exemplum erweist sich so als geradezu ideal für den Zweck, das Alter des Werts der Jungfräulichkeit zu erweisen. Ohne Unterbrechung lässt der Kirchenvater dem Platon-Exemplum zwei weitere Beispiele von jungfräulichen Geburten der Töchter des Pythagoras und des Diodoros folgen.104 In ihrer stereotypen Ähnlichkeit erwecken die Exempla jedoch den Eindruck, dass es sich hierbei um einen Topos legendenhaft ausgestalteter Philosophenviten handelt.
99 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B); hierzu oben 6.2.1.2. Vgl. ROBERTSON 1900, 317. 100 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285C): Speusippus quoque sororis Platonis filius, et Clearchus in laude Platonis, et Anaxilides in secundo libro philosophiae, Perictionem matrem Platonis, phantasmate Apollinis oppressam ferunt, et sapientiae principem non aliter arbitrantur, nisi de partu virginis editum. Die (heute verlorenen) Werke der drei erwähnten Aristoteles- und Platon-Schüler Speusippos, Klearchos und Anaxalides wird Hieronymus kaum gelesen haben. 101 D.L. 3,2. 102 Or. Cels. 6,8 (SC 147, 196): Καὶ πρὸς ταῦτά φηµι ὅτι περὶ µὲν Πλάτωνος Ἀρίστανδρος οἶµαι ἀνέγραψεν ὡς οὐκ Ἀρίστωνος υἱοῦ ἀλλὰ φάσµατος, ἐν Ἀπόλλωνος εἴδει προσελθόντος τῇ Ἀµφικτιόνῃ· Übers. nach BKV 53, 104. Vgl. auch Cels. 1,37. Die Verwechslung Periktione/Amphiktione ist mehrfach belegt; BICKEL 1915, 135. Manche Hss. von Hier. adv. Iovin. 1,42 bieten das origenische fasmate statt phantasmate Apollinis; vgl. BICKEL 1915, 384. 103 DÖRRIE 1990, 156. 413. 104 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285C–286A).
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6.4.2.5 Auch von einer Jungfrau geboren: Romulus und Remus Zum Abschluss der Kapitel 41 und 42 über die Jungfräulichkeit führt Hieronymus das wohl gewichtigste Exemplum an, das nach römischen Maßstäben das Alter und die Erhabenheit der Idee beweisen kann: „Und das mächtige Römertum kann uns nicht vorhalten, dass unser Herr und Erlöser von einer Jungfrau geboren wurde, da sie glauben, dass die Urheber ihrer Stadt und ihres Geschlechts von der Jungfrau Ilia und von Ares gezeugt wurden.“105
Nach der Sage, auf die Hieronymus hier rekurriert, macht Amulius, nachdem er seinen Bruder Numitor als König von Alba Longa abgesetzt hat, dessen Tochter Ilia bzw. Rhea Silvia zu einer Vestalin, um zu verhindern, dass sie rechtmäßige Thronerben zur Welt bringen kann. Jedoch wird sie von Mars verführt und gebiert die Zwillinge Romulus und Remus, die später Amulius überwältigen und die Stadt Rom gründen.106 Wie in der betrachteten Version von der jungfräulichen Geburt Platons, werden auch die legendären auctores urbis et gentis suae von einer Jungfrau geboren. Das Exemplum ist weitaus berühmter und die Jungfräulichkeit der Rhea Silvia durchweg belegt, zumal sie konstitutiv für die Erzählung ist. Zudem lässt er sich an dieser Stelle auf einen der seltenen unmittelbaren Vergleiche zwischen fabulae und Bibel ein. Die Abstufung der Wertigkeit beider Exempla nimmt er allein durch die Wortwahl arbitrari in Bezug auf Ilia vor, was die Möglichkeit impliziert, dass das Römertum mit der Annahme falsch liegt. Dass der Vergleich zur Jungfrauengeburt Mariens hier am Ende des Abschnitts zu den Jungfrauen-Exempla steht, zeigt einerseits, dass er auch die Streitschrift gegen Iovinianus durchkomponiert hat, und andererseits, dass seine apologetische Beweisführung hier zu einem Höhepunkt gekommen ist, mit dem er unmittelbar darauf verweisen kann, dass sich Rom ab urbe condita auf eine Jungfrauengeburt beruft. Dem Ilia-Exemplum kommt somit besonderes Gewicht zu.
6.4.2.6 Karthagos Aufstieg und Niedergang zum Lobpreis der Keuschheit „So viel zu den Jungfrauen der Welt“,107 leitet Hieronymus über und erklärt zu Beginn des 43. Kapitels, dass er sich im Folgenden Ehefrauen widmen wolle, die ihren Mann aus Angst vor einer zweiten Ehe nicht überleben wollten oder die ihren einzigen Mann auf bewundernswerte Weise liebten. Damit wolle er zeigen, dass die Zweitehe auch bei den Heiden missbilligt wurde, und verweilt, wenn man so will, im weiteren Feld der römischen Gründungssage: „Dido, Pygmalions Schwester, segelte nach Afrika, nachdem sie eine große Menge Gold und Silber angehäuft hatte, und gründete dort die Stadt Karthago. Als Iarbas, der König von Libyen, 105 Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A): Ac ne nobis Dominum Saluatorem de Virgine procreatum Romana exprobraret potentia, auctores urbis et gentis suae Ilia virgine et Marte genitos arbitrantur. Zu Hieronymus’ Vorlagen BICKEL 1915, 146: „res dubia est.“ 106 Oben 6.1.2. 107 Hier. adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A): Haec de virginibus saeculi […].
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um ihre Hand anhielt, schob sie die Hochzeit eine Weile auf, bis sie die Stadt aufgebaut hatte. Kurze Zeit nachdem sie im Gedenken an ihren Gatten Sychaeus einen Scheiterhaufen errichtet hatte, zog sie es jedoch vor zu brennen, anstatt erneut zu heiraten. Eine keusche Frau hat Karthago gegründet und dieselbe Stadt ist zum Lobpreis der Keuschheit wieder geendet. Denn, als die Stadt eingenommen war und in Flammen stand, nahm Hasdrubals Frau angesichts der drohenden Gefangennahme durch die Römer ihre kleinen Kinder zu beiden Seiten und sprang hinab in die brennenden Reste ihres Hauses.“108
Didos Erzählung, die wohl auf alten phönikischen Überlieferungen beruht, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Sie ist die Tochter des Königs Belus von Tyros, dessen Herrschaft auf ihren Bruder Pygmalion übergeht. Sie heiratet ihren Onkel, den Herakles-Priester Sychaeus, der jedoch wegen seiner Schätze von Pygmalion ermordet wird. Im Traum berichtet ihr toter Mann von der Tat des Bruders und ermahnt sie, Tyros zu verlassen. Mit tyrischen Gefolgsleuten landet sie nach einem Aufenthalt auf Zypern an der libyschen Küste, wo sie ein Stück Land erwirbt und Karthago gründet. Durch die schnell aufblühende Stadt fühlt sich der libysche König Iarbas bedroht und drängt auf eine Hochzeit. Dido willigt ein, um zu verhindern, dass er Karthago angreift, erbittet sich aber ein wenig Aufschub. In der Zeit errichtet sie ein Brandopfer, scheinbar zu Ehren des Iarbas, tötet sich jedoch schließlich auf dem Scheiterhaufen selbst mit dem Schwert.109 Weitaus berühmter ist indes die Ausgestaltung der Erzählung, wie Vergil sie wiedergibt. Demnach ist sie eine Zeitgenossin des Aeneas und sucht den Freitod, weil dieser ihre Liebe nicht ausreichend erwidert und nach Italien weiterzieht.110 Diese zweite, spätere Überlieferung ignoriert Hieronymus an der vorliegenden Stelle vollständig, obwohl gerade die Aeneis häufig seine Quelle für die fabulae im Kontext der römischen Frühgeschichte bildet. Der Grund ist leicht einsehbar, denn die Dido der Aeneis, die sich als Witwe in einen Fremden auf der Durchreise verliebt und seinetwegen ihrem Leben ein Ende macht, würde nicht als Exemplum für die heidnische Ablehnung der Zweitehe taugen. Mit dem Hinweis auf die castitas als Gemeinsamkeit schlägt Hieronymus von hier aus den Bogen zum Beispiel der Frau Hasdrubals, das als Entsprechung zur Gründungssage für ihn das Ende der Geschichte des souveränen Karthagos markiert und damit seiner Vorliebe für Paarungen von Exempla genüge tut: Als Karthago im Jahr 147 v. Chr. durch den jüngeren Scipio Africanus eingenommen wurde und nur
108 Hier. adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A.B): Dido, soror Pygmalionis, multo auri et argenti pondere congregato, in Africam navigavit, ibique urbem Carthaginem condidit, et cum ab Iarba rege Libyae in coniugium peteretur, paulisper distulit nuptias, donec conderet ciuitatem. Nec multo post exstructa in memoriam mariti quondam Sichaei pyra, maluit ardere quam nubere. Casta mulier Carthaginem condidit, et rursum eadem urbs in castitatis laude finita est. Nam Hasdrubalis uxor, capta et incensa urbe, cum se cerneret a Romanis capiendam esse, apprehensis ab utroque latere parvulis filiis, in subiectum domus suae devolavit incendium. 109 Timae. FGrH 566 F 82; Sil. 1,70–90; App. Pun. 1,1; Iust. 18,4–6. Hier. in Os. 1,2 (CCL 76, 28) bringt ihren Vater Belus mit dem atl. Baal (בעל/b‘l) in Verbindung und zitiert in diesem Zusammenhang Verg. Aen. 1,729 f. Vgl. Serv. Aen. 1,642. 729 f. 110 Verg. Aen. passim, bes. 4; Ov. fast. 3,545–550; epist. 7; met. 14,75–81; Sil. 2,406–431; Hyg. fab. 243. Nach Serv. Aen. 4,682 war es bei Varro Anna, die sich in Aeneas verliebte.
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noch wenige die Akropolis der Stadt hielten, lieferte sich der karthagische Oberbefehlshaber Hasdrubal alleine dem Feind aus, um Gnade für seine Person zu erwirken. Seine Frau, deren Name nicht überliefert ist, verfluchte ihn deshalb, tötete die beiden gemeinsamen Kinder und warf sie sowie sich selbst in die Flammen des brennenden Asklepios-Tempels.111 Die Frage nach der Historizität dieser Episode einmal beiseitegelassen, liegt es auf der Hand, weshalb sich die Verbindung der karthagischen Heldinnen anbot – beide suchten den Flammentod, um einem schlimmeren Schicksal zu entgehen. Diesen Bogen spannt bereits Florus, der in der heldenhaften Tat der Frau Hasdrubals eine Nachahmung der Königin sieht, die Karthago gegründet habe.112 Beiden Heldinnen widmet auch Tertullianus in seiner Schrift Ad martyras aus dem Jahre 197 eine gemeinsame Erwähnung: „Auch Frauen haben die Flammen verachtet: Dido ist dazu gezwungen worden, weil sie nach ihrem geschätzten Mann nicht erneut heiraten wollte; ebenso hat sich, während Karthago schon brannte, die Frau Hasdrubals mit ihren Kindern in die brennende Vaterstadt gestürzt, damit sie nicht erleben musste, wie ihr Gatte sich Scipio unterwarf.“113
Wie Hieronymus trägt Tertullianus hier heidnische Beispiele von Frauen zusammen, die jeweils für ein höheres Gut ins Feuer gegangen sind. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass er zwei eindeutig verschiedene Beweggründe benennt. Im Fall von Dido ist es zwar ebenfalls die Treue zum verstorbenen Gatten, aber im Fall von Hasdrubals Frau ist es der Patriotismus, den sie über die Gattenliebe stellt.114 Der Heroismus der beiden Frauen mag in seinem Ausmaß vergleichbar sein, aber nicht ihre Motivation. Tertullianus knüpft damit an die antike Historiographie an, da die Heldin auch bei den antiken Historikern als leuchtendes Gegenbeispiel zum Vaterlandsverrat ihres Gatten dient. So deutlich die Parallelen der beiden Frauenschicksale sind, ist es doch nicht einsehbar, weshalb Hieronymus im Ende der Frau Hasdrubals ein Beispiel für castitas sehen will. Aufschluss könnte der wenige Jahre ältere Kommentar zum Epheserbrief geben, in dem sie ihm bereits als Exemplum für treue Gattenliebe dient: Nach Eph 5,25 sollen Männer ihre Frauen lieben, so der Kirchenvater, „wie jene Gattin des Hasdrubal in Erinnerung gehalten wird, die, nachdem ihr Mann gefangen wurde, sich in die Flammen ihrer Heimat stürzte, und wie die übrigen Frauen, die den Tod ihres Mannes nicht überleben wollten“.115
111 Plb. 38,20; Str. 17,3,14; Val. Max. 3,2 ext. 8; App. Pun. 131; Liv. perioch. 51,5. Hierzu CARLSON 1948, 98; KOWALEWSKI 2002, 250 f. Vgl. auch Aug. civ. 18,21. 112 Flor. epit. 1,31 (2,15,17); hierzu CARLSON 1948, 97 f.; KOWALEWSKI 2002, 251. 113 Tert. mart. 4,5 (CCL 1, 6): feminae quoque contempserint ignes: Dido, ne post virum dilectissimum nubere cogeretur; item Asdrubalis uxor, quae iam ardente Carthagine, ne maritum suum supplicem Scipionis videret, cum filiis suis in incendium patriae devolavit; vgl. nat. 2,9. Hierzu BICKEL 1915, 239–245; FELMY 1999, 123; SIMONS 2005, 146. 114 HOFMANN 2007, 88. 115 Hier. in Eph. 3 (PL 26, 532A.B): qualis illa uxor memoratur Hasdrubalis, quae, capto viro, in patriae se iecit incendium, et caeterae quae viris mortuis supervivere noluerunt; vgl. LUMPE 1966, 1250.
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Offenbar stülpt Hieronymus eine eigenwillige Interpretation über die Episode, als ob dem Hasdrubal der Tod durch seine Gefangennahme sicher war und seine Frau ihn nicht überdauern wollte. Der Kirchenvater steht allein mit dieser Deutung und wirft damit die Frage auf, ob sie ihm durch eine Vorlage vermittelt wurde.116 Didos Flammentod anzunehmen, statt sie durch das Schwert gestorben sein zu lassen, ermöglicht zudem die sinnfällige Formel, dass sie „lieber brennen als heiraten“ möchte, maluit ardere quam nubere, die Hieronymus hier wie eine programmatische Parole an den Beginn der Beispielreihe zur Einehe setzt. Der Satz ist eine Anspielung auf einen Paulus-Ausspruch, mit dem dieser den Witwen eine Wiederheirat erlaubt, um der Sünde vorzubeugen: „Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten, denn es ist besser, zu heiraten, als zu brennen“.117 Hieronymus dreht den Satz – und damit auch die Aussage – um. Überdies wird durch den Kontext des Dido-Scheiterhaufens aus dem metaphorischen Brennen, das bei Paulus die fleischliche Begierde bezeichnet, ein buchstäbliches. Diese Konkretisierung ist notwendig, da Hieronymus andernfalls ein Leben in Ausschweifung empfehlen würde, indem er sinngemäß die fleischliche Lust über das Heiraten stellte. Diese Deutung von Didos Freitod konnte er ebenfalls bei Tertullianus vorfinden, denn die Gründerin seiner Heimatstadt dient ihm in De exhortatione castitatis auf ganz ähnliche Weise als paganes Beispiel für die Gattentreue einer Witwe: „Es sollen uns auch gewisse heidnische Frauen als Beleg dienen, die wegen ihrer Beständigkeit gegenüber einem einzigen Mann zu Ruhm gelangt sind; eine gewisse Dido, die auf fremden Boden geflüchtet war, wo sie überdies in die Hochzeit mit einem König hätte einwilligen sollen, wollte im Gegenteil lieber brennen als heiraten, um nur keine zweite Ehe zu erdulden.“118
Abgesehen davon, dass Hieronymus das Verb uri durch ardere ersetzt hat, ist die Formulierung identisch und das Lob für den „sly twist“ in diesem Sprachspiel gebührt Tertullianus.119 Die Art, wie Hieronymus seine Vorlagen verknüpft und inhaltlich miteinander vermengt, lässt ihn zu dem merkwürdigen Urteil gelangen, der Tod der Frau Hasdrubals sei ein Beispiel für castitas. Dass der Kirchenvater hier auf die Dido-Tradition rekurriert hat, die von der Aeneis abweicht, ist ein besonders anschaulicher Beleg dafür, wie flexibel er mit derartigen Exempla umgeht. So dient ihm 16 Jahre später die Gründerin Karthagos in demselben Sinnzusammenhang als Negativbeispiel, um die junge Gallierin Geruchia von einer erneuten Heirat nach dem Tod ihres Mannes abzubringen:
116 Anders bspw. Oros. hist. 4,23,4. In Hier. epist. 123,7,2 (CSEL 56, 80) nennt er noch einmal Dido und Hasdrubals Frau als Exempla für castitas; hierzu SIMONS 2005, 142 m. Anm. 246. 117 1 Kor 7,9: εἰ δὲ οὐκ ἐγκρατεύονται, γαµησάτωσαν, κρεῖττον γάρ ἐστιν γαµῆσαι ἢ πυροῦσθαι. 118 Tert. castit. 13,3 (SC 319, 114): Erunt nobis in testimonium et feminae quaedam saeculares ob univiratus obstinationem famam consecutae; aliqua Dido, quae profuga in alieno solo, ubi nuptias regis ultro optasse debuerat, ne tamen secundas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere. Vgl. monog. 17,2; apol. 50,5; hierzu SIMONS 2005, 143 f.; HOFMANN 2007, 109 f. 119 DEMING 1995, 225, hier über Hieronymus. Vgl. auch MORESCHINI, in: SC 319, 197; MATTEI, in: SC 343, 394; HOFMANN 2007, 111, Anm. 367.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen „Mein erstes Beispiel ist Annas Rat: ‚wirst du dich während all deiner Jugendjahre in Trauer verzehren und nichts von süßen Kindern und den Gaben der Venus wissen? Den Staub und die Toten kümmert das, meinst du, im Grabe?‘ Hierauf gab die Leidende selbst kurz zur Antwort: ‚Du ließest mich von meinen Tränen rühren, du vor allem, Schwester, hast der rasend Verliebten dieses Leid aufgebürdet und mich meinem Feind preisgegeben. Es war mir verwehrt, ehelos, unschuldig gleich einem Wild zu leben und solchen Liebesschmerz nicht zu erleiden. Nicht hielt ich den Schwur, den ich bei Sychaeus’ Asche geschworen.‘ Du führst mir zwar die Freuden des Ehelebens vor Augen, ich aber halte dir den Scheiterhaufen, das Schwert und das Feuer entgegen. In der Ehe ist nicht so viel Gutes, auf das man hoffen darf, wie Schlechtes, das passieren kann und das man fürchten muss.“120
Nicht ohne eine gewisse Dramatisierung hält der Mönch der jungen Witwe die Attribute Scheiterhaufen, Schwert und Feuer vor, geradezu, als ob diese die spezifischen Gefahren einer Aristokratenehe im spätantiken Gallien darstellten.121 Die Frage nach Didos Todesart lässt er mit der Aufzählung dieser arma Didonis offen, was auf eine gewisse Unsicherheit hindeuten mag, welcher Überlieferung zu folgen sei. Das Negativbeispiel konstituiert sich hier gerade durch die wesentlichen Unterschiede der Aeneis-Version zur oben skizzierten Überlieferung, nämlich den Umstand, dass Dido auf den Rat ihrer Schwester Anna hört, sich für eine neue Bindung zu öffnen, und dass sie kurz vor ihrem selbst gesetzten Ende genau aus diesem Grund mit sich selbst hadert. Das zweite Aeneis-Zitat, in dem sie ihre eigene Untreue gegenüber Sychaeus’ Asche betont, ist daher die Schlüsselstelle, die sie nach der durch Vergil vertretenen Überlieferung als Exemplum für die Gattentreue im Witwenstand disqualifiziert. Mit Blick auf die Stelle in Adversus Iovinianum zeigt sich deutlich Hieronymus’ pragmatische Haltung in Bezug auf seine Exempla. So rekurriert er auf verschiedene Versionen einer Erzählung, um sie jeweils für seine Aussageabsicht nutzbar zu machen. Ist Dido in der Streitschrift gegen Iovinianus das Beispiel der treuen Witwe schlechthin, deutet er sie im Brief an die junge Witwe Geruchia als tragische Figur, um ihr als abschreckendes Beispiel für die Gefahren einer erneuten Ehe nach dem Tod des Gatten zu dienen. Beide Male schreibt der Mönch gegen die Zweitehe, nutzt aber dieselbe Dido mit jeweils gegensätzlicher Wertung.122 120 Hier. epist. 123,13,1 (CSEL 56, 87 f.): prima de Annae consilio est: ‚solane perpetua maerens carpere iuventa / nec dulces natos Veneris nec praemia noris? / id cinerem aut manes credis curare sepultos?‘ [Verg. Aen. 4,32–34] cui breviter respondeat ipsa, quae passa est: ‚tu lacrymis evicta meis, tu prima furentem / his, germana, malis oneras, atque obiicis hosti. / non licuit thalami expertem sine crimine vitam / degere more ferae tales nec tangere curas. / non servata fides cineri promissa Sychaeo.‘ [Aen. 4,548–553] proponis mihi gaudia nuptiarum; ego tibi opponam pyram, gladium, incendium. non tantum boni est in nuptiis quod speramus, quantum mali, quod accidere potest et timendum est. Verg.-Übers. FINK 2009, 149. 151. 181. Vgl. Hier. in Os. 1,2 (CCL 76, 28). Dido als Negativbeispiel: Aug. conf. 1,13. Zu Geruchia HEINZELMANN 1982, 617; PLRE 2, 509 s.v. Geruchia; REBENICH 1992A, 287–289; FÜRST 2003, 180 f. 121 HOFMANN 2007, 112, verweist auf die Germaneneinfälle. 122 Bemerkenswerterweise hat er für den 123. Brief mehrfach aus Tert. monog. 17,2 geschöpft, offenbar jedoch nicht an dieser Stelle, da Tertullianus die Dido ganz ähnlich der oben zitierten Stelle als Vorbild präsentiert; vgl. REBENICH 1992A, 288. Tertullianus hat eine Vorliebe für Aeneis-Passagen, in denen seine Heimatstadt Karthago oder ihre Schutzgöttin Juno erwähnt werden; hierzu FREUND 2000, 96.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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6.4.2.7 Ihre Keuschheit wird mit Dichterstimme besungen Von hier aus geht Hieronymus zu einer Aufzählung von Beispielen zur Einehe aus der Geschichte verschiedener Völker über, die er bis einschließlich zum 46. Kapitel fortsetzt.123 Erst kurz bevor er zur römischen Geschichte kommt,124 lässt er drei Exempla aus dem griechischen Mythos einfließen, die er ausdrücklich als solche kenntlich macht: „Die fabulae berichten, dass Alkestis freiwillig für Admetos in den Tod gegangen ist, und um Penelopes Keuschheit geht es in Homers Gesang. Auch Laodameia wird mit Dichterstimme besungen, weil sie Protesilaos, als er vor Troja fiel, nicht überleben wollte.“125
BICKEL weist die Stelle mit einiger Vorsicht den Fragmenten aus Senecas De matrimonio zu und räumt zugleich ein, dass es sich schlicht um klassische Exempla aus dem Schulunterricht handeln könnte.126 Mit dem Hinweis fabulae ferunt scheint Hieronymus an dieser Stelle jedenfalls eine Abgrenzung gegenüber den historischen Beispielen vornehmen zu wollen, die den Textteil bis hierhin bestimmt haben. Die erste Erzählung, die allein durch die Nennung zweier Protagonisten und eines zentralen Handlungselements evoziert wird, lässt sich wie folgt paraphrasieren: Weil so viele Männer die schöne und fromme Alkestis zur Frau haben wollen, bestimmt ihr Vater Pelias, der König von Iolkos, dass nur der sie heiraten darf, der zwei wilde Tiere vor einen Karren spannen kann. Admetos, der König von Pherai, bekommt zu diesem Zweck Hilfe von Apollon, weil der Gott ihm zu Dank verpflichtet ist. Auf Zeus’ Geheiß hat er nämlich ein Jahr als Knecht am Hof des Admetos dienen müssen, der ihn mit größter Freundlichkeit und Achtung behandelt hat.127 Mit göttlicher Hilfe fährt Admetos zu Pelias auf einem Wagen, der von einem Löwen und einem Eber gezogen wird, und kann daher Alkestis zur Frau nehmen. Als er jedoch im besten Alter krank wird und im Sterben liegt, kann Apollon bei Artemis oder den Moiren durch eine List erwirken, dass der König nicht sterben muss, wenn jemand anders für ihn in den Tod geht. Dessen Eltern verweigern ihm diesen Dienst trotz ihres hohen Alters, Alkestis erklärt sich indes bereit. Admetos nimmt das Angebot aller Trauer zum Trotz an. Jedoch entkommt Alkestis ihrem Schicksal, weil entweder Herakles sie dem Tod abringt oder weil Persephone, die Königin der Unterwelt, sie wieder zu den Lebenden zurücksendet.128 Die Aussage 123 Hier. adv. Iovin. 1,44 f. (PL 23, 286B–287C): Niceratus’ Frau, Artemisia, Teuta, die Vielweiberei der Barbaren, die Konkubine des Alkibiades, die Frau des Strato, Panthea, die Frau des Kandaules und Rhodogune. 124 Hier. adv. Iovin. 1,46 (PL 23, 287C–288C): Lucretia, Duilius und Bilia, Catos Tochter Marcia, Porcia und Brutus (wobei Hieronymus übersieht, dass sie vorher mit M. Bibulus verheiratet war), Annia, Porcia minor, Marcella maior (vllt. identisch mit der Empfängerin von Hier. epist. 40, die eine zweite Ehe nach dem Tode ihres Mannes ablehnte; unten 6.6.1.2) und Valeria. 125 Hier. adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C): Alcestin fabulae ferunt pro Admeto sponte defunctam: et Penelopes pudicitia Homeri carmen est. Laodamia quoque poetarum ore cantatur, occiso apud Troiam Protesilao, noluisse supervivere. 126 BICKEL 1915, 326 f. Vgl. Sen. epist. 88,8; Ael. VH 14,45; hierzu GRÜTZMACHER 1906, 157. 127 E. Alc. 1; Apollod. 3,10,4; D.S. 4,71,3; Hyg. fab. 49. 128 Vgl. E. Alc. passim; Apollod. 1,9,15; Hyg. fab. 50 f. Zu den Moiren auch unten 6.6.1.2.
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des Exemplums ist auf die Wertung des Verhaltens der Frau reduziert, denn die Frage nach den moralischen Implikationen des Verhaltens des Admetos wird nicht gestellt. Das dürfte jedoch eher der antiken Sichtweise als Hieronymus’ eigener Haltung geschuldet sein, zumal Alkestis auch Clemens von Alexandreia und Tertullianus als Beispiel treuer Gattenliebe dient.129 Das zweite Exemplum weist der Kirchenvater ganz spezifisch dem homerischen Textcorpus zu. Die Referenz auf den Mythos reduziert er mit der Formulierung Penelopes pudicitia auf die Nennung des Namens einer Figur und ihrer zentralen Eigenschaft, ohne dabei im Geringsten auf die mythische Erzählung einzugehen. Ihre Geschichte lässt sich nach der Odyssee so zusammenfassen: Penelope, Tochter des Ikarios, des Königs von Sparta, heiratet Odysseus und geht mit ihm nach Ithaka. Als der Held nicht aus Troja zurückkehrt, füllt sich der Palast mit Freiern, die seinen Reichtum verprassen. Drei Jahre lang weist sie alle ab, indem sie vorgibt, dass sie ein Leichentuch für ihren Schwiegervater Laertes webt, bis herauskommt, dass sie das Tuch jede Nacht wieder aufribbelt. Als sie in ihrer Bedrängnis beginnt, in Erwägung zu ziehen, doch einen Freier zu wählen, kehrt Odysseus heimlich zurück und tötet alle, so dass sie wieder vereint sind.130 Soweit ist leicht nachzuvollziehen, warum Penelopes Name in der Antike „gleichbedeutend mit Gattentreue“131 wurde und dem Mönch hier als Exemplum willkommen ist. Abseits der Odyssee hat die Geschichte jener Heldin der pudicitia jedoch eine Fortsetzung: Als alter Mann wird Odysseus versehentlich von seinem Sohn Telegonos, den er mit Kirke gezeugt hat, getötet. Dieser nimmt Penelope mit nach Aiaia, der Heimat seiner Mutter, und heiratet dort die Witwe seines Vaters.132 Eine nicht erhaltene „Telegonie“, die in Eusebios’ Chronik Kinaithon von Lakedaimon zugeschrieben wird, bildete die Fortsetzung zur Odyssee und dürfte diese Erzählung beinhaltet haben.133 Das führt zu der Frage, ob Hieronymus’ Bemerkung, dass im Homeri carmen von Penelopes Keuschheit zu lesen ist, nicht bloß als Quellenangabe zu verstehen ist, mit der er nach seiner typischen Art die eigene Belesenheit zur Schau stellen will, oder ob er – bzw. Seneca als seine Vorlage – damit die homerische Penelope, die kein zweites Mal geheiratet hat, von der Tradition abgrenzen will, in der sie den unehelichen Sohn ihres verstorbenen Gatten ehelicht. Beim dritten mythischen Exemplum ist dann deutlich allgemeiner vom poetarum ore die Rede, mit dem die hingebungsvolle Ehefrau besungen werde: Laodameia ist die Tochter des Akastos, des Königs von Iolkos, die Iolaos heiratet, den König von Phylake. Weil er als erster Grieche vor Troja fällt, wird er Protesilaos genannt. Laodameia trauert über ihren Verlust so tief, dass Hermes ihrem Wunsch nachgibt und ihren Mann für drei Stunden aus dem Hades holt. Als er wieder zu den Toten zurück muss, begeht Laodameia Selbstmord. Nach manchen fertigt sie 129 Clem. str. 4,19,121,1 f.; Tert. nat. 2,9; anders Epiph. anc. 85,2; vgl. LUMPE 1966, 1250; HAEHLING 2006, 141 f. 130 Hom. Od. 1–4; 16–24 passim; Paus. 3,20,10 f.; Hyg. fab. 126. 131 TRIPP 1974, 416. 132 Apollod. Epit. 7,31–39; Hyg. fab. 127. 133 Hier. chron. a. Abr. 1252 (GCS Eus 7, 87b).
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zunächst eine Statue ihres Mannes an und tötet sich erst, als ihr Vater diese zerstört.134 Die Hingebung an ihren Mann ist in der Tat bemerkenswert, so dass Hieronymus’ Ankündigung zu Beginn des 43. Kapitels kein leeres Versprechen bleibt, er wolle neben Frauen, die ihren Mann nicht überleben wollten, auch von solchen sprechen, quae mire unicos amaverunt maritos.135 Die allgemeine Zuweisung der Erzählung an „die Dichter“ könnte wiederum eine Abgrenzung zur homerischen Tradition sein, in der Laodameias Schicksal bestenfalls angedeutet ist.136
6.4.2.8 Exkurs: Sollen sie doch wenigstens von den Heiden lernen Mit dem 46. Kapitel schließt Hieronymus die Reihe der Exempla zur Einehe ab und wendet sich literarischen Zeugnissen gegen die Ehe als Institution zu. Dem vorgeschaltet ist jedoch eine Bemerkung, die sein Vorgehen rechtfertigen soll und die hier in Hinblick auf ihre Bedeutung für die mythischen Exempla in einem kurzen Exkurs betrachtet werden soll: „Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Frauenkatalog viel mehr gesagt habe, als es für Exempla üblicherweise zulässig ist, und dass ich vom gebildeten Leser mit Recht getadelt werden kann. Aber was soll ich tun, wenn mir die Weiber unserer Tage mit der Autorität des Apostels kommen und aus dem Gedächtnis seine Weisungen zur Zweitehe singen, noch bevor der erste Ehemann zu Grabe getragen ist? Wenn sie schon den Glauben an die christliche Sittsamkeit verschmähen, sollen sie doch wenigstens von den Heiden Keuschheit lernen.“137
Offenbar sieht Hieronymus die Not zur Rechtfertigung vor allem in Länge und Anzahl der Exempla begründet, die den literarischen Gepflogenheiten zuwiderlaufen, und weniger in ihrer heidnischen Provenienz. Dazu gezwungen werde er durch Frauen, die auf die Bibel verweisen, um eine möglichst rasch folgende Zweitehe nach dem Tod des Gatten zu rechtfertigen. Da der Apostel als Referenz an sich kaum kritikwürdig sein kann, unterstellt Hieronymus besagten Frauen also ein falsches Bibelverständnis. Das ist insofern nachvollziehbar, als Paulus das Heiraten und das Wiederheiraten als die nächstbeste Lösung zum Zustand der Ehelosigkeit darstellt: „Dies aber sage ich als Zugeständnis, nicht als Befehl. Ich wünsche aber, alle Menschen wären wie ich“.138 Da die Frauen, von denen Hieronymus spricht, die Paulusworte heranziehen, um gewissermaßen das Heiraten in Serie zu legitimieren, deuten sie den 134 135 136 137
Apollod. Epit. 3,30; Ov. epist. 13; Luc. DMort. 23; Hyg. fab. 103 f.; Serv. Aen. 6,447. Hier. adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A). Hom. Il. 2,695–702. Hier. adv. Iovin. 1,47 (PL 23, 288C–289A): Sentio in catalogo feminarum multo me plura dixisse quam exemplorum patitur consuetudo, et a lectore erudito iuste posse reprehendi. Sed quid faciam, cum mihi mulieres nostri temporis apostoli ingerant auctoritatem; et necdum elato funere prioris viri, memoriter digamiae praecepta decantent? Ut quae Christianae pudicitiae despiciunt fidem, discant saltem ab ethnicis castitatem. Vgl. 1 Kor 7,39; 7,8 f. 27 f.; Röm 7,2. 138 1 Kor 7,6 f.: τοῦτο δὲ λέγω κατὰ συγγνώµην οὐ κατ’ ἐπιταγήν. θέλω δὲ πάντας ἀνθρώπους εἶναι ὡς καὶ ἐµαυτόν· ἀλλ’ ἕκαστος ἴδιον ἔχει χάρισµα ἐκ θεοῦ, ὁ µὲν οὕτως, ὁ δὲ οὕτως. Vgl. Hier. adv. Iovin. 1,7–9 (PL 23, 228B–233B); hierzu DEMING 1995, 33 f.
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Text falsch. Da sie offenbar die Bibel nicht verstehen, müsse man notgedrungen pagane Exempla zu Rate ziehen, um ihnen die richtige Haltung zu vermitteln. Beim Worte genommen streckt Hieronymus damit die Waffen, da es doch eigentlich die Bibel ist, die er als die einzig wahre Lehre vermitteln müsste. Nicht frei von Ironie übt er damit Kritik an solchen Christinnen, die offenbar eher auf die Autorität der heidnischen Überlieferung hören als auf Paulus, weil sie die biblische Wahrheit nicht zur Genüge verinnerlicht haben. Somit nimmt Hieronymus implizit doch eine Rechtfertigung des exzessiven Gebrauchs heidnischer Exempla vor: Christen mit vorwiegend profaner Bildung – und davon wird es nicht wenige gegeben haben – seien eben am leichtesten mit dem zu überzeugen, was sie am besten kennen. Indirekt liefert der Kirchenvater damit zugleich eine Begründung für die Nutzung mythischer Exempla in seinen Schriften. An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass die Streitschrift sich gegen Iovinianus richtet und er derjenige ist, der sich angesprochen fühlen soll. Hieronymus setzt seinen Gegner hier also mit heiratswütigen Witwen gleich und macht ihm unter diesem Deckmantel gewissermaßen den Vorwurf: ‚Wenn du schon zu beschränkt bist, die Worte des Apostels zu verstehen, dann vielleicht wenigstens die der Heiden!‘ Dem Gegner wird unterstellt, dass er die weltliche Weisheit höher schätzt als die biblische; das Heterodoxe wird in die Nähe des Paganen gerückt.
6.4.2.9 Böser Frauen Rat hat mich getäuscht Den größten Teil des 47. Kapitels widmet Hieronymus der ausführlichen Wiedergabe eines Auszuges aus dem ansonsten verlorenen Werk „Über die Ehe“ des Aristoteles-Schülers Theophrastos von Eresos, in dem dieser auf parodistische Weise die Unbilden des Ehelebens aus männlicher Perspektive beschreibt.139 Während Hieronymus bis hierhin positive Beispiele von Jungfrauen angeführt hat, argumentiert er im Folgenden ex negativo, um den Primat der Ehelosigkeit herauszustellen. Waren die zuvor genannten Frauen leuchtende Vorbilder für den Jungfrauen- oder Witwenstand, folgen nun Beispiele von Frauen, die durch ihr Verhalten die Ehe als Institution diskreditieren.140 Exempla, die den Wert der Ehelosigkeit als solchen erweisen, kann oder will er nicht beibringen. Sein Katalog gerät ihm hier zu einer Sammlung von Beispielen, die die Schlechtigkeit der Frauen an sich illustrieren: „Die gesamten Tragödien des Euripides sind Schmähungen gegen Frauen. Daher sagt Hermione auch: ‚Böser Frauen Rat hat mich getäuscht.‘“141
139 Hier. adv. Iovin. 1,47 (PL 23, 289A–291A); hierzu DEMING 1995, 65 f.; VOGT-SPIRA 1997, 713. Das Theophrastosexzerpt geht jedoch auf Seneca oder Porphyrios zurück; vgl. BICKEL 1915, 18–20; HAGENDAHL 1958, 153; TRILLITZSCH 1965, 44; LAUSBERG 1970, 1, Anm. 2. 140 Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 291A–292A): Cicero, Sokrates, Metella und Sulla, Pompeius und Mucia, Cato und Actoria Paula, Philipp von Makedonien und Gorgias. 141 Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292A): Totae Euripidis tragoediae in mulieres maledicta sunt. Unde et Hermione loquitur: Malarum me mulierum decepere consilia. Positive Exempla erst wieder Ende des 49. Kapitels ab Lucretia als vorbildlicher Ehefrau (PL 23, 293C).
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Zum Verständnis sei Hermiones Geschichte nach Euripides’ „Andromache“ paraphrasiert: Die Tochter des Menelaos und der Helena kann ihrem Mann Neoptolemos, bei dem sie in Phthia in Thessalien lebt, keine Kinder gebären. Weil ihm jedoch Hektors Witwe Andromache, die Neoptolemos aus Troja geraubt hat, einen Sohn geboren hat, ist Hermione eifersüchtig und will beide umbringen, während Neoptolemos nach Delphi verreist ist. Als ihr Vorhaben scheitert, fürchtet Hermione sich vor dem Zorn ihres Gatten und flieht mit Orestes, dem sie einst auch als Frau versprochen worden ist, nach Sparta. Dieser hat in der Zwischenzeit Neoptolemos töten lassen und heiratet Hermione schließlich. Der zitierte Ausspruch stammt aus der Szene, als Orestes gerade bei der verzweifelten Hermione in Phthia ankommt. Nachdem er sich von ihr alles hat erklären lassen, fragt er, wie sie in solch eine Situation geraten konnte, und erhält die zitierte Antwort.142 Hieronymus hat den Vers jedoch wohl aus Plutarchs Coniugalia praecepta übernommen, wo der Autor vor den Folgen eines Streits im ehelichen Schlafzimmer warnt.143 Das Bild von geschwätzigen, boshaften Frauen, das Hermione hier in den Mund gelegt wird, fügt sich, so aus dem Kontext gelöst, hervorragend in Hieronymus’ Aussageabsicht und dient ihm zum Beweis für die generelle Schlechtigkeit der Frauen. Aus Stellen wie dieser eine eindimensionale Misogynie des Kirchenvaters abzuleiten, griffe jedoch zu kurz. Sein Umgang mit Christinnen seit seinem zweiten Rom-Aufenthalt und der intellektuelle Austausch legen ein differenzierteres Bild nahe. Hieronymus neigt generell dazu, Positionen zu beziehen, die seiner jeweiligen Argumentation nützlich sind. Dieser opportunistische Pragmatismus lässt sich auch im Umgang mit mythischen Exempla beobachten. Seine frauenfeindliche Polemik wird vor diesem Hintergrund nicht besser, sollte jedoch nicht den Blick auf die Fragestellungen dieser Arbeit verstellen.
6.4.2.10 Alles sind die Frauen schuld Nichtsdestotrotz behält Hieronymus diesen Modus im Folgenden bei und spickt sein Schimpfen mit einer kleinen Reihe von Gemeinplätzen und Zitaten.144 Von der römischen Komödie, die uns lehrt, dass ein glücklicher Mann sei, wer keine Frau hat,145 schlägt er erneut den Bogen zur griechischen Tragödie: „Was soll ich von Pasiphae, Klytaimnestra und Eriphyle berichten, von denen der ersten, die als Frau eines Königs ohnehin in Vergnügen schwelgte, nachgesagt wird, dass ihr nach Verkehr mit einem Stier gelüstete; die nächste brachte ihren Mann aus Liebe zu einem Liebhaber um; die dritte verriet Amphiaraos und zog der Rettung ihres Mannes eine goldene Halskette vor. 142 E. Andr. 930 f.: κακῶν γυναικῶν εἴσοδοί µ᾽ ἀπώλεσαν, / αἵ µοι λέγουσαι τούσδ᾽ ἐχαύνωσαν λόγους: 143 Plu. Moralia 143e.f (= coniugalia praecepta 40); vielleicht vermittelt durch Porphyrios; hierzu BICKEL 1915, 49–51; HAGENDAHL 1958, 153. 144 Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B): ein Hochzeitsbrauch in Leptis Magna (oder Minor?); hierzu Zitat Ter. Hec. 2,1,4; die Anekdote von einem schönen, neuen Schuh, der jedoch drückt (Plu. Aem. 5,1 f.), sowie ein Verweis auf Gyges’ Ausspruch in Hdt. 1,8,3. 145 Hieronymus verweist auf einen noster comicus; vielleicht Ter. Phorm. 1,3,21.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen Alles, wovon die Tragödien voll sind und was Häuser, Städte und Königtümer vernichtet, beruht stets auf dem Eifer von Ehefrauen und Mätressen. Eltern greifen zur Waffe gegen ihre Kinder; unsägliche Mähler werden angerichtet; und weil ein einziges Weibsbild geraubt wurde, lagen Europa und Asien zehn Jahre lang im Krieg.“146
Zunächst sei auf die Erzählungen zu den drei namentlich genannten Frauen eingegangen. Von Pasiphae, der Frau des Königs Minos, die den Minotauros gebiert, war oben im Zusammenhang mit Hieronymus’ Labyrinth-Referenzen die Rede.147 Klytaimnestra, die Tochter der Leda und des Tyndareos, des Königs von Sparta, wird von ihrem Vater mit Tantalos verheiratet, welchen Agamemnon, der König von Mykene, mitsamt ihres kleinen Kindes tötet. Tyndareos gibt sie daraufhin Agamemnon zur Frau, dem sie die Kinder Iphigenie, Elektra, Chrysothemis und Orestes gebiert. Als sie erfährt, dass ihr Mann Iphigenie der Artemis opfern will, fasst sie mit ihrem Liebhaber Aigisthos den Plan, Agamemnon bei seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg zu töten und setzt das Vorhaben um. Später rächt ihr eigener Sohn Orestes den Vater mit Elektras Hilfe und tötet sie mitsamt Aigisthos.148 Eriphyle, die Hieronymus als dritte nennt, hat von ihrem Mann, dem Seher Amphiaraos, durch einen Schwur die Aufgabe übertragen bekommen, in Streitfragen zwischen ihm und ihrem Bruder Adrastos zu entscheiden. Als Polyneikes den zögerlichen Amphiaraos für den Kampf der Sieben gegen Theben gewinnen will, besticht er Eriphyle mit einer von Hephaistos gefertigten Halskette aus Gold, damit sie in der Sache gegen ihren Gatten entscheidet – obwohl dieser vorhergesehen hat, dass der Zug für ihn tödlich enden wird.149 Was Hieronymus mit diesen Exempla zeigen will, bringt er selbst auf eine Formel, indem er Ehefrauen und Konkubinen als Verantwortliche für alles Schlechte ausmacht. Die beiden folgenden sehr allgemein gehaltenen Exempla dienen daher der Illustration, welche weiteren schlimmen Dinge in den Tragödien vonstattengehen, in denen zwar nicht immer Frauen die Protagonisten sind, sie aber doch verantwortlich für den grausigen Verlauf der Ereignisse sind – so deutet er es jedenfalls an. Welche Mythen oder welche Werke er konkret meint, wenn er von tragoediae spricht, bleibt im Dunkeln. Womöglich wird die Bemerkung aus seinen SenecaKenntnissen gespeist, da sich Beispiele für die genannten Vorkommnisse in den Tragödien des Stoikers finden: das Mahl des Thyestes, in dem er seine Söhne durch Atreus vorgesetzt bekommt, weil er mit dessen Frau Aerope Ehebruch begangen 146 Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B.C): Quid referam Pasiphaen, Clytemnestram, et Eriphylam: quarum prima deliciis diffluens, quippe regiis [sic] uxor, tauri dicitur expetisse concubitus, altera occidisse virum ob amorem adulteri; tertia prodidisse Amphiaraum, et saluti viri monile aureum praetulisse. Quidquid tragoediae tument, et domos, urbes, regnaque subvertit, uxorum pellicumque contentio est. Armantur parentum in liberos manus: nefandae apponuntur epulae; et propter unius mulierculae raptum, Europa atque Asia decennali bello confligunt. Vgl. Tert. anim. 46. 147 Oben 6.3.1.6. Vgl. Plu. Moralia 139b (= coniugalia praecepta 7); hierzu LÜBECK 1872, 51. 207; BICKEL 1915, 67–69. 148 Hom. Od. 3,262–272; 11,404–454; A. Orestie passim; S. El. passim; E. El. passim; E. IA passim; Sen. Ag. passim; Hyg. fab. 77 f.; 117; 119. 149 Hom. Od. 11,326 f.; Apollod. 3,4,2. 6,2. 7,2–5; D.S. 4,65,5–9; Paus. 5,17,7 f.; 9,41,2 f. Vgl. Iuv. 6,655; Clem. paed. 2,10,109,4; hierzu BICKEL 1915, 336.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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hat; Hippolytos, der wegen Phaidras Anschuldigung von seinem Vater Theseus getötet wird; der Tod Kreusas und ihres Vaters Kreon auf Betreiben Medeias sowie Klytaimnestras Hass auf Kassandra, der ihr den Tod bringt.150 Hieronymus’ summarische Bemerkung erinnert zudem an die Mythen-Kataloge im letzten Teil von Hyginus’ Fabulae, die jeweils thematisch gegliederte Listen von Erzählungen enthalten. In den Kapiteln über Väter, „die ihre Töchter ermordet haben“, und „Mütter, die ihre Söhne getötet haben“,151 finden sich mythische Figuren , die gegen ihr eigen Fleisch und Blut zur Waffe gegriffen haben, z. B. Hyakinthos, Erechtheus oder Medeia. Wenige Kapitel später werden überdies Eltern aufgelistet, „die ihre Kinder bei Mählern verspeist haben“: „Tereus, Sohn des Ares, [verspeiste] seinen Sohn Itys von Prokne; Thyestes, Sohn des Pelops, seine Kinder von Aerope, Tantalos und Pleisthenes; Klymenos, Sohn des Schoineus, seinen Sohn von seiner Tochter Harpalyke.“152 Mit Senecas Tragödien und Hyginus’ Fabulae sind freilich nur zwei mögliche Einflüsse und Vorlagen zu greifen. Mit der letzten Bemerkung über die eine muliercula spielt der Mönch natürlich auf Menelaos’ Frau Helena an, die Priamos’ Sohn Paris vom Hof in Sparta nach Troja entführt und damit den Auslöser für den Trojanischen Krieg liefert. Sie ist die klassische Femme fatale des Mythos und hat als Exemplum topischen Charakter in der Antike.153 Abschließend führt Hieronymus zwei weitere literarische Referenzen gegen die Ehe an und geht im letzten Kapitel zu einer Reihe Exempla über, die sich gegen die Lust innerhalb der Ehe wenden.154 Nachdem er sich so ausführlich den Negativbeispielen gewidmet hat, schwenkt er zum Schluss noch einmal um und bemüht sich, durch die Aufzählung entsprechender Vorbildfiguren den Nachweis zu erbringen, dass die Tugend der Frau insbesondere ihre Keuschheit sei.155 Damit schließt das erste Buch der Streitschrift Adversus Iovinianum. 6.4.3 Zusammenfassung Bei der ersten mythischen Referenz, die in diesem Kapitel zu betrachten war, handelt es sich um eine nautische Allegorie, die Hieronymus zweimal in fast identischer Form nutzt, jedoch mit einem Abstand von 30 Jahren. In seinem Brief an 150 BICKEL 1915, 336: Sen. frg. inc. Vgl. Sen. Thy. passim; Sen. Phaedr.; Sen. Med.; Sen. Ag. 151 Hyg. fab. 238 (Qui filias suas occiderunt). 239 (Matres quae filios interfecerunt). Leider sind die vorhergehenden Kapitel 226–237 verloren; hierzu ROSE 1963, 147. 152 Hyg. fab. 246 (Qui filios suos in epulis consumpserunt): Tereus Martis filius ex Progne Ityn. Thyestes Pelopis ex Aërope Tantalum et Plisthenem. Clymenus Schoenei filius ex Harpalyce filia filium suum. Vgl. fab. 45; 88; 206. 153 Hom. Il. 3,125–165; 24,760–775; hierzu SCHNEIDER 2008, 308. Vgl. oben 6.4.1.4. 154 Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292C–293A): Zitate von Epikur und Chrysippos; ebd. 1,49 (PL 23, 293A–294B): Erwähnung der Traktate über die Ehe von Aristoteles, Plutarch und Seneca; Beispiele aus den Werken Platons, Senecas, des Pythagoreers Xystos und noch einmal Senecas. 155 Hier. adv. Iovin. 1,49 (PL 23, 294B). Zu den Exempla ebd. (PL 23, 294C–296A): Lucretia und Brutus, Cornelia und Gracchus, Porcia und Brutus, Tanaquilla (Frau des Tarquinius Superbus), Theano, Kleobule, Gorgunte, Timokleia, die Claudiae, die Corneliae, die Dienerinnen der Fortuna Muliebris, die Enthaltsamkeit der männlichen Priester sacerdos, Flamen und Hierophant.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Heliodorus, den späteren Bischof von Altinum, rät der junge Hieronymus zu einem Leben als Einsiedler und warnt vor der Charybdis der Sinnlichkeit sowie der Skylla der Begierde. In dem jüngeren Brief an den Mönch Rusticus spricht er von der Charybdis der Habgier und der Skylla der Missgunst.156 Ungewöhnlich ist, dass Hieronymus die Bedeutungsebene so unmittelbar der Bildebene zuordnet. Da die jeweiligen Entstehungsmythen der beiden Figuren die Zuordnung zur luxuria nicht nahelegen, stellt er den Bezug über die Ungeheuer her und stützt sich auf die Situation der zweiseitig drohenden Gefahr, die ein geschicktes Manövrieren des Adressaten zwischen ihnen hindurch erfordert. Auch die geographische Lage an der Straße von Messina spielt für das gewählte Bild keine Rolle. Beide Male setzt er die mythischen Ungeheuer gleichberechtigt neben die christliche Figur des Teufels, die sich durch die negative Ausrichtung der Allegorie problemlos zusammenfügen lassen. In beiden Schreiben erteilt Hieronymus Ratschläge zum mönchischen Leben, gelangt aber während der drei Jahrzehnte von der Präferenz eines eremitischen Lebens hin zu der eines koinobitischen. Wegen der Ähnlichkeit der Fragestellungen nutzt Hieronymus zweimal dieselbe Allegorie unter völlig konträren Prämissen. In dem Kommentar zu Paulus’ Weisung in Eph 5,18, „berauscht euch nicht mit Wein,“ verbindet Hieronymus seine Erläuterung mit Bibelversen, die ebenfalls negative Aussagen über Weinverzehr enthalten, und interpretiert den Wein aus dem Paulusvers als Allegorie auf weltliche Vorstellungen. Zu diesem Zweck, verweist er auf die Kentauren, die in einen Kampf mit den Lapithen geraten, als sie sich unter Alkoholeinfluss an deren Frauen vergehen wollen. Die Mischwesen aus Pferd und Mensch stehen für das Animalische. Durch ihren Mythos kann Hieronymus die Folgen des Weinrauschs eindrücklich illustrieren, da er sich bei den Kentauren in Gewalt und Lüsternheit entlädt. Von den mahnenden Paulusworten geht er mit den beiden hinzugezogenen Bibelstellen zunächst zurück ins Alte Testament, begibt sich mit dem mythischen Exemplum in unzivilisierte Gefilde, um dann mit positiven Worten aus dem Mund Jesu selbst zu schließen. Der geschickte Aufbau lässt nicht die geringsten Anzeichen dafür erkennen, dass er ein Problem darin sieht, den Bibelstellen gleichberechtigt ein mythisches Exemplum an die Seite zu stellen. Aus dem Pauluswort 1 Kor 7,1, es sei „gut für einen Menschen, keine Frau zu berühren“, zieht Hieronymus in seiner Streitschrift gegen Iovinianus den Umkehrschluss, dass es schlecht sein müsse, eine Frau zu berühren. Die Gefahr, die in der Berührung liege, illustriert er durch zwei Beispiele aus den gentilium fabulae: Wegen solcher Berührung seien Mithras und Erichthonios aus Stein bzw. der Erde entstanden.157 Bei Erichthonios, der entsteht, als Zeus Athene bedrängt und sein Samen auf die Erde fällt, sind Unzucht und Gewalt bereits im Vorgang der Zeugung präsent. Die Standhaftigkeit der Jungfrau Athene, die zwar nicht erwähnt wird, ist dabei ein willkommener Bestandteil des Szenarios. Zudem lässt der von Ge geborene Erichthonios an die Giganten denken und damit an die unkeusche Verbindung der Engel mit den Menschentöchtern in Gen 6,1–4. Im Fall der Geburtssage des Mithras verwechselt Hieronymus ihn offensichtlich mit seinem Sohn Diorphos, den dieser 156 Hier. epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52); 125,2,3 (CSEL 56, 120 f.). 157 Hier. adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C); vgl. Dtn 32,32 f.; Jer 25,15 f.; Mk 14,25.
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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zeugt, indem er seinen Samen auf einen Felsen tropfen lässt. Die Ähnlichkeit zur Erichthonios-Sage wird damit sehr groß – Hieronymus hat hier einmal mehr seiner Vorliebe für Paarungen von Exempla freien Lauf gelassen. Mit Ullikummi und Agdistis lassen sich alte orientalische Erzählungen anführen, die große narrative Parallelen aufweisen und den Schluss nahe legen, dass es sich bei Erichthonios und Diorphos um Varianten desselben Mythologems handelt. Es ist kaum anzunehmen, dass Hieronymus diese Zusammenhänge geläufig waren, geschweige denn, dass sie ihn interessierten – der fahrlässige Umgang mit der Mithras-Diorphos-Erzählung spricht eine andere Sprache. Im Zuge seiner Ratschläge an Gaudentius, wie dieser seine kleine Tochter vor schlechten Einflüssen, insbesondere vor herausgeputzten Jünglingen schützen kann, zeichnet er mit Hilfe einer Reihe von Referenzen aus der paganen Literatur ein Bild der drohenden Gefahren für die Heranwachsende.158 Über die Leichtfertigkeit, mit der Mädchen jungen Männern verfallen, die ihnen nicht einmal standesmäßig ebenbürtig sind, bemerkt er: „Diese Helenas folgen ihren Alexandern, ohne ihre Menelaoi zu fürchten.“ Der Satz, der unmissverständlich auf den Mythos vom Raub der Helena durch Paris/Alexander anspielt, ist sprichwortartig und komödienhaft formuliert. In der Allegorie ist nicht nur die Leichtfertigkeit Helenas enthalten, sondern auch die soziale Schieflage, da sie sich als Königsfrau einem Prinzen aus der Fremde hergibt. Das darin enthaltene Urteil ist jedoch allein auf das Verhalten der Frau zugespitzt, das Hieronymus als Beispiel fehlenden Glaubens und mangelnder Selbstbeherrschung präsentiert. Mit Hilfe der mythischen Referenz lockert Hieronymus seinen Text auf und vermeidet zugleich, dass er sexualisierte Themen allzu direkt ansprechen muss. Den negativen Urteilen über lasterhaftes Verhalten, die Hieronymus in Bilder aus den Mythen kleidet, stehen solche gegenüber, in denen er umgekehrt den bewussten Verzicht auf die Sünde lobt. In seiner Streitschrift Adversus Iovinianum versucht er, die Verankerung der sexualethischen Normen, wie er sie im Sinn der christlichen Askese vertrat, mit Hilfe zahlreicher Exempla der griechischen und römischen Tradition nachzuweisen. Der Parforce-Ritt durch den catalogus feminarum sollte trotz der knappen Behandlung der einzelnen Fälle deutlich gezeigt haben, wie Hieronymus mythische Exempla nutzt, um gegenüber der Kritik durch Iovinianus die Wertschätzung der Jungfräulichkeit und Einehe in der paganen Kultur sowie ihre tiefe Verwurzelung zu verteidigen. Die Mythen betrachtet der Kirchenvater dabei offenbar als Teil der Graecae et Latinae Barbaraeque historiae.159 Wenn auch seine Benutzung von Senecas verlorener Eheschrift De matrimonio in diesem Zusammenhang einige Berühmtheit erlangt hat, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die literarischen Vorlagen so vielfältig sind, wie es der Befund für sein Gesamtwerk ergibt. Gerade, was die mythischen Exempla angeht, tritt Seneca nicht zwischen anderen Autoren hervor. Von der Wiedergabe klassischer Exempla aus dem Schulunterricht über Vergil, Ovid, Plutarch, Hyginus und Porphyrios bis hin zu Tertullianus, Lactantius, Clemens sowie Origenes zeigen sich 158 Hier. epist. 128,4,6 (CSEL 56, 161). 159 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282B).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
vielfältige Spuren aus der antiken Literatur. Die Kompilierung und Gestaltung des Frauenkatalogs hat daher als eigenständige Leistung des Kirchenvaters zu gelten. Eine auffällige Besonderheit ist der Umstand, dass fast alle mythischen Figuren, die in diesem Text erwähnt werden, an keiner anderen Stelle im hieronymianischen Œuvre vorkommen. Damit hängt zusammen, dass viele der Exempla generell zu den seltener erwähnten Mythen der antiken Literatur zu zählen sind. Gewiss liegt da zunächst HAGENDAHLS Schluss nahe, dass Hieronymus den Katalog als Ganzes aus einer Vorlage übernommen habe, doch widerspricht das den oben gemachten Beobachtungen.160 Es hat vielmehr den Anschein, als habe der Kirchenvater, weil er Iovinianus’ Einwände gegen die christliche Askese als ernste Bedrohung der asketischen Sache wahrnahm, seinen Gegner auf möglichst breiter Front treffen wollen. So versammelte er eine große Menge bekannter wie auch entlegener Exempla mit der Absicht, durch ihre große Zahl den Eindruck zu erwecken, dass er den Standpunkt der Mehrheit repräsentiere. Um zu diesem Zweck auch selten genutzte Beispiele aus den Mythen anführen zu können, war es gerade daher ratsam, aus den unterschiedlichsten Winkeln der Literatur zu schöpfen. Während sich seine mythischen Exempla üblicherweise dadurch auszeichnen, dass sie einer gebildeten Leserschaft geläufig sind und dadurch leicht verständlich sind, war es hier sinnvoll, auch bei belesenen Menschen den Eindruck zu erwecken, dass die Zahl der Beispiele für die pagane Wertschätzung der Jungfräulichkeit noch höher war, als ihnen ohnehin bekannt war. Nicht zuletzt dürfte Iovinianus selbst kein ungebildeter Leser gewesen sein, auch wenn Hieronymus ihn als unfähig darstellt, einfachste Gedanken klar zu formulieren.161 Wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, hätte er in den iovinianischen Thesen kaum eine Gefahr und sich selbst nicht vor ein „Gericht der weltlichen Weisheit“ gestellt sehen müssen.162 Denn die ganze Streitschrift allein mit Hieronymus’ Bestreben erklären zu wollen, sich als literarische Autorität in Rom zu rehabilitieren, hieße seinen Eifer, die mühevoll zusammengetragene Materialfülle und die apologetische Tendenz des Adversus Iovinianum zu verkennen. Die mythischen Exempla erfüllen voll und ganz den Zweck, Hieronymusʼ Position zu untermauern: Eine Figur wie Harpalyke, die aus Liebe zu ihrem Vater Jungfrau bleibt und eine eremitische Lebensweise wählt, oder die Vestalin Ilia als jungfräuliche Mutter der Gründer Roms163 erweisen genauso die pagane Wertschätzung der Jungfräulichkeit, wie Alkestis’ Opferbereitschaft für ihren Mann den hohen Stellenwert der Gattentreue bei den Heiden.164 In einigen Fällen nimmt Hieronymus jedoch eine bewusste Selektion vor, indem er nur einen Ausschnitt der Erzählung anspricht und ihren weiteren Verlauf ausblendet. So hören wir nichts davon, dass sich die standhafte Atalante schließlich doch bindet und sogar im Liebesakt ein Heiligtum entweiht.165 In anderen Fällen ignoriert der Kirchenvater konkurrierende Versionen eines Mythos, in denen das Verhalten der Protagonistin 160 161 162 163 164 165
HAGENDAHL 1958, 150. 153–155. Hier. adv. Iovin. 1,3 (PL 23, 222B). Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282B). Hier. adv. Iovin. 1,41, 42 (PL 23, 282C–283A. 286A). Hier. adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C). Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A).
6.4 Mythische Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern
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für ihn nicht zweckdienlich ist. So lässt er die Tradition unerwähnt, nach der Penelope später Telegonos heiratet, den Sohn und Mörder ihres heimgekehrten Gatten Odysseus.166 Am eklatantesten ist die selektive Nutzung der Mythen wohl im Fall der Dido: Obwohl Hieronymus in seinen Schriften sonst zumeist die geläufige, vergilische Dido erwähnt, die sich wegen der unerwiderten Liebe zu Aeneas das Leben nimmt, greift er hier auf die ältere, phönikische Tradition zurück, nach der sie sich tötet, um einer Wiederheirat nach dem Tod ihres Mannes Sychaeus vorzubeugen. Darüber hinaus gibt es Details in den einzelnen Mythen, in denen Hieronymus anscheinend nicht bewusst abweicht, sondern schlichtweg irrt: Aus den drei Töchtern des Skedasos macht er eine einzige – vielleicht, weil Praxithea die bekannteste von ihnen ist – und aus der Hungersnot, die durch ihren Tod abgewendet wird, wird bei ihm eine Seuche. Im Fall der Iphigenie sollen die Winde durch ihr Opfer nicht beruhigt werden, wie Hieronymus schreibt, da die griechische Flotte ja gerade wegen der Flaute im Hafen von Aulis nicht nach Troja auslaufen kann.167 Solche Ungenauigkeiten und Fehler zeigen, dass er kein Spezialist war, d. h. die mythischen Erzählungen interessierten ihn nicht per se, sondern nur soweit, wie sie ihm dienlich waren. Sein Konzept geht auf, da die zumeist heroische Haltung der Frauen, die hier positive Erwähnung finden, in den paganen Vorlagen vorgegeben ist und seine Exempla dadurch einwandfrei funktionieren. Festzuhalten ist überdies, dass der Kirchenvater den Wert der Jungfräulichkeit in diesen Kapiteln absolut setzt. So interessiert ihn in dem Mythos von Skedasos’ Töchtern, die sich wegen ihrer Vergewaltigung gegenseitig töten, ausschließlich ihre Haltung in Bezug auf die pudicitia.168 Mögliche ethische Fragen, die der – von ihm selbst eingeführte – doppelte Tötungsakt aus christlicher Perspektive vielleicht aufwerfen könnte, thematisiert er nicht. Ein Problembewusstsein für diese Fragestellung hätte wohl eher die Wahl einer der Versionen nahe gelegt, nach denen die beiden Mädchen durch ihre Peiniger getötet werden, statt eine eigene Fassung zu kreieren. Daher ist dieser Eingriff auch nicht als christianisierende Umdeutung zu verstehen. Hieronymus’ Motivation bleibt im Dunkeln. Auch im Fall der Alkestis, die ihr Leben für das ihres Mannes Admetos opfert, wird dessen Verhalten nicht hinterfragt. Die apologetische Tendenz der Schrift, aus der die Absolutsetzung seiner Ideen resultiert, kulminiert schließlich in einem direkten Vergleich der Jungfrauengeburt Jesu mit der von Romulus und Remus.169 Die immense Fülle der paganen Exempla in einem Text, der sich mit innerchristlichen Streitfragen auseinandersetzt, mag überraschen, ergibt sich jedoch aus dem Ziel, das Hieronymus erklärtermaßen mit diesem Abschnitt verfolgt. Seine Bemerkung zu Beginn des 47. Kapitels, dass er das Gefühl habe, das zulässige Maß überschritten zu haben, scheint eher der Gliederung und Auflockerung des Textes zu dienen, als tatsächlich Ausdruck einer Rechtfertigung zu sein.
166 167 168 169
Hier. adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C). Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A). Vgl. SCHNEIDERHAN 1916, 129. Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284C–285A). Hier. adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
6.5 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZU BIBLISCHEN PERSONEN UND ERZÄHLUNGEN Trotz der bisher gemachten Betrachtungen über Hieronymus’ freien Umgang mit mythischen Referenzen wäre es wohl nicht unbedingt zu erwarten, dass Hieronymus mythische Referenzen auch dazu nutzt, Personen oder Erzählungen aus der Bibel zu kommentieren. Für ihn stellt die Heilige Schrift die veritas dar, die nichts mit dem error der Heiden gemein hat: Sie beten verstorbene Menschen als Götter an, von deren Verdorbenheit in den fabulae der Dichter berichtet wird.1 Wie sollten diese Mythen etwas zum besseren Verständnis der Bibel beitragen können? Würde es demnach nicht eine Herabwürdigung der Heiligen Schrift bedeuten, von einer Vergleichbarkeit der Erzählungen auszugehen? Die Tatsache, dass es das vorliegende Kapitel in dieser Arbeit gibt, beantwortet die Fragen bereits in gewisser Hinsicht: Hieronymus hat auch in biblischen Zusammenhängen mythische Querbezüge hergestellt und, um das vorwegzunehmen, wenig deutet dabei auf ein gesteigertes Problembewusstsein hin. Das bedeutet zum einen, dass die eingangs formulierte Erwartung offenbar falsch ist. Zum anderen darf jedoch Hieronymus’ Nutzung der Mythen in unmittelbar biblischen Zusammenhängen nicht überbewertet werden, da sie verhältnismäßig selten vorkommt: Es finden sich nicht mehr als 39 Nennungen von mythischen Namen im hieronymianischen Schaffen, die unmittelbar mit biblischen Personen oder Erzählungen zu tun haben. Fast die Hälfte dieser Nennungen, genauer gesagt 18, lassen keine wertende Tendenz erkennen. In 14 Fällen nutzt er mythische Referenzen, um Figuren aus der Bibel zu loben, und in sieben Fällen, um sie abzuwerten. 6.5.1 Heras Zorn und die Räder an Gottes Thronwagen In Ezechiels so genannter Berufungsvision sieht der Prophet den Thronwagen Gottes, der aus vier mystischen Wesen besteht, welchen je ein Rad zugeordnet ist.2 Die Räder beschreibt der Prophet in V. 1,18: „Und ihre Felgen, sie waren hoch, und als ich sie anblickte, 〈sah ich,〉 dass ihre Felgen voller Augen waren rings herum bei den vieren.“ Hieronymus führt die Textstelle in seinem Kommentar neben anderen Deutungen auch der folgenden zu: „Und die Felgen des Rades und die Speichen waren ringsum voll des Lichts, so dass du keinen Teil erblicken konntest, der nicht mit leuchtenden Augen besetzt war – wie auch die fabulae der Dichter beschreiben, dass Argos hundertäugig oder mit vielen Augen ausgestattet war, den Juno in einen Pfau verwandelte, weil er seine Aufgabe als Wächter vernachlässigt hatte. So wäre das, was ein Wunder Gott des Schöpfers ist, die Bestrafung für ungesühnten Ehebruch.“3
1 2 3
Hierzu oben 2.2.1.2 und 2.2.2.2. Ez 1,5–24; wiederholt in Ez 10. Hier. in Ezech. 1,1 (CCL 75, 20): Totumque corpus et dorsa [vgl. Ez 1,18: ( גבnb); LXX: νῶτος] erant plena lucis in circuitu, ut nullum membrorum aspiceres quod oculos luminis non haberet
6.5 Mythische Referenzen in Aussagen zu biblischen Personen und Erzählungen
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Während der Prophet den Thronwagen in seiner Vision auf beeindruckende und phantastische Weise ausmalt, um die Herrlichkeit Gottes zu veranschaulichen, greift Hieronymus nun einen Teil des mystischen Gefährts heraus und bezieht ihn auf die recht profane Sünde des adulterium. Der Wechsel zwischen den Abstraktionsebenen ist überraschend. Seine allegorische Ausdeutung erläutert der Kirchenvater durch einen Verweis auf den vieläugigen Argos Panoptes, der im Mythos an der Aufgabe scheitert, Zeus vom Ehebruch mit Io abzuhalten. Seine Frau Hera/Juno versetzt seine Augen schließlich auf die Schwanzfedern des Pfaus, der ihr heilig ist. Mit dem Hinweis auf die fabulae poetarum signalisiert Hieronymus, dass er den biblischen Bereich verlässt. Um als Versuch der Rechtfertigung durchzugehen, ist die Formulierung zu schwach und floskelhaft. Bereits im 54. Brief an Furia hatte Hieronymus Argos als Metapher für die Wachsamkeit benutzt, die die Jungfrau walten lassen müsse, um der ihr angeborenen Fleischeslust nicht nachzugeben.4 Der Kontext der luxuria war also auch dort gegeben. Dass er hier im Ezechiel-Kommentar die Alternative centoculum sive multorum oculorum angibt, belegt, dass ihm Unterschiede in den Überlieferungen bewusst waren.5 So wie Hera die Augen des Argos als Mahnmal für die Untreue ihres Gatten auf den Federn des Pfaus verewigt hat, seien die Augen auf den Rädern des mystischen Wagens eine Verurteilung ungesühnten Ehebruchs, so Hieronymus. Keine der beiden genannten Figuren aus dem Mythos führt er dabei einer Wertung zu und lässt Zeus als den Urheber des adulterium unerwähnt. Hieronymus’ Deutung der Ezechiel-Stelle wäre ohne die mythische Referenz nicht nachvollziehbar und würde wirken, als wäre sie völlig aus der Luft gegriffen. Der griechische Mythos dient dem Kirchenvater hier also als Mittel, den Thronwagen allegorisch auszulegen. Dabei verzichtet er völlig auf alt- oder neutestamentliche Bezüge zur weiteren Erläuterung des Gesagten. Die enorme Aufwertung, die der Mythos durch diese Gleichstellung in seiner Exegese erfährt, nimmt er in Kauf. 6.5.2 Weder Leviatan noch Enkelados entkommen Gott Der Leviatan (לויתן/lwjtn) des Alten Testaments ist ein altes schlangenartiges Seeungeheuer, das trotz seiner Beschreibung bei Ijob, die mit beinahe zoologischer Genauigkeit an ein Krokodil denken lässt (40,25–41,26), von christlichen Autoren zumeist als der Teufel aufgefasst worden ist, so auch von Hieronymus.6 Zu der endgültigen Überwindung des Leviatans durch Gott in Jes 27,1 bemerkt er:
4 5 6
– qualemcumque describunt fabulae poetarum Argum fuisse centoculum sive multorum oculorum, quem Iuno in pavum vertit ob neglegentem custodiam – ut, quod miraculum est conditoris Dei, hoc condemnatio esset inulti adulterii. Hier. epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475); oben 6.3.2.1. Verwandlung in einen Pfau: Serv. Aen. 7,790. GOELZER 1884, 134. Hier. in Is. 6,14,21 (VL 27, 738). Vgl. VAN IMSCHOOT/HORNUNG 2008, 1245–1251. Zu לויתן in der Vulgata KIESSLING 1970, 170.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen „Wenn aber am Ende der Welt gegen den Leviatan, der zu Beginn der Genesis die Schlange genannt wird, die ‚listiger als alle Tiere des Feldes‘ war, mit dem heiligen bzw. ‚harten, großen und starken Schwert‘ vorgegangen wird, flieht der, der nicht zu fliehen gewohnt war, der nicht jenes Wort kennt: ‚Wohin sollte ich gehen vor deinem Geist, wohin fliehen vor deinem Angesicht?‘ Sehr schön hat ein gewisser Dichter in seiner Gigantomachie über Enkelados gescherzt: ‚Wohin fliehst du, Enkelados? Welche Küsten auch immer du erreichen magst, du wirst immer unter Gott sein.‘“7
Hieronymus hebt hier darauf ab, dass der Leviatan in der zitierten Jesaja-Stelle als „flüchtige Schlange“ bezeichnet wird. Das Fliehen nutze ihm aber nichts, da Gott ihn schließlich doch tötet. Um darzustellen, dass vor der Allmacht Gottes kein Entkommen ist, zitiert er Ps 139,7, in dem dieser Sachverhalt ausdrückt ist. Das wiederum illustriert er durch ein Dichter-Zitat, das gemeinhin Claudianus’ verlorener Gigantomachie zugeschrieben wird.8 Es handelt sich um eine Anspielung auf das Ende des Giganten Enkelados im Kampf gegen die olympischen Götter, der dadurch niedergestreckt wird, dass Athene die Insel Sizilien auf ihn wirft.9 Dass Hieronymus Claudianus lediglich als quidam poeta bezeichnet und das Zitat mit einem ironischen Unterton einleitet, könnte mit Vorbehalten des Kirchenvaters gegen seinen jüngeren Zeitgenossen zusammenhängen. Denn obwohl Claudianus panegyrische Werke auf den christlichen Kaiser Honorius verfasste und mit De salvatore ein Gedicht zum Lob Jesu Christi veröffentlichte, sind seine Werke mit paganen Motiven dursetzt, so dass Augustinus und Orosius ihn für einen Heiden halten.10 Zudem stand der Poet aus Alexandria in guten Verbindungen zur Familie der Anicii, zu denen Hieronymus ein zwiespältiges Verhältnis hatte.11 Abseits der literarischen Referenz ist hier jedoch das Bemerkenswerte, dass der Kirchenvater einen Mythos nimmt, in welchem eine Figur sich nicht vor der allgegenwärtigen Macht der Gottheit verstecken kann, und diese Erzählung als Parallele zur Aussage über JHWHs Allmacht in Ps 139,7 heranzieht. Beide Stellen dienen als Querverweise, um zu erklären, weshalb der Leviatan hier bei Jesaja zwar die „flüchtige Schlange“ genannt wird, aber dennoch durch Gottes Schwert fällt. Abgesehen von den Reserven gegenüber dem Autor der Verse lassen sich keine Vorbehalte gegenüber dem Mythos selbst erkennen. Die pagane Erzählung wird mit 7
Hier. in Is. 8,27,1 (VL 30, 994 f.): Cum autem in fine mundi adversum Leviathan, qui in principio Geneseos appellatur serpens prudentissimus super omnes bestias, quae erant in terra [Gen 3,1], gladius sanctus sive durus et magnus et fortis fuerit inductus [Jes 27,1], fugiet qui numquam fugere consueverat, nesciens illud scriptum: ‚Quo vadam a spiritu tuo, aut a facie tua quo fugiam‘ [Ps 139,7]? Pulchre quidam poeta in Gigantomachia de Encelado lusit: ‚Quo fugis, Encelade? Quascumque accesseris oras, sub deo semper eris.‘ 8 LÜBECK 1872, 199; HAGENDAHL 1958, 230; SPEYER 1978B, 1253. 1255. Nach SCHANZ/HOSIUS 1920, 26 hat Hieronymus aus dem Claudianus-Vers sub Iove durch sub deo ersetzt. Dagegen spricht jedoch, dass es in der mythischen Überlieferung Athene ist, die Enkelados niederstreckt. 9 Apollod. 1,6,1 f.; vgl. Hier. in Am. 2,5 (CCL 76, 280 f.); hierzu oben 5.3. 10 Claud. carm. min. 32; Aug. civ. 5,26; Oros. hist. 7,35,21. Zu Claudianusʼ Religiosität und seinem Umgang mit den Mythen SCHINDLER 2015, 19–42. Vgl. auch NESSELRATH 1997, 175 f. 11 Claudianus äußerte sich lobend über Flavius Anicius Probinus (cos. 395) sowie seinen Vater Sex. Claudius Petronius Probus (cos. 371), den Hieronymus scharf kritisiert; vgl. Claud. 1; Hier. chron. a. Abr. 2388 (GCS Eus 7, 246). Zu Hieronymus und den Anicii unten 6.6.2.4.
6.5 Mythische Referenzen in Aussagen zu biblischen Personen und Erzählungen
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derselben Wertigkeit präsentiert wie das Psalmen-Zitat. Bibel und Mythos dienen demnach gemeinsam dazu, den Leviatan herabzuwürdigen. Mit Jonas vergeblicher Flucht vor dem Auftrag des Herrn, nach Ninive zu gehen, hätte überdies ein alttestamentliches Exemplum mit ähnlicher Aussage zur Verfügung gestanden.12 Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, Hieronymus’ Bemerkung völlig gegenteilig als antiheidnische Spitze aufzufassen: Üblicherweise unterdrückt er Namen in seinen Texten, wenn er eine Person kritisiert. Es könnte sich hierbei somit auch um einen Seitenhieb gegen Claudianus handeln, mit dem er sich über dessen Schaffen lustig machen will, weil der Dichter christliche Motive in seine heidnische Dichtung überträgt. Wenn dem so wäre, diente hier nicht die mythische Referenz dazu, die Bibelstelle zu kommentieren, sondern umgekehrt nutzte Hieronymus alttestamentliche Belege, um Claudianus’ Gigantomachie als schlechte Adaption bloßzustellen. Der Altersbeweis, der zumeist auf die antiken Autoren gemünzt war, wäre durch den Bezug auf einen zeitgenössischen Autor historisch unanfechtbar. 6.5.3 Ganymedes als Pharaos Mundschenk Die Quaestiones hebraicae in Genesim von 392/393 sind insofern ein besonderes Werk,13 als Hieronymus hier keinen exegetischen Kommentar in der später üblichen Gestalt vorgelegt hat, sondern philologische Bemerkungen zu ausgewählten Stellen des 1. Buches Mose zusammengestellt hat. Auf Grundlage seiner Kenntnisse der hebräischen Sprache sowie jüdischer Schriftauslegung klärt er Begriffe, die in der Septuaginta abweichend wiedergegeben werden, oder erläutert Realien der alttestamentlichen Lebenswelt, die seiner Leserschaft rätselhaft sein mussten. So geht er auch auf die Vokabel ( משקהmšqh) in V. 40,1 ein: „‚Und es geschah nach diesen Worten, da versündigte sich der erste Weinschenk (princeps vinariorum) des Königs von Ägypten‘ [sc. gegen seinen Herrn]. Wo wir ‚der erste Weinschenk‘ eingesetzt haben, steht im Hebräischen masech geschrieben, dasselbe Wort, das wir kurz vorher im Namen des Knechts Abrahams gelesen haben, den wir nach dem Volksmund einen Mundschenk (pincernam) nennen können. Das sollte aber nicht für ein unbedeutendes Amt gehalten werden, da es bei den Barbarenkönigen bis heute von höchster Würde ist, dem König den Becher zu reichen. Ebenso pflegen die Dichter von Ganymedes und Jupiter zu schreiben, der seinen Liebhaber diesem Amt überantwortete.“14
Nach römischen Vorstellungen mochte es abwegig sein, dass das Amt eines vinarius oder eines pincerna von höherem Rang war als jede andere dienende Tätigkeit 12 Jona 1,3; hierzu oben 6.1.1. 13 Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283. 14 Hier. quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 46): ‚Post verba haec peccavit princeps vinariorum regis Aegypti.‘ Ubi nos posuimus principem vinariorum, in hebraeo scriptum habet ‚masech‘, illud verbum, quod in nomine servi Abraham dudum legimus, quem nos possumus more vulgi vocare pincernam. Nec vile putetur officium, cum apud reges barbaros usque hodie maximae dignitatis sit regi poculum porrexisse, poetae quoque de Catamito et Iove scriptitent, quod amasium suum huic officio manciparit. Vgl. Hier. quaest. hebr. in gen. 15,2 f. (CCL 72, 19 f.). Zur Identifikation Catamitus/Ganymedes ROSCHER 1886F, 856.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
im Bereich von Mählern oder im Gasthaus.15 Hieronymus nutzt die Gelegenheit, seiner lateinischen Leserschaft dieses Detail orientalischen Realienwissens zu vermitteln, um die Tragweite des Verses deutlich zu machen. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung führt er das vage formulierte Beispiel von der gehobenen sozialen Stellung eines königlichen Mundschenks bei den „Barbaren“ an, wie es usque hodie üblich sei. Für den Fall, dass er damit nicht nur in archaisierender Weise auf die Sitten am medischen und persischen Hof anspielt, könnte es sich um eine Nachricht über das sāsānidische Amt des mayār handeln, die Hieronymus auf irgendeinem Weg erreicht hatte.16 Als großer Freund von Exempla-Reihungen stellt Hieronymus dem allgemein gehaltenen, historischen Beispiel ein mythisches an die Seite: Ganymedes, der zumeist als Sohn der trojanischen Könige Tros oder Laomedon bezeichnet wird, wird wegen seiner Schönheit von den Göttern – oder von Zeus selbst – in den Himmel geholt, um ihm als Mundschenk zu dienen. Vor allem durch bildliche Darstellungen ist die Version bekannt geworden, nach welcher der Junge durch einen Adler entführt wird. Anschließend sendet Zeus den Hermes zu Ganymedes’ Vater, um ihn mit Geschenken sowie der Nachricht über das neue Ehrenamt seines Sohnes zu trösten.17 Mit dieser Erzählung kann Hieronymus auf einen berühmten Mundschenk verweisen, der seiner Leserschaft geläufig sein dürfte. Der Mythos belegt, welch herausragende Stellung das Amt haben kann, nicht nur, weil kein geringerer als ein Königssohn Mundschenk des Göttervaters wird, sondern auch, weil dieser sich sogar beim Vater des Jungen erkenntlich zeigt: Dass Hermes gesandt wird, um von Ganymedes’ neuer Verpflichtung zu berichten, unterstreicht die große Würde, die mit ihr verbunden ist. Beide Beispiele aus Geschichte und Mythos dienen also dazu zu zeigen, dass Pharaos Mundschenk, der sich in Gen 40,1 zuerst gegen seinen Herrn versündigt, dann im Verließ Joseph kennen lernt und nach drei Tagen wieder in sein Amt eingesetzt wird, nicht irgendein Sklave ist – von dem so etwas vielleicht zu erwarten wäre –, sondern ein hoher Hofbeamter.18 Das wirklich Bemerkenswerte ist nun, dass Hieronymus den Vergleich zwischen einer Figur des griechischen Mythos und einer Gestalt der Bibel herstellt, um die Bedeutung letzterer herauszustellen. Freilich ist Pharaos Mundschenk keine zentrale Figur des Alten Testaments und was Hieronymus hier betreibt, ist noch 15 Die Begriffsalternative princeps vinariorum/pincerna gibt Rätsel auf. Die Septuaginta spricht von ἀρχιοινοχόος, was weder im Widerspruch zum einen noch zum anderen steht. Womöglich stört sich Hieronymus daran, das vinarius auch einen Weinhändler oder einen Trunkenbold bezeichnen kann; vgl. SCHUSTER 1958, 2181–2187. Auch die Rechtfertigung des Begriffs mit der Wendung more vulgi ist merkwürdig, da Ambr. Hel. 8,25; 13,48 pincerna ohne Einschränkung benutzt und Hieronymus es selbst neunmal in der Vulgata gebraucht, so auch Gen 40,1. 16 Hdt. 3,34,1: ὁ παῖς οἰνοχόος ἦν τῷ Καµβύσῃ, τιµὴ δὲ καὶ αὕτη οὐ σµικρή (Hieronymus’ Ausdruck nec vile officium hat eine gewisse Ähnlichkeit); vgl. X. Cyr. 1,3,8–11; Plu. Alex. 74,1; Neh 1,11. Zum mayār BACK 1997, 229; GRUNERT/HAFEMANN 1999, 341. 17 Hom. Il. 20,231–235; h.Ven. 5,202–217; Il. Parv. 7; Apollod. 2,5,9; 3,12,2; Verg. Aen. 5,252– 255; Ov. met. 10,155–161; Paus. 5,24,5; Luc. DDeor. 4,1; Hyg. astr. 2,16. 29; vgl. DREXLER 1890, 1595–1603. 18 Gen 40,2–23. Zu den Sklaven, die bei den Römern den Wein einschenken und ihren Bezeichnungen, HUG 1950, 1482.
6.5 Mythische Referenzen in Aussagen zu biblischen Personen und Erzählungen
229
keine Auslegung der alttestamentlichen Episode im eigentlichen Sinn. Aber nichtsdestotrotz gilt es festzuhalten, dass ihm das mythische Exemplum recht ist, um die biblische Figur aufzuwerten. Kritik an diesem Mythos im Speziellen oder den fabulae im Allgemeinen lässt sich hier nicht herauslesen. Mehr noch, Hieronymus weist völlig ohne Not auf das amouröse Verhältnis hin, das Zeus zu Ganymedes sucht, und nimmt weder an der Homosexualität noch an dem Ehebruch Anstoß.19 Während der Vergleich einer biblischen und einer mythischen Figur in den sprachlichen Erklärungen zur Genesis von keiner besonderen Brisanz ist, weil es jeweils um Randfiguren geht, lassen sich aber auch Stellen aus den Schriften des Hieronymus beibringen, in denen das anders aussieht. Daher sei seine Bemerkung über Jesu Bezeichnung als Deus vivus in Mt 16,16, die bereits oben im Zusammenhang mit Hieronymus’ generellem Urteil über die Mythen zur Sprache kam, noch einmal in Erinnerung gerufen: „Er nennt ihn den lebendigen Gott im Vergleich zu ihren Göttern, die für Götter gehalten werden, aber eigentlich Tote sind – Saturn, Jupiter, Ceres, Liber, Hercules und all die anderen, die ersponnene Götzen bezeichnen.“20
Oben stand im Vordergrund, dass Hieronymus die Götter der Griechen und Römer für Verstorbene hält. Hier soll es darum gehen, dass er den Vergleich zwischen ihnen und dem christlichen Gott anstellt – und das sogar so benennt: ad comparationem. Zwar legt Hieronymus die Worte Simon Petrus in den Mund, doch scheint es in der entsprechenden Passage Mt 16,13–20 nicht um heidnische Götter, sondern um die Frage der Menschen in Kaisareia Philippi, „wer der Sohn des Menschen ist“, zu gehen. Der Bezug zum griechisch-römischen Heidentum, den Hieronymus hier in seinem Kommentar herstellt, ist nicht zwingend. Somit ist er es selbst, der durch seine Auslegung den Vergleich zwischen dem „lebendigen Gott“ einerseits und „Saturn, Jupiter, Ceres, Liber, Hercules“ anstellt. Selbstverständlich geht der christliche Gott als Sieger aus der comparatio hervor, denn mit dem Hinweis, dass die idola bloß Verstorbene sind, unterliegen die heidnischen Götter. An dieser Stelle sei daher auf einen Unterschied zu dem betrachteten Ganymedes-Vergleich hingewiesen: Während Pharaos Mundschenk dadurch eine Aufwertung erfährt, dass er mit dem Geliebten des Zeus auf eine Stufe gestellt wird, wird die Aufwertung des deus vivus gerade durch den Unterschied in der Wertigkeit hergestellt. Es ist schon erstaunlich, dass sich Hieronymus hier auf die einfachste Ebene der Apologetik begibt und einen direkten Vergleich des einen mit den vielen Göttern sucht.21 Jedoch darf dabei nicht übersehen werden, dass es ihm an dieser Stelle um den Gegensatz lebendig/tot geht, um den Ausdruck vom „lebendigen Gott“ zu erklären. Hinzu kommt, dass solche direkten Vergleiche zwischen Figuren der Bi-
19 GRÜTZMACHER 1906, 67; demnächst RONNENBERG 2015C. 20 Hier. in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14): Deum vivum appellat ad comparationem horum deorum qui putantur dii sed mortui sunt, Saturnum, Iovem, Cererem, Liberum, Herculem et cetera idolorum portenta significans. Vgl. oben 4.2. 21 Oben 2.2.1.1 und 2.2.2.2.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
bel und Figuren des Mythos sehr rar gesät sind, so dass sich die apologetische Tendenz für den restlichen Matthäus-Kommentar, geschweige denn für sein gesamtes Schaffen, nicht annähernd in derselben Intensität nachweisen lässt. 6.5.4 Zusammenfassung Auch in rein biblischen Kontexten hat Hieronymus sich nicht grundsätzlich gescheut, mythische Referenzen zu nutzen. Der Gebrauch in diesem Zusammenhang ist zwar selten, jedoch lässt sich auch erkennen, dass er mit Kritik an dieser Praxis rechnet. In Ezechiels mystischer Beschreibung von Gottes Thronwagen deutet er die Augen an den Rädern als Analogon zu den Augen des mythischen Argos Panoptes, die Hera dem Pfau zur Erinnerung an die Untreue ihres Mannes auf die Federn gegeben hat. Ohne den Querbezug wäre ihm diese Auslegung der Bibelstelle kaum möglich gewesen, Mythos wird hier als Mittel der Bibelexegese genutzt. Um zu erläutern, warum der Leviatan in Jes 27,1 als „flüchtige Schlange“ bezeichnet wird, aber dennoch durch Gottes Schwert niedergestreckt wird, zitiert Hieronymus außer einem Psalm auch einen Vers aus Claudianus’ Gigantomachie – obwohl er mit Jona ein biblisches Exemplum gehabt hätte. Die beiden verwendeten Stellen transportieren die Aussage, dass es nicht möglich ist, sich göttlichem Einfluss durch Flucht zu entziehen. In Gen 40,1 spielt die Begegnung Josephs mit dem Mundschenk des Pharaos eine Rolle. Um zu zeigen, welchen Stellenwert das Amt am ägyptischen Königshof hat, zieht Hieronymus den Vergleich zu einem historischen Beispiel sowie zu dem mythischen des Ganymedes, den Zeus als Mundschenk und Liebhaber in den Olymp holt. Der Kirchenvater nutzt den Mythos zur Erklärung der Bibelstelle und nimmt dabei keinen Anstoß an den moralischen Implikationen. Ein solcher Vergleich lässt sich nicht nur zu einer Randfigur des Alten Testaments finden. Um die Formulierung deus vivus in Mt 16,13 zu erläutern, hebt er Jesus gegen die Götter Saturn, Jupiter, Ceres, Liber und Hercules ab, die ja eigentlich Tote seien. Diese Ergebnisse dürfen jedoch nicht überbewertet werden, da direkte Bezugnahmen von mythischen Beispielen auf biblische Inhalte, wie gesagt, eine Seltenheit im hieronymianischen Schaffen darstellen.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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6.6 MYTHISCHE REFERENZEN IN AUSSAGEN ZU ZEITGENÖSSISCHEN UND HISTORISCHEN PERSONEN Eine zentrale Funktion, die mythische Referenzen in Hieronymus’ Schriften einnehmen, ist die Charakterisierung zeitgenössischer und historischer Personen. Die Mythen boten dem Kirchenvater dabei ein reiches Repertoire von Helden und Unholden, um Allegorien auf die betreffenden Menschen zu bilden. Da er bei seinem Lesepublikum einen gewissen Fundus von Mythen als bekannt voraussetzen konnte, war es ihm leicht möglich, die Eigenschaften der Figuren durch den mehr oder weniger direkten Vergleich auf die jeweiligen Personen zu übertragen, ohne die impliziten Analogien erklären zu müssen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Bibelübersetzer und -erklärer ergaben sich für Hieronymus weniger Gelegenheiten, über zeitgenössische Personen zu schreiben als vielmehr im Zusammenhang mit den theologischen Auseinandersetzungen, in die er immer wieder geriet. So überrascht der Befund kaum, dass den gerade mal 13 Nennungen mythischer Figuren, die der positiven Kennzeichnung von Personen dienen, die überwältigende Mehrheit von 99 Nennungen gegenübersteht, mit denen er Gegner diffamiert. Hierbei sind im Wesentlichen zwei Vorgehensweisen auszumachen: Zum einen beschimpft Hieronymus seine Widersacher direkt mit den Namen mythischer Ungeheuer. Zum anderen diskreditiert er sie durch den satirischironischen Vergleich mit bestimmten Figuren aus den griechischen Mythen, wie im Folgenden als Erstes zu zeigen sein wird. 6.6.1 Der satirische Gebrauch mythischer Referenzen zur Diffamierung von Personen 6.6.1.1 Ein Deukalion für die Welt Der äußeren Form nach handelt es sich bei der Altercatio Luciferiani et orthodoxi, die wohl 376 in Antiocheia entstanden ist, um die Mitschrift eines Gesprächs zwischen einem Orthodoxus und einem gewissem Helladius, der als Anhänger des Altnizäners Lucifer von Calaris auftritt.1 Ein zentrales Thema der Schrift ist die Frage nach dem angemessenen Umgang mit ehemals arianischen Bischöfen, die sich dem orthodoxen Bekenntnis zuwandten. Während arianisch getaufte Laien problemlos 1
Nach dem altnizänischen Bekenntnis, das auf dem ersten Konzil von Nikaia im Jahr 325 beschlossen worden war, galten Gott Vater und Gott Sohn als uneingeschränkt wesensgleich (ὁµοούσιος). Demgegenüber hatte sich zur Abfassungszeit des Schreibens das neonizänische Bekenntnis durchgesetzt, das einer weiter entwickelten Trinitätslehre entsprach. Danach galten Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist als ein Wesen (οὐσία) in drei Existenzen (ὑπόστασεις): una substantia, tres personae (vgl. Tert. adv. Prax. 9 f.). Durch seine demonstrative Abkehr vom altnizänischen Bekenntnis suchte Hieronymus die Nähe zum Neonizäner Damasus von Rom, mit dem er bereits in Kontakt stand; vgl. Hier. epist. 15; 16; hierzu auch REBENICH 1992A, 108–114; FÜRST 2003, 22–30. Zur unsicheren Datierung der Altercatio zuletzt WILLIAMS 2006, 273–276.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
in der Kirche Aufnahme finden konnten, erkannten Lucifer und seine Anhänger ehemals arianische Bischöfe nicht an und verlangten ihre Wiedertaufe. In dieser Forderung ging ein Diakon in Rom namens Hilarius noch weiter und vertrat mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter die Position, dass auch Laien wiedergetauft werden sollten, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt Arianer waren – selbst für den Fall, dass sie ursprünglich orthodox getauft worden waren.2 Gegen Ende des fiktiven Gesprächs, kurz bevor der Luciferianer sich endgültig geschlagen gibt, lässt Hieronymus den Orthodoxus eine Reihe Argumente gegen die Position des Hilarius anführen: „Außerdem gibt es da noch etwas, das wir anbringen werden, wogegen Hilarius sicher nicht zu mucken wagt, dieser Deukalion der Welt. Wenn nämlich Häretiker keine Taufe haben und daher durch die Kirche getauft werden müssen, weil sie nicht in der Kirche gewesen sind, ist nicht einmal Hilarius ein Christ. Er ist schließlich in derselben Kirche getauft worden, die schon immer von Häretikern Getaufte aufgenommen hat.“3
Für die Fragestellung dieser Arbeit ist vor allem das Epitheton Deucalion orbis von Interesse, mit dem Hilarius bedacht wird, sowie der dadurch evozierte Mythos: Als Zeus beschließt, das Kupferne Geschlecht der Menschen wegen ihres frevelhaften Daseins durch eine große Flut zu vernichten, baut Deukalion auf Rat seines Vaters Prometheus eine Kiste. In dieser treibt Deukalion mit seiner Frau Pyrrha und den notwendigen Vorräten neun Tage und Nächte auf dem Wasser umher, bis sie auf dem Berg Parnassos auf Grund laufen. Dort bringen sie Zeus (oder in manchen Versionen Themis) Opfer dar, der ihnen vermittelt durch Hermes den Wunsch gewährt, wieder Menschen um sich zu haben. Gemäß den göttlichen Anweisungen werfen sie Steine über ihre Schultern hinter sich. Aus den Steinen, die Pyrrha wirft, werden Frauen, aus denen Deukalions Männer.4 Deukalion ist im Mythos eine positiv besetzte Figur. Zwar rettet das Urpaar die Menschen nur durch die Initiative seines Vaters Prometheus, doch findet ihr Handeln die Billigung durch Zeus. Durch die Ablösung des Kupfernen Menschengeschlechts gilt Deukalion in der Antike als Schöpfer des bestehenden Eisernen Menschengeschlechts und auch als Begründer des Götterglaubens und Gottesdienstes.5 So urteilt Ovid: „Besser als Deukalion war kein Mann, keiner liebte mehr das Rechte, und keine Frau fürchtete mehr als Pyrrha die Götter.“6 Dass Orthodoxus den hier kritisierten Hilarius mit dem Namen dieses heidnischen Symbols von Tugendhaftigkeit belegt, ist daher ironisch zu verstehen. 2 3
4 5 6
Zum kirchenhistorischen Kontext der Altercatio CANNELIS, in: SC 473, 10–35. Hier. c. Lucif. 26 (SC 473, 192): Est praeterea aliud quod inferemus, adversum quod ne mutire quidem audeat Hilarius, Deucalion orbis. Si enim haeretici baptisma non habent, et ideo baptizandi sunt ab Ecclesia quia in Ecclesia non fuerunt, ipse quoque Hilarius non est christianus. In ea quippe Ecclesia baptizatus est quae semper ab haereticis baptizatos recepit. Anders OPELT 1973, 26. Vgl. OTTO 1890, 230 f. s.v. mu. mut. muttire, Nr. 1149; CANELLIS 1997, 283. Hes. gyn. Fr. 82 (= Str. 7,7,2); Apollod. 1,7,1 f.; D.S. 5,81,3; Verg. georg. 1,60 ff.; 6,41 ff.; Hyg. fab. 152A,1 f.; 153; Ov. met. 1,260–415; Paus. 1,18,7 f.; 10,6,1 f.; Luc. Syr.D. 12 f. Plu. Moralia 31 (= adv. Colot.); hierzu HERMANN 1957B, 785; GRAF 1994, 36. Ov. met. 1,322 f.: non illo melior quisquam nec amantior aequi / vir fuit aut illa metuentior ulla deorum. Übers. FINK 2010, 31.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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Doch warum wird Hilarions Rolle als Deukalion mit orbis spezifiziert?7 Auf die Parallelen der Deukalion-Erzählung zur biblischen Sintflut muss wohl nicht eigens eingegangen werden und auch die Gemeinsamkeiten beider Traditionen mit altorientalischen Erzählungen wie etwa dem Gilgamesch-Epos dürften allgemein geläufig sein.8 Die weitreichende Ähnlichkeit der Erzählungen – vor allem auf Ebene der bedeutungstragenden Elemente – ergibt daher die Besonderheit, dass Hieronymus für sein mythisches Exemplum ein Äquivalent aus der Bibel zur Verfügung gestanden hätte. Warum lässt er also Orthodoxus den Hilarius nicht als einen Noe orbis titulieren? In der antiken christlichen Literatur wurden Deukalion und der Erbauer der biblischen Arche sogar mitunter gleichgesetzt.9 Andererseits hat beispielsweise Origenes die Tatsache zum Gegenstand der Polemik gemacht, dass die Deukalische Flut die mittlere zwischen der des Ogyges und der des Dardanos ist, so dass sie nicht mehr singulär und in ihrer Bedeutsamkeit vermindert sei.10 Diese Haltung wird durch den christlichen Altersbeweis gestützt, demzufolge Mythos ja nichts weiter als die verfälschte Imitation mosaischer Weisheit sei: Eusebios’ Chronik setzt die Deukalische Flut 1433 Jahre nach der biblischen an.11 Eine mögliche Antwort auf die Frage, was mit Deucalion orbis gemeint ist, beruht darauf, dass man orbis als metonymen Begriff für ‚Menschengeschlecht‘ begreift.12 So verstanden bezieht sich Hieronymus auf die Rolle Deukalions als desjenigen, der die Steine hinter sich wirft und somit als Schöpfer eines neuen orbis erscheint. Tertium comparationis ist hier die christliche Taufe; denn nach Röm 6,3– 11 stellt sie einen Vorgang dar, in dem der Glaubende zunächst mit Christus begraben wird, um dann „in Neuheit des Lebens wandeln“ zu können. In Verbindung mit weiteren Stellen des Neuen Testaments, die ähnliche Aussagen bieten, ist die Taufe
7
Die Deutung der Wendung Deucalion orbis hat bisher zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt. OPELT 1973, 26, Anm. 76, liest heraus, dass Hilarius „gleichsam die Geschichte der Sintflut zurückdrehen“ möchte, ohne dies weiter zu erläutern. SCHAFF/WACE, in: NPNF² 6, 333, Anm. 2: „As Deucalion was left alone after the flood, so, Jerome implies, Hilary imagined himself the sole survivor after the flood of Arianism.“ Ähnlich CANELLIS, in: SC 473, 193, Anm. 1. Das erklärt jedoch nicht, warum Hieronymus den Namen um den Zusatz orbis erweitert, denn sowohl Deukalion im Mythos als auch Hilarius halten sich ja selbst im so verstandenen orbis auf. Die Ähnlichkeit zu Suet. Cal. 11, der Caligula einen Phaethontem orbi terrarum nennt, führt wegen des dort gegebenen Gegensatzes zur Himmelssphäre nicht weiter; hierzu HABERMEHL 2009, 49. Auch die Deutung, dass Hilarius durch die Wiedertaufe eine neue Sintflut über die Welt bringen wolle, vermag nicht zu überzeugen; vgl. LARDNER 1815, 520. Vgl. auch Hier. epist. 10,1,1 (CSEL 54, 35); in Is. 8,26,19 (VL 30, 987). 8 Gilgamesch 11,8–161. Vgl. HERMANN 1957B, 788–791; BAUMGART 2005, 5. Vergleich mit altoriental. Fluterzählungen. 9 Just. 2 apol. 6; Thphl. Ant. Autol. 2,30; 3,19; hierzu HERMANN 1957B, 790. Die Arche bei Apollod. 1,7,2: λάρναξ; hierzu BAUMGART 2005, 5.3.2. Arche und Heiligtum. 10 Or. Cels. 1,19; Clem. str. 1,21,102,3. 5; Eus. p.e. 10,9–12; Aug. civ. 18,8; hierzu HERMANN 1957B, 791 f. Demgegenüber steht das verbindliche Versprechen JHWHs, die Zerstörung nicht zu wiederholen; vgl. BLUMENBERG 1979, 212; BAUMGART 2005, 2.3.1. Schöpfung und Flut. 11 Hier. chron. a. Abr. 491 (GCS Eus 7, 42b); hierzu auch oben 4.3.1. 12 Cic. fam. 5,7,3; Ov. met. 2,642 f.; vgl. ThLL 9,2,2, 911,70 ff. s.v. orbis.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
daher als eine „geistige Wiedergeburt der Seele“13 zu verstehen. Auch Hieronymus lässt bei anderen Gelegenheiten deutlich erkennen, dass er selbstverständlich der Auffassung ist, dass wir durch die Taufe „in Christus wiedergeboren werden“.14 Darauf spielt er wohl an, wenn er Hilarius als Deucalion orbis bezeichnet. Dessen Ansinnen, alle mit Häresien in Berührung gekommenen Christen wiederzutaufen, ist also im Sinne der hieronymianischen Ironie nicht allein mit der Flut als der Vernichtung des alten Menschengeschlechts in Verbindung zu bringen, sondern vor allem mit dem darauf folgenden Akt der Schöpfung eines neuen. Das eigentlich Problematische an Hilarius’ Position ist ja die Wiedertaufe, da die Taufe mit der Vergebung aller Sünden nach christlichem Glauben ein einmaliges Sakrament darstellt, das als Gnadenakt nicht wiederholt werden kann. Es weist zurück auf das Problem der so genannten Ketzertaufe, mit dem sich die Kirche konfrontiert sah, seitdem größere häretische und schismatische Gruppen entstanden waren. Ohne dass die Einmaligkeit der Taufe an sich in Zweifel gezogen wurde, stellte sich nämlich, sobald Mitglieder solcher Gruppierungen zur katholischen Kirche übertreten wollten, die Frage: War ihre Taufe auch dann als gültig anzusehen, wenn sie ursprünglich in einer häretischen Gemeinschaft getauft worden waren? Bis zur Mitte des 3. Jh. lässt sich das Nebeneinander verschiedener Handhabungen der Problematik beobachten. Während in Rom und Alexandreia das Handauflegen ausreichte, um einen häretisch Getauften in die Gemeinde aufzunehmen, hatte sich vor allem in Kleinasien und in Nordafrika die Praxis der Wiedertaufe etabliert, für die auch Tertullianus in seiner Schrift De baptismo noch eintritt.15 Zum offenen Konflikt kam es, als Bischof Cyprianus von Karthago in den Jahren 255 und 256 auf mehreren Synoden unter seiner Leitung festlegen ließ, dass allein die Taufe innerhalb der katholischen Kirche gültig sei, weil den Heiligen Geist nicht verleihen könne, wer ihn nicht habe.16 Darin war auch die Kritik an Bischof Stephanus von Rom enthalten, der die Ketzertaufe als gültig betrachtete und sich unter Androhung von Exkommunikation gegen die Praxis der Wiedertaufe in Afrika und Kleinasien gewandt hatte.17 Da beide Protagonisten auf dem Höhepunkt des Konflikts bald nacheinander verstarben – Stephanus 257, Cyprianus 258 –, kam es nicht zu einem dauerhaften Bruch mit der afrikanischen Kirche.18 Erst mit dem Aufkommen des Donatismus wurde die Problematik wieder aktuell, da der äußere Anlass für die Entstehung dieser Sonderkirche mit der Frage 13 Cyr. H. catech. 1,2 (PG 33, 372C): Ἀναγέννησιν δὲ οὐ σωµάτων λέγω, ἀλλὰ ψυχῆς τὴν πνευµατικὴν ἀναγέννησιν. Übers. BKV 41, 30. Vgl. Joh 3,3–7; Tit 3,4 f.; 1 Petr 1,3. 23; Just. 1 apol. 61; Tert. bapt. 12. 20; Cypr. epist. 73,21; Cyr. H. catech. 2,4; Gr. Nyss. catech. 40,1 f.; Ambr. paenit. 2,2; Chrys. or. 1,2; Aug. enchir. 14,42–52; epist. 98,2. 14 Hier. epist. 60,8,2 (CSEL 54, 557): nec virtutes nec vitia parentum liberis inputantur; ab eo tempore censemur, ex quo in Christo renascimur; vgl. c. Vigil. 7 (CCL 79C, 17); adv. Pelag. 3,15 (CCL 80, 118 f.); epist. 54,4,3 (CSEL 54, 470); 123,10,2 (CSEL 56, 83). 15 Tert. bapt. 15; vgl. praescr. 12; pud. 19; Firmil. Cypr. epist. 75,7; Eus. h.e. 7,7,5; hierzu BAUS/JEDIN 1962, 404. 16 Cypr. epist. 69,1 f. passim; hierzu BAUS/JEDIN 1962, 404. 17 Cypr. epist. 70; Eus. h.e. 7,5,4 f.; hierzu BAUS/JEDIN 1962, 404 f. 18 BAUS/JEDIN 1962, 406.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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verbunden war, wie das Vergehen der so genannten traditores zu bewerten war, die während der Diokletianischen Verfolgung ab 303 die Heilige Schrift an die staatlichen Organe übergeben hatten.19 Nach Meinung der nordafrikanischen Kirche hing nämlich die Gültigkeit eines Sakramentes grundsätzlich von der Integrität des Spenders ab: Als 312 Caecilianus zum Bischof von Karthago geweiht wurde, fochten Teile der Gemeinde die Gültigkeit der Weihe an, weil mit Felix von Aptungi ein traditor an der Weihe beteiligt war. Nachdem eine Synode von 70 numidischen Bischöfen Caecilianus abgesetzt hatte, wurde im Sommer 313 mit Donatus der geistige Führer der Opposition als Bischof von Karthago eingesetzt.20 In den folgenden Jahren konnte sich die donatistische Kirche erfolgreich in Afrika etablieren, so dass die Katholiken in die Minderheit gerieten und mitunter gewaltsam bedrängt wurden.21 Auch Parmenianus, ab 362 Donatus’ Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von Karthago, vertrat die Ansicht, allein die donatistische Kirche sei im Besitz der wahren Taufe Christi und „müsse sich als die Kirche der Reinen fernhalten von jedem befleckenden Kontakt mit den Bösen.“22 Im Jahr 373 erfolgte zwar anlässlich der donatistischen Unterstützung der Firmus-Revolte in Mauretanien ein kaiserliches Verbot der donatistischen Wiedertaufe.23 Dies blieb jedoch weitgehend wirkungslos, da Honorius den Donatisten noch im so genannten Unionsedikt vom 12. Februar 405 aus Anlass gewalttätiger Übergriffe gegen Katholiken den Status von Häretikern geben musste – weil sie weiterhin die Wiedertaufe praktizierten.24 Hierdurch fielen sie nun unter Theodosius’ Häretikergesetz von 392 und konnten von staatlicher Seite belangt werden.25 Auf theologischer Ebene war es vor allem Augustinus, der über viele Jahre gegen den Donatismus arbeitete und trotz einer anfänglich auf Schlichtung angelegten Haltung zu dem Schluss kommen musste, dass die donatistische Lehre kein Schisma sei, sondern eine „Häresie, die sich am deutlichsten in der donatistischen Lehre von der Taufe kundtue, die die Wirkung dieses Sakramentes nicht mehr von Christus, sondern von der moralischen Qualität des Taufenden abhängig mache.“26 Unter Berufung auf Lk 14,23 befürwortete er die staatliche Durchsetzung des Häretikergesetzes. Beim Religionsgespräch in Karthago 411 stellte er deutlich heraus, dass die donatistische Wiedertaufe von einer Notwendigkeit der Reinheit des Sakramentspenders ausgehe. Damit werde jedoch die Hoffnung auf den Menschen und nicht auf Christus gesetzt, den eigentlichen auctor der Sakramente. Die Reinheit des Sakraments werde nicht von Heiligkeit oder Unreinheit des Spenders berührt, so Augustinus.27 Damit konnte das Cyprianische Sakramentverständnis theologisch
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Ebd. 464. Ebd. 464 f. BAUS/EWIG 1973, 143. Ebd. 150. Cod. Theod. 16,6,1. Cod. Theod. 16,5,37 f.; 16,6,4 f.; hierzu BAUS/EWIG 1973, 158. Cod. Theod. 16,5,21. BAUS/EWIG 1973, 160. Aug. epist. 93 und 185.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
überwunden und die im Ketztertaufstreit aufgekommene Frage schließlich im römischen Sinne geklärt werden.28 Der Exkurs sollte gezeigt haben, dass die hieronymianische Karikatur der Position des Hilarius – wonach dieser ja selbst kein Christ sei, weil die Kirche von jeher die Taufe durch Häretiker akzeptiert habe – stark an die Sicht der Donatisten und ihre Praxis der Wiedertaufe erinnert. Die Argumentationskette, die im hieronymianischen Exemplum vom Deucalion orbis bildlich ausgestaltet ist, stellt sich wie folgt dar: Deukalion als Überlebender der Flut und Schöpfer eines neuen Menschengeschlechts; die christliche Taufe als geistige Wiedergeburt des Menschen; die Praxis der Wiedertaufe aufgrund einer Überbewertung des Sakramentspenders; Hilarius’ Forderung nach der Wiedertaufe aller ehemaligen Arianer. Auch wenn die eigentliche Flut, mit der man den mythischen Helden intuitiv in Verbindung bringt, vor dem Akt der Neuschaffung des Menschen in den Hintergrund tritt, trägt natürlich das Wasser-Motiv zur zusätzlichen Verdichtung der Metapher bei, da die christliche Taufe notwendigerweise mit Wasser verbunden ist.29 Fraglich ist, inwieweit der zeitgenössischen Leserschaft sofort die richtige Assoziation zu dem Exemplum zur Verfügung stand, denn schließlich trat auch in der christlichen Rezeption der Deukalion-Erzählung der Flut-Aspekt meist in den Vordergrund.30 Dennoch verzichtet Hieronymus wie so häufig auf erzählerische Details, die wesentlich über eine bloße Namensnennung hinausgehen. Die ironische Aussage, dass sich Hilarius zu Höherem berufen fühle, das ihm nicht zustehe, bleibt in jedem Fall intakt. Wesentlich ist außerdem, dass der Kirchenvater seiner Neigung nachgibt, das Häretische in die Nähe des Heidnischen zu rücken und umgekehrt.31
6.6.1.2 Den lahmen Hephaistos im eigenen Feuer brennen sehen Im 40. Brief, einem recht kurzen Schreiben aus dem Jahr 384, wendet sich Hieronymus gegen einen gewissen Onasus aus Segesta, der zuvor empfindlich auf Äußerungen des Kirchenvaters reagiert zu haben scheint.32 Empfängerin des Briefes ist Marcella aus der gens Caeionia, eine der Damen des stadtrömischen Hochadels, in deren Kreisen Hieronymus sich während seiner römischen Zeit als Mentor der christlichen Askese betätigt hatte. In ihrem Haus, in dem sie auch ihre umfangreiche Bibliothek beherbergte, traf sich der nach dessen Lage so genannte Aventin-Kreis.33 Mit Marcella pflegte Hieronymus phasenweise regen Briefkontakt, den er selbst als
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BAUS/EWIG 1973, 166; BAUS/JEDIN 1962, 407. Joh 3,5. HERMANN 1957B, 787–794. CANELLIS 1997, 283; OEHL 2005, 311 ff.; KAHLOS 2009, 306. Hier. epist. 27 (CSEL 54, 223–226). Zur Datierung WILLIAMS 2006, 277–280. Hier. epist. 47,3,1 (CSEL 54, 346); vgl. LAURENCE 1996A, 273 m. Anm. 50. Zu Marcellas Verwandschaft, bes. der heidnischen LETSCH-BRUNNER 1998, 76–80.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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äußerst gewinnbringend charakterisierte.34 Was Onasus angeht, ist wohl davon auszugehen, dass die Person, über die außer diesem Brief nichts bekannt ist, eine Erfindung des Hieronymus ist, zumal sich der Name in einer von Ciceros Reden gegen Verres findet.35 Ob Onasus als fiktive Figur generell den Typus „minderwertiger Kleriker“ vertritt36 oder ob Hieronymus lediglich ein „Sobriquet“37 für eine reale Person benutzt hat, lässt sich nicht ermitteln. Mit beißender Ironie versucht der Kirchenvater jedenfalls, den brüskierten Onasus weiter aus der Reserve zu locken: „Ich sage, dass gewisse Leute durch Frevel und Lug und Trug oder wie auch immer zu ihren Würden gekommen sind. Was kümmert’s dich, der du dich doch als unschuldig begreifst? Ich lache den Anwalt aus, der einen Verteidiger nötig hat. Ich mache mich über die Beredsamkeit lustig, die einer Pfennignase entspricht. Was kümmert’s dich, der du doch redegewandt bist? Ich will die bestechlichen Priester angreifen. Was regst du dich auf, der du doch reich bist? Ich wünsche mir, dass der lahme Vulcanus in seinem eigenen Feuer brennt. Bist du etwa sein Gastfreund oder Nachbar, weil du den Brand von den glänzenden Tempeln des Götzen fernhalten willst? Mir gefällt es halt, über Gespenster, über die Nachteule, über den Uhu und über die ägyptischen Ungeheuer zu lachen; aber was immer gesagt wird, glaubst du, es gehe um dich. In welchem Laster ich mit meinem Schreibgriffel auch herumrühre, sofort schreist du, du seist gemeint. Du lädst zur Eröffnung eines Prozesses vor Gericht und beschuldigst mich auf törichte Weise, Satiriker zu sein, obwohl ich Prosa schreibe. Oder hältst du dich etwa deshalb für einen hübschen Kerl, weil du einen günstigen Namen trägst? Schließlich spricht man ja auch von einem Hain (lucus), weil er nicht im Geringsten leuchtet, und von Parzen, weil sie niemanden schonen (parcant); so werden die Furien auch die Wohlwollenden (Eumenides) und Aethiopes gemeinhin silbern genannt.“38
Der Passus zerfällt in zwei Hälften: bevor Hieronymus einige Bemerkungen polemischer Natur über die Person des Onasus macht, geht er zunächst auf eine Reihe Themen ein, an denen jener offenbar Anstoß genommen hatte. Es macht den Anschein, als ob er sich auf Reaktionen bezieht, die seine schriftlichen Publikationen 34 Hier. epist. 127,7 (CSEL 56, 150 f.); hierzu LAURENCE 1996A, 274 f. 292. Marcella ist Adressatin von Hier. epist. 23–29, 32, 34, 37 f., 40–44, 46, 59 und 97. Überdies widmete er ihr seine Apologie gegen Rufinus sowie den Danielkommentar und schrieb ihren Nekrolog: epist. 127; vgl. SUGANO 1988, 355–376; FEICHTINGER 1995, 168–177; LETSCH-BRUNNER 1998, 16–22. 35 Cic. Verr. 2,5,120; hierzu PRÉAUX 1958, 661 f.; GEMEINHARDT 2007, 211, Anm. 223; CAIN 2009B, 88 f. Onasus als authentische Person: NENCI 1995, 90–94; CURRAN 1997, 221. 36 SCHADE, in: BKV² 18, 99. 37 PRÉAUX 1958, 659–664; LETSCH-BRUNNER 1998, 125. 38 Hier. epist. 40,2,3 (CSEL 54, 310 f.): dico quosdam scelere, periurio, falsitate ad dignitatem nescio quam pervenisse: quid ad te, qui te intellegis innocentem? rideo advocatum, qui patrono egeat: quadrante dignam eloquentiam nare subsanno: quid ad te, qui disertus es? volo in nummarios invehi sacerdotes: tu, qui dives es, quid irasceris? claudum cupio suis ignibus ardere Vulcanum: numquid hospes eius es aut vicinus, quod a delubris idoli niteris incendium submovere? placet mihi de larvis, de noctua, de bubone, de Niliacis ridere portentis: quicquid dictum fuerit, in te dictum putas. in quodcumque vitium stili mei mucro contorquetur, te clamitas designari, conserta manu in ius vocas et satiricum scriptorem in prosa stulte arguis. an ideo tibi bellus videris, quia fausto vocaris nomine? Quasi non et lucus ideo dicatur, quod minime lucent, et Parcae ab eo, quod nequaquam parcant, et Eumenides Furiae et vulgo Aethiopes vocentur argentei. Zur ‚Pfennignase‘ Pers. 5,91–95. Zur ‚Vorladung‘ Cic. Mur. 26; de orat. 1,41. LETSCH-BRUNNER 1998, 127, sieht hierin eine mögliche Anspielung auf Siricius, was jedoch der Datierung ins Jahr 384 entgegensteht.
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hervorgerufen hatten, da er von seinem stilus schreibt.39 An Auseinandersetzungen unter Anwesenden oder an Hörensagen ist hier wohl eher nicht zu denken. Dass die Zurückweisung der Bezeichnung seiner Person als satiricum scriptorem im Widerspruch zum betont ironischen Tonfall des Schreibens steht, ist Teil des Konzepts. An anderer Stelle betont Hieronymus wiederholt, dass er, wenn er über Widersacher schreibt, keine Namen nenne, weil er ja keine Satire schreiben wolle. „Hier hat er einen Namen genannt; also haben wir eine Satire vor uns“.40 So deutet alles darauf hin, dass die Suche nach einem historischen Onasus aus Segesta ergebnislos bleiben muss; das Schreiben ist „un chef-d’œuvre d’humour satirique“.41 Doch was lässt sich der Textstelle zum Sachverhalt der Kontroverse entnehmen, auf die Hieronymus hier reagiert? Fünf Aspekte eines Gebarens, das sich nach seiner Ansicht nicht für einen christlichen Würdenträger gehört, kommen im ersten Abschnitt zur Sprache: Amtserschleichung (scelere, periurio, falsitate ad dignitatem pervenisse), mangelnde Eloquenz (und damit verbunden wohl auch mangelnde Bildung: eloquentiam subsanno), Bestechlichkeit (nummarios invehi sacerdotes), eine indifferente Haltung zum Heidentum (hospes eius es aut vicinus) sowie vermutlich Eitelkeit bzw. Geltungssucht. Die letzte Bemerkung der ersten Hälfte, placet mihi de larvis, de noctua, de bubone, de Niliacis ridere portentis, ist ein wenig dunkel. SILVIA LETSCH-BRUNNER verweist auf eine ähnliche Stelle im etwa gleichzeitig entstandenen 22. Brief an Eustochium, in der sich der Kirchenvater gegen solche christlichen Asketinnen ausspricht, „die härene Decken tragen mit Kapuzen und in ihrer kindischen Einfalt es den Eulen und Käuzen gleichtun.“42 Indem sie sich wie Kinder in Bußgewänder und Kapuzenmäntel hüllten und auf diese Weise Eulen und Uhus nachahmten, geben sie für jeden sichtbar ihrem „eitlen Verlangen nach Ruhm“43 nach. Vor eben diesem hatte Hieronymus die junge Eustochium zu Beginn des Absatzes ausdrücklich gewarnt. Der kleine Katalog von Verfehlungen richtet sich neben Priestern offenbar auch an christliche Asketinnen. Hieronymus spielt dabei auf ironische Weise mit Paradoxa: da ist der Unschuldige, der sich angegriffen fühlt; der Anwalt, der einen Verteidiger braucht; und der Reiche, der bestechlich ist. Die implizite Unterstellung ist natürlich jeweils, dass Onasus sehr wohl schuldig und bestechlich sei.44 Die auffällige Häufung von Referenzen auf das Gerichtswesen könnte eine Anspielung auf die audientia episcopalis sein, die Konstantin im Jahre 318 juristisch insofern aufgewertet hatte, als nunmehr jedem die Möglichkeit gegeben war, in zivilrechtlichen Streitsachen einen Bischof 39 40 41 42
Nach PRÉAUX 1958, 660, geht es um die Klerus-Kritik in epist. 22. SCHADE, in: BKV² 18, 99. Vgl. Hier epist. 22,32,2 (CSEL 54, 193); 125,5,1 (CSEL 56, 122). PRÉAUX 1958, 659. Vgl. GRIG 2012, 132. Hier. epist. 22,27,8 (CSEL 54, 184): sunt, quae ciliciis vestiuntur et cucullis fabrefactis, ut ad infantiam redeant, imitantur noctuas et bubones. Übers. BKV² 16, 96. Vgl. Gen 37,34; hierzu LETSCH-BRUNNER 1998, 127, Anm. 234; ADKIN 2003, 255. 43 Hier. epist. 22,27,1 (CSEL 54, 182): Illud quoque tibi vitandum est cautius, ne vanae gloriae ardore capiaris. Hierzu ADKIN 2003, 243. 44 Der Reichtum eines Geistlichen stellte aus Hieronymus’ Sicht schon einen Makel an sich dar, so dass der Angesprochene hier vor der Alternative zweier Übel steht; Hier. epist. 52,5,1 f. (CSEL 54, 421 f.). Vgl. DUNN 2012, 197–218.
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statt eines weltlichen Richters anzurufen.45 In diesem Zusammenhang hätte die Bemerkung zur Bestechlichkeit von Geistlichen eine besondere Brisanz, da Korruption in diesem Bereich ganz profane Auswirkungen hätte. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist natürlich Hieronymus’ Aussage von besonderem Interesse, er wolle den lahmen Vulcanus in seinem eigenen Feuer brennen sehen. Dieser war ein alter römischer Gott, der die zerstörende Macht des Feuers verkörperte. Nach seiner Gleichsetzung mit Hephaistos im späten 6. Jh. wurde er überdies zum Gott der Schmiede und anderen Handwerker, die mit Feuer zu ihrem Nutzen umgehen.46 Im Mythos ist Hephaistos Sohn des Zeus und der Hera oder wird wegen eines Streits von ihr alleine geboren. Weil das Kind lahm ist, wirft Hera es aus dem Himmel herab. Hephaistos fällt in den Okeanos, wo ihn Thetis und die Okeanide Eurynome retten und in einer Höhle, verborgen vor den anderen Göttern, für ihn sorgen. Nach einer anderen Version wirft Zeus Hephaistos aus dem Himmel, weil er seiner Mutter in einem Streit zu Hilfe gekommen war. Er fällt auf die Insel Lemnos und bleibt durch den Aufprall für immer lahm. Nach manchen Überlieferungen ist dort auch seine Schmiede, nach anderen ist sie unter dem Berg Ätna auf Sizilien. Der erwachsene Hephaistos ist ein göttlicher Künstler von unbegrenzter Erfindungsgabe und entsprechenden Fähigkeiten. Er fertigt für die Götter allerlei Gegenstände und Waffen, wie etwa die berühmte Rüstung des Achilleus. Nach manchen heiratet Hephaistos Aglaia, die jüngste der Grazien; bekannter ist jedoch seine Ehe mit Aphrodite, die durch ihre zahlreichen Verhältnisse gestört wird.47 Hieronymus bringt in der vorliegenden Stelle zwei Aspekte zur Sprache, die eng mit Hephaistos in Verbindung stehen: zum einen das Feuer, das dem Gott zwar zugeordnet ist, jedoch mit keinem bestimmten Mythos verbunden ist. Dass Hieronymus ihn außerdem als claudus bezeichnet,48 nimmt direkt Bezug auf seinen Himmelssturz. Zugleich setzt das Epitheton die Verschmelzung des römischen Vulcanus mit dem griechischen Ἥφαιστος voraus, da seine Verkrüppelung ohne den Mythos nicht denkbar ist. In der lateinischen Literatur ist er jedoch keine sonderlich prominente Figur, auch nicht unter den üblichen Gewährsleuten des Hieronymus. Lediglich im 8. Buch der Aeneis widmet ihm Vergil zwei längere Abschnitte über die Herstellung der Waffen und die reiche Bebilderung des Schildes für Aeneas.49 Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht verwunderlich, dass die Nennung des Hephaistos singulär im Werk des Hieronymus ist.50
45 Cod. Theod. 1,27,1; Const. Sirmond. 1 (333); vgl. 1 Kor 6,1. Zur audientia episcopalis STEINWENTER 1950, 915; BAUS/EWIG 1973, 294 f. 46 WISSOWA 1937B, 357–365; TRIPP 1974, 540 s.v. Vulkan; GRAF 1998A, 354 f. 47 Hom. Il. 1,590–608; 18,368–617; 20,73 f.; 21,328–382; Od. 8,266–366; Hes. Th. 570–572. 927–929. 945 f.; A. Pr. 1–81. 365–369; A.R. 1,202–205. 850–860; Apollod. 1,3,5 f. 4,3 f. 6,2; 3,4,2. 14,6. 16,1; Paus. 1,20,3; 8,41,5. 53,5; Verg. Aen. 7,678–681; 8,198 f.; Ov. met. 2,106; Hyg. fab. 166; astr. 2,12 f. 15. 34. Vgl. RAPP 1890B, 2036–2066. 48 Cic. nat. deor. 1,83. 49 Verg. Aen. 8,370–453. 608–731, wo nicht erwähnt wird, dass Hephaistos lahm ist; sein behinderter Fuß wird genannt bei Ov. am. 2,17,17–20; ars 2,564–590. 50 In Hier. epist. 54,9,1 (CSEL 54, 474 f.) bezeichnet Vulcania tellus die Liparischen Inseln.
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Die eigentliche Aussage des Hephaistos-Exemplums ist dabei recht klar: Hephaistos ist derjenige, der – gemäß der Logik des Sprachbildes – das Feuer zur Verfügung stellt, mit dem Hieronymus dessen eigenen Tempel in Brand gesetzt sehen will. Vermutlich ergab sich für den Kirchenvater die Wahl des Hephaistos als Personal für dieses Exemplum durch den Wunsch, die schonungslose Zerstörung möglichst sinnfällig darzustellen. Das ließ sich durch Feuer als Hilfsmittel leicht umsetzen und verleiht dem Sprachbild einen deutlich ironischen Duktus. Dass Onasus die heidnischen Tempel vor dem Brand schützen wolle, weil er hospis oder vicinus des Gottes sei, ist wohl als Kritik am indifferenten Umgang mancher Christen mit ihrem paganen Umfeld zu verstehen. Mit Freunden und auch Verwandten konnte es leicht passieren, dass man den eigenen religiösen Ansprüchen untreu wurde – sei es, um beim gemeinsamen Mahl den Anstand zu wahren.51 Die Umstände, dass Hephaistos zum einen ein Handicap hat – er also trotz seiner göttlichen Begabung mit einem physischen wie ästhetischen Makel geschlagen ist – und er überdies von seiner schönen Frau Aphrodite hintergangen wird, machen ihn als mythische Figur ein wenig bedauernswert und prädestinieren ihn für Spott. Bereits im Mythos erscheint er von gutmütigem Charakter, jedoch zugleich „von etwas beschränktem Gesichtskreis“.52 Lukianos bezeichnet ihn etwas pejorativ als βάναυσος, d. h. als einfachen Handwerker.53 Hephaistos ist es auch, der, als er den Göttern bei einem Gelage Wein einschenkt, durch sein Hinken das sprichwörtlich gewordene ‚Homerische Gelächter‘ auslöst.54 Der Gott „ist zur komischen Person geworden“.55 Das kommt Hieronymus’ satirischer Absicht entgegen. In der zweiten Hälfte der Textstelle kommen weitere Referenzen auf mythische Figuren zum Tragen, als Hieronymus sich sehr auffällig über den Namen des Onasus in Zusammenhang mit seiner Physiognomie lustig macht. Etymologisch hängt der Name Onasus mit ὀνήσιµος zusammen bzw. mit ὄνησις, Nutzen, Vorteil, Gewinn, Stütze, Glück. Wahrscheinlich hatte Hieronymus das Bedeutungsfeld des Wortes im Sinn, als er schrieb, Onasus habe ein faustum nomen, zumal im Philemonbrief der Sklave Onesimos, „der dir einst unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist“,56 mit einer ähnlichen Wortspielerei bedacht wird. Zugleich enthält Onasus natürlich das Wort nasus, so dass auch diese Assoziation gegeben ist und Hieronymus ihn fragen kann, ob er sich denn für bellus halte.57 Insgesamt enthält das kurze Schreiben fünf Bemerkungen, die sich auf die Nase des kritisierten Klerikers beziehen und suggerieren, sie sei verstümmelt und sein Gesicht dadurch entstellt.58 Vielleicht waren die Anspielungen für die zeitgenössische Leserschaft in 51 52 53 54 55 56
Gal 2,11–21. RAPP 1890B, 2067. Luc. Sacr. 6; vgl. RAPP 1890B, 2068. Hom. Il. 1,599 f.; Od. 8,325–332. RAPP 1890B, 2068. Phlm 10 f.: παρακαλῶ σε περὶ τοῦ ἐµοῦ τέκνου, ὃν ἐγέννησα ἐν τοῖς δεσµοῖς, Ὀνήσιµον, τόν ποτέ σοι ἄχρηστον νυνὶ δὲ [καὶ] σοὶ καὶ ἐµοὶ εὔχρηστον. 57 Zur Antwort Hier. epist. 40,3,1 (CSEL 54, 311). Vgl. PENCE 1946, 322 ff.; WIESEN 1964, 204; CAIN 2009B, 89, Anm. 90; REBENICH 2002, 82. 58 Hier. epist. 40,2,1–3,1 (CSEL 54, 310 f.); hierzu PRÉAUX 1958, 660.
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Rom dadurch auf eine bestimmte Person zu beziehen. Hieronymus weist die Möglichkeit jedoch zurück, indem er unter Zuhilfenahme eines Vergil-Verses betont: „Es gibt ja nicht nur einen in der römischen Welt, der ‚die Nase durch einen schändlichen Schwertstreich verstümmelt‘ hat“.59 Der ironische Ton ist indes kaum zu überlesen, so dass sich der Eindruck verfestigt, der Kirchenvater sei sehr wohl der Meinung, dass sich der Richtige durch die Anspielung auf seine Nase und damit durch die Kritik an seinem Verhalten angesprochen fühlt. Die bislang übergangene Bemerkung über die Beredsamkeit, die einer quadrans naris würdig sei, ist so verstanden worden, dass Onasus’ Eloquenz nicht viel wert sei, eben nicht mehr als ein quadrans.60 Das Viertelas erscheint in der Literatur als kleinstes Nominal und Hieronymus gibt in den Evangelien den κοδράντης damit wieder.61 Durch die enge Verbindung mit naris ließe sich die Bezeichnung als „Pfennignase“ auch in dem Sinn verstehen, dass Onasus zu geizig war, um das Schulgeld für eine ordentliche rhetorische Ausbildung aufzuwenden.62 Wie dem auch sei, Hieronymus macht sich über die unzureichende Beredsamkeit des Onasus lustig und verbindet das im Rahmen seiner satirischen Darbietungsform mit einer weiteren Anspielung auf dessen verstümmelte Nase. So ist die Nase in der lateinischen Literatur „überhaupt das Organ des Spottes“.63 Angesichts dieses Handicaps gewinnt die Wahl des Exemplums vom lahmen Hephaistos an Substanz. Der erste Bestandteil des Namens Onasus lässt an ὄνος, Esel, denken. Abgesehen von der darin enthaltenen Beleidigung, die die Assoziation zu dem trägen und dummen Tier enthält, macht Hieronymus auch im 27. Brief an Marcella reichlich Gebrauch von der Eselsmetapher, um seine Kritiker beispielsweise als „zweibeinige Eselchen“ zu verhöhnen.64 Das Schreiben ist wohl unmittelbar vor dem 40. Brief anzusetzen und enthält einige der Kritikpunkte, die auch in der hier betrachteten Stelle zur Sprache kommen.65 Dass aus der positiven Wortbedeutung des Namens Onasus/Ὀνήσιµος dennoch nicht folgt, dass der Kleriker sich als bellus und faustus betrachten darf, erklärt Hieronymus mit weiteren Beispielpaaren von Wörtern, die trotz des ähnlichen Klangs gegenläufige Bedeutungen haben. Dabei nutzt er gleich zu Anfang eines der Beispiele, die auch Quintilianus anführt, um zu zeigen, dass etymologische Überlegungen nur dann sinnvoll sind, wenn die Herkunft eines Wortes ohnehin offensichtlich ist: Nach einigen Beispielen für eine direkte Herleitung wie etwa consul von consulere führt er den Fall der Antiphrase ein und erklärt: So „werden wir auch manche Wörter vom Gegenteil ihre Bedeutung beziehen lassen, wie der Hain (lucus), weil 59 Hier. epist. 40,2,1 (CSEL 54, 310): numquid unus in orbe Romano est, qui habeat ‚truncas inhonesto vulnere nares‘ [Verg. Aen. 6,497]. 60 REBENICH 2002, 186, Anm. 13. Die Formulierung enthält einen Anachronismus, da sich die Münze nur bis ins 4. Konsulat des Antoninus Pius nachweisen lässt; vgl. KLOSE 2001, 679 f. 61 Mk 12,42; Mt 5,26; vgl. Petron. 43,1; Gaius inst. 1,122; Plu. Cic. 29,5. 62 Zumal Hieronymus ausdrücklich betont, dass Onasus dives sei. 63 OTTO 1890, 238 s.v. nasus 1, Nr. 1198; vgl. PRÉAUX 1958, 662 f.; KAHLOS 2010, 636. 64 Hier. epist. 27,3,1 (CSEL 54, 225): revertimur ad nostros bipedes asellos. Vgl. epist. 27,1,2 (CSEL 54, 224 f.). 65 Hier. epist. 27,2,1 (CSEL 54, 224 f.).
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er im dunklen Schatten zu wenig Licht hat (luceat)“.66 Die etymologische Ableitung von lucere ist zwar richtig, die Begründung für die Antiphrase jedoch nicht, da der Grund für die Bedeutungsverschiebung vielmehr darin zu sehen ist, dass die Lichtung (sic) als Pars pro Toto für den Hain gebraucht wird, der sie umgibt.67 Hieronymus führt die Reihe mit dem Beispiel der Parzen fort, die niemanden schonen, nequaquam parcant. Die Parzen sind ursprünglich römische Geburtsgöttinnen, die wegen einer falschen etymologischen Herleitung von pars schon früh mit µοῖρα, Teil, Los, und daher mit den Moiren in Verbindung gebracht wurden. Diese sind zumeist drei göttliche Wesen, die als unerbittliche „Walterinnen des Schicksals“68 gedacht wurden, welches jedem Menschen per Los zugeteilt ist. Für jeden Sterblichen spinnen sie bei seiner Geburt einen Faden, dessen Länge sein Lebensende bestimmt, und leiten so das Schicksal des Menschen von seiner Geburt bis zum Tod. In der erbarmungslosen Ausübung ihrer Aufgabe lassen sie sich nur sehr selten beeinflussen: Apollon zu Gefallen erlauben sie Admetos, jemand anderen suchen, der statt seiner stirbt, doch muss der Gott hierfür eine List anwenden.69 Dennoch hat es zu den Moiren, die mitunter ähnlich den Erinnyen gedacht werden, keine ausgiebige Mythenbildung gegeben. „Die Moiren sind dunkle, starke, unentrinnbare, unsichtbar über den Geschicken der Menschen von der Wiege bis zum Grabe waltende göttliche Mächte“.70 Wenn Hieronymus nun sagt, dass die Parzen nequaquam parcant, ist die Identifikation mit den unerbittlichen Moiren offenbar vorauszusetzen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Antiphrase, da die etymologische Herleitung, die Hieronymus wiedergibt, falsch ist: Parca leitet sich ab von parere, gebären.71 Ein deutliches Zeichen dafür, dass den Parzen im spätantiken Verständnis wohl nichts mehr von ihrem ursprünglichen Charakter als Geburtsgöttinnen anhaftete. Auch das folgende Beispiel für eine Antiphrase berührt den Bereich des Mythos: Εὐµενίδες bedeutet die Wohlwollenden. Sie sind chthonische Göttinnen, die in vielen Städten Griechenlands unter verschiedenen Namen verehrt wurden, so z. B. die Σεµναί θεαί in Athen. Spätestens seit Aischylos’ Tragödie Εὐµενίδες werden sie gemeinhin mit den Erinnyen gleichgestellt, so dass Unterschiede kaum mehr zu erkennen sind. Diese weiblichen Wesen aus der Unterwelt sind älter als die jüngere Götterordnung. Sie sind schwarz, haben giftigen Atem und ihre Haare 66 Quint. inst. 1,6,34: etiamne a contrariis aliqua sinemus trahi, ut lucus, quia umbra opacus parum luceat. Übers. nach RAHN 1972 101. 67 WALDE/HOFMANN 1982/1, 828 s.v. lucus. Das Eumeniden-Furien-Exemplum findet sich bereits bei Trypho Trop. 15. In seiner Erklärung zur Antiphrasis führt Varro ling. frg. 130 (GOETZ/SCHOELL 1910, 240) das lucus-Beispiel ein. Bei Sacerd. gramm. VI 462, 11–14 findet sich das Parzen-Beispiel auch in Verbindung mit den Eumeniden; vgl. Serv. Aen. 6,250; Amm. 22,8,33; Sidon. epist. 2,1,1; hierzu FUNKE 1972, 716. 68 WEIZSÄCKER 1897, 3088; vgl. PETER 1902B, 1569 f. 69 Hom. Il. 16,433 ff.; hierzu WEIZSÄCKER 1897, 3089. Zu den Moiren allgemein Hom. Il. 20,128; 24,209; Hes. Th. 217–222. 901–906; A. Pr. 515–518; A. Eu. 334 f. 956–967; Apollod. 1,4,2. 6,3. 8,2; Ov. met. 8,451–456; 15,807–815; Paus. 1,19,2; 2,11,4; 8,42,3; 10,24,4; Hyg. fab. 171; astr. 2,15; vgl. WEIZSÄCKER 1897, 3084–3102. Hierzu auch oben 6.4.2.7. 70 WEIZSÄCKER 1897, 3091. 71 WALDE/HOFMANN 1982/2, 251 f. s.v. Parca.
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bestehen aus Schlangen. Sie wachen über die dem Menschen gesteckten Ordnungen und bestrafen diejenigen, die sich gegen Blutsbande vergehen. Mit unerbittlicher und erbarmungsloser Sicherheit rächen und strafen sie auch noch nach langer Zeit die schrecklichsten Verbrechen. Kann jemand die Ermordung eines Familienmitglieds nicht rächen, vollziehen die Erinnyen die Rache an ihm selbst. Orestes, der seinen Vater rächt, wird von ihnen in den Wahnsinn getrieben, weil er seine Mutter umgebracht hat. Auch Alkmaion widerfährt ein ähnliches Los. Als Schicksals- und Todesgöttinnen sind sie eng mit den Moiren verbunden.72 Die Furien, die die Raserei in ihrem Namen tragen, waren Teil des römischen Volksglaubens, verwandt den Larven und Manien. Sie wurden als abgeschiedene Geister böser Menschen aufgefasst, die wegen ihrer Schuld keine Ruhe finden können und nachts die Lebenden in den Wahnsinn treiben. Die Götter bedienen sich der Furien zu Henkersdiensten bei der Bestrafung von Frevlern. Auf literarischer und bildlicher Ebene fanden sie wenig Niederschlag und wurden spätestens seit Ennius als lateinische Entsprechung der Ἐρινύς angesehen.73 „Nirgends aber ist ein Unterschied in der Bedeutung bemerkbar“ und so wird furiae bei Vergil synonym mit Eumenides gebraucht.74 Der mythische Bezug ist im Eumeniden-Furien-Beispiel noch weiter reduziert als im Parzen-Beispiel, da die Bemerkung allein auf die Wortbedeutung und -herkunft abhebt, ohne auf erzählerische Hintergründe zu rekurrieren. Nur die Kontrastierung von wohlwollend und rasend deutet auf das Wesen der Erinnyen hin, das in den Mythen entsprechend zum Tragen kommt. Hieronymus’ zuletzt angeführtes Beispiel von den Aethiopes, die gemeinhin silbern genannt werden, ist ein wenig rätselhaft. Die Vokabel αἰθίοψ bedeutet eigentlich „mit verbranntem Gesicht“, was im Zusammenhang mit dem berühmten Mythos von Phaethon zu sehen ist, der den Sonnenwagen zu tief über die Erde fahren lässt, so dass die Haut der Aithiopier sich schwarz verfärbt.75 So steht die Vokabel Aethiopes gemeinhin metonym für Schwarzafrikaner und die römische Literatur bietet unzählige Stellen, in denen ihre Hautfarbe thematisiert wird. In seiner satirischen Absicht könnte Hieronymus etwa einen Satz bei Juvenal im Sinne gehabt haben, der zugleich den Bogen zum Hephaistos-Exemplum schlagen würde: „Den Schiefbeinigen mag der Geradbeinige verlachen, den Aethiops der Weiße“.76 Damit wäre jedoch nicht erklärt, wieso Aethiopes im Allgemeinen „Silberne“ genannt werden, wie Hieronymus sagt. Das obskure Exemplum erhellt sich, wenn man annimmt, dass er wohl nicht von Menschen spricht, sondern eine Pflanze namens Αἰθιοπίς meint, die Plinius
72 Zu den Erinnyen A. Eu.; A. A. 988–1197; A. Ch. 269–296 passim; Apollod. 3,7,2–7; Epit. 6,24; Verg. Aen. 3,252; 3,331; 4,465–473; 6,250. 280. 375. 605; 7,415; Ov. met. 8,486 f.; 6,430–432; 9,410; 10,45 f.; 7,147 ff.; Paus. 7,25,5; 8,34,1; Hyg. fab. 117; 119 f.; Philostr. VA 7,14; vgl. RAPP 1886, 1310–1336. 73 Enn. scaen. 69 (= Cic. div. 1,114); vgl. Plu. Moralia 277a; Cic. nat. deor. 3,18,46. 74 RAPP 1890A, 1562; vgl. ebd. 1559–1564; FUNKE 1972, 699–722; vgl. Ov. met. 4,451 ff. 75 LIDDELL/SCOTT 1996, 37 s.v. Αἰθίοψ. Vgl. bspw. Ov. met. 2,235 f. 76 Iuv. 2,23: Loripedem rectus derideat, Aethiopem albus. Übers. nach ADAMIETZ 1993, 25.
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erwähnt.77 Es dürfte sich hierbei um den Wollsalbei handeln, der im Deutschen auch unter dem Namen Mohren-Salbei (sic) bekannt ist und heute noch den lateinischen Artnamen Salvia aethiopis trägt. Vor allem durch die charakteristische Form seiner weißen Lippenblüte ist er dem Silberblattsalbei (Salvia argentea) so ähnlich, dass die beiden Pflanzen nicht selten verwechselt werden. Die grünen Blätter des Silberblattsalbeis sind mit hellen Härchen bedeckt, die vor allem im Morgentau silbrig schimmern und ihm seinen Namen geben.78 Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob und welche literarische Vorlage Hieronymus hier verarbeitet haben könnte, da die Quellen den Zusammenhang zwischen den zwei Salbeiarten nicht herstellen. Beide kommen in Südosteuropa vor und der Wollsalbei ist bis nach Vorderasien verbreitet. Sollte das auch dem antiken Vorkommen entsprechen, könnte Hieronymus die Salvia aethiopis bzw. argentea aus eigener Anschauung gekannt haben, zumal aus seiner pannonischen Heimat. Das Exemplum könnte also durchaus sein Einfall gewesen sein, da es sich erst bei Isidor von Sevilla wiederfindet.79 Hieronymus zeigt sich in der betrachteten Stelle als versierter Satiriker, der es versteht, vielseitige, oft hintergründige Bezüge herzustellen, um einen Gegner zu diffamieren. Zum einen äußert sich seine besondere Freude an Sprache und daran, mit ihr zu spielen. Zum anderen greift er ausgiebig auf die pagane Literatur und den griechischen Mythos zurück. Dabei zeigt sich, dass er eine Figur wie den lahmen Hephaistos mit seiner unfreiwillig komischen Darstellung übernimmt, ohne die Notwendigkeit zu sehen, der Figur eine eigene Deutung, geschweige denn eine christliche zukommen zu lassen. Neben sachlicher Kritik am Verhalten des vermeintlichen Adressaten Onasus enthält der kurze Abschnitt eine Fülle von ironischen Unterstellungen, wenig schmeichelhaften Vergleichen und unverblümten Schmähungen. Offenbar hatte der griechische Mythos einen Platz im Spektrum hieronymianischer Polemik.
6.6.1.3 Ein Proteus unserer Tage Neben den zahlreichen mythischen Exempla in der Streitschrift gegen Iovinianus, die Hieronymus wie oben gesehen einsetzt, um laster- und tugendhaftes Verhalten zu kommentieren,80 nutzt er mehrfach die Gelegenheit, seinen Widersacher unter Zuhilfenahme mythischer Figuren zu diffamieren. Drei dieser wenig schmeichelhaften Vergleiche, die Iovinianus und seine Anhängerschaft über sich ergehen lassen müssen, werden auf den folgenden Seiten zu betrachten sein. In dem fraglichen Abschnitt ist die vierte der Thesen des Iovinianus Gegenstand, die u. a. auf 1 Joh 3,9 fußt: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, 77 Plin. nat. 24,163; 26,18; 27,3. 11 f.; vgl. KÖNIG/HOPP 1993, 170. Vgl. auch ThLL 1, 1157,41– 47 s.v. aethiopis. Die Form bei Hieronymus muss also richtig aethiopides lauten. 78 GENAUST 1996, 43 s.v. aethiópicus: „das Benennungsmotiv bleibt unklar“, wobei Dsc. 4,103 (105) und Plin. nat. 27,11 betonen, dass die Wurzeln beim Trocknen schwarz werden. 79 Isid. orig. 1,37,24. Die Antiphrase scheint ein Stilmittel zu sein, das Hieronymus’ Humor in besonderem Maße entsprach; vgl. bspw. Hier. epist. 78,35,2 (CSEL 55, 76). 80 Oben 6.4.
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denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“81 Iovinianus hatte daraus abgeleitet, dass alle Christen dieselbe Vergeltung im Himmelreich empfingen, solange sie die Taufe bewahrten.82 Demnach gebe es nur zwei Klassen von Menschen, Gerechte und Sünder, und folglich komme auch Märtyrern keine höhere Stufe der Seligkeit zu. Hieronymus, dessen Leben und Wirken auf die Askese und die daraus abgeleitete Jenseitshoffnung ausgerichtet war, antwortet darauf ausführlich in seiner Streitschrift: „Und wie der Apostel Johannes sagt, dass viele Antichriste aufgetreten sind, so ist dies wahrhaftig die Predigt eines Antichristen, die zwischen Johannes selbst und dem niedersten Büßer keinen Unterschied macht. Zugleich wundere ich mich, wie diese schmierige Schlange, dieser Proteus unserer Tage, sich in Scheusale verschiedenster Formen verwandelt. Der nämlich in Wollust und Völlerei ein Epikureer ist, wird plötzlich zum Stoiker, wenn es darum geht, Schuld und Verdienst zu vergelten. Jerusalem verwechselt er mit Kition, Judäa mit Zypern und Christus mit Zenon.“83
Der zentrale Kritikpunkt ist hier über den tatsächlichen Inhalt der Thesen hinaus deren Inkonsistenz. Hieronymus unterstellt Iovinianus, ohne Rücksicht auf eine schlüssige Gesamthaltung jeweils diejenigen Prinzipien hochzuhalten, die ihm opportun erscheinen. Mit Blick auf dessen Postulat der Gleichwertigkeit von Ehe und Jungfräulichkeit bzw. von Fasten und Nichtfasten bezeichnet der Kirchenvater ihn zunächst als Anhänger der Lehren Epikurs. Hierbei handelt es sich um einen Lieblingsvorwurf, wenn es darum geht, seinem Gegner einen Lebensstil der Sündhaftigkeit zu unterstellen, der dadurch besonders verurteilenswert ist, dass er weltanschaulich begründet wird. Der Epikureismus ist für Hieronymus grundsätzlich aufs Engste mit luxuria und voluptas verbunden, so dass er Iovinianus gleich mehrfach in die Nähe dieser philosophischen Schule rückt.84 Hieronymus steht mit dieser Polemik in bester Tradition. Die Ethik Epikurs war bereits seit ihrem Aufkommen in Rom im 2. Jh. v. Chr. immer wieder in die Kritik geraten und wurde dabei oft auf einen bloßen Hedonismus reduziert.85 Für die Christen hatten die epikureischen Lehren dadurch zusätzliche Brisanz, dass sie die Unsterblichkeit der Seele und die Vorsehung leugneten.86 Hieronymus war, 81 Vgl. Mt 25,24. 41; Joh 8,44; hierzu OPELT 1973, 59. 82 Hier. adv. Iovin. 1,3 (PL 23, 224B); hierzu oben 6.2.1.2.Vgl. GRÜTZMACHER 1906, 162–164. 83 Hier. adv. Iovin. 2,21 (PL 23, 329A): Et quod Ioannes apostolus Antichristos dicit venisse multos [1 Joh 2,18], haec vera est Antichristi praedicatio, quae inter ipsum Ioannem et ultimum poenitentem nullam facit esse distantiam. Simulque miror, quomodo serpens lubricus et Proteus noster in variarum se mutet portenta formarum. Qui enim in coitu et saturitate Epicureus est, subito in retributione meritorum Stoicus efficitur. Hierosolymam Citio, Iudaeam Cypro, Christum Zenone commutat. Vgl. OPELT 1973, 59–62; KAHLOS 2010, 634. 84 Vgl. Hier. adv. Iovin. 2,36 (PL 23, 349A): Hier bezeichnet Hieronymus ihn sogar als Epicurum nostrum. Vgl. auch Hier. in eccles. 12,1 (CCL 72, 351); in Is. 7,18,1. 22,12 (VL 27, 791. 847); 18,65,17 (VL 36, 1855); in Ezech. 4,13 (CCL 75, 146); tract. in Marc. 9 (CCL 78, 481); adv. Iovin. 1,4. 48; 2,11. 38 (PL 23, 225A. 292C. 314A. 352C); hierzu SCHMID 1962, 793 f.; KAHLOS 2010, 630 f. 638. 641. Vgl. auch Sen. dial. 7,12,4. 85 Zum Epikureismus in Rom vgl. SCHMID 1962, 761–774. 86 Clem. str. 1,11,50,6 mit Verw. auf Apg 17,18; hierzu SCHMID 1962, 791; zur christlichen Rezeption allgemein vgl. ebd. 774–816.
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vermittelt durch Ciceros und vor allem Lucretius’ Schriften, eigentlich recht gut über den Epikureismus unterrichtet.87 Daher ist bei den Epikureismus-Vorwürfen gegen Iovinianus von polemischer Übertreibung auszugehen. Denn trotz der Tatsache, dass man für die Kenntnis der iovinianischen Lehren auf die Widerlegungen durch seine Gegner angewiesen ist, scheinen seine Motive nicht im Geringsten epikureisch, geschweige denn hedonistisch ausgerichtet gewesen zu sein.88 Weitaus mehr Gegenstand hat hingegen der Stoizismus-Vorwurf, den Hieronymus daneben stellt: Iovinianus’ These, dass allen dasselbe himmlische Verdienst zukomme, die in der Taufe verweilten, findet eine deutliche Parallele in stoischen Lehrsätzen. So ist nach der Stoa keine moralische Handlung tugendhafter als eine andere und daher, weil nur die Tugend gut ist, sind alle Handlungen entweder gut oder schlecht.89 Hieronymus steht dieser philosophischen Schule weitaus differenzierter gegenüber und referiert beispielsweise in seinem Jesaja-Kommentar in Hinblick auf Ps 34,15, „lass ab vom Bösen und tue Gutes“, die stoische Lehre: „Von daher nennen auch die Stoiker, die in Vielem mit unserer Lehre übereinstimmen, nichts gut außer der Ehrbarkeit und der Tugend, nichts schlecht außer der Unsittlichkeit.“90 Nichtsdestotrotz betont Hieronymus hier gegenüber Iovinianus die Unvereinbarkeit stoischer und christlicher Ethik mit Hilfe einer rhetorischen Spielerei, in der er gegensätzliche metonyme Begriffspaare aufzählt, die Iovinianus angeblich verwechselt haben soll.91 Die Begriffe zur Stoa beziehen sich auf Zenon, der von Kition auf Zypern stammte und um 300 v. Chr. die philosophische Schule begründet hat, die nach ihrem Tagungsort in Athen, der ποικίλη στοά, benannt wurde.92 Hieronymus’ Vorwurf ist hier, dass Iovinianus mit zweierlei Maß misst: Die Ablehnung der Askese mache ihn zu einem in Ausschweifung lebenden Epikureer, während er andererseits die ethische Kompromisslosigkeit der Stoiker an den Tag lege. Beides schließe sich gegenseitig aus, so der Kirchenvater implizit. Vor diesem Hintergrund wird nun auch der Mythos verständlich, auf den er durch seine Bezeichnung des Gegners als Proteus noster rekurriert: Proteus ist ein alter Meeresgott mit besonderen seherischen Fähigkeiten, der Poseidon als Robbenhirt dient. Als Menelaos auf der Heimreise von Troja auf der ägyptischen Insel Pharos strandet, verrät ihm die Nymphe Eidothea, wie er ihren Vater Proteus nötigen kann, ihm für die Rückkehr nach Sparta behilflich zu sein. Als Robben verkleidet mischen sich Menelaos und drei seiner Gefährten unter die Herde, mit der sich Proteus in einer Meereshöhle zur Mittagsruhe begibt. Als der alte Mann eingeschlafen ist, binden ihn die vier Gefährten fest. Obwohl er sich in schneller Folge in einen Löwen, eine Schlange, einen Leoparden, einen Eber, in Wasser und in einen Baum verwandelt, 87 88 89 90
HAGENDAHL 1958, 274 ff.; SCHMID 1962, 786 f. Aug. c. Iulian. op. imperf. 1,1,96 ff.; Ambr. epist. 83; vgl. GRÜTZMACHER 1906, 148 f. Cic. fin. 3,14 ff. Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 444): Unde et stoici, qui nostro dogmati in plerisque concordant, nihil appellant bonum, nisi solam honestatem atque virtutem, nihil malum nisi turpitudinem. Vgl. in Ezech. 8,27 (CCL 75, 367); in Dan. 1,1 (CCL 75A, 778); hierzu TRILLITZSCH 1965, 43. 91 Die Reihe enthält einen logischen Fehler, denn mit Kition und Jerusalem benennt Hieronymus einmal die Herkunft und einmal die Wirkungsstätte. Vgl. Hier. adv. Iovin. 2,36 (PL 23, 349C). 92 BENZ 1997, 767 f.
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kann er sich nicht befreien. Zurück in seiner eigentlichen Gestalt gibt er schließlich nach und erteilt Menelaos die nötigen Auskünfte.93 Im berühmten Bienenbuch seiner Georgica verlegt Vergil das Geschehen auf die Insel Karpathos und gestaltet den Mythos dergestalt um, dass Aristaeus dem Proteus auf gleiche Art und Weise das Geheimnis um das Sterben seiner Bienen abringt.94 Das tertium comparationis ist somit die schnelle Abfolge von Verwandlungen in verschiedene Gestalten, um aus einer misslichen Lage zu entkommen.95 Iovinianus, eigentlich und nach eigenem Bekunden Christ, äußere sich mal als Epikureer, mal als Stoiker, um sich wie Proteus oder wie ein serpens lubricus aus der Festlegung auf eine schlüssige und universell gültige Lehre herauszuwinden. Proteus ist im Unterschied etwa zu Deukalion keine eindeutig positiv besetzte Figur. Wenn man ihn mit dem ägyptischen König namens Proteus identifiziert, der Helena während des Trojanischen Krieges in seine Obhut genommen haben soll,96 wird sein Bild begünstigt, da er den Ruf von höchster Integrität genoss. Euripides lässt Zeus ihn den „besonnensten aller Sterblichen“ nennen.97 Unabhängig von der tatsächlichen Wertschätzung, die Proteus in der Antike erfuhr, ist der ironische Ton bereits durch Hieronymus’ Formulierung miror gegeben. Die Ironie ist hier deutliches Zeichen für das Verlassen der sachlichen Ebene hin zu einer polemischen.98 Während der Vergleich der Thesen des Iovinianus mit stoischen Anschauungen noch Sinn ergibt, ist die hedonistisch-epikureische Komponente der hieronymianischen Übertreibung geschuldet. Durch das mythische Exemplum, das den zwei Seitenhieben auf die profane Philosophie vorangeht, bekommt die Aussage einen Rahmen; erst wird das Bild entworfen, dann wird es mit Inhalt gefüllt – wenn auch dem philosophischen Interesse des Kirchenvaters entsprechend recht oberflächlich. Dieselbe Proteus-Erzählung benutzt Hieronymus in einem Exemplum in der Streitschrift gegen die Pelagianer aus dem Jahre 415 auf ganz andere Weise. An einem Punkt stellt dort der orthodoxe Atticus seinem Gesprächspartner Critobulus die rhetorische Frage: „Was macht es für einen Unterschied, ob ich dich als Schweigenden oder Sprechenden übertreffe und ob ich dich, gemäß der fabula von Proteus, als Wachen oder Schlafenden kriege?“99
Der Meeresgott ist im Mythos nur zu fassen, wenn er in seinem Versteck schläft; im Falle seines Gegners macht es für Atticus deshalb keinen Unterschied, weil Critobulus auch wachen Zustandes für die verbale Auseinandersetzung nicht das nötige intellektuelle Rüstzeug mitbringt, so Hieronymus’ Aussageabsicht. Der Akzent ist hier von den Versuchen, durch Verwandlungen zu entkommen, deutlich hin zu dem eigentlichen Moment der Gefangennahme durch Menelaos verschoben. Der 93 94 95 96 97 98 99
Hom. Od. 4,351–570. Verg. georg. 5,387–452; hierzu OLBERTZ 2008, 99–103. Hor. sat. 2,3,71; vgl. OTTO 1890, 289 s.v. Proteus, Nr. 1478, m. weiteren Belegen. E. Hel. 4–11. 44–48; vgl. Hdt. 2,112–118. E. Hel. 47: τόνδ᾽ ἐς οἶκον Πρωτέως ἱδρύσατο, πάντων προκρίνας σωφρονέστατον βροτῶν. GRÜTZMACHER 1906, 163. Hier. adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33): A. Quid interest utrum te tacentem an loquentem superem, et iuxta Protei fabulam vigilantem capiam an dormientem? Vgl. CANELLIS 1997, 283.
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kurze Ausblick auf den Dialogus contra Pelagianos zeigt abermals die Flexibilität, mit der Hieronymus mythische Exempla für seine jeweiligen Zwecke einsetzt.
6.6.1.4 Euphorbos und die Seelenwanderung der Häretiker Für seine Polemik gegen Iovinianus schöpft Hieronymus aus einem reichen Fundus, der ihn mitunter in die Peripherie der griechischen Mythen führt: „Basilides, der Meister der Genusssucht und der schändlichsten Verbindungen, hat sich nach so vielen Jahren in Iovinianus – gleichsam in Euphorbos – verwandelt, damit auch die lateinische Sprache ihre eigene Häresie haben konnte.“100
Deutlich tritt Hieronymus’ Bewusstsein dafür zutage, dass häretische Lehren traditionell eher im griechischsprachigen Osten des Reiches entstanden, wo die Theologie allgemein innovativer war und in einem offeneren Diskurs stand als im lateinischen Westen. Zum Verständnis der Bemerkung sei jedoch zunächst der mythische Hintergrund betrachtet. Obwohl Euphorbos bei Homer als der tapferste aller Trojaner bezeichnet wird,101 spielt er im Mythos nur eine untergeordnete Rolle. Vor Troja fällt er im Streit um Patroklos’ Leichnam durch die Hand des Menelaos. Als dieser dem getöteten Euphorbos anschließend die prachtvolle Rüstung abnehmen will, bringt Phoibos Apollon, der auf die Rüstung neidisch ist, Hektor dazu, Menelaos anzugreifen, worauf dieser von der Beute ablassen muss. Den Schild, den er dennoch entwenden kann, stiftet er später dem Heratempel in Argos.102 Die Erzählung hat soweit zunächst nichts mit dem Exemplum zu tun. Vielmehr bezieht sich Hieronymus auf den Bericht über Pythagoras von Samos, welcher sich am frühesten bei Diogenes Laertios erhalten hat und seinerseits wohl eine Wiedergabe der Angaben des Platon-Schülers Herakleides Pontikos ist: Ein wesentlicher Bestandteil der Lehre des Pythagoras war die Unsterblichkeit der Seele und daraus folgend die Seelenwanderung.103 Seine Kenntnis von diesen Dingen ist in der so genannten Pythagoraslegende begründet, nach der er ursprünglich der Argonaut Aithalides gewesen ist, der von seinem göttlichen Vater Hermes ein äußerst vermögendes Gedächtnis bekommen hat, mit dem er seine Erinnerungen durch Leben und Tod hindurch behält.104 Als seine Seele in Euphorbos wiedergeboren wird, kann er sich daher an seine Zeit im Körper des Aithalides und an seine verschiedenen anderen Existenzen als Pflanzen und Tiere erinnern. Ferner kann er von seinen Erfahrungen in der Unterwelt berichten sowie von dem, was die anderen Seelen dort zu erleiden haben. Danach reinkarniert er als der Philosoph Hermotimos von Klazomenai, der im Apollontempel in Didyma den Schild erkennt, den Menelaos ihm als 100 Hier. adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 350B): Basilides magister luxuriae et turpissimorum complexuum, post tot annos ita in Iovinianum, quasi in Euphorbum transformatus est, ut Latina quoque lingua haberet haeresim suam. Hierzu auch OPELT 1973, 63; KAHLOS 2010, 631. 638. 101 Hom. Il. 17,79–81: Μενέλαος [...] Τρώων τὸν ἄριστον ἔπεφνε / Πανθοΐδην Εὔφορβον. 102 Hom. Il. 17,44–81; Paus. 2,17,3; vgl. SYBEL 1886B, 1408. 103 BURKERT 1962, 98–142; HABERMEHL 1997C, 608 f. 104 A.R. 1,640–652. Zur Pythagoraslegende BURKERT 1962, 112 f.
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Euphorbos entrissen hatte. Als viertes wird er als der Fischer Pyrrhos auf Delos und schließlich als Pythagoras wiedergeboren.105 Hieronymus kannte die Erzählung wohl aus Porphyrios’ Pythagoras-Vita, aber auch die entsprechenden Verse in Ovids Metamorphosen, in denen Pythagoras den Schild des Euphorbos am Heratempel wiedererkennt, werden ihm geläufig gewesen sein.106 Beide Vorlagen bieten zudem ausreichend Erklärung dafür, dass Hieronymus den Euphorbos aus der Reihe der verschiedenen Inkarnationen ausgewählt hat: Bei Porphyrios steht er am Anfang der Reihe und bei Ovid ist er sogar alleine erwähnt.107 Durch das Exemplum von den pythagoreischen Inkarnationen kann Hieronymus seinen Gegner Iovinianus nun auch mit entlegenen Häresien direkt in Verbindung bringen. Wie Euphorbos nach seinem Tod vor Troja bald auf Delos, bald auf Samos wiedergeboren wird, führe Iovinianus in Rom die lasterhaften Häresien des Basilides fort, der im Alexandreia der Mitte des 2. Jh. gelebt hat. Der philosophisch gebildete Theologe hatte ein komplexes gnostisches System auf Basis der Evangelien entwickelt, das nur durch die entrüsteten Widerlegungen bei christlichen Autoren überliefert ist.108 Unter diesen geben Clemens von Alexandreia und Origenes wohl die am wenigsten verfälschte Form der basilidianischen Lehren wieder. In den übrigen, durchweg häresiologischen Berichten, etwa bei Irenaeus, sind die gnostischen Aspekte weitaus prominenter, was vermuten lässt, dass sie stark durch Weiterentwicklungen von Basilides-Schülern geprägt sind.109 Hieronymus dürfte seine Informationen also zum einen aus Clemens und Origenes bezogen haben, zum anderen aus der häresiologischen Schrift des Epiphanios von Salamis, dessen Darstellung ihrerseits stark von Irenaeus und dessen Schüler Hippolytus abhängig ist.110 Insgesamt betrachtet gelangt Hieronymus jedoch zu „verworrenen Vorstellungen“111 vom System des Basilides und setzt etwa auch den Priszilianismus in direkte Verbindung hierzu.112 Seine Bezeichnung des Gnostikers als magister luxuriae et turpissimorum complexuum ist wohl einzig der christlichen Polemik geschuldet, die Basilides allgemein „eine sehr lockere Moral“ zuschrieb, ohne dass sich konkrete Anhaltspunkte dafür greifen ließen.113 Euphorbos als tragischer Held der Trojaner ist eine durchaus positiv besetzte Figur, die mit der göttlichen Gabe des ewigen Gedächtnisses die Erfüllung einer 105 D.L. 8,4 f. (= Heraclid. Pont. Fr. 89 W.). Diogenes weicht hier von der homerischen Überlieferung ab und lässt Menelaos den Schild Apollon weihen. Vgl. BURKERT 1962, 114 f. 106 Porph. VP 26 f. 45; Ov. met. 15,160–164; Hyg. fab. 112. Zu Hieronymus’ Pythagoras-Kenntnissen COURCELLE 1969, 65 f. 107 Hier. adv. Rufin. 3,39 f. (CCL 79, 109 f.) übernimmt die Aufzählung in der Reihenfolge von Porphyrios. Dass jedoch eigentlich Aithilides am Anfang stehen muss, ergibt sich daraus, dass er das unsterbliche Gedächtnis von seinem Vater, dem Gott Hermes, bekommen hat. Vgl. BURKERT 1962, 116. Zum Erscheinen des Euphorbos in der Reihe HENDRY 1995, 210 f. 108 MARKSCHIES 1998, 98. 109 WASZINK 1950, 1218 f. 110 Vgl. Epiph. haer. 1,3,14 (= Iren. haer. 1,13–21); Hipp. haer. 7,14–28; 10,14; hierzu COURCELLE 1969, 97 f. Vgl. auch GRÜTZMACHER 1906, 29. 115. 111 WASZINK 1950, 1218; vgl. REBENICH 1992A, 218. 112 Hier. vir. ill. 121 (BARTHOLD 2010, 254); vgl. GRÜTZMACHER 1906, 238. 113 WASZINK 1950, 1223. Vgl. Clem. str. 3,1,2 f. 3,2–4.
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Ur-Sehnsucht des Menschen in sich trägt. Seine verschiedenen Inkarnationsstufen sind ebenfalls durchweg Figuren von hoher Integrität. Der Vergleich des Iovinianus mit Euphorbos ist somit ebenfalls ironisch, da er als Ketzer wie eine Reinkarnation eines anderen Ketzers sei, so Hieronymus sinngemäß. Über die recht allgemein gehaltenen Vorwürfe der Amoralität hinaus lassen sich allerdings keine inhaltlichen Verbindungen von Basilides zu Iovinianus herstellen, so dass Hieronymus hier nicht mehr als einen Topos der antihäretischen Polemik wiederholt.114 Bemerkenswert ist jedoch, dass Basilides ähnlich wie Pythagoras eine Form der Seelenwanderung – auch durch die Körper von Tieren – annahm, diese jedoch durch die Auslegung einer Reihe von Bibelstellen begründete.115 Dieses Detail des basilidianischen Systems könnte Hieronymus durchaus im Sinn gehabt haben, als er das Euphorbos-Pythagoras-Exemplum an dieser Stelle ausgewählt hat, da dies bei Clemens und Origenes erläutert ist.116 Wieder zeigt sich der Stellenwert hintergründiger Bezüge, die der Kirchenvater unausgesprochen miteinander assoziiert und die ihn bei der Wahl seiner Exempla leiten. Das eigentliche Exemplum ist der Vergleich des Iovinianus mit dem alexandrinischen Gnostiker; dieses wird jedoch mittels des Euphorbos-Vergleichs ins Lächerliche gezogen, da die aus christlicher Sicht absurde Lehre von der Seelenwanderung in den Vordergrund gerückt wird. 13 Jahre später wird Vigilantius in der ähnlich stark polemisierenden Schrift des Hieronymus mit demselben Exemplum bedacht: „Wie in Pythagoras Euphorbus wieder zum Leben gekommen sein soll, so hat in diesem der verkommene Geist des Jovinian seine Auferstehung gefeiert, so daß ich gezwungen bin, jetzt bei diesem, wie einst bei jenem, gegen die teuflischen Schliche anzugehen.“117
Im Unterschied zur ersten Benutzung des Euphorbos-Bildes wird Pythagoras hier namentlich genannt, so dass der Bezug deutlicher wird. Womöglich hatte Hieronymus im Zusammenhang mit den Reaktionen auf seine Streitschrift gegen Iovinianus die Erfahrung machen müssen, dass die Erzählung nicht so geläufig war, dass seine Leserschaft das Exemplum ohne einen weiteren Hinweis verstehen konnte. Da Vigilantius hier als eine Wiedergeburt des Iovinianus bezeichnet wird, setzt Hieronymus damit die Reihe fort, die er im ersten Fall mit Basilides als vorheriger Inkarnationsstufe des Iovinianus eröffnet hatte.118 Eine gewisse Ähnlichkeit zur Kette der pythagoreischen Inkarnationen lässt sich nicht leugnen. Dass der Kirchenvater bewirken wollte, dass sein Publikum diesen Gedankengang nachvollzieht, ist jedoch unwahrscheinlich. Denn weder konnte er davon ausgehen, dass die Schrift gegen Iovinianus jedem geläufig war, noch konnte er sich darauf verlassen, dass ein solches Detail 13 Jahre später noch im Gedächtnis war. Ein impliziter Vergleich 114 115 116 117
REBENICH 1992A, 218. Num 14,18; Dtn 5,9; Röm 7,9; hierzu WASZINK 1950, 1219; MARKSCHIES 1998, 98. Clem. exc. Thdot. 28; Or. comm. in Rom. 5,1,27. Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 6): Et quomodo Euphorbus in Pythagora renatus esse perhibetur, sic in isto Ioviniani mens prava surrexit, ut et in illo et in hoc diaboli respondere cogamur insidiis. Übers. BKV 15, 304. 118 JEANJEAN 1999, 58 f.
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von Vigilantius und Basilides scheint also an dieser Stelle nicht intendiert zu sein, wenngleich Hieronymus seinem Widersacher später im Text tatsächlich vorwirft: „Genau studierst du die unglaublichen Ungeheuerlichkeiten des Basilides, jenes ältesten Häretikers, und seiner Laienwissenschaft!“119 Umgekehrt scheut sich Hieronymus wieder einmal nicht, dasselbe Exemplum auch in positiver Ausrichtung zu nutzen: Auf Rufinus’ Anschuldigung, er zitiere nicht nur die Lehren des Philosophen Pythagoras in seinen Schriften, sondern gebe sie überdies falsch wieder – da er die Schriften des Pythagoras nämlich gar nicht kenne –, antwortet Hieronymus zum einen, dass er sich die Inhalte in Cicerone, Bruto ac Seneca habe aneignen können, ohne dafür authentische Schriften des Pythagoras gelesen haben zu müssen.120 Bezeichnenderweise verschweigt er Porphyrios, den „antico nemico“,121 der aufgrund seiner Schrift gegen die Christen kein gutes Beispiel zu Hieronymus’ Ehrenrettung gewesen wäre. Zum anderen rechtfertigt er seine Pythagoras-Nutzung damit, dass Platon von dessen Idee der unsterblichen Seele beeinflusst gewesen sei, woraus wiederum Origenes geschöpft habe: „Und da ich ja gesagt hatte, dass ich die Lehre des Pythagoras gelesen habe, hör gut zu, was Pythagoras als erster Grieche entdeckt hat: dass die Seelen unsterblich sind und von einem Körper zum anderen übergehen – was freilich auch Vergil im Auge hat, wenn er im sechsten Buch der Aeneis sagt: ‚Diese alle ruft, wenn sie tausend Jahre lang das Rad sich drehen sahen, ein Gott an den Lethestrom in einem gewaltigen Schwarm, auf daß sie, freilich erinnerungslos, aufs neue den hohen Himmel schauen und allmählich verlangen, in einen Körper zurückzukehren.‘ So hat Pythagoras herausgefunden, dass er zuerst Euphorbos gewesen ist, als zweites Aithalides, als drittes Hermotimos, als viertes Pyrrhos und zuletzt er selbst [...] sowie vieles mehr, das auch Platon in seinen Büchern behandelt, vor allem im Phaidon und im Timaios. Denn, als ihn nach Gründung der Akademie und Unterrichtung unzähliger Schüler das Gefühl beschlich, dass seiner Lehre vieles fehlte, ging er nach Magna Graecia. Dort wurde er durch Archytas von Tarent und Timaios von Lokroi in der pythagoreischen Lehre unterrichtet und vermischte die Gründlichkeit und Eingängigkeit des Sokrates mit jenem Wissen, das Origenes erwiesenermaßen in Gänze und unter verändertem Namen in sein Perì archōn übertragen hat.“122
119 Hier. c. Vigil. 6 (CCL 79C, 16): Basilidis antiquissimi haeretici et imperitae scientiae incredibilia portenta perquiris. 120 Hier. adv. Rufin. 3,39 (CCL 79, 108). Gerade in diesen Abschnitten zeigt sich deutlich, wie stark seine Pythagoras-Kenntnisse Porphyrios geschuldet sind; hierzu TRILLITZSCH 1965, 52; COURCELLE 1969, 72 f. m. Anm. 107; MORESCHINI 1997, 192–195. 121 MORESCHINI 1997, 179; vgl. HAGENDAHL 1958, 149 f.; COURCELLE 1969, 63. 122 Hier. adv. Rufin. 3,39 f. (CCL 79, 109 f.): Et quia pythagorica dogmata legisse me dixeram, audi quid apud Graecos Pythagoras primus invenerit: immortales esse animas et de aliis corporibus transire ad alia – quod quidem et Vergilius in sexto Aeneidum volumine sequens loquitur: ‚Has omnes, ubi mille rotam volvere per annos / lethaeum ad fluvium deus evocat agmine magno, / scilicet immemores supera ut convexa revisant / rursus et incipiant in corpora velle reverti‘ [Verg. Aen. 6,748–751] –; 40. se primum fuisse Euphorbum, secundo Aethalidem, tertio Hermotimum, quarto Pyrrhum, ad extremum Pythagoram; [...] et multa alia quae Plato in libris suis et maxime in Phaedone Timaeoque prosequitur. Nam post Academiam et innumerabiles discipulos, sentiens multum suae deesse doctrinae, venit ad Magnam Graeciam ibique ab Archyta tarentino et Timaeo locrensi Pythagorae doctrinae eruditus, elegantiam et leporem Socratis cum huius miscuit disciplinis, quae omnia, nomine commutato, origenes in libros suos
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Das Exemplum von Euphorbos-Pythagoras wird hier recht breit ausgeführt, dient aber ganz anders als bei den beiden anderen Gelegenheiten dazu, mit Blick auf Origenes den christlichen Gebrauch heidnischer Philosophen zu verteidigen.123 Hieronymus versucht, sich möglichst umfassend gebildet über die pythagoreische Weltanschauung zu zeigen, und lässt Kenntnisse über dessen zyklisches Geschichtsbild durchblicken. Weiter oben in demselben Kapitel der Streitschrift zitiert er sogar ein pythagoreisches Apophthegma über das Maßhalten im griechischen Wortlaut und fügt eine lateinische Übersetzung hinzu.124 Von Ironie ist hier nichts zu spüren, stattdessen wird Pythagoras über den Umweg Platon zu einem Vorläufer der origenistischen Seelenlehre stilisiert.125 Hieronymus zeigt sich wieder einmal von seiner pragmatischen Seite im freien Umgang mit mythischen Exempla, um einen Standpunkt zu untermauern. Bezeichnenderweise leitet er die Episode von den verschiedenen Inkarnationsstufen des Pythagoras mit vier Vergil-Versen ein, in denen beschrieben ist, wie die Seelen der Toten vom Wasser des Lethestroms trinken, bevor sie wieder in einen Körper auf der Erde fahren dürfen. Der mythische Hintergrund der vergilischen Beschreibung bietet die aitiologische Erklärung für den Umstand, dass kein Mensch sich an die Zeit vor seiner Geburt erinnern kann. Bei Hesiod ist Lethe schlicht als das Vergessen unter den Töchtern der Eris aufgeführt und wird erst in den Argonautika des Apollonios von Rhodos als der Fluss des Vergessens greifbar – und zwar an derselben Stelle, an der von Aithalides’ Gedächtnis berichtet wird, das Hermes ihm verliehen hat.126 Mit den Vergil-Versen führt Hieronymus nun die große Ausnahme von der Regel ein, dass allen Menschen die Erinnerung an ihr früheres Leben fehlt, nämlich Euphorbos-Pythagoras.127 Dessen Gabe der ewigen Erinnerung erwähnt der Kirchenvater weder hier noch an den anderen beiden Stellen. Die Assoziation zum Lethestrom hatte er aber dennoch – wohl ohne Apollonios’ Argonautika zu kennen128 – und nahm das zum Anlass, seiner Leserschaft kurz das übliche Schicksal sterblicher Seelen nach heidnischen Vorstellungen ins Gedächtnis zu rufen, um das Folgende zu illustrieren. Bei alledem stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Euphorbos-PythagorasEpisode überhaupt dem Bereich des Mythos zuzuordnen ist. Hieronymus bedient sich schließlich nicht des homerischen Euphorbos, sondern einer pythagoreischen Fortsetzung der Erzählung. Denn das eigentliche Exemplum ist ja nicht der Heros, der vor Troja durch Menelaos niedergestreckt wird, sondern der Philosoph, der behauptet, eine Reinkarnation desselben zu sein. Das Exemplum könnte somit streng
123 124 125 126 127 128
Περὶ Ἀρχῶν transtulisse convincitur. Verg.-Übers. FINK 2009, 289. Zu Hieronymus’ geringen Platon-Kenntnissen COURCELLE 1969, 68 m. Anm. 81. Damit ist die Stelle eigentlich dem Kapitel 6.3.2 zuzuordnen. Hier. adv. Rufin. 3,39 f. (CCL 79, 108). Vgl. Porph. VP 22. 33. 40–42. Sinngemäße Wiedergabe in Macr. Sat. 2,8,9; vgl. COURCELLE 1969, 72 f. Zu Pyhtagoreischem bei Platon BURKERT 1962, 74–85. Hes. Th. 227; A.R. 1,640–646. Porph. VP 45. COURCELLE 1969, 79 entgegen Hier. epist. 47,3,2 (CSEL 54, 346).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
253
genommen als ein historisches oder genealogisches aufgefasst werden.129 Der Fall ist jedoch anders gelagert, da Pythagoras keine familiäre Abstammung qua Geburt beansprucht, sondern sich als Körper versteht, in den die Seele des Euphorbos gefahren ist. Da dieser als einzige mythische Figur die Gabe hat, sich an seine früheren Leben zu erinnern, ist dieser eine Mythos zugleich Grundvoraussetzung für seinen Anspruch, der somit also nicht nach Belieben an mythisch begründete Genealogien anknüpft, sondern die Identität seiner eigenen Seele im Mythos selbst ortet. Dadurch, dass er sich nicht schlicht dem mythischen Personennamen zuordnet, sondern sich in die zugehörige Erzählung integriert, transformiert er den Mythos. Vermutlich würde es nicht weit führen, wollte man festlegen, ob Pythagoras schlichtweg als Rezipient zu gelten hat oder ob er die Erzählung durch seine „Arbeit am Mythos“130 umgeformt und als ‚echten‘ Mythos fortgesetzt hat.131 Von Herakleides Pontikos über Diogenes Laertios und Porphyrios bis hin zu Hieronymus lässt sich zudem belegen, dass die pythagoreische Ausgestaltung der Euphorbos-Erzählung das Kriterium erfüllt, eine traditionelle Erzählung zu sein.132 GRAF hat zudem auf die Mythenallegorese des 6. Jh. v. Chr. hingewiesen, die auch von den Pythagoreern betrieben wurde und deren Einfluss sich auch bei den eschatologischen Mythen Platons nachweisen lasse.133 Im Zusammenhang mit dessen Mythos von den Seelen der Ungeweihten im Gorgias spielt er beispielsweise auf einen Pythagoreer an, der seine Ansichten über die Seele als „ein geistvoller Mann, ein Sizilier vielleicht oder ein Italiker, in mythischer Form zur Anschauung“134 brachte, den Platon also ausdrücklich als gebildeten Mythenerzähler bezeichnet.135 Da der Stoff, den Pythagoras genutzt hat, unbestreitbar ein mythischer ist und auch seine Rezipienten die Episode wie eine mythische Erzählung aufgefasst zu haben scheinen, grenzte es wohl an positivistische Haarspalterei, dem Euphorbos-Pythagoras-Exemplum die Zugehörigkeit zum Mythos absprechen zu wollen.
6.6.1.5 Deine Amazonen fordern zum Duell der Lust Ein theologischer Kontrahent wie Iovinianus konnte nicht nur selbst Zielscheibe der hieronymianischen Polemik werden, sondern auch seine Anhängerschaft war vor den Invektiven nicht sicher: „Aber selbst diese erbärmlichen, jedoch nicht erbarmungswürdigen Frauen, die die Worte ihres Lehrers nachsingen (dabei erwartet Gott von ihnen doch nichts anderes als Nachkommen), ha-
129 Unten 6.6.3.2. 130 BLUMENBERG 1979, 203; vgl. GRAF 1991, 169 f. 131 LÉVI-STRAUSS 1955, 74: „Es gibt keine ‚wahre‘ Fassung, im Verhältnis zu der alle anderen Kopien oder deformierte Echos wären. Alle Fassungen gehören zum Mythos.“ 132 BURKERT 1993, 16. 133 GRAF 1991, 177. 134 Pl. Grg. 493a: τις µυθολογῶν κοµψὸς ἀνήρ, ἴσως Σικελός τις ἢ Ἰταλικός. Übers. APELT 1988, 106. Vgl. BURKERT 1962, 69, Anm. 157; 230 f. m. Anm. 54. 135 GRAF 1991, 177 f. 180 f.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen ben nicht nur ihre Keuschheit, sondern auch jeden Anstand verloren. Und mit großer Dreistigkeit verteidigen sie die Ausübung ihrer Zügellosigkeit. Zudem hast du in deinem Heer viele Unterzenturionen, hast Gardisten und Leichtbewaffnete auf ihren Posten, Dicke, Herausgeputzte, Zierliche und Schreihälse, die dich mit Händen und Füßen verteidigen. [...] Gepriesen sei deine Tugend, oder besser deine Lasterhaftigkeit, hast du doch in deinen Lagern auch Amazonen mit entblößter Brust, mit nackten Armen und Knien, die jeden Mann, der gegen sie auftritt, zu einem Duell der Lust herausfordern.“136
Wie eine Karikatur zeichnet Hieronymus das Bild der Anhängerschaft des Iovinianus als einer militärischen Einheit, die sich aus den verschiedensten, wunderlich anmutenden Typen von Soldaten zusammensetzt. Auch die Frauen, von denen der Kirchenvater hier klar macht, dass sie nichts in religiösen Auseinandersetzungen zu suchen haben, gehören zu der illustren Truppe. Der Ausruf macte virtute könnte eine Anspielung auf eine Stelle in Horaz’ Satiren sein, in der der Dichter den älteren Cato die Tugendhaftigkeit eines jungen Mannes loben lässt, den er aus einem Bordell kommen sieht – denn immerhin bringe ihn seine Lust nicht zum Verkehr mit verheirateten Frauen.137 Um eine literarische Abhängigkeit mit Gewissheit anzunehmen, ist die Ähnlichkeit zu schwach und die Floskel zu geläufig, aber die Ironie ist eine durchaus vergleichbare. Iovinianus’ vitia bestehen wohl darin, dass er Frauen in seinen „Truppen“ hat, die Hieronymus passend zum Bildfeld als Amazonen bezeichnet. Dieses Volk kriegerischer Frauen lebt im Mythos im Nordosten Kleinasiens in einem matriarchalischen Staat am Fluss Thermodon. Allein zur Fortpflanzung tun sich die Amazonen für zwei Monate des Jahres mit einem Nachbarvolk zusammen und ziehen danach ausschließlich die Mädchen groß, welche Jungfrauen bleiben, bis sie drei Feinde getötet haben. In einer Reihe von Mythen erscheinen sie als Nebenfiguren oder Gegner, so etwa gegen Bellerophon, Herakles oder Theseus.138 Die Amazonen als Frauen, die typisch männliche Eigenschaften und Verhaltensmuster zeigen, sind das Sinnbild für die bedrohte Männlichkeit schlechthin. In der Ilias bekommen sie das Epitheton ἀντιάνειραι, was sie als Männern ebenbürtig ausweist, zugleich aber eine grundsätzliche Feindschaft impliziert.139 Bei Hieronymus findet zudem eine Akzentverschiebung hin zum Lasterhaften statt, denn statt
136 Hier. adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 351B–352A): Sed et ipsae mulierculae miserae et non miserabiles praeceptoris sui verba cantantes (quid enim nisi semen requirit Deus? [1 Tim 2,15]) non solum pudicitiam, sed etiam verecundiam perdiderunt, maiorique procacitate defendunt libidinem quam exercent. Habes praeterea in exercitu plures succenturiatos, habes scurras et velites in praesidiis, crassos, comptos, nitidos, clamatores, qui te pugnis calcibusque defendant. [...] Macte virtute, imo vitiis, habes in castris tuis et Amazones exerta mamma, et nudo brachio et genu, venientes contra se viros ad pugnam libidinum provocantes. Vgl. MAIER 1995, 240 f.; KAHLOS 2010, 632. Zu pugnis calcibusque vgl. Plaut. Poen. 819; Cic. Sull. 25,71; hierzu OTTO 1890, 66 f. s.v. calx 2, Nr. 307, m. weiteren Belegen. 137 Hor. sat. 1,2,31–35. 138 Hom. Il. 3,184–190; 6,186; A. Eu. 684–690; A. Pr. 723–727; Hdt. 4,110–117; Apollod. 2,3,2; D.S. 3,52 f.; Verg. Aen. 11,648–663; Hyg. fab. 30; 163; Str. 11,5,1–4; Paus. 1,2,1. 15,2. 41,7; 2,32,9; 7,2,7 f. 139 Hom. Il. 3,189; 6,186; vgl. auch Str. 12,3,24.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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zu einer kriegerischen Auseinandersetzung fordern sie ad pugnam libidinum heraus. Den Beleg für die Angemessenheit dieser polemischen Spitze hat der Kirchenvater zuvor mit der Angabe geliefert, dass sie nicht nur die Arme und Knie unbedeckt haben, sondern auch barbusig kämpfen. Die gängige bildliche Darstellung von Amazonen, die Hieronymus offenbar im Sinn hat, steht für ihn somit kaum für etwas anderes als für Lasterhaftigkeit. Hieronymus kritisiert hier anscheinend die Tatsache, dass Iovinianus mit seinen Thesen auch Frauen gewinnen konnte. Vor dem Hintergrund der Rolle, die Hieronymus während seiner römischen Zeit in den Kreisen mancher christlicher Aristokratinnen spielte, mutet seine Kritik heuchlerisch an. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass er sich durch Iovinianus nicht nur ideologisch bedroht sah, sondern auch, was seine Rolle als Mentor für christliche nobilissimae in Rom anging. Ganz ähnlich lässt er in seinem 22 Jahre später entstandenen Dialog gegen die Pelagianer den Orthodoxen Atticus über die weibliche Gefolgschaft seines Gegners Critobolus spotten: „Du bist wahrlich von so edler Gesinnung und erwirbst dir die Gunst deiner Amazonen – wie du ja an anderer Stelle geschrieben hast: ‚Auch Frauen müssen Kenntnis des Gesetzes haben‘, wenn auch der Apostel lehrt, dass Frauen in der Kirche zu schweigen haben und, wenn sie etwas nicht wissen, zu Hause ihre Männer zu Rate ziehen müssen.“140
Der kriegerische Bezug, der die Erwähnung der Amazonen in der Streitschrift gegen Iovinianus motiviert hatte, fehlt hier. Vielmehr scheint die Metapher allein durch die Anmaßung der weiblichen Gefolgschaft des Critobulus bedingt zu sein, sich in der Auslegung der Schrift zu betätigen. Hieronymus zeigt sich mit diesem Exemplum aus den Mythen beide Male von einer misogynen Seite,141 die nicht so recht zu seiner Rolle als Mentor für Frauen wie Paula die Ältere passen will. Die männliche Angst vor einem Matriarchat, die im Mythos von den Amazonen zum Ausdruck kommt, scheint hier lebendig in Form eines Bildungs- und Lehrverbots für Frauen zu sein – zumindest, wenn ihnen die Bildung in Form pelagianischer Lehren zuteilwerden soll.142 Für beide Textstellen gilt, dass sich aus den Beleidigungen gegen seine religiösen Widersacher keine Maximen für ihn selbst ableiten lassen. Es zeigt sich immer wieder, dass er beim Gebrauch von Exempla gewisse Indifferenzen in Kauf nimmt, ob sie ihm bewusst sind oder nicht. Das mythische Exemplum als Argument muss für ihn nur im unmittelbaren Zusammenhang funktionieren. Dessen Bedeutsamkeit hat für ihn nicht die Tragweite und Wichtigkeit, dass es über die Situation hinaus, auf die es angewendet wird, schlüssig sein muss.
140 Hier. adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33 f.): Verum tu tantae es liberalitatis et favorem tibi apud Amazonas tuas concilias, ut in alio loco scripseris: ‚Scientiam legis etiam feminas habere debere‘, cum Apostolus doceat tacendum esse mulieribus in Ecclesia et, si quid ignorant, domi viros suos debere consulere. Hierzu OPELT 1973, 175; CANELLIS 1997, 283; JEANJEAN 1999, 405. Vgl. 1 Kor 14,33–35; 1 Tim 2,11 f. 141 Vgl. auch Hier. in Ier. 3 (CSEL 59, 196). 142 Vgl. auch oben 6.4.2.9 f.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Anhand der bis hier untersuchten Beispiele konnte gezeigt werden, wie Hieronymus mythische Referenzen nutzt, um auf satirische Art gegen bestimmte Personen zu polemisieren, ob durch den direkten, jedoch humorvollen Vergleich mit negativ besetzten Figuren wie im Fall der Amazonen oder durch den ironischen Vergleich mit positiv besetzten Figuren wie Deukalion. 6.6.2 Viele Monster hat der Erdkreis schon hervorgebracht. Die Beschimpfung des Gegners als Ungeheuer Daneben ist ein Gebrauch mythischer Referenzen zu beobachten, welcher der direkten, polemischen Invektive gegen bestimmte Personen dient. Der Gegner wird auf so unmittelbare Weise mit einer negativ-besetzten Figur aus den Mythen verglichen, dass schlichtweg von einer Beschimpfung die Rede sein muss. Das zurücknehmende Moment der Ironisierung fehlt völlig. Dabei lässt Hieronymus eine deutliche Vorliebe für mythische Ungeheuer erkennen.143 Insbesondere die schauerlichen Mischwesen, die zu Teilen aus Tier und Mensch zusammengesetzt sind, scheinen es ihm angetan zu haben. Während sie im Mythos zumeist Staffage der Erzählungen oder bestenfalls Antagonisten zu den eigentlichen Heldenfiguren wie Odysseus, Herakles oder den Argonauten sind, so erlangen sie als Schimpfnamen bei Hieronymus eine gewisse Prominenz. Dabei fällt auf, dass er seine Lieblingsungeheuer hat, als die er immer wieder seine jeweiligen Widersacher tituliert. Die wichtigsten dieser monstra, wie er sie selbst nennt, seien im Folgenden betrachtet.
6.6.2.1 Tauben Ohres an den Sirenen vorbei Wie kaum eine andere mythische Figur ziehen sich Sirenen durch das hieronymianische Werk. Sie begleiten ihn von der Zeit seines Aufenthaltes in Antiocheia 379/380 bis zu den letzten Jahren seines Lebens in Bethlehem.144 Daher sei zunächst noch einmal auf die Sonderstellung der mythischen Vogelwesen in der christlichen Literatur eingegangen, die im Zusammenhang mit den biblischen Sirenen bereits zur Sprache kam.145 Vor dem Hintergrund, dass die Übersetzer der Septuaginta die σειρῆνες an fünf Stellen als Übersetzung für ( תניםtnjm) in den Bibeltext eingeführt hatten,146 war für die Christen von vornherein kein Anlass gegeben, die Sirenen nicht als Bestandteil der eigenen Lehre und damit auch des eigenen Sprachgebrauchs zu betrachten. Jedoch stellten sie die Verbindung zurück zu den mythischen Sirenen her, die sie aus 143 KAHLOS 2010, 640: „The most extreme form of denigration is the demonization“. 144 Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150); in Os. 2 prol. (CCL 76, 55); in Nah. 3 (CCL 76A, 577); praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 286); adv. Iovin. 1,4 (PL 23, 225C); adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93); epist. 22,18,2; 54,13,1 (CSEL 54, 167. 479); 78,38,2; 82,5,1; 117,6,4 (CSEL 55, 80. 112. 429); Ps. Hier. epist. 18,3 (PL 30, 185C); vgl. ANTIN 1961, 59–65. 145 Hierzu oben 5.4; demnächst RONNENBERG 2015A, Kap. 4 . 146 Ijob 30,29; Jes 13,21; 34,13; 43,20; Mi 1,8.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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der profanen Literatur kannten, und über diesen Weg entstand eine genuin christliche Deutung der homerischen Überlieferung von Odysseus und den Sirenen. Aus dieser bildete sich eine mithin topisch gewordene Allegorie heraus: „Die Odysseusfahrt ist ein häufig verwendetes Bild für die Situation des Christen in der Welt: da erscheint die Kirche als Schiff, welches durch das dämonische Meer der Welt segelt mit der einzig bergenden Planke der Heilssicherheit. [...] So wie es Odysseus gelungen ist, den Sirenen zu entkommen, muss der Christ den Dämonen entkommen, die die Ankunft der Christen beim Vater im Himmel verhindern wollen.“147
In der ausgiebigen Benutzung dieses Bildfeldes bei den christlichen Autoren bildeten sich, was die Aussageabsicht betrifft, zwei verschiedene Typen heraus. Durch das übermenschliche, unheimliche Wissen der Sirenen und ihren Ursprung in der heidnischen Geisteswelt wurden ihre Verlockungen zunächst in den weltlichen Wissenschaften und der Philosophie erblickt.148 Recht früh entwickelte sich daraus eine Art der Deutung, nach der die Sirenengesänge als die lockenden Gefahren der Häresie gedeutet wurden, so zum ersten Mal bei Hippolytus von Rom.149 Bekannt wurde die Bezugnahme auf die „Häretiker und Heuchler in der Kirche“ durch den Physiologos und sie findet sich bei zahlreichen Kirchenschriftstellern wieder.150 Die zweite Entwicklungslinie verstand die Sirenen als Sinnbild der Lust, die mit ihren Verlockungen den guten Christen vom Pfad der Tugend abbringen wollen. Bereits Hippolytus stellte ihren Doppelcharakter heraus und wusste, dass sie „durch ihren lieblichen Gesang leicht zu Wollust anreizen“.151 Dass diese jüngere Deutung weit über die Antike hinaus die beherrschende wurde, schreibt RAHNER dem Erfolg der Deutung in Ambrosius’ De fide zu.152 So nennt der Innsbrucker Theologe neben Paulinus von Nola oder Synesios auch Hieronymus als Vertreter dieser christlichen Deutung der Sirenen als „Symbole der sinnlichen Lust“.153 Tatsächlich verwendet Hieronymus das Bild von den Sirenengesängen aber auch, um häretische Lehren zu brandmarken, wie es oben für die biblischen Sirenen anhand einer Stelle aus seinem Micha-Kommentar bereits gezeigt wurde.154 Der 82. Brief an Bischof Theophilos aus dem Jahr 396/397 führt in die Wirren der Kontroverse um die Lehren des Origenes, in die Hieronymus hineingeraten war. Protagonist war Epiphanios, seines Zeichens Bischof von Salamis auf Zypern und ein „militant heresy-hunter“:155 Im Jahr 393 war er vergeblich in die Origenisten-Hochburg 147 148 149 150
151 152 153 154 155
ZILLING 2011, 105; vgl. HOFMANN 1999A, 37–39. Clem. str. 6,11,89,1; Ps.-Just. or. Gr. 1; hierzu RAHNER 1941, 138 f.; ZILLING 2011, 103 Hipp. haer. 7,13,1–3; vgl. RAHNER 1941, 139; ZILLING 2011, 108–115. Phys. 13 (SBORDONE 1936, 53): οἱ τοιοῦτοι οὖν σειρήνων καὶ ἱπποκενταύρων πρόσωπον λαµβάνουσι, τῶν ἀντικειµένων, λέγω, δυνάµεων καὶ ἐµπαικτῶν αἱρετικῶν· Übers. RAHNER 1941, 139. Vgl. Ps.-Bas. Is. 276; Meth. symp. 8,1; Eus. Is. 43,20. Hipp. haer. 7,13,3 (GCS Hipp 3, 191): µηδὲ κατακούσαντας πείθεν εὐκόλως δυνάµενα τρὸς ἡδονήν. Übers. RAHNER 1941, 140. Ambr. fid. 3,1,4; vgl. in psalm. 43,17. 75; in. Luc. 4,2,3 f.; hierzu ZILLING 2011, 106 f. RAHNER 1941, 140; vgl. Paul. Nol. epist. 16,7; Syn. ep. 145; Sidon. epist. 9,6. Hier. in Mich. 1,1 (CCL 76, 429); hierzu oben 5.4. REBENICH 2002, 43.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Jerusalem gereist, um den dortigen Klerus zu einem Abfall von den Lehren des Alexandriner Theologen zu bewegen.156 Bei einem Besuch in seiner Heimat Eleutheropolis, das ca. 30 km südwestlich von Bethlehem liegt,157 weihte er im nächsten Jahr Hieronymus’ jüngeren Bruder Paulinianus zum Priester, obwohl dies eigentlich zu den Amtsbefugnissen des örtlichen Bischofs gehörte, des Origenisten Johannes von Jerusalem.158 Jener fasste die Aktion als Affront auf, zumal Hieronymus als Parteigänger des Epiphanios zu gelten hatte, seit die Übersetzung eines antiorigenistischen Briefes aus seiner Feder in Johannes’ Hände gelangt war.159 Der Vorfall brachte dem Kirchenvater mitsamt seiner Klostergemeinschaft die Exkommunikation sowie die letztendlich nicht vollzogene Exilierung aus Palästina ein.160 Auf Veranlassung des Johannes mahnte nun Theophilos als Patriarch von Alexandreia zur Obedienz gegenüber dem Haupt des Bistums und konnte so zu einer vorübergehenden Aussöhnung zwischen Hieronymus und Johannes beitragen.161 Der vorliegende Brief ist Hieronymus’ Antwort an Theophilos, in der er sich bemüht, Johannes als denjenigen hinzustellen, der den Konflikt schüre und nicht willens zur pax sei, sondern lediglich einen Zustand der dominatio erwirken wolle. Hieronymus lässt alle gebotene Vorsicht walten, um Theophilos nicht gegen sich aufzubringen. Erst nachdem er ausführlich die Loyalität der Bethlehemer Mönche bekundet, erhebt er namentlich gegen Johannes den Vorwurf, dogmatische Fragen in den Streit um die Weihe seines Bruders gebracht zu haben, die er, Hieronymus, absichtlich nicht aufgeworfen habe. Er beklagt, zu Unrecht von Johannes als rebellis ecclesiae hingestellt worden zu sein.162 Im Umkehrschluss lobt er Theophilos dafür, den eigentlichen Streit getrennt von dogmatischen Fragen beurteilt zu haben: „Ich verstehe und billige Dein kluges Verhalten und dass Du, auf den Frieden innerhalb der Kirche bedacht, gleichsam verschlossenen Ohres an den Sirenengesängen vorbeiziehst.“163
Als die Sirenen ist in dem Bild ohne Frage Johannes zu identifizieren; dessen cantus scheint sich zunächst lediglich auf die Ambitionen gegen das Kloster in Bethlehem zu beziehen. Vor dem Hintergrund, dass Hieronymus im Text jedoch auch an anderer Stelle darauf anspielt, dass der Bischof von Jerusalem ein hereticus sei,164 dürften hier häretische Lehren mit den Sirenengesängen gemeint sein, die Johannes in die Angelegenheit gebracht haben soll. Diese mit dem Origenismus zu identifizieren, ist das Naheliegende. Das brächte für Hieronymus jedoch das Dilemma mit sich, dass Theophilos eigentlich selbst ein Anhänger der origenistischen Lehren war und erst allmählich anfing, davon abzurücken.165 So sieht Hieronymus sich offenbar 156 157 158 159 160 161 162 163
Hier. c. Ioh. 11 (CCL79A, 19 f.); hierzu REBENICH 2002, 44. BAtlas 70, F2: Beth Govrin/Eleutheropolis. GRÜTZMACHER 1908, 1–21; CAVALLERA 1922/1, 193–220; REBENICH 1992A, 107, Anm. 528. Hier. epist. 51 (CSEL 54, 395–412); hierzu oben 6.3.1.2. REBENICH 2002, 44; FÜRST 2003, 33 f. GRÜTZMACHER 1908, 1–21. Hier. epist. 82,4,1 (CSEL 55, 111). Hier. epist. 82,5,1 (CSEL 55, 112): intellexi et probavi dispensationem tuam, quod ecclesiasticae paci consulens quasi sireneos cantus obturata aure pertransis. Übers. nach BKV² 18, 410. 164 Hier. epist. 82,2,2 (CSEL 55, 109). 165 REBENICH 1992A, 107; CLARK 1992, 105–121.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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gezwungen, vorsichtig in seinen Aussagen zu sein, um das Ziel, Theophilos zu besänftigen und von seiner Loyalität zu überzeugen, nicht zu gefährden. Die Sirenengesänge werden also hier bewusst als Metapher eingesetzt, um einen schwierigen Sachverhalt andeuten zu können, ohne ihn explizit ansprechen zu müssen. Die Problematik wird in ein Bild gekleidet, gewissermaßen kostümiert. Wenn Hieronymus hier jedoch die Überzeugung vertritt, die dogmatischen Fragen stünden nicht im Zusammenhang mit den Streitigkeiten um die Weihe seines Bruders, verzerrt er bewusst die Tatsachen. Abgesehen davon, dass die Fronten bereits verhärtet waren, dürfte schon Paulinianus’ Weihe selbst ihren Grund in der Auseinandersetzung gehabt haben. Alle Beteiligten müssen von vornherein gewusst haben, dass Johannes von Jerusalem die Weihe nur als Affront auffassen konnte. Es handelte sich um eine bewusste Provokation durch Epiphanios, die durch Hieronymus als den älteren Bruder des Paulinianus mindestens gebilligt wurde.166 Die Aktion war also bereits durch diejenigen dogmatischen Fragen motiviert, von denen Hieronymus behauptet, dass Johannes von Jerusalem sie in die Sache gebracht und Theophilos sie um des Friedens Willen obturata aure umschifft habe. Mit Hilfe der geläufigen Sirenen-Metapher konnte Hieronymus hier den Origenismus als ein prekäres Problem ansprechen, ohne dass er zu deutlich werden und den Erfolg seiner Mission gefährden musste. Der 78. Brief aus dem Jahr 400 ist ein Kommentar zu den Lagerplätzen des Volkes Israel bei seinem Auszug aus Ägypten, wie sie im Buch Numeri aufgezählt werden.167 Mansio für mansio gibt Hieronymus zu jedem der 42 Orte wieder, was er zu berichten weiß oder für erwähnenswert hält, zumeist in Bezug auf die Etymologie der Ortsnamen. Adressatin des Schreibens ist die stadtrömische clarissima Fabiola aus der gens Fabia, der er die Arbeit versprochen hatte. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung war sie jedoch bereits verstorben. Zusammen mit einem Nekrolog sandte der Mönch das Schreiben an Oceanus, der Fabiola 394/395 auf einer Reise ins Heilige Land begleitet hatte, im Laufe derer sich beide auch bei Hieronymus in Bethlehem aufhielten.168 Nach einer Einleitung behandelt der Kirchenvater in je einem Kapitel eine der Stationen, deren 37. das Volk Israel nach Obot (אבת/’bt) führt.169 Die Bedeutung des Namens gibt Hieronymus mit magi oder pythones an und erklärt weiter, dass Magier schon zuvor gegen Mose und Aaron gekämpft und auch mit Saul und Samuel ihr Spiel getrieben hätten.170 Mit einer Reihe von Bibelzitaten beschwört er die Standhaftigkeit des Christen gegenüber dem Bösen der Magie: „‚Die Schlinge wurde zerrissen, und wir wurden errettet.‘ ‚Denn wenn ich auch wandle inmitten des Todesschattens, werde ich Böses nicht fürchten, denn du bist mit mir.‘ ‚Zu unserer Seite werden tausend fallen und zehntausend zu unserer Rechten‘; wir werden uns nicht vor dem
166 GRÜTZMACHER 1908, 7; LEPPIN 2000, 81. 167 Num 33. Zu epist. 78 vgl. KELLY 1975, 211 f.; FEICHTINGER 1995, 194–199. 168 Hier. epist. 77 (CSEL 55, 49–87). Zu Fabiola PCBE 2,1, 734 f. s.v. Fabiola 1; PLRE 1, 323 s.v. Fabiola. 169 Num 33,43. Ausnahme: Hier. epist. 78,37. 170 Vgl. Hier. epist. 78,38 (CSEL 55, 79 f.); hierzu Ex 7,8–13; 1 Sam 28,1–25.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen Angriff und vor dem Dämon der Mittagshitze fürchten und werden unsere Ohren verschließen, damit wir nicht die Stimmen der Zauberer hören und die Sirenengesänge ignorieren können.“171
Offenbar hat Hieronymus den Wortstamm von incantantes im Sinn, wenn er auf die sirenarum carmina kommt. So führt ihn seine eigenwillige Methode in einer Verbindung aus Allegorese, Etymologie und Wortspiel von „Obot“ zu den mythischen Sirenen. Ihre Gefährlichkeit, derenthalben wir sie ignorieren sollen, dürfte an dieser Stelle im Dämonischen der Magie zu suchen sein, um die es in diesem Kapitel geht. Die Aneinanderreihung der Bibelzitate ist in ihrer Dichte auch für hieronymianische Verhältnisse ungewöhnlich. Dass mitten darin die Sirenen auftauchen, könnte man fast übersehen in dem Gewirr aus alttestamentlichen Bezügen. Mit Ps 58,5 f. greift er hier auf einen Vers zurück, der auffällige Analogien zu den mythischen Sirenen aufweist: „Gift haben sie gleich Schlangengift, wie eine taube Viper, die ihr Ohr verschließt, dass sie nicht hört auf die Stimme der Beschwörer, des Zauberers, der die Zaubersprüche beherrscht.“ Die Stelle über die frevelnden Diener der „Götter“ (אלם/’lm)172 lässt sich vollständig mit der bekannten Sirenen-Metapher parallelisieren: Die „Lügenredner“ in V. 4 wollen die Wahrheit über Gott nicht hören und werden durch den Psalmisten mit einer Schlange verglichen, die er zwar als taub bezeichnet, die aber dennoch aktiv ihre Ohren verschließt. Dem entsprechen im Mythos die Gefährten des Odysseus, die sich die Ohren mit Wachs verstopfen. An die Stelle der Sirenengesänge treten im Psalm die Zaubersprüche der Schlangenbeschwörer und üben die gefährliche Verlockung aus. Somit ergibt sich in der Hieronymus-Stelle ein dichtes, vielschichtiges Beziehungsgeflecht zwischen seiner Ausgangsstelle einerseits, in der Obot „Schlangen“ oder „Zauberer“ bedeuten kann, und den mythischen Sirenen andererseits. Dass das entworfene Bild nicht bis ins Letzte schlüssig ist, liegt unter anderem daran, dass Hieronymus mit der tauben Viper aus dem Psalm eine Metapher benutzt, die bereits in der Stelle selbst metaphorisch gebraucht wird: Während er das Motiv der verschlossenen Ohren in seinem Text einsetzt, um kluges Verhalten zu loben, wird im Psalm das ignorante Verhalten der Gottlosen verurteilt. Mit PAUL ANTIN gesprochen, richtet Hieronymus hier in der Tat „salades biblico-mythologiques“173 an. Vor dem Hintergrund der recht großen Verwandtschaft zwischen der Schlangenmetapher in Ps 58 und der Sirenenmetapher verwundert es beinahe, dass Hieronymus den Bezug nicht häufiger hergestellt hat. Gerade die Psalmenübersetzung nach dem Hebräischen, sicut aspidis surdae et obturantis aures suas / quae non exaudiet vocem incantantium, entspricht seiner oft im Zusammenhang mit den Sirenen bemühten Formulierung, an etwas „verschlossenen Ohres vorbeizuziehen“.
171 Hier. epist. 78,38,2 (CSEL 55, 79 f.): ‚laqueus contritus est et nos liberati sumus‘ [Ps 124,7] et: ‚si ambulavero in medio umbrae mortis, non timebo mala, quoniam tu me cum es‘ [Ps 23,4]. ‚cadent a latere nostro mille et decem milia a dextris‘ nostris [Ps 91,7]: non timebimus ‚ab incursu et daemonio meridian‘ [vgl. Ps 91,5 f.], sed obturabimus aures nostras, ne audiamus voces incantantium [vgl. Ps 58,5 f.], et sirenarum carmina neglegemus. Übers. der Psalmen nach LXX.D 772. 845. 881. 172 Ps. 58,2–4. 173 ANTIN 1961, 61.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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Möglicherweise hat Hieronymus seine Psalmen-Übersetzung absichtlich an Formulierungen angepasst, die eng mit mythischen Vorstellungen verbunden waren.174 Nicht allzu lange Zeit nach Paulas Tod, womöglich noch im Jahr 404,175 konnte Hieronymus seine Übersetzungsarbeiten am so genannten Oktateuch nach dem hebräischen Text abschließen, also den ersten acht Büchern der Bibel. Für die Bücher Josua, Richter und Rut verfasste er eine praefatio, die er Paulas Schwiegersohn Pammachius sowie ihrer Tochter Eustochium widmete. Hier kündigt er an, sich nicht weiter ablenken zu lassen und sich im Folgenden ganz der Exegese der Prophetenbücher zu widmen: „Des Weiteren haben wir uns entschieden – nachdem die heilige Paula entschlafen ist (deren Leben ein Beispiel von Tugendhaftigkeit ist) und nachdem ich die vorliegenden Bücher der Jungfrau Christi Eustochium nicht ausschlagen konnte –, uns auf die Erklärung der Propheten zu stürzen, ‚solange der Geist über diesen unseren Leib gebietet‘, und uns das schon lange unterlassene Werk vorzunehmen. Weil eben das gegenwärtig auch der bewundernswerte und heilige Mann Pammachius in seinen Briefen fordert, müssen wir in die Heimat eilen und tauben Ohres an den todbringenden Sirenengesängen vorbeigehen.“176
Mit einem Vergil-Zitat verleiht der nunmehr 57-jährige Hieronymus seiner Sorge Ausdruck, ob seine Gesundheit es noch lange zulässt, dass er seine exegetische Arbeit fortsetzen kann: Als Dido Aeneas wegen seiner bevorstehenden Abreise aus Karthago zur Rede stellt, verspricht er ihr mit genau diesen Worten, den Gedanken an sie zu bewahren. Vor diesem Hintergrund bekommt Hieronymus’ Bemerkung einen ironischen Zug, der die Sorge eher wie Koketterie aussehen lässt. Nichtsdestotrotz lässt er Eile geboten sein, die Arbeit an den Propheten-Kommentaren wieder aufzunehmen. Die Reisemetapher wirkt zunächst ein wenig schief, da die Heimat in diesem Bild wohl in seiner exegetischen Arbeit zu sehen ist. Erst durch die Sirenen im zweiten Teil der Allegorie wird klar, dass es sich um das bekannte SeereiseMotiv handelt und die patria den metaphorischen Heimathafen bezeichnet. Das Bild von den Sirenengesängen selbst ist von der bekannten Art: Es gilt, an ihnen vorbeizukommen, weil sie tödlich sind. Üblicherweise wurde der metaphorische Sirenengesang in der christlichen Literatur mit dem Paradoxon süß und tödlich, dulce et mortifer belegt, das zum einen die Kraft der Verlockung und zugleich die Gefahr ausdrückt.177 Dass sie auch dulce sind, ist hier bei Hieronymus unterschlagen, wohl weil sich aus dem Zusammenhang ergibt, dass die Problematik des transire nur dadurch besteht, dass sie den Reisenden anlocken. Das Mittel der Wahl für die sichere Passage ist stets das Verschließen der Ohren, wobei Hieronymus in 174 Oben 5.4; demnächst RONNENBERG 2015A, Kap. 4. Zu surdus WISSEMANN 1992, 10 f. 175 Zur Datierung CAVALLERA 1922/2, 163. 176 Hier. praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 285 f.): Ceterum, post sanctae Paulae dormitionem, cuius vita virtutis exemplum est, et hos libros, quos Eustochiae virgini Christi negare non potui, decrevimus ‚dum spiritus hos regit artus‘ Prophetarum explanationi incumbere, et omissum iam diu opus quodam postliminio repetere, praesertim cum et admirabilis sanctusque vir Pammachius hoc idem litteris flagitet, et nos ad patriam festinantes mortiferos sirenarum cantus surda debeamus aure transire. Vgl. Verg. Aen. 4,336. Übers. nach FINK 2009, 169. 177 RAHNER 1941, 140; vgl. Ambr. fid. 3,1,4 (PL 16, 590).
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diesem Fall offen lässt, wie die notwendige surditas erzeugt wird. So bleibt nur die Frage offen, was konkret mit den sirenarum cantus gemeint ist. Weiter oben im Text der praefatio bietet Hieronymus eine Antwort, indem er beklagt, dass Freunde ihn kritisiert haben, weil er mit seinen Bibelübersetzungen Neues prägen und damit Althergebrachtes anfechten wolle.178 Offenbar handelt es sich vor allem um einen bestimmten ‚Freund‘, den Hieronymus kurz danach mit einem recht scharfen Angriff auffordert, die Kritik zu unterlassen: „Von daher soll der Skorpion aufhören, sich mit seinem gebogenen Stachel gegen uns zu erheben, und davon ablassen, das heilige Werk mit giftiger Zunge zu zerpflücken. Er soll es anerkennen, wenn es ihm gefällt, oder es nicht beachten, wenn es ihm nicht behagt.“179
Der giftige Skorpion ist Hieronymus’ Lieblingsbild, wenn es darum geht, Rufinus von Aquileia zu beschimpfen, seinen alten amicus aus Schulzeiten.180 Ihre Rivalität hatte sich mittlerweile zu offener Feindschaft entwickelt und im Zuge der OrigenesStreitigkeiten bekam sie weiteren Zündstoff auf theologischer Ebene. Tatsächlich hatte Rufinus, um sich für seine eigene Übersetzung von Origenes’ Περὶ ἀρχῶν zu verteidigen, im Jahr 400 schwere Vorwürfe gegen Hieronymus in Bezug auf dessen Bibelübersetzung nach dem Hebräischen erhoben. Der Mönch in Bethlehem habe sich an der Bibel als dem Fundament des Glaubens vergangen und bösartig den inspirierten Text der Septuaginta verfälscht und durch seine Fassung verdrängen wollen.181 Dieser zögerte nicht, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen und selbst wieder neue gegen Rufinus zu erheben.182 Der Streit der gelehrten Mönche muss für beide Seiten zeit- und kraftraubend gewesen sein, so dass es leicht einsehbar ist, dass Hieronymus’ Arbeit nicht im gewünschten Tempo vonstattenging. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum er die Sirenengesänge hier nur als mortifer und nicht als dulce bezeichnet, denn die Verlockung, der er widerstehen musste, war der Wunsch, den Skorpion durch weitere Widerlegungen und Beschuldigungen mundtot zu machen. Der Heimathafen ist somit tatsächlich als die exegetische Arbeit zu verstehen, da es dies war, was Hieronymus eigentlich machen wollte, anstatt sich mit Streitigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Neben dem Gebrauch der Sirenenreferenz als Metapher auf Irrlehren dienen Hieronymus die mythischen Vogelwesen auch dazu, die Verlockungen der Sinneslust in ein Bild zu kleiden.183 In diesem Zusammenhang sei zuerst eine Stelle im vielbeachteten 22. Brief an Iulia Eustochium betrachtet. Was die Forschung immer wieder interessiert und die Gemüter immer wieder gereizt hat, ist das bekannte Traumge-
178 Hier. praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 285). 179 Hier. praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 285): Unde cesset arcuato vulnere contra nos insurgere scorpius et sanctum opus venenata carpere lingua desistat, vel suscipiens si placet, vel contemnens si displicet. 180 CAVALLERA 1922/2, 131–135, m. Belegen; hierzu auch unten 6.6.2.2. 181 Rufin. apol. adv. Hier. 2,32–35; vgl. GRÜTZMACHER 1908, 68; HAMMOND 1977, 406 f. 182 Hier. adv. Rufin. 1,12; 2,24–35 (CCL 79, 11 f. 60–72); vgl. GRÜTZMACHER 1908, 73. 183 WEDNER 1994, 175. 212 f.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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sicht in Kapitel 30, das Hieronymus’ Verhältnis zur profanen Literatur thematisiert.184 Mit seinem im Frühling 384 in Rom verfassten Libellus de conservanda virginitate bietet Hieronymus eine praktische Anleitung zum asketischen Leben für Jungfrauen, gewissermaßen ein Handbuch zum „Lieblingsthema des Hieronymus“.185 Die damals siebzehnjährige Eustochium wurde im Haus der Marcella in christlicher Askese unterwiesen, wo er sie 382 zusammen mit ihrer Mutter Paula kennengelernt hatte. Das Pamphlet könnte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass Eustochium 385 mit ihrer Mutter in den Osten aufbrach, der sie 404 in der Leitung des Frauenklosters in Bethlehem nachfolgte, wo sie bis an ihr Lebensende Ende 418 im engsten Kreis um Hieronymus blieb.186 Angesichts ihres zarten Alters, der urbanen Umgebung und des Einflusses heidnischer Verwandter zeigt sich der Mönch im vorliegenden Brief um ihre Standhaftigkeit und ihren Weg als Jungfrau besorgt. Auf einige pragmatische Ratschläge zur asketischen Lebensführung folgt im 18. Kapitel eine Reihe von Bibelzitaten, die an die Motivation und den Glauben der jungen Frau appellieren sollen: „Habe ich etwa nicht nötig zu weinen und zu seufzen, da mich die Schlange immer wieder zu verbotenen Speisen lockt, die Schlange, die den aus dem Paradies der Jungfräulichkeit Verstoßenen mit rauen Fellen bekleiden will, die Elias, als er ins Paradies zurückkehrte, auf die Erde herabwarf? Was habe ich mit Freuden zu tun, die schnell vergehen, mit dem süßen, aber todbringenden Gesang der Sirenen? Ich will Dich nicht jenem Urteil unterworfen wissen, das gegen den verfluchten Menschen gefällt wurde: ‚In Angst und Schmerzen sollst du Kinder gebären, o Weib‘ – nicht von mir rührt dieses Gesetz her – und nach dem Manne geht dein Streben.‘“187
Hieronymus’ Eingeständnis, dass auch für ihn, den glühenden Vertreter der Askese, die gewählte Lebensweise nicht immer nur leicht ist, hat zwei Funktionen. Zum einen warnt er den Leser, dass die Schwierigkeiten des asketischen Lebens nicht zu unterschätzen sind. Wer sich für den Weg entscheidet, soll also darauf vorbereitet sein, in Versuchung geführt zu werden. Zum anderen handelt es sich um einen Gestus, der zeigen soll, dass auch er ein Mensch mit allen Schwächen ist, damit seine Leserschaft nicht den Eindruck gewinnt, dass sie Ratschlägen Folge leisten soll, die nur mit übermenschlichen Kräften zu bewerkstelligen sind. Der nötige Glaube gepaart mit Willensstärke, die jeder Mensch aufbringen kann, reicht aus.188 Zu Beginn des Passus ist es die Paradiesschlange, die ad inlicitos cibos einlädt, doch die von ihr verheißene voluptas lohnt sich nicht, weil sie in brevi perit. So 184 Hierzu oben 3.3. Zu Eustochium PLRE 1, 312 s.v. Iulia Eustochium. 185 FUHRMANN 1976, 58; vgl. auch CAVALLERA 1922/1, 104 f.; REBENICH 2002, 19 f. Titel des Schreibens: Rufin. apol. adv. Hier. 2,5. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 277–280. 186 Zur Datierung WILLIAMS 2006, 299 m. Anm. 109. Zu Marcella oben 6.6.1.2. 187 Hier. epist. 22,18,2 (CSEL 54, 167): an non flendum est, non gemendum, cum me rursus serpens invitat ad inlicitos cibos? cum de paradiso virginitatis eiectum tunicis vult vestire pelliciis [vgl. Gen 3,21], quas Helias ad paradisum rediens proiecit in terram [vgl. 2 Kön 2,12]? quid mihi et voluptati, quae in brevi perit? quid cum hoc dulci et mortifero carmine sirenarum? nolo illi subiacere sententiae, quae in hominem est lata damnatum: ‚in doloribus et anxietatibus paries, mulier‘ – lex ista non mea est –, et ‚ad virum conversio tua‘ [Gen 3,16]. Übers. nach BKV² 16, 81. Vgl. ADKIN 2003, 148. 188 Pace RAHNER 1957, 312, der die Stelle sehr eindimensional auffasst.
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evoziert Hieronymus mit dem Hinweis auf die Kurzlebigkeit des Gewinns den Gegensatz zur Erwartung des jenseitigen ewigen Lebens.189 Die implizite Antithese Diesseits/Jenseits aufgreifend, bringt er nun, ohne den Tod eigens erwähnt zu haben, das Sirenen-Exemplum. Ihre Erwähnung dient als metaphorisches Resümee des Gesagten sowie des nicht Gesagten: Gleich dem carmen sirenarum ist die Versuchung dulce et mortifer, süß, aber todbringend. Mit dieser den Gedanken abschließenden Formulierung ist der Tod genannt und die Antithese vollständig. Indirekt beantwortet Hieronymus schließlich die rhetorischen Fragen, mit denen er vor den Verlockungen warnt: Auf die Form der voluptas selbst, zu der Schlange und Sirenen im Verein einladen, geht er nicht ein, malt jedoch die Folgen der Lust aus und verweist durch das Zitat von Gen 3,16 am Ende des Passus auf zwei der Strafen, die JHWH als Sanktion für den Sündenfall bei der Vertreibung aus dem Paradies über Eva verhängt: die psychischen und physischen Belastungen einer Schwangerschaft sowie die Unterordnung der Frau unter den Mann. Das Argument für die Bewahrung der Jungfräulichkeit verlässt damit den Bereich der Ethik und gerät vor dem Hintergrund der unattraktiven Folgen für eine Frau zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung: Der einschränkende Hinweis, dass er nicht Urheber dieser lex sei, antizipiert wohl Reaktionen auf seine rigoros ehefeindliche Haltung. Hieronymus setzt in seiner Vermischung von Bibelreferenzen und mythischer Allegorie die Sirenen mit der Schlange gleich, die in Gen 3,1–5 Eva im Paradies überredet, die Frucht vom verbotenen Baum zu kosten. Der Verlust der Jungfräulichkeit wird somit zum wiederholten Sündenfall stilisiert. Die Sirenen-Metapher wird, weil sie seiner Leserschaft sowohl aus der profanen als auch aus der christlichen Literatur geläufig ist, als Anspielung auf körperliche Liebe verstanden, ohne dass er ein so pikantes Thema expressiv verbis ausführen muss. Gegen den Verdacht, dass „Mutter und Tochter in Gallien“, die Adressatinnen des 117. Briefs aus dem Jahr 404/405, fiktive Figuren seien, musste sich Hieronymus schon in seiner kurze Zeit später verfassten Streitschrift gegen Vigilantius wehren.190 Das auffällige Fehlen von Namen und der satirische Tonfall des Schreibens bestätigen jedoch die Zweifler. Im Schreiben selbst berichtet er, dass ein Gallier ihn in seiner Verzweiflung gebeten habe, auf das getrübte Verhältnis zwischen seiner Schwester und seiner Mutter einzuwirken. Beide lebten als christliche Asketinnen in unterschiedlichen Häusern derselben Stadt, jeweils in Hausgemeinschaft mit einem Geistlichen. Das Phänomen der so genannten Agapeten, die Priester bei sich aufnahmen, war ein bekanntes Problem, gegen das auch Hieronymus schon geschrieben hatte und das trotz eines Verbotes durch Valentinian im Jahr 370 offenbar weiterhin fortbestand.191
189 Zur Kürze des irdischen Lebens bei Hieronymus vgl. BARTELINK 1986, 23–32. 190 Hier. c. Vigil. 3 (PL 23, 356). Vgl. REBENICH 1992A, 282; FEICHTINGER 1995, 209; LÖSSL 1998, 172–192; REBENICH 2002, 36 f. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 294–297. 191 Hier. epist. 22,14,1 f. (CSEL 54, 161 f.); Cod. Theod. 16,2,20; vgl. GRÜTZMACHER 1908, 241 ff.; DEMANDT 1989, 266; MAIER 1995, 236–238; REBENICH 2002, 37 f.
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So sorgt sich Hieronymus im sechsten Kapitel des Schreibens um den Umgang der Jungfrau und entwirft Szenarien von Landpartien unter „leichtsinnigen Mädchen“ sowie „geschniegelten und gestriegelten Jünglingen“.192 An prassenden Gastmählern sieht er sie teilnehmen, bei denen ein Sänger ihr schöne Augen macht: „Bei solch lockenden Freuden wird die Lust über den stärksten Willen Herr. Mit umso größerer Gier macht sie sich an eine Jungfrau heran, da sie all das, was sie nicht kennt, um so reizvoller dünkt. Die fabulae der Heiden berichten von den Schiffern, dass sie, angelockt vom Gesang der Sirenen, jählings auf die Riffe auffuhren und dass des Orpheus Zitherspiel Bäume und Tiere, ja selbst das harte Gestein erweichte. Beim Schmausen fällt es schwer, die Keuschheit zu bewahren.“193
Der Modus, in dem die Verlockungen durch die Sirenen transportiert werden, ist derselbe wie im geschilderten Ausgangsszenario des Gastmahls, nämlich cantibus. Außergewöhnlich ist, dass Hieronymus die Erwähnung der Sirenen um das Detail der Felsen sowie um ihre Opfer erweitert. Als weitere mythische Figur tritt hier Orpheus zu den Sirenen: Der aus Thrakien stammende Sänger ist Sohn der Muse Kalliope und des Königs Oiagros, in einigen Überlieferungen auch des Apollon. Ihm wird die Erfindung der Kithara oder zumindest ihre Erweiterung von sieben auf neun Saiten zugeschrieben, der Zahl der Musen. Er beherrscht das Instrument so gut, dass von seinem Spiel und seinem Gesang übernatürliche Wirkung ausgeht, der sich auch Tiere, Bäume und Steine nicht entziehen können.194 Der bekannteste Orpheus-Mythos erzählt davon, wie er mithilfe der Musik seine Frau Eurydike aus der Unterwelt zu befreien sucht. Die schöpferische Kraft des Orpheus lässt ihn in den verschiedenen Überlieferungen auch zum Stifter der pythagoreischen Zahlenlehre werden, zum Lehrer des Herakles, zum Ahnherrn Homers und Hesiods – und damit zum Erfinder des Hexameters, ja, sogar der Buchstabenschrift. Das theologische und literarische Werk der Orphik berief sich auf ihn als Autor.195 Unter den Orpheus-Erzählungen gibt es eine, die ihn als einen der Argonauten mit den Sirenen zusammenführt. Seine Rolle in der Mannschaft beschränkt sich darauf, dass er bei Festen spielt, Signale beim Anlegen des Schiffes gibt oder auf der Kithara den Takt zum Rudern schlägt. Als die Argonauten bei Anthemoessa die Sirenen singen hören, sind sie schon beinahe dem Untergang geweiht, bis Orpheus
192 Hier. epist. 117,6,2 (CSEL 55, 428): sin autem sola ieris – quod et magis aestimo –, utique inter servos adulescentes, inter maritas feminas atque nupturas, inter lascivas puellas et comatos linteatosque iuvenes furuarum vestivm pvella gradieris. Übers. nach BKV² 16, 340. 193 Hier. epist. 117,6,4 (CSEL 55, 429): inter has et tantas inlecebras voluptatum etiam ferreas mentes libido domat, quae maiorem in virginibus patitur famem, dum dulcius putat omne, quod nescit. narrant gentilium fabulae cantibus sirenarum nautas in saxa praecipites et ad Orphei citharam arbores bestiasque ac silicum dura mollita. difficile inter epulas servatur pudicitia. Übers. nach BKV² 16, 340 f. 194 Dieser Aspekt beherrscht das spätantike Orpheus-Bild; vgl. HOFMANN 1999B, 165. 195 E. Ba. 562 ff.; IA 1211 f.; Apollod. 1,3,2; Cic. nat. deor. 1,107; Verg. georg. 4,453–527; Hor. carm. 1,12,7–12. 24,13 f.; epist. 2,3,391 ff.; Ov. met. 10,1–144; 11,1–84; Hyg. astr. 2,7; vgl. GRUPPE 1902, 1058–1207. Zu Orpheus als Sänger bei christlichen Autoren JOURDAN 2015, 201.
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zur Phorminx greift und den Gesang der Vogelfrauen übertönt, so dass die Argo unbeschadet passieren kann.196 Auch wenn die Verbindung hier gelegen käme, spielt Hieronymus offenbar nicht auf diese Episode an, da die erweichten Steine und Bäume ein Szenario an Land voraussetzen. Hinzu kommt, dass die Sirenen und Orpheus in ihrer gemeinsamen Erzählung Kontrahenten sind, während ihre Funktion in der HieronymusStelle jeweils in dieselbe Richtung weist. Für den Fall, dass Hieronymus die Episode von der Rettung der Argo kannte, war er hier sogar gezwungen, auf ihre Verwendung zu verzichten: Ein Orpheus, der seine Gefährten durch Leier-Spiel vor den Sirenen rettet, würde in Bezug auf die Musik und die Anwesenheit der „flirtatious upper class dandies“,197 von denen sich die vermeintliche Empfängerin des Briefes fernhalten musste, falsche Signale senden. Hieronymus geht es bei seinem Orpheus-Exemplum nicht um die berühmte interpretatio Christiana des Wiederkehrers aus der Unterwelt,198 sondern allein darum zu zeigen, welchen Einfluss die Kraft der Musik haben kann – in diesem Fall freilich schlechten Einfluss, wie die Paarung mit dem Sirenen-Exemplum deutlich macht. Der Gesang der Sirenen ist unmissverständlich als Sinnbild der Lust aufzufassen.199 Hieronymus’ ausgiebiger Gebrauch der mythischen Vogelwesen mit ihrem süßen, aber todbringenden Gesang ist sicherlich im Zusammenhang mit den Sirenen (תנים/tnjm) des Alten Testaments zu sehen, die er aus der Septuaginta in den Text der Vulgata gerettet hat. Dennoch lässt er sie weitestgehend gelöst von den biblischen Bezügen auftreten, um Allegorien auf häretische Ansichten oder unzüchtige Ambitionen zu bilden. Der Kirchenvater reiht sich damit nicht nur in eine Tradition christlicher Mythendeutung ein, sondern zementiert auch die Anwendung der Sirenenmetapher für die christliche Literatur späterer Zeiten, so dass AUGUST OTTO seiner Wendung „verschlossenen Ohres an den Sirenen vorbei“ sprichwörtlichen Charakter zubilligen konnte.200
196 A.R. 4,903–909; hierzu GRUPPE 1902, 1139. 1154–1157; ZIEGLER 1939, 1254–1261; HOFMANN 1999B, 160. Zur christlichen Rezeption JOURDAN 2015, 201. 197 LÖSSL 1998, 189. 198 Vgl. HOFMANN 1999B, 167–171 m. Belegen. 199 Zu den Sirenen im Rahmen musikfeindlicher Polemik Hier. epist. 54,13,1 (CSEL 54, 479). Hierzu EISWIRTH 1955, 66 f.: „Die spärlichen Äußerungen des Asketen, der die Werke der Literatur bewunderte und einen feinen Sinn für den Wohllaut der Sprache und die Eleganz des Stils hatte, lassen ein näheres Verhältnis zur Musik nicht spürbar werden.“ Hieronymus unterscheidet zwischen den cantica mundi, die er wie hier ablehnt, und christlicher Musik, für die er lobende Worte findet; vgl. Hier. epist. 46,12,3 (CSEL 54, 342 f.); 107,4,1 (CSEL 55, 293 f.). Für die Kindererziehung empfiehlt er das Singen von Psalmen und warnt vor weltlicher Musik; vgl. epist. 107,8,3 (CSEL 55, 299). Er klagt über junge Leute, die in der Kirche zu laut und nach Art der Tragödie singen; vgl. in Eph. 5,19 (PL 26, 561 f.). 200 OTTO 1890, 324 f. s.v. Siren, Nr. 1657. Vgl. ADKIN 2003, 148.
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6.6.2.2 Während die Lernäische Bestie wütet Unter den mythischen Ungeheuern, die Hieronymus so gerne bemüht, um seine Gegner zu beschimpfen, sticht die Hydra mit acht Nennungen hervor.201 Im Mythos ist sie eine Wasserschlange, die in den Sümpfen von Lerna in Argolis haust und die Umgebung terrorisiert, indem sie immer wieder große Tiere und Menschen reißt. Sie ist ein grässliches Untier mit mehreren Köpfen, deren Zahl je nach Überlieferung zwischen neun und 100 schwankt. Sie ist so giftig, dass selbst ihr Atem tödlich ist. Ihre Eltern sind Typhon und Echidna, aber aufgezogen wird sie von Hera. Sie gehört zu den Bewohnern der Unterwelt und ihre Höhle wird als Eingang zum Reich des Hades betrachtet. Die einzige Erzählung, in der sie als tragende Figur auftritt, ist der Dodekathlos des Herakles, in dessen Abfolge ihr fest der zweite Platz zugewiesen ist. Der Held treibt die Hydra mit brennenden Pfeilen aus ihrer Höhle und fängt an, ihr in einem dramatischen Kampf die Köpfe abzuschlagen. Als er merkt, dass für jeden abgehackten Kopf augenblicklich zwei neue entstehen, lässt er seinen Gefährten Iolaos die frischen Wunden ausbrennen, um das zu verhindern. Auch den mittleren Kopf, der unsterblich ist, trennt er ab, vergräbt ihn jedoch und legt einen großen Stein darauf. In die giftige Galle des getöteten Untieres taucht Herakles seine Pfeile, mit denen er fortan zahlreiche Feinde tötet. Zuletzt kommt Herakles selbst durch das Gift seiner Pfeile ums Leben.202 Der Kampf gegen die Hydra war in der Antike sprichwörtlich203 und auch die Christen haben die Metapher gerne gebraucht; sie „versinnbildlichte die Häresie, die unbesiegbar erscheint.“204 Der christliche Hydra-Topos ist bei Ambrosius auf eine Formel gebracht: „Die Häresie nämlich ist – wie jene Hydra in den Sagen – durch ihre Wunden gewachsen, und so oft ihr etwas abgehauen wurde, hat sie es wieder nachwachsen lassen.“205 Hieronymus knüpft an diese Tradition an – ohne hiermit eine Anlehnung an den ungeliebten Mailänder Bischof postulieren zu wollen. In seinem 392/393 verfassten Kommentar zum Propheten Micha wettert der Mönch zweimal gegen einen namentlich nicht genannten Gegner, den er jeweils als Hydra apostrophiert. Im Anschluss an die praefatio verfällt er, bevor er sich tatsächlich an den Propheten begibt, auf eine letzte persönliche Bemerkung: „So viel zum Titel; kommen wir nun zum Eingang der Prophezeiung und rufen, während die Lernäische Bestie wütet, die Anwesenheit des Heiligen Geistes an. Ihr, oh Paula und Eustochium, lasst an den Herrn und Erlöser den Wunsch ausströmen, dass mir nicht der Neid schaden soll, sondern dass mein freier Verstand nur über das nachdenke, was er sich zu erklären
201 Aus der Reihe fällt Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810), da er sich hier gegen die allegorische Exegese richtet, also gegen ein Abstraktum; vgl. SÜSS 1938, 220–221; COURTRAY 2007, 130. 202 Hes. Th. 313–318; Apollod. 2,5,2; Verg. Aen. 6,576 f.; Ov. met. 9,67–74; Hyg. fab. 30; vgl. STOLL 1890, 2769 f.; WITEK/RICKERT 1994, 905–908. 203 OTTO 1890, 168 f. s.v. hydra, Nr. 837. 204 WITEK/RICKERT 1994, 908. 205 Ambr. fid. 1,6,46 (FC 47,1, 174): Heresis enim velut quaedam hydra fabularum vulneribus suis crevit, et dum saepe reciditur, pullulavit, igni debita incendioque peritura. Übers. FC 47,1, 175. Vgl. Ov. met. 9,70; hierzu WITEK/RICKERT 1994, 908 f. m. weiteren Belegen.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen bemüht, und nicht die Ohrfeigen der Vorwürfe zu spüren bekomme, aus denen sich der Herr in seiner Passion auch nichts gemacht hat.“206
Bis hier bleibt es noch unverständlich, wen Hieronymus mit der Hydra, der Lernaea bestia, meint. Lediglich die Beweggründe des Widersachers benennt er mit dem einen Motiv, das immer billig ist, wenn es darum geht, sich gegen Kritik zu verwahren: mit Neid. Die Formulierung des Wunsches, keine conviciorum alapas erdulden zu müssen, suggeriert, dass er die Erfahrung bereits machen musste; offenbar war er zuvor verbal angegriffen oder kritisiert worden. Hieronymus belässt es hier bei der kurzen Beschimpfung und kommt erst im Prolog zum zweiten Buch des Kommentars erneut auf „die Lernäische Bestie“ zu sprechen: „Denn sie sagen, dass ich aus den Büchern des Origenes zusammenschreibe und mich nicht scheue, damit die Schriften der Alten zu beflecken, und sie denken, dass das eine Beleidigung für mich sei. Dabei halte ich eben das für ein sehr großes Lob, weil ich ja jenen nachahmen will, von dem ich mir sicher bin, dass er allen klugen Leuten und auch euch gefällt. Wenn es nämlich ein Frevel ist, die Segnungen der Griechen zu übertragen, sollen sie auch Ennius und Vergil anklagen, Plautus, Caecilius Statius und Terentius sowie Cicero und die übrigen beredten Männer, die nicht nur Verse, sondern viele Kapitel und wirklich lange Bücher, ja, ganze Erzählungen übertragen haben. Dann soll freilich auch unser Hilarius des Diebstahls angeklagt werden, weil er schier Tausende von Zeilen des besagten Origenes für seine eigenen Gedanken über 40 Psalmen nutzte. Der Rücksichtslosigkeit all dieser Leute wünsche ich mir viel sehnlicher nachzueifern, als der unverständlichen Gewissenhaftigkeit von jenen da. Nun ist es aber wirklich an der Zeit, das andere Buch zum Propheten Micha zu verfertigen und die ständig wiedergeborenen Köpfe der Hydra mit der prophetischen Keule (rhopálon) zu zerschlagen.“207
Offenbar war Hieronymus in die Kritik geraten, weil er zu dieser Zeit noch offen zu seiner Verehrung für Origenes stand und sich unverhohlen von dessen Theologie inspirieren ließ. Auch im vorliegenden Kommentar wird Hieronymus aus den drei verlorenen Büchern des Alexandriners über Micha geschöpft haben, die er in einem Brief an Paula aus dem Jahr 385 erwähnt hat.208 206 Hier. in Mich. 1,1 (CCL 76, 423): Hoc de titulo, nunc veniamus ad exordium prophetiae, et Lernaea bestia saeviente, sancti Spiritus invocemus adventum. Vos, o Paula et Eustochium, ad Dominum Salvatorem fundite preces, ne mihi noceat invidia, sed ut mens libera id tantum cogitet quod nititur explanare, nec sentiat conviciorum alapas, quas dominus in passione contempsit. Vgl. Joh 18,22: haec autem cum dixisset / unus adsistens ministrorum dedit alapam Iesu dicens / sic respondes pontifici; vgl. auch Mt 26,67; Mk 14,65; Lk 22,63–65; Joh 18,22 f. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 281–283. 207 Hier. in Mich. 2 prol. (CCL 76, 473): Nam quod dicunt, Origenis me volumina compilare, et contaminari non decere veterum scripta, quod illi maledictum vehemens esse existimant, eandem laudem ego maximam duco, cum illum imitari volo, quem cunctis prudentibus, et vobis placere non dubito. Si enim criminis est Graecorum benedicta transferre, accusentur Ennius et Maro, Plautus, Caecilius et Terentius, Tullius quoque et ceteri eloquentes viri, qui non solum versus, sed multa capita et longissimos libros ac fabulas integras transtulerunt. Sed et Hilarius noster furti reus sit, quod in psalmos quadraginta ferme millia versuum supradicti Origenis ad sensum verterit. Quorum omnium aemulari exopto neglegentiam, potius quam istorum obscuram diligentiam. Verum iam tempus est alterum in Michaeam librum cudere, et renascentia hydrae capita ῥοπάλῳ contundere prophetali. Zu Hilarius Hier. vir. ill. 100,1 f. (BARTHOLD 2010, 244); Kommentare zu 58 Psalmen sind erhalten, darunter die 40 erwähnten; vgl. DURST 1998, 293 f. 208 Hier. epist. 33,4,2 (CSEL 54, 255).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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Da sich nicht sicher ermitteln lässt, wen genau Hieronymus als Hydra beschimpft,209 seien im Folgenden spekulative Überlegungen zu dieser Frage angestellt: Zunächst sei einmal davon ausgegangen, dass er beide Male denselben Widersacher im Sinn hat, wenn er von der Hydra spricht, sowie, dass sich die zweite Nennung tatsächlich auf die Origenismus-Kritik gegen ihn bezieht. Beides legt der Text nicht zwingend nahe. Angesichts der Tatsache, dass Hieronymus die Köpfe der Hydra in der zweiten Stelle im Plural anspricht, meint er vermutlich nicht nur eine, sondern mehrere Personen, die zumindest aus seiner Warte eine wie auch immer geartete Gruppe darstellten. Womöglich ist hierin noch ein Reflex auf die klerikale Opposition gegen ihn zu erblicken, wegen der er Rom verlassen musste. Seine Origenes-Nutzung kann jedoch auch Kritik von mehreren Leuten hervorgerufen haben, die nichts miteinander zu tun hatten. Die Gestalt der vielköpfigen Giftschlange ermöglicht es Hieronymus, sie alle mit einem gemeinsamen Bild zu benennen und zugleich sinnfällig werden zu lassen, dass sie ähnliche Vorwürfe gegen ihn richteten. Mit der gewählten Metapher kann er somit auch Leute einbeziehen, die ihre Kritik von ganz verschiedenen Punkten des Reiches aus geäußert haben. Zudem betont Hieronymus in der zweiten Erwähnung, dass die Köpfe der Hydra ständig „wiedergeboren“ werden. Das könnte darauf hindeuten, dass die Vorwürfe gegen ihn über einen gewissen Zeitraum hin immer wieder perpetuiert wurden, beginnend mit der Zeit seines Weggangs aus Rom. Dass er das Ungeheuer im ersten Fall als saeviens im Präsens bezeichnet, erweckt den Eindruck, als wären die Einwände gegen seine Arbeit recht zeitnah geäußert worden. Die Dringlichkeit in seiner Klage wird durch die doppelte Erwähnung der Hydra verstärkt. Sicher ist jedoch nur, dass Hieronymus wegen seiner Origenes-Nutzung Kritik entgegengebracht worden war. Dass er seine Kritiker hier zweimal als Hydra beschimpft, hat daher gewisse Plausibilität. Welche Personen konkret angesprochen sind, wann, wie oft und in welcher Form Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden, bleibt offen. Es lohnt sich wohl, einen kurzen Blick auf die Argumentation zu werfen, mit der er sich in der zweiten Stelle zu rechtfertigen sucht. Demzufolge hatte man kritisiert, dass er die Schriften der älteren Kirchenschriftsteller mit origenistischen Einflüssen kontaminierte. Hieronymus leugnet das nicht, sondern verweist lediglich auf eine Reihe Beispiele von Vorgängern. Dass darunter Hilarius von Poitiers’ Psalmenkommentare sind, überrascht nicht. Der Bischof hatte u. a. durch seine Origenes-Nutzung theologische Positionen des griechischen Ostens dem lateinischen Westen vermittelt. Bemerkenswert ist hingegen die Aufzählung der sechs klassischen lateinischen Autoren, die Hieronymus noch davor als Autorität für die Nutzung griechischer Schriften anführt. Zum einen erweckt er so den Anschein, als bestehe sein Vergehen in den Augen der Kritiker alleine in dem Umstand, dass Origenes ein griechischer Autor ist; zum anderen führt er die heidnischen Schriftsteller als Autorität für seine eigene Praxis ins Feld, sich aus griechischer Literatur zu bedienen. In der Weise, wie er sie voranstellt, macht er sie auch zur Referenz für Hilarius. Theologische Fragen ignoriert Hieronymus hier vollständig und reduziert
209 GRÜTZMACHER 1906, 113 f. m. Anm. 6.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
das Problem auf die griechische Sprache seiner Vorlage.210 Das ist sicherlich eine bewusste Verkürzung der Vorwürfe durch die Lernaea bestia. Erstaunlich ist dabei vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der er pagane Autoren als Referenz für die eigene Verfahrensweise in der christlichen Bibelexegese anführt. Schließlich sei noch auf den Umstand eingegangen, dass Hieronymus das griechische ῥοπάλον statt der lateinischen clava in den Text einsetzt.211 Hierbei ist wohl weniger von einem Zitat im eigentlichen Sinne auszugehen als vielmehr von einer Demonstration der eigenen Sprachkenntnisse. Durch die griechische Einschaltung bindet er die Schriften des Origenes symbolisch in die Allegorie ein. Dies löst sich dergestalt auf, dass er seine Gegner durch das Festhalten am bisherigen Verfahren überzeugen will. Auf der Bildebene meint Hieronymus freilich die Keule des Herakles, die sich bei ihm einer gewissen Beliebtheit erfreut.212 Daher teilt er mit der quasi kanonischen Darstellung bei Apollodoros213 eine Ungereimtheit in der Wahl der Requisite: Eine stumpfe Keule ist ein denkbar ungünstiges Werkzeug, um die Köpfe eines überdimensionierten Reptils abzuschlagen. Die meisten antiken Autoren lassen Herakles daher ein Schwert oder eine Sichel (ἅρπη) benutzen.214 Da die Keule jedoch zusammen mit dem Löwenfell das wichtigste ikonographische Element in Herakles-Darstellungen ist, hat sie wohl den Weg in die geschriebene Fassung gefunden. Tatsächlich ist die Hieronymus-Stelle erst durch die Nennung der Keule deutlich als eine Anspielung auf Herakles zu verstehen. Festzuhalten bleibt, dass Hieronymus sich in seinem Micha-Kommentar gegen Vorwürfe in Hinblick auf seine Origenes-Nutzung zur Wehr setzt. Seine Kritiker beschimpft er im Zuge dessen zweimal als Hydra. Dass es sich um mehrere Personen handelt, legt die Betonung der Vielzahl der Köpfe des Ungeheuers nahe. Falls er im Sommer 385 in Rom auch wegen seiner Verehrung für Origenes in Bedrängnis kam, so dass er die Stadt für immer verlassen musste, könnten mit dem Bild Bischof Siricius, der stadtrömische Klerus und vielleicht Ambrosius gemeint sein. Seinen Ezechiel-Kommentar hat Hieronymus Eustochium alleine gewidmet. Im prologus erklärt er ihr, dass er die Arbeit eigentlich unmittelbar im Anschluss an den Jesaja-Kommentar aufnehmen wollte, er dann aber durch die Folgen der Einnahme Roms durch die Goten, die bis ins Kloster in Bethlehem zu spüren waren, davon abgehalten wurde.215 Überdies waren seine Freunde Pammachius und Marcella sowie viele „Brüder und Schwestern“ im Zuge der Verheerung der Stadt umgekommen.216 Endlich finde er nun die Zeit für die Arbeit am Kommentar: 210 211 212 213 214 215
CLARK 1992, 121 f. ANTIN 1960, 54; WENSKUS 2006, 295. Oben 6.2.2. Apollod. 2,5,2: τῷ ῥοπάλῳ δὲ τὰς κεφαλὰς κόπτων οὐδὲν ἀνύειν ἠδύνατο. WITEK/RICKERT 1994, 905 f. Zu seinen Reaktionen auf die Katastrophe MEIER/PATZOLD 2010, 31–39; GRIG 2012, 130 f. Vgl. STRAUB 1950, 56 ff.; ZWIERLEIN 1978, 45–55; demnächst RONNENBERG 2015B. 216 Hier. in Ezech. prol. (CCL 75, 3): ecce mihi subito mors Pammachii atque Marcellae, romanae urbis obsidio, multorumque fratrum et sororum dormitio nuntiata est. Über Pammachius’ Tod ist nichts weiter bekannt; zu Marcellas Tod epist. 127,13 f. (CSEL 56, 154–156).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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„Nun gut, weil du nicht aufhörst, danach zu fragen, und weil selbst eine tiefe Wunde irgendwann verkrustet, auch weil der Skorpion zwischen Enkelados und Porphyrion am Boden Siziliens zerdrückt wird und die vielköpfige Hydra letztendlich aufgehört hat, gegen uns zu zischen, und weil uns die Zeit gegeben ist, dass wir nicht auf die Angriffe von Häretikern antworten müssen, sondern uns auf die Darlegung der Schriften stürzen können, nehme ich nun den Propheten Ezechiel in Angriff, dessen Schwierigkeit schon die Überlieferung der Hebräer beweist.“217
Hieronymus kommentiert hier in einer bitterbösen Weise, die an Schadenfreude grenzt, den Tod seines einstigen Jugendfreundes Rufinus, der vor den Goten nach Sizilien ausgewichen war, wo er im Sommer 411 in Messina verstarb.218 Die HydraMetapher funktioniert auf die bekannte Weise und wird mit einer vorangestellten Referenz auf die Gigantomachie verknüpft. Offenbar angestoßen durch den lokalen Bezug lässt er Rufinus als den Skorpion von zwei Giganten zerdrückt werden. Jedoch weicht Hieronymus dabei in mehrerlei Hinsicht von der Überlieferung ab: Während Enkelados im Mythos tatsächlich niedergestreckt wird, indem Athene den Berg Ätna auf ihn wirft, ist Ähnliches für den Giganten Porphyrion nicht belegt. Vielmehr wird er zunächst durch einen Blitz des Zeus getroffen und schließlich durch einen Pfeil des Herakles getötet.219 Hinzu kommt, dass Hieronymus die eigene Todesart der Giganten auf Rufinus überträgt; er entlässt sie aus der Opferrolle und weist ihnen die der Projektile zu. Es ist nicht auszuschließen, dass Hieronymus sich einfach vertan hat.220 WILHELM SÜSS macht jedoch den Vorschlag, statt der Lesart Porphyrionem den Namen Porphyrium einzusetzen und in der Textstelle eine Anspielung auf den Neuplatoniker Porphyrios zu sehen. Dessen Schrift „Gegen die Christen“ ist wahrscheinlich 271 auf Sizilien entstanden und Hieronymus hat die entsprechende Notiz bei Eusebios womöglich dahingehend aufgefasst, dass Porphyrios wie Rufinus dort gestorben sei.221 Unabhängig von textkritischen Fragen kann die Anspielung jedoch von Hieronymus selbst dann beabsichtigt gewesen sein, wenn man an der Lesart Porphyrionem festhält. Der Kirchenvater zeigt eine Vorliebe für solche Wortspielereien, die sich insbesondere im Verballhornen der Namen seiner Gegner manifestiert.222 Wie die Giganten in ihrer Hybris war auch Porphyrios durch seine Angriffe gegen das Christentum einer der rebelles contra Deum,223 so dass die große Namensähnlichkeit und der Sizilien-Bezug bereits ausgereicht haben mögen, um dem 217 Hier. in Ezech. prol. (CCL 75, 3): Verum quia et tu indesinenter hoc flagitas et magno vulneri cicatrix paulatim obducitur, Scorpiusque inter Enceladum et Porphyrionem Trinacriae humo premitur et Hydra multorum capitum contra nos aliquando sibilare cessavit, datumque tempus quo non haereticorum respondere insidiis sed scripturarum expositioni incumbere debeamus, aggrediar Hiezechiel prophetam cuius difficultatem Hebraeorum probat traditio. Hierzu JEANJEAN 1999, 63 f. m. Anm. 195. Vgl. Hier. in Am. 2,5 (CCL 76, 280 f.). 218 HAMMOND 1977, 393 f. 427. 219 Apollod. 1,6,1; Pi. P. 8,15–18 (hier stirbt Porphyrion durch einen Pfeil Apollons). Vgl. oben 4.3.1; demnächst RONNENBERG 2015A, Kap. 3.2. 220 Claud. carm. min. 101–103. 221 Eus. h.e. 6,19,2 (SC 41, 113); hierzu SÜSS 1938, 229 f. Die Pariser Hs. bietet Porphyrium; vgl. CCL 75, 3 app. crit. Zu Porphyrios auf Sizilien COURTRAY 2009, 140. 222 SÜSS 1938, 221 ff.; LARDET 1993, 384. 223 Hier. in Ezech. 10,32 (CCL 75, 461).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Enkelados den Porphyrion als „König der Giganten“224 an die Seite zu stellen. Die mythischen Unholde wecken somit die Assoziation zu einem der großen literarischen Widersacher der Kirche, den Hieronymus mehrfach in einem Atemzug mit Kelsos und Julian nennt.225 Durch diese vielschichtigen Bezüge brandmarkt Hieronymus Rufinus selbst als einen Christus-Feind. Ob Hieronymus an den Skorpion gedacht hat, der im Mythos den Orion tötet,226 ist nicht erkennbar, würde aber durch seine Nähe zu den Giganten einen möglichen Bezug herstellen, der die Textstelle zusätzlich verdichtet. In der mediterranen Lebenswirklichkeit ist ein Skorpion ein lästiges, giftiges und nicht ungefährliches Ungeziefer, bei dem es eine fast natürliche Reaktion ist, ihn etwa mit einem Stein oder Schuh zu zerdrücken. Aus der bekannten Metapher spricht eine große Verachtung für Rufinus und etwa zur gleichen Zeit nennt Hieronymus den jüngst verstorbenen Widersacher im Nachruf auf Marcella ebenfalls einen Skorpion.227 Verstärkt durch die gemeinsame Nennung mit der Hydra wird, ohne dass Hieronymus sie eigens nennt, die Giftigkeit der Irrlehren evoziert. Das Zischen der Hydra entspricht durch seinen unangenehmen Klang den häretischen Worten des Rufinus.228 Das Bild von dem besiegten Ungeheuer erinnert an den beschwerlichen Kampf, den Herakles durchzustehen hat und der von vielen Rückschlägen in Form der nachwachsenden Köpfe begleitet ist. Auf recht subtile Weise wertet sich der Kirchenvater durch die implizite Gleichsetzung mit Herakles selbst auf. Die abermals betonte Vielköpfigkeit der Hydra könnte auch hier auf mehrere Personen verweisen, amici und Parteigänger des Rufinus. Angesichts der Tatsache, dass Hieronymus über einen Toten schreibt, der zudem einst sein Freund war, ist jedoch fraglich, ob es die Hydra ist, die an dieser Stelle für das Gift verantwortlich ist oder eher er selbst. „Telle est l’oraison funèbre de son ami.“229 Vor diesem Hintergrund sei ein kurzer Rückgriff in der Chronologie unternommen: An seinen Freund Pammachius in Rom richtet Hieronymus im Vorwort zu dem zweiten Buch seines 406 verfassten Hosea-Kommentars den dringenden Appell, sich gegen Anfeindungen und Widersacher zu wappnen: „Die Schlange und den Skorpion sollst du – gemäß den fabulae der Dichter – mit dem Brenneisen versengen und mit der Sohle zertreten; auch an den Hunden der Skylla und an den todbringenden Gesängen der Sirenen sollst du tauben Ohres vorbeiziehen.“.230
Die Verbindung von Schlange und Skorpion scheint hier wohl die Vorlage für die Bemerkung im oben betrachteten Prolog zum Ezechiel-Kommentar gewesen zu 224 Pi. P. 8,16 f.: Τυφὼς Κίλιξ ἑκατόγκρανος οὔ νιν ἄλυξεν, οὐδὲ µὰν βασιλεὺς Γιγάντων. 225 Hier. in Matth. 1 (SC 242, 170); adv. Rufin. 3,42 (CCL 79, 113); vir. ill. praef. 7 (BARTHOLD 2010, 156); epist. 49,13,4; 57,9,1; 70,3,1 (CSEL 54, 369. 518. 703). 226 Ov. fast. 5,539 ff.; Serv. Aen. 1,535. 227 Hier. epist. 127,10,3 (CSEL 56, 153). 228 WITEK/RICKERT 1994, 909. 229 CAVALLERA 1922/1, 285. Vgl. auch GRÜTZMACHER 1908, 87. 230 Hier. in Os. 2 prol. (CCL 76, 55): viperamque et scorpium iuxta fabulas poetarum, aduras cauterio, solea conteras; et Scylleos canes ac mortifera carmina sirenarum surda aure pertranseas. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 294–298.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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sein. Mit gutem Grund hat CAROLINE P. HAMMOND BAMMEL darauf hingewiesen, dass der narrative Zusammenhang die Lesart hydramque nahelegt, die ältere Ausgaben des Textes bieten, während MARC ADRIAEN sich in der CCL-Ausgabe für viperamque entschieden hat.231 Die Stelle ergibt nur Sinn, wenn die Lernäische Schlange gemeint ist. Die Zusammenstellung der beiden Untiere ist dieselbe und auch hier ist Rufinus angesprochen, den Hieronymus beinahe exklusiv mit dem Schimpfnamen Skorpion belegt. Durch das Versengen mit dem Brenneisen (adurere cauterio) wird der Bezug zu Herakles’ Arbeiten noch deutlicher, da Iolaos ihm im Mythos genau mit dieser Tätigkeit zur Seite steht.232 Ein letztes Beispiel soll den engen Häresie-Bezug der Hydra-Metapher vollends verdeutlichen: Auch im 130. Brief an Demetrias, der im Jahr 414 entstand, gebraucht Hieronymus das bekannte Bild. Im Hauptteil des Briefes, der der geistlichen Unterweisung der jungen Frau gewidmet ist, spricht er das Problem häretischer Lehren an. In diesem Zusammenhang lobt er hier den Kampf Bischofs Anastasius I. von Rom, der im Jahr 399 die Nachfolge des Siricius angetreten hatte, gegen die Lehren des Origenes: „Aber dieser Mann, nicht minder reich durch seine Armut als durch seine apostolische Hirtensorge, hat den schädlichen Kopf der Hydra sofort niedergeschmettert und ihr die zischenden Mäuler gestopft. Weil ich nun fürchte – drangen doch dahingehende Gerüchte bis zu mir –, dass die giftigen Setzlinge in einigen noch weiterleben und weiterwuchern, so halte ich es aus dem Gefühl frommer Liebe heraus für angebracht, dich zu ermahnen, dem heiligen Innocentius, der der Nachfolger des Anastasius auf dem apostolischen Stuhl und dessen Sohn ist, die Treue zu wahren. Wende dich keiner fremden Lehre zu, mag sie dir auch noch so klug und überzeugend vorkommen.“233
Das Bild von der Hydra, deren Köpfe nicht mehr zischen, erinnert an die oben besprochene Stelle im Prolog zum Ezechiel-Kommentar. Das Ungeheuer steht hier für Origenes bzw. die Anhänger der origenistischen Lehren, gegen die Anastasius maßgeblich tätig wurde, insbesondere, indem er die fraglichen Lehrsätze aus dessen Schrift Περὶ ἀρχῶν verurteilte.234 Hieronymus ergänzt die Allegorie durch die botanische Metapher von den Pflanzentrieben, der zufolge manche der Origenes-Anhänger weiterhin an den häretischen Ideen festhalten: Manche Pflanzen wie etwa 231 CCL 76, 55, app. crit.: ed. J. MARTIANAY 3 (Paris 1704); ed. D. VALLARSI 6 (Venedig 1768 = editio altera); PL 25, 860D; vgl. auch CAVALLERA 1922/2, 131; HAMMOND 1977, 407 f. 232 Die merkwürdige Vermengung von Skylla- und Sirenen-Mythos scheint eine Erfindung des Hieronymus zu sein; vgl. Hier. in Is. 12,43,16 (VL 35, 1341) über die Sirenen: animalia portentosa, quae dulci carmine atque mortifero navigantes Scyllaeis canibus lacerandos praecipitabant. Vgl. auch Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150); hierzu unten 6.6.2.4. 233 Hier. epist. 130,16,1 f. (CSEL 56, 196): sed vir ditissimae paupertatis et apostolicae sollicitudinis statim noxium perculit caput et sibilantia hydrae ora conpescuit. et quia vereor, immo rumore cognovi in quibusdam adhuc vivere et pullulare venenata plantaria, illud te pio caritatis affectu praemonendam puto, ut sancti Innocentii, qui apostolicae cathedrae et supra dicti viri successor et filius est, teneas fidem nec peregrinam, quamvis tibi prudens callidaque videatur, doctrinam recipias. Übers. nach BKV² 16, 267. Detaillierter zum Brief unten 6.6.2.4. Vgl. KESSLER 1998, 26; GEERLINGS 1998, 309. 234 Epistula Anastasii Papae ad Simplicianum 1–3 = Hier. epist. 95 (CSEL 55, 157 f.).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Efeu bilden aus abgetrennten Ästen oder Blättern neue Triebe, wenn sie auf fruchtbarem Boden liegen. Der Mönch dürfte diese Assoziation durch die nachwachsenden Köpfe der Lernäischen Schlange gehabt haben bzw. durch ihr unsterbliches noxium caput, das er eigens zu Beginn der Stelle erwähnt. Durch die Verknüpfung seiner Hydra-Metapher mit dem Setzlinge-Bild liefert er ein gewichtiges Indiz dafür, dass in den beiden zuvor betrachteten Textstellen jeweils mehrere Gegner durch die Vielzahl der Köpfe angesprochen sind. Demetrias, die Empfängerin des Briefes, tauschte sich tatsächlich mit Pelagius aus; ihre Großmutter Proba, mit der sie zusammenlebte, hatte zudem in Kontakt mit dem 407 verstorbenen Johannes Chrysostomos gestanden und öffentlich ihre Sympathien für Rufinus kundgetan.235 Die beiden letztgenannten waren offene Anhänger der origenistischen Lehren und so hatte Hieronymus allen Grund zu der Befürchtung, dass er bereits Schadensbegrenzung betrieb. Der Kampf des Herakles kam ihm hier also als Allegorie gelegen, die auf drastische Weise die Gefährlichkeit und Giftigkeit häretischer Lehren sinnfällig macht, dabei aber zugleich die Mühe seiner Arbeit hervorhebt. Die Hydra ist von ihrer phantastischen Gestalt über ihre tödliche Giftigkeit bis hin zu ihrer Zuordnung zur Unterwelt ein idealtypisches Ungeheuer, dem jegliche anthropomorphe Züge fehlen. Mehr noch, ihre Schlangengestalt und das gesamte damit assoziierte Bildfeld haben bei den christlichen Autoren zumeist eine eindeutig negative Wertigkeit. Hieronymus stellt da keine Ausnahme dar. Die Hydra ist das reine Böse und damit eine beliebte Metapher für ihn, um gegen Widersacher zu poltern. Wie es scheint, nutzt er die Vielzahl ihrer Köpfe, um eine Vielzahl von Gegnern zu suggerieren.
6.6.2.3 Eine Chimäre aus den gegensätzlichsten Naturen Ein weiteres Monster in Hieronymus’ Gruselkabinett der Polemik ist die Chimäre. Dem jungen Mönch Rusticus, der oben im Zusammenhang mit den Greifen vorgestellt wurde,236 rät Hieronymus, nicht als Lehrer in Fragen des Glaubens tätig zu werden, bevor er nicht selbst ausreichend gelernt habe. Unvermittelt geht er zu einem polemischen Ausfall gegen den ein Jahr zuvor verstorbenen Rufinus über, in dem er diesen bezichtigt, ein Aufschneider zu sein: „Kein Wunder, dass er viele zu ködern vermochte, indem er sich in der Öffentlichkeit mit einem Pulk von Schwätzern umgab. Innerlich war er ein Nero, in der Öffentlichkeit aber ein Cato, ganz uneindeutig, so dass man hätte sagen können, aus den gegensätzlichsten und unterschiedlichsten Naturen wurde ein Monster, eine neue Bestie zusammengefügt, ganz nach jenem Dichterwort: ‚Vorne ein Löwe, hinten ein Drache, in der Mitte eine Chimäre.‘“237
235 Auch hierzu unten 6.6.2.4 mehr. 236 Vgl. oben 6.3.2.2. 237 Hier. epist. 125,18,3 (CSEL 56, 138): nec mirum, qui multos inescare solitus erat factoque cuneo circumstrepentium garrulorum procedebat in publicum intus Nero, foris Cato, totus ambiguus, ut ex contrariis diversisque naturis unum monstrum novamque bestiam diceres esse
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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Hieronymus illustriert durch die Kontrastierung zweier Persönlichkeiten der römischen Geschichte die Divergenz zwischen Rufinus’ Selbstdarstellung nach außen und seinen vermeintlich wahren Motiven. Lässt man den Anachronismus außer Acht, erscheint das Bild von Cato dem Jüngeren als dem kompromisslosen Ankläger für das Gut der res publica stimmig gegenüber Nero als dem mordenden Musterbeispiel pervertierter Monarchie:238 Hieronymus kritisiert damit, dass Rufinus sich öffentlich als theologischer Lehrer betätigte, also ein Cato war, während er in Wahrheit nicht die innere Größe und Reife aufweisen konnte. Gerade der NeroVergleich ist eine recht vage Diffamierung, die sich nicht mit konkreten sachlichen Vorwürfen in Beziehung setzen lässt. Die Diskrepanz zwischen Schein und Sein des Widersachers wird nun in das Bild eines mythischen Monsters, der Chimäre, gekleidet. Im Mythos ist sie wie die Hydra von Typhon und Echidna gezeugt und wird ursprünglich im Xanthos-Tal im Südwesten Lykiens verortet.239 Ihre Beschreibung variiert: Bei Homer, den Hieronymus hier zitiert, besteht ihr Körper vorne aus einem Löwen, in der Mitte einer Ziege (χίµαιρα) und hinten einem Drachen oder aber sie hat drei Köpfe von eben diesen Tieren. Alle Berichte stimmen darin überein, dass sie Feuer speit. Solange, bis Bellerophon sie mit Pegasos’ Unterstützung tötet, verheert sie Lykien. Abgesehen von dieser Erzählung tritt sie im Mythos nicht als handelnde Figur in Erscheinung. Vergil versetzt sie zusammen mit der Skylla in die Unterwelt.240 Das Homerzitat übernimmt Hieronymus wörtlich aus einer Stelle in Lucretius’ De rerum natura,241 die bei näherem Hinsehen auch verrät, wie der Kirchenvater auf den Vers gekommen sein mag: In dem betreffenden Textabschnitt richtet sich Lucretius mit einem rationalistischen Plädoyer gegen die mögliche Existenz von Mischwesen, wie der Mythos sie kennt. Zum Beweis führt er Kentauren an, die wegen der unterschiedlich schnellen Alterungsprozesse von Pferd und Mensch gar nicht überlebensfähig wären. Aus demselben Grund sei auch die Existenz von Skyllen undenkbar. Darüber hinaus verhinderten unterschiedliche Ernährungs- und Paarungsweisen die Existenz solcher zusammengesetzter Wesen. Und da Löwen im Feuer genauso verbrennen würden wie alles andere Fleisch, wie könne es dann sein,
238
239
240 241
conpactam iuxta illud poeticum: ‚prima leo, postrema draco, media ipsa chimaera‘. Vgl. Lucr. 5,905; Hom. Il. 6,181. Zur Hieronymus-Stelle ANTIN 1959, 209–217. Zur Nero-/Cato-Bemerkung Petron. 44; hierzu OTTO 1890, 78 s.v. Cato 1, Nr. 358; ebd. 189 s.v. leo 2, Nr. 931. Mit der Nutzung Catos als positiven Exemplums knüpft Hieronymus an antike Traditionen an und weicht von der negativen Bewertung des eitlen Selbstmörders bei den Christen ab; vgl. Hier. adv. Rufin. 1,13 (CCL 79, 12). Dagegen epist. 39,3,5 (CSEL 54, 300); hierzu SIMONS 2005, 146, Anm. 258; HOFMANN 2007, 95–105. Zur christlichen Nero-Rezeption vgl. JAKOBSONNABEND 1990, 133–152; HOFMANN 2007, 158–161. Ov. met. 9,646–648. Plin. nat. 2,110; 5,28 verortet die Chimäre bei Olympos an der Ostküste Lykiens. Noch heute steigen dort an einem Platz namens Yanartaş beim Örtchen Çıralı Flammen aus Erdspalten auf, die durch die Reaktion von Gasen mit der Luft entstehen. Das seltene Naturphänomen war in der Antike für Seefahrer bei Dunkelheit weithin sichtbar. Serv. Aen. 6,288 versetzt es nach Kilikien; vgl. BAtlas 65, B5. D5: Chimaera. Hom. Il. 6,178–183; 16,328 f.; Hes. Th. 319–325; Pi. O. 13,84–90; Apollod. 2,3,1; Verg. Aen. 6,286; Hyg. fab. 57; 151; vgl. auch WASER 1915, 1025–1035. Lucr. 5,905. Vgl. Hom. Il. 6,181: πρόσθε λέων, ὄπιθεν δὲ δράκων, µέσση δὲ χίµαιρα.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
dass die Chimäre, vorne ein Löwe, hinten ein Drache und in der Mitte eine Ziege, Feuer speien könne.242 Hieronymus bietet in dem hier betrachteten Ausfall gegen Rufinus wohl ein Echo der Ausführungen bei Lucretius, indem er seinen Widersacher als ein Monster ex contrariis diversisque naturis bezeichnet. Die Formulierung iuxta illud poeticum erweckt den Anschein, als ob Hieronymus an dieser Stelle bewusst offen lassen wollte, ob er nun aus Lucretius oder Homer zitiert, um so seine Belesenheit größer erscheinen. Wie die Hydra zuvor zeichnet sich die Chimäre dadurch aus, dass ihr menschliche Eigenschaften gänzlich abgehen. Sie ist somit als Exemplum hervorragend geeignet, einen Widersacher schonungslos zu diffamieren. Durch ihre betonte Dreigestaltigkeit tritt die Mehrdeutigkeit ihres Wesens deutlich hervor. Dass die unterschiedlichen körperlichen Bestandteile solcher mythischer Mischwesen ihre Entsprechung in gegenläufigen Wesenszügen fanden, entsprach der gängigen Sicht in der Antike und zeigt sich bei Hieronymus auch in Bezug auf die Kentauren.243 Im Sinne seiner Intention, Rufinus’ Lehrtätigkeit als Possenspiel zu brandmarken, ist sie somit in Verbindung mit dem Nero-/Cato-Vergleich eine geschickte Wahl.
6.6.2.4 Kerberos, Skylla und andere Kläffer Im reichhaltigen Repertoire mythischer Monstren, das dem Kirchenvater zur Verfügung steht, ist eine auffällige Vorliebe für hundeartige und artverwandte Scheusale zu erkennen, etwa für Kerberos, den furchtbaren Wachhund der Unterwelt, oder die Skylla, ein Monstrum, das aus Hundeleibern zusammengesetzt ist. Damit dürfte zusammenhängen, dass Hieronymus den Hund auch als gewöhnliches Tier nutzt, um Widersacher zu beschimpfen. Zu seiner besonderen Freude an dem Wortfeld canis mit dem dazugehörigen latratus bemerkt OPELT treffend: „Bei Hieronymus ist es ein Lieblingsschimpfwort; er richtet es sowohl gegen Häretiker als auch gegen seine Gegner, die er in die Nähe der Häresie zu rücken versucht“.244 Dabei folgt er sowohl antiken Traditionen als auch dem Gebrauch der christlichen Autoren, die vor allem die Tollwut (lyssa/rabies) des Tieres hervorkehren.245 So bietet auch die Bibel eine Reihe Textstellen, die auf die verschiedenen Negativeigenschaften des Hundes Bezug nehmen. Im Brief an die Philipper erscheint er bereits als Schimpfwort, mit dem theologische Gegner belegt werden.246 Hieronymus
242 Lucr. 5,878–906. Vgl. Zu Hieronymus’ Lucretius-Nutzung HAGENDAHL 1958, 274 f. COURCELLE 1969, 60 f., ist skeptisch, was seine Homer-Kenntnisse angeht. 243 SPEYER 2012, 888 f. 244 OPELT 1980, 245; vgl. auch SÜSS 1938, 220 f.; OPELT 1965B, 267; OPELT 1973, 212; WISSEMANN 1992, 100–103; LOTH 1994, 825; KAHLOS 2010, 629. 641. 245 OPELT 1973, 173; SÜSS 1938, 218; OTTO 1890, 68 s.v. canis 1, Nr. 315. Zur christlichen Nutzung PETERSON 1959, 227, Anm. 7 m. zahlr. Belegen; OPELT 1980, 245; LOTH 1994, 817. 246 Phil 3,2; vgl. 2 Petr 2,22; Offb 22,15; hierzu LOTH 1994, 825. Positive Wertung des Hundes: Hier. in Is. 15,56,10–12 (VL 35, 1611); adv. Iovin. 2,6 (PL 23, 305C–306A); vgl. LOTH 1994, 809.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
277
benutzt die „stets etwas verächtliche Hundemetapher“247 so häufig wie gerne und tut dementsprechend die Äußerungen seiner Gegner als Gekläff ab.248 Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Hieronymus eine Vorliebe für mythische Exempla mit einer gewissen Nähe zu Hunden erkennen lässt. Während Kerberos im hieronymianischen Œuvre nur dreimal in Erscheinung tritt, ist die Skylla recht prominent vertreten. An den sechs Stellen, an denen sie, wie in der antiken Literatur üblich, mit Charybdis zusammen genannt wird, geht es jedoch entweder um nicht mehr als das geographische Phänomen oder aber die Dichotomie der doppelten, mit dem Ungeheuer verbundenen Gefahr steht für das jeweilige Exemplum im Vordergrund, nicht die Diffamierung von Personen.249 Im Unterschied zur Charybdis kommt die Skylla siebenmal einzeln vor, wo Hieronymus sie fast ausschließlich zur Beschimpfung einsetzt.250 Demetrias Amnia, die Empfängerin des 414 verfassten 130. Briefes, der oben bereits im Zusammenhang mit der Hydra zur Sprache kam, gehörte zur gens Anicia, „einer der führenden Familien des spätantiken römischen Reiches“.251 Es lohnt sich, ihrer Geschichte und ihrem Verhältnis zu Hieronymus ein wenig nachzugehen. Nach der Eroberung und Plünderung Roms im August 410 war Demetrias mit ihrer Mutter Iuliana sowie der Großmutter Proba vor den Goten nach Nordafrika geflohen.252 Dort ließ sie sich zur Jungfrau weihen und trat überdies in Kontakt zu Augustinus, in dem sie einen geistlichen Lehrer fand. Zudem konnte sie Pelagius als Mentor gewinnen, was freilich Augustinus’ Protest hervorrief.253 An Hieronymus richtete sie die Bitte um eine Anleitung zum asketischen Leben als Jungfrau Christi, einen Wunsch, dem er schon 30 Jahre zuvor in dem berühmten 22. Brief an Eustochium nachgekommen war.254 Dabei war es keine Selbstverständlichkeit, dass dieser Briefwechsel zustande kam. Der Kirchenvater kannte zwar keine der drei Frauen persönlich, hatte sich aber 247 OPELT 1980, 104. Vgl. Hier. vir. ill. praef. 7 (BARTHOLD 2010, 156); hierzu COURCELLE 1969, 76; hierzu oben 6.6.2.2; epist. 33,5,5; 70,3,2 (CSEL 54, 259. 704); hierzu OPELT 1980, 111; REBENICH 1992A, 166 f.; adv. Iovin. 1,7 (PL 23 229C/230A). 248 Hier. in Ezech. 6 praef.; 10,33 (CCL 75, 225. 475); in Matth. 3,21,21 (SC 259, 122); in Gal. 3 (CCL 77A, 163). Den Gott Anubis bezeichnet er als latrator: in Is. 13,46,1 (VL 35, 1385); in Ezech. 3,8 (CCL 75, 96); hierzu OPELT 1980, 245. 249 Charybdis nur einmal alleine in Hier. adv. Rufin. 3,37 (CCL 79, 106); vgl. auch SÜSS 1938, 234. Zum geogr. Phänomen Hier. adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93); epist. 108,7,2 (CSEL 55, 312); Dualität: Hier. in Nah. 2 (CCL 76A, 541); epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52); 125,2,3; 130,7,8 (CSEL 56, 121. 184). Vgl. auch Cic. har. 59. 250 Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150); in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225bis); in Os. 2 prol. (CCL 76, 55); vita Hilar. 1 (PL 23, 30B). Hier. in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) dient der Rechtfertigung der historischen Interpretation an dieser Stelle; in Is. 12,43,16 (VL 35, 1341) erklärt eine abweichende Übersetzung Theodotions. 251 FÜRST 2003, 168; vgl. LAURENCE 2002, 162; oben 6.6.2.2. 252 PLRE 2, 351 s.v. Demetrias; PLRE 1, 468 s.v. Anicia Iuliana 2; ebd. 732 s.v. Anicia Faltonia Proba 3. Zur Flucht der drei Frauen demnächst RONNENBERG 2015B. 253 Pelag. epist. ad Demetr.; Aug. epist. 188,14; hierzu GONSETTE 1933, 785–799. 254 Hier. epist. 130,19,3; vgl. GRÜTZMACHER 1908, 251–257; CAVALLERA 1922/1, 322; EISWIRTH 1955, 59; KRUMEICH 1993, 176 ff.; FEICHTINGER 1995, 217–220; CAIN 2009B, 160–166.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
in der Vergangenheit schon zu Mitgliedern der Familie geäußert: Probas Ehemann Sex. Claudius Petronius Probus, also den Großvater der Empfängerin, hatte er für seine administrative Tätigkeit der Jahre 368–375 recht scharf in der Chronik kritisiert: „Probus hat als Präfekt von Illyrien durch sein Eintreiben der Steuern die Provinzen ausgeblutet, die er regierte, bevor sie von den Barbaren verwüstet werden konnten.“255 Der polemische Tonfall der Bemerkung dürfte wohl mit dem Umstand zusammenhängen, dass Hieronymus’ Heimatort Stridon in der Präfektur zu suchen ist. Zu dieser Notiz tritt seine offene Abneigung gegen Ambrosius von Mailand, der einst ein Protegé des Probus war.256 Hieronymus’ Haltung wird auch den Frauen der Familie bekannt gewesen sein. Hinzu kam, dass Proba wie erwähnt in brieflichem Kontakt zu Rufinus gestanden und offen mit Johannes Chrysostomos sympathisiert hatte, welcher ebenfalls wegen seines Festhaltens an den origenistischen Lehren in Misskredit geraten war.257 Ein letzter Aspekt im Verhältnis des Kirchenvaters zu den Aniciern verdient eine detailliertere Betrachtung: Faltonia Betitia Proba, die Großmutter der Anicia Faltonia Proba aus dem vorliegenden Brief, hat zwischen 357 und 370 einen so genannten Cento verfasst, in dem sie mit 694 Hexametern aus den Werken Vergils eine Paraphrase der Bibel kompiliert hat.258 Hieronymus übergeht das Werk in seinem Schriftstellerkatalog De viris illustribus gewiss nicht zufällig, denn in einem Brief an Paulinus von Nola aus dem Jahr 395 macht er eine sehr abfällige Bemerkung über die damals neue literarische Gattung der Centonen: „Als ob wir nicht die Homer- und Vergil-Centonen gelesen hätten und so nicht auch Vergil einen Christen ohne Christus nennen könnten, bloß weil er geschrieben hat: ‚Nun kehrt wieder die Jungfrau, kehrt wieder saturnische Herrschaft, nun wird ein Spross entsandt aus himmlischen Höhn.‘ Und vom Vater, der zu seinem Sohn spricht: ‚Mein Sohn, du meine Stärke, meine gewaltige Kraft allein‘.Und nach den Worten des Heilands am Kreuz: ‚Solche Dinge erwägend verharrte er und blieb fest (fixusque manebat).‘ Kinderkram und Gauklerei ist so etwas: zu lehren, wovon du keine Ahnung hast, oder vielmehr, um mit Kleitomachos zu sprechen, nicht einmal zu wissen, dass du nichts weißt.“259
255 Hier. chron. a. Abr. 2388 (GCS Eus 7, 246): Probus praefectus Illyrici iniquissimis tributorum exactionibus ante provincias quas regebat, quam a barbaris vastarentur, erasit. Vgl. PLRE 1, 736–740 s.v. Sex. Claudius Petronius Probus 5. 256 Paul. Med. vita Ambr. 5. 257 FÜRST 2003, 186. 258 Centones Virgiliani ad testimonium veteris et novi testamenti (PL 19, 801–818). Vgl. SCHELKLE 1954, 972; OPELT 1964, 106–116; PLRE 1, 732 s.v. Faltonia Betitia Proba 2; DUNPHY 1990, 141; SPRINGER 1993, 96 f.; HÜBNER 1998, 517; LAURENCE 2002, 134; GÄRTNER 2004, 426 f.; HOSE 2006, 89 f. 94; CAMERON 2011, 327–337. Zur Datierung und Zuschreibung JAKOBI 2005, 88–92. SHANZER 1986, 232–248, weist das Werk der Enkelin Anicia Faltonia Proba in den Jahren 384–388 zu. 259 Hier. epist. 53,7,3 (CSEL 54, 454): quasi non legerimus Homerocentonas et Vergiliocentonas ac non sic etiam Maronem sine Christo possimus dicere Christianum, quia scripserit: ‚iam redit et virgo, redeunt Saturnia regna, / iam nova progenies caelo demittitur alto‘ [Verg. ecl. 4,6 f.], et patrem loquentem ad filium: ‚nate, meae vires, mea magna potentia solus‘ [Verg. Aen. 1,664], et post verba salvatoris in cruce: ‚talia perstabat memorans fixusque manebat‘ [Aen. 2,650]. puerilia sunt haec et circulatorum ludo similia, docere, quod ignores, immo, ut
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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Hieronymus gibt sich hier als erklärter Gegner der profanen Dichtung „als Mittel der Glaubensverbreitung“260 zu erkennen. Nun ließe sich einwenden, dass im hieronymianischen Œuvre ein Gebrauch von Dichter-Zitaten zu beobachten ist, der mit dem in den Centonen vergleichbar ist: Häufig arbeitet er Verse in seine Texte ein, vor allem aus Vergil, die nicht immer als solche gekennzeichnet und darüber hinaus aus ihren genuinen Kontexten herausgerissen sind.261 Der Unterschied zwischen seinem eigenen Gebrauch profaner Poesie und dem hier kritisierten wird durch ein Beispiel jedoch schnell deutlich. Hieronymus hat den letzten der drei oben angeführten Vergilverse in seiner Paulus-Vita selbst an der Stelle benutzt, an der er beschreibt, wie Antonius an Paulus’ Tür wartet: „‚Gesucht habe ich und gefunden. Ich klopfe an, damit mir geöffnet werde; sollte ich dies nicht erreichen, so will ich hier sterben vor deiner Türe, Dann musst du wenigstens meinen Leichnam begraben.‘ ‚Solcherlei sprach er und blieb hartnäckig und fest auf dem Posten.‘“262
Der Kirchenvater schmückt seine Erzählung mit einem Klassiker-Zitat, das zudem seine eigene Belesenheit zur Schau stellt. Nicht aber versteht er die Worte, die Vergil über Anchises’ Entschluss benutzt, das brennende Troja nicht zu verlassen, „als geheimnisvolle Prophezeiung auf Christus“.263 Abgesehen von ästhetischen Vorbehalten gegen die Literaturgattung der Centonen, wendet Hieronymus sich in dem Brief an Paulinus von Nola grundsätzlich gegen eine interpretatio Christiana der profanen Dichter zu dem Zweck der Bibelexegese.264 Eigentlich konnte, wer den Cento der älteren Proba kannte, kaum anders, als seine harsche Kritik an der ganzen Gattung konkret auf ihr Werk zu beziehen, zumal alle Beispielverse, die Hieronymus anführt, in ihrem Cento enthalten sind.265 Die Familie „dieser geschwätzigen Alten“, wie er sich gegenüber Paulinus ausdrückt, hatte eigentlich allen Grund, sich brüskiert zu fühlen.266
260 261 262
263 264 265
266
cum Clitomacho loquar, nec hoc quidem scire, quod nescias. Verg.-Übers. nach GÖTTE/GÖTTE 1972, 15; FINK 2009, 49. Vgl. Hier. adv. Rufin. 2,10 (CCL 79, 41); Petron. 46; hierzu OTTO 1890, 119 s.v. docere 2, Nr. 568. Zum vermeintlichen Kleitomachos-Zitat Pl. Ap. 21d; hierzu GRÜTZMACHER 1906, 226. Zu Paulinus von Nola REBENICH 1992A, 220–239; SKEB 1998A, 480–482; FÜRST 2003, 203 ff. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 284–288. OPELT 1964, 106. Vgl. JAKOBI 2005, 88. Noch das 7. Kapitel desselben Briefes leitet er mit einem Zitat von Hor. epist. 2,1,117 ein; vgl. Hier. epist. 53,7,1 (CSEL 54, 453); ebenfalls zitiert adv. Rufin. 1,17 (CCL 79, 15). Hier. vita Pauli 9 (PL 23, 25B): Quaesivi, et inveni; pulso ut aperiatur [Mt 7,7; Lk 11,9]. Quod si non impetro, hic moriar ante postes tuos: certe sepelies vel cadaver. ‚Talia perstabat memorans, fixusque manebat‘. Übers. GRESCHAT/TILLY 2009, 122. Vgl. HAGENDAHL 1958, 280; FUHRMANN 1976, 70 f. 74. Vgl. auch oben 6.2.1.1. SCHMID 1954, 792. OPELT 1964, 106 f.; BROWN TKACZ 1997, 380; JAKOBI 2005, 86; pace HAGENDAHL 1958, 387. Proba cento 34 (PL 19, 805C): Iam nova progenies, omnis quem credidit aetas. ≈ Verg. ecl. 4,6 f.; Proba cento 403 (PL 19, 811B) = Verg. Aen. 1,664; Proba cento 624 (PL 19, 815D) = Verg. Aen. 2,650. Vgl. Hier. epist. 53,7,1 (CSEL 54, 453): hanc garrula anus, hanc delirus senex, hanc soloecista verbosus, hanc universi praesumunt, lacerant, docent, antequam discant. Hierzu SPRINGER 1993, 99 f.; JAKOBI 2005, 88; pace WENSKUS 2006, 299; SCHOTTENIUS CULLHED 2014, 200 f.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Vor dem Hintergrund dieser recht weit gestreuten Hinweise lässt sich festhalten, dass zumindest bis zur Flucht der drei Frauen aus Rom nicht gerade von einer amicitia zwischen ihnen und Hieronymus auszugehen ist. WALTER DUNPHY fragt daher mit Recht: „Why did Jerome write to Demetrias?“267 Zunächst war es gewiss eine Sache des Anstands, einer solchen Bitte nach geistlicher Unterweisung nachzukommen, und für den Kirchenvater war es zudem eine erstklassige Gelegenheit, die asketische Sache zu fördern. Überdies hatte er mit dem Tod von Pammachius und Marcella im Jahr 410 wichtige Verbindungen nach Rom verloren, so dass er auf neue, einflussreiche amici angewiesen war, gerade was die Unterstützung seiner Tätigkeiten in Bethlehem und seinen Status als literarische Autorität in Rom selbst anging. Ausschlaggebend wird darüber hinaus die Offenheit der Frauen gegenüber heterodoxen Ideen gewesen sein, die ihnen durch Pelagius vermittelt wurden und denen Hieronymus etwas entgegensetzen wollte. Im siebten Kapitel des 130. Briefes wendet er sich an die Großmutter Proba. Er rekapituliert zunächst die Ankunft der drei Frauen in Afrika, die wohl noch 410 anzusetzen ist, sowie ihre Aufnahme durch Heraclianus, den comes Africae: „Dort nahm sie einer in Empfang, bei dem man nur zweifeln kann, ob er mehr habgierig oder mehr grausam war. Diesem Menschen ging nichts über Wein und Geld. Unter dem Schein der Ergebenheit gegen den mildesten Kaiser wurde er gegen alle zum grausamsten Tyrannen. Man könnte ihn – um mit den fabulae der Dichter zu sprechen – mit Orcus im Tartaros vergleichen, freilich mit dem Unterschied, dass er keinen drei-, sondern einen vielköpfigen Kerberos besaß, der alles an sich zog, alles zerriss, alles vernichtete. Mit Gewalt schleppte er die verlobten Töchter aus den Armen ihrer Mütter. Syrischen Händlern, den habgierigsten unter allen Sterblichen, verkaufte er Mädchen aus vornehmen Häusern als Frauen. Er kannte kein Mitleid mit der Not der Waisen, der Witwen und der Christus geweihten Jungfrauen. Er hatte kein Auge für ihre flehentlichen Blicke, sondern nur für ihre geldspendenden Hände. Unsere Matrone musste, nachdem sie den Barbaren entronnen war, dieses wilde Tier ertragen, diese Charybdis und von vielen Hunden umgürtete Skylla, die weder Schiffbrüchige schonte, noch Mitleid mit den Gefangenen kannte. Du Grausamer, konntest du dir nicht wenigstens ein Beispiel nehmen an dem Feind des römischen Reiches!“268
Heraclianus, dessen Bild hier so düster gezeichnet wird, war nicht lange zuvor noch ein gefeierter Held Roms gewesen. So hatte er den Posten des comes Africae zum Lohn für den Vollzug des kaiserlichen Mordbefehls an Stilicho am 23. August 408 CAMERON 2011, 337, nimmt an, Hieronymus habe nicht bemerkt, dass es sich um dieselbe Proba wie in epist. 130,7 handelte. 267 DUNPHY 1990, 139. Vgl. LAURENCE 2002, 138; pace GONSETTE 1933, 793. 268 Hier. epist. 130,7,7 f. (CSEL 56, 184 f.): excipitur enim ab eo, quem nescias utrum avarior an crudelior fuerit, cui nihil dulce praeter vinum et pretium et qui sub occasione partium clementissimi principis saevissimus omnium extitit tyrannorum et – ut aliquid loquar de fabulis poetarum – quasi Orcus in tartaro non tricipitem sed multorum capitum habuit Cerberum, qui cuncta traheret, laceraret, extingueret. hic matrum ‚gremiis abducere pactas‘ [Verg. Aen. 10,79], negotiatoribus et avidissimis mortalium Syris nobilium puellarum nuptias vendere, non pupillorum, non viduarum, non virginum Christi inopiae parcere manusque magis rogantium spectare quam vultus. hanc feram et Charybdim Scyllamque succinctam multis canibus fugiens barbaros matrona sustinuit, quae nec naufragiis parceret nec captivitatibus flecteretur. imitare, crudelis, saltim hostem Romani imperii. Übers. nach BKV² 16, 251 f. Zu den negotiatores Syri vgl. Vulg. Ezech. 27,16; Hier. in Ezech. 8 praef. (CCL 75, 333).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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erhalten.269 Außerdem konnte er seine Diözese, die für die Getreideversorgung Roms von besonderer Wichtigkeit war, im folgenden Jahr gegen die Truppen des von Alarich eingesetzten Gegenkaiser Priscus Attalus für Honorius behaupten. Ferner schickte er dem Kaiser finanzielle Unterstützung und schnitt gezielt die Kornlieferungen nach Italien ab, so dass nicht nur das ohnehin belagerte Rom, sondern auch die Goten die Lebensmittelknappheit zu spüren bekamen. Im Jahr 413, also noch im Vorjahr zu diesem Brief, bekleidete er den Konsulat. Die Wende setzte aber noch im selben Jahr ein, als er sich gegen den clementissimus princeps erhob, wie Hieronymus formuliert, und erneut die für Rom bestimmten Kornzufuhren zurückhielt. Mit einer riesigen Flotte von angeblich 3700 Schiffen setzte er nach Italien über.270 Doch noch bevor sein Marsch auf Ravenna ans Ziel gelangte, wurden die Truppen in einer schweren Schlacht bei Utricolum in Italien geschlagen.271 Honorius sprach gegen ihn das Todesurteil aus, vor dessen Vollstreckung er vergeblich nach Karthago floh.272 Inwiefern er sich ein Beispiel am hostis Romani imperii hätte nehmen sollen, spezifiziert Hieronymus an der maßvolleren Art des Plünderns durch Alarich: „Der Brennus unserer Tage nahm mit, was immer er vorfand; Du verlangst, was nicht zu finden ist.“273 Offenbar hatte Heraclianus die Not der Flüchtlinge aus Rom ausgenutzt. Proba hatte vor der Abreise die Besitztümer der Familie veräußert und, obwohl man davon ausgehen muss, dass sie wegen der Krisensituation in Italien verhältnismäßig niedrige Preise erzielt haben dürfte, landete sie als wohlhabende Frau an der afrikanischen Küste.274 Die Verschleppung in den Menschenhandel trägt Züge topischer Tyrannendarstellungen und hat wohl als rhetorische Übertreibung zu gelten.275 Der wahre Sachverhalt ist nicht zu ermitteln, in jedem Fall dürften die drei Anicierinnen in der Lage gewesen sein, sich frei zu kaufen. Mit der Aufzählung der pupillorum, viduarum und virginum im 130. Brief spricht der Kirchenvater solche Personengruppen an, denen Demetrias und ihre Familie angehörten und die ihm vor allem der asketischen Sache wegen besonders am Herzen lagen. Wie ernst die angedeutete Trunksucht des Heraclianus zu nehmen ist, lässt sich ebenfalls nicht ermitteln. Dass es sich um eine polemische Anschuldigung handelt, ist vor dem Hintergrund der hieronymianischen Praxis nicht unwahrscheinlich,276 zumal der Vorwurf des Alkoholmissbrauchs aus dem Munde eines bekannten Verfechters der Enthaltsamkeit eine besondere Schärfe haben dürfte. 269 270 271 272
273
274 275 276
Zos. 5,37,6. Zur Identität des Heraclianus LAURENCE 2002, 146. Oros. hist. 7,42,10. 12 f. Hyd. chron. II 18,56; heute Otricoli, ca. 70 km nördl. von Rom; vgl. BAtlas 42, C4: Ocriculum. Cod. Theod. 15,14,13; Oros. hist. 7,42,14; Zos. 6,7 ff.; Prosp. chron. I 467, 1219; Chron. Gall. chron. I 654,75; Hyd. chron. II 18,56; Marcell. chron. II 71,413; vgl. SEECK 1912, 405 f.; PCBE 1, 552 f. s.v. Heraclianus; PLRE 2, 539 f. s.v. Heraclianus 3. Hier. epist. 130,7,9 (CSEL 56, 185): Brennus nostri temporis tantum, quod invenerat, tulit; tu quaeris, quod non invenis. Übers. BKV² 16, 252. Vielleicht spielt er darauf an, dass die Goten das Kirchenasyl respektiert hatten; vgl. Aug. urb. exc. 2; civ. 1,1. 4. 7; Oros. hist. 7,38,6–10. LAURENCE 2002, 145. 149. Zu Immobilienverkäufen im Sommer 410 Geront. vita Melan. 14. FREUND 2013, 413–437. Erotische Vorwürfe verbaten sich für Hieronymus, weil er natürlich den Leumund der drei Frauen nicht beschädigen wollte. SÜSS 1938, 235 f.; OPELT 1973, 172 ff.; WISSEMANN 1992, 111.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Hieronymus ergänzt diese noch verhältnismäßig sachlichen Vorwürfe in dem Abschnitt zweimal durch Beschimpfungen, in denen er Heraclianus jeweils mit Figuren aus dem griechischen Mythos vergleicht. Das erste der beiden Male leitet er mit der Parenthese ut aliquid loquar de fabulis poetarum ein. Da das folgende Exemplum aber weder einer konkreten Erzählung noch einem bestimmten Dichter zugeordnet werden kann, ist der Einschub weniger als Quellenangabe zu bewerten, sondern viel mehr als captatio benevolentiae. Zunächst betitelt er Heraclianus als Orcus in tartaro, der zudem einen Cerberus als Gehilfen habe. Orcus ist bei den Römern der Herr des Totenreichs, der früh mit dem griechischen Hades/Pluto identifiziert worden ist. Gerade in der Spätantike wurden die Namen „wahllos als volle Wechselbegriffe“ gebraucht.277 Wie dem Zeus der Himmel und dem Poseidon das Meer, wird ihm nach Beendigung des Titanenkampfes die Erde als Bereich zugewiesen, in der die Unterwelt sein unmittelbares Herrschaftsgebiet darstellt. In mythischen Erzählungen tritt er nur selten als Handelnder auf. Zum einen ist da der berühmte Raub der Persephone zu nennen; zum anderen der Kampf mit Herakles, der im Rahmen des Dodekathlos den Kerberos aus der Unterwelt entführt.278 Beide Erzählungen bieten zugleich die einzigen Gelegenheiten, zu denen Hades sein Herrschaftsgebiet verlässt. Hieronymus mit seinem Interesse für Etymologie und seinem Sinn für Wortspielereien – vor allem im Zusammenhang mit Beschimpfungen – mag die Anspielung auf die HeraklesEpisode wegen der Namensähnlichkeit zu Heraclianus gewählt haben.279 Obwohl bei den Griechen die Unterwelt ursprünglich als Ort aller Verstorbenen per se wertfrei war, ist der Name des Hades bereits seit homerischen Zeiten derart negativ behaftet, dass der Gott im Volksglauben mit Euphemismen bezeichnet wird, um seinen Namen nicht aussprechen zu müssen. Dieses „Gewaltthätige, Furchtbare und Finstere“ scheint Hieronymus im Sinn gehabt zu haben.280 Hades’ ständiger Begleiter ist Kerberos, der furchtbare Hund, dessen Eltern – wie schon bei Hydra und Chimäre – die Ungeheuer Typhon und Echidna sind. Außer Herakles gelingt es im Mythos nur Orpheus, den Kerberos durch seinen Gesang und sein Saitenspiel gefügig zu machen. Seelen, die versuchen, dem Schattenreich zu entkommen, werden von Kerberos gefressen. Schon sein Äußeres ist furchterregend: Der Körper ist mit Schlangen besetzt, wie auch der Schwanz in den Kopf einer Schlange mündet. Die Zahl der Köpfe, die Hieronymus hier mit multa angibt, ist in der literarischen und bildlichen Überlieferung schwankend. Vereinzelt hat er einen, öfters zwei, mehrheitlich jedoch drei Köpfe, wobei ihm in einzelnen Versionen 50 Köpfe zugeschrieben werden und er bei Horaz sogar eine belua centiceps ist.281 Die Unterschiede in den Überlieferungen wird Hieronymus im Sinn gehabt haben, als er über Heraclianus schrieb: non tricipitem sed multorum capitum habuit
277 278 279 280 281
MACKAUER 1939, 915. Zu Orcus allg. PETER 1902A, 940–945; HABERMEHL 1996, 292 ff. Apollod. 2,5,12; D.S. 4,25,1; Hyg. fab. 30,13. SÜSS 1938, 221 ff. SCHERER 1890, 1782; vgl. PREHN 1918, 876 f.; MACKAUER 1939, 911. Hor. carm. 2,13,34. Vgl. IMMISCH 1894, 1119–1135; EITREM 1921, 271–284.
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Cerberum. Die gesteigerte Anzahl der Köpfe soll dabei wohl auch zu einer gesteigerten Schaurigkeit des Tieres beitragen. Hades wie Orcus werden auch als eponyme Bezeichnung für ihr Reich selbst verwendet, hier ist jedoch in tartaro als Ortsbestimmung beigefügt. Der Tartaros ist ursprünglich das Gefängnis, in das Zeus die besiegten Titanen geschleudert hat. Auch in der Folge droht er immer wieder mit dem „Strafort für frevelnde Götter überhaupt“.282 Nach einigen Berichten müssen mythische Büßer wie Tantalos und Sisyphos hier ihre Strafen über sich ergehen lassen.283 Bei Vergil findet sich die Vorstellung ausgereift, der zufolge der Tartaros im Unterschied zum Elysium den gottlosen Menschen zugewiesen wird, die im Leben Schlechtes getan haben.284 Die Alternative zweier jenseitiger Bestimmungsorte lässt eine konzeptionelle Ähnlichkeit zur christlichen Hölle erkennen. Im Sprachgebrauch der Kirchenschriftsteller hatte sich allen heidnischen Implikationen zum Trotze tartarus bereits fest als Jenseits-Begriff etabliert und war „grand style chrétien, surtout poétique et funéraire“.285 Auch bei Hieronymus ist der mythische Ursprung der Vokabel nicht mehr greifbar. Die vorliegende Stelle, in der er eindeutig auf den mythischen Tartaros rekurriert, stellt eine Ausnahme dar. Die drei stadtrömischen Aristokratinnen scheinen in Afrika also zunächst die sprichwörtliche Hölle auf Erden vorgefunden zu haben, in der Heraclianus wie Hades in seinem Reich unerbittlich herrschte und auf furchtbare Unterstützung zurückgreifen konnte. Gemeinhin wird angenommen, dass mit dem Kerberos hier ein gewisser Sabinus gemeint ist, den Heraclianus mit seiner Tochter verheiratet und in ihm einen treuen Gehilfen gefunden hatte. Nach der gescheiterten Empörung gegen Honorius im Jahr 413 floh dieser nach Konstantinopel, wurde aber ebenfalls gefasst und schließlich verbannt.286 Welche Rolle er bei der Ankunft der drei Frauen gespielt hat, lässt sich nicht ermitteln. Überdies bleibt unklar, worauf die betont hohe Anzahl der Köpfe des Kerberos anspielen soll. Denkbar ist daher, dass der mythische Hund insgesamt für den Stab steht, der Heraclianus für seine Ausbeutung von Rom-Flüchtlingen zur Verfügung stand. Demnach stehen die Köpfe für die einzelnen Ausführenden. Angesichts der überlieferten Truppenstärke für sein italisches Abenteuer drei Jahre später – selbst wenn man von einer starken Übertreibung ausgeht – konnte er als comes Africae offenbar auf beträchtliche Ressourcen zurückgreifen.287 Zudem waren es nicht wenige Flüchtlinge, die entlang der Mittelmeerküsten aus Rom und Italien ankamen,288 so dass ein gewisser logistischer Aufwand vonnöten war, wenn man wie Heraclianus die Not der Menschen und die eingeschränkte Handlungsfähigkeit 282 283 284 285
SCHERLING 1932, 2440; vgl. WASER 1924, 123. Hom. Od. 11,582–600; Apollod. 1,9,3; Paus. 2,5,1; Hyg. fab. 60; 82. Verg. Aen. 6,540 ff.; vgl. HABERMEHL 1996, 298. FONTAINE 1968, 1259; vgl. MOHRMANN 1961, 156; BARTELINK 1965, 193–209; LARDET 1993, 139 ad 238b. 286 Oros. hist. 7,42,11–14; vgl. SEECK 1912, 406; SCHADE, in: BKV² 16, 251, Anm. 5; PLRE 2, 968 s.v. Sabinus 4. HERMANN 1954, 985, bezieht das Exemplum auf den Mord an Stilicho. 287 Not. dign. occ. 25. 288 Hier. epist. 128,5,1 (CSEL 56, 161); hierzu demnächst RONNENBERG 2015B.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Ravennas möglichst umfassend ausnutzen wollte. Hinzu kommt die Analogie zu den betrachteten Hydra-Referenzen, bei denen Hieronymus auch mehrere Personen durch die Betonung der Vielzahl der Köpfe anspricht. Dass hier Kerberos an die Stelle der mythischen Wasserschlange tritt, dürfte dem Verhältnis Hund und Herr in der Orcus-Allegorie geschuldet sein. Nachdem Hieronymus’ Leserschaft im weiteren Verlauf vom mutmaßlichen Menschenhandel des Heraclianus erfahren hat, wird dieser als wilde Bestie bezeichnet: hanc feram et Charybdim Scyllamque succinctam multis canibus. Womöglich hat Hieronymus Vergils berühmte Episode von Aeneas’ Gang durch die Unterwelt im Sinn: Nachdem der Held durch die fauces Orci geschritten war, hatte er unter anderem „Mischwesen wie Skyllen“ gesehen.289 Offenbar hatte auch sie wegen ihrer Tödlichkeit ein Stück weit chthonischen Charakter. Die Charybdis als „gefräßiges Weib“290 stellt ein sinnfälliges Bild für die avaritia des Heraclianus dar. Obwohl beide Wesen an fest zugeschriebenen Orten hausen, von denen einer streng genommen sogar an Land liegt, sind sie nautische Ungeheuer, durch die allein Seereisende bedroht sind. Dieser Aspekt des Exemplums passt zur Situation der drei Anicierinnen, da sie auf dem Seeweg an die Küste Afrikas gelangt waren.291 Eine weitere inhaltliche Verbindung der beiden Paare mythischer Exempla in der Textstelle – welche diese Betrachtung zu ihrem Ausgangspunkt zurückführt – ist durch die Gestalt der Skylla gegeben, da sie „von vielen Hunden umgürtet“ ist, wie Hieronymus knapp über das schaurige „Meeresphantasma aus Frauenkörper und H.[unde]protomen“292 bemerkt. Damit ist das gleiche Tier, das im ersten Exemplum als Schrecken der Unterwelt erwähnt wird, hier als Teil des Seeungeheuers präsent. Ovid bezeichnet die Hundemäuler der Skylla in den Metamorphosen sogar ausdrücklich als „kerberosartige Rachen“.293 Zudem erscheint wie kurz zuvor beim multorum capitum Cerberus erneut die Vokabel multi, abermals ist also die Vielheit der Entourage des Heraclianus betont. Auch Cicero hat Verres in seinem Bericht über dessen systematische Plünderung von Schiffen, die vom östlichen Mittelmeer her an Sizilien vorbeikamen, mit Charybdis und Skylla verglichen. Mit der Bemerkung, dass jener mit noch mehr und entsetzlicheren Hunden umgürtet gewesen sei, bezieht sich Cicero eindeutig auf Verres’ Helfer.294 Von der ähnlichen Formulierung in der Hieronymus-Stelle abgesehen, ist die Situation eine beinahe 289 Vgl. Verg. Aen. 6,285–289: multaque praeterea variarum monstra ferarum, / Centauri in foribus stabulant Scyllaeque biformes / et centumgeminus Briareus ac belua Lernae / horrendum stridens, flammisque armata Chimaera, / Gorgones Harpyiaeque et forma tricorporis umbrae. 290 GEISAU 1979, 1140. Vgl. Hier. epist. 125,2,3 (CSEL 56, 120 f.); hierzu oben 6.4.1.1. Vgl. auch Hor. carm. 1,27,19; hierzu OTTO 1890, 82 s.v. Charybdis, Nr. 382. 291 Geht man davon aus, dass sie nicht allzu weit östlich von Karthago landeten, dürfte ihre Route sie jedoch westlich an Sizilien vorbei geführt haben, also nicht durch die Straße von Messina. 292 LOTH 1994, 788. Vgl. Lucr. 5,890–894. 293 Ov. met. 14,59–67: et corpus quaerens femorum crurumque pedumque, / Cerbereos rictus pro partibus invenit illis. 294 Cic. Verr. 2,5,146; hierzu SÜSS 1938, 233 f., der hierin eine Vorlage zu Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5 f.) erblickt. Außerdem ist bis dato nur eine weitere Übernahme identifiziert worden: In Hier. epist. 54,2,2 (CSEL 54, 467) und c. Vigil. 8 (CCL 79C, 18) zitiert der Kirchenvater jeweils Cic. Verr. 2,1,40; hierzu HAGENDAHL 1958, 247. 287; HAGENDAHL 1974, 221 f.
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spiegelbildliche Entsprechung: Die Fahrtrichtung der drei Anicierinnen ist die entgegengesetzte, doch auch sie werden Opfer der Ausbeutung durch einen Statthalter – zwar nicht entlang der Route, aber an ihrem Zielort. So deutet auch die inhaltliche Analogie seiner Vorlage darauf hin, dass Hieronymus nicht an Sabinus alleine gedacht hat, wenn er Heraclianus als Scylla succincta multis canibus bezeichnet. Der Verres-Bezug stützt zudem die Vermutung, dass der Kirchenvater seine Darstellung rhetorisch überzeichnet hat.295 Seiner Abscheu gegen den gewesenen comes Africae verleiht Hieronymus also Ausdruck, indem er ihn zweimal mit Namen mythischer Figuren beschimpft, die durch ihre Erscheinung und ihr Wesen fürchterlich sind, ohne dass er ihre Abscheulichkeit näher erläutern muss. Er benutzt somit keine Exempla, deren negative Konnotation erst aus dem jeweiligen narrativen Zusammenhang zu erschließen ist, wie beispielsweise im vergilischen Topos vom verschlagenen Odysseus. Bei der Auswahl der mythischen Figuren ist zudem eine deutliche Bevorzugung von Ungeheuern zu beobachten, die in irgendeiner Weise hundegestaltig sind oder in direktem Bezug dazu stehen. Vor dem Hintergrund seiner bis dato erkennbaren Haltung zur Familie der Anicii einerseits und seiner eigenen Interessen andererseits könnte die barocke Stilisierung des Heraclianus dem Kaschieren persönlicher Vorbehalte gegen die Familie dienen. Abgesehen von einer subjektiv empfundenen Reserviertheit des Kirchenvaters296 und dem Fehlen jeglicher Indizien für eine Fortführung des Kontaktes zu den Frauen, lassen sich für diese Spekulation jedoch weder in die eine noch in die andere Richtung Belege anführen.297 In der praefatio zum sechsten Buch des Ezechiel-Kommentars, das etwa zu derselben Zeit fertiggestellt worden sein dürfte, spielt Hieronymus regelrecht mit dem Skylla-Exemplum und dem Bildfeld Hund: „Ich glaubte, dass die Setzlinge der neuen Hydra nicht wieder aufleben würden, da die Schlange einmal in ihrer Mitte niedergestochen war, und dass, gemäß den fabulae der Dichter, die skylläischen Hunde, die nicht aufhören wollen zu kläffen, nach dem Tod der Skylla nicht weiter gegen mich wüten würden. Nachdem die Häretiker von Gottes Hand niedergestreckt worden waren (die Häresie selbst stirbt nicht), glaubte ich ferner, dass, ‚wenn möglich, auch die Auserwählten‘ Gottes nicht durch die Welpen in Versuchung geführt würden, welche die Skylla als Erbe ihrer Feindschaft gegen uns zurückließ. In Nachahmung unserer Lehre geben sie die Gifte der alten Erzeugerin und des gerissenen Odysseus nicht auf und schmieren so viel Honig um ihre Lippen, dass sie, gemäß den Worten der Schrift, ihre Worte weicher machen als Öl, obwohl sie aber entflammte Geschosse sind, die es mit dem Schild des Glaubens zugleich abzuwehren und auszulöschen gilt.“298 295 296 297 298
FREUND 2013, 413–437. DUNPHY 1990, 138. SIVAN 1993A, 140–157. Hier. in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225): Putabam quod, medio serpente confosso, non reviviscerent hydrae novellae plantaria et, iuxta fabulas poetarum, Scylla mortua, nequaquam in me Scyllaei saevirent canes qui latrare non cessant, et, haereticis Dei percussis manu ne tentarentur, si fieri potest, etiam electi Dei [Mt 24,24], haeresis ipsa non moritur, haereditariis contra nos odiorum suorum catulis derelictis, qui, nostra simulantes, genitricis antiquae et pellacis Ulixi [Verg. Aen. 2,90] venena non deserunt, labiaque tantum melle circumlinunt et,
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Als Hydra beschimpft Hieronymus erneut den toten Rufinus und legt damit ein weiteres Zeugnis für die tiefe Verbitterung über den einstigen Freund ab. Das Bild von den plantaria, das sich auf die nachwachsenden Köpfe des Wasserungeheuers bezieht, ist aus epist. 130 bekannt.299 Wen der Kirchenvater als Rufinus’ geistige Nachfolger im Visier hat, bleibt unklar. Sicherlich kommt Pelagius in Frage, den er an anderer Stelle auch als progenies des Rufinus bezeichnet.300 Im Folgenden wiederholt Hieronymus das Bild und überträgt die Eigenschaften der Hydra dergestalt auf die Skylla, dass nach ihrem Tod die Hundeprotomen weiterleben und weiter gegen ihn kläffen. Dass das Unausrottbare der Häresien und ihrer Vertreter hier so betont wird, soll die Beschwerlichkeit des Kampfes einerseits und die nicht zu unterschätzende Gefahr andererseits hervorkehren. Ausgerechnet dieses Detail versieht er mit der Bemerkung iuxta fabulas poetarum, obwohl sich die Ansicht, dass die Hunde am Körper der Skylla nach ihrem Tod weiterleben, anderweitig nicht belegt ist. Überhaupt sind keine Erzählungen überliefert, die vom Tod der Skylla berichten, und Homer betont sogar ihre Unsterblichkeit.301 Nur wenig später in der praefatio bezeichnet Hieronymus die weiterlebenden Hunde als „Welpen“ (catuli), was ein Echo der antiken etymologischen Herleitung des Ungeheuers von σκυλάξ sein mag. Jedoch muss offen bleiben, ob er absichtlich darauf anspielt oder ob die Verknüpfung Skylla und Welpe allgemein so geläufig war, dass die Scyllaei canes ohnehin als Jungtiere ausgefasst wurden. Das „Erbe“, das sie darstellen, erklärt sich wohl aus dem Spiel mit haeresis und haereditarii. Hieronymus wettert gegen die Irrlehren, die er als Gifte „der alten Erzeugerin“ und des Odysseus tituliert. Rätsel gibt dabei vor allem die genitrix antiqua auf.302 Aufgrund der Erwähnung der Welpen wäre es möglich, dass Hieronymus erneut die Skylla selbst als deren Erzeugerin erwähnt und ihren Namen kein viertes Mal in dem kurzen Stück Text erscheinen lassen möchte. Die paarweise Nennung mit Odysseus und der betonte Bezug zum Gift passen dann jedoch nicht. Die vergilische Wendung pellax Ulixes könnte auf Venus hindeuten, die Mutter des Aeneas, die in der Aeneis mehrfach genetrix genannt wird.303 Die Formulierung lässt auch an die Göttermutter Rhea bzw. Kybele denken,304 lässt sich jedoch nicht weiter in Bezug zum restlichen Text setzen. Die Mutterfigur schlechthin, die im Mythos mit Gift in Verbindung gebracht wird, ist hingegen Medeia, die über sich selbst sagt, dass Vergiften das sei, was sie am besten könne.305 Als ihr Mann Iason sich von ihr scheiden
299 300 301 302 303 304 305
iuxta eloquia scripturarum, mollierunt verba sua super oleum [Ps 55,22], ipsi autem sunt iacula, et iacula ignita, quae scuto fidei repellenda simul et exstinguenda sunt. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 298–301. Oben 6.6.2.2. Hierzu ThLL 10,1, 2328,35 ff. s.v. plantaris 1. Vgl. auch Ambr. fid. 3,1,3. Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151). Vgl. HAMMOND 1977, 427. Hom. Od. 12,118. GRÜTZMACHER 1908, 207; CAVALLERA 1922/1, 319. Verg. Aen. 1,590. 689; 4,227; 8,383; 12,412. 554. Hom. Il. 14,201–204; Hes. Th. 135; 453–506; Apollod. 1,1,3–2,1; 3,5,1. 12,6; Paus. 8,8,2 f. 36,2 f.; Hyg. fab. 139. E. Med. 384 f.
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lassen will, um Glauke, Kreons Tochter, zu heiraten, schickt sie einen der gemeinsamen Söhne mit einem goldenen Gewand, das vergiftet ist, als Hochzeitsgeschenk für Glauke in den Palast in Korinth. Die Ahnungslose legt das Kleid an und stirbt qualvoll. Auch Kreon, der ihr zu Hilfe eilt, wird durch das Gift getötet.306 Nach ihrer Tat flieht Medeia nach Athen und gebiert dort dem König Aigeus einen Sohn namens Medos. Als Aigeus’ Erstgeborener Theseus, von dem er nichts weiß, nach Athen kommt, ist Medeia um das Thronerbe ihres eigenen Sohnes besorgt und stiftet den ahnungslosen Aigeus an, den vermeintlich fremden Theseus mit vergiftetem Wein zu ermorden. Im letzten Moment erkennt der Vater seinen Sohn und schlägt ihm den Becher aus der Hand.307 Letztlich ist eine schlüssige Verbindung zu der Hieronymus-Stelle jedoch nicht herzustellen, auch wenn manche Überlieferungen Medeia als Urgroßmutter des Ilos in Ephyra anführen, zu dem Odysseus reist, um Gift für seine Pfeile zu kaufen.308 Weitaus berühmter ist hingegen die Erzählung, die Odysseus nach Aiaia führt, wo die Zauberin Kirke mit Gift die Hälfte seiner Männer in Schweine verwandelt. Der Held selbst ist durch das Kraut Moly, das Hermes ihm gegeben hat, gegen den Zauber gewappnet. Kirke verliebt sich in ihn und verwandelt seine Gefährten wieder zurück in Menschen. Odysseus bleibt ein Jahr bei ihr und nach manchen Überlieferungen gebiert sie ihm Söhne.309 Es ist dieselbe Kirke, die zuvor aus Eifersucht die schöne Jungfrau Skylla vergiftet und so in das Scheusal verwandelt hat, das hier in der Textstelle Erwähnung findet. Zwar ist ihre Rolle als genitrix nicht so prominent wie bei Medeia, doch spricht die Tatsache, dass sie jeweils handelnde Person derselben Mythen wie Skylla und Odysseus ist, dafür, dass Hieronymus hier die berühmte Zauberin Kirke meint, wenn er von der „alten Erzeugerin“ spricht.310 Anders als in anderen Exempla, in denen der Kirchenvater es dem homerischen Helden gleichtun und aure obturata an den Sirenengesängen der Irrlehrer vorbeischiffen will, werden hier die Rollen vertauscht: Odysseus verbreitet selbst Gift und wird zudem als pellax bezeichnet, was als Begriff – neben Verschlagenheit – auch ein Moment der Verführung enthält, die ja wesentliches Charakteristikum der Sirenengesänge ist.311 Wie es Häresien eigen ist, gerieren sie sich als wahre Lehren – was sie ja aus ihrer eigenen Perspektive durchaus stets sind. Hieronymus nimmt das zum Anlass, Häretikern zu unterstellen, dass sie sich „Honig um die Lippen schmieren“, ihre Worte also süßer klingen lassen, als sie es sind. Die sprichwortartige Wendung von Gift und Honig scheint eine Reminiszenz an einen Ausspruch Ovids 306 E. Med. 784–789 passim; D.S. 4,45,3. 54,1–6; Ov. Medea (verl.); Paus. 2,3,6 f.; Hyg. fab. 25. 307 Apollod. Epit. 1,5 f.; Ov. met. 7,404–427; Plu. Thes. 12,2 f. 308 Vgl. Hom. Od. 1,259–265; 2,328–330. Vgl. WEIZSÄCKER 1894, 121: Mehrere Städte tragen den Namen Ephyra, die alle als πολυφάρµακος gelten und mit Medeia in Beziehung gebracht werden. Vgl. auch TRIPP 1974, 330 s.v. Medeia. 309 Zu Odysseus’ und Kirkes Sohn Telegonos auch oben 6.4.2.7. 310 Sicherheit lässt sich in dieser Frage nicht gewinnen. Kirke gebiert nach Odysseus Tod weitere Söhne mit Telemachos, dessen Sohn mit Penelope. Hieronymus erwähnt Kirke sonst nicht. In einer Diskussion mit seinem hebräischen Lehrer über ein Übersetzungsproblem in Dan 6,4 f. zitiert er hingegen ein Wort aus E. Med. 116; vgl. Hier. in Dan. 2,6 (CCL 75A, 831). 311 GEORGES 1913/2, 1541 f. s.v. pellax; ebd. 1542 s.v. pellicio.
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zu sein: „tückisches Gift liegt unter Honig versteckt.“312 In seiner Liebe zu Reihungen und Dopplungen von Exempla unterbricht Hieronymus seine Anhäufung profaner Referenzen kurz, um das Ovid-Zitat iuxta eloquia scripturarum um ein Psalmenzitat nach der Septuaginta zu ergänzen: „seine Worte wurden weicher als Öl, / und doch sind sie Geschosse.“313 Vom Sinn her passen Bibel- und Dichter-Zitat gut zusammen, in beiden werden Gefahren durch angenehme Sinneseindrücke kaschiert.314 Als hätte ihn das Gefühl beschlichen, sich zu ausgedehnt im profanen Bildungsgut bedient zu haben, greift Hieronymus das letzte Bild auf und will die brennenden Geschosse nun auch mit dem Schild des Glaubens abwehren. Passend zu seinem „Lieblingsschimpfwort“ greift er auf ein Rudel mythischer Hundegestalten zurück. Sein Umgang mit den mythischen Exempla, bei dem er auch sonst nicht immer Rücksicht auf die erzählerische Richtigkeit und Logik aller Aspekte nimmt, ist geradezu spielerisch. Einzelne Details der Mythen werden variiert und Assoziationsketten frei geknüpft. Die kleinen Ausfälle zeigen das Impulsive, das Hieronymus-Interpreten zu harten Urteilen über seinen vermeintlich hitzköpfigen Charakter verleitet hat. Tatsächlich setzt er bei seinen polemischen Argumentationen häufig auf die Wirkung der Masse. Der Gegner soll durch eine Tirade von Angriffen auf voller Breite getroffen werden. Dabei nimmt der Kirchenvater offensichtlich in Kauf, dass er die Allegorien überfrachtet und sich Fehler einschleichen, so dass die kleinen Ausfälle wegen mangelnder Sachlichkeit eher den Charakter einer Satire annehmen als den einer ernsten Auseinandersetzung. Den Kommentar zum Propheten Jeremia hatte Hieronymus im Jahr 414 begonnen und bis zu seinem Tod nicht vollenden können. In der praefatio zum dritten Buch gebraucht er erneut zwei Gruppen mythischer Figuren, die wie oben im 130. Brief an Demetrias jeweils Skylla bzw. Kerberos enthalten. So eröffnet er zunächst mit der Erwähnung gleich mehrerer mythischer Ungeheuer: „Die fabulae berichten von der Lernäischen Hydra, aus deren mittleren Kopf viele Schlangen heraussprießen, und von der Skylla, dem Ungeheuer an der Meerenge von Sizilien, die zwar irgendwie von jungfräulichem Anblick, aber zugleich von Hunden umgürtet ist; sie hat die Schiffstrümmer der Unglücklichen an derselben Küste zerfetzt, die auch mit dem todbringenden Gesang der Sirenen verbunden war. Der homerische Odysseus hat den Schiffbruch vermieden, wie man sagt, indem er sich die Ohren verschlossen und indem er das Übel nach einem unschätzbar klugen Rat vermieden hat.“315
312 Ov. am. 1,8,104: Impia sub dulci melle venena latent. Übers. HOLZBERG 1999, 31. Hierzu OTTO 1890, 218 s.v. mel 5, Nr. 1085; vgl. BARB 1978, 1235. Zur Honig- und Bienenmetaphorik bei Hieronymus RONNENBERG 2008, 138–164, bes. 150. 313 Ps 55,22 (= 54,22 LXX): ἡπαλύνθησαν οἱ λόγοι αὐτοῦ ὑπὲρ ἔλαιον, / καὶ αὐτοί εἰσιν βολίδες. Übers. LXX.D 806. 314 OTTO 1890, 182 s.v. labrum 4, Nr. 895. 315 Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150): Lerneum anguem fabulae ferunt multis ex medio capite pullulasse serpentibus et Scyllam, Siculi monstrum freti, facie quidem virginali, sed succinctam canibus miserorum lacerasse naufragia iuncto in eodem litore Sirenarum mortifero carmine, quae ut vitaret Ulixes Homericus, clausisse aures dicitur et malum inexsuperabile prudenti vitasse consilio. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 298–301.
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Hieronymus stellt zunächst ein kleines Pandämonium zusammen, das offenbar der Charakterisierung seiner Widersacher dient. Die Atmosphäre des Szenarios steht dabei deutlich im Vordergrund, da er sich mit der schlichten Nennung der Ungeheuer begnügt, ohne expressis verbis eine Verbindung zu seinen Gegnern herzustellen oder zu benennen, inwiefern sie sich zu Kontrahenten gemacht haben. Anscheinend verlässt er sich darauf, dass sowohl die Hydra- als auch die Sirenen-Metapher geläufig genug sind, um von seiner Leserschaft als Sinnbild für Häretiker verstanden zu werden. Hinzu tritt hier die Skylla, die abermals als succinctam canibus beschrieben wird und dadurch das Bildfeld Hund evoziert. Die lokale Verbindung zu den Sirenen hat Hieronymus bereits einige Jahre zuvor in seinem JesajaKommentar hergestellt.316 Ungewöhnlich ist hier eher, dass er tatsächlich die Figur des Odysseus im Zusammenhang mit den Sirenen erwähnt, den er zudem mit verhältnismäßig ausführlichen Details ausstattet. Die Darstellung, dass dieser sich die Ohren verschlossen habe, ist wohl als Irrtum zu bewerten, da die mythische Erzählung ja gerade dadurch funktioniert, dass der schlaue Held sich an den Mast anbinden lässt, um gefahrlos in den Genuss des Sirenengesangs zu kommen.317 Hieronymus benutzt das Bild offenbar so unreflektiert, dass er die Erzählung fehlerhaft wiedergibt. Das ist für ihn insofern unproblematisch, als seine Allegorie intakt bleibt. Im weiteren Verlauf der praefatio beschreibt Hieronymus dann metaphernreich und unter Bezugnahme auf verschiedene Bibelstellen, wie er sich vergeblich bemüht hat, trotz der Anfeindungen durch seine namentlich nicht genannten Widersacher die Arbeit am Jeremia-Kommentar fortzusetzen.318 Zum Ende des Vorwortes verfällt er wieder auf Bilder aus den griechischen Mythen, die zur Konkretisierung seiner eingangs artikulierten Invektive beitragen: „Auch wenn er selbst schweigt, kläfft er durch seinen Alpenwolf, den großen und dicken, der mehr durch seine Fersen als durch seine Zähne zu wüten vermag. In ihm hat er nämlich einen Nachkommen vom schottischen Volk aus der Nachbarschaft der Britannier, den man – gemäß den fabulae der Dichter – gleich dem Kerberos mit einer geistigen Keule erschlagen muss, damit er zusammen mit seinem Meister Pluto zu ewigem Schweigen verstumme.“319
So eröffnet er das dritte Buch des Jeremia-Kommentars mit einem polemischen Paukenschlag. Die einzelnen Mythen stehen dabei in keinem übergeordneten narrativen Zusammenhang und bilden so einen seiner typischen Exempla-Kataloge.
316 317 318 319
Vgl. Hier. in Is. 12,43,16 (VL 35, 1341); oben 5.4. Vgl. Hom. Od. 12,173–200. Vgl. Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150 f.). Auch die Beschreibung der Hydra ist schief. Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151): ipseque mutus latrat per Alpinum canem, grandem et corpulentum et, qui calcibus magis possit saevire quam dentibus. habet enim progeniem Scotticae gentis de Brittannorum vicinia, qui iuxta fabulas poetarum instar Cerberi spiritali percutiendus est clava, ut aeterno cum suo magistro Plutone silentio conticescat. Mit Alpinus canis ist wohl der Rothund oder Alpenwolf bezeichnet, ein Wildhund, dessen Verbreitungsgebiet heute nur noch Südostasien umfasst. Aus Bharhut in Zentralindien ist eine Abbildung von Rothunden um 100 v. Chr. erhalten; hierzu VAN DER GEER 2008, 187 f. Hieronymus’ Bemerkung zu seinen calces ist wohl in dem Sinn zu verstehen, dass er eher wegläuft, als dass er kämpft; hierzu OTTO 1890, 66 f. s.v. calx 1.3, Nr. 306. 308 f. Vgl. auch Jes 56,10.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Wie er oben im 130. Brief an Demetrias den comes Africae Heraclianus als Orcus in tartaro tituliert hat, bezeichnet er hier Rufinus als Pluto, dem ebenfalls ein Kerberos an die Seite gestellt wird.320 Die Beschimpfung ist im Wesentlichen die gleiche. Hinter Kerberos, als dessen Meister Rufinus hier erscheint, wird generell Pelagius vermutet, auf dessen britannische Herkunft auch Augustinus, Orosius und Marius Mercator anspielen.321 Die Lehren des Pelagius sorgten zu der Zeit für heftige Kontroversen innerhalb der Kirche und wurden letztendlich 418 abgeurteilt. Hieronymus’ Jeremia-Kommentar enthält zahlreiche polemische Bemerkungen gegen Pelagius und parallel veröffentlichte der Kirchenvater im Jahr 415 seine letzte Streitschrift, den nach sokratischem Vorbild gearbeiteten Dialogus adversus Pelagianos.322 Dass Pelagius hier in der praefatio als das geistige Ziehkind des Rufinus dargestellt wird, lässt sich vor dem Hintergrund verstehen, dass er ähnliche Vorwürfe vorgebracht hatte wie zuvor Rufinus, vor allem in Bezug auf Hieronymus’ geistige Abhängigkeit von Origenes. Hinzu kommt, dass Pelagius wohl in freundschaftlichen Beziehungen zu Rufinus gestanden hatte.323 Dessen Tod belegt Hieronymus hier auf zynische Weise mit einem Euphemismus, hic tacet,324 und bezeichnet ihn als mutus. Vor diesem Hintergrund könnte man das aeternum silentium, das er bei Pelagius mit der geistigen Keule erwirken will, so verstehen, als ob er ihm buchstäblich den Tod wünscht. Da der Kirchenvater nach eigenem Ausweis iuxta fabulas poetarum spricht und er das Bild in seinem Werk wiederholt gebraucht, ist mit der clava erneut die Keule des Herakles, gemeint.325 Die beiden Ausfälle gegen seine Gegner, die die praefatio zum dritten Buch des Jeremia-Kommentars rahmen, sind gespickt mit mythischen Referenzen, die der Diffamierung dienen. Die Einzelbezüge verlieren sich in ihrer Fülle. Deutlich erkennbar ist jedoch Hieronymus’ Vorliebe für Hundemetaphern bzw. Ungeheuer, die wie Skylla und Kerberos eng mit Hunden verbunden sind.
6.6.2.5 Vigilantius und der Monsterkatalog Als Finale der mythischen Scheusale sei das Exordium der Streitschrift Contra Vigilantium aus dem Jahre 406 betrachtet, in dem Hieronymus exzessiven Gebrauch vom „Monstramotiv“ macht.326 Vigilantius war ein Presbyter aus dem südgallischen Calagurra, dem heutigen Saint-Martory, 70 km südwestlich von Toulouse am Fuß der Pyrenäen.327 Für Paulinus von Nola hatte er im Sommer 395 ein Schreiben
320 SÜSS 1938, 228–230; HAMMOND 1977, 427, Anm. 3; JEANJEAN 1999, 72; FÜRST 2003, 211. Dass Hieronymus über Rufinus im Präsens schreibt, klingt, als ob er noch lebe. 321 Aug. epist. 186,1; Oros. apol. 12,3; Mar. Merc. Cael. 1; vgl. HAMMOND 1977, 423. 322 CCL 80, 3–124. Vgl. CLARK 1992, 221–227. 323 HAMMOND 1977, 426 f.; SCHECK, in: FaCh 103, 16 324 Hierzu SÜSS 1938, 230. 325 Hier. epist. 70,3,2 (CSEL 54, 704); hierzu oben 6.2.2. 326 SÜSS 1938, 233. 327 BAtlas 25, F2: Calagorris.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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zu Hieronymus nach Bethlehem überbracht und dies mit einem Aufenthalt im dortigen Kloster verbunden. Womöglich hatte er den Asketismus des Kirchenvaters bereits zu diesem Zeitpunkt als fanatisch empfunden und theologisch begründete Vorbehalte entwickelt. Nach seiner Rückkehr ins italische Nola bezichtigte er Hieronymus jedenfalls, Anhänger origenistischer Lehren zu sein, wogegen dieser sich auf das Entschiedenste zur Wehr setzte.328 Danach trat Vigilantius erst wieder im Jahr 404 in Erscheinung, als dem Kirchenvater von einem Pamphlet berichtet wurde, das in Gallien kursierte und in dem sich Vigilantius gegen den Märtyrerkult und gegen die asketische Lebensweise aussprach. Noch in Unkenntnis dieser Schrift bemühte sich Hieronymus daraufhin, anhand des Berichtes durch einen Freund die fraglichen Thesen in einem Brief zu widerlegen.329 Erst zwei Jahre später erhielt er eine Kopie des Pamphlets, auf das er umgehend mit der Schrift Contra Vigilantium reagierte. These für These widerlegte er nun den Text des Galliers, dessen Inhalt nur durch diese Replik erhalten ist. Die Lehrsätze des Vigilantius lassen sich danach wie folgt paraphrasieren: 1. Der Zölibat ist zu verwerfen und die Priesterehe zu fördern; 2. die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien ist ein Sakrileg; 3. die Heiligen können als Tote keine Fürbitte für die Lebenden leisten; 4. das Abbrennen von Kerzen im kultischen Zusammenhang ist als heidnisch zu verwerfen; 5. Vigilfeiern außerhalb des Osterfests abzuhalten, ist häretisch; 6. die vermeintlichen Wunder bei den Märtyrergräbern nützen den Heiden mehr als den Christen; 7. die Almosen für die Jerusalemkollekte sollten besser den Armen in der Heimat zugutekommen als den Klöstern im Palästina.330 Die Lehren des unbedeutenden Priesters im fernen Gallien liefen also nicht nur generell der Orthodoxie zuwider, einige seiner Positionen trafen Hieronymus direkt ins Mark: Die Verehrung der Heiligen und der Reliquien der Märtyrer, gegen die Vigilantius sich wandte, war eng verbunden mit der asketischen Ausrichtung des Christentums.331 Auch der Angriff auf den Zölibat musste Hieronymus als dem Streiter für die Jungfräulichkeit ein Dorn im Auge sein. Am deutlichsten tritt der Konflikt zu seinen Interessen dadurch hervor, dass Vigilantius die Jerusalemkollekte in den Provinzen in Frage stellte. Der Kirchenvater leitete selbst ein Kloster in Bethlehem, das auf Unterstützung angewiesen war. Als Paula die Ältere zu Anfang des Jahres 404 starb, ließ sie Hieronymus mit großen finanziellen Sorgen zurück, da sie mit ihrem Vermögen den Aufbau und Unterhalt der Klosteranlagen in Bethlehem mitgetragen hatte.332 Dass nun jemand im Westen an diesem Fundament rüttelte, konnte Hieronymus nicht untätig mit ansehen. Die verhältnismäßig kurze Streitschrift eröffnet er mit einem schillernden „Furioso“333 gegen Vigilantius:
328 Hier. epist. 61 (CSEL 54, 575–582). 329 Hier. epist. 109 (CSEL 55, 351–356). 330 Hier. c. Vigil. 2. 5–7. 9 f. 13 f. (CCL 79C, 7 f. 11–18. 20–27). Zur Jerusalemkollekte 2 Kor 8,1–6; vgl. KLINGENBERG 2004, 1052–1059. 331 HUNTER 1999, 429. 332 Hier. epist. 108,30,1 (CSEL 55, 348). Vgl. GRÜTZMACHER 1908, 95–101; KELLY 1975, 273 ff.; REBENICH 1992A, 194; FÜRST 2003, 201; CAIN 2010, 130 f. 333 OPELT 1973, 121. Vgl. KAHLOS 2010, 641.
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen „Viele Monster hat der Erdkreis schon hervorgebracht: Von Kentauren und Sirenen, Eulen und Käuzen können wir bei Jesaja lesen. Ijob beschreibt mit mystischen Worten Leviatan und Behemot. Vom Kerberos und den Stymphalischen Vögeln sowie vom Erymanthischen Eber und vom Nemeischen Löwen, auch von der Chimäre und von der vielköpfigen Hydra erzählen die fabulae der Dichter. Den Cacus beschreibt Vergil. Den dreileibigen Geryon haben die Spanier hervorgebracht. Allein Gallien hatte noch keine Monster, sondern war stets reich an starken und beredten Männern. Da ist plötzlich die Schlafmütze Vigilantius erschienen, der mit seinem schmutzigen Geist gegen den Geist Christi kämpft.“334
Die Grundaussage des Absatzes ließe sich wohl auf die Formel reduzieren: Vigilantius ist ein Monster. Das Ganze wird jedoch recht ausführlich, ja, geradezu barock ausgestaltet, indem Hieronymus dem orbis, den er mit reichlich Exempla füllt, das bisher monsterlose Gallien gegenüberstellt. Gleich einem Makel für die Region spricht er nun Vigilantius die zweifelhafte Ehre zu, diese Lücke geschlossen zu haben. Auf diese Weise hat der Kirchenvater einen recht geschickten Weg gefunden, seinen Widersacher gleich mit den Namen aller 14 monstra zu beschimpfen. Sofort fällt auf, dass als Quelle für die centauri und sirenae das Alte Testament angegeben wird. Die Stelle setzt also die zeitliche Priorität der jüdisch-christlichen Weisheit vor der paganen Überlieferung voraus bzw. durch das schlichte Postulat der alttestamentlichen Herkunft der Kentauren und Sirenen nimmt Hieronymus einen stark verkürzten, auf das Ergebnis reduzierten Altersbeweis vor.335 Vigilantius hatte in seinem Pamphlet verschiedene Kultpraktiken der Kirche als heidnisch verworfen, so etwa den Reliquienkult oder das Abbrennen von Kerzen. Anders als bei anderen theologischen Streitigkeiten, die allein den innerchristlichen Diskurs betrafen, und auch im Unterschied zu den Vorwürfen der Heiden gegen die Christen, wie sie aus den apologetischen Schriften bekannt sind, lag hier der originelle Fall vor, dass man der Kirche aus den eigenen Reihen den Vorwurf machte, zu heidnisch ausgerichtet zu sein. So galt es für Hieronymus, auf die zeitliche Priorität der christlichen Lehre hinzuweisen. Weitere vier der Figuren sind einigermaßen unproblematisch, da sie keine Bezugspunkte zum griechischen Mythos haben. Ulula und onocrotalus bezeichnen zwar gewöhnliche Vogelarten, treten jedoch als Bewohner künftig verwüsteter Stätten im Alten Testament im Rahmen der apokalyptisch ausgerichteten Topik auf.336 Ähnlich wie das oben betrachtete Ungeheuer Leviatan ist auch Behemot ein alttestamentliches Ungeheuer. Seine Beschreibung weist Ähnlichkeiten mit einem Nil-
334 Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5 f.): Multa in orbe monstra generata sunt: centauros et sirenas, ululas et onocrotalos in Esaia legimus [Jes 34,11]. Iob Leviathan et Behemoth mystico sermone describit [Ijob 3,8; 40,15. 25]. Cerberum et stymphalidas aprumque erymanthium et leonem nemaeum, chimaeram atque hydram multorum capitum narrant fabulae poetarum. Cacum describit Vergilius [Aen. 8,193–267]. Triformem geryonem Hispaniae prodiderunt. Sola Gallia monstra non habuit, sed viris semper fortibus et eloquentissimis abundauit. Exortus est subito Vigilantius Dormitantius, qui immundo spiritu pugnet contra Christi spiritum. Vgl. Zef 2,14; Lev 11,18; Dtn 14,18. Vgl. auch Hier. epist. 109,1,1 (CSEL 55, 352). Zu Hieronymus’ Freude an Wortspielereien mit Namen LARDET 1993, 126 ad 227a; KAHLOS 2010, 637. 335 Hierzu oben 4.3. 336 Zu besagtem Topos sowie den ululae im Zusammenhang mit Sirenen oben 5.4 sowie 5.5.
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pferd auf. Die bedrohliche Konnotation beruht wohl auf alten ägyptischen Vorstellungen, so dass der Behemot bereits in jüdischen Apokryphen als eine Art endzeitliches Drachenwesen gesehen wurde, meist gemeinsam mit dem Leviatan.337 Die acht folgenden monstra weist Hieronymus ausdrücklich den fabulae poetarum zu, macht jedoch keine Angaben, welche Erzählungen er mit der Bemerkung im Einzelnen meint. Über die zwei knappen Attribuierungen, dass die Hydra multorum capitum und Geryon triformen sei, geht das narrative Moment in der Aufzählung nicht hinaus. Durch die Zusammenstellung der Figuren wird jedoch ganz offensichtlich auf einen bestimmten Mythos angespielt, zu dessen Personal das Gros der erwähnten monstra zu zählen ist: den Dodekathlos des Herakles, der im Folgenden kurz paraphrasiert sei: Das Orakel von Delphi hat Herakles aufgetragen, sich dem König Eurystheus von Tiryns für zehn Aufgaben zur Verfügung zu stellen, nach deren Erfüllung ihn die Unsterblichkeit erwarte. Nach manchen Erzählungen akzeptiert Eurystheus am Ende zwei der Arbeiten nicht, weil Herakles sich helfen lässt oder Lohn entgegennimmt, woher die Zwölfzahl des Dodekathlos rührt. Bei Nemea muss der Heros zunächst einen furchtbaren Löwen töten, der eigentlich unverwundbar ist und sich nur durch Würgen mit bloßen Händen bezwingen lässt. Bei Lerna hat Herakles dann gegen die Hydra zu bestehen. Ebenfalls in Argolis muss er die Kerynitische Hirschkuh einfangen, die der Artemis heilig ist. Am Berg Erymanthos in Arkadien hat er einen riesigen Eber einzufangen, der das Land verheert und die Menschen bedroht. Als nächstes verlangt Eurystheus von Herakles, die großen Viehställe des Augeias an einem Tag zu reinigen. Die sechste Arbeit sieht vor, dass er am See Stymphalos in Arkadien der Vogelplage Herr wird und die Tiere verjagt. Als nächstes hat er nun den kretischen Stier einzufangen, wobei ihm nach manchen Überlieferungen König Minos hilft. Aus Thrakien muss Herakles die menschenfressenden Stuten des Königs Diomedes herbeischaffen. Ebenso hat der Heros den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte herbeizubringen, die üblicherweise am Ostufer des Schwarzen Meeres lokalisiert wird. Ganz in den Westen über die Grenzen des Mittelmeeres hinaus führt ihn dann der Auftrag, das Vieh des Königs Geryon von der Insel Erytheia nach Tiryns zu treiben. Dieser hat drei Köpfe und von der Taille abwärts den Leib dreier Männer. Als elfte Arbeit muss Herakles goldene Äpfel beschaffen, die von Nymphen bewacht werden, den Hesperiden. Zuletzt ist sein wohl schwierigster Auftrag, den Kerberos aus der Unterwelt an den Hof des Eurystheus zu bringen.338 Dieser Mythenkomplex bot dem Kirchenvater ein ganzes Repertoire schauriger Ungeheuer. Mit dem Dodekathlos als Vergleichsfolie fallen jedoch ein paar Eigentümlichkeiten in seinem Text auf: So entstammt der halbmenschliche Riese Cacus, der so merkwürdig in die Reihe der herakleischen Ungeheuer eingefügt ist, nicht dem griechischen Mythos, sondern dem römischen Sagenkreis bzw. ist, wie Hieronymus selbst angibt, bei Vergil beschrieben. In der Aeneis wird berichtet, wie Cacus dem Herakles vier Rinder stiehlt, als dieser auf dem Rückweg von Erytheia 337 Ijob 40,15–24. Vgl. KRÜGER 2010. Zum Leviatan oben 6.5.2. 338 Apollod. 2,4,12–5,12; D.S. 4,10,6–17,2. 25,1. 26,1–4; Hyg. fab. 30; vgl. GRUPPE 1918, 1020– 1082.
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nach Italien kommt. Der Heros kann sie jedoch dem Dieb trotz dessen Listigkeit und Kraft wieder abringen.339 Die Verbindung zum Dodekathlos ist somit durch die Vergil-Episode auch hier gegeben, gewissermaßen in Form einer apokryphen Ergänzung zum Dodekathlos-Kanon. Nicht ganz einleuchten will die nachgezogene Geryon-Erwähnung, da sie zum einen den Lesefluss stört und zum anderen nicht einmal der inneren Logik der Erzählung gerecht wird. Schließlich ist Herakles bei Geryon, bevor er sich mit Cacus auseinanderzusetzen hat. Dass Hieronymus Vergil als einzelnen Autor anführt, könnte damit zusammenhängen, dass er sich in diesem Fall an den konkreten Text erinnert hat, aus dem er das Wissen bezieht. Nehmen wir ihn beim Wort, dass er die Streitschrift „in einer einzigen Nachtschicht“,340 also in großer Eile verfasst habe, ist es gut vorstellbar, dass er für die kleine ExemplaAufzählung nicht eigens Bücher zur Hand genommen hat. Die eigenwillige Zusammenstellung und nicht ganz schlüssige Anordnung würden die Annahme stützen. Die Nennung der Chimäre lässt jedoch gar keinen Bezug zu Herakles erkennen. Nur durch ihre Abstammung von Typhon und Echidna, die sie mit Kerberos, der Hydra und dem Nemeischen Löwen gemeinsam hat,341 steht sie in einer kaum intendierten Beziehung zu Hieronymus’ Aufzählung. Auch topographisch bricht er mit Lykien als der Heimat der Chimäre aus der Reihe aus, da die vorhergehenden Exempla sowie das folgende in Argolis verortet sind. Aber natürlich kam es Hieronymus nicht auf eine Anlehnung an den Herakles-Mythos an, die irgendeiner Vorlage gerecht werden sollte, sondern, wie zu zeigen sein wird, auf eine flächendeckende Verteilung seiner Monstra. Die Stymphalischen Vögel fallen insofern aus der Reihe, als dass es sich bei ihnen in den meisten Versionen nicht um Ungeheuer, sondern um gewöhnliche Vögel handelt, die lediglich durch ihre enorme Menge eine Bedrohung darstellen.342 Allein Pausanias identifiziert die Stymphalischen Vögel mit einer arabischen Vogelart, die auch Menschen angreift und deren Schnäbeln nicht einmal Panzerung aus Metall standhalte.343 Eher wäre jedoch anzunehmen, dass Hieronymus sie wie Hyginus mit den federschießenden Vögeln durcheinander gebracht hat, denen die Argonauten auf der Insel Ares begegnen.344 339 Verg. Aen. 8,193–267; vgl. BURKERT 1979A, 86 f. 340 Hier. c. Vigil. 17 (CCL 79C, 30): unius noctis lucubratione. CONRIG 2001, 111, weist auf den topischen Charakter dieses Abfassungsszenarios hin. Dagegen BELL 1977, 230–233. 341 Hes. Th. 310–329. 342 Serv. Aen. 8,299; vgl. ROSCHER 1915, 1564. 343 Paus. 8,22,4. 344 Hyg. fab. 30,6. Die Verwechslung beruht vielleicht darauf, dass in A.R. 2,1030–1089 Amphidamas von Herakles und den Stymphalischen Vögeln erzählt, als sie von den Tieren angegriffen werden. Vgl. FEIERTAG, in: CCL 79C, 31, Anm. 1: „Il est remarquable que la plupart des figures mythologiques nommées au début de l’AV [sc. Adversus Vigilantium] sont réunies au même chap. 30 de ses Fables, qui deviennent ainsi la source de Jérôme“. Die Abhängigkeit ist jedoch nach Ansicht des Vf. nicht eindeutig. Denn abgesehen davon, dass bei Hyginus vier von zehn Figuren fehlen, darunter auch Cacus, unterscheidet sich die Reihenfolge vollständig; neben feststehenden Ausdrücken wie aper erymanthius oder leo nemaeus sind die Formulierungen bei Hieronymus zudem anders und knapper, bspw. stymphalidas statt Aves Stymphalides; am deutlichsten ist der Unterschied darin, dass die Hydra bei Hyginus neun Köpfe hat.
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Für die eingangs erwähnten Kentauren bei Jesaja ließe sich hingegen eine Verbindung zu den Herakles-Mythen herstellen: Bei Apollodoros und Diodoros ist eine Begegnung in Pholoe im Westen Arkadiens beschrieben, bei der er unwillentlich Streit unter ihnen auslöst.345 Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass Hieronymus hieran gedacht hat – vielmehr dürfte er die onocentauri im Sinn gehabt haben. Eine feste kanonische Reihenfolge der Taten des Herakles ist in den verschiedenen Überlieferungen nicht auszumachen. Zumeist scheinen die Aufgaben aber so angeordnet zu sein, dass sie den Heros immer weiter weg von Tiryns führen – von den Abenteuern auf der Peloponnes bis hin zu den Äpfeln der Hesperiden, deren Aufenthaltsort man sich am westlichen Ende der Welt vorstellte. Die Unterwelt nimmt dabei eine Sonderstellung als gewaltiger Raum tief unter der Erde ein, von dem üblicherweise kein Sterblicher zurückkehrt. Über die eigentlichen Aufgaben hinaus hat Herakles also weite Reisen in die verschiedensten Winkel der Welt zu überstehen.346 So wird Hieronymus die Erzählung bewusst gewählt haben, um recht komprimiert verschiedene monstra aus aller Welt aufzählen zu können. Seine Formulierung sola Gallia lässt erwarten, dass im Umkehrschluss die gewählten Exempla mit ihren jeweiligen Lokalbezügen gewissermaßen ein Netz über die antike Weltkarte spannen. Auch die alttestamentlichen Ungeheuer zu Beginn des Abschnitts lassen sich hier einfügen, da sie den Orient repräsentieren. Die Verwüstungsszenarien, die im griechischen und lateinischen Bibeltext Kentauren sowie Sirenen enthalten, beziehen sich zumeist auf konkrete Orte wie beispielsweise im Gericht über Babylon in Jes 13 f. Auch wenn Nordafrika unterrepräsentiert ist, bildet die Topographie hier im hieronymianischen Ungeheuer-Katalog den roten Faden. Mit der Charakterisierung als Monster soll dem Gegner von vornherein jegliche Begabung zur Vernunft abgesprochen werden. Hieronymus zählt den Häretiker nicht zu den Menschen und will ihn damit der Möglichkeit berauben, von irgendjemandem ernst genommen zu werden. Er hebt Vigilantius mehr als deutlich von den viris fortibus et eloquentissimis Galliens ab.347 Zudem wird seine Leserschaft sogleich auf Ungeheuerlichkeiten im Wortsinn vorbereitet. Die Absurdität der vigilantischen Lehre soll auf diese Weise hervorgehoben werden und dem Leser suggerieren, dass das im Folgenden Dargestellte nicht Anlass zu Erwägung oder Diskussion geben soll, sondern ausschließlich zur uneingeschränkten Ablehnung. Wie selbstverständlich stellt Hieronymus den sechs Exempla, die nach seinem eigenen Ausweis den Büchern Jesaja und Ijob entnommen sind, acht heidnische an die Seite, wobei die ersten beiden biblischen Exempla durch ihren gleichzeitigen Bezug zu den Mythen dem Passus einen Rahmen geben. Offenbar musste er nicht befürchten, dass seine theologische Schrift dadurch an Wirkung und Glaubwürdigkeit verlieren würde, obwohl er sich in seiner Verteidigung gegen Vigilantius auch gegen den Vorwurf zur Wehr zu setzen hatte, die Kirche übernehme heidnische
345 Apollod. 2,5,3; D.S. 4,12,3–8. 346 D.S. 4,10,6–26,4 bietet ausführliche Reiseberichte. 347 Die gallische Beredsamkeit war ein antiker Allgemeinplatz; vgl. SPEYER 1972, 929; FEIERTAG, in: CCL 79C, 31, Anm. 2.
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Praktiken. Es ging Hieronymus jedoch nicht um die Mythen selbst, sondern ausschließlich um die Figuren, die ihm als Exempla dienen sollten. Mit dem Wissen, dass die Herakles-Erzählungen seinem Publikum geläufig waren, konnte er so durch die schlichte Nennung von Namen sein illustres Gruselkabinett zusammenstellen. Bei alledem darf jedoch nicht übersehen werden, dass Hieronymus eine bewusste Übertreibung vornimmt. Seiner Vorliebe für Reihungen von Exempla zum Trotz ist der Monsterkatalog eine Ausnahmestelle.348 6.6.3 Mythische Referenzen zum Lob zeitgenössischer und historischer Personen Wie zu Eingang des Kapitels bereits bemerkt wurde, nutzt Hieronymus den Vergleich zu mythischen Figuren mitunter auch dazu, Personen lobend hervorzuheben. Die wenigen Stellen, die hier in Frage kommen, fallen heterogener aus als die Beschimpfungen.
6.6.3.1 So hätte selbst Jupiter an Christus glauben können Der 107. Brief, der zwischen 400 und 402 verfasst wurde, ist vor allem berühmt geworden durch die Ratschläge des Kirchenvaters zur Erziehung Paulas der Jüngeren, der kleinen Tochter der Empfängerin Laeta.349 Der Vater des Kindes war Toxotius, der Sohn Paulas der Älteren, der als Heide geboren und mittlerweile zum Christentum konvertiert war. Nach einer Reihe von Fehlgeburten hatte das Paar gelobt, sollten sie doch noch ein Kind bekommen, es Gott zu weihen und zur christlichen Jungfrau heranzuziehen.350 In der Familie waren die alten Kulte vor allem von männlicher Seite noch sehr präsent und so leitet Hieronymus den Brief mit einem Zitat von 1 Kor 7,13 f. über den Umgang mit paganen Familienmitgliedern ein: „Und eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat, und der willigt ein, bei ihr zu wohnen, entlasse den Mann nicht. Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt“. Wenige Zeilen später folgt mit Laetas Vater Albinus der konkrete Fall in der Familie, der offensichtlich den Anlass für das Bibelzitat gegeben hat: „Wer hätte gedacht, dass die Enkelin des Pontifex Albinus unter dem Gelübde der Mutter geboren werde? Wer hätte geglaubt, dass die lallende Zunge der Kleinen zur Freude des Großvaters vom Gesang des Halleluja erklinge oder dass der Greis auf seinem Schoß eine Christus geweihte Jungfrau füttern werde? Wie erwartet ist alles gut und glücklich ausgegangen. Ein
348 SÜSS 1938, 231. 349 PLRE 1, 492 s.v. Laeta 2. Zur Datierung WILLIAMS 2006, 288–294. 350 Hier. epist. 107,3,2 (CSEL 55, 293). Vgl. PLRE 1, 921 s.v. Toxotius 1.
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heiliges und gläubiges Haus heiligt den einen Ungläubigen. Wen eine gläubige Schar von Kindern und Enkeln umgibt, der ist bereits ein Anwärter des Glaubens. Ich glaube, dass selbst Jupiter, wenn er eine solche Verwandtschaft gehabt hätte, an Christus hätte glauben können.“351
Der hinreißend liebevolle Großvater, mit dem Hieronymus das christliche Familienidyll entwirft und der hier kurz vor seiner Konversion zum Christentum zu stehen scheint, ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit Publilius Caeionius Caecina Albinus zu identifizieren, der u. a. als consularis Numidiae der Jahre 364–367 belegt ist.352 Aus dieser Zeit ist auch die Dedikationsinschrift eines Mithraeums in seinem Namen überliefert.353 Zwar war er mit einer Christin verheiratet, doch stand er auch in verwandtschaftlichen Beziehungen zu Kaiser Julian354 und trat 371 in das Kollegium der pontifices der Stadt Rom ein, einem der altehrwürdigen sacerdotum quattuor amplissima collegia,355 dem auch Q. Aurelius Symmachus angehörte. Nach dem Verbot der heidnischen Kulte 391/392 nahm die Zahl der Priester ab, wohl weil für verstorbene pontifices keine neuen mehr kooptiert wurden. So verblieben die beiden Männer ab 398 als einzige nachweisbare pontifices der Stadt. Nach dem Tod des Symmachus 401/402 hielt Albinus das Amt, in das ihm niemand mehr nachfolgen sollte, noch bis 405 alleine inne.356 Vor diesem Hintergrund erscheint er mehr als nur ein alter Mann zu sein, der bisher aus Gewohnheit und aus einem gewissen Traditionalismus heraus von einer Konversion zum Christentum abgesehen hatte. Er gehörte vielmehr zur Elite der heidnischen Aristokratie in Rom, mit deren prominentem Vertreter Symmachus er kollegial und freundschaftlich verbunden war, wie auch aus einer Notiz in Macrobiusʼ Saturnalien ersichtlich wird.357 Die von Hieronymus entworfene Vorstellung vom höchsten Gott des Olymps als gläubigem Christen ist nicht frei von einer gewissen Ironie, da nach christlichem Verständnis damit die Gesamtheit der heidnischen Kulte ad absurdum geführt wäre und alle ihre Anhänger indirekt zu Christen würden.358 Der Kirchenvater lässt das auch durch die antizipierte Reaktion des Albinus auf seinen Brief erkennen: „Mag er auch über meinen Brief lächeln und spotten, mag er mich einen Toren und einen Narren schelten.“359 Implizit wird im Bild von Zeus, der Christus anbetet, natürlich 351 Hier. epist. 107,1,3 (CSEL 55, 291): quis hoc crederet, ut Albini pontificis neptis de repromissione matris nasceretur, ut praesente et gaudente avo parvulae adhuc lingua balbuttiens alleluia resonaret et virginem Christi in suo gremio nutriret et senex? bene et feliciter expectavimus. sancta et fidelis domus unum sanctificat infidelem. candidatus est fidei, quem filiorum et nepotum credens turba circumdat. ego puto etiam ipsum Iovem, si habuisset talem cognationem, potuisse in Christum credere. Übers. nach BKV² 16, 385. Zum Brief SCOURFIELD 1993, 492; KATZ 2007, 115–127. 352 CHASTAGNOL 1962, 165; PLRE 1, 34 f. s.v. Albinus 8. Vgl. DILL 1910, 14. 353 CIL 8, 6975 = CIMRM 129 = TMMM 2, 530; hierzu BLOCH 1945, 212; GRIFFITH 2000, 11. Zur Hinwendung traditionalistischer Senatoren zu Mysterienkulten LEPPIN 2004, 77–80. 354 LETSCH-BRUNNER 1998, 76 f. m. Anm. 36; BLOCH 1945, 212, Anm. 36. 355 R. Gest. div. Aug. 9; vgl. BLOCH 1945, 205; WISSOWA 1912, 414. 356 RÜPKE 2005, 524–546; vgl. BLOCH 1945, 212–213. 357 Macr. Sat. 1,2,15. Vgl. PLRE 1, 35 s.v. Albinus 8; DILL 1910, 14. 358 Anders Tert. apol. 9. Zur Ironie SCOURFIELD 1993, 492. 359 Hier. epist. 107,1,4 (CSEL 55, 291): despuat licet et inrideat epistulam meam et me vel stultum vel insanum clamitet. Übers. BKV² 16, 385.
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das alte apologetische Argument wiederholt, die heidnischen Götter seien nichts weiter als glorifizierte Menschen.360 Obwohl keine bestimmte Erzählung angesprochen ist, sei das Exemplum aufgrund des betont anthropomorphen Charakters der Rolle, die Zeus hier zugewiesen ist, als ein mythisches betrachtet. Er tritt nicht als Kultfigur auf, sondern wird als ein Protagonist dieser Szene Christus untergeordnet und seiner göttlichen Eigenschaften entkleidet. Insgesamt wird man jedoch zu dem Schluss kommen müssen, dass Hieronymus’ Ausführungen über die Konversion des Albinus, die er wie eine entscheidende, unmittelbar bevorstehende Umkehr in Laetas Familiengeschichte erscheinen lässt, nicht mehr als fromme Wünsche bleiben sollten – zumal der Großvater den Pontifikat auf Lebenszeit innehatte. Dass Hieronymus sich dessen durchaus bewusst ist, klingt bereits in der unterstellten Reaktion des Albinus auf den Brief an und schlägt in den folgenden Bemerkungen über die verfallenden Tempel Roms in antiheidnische Polemik um: „Das goldene Kapitol strotzt von Schmutz, und alle Tempel Roms sind mit Ruß und Spinngeweben bedeckt. Die Hauptstadt der Welt hebt sich aus ihren Angeln, und eine große Masse, die früher die halbverfallenen Tempel füllte, eilt jetzt zu den Gräbern der Märtyrer. Wen nicht die kluge Einsicht zum Glauben führt, den wird bald die Rücksicht auf die Mitmenschen zum Glauben nötigen.“361
Das rührende Szenario von der kleinen christlichen Enkeltochter beim liebenden, heidnischen Großvater mag ein gewisses Maß an Realismus enthalten, aber die daraus resultierende Bekehrung des letzten pontifex der Stadt Rom zum Christentum darf man wohl auch als Provokation an die Adresse der verbleibenden Heiden in den Familien seiner Leserschaft werten. In Bezug auf die kleine Paula könnte das Zeus-Exemplum jedoch kaum ein größeres Lob auf ihre Person enthalten. Hieronymus schreibt ihr aufgrund ihrer allerchristlichsten Erziehung, die sie vom Beginn ihres Lebens erhalten wird, die charismatische Kraft zu, den obersten Göttervater – und abhängig davon einen Mann wie Albinus erst recht – zum Christentum bekehren zu können. Auch wenn sich der Absatz zuvorderst mit Albinus beschäftigt, das eigentliche Objekt des Exemplums ist Paula die Jüngere.
6.6.3.2 Agamemnonis inclita proles. Mythische Ahnherren einer christlichen clarissima In dem 404 verfassten Nekrolog für Paula die Ältere, der kurz nach ihrem Tod am 26. Januar 404 entstanden ist, stellt Hieronymus die gentilizische Tradition ihrer Familie heraus und berichtet von der edlen Abstammung ihrer Eltern: 360 Hierzu oben 2.2.2.2. 361 Hier. epist. 107,1,4 (CSEL 55, 291): auratum squalet Capitolium, fuligine et aranearum telis omnia Romae templa cooperta sunt, movetur urbs sedibus suis et inundans populus ante delubra semiruta currit ad martyrum tumulos. si non extorquet fidem prudentia, extorqueat saltim verecundia. Übers. BKV² 16, 386. Hierzu BEHRWALD 2009, 247 f.; GRIG 2012, 135 ff.
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„Andere mögen noch weiter zurückgehen, von ihrer Wiege und, wenn ich mich so ausdrücken soll, von ihrem Kinderspielzeug erzählen, sie mögen berichten, dass Blesilla ihre Mutter, Rogatus ihr Vater war. Sie mögen auch mitteilen, dass die Mutter ein Abkömmling der Scipionen und Gracchen ist, der Vater aber, wie es heute noch in ganz Griechenland heißt, von dem Stamme, dem Reichtum und dem Adel des Agamemnon, der nach zehnjähriger Belagerung Troja zerstört hat, sein Blut herleiten soll. Wir werden jedoch nichts loben, was nicht eigenes Verdienst ist und dem reinsten Quell heiliger Gesinnung entströmt.“362
Hieronymus wendet hier einen Kunstgriff an, indem er die Informationen über die edle Abstammung sowohl der Familie Blesillas, der gens Maecia, als auch der des Vaters Rogatus hypothetischen Dritten in den Mund legt, so dass er umhin kommt, ihre Herkunft selbst gelobt zu haben. Auf diese Weise ist es ihm möglich, „diejenigen Elemente der Tradition, die konstitutiv für die überragende soziale Stellung der Senatsaristokratie waren“,363 nicht unerwähnt zu lassen, aber sich gleichzeitig zu distanzieren und die genealogische Herleitung vom mythischen Ahnherrn zu relativieren. Die Ansicht, dass Abstammung keine Leistung sei, die per se besonderes Lob verdiene, ist keine christliche Erfindung, sondern findet sich bereits bei Cicero und hatte mithin topischen Charakter angenommen.364 Hieronymus scheint weder die Faktizität der Genealogien noch die Historizität der mythischen Ahnherren in Frage zu stellen. Zum einen ist es jedoch schwer vorstellbar, dass derartige kritische Äußerungen in einer Schrift, die Ähnlichkeiten zu einer laudatio funebris aufweist, möglich gewesen wären. Da die Historizität solcher konstruierter Abstammungslinien schon in der Antike angezweifelt wurde,365 ist es möglich, dass Hieronymus das Offensichtliche einfach nicht anspricht. Im folgenden Kapitel des Briefes kommt er auf die Abstammung ihres bereits 24 Jahre zuvor verstorbenen Mannes Iulius Toxotius zu sprechen: „Sie stammte also aus solch vornehmer Familie und war vermählt mit Toxotius, einem Mann, der seinen Stammbaum von Aeneas und dem edlen Geschlecht der Iulii herleitete. Daher wird auch ihre Tochter Eustochium, die Christo geweihte Jungfrau, Iulia genannt wie auch ‚Iulius, genannt nach dem Namen des großen Iulus‘. Diese Dinge erwähne ich nicht, als ob sie großen Wert hätten für den, der sie besitzt, sondern weil ihre Geringschätzung unsere Verwunderung erregt. Die Weltkinder schauen hinauf zu denen, die durch derartige Vorzüge ausgezeichnet sind. Wir hingegen loben solche, welche für den Erlöser diese Güter verachten, und merkwürdig, diejenigen, welche wir geringschätzen, solange sie im Besitze dieser Vorzüge sind, achten wir hoch, sobald sie dieselben nicht mehr haben wollen.“366
362 Hier. epist. 108,3,1 (CSEL 55, 308): alii altius repetant et ab incunabulis eius ipsisque, ut ita dicam, crepundiis matrem Blesillam et Rogatum proferant patrem – quorum altera Scipionum Gracchorumque progenies est, alter per omnes Graecias usque hodie et stemmatibus et divitiis ac nobilitate Agamemnonis fertur sanguinem trahere, qui decennali Troiam obsidione delevit –, nos nihil laudabimus, nisi quod proprium est et de purissimo sanctae mentis fonte profertur. Übers. nach BKV 15, 97 f. Vgl. SPEYER 1976, 1219; REBENICH 1992A, 184; KRUMEICH 1993, 80; FELMY 1999, 223 f.; CAIN 2010, 105–139; oben 6.1.1. 363 REBENICH 1992A, 181; vgl. PLRE 1, 162 s.v. Blesilla 1; ebd. 767 s.v. Rogatus 1. 364 Cic. de orat. 2,84,342. 85,348; fam. 3,7,5; vgl. SPEYER 1976, 1200; REBENICH 1992A, 189 f. 365 Liv. praef. 6; Amm. 28,1,30. 4,7. Vgl. SPEYER 1976, 1194 f.; REBENICH 1992A, 181–192. 366 Hier. epist. 108,4,1 (CSEL 55, 309): Tali igitur stirpe generata iunctaque viro Toxotio, qui Aeneae et Iuliorum altissimum sanguinem trahit. unde etiam Christi virgo, filia eius,
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Diese redundant anmutenden Ausführungen und insbesondere die letzte Bemerkung sind offenbar auch als Ermutigung an mögliche Leser aus dem adligen Umfeld der Paula zu verstehen, ihrer Abstammung fortan keinen Wert mehr beizumessen, da sie einem Leben in christlicher Askese im Weg stehen könnte.367 Erneut distanziert sich Hieronymus von den panegyrischen Genealogie-Angaben, die einer solchen Schrift angemessen waren, ohne jedoch gegen die pietas zu verstoßen: Durch Paulas Verneinen ihrer nobilitas aus christlichen Beweggründen heraus kann er dieselbe bejahen. So ganz löst sich das Paradoxon bei näherem Hinsehen jedoch nicht auf, der Zwiespalt zwischen der Achtung der gentilizischen Tradition und der christlichen Pflicht zur Entsagung bleibt bestehen. Hier noch mehr als in der ersten Textstelle wird deutlich, dass sich Hieronymus zwar aus einer römischen Sicht heraus verpflichtet fühlt, „die aristokratischen Familientraditionen entsprechend den traditionellen rhetorischen Regeln in seinen Schriften“368 darzustellen – zumal CHRISTA KRUMEICH nicht unrecht damit haben wird, dass er stolz darauf ist, „daß sich diese alten Adelsgeschlechter nun zur plebeia grex Christianorum bekennen.“369 Andererseits möchte er aber seiner christlich-asketischen Sichtweise in Form einer gewissen Distanzierung Genüge tun, die freilich nicht pietätlos ausfallen darf. An die Stelle des weltlichen Traditionalismus setzt er die christliche Tugendhaftigkeit, mit der Paula ihrer Familie zu völlig neuem Ruhm verholfen habe: „Vornehm war sie durch ihre Abstammung, aber noch viel vornehmer wegen ihrer Heiligkeit.“370 Den Nekrolog lässt Hieronymus mit der Inschrift für Paulas Grab schließen, in der er Agamemnon noch einmal als Stammvater anführt: „Eine aus Scipios Haus, aus des Paulus edlem Geschlechte, Sprößling Gracchischen Stammes, Agamemnons rühmlicher Nachwuchs, Ruht im Grabe dahier. Es nannten die Eltern sie Paula; Mutter Eustochiums war sie, aus Rom der Edelsten eine; Doch erkor sie die Demut des Herrn und Bethlehems Fluren.“371
Aus gegebenem Anlass verzichtet Hieronymus an dieser Stelle auf kritische Untertöne oder Einschränkungen jeglicher Art. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist
367 368 369 370 371
Eustochium Iulia nuncupatur et ipse ‚Iulius, a magno demissum nomen Iulo‘ [Verg. Aen. 1,288]. et haec dicimus, non quo habentibus grandia sint, sed quo contemnentibus mirabilia. saeculi homines suspiciunt eos, qui his pollent privilegiis; nos laudamus, qui pro salvatore ista despexerint. et mirum in modum, quos habentes parvi pendimus, si habere noluerint, praedicamus. Übers. nach BKV 15, 99. Verg.-Übers. FINK 2009, 25. Vgl. PLRE 1, 767 s.v. Iulius Toxotius 2. Zur Rückführung der Iulier auf Aeneas SPEYER 1976, 1194 f. Zur Gleichsetzung Askanios/Iulus Verg. Aen. 1,267; hierzu WÖRNER 1886, 613 f.; STEUDING 1894B, 574. SPEYER 1976, 1256 f.; REBENICH 1992A, 187; REBENICH 1992B, 42 f. REBENICH 1992A, 186. KRUMEICH 1993, 80. Vgl. SPEYER 1976, 1220. Hier. epist. 108,1,1 (CSEL 55, 306): nobilis genere, sed multo nobilior sanctitate. Übers. BKV 15, 95. Hierzu REBENICH 1992B, 42; SALZMAN 2002, 216; DUNN 2012, 197–218. Hier. epist. 108,33,2 (CSEL 55, 350). Scipio quam genuit, Pauli fudere parentes, / Gracchorum suboles, Agamemnonis inclita proles / hoc iacet in tumulo, Paulam dixere priores. / Eustochiae genetrix, Romani prima senatus / pauperiem Christi et Bethlemitica rura secuta est. Übers. BKV 15, 148.
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
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festzuhalten, dass Hieronymus zwar eine mythisch begründete Genealogie zur Ehrung einer verstorbenen Aristokratin zulässt,372 jedoch nicht gänzlich darauf verzichtet, sie nach seinen christlich-asketischen Maßgaben einzuschränken. 6.6.4 Zusammenfassung Wie gerne Hieronymus mythische Referenzen nutzt, um gegen Zeitgenossen zu wettern, zeigt bereits die Länge dieses Kapitels, das sich leicht mit weiteren Beispielen füllen ließe. Im Wesentlichen gibt es zwei verschiedene Arten, wie er Figuren aus den griechischen Mythen zu diesem Zweck einsetzt: zum einen durch die direkte Beschimpfung; zum anderen durch einen ironisierenden Vergleich. Den radikalen Wiedertäufer Hilarius vergleicht Hieronymus mit Deukalion, der durch Zeus den Auftrag erhält, nach der großen Sintflut ein neues Menschengeschlecht zu erschaffen.373 Damit bezieht sich Hieronymus auf das christliche Verständnis des Taufsakraments als geistige Wiedergeburt und suggeriert damit, dass gemäß Hilarius’ Ansichten beinahe jeder, also der ganze orbis, wiedergetauft werden müsste. Durch die Identifikation mit der positiv besetzten Figur aus den Mythen wird die Ironie schnell deutlich. Seinen Widersacher Iovinianus vergleicht Hieronymus mit dem mythischen Euphorbos und spielt damit auf die verschiedenen Inkarnationsstufen des Pythagoras an.374 Dessen Seele hatte im Körper des trojanischen Heros geweilt. Mit Hilfe dieses Vergleichs kann Hieronymus Iovinianus mit den entlegensten Häresien assoziieren und ihn als geistiges Ziehkind des Basilides von Alexandreia diffamieren. 13 Jahre später greift Hieronymus das Bild noch einmal auf, um auf dieselbe Art und Weise Vigilantius als dogmatischen Erben des Iovinianus zu beschimpfen.375 Die Allegorie findet hier ihre Fortsetzung. Daneben stehen solche Stellen, an denen Hieronymus den Gegner mit einer negativ besetzten Figur oder zumindest mit solchen Aspekten des jeweiligen Mythos assoziiert, die ein schlechtes Licht auf sie werfen. Auch dabei ist der ironisch-satirische Tonfall nicht zu überlesen: Iovinianus hat die Überbewertung der Jungfräulichkeit kritisiert und postuliert, dass alle Christen dieselbe Vergeltung im Jenseits empfingen.376 Darin sieht Hieronymus eine in sich widersprüchliche Haltung, nach der Iovinianus einerseits als Stoiker moralische Integrität fordere, aber andererseits als Epikureer ein Leben in Ausschweifung legitimiere. Diese Ambiguität zweier Positionen, kleidet Hieronymus in das Bild von Proteus, der sich im Mythos deshalb so schwer fangen lässt, weil er unentwegt eine andere Gestalt annimmt: Ebenso lässt sich Iovinianus nicht festlegen. Der Modus der Ironie ist hier Kennzeichen der unsachlichen Kritik. Als er sich in einem Brief an Marcella gegen Kritiker seiner Arbeit wendet, benutzt er die fiktive Figur des Onasus aus Segesta als Adressaten 372 REBENICH 1992A, 187. Zur christlichen Grabepigraphik GEMEINHARDT 2007, 165–184. Zu den republikanischen Exempla REBENICH 1992B, 41. 373 Hier. c. Lucif. 26 (SC 473, 192). 374 Hier. adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 350B). 375 Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 6). 376 Hier. adv. Iovin. 2,21 (PL 23, 329A).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
für eine von Hohn und Spott geprägte Invektive. Er wirft ihm eine indifferente Haltung in Bezug auf die pagane Kultur vor und provoziert mit der Bemerkung, er wolle Hephaistos in seinem eigenen Feuer brennen sehen.377 Die zerstörende Kraft der Flammen wird hier metaphorisch als Mittel gegen denjenigen Gott eingesetzt, der für ihre schöpferische Kraft steht. Dabei macht sich Hieronymus zu Nutze, dass Hephaistos schon bei Homer von den übrigen Göttern verlacht wird, weil er gehbehindert ist. Dass dieser Aspekt hervorgehoben wird, ist in Zusammenhang mit der verstümmelten Nase des Onasus zu sehen, über die sich Hieronymus in dem Schreiben wiederholt lustig macht. Der ganze Abschnitt gerät zur satirischen Verunglimpfung des fiktiven Gegners – der freilich für reale Kritiker steht. An anderer Stelle zeichnet Hieronymus von Iovinianus’ Anhängerschaft ein skurriles Bild als einer völlig disparaten Zusammenstellung mehr oder weniger untauglicher Soldaten. Unter diesen tauchen Frauen als Amazonen auf, die barbusig zum „Duell der Lust“ herausfordern.378 Damit kleidet Hieronymus zum einen die Anmaßung der Frauen in ein mythisches Bild, männliche Aufgaben wahrnehmen zu wollen. Zum anderen weist er der weiblichen Anhängerschaft des Iovinianus Lasterhaftigkeit zu. Auch im 22 Jahre später entstandenen Dialogus adversus Pelagianos lässt er den orthodoxen Atticus die Frauen unter den Pelagianern als Amazonen verspotten.379 In der Reihenfolge der mythischen Referenzen, wie sie hier für die Zusammenfassung wiederholt werden, tritt das Ironisch-satirische zurück und weicht zunehmend der Invektive. Damit geht einher, dass, je feinsinniger der Humor in der Polemik auftritt, desto tiefer die Bezüge gehen, die Hieronymus zum jeweiligen Mythos herstellt. Die Deukalion- und Euphorbos-Referenzen setzen bei der Leserschaft ein nicht geringes Maß an Kenntnis voraus, während eine Bemerkung wie die über die Amazonen auch ohne weitergehende Kenntnis narrativer Details funktioniert. Diese Tendenz setzt sich in der schlichten Beschimpfung der Gegner als mythische Monster fort. Die prominentesten unter den hieronymianischen Ungeheuern sind die Sirenen, deren Besonderheit darin liegt, dass sie zum einen im Text der Septuaginta enthalten sind und dass sich zum anderen der Mythos von Odysseus, der seiner Mannschaft die Ohren verschließen lässt, als Topos der antiken christlichen Literatur etabliert hat. In der Allegorie von der sicheren Fahrt in den Heimathafen stehen die Sirenengesänge als verschiedene Arten von Verlockungen, die den guten Christen vom Kurs abbringen können. Typisch ist dabei zunächst ihre Deutung als häretische Lehren: In einem Brief an Theophilos von Alexandreia lobt Hieronymus den Patriarchen dafür, keine dogmatischen Fragen in den Streit um die rechtswidrige Priesterweihe seines jüngeren Bruders Paulinianus durch Epiphanios von Salamis gebracht zu haben, und kleidet diesen Umstand in das Bild, dass Theophilos kein Ohr für Sirenengesänge habe.380 Tatsächlich kaschiert Hieronymus damit, dass die besagte Priesterweihe kaum etwas anderes war als eine Provokation
377 378 379 380
Hier. epist. 40,2,3 (CSEL 54, 310 f.). Hier. adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 351B–352A). Hier. adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33). Hier. epist. 82,5,1 (CSEL 55, 112).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
303
an die Adresse des Origenisten Johannes von Jerusalem, die sehr wohl in dogmatischen Fragen begründet war. Als Hieronymus für Fabiola die 42 Stationen des Volkes Israel beim Auszug aus Ägypten erklärt, gibt er an, dass der Name Obot magi bedeuten könne. Das Gewappnet-sein gegen die Umtriebe von Magiern drückt er ebenfalls mit der Sirenenmetapher aus und verknüpft die mythische Referenz mit Ps 58, in dem von einer Schlange die Rede ist, die ihre Ohren vor der Musik der Schlangenbeschwörer verschließt. Durch die Verbindung der zwei Metaphern, die aus völlig unterschiedlichen Kontexten stammen, macht Hieronymus auf ihre große Ähnlichkeit aufmerksam. Vor dem Hintergrund der Formulierung, die er in der Vulgata-Version dieses Psalms gewählt hat, lässt sich zum einen die Vermutung aufstellen, dass die zahlreichen Bemerkungen im hieronymianischen Opus, man solle verschlossenen Ohres an Sirenengesängen vorbeiziehen, auch den Psalmenbezug implizieren. Auch gegen Kritik an seiner Übersetzungstätigkeit verwahrt er sich unter Zuhilfenahme der Sirenenmetapher, so etwa in der praefatio zum Buch Josua: Unbeirrt will er zum metaphorischen Heimathafen ziehen, der innerhalb dieser Allegorie für seine Arbeit am Bibeltext steht.381 Der zweite Phänotyp versteht die Sirenengesänge als Verlockungen der fleischlichen Lust, denen es zu widerstehen gilt. In der berühmten Anweisung zum Leben als christliche Jungfrau, die er für Iulia Eustochium verfasst hat, gebraucht er die Metapher, um vor den „Freuden, die schnell vergehen“, zu warnen.382 Das mythische Exemplum dient dazu, den Gegensatz zu eschatologischer Hoffnung zu illustrieren. Weil weltliche Musik der Fleischeslust den Weg bereite, wettert Hieronymus in einem anderen Schreiben, mit dem er sich in erster Linie gegen die Hausgemeinschaft von Priestern mit christlichen Jungfrauen wendet. Er entwirft ein Szenario, in dem die Mädchen an bunten Gesellschaften teilnehmen, und illustriert die Gefahren weltlicher Musik durch das Bild der Sirenengesänge. Ohne auf narrative Zusammenhänge zu rekurrieren, assoziiert er dabei frei weiter und stellt den Sirenen das mythische Exemplum von Orpheus an die Seite, von dessen Musik im Mythos ebenfalls eine magische Wirkung aus geht. Im Unterschied zu den Sirenen ist die Abscheulichkeit und Gefährlichkeit der mehrköpfigen Hydra ungleich deutlicher präsent. Auch ohne viel Wissen über die zugehörigen Mythen wird sie als chthonisches Ungeheuer wahrgenommen, so dass die Metapher auf einer sehr unmittelbaren Ebene funktioniert. Sie hat in der Antike sprichwörtlichen Charakter und wird auch bei den christlichen Autoren häufig genannt, die sie zumeist wegen ihrer Giftigkeit als Sinnbild für Häresien auffassen, so auch bei Hieronymus. Das Nachwachsen ihrer Köpfe lässt sie als einen kaum besiegbaren Gegner erscheinen und deren Vielzahl ermöglicht es zudem, mehrere Kontrahenten in einem Bild zusammenzufassen. Das ist wohl der Fall in den praefationes zum Micha-Kommentar, in denen sich Hieronymus gegen die wiederholte Kritik an seiner Origenes-Nutzung wehrt. Auf die unablässigen Anfeindungen seiner Kritiker macht er aufmerksam, indem er das Nachwachsen der Köpfe der
381 Hier. praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 285 f.). 382 Hier. epist. 22,18,2 (CSEL 54, 167).
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
Hydra hervorhebt.383 Er verstärkt die Allegorie durch die Nennung der Keule des Herakles, mit der er seine Kritiker zum Schweigen bringen will. Dass die Wahl der Waffe technisch betrachtet nicht optimal ist und auch den meisten Überlieferungen nicht entspricht, tut der Aussagekraft seiner Worte keinen Abbruch. Ähnlich äußert er sich im Ezechiel-Kommentar über seinen unlängst verstorbenen Erzrivalen Rufinus und begrüßt es, dass die Hydra endlich aufgehört habe, gegen ihn zu zischen. Der Tod seines einstigen Jugendfreundes auf Sizilien wird überdies mit einem Vergleich zu einem Motiv aus den gängigen Gigantomachie-Erzählungen verhöhnt: Wie die olympischen Götter die Giganten unter Bergen begraben haben, so sei jetzt Rufinus zwischen ihnen zerquetscht.384 Darin enthalten ist das Motiv der Feindschaft gegen Gott, in dessen Nähe er Rufinus rückt. Die Hydra ist ein fester Topos bei Hieronymus, der gerade in Bezug auf Rufinus Verwendung findet. Dass sich offenbar auch nach dessen Tod seine Anhänger weiter zu Wort meldeten, kehrt der Kirchenvater im Brief an die junge Demetrias durch die Hervorhebung der immer wieder nachwachsenden Köpfe hervor.385 Hier sieht er sich in der Pflicht, sie eindringlich vor Häresien zu warnen, da sie bereits Kontakt zu heterodoxen Lehrern wie Pelagius aufgenommen hat. Die Wasserschlange aus Lerna bietet sich in solchen Fällen als idealtypisches, böses Ungeheuer an, das ohne große Erklärungen die Gefährlichkeit von Irrlehren versinnbildlicht. Um seinen Widersachern die Inkonsistenz ihrer Aussagen vorzuwerfen, greift Hieronymus auf die Chimäre zurück. In der Disparität der verschiedenen Körperteile des Mischwesens sieht er in antiker Tradition die Entsprechung widersprüchlicher innerer Dispositionen. Dem Mönch Rusticus gegenüber hebt er die Falschheit des Rufinus hervor, der sich nach außen wie ein großer Theologe geriere, innerlich aber nicht das nötige Format besitze. Dies kleidet Hieronymus in das Bild der Chimäre, die „aus den gegensätzlichsten Naturen“ zusammengefügt sei.386 Im Rahmen seiner Beschimpfungen zeigt Hieronymus eine auffällige Vorliebe für Hunde und für hundeartige Monster. Zum einen ist da der furchtbare Kerberos zu nennen, den der Kirchenväter vor allem dann einsetzt, wenn es darum geht, ein Abhängigkeitsverhältnis eines Widersachers von einem anderen zu postulieren. So bezeichnet er den Heraclianus, der 410 in seiner Eigenschaft als comes Africae römische Flüchtlinge ausgebeutet hatte, als Orcus in tartaro, um darzustellen, mit welcher Unerbittlichkeit er seine Machtstellung in der Situation nach dem Fall Roms ausgenutzt hatte.387 Diesem gibt er einen Kerberos an die Seite, der nicht nur drei-, sondern vielköpfig sei, womit offensichtlich die Helfer gemeint sind, auf die Heraclianus zurückgreifen konnte. Zum Schluss derselben Textstelle variiert Hieronymus die Beschimpfung erneut, indem er von der Charybdis und der mit Hunden umgürteten Skylla spricht. Die Hades-Kerberos-Metapher setzt Hieronymus etwa zu derselben Zeit auch ein, um gegen Pelagius zu wettern, den er in Abhängigkeit 383 384 385 386 387
Hier. in Mich. 1,1 (CCL 76, 423). Hier. in Ezech. prol. (CCL 75, 3). Hier. epist. 130,16,1 f. (CSEL 56, 196). Hier. epist. 125,18,3 (CSEL 56, 138). Hier. epist. 130,7,7 f. (CSEL 56, 184 f.).
6.6 Mythische Referenzen zu zeitgenössischen und historischen Personen
305
von Rufinus alias Pluto setzt.388 Damit ist über die eigentliche Beschimpfung hinaus auch die geistige Unselbständigkeit des Pelagius suggeriert. Die freie Assoziation und Verkettung von mythischen Figuren schlägt mitunter gewisse Kapriolen. So spielt Hieronymus in der praefatio zu seinem Ezechiel-Kommentar mit den Metaphern: Mit dem bekannten Bild von den nachwachsenden Köpfen der Hydra verbindet er die eigenwillige Variation, dass die Hunde am Leib der Skylla nach ihrem Tod weiterleben und nicht aufhören wollen, gegen ihn zu kläffen.389 Gemeint ist wieder einmal mehr der verstorbene Rufinus sowie die Fortsetzer seines Werks, von denen lediglich Pelagius mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu fassen ist. Die Stelle, die ohnehin mit Metaphern überfrachtet ist, wird um zwei weitere mythische Referenzen ergänzt, in denen Hieronymus auf die Gifte der Kirke und des Odysseus verweist, um die Gefährlichkeit der theologischen Positionen des Rufinus sinnfällig zu machen. Hieronymus hat generell eine große Vorliebe dafür, wenigstens zwei vergleichbare Exempla aus den Mythen zu einem Sachverhalt zusammenzunehmen. Solche Kumulationen wie die gerade beschriebene treten jedoch vor allem im Zusammenhang mit der Beschimpfung seiner Gegner auf; so auch im Jeremia-Kommentar, in dem er der von Hunden umgürteten Skylla erneut die Hydra sowie Odysseus und die Sirenen an die Seite stellt, um gegen Rufinus zu hetzen.390 Der Kirchenvater setzt in diesen Fällen häufig auf die Wirkung der massierten Beleidigung. Sachliche Argumente treten hier stärker noch als bei den ironischen Vergleichen zurück, da es ihm allein um die Invektive geht. Ein besonders eklatanter Fall ist das Exordium zur Streitschrift gegen Vigilantius. Dessen gallischer Herkunft stellt Hieronymus einem ganzen Katalog von überwiegend mythischen Monstren gegenüber, die durch ihre jeweilige Lokalisierung ein geographisches Netz über die Mittelmeerwelt spannen.391 Vigilantius erscheint im diesem Rahmen gewissermaßen als der fehlende Eintrag in der Monster-Landkarte und wird somit auf eine Stufe mit den Ungeheuern gestellt. Für die mythischen Figuren hat sich Hieronymus offensichtlich von den zwölf Taten des Herakles leiten lassen, die diesen in immer weitere Ferne geführt haben und ihn zu den verschiedensten Schauerwesen brachten. Der Kirchenvater ergänzt das eigenständig um die Erwähnung des Cacus, der in der Aeneis mit Herakles aneinandergerät. Eingeleitet wird die Reihe von biblischen und mythischen Monstern durch die Erwähnung der Kentauren und Sirenen, die Hieronymus explizit der biblischen Tradition zuweist. Damit bringt er im Sinne des christlichen Altersbeweises eine chronologische Reihenfolge in die Aufzählung und fängt bereits mit den ersten Worten an, die Thesen des Vigilantius anzugreifen, mit denen er heidnische Einflüsse im christlichen Ritus kritisiert hatte. Im Zusammenhang mit der Monster-Polemik gegen die Häretiker fällt auf, dass dem Kampf oft etwas Aussichtsloses oder zumindest Beschwerliches anhaftet, wie
388 389 390 391
Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151). Hier. in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225). Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150). Hier. c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5 f.)
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6. Die Nutzung mythischer Referenzen
etwa im Fall der ständig nachwachsenden Hydra-Köpfe. Das spricht für ein gewisses Maß an Frustration bei Hieronymus. Im Grunde war es ja auch seine wiederholt artikulierte Sehnsucht, sich lediglich mit der Bibel auseinanderzusetzen – und nicht mit den Kontroversen, die durch die Ideen seiner Zeitgenossen angezettelt wurden. Seine Abscheu gegen diese Leute kommt in der Bösartigkeit zum Vorschein, die den jeweils zitierten Ungeheuern anhaftet. Gerne sind sie giftig, zumeist tödlich für den Rechtschaffenen. Hieronymus’ Abneigung gegen die Irrlehrer ist tief empfunden und so nimmt es nicht Wunder, dass ein abscheuliches Phantasma wie die vielköpfige Hydra so gerne bemüht wird. Ihr haftet nichts Menschliches mehr an, im Gegenteil, ihre Schlangengestalt weist sie auch nach biblischen Maßstäben dem Bereich des Dämonischen zu. Aber auch die Mischwesen, die sich aus Teilen von Tieren oder auch Menschen zusammensetzen, dienen ihm dazu, die Heuchelei und Ambiguität seiner Gegner herauszustellen. Mit Ausnahme des Kerberos sind Hieronymus’ Lieblingsmonster durchweg weiblich. Das erhöht zum einen den Grad der Beleidigung für seine durchweg männlichen Widersacher, die sich durch die implizite Effemination zusätzlich brüskieren lassen mussten. Zum anderen deutet die Auswahl der Monstren auf Hieronymus’ zwiespältiges Verhältnis zu Frauen hin, wenn ihm bei der Suche nach bösen Wesen zuerst weibliche Ungeheuer einfallen. Ausnahmslos handelt es sich bei den Personen, gegen die Hieronymus mit Hilfe von Figuren aus den Mythen polemisiert, um Christen, die abweichende Positionen vertreten – oder in seiner Diktion: um Häretiker. Demgegenüber bietet Hieronymus’ Gebrauch mythischer Referenzen zur positiven Charakterisierung von Personen ein eher heterogenes Bild. Dieser Umstand ist unter anderem darin begründet, dass die Zahl der entsprechenden Textstellen sehr klein ist. Nicht ganz ohne Ironie entwirft er im 107. Brief ein Szenario von der spirituellen Wirkung eines christlich geweihten Babys: Der Kirchenvater malt aus, wie der heidnische Großvater, der pontifex Albinus, durch seine Präsenz dem christlichen Glauben näherkomme – so wie selbst Jupiter durch den Anblick des Kindes zum Christen werden müsste.392 Indem Hieronymus dem Baby die größte charismatische Kraft zuschreibt, weist er dem höchsten Gott des römischen Pantheons hier den Rang eines Menschen zu, der sich der christlichen Kirche zuwendet. Als im Jahr 404 Hieronymus’ Weggefährtin Paula stirbt, weist er in ihrem Nachruf zweimal auf die Abstammung ihrer Familie von Agamemnon hin.393 Den Spagat zwischen der christlichen Ablehnung solcher weltlichen Werte sowie der Notwendigkeit, Rücksicht auf Paulas aristokratische Familie zu nehmen, schafft er, indem er den Hinweis Dritten in den Mund legt. Auf diese Weise entsteht kein Widerspruch zu den christlichen Tugenden Paulas, die er über ihre Herkunft stellt. Insgesamt bleibt die Bedeutung der mythischen Referenzen zur positiven Charakterisierung von Personen marginal gegenüber den zahlreichen Belegen für eine Diffamierung seiner Gegner. In ihr ist die wichtigste und dominierende Funktion von Verweisen auf mythische Figuren im Werk des Hieronymus zu erblicken.
392 Hier. epist. 107,1,3 (CSEL 55, 291). 393 Hier. epist. 108,3,1 (CSEL 55, 308).
7. SCHLUSSBETRACHTUNG Hieronymus benennt die Mythen mit dem Begriff fabulae. Die weiteren Präzisierungen als gentilium fabulae, fabulae poetarum oder selten auch als fabulae ethnicorum erscheinen per se wertfrei und dienen vornehmlich der Abgrenzung zu anderen Arten von fabulae, etwa Ammenmärchen oder Erzählungen aus der Bibel wie der Susannae fabula.1 Formulierungen wie ut fabulae ferunt nach zu urteilen, wie er sie üblicherweise nutzt, um mythische Referenzen einzuleiten, betrachtet er die poetae lediglich als Verfasser der schriftlichen Überlieferung, jedoch nicht als die Urheber der Erzählstoffe. Das kann als Zeugnis dafür gewertet werden, dass ihm der Umstand bewusst war, dass die Überlieferung der Mythen nicht an bestimmte Texte gebunden war. Vereinzelt rekurriert er zudem auf verschiedene Versionen einer Erzählung oder zeigt Alternativen auf. Gegenüber dem eng gefassten MythosBegriff, der dieser Arbeit zugrunde gelegt wurde, hat Hieronymus jedoch keine fest umrissenen Vorstellungen. Gerade im Bereich der Gründungssagen Roms können die Grenzen zur historia fließend sein. Mit Aeneas’ Ankunft in Italien scheint für Hieronymus allerdings historischer Boden betreten zu sein. Doch auch für den Kernbereich der griechischen Mythen hat sich gezeigt, dass Hieronymus vereinzelt Unsicherheiten in der Terminologie aufweist. Gerade am Beispiel des Andromeda-Felsens in Jafo wurde deutlich, dass Hieronymus durchaus bereit ist, einen Mythos als authentische Geschichte aufzufassen, wenn er hinreichende Beweise per Autopsie wahrgenommen hat.2 Im Fall des Satyr-Skeletts, das laut Hieronymus Mitte des 4. Jh. in Antiocheia gezeigt worden ist, ist schwer zu entscheiden, ob er lediglich den Unterhaltungswert seiner Erzählung erhöhen wollte oder ob dahinter christlicher Dämonenglaube steckt.3 Ähnlich verhält es sich bei den mythischen Exempla, mit denen er in seinem catalogus feminarum den AskeseKritiker Iovinianus vom Stellenwert der Jungfräulichkeit bei den Heiden überzeugen will: Geht es ihm allein um den Aspekt der Wertschätzung – für welche die Fiktivität der Mythen kein Hindernis darstellte – oder ist die Historizität der Exempla implizite Bedingung für ihre Gültigkeit? Gerade in der mitunter willkürlichen Durchmischung mythischer und historischer Exempla zeigt sich, dass er nicht scharf trennt und die Historizität der Mythen nur selten in Zweifel zieht.4 Gemessen an der großen Menge erhaltener Texte aus der Feder des Kirchenvaters stellen die Erwähnungen mythischer Figuren einen verschwindend geringen Teil dar. Absolut betrachtet sind 772 Nennungen mythischer Figuren jedoch eine
1 2 3 4
Hier. epist. 121,10,19 (CSEL 56, 48); in Dan. prol. (CCL 75A, 773). Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104). Hier. vita Pauli 8,6 (SC 508, 162). Hier. adv. Iovin. 1,41–49 (PL 23, 282C–296A). Zweifel an Historizität: in Ion. 2,2 (FC 60, 144).
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7. Schlussbetrachtung
recht hohe Zahl,5 die vor dem Hintergrund abwertender Äußerungen über die Mythen überrascht. Die Ablehnung auf der Meta-Ebene, die durch die Positionen älterer christlicher Literatur bedingt ist, entspricht nicht der weitgehenden Akzeptanz, die Hieronymus den Mythen de facto entgegenbringt. Referenzen auf mythische Figuren lassen sich in seinem gesamten Schaffen finden. Das gilt zum einen für die chronologische Dimension: Während der gesamten Dauer seiner literarischen Tätigkeit erscheinen Bezugnahmen auf Mythen. Bezogen auf einzelne Jahre variieren sie in ihrer Fülle durchaus und es gibt einzelne Peaks,6 doch lassen sich weder Entwicklungen oder Tendenzen aufzeigen, noch gibt es deutlich erkennbare Zäsuren, die etwa durch den Ortswechsel nach Bethlehem oder das berühmte Traumgesicht bedingt wären. Ebenso sind mythische Referenzen in den Texten aller Werkgruppen vorhanden, den Briefen, den Streitschriften, den drei Mönchsromanen und auch den Übersetzungen. Die meisten Treffer sind jedoch in den exegetischen Schriften zu finden, wobei sich hier drei von vier Nennungen auf Figuren mit mythischen Namen in der Bibel beziehen, etwa die Giganten aus Gen 6,1–4. Damit ist jedoch die Zahl von tatsächlichen Bezügen auf die griechischen Mythen immer noch recht hoch. In den Predigtmitschriften (tractatus) finden sich sehr wenige Nennungen mythischer Namen, die zudem keinen Bezug auf entsprechende Mythen nehmen. Im liturgischen Bereich scheint Hieronymus auf mythische Bezüge verzichtet zu haben. Einen Sonderfall stellt die Vulgata dar, da Hieronymus hier eine Reihe von Figuren aus den griechischen Mythen in den Text einbringt, die der hebräische Text nicht vorgibt. Zum einen sind dies Namen, die er in Ermangelung anderer lateinischer Vokabeln benutzt hat. Am Beispiel der astronomischen Bezeichnungen Orion und Arkturos ist leicht nachvollziehbar, dass er so, mit Blick auf die Akzeptanz des neuen Textes, die Verständlichkeit für seine Leserschaft gewährleistet. Die mythischen Hintergründe zu den Namen empfiehlt er zu ignorieren, obwohl er gelegentlich eben diese für exegetische Bemerkungen nutzt. Zum anderen hat er mythische Namen aus der Septuaginta übernommen, die dort aufgrund narrativer Parallelen zu den biblischen Figuren erscheinen. Die komplexen mythischen Hintergründe zu Lucifer/Ἑωσφόρος scheinen Hieronymus jedoch nicht bewusst zu sein, zumal sich der Name bereits für die christliche Teufelsvorstellung durchgesetzt hat. Im Fall der Giganten und der Sirenen des Alten Testaments hingegen thematisiert er den Bezug zum griechischen Mythos nicht nur, sondern baut mitunter seine allegorischen Auslegungen darauf auf. So versteht er die Giganten in ihrer Eigenschaft als Empörer gegen die göttliche Ordnung als Sinnbild für Häretiker. Ähnliches gilt für die biblischen Sirenen, deren Gesang Hieronymus als verlockende, aber tödliche Irrlehren auffasst und damit ausnahmsweise einer etablierten interpretatio Christiana von der Fahrt des Odysseus folgt. Während jedoch die Giganten im hieronymianischen
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LÖHR 2015, 115, verzeichnet ein generelles Desinteresse spätantiker Bischöfe am Mythos. Nennenswert sind zum einen das Jahr 393 mit Adversus Iovinianum und zum anderen die Jahre von 406 bis 408 mit Contra Vigilantium und dem Jesaja-Kommentar.
7. Schlussbetrachtung
309
Schaffen ausschließlich in ihrer biblischen Gestalt anzutreffen sind, nutzt er die Sirenenmetapher auch ohne den Bezug zur Bibel. Der Kirchenvater reduziert die Zahl der Nennungen mythischer Figuren in der Vulgata gegenüber der Septuaginta, doch beruht das eher auf philologischen Erwägungen. Von einer ‚Entmythisierung‘ kann keine Rede sein, da er im Gegenteil Sorge dafür trägt, dass die Giganten und Sirenen in der lateinischen Bibel erhalten bleiben. Die Motivation hierfür kann einerseits die angestrebte Akzeptanz des neuen Textes sein, andererseits das Bemühen, zentrale Stellen der antihäretischen Polemik weiterhin verfügbar zu machen. Hinzu kommt, dass mythische Namen in der Bibel im Sinn des christlichen Altersbeweises dienlich sind, demzufolge die biblische Überlieferung Vorlage für die pagane ist. Bezugnahmen auf mythisches Personal oder auf bestimmte Erzählungen sind in der Regel sehr kurz formuliert und können oft kaum den Rang von Nebensätzen beanspruchen. Zumeist verzichtet Hieronymus auf die Wiedergabe narrativer Details und beschränkt sich zunächst auf die Nennung des Namens der Figur, die für die Handlung der angesprochenen Erzählung zentral ist,7 und fügt ihm gegebenenfalls ein Attribut hinzu, das den entscheidenden Hinweis gibt. Dabei zeigt er erstaunliches Geschick, die Schlüsselbegriffe auch mit Hilfe stark reduzierter Anhaltspunkte funktionieren zu lassen.8 Im Fall der Metapher von den Sirenen, an denen man auribus obturatis vorbeiziehen soll, geht die Reduktion so weit, dass sich das Motiv vom ursprünglichen Bezug löst und es an einen anderen Mythos geheftet wird, etwa an den der Skylla.9 In der Regel verwendet er den Namen einer Figur, nur selten beschränkt er sich auf bloße Anspielungen. Doch selbst in einem Fall, in dem etwa Dido als ipsa, quae passa est, angesprochen wird, machen Aeneis-Zitate und der Name ihrer Schwester Anna eindeutig klar, um wen es sich handelt.10 Während er in der Formulierung die Kürze schätzt, treibt seine grundsätzliche Neigung, mehrere sinnverwandte Exempla zusammenzustellen, bisweilen recht üppige Blüten. Im Regelfall bildet er Paare von ähnlichen Beispielen zu einem Sachverhalt, bei denen entweder eines oder beide Exempla aus mythischen Referenzen bestehen können. Manchmal werden daraus ganze Konvolute von Mythen-Bezügen, z. B. im Exordium der Streitschrift Contra Vigilantium. Stellen wie diese beweisen mit ihren grotesken Pandämonien, dass Hieronymus nicht zuletzt sein Lesepublikum unterhalten will.11 Einen Sonderfall stellt der Frauenkatalog in Adversus Iovinianum mit 22 mythischen Exempla dar, da es hier der erklärte Zweck der entsprechenden Passage ist, möglichst viele pagane Beispiele zusammenzustellen. 7 8
Das muss nicht einmal der eigentliche Protagonist der Erzählung sein. SCHINDLER 2015, 23 f., kommt für Claudianusʼ Dichtung zu einem ähnlichen Befund (hier zu Claud. 20,255–261) und spricht von „extremer Verrätselung“, die beim Leser eine „gute Kenntnis der Prätexte erforderlich“ mache. Im Fall von Hieronymus ist die Kongruenz von Literaturund Mythenkenntnis beim Lesepublikum jedoch gerade nicht vorauszusetzen. Nach ZILLING 2015, 140, ist der Mythos bei den Kirchenvätern „populärer Referenzpunkt“, bei dem sie sich „der allgegenwärtigen Vertrautheit“ gewiss sein konnten. Vgl. auch LEPPIN 2015, 16 f. 9 Hier. vita Hilar. 1,8 (SC 508, 214). 10 Hier. epist. 123,13,1 (CSEL 56, 87 f.). Ausnahme in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225): genetrix. 11 FUHRMANN 1976, 88.
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7. Schlussbetrachtung
Die Nacherzählung oder Paraphrase einer Erzählung nimmt Hieronymus nur sehr selten vor, etwa im Fall des Adonis oder der Töchter des Skedasos von Leuktra.12 Bei letzterem handelt es sich um eine entlegene Erzählung der antiken Überlieferung. Ansonsten hat Hieronymus die Mythen, auf die er rekurrierte, bei seiner Leserschaft gemeinhin als bekannt vorausgesetzt. Scit eruditus lector historiam,13 heißt es über Andromeda am Felsen. Aufs Ganze bezogen wird seine Unterstellung durch die Tatsache gestützt, dass er manche mythischen Exempla zweimal und öfter einsetzt – und das über lange Zeiträume hinweg –, so dass er Gelegenheit gehabt hat, mögliche Reaktionen auf seine Veröffentlichungen zu sammeln und für neue Werke auszuwerten. Das lässt den Schluss zu, dass klassische Mythen auch um die Wende zum 5. Jh. zum Wissenskanon gebildeter Christen gehörten.14 Zumeist dienen die mythischen Referenzen dazu, den eigentlichen Gegenstand eines Textes zu kommentieren. Das geschieht in Form von Vergleichen oder Metaphern, die mitunter zu mehrschichtigen Allegorien verdichtet werden. Ihrer Funktion nach sind diese Bilder aus den Mythen daher wohl am treffendsten als Exempla zu charakterisieren. Zu einem Teil finden sie sich als solche in der klassischen Literatur vorgeformt, etwa bei Hieronymus’ Lieblingsautor Cicero.15 Anders gewendet heißt das, dass die Mythen in der Regel als Mittel dazu dienen, eine andere Sache zu bewerten, und sie selbst nicht das zu bewertende Objekt darstellen. Damit ein solches Exemplum ein tertium comparationis bieten kann, darf es seinerseits natürlich nicht neutral sein, d. h. die Handlungen des angesprochenen mythischen Personals werden wertend dargestellt. Diese Wertung kann aber bei ein und demselben mythischen Beispiel unterschiedlich ausfallen: Der Brudermord des Romulus dient Hieronymus einmal dazu, die moralische Dekadenz Roms anzuprangern, und an einer anderen Stelle, die klösterliche Hierarchie unter einem einzelnen Abt zu begründen.16 Die heidnische Vorstellung von Saturns Goldenem Zeitalter nutzt er, um sich über die chiliastische Deutung von Jes 11,6–8 lustig zu machen, folgt aber bei anderer Gelegenheit Porphyrios darin, den Verzicht auf Fleischspeisen mit dem Verweis auf die besseren Menschen im Goldenem Zeitalter zu loben.17 Dabei rekurriert Hieronymus auch auf verschiedene Versionen derselben Erzählung: Die Dido der phönikischen Tradition, die sich tötet, um einer Ehe mit Iarbas zu entgehen, erscheint als Beispiel der Gattentreue einer Witwe, während er an anderer Stelle, um die junge Witwe Geruchia vor den Gefahren einer Ehe zu warnen, auf das Beispiel der vergilischen
12 Hier. in Ezech. 3,8 (CCL 75, 99 ff.); adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284C–285A). 13 Hier. in Ion. 1,3b (FC 60, 104. 106). 14 Die am häufigsten genannten mythischen Figuren (mit Ausnahme der biblischen) sind Zeus (36×), Aphrodite (13×), die Sirenen, Skylla (je 12×), Athene (11×), Apollon und Artemis (je 10×). 84 von insgesamt 174 Namen werden nur einmal erwähnt. 15 Bspw. Cic. Att. 1,18,3; 2,21,4; 14,17A,2. 16 Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74. 76); epist. 125,15,1 (CSEL 56, 133) 17 Hier. in Is. 4,11,6 (VL 23, 443); 9,30,26 (VL 30, 1102); adv. Iovin. 2,13 (PL 23, 316A).
7. Schlussbetrachtung
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Dido zurückgreift, die sich in Aeneas verliebt.18 Am Gebrauch der mythischen Referenzen zeigt sich, dass Hieronymus Pragmatiker ist: Ein Argument ist immer so gut, wie die Position, die er gerade damit vertritt. Zur Untersuchung der griechischen Mythen bei Hieronymus wurde in Kapitel 6 eine Unterteilung der einzelnen Nennungen mythischer Figuren nach ihrer jeweiligen Funktion in den Texten vorgenommen. Der Zweck dieser Kategorisierung ist es, im Sinne einer Arbeitshypothese ein heuristisches Instrument zu erstellen, um die bestehende Struktur der Texte aufzubrechen und somit der Flut von mythischen Bezügen mit einem sachsystematischen Ansatz Herr zu werden. Die Untersuchung der Mythischen Referenzen in Aussagen zu Orten und historischen Ereignissen (6.1) hat trotz der geringen Zahl von Fallbeispielen ein recht klares Bild ergeben, wonach die griechischen Mythen für Hieronymus einen Teil der Gedächtniskultur bilden, die mit bestimmten Orten der antiken Welt verbunden sind. Mythische Erinnerungen stehen dabei gleichberechtigt neben biblischen und werden trotz einer erkennbar größeren Distanz des Autors als gleichermaßen historisch behandelt. Der Eindruck der Authentizität solcher Erinnerungsorte wird für Hieronymus vor allem durch Autopsie gesteigert. Die einzelnen Erzählungen erscheinen in einer ethischen Bewertung, die der ihrer Behandlung bei den klassischen Autoren entspricht. Im Vordergrund steht die Charakterisierung des Ortes, dem die Erzählung untergeordnet wird. Dementsprechend können die Mythen sowohl zum Lob eines Ortes dienen als auch dazu, seine Verkommenheit aufzuzeigen. Offenbar musste er nicht erwarten, dass sein Publikum die mythischen Referenzen im christlichen Kontext als problematisch empfand. Die Mythen blieben auch in der zunehmend christianisierten Spätantike Teil der Erinnerungslandschaft. Die Mythischen Referenzen in Aussagen zum heidnischen Kultus (6.2) führen zu Spuren einer heidnisch-christlichen Auseinandersetzung. Aus den wenigen Gelegenheiten, bei denen Hieronymus Aspekte der paganen Kultur mit Hilfe von mythischen Bezügen kommentiert, lässt sich eindeutig eine ablehnende Haltung ablesen. Vorrangig geht es dabei um Fragen der Glaubwürdigkeit biblischer Erzählungen, denen jeweils die Mythen als Beispiele einer Überlieferung mit weitaus geringerer Authentizität gegenübergestellt werden. Seine äußerst sporadische und oberflächliche Behandlung dieser Fragen legt jedoch den Schluss nahe, dass er kein genuines Interesse hat und sich nur dazu äußert, wenn der sachliche Zusammenhang es erfordert. Zwei Ausnahmen werden zum einen durch die frühe Vita Pauli gebildet, die als Plädoyer für ein auch in weltlichen Dingen gebildetes Mönchtum deutlich Position gegen die religiösen Inhalte der heidnischen Schriften bezieht. Zum anderen bezeichnet er einmal die heidnische Literatur ironisch als Herakles-Keule im Kampf für den christlichen Glauben.19 Beide Stellen belegen, dass Hieronymus zeitlebens einen kritisch-reflektierten Umgang mit der heidnischen Bildung befürwortet hat. Er weiß, dass seine Schriften von gebildeten Christen gelesen werden,
18 Hier. adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A.B); epist. 123,13,1 (CSEL 56, 87 f.). 19 Hier. epist. 70,3,2 (CSEL 54, 704).
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7. Schlussbetrachtung
die weder bekehrt werden müssen noch Bedarf an Argumentationsstützen für religiös bedingte Auseinandersetzungen mit Heiden haben. Daher sei noch einmal betont, dass eine Abgrenzung der christlichen Lehre von den alten Kulten im Werk des Kirchenvaters kaum eine Rolle spielt. Im Kapitel zu Mythischen Referenzen in Aussagen zu bestimmten Taten, Verhaltensweisen und Abstrakta (6.3) wurden verschiedene Arten von Objekten der Kommentierung zusammengefasst, die nicht in die übrigen Kategorien passten. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um abstrakte Dinge wie Trauer, Wachsamkeit oder das Alter, die Gegenstand seiner Überlegungen sind. So ließen sich einige Einzelaspekte herausarbeiten, die charakteristisch für den hieronymianischen Gebrauch der griechischen Mythen sind und auch für die folgenden Kapitel Geltung haben: Mehrheitlich setzt der Kirchenvater sie ein, um negative Aussagen zu treffen. Generell erfordert nicht der sachliche Zusammenhang das Herstellen mythischer Bezüge, vielmehr sind sie seinem literarischen Gestaltungswillen geschuldet. Seine Souveränität im Umgang mit den mythischen Exempla zeigt sich, wenn er etwa den Danae-Mythos dreimal mit deutlich unterschiedlicher, dem jeweiligen Zusammenhang angepasster Akzentuierung einsetzt.20 In anderen Fällen werden dieselben Exempla sogar jeweils zur Unterstützung völlig gegenläufiger Aussageabsichten eingesetzt. Überdies wurde deutlich, dass Hieronymus sich zumeist im Rahmen des gängigen antiken Verständnisses der jeweiligen Mythen bewegt. Teilweise folgt er einem sprichwörtlich gewordenen Gebrauch. Trotz ihrer Knappheit funktionieren seine Anspielungen nicht nur auf der unmittelbaren Ebene, sondern verweisen etwa durch den nicht genannten Fortgang der Erzählungen implizit auf weitere Analogien. Die mythischen Exempla können zudem gleichberechtigt neben biblischen auftreten. Teilweise ist ihr Einsatz durch den Modus des Textes bedingt: In einer Argumentation, die nach dem Vorbild ciceronischer Dialoge gestaltet ist, treten auffällig viele Bezüge auf pagane Traditionen auf. Die mythischen Referenzen erscheinen jedoch stets als legitime Argumente, auch in genuin christlichen Fragen. Auf die Mythischen Referenzen in Aussagen zu den sieben Hauptlastern (6.4) treffen diese Beobachtungen ebenfalls zu. Darüber hinaus hat sich hier jedoch ein ambivalentes Bild ergeben. Dass Hieronymus die griechischen Mythen, die von den Lastern und Freveltaten ihrer Akteure leben, dazu nutzt, um gegen eben solches Verhalten zu polemisieren, überrascht zunächst nicht. Dabei steht entweder das Handeln der Protagonisten in der jeweiligen Erzählung paradigmatisch für das Laster, das Hieronymus kommentieren möchte – so etwa die Raserei der betrunkenen Kentauren und die Promiskuität Helenas – oder aber Figuren, die als unbestimmte Bedrohung erscheinen, werden symbolisch mit bestimmten Lastern aufgeladen – beispielsweise „die Charybdis der Sinnlichkeit“ und „die Skylla der Begierde“.21 Hieronymus folgt hierbei antiken Deutungsmustern. Dem gegenüber steht eine große Zahl von mythischen Exempla, die dazu dienen, den Verzicht auf sündhaftes Verhalten zu loben. Vor allem die Streitschrift Adversus Iovinianum schlägt in dieser Hinsicht zu Buche, da es hier das erklärte Ziel ist, die Verankerung des Wertes 20 Hier. epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507); 128,4,3 (CSEL 56, 160); adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76). 21 Hier. in Eph. 3 (PL 26, 561B); epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52); 128,4,6 (CSEL 56, 161).
7. Schlussbetrachtung
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sexueller Enthaltsamkeit in der paganen Tradition nachzuweisen. Zu diesem Zweck stellt Hieronymus einen ganzen Katalog von Frauen zusammen, in dem neben historischen Figuren zahlreiche mythische Beispiele von Gattentreue und standhafter Jungfräulichkeit erscheinen: Als Hieronymus’ Primat der christlichen Askese durch Iovinianus herausgefordert und als neuartiger Irrtum diffamiert wird, reagiert der Kirchenvater mit einer apologetischen Kampfschrift, die sich nicht nur in Hinblick auf den Wert des Alters einer Idee in den Bahnen des römischen Traditionalismus bewegt, sondern sich auch dessen paganer Exempla bedient.22 Weil Hieronymus hier durch die Masse seiner Argumente überzeugen will, hat er eine ungewöhnliche Fülle von Mythen zusammengetragen, die in seinem Werk zumeist singulär und in der Gesamtheit der antiken Literatur überhaupt recht rar sind. Für beide Fälle der Kommentierung von lasterhaftem Verhalten, den negativen wie den positiven, gilt, dass die mythischen Exempla durch ihre Kürze auf einen bestimmten Ausschnitt der Erzählung fokussiert werden, so dass nachteilige Aspekte eines Mythos oder der weitere Hergang nicht die Aussageabsicht stören. Dieser selektiven Nutzung entspricht in anderen Fällen das bewusste Ignorieren konkurrierender Versionen. Hieronymus hält sich nicht an narrativen Details der einzelnen Mythen auf, da ihm ausschließlich am Heroismus der erwähnten Frauenfiguren gelegen ist. Dass die Exempla auch trotz mancher sachlicher Ungereimtheiten funktionieren, spricht für seine Methode. Auffällig ist im Frauenkatalog, dass einige der unbekannteren Mythen verhältnismäßig ausführlich, also mit ein bis drei Sätzen erläutert werden. Das zeigt, dass Hieronymus viele der hier genutzten Erzählungen nicht als bekannt voraussetzen konnte. Die Mythen sind als Teil des Bildungskanons spätantiker, gebildeter Christen präsent, scheinen jedoch auf ein gewisses Repertoire von StandardMythen beschränkt zu sein. Für die kleine Gruppe der Mythischen Referenzen in Aussagen zu biblischen Personen und Erzählungen (6.5) hat sich die Besonderheit ergeben, dass Hieronymus mitunter Bezüge zu Mythen nutzt, um Bibelstellen auszulegen und im Zuge dessen biblische Figuren mit mythischen zu vergleichen. Das kann der Klärung von Realien dienen, führt aber in Einzelfällen soweit, dass allegorische Deutungen von Bibelstellen allein auf dem Vergleich mit einem Mythos basieren. Bei alledem ist jedoch zu beachten, dass diese Textstellen eine große Seltenheit darstellen. Diese Tatsache könnte freilich ein Hinweis darauf sein, dass der Kirchenvater hier doch mit Widerstand aus den Reihen seiner christlichen Leserschaft zu rechnen hatte: Der Vorwurf der Häresie war schnell erhoben und wog schwer, so dass Hieronymus viel daran gelegen war, ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bei der Untersuchung der Mythischen Referenzen in Aussagen zu zeitgenössischen und historischen Personen (6.6) haben sich keine Besonderheiten im Vergleich zu den anderen Typen aufzeigen lassen, jedenfalls was die mythischen Referenzen angeht, die Hieronymus zur positiven Bewertung von Personen dienen. Im Gegensatz dazu steht der Gebrauch mythischer Referenzen zur Diffamierung von Gegnern. Hierbei handelt es sich nicht nur zahlenmäßig um die Königsdisziplin des hieronymianischen Mythengebrauchs. Zunächst ist ein recht feinsinniger Einsatz 22 Hier. adv. Iovin. 1,41–49 (PL 23, 282B–296A).
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7. Schlussbetrachtung
ironischer Vergleiche von Widersachern mit eigentlich positiv besetzten Figuren der Mythologie feststellbar. Die Allegorien erfordern hier ein gewisses Vorwissen über die Mythen, damit die jeweiligen Anspielungen verstanden werden können.23 Dieser Gebrauch erfährt eine Verschärfung durch den satirischen Vergleich mit eher negativ besetzten Figuren des Mythos.24 Die Grenze zur reinen Beschimpfung wird erreicht und mitunter überschritten. Lediglich die Ironie ist ein retardierendes Moment, was die Boshaftigkeit des Geschriebenen angeht. Die Ebene sachlicher Auseinandersetzung verlässt Hieronymus jedoch bereits mit diesen Bemerkungen. In voller Pracht entfaltet sich seine Kunst, Personen zu verunglimpfen, in der Verwendung mythischer Monster. Verhältnismäßig freundlich ist da noch die Bezeichnung von abweichenden Meinungen als Sirenengesängen, während seinen Gegnern sonst Namen von Scheusalen wie Hydra, Chimäre oder den Hundeartigen wie Kerberos und Skylla entgegengeschleudert werden. Den ausschließlich männlichen Kontrahenten steht ein deutlicher Überhang weiblicher Ungeheuer gegenüber, der wohl den misogynen Tendenzen des Kirchenvaters geschuldet ist. Das sachliche Argument ist in diesen Fällen ganz der boshaften Invektive gewichen. Bei alledem zeigt Hieronymus jedoch noch einen Sinn dafür, bestimmte Monster jeweils auf entsprechende Situationen anzuwenden, so etwa im Fall der Chimäre, die als Mischwesen die Widersprüchlichkeit des Adressaten versinnbildlicht. Über den Weg solcher hintergründiger Assoziationen werden den mythischen Exempla häufig ähnliche zur Seite gestellt. Hieronymus allegorisiert sich mitunter so in Rage, dass sich kleine Gruppen von mythischen Referenzen bilden, die der Beschimpfung eines Widersachers dienen. In fast allen Fällen handelt es sich bei den Diffamierten um Vertreter abweichender theologischer Positionen. Die Monstermetaphorik gehört zu Hieronymus’ Repertoire der Häretiker-Polemik. Der Gegner wird nicht nur als quasi heidnisch gebrandmarkt, sondern bekommt auch wie einen Stempel die negativen Assoziationen aufgedrückt, die durch den Mythos evoziert werden. Aus Hieronymus’ Allegorien spricht unterschwellig, aber deutlich genug seine Frustration über die nicht enden wollende Auseinandersetzung mit theologischen Kontrahenten. Je heftiger die Beschimpfung, desto unmittelbarer ist die intendierte Wirkung des erwähnten Ungeheuers und umso weniger narrative Details müssen bei der Leserschaft vorausgesetzt werden: Die Hydra als giftiges, böses Wesen funktioniert auch ohne ergänzende Hinweise. Viele dieser Beschimpfungen tauchen wiederholt in Hieronymus’ Schriften auf, so dass sie den Eindruck feststehender Ausdrücke vermitteln. In dieser Sprichwortartigkeit sind die Mythen Voraussetzung für die Wirksamkeit der Beleidigung, während der Mythenbezug mitunter bis fast zur Unkenntlichkeit reduziert ist.
23 DÖRRIE 1966, 62. 24 Der satirische Modus legt die Nutzung der Mythen nahe; vgl. BLUMENBERG 1979, 208: „Es wird mit der Differenz von Mythos und Dogma zusammenhängen, daß der Gott des Monotheismus, ständig von der Einzigartigkeit seines Ranges und seiner Macht okkupiert, nicht lachen darf. Jean Paul hat das in den einzigen Satz gefaßt: Götter können spielen; aber Gott ist ernst.“
7. Schlussbetrachtung
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Die griechischen Mythen erscheinen bei Hieronymus in römischem Gewand, d. h. die Erzählungen werden zumeist in Versionen referiert, die sich frühestens bei augusteischen Autoren nachweisen lassen. Wo sich literarische Vorlagen ausmachen lassen, greift er hauptsächlich auf Vergils Aeneis zurück, die er bisweilen ergänzend zitiert. Narrative Spezifika in den mythischen Referenzen deuten zudem auf Ovids Metamorphosen als eine weitere wichtige Vorlage hin. Daneben lassen sich vereinzelt Übernahmen aus Horaz, Cicero und Seneca finden. Verschiedene, vor allem inhaltliche Indizien könnten für eine Hyginus-Nutzung durch Hieronymus sprechen.25 Unter den griechischen Autoren beschränken sich die Vorlagen entgegen seinen eigenen Angaben im Wesentlichen auf Iosephus und Porphyrios.26 Darüber hinaus schöpft er für seine mythischen Exempla auch aus den Texten christlicher Autoren, unter denen Tertullianus als wichtigster Gewährsmann zu nennen ist. Insgesamt gilt jedoch festzuhalten, dass mythische Referenzen bei Hieronymus nicht an literarische Zitate gekoppelt sind, sondern dass er zumeist mit eigenständigen Formulierungen auf die Erzählungen rekurriert. Zum größten Teil gehören sie zu seinem vorhandenen Wissen, aus dem er bedarfsgerecht einzelne Mythen abruft und auswählt. Die Assoziationen, die ihn dabei jeweils geleitet haben können, werden im Einzelfall erst durch eine nähere Betrachtung ersichtlich. Für die inhaltlichen Verbindungen zwischen mehreren Exempla hat das noch mehr Gültigkeit: Oft ergeben sich bei genauerer Untersuchung der narrativen Hintergründe weitaus vielschichtigere Bezüge, als der erste Blick auf die fragmentarischen Informationen vermuten lässt, die seine Referenzen hergeben. Dabei handelt es sich jedoch nicht selten um Teilaspekte der Mythen, so dass sich nicht sicher entscheiden lässt, ob Hieronymus tatsächlich Assoziationen gefolgt ist oder ob es sich um zufällig bestehende Analogien in den Mythen handelt. Aus diesem freien Einsatz mythischer Referenzen erklären sich auch Ungenauigkeiten. Trotz der Kürze der Formulierungen lässt sich in Einzelfällen bereits an den Schlüsselbegriffen ablesen, dass Hieronymus irrt; so beim Beispiel der Iphigenie, die in der Überlieferung durch ihren Tod nicht die Winde beruhigen soll, wie er schreibt, sondern im Gegenteil die Windstille beenden soll, damit die griechischen Schiffe gegen Troja auslaufen können.27 Odysseus verschließt bei Hieronymus seine eigenen Ohren vor den Gesängen der Sirenen, obwohl der Clou der homerischen Erzählung gerade darin besteht, dass er sich an den Mast binden lässt, um die Sirenengesänge hören zu können.28 Dieser Umstand hat wegen der Kreuzesform von Mast und Rahe überhaupt erst zur christlichen Adaption der Erzählung beigetragen hat. Darüber hinaus vermengt er gelegentlich verschiedene Erzählungen. So überträgt er die Geburtssage von Diorphos auf dessen Vater Mithras.29 Es ließe sich einwenden, dass Hieronymus Veränderungen an den Erzählungen vornimmt, wie jeder Autor es tut, der Mythen aufschreibt. Man könnte dies dann 25 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A); hierzu Hyg. fab. 193; 252; 254. Hier. adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B.C); hierzu Hyg. fab. 238; 246. Vgl. HAGENDAHL 1958, 294, Anm. 2. 26 COURCELLE 1969, 72–74. 88 f.; MORESCHINI 1997, 192–195. 27 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C–283A). 28 Hier. in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150). 29 Hier. adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C).
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7. Schlussbetrachtung
als „Arbeit am Mythos“ im Sinn BLUMENBERGS bezeichnen.30 Doch selbst als er die Geschichte der Töchter des Skedasos recht ausführlich wiedergibt und als erster in der literarischen Überlieferung zu berichten weiß, dass sie sich gegenseitig töten, lässt sich nicht der Eindruck gewinnen, dass er sich als Mythograph betätigen will.31 Abweichungen von geläufigen Versionen sind vielmehr seinem generellen Desinteresse an den mythischen Stoffen geschuldet, die er beiläufig in seine Texte streut. Das Funktionieren seiner Exempla basiert ja gerade auf dem Umstand, dass die Narrative bekannt sind. Mythos ist Erzählung, aber Hieronymus erzählt nicht. Das führt zu der grundsätzlichen Frage nach seiner Motivation, regelmäßig griechische Mythen in seine Texte einzuflechten. In den seltensten Fällen ergeben sie sich aus dem Kontext oder sind für die Stringenz seiner Argumentation essentiell. Die mythischen Referenzen haben einen kosmetischen Zweck, d. h. sie dienen dazu, den Text durch illustre Querverweise oder Beispiele aufzulockern, die durch ihre farbenfrohe Blumigkeit zu unterhalten wissen. Gleichzeitig ist darin auch immer der Verweis auf die Bildung und Belesenheit des Autors enthalten, der damit seine Stellung als literarische Autorität festigen will. Das hat zugleich die Funktion eines Spiegels für sein Lesepublikum, so dass, wer immer den Text liest, das eigene Wissen überprüfen und sich gegebenenfalls daran erfreuen kann. Mit seinen exegetischen Werken steht Hieronymus vor dem Problem, dass sie ihn weit in die Geschichte zurückführen, als die Judäer noch lange nicht in den Gesichtskreis der Römer getreten sind und somit als Barbaren angesehen werden. Die bizarren und mitunter vielleicht auch langweiligen Nachrichten aus einer Welt, die nicht viel mit den Lebenswirklichkeiten christlicher Eliten unter Theodosius und seinen Söhnen zu tun hat, können so durch einzelne Bezugspunkte zum eigenen Bildungshorizont ansprechender und damit verständlicher gestaltet werden. Im lateinischen Westen konnte man mit einer Erwähnung des Ganymedes eben mehr verbinden als mit dem Mundschenk des Pharaos.32 Ein Stück weit sind die mythischen Referenzen in seinen exegetischen Texten somit als eine Folge seiner Rolle als Vermittler der hebraica veritas an den lateinischen Westen zu verstehen: Durch seine Spezialkenntnisse ist er in der Lage, für ein Publikum zu schreiben, dessen Kenntnisstand in einem kaum überbrückbaren Abstand hinter seinem eigenem zurückliegt. Die mythischen Referenzen helfen dabei, Brücken zu schlagen. Wie lässt sich dieser Befund nun historisch einordnen? Hieronymus steht in mancherlei Hinsicht sicherlich in der literarischen Tradition des christlichen Umgangs mit den paganen Mythen. So lässt sich in seinem Schaffen das Urteil finden, das bereits die Apologeten in frühester Zeit gefällt hatten: dass die Mythen unmoralisch seien und die Götter sich in ihnen unwürdig verhielten (oben 2.3.1.2). Um diese turpitudo der Erzählungen herauszustellen, bedient sich Hieronymus derselben Exempla – zumeist aus dem Bereich der erotischen Abenteuer des Zeus –, wie sie spätestens seit dem 3. Jh. als feste Topoi katalogartig perpetuiert wurden. Vereinzelt 30 BLUMENBERG 1979, 194–218. Vgl. LEPPIN 2015, 10 f. 31 Hier. adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284C–285A). 32 Hier. quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 46).
7. Schlussbetrachtung
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sind es bestimmte Mythen, die der Kirchenvater gerade wegen ihrer Schändlichkeit als Negativexempla benutzt, wie etwa Argos Panoptes als mahnendes Beispiel für die Folgen des Ehebruchs oder die Amazonen als Sinnbilder ungezügelter Lüsternheit.33 Mitunter ist die Kritik auch nur impliziert, wenn er etwa im Zusammenhang mit den Folgen des Weinrauschs auf das ungestüme Verhalten der Kentauren bei der Lapithenhochzeit anspielt.34 Jedoch lässt sich nicht feststellen, dass Hieronymus die Amoralität der Mythen zu einem eigenen Thema apologetischer Überlegungen macht. Die Ablehnung aus ethischen Gründen scheint vielmehr ein Aspekt zu sein, der als konstante Größe zwar hin und wieder zum Vorschein kommt, ansonsten jedoch im Hintergrund bleibt. An einigen wenigen Stellen lässt er ebenfalls erkennen, dass er die fabulae für erfundene Geschichten hält, die der error gentilium hervorgebracht habe (oben 2.3.1.3). Die entsprechenden Bemerkungen sind jedoch beiläufig und bilden nicht den eigentlichen Gegenstand der jeweiligen Textabschnitte. Das entspricht der geringen Präsenz, die diese Sicht in der christlichen Literatur insgesamt hat. Die Lage entspricht damit dem Vorwurf der Amoralität der Mythen: Hieronymus übernimmt im Wesentlichen die überkommenen Argumentationsmuster der apologetischen Literatur, ohne das geringste Bemühen um Innovationen zu zeigen. Offenbar waren damit Positionen zu den Mythen entwickelt worden, die Hieronymus als communis opinio ansehen konnte. Die Notwendigkeit zur offenen Ablehnung paganer Traditionen war überdies in theodosianischer Zeit nicht mehr gegeben. Hieronymus schrieb für die Askese, übersetzte und legte die Bibel aus und ergriff gegen christliche Widersacher das Wort. Die alten Kulte oder die Mythen hatten in diesem Themenfeld kaum Relevanz.35 Kritische Äußerungen stellen bestenfalls ein Echo des von christlichen Autoren des 2. und 3. Jh. ausgetragenen Kulturkampfs dar. Die euhemeristische Deutung, nach der die Götter der Heiden nichts anderes seien, als posthum überhöhte Verstorbene (oben 2.3.2.2), lässt sich ebenfalls nachweisen.36 Hierbei geht es jedoch nie um die Narrative, in denen die angesprochenen Götter eine Rolle spielen – die Bemerkungen sind dem Bereich des Kultischen zuzuordnen. Lediglich in zwei Erwähnungen der Danae lässt er erkennen, dass er den Goldregen, in dessen Gestalt sich Zeus ihr nähert, als Bezahlung auffasst, ohne dass er diese Deutung jedoch ausführt oder herleitet. Hieronymus betreibt also nicht aktiv die euhemeristische Dekonstruktion von Mythen, hat sie jedoch als traditionelles christliches Erklärungsmodell über das Wesen der paganen Götter verinnerlicht.37 Was Fälle von interpretationes Christianae angeht (oben 2.3.3.1), sticht Hieronymus generell nicht durch einen übermäßigen Gebrauch hervor und zeigt sich auch nicht innovativ. Fast ausschließlich geht es hierbei um Häretikerpolemik, wobei an erster Stelle die berühmte Metapher vom Sirenengesang zu nennen ist. In der Dif33 34 35 36
Hier. in Ezech. 1,1 (CCL 75, 20); adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 351B–352A). Hier. in Eph. 3 (PL 26, 561B). GRÜTZMACHER 1901, 275. 277. Vgl. FUHRMANN 1990, 148. Ein allegorisches Mythenverständnis – ohnehin selten in der christlichen Literatur (oben 2.3.2.1) – ist bei Hieronymus nicht belegt; die Kritik daran jedoch auch nicht. 37 STUMMER 1941, 253.
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7. Schlussbetrachtung
famierung von Gegnern nehmen die Namen mythischer Monstren wie Hydra, Chimäre, Skylla und Charybdis dabei fast den Charakter bloßer Schimpfwörter an. Es ließe sich also fragen, inwiefern in diesen Fällen noch von Mythos die Rede sein kann. In vielen dieser Beispiele lässt sich jedoch auf den zweiten Blick erkennen, dass Hieronymus die jeweiligen Mythen als hintergründige Bezüge zu den angesprochenen Situationen bzw. Gegnern im Sinn hat. Einen großen Teil seiner mythischen Referenzen gestaltet Hieronymus als Exempla (oben 2.3.3.2) und bewegt sich damit im zeitgenössischen Diskurs des christlichen Umgangs mit paganen Mythen.38 Was ihn davon jedoch abhebt, ist zum einen die hohe Zahl mythischer Exempla in seinen Schriften, die beispiellos ist, und zum anderen der souveräne Umgang, bei dem ihm ein recht großes Repertoire an Variationsmöglichkeiten zur Verfügung steht: Die Exempla können die Form von Vergleichen haben, sie können bestimmten Deutungsebenen zugeordnet sein oder ohne jede Erklärung und Einschränkung als selbständige Metaphern vorkommen. Entscheidend ist, dass sie nicht nur weitgehend von apologetischen Kontexten gelöst sind, sondern auch zumeist völlig ohne Sachzwang erscheinen. In einigen Fällen ließ sich sogar zeigen, dass äquivalente Alternativen aus dem Erzählgut der Bibel zu Gunsten von Exempla aus der Mythologie übergangen wurden.39 Die Selbstverständlichkeit, mit der Hieronymus mythische Referenzen nutzt, geht über den Befund bei anderen Kirchenschriftstellern auch seiner Zeit hinaus. Sie erinnert eher an das Nebeneinander christlicher und mythischer Themen in der christlichen Dichtung des 4. bis 6. Jh. (oben 2.3.3.3), ohne dass jedoch dieselben gattungsspezifischen Implikationen gegeben wären: Im Unterschied zu einem Gedicht würde niemand mythologische Themen in einem theologischen Prosatext erwartet haben. – Oder doch? Während der langen Schaffensszeit des Kirchenvaters, der so sehr darauf bedacht war, sich seinem christlichen Publikum als literarische Autorität zu empfehlen,40 zeigt er quantitativ betrachtet einen recht konstanten Umgang, der keinerlei Reaktionen auf kritische Stimmen zu seinem Verfahren erkennen lässt. Hieronymus spricht die klassische Bildung und den Geschmack seines Lesepublikums an. Der Kirchenvater versucht, ein gewisses Unterhaltungsbedürfnis zu befriedigen, so dass sein Umgang mit den Mythen auch eine kosmetische oder – in Anlehnung an HANS ROBERT JAUSS – ‚kulinarische‘ Funktion in seinen Texten einnimmt.41 Hieronymus’ Umgang mit den Mythen ist in seiner Beiläufigkeit und Selbstverständlichkeit neu in der christlichen Literatur. Das führt natürlich zu der Frage, wie es im Vergleich dazu mit den Mythen in der paganen Prosaliteratur des 4. und 5. Jh. aussah. Eine Antwort darauf kann hier nur in Form von Schlaglichtern auf einzelne Autoren bzw. Werke gegeben werden, nicht zuletzt weil auch der Umgang paganer Autoren mit den Mythen noch nicht umfassend erforscht worden ist.42 38 FUHRMANN 1990, 141. 39 SCHINDLER 2015, 24 f., macht demgegenüber für Claudianusʼ Herrscherlob die Alternativlosigkeit stark. Mit David oder Salomon standen ihm jedoch atl. Exempla zur Verfügung. 40 REBENICH 1992A, 301. 41 JAUSS 1969, 36 f. Vgl. FUHRMANN 1976, 88; BASSETT 2015, 255 (zur bildenden Kunst). 42 BOWERSOCK 1990, xi f.
7. Schlussbetrachtung
319
In der Historia Augusta sind mythische Referenzen sehr spärlich gesät. Von Maximinus Thrax wird berichtet, dass er wegen seiner Tapferkeit mit Herakles, Achilleus und Aias verglichen worden sei.43 Umgekehrt soll dem Kaiser seine Grausamkeit einen Vergleich mit dem Kyklopen, mit Typhon, den Giganten und anderen mythischen Unholden eingehandelt haben.44 Claudius Gothicus habe man eine Abstammung von Dardanos nachgesagt, so der Autor der Historia Augusta.45 Im Exordium zur Aurelianus-Vita lässt er einen Gesprächspartner über den Mangel an lateinischen Historikern klagen und die griechischen dagegen als Thersites und Sinon beschimpfen, von denen der erste in der Ilias als der allen verhasste Nörgler auftritt und der zweite in der Aeneis als schadenbringender Lügner.46 Als Elagabal ein Artemis-Bild aus einem Heiligtum in Laodikeia entfernen lassen will, erinnert die Historia Augusta daran, dass Orestes selbst es geweiht haben soll.47 Die Bilanz fällt angesichts der Textmenge der 30 Viten recht mager aus. Vor dem Hintergrund, dass der Autor der Historia Augusta die mythischen Referenzen ausnahmslos Dritten in den Mund legt, wird er nicht nur seinem eigenen Anspruch gerecht, sich auf Fakten zu beschränken,48 sondern zeigt zudem eine Distanz zur mythischen Überlieferung, die der Kirchenvater Hieronymus in seinem Werk mit Leichtigkeit unterbietet, sowohl was Quantität als auch was Qualität angeht. Im Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus sind die Mythenbezüge deutlich prominenter vertreten.49 Die Konflikte des Caesars Constantinus Gallus mit der antiochenischen Bevölkerung im Jahr 353 stilisiert der Historiker beispielsweise zu einer Tyrannis und vergleicht die Effizienz des Spitzelwesens unter dessen Herrschaft mit dem mythischen Seher Amphiaraos.50 Auch lokale und Gründungsmythen referiert Ammianus mehr oder weniger en passant, beispielsweise in einer Notiz über „die sehenswerte Stadt Tarsus. Sie soll Perseus gegründet haben, der Sohn Juppiters und der Danae“.51 Von Julian weiß er zu berichten, dass der nachmalige Kaiser „in früher Jugend, ähnlich wie Erechtheus in der Abgeschiedenheit der Minerva erzogen“ wurde.52 Als in der Schlacht von Amida im Jahr 359 um den Leichnam eines Chionitenprinzen gestritten wird, erinnert Ammianus an die entsprechenden Vorgänge um Patroklos im Trojanischen Krieg.53 Die verheerende Wirkung 43 Hist. Aug. Maximin. 4,9; zu den hier besprochenen Stellen aus der Hist. Aug. HAEHLING 2002, 433–445. Laut Hist. Aug. Maximin. 6,9 nannte man Maximinus wegen seiner Kraft Hercules und Antaeus, was als geläufige, jedoch mythisch inspirierte Ringernamen identifiziert wurde; hierzu Apollod. 2,5,11. Vgl. AMELING 1987, 1–11; PASCHOUD 2000, 173–182. 44 Hist. Aug. Maximin. 8,5. 45 Hist. Aug. Claud. 11,9. 46 Hist. Aug. Aurelian. 1,5; vgl. Hom. Il. 2,212–276; Verg. Aen. 2,57–198. 47 Hist. Aug. Heliog. 7,5–8. 48 Hist. Aug. Opil. 1,1–5. 49 HAEHLING 2002, 445. Zu den hier besprochenen Ammianus-Stellen ebd. 445–449. 50 Amm. 14,1,7; zu Amphiaraos oben 6.4.2.10. 51 Amm. 14,8,3: Tarsus nobilitat, urbs perspicabilis – hanc condidisse Perseus memoratur, Iovis filius et Danaes. Übers. SEYFARTH 1968, 87. 52 Amm. 16,1,5: quod adolescens primaevus ut Erechtheus in secessu Minervae nutritis; Übers. SEYFARTH 1968, 157. Zu Erichthonios/Erechtheus oben 6.4.1.3. 53 Amm. 19,1,9; vgl. Hom. Il. 16,1–18,355; 19,23–39.
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7. Schlussbetrachtung
einer Seuche, die anschließend im Lager der Römer ausbricht, verbindet er dementsprechend mit den Pfeilen Apollons, die vor Troja unter den Griechen durch zehntägigen Beschuss zahlreiche Opfer gefordert hatten.54 Nicht nur der militärische Bezug ist abermals gegeben, Ammianus scheint auch die Eigenschaft des Gottes als eines „Senders von Krankheiten“ im Sinn zu haben, die im Mythos gerade in Gestalt der Pfeile vergegenwärtigt wird.55 Ammianus’ offen gepflegter Umgang mit dem Mythos hat RABAN VON HAEHLING zu folgendem Schluss gebracht: „Gerade in den Exkursen über verschiedene Wissensgebiete will Ammian also das gehobene Unterhaltungsbedürfnis seines Publikums befriedigen; daneben legen sie ein Zeugnis von der Belesenheit und enzyklopädischen Vielseitigkeit des Autors ab.“56
Die Einschätzung klingt nicht ohne Grund sehr vergleichbar zu dem Befund über den Mythos bei Hieronymus. Die fünf Beispiele aus dem Werk des paganen Historikers weisen keine Aspekte auf, die ihr Vorkommen in gleicher Form im Werk des Kirchenvaters grundsätzlich ausschließen lassen. Aus der Feder des berühmten Redners Q. Aurelius Symmachus sind acht orationes, über 900 Briefe an verschiedene Empfänger sowie 49 relationes erhalten, die er als Stadtpräfekt an den Kaiser gerichtet hatte. Mythische Referenzen durchziehen das Werk, jedoch nicht in auffälliger Häufigkeit.57 In einer Rede aus dem Jahr 370 stellt Symmachus etwa die Taten Valentinians denen der Giganten voran, von denen die vetus fabula berichtet, dass sie Berge versetzt haben.58 In einem Brief an den Dichter Naucellius aus dem Jahr 397 lobt er dessen Schriften als „mit nestorischer Hand geschrieben“ und spielt damit auf die kluge Beredsamkeit Nestors an, des Königs von Pylos.59 An anderer Stelle bezeichnet Symmachus sich selbst in einem Bescheidenheitsgestus als „Menschlein von Prometheus’ Hand gemacht“.60 Die mythischen Referenzen im Werk des berühmten Pontifex haben einen getragenen und tendenziell poetischen Duktus. Symmachus verstand sich als ein Hüter lateinischer Literatur und pflegte seine enge Bindung an die alten Kulte ostentativ. Von einer ‚Mythengläubigkeit‘ auszugehen, würde wohl zu weit gehen, doch gehörten die Erzählungen für Symmachus genauso zur großen römischen (paganen) Tradition wie Livius’ Ab urbe condita, dessen Neuausgabe er initiierte, und die Victoria-Statue, deren Verbleib in der Senatskurie er in der berühmten dritten relatio verteidigte.61 Mit der Beiläufigkeit und dem Primat der Textgefälligkeit bei Hieronymus hat Symmachus’ Umgang mit den Mythen trotz der Kürze und Häufigkeit der Bemerkungen nicht viel zu tun.
54 55 56 57 58 59
Amm. 19,4,3; vgl. Hom. Il. 1,8–52. ROSCHER 1886D, 433. HAEHLING 2002, 448. Der Vf. konnte ca. 100 Nennungen mythischer Figuren im Werk des Symmachus ausmachen. Symm. or. 2,21. Symm. epist. 3,11,1: Sumpsi pariter geminas litteras tuas Nestorea, ut ita dixerim, manu scriptas, quarum sequi gravitatem laboro. Vgl. Hom. Il. 1,248 f. 60 Symm. epist. 4,33,2: homullus Promethei manu fictus. 61 Livius: Symm. epist. 9,13; Victoria: Symm. rel. 3.
7. Schlussbetrachtung
321
Die drei Beispiele paganer Autoren zeigen zum einen, dass es zur Zeit des Kirchenvaters keine verbindlichen Konventionen zum Gebrauch mythischer Referenzen in Prosaliteratur gab. Während die Historia Augusta die Mythen meidet, scheint Symmachus sie regelrecht zu feiern. Bei Ammianus Marcellinus findet sich ein Umgang, der mit dem des Hieronymus in mancher Hinsicht vergleichbar ist. Damit haben die Beispiele zum anderen gezeigt, dass sich der Kirchenvater mit seinen mythischen Referenzen auf paganer Seite sehr gut in den literarischen Diskurs der Wende vom 4. zum 5. Jh. einfügt – wenn man denn von zwei ‚Seiten‘ ausgehen möchte. Der kurze synchrone Vergleich ist vielleicht ein Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild, dass die scharfe Dichotomie Heiden-Christen verschwimmen lässt.62 Abgesehen von einer gelegentlichen, völlig stereotypen Übernahme der christlichen Sirenenallegorie nimmt Hieronymus keine Umdeutung der Mythen vor. Mehr noch, offensichtliche narrative Parallelen zwischen Mythen und biblischen Erzählungen, wie etwa zwischen der großen Flut Deukalions und derjenigen Noahs, interessieren ihn nicht. Die griechischen Mythen erscheinen bei ihm als Teil eines traditionellen Fundus von Anekdoten und Exempla. Als „Luxuswissen“63 machen sie die Texte gefälliger für ein Lesepublikum, das einen ähnlichen, an den Klassikern geschulten Bildungshintergrund besitzt wie Hieronymus. Der ostentative Verweis auf die Bildung und ihren Wert ist ihm daher ein viel dringlicheres Anliegen64 als eine ‚Rettung‘ der mythischen Erzählungen hinüber in einen dezidiert christlichen Bildungskanon. Die Mythen werden als das traditionelle Erzählgut angenommen, das sie sind. Mit der veränderten Situation am Beginn des 4. Jh., dass die alten Kulte keine ernstzunehmende Konkurrenz, geschweige denn Bedrohung darstellen, sind die Mythen in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht – zumindest, was ihre religiöse Dimension angeht.65 Als Träger pointierter Beobachtungen und zeitloser Wertungen menschlichen Handelns hat der „depotenzierte Mythos“66 jedoch nichts an Kraft eingebüßt. Hieronymus ist daher in der Lage, die Themen seiner christlichen Lebenswirklichkeit bedenkenlos iuxta fabulas poetarum zu kommentieren. Seine Transformation des heidnischen Erzählguts ist insofern eine christliche, als er sie in seinen Bereich aufnimmt, der per se ein christlicher ist. Mit der theologischen Ausrichtung und dem exegetischen Interesse seines Schaffens kollidieren die vielen mythischen Bezüge bei keiner Gelegenheit in einem nennenswerten Maß. Hieronymus bedient sich aus dem Referenzbereich der griechischen Mythen, um damit Exempla oder Bonmots für seine genuin christlichen Zwecke zu kreieren. Die eigentliche Transformation der mythischen Erzählungen in diesem Prozess entbehrt 62 LEPPIN 2012, 247–278, bes. 249 f. 259–265. 63 MARROU 1982, 115, über mythische Referenzen bei Augustinus. Vgl. STUMMER 1941, 253: „so möchte man ja versucht sein, den Kirchenvater [sc. Hieronymus] auf eine Linie mit jenen Dichtern und Künstlern der Renaissance und der folgenden Zeitalter zu stellen, denen die antike Mythologie nur ein Magazin war, aus dem sie allerhand Aufputz für ihre Werke nahmen.“ 64 EISWIRTH 1955, 26; HAGENDAHL 1958, 308; MCDERMOTT 1982, 372 f. Vgl. LEPPIN 2015, 14; SCHINDLER 2015, 41; LÖHR 2015, 129. 65 LÖHR 2015, 128. 137. 66 FUHRMANN 1990, 151. Vgl. BARTELINK 1965, 197 f.; ALTHOFF 1996, 12.
322
7. Schlussbetrachtung
jeglicher Radikalität und ähnelt damit am ehesten dem klassischen paganen Umgang mit dem selbstverständlichen Vorhandensein dieses Erzählguts.67 An dieser Stelle bleibt es als Forschungsdesiderat zu formulieren, die Ergebnisse aus dem hieronymianischen Œuvre systematisch und umfassend mit anderen zeitgenössischen Autoren zu vergleichen. Was die diachrone Dimension angeht, ist gewiss auch die Wirkung ein weitgehend unbestelltes Feld. Randnotizen in dieser Arbeit haben bereits streiflichtartig angedeutet, dass vieles von dem, was Hieronymus an mythischen Bezügen in seine Texte einflicht, im 7. Jh. in Isidors Origines auftaucht und darüber hinaus jeweils ein Jahrhundert weiter bei Beda Venerabilis und Rabanus Maurus.68 Hieronymus war der meistgelesene antike Autor des Mittelalters.69 Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Arbeit drängt sich der Verdacht auf, dass sein Umgang mit den griechischen Mythen als maßgeblich angesehen wurde und sein Schaffen somit als ein wesentlicher Überlieferungsstrang für die griechische Mythologie durchs Mittelalter hindurch zu gelten hat, bis Petrarca im 14. Jh. ad fontes geht.70
67 68 69 70
KAHLOS 2010, 642, hier in Bezug auf den polemischen Gebrauch. GOMPF 1973, 53–62; HORSTMANN 1984, 283 f. Vgl. auch STAUBACH 2009, 149–165. Zur Hieronymus-Rezeption LÖSSL 2004, 431–464. FUHRMANN 1990, 139; KABLITZ 1993, 69–96; pace LEUBE 1960, 106.
8. ANHANG: VERZEICHNIS DER MYTHISCHEN REFERENZEN IM WERK DES HIERONYMUS Das Verzeichnis enthält alle mythischen Referenzen, die im Werk des Hieronymus ermittelt werden konnten. Die Sortierung nach den Namen der jeweils genannten mythischen Figuren hat Dubletten der Textstellen zur Folge. Innerhalb eines Lemmas stehen die Einträge in der Reihenfolge ihrer Nummerierung nach der Clavis Patrum Latinorum. Nennungen aus der lateinischen Übersetzung der Chronik des Eusebios von Kaisareia sind nur in den Fällen berücksichtigt, die HELM als hieronymianische Ergänzung identifiziert hat. Toponyme, die eine etymologische Verbindung zu mythologischen Figuren aufweisen, wurden nicht berücksichtigt. Zeichenerklärung: * Namen von Figuren aus den fabulae, die nicht dem griechischen Mythos zuzuordnen sind ° Stellen aus Werken, bei denen Hieronymus nur als Übersetzer tätig war Acca Larentia * chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a) Achilleus vita Hilar. 1,3 (SC 508, 212) epist. 131,3,4 (CSEL 56, 204)° Admetos adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C) Adonis in Is. 18,65,3 (VL 36, 1828) in Ezech. 3,8 (CCL 75, 99), 3× in Ezech. 3,8 (CCL 75, 100) in Ezech. 3,8 (CCL 75, 101) epist. 58,3,5 (CSEL 54, 532) Vulg. Ezech. 8,14 (WEBER 1975, 1275) Aeneas in Ezech. 9,30 (CCL 75, 422) in Os. 1,2 (CCL 76, 28) chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) chron. a. Abr. 851 (GCS Eus 7, 63b) epist. 66,11,1 (CSEL 54, 661) epist. 108,4,1 (CSEL 55, 309) Aeneas Silvius * chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b) Aesculapius in Is. 8,26,14 (VL 30, 977) in Is. 18,65,4 (VL 36, 1830)
in Eph. 2 (PL 26, 535B) vita Hilar. 12,3 (SC 508, 246) Agamemnon epist. 108,3,1 (CSEL 55, 308) epist. 108,33,2 (CSEL 55, 350) Agrippa Silvius * chron. a. Abr. 1101 (GCS Eus 7, 77b) chron. a. Abr. 1104 (GCS Eus 7, 77b) chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 79b) Aithalides adv. Rufin. 3,40 (CCL 79, 110) Alekto in Agg. 2 (CCL 76A, 746) Alexander epist. 128,4,6 (CSEL 56, 161) Alkestis adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C) Alkmene c. Vigil. 10 (CCL 79C, 22) Amazonen in Ier. 3 (CSEL 59, 196) adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 352A) adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33) Ambrosia in Is. 10,33,13 (VL 30, 1147) epist. 54,17,1 (CSEL 54, 484)
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8. Anhang
Amphiaraos adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292C) Amphitryon c. Vigil. 10 (CCL 79C, 22), 2× Amulius * in Os. 1,5 (CCL 76, 54) in Am. 1,1 (CCL 76, 213) chron. a. Abr. 1221 (GCS Eus 7, 84a) chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a) epist. 18A,1,4 (CSEL 54, 75) Ancus Martius * chron. a. Abr. 1395 (GCS Eus 7, 97a) Andromeda in Ion. 1,3b (FC 60, 104) epist. 108,8,2 (CSEL 55, 313) Anna * epist. 123,13,1 (CSEL 56, 87) Aphrodite → Venus Apollon in Is. 12,41,21–24 (VL 35, 1309), 4× adv. Iovin. 1,1 (PL 23, 221B) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285C) chron. a. Abr. 1949 (GCS Eus 7, 153) epist. 84,4,5 (CSEL 55, 126), 2× epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80) Ares → Mars Argos Panoptes in Ezech. 1,1 (CCL 75, 20) epist. 54,9,3 (CSEL 54, 475) Arkturos in Is. 5,13,10 (VL 27, 553) in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,13,10 (VL 27, 700) in Am. 2,5 (CCL 76, 279) in Am. 2,5 (CCL 76, 280), 4× in Am. 2,5 (CCL 76, 281), 2× in Gal. 1 (CCL 77A, 67) adv. Iovin. 2,23 (PL 23, 334A) adv. Rufin. 3,28 (CCL 79, 99) epist. 64,18,6 (CSEL 54, 607) Vulg. Iob 9,9 (WEBER 1975, 739) Vulg. Iob 37,9 (WEBER 1975, 761) Vulg. Iob 38,31 (WEBER 1975, 762) Vulg. Am. 5,8 (WEBER 1975, 1392) Artemis → Diana Askanios * chron. a. Abr. 851 (GCS Eus 7, 63b) chron. a. Abr. 875 (GCS Eus 7, 64b), 2×
chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 80b) epist. 108,4,1 (CSEL 55, 309) Asklepios → Aesculapius Atalante adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C) Athene → Minerva Attis * in Os. 1,4 (CCL 76, 44) Atys Silvius * chron. a. Abr. 1029 (GCS Eus 7, 72b) chron. a. Abr. 1052 (GCS Eus 7, 74b) Aventinus Silvius * chron. a. Abr. 1161 (GCS Eus 7, 81b) chron. a. Abr. 1197 (GCS Eus 7, 83b) Bacchus → Liber Belus in Os. 1,2 (CCL 76, 28), 4× Bootes in Is. 6,13,10 (VL 27, 700) in Am. 2,5 (CCL 76, 280) Cacus * c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) Camilla * adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C) Capetus Silvius * chron. a. Abr. 1080 (GCS Eus 7, 75b) chron. a. Abr. 1093 (GCS Eus 7, 76b) Capys * chron. a. Abr. 1080 (GCS Eus 7, 75b) Castor → Dioskuren Catamitus quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 46) Ceres in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14) adv. Iovin. 2,7 (PL 23, 310B) adv. Rufin. 1,6 (CCL 79, 5) epist. 54,9,5 (CSEL 54, 476) epist. 107,10,2 (CSEL 55, 301) epist. 123,7,3 (CSEL 56, 81) Chaos tract. in Luc. (PLS 2, 178) vita Hilar. 29,1 (SC 508, 286) Charybdis in Nah. 2 (CCL 76A, 541) adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93) adv. Rufin. 3,37 (CCL 79, 106) epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52) epist. 108,7,2 (CSEL 55, 312)
Verzeichnis der mythischen Referenzen im Werk des Hieronymus epist. 125,2,3 (CSEL 56, 121) epist. 130,7,8 (CSEL 56, 184) Chimäre in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) epist. 125,18,3 (CSEL 56, 138) Chryseis adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) Clarius → Apollon Consus * vita Hilar. 11,4 (SC 508, 242) Danae adv. Rufin. 3,4 (CCL 79, 76) epist. 57,4,2 (CSEL 54, 507) epist. 128,4,3 (CSEL 56, 160) Daphne in Ezech. 14,47 (CCL 75, 723), 2× in Ion. 2,2 (FC 60, 146) Demeter → Ceres Deukalion c. Lucif. 26 (SC 473, 192) Diana nom. hebr. (CCL 72, 143)°, 2× in Dan. 2,8 (CCL 75A, 856) in Dan. 4,11 (CCL 75A, 925) in Dan. 4,11 (CCL 75A, 932) in Eph. prol. (PL 26, 470B) in Eph. prol. (PL 26, 470C) virg. Mar. 16 (PL 23, 210A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284B) epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80) Dido * in Os. 1,2 (CCL 76, 28) adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A) epist. 123,7,2 (CSEL 56, 80) epist. 123,13,1 (CSEL 56, 88) Dionysos → Liber Dioskuren nom. hebr. (CCL 72, 145)°, 2× epist. 21,13,8 (CSEL 54, 123) Elysion in eccles. 10,2 (CCL 72, 333) c. Vigil. 6 (CCL 79C, 13) Enkelados in Is. 8,27,1 (VL 30, 995), 2× in Ezech. prol. (CCL 75, 3) in Am. 2,5 (CCL 76, 280)
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Erichthonios adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C) Erinys → Furien Eriphyle adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B) Erymanthischer Eber c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) Eumeniden → Furien Euphorbos adv. Iovin. 2,37 (PL 23, 350B) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 6) adv. Rufin. 3,40 (CCL 79, 110) Fabius * chron. a. Abr. 1263 (GCS Eus 7, 88a) Faun → Satyr Faunus * chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) Faustulus * chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a) Febris * in Ioel 3 (CCL 76, 199) Fortuna in Is. 18,65,11 (VL 36, 1842) in Is. 18,65,11 (VL 36, 1843), 3× in Is. 18,65,11 (VL 36, 1844) in Is. 18,65,11 (VL 36, 1845), 2× adv. Iovin. 1,49 (PL 23, 293C) Vulg. Is. 65,11 (WEBER 1975, 1162) Furien in Is. 10,34,8 (VL 30, 1163), 2× epist. 40,2,3 (CSEL 54, 311), 2× Ganymedes → Catamitus Geryon c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5 f.) Giganten quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 10), 3× quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 17) quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 18) nom. hebr. (CCL 72, 70)° nom. hebr. (CCL 72, 87)° nom. hebr. (CCL 72, 97)° nom. hebr. (CCL 72, 134)° in psalm. 18,6 (FC 79, 114) in psalm. 87,11 (FC 79, 178) in Is. 2,3,2 (VL 23, 220), 4× in Is. 2,3,2 (VL 23, 221), 2× in Is. 5,13,3 (VL 27, 550) in Is. 5,13,17 (VL 27, 557)
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8. Anhang in Is. 5,14,9 (VL 27, 564) in Is. 6,13,3 (VL 27, 691), 2× in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,13,3 (VL 27, 693), 2× in Is. 6,13,4 (VL 27, 694), 2× in Is. 6,14,7 (VL 27, 719) in Is. 6,14,7 (VL 27, 721), 3× in Is. 7,17,4 (VL 27, 780) in Is. 8,26,14 (VL 30, 976) in Is. 8,26,14 (VL 30, 977) in Is. 8,26,14 (VL 30, 979), 3× in Is. 8,26,19 (VL 30, 985) in Is. 8,26,19 (VL 30, 987), 4× in Is. 8,27,1 (VL 30, 995) in Is. 9,29,13 (VL 30, 1060) in Is. 13,49,24 (VL 35, 1440), 2× in Is. 13,49,24 (VL 35, 1441), 3× in Is. 13,49,24 (VL 35, 1442) in Is. 18,66,7 (VL 36, 1889) in Ier. 1 (CSEL 59, 72) in Ezech. 10,32 (CCL 75, 447) in Ezech. 10,32 (CCL 75, 448), 2× in Ezech. 10,32 (CCL 75, 453) in Ezech. 10,32 (CCL 75, 457), 3× in Ezech. 10,32 (CCL 75, 461) in Ezech. 10,32 (CCL 75, 464), 2× in Ezech. 11,35 (CCL 75, 493) in Ezech. 11,39 (CCL 75, 541) in Ezech. 11,39 (CCL 75, 542) in Ezech. 11,39 (CCL 75, 544), 2× in Am. 2,5 (CCL 76, 280) in Mich. 2,5 (CCL 76, 487) in Nah. 3 (CCL 76A, 556) in Soph. 1 (CCL 76A, 668) tract. in psalm. I 90 (CCL 78, 127) tract. in psalm. II 90 (CCL 78, 420) vir. ill. 11,5 (BARTHOLD 2010, 176) epist. 10,1,1 (CSEL 54, 35) epist. 66,11,2 (CSEL 54, 661) epist. 78,17,5 (CSEL 55, 66) epist. 106,10 (CSEL 55, 254) Vulg. gen. 6,4 (WEBER 1975, 10) Vulg. num. 13,34 (WEBER 1975, 198) Vulg. deut. 2,11 (WEBER 1975, 236) Vulg. deut. 2,20 (WEBER 1975, 236), 2× Vulg. deut. 3,11 (WEBER 1975, 238) Vulg. deut. 3,13 (WEBER 1975, 238) Vulg. II reg. 23,13 (WEBER 1975, 452) Vulg. Iudith 16,8 (WEBER 1975, 710) Vulg. Iob 16,15 (WEBER 1975, 745) Vulg. Iob 26,5 (WEBER 1975, 751)
Vulg. psalm. (LXX) 18,6 (WEBER 1975, 790) Vulg. psalm. (LXX) 32,16 (WEBER 1975, 806) Vulg. psalm. 87,11 (WEBER 1975, 881) Vulg. prov. 9,18 (WEBER 1975, 965) Vulg. prov. 21,16 (WEBER 1975, 976) Vulg. Is. 14,9 (WEBER 1975, 1110) Vulg. Is. 26,14 (WEBER 1975, 1121) Vulg. Is. 26,19 (WEBER 1975, 1121) Greif adv. Pelag. 1,20 (CCL 80, 26) epist. 125,3,3 (CSEL 56, 122) Vulg. lev. 11,13 (WEBER 1975, 148) Vulg. deut. 14,12 (WEBER 1975, 255) Hades → Pluto Harpalyke * adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C) Hekabe epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567) Helena adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292C) epist. 67,7,1 (CSEL 54, 672)° epist. 102,1,1 (CSEL 55, 235) epist. 128,4,6 (CSEL 56, 161) Heliaden in Ion. 2,2 (FC 60, 146) Helikon (als Wohnsitz der Musen) epist. 58,8,3 (CSEL 54, 538) Heosphoros → Lucifer Hephaistos → Vulcan Hera → Juno Herakles → Hercules Hercules quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 1) in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14) c. Vigil. 10 (CCL 79C, 23) epist. 21,13,8 (CSEL 54, 123) epist. 43,2,4 (CSEL 54, 320) epist. 70,3,2 (CSEL 54, 704) Hermes → Mercur Hermione adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292A) Hestia → Vesta
Verzeichnis der mythischen Referenzen im Werk des Hieronymus Hippokentaur → Kentaur Hippolytos → Virbius Hyaden in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,13,10 (VL 27, 700) in Am. 2,5 (CCL 76, 280) adv. Rufin. 3,28 (CCL 79, 99) Vulg. Iob 9,9 (WEBER 1975, 739) Hyakinthos adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284B) Hydra in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150) in Ezech. prol. (CCL 75, 3) in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225) in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) in Os. 2 prol. (CCL 76, 55) in Mich. 1,1 (CCL 76, 423) in Mich. 2 prol. (CCL 76, 473) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) epist. 98,9,1 (CSEL 55, 193)° epist. 130,16,1 (CSEL 56, 196) Ianus * chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) Iarbas * adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A) Ilia * adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A) Incubus → Satyr Iphigenie adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) Iulus * → Askanios Juno in Ezech. 1,1 (CCL 75, 20) in Ioel 3 (CCL 76, 199) in Gal. 3 (CCL 77A, 218) tract. in psalm. I 96 (CCL 78, 157) adv. Iovin. 1,11 (PL 23, 236A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) epist. 49,6,2 (CSEL 54, 358) epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80) Jupiter quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 46) nom. hebr. (CCL 72, 131)° in Is. 1,2,8b (VL 23, 199) in Dan. 2,8 (CCL 75A, 854) in Dan. 2,8 (CCL 75A, 855) in Dan. 2,8 (CCL 75A, 856) in Dan. 4,11 (CCL 75A, 921)
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in Dan. 4,11 (CCL 75A, 927) in Dan. 4,11 (CCL 75A, 928) in Dan. 4,12 (CCL 75A, 941) in Os. 1,2 (CCL 76, 28) in Ioel 3 (CCL 76, 199) in Ion. 2,2 (FC 60, 146) in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14) in Tit. 1,5 (CCL 77C, 12) in Tit. 1,12–14 (CCL 77C, 30) in Tit. 1,12–14 (CCL 77C, 31), 4× in Tit. 1,12–14 (CCL 77C, 32), 2× tract. in psalm. I 96 (CCL 78, 157) adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B) adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 293A), 4× adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317B) adv. Iovin. 2,38 (PL 23, 352B) c. Vigil. 5 (CCL 79C, 11), 2× c. Vigil. 10 (CCL 79C, 22) epist. 14,11,1 (CSEL 54, 61) epist. 21,13,8 (CSEL 54, 123) epist. 58,3,5 (CSEL 54, 531) epist. 107,1,3 (CSEL 55, 291) Kassandra adv. Iovin. 1,41ff (PL 23, 283A) Kekrops * chron. a. Abr. 2395 (GCS Eus 7, 250) Kentaur in Is. 6,13,19 (VL 27, 712), 2× in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) in Eph. 3 (PL 26, 561B) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283C) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) vita Pauli 7,4 (SC 508, 158) Kentaur (Eselskentaur) in Is. 5,13,21 (VL 27, 560) in Is. 6,13,19 (VL 27, 710) in Is. 6,13,19 (VL 27, 712), 2× in Is. 10,34,8 (VL 30, 1159) in Is. 10,34,8 (VL 30, 1161) in Is. 10,34,8 (VL 30, 1162) in Is. 10,35,1 (VL 30, 1165) in Gal. 1 (CCL 77A, 67) Vulg. Is. 34,14 (WEBER 1975, 1130) Kerberos in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) epist. 130,7,7 (CSEL 56, 184) Kimmerer c. Ioh. 44 (CCL 79A, 81) Kirke in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225)
328 Klytaimnestra adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B) Kodros * in Eph. 1 (PL 26, 480C) Kokytos Vulg. Iob 21,33 (WEBER 1975, 749) Kronos → Saturn Kybele in Os. 1,4 (CCL 76, 44) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B) adv. Iovin. 2,5 (PL 23, 304B) adv. Iovin. 2,17 (PL 23, 326B) epist. 43,2,4 (CSEL 54, 320) epist. 107,10,2 (CSEL 55, 301) Labyrinth in Ezech. 14 praef. (CCL 75, 677), 2× in Zach. 2 prol. (CCL 76A, 795) c. Ioh. 14 (CCL 79A, 23) chron. epist. (GCS Eus 7, 5) Lamia * in Is. 10,34,8 (VL 30, 1159) in Is. 10,34,8 (VL 30, 1161) in Is. 10,34,8 (VL 30, 1163), 2× in Is. 10,35,1 (VL 30, 1165) Vulg. Is. 34,14 (WEBER 1975, 1130) Vulg. thren. 4,3 (WEBER 1975, 1253) Laodameia adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C) Lapithen in Eph. 3 (PL 26, 561B) Latinos chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) Latinus Silvius * chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b) Lavinia * chron. a. Abr. 851 (GCS Eus 7, 63b) chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b) Leos adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C) Lernaea → Hydra Lethe adv. Rufin. 1,30 (CCL 79, 30) adv. Rufin. 3,39 (CCL 79, 109) Liber in Os. 2,7 (CCL 76, 79) in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14) adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B) adv. Iovin. 2,7 (PL 23, 310B) c. Vigil. 10 (CCL 79C, 23) chron. a. Abr. 587 (GCS Eus 7, 48b)
8. Anhang chron. a. Abr. 629 (GCS Eus 7, 50b) chron. a. Abr. 687 (GCS Eus 7, 52b) epist. 27,2,1 (CSEL 54, 225) epist. 54,9,5 (CSEL 54, 476) Libitina → Venus Loxias → Apollon Lucifer in Is. 5,14,12 (VL 27, 566), 5× in Is. 6,13,10 (VL 27, 700) in Is. 6,14,12 (VL 27, 722) in Is. 6,14,12 (VL 27, 723), 3× in Is. 6,14,13 (VL 27, 725) in Is. 6,14,20 (VL 27, 734) in Is. 10,34,1 (VL 30, 1156) in Is. 11,40,21 (VL 30, 1259) in Is. 13,46,3 (VL 35, 1388) in Is. 16,58,11 (VL 36, 1682) in Ezech. 1,1 (CCL 75, 20) in Ezech. 9,28 (CCL 75, 387) in Ezech. 9,28 (CCL 75, 397) in Ezech. 10,31 (CCL 75, 438) in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) in Am. 2,4 (CCL 76, 267) in Am. 2,5 (CCL 76, 274) in Am. 2,5 (CCL 76, 280) in Am. 2,5 (CCL 76, 296), 2× in Mich. 1,1 (CCL 76, 435) in Mich. 2,5 (CCL 76, 482) in Nah. 2 (CCL 76A, 552) in Nah. 3 (CCL 76A, 576) in Matth. 4,22,44 (SC 259, 160), 2× in Gal. 1 (CCL 77A, 21) in Eph. 1 (PL 26, 500B) tract. in psalm. I 81,7 (CCL 78, 87) tract. in psalm. I 109,3 (CCL 78, 224), 5× tract. in psalm. I 109,3 (CCL 78, 225), 8× tract. in psalm. I 146,4 (CCL 78, 331) tract. in psalm. I 148,3 (CCL 78, 344) adv. Iovin. 2,4 (PL 23, 302B), 2× adv. Iovin. 2,23 (PL 23, 334A) adv. Pelag. 1,20 (CCL 80, 26) vita Hilar. 16,2 (SC 508, 258) epist. 15,1,3 (CSEL 54, 63) epist. 22,4,3 (CSEL 54, 148) epist. 65,5,3 (CSEL 54, 622) epist. 108,10,4 (CSEL 55, 317) Vulg. Iob 11,17 (WEBER 1975, 741) Vulg. Iob 38,32 (WEBER 1975, 762) Vulg. psalm. (LXX) 109,3 (WEBER 1975, 912)
Verzeichnis der mythischen Referenzen im Werk des Hieronymus Vulg. Is. 14,12 (WEBER 1975, 1111) Lupercus * Didym. spir. prol. (FC 78, 74) Lynkeus c. Ioh. 35 (CCL 79A, 68) Mars nom. hebr. (CCL 72, 143)° in Is. 5,15,1 (VL 27, 580), 2× adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A) adv. Pelag. 3,12 (CCL 80, 113) epist. 70,2,3 (CSEL 54, 701) Medeia in Dan. 2,6 (CCL 75A, 831) Melampus * chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b) Menelaos epist. 128,4,6 (CSEL 56, 161) Mercur tract. in psalm. I 96 (CCL 78, 157) c. Vigil. 5 (CCL 79C, 11), 2× c. Vigil. 10 (CCL 79C, 22) Vulg. prov. 26,8 (WEBER 1975, 980) Minerva in Ezech. 3,8 (CCL 75, 96) in Ioel 3 (CCL 76, 199) in Zach. 3,12 (CCL 76A, 862) in Eph. 3 (PL 26, 574A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B) adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 285B) adv. Rufin. 1,17 (CCL 79, 15) adv. Rufin. 3,10 (CCL 79, 83) adv. Rufin. 3,33 (CCL 79, 103) chron. a. Abr. 2098 (GCS Eus 7, 191) epist. 58,7,2 (CSEL 54, 537) epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80) Mithras * adv. Iovin. 1,7 (PL 23, 229C) adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317A) epist. 107,2,2 (CSEL 55, 292) Moiren → Parzen Musen epist. 50,2,3 (CSEL 54, 390) epist. 57,12,3 (CSEL 54, 525) epist. 65,6,2 (CSEL 54, 623) Nektar in Is. 10,33,13 (VL 30, 1147) Nemeischer Löwe c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) Neptun in Ezech. 3,8 (CCL 75, 96)
329
Nestor epist. 52,3,6 (CSEL 54, 418) Ninos * quaest. hebr. in gen. (CCL 72, 13), 2× in Ezech. 7,23 (CCL 75, 308) in Os. 1,2 (CCL 76, 28), 2× chron. epist. (GCS Eus 7, 6) chron. a. Abr. 2395 (GCS Eus 7, 250) Niobe epist. 60,14,4 (CSEL 54, 567) epist. 69,2,6 (CSEL 54, 682) Nocturninus → Amphiaraos Numa Pompilius * chron. a. Abr. 1305 (GCS Eus 7, 91a) chron. a. Abr. 1303 (GCS Eus 7, 91b) chron. a. Abr. 1395 (GCS Eus 7, 97a) Numitor * in Am. 1,1 (CCL 76, 213) chron. a. Abr. 1221 (GCS Eus 7, 84a) chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a) Odysseus in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150) in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225) adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93) epist. 64,13 (CSEL 54, 599) Oedipus epist. 52,3,6 (CSEL 54, 418) Onokentaur → Kentaur (Eselskenaur) Orcus → Pluto Orestes adv. Iovin. 1,1 (PL 23, 221B) Orion in Is. 5,13,10 (VL 27, 553) in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,13,10 (VL 27, 699), 2× in Is. 6,13,10 (VL 27, 700) in Is. 6,13,10 (VL 27, 701) in Ier. 3 (CSEL 59, 166) in Am. 2,5 (CCL 76, 279) in Am. 2,5 (CCL 76, 280), 4× in Am. 2,5 (CCL 76, 281), 2× in Gal. 1 (CCL 77A, 67) tract. in psalm. I 146,4 (CCL 78, 331) adv. Iovin. 2,23 (PL 23, 334A) epist. 64,18,6 (CSEL 54, 607) Vulg. Iob 9,9 (WEBER 1975, 739) Vulg. Am. 5,8 (WEBER 1975, 1392) Orpheus adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317B)
330 epist. 117,6,4 (CSEL 55, 429) Pallas → Minerva Paion in Is. 8,26,19 (VL 30, 986) Paris → Alexander Parzen epist. 40,2,3 (CSEL 54, 311) epist. 78,35,2 (CSEL 55, 76) Pasiphae adv. Iovin. 1,48 (PL 23, 292B) Penelope adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C) Perseus in Ion. 1,3b (FC 60, 104) Phaethon → Lucifer Picus * chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) Pleiaden in Am. 2,5 (CCL 76, 280) in Gal. 1 (CCL 77A, 67) Vulg. Iob 38,31 (WEBER 1975, 762) Pluto in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 151) epist. 130,7,7 (CSEL 56, 184) Pollux → Dioskuren Porphyrion in Ezech. prol. (CCL 75, 3) Poseidon → Neptun Procas Silvius * in Am. 1,1 (CCL 76, 213) chron. a. Abr. 1221 (GCS Eus 7, 84a) Proculus Iulius * chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 80b) Protesilaos adv. Iovin. 1,45 (PL 23, 287C) Proteus adv. Iovin. 2,21 (PL 23, 329A) adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93) adv. Pelag. 1,26 (CCL 80, 33) Pygmäen in Ezech. 8,27 (CCL 75, 365), 2× in Ezech. 8,27 (CCL 75, 366) Vulg. Ezech. 27,11 (WEBER 1975, 1304) Pygmalion * adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286A) Remulus Silvius * chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 79b)
8. Anhang chron. a. Abr. 1161 (GCS Eus 7, 81b) Remus → Romulus & Remus Rhea → Kybele Roma * chron. a. Abr. 2143 (GCS Eus 7, 200) Romulus & Remus * in Is. 1,1,1 (VL 23, 143) in Os. 1,5 (CCL 76, 54) in Am. 1,1 (CCL 76, 213) in Agg. prol. (CCL 76A, 713) adv. Iovin. 1,42 (PL 23, 286A) Didym. spir. prol. (FC 78, 74) Didym. spir. prol. (FC 78, 76) chron. a. Abr. 1141 (GCS Eus 7, 80b) chron. a. Abr. 1263 (GCS Eus 7, 88a) chron. a. Abr. 1264 (GCS Eus 7, 88a), 2× chron. a. Abr. 1271 (GCS Eus 7, 89a) chron. a. Abr. 1289 (GCS Eus 7, 90a) chron. a. Abr. 1505 (GCS Eus 7, 106) vita Hilar. 11,4 (SC 508, 242 ) epist. 18A,1,4 (CSEL 54, 75) epist. 108,13,2 (CSEL 55, 322) epist. 125,15,1 (CSEL 56, 133) Ps. Hier. epist. 18,3 (PL 30, 184C) Salmoneus adv. Rufin. 3,31 (CCL 79, 102) Saturn in Is. 4,11,6 (VL 23, 443) in Is. 9,30,26 (VL 30, 1102) in Is. 13,46,1 (VL 35, 1384) in Matth. 3,16,16 (SC 259, 14) in Eph. 3 (PL 26, 574A) adv. Iovin. 2,13 (PL 23, 316A) chron. a. Abr. 839 (GCS Eus 7, 62b) epist. 53,7,3 (CSEL 54, 454) Satyr in Is. 5,13,21 (VL 27, 560), 2× vita Pauli 8,3 (SC 508, 160), 3× epist. 27,2,1 (CSEL 54, 225) Sibylla in Gal. 2 (CCL 77A, 78) adv. Iovin. 1,1 (PL 23, 221B) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A), 3× Silvius Postumus * chron. a. Abr. 851 (GCS Eus 7, 63b) chron. a. Abr. 875 (GCS Eus 7, 64b) chron. a. Abr. 879 (GCS Eus 7, 64b) chron. a. Abr. 908 (GCS Eus 7, 66b) Sinon praef. Vulg. Esdr. (WEBER 1975, 639)
Verzeichnis der mythischen Referenzen im Werk des Hieronymus Sirenen in Is. 5,13,21 (VL 27, 559) in Is. 5,13,21 (VL 27, 560) in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,13,19 (VL 27, 709) in Is. 6,13,19 (VL 27, 710) in Is. 6,13,19 (VL 27, 711 f.) in Is. 6,13,19 (VL 27, 712) in Is. 6,13,19 (VL 27, 713), 2× in Is. 6,13,19 (VL 27, 714) in Is. 12,43,16 (VL 35, 1339) in Is. 12,43,16 (VL 35, 1341) in Ier. 2 (CSEL 59, 138), 2× in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150) in Os. 2 prol. (CCL 76, 55) in Mich. 1,1 (CCL 76, 427) in Mich. 1,1 (CCL 76, 429) in Nah. 3 (CCL 76A, 577) praef. Vulg. Ios. (WEBER 1975, 286) in Gal. 1 (CCL 77A, 67) adv. Iovin. 1,4 (PL 23, 225C) c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93) epist. 22,6,4 (CSEL 54, 151) epist. 22,18,2 (CSEL 54, 167) epist. 54,13,1 (CSEL 54, 479) epist. 78,38,2 (CSEL 55, 80) epist. 82,5,1 (CSEL 55, 112) epist. 117,6,4 (CSEL 55, 429) Ps. Hier. epist. 18,3 (PL 30, 185C) Vulg. Is. 13,22 (WEBER 1975, 1110) Skedasos (Leuktros) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 284C) Skylla in Is. 12,43,16 (VL 35, 1341) in Ier. 3 praef. (CSEL 59, 150) in Ezech. 6 praef. (CCL 75, 225), 2× in Dan. 1,4 (CCL 75A, 810) in Os. 2 prol. (CCL 76, 55) in Nah. 2 (CCL 76A, 541) adv. Rufin. 3,22 (CCL 79, 93) vita Hilar. 1,8 (SC 508, 214) epist. 14,6,2 (CSEL 54, 52) epist. 108,7,2 (CSEL 55, 312) epist. 125,2,3 (CSEL 56, 121) epist. 130,7,8 (CSEL 56, 184) Stymphalische Vögel c. Vigil. 1 (CCL 79C, 5) Sychaeus * adv. Iovin. 1,43 (PL 23, 286B) epist. 123,13,1 (CSEL 56, 88)
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Symplegaden in Is. 4 praef. (VL 23, 397) adv. Iovin. 1,36 (PL 23, 271D) Talassius * chron. a. Abr. 1264 (GCS Eus 7, 88a), 3× Tantalus epist. 53,1,4 (CSEL 54, 444) Tarpeia * chron. a. Abr. 1284 (GCS Eus 7, 90a) epist. 46,11,2 (CSEL 54, 341) Tartaros in eccles. 10,2 (CCL 72, 333) in Is. 6,14,18 (VL 27, 733) in Is. 8,25,9 (VL 30, 959) in Is. 11,38,10 (VL 30, 1217) in Is. 17,60,6 (VL 36, 1731) in Ezech. 10,31 (CCL 75, 444) in Am. 3,6 (CCL 76, 308) in Hab. 1,2 (CCL 76A, 601) in Hab. 2,3 (CCL 76A, 638) in Matth. 1,5,13 (SC 242, 110) in Matth. 2,12,29 (SC 242, 248) in Matth. 3,16,16 (SC 259, 16) tract. in psalm. II 88 (CCL 78, 413) tract. in psalm. II 93B (OZIMIC 23) tract. in Luc. (PLS 2, 176) adv. Iovin. 2,4 (PL 23, 302C) adv. Iovin. 2,17 (PL 23, 325A) adv. Iovin. 2,25 (PL 23, 336A) adv. Iovin. 2,31 (PL 23, 342D) adv. Rufin. 1,31 (CCL 79, 31) epist. 23,2,1 (CSEL 54, 212) epist. 39,3,2 (CSEL 54, 298) epist. 64,1,5 (CSEL 54, 588) epist. 96,12,1 (CSEL 55, 170)° epist. 125,1,1 (CSEL 56, 119) epist. 130,7,7 (CSEL 56, 184) Telamon epist. 60,5,1 (CSEL 54, 553) Tiberinus Silvius * chron. a. Abr. 1093 (GCS Eus 7, 76b) chron. a. Abr. 1101 (GCS Eus 7, 77b) Titanen in Is. 6,13,3 (VL 27, 692) in Is. 6,14,7 (VL 27, 721) in Am. 2,5 (CCL 76, 280) in Gal. 1 (CCL 77A, 67) Vulg. Iudith 16,8 (WEBER 1975, 710) Titus Tatius * chron. a. Abr. 1289 (GCS Eus 7, 90a) Triptolemos adv. Iovin. 2,14 (PL 23, 317B)
332 Trojanischer Krieg chron. a. Abr. 2080 (GCS Eus 7, 183) epist. 10,2,1 (CSEL 54, 36) Tullus Hostilius * chron. a. Abr. 1352 (GCS Eus 7, 94a) Turnus * adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 282C) Tyche → Fortuna Typhon in Is. 5,13,21 (VL 27, 560) in Is. 5,19,11 (VL 27, 624) in Is. 6,13,19 (VL 27, 711) in Am. 2,5 (CCL 76, 280) Ulyxes → Odysseus Venus in Ezech. 3,8 (CCL 75, 96) in Ezech. 3,8 (CCL 75, 99) adv. Iovin. 2,7 (PL 23, 310B) adv. Pelag. 3,12 (CCL 80, 113) chron. a. Abr. 2143 (GCS Eus 7, 200) vita Hilar. 16,1 (SC 508, 258) epist. 43,2,4 (CSEL 54, 320) epist. 50,3,3 (CSEL 54, 391) epist. 54,5,1 (CSEL 54, 470)
8. Anhang epist. 54,9,5 (CSEL 54, 476) epist. 58,3,5 (CSEL 54, 532), 2× epist. 123,7,3 (CSEL 56, 81) epist. 123,13,1 (CSEL 56, 87) epist. 147,8,2 (CSEL 56, 323) Vesper → Lucifer Vesta in Gal. 3 (CCL 77A, 218) adv. Iovin. 1,11 (PL 23, 236A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283A) adv. Iovin. 1,41 (PL 23, 283B) chron. a. Abr. 1224 (GCS Eus 7, 85a) chron. a. Abr. 1751 (GCS Eus 7, 131) epist. 49,6,2 (CSEL 54, 358) epist. 123,7,1 (CSEL 56, 80) Virbius in Is. 8,26,14 (VL 30, 978) in Eph. 2 (PL 26, 535B) Vulcan epist. 40,2,2 (CSEL 54, 310) epist. 54,9,1 (CSEL 54, 474) Winde (Personifikation) in Is. 3,6,2 (VL 23, 314) Zeus → Jupiter
LITERATURVERZEICHNIS ZITIER- UND ABKÜRZUNGSHINWEISE Lateinische antike Werke werden abgekürzt nach Thesaurus Linguae Latinae. Index Librorum Scriptorum Inscriptionum ex quibus exempla afferuntur (Leipzig 5 1990); griechische Werke nach dem Abkürzungsverzeichnis in H.G. Liddell/R. Scott, A Greek-English Lexicon (Oxford 91996) xvi–xxxviii; griechische Werke der christlichen Literatur nach dem Abkürzungsverzeichnis in G.W.H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon (Oxford 1961) xi–xlv. Titel aus der Sekundärliteratur werden in den Anmerkungen mit Kurztiteln zitiert. Die Abkürzungen für Periodika richten sich nach den Vorgaben der Année Philologique und dem Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie. Bei Angaben von Hieronymus-Stellen und bei Zitaten christlicher Autoren stehen jeweils die Editionsangaben, nach Bedarf auch bei entlegenen Quellen oder Fragmentensammlungen. Angaben von Bibelstellen folgen den Loccumer Richtlinien. Bibelzitate sind entsprechend ihrer Sprachlichkeit folgenden Ausgaben entnommen, wenn nicht anders angegeben: Biblia Hebraica Stuttgartensia, Novum Testamentum Graece (NESTLE/ALAND), Septuaginta (RAHLFS), Biblia Sacra Vulgata (WEBER) sowie Elberfelder Bibel. Abkürzungen BAtlas BKV CCL CLCLT CSEL GGM LACL LXX.D MLAA NTAK PCBE PLRE RLM ThwAT ThLL VL WiBiLex
Barrington Atlas of the Greek and Roman world Bibliothek der Kirchenväter Corpus Christanorum, Series Latina CETEDOC Library of Christian Latin Texts Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Geographi Graeci Minores Lexikon der antiken christlichen Literatur Septuaginta Deutsch Metzler Lexikon antiker Autoren Neues Testament und Antike Kultur Prosopographie Chrétienne du Bas-Empire The Prosopography of the Late Roman Empire W.H. ROSCHER (Hg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie 1,1–6 (Leipzig 1884–1937, ND Hildesheim 1977) Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament Thesaurus Linguae Latinae Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet
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Literaturverzeichnis
TEXTAUSGABEN UND ÜBERSETZUNGEN Hieronymus The Letters of St. Jerome 1. Letters 1–22, ed. CH. CH. MIEROW (ACW 33, Westminster MD 1963) Hieronymus, De viris illustribus – berühmte Männer, ed. C. BARTHOLD (Mülheim/Mosel 2010) Des hl. Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte historische, homiletische u. dogmatische Schriften, ed. L. SCHADE (BKV 15, Kempten/München 1914) Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe 1, ed. L. SCHADE (BKV² 16, Kempten/München 1936) Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe 2, ed. L. SCHADE (BKV² 18, Kempten/München 1937) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.1: Opera Exegetica, ed. P. DE LAGARDE/G. MORIN/M. ADRIAEN (CCL 72, Turnhout 1959) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.2A: Opera Exegetica, ed. M. ADRIAEN (CCL 73A, Turnhout 1963) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.4: Opera Exegetica, ed. F. GLORIE (CCL 75, Turnhout 1964) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.5: Opera Exegetica, ed. F. GLORIE (CCL 75A, Turnhout 1964) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.6: Opera Exegetica, ed. M. ADRIAEN (CCL 76, Turnhout 1969) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.6: Opera Exegetica, ed. M. ADRIAEN (CCL 76A, Turnhout 1970) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.7: Opera Exegetica, ed. D. HURST/M. ADRIAEN (CCL 77, Turnhout 1969) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.6: Opera Exegetica, ed. G. RASPANTI (CCL 77A, Turnhout 2006) S. Hieronymi Presbyteri Opera 1.8: Opera Exegetica, ed. F. BUCCHI (CCL 77C, Turnhout 2003) S. Hieronymi Presbyteri Opera 2: Opera Homiletica, ed. D. G. MORIN (CCL 78, Turnhout 1958) S. Hieronymi Presbyteri Opera 3.1: Opera Polemica, ed. P. LARDET (CCL 79, Turnhout 1982) S. Hieronymi Presbyteri Opera 3.3: Opera Polemica, ed. J.-L. FEIERTAG (CCL 79A, Turnhout 1999) S. Hieronymi Presbyteri Opera 3.5: Opera Polemica, ed. J.-L. FEIERTAG (CCL 79C, Turnhout 2005) S. Hieronymi Presbyteri Opera 3.2: Opera Polemica, ed. C. MORESCHINI (CCL 80, Turnhout 1990) S. Eusebii Hieronymi Opera 1,1–3 (Epistulae 1–3), ed. I. HILBERG (CSEL 54–56, Wien 1910–1918) Sancti Eusebii Hieronymi in Hieremiam prophetam libri sex, ed. S. REITER (CSEL 59, Wien 1913, ND New York/London 1961) Augustinus – Hieronymus. Epistulae mutuae/Briefwechsel 1–2, ed. A. FÜRST (FC 41, Turnhout 2002) Hieronymus. In Ionam, ed. S. Risse (FC 60, Turnhout 2003) Didymus der Blinde. De Spiritu Sancto/Über den Heiligen Geist, ed. H.J. SIEBEN (FC 78, Turnhout 2004) Hieronymus. Commentarioli in Psalmos/Anmerkungen zum Psalter, ed. S. RISSE (FC 79, Turnhout 2005) Eusebius Werke 7: Die Chronik des Hieronymus, ed. R. HELM (GCS, Berlin 1956) Die Mönchsviten des heiligen Hieronymus, ed. K. GRESCHAT/M. TILLY, nach der Ausg. Kempten und München 1914 (Wiesbaden 2009) Theodoret, Jerome, Gennadius, Rufinus. Historical Writings, etc., ed. P. SCHAFF/H. WACE (NPNF² 3, Edinburgh 1892, ND 1996) St. Jerome. Letters and select works, ed. P. SCHAFF/H. WACE (NPNF² 6, Edinburgh 1892, ND 1996) D. OZIMIC, Der pseudoaugustinische Sermo CLX. Hieronymus als sein vermutlicher Verfasser, seine dogmengeschichtliche Einordnung und seine Bedeutung für das österliche Canticum triumphale „Cum rex gloriae“ (Diss. Graz 1979) S. Hieronymi Opera Omnia 2 & 3, ed. J.-P. MIGNE (PL 23, Paris 1845) Patrologiae Cursus Completus, Series Latina, Supplementum 2 (Paris 1960) Saint Jérôme. Commentaire sur Saint Matthieu 1–2, ed. E. BONNARD (SC 242/259, Paris 1977/1979) Didyme l’Aveugle. Traité du Saint-Esprit, ed. L. DOUTRELEAU (Paris 1992) Jérôme. Débat entre un Luciférien et un Orthodoxe (Altercatio Luciferiani et Orthodoxi), ed. A. CANELLIS (SC 473, Paris 2003)
Textausgaben und Übersetzungen
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STELLENVERZEICHNIS Epigraphische Quellen CIL 6, 9858 CIL 8, 6975 Aelianus, NA 4,27 17,8 f. VH 3,2 14,45 Aischylos, A. 988–1197 1202 ff. Ch. 269–296 Eu. 334 f. 684–690 956–967 Orestie Pr. 1–81. 365–369 482 ff. 515–518 723–727 802–807 Supp. 291–305 Ambrosius, epist. 8. 41 f. 83 exc. Sat. 2,127 2,129 fid. 1,6,46 1,6,46 f. 3,1,3 3,1,4 Hel. 8,25 13,48 in psalm. 43,17. 75 in. Luc. 4,2,3 f.
141 297 181 94 159 214 243 204 243 243 242 254 242 218 239 25 242 254 181 179 129 246 36 48 267 46 46, 286 46, 257, 261 228 228 257 257
6,88 paenit. 2,2 spir. virg. 18,117 Ammianus Marcellinus 14,1,7. 8,3 19,1,9 19,1,11 19,4,3 22,8,33 26,10,16–19 28,1,30. 4,7 Apollodoros 1,1,3–2,1 1,3,2 1,3,3 1,3,5 f. 1,4,2 1,4,3 f. 1,4,3–5 1,4,6,2 1,6,1 1,6,1 f. 1,6,1–3 1,6,3 1,7,1 f. 1,8,2 1,9,3 1,9,15 1,9,19 1,9,22 1,9,25 2,1,2 f. 2,3,1 2,3,2 2,4,1 2,4,3 2,4,4 2,4,6 2,4,8–7,7 2,4,12–5,12 2,5,2 2,5,3
31 234 111 48 319 319 97 320 242 102 299 286 265 32 239 242 239 86 239 271 226 90 242 29, 232 f. 242 283 214 32 146 191 179 275 254 150 104 f. 150 141 138 293 267, 270 295
Stellenverzeichnis 2,5,9 2,5,11 2,5,12 3,6,2 2,6,4 2,7,7 3,1,1 f. 3,1,3 f. 3,4,2 3,4,3 3,5,1 3,5,6 3,7,2–5 3,7,2–7 3,9,2 3,10,1–3 3,10,4 3,10,5–7 3,10,8 3,12,2 3,12,5. 3,12,6 3,12,6 f. 3,14,3 3,14,4 3,14,6 3,15,8 3,16,1
32 319 282 218 158 71 133 175 218, 239 86, 131 286 160 218 243 201 86 214 32, 133 158 32 204 198, 286 158 98 97 196, 239 175 239
Epit. 1,5 f. 287 1,8 f. 175 1,18 f. 137 1,21 f. 126 3,30 215 5,4–7 158 5,17 204 5,23 160 6,24 243 7,31–39 214 FGrH 244 F 63e 67 Apollonios Rhodios 1,40–44. 59–64 126 1,202–205 239 1,640–652 248 1,640–646 252 1,850–860 239 1,1153–1283 32 2,317–340 146 f. 2,549–618 146 2,1030–1089 294 3,241 ff. 89
4,592–626 133 4,825 f. 191 4,903–909 266 Appianos, Pun. 1,1 209 131 210 Apuleius, met. 11,24 181 Aristeides von Athen, apol. 8,5 f. 31 9,6 34 10,3 34 Aristobulos, FGrH 139 F 41 131 Aristophanes, Ra. 929 181 Aristoteles Fr. 44 125 Arnobius, nat. 1,38 42 1,41 44 3–5 40 5,5 f. 197 7,32 44 Arrianos, An. 7,2 131 Ind. 11,7 131 Asterios von Amaseia, hom. 10,9 44 Athanasios, gent. 9 44 11 34 v. Anton. 53,1–3 127 Athenagoras, leg. 21 31 22,7 39 29 34 Athenaios 2,45c 125 6,268e–269e 170 Augustinus, c. Iulian. op. imperf. 1,1,96 ff. 246 civ. 1,1. 4. 7 281 1,19 206 2,8 34 2,21 37 3,6 115 4,1. 25 34 5,26 226
353
354
Stellenverzeichnis 6,5 6,7 6,8 8,18 15,5. 9. 23 18,8 18,15 19,12
24 29 40, 44 36 115 233 31 36
6,1–4 6,4 6,5–9,29 7,17–8,14 19,26 25,22 f. 37,34 37–50 40,1 40,2–23
90 f., 100, 196, 220, 308 83, 90 29 76 163, 185 118 238 30 227 f., 230 228
3,8 7,8–13
170 259
11,13 11,18
181 292
13,32 f. 14,18 21,29 22,22. 32 33,43
90 250 123 88 259
2,10 f. 20 3,11. 13 5,9 14,12 14,18 21,10–13 32,32 f. 32,33 1 Sam 17,51 22,19 28,1–25 2 Sam 23,13 2 Kön 2,12 5,19–27 1 Chr 21,1 2 Chr 2,15 Esra 3,7 Neh 1,11 Jdt 16,8
90 90 250 181 292 60 220 194
conf. 1,13 212 1,13,20–22 36 1,17,27 36 4,6,11 48 cur. mort. 2,3 31 10,12 36 enchir. 14,42–52 234 epist. 71,5,1 101 93 235 98,2 234 166,2,3 31 185 235 186,1 290 188,3 180 188,14 277 gen. ad litt. 11,16,21 88 haer. 82 129 f. ord. 2,12,37 36 serm. 26,17–24. 34 f. 40 urb. exc. 2 281 Basileios von Kaisareia, Is. 13 95 leg. lib. gent. 2,29–31 44 Basileios (Pseudo), Is. 276 257 Basileios von Seleukeia, or. 27,1 34 Beda Venerabilis, In principum Genesis 2,6 69 Biblia, Gen 3,1 226 3,1–5 264 3,16 263 f. 3,21 263
Ex
Lev
Num
Dtn
140 107 259 90 263 153 88 103 103 228 90
355
Stellenverzeichnis 4 Makk 15,21 Ijob 1,6–12 2,1–7 3,8 9,9 11,17 16,14 21,33 26,5 30,29 37,9 38,31 f. 40,15–25 40,25–41,26 Ps 13–16 18,12 19,6 21,21 ff. 33,16 34,15 55,22 58 58,2–6 88,11 91,5–7 97,2 108,3 124,7 127,1 139,7 Spr 9,18 21,16 26,8 Koh Jes 1,1 6,1 11 11,6 11,6–8 13 f. 13,21 f. 13,21 13,22 13,22 f. 14,9 14,12 14,22
92 88 88 292 86 86 90 99 90 91, 256 86 86 292 f. 225 47, 65 175 90 79 90 246 286, 288 303 260 90 260 175 86 260 136 226 90 90 99 84 80 79 170 170 36, 168, 310 295 72, 91 f. 127, 256 46, 94 f., 100 92 90 86 f., 89, 99 165
18 ff. 26,14 26,19 27,1 30,21 f. 34,11 34,13 34,14 43,10–11 43,20 45,14 56,10 65,11 f.
170 73, 90, 136, 144 90, 136 225 f., 230 171 94, 292 91, 256 94, 126 f. 28 91, 256 28 289 98
9,10 14,6 25,15 f. 27,23–46 46,25 48,46 50,39
92 92 220 92 103, 124 123 94
2,1 4,3
87 94
1,5–24 8,12 8,14 10 27,11 27,16 30,14 30,14–16 40–48
224 97 96, 98 224 99 280 124 103 173 f.
1–6 2,34 4 6,4 f. 7 8,3–22 12,7. 11 f. 13,1–64
82 195, 197 167, 186 287 82 81 81 65
2,19
72
1,1 5,8
66 86
1,3 1,4–2,11 2,2
103, 227 106 132
Jer
Klgl
Ez
Dan
Hos Am
Jona
356
Stellenverzeichnis 2,8-11 4,6–10
108 101
1,8
91–93, 256
3,8
124
2,14 2,14 f.
292 189
3,1–7
88
2,1–12 5,20 5,26 7,7 11,21 12,4 12,40 13,43 16,13–20 16,16 23,2. 13 ff. 24,24 24,35 25,24. 41 26,14–16 26,67 27,57–60
115 111 241 279 123 103 106 170 229 f. 71, 229 111 285 171 245 153 268 107
6,48 12,42 14,10 f. 14,25 14,65 15,42–46
141 241 153 220 268 107
2,7–20 10,18 11,9 14,23 16,26 22,3 f. 22,63–65 23,50–54 24,13–35
113–115 87, 165 279 235 102 153 268 107 107
3,3–7 3,5 5,25. 29 7,52 8,3
234 236 136 140 111
8,44 13,1–16 18,22 f. 19,38
245 34 268 107
9,32–41 14,11–15 17,18 27,17
107 71 245 193
1,26 f. 6,3–11 7,2 7,9 8,19. 21 11,33 1 Kor 6,1 6,9 7,1 7,6–9 7,9 7,13 f. 7,27 f. 39 10,19 f. 14,33–35 15,35–38 2 Kor 8,1–6 Gal 2,11–21 5,15 Eph 5,15. 17 5,18 5,25 6,14 Phil 3,2 1 Tim 2,11 f. 2,15 3,2 6,1 2 Tim 3,16 f. Tit 3,4 f. Phlm 10 f. 1 Petr 1,3. 23
32 233 215 250 170 187
Mi Nah
Apg
Zef
Sach
Röm
Mt
Mk
Lk
Joh
239 32 196, 220 215 211 296 215 29 255 98 291 240 193 194 220 210 123 276 255 254 164 193 84 234 240 234
357
Stellenverzeichnis 2 Petr 2,22 276 1 Joh 2,18 245 3,9 244 Offb 3,12 112 6,9 f. 170 12,9 165 22,15 276 22,16 86 Biblia (Pseudepigrapha), EpArist 9–50 84 Hen(gr) 6–19 90 Protev. 18,1 113 19,1 f. 113 Boethuis, cons. 3,12,52–54 48 Chronica Gallica varia, chron. I 654,75 281 Cicero, ac. 1,5,18 177 2,75. 95–98 163 Att. 1,18,3 310 2,21,4 310 14,17A,2 310 Cael. 26 113 de orat. 1,41 237 2,233 177 2,84,342 299 2,85,348 299 div. 1,114 243 fam. 3,7,5 299 5,7,3 233 9,18,3 177 fin. 2,118 141 3,14 ff. 246 har. 59 277 inv. 1,27 24 Manil. 60 37
Mur. 26 237 37,78 177 nat. deor. 1,83 239 1,107 265 1,119 24 2,53 88 2,66 39 3,18,46 243 3,50 202 off. 3,25 141 Pis. 1,1 163 rep. 2,33 134 2,46 206 5,1 37 Sull. 25,71 254 Tusc. 1,114 125 3,28 158 3,28–30 185 3,29 f. 158 f. 3,58 159, 185 3,63 f. 161 Verr. 2,1,40 284 2,5,120 237 2,5,146 284 Claudius Claudianus 1 226 20,255–261 309 21,312 f. 179 26,1–14 148 carm. min. 32 226 101–103 271 Clemens von Alexandreia, exc. Thdot. 28 250 paed. 2,10,109,4 218 prot. 1,3,1. 5,4 30 2,29 44 2,32,3 45 2,36,1 f. 34 2,41,2 44 4,55,2 f. 42 12,118,4 46
358
Stellenverzeichnis str.
1,11,50,6 245 1,16,79,2 44 1,21,102,3. 5 233 1,21,103,5 44 1,23 37 3,1,2 f. 249 3,3,2–4 249 4,19,121 201 4,19,121,1 f. 214 6,11,89,1 257 7,16,95,1 f. 47 Codex Theodosianus 1,27,1 239 13,3,5 140 15,14,13 281 16,2,20 264 16,5,21. 37 f. 235 16,6,1. 4 f. 235 16,7,1 13 16,10,7 13 Collectio Avellana 100,30 113 Commodianus, instr. 1,11 34 1,13 195 Conon 40 104 f. Constitutiones Sirmondianae 1 (333) 239 Curtius Rufus 6,3,11 198 Cyprianus von Karthago, epist. 69,1 f. 234 70 234 73,21 234 Cyrill von Alexandreia, Is. 18,1 34 Cyrill von Jerusalem, catech. 1,2 234 2,4 234 6,23 131 Digesta Iustiniani Augusti 48,19,25,1 115 Dio Cassius 48,43,4 112 53,16,5 112 60,18,4 115 Diodorus Siculus 3,52 f. 254 4,9,1–39,4 138 4,10,6–17,2 293
4,10,6–26,4 295 4,12,3–8 295 4,25,1 282, 293 4,26,1–4 293 4,45,3. 54,1–6 287 4,61,1–4 175 4,65,5–9 218 4,69 f. 126 4,71,3 214 4,74,3 160 4,77,1–4 175 5,23,2 f. 133 5,41–46 23 5,81,3 29, 232 15,54,3 206 17,15,2 202 Diogenes Laertios 2,3,10 159 2,3,12 f. 157 2,6,54 f. 158 3,2 207 8,4 f. 249 Dionysios von Halikarnassos 1,21,2 204 1,32,3–5 112 1,76,1–87,3 113 1,79,8. 11 112 2,18,3 27 2,38,1–5 116 Dioskurides 4,103 (105) 244 Donatus, Aelius, vita Verg. 17 133 19 133 Dracontius, laud. Dei 3,527 36 3,533–535 31 Ennius, scaen. 69 243 312 158 Ephoros von Kyme, BNJ 70 F 1026 67 Epiphanios von Salamis, anc. 85,2 214 105 150 105,9 43 haer. 78,7 113 79,5 113 Eratosthenes, Cat. 8 86 43 88
359
Stellenverzeichnis Euagrius Scholasticus, h.e. 1,11 34 Euhemeros, FGrH 63 F 1–30 23 Euripides, Alc. 1 214 Andr. 930 f. 217 Ba. 562 ff. 265 El. 218 Hec. 160 Hel. 4–11. 44–48 247 87–104 158 Heracl. 138 Hipp. 137 IA 218 1211 f. 265 1540 ff. 203 Ion 20–24 196 260–274 196 IT 1–30 203 Med. 116 287 384 f. 286 784–789 287 Phaëth. 779 89 Tr. 160 Eusebios von Kaisareia, chron. praef. 75–77 a. Abr. 460 75 a. Abr. 545 42 a. Abr. 659 43 a. Abr. 1191 f. 75 a. Abr. 1265 75 h.e. 5,10 131 6,19,2 271 7,5,4 f. 7,5 234 8,17,1–11 13 Is. 43,20 257 l.C. 7,4 34 13,7 202 p.e. 2,1,5 44 4,1,2 29
5,3,2 9,26,1 10,9 10,9–12
44 37 31, 47 233
3,41. 43 3,56,1 f.
113 137
v.C.
Eutropius 8,20,1 f. 77 Firmicus Maternus, err. 2,6 40 7 44 7,7 f. 40 12,2. 8 33 13,4 44 20 195 Firmilian, Cypr. epist. 75,5 234 Florus, epit. 1,1,12 f. 116 1,31 210 Fronto p. 220,1 159 Fulgentius, myth. 1 praef. 34 1,2 44 1,3. 6 39 1,19 f. 43 Gaius, inst. 1,122 241 Gerontius, vita Melan. 14 281 Gilgamesch 11,8–161 233 Gregor von Nazianz, c. Iul. 1,122 34 Gregor von Nyssa, catech. 40,1 f. 234 nativ. 1 113 Gregorius Magnus, moral. 31,45 189 Hegemonios, Arch. 52 131 Hekataios F 25 151 Herakleides Pontikos Fr. 89 249 Herodoros, FGrH 31 F 14 139 Herodot 1,8,3 217
360
Stellenverzeichnis
1,23 f. 30 2,23,1. 45,1 23 2,112–118 247 2,113,1–3 198 3,34,1 228 3,116,1 f. 181 f. 4,13,1 f. 27,1 181 4,110–117 254 8,138 125 Hesiod, Fr. 30 133 gyn. Fr. 82 29, 232 Op. 106–201 36, 169 116–119 172 Sc. 138 14–19 141 178–190 126 Th. 27 35 116 102 135 286 217–222 242 227 252 310–329 294 313–318 138, 267 319–325 275 378 ff. 88 453–506 286 511 ff. 25 523–531 138 570–572 239 901–906 242 924 131 927–929. 945 f. 239 984–991 88 f. Hieronymus, quaest. hebr. in gen. 59, 151, 227, 316 6,4 91 15,2 f. 227 in eccles. 12,1 245 nom. hebr. 121 in Is. 1,1,1 66, 80 2,5 65 4 praef. 145, 147, 184 4,11,6 69, 145, 168 f., 186, 246, 310 5,14,12 87 6,13,3 70, 86, 91, 93
6,13,4 6,13,19 6,14,7 6,14,12 6,14,21 7,18,1. 22,12 8,26,14 8,26,19 8,27,1 9,30,26 10,33,13 10,34,1 10,34,8 10,35,1 11 praef. 12,41,21 12,41,21–24 12,43,16 13,46,1 15,56,10–12 16,59 18,65,3 18,65,4 18,65,11 18,65,17 18,66,7 in Ier. 3 3 praef.
4 in Ezech. prol. 1,1 3,8 4,13 6 praef. 6,19 8 praef. 8,27 9,3 9,28 9,30 10,31 10,32 10,33 11 praef. 11,38 12 praef. 13 praef.
91 70, 72, 93, 95, 126 91 87 f. 225 245 73, 91, 136, 143 136, 233 91, 226 145, 171, 188, 310 121 88 66, 96 94 165 204 121, 177 93, 273, 277, 289 277 276 65 167, 190 137 98 245 91 145, 255 69, 142, 256, 273, 277, 286, 288 f., 305, 315 65 270 f., 304 224, 317 73, 97, 121, 167, 277, 310 245 277, 285, 305, 309 82 280 99, 246 103 87 124 88 91, 100, a271 277 175 65 175 175
361
Stellenverzeichnis 14 praef. 14,47 in Dan. prol. 1,1 1,4 2,6 3,11 4,6 in Os. 1,2 1,4 1,5 2 prol. 2,10 3,11 in Ioel 3 in Am. 1,1 2,5 in Ion. praef. 1,12 1,3b 2,1a 2,2 4,6 in Mich. 1,1 2 prol. in Nah. 2 2 f. 3 in Hab. 2,3 in Soph. 2,12–15 in Agg. prol. in Zach. 2 prol. 3,12 in Matth. 1
145, 173, 187 103, 167 65, 81–83, 165, 307 246 88, 145, 165, 166, 170, 186, 267, 277 287 82 186 66, 72, 209, 212 69 79 256, 272, 277 65 65 121 66, 79 66, 70, 73, 86, 91, 136, 226, 271 103, 148 206 67, 103, 118, 134, 307, 310 106 73, 89, 90, 132, 143, 150, 167, 307 57 88, 93, 257, 268, 304 142, 268 145, 277 88 256 140, 189 189 79
1,16 3,16,16 3,21,21 4,24,16–18 praef. Vulg. evang. Iob Ios. in Gal. 1 2 3 in Eph. prol. 1 1,1 2 3 prol. 3 5,19 in Philem. 4–6 in Tit. 1,5 3,9 tract. in psalm. I 81,7 96 109,3 115,11 tract. in Marc. 9 c. Lucif. 26 adv. Iovin. 1,1 1,3 1,4 1,7 1,7–9 1,11 1,24 1,36 1,41
145, 177 103 272
1,41 f. 1,41–43
138 71, 229 277 82 54 52 256, 261 f., 262, 303 70, 88, 95 103 190, 277 194 68 163 66, 136 194 66, 190, 194, 210, 312, 317 266 65 121 59 88 121 86 163 245 232, 301 177 130, 222, 245 245, 256 68 f., 190, 195, 220, 277, 315 215 121 129 145, 184 18, 20, 66–68, 72, 167, 199–201, 203, 205 f., 221– 223, 310, 315 f. 177 190
362
Stellenverzeichnis 1,41–46 1,41–49 1,42 1,43 1,44 f. 1,45 1,46 1,47 1,48 1,49 2,4 2,5–14 2,6 2,7 2,11 2,13 2,13 f. 2,14 2,17 2,21 2,36 2,37 2,38 3,1 c. Vigil. 1 2 3 5 5–7 6 7 8 9 f. 13 f. 17 c. Ioh. 11 41 adv. Rufin. 1,5 1,7 1,12 1,13 1,17 1,30 1,30 f.
116 200, 307, 313 21, 68 f., 130, 143, 207 f., 223 208 f., 215, 311 213 67, 70, 190, 214, 222 f. 206, 214 200, 215 f. 190, 216–219, 245, 315 200, 206, 219 88 200 276 190 136, 245 172, 187, 310 190 69, 131, 187, 195 190 245, 301 245 f. 248, 254, 301 f., 317 245 6 68, 95, 250, 284, 292, 301, 305 291 264 71, 121 291 251 234 284 291 291 294 258 54 176 152 262 57, 275 177, 279 52, 63, 142, 146 62
2,10 2,24–35 3,4 3,6 3,22 3,23 3,33 3,36 3,37 3,39 3,39 f. 3,42 adv. Pelag. 1,1 1,19 1,19 f. 1,20 1,26 2,24 3,4 3,15 Didym. spir. prol. chron. epist. a. Abr. 487 a. Abr. 491 a. Abr. 505 a. Abr. 572 a. Abr. 587 a. Abr. 629 a. Abr. 687 a. Abr. 698 a. Abr. 732 a. Abr. 839 a. Abr. 851 a. Abr. 875 a. Abr. 879 a. Abr. 908 a. Abr. 1029 a. Abr. 1052 a. Abr. 1080 a. Abr. 1093 a. Abr. 1101 a. Abr. 1104 a. Abr. 1141 a. Abr. 1161 a. Abr. 1197 a. Abr. 1213
279 262 146, 152 f., 185, 312 54 103, 106, 150, 256, 277 154 177 152 146, 277 251 249, 252 272 180 188 145 180 f. 66, 247, 255, 302 180 180 234 52, 103, 110, 119, 310 77 f., 99, 145, 175 76 76, 233 76 76 78 78 78 76 76 67 67 67 67 67 67 67 67 67 67 67 67 67 67 79
363
Stellenverzeichnis a. Abr. 1221 67 a. Abr. 1224 67 f. a. Abr. 1241 68 a. Abr. 1245 79 a. Abr. 1252 79, 214 a. Abr. 1263 f. 67 a. Abr. 1263–84113 a. Abr. 1271 67 a. Abr. 1278 80 a. Abr. 1284 67, 116 a. Abr. 1289 67 a. Abr. 1303 67 a. Abr. 1305 67 a. Abr. 1352 67 a. Abr. 1395 67 a. Abr. 1432 80 a. Abr. 1505 67 a. Abr. 1511 67 a. Abr. 1949 177 a. Abr. 2101 77 a. Abr. 2195 116 a. Abr. 2232 77 a. Abr. 2370 52 a. Abr. 2388 226, 278 a. Abr. 2390 154 a. Abr. 2395 68, 78 vir. ill. praef. 7 272, 277 58,1 21 100,1 f. 268 106 21 121 249 128 54 133 54 135,1 52 vita Pauli 1,2 122 2–5 127 4,1 129 5,1 128 7 127 7 f. 142 7,3–8,6 123 7,4 70 8,3 72 8,6 307 9 279 10,1 16,6 128 vita Hilar. 1 277 1,8 309
11,11 11,4 12,3 16,1 40,1 vita Malchi 2,1 epist. 1,36 3,3 3,3,1 4,2 5,2,3 5,2,4 6,2,1 7,2,1 7,4,1 10,1,1 10,2,1 14 14,6,2 14,6,3 14,11,1 15 f. 17,2,1. 4. 3,2 18A praef. 18A,1,1. 4 21,13,4 21,13,6 21,13,8 22,4,3 22,7 22,14,1 f. 22,18,2 22,27 22,27,1. 8 22,29,7 22,30,1 22,30,1–6 22,32,2 27 27,1,1–3 27,1,2 27,2,1 27,3,1 29,7,2 33,4,2 33,5 33,5,5 39,3,4 f. 39,5
140 121 121 121 102 53 146 154 53 154 52 53 52 53 52 91, 233 145 52 190 f., 220, 277, 312 177, 192 121 53 f., 231 53 79 79 60 61 18 88 53, 111 264 190, 256, 263, 303 87 238 63 52 61 238 236 55 241 121, 241 241 65 268 55 111, 277 160, 275 154
364
Stellenverzeichnis 40 40,2,1 40,2,1–3,1 40,2,3 40,3,1 43 45,5 f. 45,6,1 46 46,1,1 46,11,1 46,11,2 46,12,1 46,12,3 47,3,1 47,3,2 49,2,1 49,6,2 49,13,4 49,14,4 50,3,5 51 51,6,4 52 52,3,6 52,5,1 f. 53,7,1 53,7,3 54,2,1 f. 54,3,1 54,4,3 54,5,1 54,9,1 54,9,3 54,9,5 54,13,1 57 57,1 57,2,2 57,2,3 57,4,1 57,4,2 57,4,3 57,5,5 57,9,1 58,3,5 58,7,2 58,8,3 60 60,5,1
214 241 240 237, 302 240 55 154 112 119 176 113 103, 115 116 266 236 252 130 121 272 195 130 148, 258 149 156 66, 145 238 279 145, 171, 278 178, 284 178 178, 234 190 190, 239 69, 145, 178, 187 f., 225 190 145, 256, 266 52, 148 149 149 149, 154 149 146, 149, 184 f., 185, 188, 312 149 150 272 113, 121, 167 145 70 52 145, 156, 185
60,5,2 f. 60,7,3 60,8,2 60,10,3 60,10,5 60,10,6 60,14,4 60,14,6 60,19,3 61 61,2,1–3 69,2,4–6 69,2,6 69,9 70,1 70,2,1 70,2,3 70,2,4 70,2,5 f. 70,3,1 70,3,2 71,5,1 72,5,1 77 77,9,2 78,35,2 78,38,2 78,37 f. 79,3,3. 5,2 80 82,2,2. 4,1 82,5,1 82,8,1 84,3,1 84,3,2 84,4,5 85,3 95 107,1,3 107,1,4 107,2,2 107,3,2 107,4,1 107,8,3 107,10,2 108,1,1 108,1,1–4 108,3,1 108,4,1 108,7,2
158 158 234 158 65 158 145, 160, 167, 185, 188 160 158 291 56, 162 163 162, 185 87 142 138, 142 103 140 62, 64 272 69, 138, 143, 277, 290, 311 56 65 259 193 145, 244 256, 260 259 65 152 258 256, 258, 302 52 54 57 177 152 273 124, 297, 306 297 f. 69, 182 296 266 266 190 300 107 299, 306 107, 299 103, 277
Stellenverzeichnis 108,8,1 108,8,2 108,13,2 108,14,1 108,14,4 108,20,1–3 108,30,1 108,33,2 109 109,1,1 112,20,5 112,22,1 117,6,2 117,6,4 120,1,15 120,10,2 121,10,19 123,7,1 123,7,2 123,7,3 123,9,1 123,10,2 123,13,1 123,17,3 124 125,2,1 125,2,3 125,3,1–3 125,3,3 125,5,1 125,9,1–3 125,12,1 f. 125,15,1 125,18,3 125,4 127,3,1 127,10,3 127,13 f. 127,7 128,4,3 128,4,5 128,4,6 128,5,1 130 130,7,7 f. 130,7,8 130,7,9 130,16,1 130,16,1 f. 130,19,3
107 70, 103, 107, 118, 134 79 103 55, 107 55 291 107, 300 291 292 148 101 265 145, 256, 265 178 21 65, 307 177, 190, 204 211 190 54 234 190, 212, 309, 311 178 152 182 183, 190, 193, 220, 277, 284 192 182, 188 182, 238 193 53 117, 119, 310 274, 304 182 65 272 270 237 145, 155, 185, 312 198 190, 198, 221, 312 57, 283 179 70, 280, 304 277 281 19 273, 304 277
133,3 154 139,3 57 143,2,1 57 144,5,1 101 hom. Orig. in cant. prol. 54 reg. Pachom. praef. 2 117 Hieronymus (Pseudo), epist. 18 58 18,3 256 26 58 Hippolytus von Rom, haer. 10,14 249 5,7,32 f. 44 5,11 46 6,16 46 7,13,1–3 46, 93, 257 7,14–28 249 Historia Augusta, Carac. 10,1 77 Opil. 1,1–5 319 Heliog. 7,5–8 319 Maximin. 4,9 319 6,9 319 8,5 319 Gall. 17,1 159 Claud. 11,9 319 Aurelian. 1,5 319 Homer, Il. 1,8–52 320 1,8–474 204 1,248 f. 320 1,267 f. 126 1,590–608 239 f. 2,212–276 319 2,695–702 215 2,742–744 126 3,38–57 198 3,125–165 219 3,184–190 254 3,421-454 198 4,515 131 5,395–402 138 5,747. 875. 880 131 6,178–183 275
365
366
Stellenverzeichnis 6,186 6,290–292 7,161–310 8,266–334 9,443 9,622–657 12,351–403 13,169–205 13,361–382 14,201–204 14,249–262 14,319 f. 15,415–483 16,1–18,355 16,328 f. 16,433 ff. 17,44–81 18,368–617 19,23–39 19,96–133 20,73 f. 20,128 20,144–148 20,231–235 21,328–382 23,226 f. 24,209 24,602–617 24,760–775
254 198 158 158 22 158 158 158 204 286 138 133 158 319 275 242 248 239 319 138 239 242 138 32, 43, 228 239 88 242 160 219
1–4 1,259–265 2,328–330 3,262–272 4,351–570 5,121–124 8,266–366 10,233 ff. 11,262 f. 11,326 f. 11,404–454 11,421 ff. 11,572–575 11,582–600 11,601–625 11,627–631 11,561 12,101–110 12,118 12,158–200 12,173–200 12,201–259
214 287 287 218 247 86 239 f. 47 30 218 218 204 86 283 138 90 22 191 286 45, 92 289 191
Od.
12,39–54 12,73–100 13,93 f. 16–24 21,22–38 21,295–298 Horaz, carm. 1,12,7–12 1,24,13 f. 1,27,19 1,35,33 f. 2,13,34 3,4,69–76 3,16,1–16 3,27,25 ff. epist. 2,1,117 2,3,391 ff. epod. 7,17–20 sat. 1,2,31–35 2,3,71 Hydatius, chron. II 18,56 Hyginus, astr. 2,1. 4 2,7 2,8 2,11 2,12 f. 2,13 2,15 2,16 2,21 2,23 ff. 2,26 2,29 2,33 f. 2,42,2 2,42,4 fab. 9. 11 19 25 29–36 30 30,13 40–42 45 47 49–51
45, 92 191 88 214 138 126 265 265 284 114 282 90 150 133 279 265 114 254 247 281 86 97, 265 133 104 f. 239 196 25, 239, 242 228 86 138 86 228 86, 239 89 88 160 f. 146 287 138 254, 267, 293 f. 282 175 219 137 214
Stellenverzeichnis 57 58 60 63 64 77 f. 82 85 88 89 91 92 93 98 103 f. 110 f. 112 117. 119 120 121 125 126 f. 139 145 151 152A 152A,1 f. 153 153 f. 163 166 171 174 177 f. 182 185 192 193 195 199 206 238 243 246 248. 251 252. 254 Hymni Homerici 28,4–11 Hymnus ad Venerem 5,202–217 Ilias parva 7
275 97 283 150 104 f. 218 283 33 219 158 160 198 204 203 215 160 249 218, 243 243 204 191 214 286 179 275 89 232 232 133 254 196, 239 242 201 133 86 201 86 202, 315 86 191 219 203, 219, 315 209 219, 315 97 202, 315 131 32, 228 228
Iohannes Cassianus, conl. 5,18,1 189 Iohannes Chrysostomos, or. 1,2 234 hom. in Rom. 6,6 34 Iohannes Malalas, chron. 1–4 43 2,15 44 Johannes von Damaskus, v. Barl. Joas. 245 34 Johannes von Gaza 3,10 89 Iosephus, AJ 13,171–173 111 BJ 3,9,3 105 Irenaeus von Lyon, haer. 1,13–21 249 1,30,15 46 2,30,1 46 3,21,2 84 Isidor von Sevilla, orig. 1,37,24 244 7,5,3 69 8,11,1 f. 44 8,11,29 ff. 40 17,5,1 44 Julian, Or. 7,219C f. 141 Justin der Märtyrer, 1 apol. 5,2 34, 41 22 34 44 37 54,1 38 61 234 2 apol. 6 233 7,2 29 dial. 70,1 195 78,5 f. 114 Justin (Pseudo), or. Gr. 1 257 2 34 Iustinus 18,4–6 209 Juvenal 2,23 243 6,655 218 Kallimachos, Hec. 3,221 ff. 201
367
368 Krates Mallotes F 40 Lactantius, inst. 1,6 1,11,17–19 1,12 1,17 1,18,21 1,23,3 3,18,6 4,5 4,27,12–20 7,24 epit. 8,2 10 14 ira 11,7 22,5 mort. pers. 34 48 Livius praef. 6 1,11,6–99 1,3,10–7,3 1,57–60 1,9,1–16 5,13,4–6 7,27,14 7,28,6–8 perioch. 51,5 Lucanus 1,95 2,149–151 6,665 Lucianus, DDeor. 4,1 20 DMort. 23 Sacr. 6 Syr.D. 6 12 f. Lucretius 5,878–906 5,890–894 5,905
Stellenverzeichnis
94 203 36, 151 40 196 40 44 206 38 44 31, 35 34 34 44 42 203 13 13 27, 299 116 113 206 79 203 203 203 210 114 114 90 228 133, 198 215 240 98 232 24, 276 284 275
Lykophron, Alexandra 834 ff. 106 Macrobius, Sat. 1,2,15 297 2,8,9 252 Marcellinus, chron. II 71,413 281 Marius Mercator, Cael. 1 290 Marius Plotius Sacerdos, gramm. VI 462, 11–14 242 Martialis 5,53 88 6,41 163 Martin von Braga, corr. 44 Maximus von Turin, serm. 37,1 31 Methodios von Olympos, symp. 8,1 257 Minucius Felix 21,1–3 44 22 113 23,2–7 35 23,5 34 31,3 13 Naevius, com. 106 160 Nearchos, FGrH 133 F6 131 Nonnos, D. 1,4 131 31,216–218 33 38,299 89 41,65 ff. 36, 169 Notitia dignitatum in partibus occidentis 25 283 Numenios F 8. 28 37 Oracula Sibyllina 2,49 f. 203 2,200–2003 89 5,512–531 89 8,190–191. 341 89 Origenes, Cels. 1,19 233 1,25 36 1,37 207 1,51 114 3,22 44 3,23 31 3,28 44
369
Stellenverzeichnis 4,38 4,39 4,46 4,48 5,63 6,8 7,54 comm. in Rom. 5,1,27 hom. in Ezech. 9,2 hom. in num. 12,4 princ. praef. 6 sel. in Ezech. str. Fr. 9 Orosius, apol. 12,3 hist. 4,23,4 7,35,21 7,38,6–10 7,42,10–14 Orphica, A. 1251 ff. Ovid, am. 1,8,104 2,17,17–20 3,8,29–34 3,12,33 f. ars 2,564–590 epist. 4,1–176 7 8,67–78 13 16,249–252 17,43–56 fast. 2,187–192 2,267–474 2,381–422 2,492–512 2,685–865 3,41 3,545–550 5,539 ff. met. 1,89–112
31 38 30 34 46 207 31 250 87 87 88 97 166, 186 290 211 226 281 281. 283 191 288 239 133, 151 132 239 137 209 133 215 133 133 86 113 112 f. 30 206 113 209 272 169
1,109–112 171, 186 1,112 f. 169 1,196 ff. 167 1,260–415 29, 232 1,322 f. 232 1,452–567 45, 133 1,621–722 179 1,746–2,400 89, 133 2,56–58 89 2,106 239 2,235 f. 243 2,304. 319–322 89 2,367–380 160, 167 2,409 ff. 167 2,496–532 86 2,642 f. 233 2,676 ff. 167 2,710–835 167 2,833–875 133 3,151 ff. 167 3,253–310 131, 167 4,206–270 167 4,451 ff. 243 4,607–616 133, 150 4,668 f. 105 4,670–734 104 4,696 f. 133 5,11 f. 133, 150 5,250 f. 133 5,346–358 90 5,539 ff. 167 6,109 133 6,110–114 33, 133 6,148–312 160 6,426 ff. 167 6,430–432 243 7,62–65 191 7,147 ff. 243 7,404–427 287 8,136–181 175 8,451–456 242 8,486 f. 243 9,67–74 267 9,280–323 138 9,410 243 9,646–648 275 10,1–144 265 10,45 f. 243 10,106 ff. 167 10,155–161 32, 228 10,162–219 32 10,519–559 97
370 10,560–680 201 10,708–739 97 11,1–84 265 11,85–145 125 11,194–217 138 11,216–220 158 11,410–748 160, 167 12,24 ff. 203 12,210–535 126 12,620–13,398 158 13,399–573 160 13,479 f. 206 13,730–737 191 14,1–74. 191 14,59–67 284 14,75–81 209 14,698 ff. 167 14,775–777 116 15,96–103 169 15,160–164 249 15,490–546 137 15,746 ff. 167 15,807–815 242 Paulinus von Mailand, vita Ambr. 5 278 Paulinus von Nola, epist. 16,7 257 Paulinus von Petricordia, Mart. 3,213–215 34 Pausanias 1,2,1 254 1,3,1 89 1,4,5 197 1,5,2 202 1,15,2 254 1,18,7 f. 232 1,19,2 242 1,20,3 239 1,21,3 160 1,22,1–3 137 1,24,6 181 1,27,10 175 1,28,11 158 1,41,7 254 2,3,6 f. 287 2,5,1 283 2,11,4 242 2,16,6 204 2,17,3 248 2,18,4 f. 159 2,21,9 f. 160 2,27,4 137
Stellenverzeichnis 2,30,10 2,31,1 2,31,10 2,32,1–4 2,32,9 3,19,6 3,20,10 f. 3,22,1 f. 3,26,1 3,26,5 4,35,9 5,7,6 5,17,7 f. 5,24,5 7,2,7 f. 7,17,10 f. 7,25,5 8,2,5 8,2,7 8,8,2 f. 8,15,6 f. 8,22,4 8,34,1 8,36,2 f. 8,41,5 8,42,3 8,53,5 9,19,6 f. 9,41,2 f. 10,6,1 f. 10,24,4 10,27,1 10,27,2 Pelagius, epist. ad Demetr. Persius 5,91–95 Petronius 43,1 44 46 Pherekrates Fr. 113. 137 Philon, v. Mos. 2,25–44 Philostratos, VA 3,48 6,1 6,27 7,14 Philostratus Junior, Im. 1,11
159 175 139 137 254 204 214 198 175 204 104 f. 36, 169 218 228 254 197 243 160 160, 181 286 158 294 243 286 239 242 239 203 218 232 242 204 160 179, 277 237 241 275 279 170 84 181 181 125 243 133
Stellenverzeichnis 1,16 Photius, cod. 72 Physiologos 13 Pindar, Fr. 166 f. I. 6,24–54 N. 1,67–69 3,36–39 4,22–30 7,20–31 O. 1,24 ff. 7,35 13,84–90 P. 1,30–54 4,208 ff. 8,15–18 11,49 Pae. 8 Platon, Ap. 21d Grg. 493a Lg. 636b–d R. 3,389d2–3 3,390a10–b2 7,514a–518b Plautus, Amph. 269 Peon. 819 Plinius der Ältere, nat. 2,110 5,14,69 5,28 8,123 9,5,11 10,70 10,131 10,206 24,163 26,18 27,3. 11 f. 37,31
175 181 93, 95, 257 126 138, 158 138 158 138 158 33 131 275 90 146 271 f. 204 160 279 253 34 35 35 86 163 254 275 105 275 91 105 f. 181 96 91 244 244 244 133
Plutarch, Aem. 5,1 f. 217 Alex. 64 131 74,1 228 Cic. 29,5 241 Moralia 31 232 112d.e 158 115d 125 139b 218 143e.f 217 15d 45 277a 243 314 f. 113 463d.e 159 474d.e 159 773b–774d 206 Pel. 20,5 ff. 206 Rom. 1 f. 27 3–11 113 14 79 20,4–6 112 Thes. 1,1–3 23 12,2 f. 287 15–19 175 Plutarch (Pseudo), Fluv. 23,4 196 Polybios 38,20 210 Pomponius Mela 1,64 106 Porphyrios, Abst. 4,17 131 4,2 172, 187 VP 22 252 26 f. 249 33 252 40–42 252 45 249, 252 Proba, Cento 34 279 403 279 624 279 Procopius Caesariensis, Arc. 9,21 f. 133
371
372 Propertius 3,5 90 4,5 116 Prosper Tiro Aquitanus, chron. I 451, 1032 51 467, 1219 281 469, 1032 57 Prudentius, c. Symm. 1,42–58 44 1,59–83 34 1,365–378 44 ham. 401–405 139 perist. 10,239 f. 34 11,87 f. 47 11,123–144 47 Publilius Syrus, sent. 52 198 Quintilianus, inst. 1,6,34 242 2,4,2 24 8,5,18 163 Quintus Smyrnaeus 1,292–306 160 14,21–29 160 14,210–328 160 14,347–351 160 Rabanus Maurus, De universo 1,5 69 Res Gestae divi Augusti 9 297 19. add. 2 112 Rhetorica ad C. Herennium 1,12 24 Rufinus von Aquileia, apol. adv. Hier. 2,5 263 2,15 57 2,32–35 262 Clement. 10,26 44 symb. 9 48 Seneca, Ag. 218 f. dial. 11,11,1 159 epist. 88,8 214 Herc. f. 138 1–13 73
Stellenverzeichnis Herc. O. 138 Med. 219 Phaedr. 137, 219 299–304 133 Thy. 219 Servius, Aen. 1,317 202 1,526. 198 1,535 272 1,642. 729 f. 209 2,247 204 4,682 209 5,95 137 6,14 175 6,250 242 6,447 215 7,790 179, 225 8,90 112 8,299 294 8,343 112 10,763 86 georg. 1,67 86 1,205 196 Sidonius Apollinaris, epist. 2,1,1 242 9,6 257 Silius Italicus 1,70–90 209 2,406–431 209 13,590 90 Siricius, epist. 1,6 111 1,10 f. 162 7,1–4 129 Skylax (Pseudo) 104 104 f. Sokrates Scholastikos, h.e. 1,9,30 82 4,3 102 Solon F 29 35 Sophokles, Aj. 158 Ant. 966 147 El. 218 563–576 203 Tr. 138 Sozomenos, h.e. 6,2 102
Stellenverzeichnis Statius, Theb. 10,503–507 Strabon 1,2,35 7,7,2 11,5,1–4 12,3,24 16,2,28 17,3,14 Sueton, Cal. 11 Nero 16,2 Dom. 13,2 Symmachus, epist. 1,3,2 3,11,1 4,33,2 9,13 or. 2,21 rel. 3 Synesios, ep. 145 Tatianos, orat. 8,4 10 21 Terenz, Ad. 5,8,35 Hec. 2,1,4 Phorm. 1,3,21 Tertullianus, adv. Marc. 1,1,4 1,2 adv. Prax. 9 f. anim. 27,6 46 apol. 9 14,4 19,1,1–3 21,8 21,23 47,11 f. 50,5
133 105 29, 232 254 254 104 f. 210 233 37, 199 77 177 320 320 320 320 320 257 45 34 29 140 217 217 47 147 231 147 218 297 34 38 32, 133 30 31 211
bapt. 12. 15. 20 234 castit. 13,2 204 13,3 211 mart. 4,5 210 monog. 17,2 211 f. 17,5 204 nat. 2,9 210, 214 2,12 40 2,14 34 praescr. 12 234 pud. 19 234 resurr. 42 125 spect. 5 113 5,6 115 9,3 196 uxor. 1,6,4 204 Theodoretos, affect. 1,112 34 3,25. 30. 42 44 3,98 34 8,114 44 h.e. 3,20 140 Theokritos 3,40–42 201 15 97 24,1–25,281 138 Theophilos von Antiocheia, Ant. Autol. 1,9 41 2,30 233 3,19 233 Thukydides 1,22,4 23 4,24,5 191 Timaios Historicus, FGrH 566 F 82 209 Tryphiodoros 686–691 160 Tryphon, Trop. 15 242 Valerius Flaccus 1–3 138
373
374 1,427–432 5,429–432 Valerius Maximus 3,2 ext. 8 5,10 ext. 1 f. 5,10 ext. 3 9,6,1 Varro, ling. frg. 130 rust. 2,1,3 f. Velleius Paterculus 1,15,3 Vergil, Aen. 1,267 1,272–277 1,288 1,314–317 1,590 1,664 1,689 1,729 f. 2,57–198 2,90 2,116 2,404 2,650 3,252. 331 3,420–432 4 4,32–34 4,227 4,336 4,465–473 4,548–553 5,252–255 5,588–591 6,20–30 6,27 6,27–30 6,29 f. 6,250 6,273 6,280 6,285–289 6,286 6,375
Stellenverzeichnis 133 133
6,497 6,540 ff. 6,576 f. 6,605 6,748–751 6,777 f. 7,415 7,678–681 7,761–782 7,803 8,193–267 8,198 f. 8,370–453 8,383 8,589 8,608–731 10,79 10,875 f. 11,508 11,535–841 11,648–663 12,412. 554
210 158 159 116 242 172 112 300 113 300 201 286 278 f. 286 209 319 285 203 204 278 f. 243 191 209 212 286 261 243 212 228 175, 187 175 f. 175 187 175 243 191 243 284 191, 275 243
241 283 267 243 251 113 243 239 137 202 292, 294 239 239 286 88 239 280 176 200 f. 202 254 286
ecl. 4,6 f. georg. 1,60 ff. 2,510 4,453–527 5,387–452 6,41 ff. Vergil (Pseudo), Aetna 87–90 Dirae 125–130 Victorinus von Pettau, in apoc. Vita Pachomii 10 Xenophon, Cyr. 1,3,8–11 HG 6,4,7 Zosimos 4,33. 37. 59 5,37,6 6,7 ff.
278 f. 29, 232 114 265 247 29, 232 132 132 169 117 228 206 13 281 281
REGISTER ORTE, PERSONEN UND MYTHISCHE FIGUREN Aaron: 259 Abraham: 75 f., 78, 227 Acca Larentia: 67, 112 Achilleus: 157, 160, 204, 239, 319 Actoria Paula: 216140 Adam: 76, 78 Admetos: 213 f., 223, 242 Adonis: 41, 73, 96–98, 310 Adrastos: 218 Adria: 192 Adriaen, Marc: 273 Aelianus, Claudius: 94 Aeneas: 67, 191, 209, 223, 239, 261, 284, 286, 299 f.366, 307, 311 Aerope: 218 f. Africanus, Iulius: 75 Afrika: 179, 208, 234 f., 243, 277, 280 f., 283–285, 290, 295, 304 Agamemnon: 157, 198, 202–204, 218, 298– 300, 306 Agamestor: 79 Agathias Scholastikos: 49147 Agdistis: 197, 221 Agdus: 197 Agenor: 133 Ageruchia → Geruchia Aglaia: 239 Agraulos: 196 Agrippa Silvius: 67 Ägypten: 55, 75 f., 88, 96, 103, 117, 12413, 13157 f., 175, 227, 230, 237, 246 f., 259, 293, 303 Aiaia: 287 Aias: 157 f., 185, 319 Aigeai: 137 Aigeus: 174, 287 Aigisthos: 218 Aischylos: 242 Aisopos: 65 Aithalides: 248, 251 f. Akastos: 214 Akrisios: 149 f., 152, 155, 185 Akropolis: 115 f.
Alarich: 57, 281 Alba Longa: 112, 208 Albaner Berge: 137 Albinus, Publilius Caeionius Caecina: 296–298, 306 Alexander (Paris): 160, 198, 219, 221 Alexander der Große: 81 Alexandreia: 30, 32, 40, 45, 54 f., 84, 109 f., 123 f., 126–128, 142, 152, 186, 193, 214, 226, 234, 249 f., 258, 268, 301 f. Alkestis: 213 f., 222 f. Alkibiades: 213123 Alkmaion: 243 Alkmene: 138, 141 Alkyone: 160 Alpen: 289 Altinum: 52, 156, 185, 190, 220 Amazonen: 47, 253–256, 293, 302, 317 Ambrosius von Mailand: 47, 54, 110 f., 129, 13052, 15865, 194, 257, 267, 270, 278 Amida: 319 Ammianus Marcellinus: 319–321 Amos: 66, 70, 73 Amphiaraos: 217 f., 319 Amphidamas: 294344 Amphiktione: 207 Amphilochios von Ikonion: 54 Amphion: 30, 160 Amulius: 66, 79, 112, 208 Anastasius I.: 273 Anaxagoras (König v. Argos): 15973 Anaxagoras von Klazomenai: 156–159, 185 Anaxilides: 207 Anchises: 33, 279 Andromache: 217 Andromeda: 103–108, 118 f., 134, 307, 310 Anna: 209110, 212, 309 Annia: 213124 Anthemoessa: 265 Antin, Paul: 15, 260 Antiocheia: 13, 41, 53 f., 58, 103, 123, 231, 256, 307, 319 Antiochos IV. Epiphanes: 81 f.
376 Antoninus Pius: 24160 Antonius Eremita: 53, 58, 72, 122–129, 142, 279 Anubis: 277248 Aphrodite → Venus Apollinaris von Laodikeia: 54, 82, 169104 Apollodoros: 23 f., 26, 67, 178, 270, 295 Apollon: 32 f., 45, 76, 126, 133, 160 f., 176, 200, 203 f., 207, 213, 242, 248 f.105, 265, 271219, 31014, 320 Apollonios von Rhodos: 252 Apollonios von Tyana: 125 Aquila: 59, 842 Aquileia: 48, 52–54, 58, 156, 262 Arabien: 294 Arachne: 133 Araxes: 196 Arcadius: 17 Ares → Mars Ares (Insel): 294 Argo: 146, 184, 191, 266 Argolis: 267, 293 f. Argonauten: 148, 157, 201, 248, 256, 265, 294 Argos: 149 f., 15973, 248 Argos Panoptes: 13, 178 f., 184, 187, 224 f., 230, 317 Ariadne: 175–177, 187 Aricia: 137 Arimaspen: 181–183 Arimathäa: 107 Arion: 30 Arion (Pferd): 26 Arisbe: 160 Aristaeus: 247 Aristander: 207 Aristeas von Prokonnesos: 181, 183 Aristeides: 35 Aristeides von Athen: 31 Aristoklides: 20592 Aristomenes: 20592 Arius: 21 Arkadien: 126, 133, 178, 293, 295 Arktur: 85 Arkturos: 73, 308 Armenien: 196 Arnobius: 42, 197 Artemis → Diana Artemisia: 213123 Asien: 218, 244, 289319 Askanios: 300366 Asklepios → Äskulap
Register Äskulap: 33, 41 f., 73 f., 76, 135–137, 143 f., 210 Assyrer: 72, 75, 103, 175 Asterios: 174 Astraios: 88 Atalante: 200–202, 222 Athanasios: 53, 58, 122, 129, 142 Athen: 26, 31, 68, 79, 103, 144, 170, 174, 196, 200, 202, 242, 246, 287 Athenagoras: 39 Athenagoras von Athen: 31 Athene → Minerva Äthiopien: 104 f.13, 125 Athtar → Ištar Ätna: 239, 271 Atreus: 218 Atticus: 180, 247, 255, 302 Attika: 78 Attis: 41, 6931 Augeias: 293 Augustinus: 29, 34, 36, 40, 44, 48, 51, 55, 58, 101, 180, 206, 226, 235, 277, 290, 32163 Augustus: 13, 24, 27, 112, 114, 315 Aulis: 203, 223 Aurelianus: 319 Aurora: 89 Aventin: 55, 112, 236 Baal: 66, 72 Babylon: 81, 87, 89–92, 110–112, 116, 13156, 164, 166 f., 295 Bardesanes: 13156 Barnabas: 71 Basileios von Kaisareia: 44, 95 Basilides: 248–251, 301 Beda Venerabilis: 322 Behemot: 292 f. Belgica Prima: 52 Bellerophon: 30, 254, 275 Beltschazar: 81 Belus: 66, 72, 209 Benjamin: 79 Benjaminiter: 79 Berytos: 107 Bethlehem: 13 f., 55–59, 62, 103, 106 f., 109, 113–11771, 119, 129, 149, 153 f., 156, 166, 173, 193, 206, 256, 258 f., 262 f., 270, 280, 291, 300, 308 Bharhut: 289319 Bibulus, M.: 213124 Bickel, Ernst: 200, 213 Bilia: 213124 Blesilla: 55, 178, 194, 299
Orte, Personen und mythische Figuren Blumenberg, Hans: 25, 316 Boethius: 48 Boiotien: 205 Bosporos: 146, 148, 160, 184 Brennus: 281 Britannien: 179, 289, 290 Brutus, L.: 219155 Brutus, M.: 213124, 219155, 251 Buddha: 129–131, 143, 207 Burkert, Walter: 25–27, 197 Cacus: 36, 68, 292–294, 305 Caecilianus: 235 Caecilius Statius: 268 Caelestius: 180 Cain, Andrew: 51 Calagurra: 290 Calaris: 58, 8712, 231 Caligula: 2337 Camilla: 68, 200, 202 Caracalla: 77 Carterius: 162 Castor → Dioskuren Catamitus: 22714 Cato Censorius: 21640, 254 Cato Uticensis: 213124, 274–276 Cavallera, Ferdinand: 51 Ceres: 42, 71, 229 f. Charybdis: 46, 50, 183167, 190–193, 220, 277, 280, 284, 304, 312, 318 Chersones: 160 Chimäre: 68, 165 f., 274–276, 282, 292, 294, 304, 314, 318 Chioniten: 319 Chiron: 76 Christus → Jesus Chryseis: 200, 204 Chryses: 204 Chrysippos: 33, 163, 219154 Chrysothemis: 218 Cicero: 14, 24, 3784, 39 f., 42, 58, 60–63, 141 f.115, 148, 156, 158 f., 161–163, 185 f., 216140, 237, 246, 251, 268, 284, 299, 310, 312, 315 Claudia Quinta: 20589 Claudiae: 219155 Claudianus: 49, 60, 226 f., 230, 3098, 31839 Claudius: 115 Claudius Gothicus: 319 Clemens v. Alexandreia: 30, 32, 41 f., 45, 47, 75, 214, 221, 249, 250 Constantinus Gallus: 319 Constantius II.: 10942, 123
377
Cornelia : 219155 Cornelius Nepos: 67 Courcelle, Pierre: 134 Cremona: 145, 148, 184 Critobulus: 180, 247, 255 Cumae: 176, 200, 203 Cyprianus von Karthago: 234 f. Daidalos: 36, 174–176 Dalmatia: 13, 51 Damasus: 14, 53–55, 60, 62 f., 78, 110 f., 114, 162, 2311 Danae: 32, 73, 104, 133, 148–155, 184 f., 198, 312, 317, 319 Daniel: 80–83, 164–168, 170, 23734 Daphne: 45, 47, 132 f. Dardanos: 233, 319 Darius: 81 David: 30, 140, 31839 Decius: 127 Delos: 249 Delphi: 149, 202 f., 206, 217, 293 Demetrias: 179149, 273 f., 277, 280 f., 288, 290, 304 Deukalion: 29, 76, 231 f., 234, 236, 247, 256, 301 f., 321 Dexamenos: 126 Diadochen: 81 Diana: 18, 20, 72, 137, 160 f., 176, 202 f., 205, 213, 218, 293, 319 Dido: 66, 208–212, 223, 261, 309–311 Didyma: 248 Didymos der Blinde: 55, 109, 114, 116, 193 Dikaiarchos: 171 f. Diodoros: 42112, 207, 295 Diogenes Laertios: 157, 207, 248 f.105, 253 Diokletian: 235 Diomedes: 33, 293 Dionysios von Halikarnassos: 27 Dionysos → Liber Diorphos: 196 f., 220 f., 315 Dioskoros von Aphrodito: 49147 Dioskuren: 18, 33, 76 Diospolis: 10734, 180 Disney, Walt: 142117 Domitian: 77 Domnio: 129 Donatus von Karthago: 235 Donatus, Aelius: 52, 80, 140, 20268 Dracontius: 147, 30, 36, 49 Duilius: 213123 Dunphy, Walter: 280 Echidna: 16699, 178, 267, 275, 282, 294
378 Edom: 95 Eeriboia: 157 Eidothea: 246 Elagabal: 319 Elektra: 218 Eleutheropolis: 258 Elias: 263 Elija: 170 Elisa: 153 Elysium: 283 Emmaus: 107 Emona (Ljubljana): 52 Endymion: 33 Enkelados: 225 f., 271 f. Ennius: 42, 158, 243, 268 Eos: 88 f. Epaphos: 88 Ephoros: 67 Ephyra: 287 Epikur: 219154, 245–247, 301 Epiphanios v. Salamis: 43, 54, 56, 113, 145, 148–153, 156, 184, 249, 257–259, 302 Erasmus von Rotterdam: 14 Eratosthenes: 8826 Erechtheus: 26, 219, 31952 Erichthonios: 2632, 68, 195–197, 220 f., 31952 Eridanos: 89, 133 Erinys → Furien Eriphyle: 217 f. Eris: 252 Eros: 3892, 133 Erymanthischer Eber: 292 f. Erymanthos: 293 Erytheia: 141, 293 Erythraea: 200, 203 Esau: 117 f. Eubule: 202 Eudokia: 48 Euhemeros von Messene: 23, 41 f. Eumeniden → Furien Euphorbos: 248–253, 301 f. Eupolemos: 37 Euripides: 158–160, 216 f., 247 Europa: 32, 73, 76, 133, 151 Europa (geogr.): 218, 244 Eurydike: 48, 265 Eurynome: 239 Eurystheus: 139, 293 Eurytion: 126 Eusebios von Kaisareia: 38, 42, 47, 54, 58, 67 f.25, 74–78, 82, 99, 102, 137, 175, 214, 233, 271
Register Eusebios von Nikomedeia: 140 Eusebius (Hieronymusʼ Vater): 52 Eusebius v. Cremona: 145, 148 f., 152 f., 184 Eustochium: 55, 57, 61–63, 107, 110, 114– 116, 173, 194, 238, 261 f., 264, 267, 270, 277, 299 f., 303 Euxippe: 206 Eva: 264 Evagrius: 53 Ezechiel: 73, 96 f., 142, 173–175, 177, 187, 224 f., 230, 270–273, 285, 304 f. Fabiola: 19327, 259, 303 Faun → Satyr Faustulus: 112 Feichtinger, Barbara: 51 Firmicus Maternus: 32 f. Firmus: 235 Florus, P. Annius: 210 Fortuna: 9884, 219155 Freud, Sigmund: 25 Fuhrmann, Manfred: 15, 25, 44, 125, 127 Fulgentius: 39, 43 Furia: 177–179, 187, 225 Furien: 96, 237, 242 f. Fürst, Alfons: 51 Gad: 9884 Galatien: 103 Galerius: 13 Galiläa: 138 Gallien: 52 f., 56, 117, 182, 212, 264, 290– 292, 295, 305 Ganges: 182 f. Ganymedes: 32, 3469, 43, 151, 227–230, 316 Gaudentius: 155, 185, 198, 221 Ge: 40, 45, 68, 91, 131, 133, 191, 196, 220 Geffcken, Johannes: 34 Gehasi: 153, 184 Gelasius I.: 113 gens Furia: 52 gens Maecia: 107 Geruchia: 211 f., 310 Geryon: 292–294 Geryones: 141 Giganten: 46, 50, 70, 83 f., 90 f., 93, 100 f., 136, 196 f., 220, 226 f., 230, 271 f., 304, 308 f., 319 f. Gilgamesch: 233 Glauke: 287 Glaukos: 191 Goldenes Zeitalter: 35 f., 168–172, 186 f., 310 Goliath: 140
Orte, Personen und mythische Figuren Gorgias: 216140 Gorgo: 104 Gorgunte: 219155 Goten: 57, 177, 179, 270 f., 277, 281 Gracchi: 107, 219155, 299 f. Graf, Fritz: 25, 27, 44, 253 Gratian: 54 Grazien: 239 Gregor der Große: 189 Gregor von Nazianz: 54, 74, 78 Gregor von Nyssa: 54, 113 Greif: 179–183, 188, 274 Großmutter des Hieronymus: 52 Grützmacher, Georg: 51 Gyges: 217144 Hades → Pluto Hadrian: 31 Haehling, Raban von: 320 Hagendahl, Harald: 137, 222 Hammond Bammel, Caroline P.: 273 Harmonia: 131 Harpalyke: 200–202, 219, 222 Harpalykos: 201 Harrison, Jane: 24 Hartmann, Andreas: 109 Hasdrubal, Frau des: 209–211 Hekabe: 160–162, 185, 188, 204 Hekataios von Milet: 37, 15134 Hektor: 157, 160, 217, 248 Helena: 133, 198, 217, 219, 221, 247, 312 Helena (Mutter Konstantins): 113 Heliaden: 8929, 132 f. Helikon: 70, 138 Heliodorus von Altinum: 52, 156, 158 f., 161 f., 185, 190, 192 f., 220 Helios: 33, 88–99, 141, 174 Helladius: 231 Helm, Rudolf: 77 Helvidius: 129 Henoch: 90 Heosphoros → Lucifer Hephaistos: 33, 68, 131, 138, 196, 218, 236, 239–241, 243 f., 302 Hera → Juno Heraclianus: 280–285, 290, 304 Herakleides Pontikos: 248, 253 Herakles → Hercules Hercules: 18, 26, 32 f., 36, 42, 47, 71, 76, 10624, 126, 138 f., 141–143, 157, 178, 191, 209, 213, 229 f., 254, 256, 265, 267, 270–274, 282, 290, 293–296, 304 f., 311, 319
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Hermes → Mercur Hermione: 216 f. Hermotimos v. Klazomenai: 248, 251 Herodoros von Herakleia: 139 Herodot: 23, 181 f. Herse: 196 Hesiod: 23, 26, 35, 37, 76, 88 f., 102, 169, 172, 252, 265 Hesione: 10624, 157 Hesperiden: 293, 295 Hethiter: 26, 197 Heyne, Christian Gottlob: 24 Hilarius (Diakon): 232–234, 236, 301 Hilarius von Poitiers: 268 f. Hippo (Tochter des Skedasos): 206 Hippo Regius: 206 Hippolyte: 293 Hippolytos → Virbius Hippolytus von Rom: 46 f., 249, 257 Hippomenes: 201 Hiram: 103 Hiskia: 80 Homer: 13, 23, 26 f., 31, 35, 37, 45, 67, 76, 88, 92, 191, 213–215, 240, 248, 252, 257, 265, 275 f., 278, 282, 286–288, 302, 315 Honorius: 17, 180, 226, 235, 281, 283 Horaz: 60, 63, 150 f., 254, 282, 315 Hosea: 66, 272 Hurriter: 26, 197 Hyaden: 85 Hyakinthos: 32 f. Hydra: 19, 46 f., 50, 68 f., 165 f., 267–277, 282–286, 288 f., 292–294, 303–306, 314, 318 Hyginus: 23, 89, 161, 201, 204, 219, 221, 294, 315 Hylaios: 201 Hylas: 32 Iarbas: 208 f., 310 Iason: 10624, 201, 286 Iasos: 201 Ibis: 95 Ijob: 225, 292, 295 Ikarios: 214 Ikaros: 48 Ilia: 68, 112, 208, 222 Illyrien: 13, 278 Ilos: 287 Inachos: 75 Incubus → Satyr
380 Indien: 130–132, 181–183, 188, 192, 206, 289319 Inkubus: 72 Innocentius I.: 273 Io: 76, 178, 179 Iolaos: 214, 267, 273 Iolkos: 213 f. Iosephus: 60, 75, 105, 108 f.40, 118, 315 Iovinianus: 20, 56, 58, 67 f., 72, 116, 129 f., 142, 146–148, 171 f., 186, 190, 195, 197, 199 f., 203, 206, 208, 212, 216, 219–222, 244–251, 253–255, 301 f., 307, 309, 312 f. Iphigenie: 200, 202 f., 218, 223, 315 Irenaeus von Lyon: 169104, 249 Isaak: 118 Isidor von Sevilla: 40, 244, 322 Israel: 62, 76, 84, 87, 96, 118, 169 f., 194, 259, 303 Ištar: 9037, 97 Italien: 33, 53, 56, 80, 156, 192, 200, 202, 209, 253, 281, 283, 291, 294, 307 Ithaka: 214 Itys: 219 Iuliana, Anicia: 277 Iulus: 299, 300366 Iustinus Martyr: 29 Iustus von Tiberias: 75 Ixion: 126 Jafo: 103–109, 118 f., 134, 307 Jagd: 41 Jakob: 117 f. Jauß, Hans Robert: 318 Jeanjean, Benoît: 78 Jeremia: 57, 87, 110 f., 288 f., 290, 305 Jerusalem: 53, 55 f., 58, 80 f., 87, 95, 103, 107, 110–112, 149 f., 154, 179 f., 184, 245 f.91, 258 f., 291, 303; himmlisches: 111 f., 170 Jesaja: 28, 36, 5968, 66, 72–74, 78–80, 87, 90 f.37, 95, 126 f., 135–137, 143, 147 f., 168–173, 186, 226, 246, 270, 289, 292, 295, 3086 Jesus: 30, 32, 37 f., 43, 46, 48 f., 62, 71, 81, 86 f.12, 93, 98, 100, 103, 106, 110, 112– 114, 123 f., 127–129, 131 f., 137 f., 140–143, 153, 168, 173, 176, 178, 181 f., 195, 207, 220, 223, 226, 229 f., 233–235, 245, 261, 272, 277–280, 292, 296–298 Johannes Chrysostomos: 274, 278 Johannes der Apostel: 245
Register Johannes der Evangelist: 136, 171 Johannes von Damaskus: 34 Johannes von Jerusalem: 56, 58, 149 f., 180, 184, 258 f., 303 Jona: 73, 101, 103–108, 118 f., 132, 134 f., 143 f., 150, 227, 230 Josef (AT): 30 Joseph von Arimathäa: 107 Josua: 261, 303 Judäa: 66, 81, 110, 245, 316 Judas: 153 f., 184 Julian Apostata: 102, 128, 138–143, 272, 297, 319 Jung, C.G.: 25 Juno: 33, 39 f., 126, 131, 178 f., 198, 200, 204, 212122, 224 f., 230, 239, 248 f., 267 Jupiter: 18 f., 31–3465, 69, 38 f., 43, 45, 48, 71, 73, 76, 89 f., 97, 104, 106, 124, 126, 130–133, 138, 143, 149–152, 155–157, 161, 169, 178 f., 184, 191, 197, 201, 213, 220, 225, 227–230, 232, 239, 247, 271, 282 f., 296–298, 301, 306, 31014, 316 f., 319 Justin der Märtyrer: 37, 41 Justinian: 49 Juvenal: 243 Kabesos: 204 Kadmos: 131 Kafka, Franz: 61 Kaisareia (Caesarea Maritima): 42, 54, 58, 67, 74, 82 Kaisareia (Kapadokien): 44 Kaisareia Philippi: 229 Kalchas: 203 Kallatis: 157 Kalliope: 265 Kalydonischer Eber: 200 f. Kanaan: 96 Kandaules: 213123 Kapitol: 67, 115 f.84, 298 Karpathos: 247 Karthago: 49, 180, 208–212122, 234 f., 261, 281, 284291 Kassandra: 200, 204, 219 Kassiopeia: 104, 106 Katamitus: 33 Katharina, Hl.: 11371 Kekrops: 68, 7568, 78 Kelly, John N.D.: 51 Kelsos: 30, 138, 272 Kentaur: 69 f., 94, 122, 125–127, 142, 165 f., 181, 193–195, 201, 220, 275 f.,
Orte, Personen und mythische Figuren 292, 295, 305, 312, 317; Eselskentaur: 66, 94, 95, 126 f. 30 Kentauros: 126 Kephalos: 89 Kepheus: 104 Kerberos: 39, 68, 139, 276 f., 280, 282–284, 288–290, 292–294, 304, 306, 314 Kerényi, Karl: 24 Kerynitische Hirschkuh: 293 Keÿx: 160 Kilikien: 275239 Kinaithon von Lakedaimon: 214 Kirk, Geoffrey: 27 Kirke: 45–47, 92, 191, 214, 287, 305 Kition: 245 f. Klearchos: 207 Kleinasien: 53, 57, 71, 234, 254 Kleitomachos: 278 f.259 Kleobule: 219155 Kleopas: 107 Klymenos: 219 Klytaimnestra: 203 f., 217–219 Kodros: 68 Kokytos: 9987 Konstantin: 13 f., 48 f., 7564, 77, 82, 113, 117, 137, 238 Konstantinopel: 13, 54 f., 74, 283 Korinth: 287 Koroibos: 204 Krates von Pergamon: 94 Kreon: 219, 287 Kreta: 133, 173 f., 176 f., 293 Kreusa: 219 Kronos → Saturn Krumeich, Christa: 300 Kumarbi: 26, 197 Kybele: 197, 286 Kykladen: 150 Kyklops: 46, 319 Kyknos: 160 Kylanthos: 202 Kyros II.: 81 Labyrinth: 173–177, 187, 218 Lactantius: 35 f., 38, 40, 42, 151, 169104, 203, 206, 221 Laertes: 214 Laeta: 296, 298 Lamia: 94–96 Lançon, Betrand: 78 Laodameia: 70, 213–215 Laodikeia: 54, 82, 169104, 319 Laomedon: 228
381
Lapithen: 66, 126, 194 f., 220, 317 Larven: 243 Latium: 66 f., 79, 202 Leda: 32, 73, 133, 218 Lemnos: 125, 239 Leos: 200, 202 Leosthenes: 20592 Leptis: 217144 Lerna: 69, 267 f., 270, 273 f., 288, 293, 304 Lethe: 251 f. Leto: 160, 185 Letsch-Brunner, Silvia: 24267 Leuktra: 205, 310 Leviatan: 225–227, 230, 292 f. Lévi-Strauss, Claude: 25 Liber: 33, 42, 48, 71, 76, 78, 124, 130–132, 143, 197, 229, 230 Libyen: 193, 208, 209 Licinius: 13 Lilith: 96 Linos: 76 Liparische Inseln: 23950 Livius: 27, 320 Lod → Diospolis Lokris: 20698 Lot: 163, 185 Lucifer: 86–91, 99 f., 308 Lucifer von Calaris: 58, 87, 231 f. Lucretia: 206, 213124, 216141, 219155 Lucretius: 24, 60, 246, 275 f. Lukas: 87 Lukianos: 240 Luna: 33 Lupercal: 112, 114, 119 Lydda → Diospolis Lydien: 160 Lykien: 275, 294 Lykurg (myth.): 33 Lyon: 169104 Lystra: 71 Macrobius: 297 Magna Graecia: 251 Magnesia (Thessalien): 126 Magnus, Flavius: 62 f., 138, 140–143115 Makkabäer: 92 Manien: 243 Maranga: 140 Marcella: 55–57, 11261, 115 f., 213124 (?), 236 f.34, 241, 263, 270, 272, 280, 301 Marcia: 213124 Maria: 58, 110, 113 f., 204, 208 Marius Mercator: 290
382 Markion: 47 Markus: 195 Maronia: 53, 190 Mars: 33, 68, 112, 196 f., 208, 219 Martialis: 163 Matthäus: 71, 230 Mauretanien: 235 Maximinus Thrax: 319 Maya: 131 Medeia: 219, 286 f. Meder: 75, 81, 228 Medos: 287 Medusa: 104 Meer, Rotes: 182 Meer, Schwarzes: 160, 293 Melania die Ältere: 153 Melanion: 201 Menelaos: 157, 163, 198, 202 f., 217, 219, 221, 246–249105, 252 Mercur: 71, 76, 9987, 139, 179, 214, 228, 232, 248 f.107, 252, 287 Mesopotamien: 96 f. Messene: 23, 41, 20592 Messina: 103, 191 f., 220, 271, 284291 Metabus: 202 Metella: 216140 Methodios von Olympos: 82 Metis: 131 Micha: 93, 257, 267 f., 270, 303 Midas: 12519 Milet: 37, 20698 Miletia: 206 Miller, Patricia Cox: 124, 127 Minerva: 42, 48, 72, 130–133, 143, 146, 148, 157, 176 f., 184, 196, 198, 205, 220, 226, 271, 31014, 319 Minos: 174 f., 218, 293 Minotauros: 174–176, 187, 218 Minucius Felix: 13, 21, 35 Minutia: 20589 Mithras: 69, 182164, 195–197, 220 f., 297, 315 Mittelmeer: 97, 102, 272, 283 f., 293, 305 Moiren → Parzen Mose: 37 f., 42, 75 f., 78, 101, 194, 227, 233, 259 Mucia Tertia: 216140 Musaios: 76 Musen: 35, 70, 265 Mykene: 198, 218 Naaman: 153 Naevius: 160
Register Narbonne: 117 Naucellius: 320 Nazareth: 138, 140 Nebukadnezar: 81, 164–168100, 186 Nemea: 138, 293 Nemeischer Löwe: 292–294 Nemesis: 133 Neoptolemos: 201, 217 Nepotianus: 156, 158 f., 185, 190 Neptun: 33, 47, 104, 137, 174, 191, 246, 282 Nero: 37, 274–276 Nestor: 320 Niceratus: 213123 Nikaia: 2311 Nikanor: 20698 Nikopolis (Emmaus): 107 Ninive: 103, 106 Nino: 78 Niobe: 160–163, 185, 188 No: 103 Noah: 29, 233, 321 Nob: 107 Nola: 257, 278 f., 290 f. Nonnos: 49, 89 Numenios von Apameia: 37 Numidien: 235, 297 Numitor: 66, 112, 208 Nymphe: 104, 124, 133, 246, 293 Nyx: 133 Obot: 259 f., 303 Oceanus: 55, 162, 164, 259 Odysseus: 15 f., 44–47, 50, 92, 100, 157, 160, 191, 214, 223, 256 f., 260, 285– 289, 302, 305, 308, 315 Oehl, Benedikt: 15 Ogyges: 233 Oiagros: 265 Oidipus: 25 Okeanos: 239 Ölberg: 153 Olymp: 71, 90 f., 150, 226, 230, 297, 304 Olympos (Lykien): 82, 275239 Onasus: 236–238, 240 f., 244, 301 f. Onesimos: 240 Opelt, Ilona: 147, 276 Orcus → Pluto Orestes: 48, 217 f., 243, 319 Origenes: 2132, 30, 38, 54–59, 11158, 148 f., 152, 154, 166 f., 185 f., 191, 207, 221, 233, 249–252, 257–259, 262, 268–270, 273 f., 278, 290 f., 303 Orion: 73, 85, 272, 308
Orte, Personen und mythische Figuren Orosius: 180, 226, 290 Orpheus: 30, 48 f., 76, 187176, 202, 265 f., 282, 303 Orthodoxus: 231–233 Ostia: 55 Öta: 33 Othryoneus: 204 Otto, August: 266 Otto, Walter F.: 24 Ovid: 24, 27, 59 f., 62, 88–90, 105, 132– 135, 151, 169–171, 186, 201, 221, 232, 249, 284, 287 f., 315 Pachomios: 117 Paion: 136 f. Palästina: 55, 57, 104, 109, 118, 258, 291 Palatin: 112 Pammachius: 52, 55–57, 129 f., 149, 153, 178, 261, 270, 272, 280 Pandrosos: 196 Pannonia: 51, 244 Panthea: 213123 Paradies: 170, 186, 263 f. Paris → Alexander Parmenianus: 235 Parnassos: 232 Parther: 138 Parzen: 213, 242 f. Pasiphae: 174, 176, 217 f. Patroklos: 157, 248, 319 Paul, Jean: 31424 Paula die Ältere: 55, 57, 61, 79, 103, 106– 110, 113–116, 118, 154, 178, 194, 255, 261, 263, 267 f., 291, 296, 298, 300, 306 Paula die Jüngere: 296, 298 Paulinianus: 52, 110, 114, 258 f., 302 Paulinus von Antiocheia: 54 Paulinus von Nola: 257, 278 f., 290 Paulus: 28, 32, 71, 140, 162, 164, 194 f., 211, 215 f., 220 Paulus von Theben: 15, 54, 58, 61, 69, 72, 122, 127–129, 135, 142, 144, 181, 279, 311 Pausanias: 26, 197, 294 Pegasos: 275 Pelagius: 56 f., 179 f., 187, 274, 277, 280, 286, 290, 304 f. Pelias: 213 Peloponnes: 295 Pelops: 33, 204, 219 Peloron: 191 Peneios: 133 Penelope: 213 f., 223, 287310
383
Periboia: 157 Perikles: 157 f. Periktione: 207 Perseis: 174 Persephone: 26, 32, 213, 282 Perseus: 26, 103–106, 108, 118, 133, 150, 155, 319 Persien: 6931, 13157, 157, 195, 228 Persius: 60 Petrarca: 322 Phaethon: 88–90, 99, 132 f., 160, 2337, 243 Phaidra: 136, 219 Pharisäer: 110 f. Pharos: 246 Pherai: 213 Pherekrates: 170 Phidon: 20592 Philemon: 240 Philipp II.: 216140 Philippi: 276 Philostorgios: 82 Philostratos: 125 Pholoe: 295 Pholos: 126 Phönikien: 57, 66, 72, 97, 105 f., 10840, 209, 223, 310 Phosphoros: 86 Phrygien: 6931, 197, 204 Phthia: 217 Phylake: 214 Piso: 163 Platon: 21, 239, 35, 37 f.92, 206–208, 219154, 248, 251–253 Plautus: 163, 268 Pleisthenes: 219 Plejaden: 85 Plinius der Ältere: 105 f.19, 243 Plinius der Jüngere: 60, 10519 Plutarch: 24, 26 f., 45, 196 f., 206, 217, 219154, 221 Pluto: 139, 170, 214, 267, 280, 282–284, 289 f., 304 f. Pollux → Dioskuren Polydektes: 150 Polydoros: 160 Polymestor: 160 Polyneikes: 218 Polyxena: 160 Pompeius Magnus: 216140 Pomponius Mela: 106 Pontos: 146 f. Porcia: 213124, 219155
384 Porcia minor: 213124 Porphyrion: 271 f. Porphyrios: 60, 75, 80–83, 131, 138, 172, 187, 20057, 216 f.139, 143, 221, 249, 251, 253, 271, 310, 315 Poseidon → Neptun Praxithea: 202, 223 Priamos: 160, 198, 204, 219 Priscus Attalus: 281 Proba, Anicia Faltonia: 274, 277 f., 280 f. Proba, Faltonia Betitia: 278 f. Probinus, Flavius Anicius: 22611 Probus, Sex. Anicius Petronius: 178 Probus, Sex. Claudius Petronius: 178140, 22611, 278 Procas Silvius: 66 Proculus: 30 Prodikos von Keos: 41 Prokne: 16799, 219 Prometheus: 24, 131, 232, 320 Protesilaos: 213 f. Proteus: 66, 163, 244–247, 301 Prudentius: 32, 47 f., 139 Ptolemaios II. Philadelphos: 84, 94 Pygmäen: 9987 Pygmalion: 208 f. Pylades: 48 Pylos: 320 Pyrenäen: 290 Pyrrha: 232 Pyrrhos (Fischer): 249, 251 Pythagoras: 21, 207, 219154, 248–253, 265, 301 Pythagoras (Geograph): 94 Pythia: 150, 202 f. Quintilianus: 60, 163, 241 Rabanus Maurus: 322 Rahner, Hugo: 46, 257 Ravenna: 281, 284 Rebekka: 117 f. Rebenich, Stefan: 51 Remus: 67 f., 112 f., 117 f., 208, 223 Rhea → Kybele Rhea Silvia → Ilia Rhodogune: 213123 Rhodos: 252 Rhoikos: 201 Rogatus: 299 Rom: 13 f., 21, 47, 52–58, 62 f., 66–68, 79 f., 103, 106 f., 109–117, 119, 129 f., 132, 138, 140, 143, 149, 154 f., 162, 164, 173, 177–180, 194, 208, 217, 222,
Register 231 f.1, 234, 236, 241, 249, 255, 257, 259, 263, 269 f., 272 f., 277, 280 f., 283, 297 f., 300, 304, 307 Romulus: 27, 30, 66 f., 75, 79, f., 110, 112– 115, 117–119, 182, 208, 223, 310 Romulushütte: 112, 114, 119 Rufinus von Aquileia: 19 f., 48, 52, 56, 58, 62 f.89, 10944, 142115, 145, 149, 152– 154, 176 f., 184, 23734, 251, 271–276, 278, 286, 290, 304 f. Rusticus: 117, 182, 188, 192 f., 220, 274, 304 Rut: 261 Sabiner: 67, 115 f. Sabinus: 283, 285 Saint-Martory: 290 Salamis (Insel): 157, 185 Salamis (Zypern): 43, 54–56, 148, 150, 249, 257, 302 Salomon: 31839 Samanäer: 131 Samuel: 259 Sangarios (Sakarya): 160 Sardinien: 87 Sarpedon: 33 Sāsāniden: 228 Satan: 87 f. Saturn: 26, 33, 35 f., 38–40, 43, 71, 131, 168–172, 186, 229 f., 278, 297, 310 Satyr: 32, 72, 10942, 123–127, 142, 178, 181, 307 Satyros aus Kallatis: 157 Saul: 259 Scaurus, M. Aemilius: 106 Schade, Ludwig: 155, 182164 Schenute von Atripe: 3472 Schilo: 79 Schoineus: 219 Schwester des Hieronymus: 52 Scipio Africanus der Jüngere: 209 f. Scipiones: 107, 299 f. Sebesius: 142115 Segesta: 236, 238, 301 Semele: 131 Semiramis: 75, 78 Seneca: 60, 141, 200, 213 f., 216139, 218 f., 221, 251, 315 Serapeion: 124 Seriphos: 150 Servius: 202 Sibylla: 200, 203 f. Sidon: 133 Sidonius Apollinaris: 49
Orte, Personen und mythische Figuren Silen: 12519 Simon Petrus: 71, 229 Simson: 47, 65, 78 Sinon: 319 Sipylos: 160 Sirenen: 13, 15 f., 44–47, 50, 72, 84, 91–95, 100 f., 256–266, 272 f.232, 287–289, 292, 295, 302 f., 305, 308–31014, 314 f., 317, 321 Siricius: 55, 111, 129 f.52, 162, 194, 23738, 270, 273 Sisyphos: 13, 283 Sizilien: 191 f., 226, 239, 253, 271, 284, 288, 304 Skedasos: 205 f., 223, 310, 316 Skylla: 46, 165–167, 183167, 190–193, 220, 272 f.232, 275–277, 280, 284–290, 304 f., 309 f.14, 312, 314, 318 Skythien: 181 Sodom: 163, 185 Sokrates: 180, 216140, 251, 290 Solon: 35 Spanien: 103, 141 Sparta: 33, 133, 198, 205 f.92, 214, 217–219, 246 Speusippos: 207 Spurius Tarpeius: 115 Stephanus von Rom: 234 Stesichoros: 26 Stilbe: 126 Stilicho: 280, 283286 Strato: 213123 Stridon: 51 f.4, 278 Stymphalische Vögel: 292–294 Stymphalos: 293 Sueton: 37, 58 Sulla: 216140 Susanna: 65, 307 Süß, Wilhelm: 271 Sychaeus: 209, 212, 223 Symmachus (Bibelübers.): 59, 96 Symmachus, Q. Aurelius: 177, 297, 320 f. Symplegaden: 146–148, 184 Synesios: 257 Syrien: 53, 280 Tammus: 96–98, 11371 Tanaquilla: 219155 Tantalos: 43, 160, 218 f., 283 Tarpeia: 67, 116, 119 Tarpejischer Felsen: 115 f., 119 Tarquinius Superbus: 203, 219155 Tarsus: 319
385
Tartaros: 280, 283 Tartessos: 103 Tatianos: 45, 47, 75 Tauris: 18, 20, 203, 20589 Tegea: 201 Tel Aviv: 104 Telamon: 156–159, 185 Teledamos: 204 Telegonos: 214, 223, 287309 Telemachos: 287 Terebinthos: 13157 Terentius: 52, 60, 140, 221, 268 Tereus: 219 Tertullianus: 30–32, 38, 47, 60, 10519, 147, 169104, 196, 204, 210–212122, 214, 221, 234, 315 Teufel: 86 f., 90, 99 f., 123, 128 f., 165 f., 168100, 186, 191–193, 220, 225, 308 Teukros: 157 Teuta: 213123 Theano (Pythagorasʼ Frau): 219155 Theano (Tochter des Skedasos): 206 Theben (Ägypten): 58, 122, 12413 Theben (Boiotien): 26, 131, 160, 20698, 218 Themis: 232 Theodoretos: 140 Theodosius I.: 13, 17, 48, 50, 54, 129, 235, 316 Theodotion: 59, 81, 277250 Theope: 202 Theophilos von Alexandreia: 257–259, 302 Theophilos von Antiocheia: 41 Theophrastos von Eresos: 216 Thermodon: 254 Thersites: 319 Theseus: 136 f., 158 f., 174 f., 187, 219, 254, 287 Thessalien: 126, 133, 217 Thetis: 239 Thrakien: 160, 200 f., 265, 293 Thukydides: 23 Thukydides (Kimons Schwiegersohn): 157 Thyestes: 218 f. Tiber: 112 Tigris: 140 Timokleia: 219155 Timotheus: 164 Tiryns: 293, 295 Titanen: 43, 70 Titanus: 43 Titus Tatius: 115 Toulouse: 290
386 Toxotius, Iulius: 296, 299 Trier: 53, 111 Triptolemos: 42 Troizen: 139 Troja: 33, 35, 38, 43, 75 f., 78, 157 f., 160, 185, 198, 202–204, 213 f., 217–219, 223, 228, 246–249, 252, 279, 299, 301, 315, 319 f. Tros: 43, 228 Turnus: 200, 202 Tyndareos: 133, 218 Typhon: 16699, 267, 275, 282, 294, 319 Tyros: 81, 87, 103, 209 Ullikummi: 197, 221 Uranos: 131 Usija: 66, 78 f. Utricolum: 281 Valens: 78 Valentinian I.: 52, 264, 320 Valentinian II.: 78 Valeria: 213124 Valerian: 127 Varro: 29, 200, 203, 209110 Venetia et Histria: 53 Venus: 33, 88 f., 96–98, 198, 201, 212, 239 f., 286, 31014
Register Venus (Planet): 86 Vergil: 24, 27, 52, 59 f., 62 f., 80, 105, 13363, 171, 174, 176 f., 187, 201–203, 209, 212, 221, 223, 239, 241, 243, 247, 251 f., 261, 268, 275, 278 f., 283–286, 292–294, 310, 315 Verres: 237, 284 f. Vesta: 18, 112, 115 Victoria: 320 Victorinus von Pettau: 169104 Victorinus, C. Marius: 528 Vigilantius: 20, 56, 58, 68, 71, 250 f., 264, 290–292, 295, 301, 305 Virbius: 47, 73 f., 136 f., 143, 219 Vulcan → Hephaistos Westgoten: 57 Williams, Megan H.: 51 Xanthos: 275 Xenophanes: 31 Xenophon: 158 Yanartaş bei Çıralı: 275239 Zeus → Jupiter Zosimos von Rom: 180 Zypern: 55, 148, 150, 209, 245 f., 257
hermes
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einzelschriften
Herausgegeben von Jan-Wilhelm Beck, Karl-Joachim Hölkeskamp und Martin Hose. Die Bände 1–8 sind in der Weidmannschen Verlagsbuchhandlung (Berlin) erschienen.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0064
73. Thomas Baier Werk und Wirkung Varros im Spiegel seiner Zeitgenossen von Cicero bis Ovid 1997. 208 S., kt. ISBN 978-3-515-07022-5 74. Sabine Föllinger Differenz und Gleichheit Das Geschlechterverhältnis in der Sicht griechischer Philosophen des 4. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. 1996. 341 S., kt. ISBN 978-3-515-07011-9 75. Markus Asper Onomata allotria Zur Genese, Struktur und Funktion poetologischer Metaphern bei Kallimachos 1997. 291 S., kt. ISBN 978-3-515-07023-2 76. Marianne Wifstrand Schiebe Vergil und die Tradition von den römischen Urkönigen 1997. 194 S., kt. ISBN 978-3-515-07019-5 77. David Jones Emjoinder and Argument in Ovid’s Remedia Amoris 1997. 119 S., kt. ISBN 978-3-515-07078-2 78. Johannes Engels Funerum sepulcrorumque magnificentia Begräbnis- und Grabluxusgesetze in der griechisch-römischen Welt mit einigen Ausblicken auf Einschränkungen des funeralen und sepulkralen Luxus im Mittelalter und in der Neuzeit 1998. 272 S., kt. ISBN 978-3-515-07236-6 79. Vivienne J. Gray The Framing of Socrates The Literary Interpretation of Xenophon’s Memorabilia 1998. VI, 202 S., kt. ISBN 978-3-515-07313-4 80. Christian Pietsch
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Die Argonautika des Apollonios von Rhodos Untersuchungen zum Problem der einheitlichen Konzeption des Inhalts 1999. 307 S., kt. ISBN 978-3-515-07464-3 Ilja Leonard Pfeijffer First Person Futures in Pindar 1999. 105 S., kt. ISBN 978-3-515-07564-0 Odysseus Tsagarakis Studies in Odyssey 11 2000. 144 S., kt. ISBN 978-3-515-07463-6 Oliver Hellmann Die Schlachtszenen der Ilias Das Bild des Dichters vom Kampf in der Heroenzeit 2000. 218 S., kt. ISBN 978-3-515-07774-3 Peter Kruschwitz Carmina Saturnia Epigraphica Einleitung, Text und Kommentar zu den saturnischen Versinschriften 2002. 246 S. mit 23 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07924-2 Markus Altmeyer Unzeitgemäßes Denken bei Sophokles 2001. 330 S., kt. ISBN 978-3-515-07963-1 Klaus Lange Euripides und Homer Untersuchungen zur Homernachwirkung in Elektra, Iphigenie im Taurerland, Helena, Orestes und Kyklops 2002. 302 S., kt. ISBN 978-3-515-07977-8 Douglas E. Gerber A commentary on Pindar Olympian 9 2002. 94 S., kt. ISBN 978-3-515-08092-7 Cornelius Motschmann Die Religionspolitik Marc Aurels 2002. 296 S., kt.
ISBN 978-3-515-08166-5 89. Marie-Odile Goulet-Cazé Les Kynika du stoïcisme 2003. 198 S., kt. ISBN 978-3-515-08256-3 90. Florian Hurka Textkritische Studien zu Valerius Flaccus 2003. 147 S. und 2 Farbtaf., kt. ISBN 978-3-515-08384-3 91. Gunnar Seelentag Taten und Tugenden Traians Herrschaftsdarstellung im Principat 2004. 556 S., kt. ISBN 978-3-515-08539-7 92. Oliver Overwien Die Sprüche des Kynikers Diogenes in der griechischen und arabischen Überlieferung 2005. 500 S., kt. ISBN 978-3-515-08655-4 93. Doris Meyer Inszeniertes Lesevergnügen Das inschriftliche Epigramm und seine Rezeption bei Kallimachos 2005. XI, 335 S., kt. ISBN 978-3-515-08660-8 94. Elena Pallantza Der Troische Krieg in der nachhomerischen Literatur bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. 2005. 349 S., kt. ISBN 978-3-515-08679-0 95. Marilena Amerise Il battesimo di Costantino il Grande Storia di una scomoda eredità 2005. 177 S., kt. ISBN 978-3-515-08721-6 96. Frank Bücher Verargumentierte Geschichte Exempla Romana im politischen Diskurs der späten römischen Republik 2006. 363 S., kt. ISBN 978-3-515-08870-1 97. Massimiliano Vitiello Il principe, il filosofo, il guerriero Lineamenti di pensiero politico nell’Italia ostrogota 2006. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-08875-6 98. Angela Kühr Als Kadmos nach Boiotien kam polis und ethnos im Spiegel thebanischer Gründungsmythen 2006. 377 S., kt.
ISBN 978-3-515-08984-5 99. Karin Haß Lucilius und der Beginn der Persönlichkeitsdichtung in Rom 2007. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-09021-6 100. Rainer Friedrich Formular Economy in Homer The Poetics of the Breaches 2007. 159 S., kt. ISBN 978-3-515-09065-0 101. Altay Coşkun Bürgerrechtsentzug oder Fremdenausweisung? Studien zu den Rechten von Latinern und weiteren Fremden sowie zum Bürgerrechtswechsel in der Römischen Republik (5. bis frühes 1. Jahrhundert v. Chr.) 2009. 236 S., kt. ISBN 978-3-515-09303-3 102. Nina Otto Enargeia Untersuchung zur Charakteristik alexandrinischer Dichtung 2009. 254 S. mit 2 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09335-4 103. Ferdinand Stürner Monologe bei Plautus Ein Beitrag zur Dramaturgie der hellenistisch-römischen Komödie 2011. 273 S., kt. ISBN 978-3-515-09850-2 104. Jochen Schultheiß Generationenbeziehungen in den Confessiones des Augustinus Theologie und literarische Form in der Spätantike 2011. 317 S., kt. ISBN 978-3-515-09721-5 105. Sabine Seelentag Der pseudovergilische Culex Text – Übersetzung – Kommentar 2011. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-09895-3 106. Pierluigi Leone Gatti Ovid in Antike und Mittelalter Geschichte der philologischen Rezeption 2014. 276 S. mit 9 Abb. und 15 Tafeln, kt. ISBN 978-3-515-10375-6 107. Raphael Schwitter Umbrosa lux Obscuritas in der lateinischen Epistolographie der Spätantike 2015. 350 S., kt. ISBN 978-3-515-10989-5
An der Wende zum 5. Jahrhundert hat Hieronymus mit der Vulgata eine lateinische Bibelübersetzung vorgelegt, er hat ausführlich ihre einzelnen Bücher kommentiert und sich überdies in theologische Kontroversen eingemischt. Was haben hunderte Nennungen von Figuren aus den griechischen Mythen in diesen genuin christlichen Texten verloren? Was haben Zeus, die Sirenen oder die Hydra mit dem Psalter und der Kirche zu tun? Während über Hieronymus’ Verhältnis zur paganen Literatur viel geschrieben wurde, legt Karsten C. Ronnenberg erstmals eine Untersuchung vor, in der die traditionellen Erzählungen der heidnischen Mythologie systematisch in Hinblick auf ihre
Funktion im umfangreichen Gesamtwerk eines Kirchenvaters beleuchtet werden. Gelöst von Literaturzitaten erscheinen sie bei Hieronymus in allen Textsorten, vom persönlichen Brief bis hin zum Prophetenkommentar. Von der schroffen Ablehnung der Mythen, wie sie die frühen Apologeten betrieben, ist nur noch ein leises Echo wahrnehmbar, und auch mit Reserven von Seiten seines christlichen Lesepublikums hatte er anscheinend nicht zu rechnen. Sein freier und souveräner Umgang mit dem Mythos war nach christlichen Maßstäben neu, stand aber durchaus – wie diese historische Untersuchung zeigt – in der Tradition der Antike.
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ISBN 978-3-515-11146-1
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7835 1 5 1 1 1 46 1