Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [92]


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Table of contents :
Michael Diefenbacher: Dr. Erich Mulzer f (13. Januar 1929 -
9. Oktober 2005) .......................................................................... XIII
Birgit Ulrike Münch: Cum figuris magistralibus: Das Speculum
passionis des Ulrich Pinder (Nürnberg 1507) im Rahmen der
spätmittelalterlichen Erbauungsliteratur. Ein Passionstraktat mit
Holzschnitten der Dürer-Werkstatt............................................ 1
Rainer Leng: Das Testament des Berthold Holzschuher. Antriebstechnik,
Konstruktion und Erfinderschutz im 16. Jahrhundert . 93
Walter Gebhardt: Doaphoron - Alchemistische Quacksalberei
zwischen Heilkunst und Wunderglaube .................................... 141
Antal Andräs Deäk: Johann Christoph Müller (1673-1721) - ein
Nürnberger Kartograf in Diensten des Grafen Marsigli............ 159
Walter Bauernfeind: Nürnberg 1793 bis 1814: Eine Darstellung
der politischen Entwicklung aus patrizischer Sicht und der Verfassungsentwurf
für eine wieder zu errichtende Reichsstadt . . 199
Pascal Metzger: Die Dutzendteich-Park Aktiengesellschaft (1823-
1940). Ein .patriotischer“ Verein zwischen Gewinnstreben und
Wohltätigkeit............................................................................... 249
Hans Rößler: „Der Mut der kirchlichen Kreise ist seit gestern
sichtlich gestiegen.“ Drei Briefe zum Kirchenkampf in Nürnberg
vom 15. bis zum 18. September 1934 ......................................... 311
Neil Gregor: Zwischen Gedächtnislücken und Bewältigungsdiskurs:
Die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg
in Nürnberg nach 1945 ..................................................... 327
Gesa Büchert: Förderer des Fremdenverkehrs. Der Verkehrsverein
Nürnberg von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg .... 343
Reinhild Kreis: Gründung und Krise des Deutsch-Amerikanischen
Instituts Nürnberg 1962-1972 ..................................................... 415
Peter S c h ö n 1 e i n: Die Städtepartnerschaft Nürnberg-Gera: Wie SED
und Stasi alles unter Kontrolle halten wollten ........................... 483
V
Buchbesprechungen .............................................................................. 507
Aus der Arbeit der Nürnberger Archive: Schenkungen, Leihgaben,
Ankäufe und Erschließungen im Landeskirchlichen Archiv, im
Staatsarchiv und im Stadtarchiv Nürnberg 2004 und 2005 ........ 583
Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte ....................................... 589
Jahresbericht über das 127. Vereinsjahr 2004 597
Abkürzungen ........................................................................................ 603
VI
BUCHBESPRECHUNGEN
Quellen und Inventare
Peter Rückert (Bearb.): Alles gefälscht? - Verdächtige Urkunden aus der Stauferzeit.
Archivale des Monats März 2003 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Stuttgart 2003.
(Klaus Herbers)............................................................................................................ 507
Reinhard Hildebrandt (Hg.): Quellen und Regesten zu den Augsburger Handelshäusern
Palerund Rehlinger, 1539-1642. Wirtschaft und Politik im 16./17. Jahrhundert,
Teil 2: 1624-1642 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit
19,2). Stuttgart 2004. (Lambert F. Peters)................................................................... 508
Topographie, Stadtteile und Landgebiet
Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und
Geschichte. Hrsg, von Johannes Merz und Robert Schuh (Hefte zur bayerischen
Landesgeschichte 3). München 2004; Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Hrsg,
von Wolfgang Jahn, Jutta Schuhmannund Evamaria Brockhoff. Katalog zur
Landesausstellung 2004, Pfalzmuseum Forchheim, 11. Mai bis 24. Oktober 2004
(Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 47). Augsburg 2004;
Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Die CD-ROM zur Ausstellung (Historikerwerkstatt
2004,1). Augsburg 2004. 1 CD-ROM. (Horst-Dieter Beyerstedt) ........... 510
Torna B a b o v i c / Hermann Glaser: Ins Land der Franken fahren ... in Bildern, Texten
und Dokumenten. Hamburg 2004. (Clemens Wächter) ............................................ 514
Manfred Gillert / Hartmut Beck: Blicke auf Franken. Die Region Nürnberg auf dem
Weg zur Metropole. Nürnberg 2003. (Helmut Beer) ................................................ 516
James Stern: Die unsichtbaren Trümmer. Eine Reise im besetzten Deutschland 1945.
Berlin 2004. (Clemens Wächter) ................................................................................. 517
Helmut Beer: Südstadtgeschichte. Aus der Vergangenheit der Nürnberger Südstadt
(Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg 15). Nürnberg 2004.
(Andreas Jakob)............................................................................................................ 518
Eckart Dietzfelbinger / Gerhard L i e d t k e: Nürnberg - Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände.
Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Berlin 2004; Bau Lu st e.V.
(Hg.): Positionen. Zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.
Nürnberg 2004. (Clemens Wächter) ........................................................................... 519
Franz Kimberger / Rolf Kimberger: Bad Fürth - Wunschtraum und Wirklichkeit.
Von Heilwasservorkommen, Kurbadträumen und Bäderprojekten (Fürther Beiträge
zur Geschichts- und Heimatkunde 10). Fürth 2003. (Uwe Müller) ......................... 520
750 Jahre Allersberg. Allersberg 2004. (Frank Präger)....................................................... 522
Politische Geschichte, Recht und Verwaltung
Andrea Bend läge: Henkers Hetzbruder. Das Strafverfolgungspersonal der Reichsstadt
Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert (Konflikte und Kultur- Historische Perspektiven
8). Konstanz 2003. (Hartmut Frommer)........................................................... 524
Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495. Hrsg, von Ulrich Wagner
und Walter Ziegler. Bd. III. Von Gerhard von Schwarzburg bis Johann II.
von Brunn (1372-1440). Bearb. von Christoph Bauer, Hannelore Götz, Asta
Schröder und Ulrich Wagner; Bd. IV. Von Sigmund von Sachsen bis Rudolf II.
von Scherenberg (1440-1495). Bearb. von Ulrike Grosch, Christoph Bauer,
VII
Harald Tausch und Thomas Heiler; Bd. V. Wappen und Register. Bearb. Von
Hans-Peter Baum, Rainer Leng, Renate Schindler und Florian Sepp. Mit
einem Beitrag von Karl Borchardt. Würzburg 1999, 2002, 2004.
(Wiltrud Fischer-Pache) ............................................................................................... 525
Horst H. Freyhofer: The Nuremberg Medical Trial. The Holocaust and the Origin of
the Nuremberg Medical Code. New York u.a. 2004. (Fred-Jürgen Beier)............... 527
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine
Astrid Schmidt-Händel: Der Erfurter Waidhandel an der Schwelle zur Neuzeit.
(Europäische Hochschulschriften: Reihe III / Geschichte und ihre Hilfswissenschaften
998). Frankfurt u.a. 2004. (Lambert F. Peters).............................................. 528
Lambert F. Peters: Strategische Allianzen, Wirtschaftsstandort und Standortwettbewerb.
Nürnberg 1500-1625. Frankfurt a.M. u.a. 2005. (Horst-Dieter Beyerstedt)............. 530
Thomas R e i n w a I d: Triumph Motorräder. Lemgo 2004. (Martina Bauemfeind)............ 532
Gregor Schöllgen: Diehl. Ein Familienunternehmen in Deutschland 1902-2002, Berlin
u.a. 2002. (Martina Bauemfeind) ............................................................................... 534
Geschichte des Spitals in Schwabach. Festschrift zum 600jährigen Weihejubiläum der
Spitalkirche. Schwabach 2004. (Horst-Dieter Beyerstedt) ......................................... 536
Astrid Ley: Zwangssterilisationen und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen
Handelns 1934-1945 (Kultur der Medizin 11), Frankfurt a.M. 2004.
(Claudia Thoben)......................................................................................................... 538
Kunst
Pablo de la Riestra: Kunstdenkmäler in Bayern. Franken, Regensburg und die
Oberpfalz. Darmstadt 2003. (Matthias Mende).......................................................... 541
Hundert Jahre Verein zur Erhaltung 1903-2003. Sammelband der Referate des Kolloquiums
aus Anlass des Vereinsjubiläums, hg. von Christian Schmidt und Georg Stolz
(Schriftenreihe des Vereins zur Erhaltung der St. Lorenzkirche in Nürnberg 2).
Nürnberg 2004. (Enno Bünz) ..................................................................................... 543
Albrecht Dürer: Das druckgraphische Werk, Band 3: Buchillustrationen. Bearb. von
Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum. München u.a. 2004.
(Peter Zahn).................................................................................................................. 545
Der Hirsvogelsaal in Nürnberg. Geschichte und Wiederherstellung (Arbeitshefte des
Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 113). München 2004. (Georg Stolz) . . 551
Barbara Dienst: Der Kosmos des Peter Flötner. Eine Bildwelt der Renaissance in
Deutschland (Kunstwissenschaftliche Studien 90). München-Berlin 2002. (Matthias
Mende)......................................................................................................................... 553
Nina C. Wiesner: Das Deckengemälde von Georg Pencz im Hirschvogelsaal zu Nürnberg
(Studien zur Kunstgeschichte 154). Hildesheim u.a. 2004. (Christian Hecht) . . 555
Achim Riether: Rudolf Meyer (1605-1638). Schweizer Zeichenkunst zwischen Spätmanierismus
und Frühbarock. Katalog der Handzeichnungen (Akädemos 4). München
2002. (Andreas Tacke)......................................................................................... 557
Hortulus floridus Bambergensis. Studien zur fränkischen Kunst- und Kulturgeschichte.
Renate Baumgärtel-Fleischmann zum 4. Mai 2002, hrsg. durch Werner Taegert.
Petersberg 2004. (Christina Hofmann-Randall)........................................................ 559
Elizabeth B1 a c k w e 11: Herbarium Blackwellianum. (Meisterwerke der Buchillustration).
Erlangen 2003. (2 CD-ROMs). (Christina Hofmann-Randall)................................. 561
VIII
Kultur, Sprache, Literatur, Musik
Evangelos Konstantinou (Hg.): Nürnberg und das Griechentum. Geschichte und
Gegenwart (Philhellenische Studien 9). Frankfurt/Main 2003. (Emst-Friedrich
Schultheiß).................................................................................................................... 562
Christina Hofmann-Randall: Die Einblattdrucke der Universitätsbibliothek
Erlangen-Nürnberg (Schriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg 42).
Neustadt/Aisch 2003. (Christine Sauer)..................................................................... 566
Sonja Schultheiß-Heinz: Politik in der europäischen Publizistik. Eine historische
Inhaltsanalyse von Zeitungen des 17. Jahrhunderts (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte
16). Stuttgart 2004. (Walter Gebhardt)...................................................... 567
Boris Braun: Brauns Brauerei-Atlas, Bd.l: Mittelfranken und südliches Oberfranken.
Nürnberg 2003. (Walter Gebhardt)............................................................................. 568
Kirchengeschichte
Martial Staub: Les paroisses et la eite. Nuremberg du Xllle siede ä la Reforme (Civilisations
et Societes 116). Paris 2003. (Christian Plath).................................................... 570
Werner Schanz: Das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott ist nur bei
einem ganz geringen Teil vorhanden. Gibitzenhof auf dem Weg zu einer von der
Industrie geprägten Vorstadtgemeinde (Schriftenreihe Zeit fürs Evangelium des
Evang.-Luth. Dekanats Nürnberg 3). Nürnberg 2003; Rüdiger Kretschmann:
Geschichten um den Kirchturm St. Markus. Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum
der Markuskirche Nürnberg-Gibitzenhof. Nürnberg 2004. (Clemens Wächter) .... 571
Hans Gerd Rotzer: Von Nürnberg nach Santiago. Jakobspilger aus Franken. Ein kleines
Vademecum (Kleine fränkische Bibliothek 15). Bamberg 2004. (Horst-Dieter Beyerstedt)
........................................................................................................................... 572
Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik
Heinrich Müller: Albrecht Dürer. Waffen und Rüstungen. Hrsg, vom Deutschen Historischen
Museum. Mainz 2002. (Matthias Mende)...................................................... 573
Personen und Familien
Peter Blastenbrei: Johann Christoph Wagenseil und seine Stellung zum Judentum.
Erlangen 2004; Sammlung Wagenseil. Katalog auf CD-ROM. Hrsg, von Hermann
Süß und Hartmut B o b z i n. Erlangen: Harald Fischer 1996. 1 CD-ROM.
(Horst-Dieter Beyerstedt)............................................................................................. 575
Matthias E c k e r t: Julius Schieder (1888-1964). Regionalbischof und Prediger in schwerer
Zeit (Zeugen und Zeugnisse der Wahrheit 4). Neuendettelsau 2004.
(Helmut Baier) ............................................................................................................ 578
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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [92]

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

92. Band 2005

Nürnberg 2005

Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Michael Diefenbacher, Dr. Wiltrud Fischer-Pache, Dr. Clemens Wächter Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Für unaufgefordert eingereichte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen.

Zum Druck des Bandes trugen durch Zuschüsse bzw. Spenden bei: Die Stadt Nürnberg, der Bezirk Mittelfranken, die Sparkasse Nürnberg, die Freiherr von Haller’sche Forschungsstiftung Nürnberg. Der Verein dankt dafür bestens.

Umschlagbild: Werbepostkarte des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg, entworfen von Professor H. Bek.-Gran, Lithographie 1913 (StadtAN A 34 Nr. 3824).

Gesamtherstellung: Verlagsdruckerei Schmidt GmbH, Neustadt/Aisch Gedruckt auf holzfreies, chlorfrei gebleichtes, säurefreies und alterungsbeständiges Papier. Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Marientorgraben 8, 90402 Nürnberg) ISSN 0083-5579

INHALT Michael Diefenbacher: Dr. Erich Mulzer f (13. Januar 1929 9. Oktober 2005) ..........................................................................

XIII

Birgit Ulrike Münch: Cum figuris magistralibus: Das Speculum passionis des Ulrich Pinder (Nürnberg 1507) im Rahmen der spätmittelalterlichen Erbauungsliteratur. Ein Passionstraktat mit Holzschnitten der Dürer-Werkstatt............................................

1

Rainer Leng: Das Testament des Berthold Holzschuher. Antriebs­ technik, Konstruktion und Erfinderschutz im 16. Jahrhundert .

93

Walter Gebhardt: Doaphoron - Alchemistische Quacksalberei zwischen Heilkunst und Wunderglaube ....................................

141

Antal Andräs Deäk: Johann Christoph Müller (1673-1721) - ein Nürnberger Kartograf in Diensten des Grafen Marsigli............

159

Walter Bauernfeind: Nürnberg 1793 bis 1814: Eine Darstellung der politischen Entwicklung aus patrizischer Sicht und der Ver­ fassungsentwurf für eine wieder zu errichtende Reichsstadt . .

199

Pascal Metzger: Die Dutzendteich-Park Aktiengesellschaft (18231940). Ein .patriotischer“ Verein zwischen Gewinnstreben und Wohltätigkeit...............................................................................

249

Hans Rößler: „Der Mut der kirchlichen Kreise ist seit gestern sichtlich gestiegen.“ Drei Briefe zum Kirchenkampf in Nürnberg vom 15. bis zum 18. September 1934 .........................................

311

Neil Gregor: Zwischen Gedächtnislücken und Bewältigungsdis­ kurs: Die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Welt­ krieg in Nürnberg nach 1945 .....................................................

327

Gesa Büchert: Förderer des Fremdenverkehrs. Der Verkehrsverein Nürnberg von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg ....

343

Reinhild Kreis: Gründung und Krise des Deutsch-Amerikanischen Instituts Nürnberg 1962-1972 .....................................................

415

Peter S c h ö n 1 e i n: Die Städtepartnerschaft Nürnberg-Gera: Wie SED und Stasi alles unter Kontrolle halten wollten ...........................

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V

Buchbesprechungen ..............................................................................

507

Aus der Arbeit der Nürnberger Archive: Schenkungen, Leihgaben, Ankäufe und Erschließungen im Landeskirchlichen Archiv, im Staatsarchiv und im Stadtarchiv Nürnberg 2004 und 2005 ........

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Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte .......................................

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Jahresbericht über das 127. Vereinsjahr2004

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Abkürzungen ........................................................................................

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BUCHBESPRECHUNGEN Quellen und Inventare Peter Rückert (Bearb.): Alles gefälscht? - Verdächtige Urkunden aus der Stauferzeit. Archivale des Monats März 2003 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Stuttgart 2003. (Klaus Herbers)............................................................................................................ Reinhard Hildebrandt (Hg.): Quellen und Regesten zu den Augsburger Handels­ häusern Palerund Rehlinger, 1539-1642. Wirtschaft und Politik im 16./17. Jahrhun­ dert, Teil 2: 1624-1642 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 19,2). Stuttgart 2004. (Lambert F. Peters)...................................................................

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Topographie, Stadtteile und Landgebiet Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte. Hrsg, von Johannes Merz und Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3). München 2004; Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Hrsg, von Wolfgang Jahn, Jutta Schuhmannund Evamaria Brockhoff. Katalog zur Landesausstellung 2004, Pfalzmuseum Forchheim, 11. Mai bis 24. Oktober 2004 (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 47). Augsburg 2004; Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Die CD-ROM zur Ausstellung (Historiker­ werkstatt 2004,1). Augsburg 2004. 1 CD-ROM. (Horst-Dieter Beyerstedt) ........... Torna B a b o v i c / Hermann Glaser: Ins Land der Franken fahren ... in Bildern, Texten und Dokumenten. Hamburg 2004. (Clemens Wächter) ............................................ Manfred Gillert / Hartmut Beck: Blicke auf Franken. Die Region Nürnberg auf dem Weg zur Metropole. Nürnberg 2003. (Helmut Beer) ................................................ James Stern: Die unsichtbaren Trümmer. Eine Reise im besetzten Deutschland 1945. Berlin 2004. (Clemens Wächter) ................................................................................. Helmut Beer: Südstadtgeschichte. Aus der Vergangenheit der Nürnberger Südstadt (Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg 15). Nürnberg 2004. (Andreas Jakob)............................................................................................................ Eckart Dietzfelbinger / Gerhard L i e d t k e: Nürnberg - Ort der Massen. Das Reichs­ parteitagsgelände. Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Berlin 2004; Bau Lu st e.V. (Hg.): Positionen. Zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. Nürnberg 2004. (Clemens Wächter) ........................................................................... Franz Kimberger / Rolf Kimberger: Bad Fürth - Wunschtraum und Wirklichkeit. Von Heilwasservorkommen, Kurbadträumen und Bäderprojekten (Fürther Beiträge zur Geschichts- und Heimatkunde 10). Fürth 2003. (Uwe Müller) ......................... 750 Jahre Allersberg. Allersberg 2004. (Frank Präger).......................................................

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Politische Geschichte, Recht und Verwaltung Andrea Bend läge: Henkers Hetzbruder. Das Strafverfolgungspersonal der Reichsstadt Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert (Konflikte und Kultur- Historische Perspek­ tiven 8). Konstanz 2003. (Hartmut Frommer)........................................................... Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495. Hrsg, von Ulrich Wagner und Walter Ziegler. Bd. III. Von Gerhard von Schwarzburg bis Johann II. von Brunn (1372-1440). Bearb. von Christoph Bauer, Hannelore Götz, Asta Schröder und Ulrich Wagner; Bd. IV. Von Sigmund von Sachsen bis Rudolf II. von Scherenberg (1440-1495). Bearb. von Ulrike Grosch, Christoph Bauer,

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VII

Harald Tausch und Thomas Heiler; Bd. V. Wappen und Register. Bearb. Von Hans-Peter Baum, Rainer Leng, Renate Schindler und Florian Sepp. Mit einem Beitrag von Karl Borchardt. Würzburg 1999, 2002, 2004. (Wiltrud Fischer-Pache) ............................................................................................... Horst H. Freyhofer: The Nuremberg Medical Trial. The Holocaust and the Origin of the Nuremberg Medical Code. New York u.a. 2004. (Fred-Jürgen Beier)...............

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Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine Astrid Schmidt-Händel: Der Erfurter Waidhandel an der Schwelle zur Neuzeit. (Europäische Hochschulschriften: Reihe III / Geschichte und ihre Hilfswissen­ schaften 998). Frankfurt u.a. 2004. (Lambert F. Peters).............................................. Lambert F. Peters: Strategische Allianzen, Wirtschaftsstandort und Standortwettbewerb. Nürnberg 1500-1625. Frankfurt a.M. u.a. 2005. (Horst-Dieter Beyerstedt)............. Thomas R e i n w a I d: Triumph Motorräder. Lemgo 2004. (Martina Bauemfeind)............ Gregor Schöllgen: Diehl. Ein Familienunternehmen in Deutschland 1902-2002, Berlin u.a. 2002. (Martina Bauemfeind) ............................................................................... Geschichte des Spitals in Schwabach. Festschrift zum 600jährigen Weihejubiläum der Spitalkirche. Schwabach 2004. (Horst-Dieter Beyerstedt) ......................................... Astrid Ley: Zwangssterilisationen und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-1945 (Kultur der Medizin 11), Frankfurt a.M. 2004. (Claudia Thoben).........................................................................................................

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Kunst Pablo de la Riestra: Kunstdenkmäler in Bayern. Franken, Regensburg und die Oberpfalz. Darmstadt 2003. (Matthias Mende).......................................................... Hundert Jahre Verein zur Erhaltung 1903-2003. Sammelband der Referate des Kolloqui­ ums aus Anlass des Vereinsjubiläums, hg. von Christian Schmidt und Georg Stolz (Schriftenreihe des Vereins zur Erhaltung der St. Lorenzkirche in Nürnberg 2). Nürnberg 2004. (Enno Bünz) ..................................................................................... Albrecht Dürer: Das druckgraphische Werk, Band 3: Buchillustrationen. Bearb. von Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum. München u.a. 2004. (Peter Zahn).................................................................................................................. Der Hirsvogelsaal in Nürnberg. Geschichte und Wiederherstellung (Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 113). München 2004. (Georg Stolz) . . Barbara Dienst: Der Kosmos des Peter Flötner. Eine Bildwelt der Renaissance in Deutschland (Kunstwissenschaftliche Studien 90). München-Berlin 2002. (Matthias Mende).......................................................................................................................... Nina C. Wiesner: Das Deckengemälde von Georg Pencz im Hirschvogelsaal zu Nürn­ berg (Studien zur Kunstgeschichte 154). Hildesheim u.a. 2004. (Christian Hecht) . . Achim Riether: Rudolf Meyer (1605-1638). Schweizer Zeichenkunst zwischen Spät­ manierismus und Frühbarock. Katalog der Handzeichnungen (Akädemos 4). Mün­ chen 2002. (Andreas Tacke)......................................................................................... Hortulus floridus Bambergensis. Studien zur fränkischen Kunst- und Kulturgeschichte. Renate Baumgärtel-Fleischmann zum 4. Mai 2002, hrsg. durch Werner Taegert. Petersberg 2004. (Christina Hofmann-Randall)........................................................ Elizabeth B1 a c k w e 11: Herbarium Blackwellianum. (Meisterwerke der Buchillustration). Erlangen 2003. (2 CD-ROMs). (Christina Hofmann-Randall).................................

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Kultur, Sprache, Literatur, Musik Evangelos Konstantinou (Hg.): Nürnberg und das Griechentum. Geschichte und Gegenwart (Philhellenische Studien 9). Frankfurt/Main 2003. (Emst-Friedrich Schultheiß).................................................................................................................... Christina Hofmann-Randall: Die Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (Schriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg 42). Neustadt/Aisch 2003. (Christine Sauer)..................................................................... Sonja Schultheiß-Heinz: Politik in der europäischen Publizistik. Eine historische Inhaltsanalyse von Zeitungen des 17. Jahrhunderts (Beiträge zur Kommunikations­ geschichte 16). Stuttgart 2004. (Walter Gebhardt)...................................................... Boris Braun: Brauns Brauerei-Atlas, Bd.l: Mittelfranken und südliches Oberfranken. Nürnberg 2003. (Walter Gebhardt).............................................................................

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Kirchengeschichte Martial Staub: Les paroisses et la eite. Nuremberg du Xllle siede ä la Reforme (Civilisations et Societes 116). Paris 2003. (Christian Plath).................................................... Werner Schanz: Das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott ist nur bei einem ganz geringen Teil vorhanden. Gibitzenhof auf dem Weg zu einer von der Industrie geprägten Vorstadtgemeinde (Schriftenreihe Zeit fürs Evangelium des Evang.-Luth. Dekanats Nürnberg 3). Nürnberg 2003; Rüdiger Kretschmann: Geschichten um den Kirchturm St. Markus. Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Markuskirche Nürnberg-Gibitzenhof. Nürnberg 2004. (Clemens Wächter) .... Hans Gerd Rotzer: Von Nürnberg nach Santiago. Jakobspilger aus Franken. Ein kleines Vademecum (Kleine fränkische Bibliothek 15). Bamberg 2004. (Horst-Dieter Beyerstedt) ...........................................................................................................................

570

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572

Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik Heinrich Müller: Albrecht Dürer. Waffen und Rüstungen. Hrsg, vom Deutschen Histo­ rischen Museum. Mainz 2002. (Matthias Mende)......................................................

573

Personen und Familien Peter Blastenbrei: Johann Christoph Wagenseil und seine Stellung zum Judentum. Erlangen 2004; Sammlung Wagenseil. Katalog auf CD-ROM. Hrsg, von Hermann Süß und Hartmut B o b z i n. Erlangen: Harald Fischer 1996. 1 CD-ROM. (Horst-Dieter Beyerstedt)............................................................................................. Matthias E c k e r t: Julius Schieder (1888-1964). Regionalbischof und Prediger in schwerer Zeit (Zeugen und Zeugnisse der Wahrheit 4). Neuendettelsau 2004. (Helmut Baier) ............................................................................................................

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IX

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bach-Damaskinos, Ruth, M.A., Kunsthistorikerin, Graudenzer Str. 25, 90491 Nürnberg B a i e r, Fred-Jürgen, M.A., Dr. med., Stv. Leiter des Gesundheitsamts der Stadt Nürnberg, Burgstr. 4, 90403 Nürnberg Baier, Helmut, Dr., Archivdirektor i.R., Düsseldorfer Str. 62, 90425 Nürnberg. Bauernfeind, Martina, Dr., Historikerin, Karl-Hertel-Str. 33, 90475 Nürnberg Bauernfeind, Walter, Dr., Archivoberrat, Nürnberg, Karl-Hertel-Str. 33, 90475 Nürnberg Beer, Helmut, Dr., Stadthistoriker, Bärenschanzstraße 63, 90429 Nürnberg Beyerstedt, Horst-Dieter, Dr., Archivoberrat, Thumenberger Weg 38, 90491 Nürnberg Büchert, Gesa, M.A., Historikerin, Museumspädagogin, Glockenhofstr. 40, 90478 Nürnberg Bünz, Enno, Prof. Dr., Universität Leipzig, Institut für Sächsische Landes­ geschichte, Beethovenstr. 15, 04107 Leipzig Deäk, Antal Andräs, Dr., Kurator im Donau Museum, Esztergom, Dunamüzeum, H-2500 Esztergom, Kölcsey u. 2. Diefenbacher, Michael, Dr., Ltd. Archivdirektor, Ringstr. 17, 91560 Heils­ bronn Fischer-Pache, Wiltrud, Dr., Archivdirektorin, Keßlerplatz 7, 90489 Nürnberg Friedrich, Günther, Archivamtsrat, Oldenburger Str. 14, 90425 Nürnberg Frommer, Hartmut, Dr., Stadtrechtsdirektor, Judengasse 25, 90403 Nürn­ berg Gebhardt, Walter, Bibliotheksamtsrat, Drausnickstr. 8, 91052 Erlangen Gregor, Neil, Dr., Historiker, University of Southampton, Department of History, School of Humanities, Highfield, Southampton, GB-S015 1BJ Hecht, Christian, Dr., Priv.-Doz., Institut für Kunstgeschichte der Univer­ sität Erlangen-Nürnberg, Schloßgarten 1 (Orangerie), 91054 Erlangen Herbers, Klaus, Prof. Dr., Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Geschichte, Kochstr. 4 BK9, 91054 Erlangen Hofmann-Randall, Christina, Dr., Bibliotheksdirektorin, Universitäts­ bibliothek Erlangen-Nürnberg, Handschriftenabteilung, Universitätsstr. 4, 91054 Erlangen Jakob, Andreas, Dr., Archivoberrat, Stadtarchiv Erlangen, Cedernstr. 1, 91051 Erlangen

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J o c h e m, Gerhard, Archivamtmann, Mostgasse 9, 90402 Nürnberg König, Jürgen, Dr., Archivrat, Landeskirchliches Archiv der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern, Veilhofstr. 28, 90489 Nürnberg Kreis, Reinhild, M.A., Historikerin, Kolumbusstr. 5, 81543 München Leng, Rainer, Dr., Priv.-Doz., Universität Würzburg, Institut für Geschichte, Am Hubland, 97074 Würzburg Mende, Matthias, Dr., Kunsthistoriker, Am Wasserschloss 8, 90552 Röthen­ bach/Pegnitz Metzger, Pascal, M. A., Historiker, Hummelsteiner Weg 74, 90459 Nürnberg Müller, Uwe, Dr., Archivdirektor, Walther-von-der-Vogelweide-Str. 88, 97422 Schweinfurt Münch, Birgit Ulrike, M.A., Kunsthistorikerin, Johannisstraße 11, 54292 Trier Peters, Lambert F., Dr., Oberstudienrat i.R., Adalbertstr. 33, 52062 Aachen P1 a t h, Christian, Dr., Historiker, Corveyer Str. 8, 36039 Fulda Präger, Frank, Dr., Historiker, Stadtarchiv Neumarkt, Bräugasse 1, 92318 Neumarkt Rößler, Hans, Dr., Studiendirektor i.R., Ziegelhüttenstr. 12, 91564 Neuendettelsau Sauer, Christine, Dr., Leiterin der Abteilung Handschriften und Alte Drucke, Stadtbibliothek Nürnberg, Egidienplatz 23, 90403 Nürnberg Schön lein, Peter, Dr., Altoberbürgermeister, Oberstudiendirektor i.R., Eisensteiner Str. 68, 90480 Nürnberg Schultheiß, Ernst-Friedrich, Dr., Oberstudiendirektor, Moosstr. 14, 90411 Nürnberg Stolz, Georg, Baumeister St. Lorenz i.R., Stadtheimatpfleger, Kuckucks­ weg 6, 90768 Fürth Tacke, Andreas, Prof. Dr. Dr., Kunstgeschichte, FB III, Universität Trier, 54286 Trier Thoben, Claudia, M.A., Historikerin, Ackerstr. 28, 26121 Oldenburg Wächter, Clemens, Dr., Universitätsarchivar, Archiv der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Schuhstr. la, 91052 Erlangen Zahn, Peter, Dr., Univ.-Prof., Bibliotheksdirektor a.D., Beltweg 14, 80805 München

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DR. ERICH MULZER + 13. Januar 1929 - 9. Oktober 2005 Am 9. Oktober 2005 erlöste der Tod unser langjähriges Vorstandsmitglied Dr. Erich Mulzer von seinem lang andauernden schweren Leiden. Erich Mulzer ist im Jahr der großen Weltwirtschaftskrise im Nürnberger Stadtteil St. Peter am 13. Januar 1929 geboren. Nach dem Abitur 1948 war er kurzzeitig bei der Firma Faber-Castell in Stein beschäftigt und begann 1949 mit dem Studium an der Universität Erlangen. Dieses schloss er 1955 mit dem Ersten Staatsexamen für das höhere Lehramt in Geschichte, Deutsch und Erdkunde ab. Seine Referendarszeit in Nürnberg, Marktrcdwitz und Schwa­ bach beendete Mulzer 1957 mit dem Zweiten Staatsexamen und unterrichtete ab Januar 1958 als Studienrat am Gymnasium Fridericianum in Erlangen in den Fächern Geschichte, Deutsch und Erdkunde, ab 1965 ergänzt um Sozialkunde. 1966 wurde er zum Oberstudienrat und 1972 zum Gymnasialprofessor/ Studiendirektor befördert. 1971 erwarb Mulzer mit einer stadtgeographischen Arbeit zum Thema „Die Veränderungen der Altstadt in Nürnberg durch den Wiederaufbau 1945 bis 1970“ den Doktorgrad an der Universität ErlangenNürnberg. 1991 trat er in den Ruhestand. Als junger Mensch erlebte Erich Mulzer, wie das alte Nürnberg im Bomben­ hagel unterging. Dies prägte ihn und weckte seine historische, architektur­ geschichtliche und denkmalpflegerische Neugierde, der er im Studium und Beruf nachging. Die Nürnberger Altstadt, die 1945 endgültig untergegangene „Perle deutscher Stadtarchitektur des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit“ - wie Mulzer selbst einmal formulierte - wurde nicht nur zum Thema seiner Doktorarbeit, sondern zum Thema seines Schaffens und Wirkens. Folgerichtig trat Erich Mulzer bereits 1951 der von Dr. Hellmut Kunstmann ein Jahr zuvor gegründeten „Vereinigung der Freunde der Altstadt Nürnberg e.V.“ bei. Die Vereinigung unterstützte mit Spendenaktionen und Werbung den damaligen „Wiederaufbaureferenten“ Heinz Schmeißner bei seinem Bemühen, die großen, das Nürnberger Stadtbild prägenden Bauwerke wieder erstehen zu lassen. Im Oktober 1973 wurde Erich Mulzer nach dem Rücktritt des gesamten Vorstands zum Vorsitzenden der Vereinigung gewählt. Er formte seitdem aus einem Honoratiorenclub mit gerade 135 Mitgliedern den Verein „Altstadt­ freunde Nürnberg e.V.“ (die Umbenennung erfolgte im März 1976), heute oft liebevoll oder neidbelastet als „die größte Bürgerinitiative Nürnbergs“ mit über 6 000 Mitgliedern bezeichnet. Den Vorsitz der „Altstadtfreunde“ hatte Erich Mulzer bis zu seinem selbst­ gewählten Rückzug im Jahr 2004 über 30 Jahre inne. In dieser Zeit richtete er

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den Verein völlig neu aus. Sein klares Bild von seiner Heimatstadt gab ihm auch die Orientierung für die Arbeit des Vereins. Die Altstadtfreunde sensibilisier­ ten und sensibilisieren die Bürger für die Bedeutung der Altstadt. Und sie sorg­ ten und sorgen entscheidend dafür, dass die Reste der historischen Substanz innerhalb der Stadtmauer nicht noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen werden. Die Initialzündung kam 1972/73: Der massive Protest der Vereinigung der Freunde der Altstadt Nürnberg hatte nicht verhindern kön­ nen, dass 1973 die südlichste Zeile der 1489 bis 1524 als planmäßig zur Förde­ rung des Textilgewerbes in der Reichsstadt Nürnberg angelegten Handwerker­ und Wohnsiedlung erbauten Sieben Zeilen, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis 1966 maßstabsgetreu wiedererrichtetet wurde, zuguns­ ten eines durchgehenden Neubaus abgebrochen wurde. Diese „Un“-Tat wirkte als Fanal. Bis 1978 war es Mulzer und den Altstadt­ freunden gelungen, den seit 1972 geplanten Abriss von vier historischen Häusern am Unschlittplatz 8-12, die den Zweiten Weltkrieg relativ unbe­ schadet überstanden hatten, nun aber ziemlich verwahrlost waren, zugunsten einer neuen, autogerechten Verkehrsführung zu verhindern. Heute vermitteln die einst zum Abbruch bestimmten, zwischen 1978 und 1981 sanierten Häuser einen kleinen Eindruck vom früheren Aussehen dieses Platzes. Die Rettung und vorbildliche Sanierung dieser Häuser durch die Altstadtfreunde erwirkten einen Dammbruch in der Wahrnehmung des historischen Erbes bei der Nürn­ berger Bevölkerung und vor allem beim Nürnberger Stadtrat. Seit Erich Mulzer die Federführung bei den Altstadtfreunden übernommen hatte, waren sie selbst aktiv bei der Renovierung und Sanierung von maroden Gebäuden geworden. Sie nahmen sich seither über 200 Bauprojekten mit Erfolg an. Darunter sind 19 Totalsanierungen. 40 Fachwerke wurden frei­ gelegt, 23 Dacherker, 24 Hauszeichen und 14 Chörlein wurden renoviert und zum Teil neu angebracht. Dabei wurden 15 Millionen Euro eingesetzt - Geld, das überwiegend aus Spenden kommt und von Gönnern stammt. Er trug auch maßgeblich dazu bei, dass das nicht in die Nürnberger Altstadt passende Augustinerhofprojekt von Helmut Jahn scheiterte. Erich Mulzer war zum „Stadtkümmerer“ geworden und wurde anlässlich des 30-jährigen Jubiläums seiner Vorstandschaft 2003 zum „Altstadtmacher“ erhoben. Den Ruf und die Popularität der Altstadtfreunde steigerte Mulzer nicht zuletzt durch die regelmäßigen, kostenlosen Altstadtspaziergänge, die vielen Bürgern unbekannte und ungewohnte Facetten ihrer Heimatstadt eröffnen. Er trat zudem seit 1954 mit zahlreichen Publikationen und Aufsätzen mit dem Themenschwerpunkt Nürnberger Geschichte und Architektur an die Öffent­ lichkeit und rief 1975 die jährlich erscheinenden „Nürnberger Altstadt­ berichte“ ins Leben.

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Erich Mulzers Wirken wurde überregional anerkannt. Er erhielt für seine Arbeit immer wieder Auszeichnungen und Preise. So wurde ihm 1993 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Die Stadt Nürnberg ehrte ihn 1996 mit der Bürgermedaille. 2002 wurde ihm der „Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung“ verliehen. Seit 1956 war Erich Mulzer Mitglied des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 1967 wurde er in den erweiterten Vorstand des Vereins gewählt, der die Funktion eines Beirats ausübt. Bis zu seinem Tode bereicherte er regel­ mäßig auf den halbjährig abgehaltenen Vorstandssitzungen unsere Vereins­ arbeit. Der nicht ganz ungetrübte Umgang der Altstadtfreunde mit Stadtrat und Stadtverwaltung wird auch seitens der Stadt Nürnberg inzwischen positiv bewertet. So betonte Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly Anfang 2004 beim Festakt zum 75. Geburtstag Erich Mulzers im historischen Rathaussaal „Mit ihren Aktivitäten haben die Altstadtfreunde der Stadt ein Stück ihres Flerzens, ein Stück großstädtische Identifikationsmöglichkeit, ein Stück Stolz wieder­ gegeben“. Diesem Urteil kann sich der Verein für Geschichte der Stadt Nürn­ berg nur anschließen in der Hoffnung, dass ihre „Schlagkraft“ den Altstadt­ freunden erhalten bleibt, die angesichts von Großprojekten wie den „Sebalder Höfen“ dringender denn je vonnöten erscheint. Michael Diefenbacher

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CUM FIGURIS MAGISTRALIBUS: DAS SPECULUM PASSIONIS DES ULRICH PINDER (NÜRNBERG 1507) IM RAHMEN DER SPÄTMITTELALTERLICHEN ERBAUUNGSLITERATUR Ein Passionstraktat mit Holzschnitten der Dürer-Werkstatt Von Birgit Ulrike Münch Der Nürnberger Ratsherr Anton Tücher spendete im Februar des Jahres 1514 dreihundert Gulden in die Losungsstube', aus der sich die Patris-Sapientia-Stif­ tung speiste. Dem Wortlaut der Stiftungsurkunde zufolge wurden in der St. Sebald-Kirche jeden Freitag die sieben Tagzeiten vom Leiden Christi gesungen1 2, während zugleich am Hauptaltar eine Messe gelesen werden sollte. Vom Tiergärtner Tor bis zum Johannisfriedhof außerhalb der Stadtmauern säumten seit 1507 die auf breiten Pfeilern angebrachten Kreuzwegstationen des Adam Kraft den Weg der Trauergemeinde.3 Die beiden Nürnberger Beispiele sind Ausdruck spätmittelalterlicher Frömmigkeitsübungen, in deren Mittel­ punkt neben den Heiligen vor allem die Passion Christi stand. Auch eine große Anzahl an Erbauungsbüchern, die wesentlich zur Vertiefung der Leidens­ frömmigkeit beitrugen, hat die Leidensgeschichte Christi zum Inhalt; eines davon entstand zeitgleich mit den erwähnten Passionsreliefs des Adam Kraft: Ulrich Pinders Speculum passionis.4 Auskunft über den Herausgeber, Ort und Datum des Druckes gibt der Kolophon:

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Gemeint ist die Zentralstelle für die städtische Finanzverwaltung; vgl. Stadtlexikon Nürnberg, hrsg. von Michael Diefcnbacher und Rudolf Endres, 2. Aufl. Nürnberg 2000, Art. Losungamt. Karl Schlemmer: Gottesdienst und Frömmigkeit in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der Reformation (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte), Würzburg 1980, S. 300ff. Schlemmer erwähnt darüber hinaus die Stiftung eines löblichen gesangs der gedächtnus des obentessens und der angst unnsers herm Jesu Christi, so er im eingang seines leydens am ölperg gehabt hat vom Jahr 1499 für St. Lorenz und St. Sebald. Die Äußerung im Katalog „Caritas Pirckheimer“, das Speculum passionis sei gewiss in Zusammenhang mit diesen Stifungen zu sehen, ist allerdings problematisch: Lotte Kurras/Franz Machilek: Kat. Ausst. Caritas Pirckheimer. 1467-1532, München 1982, S. 127. Hermann Maue: Nürnberg — Stadtbild und Baukunst, in: Nürnberg 1300—1550. Kunst der Gotik und Renaissance, München 1986, S. 42. Dieser Aufsatz stellt eine stark gekürzte Zusammenfassung meiner Magisterarbeit dar, die 2003 an der Freien Universität Berlin eingereicht und von Prof. Dr. Reiner Haussherr sowie PD Dr. Arwed Arnulf betreut wurde. Für die Vermittlung der Publikation innerhalb der Nürnberger Mitteilungen und das Interesse an meiner Arbeit danke ich Herrn Dr. Matthias Mende. Nach 2003 erschienene Literatur wurde in Auswahl eingearbeitet, die Kürzungen betreffen insbeson­ dere die ikonographischen Vergleiche der Holzschnitte sowie die Bild-Text-Analysen; innerhalb des Aufsatzes können lediglich die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend referiert werden.

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Birgit Ulrike Münch

Speculum de passione domini nostri Ihesu christi [...] per doctorem Vdalricu[m] Finder co[n\uexum & in ciuitate imp[er]iali Nurembergen[se] bene Visum & impressum Anno saluti/ fere incarnationis.M.CCCCC.vii. Die vero xxx. mensis Augusti.5 6 Ulrich Pinder kompilierte demnach Textpassagen und druckte das Buch am 30. August 1507 in Nürnberg in seiner eigenen Druckerei. Pinders Passions­ spiegel umfasst 90 beidseitig bedruckte Blätter im Quartformat und gliedert sich in drei Abschnitte. Mit der Ausschmückung des Werkes - 76 Holzschnitte, davon 39 blattgroße Illustrationen - war die Dürer-Werkstatt beauftragt. Von den großen Holzschnitten des Speculum passionis wurden 29 von Hans Schäufelein, drei von Hans Baidung Grien und einer von Hans Süß von Kulmbach ausgeführt. 1. Ulrich Pinder - der Kompilator und Herausgeber des Buches Von dem Nürnberger Stadtarzt Dr. Ulrich Pinder'’ ist allein ein einziger Brief erhalten geblieben, abgefasst am 13. April 1496, der mit folgender Begrüßung beginnt: Vldaricus Pyndarus et Theodoricus Vlsenius7 sanitatem 89 dicunt tribusphilosophis, amicis suis} Angeschrieben werden philosophis ac fratribus studiosissimis - der Theologe Andreas Stiborius, der Dichter und Humanist Konrad Celtis (1459—1508)v und der grammaticus Johannes Stabius, Philosoph und Mathematiker. Das zusam­ men mit Dietrich Ulsenius verfasste Schreiben beinhaltet den Plan der Grün­ dung einer humanistischen Schule in der Stadt Nürnberg sowie die Berufung eines Poetenschulmeisters. Ulrich Pinder stammte aus Nördlingen und war dort ab dem Jahr 1484 Physikus, woraufhin er 1489 als Leibarzt an den Hof des Kurfürsten Friedrich von Sachsen berufen wurde, was möglicherweise auf eine Empfehlung des Philoso5 6

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Ulrich Pinder: Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi, Nürnberg 1507, Kolophon fol. XC v. Georg Scheja: Über Ulrich Pinder, in: Festschrift Wilhelm Pinder zum sechzigsten Geburts­ tage, Leipzig 1938, S. 434^140; Hans-Otto Keunecke: Art. „Pinder, Ulrich“, in: Lexikon des gesamten Buchwesens, 1999, Bd. 6, S. 14; Ders.: Friedrich Peypus, in: MVGN 72 (1985), S. 1-65, bes. S. 12-16. Zur Biographie des Arztes Dietrich Ulsenius siehe Hans Rupprich (Hrsg.): Der Briefwechsel des Konrad Celtis, München 1934, S. 90f. Rupprich, Briefwechsel Celtis (wie Anm. 7), S. 176, Brief Nr. 106. Dieter Wuttke: Art. „Celtis, Conradus, Protucius“, in : LMA, Bd. II, Sp. 1608f.

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Das Speculum passionis des Ulrich Pinder

phen und Arztes Martin Pollich Mellerstadt zurückging.10 Im Jahr 1493 berief ihn der Nürnberger Rat zum Stadtarzt.11 Deutlich wird die Parallele zu Hart­ mann Schedel (1440-1514): Ebenso wie dieser versuchte sich Pinder mit einer eigenen Druckerei neben dem Arztberuf noch in jenem des Schriftstellers und Herausgebers.12 Berühmter als Ulrich Pinder war der Drucker Friedrich Peypus, mit dem Pinder in engster Verbindung stand13, war er doch zunächst dessen Mitarbeiter, ehelichte Pinders Tochter und übernahm am 25. Juli 1512 - sieben Jahre vor Pinders Tod14 - dessen Druckerei.15 Im vierten Band des Briefwechsels von Willibald Pirckheimer (1470-1530)16 ist in einem auf den 20. Februar 1519 zu datierenden Brief Martin Futhers an Pirckheimer von einem Ulrich Pinder die Rede. Futher empfiehlt jenen, falls der Nürnberger Rat eine Pfründe für ihn habe.1 Auch Melanchthon bittet in einem Brief, der einen Tag nach dem oben genannten verfasst wurde, Pirckhei­ mer um Wohlwollen und Förderung für Ulrich Pinder.18 Nach Datierung und Formulierung zu urteilen, handelt es sich jedoch bei der betreffenden Person um den Sohn des Druckers Ulrich Pinder, der sich 1511 in Wittenberg imma­ trikulierte, 1525 zum Professor der Rechtswissenschaften berufen wurde und ab 1531 als Advokat in Nürnberg ansässig war.

10 Scheja (wie Anm. 6), S. 434: „Er verdankte sie [seine Berufung] zweifellos dem bekannten Für­ sprecher aller Humanisten am kurfürstlichen Hofe, dem Philosophen und Arzt Mellerstadt, der seit 1482 Leibarzt und Vertrauter Friedrichs des Weisen war“. Siehe auch: Ingetraud Ludolphy: Friedrich der Weise. Kurfürst von Sachsen 1463-1525, Göttingen 1984, S. 60. 11 J. Braun: Art. „Pinder, Ulrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 26, Berlin 1970, S. 149f. 12 Zu Hartmut Schedel in seiner Doppelfunktion als Arzt und Herausgeber siehe: Bernd Lorenz: Nürnberger Arzte als Büchersammler: Medizinische Privatbibliotheken des 15.-18. Jahrhun­ derts, in: MVGN 72 (1985), S. 75ff. 13 Dies beweist auch das Schlusswort zur Bruderschaft St. Ursula: Impressum Per Friedericum Peypus in domo doctoris Binder, aus: Braun (wie Anm. 11), S. 149. 14 Hans-Otto Keunecke: Friedrich Peypus (1485-1535), in: MVGN 72 (1985), S. 12. 15 Josef Benzing: Wer war der Drucker für die Sodalitas Celtica in Nürnberg?, in: Mitteilungen aus der Stadtbibliothek Nürnberg 4 (1955), H. 2, S. 1-14, bes. S. 12f. 16 Dieter Wuttke: Art. „Pirckheimer, Willibald“, in: LMA, Bd. VI, Sp. 2174f. 17 Helga Scheible: Willibald Pirckheimers Briefwechsel, Bd. 4, München 1997, S. 21 f, Brief-Nr. 587. Nunc, quia antea tardius respondi, ipse prevenio scribendo. Ad quod sane me pepulit hominis huius Uldarici Pindari et probi et honesti, denique docti amor et familiaritas, ut eum tuae d[ominationi] diligenter commendarem, ut qui egeat officio et benignitate tua, siqua apud insignem vestrum senatum mereatur donari beneficio seu sacerdotiolo quopiam. Oro itaque et supplico, si quis potes. Potes autem plurimum. Oro a[u]tem primum pro me, ut pro tua humanitate hanc meam importunitatem equo feras animo, deinde pro eo; dignus est enim homo et favore et officio boni viri. 18 Scheible (wie Anm. 17), S. 23f, Brief-Nr. 588.

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Birgit Ulrike Münch

Die edierten Briefe Pirckheimers geben somit nur indirekt Auskunft über den hier interessierenden Vater Ulrich Pinder. Er hatte am Hofe Friedrichs des Weisen gelebt und stand dort in direktem Kontakt mit wichtigen Gelehrten seiner Zeit. Aus der Urkunde der Eheschließung von Pinders Tochter Martha 1512 ist ersichtlich, dass Hartmann Schedel als Trauzeuge fungierte.19 Der Herausgeber der Weltchronik, der eine umfangreiche Büchersammlung besass, war somit möglicherweise mit seinem Kollegen Pinder zumindest bekannt, wenn nicht sogar befreundet. Nach Durchsicht der Briefwechsel von Celtis und Pirckheimer ist somit festzuhalten, dass Pinder im unmittelbaren Umfeld der bekannten Humanisten seiner Zeit stand und zumindest im weiteren Kreis der Celtis-Bekanntschaften anzusiedeln ist. Darüber hinaus war er ein wohlhabender Mann, wie sich ebenso der erwähnten Heiratsurkunde seiner Tochter entnehmen lässt: Pinder stiftete dem Brautpaar zwei Typenalphabete im Wert von 70 Gulden sowie Bücher im Wert von 30 Gulden.20 Ein stattliches Hochzeitsgeschenk, wenn man bedenkt, dass um 1510 die Kosten zur Ernährung einer vierköpfigen Familie pro Jahr 34 3/t Gulden betrugen.21 Ulrich Pinder hinterließ neben dem Speculum passionis eine Reihe weiterer Schriften medizinischen oder theologischen Inhalts. Zu letztgenannter Gruppe sind Werke wie der Beschlossen gart des rosenkrantz marie von 1505 oder die Bruderschaft St. Ursula von 1513 zu zählen. Der Schwerpunkt seines Interes­ ses lag jedoch bei den medizinischen Lehrschriften.22 Neben dem Aegidii liher de Urinis cum Gentilis Comentario von 1504 oder dem Speculum Phlehotomiae (1510)23 sei vor allem das medizinische Hauptwerk Pinders erwähnt: die Epiphania medicorum,24 die sich auf die Grundsätze der antiken Ärzte Hippokrates und Galen beruft. Pinders medizinische Werke tragen zum Teil Widmungen an Friedrich den Weisen oder ein Porträt des Kurfürsten als Titel­ holzschnitt. Auch im letzten erhaltenen Werk, der deutschen Ausgabe der Bruderschaft St. Ursula, wird als Auftraggeber der kursächsische Rat und 19 Nürnberg, Lib.Lit. 19 (33), fol. 162-163; Benzing publizierte die Urkunde: Benzing (wie Anm. 15), S. 1-14, bes. S. 12f. 20 Aus dem Ehevertrag vom 25. Juli 1522: Vlrich Pinder doctor ime und ir zu zuschatz und heirat­ gut zwo gegossen Schrift zu einer press für sibenzig gülden und gedruckte püecher für dreissig gülden angeslagen und darzu fünfzig rheinisch gülden geben, auch zimplich claiden und die hochzeit verlegen soll, Keunecke (wie Anm. 14), S. 11. 21 Hildegard Weiss: Lebenshaltung und Vermögensbildung des „mittleren“ Bürgertums. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Reichsstadt Nürnberg zwischen 1400 und 1600, in: ZBLG 14, Reihe B (1980), S. 112. 22 Scheja (wie Anm. 6), S. 435. 25 Scheja (wie Anm. 6), S. 438f. 24 Scheja (wie Anm. 6), S. 438.

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Das Speculum passionis des Ulrich Pinder

Kunstsachverständige Friedrichs des Weisen, Degenhart Pfeffinger genannt.25 Diese Indizien sprechen dafür, dass eine Verbindung zum sächsischen Hofe auch die gesamte Nürnberger Zeit hindurch bestand. 2. Speculum passionis - ein Spiegel zur Erbauung In der Fülle mittelalterlichen Schrifttums findet sich der Buchtitel speculum relativ häufig und oftmals in Verbindung mit einem das Werk näher charakte­ risierenden Genitivattribut.26 Obgleich der Begriff nahezu alle Bereiche der Literatur umfasst, so besteht doch der Großteil der als Specula bezeichneten Werke aus religiösen Abhandlungen.27 Die in diesem Zusammenhang interessierende Passion Christi besitzt selbst­ verständlich einen hohen Stellenwert innerhalb der Erbauungsliteratur. Den vier kanonischen Evangelien gesellen sich bis zum Ende des Mittelalters verschiedene Texte hinzu. Die Passionserzählung wird aufgrund des steigen­ den Bedürfnisses nach Meditationsstoff und Anleitungen zur Leidensnach­ folge etwa ab dem 13. Jahrhundert besonders betont und durch neue Motive erweitert.28 Zu den wichtigsten Werken zählen aus dem späten 13. Jahrhundert die Meditationes vitae Christi1'’ des Pseudo-Bonaventura, genauer gesagt der darin enthaltene Teil de passione, aus dem frühen 14. Jahrhundert Ubertin von Casales Arbor vitae crucifixae Iesui0; weiterhin entstanden um 1350 die 25 Scheja (wie Anm. 6), S. 439. Pinder zitiert den Kolophon des Werkes der Bruderschaft St. Ursula: Soliche löbliche Bruderschaft [...]habe ich Doctor Ulrich Pinder, Statarzte zu Nürn­ berg [...] durch Angebung des edlen [...]herren Digenhart Pheffinger[...]in deutsch und Latein gedruckt zu Nürnberg, Anno Domini MCCCCCXIII. 26 Im 14. und 15. Jahrhundert erlebte die Spiegelliteratur ihren Höhepunkt, entstanden damals doch eine Vielzahl didaktischer und katechetischer Werke. Vgl.: Robert Bradley: Backgrounds of the Title Speculum in Medieval Literature, in: Speculum 29 (1954), S. 100-115; Herbert Grabes: Art. „Spiegel“, in: Peter Dinzelbacher (Hrsg.): Sachwörterbuch der Mediävistik, Stuttgart 1992, S. 769f. 22 Bradley (wie Anm. 26), S. lOOf. 28 James A. Marrow: Passion Iconography in Northern European Art of the Late Middle Ages and Early Renaissance - A Study of the Transformation of Sacred Metaphor into Descriptive Narrative, Kortrijk 1979, S. 1: „Interests in the specifics of Christ's life and sufferings produced analogous transformations in literature and art. In both we find a growth and popularisation of narrative treatments of Christ's life and passion, particularly those that Supplement the meagre accounts of the Gospels by introducing descriptive details and anecdotes not reported by the four Evangelists. (...) Literary evidence for this development first appears in concentrated form during the thirteenth Century in anonymous Latin works that circulate under the names of distinguished devotional authors.” 29 Meditationes Vitae Christi. In: S. Bonaventurae Opera omnia, ed. A.C. Peltier, Paris 1864-1871, Bd. 12, S. 509-630. 30 B. G. Guyot : «Arbor vitae crucifixae Iesu» dUbertin de Casale et ses emprunts au «De articulis fidei» de S. Thomas d'Aquin, (Stud. honor. I. Chr. Brady Friar Minor, ed. R.S. Almagno, C. L. Harkins, Princeton 1976), S. 293-307.

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Meditationes de passione Christi des Jordanus von Quedlinburg31 und Ludolf von Sachsens Vita Iesu Christi?2 Im 15. Jahrhundert folgten schließlich Thomas von Kempens De passione Christi und De imitatione Christi,33 dane­ ben Passions-Horologien, Werke der so genannten „Spiegel“-Literatur wie das Speculum humanae salvationis und Darstellungen der „Geheimen Leiden Christi“, um nur einige der wichtigsten Werke zu nennen. Diese Passionstrak­ tate bezeichnet Ruh als „Grundgefäß, in dem sich im Spätmittelalter fast alle fromme Betrachtung über Leiden und Sterben des Herrn ergossen hat.“34 Predigt, geistliches Spiel und auch die epische Dichtung hätten von ihm die „theologische Substanz“ bezogen.35 In der Tradition von Ruh36 und Pickering37 untersuchte Marrow grund­ legend die sich in der Erbauungsliteratur entwickenden narrative treatments oder narrative imageries der Passion Christi, stellte somit die Frage nach dem Ursprung jener neuen Passionsszenen, die das Leiden Jesu - oft in Rück­ griff auf das Alte Testament - ausführlicher schilderten oder um Passagen bereicherten und sich auf die Literatur und mit Verzögerung auf die Kunst auswirkten.38 Seine Ergebnisse sind noch immer richtungsweisend bei der Beschäftigung mit der Passionsikonographie39, eine Erweiterung seiner For­ schungsergebnisse findet sich bei Bestul40, der die von Marrow aufgelisteten Quellen zur Passion in Tabellenform wiedergibt und ergänzt.41

51 Adolar Zumkeller: Art. „Jordanus von Quedlinburg“, in: LMA, Bd. V, Sp. 629. Ludolphus de Saxonia: Vita Jesu Christi e quatuor Evangeliis et scriptoribus orthodoxis concinnata, hrsg. v. L. M. Rigollot, Paris-Brüssel 1878. 33 Ob Thomas von Kempen der Autor der Meditationes ist, ist nicht belegt; sicherlich legte er zumindest letzte Hand an das Werk, vgl. P. E. Puyol: L'auteur du Livre De Imitatione Christi, 2 Bde, Paris 1899-1900; M. Gerwing: Art. „Thomas a Kempis“, in: LMA, Bd. VIII, Sp. 720. 34 Kurt Ruh: Zur Theologie des mittelalterlichen Passionstraktats, in: Theologische Zeitschrift 6 (1950), S. 19. 35 Vgl. Maria Kisser: Die Gedichte des Benedictus Chelidonius zu Dürers Kleiner Holzschnitt­ passion, Diss. Masch. Sehr., Wien 1964, S. 77. 36 Ruh (wie Anm. 34), S. 17-39. 37 Frederick Pickering: Literatur und darstellende Kunst im Mittelalter (Grundlagen der Germa­ nistik 4), Berlin 1966. 38 Marrow (wie Anm. 28), S.2: „It appears, moreover, that narrative treatments of Christ’s passion evolved more slowly in art than in literature.“ 34 Vgl. Reiner Haussherr (Rez.): James A. Marrow, Passion Iconography in Northern European Art of the Late Middle Ages and Early Renaissance - A Study of the Transformation of Sacred Metaphor into Descriptive Narrative, Kortrijk 1979, in: ZfK (1985), S. 265-270. 40 Thomas H. Bestul: Texts of the Passion. Latin Devotional Literature and Medieval Society, Pennsylvania 1996. 41 Marrow (wie Anm. 28), Appendix: „Principal sources“, S. 207-223.

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Das Speculum passionis des Ulrich Pinder

Jene von Marrow beschriebenenen narrative passion imageries - sinngemäß zu übersetzen etwa mit „bildliche Umsetzungen außerbiblischer Textpassa­ gen“- lassen sich auch im Speculum passionis in Bild und Text finden. Als Bei­ spiel seien die Sieben Fälle Christi, die Entkleidung Christi oder der Abschied Christi von seiner Mutter angeführt.42 Zu letzterem schreibt Pinder: „[...] de hac separatione non multum scribant euangeliste“Ai. Doch realiter findet sich diese Szene überhaupt nicht in den Evangelien, sondern im apokryphen Nikodemus-Evangelium.44 3. Zur Forschungslage In Anbetracht der Tatsache, dass das Speculum passionis von den wohl berühm­ testen Schülern Dürers - Hans Baidung Grien und Hans Schäufelein illustriert wurde, ferner dass die Holzschnitte eine große Nachfolge erfuhren, wie Löcher45 überzeugend nachweisen konnte, sowie gemessen am Bekannt­ heitsgrad des Buches, fand sich das Buch in den Vitrinen und Katalogen von Ausstellungen wie Spätmittelalter am Oberrhein46, Spiegel der Seligkeit47 oder aktuell zu Dürers Marienleben in der Bibliothek Otto Schäfer48, so lässt sich resümieren, dass das Buch von der kunsthistorischen Forschung bislang relativ knapp bearbeitet wurde. Eine monographische Abhandlung, die das Werk im Ganzen untersucht hätte, fehlt. Der Text des Erbauungsbuches war bislang von geringem Interesse, so dass der Text-Bild-Bezug unzureichend bearbeitet ist.

42 Pinder (wie Anm. 5), fol. XXXIXr; fol. XLr und XVIIIr. 44 Pinder (wie Anm. 5), fol. XIXr. 44 Zum Nikodemusevangelium siehe Günter Bernt: Art. „Nikodemusevangelium“, in: LMA, Bd. VI, Sp. 1163f. mit weiteren Literaturangaben. 45 Kurt Löcher: „Dürer-Ersatz. Hans Schäufeleins Holzschnitte des Speculum passionis und ihre Wirksamkeit auf die Künstler“, in: Spiegelungen. Festschrift Hermann J. Abs, hrsg. v. Werner Knopp, Mainz 1986, S. 61-90. Zu den Nachwirkungen der Speculum-Holzschnitte zählt das Ecce homo in der Trinitatiskapelle Goslar vom Meister der Goslarer Sibyllen (1520), das Stein­ relief im Wiener Stephansdom von um 1515 oder der Pulkauer Heilig-Blut-Altar des Meisters der Historia Friderici et Maximiliani von 1518-21, der ebenfalls in Abhängigkeit vom Ecce homo-Holzschnitt des Speculum passionis steht. 46 Spätmittelalter am Oberrhein. Maler und Werkstätten 1450-1525, Kat. Ausst. Karlsruhe, Stutt­ gart 2001, Kat. Nr. 257, S. 427f. 47 Spiegel der Seligkeit. Privates Bild und Frömmigkeit im Spätmittelalter, Kat. Ausst., Nürnberg 2000, Kat. Nr. 159, S. 336. 48 Andachtsliteratur als Künstlerbuch. Dürers Marienleben, hrsg. v. Anna Scherbaum, Claudia Wiener und Georg Drescher, Kat. Ausst. Schweinfurt 2005, S. 78-80.

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In einzelnen Arbeiten zu den drei beteiligten Künstlern wurden die Holz­ schnitte zwar aufgelistet,49 doch geht dies in den meisten Fällen nicht über eine bloße Erwähnung hinaus.50 Selbst die Ikonographie der Holzschnitte und deren Vorbilder wurden bisher unzulänglich erforscht: Eine Grazer Disserta­ tion, die die Holzschnitte hauptsächlich anhand stilkritischer Betrachtungen untersuchte, muß in einigen Punkten revidiert werden.51 Um die Vorbilder des Speculum passionis herausarbeiten zu können und um zu untersuchen, ob es sich um häufig dargestellte Szenen handelt, ist eine detaillierte Gegenüberstellung der ganzseitigen Holzschnitte mit anderen Passio-Christi-Zyklen unerlässlich. Die erste kunstwissenschaftliche Erwähnung des Speculum passionis findet sich bei Füßli im Jahr 1779.52 Hiernach erfolgten Anmerkungen in Panzers Annales Typographici von 179953 und bei Bartsch 1866.54 Hans Schäufelein, der den weitaus größten Anteil an der Holzschnittillustration trägt, wurde in die­ sen Publikationen als alleiniger Illustrator des Erbauungsbuches angesehen. Retberg55 legte den Anteil Schäufeleins auf die heute noch anerkannte Anzahl fest. Erste Bildbeschreibungen der „Speculum-Wo\zsc\\n\ne“ finden sich bei Muther56, während Rieffel 1892 alle Illustrationen Hans Schäufeleins benennt und die stilistischen Besonderheiten Schäufeleins definiert.57 49 So beispielsweise in Maria Consuelo Oldenbourg: Die Buchholzschnitte des Hans Schäufelein, Baden-Baden/Straßburg 1964; Dies.: Die Buchholzschnitte des Hans Baidung Grien, Baden Baden/Straßburg 1962; Karl Heinz Schreyl (Hrsg.): Hans Schäufelein. Das druckgraphische Werk, 2 Bde., Nördlingen 1990. 40 Eine Ausnahme bildet der Anhang der deutschen Faksimileausgabe des Speculum passionis von 1663. Hier wird eine Einführung in das Werk gegeben, die sich jedoch primär auf die unbebilderte Ausgabe des 17. Jahrhunderts bezieht: Ulrich Pinder: Das Speculum passionis. Das ist deß bitteren Leydens und Sterbens Jesu Christi, Salzburg 1663, Faksimileausgabe nach dem Exem­ plar der Deutschen Staatsbibliothek Berlin (Sign. Bs 2405), kommentiert von Helmar Junghans und Christa-Maria Dreissiger. 51 Heidetraut Ocherbauer: Die Buchholzschnitte des Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi aus dem Jahr 1519, Diss. (Masch.Schr.), Graz 1987. 52 Johann Rudolf Füßli: Allgemeines Künstlerlexicon, Zürich 1979, S. 590; Gien Richard Brown: Historical discontinuity and Henry Füseli's writings on art, Michigan 1991/1993. 53 Georg Wolfgang Panzer: Annales Typographici, Bd. VII, Nürnberg 1799, S.446: Fol. cum figg. Johann Scheufelini Ligno incisis. Ders.: Geschichte der Nürnbergischen Ausgaben der Bibel von Erfindung der Buchdruckerkunst bis auf unsere Zeiten, Nürnberg 1778. 54 Adam Bartsch: Le peintre Graveur, Bd.VII, Leipzig 1866, S. 245-255. Der elfte Band von The Illustrated Bartsch, Sixteenth Century German Artists, Bd. 11, New York 1980, gibt die Holzschnitte Schäufeleins mit 34 an (S. 209). 55 Ralf Leopold von Retberg: Nürnberger Briefe zur Geschichte der Kunst, Hannover 1864, S. 169-171; 21 lf. 56 Richard Muther: Die deutsche Bücherillustration der Gotik und Frührenaissance, München 1884, S. 145-147, Tafel 178-201. Des weiteren fand das Werk im 30. Band der allgemeinen deut­ schen Biographie Erwähnung: Christian Mayer: Art. „Schäufelein“ in: ADB 30, 1890,

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Für kontroverse Diskussion sorgte ein 1941 erschienener Aufsatz.58 Winkler würdigte hier das Werk als „das erste große Buch der Dürerzeit in Nürnberg, in dem sich Bild und Schrift die Waage halten“ und stellte anhand stilistischer Vergleiche die These auf, Dürer habe sich für seine „Kleine Holzschnittpas­ sion“ (1509-1511) Anregungen von seinem Mitarbeiter Schäufelein geholt. In seinem Buch über die Schäufelein-Zeichnungen bekräftigt er, dass es „der lebendige und gefühlvolle Naturalismus“ der Schäufeleinschen SpeculumBilder gewesen sei, der „Dürer veranlasste, diese Folge durch seine kleine Holzschnittpassion zu überbieten“.59 Das Problem, ob Schäufelein tatsächlich dem Meister vorausging oder nicht, konnte bislang ebensowenig befriedigend verifiziert werden wie die These, das Speculum passionis sei eine neue Art des erbaulichen Buches. Waetzoldt resü­ miert im Ausstellungskatalog „Meister um Dürer“60, „mit einer so umfangrei­ chen Folge großer Schnitte, die nur mit Dürers 1498 erschienener Apokalypse vergleichbar ist, schuf Pinder einen neuen Typ des Erbauungsbuches, in dem die Bilder dem Text zumindest gleichwertig sind“, ohne jedoch konkrete Punkte anzusprechen. Er äußerte des weiteren die Vermutung, der Erfolg dieses „Bilderbuches“ [des Speculum passionis, Anm. d. Verf.] habe Dürer zu der Ausgabe seiner drei großen Holzschnittfolgen61 in Buchform im Jahr 1511 veranlasst.62 Diese Ansicht teilt auch Kisser, die innerhalb ihrer Dissertation über die Passions­ gedichte des Benediktus Chelidonius das Speculum passionis in die Reihe der spätmittelalterlichen Passionstraktate einordnet.63

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S. 624-634; Karl Theodor Parker: Drawings of the Early German Schools, London 1926, S. 15f: „Das beste bei Schäufeleins Werk sind die Illustrationen zum Speculum, alle anderen Werke zeigen eine gewisse Oberflächlichkeit.“ Friedrich Rieffel: Studien aus der Mainzer Gemäldegalerie, in: Repertorium für Kunstwissen­ schaft 15, 1892, S. 288-305. Diese Erwähnung erfolgte innerhalb einer Abhandlung über einen Altar der Mainzer Sammlung, der heute jedoch nicht mehr Schäufelein, sondern Martin Caldenbach zugeschrieben wird. Friedrich Winkler: Dürers „Kleine Holzschnittpassion“ und Schäufeleins „Speculum-Holzschnitte“ in: Zeitschrift d. dt. Vereins f. Kunstgesch. 7 (1941), S.197-208, hier S. 199. Friedrich Winkler: Die Zeichnungen Hans Süß von Kulmbachs und Hans Leonhard Schäufel­ eins, Berlin 1942, Einleitung. Stephan Waetzoldt: Kat. Ausst. „Meister um Dürer“, Nürnberg 1961, S. 60. Ebenso Rainer Schoch, in: Kat. Ausst. Nürnberg 1300-1550, Kunst der Gotik und Renaissance, München 1986, S.97, demzufolge im Speculum passionis „ein lebendiges Verhältnis von Schrift und Bild hergestellt“ werde. Unter den „Drei großen Büchern“ versteht man die Apokalypse, das Marienleben sowie die Große Passion. Waetzoldt (wie Anm. 60), S. 60. Kisser (wie Anm. 35), S. 124: „Das Jahr 1507 mit seiner Ausgabe des „Speculum passionis“ scheint also für Dürer den entscheidenden Anstoss gegeben zu haben, nun auch nach und nach die Bilder seiner Holzschnittfolge entstehen zu lassen.“

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Waetzoldts erstgenannte These wird im Nürnberger Ausstellungskatalog 197164 von Deneke angezweifelt.65 Auch sieht der Autor des Katalogartikels nicht grundsätzlich das Speculum als „Anregung“ für Dürers Holzschnitt­ publikationen an.66 Im Katalog der Caritas Pirckheimer-Ausstellung 1982 wird das Speculum passionis als Beispiel für die besonders ausgeprägte Nürnberger Passionsfrömmigkeit angeführt, was an anderer Stelle kritisch beleuchtet werden müsste, sprechen doch einige Fakten gegen diese Theorie.6 Weih-Krüger untersuchte das Frühwerk Hans Schäufeleins, wobei sie sich besonders mit dem malerischen (Euvre auseinandersetzte,68 jedoch auch kurz auf die Datierungsproblematik innerhalb der Holzschnittfolge zu sprechen kommt. Eine stilgeschichtliche Analyse sowie zwei Neuzuschreibungen der Speculum-Holzschnitte findet sich in der erwähnten Dissertation von Ocher­ bauer.69 Neben den angesprochenen problematischen Zuschreibungen bearbei­ tete sie die zweite Ausgabe des Speculum passionis von 1519, die in einigen Holzschnitten von der Erstausgabe abweicht, und bezog den Text nicht in ihre Untersuchung ein. Einen guten Einblick in die Forschungslage gewährt hin­ gegen Schreyl in seinem zweibändigen Werk zur Druckgraphik Hans Schäufe­ leins.70 Er meldet, im Rückgriff auf Löcher, Zweifel an der Winklerschen These an, ohne sie jedoch an dieser Stelle zu präzisieren.71 Diese Indifferenz zeigt sich ebenso in der neueren Forschung. Winklers Aufsatz wird zumeist kommentarlos zitiert, so im Ausstellungskatalog M Albrecht Dürer 1471-1971, Kat. Ausst. Nürnberg, München 1971. 65 Bernhard Deneke: Spätmittelaltcrliche Frömmigkeit, in: Kat. Ausst. Dürer (wie Anm. 64), S. 194: „Die These, dass Ulrich Pinder mit dem Speculum der Leidensgeschichte einen neuen Typ des Erbauungsbuches schuf (...) dem Text zumindest gleichwertig sind, wird, ohne dass die Rolle des Bildes in den Drucken dieser Gattung aus der Zeit vor der Reformation generell geklärt ist, ihre Problematik haben.“ “ Kat. Ausst. Dürer (wie Anm. 64), S. 194: „Dürer könnte das Werk zur Edition seiner Holz­ schnittfolgen in Buchform angeregt haben“. 67 Es existieren keine Quellen, die auf eine ausgeprägte Passionsfrömmigkeit in Nürnberg hinweisen würden. So findet sich im Gegenteil in den Ratsakten vom April 1497 ein Antrag, bezüglich des osterspils halben im neuen Spital, es sei bei einem besamenten rat fürzelegen, ob das abzestellen were. Der Ratserlaß ist abgedruckt bei: Herbert Paulus: Die ikonographischen Besonderheiten in der spätmittelalterlichen Passionsdarstellung Frankens. Eine Untersuchung hinsichtlich der Wechselbeziehungen zwischen Tafelmalerei und zeitgenössischer geistlicher Literatur, Würzburg 1952, S. 27. 68 Sonja Weih-Krüger: Hans Schäufelein. Ein Beitrag zur künstlerischen Entwicklung des jungen Hans Schäufelein bis zu seiner Niederlassung in Nördlingen 1515 unter besonderer Berück­ sichtung des malerischen Werkes, Nürnberg 1986, S. 25-42. 69 Ocherbauer (wie Anm. 51). 70 Schreyl (wie Anm. 49). 71 Schreyl (wie Anm. 49), Bd. I, S. 83: „Wenn nun Kurt Löcher 1986 schreibt, Schäufelein sei in den Holzschnitten des Speculum passionis dem Meister vorangegangen, dann drückt das betont

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„Spiegel der Seligkeit“72, oder kommentarlos in Frage gestellt.73 Eine eindeutige Aussage aufgrund neuer Erkenntnisse lässt sich jedoch selten finden. Position beziehen jedoch die neueren Arbeiten zu diesem Thema, so Hass in ihrem im Jahr 2000 erschienenen Aufsatz in der Zeitschrift für Kunstgeschichte.74 Dürer habe sich keineswegs Schäufelein zum Vorbild genommen, da dies nicht dem Lehrer-Schüler-Verhältnis entsprochen hätte. Auch der im September 2002 erschienene zweite Nürnberger Dürer-Band spricht sich gegen die These Winklers aus, wiederum ohne die Gründe anzuführen. Schneider resümiert, „es scheinen sich jedoch jene Stimmen in der Literatur durchgesetzt zu haben, die dafür plädieren, dass Schäufelein in seinen Holzschnitten gemeinsames Gut der Dürerschen Werkstatt verarbeitet hat.“75 Nach Sichtung der vorhandenen Literatur, die sich in mehr oder weniger großem Umfang dem Erbauungsbuch Ulrich Pinders widmet, zeichnen sich somit folgende Forschungsdesiderate ab: Wie eingangs erwähnt, wurde bislang nur am Rande der umfangreiche Text in die kunsthistorischen Fragestellungen miteinbezogen. Selbst die philologi­ sche Arbeit von Kisser, die sich mit den Gedichten des Benedictus Chelidonius zu Dürers kleiner Holzschnittpassion beschäftigte und in diesem Zusammen­ hang auf das Speculum zu sprechen kommt, und die Editoren der FaksimileAusgabe der deutschen Übersetzung des Speculum von 1663 konnten die ge­ nauen Textquellen, die dem Speculum passionis zugrunde liegen, nicht klären.76 Neben der Bestimmung der Haupttextquelle des Werkes sind die Vorlagen der Holzschnitte herauszuarbeiten und das Text-Bild-Verhältnis zu analysieren. Die Resultate erlauben die Klärung weiterer Fragen: Zum einen ist die These Winklers zu überprüfen, ob und inwieweit Schäufelein Dürers Passionszyklus beeinflusste, und in welchem Umfang Schäufelein von früheren, zumeist druck­ graphischen Werken seines Lehrers profitierte. Ein weiteres Forschungs-

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Zurückhaltende einer solchen Formulierung Skepsis aus, eine Skepsis, die dem Leser noch deut­ licher wird, wenn Löcher dieses Vorangehen als auf den Bedarf nach einer reproduzierbaren voll­ ständigen Passion eingeschränkt erscheinen läßt.“; Löcher (wie Anm. 45), S. 63f: „Dürers Bilder­ findungen, sollten sie nicht verlieren, mußten bis ins Detail übernommen werden.“ Spiegel der Seligkeit, Kat. Ausst., Nürnberg 2000, S. 336. Jeffrey Chipps Smith: Nuremberg. A Renaissance City, 1500-1618, Austin, 1983, S. 141. Angela Hass: Two Manuals by Albrecht Dürer: The Small Passion and the Engraved Passion Iconography, Context and Spirituality, in: ZfKg 63 (2000), S. 169-230. Erich Schneider in: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Bd. II, hrsg. von Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum, München/Berlin u.a. 2002, S. 280- 285. Darüber hinaus erschien der Nachdruck im 17. Jahrhundert bilderlos, in der Faksimileausgabe wurden die Holzschnitte an relativ beliebiger Stelle in den Text eingefügt, was sie für einen Bild-Text-Vergleich ungeeignet macht.

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desiderat scheint es zu sein, den Stellenwert des Werkes innerhalb der Erbau­ ungsliteratur um 1500 herauszuarbeiten und die kontrovers diskutierte Frage zu stellen, ob das Speculum - laut Waetzoldt - als „Erbauungsbuch neuen Typs“ bezeichnet werden darf. Eingerahmt wird dieser Hauptteil der Arbeit von einer Skizzierung der zeitgenössischen Werkstattsituation im Hause Dürer, von Überlegungen zum möglichen Auftraggeber des Speculum passionis, zur zweiten Ausgabe des Werkes im Jahr 1519 sowie zur Leserschaft. 4. Gestalt, Aufbau und Gliederung des Werkes77 Durch das Titelblatt78 erfährt der Leser den vollständigen Titel des dreiteiligen Werkes Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi.™ Dem Prologus schließt sich Teil I - das Prooemium - an (fol. Iv), es folgen die Executio (fol. XXIr) und die Conclusio (fol. LXVv). Das Buch umfasst neunzig Blatt im Quartformat, die Seitengröße beträgt 280 zu 200 mm, die ganzseitigen Holzschnitte messen 136x161 mm. Alle Illustrationen sind auf ihrer Rückseite bedruckt. Die Nummerierung auf der recto-Seite ist in römischer Zahl ausgeführt, die ■yerso-Seiten geben oberhalb der beiden Kolumnen als Kopfzeile den jeweiligen Teil der Trilogie an. Der Prolog des Speculum passionis auf fol. Ir greift sogleich die Spiegel­ thematik auf: [...] idest speculu[m] dilige[n]ter inspiciendu[m] & efficaciter ymita[ri\du[m\}° Der Gekreuzigte, der zur Illustration auf der Titelrückseite dem Text gegenübergestellt ist81, solle ein Spiegel sein, in dem sich der Leser fleißig beschauen solle und dem er erfolgreich nachfolgen möge. Der erste Teil des Werkes beginnt mit einer Anleitung zur korrekten Passions­ meditation, der „Ermahnung zur Betrachtung des Leidens Christi“, und führt die unterschiedlichen Weisen, das Leiden zu betrachten, genau auf. Hiernach

77 Grundsätzlich wird bei den folgenden Betrachtungen von der Erstausgabe 1507 ausgegangen. Die im Jahr 1519 erschienene zweite Auflage plazierte die Holzschnitte selten im direkten Zusammenhang mit dem Text. 78 Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi. In quo relucent hec omnia singulariter vere & absolute: puta. Omnisperfectio yerarchie. Omnium fedelium beatitudo. Omnes virtutes. Dona. Fructus. Ex spiritualium bonorum omnium efficacia. Quod in fine prime partis huius speculi manifestissime comprabant. Pinder (wie Anm. 5), fol. Ir.

79 Pinder (wie Anm. 5), Titelblatt r. 80 Pinder (wie Anm. 5), fol.Ir. 81 Hans Schäufelein, Christus am Kreuz, Holzschnitt, 236 x 161 mm, Titelblatt v.

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werden „zwanzig Früchte oder Nutzen des Leidens Christi“ vorgestellt. Mit dem „Einzug in Jerusalem“ beginnen die Szenen zur Vita Christi-, der Tempelreinigung (Abb. 1 u. 2), dem Abschied von Maria und dem Abendmahl Christi folgt die Fußwaschung, mit welcher die Pars prima endet. Diese Szenen können als Präfigurationen der Passion Christi angesehen werden82. Jede der aufgezählten Szenen ist mit einem blattgroßen Holzschnitt illustriert. Interes­ sant ist, dass im Speculum passionis auf jene weiteren Leben-Jesu-Szenen verzichtet wurde, die in anderen Passionszyklen oftmals dem Einritt vorange­ stellt sind, wie beispielsweise der Sündenfall, die Verkündigung, das Gastmahl bei Martha oder die Erweckung des Lazarus.83 Die Passionsszenen finden sich sämtlich im zweiten, umfangreichsten Teil, den die Literatur korrekt als Hauptteil des Werkes anspricht.84 Die eigentliche Passion, die mit den Bege­ benheiten am Olberg beginnt, ist im Speculum passionis in 65 Artikel unterteilt. Die Olberg-Szene - das erste Kapitel des zweiten Teils - ist in Pinders Werk als De pavore & tristitia Christi (Uber die Furcht und Traurigkeit Jesu) über­ schrieben. Auch hier illustriert je ein ganzseitiger Holzschnitt ein Kapitel, das Gebet im Garten Getsemani wird sogar von zwei Holzschnitten illustriert. Der Leidensweg Christi endet im 65. Kapitel mit der Sepultatio Christi, die gleich­ zeitig auch den zweiten Teil des Speculum beschließt. In dritten Teil werden nach einer Conclusio huius speculi die zehn Wunder aufgezählt, die nach Jesu Tod geschahen85, wie die observatio solis (die Verdun­ kelung der Sonne)86, die scissio veli (das Zerreissen des Tempelvorhangs)87 oder das Beben (terremotus) der Erde.88 Diesem Kapitel schließen sich weitere Szenen des Lebens Jesu an, ebenfalls jeweils anhand eines ganzseitigen Holzschnittes bildlich umgesetzt vom Abstieg in die Hölle bis Pfingsten, gefolgt von der Himmelfahrt Mariae und 82 Walter L. Strauss: The Passion of Christ and the Printed Image: Random thoughts about its meaning and Standardization, in: Colin Eisler/William W. Clark/William S. Heckscher, (Hrsg.): Tribute to Lotte Brand Philip. Art Historian and Detective, New York 1985, S. 471. 83 Zu nennen wären weiterhin die Geburt Christi, Darstellung im Tempel, Jesus und die Schrift­ gelehrten, vgl. Gertrud Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. 3, Die Passion Jesu Christi, Gütersloh 1968. 84 Junghans/Dreissiger (wie Anm. 50), S. 21. 85 Vgl. Reinhard von Laudenberg, der sein Werk gleichfalls mit einem Kapitel beschließt, in dem er acht Wunder aufzählt, nach: Junghans/Dreissiger (wie Anm. 50), S. 19. 8 Pinder (wie Anm. 5), fol. LXVv. 87 Pinder (wie Anm. 5), fol. LXVv. ss Des weiteren das Offnen der Gräber: Pinder (wie Anm. 5), fol. LXVIr, Auferstehung der Toten (fol. LXVIr), Die Erkenntnis der Völker, dass Christus Gottes Sohn ist (fol. LXVIr), Das Ausgießen der Heiligen Sakramente (LXVIr), Das Begräbnis Christi, trotzdem er lästerlich gekreuzigt (execrabiliter cruxifixus) worden war (LXVIv) und schließlich die Wacht der Diener am Grab (LXVIIr).

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Abb. 1: Hans Schäufelein: Die Tempelreinigung, Holzschnitt (236 x 161 mm), in: Ulrich Pinder, Speculum passionis (Nürnberg 1507), fol. XVIIv.

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Abb. 23: Erhard Schön: Allerheiligen-Rosenkranzbild, Holzschnitt (25,5 x 17,3 cm), H. XLVII, 31a und 3111.

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Pinder fügt - nach Ludolf von Sachsen - zwar das Kapitel über den Ab­ schied Christi von seiner Mutter ein319, ebenso wie er die Planctus virginisi20, die Klage Mariens nach der Kreuzabnahme und die Himmelfahrt der „aller­ höchsten Jungfrau“ erwähnt.321 Trotzdem kommt Maria in Pinders Werk keine herausragendc Bedeutung zu, zumindest scheint ihre Bedeutung geringer als in anderen Passionszyklen, was anhand eines Vergleiches mit den Dichtungen Wolfgang von Maens offensichtlich wird: Dieser bringt in seiner „Passio Christi“ deutlich seine Marienverehrung zum Ausdruck, so fügt er etwa in seinen Text eine Verdeutschung des „Stabat mater dolorosa“ Jacopones ein.322 Vor allem betont er darüber hinaus bereits in seiner Vorrede, dass er seine Dichtung nicht nur vnnserm erlöset Jhesu christo, sondern auch Maria seiner vnbefleckten gebenedeiten Junckfraw vnd mutter zu Lob und Ehren verfasst habe.323 In vielen Erbauungsbüchern — auch wenn sie sich primär auf die Passion Christi beziehen und somit Jesus im Mittelpunkt steht - wird der Stellenwert der Mut­ tergottes hervorgehoben, die als Vorbild für die „Form der imitierenden Andacht“ agiert und als Identifikationsfigur für die Compassio Christi dient.324 Die Rolle der Gottesmutter, die, wie Büttner darlegte325, in vielfältiger Weise als Mittlerin zwischen Christus und dem Gläubigen fungierte, und durch ihr Mitleiden, ihre compassio, „ihrerseits ein Heilsresultat bewirkte,“326 wird im Speculum passionis zwar angedeutet, jedoch nicht explizit hervorgehoben. Dies wäre jedoch bei einem Auftrag der Rosenkranzbruderschaft anzunehmen. Auch ist zu bedenken, dass sich die Rosenkranzbruderschaft im Beschlossen gart bereits in den ersten Kapiteln als Auftraggeber offenbart: Von der Ursprung des psalters oder rosenkrantz mariei27 ist das erste Kapitel des ersten Buches tituliert, und schon im folgenden wird die Bruderschaft beschrieben, ihr Name und ihre vbertrefennligkeit geschildert.328 Es ist nahe liegend, dass sich der Orden im Speculum passionis zumindest erwähnt hätte. 3,9 320 321 322 323 324 325 326 327 328

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„De dolorosa separationc Ihesu a matre sua“, Pinder (wie Anm. 5), fol. XIXr. Pinder (wie Anm. 5), fol. LXIIv. Pinder (wie Anm. 5),„De assumptione & laude beate Marie Virginisfol. LXXVr. Vgl. zum Stabat mater. Frank O. Büttner: Imago pietatis. Modelle der christlichen Kunst als Modelle zur Verähnlichung, Berlin 1983, S. 90. Wolfgang von Maen, Das Leiden Jesu Christi unseres Erlösers, Augsburg 1515 (Anton Schönsperger), Einleitung. Susanne Wegmann: Der Kreuzweg von Adam Kraft, in: MVGN 84 (1997), S. 109. Zur Com­ passio Mariae: Otto von Simson: Compassio and Co-Redemptio in Roger van der Weyden’s Descent from the Cross, in: The Art Bulletin 35 (1953), S. 9-15. Büttner (wie Anm. 322), S. 89-105. Büttner (wie Anm. 322), S. 89. Pinder: Beschlossen gart (wie Anm. 149), Bd. I, fol. IV. Pinder: Beschlossen gart (wie Anm. 149), Bd. I, fol. IV.: Von der bruderschafft des rosenkrantzs marie (fol. Iv); Das löblich vnd bequemlich solich bruderschaft aufgesetzt zverde (fol. Iir); Von

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Das Speculum passionis des Ulrich Pinder

Ziehen wir zum Vergleich nochmals Pinders Auskünfte über seine Heraus­ geberschaft heran: Speculum passionis domini nostri Ihesu Christi per Udalr. Pinder convexum et in civitate imperiali Nurembergen bene uisum et impressum anno 1507 ist am Ende des Speculum passionis zu lesen; Pinder hat somit Textpassagen „verknüpft“ oder zusammengebracht. Im Beschlossen gart liest man dagegen am Ende: Gedrukt und volendet zu Nümberck durch Doctor Ul­ richen pinter 1505. Hier scheint Pinder wenig Eigenes eingebracht zu haben, und das Gesamtkonzept unterlag womöglich hier nicht dem Nürnberger Stadtarzt. Wie deutlich wird, kann der Auftraggeber beim derzeitigen Forschungs­ stand nicht eindeutig ermittelt werden. Theoretisch aber könnte Pinder das Speculum passionis - hier mag vielleicht Dürers Apokalypse als Vorbild gedient haben - auch ohne Auftrag und auf eigene Rechnung gedruckt haben.329 Wie oben dargelegt wurde, ist auch eine Orientierung am großen Erfolg des auf­ wendigen Sch atzb ehalters im ökonomischeren Folioformat und in lateinischer Sprache denkbar, der auch im Ausland Abnehmer finden konnte. In die zweite Auflage von 1519 wurde das Ablaßblatt des Rosenkranzes möglicherweise ein­ gefügt, da der Allerheiligenrosenkranz den Anforderungen der Leserschaft, somit dem Zeitgeschmack entsprach, wie die zahlreichen erhaltenen Variatio­ nen des Bildsujets beweisen. 10.3 Laien, Kleriker oder Humanisten - die Leserschaft des Werkes Die Wahl der Sprache führt zu einer abschließenden Frage, jener nach der Leserschaft des Speculum passionis. Im Gegensatz zu Pinders Buch erschienen zahlreiche zeitlich und inhaltlich vergleichbare Werke wie das Andechtig zeitglöcklein des Bertholdus, Wolfgang von Maens Dichtung, der Schatzbehalter sowie der Beschlossen gart in deutscher Sprache.

den namen der bruderschafft des rosenkrantz marie (fol. iiir); Diese bruderschaft wirt genent mit dreierley namen/ zum ersten Rosarium/ zum anderen Sertun; marie ein crentzlein der iunckfrawen marie/und zum dritten psalterium marie (fol. iiir). Von der vbertreffennligkeit die­ ser bruderschafft (fol. iiiv); Dyse bruderschafft vbertrifft auch dye andern vmb yr treffenlich ge­ bet zvillen. (fol. iiiv) !” Im Impressum des Offenbarungstextes heißt es: „Gedrucket zu Numberk durch AlbrecbT Duerer maler“. Dürer gibt sich hier als Verleger des Werkes aus, was bedeutet, dass er mit

27 Jahren ohne Auftrag und somit auf eigenes Risiko gearbeitet hatte. Dennoch veranlasste sicherlich der große Erfolg der Apokalypse - 1502 waren bereits in Straßburg bei Hieronymus Greff Raubdrucke erschienen - Dürer 1511 zu einer lateinischen Neuauflage des letzten Buches der Bibel, und möglicherweise auch weitere Künstler und Verleger, ein Buch ähnlichen Formats zu edieren.

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Die Wahl der lateinischen Sprache darf jedoch nicht zu der Annahme ver­ leiten, das Speculum passionis sei allein für Kleriker gedacht gewesen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass weniger die klerikale Schicht als der gebildete Mittelstand angesprochen werden sollte: In Nürnberg bestanden vier Latein­ schulen, die je um die 200 Schüler unterrichteten330. Darüber hinaus gaben auch die Klöster Unterricht, wie beispielsweise das Klarissenkloster331, während Gutbctuchte die Betreuung von Hauslehrern in Anspruch nehmen konnten.332 „Die relativ hohe Zahl lesekundiger Bürger - aus dem Jahr 1487 ist für Nürn­ berg eine Schülerzahl von rund 4000 überliefert - macht weite Teile der Mittel­ schicht zu potentiellen Kunden von Druckerzeugnissen.“333 Die lateinkundige Käuferschicht war demnach vorhanden. Doch auch das Speculum passionis selbst gibt - wie auch der Schatzbehalter - Hinweise auf das intendierte Publi­ kum. Fridolins Erbauungsbuch liefert vergleichsweise ausführlichere Auskunft auf die Frage, für welche Personengruppe das Werk bestimmt war: Es ist auch zewissen, das ettlich gegenwu[e]rff von pildwerck figuren haben, vmb der layen willen, fu[e]r die diss bu[e]chlein allermaist entworffen ist, auff das, das die , die sunst nit geschrifft od[er] pu[e]cher habe[n], sich desterbas behelffen mu[e\ge[n] in der verstentnus vnd behaltung dieser gegenwu[e]rf durch die auslegung vn[d] ein pildung sollicher figuren.w Wie er an anderer Stelle schreibt, denke er auch an diejenigen, denen sein Werk vorgelesen werde.335 Hauptsächlich wendet sich Fridolin also an die Laien.336

3,0 Rudolf Endres: Nürnberger Bildungswesen zur Zeit der Reformation, in: MVGN 71 (1984), S. 109-128; Dieter Wuttke: Humanismus in Nürnberg um 1500, in: Kat. Ausst. Caritas Pirckheimer (wie Anm. 2), S. 128-132, hier S. 131f. 331 Seegets (wie Anm. 201), S. 197. 332 Endres (wie Anm. 330), S. 200. 333 Endres (wie Anm. 330), S. 127. 334 Fridolin (wie Anm. 93), fol. 4vb, Z. 4-12. 335 Fridolin (wie Anm. 93), i2, rb, Z. 9-13. 336 Der Begriff Laie ist nicht unproblematisch, vgl. dazu Herbert Grundmann: Litteratus-illiteratus. Der Wandel einer Bildungsnorm vom Altertum zum Mittelalter, in: Archiv für Kultur­ geschichte 40 (1958), S. 1-65; er wies darauf hin, dass der Bildungsgrad eines Menschen dieser Zeit kaum mehr von dessen Stand, sondern von dessen finanziellen Möglichkeiten abhängt. Vgl. auch Klaus Schreiner: Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter, München 1992, S. 28. Die Zuordnung Laie/ungebildet - Kleriker/gebildet ist um 1500 somit nicht mehr haltbar. Vgl. auch Seegets (wie Anm. 201), S. 200: „Der bisherigen Forschung ist also durchaus zuzustimmen,

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Im Falle des Speculum ist diese Einordnung ungleich schwieriger, und den­ noch lassen sich Hinweise auf die angesprochene Leserschaft finden. Zum einen ist die Einteilung des Werkes von Bedeutung: Pinder teilt das Werk nicht in kanonische Horen ein, was auf die täglichen Stundengebete verwiesen hätte. Vielmehr solle sich der Leser dem Buch widmen, wenn er die nötige Zeit und Ruhe dazu findet.537 Unterdessen muß die Gedächtnis seines Leidens nicht obenhin und mit allzu geschwinder Eylfertigkeit sondern wann die Zeit und Gelegenheit auch gnugsame Andacht behandeln. Hier findet sich eine Parallele zum Schatzb ehalter: Sund[er] dz ma[n\ ye ein stu[e]ckleyn zu einer zeit mit auffmercku[n\g vberlese vn[d] vber ein zeit aber eins vnd also nach einander] mit gutter muß vnd nem also die maynung darauß t>«[d] vasse etwas daruo[n] i[n] die gedechtnus, was ma[n] an dem baste[n] mo[e\cht behalten oder das mer zu der andacht dienet.338 Auch wenn die Zielgruppe der Leser im Speculum passionis nicht erwähnt wird, so ist naheliegend, dass primär der gebildete Laie angesprochen wird. Wie auch der Schatzbehalter ist das Speculum passionis eines jener zahlreichen Werke, das neben Predigt und Seelsorge zu der Menge kleiner und großer Publikationen religiösen Inhalts zu zählen ist, „die den Durst der Laiinnen und Laien nach Wissen und Bildung stillte“ 339 und die eine bis dahin unerreichte Breitenwirkung erlangte. Auch wenn Ulrich Pinder mit dem humanistischen Bildungsgut vertraut war, so lässt sich doch diese Tatsache nicht anhand des Speculum nachweisen: Das Buch ist ein Erbauungsbuch, dessen Text sich an früheren Werken der Gattung orientiert, es will somit keineswegs innovatives Gedankengut verbreiten. Mit humanistischem Schrifttum lässt es sich schwer in Zusammenhang bringen.

wenn sie den Schatzbehalter als das Ergebnis der Bemühungen des Franziskaners bezeichnet, Lainnen und Laien in die Verehrung und praktische Anwendung der Verdienste des Leidens und Sterbens Christi einzuführen, keinesfalls jedoch darf das Publikum des Bandes pauschal unter denen gesucht werden, die aufgrund ihrer geringen, „laienhaften“ Bildung andere Bücher über die Passion nicht kannten (...) und deshalb auf Fridolins illustriertes Werk angewiesen waren“. 337 Speculum passionis 1507 (wie Anm. 5), fol. IIv. 3,8 Der Schatzbehalter, Dd6ra, Z. JS-b, Z. 5. 339 B. Moeller: Frömmigkeit in Deutschland um 1500, in: Archiv für Reformationsgeschichte 56 (1965), S. 17f; Seegets (wie Anm. 201), S. 213.

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11. Zusammenfassung und Ausblick Das Buchprojekt des Stadtarztes Pinder mit den Mitarbeitern Dürers ent­ stand allem Anschein nach in zwei Phasen: Der Text wurde zuerst geschrieben und hiernach wurden die Holzschnitte ausgeführt. Die von Ruh und Kisser vorgeschlagene Benennung „historia passionis“*0 kann lediglich für den Hauptteil des dreiteiligen Textes benutzt werden, in dem chronologisch die Passion erzählt wird, angefangen beim Einzug in Jerusalem und endend mit dem Jüngsten Gericht, sie kann jedoch keinesfalls für den gesamten Text des Speculum gelten. Nach Darlegung der inneren und äußeren Struktur sowie der kompilierten Autoren des Werkes konnte als primäre Quelle der Passions­ historie des Speculum passionis die Vita Christi Ludolfs von Sachsen ermittelt werden. Pinder übernahm alle Textpassagen für den Hauptteil, die er jeweils mit einem ganzseitigen Holzschnitt illustrieren ließ, dem Hauptwerk des Kartäusers, der seinerseits „die zahlreichen und unterschiedlichen Strömungen zu einer Leben Jesu-Theologie eingefangen und wieder tradiert“ hatte.341 Wie herausgearbeitet wurde, weilte Dürer in der Entstehungsphase der Speca/wm-Holzschnitte in Italien. Der Buchschmuck für Pinders Werk ist somit als eigenständige Arbeit der Künstler seiner Werkstatt zu sehen. Diese Selbstständigkeit der Mitarbeiter äußert sich auch in den Signaturen Schäufeleins und Baidungs, die auf drei Speculum-Holzschnitten auftauchen. Die Be­ stimmung der ikonographischen Vorläufer des Buchschmucks machte deut­ lich, dass sich die Künstler mehrerer Vorlagen bedienten. Während hierbei ei­ nerseits der direkte Bezug auf das CEuvre Schongauers und Dürers zu erwarten war, überraschte andererseits der ausgeprägte Rückgriff auf die Holzschnitte des Schatzbehalters, was bislang von der Forschung342 unterschätzt wurde. Ein weiteres Ergebnis der Arbeit ist die Bekräftigung der These Winklers, der einen Zusammenhang zwischen Schäufeleins Holzschnitten und der „Klei­ nen Passion“ Dürers vermutete. Dem seit nunmehr über 60 Jahren umstrit­ tenen Problem war sich mit Hilfe einer Text-Bild-Gegenüberstellung anzunähern. Es zeigte sich, dass Schäufelein jedem einzelnen Artikel der Historia passionis einen ganzseitigen Holzschnitt gegenüberstellte, er somit für die zu illustrierenden, streng textbezogenen Szenen keine Auswahlmöglichkeiten hatte, da wohl keine Passionsszene ohne Illustration bleiben sollte. Dürer stellt nun - von kleinen Abweichungen abgesehen - in seiner „Kleinen Holzschnittpassion“ genau dieselbe Szenenfolge dar. 340 Ruh (wie Anm. 34), S. 17-38. 341 Baier (wie Anm. 113), S. 557. 343 Ocherbauer erwähnt den Schatzbebalter als eine Vorlage unter vielen, Ocherbauer (wie Anm. 51), S. 56.

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Die von Schäufelein, Baidung und Kulmbach ausgeführten Blätter hatten die Aufgabe, mit figuris magistralibus — mit lehrhaften Bildern343 - den Leser in seiner Passionsmeditation und in der Nachfolge Christi zu unterstützen. Dies weist das Speculum passionis einerseits als ein Erbauungsbuch im klassischen Sinn aus, andererseits lässt es darauf schließen, dass - im Gegensatz zu Dürers Zyklen der Großen Passion oder des Marienlebens - dem Text in Pinders Werk Priorität zukommt.344 Waetzoldts These vom Speculum als einem „Erbauungsbuch neuen Typs“ konnte anhand von Gegenüberstellungen mit vergleichbaren Erbauungs­ büchern, besonders mit dem Schatzbehalter, in Frage gestellt werden. Gerade bezüglich der durchdachten Form des Speculum als „Handbuch der Passions­ meditation“ diente der Schatzbehalter als Vorbild, das nicht übertroffen werden sollte oder konnte. Somit lassen beide Buchteile - die Holzschnitte und der Text - Anklänge an den Schatzbehalter vermuten, der bereits 1491 im Druck vorlag und der mit seiner Komposition aus Texten Stephan Fridolins und Wolgemut-Pleydenwurff’schen Holzschnitten offensichtlich den Zeitgeschmack getroffen hatte. Das Speculum passionis wurde im preiswerteren und handlicheren Quart­ format gedruckt und konnte dank des lateinischen Textes international vermarktet werden. Dass auch Pinders Passionsspiegel den gewünschten Erfolg brachte, verdeutlichen besonders die große Verbreitung und auch die Nachdrucke des Werkes. Mehr als anderthalb Jahrhunderte nach der Erstauflage wurde das Speculum passionis im Jahr 1663 vom Salzburger Hofdrucker Johann Baptista Mayr von Mayregg das erste Mal in deutscher Übersetzung publiziert. Dies erfolgte jedoch bemerkenswerterweise nun ohne jede Illustration - von einer Aus­ nahme abgesehen: Das Titelblatt ziert ein von Burkhard Schramann gezeichne­ ter und von dem Medailleur Paul Seel gestochener Kupferstich, der den gesam­ ten Inhalt des Passionsspiegels und seiner Holzschnitte gleichsam komprimiert wiedergibt (Abb. 24)345: Eine Frau (Maria?) kniet in einer Höhle und betrach­ tet in einem an die Felswand gelehnten Spiegel das Leiden Christi, seine Kreuz-

345 So heißt es im Kolophon, Pinder (wie Anm. 5), fol. XCv. 344 Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass zum einen der Text vor den Holzschnitten ent­ stand, und dass folglich - mit Ausnahme des Kolophons - innerhalb des Textes die figurae an keiner Stelle Erwähnung finden. 343 Der Titelkupfer ist u.a. abgebildet in: Christian Hecht: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock. Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997, Abb. 1. Er führt ihn als ein Beispiel der imagines sacrae an, bei dem „die theologische Vorstellung von Typ und Prototyp die gedankliche Grund­ lage für eine größere Szene ist.“

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Abb. 24: Burkhard Schramann: Passionsspiegel oder Maria schaut die Passion Christi, Kupfer­ stich (ca. 12x18 cm), Titelblatt in: Johann Baptist Mayr, Spiegel des Bittern Leydens und Sterbens Jesu Christi; Salzburg 1663.

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tragung und Kreuzigung. Im Hintergrund erkennt man außerhalb der Höhle darüber hinaus die Geißelung, das Gebet am Ölberg und am rechten oberen Bildrand die Auferstehung Christi. Direkt unterhalb des Spiegels findet sich der deutsche Buchtitel: Spiegel des Bittern Leydens und Sterbens Jesu Christi. In Schramanns Titelkupfer ist somit die „Benutzungsanleitung“ des Specu­ lum passionis erstmals auch visuell umgesetzt: Der Leser möge das Buch als Spiegel verstehen, der die Leidensgeschichte Jesu veranschaulicht; er soll diesen Spiegel betrachten und mit seiner Hilfe die Compassio und die Imitatio voll­ ziehen.

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DAS TESTAMENT DES BERTHOLD HOLZSCHUHER. ANTRIEBSTECHNIK, KONSTRUKTION UND ERFINDERSCHUTZ IM 16. JAHRHUNDERT Von Rainer Leng Am 22. Mai, am Sonntag Exaudi vor dem Pfingstfest des Jahres 1558, beschloss der Nürnberger Patrizier Berthold Holzschuher im Alter von 47 Jahren sein Testament. Er entstammte der carolin-lazarischen Linie der Holzschuher.1 Sein Vater Lazarus (1487-1523) dürfte ihm bei seinem Tod ein Vermögen hinter­ lassen haben, das dem gerade Zwölfjährigen eine standesgemäße Ausbildung ermöglichte. Dynastische Verbindungen, die durch die gesamte oberdeutsche Hochfinanz reichten, beförderten sein Fortkommen. Mütterlicherseits war Berthold mit den Hallern verwandt. 1538 heiratete er Brigitte, eine Tochter Jacob Welsers.2 Ihr Vermögen und ihre Beziehungen eröffneten Berthold den 1 Zur Vita Bertholds vgl. den Überblick bei Peter Koch: Berthold, in: NDB 9 (1972), S. 579f. Zur Abstammung vgl. Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister des hochadelichen Patriciats zu Nürnberg ..., Bayreuth 1748 (ND Neustadt Aisch 1982), Taf. 174; kurze Zusammenfas­ sungen auch bei Christoph von Imhoff: Berühmte Nürnberger aus neun Jahrhunderten, 2. Aufl. Nürnberg 1989, S. 132f.; Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Hrsg.), Stadtlexikon Nürn­ berg, 2. Aufl. Nürnberg 2000, S. 458; mit umfangreichen Materialien außerdem Johann Cristoph Gatterer: Historia genealogica dominorum Holzschuherorum ab Aspach et Harlach in Thal­ heim, Nürnberg 1755, S. 62, 254-256. Das Archiv der Holzschuher ist zwar jüngst in das Stadt­ archiv Nürnberg zurückgekehrt, war jedoch auf Anfrage noch nicht zugänglich; vgl. hierzu Michael Diefenbacher: Das Archiv der Patrizierfamilie Holzschuher von Harlach im Stadt­ archiv Nürnberg, in: MVGN 89 (2002), S. 63-66. Die Literatur zu den Holzschuhern bis Anfang der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts verzeichnet zuverlässig Günther Friedrich: Biblio­ graphie zum Patriziat der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberger Forschungen 27), Nürnberg 1994, S. 71-76. Einen Kurzüberblick über Herkunft und Entwicklung des noch blühenden Geschlechts gibt Werner Schultheiß: Holzschuher, v., in: NDB 9(1972), S. 579. Zu den Anfängen der bis 1806 fast dauernd im Nürnberger Rat vertretenen Familie als bedeutende Tuch- und Gewürzhändler vgl. Anton Chroust / Hans Proesler (Hrsg.): Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304-1307 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe 10, Bd. 1), Erlangen 1934, dazu Wilhelm Kraft: Zum „Holzschuherbuch“. Bemerkungen und Ergänzungen zu A. Chroust und H. Proesler „Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304-1307, in: MVGN 32 (1934), S. 5-37; August Diehl: Die Geldgeschäfte der Holzschuher, in: MVGN 32 (1934), S. 34—45; Werner Schultheiß: Eine Gewürzhandelsabrechnung und ein Finanzierungsgeschäft des Nürnberger Rats von 1350. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und Finanzpolitik der Reichsstadt im Spätmittelalter, in: MVGN 50 (1960), S. 11-52, bes. S. 33ff; Hektor Amman: Die wirtschaftliche Stellung der Reichsstadt Nürnberg im Spätmittelalter (Nürnberger Forschungen 13), Nürnberg 1970, S. 2,20, 41,122, 130 u.ö.; Wolfgang von Stromer: Oberdeutsche Hochfinanz 1350-1450,3 Bde. (VSWG, Beihefte 55-57), Wiesbaden 1970, passim (s. Register S. 583). 2 Vgl. Schultheiß (wie Anm. 1), S. 579 und Biedermann (wie Anm. 1), Taf. 174.

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Beginn einer Karriere als steirischer Montanunternehmer. In der Radmer beteiligte er sich an der Förderung von Eisenerz. Bald nach der Entdeckung der dortigen Kupfervorkommen (1547) erwarb er einen Kupferhammer zu Roll­ hofen unter Schloss Rothenberg bei Schnaittach, 1556 ein weiteres Hammer­ werk und Saigerhütten in Enzendorf bei Rupprechtstegen.3 Ähnlich viel­ versprechend begann auch seine politische Karriere.4 Seit 1539 war er Assessor am Land- und Bauerngericht. 1542 wechselte er zum Stadt- und Ehegericht. 1548 war er zum ersten Mal im inneren Rat vertreten. 1551 wurde er im Alter von 40 Jahren jüngerer Bürgermeister. Im zweiten Markgräflerkrieg (1552-53) weigerte sich Berthold jedoch, einem für die Stadt wenig ehrenvollen Friedensschluss zuzustimmen.5 Nach kurzer Amtszeit wurde er deshalb 1552 aus Rat und Bürgermeisteramt ent­ lassen. In der Folgezeit widmete er sich wieder ganz seinen Bergwerksunter­ nehmen. Bertholds erste Frau war bereits 1549 gestorben.6 Die Ehe blieb kinderlos. 1551 hatte er Ursula geheiratet, eine Tochter des Hans Ebner von Eschenbach. Auch sie starb nach wenigen Jahren 1557. Drei Kinder gingen aus dieser Verbindung hervor. Das Testament Berthold Holzschuhers Als Berthold Holzschuher sich im folgenden Jahr an die Abfassung seines Testaments machte, war er ein gescheiterter Politiker, aber erfolgreicher Montan­ unternehmer. Zum zweiten Mal Witwer geworden und wohl zu alt für eine neue Ehe, hatte er aber für seine drei Kinder Sorge zu tragen, von denen noch keines das siebente Lebensjahr überschritten hatte. In einer solchen Situation sollte man wohl erwarten dürfen, dass ein Testament die mobile und immobile Habe, die Eisen- und Kupferhämmer, Saigerhütten und sonstigen Gewerken­ anteile auflistet, um im Falle seines Todes den minderjährigen Kindern gesicherte materielle Verhältnisse zu hinterlassen. 5 Ausführlich zu Bertholds Engagement im Bergbau Heinrich Kunnert: Nürnberger Montan­ unternehmer in der Steiermark, in: MVGN 53 (1965), S. 229-258, bes. 246-249. 4 Schultheiß (wie Anm. 1), S. 579; Biedermann (wie Anm. 1), Taf. 174 mit den Eckdaten des politischen Engagements. 5 Zum Hintergrund des 2. Markgräflerkrieges mit Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulm­ bach vgl. Otto Kneitz: Albrecht Alcibiades, Markgraf von Kulmbach. 1522-1557 (Die Plassenburg 2), 2. Aufl. Kulmbach 1982, bes. S. 94-142; Hans-Martin Kühl: Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach und das Heilige Römische Reich in der Mitte des sech­ zehnten Jahrhunderts, Magisterarbeit Erlangen-Nürnberg 1992; Rainer Hambrecht: Kulmbachische und bambergische Archivalien im Staatsarchiv Coburg zu den kriegerischen Verwick­ lungen des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, in: Festschrift Walter Jaroschka zum 65. Geburtstag, hg. von Albrecht Liess, Hermann Rumschöttel und Bodo Uhl (Archivalische Zeitschrift 80), Köln/Weimar/Wien 1997, S. 125-138. 6 Epitaph bei Gatterer (wie Anm. 1), Mantissa, S. 464.

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Geradezu das Gegenteil ist der Fall. Materieller Besitz ist mit keinem Wort erwähnt. In Form und Inhalt stellt das Testament Berthold Holzschuhers eine riesige Überraschung dar, ein absoluter Ausnahmefall der Geschichte des Testaments, zumindest bis in das 16. Jahrhundert.7 Schon die äußere Form ist höchst unkonventionell. Bertholds Testament ist keine Urkunde, sondern ein Buch, das sich heute unter der Signatur Hs. 28.893 in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg befindet.8 Die Handschrift umfasst 42 großformatige (45 x 38 cm) Blätter mit je einem Vor- und Nach­ satzblatt in einem modernen Pappeinband. Die in Textura und Kursive beschriebenen Teile dürfen als Autograph Holzschuhers angesehen werden. Dennoch fehlen einige Elemente, die üblicherweise ein Testament zu einer Privaturkunde machen. Unterschrift, Zeugen, ein Siegel oder andere Beglaubi­ gungsmittel einer Urkunde sucht man vergeblich.9 In die große Reihe der literarischen Testamente von Boethius bis zum Nürn­ berger Ratsmann Nikolaus Muffel10 oder zu den politischen Testamenten der 7 Zum typischen Testament des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit vgl. Paul Baur: Testa­ ment und Bürgerschaft. Alltagsleben und Sachkultur im spätmittelalterlichen Konstanz (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 31), Sigmaringen 1989; Gabriela Signori: Vorsorgen - Vererben - Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, Göttingen 2001; Uta Reinhard: Lüneburger Testamente des Mittelalters. 1323 bis 1500 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37/22), Hannover 1996; Dietrich Mack: Testamente der Stadt Braunschweig, 5 Bde., Göttingen 1988-1995; in rechtsgeschichtlicher Perspektive Monika Beutgen: Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments (Schriften zur Rechtsgeschichte 59), Berlin 1992; Testamente aus ver­ gleichbaren sozialen Gruppen: Georg Simnacher / Maria von Preysing: Die Fuggertestamente des 16. Jahrhunderts, Bd. 1: Darstellung [mehr nicht erschienen] (Studien zu Fuggergeschichte 16, Schwäbische Forschungsgemeinschaft: Veröffentlichungen Reihe 4, Bd. 7), Tübingen 1960; Studien zur Geschichte des (protestantischen) Testaments in England: Ulrich Bach: Kommen­ tierte Bibliographie englischer literarischer Testamente vom 14. bis zum 20. Jahrhundert (Anglistische Forschungen 163, Heidelberg 1982 und Ders.: Das Testament als literarische Form (Düsseldorfer Hochschulreihe 3), Düsseldorf 1977. 8 Kurzbeschreibung der Handschrift bei Lotte Kurras: Norica. Nürnberger Handschriften der frühen Neuzeit (Kataloge des Germanischen Nationalmuseums. Die Handschriften des Germa­ nischen Nationalmuseums III), Wiesbaden 1983, S. 65 mit Abbildung der Doppelseite fol. 25726'; ausführlichere Beschreibung bei Rainer Leng: Ars belli. Deutsche kriegstechnische und taktische Bilderhandschriften und Traktate im 15. und 16. Jahrhundert. Bd. 1: Entwicklung und Entstehung. Bd. 2: Beschreibung der Handschriften, Wiesbaden 2002, hier Bd. 2, S. 273-275. 9 Vgl. neuerdings zu den zeitgenössischen Regensburger Gepflogenheiten Klaus Rappert: Die Regensburger Testamentsordnung von 1541 und das Recht der Testamentseinrichtung in der Freien Reichsstadt, Diss. phil. Regensburg 1997. 10 Der Nürnberger Patrizier Niklaus Muffel saß seit 1433 im Rat der Stadt. 1469 wurde er wegen Unterschlagung gehängt und verfasste (ganz wie Boethius im Kerker zu Pavia 524 „De consolatione Philosophiae“) im Angesicht des Todes ein „Gedenkbuch“, das hauptsächlich von seinen Reliquienerwerbungen berichtet; Abdruck in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Bd. 11 (Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg 5), Leipzig 1874; zu Muffel im Überblick mit der älteren Literatur Verfasserlexikon, 2. Aufl. 6 (1987), Sp. 713-718.

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frühen Neuzeit mag das Buch ebenfalls nicht passen." Was das Testament Holzschuhers zu einem aufregenden Sonderfall macht, sind insgesamt 43 hoch­ wertige Federzeichnungen, sorgfältig ausgeführte Konstruktionsskizzen zu neuartigen Antriebstechniken für Fahrzeuge und Mühlen. Sie fallen auf durch größte Präzision, innovative Ansätze in der dargestellten Technik und in der Technik der Darstellung, vor allem aber im testamentarischen Charakter. Berthold Holzschuher vermachte seinen Nachkommen nicht Vermögen, son­ dern Wissen; freilich ein Wissen, dessen Niveau und Präsentation finanzielle Wertschöpfung zum Ziel hatte. Sein „Buch der Erfindungen“, wie das Testa­ ment in der bemerkenswert dünnen technikgeschichtlichen Literatur genannt wurde,12 sollte seinen Nachkommen eine freilich erst noch zu nutzende Chance geben, das Wissen um technischen Fortschritt zu Geld zu machen. Im folgenden wird also zu fragen sein, was einen Vater minderjähriger Kinder dazu bewog, ihnen nicht mehr als ein technisches Skizzenbuch zu hinterlassen, dessen Anwendbarkeit noch nie unter Beweis gestellt wurde. Dabei fügt es sich gut, dass ein ähnlich gewagtes Projekt Holzschuhers auf dem Finanz- und Ver­ sicherungsmarkt einige Vergleichsmöglichkeiten gestattet. Die Verfügungen des Testaments um Geheimhaltung und finanzielle Ausbeutung der Innovatio­ nen eröffnen dann technik- und wirtschaftsgeschichtliche Perspektiven, die auf die spezifische Problematik des Erfindungsschutzes in der frühen Neuzeit ver­ weisen. Schließlich sollen die projektierten Fahrzeuge und Mühlen in ihrem Gehalt untersucht werden. Inwieweit waren die Skizzen innovativ, realistisch oder phantastisch? Zuletzt wird nach den auffälligen zeichnerischen Mitteln zu fragen sein, die das ganze Werk im Kontext der technischen Bilderhandschrif­ ten, der Skizzenbücher und Ingenieurstraktatc des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit hervorheben. Berthold Holzschuher als erfindungsreicher Finanzfachmann Zunächst also einige Worte zum Autor, den ganz offenbar eine gewisse Expe­ rimentierfreude auszeichnete, ein Hang, innovative, kaufmännisch gewagte 11 Z.B. Heinz Duchhardt: Politische Testamente und andere Quellen zum Fürstenethos der frühen Neuzeit (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit 18), Darmstadt 1987. 12 An technikgeschichtlicher Literatur im engeren Sinne gibt es lediglich zwei kleinere, ältere und oberflächliche Arbeiten an entlegenen Orten von August Neuhaus: Der Kampfwagen des Berthold Holzschuher, in: Nürnberger Schau 1940, S. 187-191 (mit Abbildungen des Kampf­ wagens und des Autorportraits) sowie Max J. B. Rauck: Als die Automobile noch keine Moto­ ren hatten, in: Das Schnauferl 12 (1964) Nr. 5, S. 6f. Schultheiß (wie Anm. 1), S. 579 und Kunnert (wie Anm. 3), S. 248, Anm. 102 erwähnen lediglich kurz den Titel. Zudem fand das Werk Eingang in Franz M. Feldhaus: Die Technik. Ein Lexikon der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker, Wiesbaden 1914 [ND München 1970], siehe bes. .Wagen mit Menschen­ kraft1, Sp. 1264-1268, hierSp. 1265, .Zahnrad1, Sp. 1339-1347, hierSp. 1345.

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Unternehmen zu initiieren. Einige Jahre nach Abfassung des Testaments, 1565 - noch immer waren alle Kinder minderjährig - trat Berthold Holzschuher mit einem revolutionären Vorschlag an zahlreiche Städte und Landesherren heran.13 In ihren jeweiligen Herrschaftsbereichen sollte bei der Geburt eines jeden Kindes, männlich oder weiblich, ein Taler hinterlegt werden. Gegen Vor­ lage des entsprechenden Verschreibungszcttels sei dann bei der Heirat ein Betrag von drei Talern auszuzahlen. Gegen Nachzahlung von vier Kreuzern pro Jahr können auch bereits geborene Kinder bis zum Alter von sieben Jahren in diese Aussteuerversicherung aufgenommen werden. Dieses Finanzprojekt sollte für alle Seiten rentabel sein. Es würde große Summen Bargeld in die öffentlichen Kassen spülen. Sozial Schwachen würde es eine kleine Aussteuer verschaffen. Die Vorschläge Holzschuhers sind dabei rechnerisch detailliert untermauert. Unter Berücksichtigung ausführlicher Zinstabellen, der Durch­ schnittswerte für Kindersterblichkeit und Heiratsalter, Verwaltungskosten und Zahlterminen ergeben sich deutliche Überschüsse. Das ganze wäre in Zeiten dünner öffentlicher Kassen, mangelhafter Sozialfürsorge und allein kirchlich geführter Geburtsregister zugleich die Grundsteinlegung für Standesamt, öffentlicher Sparkasse und Aussteuerversicherung gewesen. Natürlich sollte auch für Holzschuher selbst etwas dabei abfallen. Zur Sicherung der Ansprüche aus seiner „Erfindung“ erbat er sich zunächst strenge Geheimhaltung,14 dann im Falle einer praktischen Umsetzung exklusive Nut­ zungsrechte. Seine Forderungen blieben relativ bescheiden. Für sich und seine Erben reklamierte Holzschuher lediglich die Zinsen aller eingegangenen Zah­ lungen für das zweite und das vierte Jahr nach Beginn der Einzahlungen.15 Sämtliche weiteren Gewinne ständen in vollem Umfang dem Landesherren zu. Die vergleichsweise bescheidene Gewinnbeteiligung hätte Holzschuher den­ noch enorme Reichtümer eingetragen. Allein für Bremen setzte er eine Gebur13 Zum Folgenden vgl. die älteren Arbeiten von U. Ehrenberg: Ein finanz- und sozialpolitisches Projekt aus dem 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 46 (1890), S. 717-735 mit Abdruck des einschlägigen Briefwechsels mit der Stadt Hamburg; Luise Krieg: Die „Erfindung“ des Berthold Holzschuher. Eine Finanzreform des 16. Jahrhunderts, in: VSWG 13 (1916), S. 612-619 mit Auszügen aus dem Vorschlag Holzschuhers an Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg; weiterhin Walther Fiedler: Die Geschichte des Versicherungs­ wesens der Reichsstadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1958, S. 10-14; Heinrich Braun: Geschichte der Lebensversicherung und der Lebensversicherungstechnik, 2. Aufl. Berlin 1963, S. 20-25. 14 ... daß ihr fürstl. Gnaden nach überliefertem Ratschlag im Falle der Nichtaufrichtung solche unsere Erfindung und ihren fürstl. Gnaden vertrauet Werk ohne unser und unser Erben Vorwis­ sen und Bewilligung niemandt eröffnen noch offenbaren, sondern in höchster geheimb bei sich behalten...-, aus dem Schreiben an Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, zitiert nach Krieg (wie Anm. 13), S. 617. 15 ... uns aber, den Erfindern, und unsem Erben von dem selben jährlichen Einkommen des andern und vierten Jahres alle vollkommene Nutzung und Einkommen folgen lassen wolle...-, ebd. S. 616.

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tenrate von 68 pro Tag an.16 Bei einer Zwangsabgabe von einem Taler wären nach Ablauf des ersten Jahres 25.000 Taler, nach Ablauf des dritten Jahres einschließlich Zins und Zinseszins 78.812 Taler in der Kasse. Schon die Zinsen dieser Ausgangssummen - ohne die weiterfließenden Gelder und ohne weitere Investitionen - hätten Holzschuher immerhin 5.190 Taler als Lohn für seine gewinnbringende Idee eingebracht. Die breitangelegte Kampagne sollte diese Nutzungsgebühren vervielfachen. Tatsächlich gelang es Berthold, eine ganze Reihe stets geldbedürftiger Herren und Städte für das vordergründig sozial­ politische Projekt zu gewinnen. Insgesamt kamen 28 Vertragsabschlüsse zustande, so zum Beispiel mit Elisabeth von England und Emanuel Philipp von Savoyen.17 Kaiser Maximilian II. ließ Holzschuher gar zur Mehrung der Kammergüter das Projekt auf dem Reichstag zu Augsburg 1566 vortragen. Tatsächlich umgesetzt wurde das Vorhaben wohl nirgends. Es mangelte an juristischen, verwaltungstechnischcn und auch an mentalen Voraussetzungen. 1570 wies der Rat der Stadt Nürnberg schließlich Holzschuher an, die Sache nicht weiter zu verfolgen.18 Berthold blieb auf die Einnahmen seiner Eisenund Kupferwerke angewiesen.19 Inwieweit eine weitere „Erfindung“, die Ein­ richtung eines ersten Leck- oder Lepperwerks in den Salinen von Kissingen zusammen mit dem Augsburger Münzmeister Caspar Seele ein finanzieller Erfolg war, ist nicht bekannt.20 Wertschöpfung aus technischer Innovation Für die Einordnung der technischen Zeichnungen des Testaments bleibt jeden­ falls festzuhalten, dass Berthold Holzschuher eine auch sonst belegbare Nei­ gung zu spekulativen, aber durchweg innovativen Projekten besaß. Revolu­ tionäre Ideen stehen im Vordergrund, deren theoretische Umsetzung einer fundierten Analyse und einer rechnerischen Prüfung standhalten. Eine enorme finanzielle Wertschöpfung aus bloßem Ingenium geht damit einher. Die allge16 Vgl. Holzschuhers entsprechendes Berechnungsmodell bei Ehrenberg (wie Anm. 13), S. 730. 17 Krieg (wie Anm. 13), S. 618; ein Abschluss mit Herzog Heinrich dem Jüngeren zu Braunschweig und Lüneburg auch in Gatterer (wie Anm. 1), Codex diplomatum, S. 369-371. 18 Krieg (wie Anm. 13), S. 619. *’ Allerdings scheint Holzschuher hier nach einem Versuch der Ausweitung der Aktivitäten 1559 in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein. Die Nürnberger Briefbücher berichten von einem Streit um 1000 fl., die Holzschuher dem Handel entnahm. 1572 wird Josef Lochner als Kurator der Holzschuherschen Güter erwähnt. Seither ist kein Engagement Bertholds im steiermärki­ schen Metallgewerbe mehr belegt; vgl. Kunnert (wie Anm. 3), S. 248f. mit Anm. 102 und Anm. 104. Holzschuhers Finanzprojekt, das ihm im Erfolgsfall ein Vielfaches seiner Gewerkentätig­ keit eingebracht hätte, könnte auch als finanzieller Befreiungsschlag interpretiert werden. 20 Vgl. Akos Paulini / Ullrich Troitzsch: Mechanisierung und Maschinisierung 1600-1840 (Propy­ läen Technikgeschichte 3), Berlin 1991, S. 80.

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meine Akzeptanz und somit die praktische Umsetzung seiner hochfliegenden Pläne scheinen jedoch der schwache Punkt gewesen zu sein. Als „ein Projekten­ macher vielseitiger Art, ein besonders frühzeitiges Exemplar dieser später zu so hoher Blüte gediehenen Gattung“ darf er ohne weiteres gelten.21 Dieser Aspekt ist auch dem Testament anzumerken. Es enthält einige bemerkenswerte Parallelen zu den Elementen des späteren Finanzprojekts. Bei beiden betont Holzschuher - ganz Protestant - dass er jene Erfindungen nicht eigenem Ingenium, sondern der Gnade und Güte Gottes verdanke.22 Die Ein­ nahmen aus der Aussteuerversicherung sollen im Falle seines Todes ebenfalls den Erben zufallen23. Die Bestimmungen des Testaments sind verständlicher­ weise ausführlicher und präziser. Als hauptsächlichen Nutznießer setzt Holz­ schuher seinen ältesten Sohn ein.24 Ihm sei, gegebenenfalls durch einen Testa­ mentsvollstrecker im Falle seiner Minderjährigkeit, das versiegelte Buch aus­ zuhändigen. Das hier niedergelegte Wissen solle er dann an Cristenliche potentaten, Könige, Fürsten und Herren verkaufen. Der Hinweis, dass jene Erfin­ dungen weder Unchristen noch mit solchen Verbündeten in die Hände fallen dürfen, ist im Jahrhundert der Türkenkriege verständlich. In welcher Form die Nutzung zu geschehen habe, teilt Berthold nicht mit. Ob der Erbe die skiz­ zierten Wägen und Mühlen selbst bauen und verkaufen, oder ob er andere gegen entsprechende Lizenzgebühren in der Anfertigung der Konstruktionen unterrichten soll, bleibt offen. In Analogie zum Finanzprojekt dürfte Holz­ schuher eher an letzteres oder an eine Art Umsatzbeteiligung gedacht haben. Gelder sollten für den Erfindergeist fließen, ohne weitere Bindung von Eigen­ kapital. Präziser sind die Vorstellungen zur Verwendung der Einnahmen. Zu jedem Neujahrstag soll der älteste Sohn die eingenommenen Gelder auf drei Parteien verteilen. Die Gesamtsumme ist dabei durch fünf zu teilen. Ein Teil wird für soziale und caritative Zwecke verwendet. Zwei Fünftel stehen dem ältesten Sohn als Initiator und Manager des Projekts zu, der die muh vnd vleys darauf wendt. Die verbleibenden zwei Fünftel gehen an die beiden anderen Geschwister, bzw. an deren Erben. 21 So Ehrenberg (wie Anm. 13), S. 718. 22 Nach dem aus Gnaden Gottes Allmacht solche Wege und Mittel von uns erfunden sein ..., Krieg (wie Anm. 13), S. 616; vgl. dazu die entsprechenden Passagen aus dem Testament: Nachdem mir der almechtig Ewig vnd guetig got aus seinen Reihlichen mitten gaben die genade gethan vnd mir die erfindung volgender vnd tzuuor vnerhorter werck verliehen hat nochmals am Ende: ... got die Ehre gehen vnd darumh danckpar sein, von welches genaden vnd segen allain diese wolthat herraicht, one ainich mein tzuthun oder tzumessung meiner Vernunft...; siehe den voll­

ständigen Abdruck unten. 23 Krieg (wie Anm. 13), S. 616. 24 Zum Wortlaut der Bestimmungen siehe den Abdruck unten.

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Selbst für den Fall, dass der älteste Sohn sich als unfähig erweisen sollte oder aus anderen Gründen keinen Nutzen aus den Erfindungen ziehen möchte, ist Vorsorge getragen. Falls er aus mangel verstandts oder sunst die muhe nit haben wollt, werde das Buch dem jeweils engsten Blutsverwandten zugestellt. Dann allerdings stehen jenem zwei Fünftel der Entgelte zu, während der älteste Sohn auf den normalen Geschwisteranteil zurückgestuft wird. Geheimhaltung und Erfinderschutz Neben protestantischem Arbeitsethos, kaufmännischer Voraussicht und einem vergleichsweise modernen Verständnis der Wertschöpfung des Wissens um technische Innovationen fällt ein weiterer Punkt ins Auge: die Vorschriften zur Geheimhaltung. Verschlossen und versiegelt, verpetzschiert, soll das Buch dem ältesten Sohn übergeben werden. Dieser muss bei der Übergabe eidlich ver­ sichern, dass er es niemandem zeigen, geschweige denn die Anfertigung von Abschriften zulassen werde. Die selben Vorschriften gelten für den Fall, dass ein anderer Blutsverwandter in den Besitz des Buches kommt, auf das diese tzuuor vnerhorte werckh gehaim vnd Künste bleiben vnd nit gemein werden. Da es sich bei den Plänen teilweise um explizite Militärtechnik, teilweise um militärisch nutzbare zivile Technik handelt, könnte man annehmen, dass die Geheimhaltungsvorschriften diesem besonders empfindlichen Wissensgebiet Rechnung tragen. Die kriegstechnischen Bilderhandschriften und Traktate des 15. und 16. Jahrhunderts spielen nicht selten auf Geheimhaltung von Techni­ ken und Listen an, um die taktische Überlegenheit zu wahren. Geheim­ schlösser und -schritten, Weitergabe und Veröffentlichungsverbote sind in der kriegstechnischen Fachprosa durchaus üblich, auch wenn einiges davon eher Aufmerksamkeit heischen als Arkanwissen wahren sollte.25 Hier dürfte die Geheimhaltung jedoch andere Gründe haben. Sie liegt darin begründet, dass eine finanzielle Abschöpfung eines technischen Wissens­ vorsprungs nur solange gelingen konnte, wie jenes Wissen exklusiv war. Kon­ kurrenten, Nachahmer und Plagiatoren, die den Gewinn erheblich schmälern würden, konnten nur durch strikte Geheimhaltung aus dem Feld geschlagen 25 Vgl. die Zusammenstellung der Beispiele bei Rainer Leng: Getruwelich dienen mit Buchsen­ werk. Ein neuer Beruf im späten Mittelalter: Die Büchsenmeister, in: Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter, hg. v. Dieter Rödel und Joachim Schneider, Wiesbaden 1996, bes. S. 314-316 mit Beispielen für das 15. Jahrhundert. Vergleichbare Bemerkungen im 16. Jahrhundert Ders.: Franz Helm und sein ,Buch von den probierten Künsten“. Ein handschriftlich verbreitetes Büchsen­ meisterbuch in der Zeit des frühen Buchdrucks (Imagines medii aevi 9), Wiesbaden 2001, S. 103-109. Allgemein zum Problem der Geheimhaltung in Ingenieurstraktaten vgl. neuerdings Pamela Long: Openness, Secrecy, Authorship. Technical Arts and the Culture of Knowledge from Antiquity to the Renaissance, Baltimore and London 2001.

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werden. Das Problem ist im Grunde genommen nicht neu. Die Streitigkeiten um Einhaltung der Zunftprivilegien in den spätmittelalterlichen Städten sind Legion. Doch ging es hierbei eher um den monopolartigen Schutz konventio­ neller, allgemein bekannter Techniken für bestimmte soziale Gruppen. Der Schub technischer Innovationen in den großen, teilweise in frühkapitalisti­ schen Produktionsformen organisierten Gewerbebetrieben in den Städten verschärfte das Problem. Am augenfälligsten wurde dies in dem berühmten Prozess Gutenberg vs. Fust.26 Auch im weiteren Verlauf der Entwicklung der Buchdruckerei zeigten sich die Folgen mangelnden Schutzes von technischer Innovation und geistigem Eigentum. Billige Raubdrucke trieben das große Buchprojekt Hartmann Schedels, die deutsche und lateinische Weltchronik, beinahe in den Ruin.27 Zwei weitere Beispiele, die explizit aus dem Bereich der technischen Inno­ vation stammen, sollen die zunehmende Verschärfung des Problems an der Wende zur Neuzeit aufzeigen. Sie deuten zugleich einen charakteristischen Bewusstseinswandel im Umgang mit neuer Technologie und persönlichem Ingenium im Verlauf des 16. Jahrhunderts an. Um 1405 taten sich unter Anleitung des Rates mehrere Nürnberger Meister des Drahtzieherhandwerks zusammen, um neue Methoden der Grobdrahther­ stellung zu erproben.28 Mit den traditionellen Mitteln des Schockenziehens oder auf dem Lairentisch waren, beschränkt auf menschliche Arbeitskraft, nur Feindrähte zu gewinnen. Unter Mithilfe von Fachleuten des Mühlenwesens, Metallhandwerkern und finanzkräftigen Unternehmern konnte schließlich 26 Rudolf Blum: Der Prozeß Fust gegen Gutenberg. Eine Interpretation des Helmaspergerschen Notariatsinstruments im Rahmen der Frühgeschichte des Mainzer Buchdrucks (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 2), Wiesbaden 1954; Alois Thomas Stoeckl: Johannes Gutenberg nur ein Gehilfe der Erfindung des Buchdrucks? Johannes Fust (seine Ehrenrettung zum 600. Jubiläum) und Peter Schöffer, Miterfinder des Buchdrucks und Gründer der Frankfurter Buchmesse, Freiburg/Breisgau 2000; Reinhard Schartl: Johannes Fust und Johannes Gutenberg in zwei Verfahren vor dem Frankfurter Schöffengericht, in: Gutenberg-Jahrbuch 76 (2001), S. 83-86. 27 Als neueste Zusammenfassung der Vorgänge vgl. die Einleitung von Stephan Füssel zur Faksi­ mile-Ausgabe der Weltchronik Schedels (200l): Stephan Füssel: Das Buch der Chroniken, in: Hartmann Schedel. Weltchronik, Nürnberg 1493 [ND Köln u.a. 2001], S. 8-37. 28 Vgl. im Überblick zur Drahtproduktion: Jochen Wolters: Drahtherstellung im Mittelalter, in: Uta Lindgren (Hg.): Europäische Technik im Mittelalter. 800-1400. Tradition und Innovation. Ein Handbuch, Berlin 1996, bes. S. 205-210. Zur Nürnberger Erfindung bes. Wolfgang von Stromer: Innovation und Wachstum im Spätmittelalter: Die Erfindung der Drahtmühle als Stimulator, in: Technikgeschichte 44 (1977), bes. S. 91-96; dass die maschinelle Drahtproduktion auch außerhalb Nürnbergs auf einem vergleichbaren technischen Entwicklungsstand war, bewies jüngst Thomas Kreft: Das mittelalterliche Eisengewerbe im Herzogtum Berg und in der südlichen Grafschaft Mark (Aachener Studien zur älteren Energiegeschichte 8), Herzogenrath 2002, bes. S. 137-148.

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eine auf Nutzung der Wasserkraft, halbmechanischen Ziehzangen und neuarti­ gen Kurbeltrieben basierende Technologie entwickelt werden, die nach kurzer Zeit gewinnbringend arbeitete. Von Problemen um die Geheimhaltung hören wir in den Quellen nichts. Aber als der Nürnberger Humanist Conrad Celtis in seiner 1502 erschienenen „Norimberga“ das Umfeld der Stadt und auch jene Drahtziehmühle beschreibt, liest sich die Sache ganz anders.29 Nach einer kur­ zen Einleitung mit einer endlosen Aufzählung Nürnberger Metallprodukte und einer schönen Beschreibung der lärmenden Gewerbegebiete vor den Mau­ ern, deren geschäftiges Treiben die Quellnymphen jenes Locus amoenus in die Flucht schlägt, fügt Celtis aus mündlicher Überlieferung folgende Erzählung ein: Der Erfinder, ein gewisser Rudolf, habe seine Technik geheimgehalten und sei so zu großen Reichtümern gelangt (artem velut sacram arcanum occultaret magnasque ex ea divitias conquireret). Wie bei allen gewinnbringenden Unter­ nehmungen seien aber neidische Konkurrenten aufgetreten. Sie hätten seinen Sohn bestochen, die besondere Antriebstechnik (interiorum rotularum labores) anhand eines Modells aufzuzeigen. Als der Vater dies erfuhr, wollte er ihn im Zorn totschlagen. Der Sohn entging ihm nur durch Flucht. Ein ganz ähnlicher Fall ist die Einführung der Papiermühle in Nürnberg 1390 durch Ulman Stromer, von ihm selbst beschrieben im „Püchl von meim gesiecht und von abentewr“.30 Stromer nahm verschiedene deutsche Mühlen” Zur ,Norimberga‘ Celtis’ vgl. kurz im Überblick Gerhard Fink: Konrad Celtis: „Norimberga“ übersetzt und erläutert von Gerhard Fink, Nürnberg 2000, S. 1-7, die einschlägige Stelle in deut­ scher Übersetzung S. 36f. Der lat. Text nach Albert Werminghoff: Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, Freiburg 1921, S. 137-138.Urbs igitur in eum modum sita ad utramque amnis ripam prona est tectaque et aedificia sua humiliat, molas machinarias et papirianas frangendae frugis, formandi aeris secturas et stridentis serrae rotas variasque metallarias officinas amplectens, quae incredibili arte et miro ingenio arma, enses, cuspides, loricas, frameas, tela, cultros, novaculas, caldaria, pelves, patellas, acus, forpices, sartagines, giros, filaque ferrea et aena et honestae supellectilis varia vasa escaria, lotoria et potoria cudunt et expoliunt, rotis ipsis malleisque et machinis velut in officina Brontis et Steropis inter se consonantibus ipsisque aquarum nymphis de tanta Servitute et laboribus suis conquerentibus. Ferunt ibi primum artem extenandi ducendique radii per rotarum labores inventam a quodam Rudolfo, qui, dum artem velut sacrum arcanum occultaret magnasque ex ea divitias conquireret, ob hoc ceteris ciribus, quemadmodum usu venit in lucrosis proventibus maxime apud auctionarios, in quirendae eius artis cupidinem iniecisse. Qui filium eius induxerant et corruperant, ut interiorum rotularum labores et tenellas, quae ferream bracteolam per angustum foramen prendunt sieque pertinaciter trahendo extenant, archetypo aliquo exprimeret. Quod factum dum pater comperit, velut in insaniam et furorem actus, filium trucidare statuisse ferunt, nisi se ille aspectui suo subtraxisset manibusque elapsus aufugisset.

,0 Siehe den älteren Abdruck bei Karl Hegel (Hg.): Ulman Stromer. Püchel von meim gesiecht vnd von abenteur, in: Chroniken der deutschen Städte 1, Leipzig 1862, S. 60-106, zur Papiermühle S. 77-83; besser jedoch der Abdruck bei Lotte Kurras (Hg.): Ulman Stromer. Püchl von mein gesiecht und von abentewr. Teilfaksimile der Handschrift Hs 6146 des Germanischen National­ museums Nürnberg. Kommentar und Faksimile, o.O. 1990, Kommentarband, S. 70-85.

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facharbeiter in Dienst und ließ sie beschwören, für 10 Jahre bzw. lebenslang die Papierherstellung exklusiv für ihn zu betreiben. Die entsprechende Passage im „Püchl“ besteht fast ausschließlich aus einer Liste von Eiden und Zeugen. Stromer verpachtete schließlich die Mühle an einen seiner Mitarbeiter, um nach anfänglichen Investitionen nur noch von den fixen Pachtzinsen zu profitieren. 1388 kam es dann zu einem Prozess mit dem Pächter Jorg Tyrman.31 Dabei ging es allerdings nicht um geschäftsschädigenden Geheimnisverrat, sondern um Geldfordcrungen. In einer späteren Abschrift von 1550-1560, also zur Zeit des Holzschuherschen Testaments, wird die Geschichte jedoch umgedeutet und verschärft. Nun sind es welsche Knechte, die in einer Art Aufstand Stomers Erfindung selbst auszubeuten versuchen: do verstand ich wol, daß sie mich von der miihl gern dringen wollten.*2 Die beiden Beispiele zeigen deutlich, dass sich im Verlauf des 16. Jahrhun­ derts ein Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung hinsichtlich technischer Innovation und deren exklusiver Nutzung durch den geistigen Urheber voll­ zog. Geheimhaltung, Spionage durch Konkurrenten, wirtschaftliche Schädi­ gung durch Plagiatoren sind nun breit diskutierte Themen. Dass ein Erfinder­ schutz nicht existiert, wird als Mangel empfunden. In diesem Kontext sind auch die Bestimmungen von Holzschuhers Testa­ ment zu verstehen. Sic verweisen darauf, dass ein Erfinderschutz noch unter­ entwickelt, aber anstrebenswert ist. Vereinzelte Anstrengungen in diese Rich­ tung hatte es bereits gegeben.33 Sie entstanden im Italien des 15. Jahrhunderts, zunächst eher mit Belohnungscharakter. Erst verstärkt ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Erfinderschutz als Rechtspraxis in vielen europäischen Territorien etabliert. Die Initiative innovatives Wissen auf dem Gebiet der Ingenieurtechnik zum Nutzen des Erfinders zu instrumentalisieren, ging dabei sowohl von diesen selbst wie auch von den Herrschaftsträgern aus. Das Testa31 Vgl. die Zusammenstellung der Dokumente von Wolfgang von Stromer: Dokumente der Stromer’schen Papiermühle 1390-1453, in Kurras (wie vorherige Anm.), S. 145-170, hier S. 153; im Überblick auch Ders.: Ulman Stromer. Leben und Leistung, ebd., S. 85-144. ,2 Die Stelle ist aus einer späteren Abschrift ohne eindeutige Kennzeichnung in die Ausgabe Hegels in den Städtechroniken inseriert worden. Dass sie jedoch nicht auf Stromer selbst zurückgeht (der nie „welsche“ Knechte eingestellt hat), sondern auf eine legendenhafte Umfor­ mung des Prozesses gegen Tyrman, wies nach: Lore Sporhan-Krempel: Ulman Stromers Gleißmühle zu Nürnberg, in: Kurras (wie Anm. 30), S. 171-195, hier S. 181 f. " Zum folgenden vgl. die Arbeiten von Marcus Popplow: Erfindungsschutz und Maschinen­ bücher. Etappen der Institutionalisierung technischen Wandels in der frühen Neuzeit, in: Tech­ nikgeschichte 63 (1996), S. 21 —46 mit Ergänzungen nochmals erschienen unter dem Titel Pro­ tection and Promotion: Privilegs for Inventions and Books of Machines in the Early Modern Period, in: History of Technology 20 (1998), S 103-124; Ders.: Neu, nützlich und erfindungs­ reich. Die Idealisierung von Technik in der frühen Neuzeit (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 5), Münster 1998, bes. S. 47 und 54f.

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ment Holzschuhers markiert eine Schwelle auf diesem Weg. Noch war strenge Geheimhaltung nötig. Die Anekdoten bei Celtis und in der späten Stromer­ rezension deuten jedoch schon breiteres Interesse am Erfinderschutz an. Holz­ schuhers spätere Vertragsabschlüsse aus dem Finanzierungsprojekt tragen schon deutlichere Züge eines Erfinderprivilegs. Der Weg zum verfassungs­ rechtlich garantierten Patentschutz war noch weit. Doch hier beginnt er sich abzuzeichnen. Die Kampfwagen im Testament Bertholds Nicht minder interessant sind die technischen Aspekte, denen immerhin der Hauptteil des Testaments gilt. Die Vorschriften und Konstruktionsskizzen zer­ fallen in zwei Teile: Wagen und Mühlen. Der erste Abschnitt präsentiert detail­ lierte Pläne zur Konstruktion von drei selbstbewegenden Fahrzeugen.34 Die beiden ersten dienen kriegerischen Zwecken. Der Basilischko (fol. 1v—11r) und der Elifanto (fol. 11 '—17V) sind schwer gepanzerte Fahrzeuge, mit zahlreichen Geschützen bewaffnet. Ein dazwischen geschobener Plan zu einem Tirano genannten Zug- und Hebewerk (fol. 18r—21v) leitet über zu einem großen Repräsentationsgefährt namens Geriet (fol. 22r-28v). Insbesondere die Kampfwagen besitzen eine lange Vorgeschichte in den kriegstechnischen Bilderhandschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Um 1335 projektierte der Mediziner Guido da Vigevano eine ganze Reihe komplizierter Kampfwagen zur Rückeroberung des heiligen Landes,35 riesige „tanks“,36 darunter sogar ein durch eine aufgesetzte Windmühle ange­ triebenes Fahrzeug.37 Der „Bellifortis“ des Konrad Kyeser um 140538 und der 34 GNM, Hs. 28.893, fol. lr-27r. 35 Vgl. die hervorragende Ausgabe von Giustina Ostani: Le machine del re. II texaurus regis francie di Guido Vigevano. Trachizione, trans. E commento del codice lat. 11015 della Bibiothequi Nationale di Parigi, Vigevano 1993, bes. Faksimile fol. 49rff. 36 So Bert S. Hall: Giovanni de'Dondi und Guido da Vigevano: Notes Toward a Typology of Medieval Technological Writings, in: Madeleine Pelner Cosman / Bruce Chandler (Hrsg.): Machaut's World. Art in the 14'th Century (Annals of the New York Academy of Sciences 314), New York 1978, S. 127-142, hier: S. 137f. Vgl. auch Ders.: Guido da Vigevanos Texaurus regis franciae, in: William Eamon (Hg.): Studies on medieval Fachliteratur. Proceedings of the Special Session on Medieval Fachliteratur of the 16. Internat. Congress on Medieval Studies, Kalamazoo, Mich. (U.S.A.) May, 10, 1981, Brüssel 1982, S. 33—44 und Rupert A. Hall: Guidos Texaurus 1335, in: On Pre-Modern Technology and Science, hg. v. Bert S. Hall u.a. Malibu, Calif. 1976, S. 11-52. 37 Vgl. hierzu neuerdings mit guten Machbarkeitsstudien Dietrich Lohrmann: Turmwindmühlen und Windwagen im 14.-15. Jahrhundert. Bemerkungen zu zwei unedierten Ingenieurhand­ schriften, in: Technikgeschichte 67 (2000), S. 25—40 und Ulrich Alertz: Der Windwagen des Guido von Vigevano, in: Technikgeschichte 68 (2001), S. 53-77. 38 Götz Quarg: Konrad Kyeser aus Eichstätt. Bellifortis. Kommentar und Faksimile, Düsseldorf 1967, bes. Faksimile fol. 16', 24r, 25v, 27V, 31r, 32'. Zu dieser misslungenen Edition vgl. die jewei-

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„Hussitenkriegsingenieur“39 besitzen ebenfalls einschlägige Zeichnungen. Sie sind jedoch wie die zahlreichen weiteren Bildkataloge vergleichsweise primitiv. Es handelt sich dabei eher um fahrbare Schutzhütten auf simplen Scheiben­ rädern, geschoben von Menschenhand oder von Pferden.40 Die verschiedenen Studien von Giovanni da Fontana,41 Mariano Taccola (f 1453/58)42 und Roberto Valturio (f 1475)43 bestimmten noch bis in das 16. Jahrhundert hinein den Stand der Technik hinsichtlich Größe und Antrieb.

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ligen Stellenkommentare bei Hermann Heimpel (Rez.): Conrad Kyeser aus Eichstätt ..., in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 223 (1971), Heft 1/2, S. 115-148. Zu Kyeser vgl. noch Theresia Berg / Udo Friedrich: Wissenstradierung in spätmittelalterlichen Schriften zur Kriegskunst: Der ,Bellifortis‘ des Konrad Kyeser und das anonyme ,Feuerwerkbuch‘, in: Jan-Dirk Müller (Hg): Wissen für den Hof. Der spätmittelalterliche Verschriftlichungsprozess am Beispiel Heidelberg im 15. Jahrhundert, München 1994, S. 233-288. Vgl. auch die Einleitung zu einer neuen Farbmikrofiche-Ausgabe von Udo Friedrich / Fidel Rädle: Konrad Kyeser. Bellifortis. Feuerwerk­ buch (Codices figurati - libri picturati 3), München 1995; zum .Bellifortis“ neuerdings auch Leng (wie Anm. 8), Bd. 1, S. 110-148. Vgl. Bert S. Hall (Hg.): The technological illustrations of the so-called “Anonymus of the Hussite Wars“. Codex Latinus Monacensis 197, Part I, Wiesbaden 1979, bes. fol. 34vff. Zu solchen Schutzhütten im Überblick vgl. Volker Schmidtchen: Militärische Technik zwischen Tradition und Innovation am Beispiel des Antwerks. Ein Beitrag zur Geschichte des mittelalter­ lichen Kriegswesens, in: Gundolf Keil (Hg.): gelerter der arzenie, ouch apoteker. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Willem F. Daems (Würzburger medizinhistorische Forschungen 24), Pattensen / Han. 1982, S. 91-195 mit zahlreichen Abbil­ dungen aus weiteren Bilderhandschriften des späten Mittelalters. Allgemein zur Faszination von Automaten und selbstbewegenden Fahrzeugen Helmut Flachenecker: Automaten und lebende Bilder in der höfischen Kultur des Spätmittelalters, in: Klaus Grubmüller (Hg.): Automaten in Kunst und Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit (Wolfcnbütteler MittelalterStudien 17) Wiesbaden 2003, S. 173-195. Mit Abbildungen bei Rauck (wie Anm. 12), S. 10. Vgl. die Abbildungen und entsprechenden Kommentare bei Gustina Scaglia (Hg.): Mariano Taccola de Machinis. The engineering Treatise of 1449. Introduction, latin texts, descriptions of engines and technical commentaries by Gustina Scaglia. Vol. I. Texts. Vol II. Plates, Wiesbaden 1971, bes. Vol. II, fol. 12vff; Gustina Scaglia / Frank Prager / Ulrich Montag (Hrsg): Mariano Taccola de Ingeneis. Liber primus Leonis, Liber secundus draconis. Books I and II, on engines and addenda (the Notebook), 2 Bde., Wiesbaden 1984, bes. II, fol. 42'^t6' u.ö. Roberto Valturio: De re militari, Verona 1472, nicht foliiert, besonders im 10. Buch. Zur Bio­ graphie, zum Inhalt der ,De re militari“ und zur vorangehenden handschriftlichen Überlieferung dieses ersten gedruckten technischen Buches vgl. Aldo Francesco Massera: Roberto Valturio „omnium scientiarum doctor et monarcha“, 1405-1475 (Collana di monografie dell’Istituto Technico Statale Commerciale e per Geometri „Roberto Valturio“ di Rimini I), Faenza 1958; Sergio Ricossa / Pier Luigi Bassignana (Hrsg.): Le maccine di Valturio: nei documenti dell Archivo storico Amma, Turin 1988; Erla Rodakiewicz: The Edition princeps of Roberto Valtu­ rio's „De re militari“ in relation to the Dresden and Munich manuscripts, in: Maso Finiguerra 5, fase. 1/2 (1940), S. 15-82. Valturios Holzschnitte von Kampfwagen und Ebenhöhen wurden 1475/76 fast vollständig von Ludwig Hohenwang zur Illustration seiner deutschen VegetiusAusgabe herangezogen. Auf diesem Weg erlangten Valturios Bilder weite Verbreitung und beeinflussten zahlreiche weitere Bildkataloge. Vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen zu Hohenwang / Vegetius in der neuen Farbmikrofiche-Ausgabe von Frank Fürbeth / Rainer

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Abb. 1: GNM, HS. 28.893, fol. 5v/6r. Kampfwagen Basilischo in Gesamtansicht

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Abb. 7: GNM, Hs. 28.893, fol. 24'. Reisewagen Genetto, Darstellung der Einzelteile von Antrieb und Lenkung

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zu 8 Personen ausgerüstet (Abb. 6). Auch als Flucht- oder Spähfahrzeug kann er benutzt werden. Kein großer Herr soll ohne einen solchen Wagen sein. Als Reisegeschwindigkeit gibt Holzschuher 40 Meilen in 24 Stunden an, bei Dauerbetrieb umgerechnet 12,5 km/h bei einer Tagesleistung von 300 km. Auch hier sind beide Achsen angetrieben und lenkbar. Zur schnelleren Fort­ bewegung ist das Übersetzungsverhältnis verändert, zur Gewichtsersparnis wird jede Achse nur durch eine Zahnradkaskade angetrieben (Abb. 7). Ganz eindeutig hat der 1526 erschienene ,Triumpf‘ Kaiser Maximilians I. als Ideen­ geber fungiert,49 der Entwürfe selbstfahrender und prächtig ausstaffierter Wagen präsentierte. Die präzise Darstellung der Antriebstechnik mit Schub­ stangen, Kurbeln, Haspeln, Kamm- und Zahnrädern steht hier natürlich hinter der künstlerischen Komposition zurück. Ähnlichkeiten sind dennoch unver­ kennbar, auch wenn Holzschuher mehr Gewicht auf technische Aspekte und eine breitere Anwendung in der Praxis legt. Nach dem schnellen Gefährt Gennet folgt noch ein leider kaum beschriebe­ nes Hebewerk (fol. 28"). Wie an deutlichen Schmutzspuren auf der ersten Seite dieses Abschnitts zu sehen ist, entstand der Mühlenteil getrennt von den Kampfwagen und wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt mit dem ersten Teil vereinigt. Schreiber und Zeichner waren jedoch dieselben. Offensichtlich blieb Holzschuher auch nach der Testamentslegung 1558 seiner Idee treu, technische Erfindungen seinen Nachfahren zugänglich zu machen. Holzschuhers Mühle Den Zweck der Mühle teilt Holzschuher gleich zu Beginn mit: Ein Künstlich geschwindt tzuuor vnerhort mulwergk, welches ohne Wasser, Ohne windt, Ohne Ross oder anndere Thier gebraucht werden mag, damit man mag In tag vnd nacht ein grosse Suma getraidt mahln, dann es mit einem aintzigen Zug oder gewindt Sechtzehen mahl mulstein oder Genug treybt ... daran pillich kein Kaiser, König, Fürst, herr oder gewaltiger Stat Ohne ein solich werk sein sollt ... (fol. 29r). Unabhängig von den herkömmlichen Antrieben durch Was­ ser, Wind oder Tiere soll die Mühle allein durch Menschenkraft 16 Mühlsteine bewegen können. Damit sei das Projekt für alle Herrschaftsträger interessant, 49 Bereits erkannt von Rauck (wie Anm. 12), S. 6, mit Vergleichsabbildungen. Dürers Triumpfwagen siehe Stanley Appelbaum: The Triumpf of Maximilian I. 137 Woodcuts by Hans Burgkmair and Others. With a translation of descriptive text, introduction and notes by Stanley Appelbaum, New York 1964, S. 90-99; über die Beteiligung Dürers siehe die Literatur, zusam­ mengestellt bei Matthias Mende: Dürer-Bibliographie, Wiesbaden 1971, S. 363f. Auch sonst häufen sich um 1500 die Belege für selbstfahrende und durch Kurbeln angetriebene Fahrzeuge, etwa bei Leonardo da Vinci oder in der Chronistik; vgl. einige Beispiele bei Rauck (wie Anm. 12), S. 10-12.

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Abb. 8: GNM, Hs. 28.893, fol. 39740'. Ausfalttafel mit Darstellung der Antriebstechnik in Draufsicht

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um in Kriegs- und Trockenzeiten eine unabhängige Getreideversorgung sicherstellen zu können. Die Idee einer handbetriebenen Mühle, etwa zur unabhängigen Truppenver­ sorgung ist wiederum nicht neu. Solche Mühlen mit einfachen Kurbeltrieben, betätigt direkt manuell oder mit Hilfe von Schubstangen, stellten bereits Gio­ vanni da Fontana,50 Mariano Taccola51 oder der „Hussitenkriegsingenieur“52 vor. Gelegentlich tauchte dabei auch schon die Idee auf, mehr als einen Stein anzutreiben. Das „Kriegsbuch“ des Ludwig von Eyb53 und das Weimarer „Ingenieurkunst- und Wunderbuch“54 zeigen in den Jahren um 1500 eine ganze Reihe komplexer Mühlenantriebe, auch wenn hier Pferdekraft überwiegt. Holzschuhers Konstruktion schlägt diese jedoch um Längen. Eine zentrale Hauptwelle, angetrieben von Menschenkraft per mehrfach untersetzter Kur­ bel, trägt drei Kammräder. Das mittlere Kammrad treibt ein massives Schwungrad zum Ausgleich der Totpunkte des Kurbeltriebs. Die beiden ande­ ren Räder treiben zwei parallel dazu stehende Nebenwellen (Schnittzeichnung fol. 30r, ausfaltbar). Jede der beiden Nebenwellen besitzt zwei weitere Schwungräder und vier Kammräder, die je ein Doppelpaar Mühlsteine antrei­ ben. Eine aus drei Blättern bestehende ausfaltbare Zeichnung in der Draufsicht gibt präzise Wellenanordnung und Kraftverläufe wieder (Abb. 8). Eine 50 Vgl. Marshall Clagett: The life an Works of Giovanni Fontana, in: Annali dell’Istituto e Museo di Storia della Scienza di Firenze 1 (1976), S. 5-28. 51 Siehe die entsprechenden Abbildungen mit Kommentaren bei Scaglia (wie Anm. 37), Bd. II, S. 198 und Eberhard Knobloch (Hg.): Mariano Taccola. De rebus militaribus (De machinis 1449). Mit dem vollständigen Faksimile der Pariser Handschrift herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Eberhard Knobloch (Saecula Spiritualia 11), Baden-Baden 1984, S. 212f, 248f. 52 Hall (wie Anm. 39), fol. 18'-26r, Mühlenantriebe per Hand oder Fuß, mit Kurbeltrieben, teil­ weise mit Ausgleichsgewichten. 53 Erlangen, Universitätsbibliothek, Ms. B. 26, Kriegsbuch des Ludwig von Eyb, 3 Bll. Pergament, 4 + 303 Bll. Papier, 42,5 x 29,5 cm, Amberg (?) 1510 (?), bes. fol. 125r-134r. Eine Ausgabe der Handschrift existiert nicht; neuere Beschreibung bei Leng (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 98-102. Zum Inhalt vgl. den Aufsatz von Hans-Otto Keunecke: Ludwig von Eyb der Jüngere zum Harten­ stein und sein Kriegsbuch, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 96 (1992/93), S. 21-36. 34 Weimar, Stiftung Weimarer Klassik /Anna Amalia Bibliothek,fol. 328, 2 Bll. Papier, 2 + 317 Bll. Pergament, ca 33,5 x 25,5 cm, Süddeutschland um 1500, bes. fol. 23v, 26',-37v u.ö. Zum „Ingeni­ eurkunst- und Wunderbuch“ vgl. knapp mit der älteren Literatur Verfasserlexikon, 2. Auflage, 4 (1983), Sp. 380f; Konrad Kratzsch: Das Weimarische Ingenieurkunst- und Wunderbuch und seine kulturgeschichtlichen Zeichnungen, in: Marginalien 73 (1979), S. 30-38 mit 8 Abb.; neuere Beschreibung bei Leng (wie Anm. 8), Bd. 2, S. 294-299; eine ausführliche Beschreibung durch Franzjosef Pensel ist in Vorbereitung, ebenso eine Edition auf CD-Rom durch Christoph Graf Waldburg. Vgl. zur Handschrift zuletzt Wolfgang Metzger: Ein Bildzyklus des Spätmittelalters zwischen Hofkunst und ,Magia naturalis*, in: Giorgio Bonsanti / Klaus Bergdoldt (Hrsg.): Opere e Giorni. Studi su mille anni di arte europea dedicati a Max Seidel, Venedig 2001, S. 253-264.

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Abb. 9: GNM, Hs. 28.893, fol. 41742'. Mühle in perspektivischer Darstellung

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abschließende perspektivische Zeichnung der gesamten Anlage in einem Gebäu­ deaufschnitt zeigt noch eindrucksvoller die gewaltigen Dimensionen der sech­ zehnfachen Mühle (Abb. 9). Am rechten Rand sind noch zwei Bentelkästen, Schüttelsiebe, zu sehen. Ihr Antrieb ist in der Zeichnung zwar verborgen, wurde jedoch vorher ausführlich in Wort und Bild beschrieben (fol. 35r-36r). Die Funktionalität der Wagen und Mühlen Bei den ausufernden Dimensionen der dargestellten Wagen und der Mühle wird man sich natürlich fragen müssen, wie es um ihre Funktionalität bestellt ist. Die zeichnerische Präzision und die sorgfältigen Beschreibungen sind durchaus einnehmend. Aber würden Holzschuhers Erben damit tatsächlich zu Ruhm und Geld kommen können? Generell gilt: die zunehmende Mechanisie­ rung und Technisierung an der Wende zur Neuzeit, der Innovationsschub in Energie- und Antriebstechnik,55 lassen Flolzschuhers Gebilde durchaus plausi­ bel erscheinen. Schon mittelalterliche Baukräne konnten enorme Lasten heben.56 Dass selbst tonnenschwere Steine mit Hilfe von Zahnradantrieben gehoben werden konnten, hatte schon Bruneleschi beim Bau der Florentiner Domkuppel bewiesen.57 In kleinen Dimensionen besaßen die Uhrmacher reiche Erfahrung mit Zahnradantrieben und komplizierten Übersetzungen.58 In der gröberen Alltagstechnik hatten die Mühlenfachleute mit der Übertra­ gung großer Kräfte durch massive Wellen, Zahn- und Kammräder zu tun.59 Für das Berg- und Flüttenwesen hatte gerade zwei Jahre vor Flolzschuhers Testa55 Vgl. im Überblick Karl-Heinz Ludwig: Technik im Hohen Mittelalter zwischen 1000 und 1350/1400. Erweiterte Energieausnutzung, in: Ders./ Volker Schmidtchen: Metalle und Macht 1000-1600 (Propyläen Technikgeschichte 2), Berlin 1992, S. 76-106; Dieter Hägermann / KarlHeinz Ludwig: Verdichtungen von Technik als Periodisierungsindikatoren des Mittelalters, in: Technikgeschichte 57 (1990), S. 315-328, bes. S. 325-328 mit der älteren Literatur. 54 Vgl. z. B. die Studie von Heiko Seidel: Der mittelalterliche Baukran im Braunschweiger Dom, in: Technikgeschichte 63 (1996), S. 99-117; ausführlich auch mit zahlreichen Abbildungen Günther Binding: Der Mittelalterliche Baubetrieb Westeuropas, Köln 1987, Nachträge Köln 1992. 57 Vgl. die von Ghiberti überlieferten Zeichnungen der Hebemaschine bei Lindgren (wie Anm. 28), S. 553 mit weiterer Literatur. 58 Vgl. hierzu Gerhard Dohrn-van Rossum: Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnungen, München, Wien 1992, bes. S. 52-120, S. 167-184. 59 Vgl. im Überblick mit der älteren Literatur Horst Kranz: Die Kölner Rheinmühlen. Unter­ suchungen zum Mühlenschrein, zu den Eigentümern und zur Technik der Schiffsmühlen (Aachener Studien zur älteren Energiegeschichte 1), Paderborn 1991; vgl. auch die Ergebnisse des neueren Sammelbandes von Mireille Mousnier (Hg.): Moulins et Meuniers dans les Campagnes europeennes (IX'-XVIIP siede), Presses universitaires du Mirail 1999. Allgemein zur Antriebs­ und Übersetzungstechnik im Mittelalter vgl. Judith Veronica Field / M. T. Wright: Early Gearing. Geared Mechanisms in the Ancient and Medieval World, London 1985.

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ment Georg Agricola Techniken offengelegt, die wohl auch dem Nürnberger Patrizier vertraut waren.60 Die beiden Kampfwägen Holzschuhers dürften trotz gewichtssparender Bauweise (Seitenwände aus Leichthölzern) samt Bewaffnung und Besatzung mehrere Tonnen gewogen haben. Ein solches Fahrzeug durch Muskelkraft fortzubewegen, ist durchaus denkbar. Acht kräftige Männer entwickeln genug Leistung. Der Vortrieb ist letztlich nur eine Frage der gewählten Übersetzung und der erzielten Endgeschwindigkeit. Mit dieser Erkenntnis ging Holzschu­ her sein Projekt an. Doch gerade hier lag der fatale Fehler, der jedem modernen Techniker auf den ersten Blick einsichtig ist. Die gewählte Übersetzung ist völ­ lig falsch. Schon in den Detailzeichnungen des Kurbeltriebs (Abb. 2 und 7) ist zu erkennen, dass das obere, mit der Kurbel verbundene Rad mit zwölf Zähnen ein größeres Zwischenrad mit 30 Zähnen antreibt. Im Prinzip wird damit eine Übersetzung von 1:2,3 hergestellt. Dessen Funktion wird aber völlig aufgeho­ ben, indem der Antrieb der Achse wieder über ein nachgeschaltetes zwölfzah­ niges Rad erfolgt. Es bleibt damit letztlich bei einem Verhältnis von 1:1. Eine Kurbeldrehung würde nur eine Umdrehung des viel größeren Laufrades bewirken. Bei dem großen Gewicht der Konstruktion und einigen Reibungs­ verlusten war dies auch von acht Mann an zwei angetriebenen Achsen nicht zu bewältigen. Wäre über ein kleineres Zahnrad parallel zum großen auf der Zwi­ schenwelle ein größeres Zahnrad auf der Antriebsachse angesteuert worden, so wäre der Konstruktion durchaus Funktionalität zu attestieren gewesen. Eine langsame Fortbewegung wäre durch konsequente Untersetzung erreichbar. Warum Holzschuher diesen Fehler beging, ist nicht erklärbar. Abgesehen von der falschen Übersetzung ergeben sich noch weitere Probleme im Praxisein­ satz. Trotz mitgeführten Winden ist ein solches Gefährt durch leichte Annähe­ rungshindernisse, Gräben, spanische Reiter, ein paar Felsbrocken, oder durch schweren Beschuss, durch Brandsätze etc. viel zu leicht zu stoppen. Die Ana­ lyse realistischer Einsatzkontexte war aber offensichtlich Holzschuhers Sache nicht. Ingenium und Praxis differieren hier ebenso deutlich wie bei dem Finanzprojekt. Dieselben Probleme treffen auch auf die Mühlenkonstruktion zu. Trotz vie­ ler Zahnräder bleibt es bei einem Übersetzungsverhältnis von 1:1. Auch meh­ rere Männer hätten trotz Schwungrädern die Zentralwelle samt angehängten 60 Georg Agricola: De re metallica. Libri XII quibus officia, instrumenta, machinae, ac omnia denique ad metallicam spectantia, non modo luculentissime describuntur, sed et per effigies, suis locis insertas, adiunctis Latinis, Germanicisque appellationibus ita ob oculos ponuntur, ut clarius tradi non possint. Eiusdem De animantibus subterraneis, ab authore recognitus. Cum indicibus diversis, quiequid in opere tractatum est, pulchre demonstrantibus, Basel 1556 (VD16 A 933).

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Nebenantrieben nicht um ein Haar bewegen können. Selbst wenn ein korrek­ tes Übersetzungsverhältnis gewählt würde, wäre die Drehzahl der Mühlsteine so gering ausgefallen, dass damit kaum jene großen Mengen Getreides gemah­ len werden konnten, die Holzschuher vollmundig angekündigt hatte. Der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch den Energieträger Wasser hätte Abhilfe schaffen können. Dies verbot jedoch das grundlegende Konzept. Zeichen- und Konstruktionstechnik Trotz fundamentaler funktionaler Fehler sind Holzschuhers Zeichnungen hin­ sichtlich einer ideenreichen Ausnutzung und Kombination verschiedenartiger Antriebstechniken als innovativ anzusehen. Dies gilt vermehrt für die Techni­ ken zeichnerischer Umsetzung. Mehrere modern anmutende Elemente fallen hier auf. Zunächst erstaunt die konsequent durchgehaltene Zentralperspektive. Dies ist an sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts keine Besonderheit mehr. Bereits seit Ende des 14. Jahrhunderts ist diese Darstellungsart in Italien bekannt. Filippo Brunelleschi gilt als ihr Erfinder.61 Diesseits der Alpen verhalfen die Traktate Dürers zur Architektur und zur Konstruktionslehre der präzisen perspektivischen Zeichnung zum Durchbruch.62 Für die Architektur war es dann das umfangreiche kompilatorische Kompendium des Walther Herman Ryff (Gualterius Rivius) von 1547, das weitere Maßstäbe setzte.63 Im Bereich der technischen Zeichnungen sah es dagegen noch schlechter aus. Präzision und Perspektivität ließen zu wünschen übrig.64 Dies liegt einer61 Zu Brunelleschi vgl. die neueren Arbeiten von Giovanni Funelli: Brunelleschi, Florenz 1980, bes. S. 3-41; Peter J. Gärtner: Filippo Brunelleschi 1377-1446, Köln 1998; zum weiteren Weg der perspektivischen Darstellung vgl. neuerdings Oskar Bätschmann / Sandra Giaufreda (Hrsg.): Leon Battista Alberti. Deila pittara. Über die Malkunst, Darmstadt 2002, bes. S. 12-18; zur Ent­ wicklung der Zeichentechnik in Büchsenmeisterbüchern und anderen technischen Handschrif­ ten des Spätmittelalters bis zu Holzschuher vgl. Rainer Leng: Social Character, Pictoria! style and the Grammar of Technical Illustration in Craftsmen’s Manuscripts in the late Middle Ages, in: Wolfgang Lefevre (Hg.): Picturing Machines. 1400-1700, The MIT Press Cambridge/Mass., London 2004, S. 85-111. 62 Bes. Albrecht Dürer: Underweysung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheydt in Linien, Ebenen und ganzen Körpern, Nürnberg 1525 (VD 16 D 2856); die umfangreiche Literatur hierzu siehe Mende (wie Anm. 49), S. 479—483; ein Faksimile der .Underweysung“ hg. mit einem Nachwort von Christine Papesch, Dietikon-Zürich 1966. 63 Gualterus Hermanius Rivius: Der furnembsten notwendigsten der gantzen Architectur angehörigen mathematischen und mechanischen Künst eygentlicher Bericht und verstendige Unterrichtung, Nürnberg 1547 (VD 16 R 4001, Faksimile Hildesheim, New York 1981). Zu Ryff vgl. neuerdings die Einleitung bei Ralf Vollmuth: Traumatologie und Feldchirurgie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Exemplarisch dargestellt anhand der „Großen Chirurgie“ des Walther Herrmann Ryff (Sudhoffs Archiv, Beiheft 45), Stuttgart 2001, S. 14-16. 64 Zu den spätmittelalterlichen Vorbedingungen vgl. Eberhard Knobloch: Technische Zeichnun­ gen, in: Lindgren (wie Anm. 28), S. 45-64 und Leng (wie Anm. 61) sowie Helmut Flachenecker:

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seits am Memorialcharakter der privaten Skizzenbücher, andererseits an den typischen Elementen fachspezifischer Kommunikation. Zum Austausch von technischen Informationen genügten einfache Skizzen mit den wesentlichsten Ideen. Die praktische Umsetzung blieb dem handwerklichen Geschick Vor­ behalten. Die in Nürnberg erschienenen Drucke Dürers und Ryffs werden Holzschu­ her sicher beeinflusst haben, jene abstrakteren Techniken auch auf Konstrukti­ onsskizzen zu übertragen. Der Versuch ist durchweg gelungen. Dabei spielte der Testamentscharakter keine geringe Rolle. Da Holzschuher damit rechnen musste, dass die Nutznießer möglicherweise technisch nicht vorgebildet waren, musste größte zeichnerische Präzision die bloße Skizze als Ideenträger ersetzen. Außerdem erfolgt hier, anders als in den technischen Manualen des späten Mittelalters, der Wissenstransfer über eine größere räumliche und zeit­ liche Distanz. Die Form des Testaments schloss von vorneherein aus, dass der Erfinder selbst noch Einfluss auf die technische Umsetzung nehmen konnte. Texte und Zeichnungen mussten daher so ausführlich und so aussagekräftig sein, dass die Erben jedes einzelne Element auch ohne Holzschuhcrs Rat ver­ stehen und bauen konnten. Deshalb sind sämtliche Blätter bis ins Detail durchkonstruiert. Die Abbil­ dungen vermögen nur einen rudimentären Eindruck von der zeichnerischen Komplexität des Unterfangens zu vermitteln. Tatsächlich ist das Papier über­ säht von einer Unzahl von Blindlinien, radierten Hilfszeichnungen und von Hunderten von Zirkellöchern. Selbst winzige Details sind nicht frei gezeich­ net, sondern wurden konstruiert. Ingenieurswissenschaftliche Wissensvermitt­ lung erreicht hier einen unerhörten Stand. Durchgängig ist das Prinzip von Gesamt- und Baugruppendarstellung, diese wiederum in Einzelteile aufgelöst, vorhanden (siehe Abb. 1,2, 5, 7). Das Gesamtbild des Basilischko wird mit den Worten angekündigt: Hie volget die gestalt dess gantzen Basilischco In einem Stuckh vnd dann stuck weiss tzerlegt vnd aufgerissen (fol. 4r). Noch heute gängige Schnitt- und Ansichtsebenen werden eingehalten. Von der Mühle wird beispielsweise zunächst die Hauptwelle mit allen Rädern im vertikalen Schnitt präsentiert (fol. 30r), dann ein Vertikalschnitt der gesamten Anlage mit Nebenwellen (31 v/32r). Es schließen die einzelnen Baugruppen an: Zahn- und Kammräder, Schwungräder, Schüttelkasten mit Antrieb. Zuletzt

Handwerkliche Lehre und Artes mechanicae, in: Lindgren (wie Anm. 28), S. 493-502. Die Lite­ ratur zu den technischen Zeichnungen und Skizzenbüchern der Renaissance (man denke nur an da Vinci) ist zu umfangreich, um hier wiedergegeben zu werden. Es sei deshalb lediglich auf ein Buchprojekt des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin verwiesen, das mehrere einschlägige Studien enthält: Lefevre (wie Anm. 61).

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Abb. 10: GNM, Hs. 28.893. Links Konstruktion der Zahnräder für den Antrieb der Hauptwelle (fol. 31v); rechts oben Konstruktion eines großen Kammrades mit Wellenaufnahme, Antriebs- und Abtriebsseite (fol. 32"); rechts unten kleine Kammräder in Drauf- und Seitenansicht (fol. 33v)

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folgen zwei horizontale Schnitte, zunächst das Grundgerüst (37v/38r, Ausfalt­ tafel), dann in Aufsicht die Ebene der Wellen (Abb. 8), bevor in einer prächti­ gen Perspektive (Abb. 9) das Ganze vor Augen gestellt wird. Der Konstruktionseifer setzt sich bis in das Detail fort. Selbst bei den klei­ neren Kammrädern wird - immer mit präziser Legende - Aufsicht und Schnitt gegeben, und auch nicht vergessen, wie die Radsegmente aus dem vollen Holz herauszuarbeiten seien. Auch die Konstruktion der Zahnräder für den Kurbeltricb ist mit dem Zirkel durchgeführt. Einige Hilfskreise blieben mit Absicht stehen, um einem späteren Nutzer gezielte Konstruktionstechniken für eine praktische Umsetzung zu vermitteln (Abb. 10).65 Am überraschendsten und zugleich am innovativsten ist, dass sämtliche Zeichnungen absolut maßstabsgetreu sind. Mehrfach weist Holzschuher darauf hin, dass allen Zeichnungen realiter der römische Werkschuh zugrunde liege.66 Bei jeder einzelnen Zeichnung wird dann explizit der Umrechnungsfaktor angegeben. Ein viertel, ein halber oder ein ganzer Zoll entspricht jeweils einem römischen Werkschuh. An einigen Stellen ziert noch ein eigener Maßstab den Rand (z. B. Abb. 8, 10). Auch wenn Dürer ähnliches für seine Architektur­ zeichnungen vorgeschlagen hatte, ist dies für technische Konstruktionen neu­ artig und noch nie in dieser Konsequenz durchgeführt worden. Hier liegt im Grunde die erste, modernen und noch immer gültigen Maßstäben verpflichtete technische Zeichnung vor: Schnittebenen, Baugruppen, Einzelteile, Perspek­ tive und Maßstabstreue sind komplett und konsequent durchgeführt. Mit rela­ tiv geringem Aufwand sollte cs möglich sein, Holzschuhers Pläne in moderne CAD-Programme zu übertragen und so virtuelle, dreidimensionale Funktions­ modelle samt Kraft- und Leistungsberechnungen zu erstellen. 65 Die Zahnräder sind hier mit konischen Flanken gearbeitet. Dies ermöglichst einen leichteren und präziseren Eingriff der Zähne. Brunelleschi soll diese Technik erstmals bei seiner Hebe­ maschine am Dom von Florenz angewandt haben. Die Technik war also bekannt. Insbesondere die Mühlenmeister wussten natürlich aus mündlicher Tradition, wie ein Zahnrad mit Zirkel aus dem Vollen anzureißen war. Doch dies ging nie in ingenieurstechnische Skizzenbücher ein. M. W. ist dies der erste Beleg für eine Zahnradkonstruktion. “ Besonders intensiv nochmals vor Beginn der ersten großen Zeichnung, ausgezeichnet durch Textura in vergrößerter Schrift. GNM, Hs. 28.893 fol. 4': Zuuorderst ist tzumerken, das diss werckh vnd alle andere werde In disem buch verleibt, Sindt vff den rechten alten Römischen schuch verjünget vnd abgethailt. Desselben schuchs gestalt vnd proportz ist hie tzugegen auf­ gerissen vnd in tzwolf vntz oder tzol aufgetailt, vnd wirdt hey einem Jeden werckh vermeldet, ob dasselbig werckh auf ein gantzen tzohl oder ein halben tzohl, oder ein viertl tzohl vergunget sey. Das ist also tzuuerstehn: ist es vff den gantzen tzohl vergunget, so hetent ein tzohl ein gant­ zen schuch Im grossen werckh. Ist es vf den halben tzol vergunget, so bedeut ein halber tzol ein gantzen schuch Im grossen werckh. Ist es auf ein viertl tzol vergungt, so beteut ein viertl tzohl ein gantzen schuch im grasen werckh. Dartzu gehört ein vleisig aufmercken, ein gueter Kopf gerech­ ter tzirckel, masstab vnd winckelmaß.

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Gerade im Mühlenteil zeigt sich ein Stand der Konstruktionstechnik, der anderen technischen Skizzenbüchern des 16. Jahrhunderts weit überlegen ist. Hier geht das konstruktive Niveau den Mühlenzeichnungen Heinrich Schick­ hardts um fast 50 Jahre voraus.67 In der Ingeniosität und deren präziser, maß­ stäblicher Umsetzung erweist sich das Testament Holzschuhers als stiller Vor­ gänger der erst eine Generation später einsetzenden Maschinentheater der Renaissance.68 Der Anteil Holzschuhers an den Konstruktionen und der Zeichner der Skizzen Bei diesem Umfang an innovativer Technik und zeichnerischer Umsetzung drängt sich natürlich die Frage auf, inwieweit dies alles auf die Kenntnisse des Nürnberger Patriziers, Händlers, Gewerken und Finanzplaners Holzschuher zurückgehen kann. Dass Holzschuher über einige technische Kenntnisse aus seiner Gewerkentätigkeit verfügte, steht außer Zweifel.69 Der Betrieb von Saiger­ hütten erforderte umfangreiches Wissen über Metallurgie und Antriebstechni­ ken.70 Dennoch war dies nicht ohne Weiteres auf Wagen und Mühlen zu über­ tragen, die per Hand angetrieben werden sollten. Zweifel muss auch Holz­ schuhers Selbsteinschätzung in den letzten Sätzen des Testaments erwecken: der ich doch kein archidectus noch darmit herkomen hin. Trotzdem ist die Gestalt Holzschuhers durch den ganzen Zeichnungskomplex präsent. Die Schrift stammt von einer (seiner?) Hand. Noch deutlicher sind die ikonographischen Bezüge. 67 Vgl. neuerdings Sönke Lorenz / Wilfried Setzer: Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renais­ sance. Leben und Werk des Architekten, Ingenieurs und Städteplaners, Leinfelden-Echterdin­ gen (1999), bes. S. 75-82; Marcus Popplow: Why draw Pictures of Machines, in: Lefevre (wie Anm. 61), S. 26-33. “ Hier nur einige der bekannten Titel in Auswahl, chronologisch geordnet: Jacques Besson: Thea­ trum instrumentorum et machinarum, Lyon 1578 (ältere Ausgabe 1571/72, unter anderem Titel bereits 1567); Jean Errard: Le premier livre des instruments mathematiques mechaniques, Nancy 1584; Agostino Ramelli: Le diverse et artificiose machine..., Paris 1588; Vittorio Zonca: Novo teatro di machine et edificii peruarie et sicure operationi..., Padua 1607; Heinrich Zeising: Theatri machinarum..., Leipzig 1607; Giovanni Branca: Le machine..., Rom 1629; Georg Andreas Böckler: Theatrum machinarum novum, Nürnberg 1661. Vgl. zu dieser Literaturgattung im Überblick Popplow, Erfindungsschutz (wie Anm. 33), bes. S. 65-77 und Ders., Neu (wie Anm. 33), bes. S. 31-38; Jutta Bacher: Das Theatrum machinarum - Eine Schaubühne zwischen Nutzen und Vergnügen, in: Hans Holländer (Hg.): Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaft und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhun­ dert, Berlin 2000, S. 255-297 mit zahlreichen Abbildungen. 69 Vgl. die Textauszüge aus einer Supplik Holzschuhers zur Intensivierung seiner Tätigkeiten im Kupferabbau bei Kunnert (wie Anm. 3), S. 249. 70 Vgl. hierzu am Beispiel des „Mittelalterlichen Hausbuchs“ den einschlägigen Beitrag von Karl­ heinz Ludwig: Geschichtliche und montantechnische Bemerkungen zum mittelalterlichen Hausbuch, in: Christoph Waldburg (Hg.): Das mittelalterliche Hausbuch. Faksimile und Kom­ mentar, München 1997, S. 127-134.

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Abb. 11: Links oben Medaille Holzschuhers von 1574; links unten und rechts GNM, HS. 28.893, fol. 36' und fol. 5', Darstellungen Holzschuhers mit den Attributen Zirkel und Maßstab

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Vor der ersten Zeichnung steht ein ganzseitiges Vollbild Holzschuhers mit den Attributen des Konstrukteurs, Maßstab und Zirkel.71 Auf einem Tischchen finden sich weitere Versatzstücke der Ingenieursdarstcllung, ein Skizzenbuch mit Zahnrädern, Winkelmaß, Richtscheid, eine Waage, Tinte und Feder sowie ein Tierkreis.72 Auch innerhalb einzelner Zeichnungen taucht diese Figur samt Attributen auf, bei den Kampfwagen (fol. 8V), bei den Zügen (fol. 20v, 21r) und bei der Mühle (fol. 36r, 41v/42r). Damit schreibt er sich zumindest selbst eine aktive Teilnahme an der Entwicklung und Konstruktion zu. Dies ist ein beein­ druckendes Selbstzeugnis, das dem Testament über den Versorgungscharakter hinaus Züge eines Denkmals für die Nachwelt verleiht.73 Dass tatsächlich Holzschuher der Dargestellte ist, ergibt sich aus der klaren Übereinstimmung der individuellen Züge mit einer Schaumünze des Nürnberger Patriziers (Abb. II).74 Ebenso eindeutig stammen aber die Zeichnungen selbst nicht aus der Feder Holzschuhers. Er dürfte die Ideen und vielleicht erste Skizzen vermittelt haben. Für die Ausführung des Testaments bediente er sich eines versierten Zeichners. Mehrere der Zeichnungen (fol. 5r, 6r, 8V, 9', 15r, 26r, 30r) sind mit dem Monogramm AG signiert.75 Der bislang unbekannte Meister konnte nun identifiziert werden. Unter den zahlreichen Monogrammisten AG kommt nur der aus der berühmten Nürnberger Buchmaler-, Illuministen- und Kupfer­ stecherfamilie stammende Albrecht Glockendon d. Jüngere in Frage.76 Eine 71 Von Neuhaus (wie Anm. 12), S. 191 als Selbstbildnis bezeichnet, als falsch erkannt bereits von Kurras (wie Anm. 8) S. 65. 72 Der links abgebildete Maßstab in Originalgröße würde übrigens erlauben, auf Holzschuhers Körpergröße zurückzurechnen, sofern man dem Portrait wie den anderen Teilen maßstabs­ getreue Umsetzung zugesteht. Leider scheint Holzschuher hier vom Prinzip der Maßstabstreue abgewichen zu sein. Eine entsprechende Angabe, die sonst zu jeder Zeichnung erfolgt, fehlt hier auch, vf den gantzen tzoll vergunget wäre Holzschuher 2,50 m groß gewesen! 73 Vgl. das ebenfalls von einigem Selbstbewusstsein zeugende Autorportrait des Konrad Kyeser im „Bellifortis“, Quarg (wie Anm. 38), fol. 139', oder das Selbstbildnis des Pfälzer Büchsenmeisters Philipp Mönch im Heidelberger epg 126, fol. T, abgebildet bei Leng (wie Anm. 8), Bd. 1, Tafel 18. Beide treten innerhalb ihrer Werke aber nicht mehr bildlich auf. Anders liegt der Fall beim „Mittelalterlichen Hausbuch“, wo regelmäßig ein Pärchen offensichtlich bei der Inspektion sei­ nes Besitzes wiederkehrt. Diese Szenen sind eher als Huldigung des Künstlers an die Auftrag­ geber zu verstehen, als als Nachweis einer aktiven Beteiligung an technischer Entwicklung; vgl. Waldburg (wie Anm. 70), S. 95, 104. 74 Abdruck und Nachweis der Schaumünze vgl. Georg Habich: Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 1, 2, München 1931, Nr. 1754, Tafel CLXXVII, 7. Etwas irritierend ist allerdings, dass Holzschuhers Wappen an keiner Stelle auftaucht. Einer der Krieger, die den Kampfwagen Elifantto angreifen, hat dafür ein Schürstab-Wappen an der Satteldecke (fol. 15r). 75 So bereits angegeben bei Kurras (wie Anm. 8), S. 65, jedoch ohne weitere Hinweise. 76 Zur Familie vgl. Ulrich Thieme / Felix Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 14, Leipzig 1921, S. 257-260 und G. K. Nagler: Die Mono­ grammisten, Bd. 1, München 1858, S. 303-314.

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genaue Bestandsaufnahme seines Werkes ist schwierig, zumal zur selben Zeit ein in Nürnberg wirkendes Mitglied der Familie mit Namen Albert (der Mitt­ lere) teils mit dem selben Zeichen, teils mit AGL signierte.77 Für den jüngeren Albert sind bislang einigermaßen sicher Glas- und Email­ arbeiten, Wappendrucke und Miniaturen einer Handschrift über Geomantie für Pfalzgraf Ottheinrich belegt.78 Noch bessere Bezüge ergeben sich für den mittleren Albert. Unter den zahlreichen Werken des Illuministen und Form­ schneiders befindet sich auch eine 1540 veranstaltete Neuausgabe der „Kunst Perspectiva“, die erstmals 1509 sein Vater Jörg in Nürnberg hatte drucken lassen.'1' Die Arbeit erschien im eigenen Verlag. Mit seinen Zeichnungen für Holzschuhers Testament führte demnach Albrecht der Jüngere, der jedenfalls mit dem mittleren eng verwandt war (sofern überhaupt verschieden),80 eine Familientradition auf höchstem Niveau fort. Albrecht, der sich vermutlich auf fol. 36r (Abb. 11, links unten) selbst abgebildet hat, wird aber wohl nur für die präzise Ausführung der Pläne verantwortlich gewesen sein. Impetus und Inge­ nium fallen dem danebenstehenden, Anweisung erteilenden Holzschuher zu. Geschichte und Bedeutung des Testaments Trotz aller Mühen ist Holzschuhers Testament wohl völlig ohne Folgen geblie­ ben. Von Versuchen einer Umsetzung erfahren wir nichts. Keiner seiner Erben dürfte jemals einen Gulden an Erfinderlohn oder Nutzungsentgelten genossen haben. Holzschuher hat nach dem Tode seiner zweiten Frau nicht mehr gehei77 Vgl. Thieme / Becker (wie vorherige Anm.), S. 258f und mit noch größeren Zuweisungsschwie­ rigkeiten Nagler (wie vorherige Anm.), S. 312-314. 78 So nach den besseren Angaben von Thieme / Becker (wie Anm. 76), S. 259. Kurzbeschreibung der Heidelberger Handschrift epg 833 mit drei Zeichnungen Glockendons bei Jakob Wille: Die deutschen Pfälzer Handschriften des XVI. und XVII. Jahrhunderts der Universitäts-Bibliothek in Heidelberg. Mit einem Anhänge: Die Handschriften der Batt’schen Bibliothek (Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg 2), Heidelberg 1903, S. 131. n Jörg Glockendon: Von der Kunst Perspektiva, [Nürnberg] 1509 (VD16 P 1238). Das nur 40 Bll. umfassende Stück stellt eine gekürzte und fast nur die Zeichnungen umfassende deutsche Bear­ beitung des Werkes von Jean Pelerin: De artificiali Perspectiva, Toul 1505, dar. Albrecht der mittlere gab es in vierter Auflage unter teilweiser Verwendung der originalen Druckstöcke heraus, vgl. Nagler (wie Anm. 76), S. 313. 80 Für den mittleren Albrecht gibt Thieme / Becker (wie Anm. 74) ein Todesdatum 1545 an. Die Überlieferung scheint zuverlässig, demnach käme für das Testament nur der jüngere Glocken­ don infrage, vielleicht sein Sohn. Bei einem anzunehmenden Geburtsdatum nicht weit vor 1500 (1521 Hauskauf zusammen mit seiner Frau - bald nach der Hochzeit?) könnte er, sofern sich die Todesnachricht auf einen anderen Albrecht bezöge, durchaus 1558 noch am Leben gewesen sein. Näheres könnte nur eine angekündigte, aber nie abgeschlossene Studie (siehe Thieme / Becker [wie Anm. 76], S. 257) über die Familie Glockendon erweisen. So aber bleibt die „namenlose Verwirrung“ über die verschiedenen Monogrammisten AG der älteren Literatur (ebda.) bestehen.

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ratet, am 15. Januar 1582 verstarb er selbst in Nürnberg.81 So blieben nur deren drei Kinder als potentielle Erben. Eine Tochter, Ursula, starb 1602 unvermählt; die andere Tochter, Catharina, hinterließ trotz zweier Ehen keine Kinder. Sein einziger Sohn Berthold der Jüngere scheint ganz nach einem anderen Schlag der Nürnberger Holzschuher geraten zu sein. Ihn zog es in Kriegs­ dienste. Nach Kämpfen für Kurköln und die Holländischen Generalstaaten wurde er am 14. März 1590 in der Nähe von Bremen erschossen.82 Damit erlosch die Nachkommenschaft Holzschuhers. Lediglich über seinen Bruder Leupold (f 1571), der 1542 aus Nürnberg wegzog und bei den Herzogen von Sachsen in Annenberg Münzmeister wurde,83 lebte der carolin-lazarische Zweig der Holzschuher noch zwei Generationen fort. Welchen Weg das Testament nahm, ist ungewiss. Holzschuhers Sohn hatte entweder kein Interesse an den Zeichnungen oder hatte ihre Nutzlosigkeit erkannt, jedoch ohne zu bemerken, wie leicht sie zu verbessern gewesen wären. Wahrscheinlich dürfte nach Schwierigkeiten im steirischen Bergbau und dem fehlgeschlagenen Finanzprojekt das Buch mit den Skizzen fast das einzige Erbe gewesen sein. Dafür sprächen auch der Kriegsdienst des Sohnes und die wenig aussichtsreiche Verheiratung nur einer Tochter. Nach den Bestimmungen des Testaments hätten die Pläne dann Bertholds Bruder Leupold, dem sächsischen Münzmeister, übergeben werden müssen. Die Spur verliert sich jedoch. Jeden­ falls blieb das Testament nicht dauerhaft im Besitz der über eine andere Linie noch heute blühenden Holzschuher. Es taucht erst wieder im Besitz des Münchener Historikers und Hofbibliothekars Nicolaus Gottfried Krenner (1759-1812) auf.84 Wie cs von dort in die Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums gelangte, ist nicht bekannt.85

81 Die folgenden Angaben nach Biedermann (wie Anm. 1), Taf. 174; Epitaph bei Gatterer (wie Anm. 1), Mantissa, S. 470. 82 Gatterer (wie Anm. 1), S. 255 mit Anm. 12. 83 Zu ihm vgl. auch Kunnert (wie Anm. 3), S. 249. 84 Besitzereintrag auf dem Vorsatzblatt recto. Zu Krenner, für kurze Zeit Nachfolger Aretins an der Hofbibliothek, vgl. ADB 17, S. 123f. Ein Nachlass Krenners, aus dem weitere Informatio­ nen gewonnen werden könnten, ist nicht bekannt. 85 Die Bibliothek des 1852 gegründeten GNM bestand zunächst aus der Privatsammlung des Gründers, Hans Freiherr von und zu Aufseß, die jedoch rasch durch weitere Sammlungen, Deposita und Schenkungen anwuchs, die heute nicht mehr präzise zu rekonstruieren sind (vgl. Handbuch der Historischen Buchbestände in Deutschland, hg. von Bernhard Fabian, 27 Bde., Hildesheim u.a. 1992-2000, Bd. 12 [1996]: Bayern 1-R, hg. von Eberhard Dünninger, S. 157ff.). Zur Sammlung Aufseß’, die ca. 450 Handschriften, darunter zahlreiche Norica, umfasste, gehörte das Testament jedenfalls nicht. Es wäre sonst mit dem typischen Stempel des Gründers versehen; Stempel abgebildct bei Fritz Lugt: Les marques du collections de dessins et d’estampes, Amsterdam 1921, Nr. 2749.

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Trotz fundamentaler Konstruktionsfehler und mangelndem Nachleben bleibt das Testament Berthold Holzschuhers ein Dokument von hohem tech­ nikgeschichtlichem Rang. Es verweist auf die Probleme um Geheimhaltung und Schutz geistigen Eigentums an technischer Innovation. Es ist zugleich ein kraftvoller Beleg für ein gesteigertes Selbstverständnis der Techniker der frühen Neuzeit. Technisches Wissen erscheint hier als mobiler und immobiler Habe sogar überlegenes und bevorzugt vererbbares Kapital. Die zeichnerische Umsetzung dieses Wissens stellt einen Markstein auf dem Weg zur modernen Konstruktionszeichnung dar.

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Anhang Das Testament Berthold Holzschuhers (Nürnberg, GNM, Hs. 28.893, fol. 1") Die Wiedergabe erfolgt buchstabengetreu. Groß- und Kleinschreibung des Textes wurden beibehalten. Lediglich die Interpunktion wurde zur leichteren Lesbarkeit modernen Gepflogenheiten angepasst. Das Testament geht bruch­ los in die folgenden, vielfältig miteinander verwobenen Texte und Skizzen über. Ihre Wiedergabe muss einem kommentierten Faksimile der Handschrift Vorbehalten bleiben. Der Abdruck beschränkt sich daher auf die vorangestell­ ten testamentarischen Bestimmungen. Jhesus Cristus Ich, Bertholdt Holtzschuher, weilundt dess Erbarn vnd Vesten Lasarus Holtzschuhers seligen nachgelasner Sühn, Burger tzu Nurmberg, Auf dato den tzwenvndtzwaintzigisten may A: Im Achtvndfunftzigisten, meines alters Neunvndtzwaintzig Jener verganngen Sibenvndviertzig Jar, Bekenne vnd thue kunt vor meniglich, Verordne auch, bitt vnd will. Nach dem mir der almechtig Ewig vnd guetig got aus seinen Reihlichen milten gaben die genade gethan vnd mir die erfindung volgcnder vnd tzuuor vnerhorter werck verliehen hat, dem sey Lob, ehr, dannck vnd Preyss In ewigkeit. Damit aber solcher sein gotlicher segenn Im tzu Lob vnd ehr, meinen kinden vnd nachkumen tzu nutz, Nach meinem cinfeltigcn verstandt aufgetailt vnd verordnet werde, hab ich solche treffliche gaben gottes vnd kunst In diss puch verfassen lassen. Verordne derhalb vnd will, das solchs puch auf absterben mein niemandt dann meinem Eltisten Sohn, der meinen tod erleben wirdt, Soll verschlosn oder vngeofnet der vormundt oder testamentary vnd meniglichs eingeantwurt, Oder da er noch tzu dein vnd Achtzehen Jar nit erraicht hete, verpetzschiert vnd verwart durch die vormundt Ime vorgetragen vnd behalten biss er Achtzehen Jar volkomen erraicht, Ime alsdan one vertzug tzugestelt werden, derselbig mein Eltister Sohn soll sich dessen für sich vnd seine geschwistrigit alls alle meine Liebe kinder von meinem leib geborn, volgender gestalt gebrauchn. Nemlich soll er diss puch bey seinem Aid niemandt eroffen, Lesen lassen noch ainiche Copy oder abschrift daruon geben in kein weiss noch weg, sonder sich solcher kunsterfindung vnd werck für Cristenliche potentaten, alls Kaiserliche maiestat, Kunig, Fürsten vnd herrn gebrauchen, doch souil Imer muglich furkumen, das es 138

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keinem uncristen, noch denen, so mit den vncristen in verpundtnus sein, offen­ wart werde, vmb tzuuerkomen, das es mit der tzeit nit wider die Cristenheit gebraucht werden möge, gebrauchen mit pilligem vnd ansehenlichem nutz vnd geniesz. Solchen nutz soll er Jerlich vnd alle Jar tzum neuen Jar bey seinem aid vnnd gewissen In souil thail abthailn, souil Jedesmals meiner kinder sein vnd seiner geschwistrigit in leben sindt, oder da eins oder mer abganngen weren vnd kinder verlassen hetten, solche kinder solln für ein Person, alls vater oder muter, gerechent werden, vnd noch tzwen tail tail darüber solln abgetailt wer­ den, also tzuuerstehn: So meiner kinder drey In Leben, so solln funff thail gemacht werden, von solchen fünf thailn soll ein thail tzuuorderst vmb gottes willen armen Leutten geraicht vnd geben werden. Alsdann solln tzwen thail Ime meinem eltisten Sun alls dem, der die muh vnd vleys darauf wendt, belei­ hen, vnd dann einem Jeden meiner kinder, seinen geschwistrigiten, oder dersel­ ben kindt, ein thail volgen vnd werden. Solchs soll er, mein eltister sohn ver­ pflicht vnd schuldig sein, doch vnuerpundten Jemandt derhalben Rechnung tzuthun. Darneben mit vleys vnd Vernunft sich diser kunst vnd gaben gottes Nutzbarlich vnd Ehrlich gebrauchen vnd Jerlich daruon Laisten wie obgemelt. Vnd da aber er aus manngel verstanndts oder sunst die muhe nit haben wollt, Sol er schuldig sein, diss puch dem eltisten seinem Brueder, auch meinem Sohn, souer einer verhanden, wo nit, meinem negsten Pluthsfreundt, des namen vnd Stamens der Holtzschuher, vnd da der mer als einer In gleicher Linien oder verwandtnus weren, dem eltisten tzustelln vnd vberandtwortten, welcher als dann in gleicher pflicht wie obgemelt sein vnd solche tzwen thail daruon haben soll. Vnd also soll diss puch alweg bey meinem negsten vnd eltisten Pluthsfreundt sein vnd pleibcn vnd allein Ime vnd niemandt anders tzueroffen vnd sich dess zugebrauchen gebürn, auf das diese tzuuor vnerhorte werckh gehaim vnd Künste bleiben vnd nit gemein werden. Will also hiemit meine Liebe kindt vnd negste pluthsfreundt vom Namen vnd stamen der Holtzschuher sambt den armen dürftigen Leuten vorgemelter masen begabt vnd Ine dise gaben gotes mitgetailt haben. Mit freundtlicher vnd / Ernstlicher pith, das sie wollen dem almechtigen ewigen got die Ehre geben vnd darumb danckpar sein, von welches genaden vnd segen allain diese wolthat herraicht, one ainich mein tzuthun oder tzumessung meiner Vernunft, der ich doch kein archidectus noch darmit herkomen bin. wollen Ine auch die armen durfftigen beuolhen sein lassen vnd mein darbey Im pesten gcdencken. Volgen die werck vnd Kuenst In disem puch aufgerissen furgelegt vnd nach dem alten Römischen schuch In der vergungung aufgetailt vnd darneben mit vleys beschriben vnd angedeutet, wie die tzumachen vnd auch tzugebrauchen sein.

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DOAPHORON - ALCHEMISTISCHE QUACKSALBEREI ZWISCHEN HEILKUNST UND WUNDERGLAUBE Von Walter Gebhardt O! Wer kann dich Doaphoron bezahlen ? Niemand! Bartholomäus Korndörffer Alchemie - ein Wort wie aus einer anderen Welt. Es bezeichnet eine unter­ gegangene Universalwissenschaft, die aus dem Alltagsbewusstsein und dem täglichen Sprachgebrauch längst verschwunden ist. Aber ähnlich wie bei den ewig geheimnisumwitterten historischen Dauerbrennern Heiliger Gral, Bundeslade oder Templerorden umweht den Begriff eine eigentümliche Faszi­ nation. Wer sich diesem Metier verschrieb, suchte in einer Grauzone zwischen Chemie und Magie nach dem Stein der Weisen, mit dessen Hilfe unedle Metalle in das vollkommene Gold umgewandelt werden sollten. Mindestens ebenso intensiv aber beschäftigten sich die Alchemisten mit der Herstellung von Arzneien. Unter dem Einfluss des erfolgreichen Wanderarztes Paracelsus, der die Erzeugung von Heilmitteln als konkrete Aufgabe an die Materieforschung postulierte, markiert das 16. Jahrhundert den allmählichen Übergang der alten hermetischen Geheimlehre zur pharmazeutischen Chemie. Dass dabei bisweilen gefährliche Produkte entstehen, blieb nicht lange unbemerkt. Um die unterschiedlichsten therapeutischen Erfahrungen zu bün­ deln, tauchte schnell der Gedanke an eine Vorschriftensammlung für Apothe­ ker zur Medikamentenherstellung auf. Eine erste amtliche Pharmacopoe, die für ganz Deutschland bahnbrechend werden sollte, hatte der Nürnberger Rat bei dem berühmten Arzt Valerius Cordus 1543 in Auftrag gegeben.1 Übrigens sollte es noch bis weit in das 20. Jahrhundert dauern, bis in Deutschland die Herstellung von Arzneimitteln von einer behördlichen Erlaubnis abhängig gemacht wurde,2 erst seit 1976 steht der Schutz der Bevölkerung im Gesetz als oberstes Ziel ausdrücklich festgeschrieben:3 Arzneimittel dürfen danach grundsätzlich erst dann an den Verbraucher abgegeben werden, wenn ihre pharmazeutische Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem staat­ lichen Zulassungsverfahren überprüft worden ist. 1 Egon Philipp: Das Medizinal- und Apothekenrecht in Nürnberg, Frankfurt am Main 1962, S. 39—48. 2 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 16. Mai 1961 (BGBl. I S. 533). 3 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) vom 14. August 1976 (BGBl. I 1976, S. 2445, 2448).

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Ganz ähnliche Sicherheitsvorstellungen trieben den Nürnberger Stadtarzt Joachim II. Camerarius (1534—1599)4 um, der sich über Jahrzehnte um die Neuordnung des Nürnberger Medizinalwesens bemühte. In einer Denkschrift, die er dem Rat am 27. Dezember 1571 überreichte, setzte er sich mit den Berufsbildern von Ärzten, Apothekern sowie den beim Handwerk angesiedel­ ten Badern, Barbieren und Wundärzten auseinander. In dem Memorandum forderte er das Verbot von Arzneiherstellung und -verkauf durch Nicht­ apotheker. Der einflussreiche Mediziner begründete dies mit der Unordnung, die fliegende Arzneihändler bei Medikamenten wie auch bei den Apotheken anrichteten. Der illegale Handel führe die Apotheker in den Ruin. Doch geschädigt seien nicht nur sie, sondern auch die Käufer solch unbekannter Arzneien, die sich damit verderben würden.5 Mit seinem Postulat betrat der Stadtarzt und Lobbyist keineswegs Neuland; die ordnungspolitische Auseinandersetzung mit den Kurpfuschern stand damals längst auf der Tagesordnung. Schon 1478 war sie in einem nürnbergischen Ratsverlass6 offiziell eröffnet worden - als eine der ersten Verlautbarun­ gen zu diesem Thema im deutschen Sprachraum.7 1592 mündeten die Anstren­ gungen Camerarius’ schließlich in die Neuorganisation des Nürnberger Gesundheitswesens. Sie bedeutete zum einen die Gründung des als „Collegium Medicum Norimbergense“ bezeichneten Aufsichtsorgans der akademischen Ärzteschaft. Gleichzeitig erließ der Rat seine Nürnberger Medizinalordnung. Der Kampf gegen das Kurpfuschertum wurde darin auf eine neue Stufe geho­ ben. Bereits in ihren einleitenden Sätzen wiederholte sie Camerarius’ doppelte Schadensmeldung, wonach der gemeyne Mann durch einheimische und aus­ wärtige Empyrici nicht nur um sein Geld, sondern auch um seine Gesundheit gebracht würde.8 Die studierte Ärzteschaft war aufgerufen, sich vollständig im Collegium Medicum zu organisieren, unstudierte Hcilsbringer waren selbstredend von der Aufnahme ausgeschlossen. In § 7 stellt uns die Medizinalordnung die illustre Gesellschaft vor, welche abseits der Schulwissenschaft ihre Geschäfte betrieb: Theriakkrämer, Zahnbrecher, Alchimisten, Destillatoren, verdorbene *

5 6 7 8

Vgl. Stadtlexikon Nürnberg, hg. von Michael Diefenbacher und Rudolf Endres, 2. Aufl., Nürn­ berg 2000, S. 179. Egon Philipp: Medizinal- und Apothekenrecht (wie Anm. 1), S. 76-80. Decretum Consulatus Nüremberge contra Empiricos vom 12. Juni 1478 (abgedr. in: Henry Graack: Sammlung von deutschen und ausländischen Gesetzen und Verordnungen, die Bekämpfung der Kurpfuscherei und die Ausübung der Heilkunde betr., Jena 1904, S. 60-61.) Ubergreifend vgl. August Jegel: Kurpfuschertum im alten Nürnberg und seine Bekämpfung, in: Bayerische Ärztezeitung 35 (1932), S. 287-289, 297-298, 309-310, 452-456, 466-472. Gesetz, Ordnung und Tax von einem E. Raht der Statt Nürmberg dem Collegio Medico ... gegeben am 25. Mai 1592 (StadtAN A 6, 1592 Mai 27/2).

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Doaphoron

Handwerker, Juden, Schwarzkünstler und alte Weiber, die sich medizinischer Kenntnisse rühmen, als hätten sie der Doctorn Kunst und Artzney erlernt. Ihnen allen wird verboten, die Leuth zu curiren, jedenfalls ohne sonderbare erlaubnuss eines Erbarn Raths. Ein generelles Tätigkeitsverbot für die Winkel­ ärzte verhieß das nicht, die Regelung hielt zumindest für die Einheimischen alle Möglichkeiten offen. Offenbar wollte der Rat - ungeachtet der Forderungen Camerarius’ - eigene Bürger nicht um ihre Erwerbsgrundlage bringen, sondern nur die Kontrolle über das unübersichtliche Feld ausüben. Um diese Funktion auch auf fahrende auswärtige Alchemisten auszudeh­ nen, sah § 8 folgerichtig das Verbot vor, diejenigen, die ohne Erlaubnis prakti­ zierten, bei sich aufzunehmen. Nachdem die zehn Jahre ältere Augsburger Medizinalordnung noch die gänzliche Abschaffung des medizinischen ,Pöbels1 vorgesehen hatte9, entschied sich Nürnberg für eine vergleichsweise zurück­ haltende, den Einzelfall begutachtende Regelung. Das erscheint wesentlich klüger, schließlich konnte man sich damit die Heilkünste von fremden Prakti­ kern sichern, denen ein besonders guter Ruf vorauseilte. § 9 unterstreicht dieses Konzept: Heilkundige mit besonders bewährten Arzneien, die sie durch glaubwürdige Urkunden belegen können, werden ausdrücklich eingeladen. Im Übrigen hätte man sich mit einem Verbot nur ohne Not Unzufriedenheit in der eigenen Bürgerschaft eingehandelt, da die im 16. und 17. Jahrhundert sehr beliebten Quacksalber enormen Zulauf genossen.10 Wie üblich, klafften Anpruch und Wirklichkeit freilich weit auseinander. Nur die wenigsten Fälle von Kurpfuscherei — und auch nur dann, wenn Kompli­ kationen aufgetreten waren, führten zur Anklage. Die vorgesehenen Kontrollmechanismen griffen nur unzureichend: Was sollte man tun, wenn sich jemand außerhalb der Stadt behandeln ließ? Um den einheimischen Apothekern nicht das Geschäft zu verderben, erlaubte man die Einlösung auswärtiger Rezepte. Das öffnete dem Missbrauch Tür und Tor und erforderte immer umständ­ lichere Direktiven, die letztlich nur die Ohnmacht des Rates offenbarten." Wirtschaftliche Gesichtspunkte unterschiedlicher Interessengruppen torpe­ dierten ständig die gut gemeinte, am Gemeinwohl orientierte gesetzgeberische Grundlage - die Diskussion um das Gesundheitswesen und seine Pfründe erweist sich als ewiger Dauerbrenner. So in etwa mögen sich für Erhard Leser die Rahmenbedingungen dargestellt haben, als er ein kleines Büchlein drucken ließ. Er betitelte es ebenso ausführ­ lich wie umständlich als Doaphoron - Aqva Vitae Avrea Theriacalis, sive benedicta, mirabilis, virtutis, &c. Das ist: Ein Wasser deß langen Lebens, das 9 Graack: Sammlung (wie Anm. 6), S. 33. 10 Petra Schramm: Die Quacksalber, Taunusstein 1985, S. 12. 11 Philipp: Medizinal- und Apothekenrecht (wie Anm. 1), S. 88-96.

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warhaffte, uhralte, gerechte, und bewehrte, Dienstlich wider die Pistilentz vnd allerley andere Gifft, auch sonsten wider unzehlich vil Kranckheiten .... Laut

Vorrede brachte er es erstmals 1582 heraus. Das schmale, 16-seitige Bändchen fand offenbar reißenden Absatz, 1613 erschien bereits der 28. Nachdruck - ein Erfolg, von dem die meisten Schriftsteller kaum zu träumen wagen.12

DOAPHORON. AaVA VITI A VR E A Thcriacalis, fi vc bencdißa, mirtbilis, vircucis. See. JDas 1(1:

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Ständen geliefert werden L. Scholl - Heumacher

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Telephonruf Nr. Ml

i Anterllging lieh einpstndten md dMU Eililrtu NÜRNBERG 1893.

Innenseite des Titelblattes und erste Innenseite des „Wegweisers durch Nürnberg“ von 1893. Der Führer wurde wohl durch Werbung finanziert. (StB Nor. 1480.8°)

Außer der Gründung sind kaum Aktivitäten dieses Vereins überliefert. Während 1893 wenigstens noch eine Vereinsversammlung stattfand, die den amtierenden Vorstand bestätigte, musste im Folgejahr die Mitgliederversamm­ lung ausfallen, da - wie der erste Vorsitzende mitteilte - außer dem ergebenst Unterzeichneten niemand erschien.12 Mit demselben Schreiben kündigte der Vorsitzende Gustav Rooth die geplante Auflösung des Vereins an. 1895 über­ nahm der Färbereibesitzer Ludwig Arnold die Leitung der Geschäfte des Ver­ eins,33 dessen Auflösung er noch bis zum Abschluss der Landesausstellung 1896 hinauszögern konnte.34 Das Eingehen des Vereins bedeutete jedoch nicht, dass die Aktivitäten zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg ganz zum Erliegen kamen. Ab 32 StadtAN C 7/V Nr. 1647, Rooth an Zopfy, 16.12.1894. 33 StadtAN C 7/V Nr. 1647, Vermerk, 17.6.1895 und C 7/X Nr. 4, Eintrag 921. 34 StadtAN C 7/V Nr. 1647, Vermerk Zopfys, 20.2.1896. In der Tat wurde der Verein im Jahr 1897 aufgelöst: Vermerk Zopfys, 25.9.1897 und StadtAN C 7/X Nr. 5, Eintrag 156.

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Gesa Büchert

1895 erschien über mehrere Jahre hinweg die „Nürnberger Fremdenzeitung“, ein Organ zur Hebung und Förderung des Fremden-Verkehrs in Nürnberg, wie Herausgeber Jean Braun das Ziel des Blattes charakterisierte.35 Außerhalb Bayerns gab es zahlreiche Bemühungen, den Fremdenverkehr stärker zu institutionalisieren: 1902 beschlossen Delegierte aus 23 deutschen Städten - darunter allerdings keine bayerische Stadt - bei der ersten Versamm­ lung der deutschen Verkehrsvereine, den Bund Deutscher Verkehrsvereine (BDV) zu gründen. Die erste Mitgliederversammlung dieses Verbandes fand dann im Oktober 1902 in Düsseldorf statt. Ziel dieses Verbandes war es, auf die Entwicklung neuartiger und schnellerer Verkehrsmittel und günstigerer Ver­ kehrsverbindungen sowie auf die Dezentralisierung der Ferien von Schulen und Lehranstalten zur besseren Auslastung der Beherbergungseinrichtungen hinzuwirken. Außerdem wurde eine zentrale Informationsstelle geschaffen und der Austausch von Werbemitteln der Mitglieder des Bundes organisiert.36 Vor diesem Hintergrund erfolgten im ganzen Deutschen Reich weitere Grün­ dungen von Fremdenverkehrsvereinen. So entstanden solche Vereine nun auch verstärkt im bayerischen Raum wie z.B. in Augsburg, Würzburg, Regensburg, Lindau, Schweinfurt, Oberstdorf37 sowie in Erlangen.38 3. Werbestratege und Wegbereiter: Die Anfänge des Nürnberger Fremdenverkehrsvereins 3.1 Neugründung Auch in Nürnberg wurden nun immer mehr Stimmen laut, die eine erneute Gründung eines Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs forderten. Im Mai 1904 erschien dazu die anonyme Abhandlung: Kann Nürnberg eine Fremden­ stadt werden? In einem Schreiben an ein Mitglied des Stadtmagistrats gab sich der Großhändler und Fabrikbesitzer Friedrich Carl Zahn, der bereits im Jahr 1903 eine Schrift zum Fremdenverkehr in Kissingen verfasst hatte, als Autor die­ ser Schrift zu erkennen. Gleichzeitig bat er darum, seine Anonymität zu wah­ ren.39 Über die Gründe für das anonyme Erscheinen der Schrift und seiner Bitte um Wahrung der Anonymität kann nur spekuliert werden. Möglicherweise wollte Zahn, der auch einen Sitz im Kollegium der Gemeindebevollmächtigten innehatte, politische Verwicklungen oder Anfeindungen vermeiden. 35 36 37 3‘ 39

StadtAN C 7/1 Nr. 2797, Braun an Stadtmagistrat, 12.12.1899. Berktold-Fackler/Krumbholz (wie Anm.10), S. 70f. Generalanzeiger, 29.9.1904. Erlanger Tagblatt, 27.2.1904, 2.3.1904, 5.3.1904 und 9.3.1904. StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Schreiben von Friedrich Carl Zahn, 18.5.1904.

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Verkehrsverein Nürnberg

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Titelseite der anonymen Schrift „Kann Nürnberg eine Fremdenstadt werden?“ (StB Nor 729.4°)

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Gesa Buchen

In seiner Abhandlung stellte Zahn fest, dass Nürnberg weder auf Grund von landschaftlichen Reizen oder gar klimatischen Vorzügen noch aus politischen Gründen (wie Landeshaupt- und Residenzstädte oder Regierungssitze), weder auf Grund einer günstigen Lage noch als Kurort für Besucher interessant sei und deshalb nicht automatisch von Besuchern aufgesucht würde. Dennoch endete er nach den kritischen Ausführungen mit einem überaus positiven Aus­ blick auf Nürnbergs Potential als Fremdenverkehrsstadt: Trotzdem besitzt unsere Vaterstadt Vorzüge ganz besonderer Art, wie sie anderen deutschen Städten nicht eigen sind, Vorzüge, die eine große Anzie­ hungskraft auszuüben vermöchten, wenn sie nur in das rechte Licht gerückt und der Allgemeinheit unermüdlich und immer wieder zur Kenntnis gebracht würden. Denn wo, gibt es eine zweite Großstadt im Deutschen Reiche, welche die Merkmale einer großen und stolzen Vergangenheit so zu erhalten verstan­ den hat, wie Nürnberg. Wer immer mit offenen Augen und empfänglichem Sinn die Straßen und Gassen Alt-Nürnbergs durchwandert, wer einen Stadtspaziergang um seinen Mauergürtel macht, wer seine Kirchen und hohen Giebelhäuser, seine Erker und Chörlein, seine herrlichen Brunnen und Kunstdenkmäler betrachtet, wer seine Museen und historischen Bauten besucht, wer von seiner stolzen Feste aus einen Blick auf sein Häuser- und Dächermeer, seine Tore und Türme wirft, vor dessen Auge ist ein Bild deutscher Kulturgeschichte aus der Blütezeit des Mit­ telalter vorübergezogen.40 Mit dem Verweis darauf, dass überall eine rege Tätigkeit zur Hebung des Fremdenverkehrs festzustellen sei, forderte Zahn, dass sich nach dem Vorbild des „Vereins zur Hebung des Münchner Fremdenverkehrs“ auch in Nürnberg unter dem Patronat des Stadtoberhaupts Bürger und Beamte, Schriftsteller und Künstler zusammenfinden und an der Förderung des Nürnberger Fremden­ verkehrs zielbewusst und ausdauernd arbeiten sollten.41 Die Antwort des Stadtmagistrats auf die anonyme Aufforderung sowie auf eine weitere in diesem Zusammenhang eingereichte Petition der örtlichen Hote­ liers, Gasthofbesitzer und Geschäftsleute ließ nicht lange auf sich warten. Der Magistrat fasste einen Beschluss, in dem hervorgehoben wurde: Was der Stadt­ magistrat als Gemeinde- und Polizeibehörde zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg tun kann, ist bereits geschehen und wird auch in Zukunft geschehen *2 Weitere Aktivitäten, d.h. konkret die Gründung eines Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs, lehnte der Magistrat mit der Begründung ab, dass ein 40 N.N.: Kann Nürnberg eine Fremdenstadt werden? Nürnberg 1904, S. llf. 41 N.N.: Kann Nürnberg eine Fremdenstadt werden? Nürnberg 1904, S. 19. 42 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Beschluss des Stadtmagistrats, 28.6.1904.

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solcher Verein nur lebensfähig sein könne, wenn die Initiative von der Bürger­ schaft ausginge. Allerdings gab der Stadtmagistrat die Zusage, einen solchen Verein nach Möglichkeit zu fördern.43 Die Einschätzung des Stadtmagistrats schien zu diesem Zeitpunkt durchaus ihre Richtigkeit gehabt zu haben. Unterschiedliche Positionen innerhalb der Stadtverwaltung, aber auch Angriffe und Widerstände von Wirtschaft und Gesellschaft behinderten oder verhinderten sogar bisweilen Aktivitäten zur Förderung des Fremdenverkehrs erheblich. So hatte der Stadtmagistrat bei­ spielsweise 1903 beschlossen, den Druck der so genannten „Umschläge“, eines kleinen Büchleins des „Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs in Mün­ chen und im bayerischen Hochlande“, in dem die Schönheiten und Sehens­ würdigkeiten von bayerischen Städten vorgestellt wurden, mit 100 Mark zu unterstützen.44 Diese Publikation erschien in der für damalige Verhältnisse sehr hohen Auflage von 70.000 Stück und wurde von den „kgl. Bayerischen Staats­ bahnen“ zusammen mit den Fahrscheinheften an Reisende ausgegeben. Auf einer Seite, die von Archivrat Dr. Mummenhof auf Richtigkeit überprüft wor­ den war, wurden hier auch auf ansprechende Weise die Nürnberger Sehens­ würdigkeiten und Spezialitäten umworben. Das Kollegium der Gemeinde­ bevollmächtigten lehnte allerdings die Finanzierung ab, so dass die Werbe­ aktivitäten von Nürnberger Seite nicht mitgetragen wurden.45 Andere Aktivitäten, die Besucher nach Nürnberg locken sollten, wie etwa die Errichtung einer Radrennbahn, wurden von Vertretern der Nürnberger Wirtschaft und Gesellschaft sowie auch der lokalen Presse zum Teil erbittert bekämpft. Die Widerständler gegen die Radrennbahn, die auf einem 50 Hektar großen Grundstück für 250.000 Mark realisiert werden sollte, konnten sich behaupten: Nicht in Nürnberg, sondern am Reichelsdorfer Keller wurde die Radrennbahn gebaut. Oberbürgermeister Dr. Georg Ritter von Schuh, der sich nachhaltig für den Bau der Rennbahn in Nürnberg eingesetzt hatte, beklagte in diesem Zusammenhang, dass man eigentlich die Fremden nach Nürnberg locken wollte und sie statt dessen nach Reichelsdorf dirigiere.46

43 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Beschluss des Stadtmagistrats, 28.6.1904. 44 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Geheimbeschluss des Stadtmagistrats, 28.7.1903. 45 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Beschluss des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten, 4.8.1903. Uber die Hintergründe für diese Ablehnung lässt sich nur spekulieren: War die ansonsten deutlich spürbare Vernachlässigung des nordbayerischen Raums in der bayerischen Fremden­ verkehrswerbung der Grund? War gekränkte Eitelkeit im Spiel, dass die Großstadt Nürnberg erst auf Seite 41 dieser Publikation behandelt wurde? Oder war das Kollegium der Gemein­ debevollmächtigten einfach nur verstimmt, weil erst nach der Drucklegung um einen Kosten­ zuschuss nachgefragt worden war? 46 FK, 29.9.1904.

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Trotz der Ablehnung einzelner Projekte, die zweifelsohne Besucher nach Nürnberg ziehen sollten, bestand in der öffentlichen Meinung ein breiter Kon­ sens darüber, dass grundsätzlich mehr zur Förderung des Fremdenverkehrs getan werden müsste. Nachdem der Stadtmagistrat seine grundsätzliche Unter­ stützung zugesagt hatte, verfolgte der „Verein zum Schutze von Gewerbe und Handel“ die Gründung eines Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs weiter. Für den 28. September 1904 berief dieser Verein eine Versammlung im Speise­ saal des Hotels „Rother Hahn“ in der Königsstraße ein. Zweck dieser Ver­ sammlung, zu der Mitglieder der Stadtverwaltung, örtliche Honoratioren, sowie Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft eingeladen wurden, war es, die Gründung eines Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg zu erörtern und die Wahl eines Komites vorzunehmen, dem die weitere Ausarbei­ tung dieses Projektes obliegen würde.*7 Nach Ausführungen des Magistratsrats Hans Häberlcin über die Bedeutung des Fremdenverkehrs für Bayern und Nürnberg und die Mittel zu seiner Bele­ bung versprachen das Kollegium der Gemeindebevollmächtigten und eine Reihe von Verbänden, die neue Institution tatkräftig zu unterstützen: Hierzu zählten neben dem Verband der bayerischen Gewerbevereine der Gewerbe­ verein Nürnberg, der Grund- und Hausbesitzerverein, der Verein zur Ver­ schönerung des Pegnitztals sowie der Alpenverein. Die örtliche Gastwirts­ innung, welche die Gründung aufs „freudigste“ begrüßte, sagte auch finan­ zielle Unterstützung des Vereins zu. Nachdem auch Nürnbergs Erster Bürger­ meister Dr. Georg Ritter von Schuh ein flammendes Plädoyer für die Förde­ rung des Fremdenverkehrs nach Nürnberg gehalten hatte, beschlossen die An­ wesenden einstimmig, in Nürnberg einen Fremdenverkehrsverein zu gründen. Zur Vorbereitung weiterer Schritte wie etwa der Wahl des Vereinsvorstandes und der Bildung von Unterausschüssen für die konkrete Arbeit konstituierte sich ein Ausschuss, in den 95 anwesende Herren aus Politik, Wirtschaft, Ge­ sellschaft und Kultur gewählt wurden. Den Ehrenvorsitz übernahm der Erste Bürgermeister Georg Ritter von Schuh.48 Die einstweilige Leitung der Ge­ schäfte übernahmen der Vorstand und Mitglieder des „Vereins zum Schutze für Handel und Gewerbe“ sowie gewählte Vertreter aus dem Ausschuss.49 Dieses vorläufige Komitee erarbeitete eine Satzung und die Vorschläge für die Beset­ zung des Hauptausschusses sowie der Unterausschüsse. 47 StadtAN C 7/1 Nr. 1269 und StB Nor 787.2°, Einladungsschreiben des „Vereins zum Schutze für Handel und Gewerbe in Nürnberg“ vom 14.9. bzw. 15.9.1904. 48 FK, 29.9.1904, Generalanzeiger, 29.9.1904, Nürnberger Volkszeitung, 29.9.1904. 49 In diesem vorläufigen Komitee waren neben den Kaufleuten Phillipp Käst, Max Erlenbach, Ludwig Lammers, Wilhelm Rupprecht und J. Lebrecht, Großhändler Friedrich Carl Zahn, Oberbaurat Theodor von Kramer, Rechtsrat Wilhelm Weigel sowie die Magistratsräte Hans Häberlein, Julius Förster und Lothar Kugler vertreten, FK, 29.9.1904.

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Das Gründungslokal des Fremdenverkehrsvereins: Das Hotel Rother Hahn, Königsstr. 46, vor 1909. (Königsstr. 46. Sammlung Ferdinand Schmidt - Stadt AN A 47/1 K 94/XI)

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Bei einer weiteren Versammlung am 24. Oktober 1904, an der 56 Ausschuss­ mitglieder teilnahmen, erfolgte dann die endgültige Gründung des „Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung“.50 Als Ver­ einszweck wurde in der insgesamt 24 Paragraphen umfassenden Satzung, die Anregung, Förderung und Durchführung aller der Hebung des Fremden­ verkehrs dienlichen Unternehmungen und Einrichtungen festgelegt.5' In den Vorstand des Fremdenverkehrsvereins wurden als Erster Vorstand Rechtsrat Wilhelm Weigel, als Zweiter Vorstand Julius Förster und als Dritter Vorstand der Juwelier August Merklein gewählt. Zur Unterstützung und Bera­ tung des Vorstands wurde zudem ein elfköpfiger Beirat gebildet, der gemein­ sam mit dem Vorstand einmal monatlich zusammentreten sollte. Daneben erfolgte die Gründung von Unterausschüssen, konkret eines Presse-, eines Finanz-, eines Verkehrs-, eines Kunst-, eines Vergnügungs- sowie eines Wohnungs- und Verpflegungsausschusses. Die Mitglieder der einzelnen Unteraus­ schüsse sollten bei allen wichtigen Fragen, die in ihren Tätigkeitsbereich fielen, hinzugezogen werden. Die Ausschüsse waren mit insgesamt 131 Mitgliedern so breit besetzt, dass wohl jedes Vereinsmitglied mindestens einem Unteraus­ schuss angehörte und damit in die Vereinsarbeit eingebunden war.52 Ein über­ legter Schachzug, um alle Kräfte für den Aufbau des neu gegründeten Vereins zu mobilisieren. In der Anfangszeit konzentrierte sich der Verein vor allem auf das Werben weiterer Mitglieder. Ziel war es, wie es in Aufrufen in der Nürnberger Presse53 hieß, die Unterstützung der gesamten Bevölkerung zu gewinnen. Um jedem den Beitritt zu ermöglichen, wurde der Jahresbeitrag mit mindestens drei Mark verhältnismäßig niedrig gehalten.54 Ein Jahrzehnt früher war der Mitglieds­ beitrag beim Vorläuferverein, dem später wieder aufgelösten „Verein zur Flebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung“ noch bei 8 Mark jährlich gelegen.55 Die Werbeaktivitäten brachten rasche Erfolge: Am 1. Februar 1905 zählte der Fremdenverkehrsverein bereits 920 Mitglieder. Neben Einzelmitgliedern 50 Irene Reif: 75 Jahre Verkehrsverein Nürnberg, Nürnberg 1979, o.S.; I. Geschäftsbericht des Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung (e.V.), erstattet am 15.5.1907, S. 1. 51 Satzung des Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung, 25.10.1904. 52 Nürnberger Volkszeitung, 2.11.1904. 53 So z.B. im Generalanzeiger, 29.11.1904 oder in der Nürnberger Volkszeitung, 1.12.1904. 14 Zum Vergleich: Die Teilnahme an einer dreistündigen Stadtrundfahrt kostete zu dieser Zeit vier Mark: Nordbayerische Verkehrs- und Touristen-Zeitung III. Jg-, Nr. 4/1906, S. 128. 55 StadtAN C 7/V Nr. 1647, Satzung des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung vom 15.12.1891.

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Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung, — - -

: Wohnungs- und Verpflegungs-Ausschuss-



Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich, zu einer am

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Uhr im stattfindenden Sitzung ergebenst einzuladen. Tagesordnung:

Hochachtungsvoll'! NÜRNBERG, den

190 Der Vorsitzende: Kommerzienrat Gallinger.

Vorgedruckte Einladungskarte für die Sitzung des Wohnungs- und Verpflegungsausschusses des Fremdenverkehrsvereins, um 1905. Unterzeichnet ist die Einladung von Kommerzienrat Gallin­ ger, dem Vorsitzenden des Wohnungs- und Verpflegungsausschusses. (StadtAN A 34, Nr. 4510)

konnten auch der Handelsvorstand und die Handelskammer sowie andere Vereine, wie z.B. Vorstadtvereine als Mitglieder gewonnen werden. Die Mit­ glieder leisteten einen Jahresbeitrag von 8.820 Mark. Im Laufe des Jahres 1905 konnte die Mitgliederzahl dann sogar auf 1.177 Personen und Institutionen ge­ steigert werden.56 Die Stadtgemeinde Nürnberg sowie das Königreich Bayern gewährten jeweils einen Zuschuss in Höhe von 2.500 Mark jährlich, so dass der Verein 1905 bereits einen Betrag von insgesamt 16.604 Mark pro Jahr erwirt­ schaftete.57 Die Aktivitäten des neu geschaffenen Nürnberger Fremdenverkehrsvereins strahlten auch auf die Region aus. Bereits kurz nach der Gründung erhielt der „Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung“ die Anregung, die touristische Tätigkeit nicht auf Nürnberg und die nähere Um­ gebung zu beschränken, sondern die Förderung des Fremdenverkehrs in ganz Nordbayern zu übernehmen. 56 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 6. 57 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 4f.

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Der Nürnberger Vereinsvorsitzende berief darauf hin für den 17. Dezember 1904 im Cafe Central in Nürnberg eine Sitzung aller Vereinigungen und Gemeinden ein, die an der Förderung des Fremdenverkehrs in Nordbayern interessiert waren. Hier wurde dann der Nordbayerische Verkehrsverein gegründet, dessen Vorsitz wiederum Rechtsrat Wilhelm Weigel übernahm, der zum damaligen Zeitpunkt auch Vorstand des Nürnberger Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs war. Der Nordbayerische Verkehrsverein, der seinen Sitz in Nürnberg hatte, zählte anfangs 103, 1909 bereits 166 korporative Mit­ glieder.58 Aufgabe des Nordbayerischen Verkehrsvereins war die Anregung, Förderung und Durchführung aller der Hebung des Verkehrs, insbesondere des Fremdenverkehrs in den Landesteilen nördlich der Donau dienenden Unter­ nehmungen und Einrichtungen,59 Im Einzelnen kümmerte sich der Nordbayerische Verkehrsverein, der eng mit dem Nürnberger Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs kooperierte und bis 1951 auch in Personalunion geführt wurde, um die Vertretung seiner Mitglieder in Verkehrsfragen, insbesondere in Bezug auf Angelegenheiten, welche die Eisenbahn betrafen. Zu seinen weiteren Aufgaben gehörte die Ver­ öffentlichung von neuen Reklameschriften und die Zusammenstellung von Sommerwohnungslisten. Daneben bemühte er sich um die Besserung der Verpflegungs- und Unterkunftsverhältnisse, die Veranstaltung von Ausstellungen und um einheitliche Wegmarkierungen. Der Nordbayerische Verkehrsverein gab auch ein eigenes Vereinsorgan heraus, die „Nordbayerische Verkehrs- und Touristenzeitung“, in der das nordbayerische Gebiet in Wort und Bild beschrieben wurde.60 3.2 Verkehrsbüros und Geschäftsstellen Nachdem durch hohe Mitgliederzahlen und die Unterstützung durch die Stadt Nürnberg und das Königreich Bayern ausreichend finanzielle Mittel vorhan­ den waren, konnte es sich der Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung leisten, eine eigene Geschäftsstelle aufzubauen.

58 Dabei handelte es sich um Bezirksgremien für Handel und Gewerbe, einen Landrat, 70 Stadtbzw. Gemeindeverwaltungen, Bahn-, Kur- und Badeverwaltungen, Verschönerungs- und Frem­ denverkehrsvereine sowie Wald-, Gebirgs- und Touristenvereine aus Mittelfranken und nörd­ lich der Donau gelegenen Gebieten in Oberbayern und Schwaben, aus Ober- und Unterfranken, der Oberpfalz und Niederbayern: 1904-1964 - Fremdenverkehrsverband Nordbayern e.V. 60 Jahre, Nürnberg 1964, o.S. ” 1904-1964 - Fremdenverkehrsverband Nordbayern e.V. - 60 Jahre, Nürnberg 1964, o.S. 60 Hans-Joachim Wissmann: 75 - 1904-1979 Fremdenverkehrsverband Franken e.V., Nürnberg 1979, S. 4-11.

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Zur Errichtung des Verkehrsbüros mietete der Verein das erste Stockwerk des ehemaligen Lorenzer Schulhauses, Lorenzer Platz 3, an und eröffnete dort im März 1905 sein Verkehrsbüro. Um den Besucheransturm und die vielfälti­ gen Aufgaben zur Bayerischen Landes-Industrie-Gewerbe- und Kunstaus­ stellung zu bewältigen, bezog der Fremdenverkehrsverein im Jahr 1906 zusätz­ lich das zweite Stockwerk des Schulhauses.61 Hauptsächliche Aufgabe dieser Geschäftsstelle war es, Besucher und Einheimische kostenlos über die Nürn­ berger Sehenswürdigkeiten, Verkehrsmittel, Gasthöfe und Pensionen, aber auch über Wohnungen, Geschäfte und die Nürnberger Vereine zu informieren. Interessanterweise sollte der Verein nicht nur den „beweglichen Fremden­ verkehr“ fördern, sondern auch darauf hinwirken, die Einwohnerzahl Nürn­ bergs zu steigern, d.h. sich bemühen, Familien, Pensionäre, Rentiers usw. zu dauerndem Aufenthalt hier zu veranlassen,bl Steigende Bevölkerungszahlen galten als Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung und für das Florieren der Nürnberger Industrie.63 Als geschäftsführender Sekretär war hier zunächst Karl Theodor Senger tätig, bevor am 1. Juli 1906 Jean Braun dieses Amt übernahm. Jean Braun war gelernter Buchhändler und Reklamefachmann.64 Vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung führte er rund 15 Jahre lang die Johann Phillipp Rawsche Ver­ lagsbuchhandlung, die sich eigentlich auf theologische Literatur spezialisiert hatte,65 aber auch Werke über Nürnberg verlegte. Mehrere Jahre fungierte er als Herausgeber der „Nürnberger Fremdenzeitung“.66 1906 errichtete der Verein dann „in prächtigen Räumen“ des neu erbauten Hauptbahnhofs in Zusammenarbeit mit dem Reisebüro Schenker & Co. eine zweite Geschäftsstelle. Im ersten Geschäftsbericht des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs sind die Geschäftsstellen nicht ohne Stolz beschrieben: Die beiden Geschäftsstellen sind auf das Beste ausgestattet und mit dem nötigen geschäftsgewandten und sprachkundigen Personal besetzt; ein großes Material an Führern, Reklameschriften aller Art, Plakaten, Fahrplänen, Geschäftsanzei­ gen usw. steht für alle Besucher zur Verfügung. Die Auskunfterteilung erfolgt 61 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 7. 62 StadtAN F 2 Nr. 19, 28.9.1904, FK, 29.9.1904, Generalanzeiger, 29.9.1904. 63 Siehe hierzu auch: Rudolf Endres/Martina Fleischmann: Nürnbergs Weg in die Moderne, Nürnberg 1996, S. 64f. 61 StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Braun an den Vorstand des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg, 20.1.1927 63 Eberhard und Sarah D. D. Slenczka: Ein Amerikaner in Nürnberg. Longfellows Gedicht „Nuremberg“, in KulturGut - Aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums II. Quartal 2004, S. 11. “ StadtAN C 7/1 Nr. 2797, Braun an den Stadtmagistrat, 12.12.1899.

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Die alte Lorenzer Lateinschule, Am Lorenzer Platz 3. (StadtAN A 38-J-46-III)

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unentgeltlich und wird außerordentlich stark in Anspruch genommen. Im Bahnhofsbureau erfolgt auch die Besorgung von Reisekreditbriefen, von Fahr­ karten, Rundreiseheften, Schlafwagenplätzen, Schiffskarten, Theaterplätzen sowie die Gepäckbesorgung; mit dem Bureau ist eine Agentur des Weltreise­ bureaus Thos. Cook & Son, der Hamburg-Amerika-Linie, der Internationalen Schlafwagengesellschaft verbunden. “67 1907 erfolgte die Verlegung der Geschäftsstelle des Verkehrsvereins vom ehemaligen Lorenzer Schulhaus in den Hauptbahnhof, nachdem das kgl. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten dem Verein unentgeltlich meh­ rere Räume zur Verfügung gestellt hatte. Hier wurden nun bis zu 69 Anfragen pro Tag bearbeitet.68

Die Schalter des Fremdenverkehrsvereins und des Nordbayerischen Verkehrsvereins im Haupt­ bahnhof, um 1906. Im Vordergrund, rechts befinden sich die Informationsschalter des Reisebüros Schenker. (StadtAN E 6/246 Nr.l)

67 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 7. 68 Geschäftsbericht des Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung (e.V.) für das Jahr 1907/1908, erstattet am 28.1.1909, S. 3.

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Das Informationsbüro des Fremdenverkehrsvereins und des Reisebüros Schenker im Hauptbahn­ hof um 1906. (StadtAN E6/246 Nr. 1)

Der Verein wechselte nun auch nochmals seinen Namen. Der erste Vorsit­ zende, Rcchtsrat Wilhelm Weigel, schlug bereits 1907 vor, den Verein mit dem kürzeren und eingängigeren Namen „Verkehrsverein“ zu bezeichnen. In einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse wurden allerdings Bedenken gegen diese Namensänderung zum Ausdruck gebracht, da Verwechslungen mit dem „Ver­ kehrsbeamtenverein“ befürchtet wurden. Stattdessen wurde angeregt, den Ver­ ein künftig offiziell unter der Bezeichnung „Fremdenverkehrsverein Nürnberg und Umgebung“ zu führen.69 Unter dieser Bezeichnung firmierte der Verein dann auch offiziell, obwohl die Namensänderung erst im Januar 1909 einstim­ mig von der Hauptversammlung beschlossen wurde.70

69 Congress- und Tourismus-Zentrale (CTZ) Protokollbuch II - Verein zur Förderung des Fremden­ verkehrs in Nürnberg und Umgebung e.V., Protokoll über die gemeinsame Sitzung der Aus­ schüsse, 3.12.1907. 70 CTZ Protokollbuch II, Protokoll der Hauptversammlung, 28.1.1909.

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3.3 Werbung und Stadtführer Hauptaufgabe des Fremdenverkehrsvereins war die Erstellung verschiedener Werbematerialien, die Besucher nach Nürnberg locken sollten: So erschien bereits 1905 eine illustrierte Werbeschrift unter dem Titel „Kennen Sie Nürn­ berg?“.71 Nachdem dieser Werbeprospekt vergriffen war, verlegte der Fremden­ verkehrsverein einen illustrierten Prospekt mit dem nicht ganz unbescheidenen Titel „Nürnberg ist eine der reizvollsten Städte der Welt“. Dieser Prospekt wurde an Hotels und Gasthöfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz versandt, um Vergnügungsreisende auf der Heimfahrt zu einem Besuch unserer Stadt zu veranlassen.72 Neben zahlreichen Werbeaktivitäten in Zeitungen sowie bei auswärtigen Klubs, Vereinen, Lesehallen und Hotels zur Bayerischen Jubiläums-Landesausstellung gab der Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Nürnberg und Umgebung im Jahr 1906 erstmals in eigener Regie einen Nürnberg-Führer mit Abbildungen nach Originalgemälden heraus. Dies war vor allem notwendig geworden, weil bis dato erschienene Stadtführer, wie z.B. der Führer des Stadt­ magistrats, vergriffen waren. Die Autoren des neuen Nürnberg-Führers des Fremdenverkehrsvereins kamen aus der Stadtverwaltung.73 1907 erschien schließlich eine mit Winterbildern illustrierte Schrift zum Thema „Weihnachten in Nürnberg“. Eine andere Schrift, der „Führer und Ratgeber zur Ansiedlung in Nürnberg“, informierte über die Lebensverhält­ nisse in Nürnberg. Im Jahr 1908 gab der Verein, ganz in der Tradition der im 19. Jahrhundert erschienenen Stadtführer in drei Sprachen die Broschüre „Acht Tage in Nürn­ berg“ mit Tipps zu Sehenswürdigkeiten und Museen sowie mit Ausflugsemp­ fehlungen heraus.74 Dieser Führer dürfte bereits zum Zeitpunkt seines Erschei­ nens nicht mehr ganz den Bedürfnissen der Zeit entsprochen haben, da sich die Besucher zu dieser Zeit ein bis drei Tage in Nürnberg aufhielten.75 Im Jahr 1910 verlegte der Fremdenverkehrsverein schließlich seinen umfang­ reichen Führer „Nürnberg, des Deutschen Reiches Schatzkästlein“ in einer Auflage von 20.000 Stück. Neben der Geschichte Nürnbergs und einem Rund-

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1. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. lOf. Geschäftsbericht 1907/1908 (wie Anm. 68) S. 10. 1. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. lOf. Geschäftsbericht 1907/1908 (wie Anm. 68), S. 10. Zu dieser Zeit wurde nur die Anzahl der Besucher, nicht aber die Zahl der Übernachtungen gezählt. Allerdings war in einschlägigen Ver­ öffentlichungen davon die Rede, dass sich die Besucher in der Regel ein bis drei Tage in Nürn­ berg aufhielten. 75 Generalanzeiger, 22.11.1904.

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itten hinein ins hastende geschäftliche Leben unserer eilfertigen Zeit fallt wohl nirgends in der Welt so bezauliemd wie in Nürnberg der Abglanz versunkener, sagen- und sc hönheitumsonnter Tage aus Erinnerung*, reichen Kulturepochen; inniger halten sich nirgend* ergraute Geschichte und grünend)** I.eben umfangen als in dieser alten, gastbereiten Stadt. Mehr noch; gerade der getreuen Anwendung der erprobten Zauberformel, dass man das Alte ehrfurchtsvoll bewahren und. sich vertiefend, von ihm für die Jetztzeit lernen müsse, ver­ dankt Nürnberg nicht zuletzt seine kraftvoll) , immer und immer in aufsteigeuder I.inie sich bewegende Ent­ wickelung. Mag auch m manchen Jahren sträflichen I n\erstände* manches Kleinod der Vergangenheit verloren «•der verschleudert wurden sein, die neueren Menschen hallen dm h wenigstens nichts versäumt, um *inlirr zu gewinnen, was noch zu retten war, uml um du» Vorhandcnc Vor schmachvollem Untergänge zu bcwahien. So kann man einerseits in Bezug auf den liuluatrictlei»» und die stetige kommerzielle Entwickelung unserer Stadt für ihre Bürger den etwas veränderten Satz Goethes gelten lassen: „Was inan ererbt von .seinen Vätern, erwarb man, um es zu besitzen,** *Tm4^iiderseits rechtfertigt ü'.af+iaic

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Innenseite der Umschlagseite und erstes Innenblatt des ersten Stadtführers des neu gegründeten Fremdenverkehrsvereins. Verfasst wurde der Nürnbergführer von Karl Theodor Senger, dem er­ sten geschäftsführenden Sekretär. (StB Nor 1551.8)

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Führer und Ratgeber zur Ansiedelung.

Herausgegeben vom

Fremdenverkehrsverein Nürnberg. oo o Mit vielen Abbildungen.

Alle Rechte Vorbehalten einschlietilich der Ausgabe in fremden Sprachen.

Umschlagsseite des „Führers und Ratgebers zur Ansiedlung“, herausgegeben vom Fremdenver­ kehrsverein. Das Titelblatt von 1908 ist von H. Bek-Gran, einem Professor der Nürnberger Kunst­ schule gestaltet. (StB Amb. 1749.8°)

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gang zu einzelnen Sehenswürdigkeiten wurden in dem häufig neu aufgelegten Führer auch allgemeine Angaben zu Verkehrsmitteln, Post, Unterkunft und Verpflegung aufgenommen. Zudem bot der Führer Informationen zu Freizeit­ aktivitäten wie zu Theatern, Kinos und Vergnügungsorten. Neben topographi­ schen und statistischen Hinweisen erschienen hier auch Ausflugtipps ins nähere Umland.76 Neben Führern, Prospekten und Broschüren setzte der Nürnberger Frem­ denverkehrsverein auch auf Postkarten als Werbeträger. So erschien 1913 eine Karte mit dem häufig zitierten Werbeslogan „Nürnberg ist eine der reiz­ vollsten Städte der Welt“. Die Gestaltung der Postkarte übernahm Professor Bek-Gran von der Kunstakademie: Er postierte Albrecht Dürer würdevoll vor der charakteristischen Stadtsilhouette mit Burgblick.

Werbepostkarte des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg, entworfen von Professor H. Bek-Gran, Lithographie 1913. (StadtAN A 34 Nr. 3824) 76 Ernst Mummenhoff: Nürnberg des deutschen Reiches Schatzkästlein, 5. Aufl. Nürnberg ca. 1915. 77 Helmut Beer: Warum Nürnberg sich so gut als „Stadt der Reichsparteitage“ eignete, in: Bernd Kämmerer/Anja Prölß-Kammerer (Hrsg.): recht extrem.de. Auseinandersetzung mit National­ sozialismus und Rechtsextremismus, Konzepte und Projekte der politischen und historischen Bildung, Nürnberg 2000, S. 63-87, hier S. 73.

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3.4 Ausbau und Verbesserung des Verkehrswesens Von Anfang setzte sich der Nürnberger Fremdenverkehrsverein nachhaltig für den Aufbau und die Verbesserung des Verkehrswesens ein. In allen Geschäfts­ berichten, die im ersten Jahrzehnt nach der Gründung des Vereins erschienen, waren dem Verkehrswesen eigene Kapitel gewidmet, in denen die unterschied­ lichsten Vorhaben, Anträge und Erfolge im Verkehrswesen beschrieben wur­ den: So engagierte sich der Verein für den Ausbau von Lokalbahnen zur Ver­ besserung des Vorortverkehrs, für die Einrichtung zusätzlicher Haltestellen und für verbesserte Verkehrsbedingungen zwischen Nürnberg und zentralen Ausflugorten. Weitere Anliegen waren die Einführung von direkten Zug­ verbindungen zu wichtigen Orten in Franken und Bayern, die Einführung von Wintersportzügen sowie von gesonderten Beförderungsmöglichkeiten zu bedeutenden Veranstaltungen, aber auch die Gewährung von Preisnachlässen beim Kauf von Fahrkarten zur Reise zu besonderen Veranstaltungen. Darüber hinaus stellte der Verein erfolgreich Anträge bei übergeordneten Stellen der Bahn, dass internationale Verbindungszüge in Richtung Holland, Berlin, Mailand und Neapel auch in Nürnberg Halt machten.78 Daneben setzte sich der Verein für die Verbesserung des innerstädtischen Verkehrswesens ein: Neben Vorschlägen zum Ausbau des Nürnberger Haupt­ bahnhofs stellte er erfolgreich Anträge zur Aufhebung des Pflasterzolls für Autos sowie des Nummernzwangs für Radfahrer.79 Unter Mitwirkung des Nürnberger Vereins zur Hebung des Fremdenver­ kehrs fanden 1905 erstmals offizielle Fremdenrundfahrten in der Nürnberger Altstadt statt. Die erste Konzession zur Durchführung von Stadtrundfahrten erhielt der Fremdenverkehrsunternehmer Hermann von Bomhard, der bereits seit 1899 in München ein Fremden-Rundfahrtsunternehmen betrieb. Auf zwei- und vierspännigen eleganten Aussichtswagen mit 16 und 26 Sitzplätzen bot sein Unternehmen, die „Fremdenrundfahrt Bavaria“, zunächst zweimal täglich, jeweils um 9:30 und 15 Uhr, bald auch noch um 17:15 bzw. 17:30 Uhr mit orts- und fremdsprachenkundigen Fremdenführern dreistündige Stadt­ rundfahrten an.80 Die Teilnahme an diesen Stadtrundfahrten, die an der Maut-

78 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 12. 79 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 13. 80 StadtAN F 2 Nr. 19a, 20.5.1905 und 22.5.1905; Herbert Bäuerlein/Erich Mulzer: Bitte einsteigen zur Stadtrundfahrt!, in: Nürnberger Altstadtberichte 12 (1987), S. 89-92, hier S. 90; Verwal­ tungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1906, S. 565f.

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Fremdenrundfahrt am Hauptmarkt, 1905. Es dürfte sich hierbei um eine Kutsche des Rundfahrts­ unternehmen Bavaria handeln. (StadtAN A 34 Nr. 4429)

halle begannen und zu den Denkmälern der Stadt und auf die Burg führten, kosteten inklusive der Besichtigung von Burg, Tiefem Brunnen und der Folter­ kammer im Fünfeckturm vier Mark.81 Der Erfolg der Stadtrundfahrten motivierte den Nürnberger Pferdehändler Johannes Magnus Neubauer 1906, mit der „Fremdenrundfahrt Noris“ ein ähn­ liches Unternehmen zu eröffnen. Der Neubauersche Aussichtswagen, auf dem ein orts- und sprachkundiger Fremdenführer Erklärungen abgab, hatte seinen Standort ebenfalls in der Nähe der Mauthalle. Zeitlich versetzt zur Fremden­ rundfahrt „Bavaria“ starteten die Stadtrundfahrten der „Fremdenrundfahrt Noris“ jeweils um 9:15, 14:30 und 18 Uhr.82

81 Nordbayerische Verkehrs- und Touristen-Zeitung III. Jg., Nr. 4/1906, S. 128. 82 StadtAN F 2 Nr. 19a, 20.5.1905 und 22.5.1905; Bäuerlein/Mulzer (wie Anm. 80), S. 90; Verwal­ tungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1906, S. 565f.

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FREMDEN-RUNDFAHRTEN NORIS J. M. NEUBAUER

Stadtrundfahrt mit einer Kutsche der Fremdenrundfahrt Noris unterhalb der Nürnberger Burg, undatiert. (StadtAN A 34 Nr. 4428)

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3.5 Die Bayerische Landesausstellung 1906 Zur Förderung des Fremdenverkehrs veranstaltete der Nürnberger Fremden­ verkehrsverein auch Kunstausstellungen. Im Jahr 1905 fand eine solche Aus­ stellung im ersten Stock des Gesellschaftshauses „Museum“ an der Museums­ brücke, im Jahr 1906 in den Ausstellungsräumen der kgl. bayr. Verkehrsanstal­ ten statt.83 Unterstützung erhielt der Verein dabei durch das kgl. Staatsministe­ rium für Verkehrsangelegenheiten, die Direktion der kgl. Zentralwerkstätten, die Nürnberger Künstlerschaft und die Gesellschaft Museum. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit legte der Nürnberger Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs aber zunächst auf Werbetätigkeiten für die Bayerische Landesausstellung 1906, die anlässlich der 100-jährigen Zugehörigkeit Nürn­ bergs zu Bayern als Jubiläumsausstellung im Luitpoldhain in Nürnberg prä­ sentiert wurde. Über die deutschen Konsulate verschaffte sich der Fremden­ verkehrsverein die Adressen von auswärtigen Klubs, Vereinen, Lesehallen und Hotels, denen er unterschiedliches Werbematerial zur Ausstellung in Form von Broschüren, Plänen, Postkarten und Ausstellungsplakaten zuschickte. So wurde für die Bayerische Landesausstellung mit Plakaten nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in vielen europäischen Ländern und sogar in Algerien, Tunesien und Ägypten geworben.84 Auch der überregionalen Presse stellte der Verein umfassendes Material über die Ausstellung zur Verfügung. Als weiterer wichtiger Werbeträger galt die Reichsbahn: In den Kursbüchern der Bahn warb der Fremdenverkehrs­ verein mit schriftlichen Anzeigen für die Ausstellung; in den Schnell- und Luxuszügen wurden Ausstellungsplakate ausgehängt und Werbebroschüren ausgelegt. Durch intensive Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben erreichte der Nürnberger Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs, dass zunächst Grup­ pen und Ausstellungsbesucher, die an bestimmten Tagen reisten, später alle Ausstellungsbesucher auf ihre Bahnfahrkarten erhebliche Rabatte erhielten. Zudem nahm der Fremdenverkehrsverein die Landesausstellung zum Anlass, Nürnberg als Kongress-Standort zu etablieren. Dazu regte er die orts­ ansässigen Vereine und Verbände an, überregionale Vereinsfeste und General­ versammlungen, Verbandstage oder Kongresse im Jubiläumsjahr in Nürnberg abzuhalten. Diese Initiative zeigte durchaus Erfolge: Nachdem der Nürnber­ ger Fremdenverkehrsverein damit warb, zahlreiche Dienstleistungen bei der

83 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 11. 83 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 10. Siehe hierzu auch: Martina Bauernfeind: Bürgermeister Georg Ritter von Schuh. Stadtentwicklung in Erlangen und Nürnberg im Zeichen der Hoch­ industrialisierung 1878-1913 (NW 60), Nürnberg 2000, S. 367-376.

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Vorbereitung und Durchführung von Kongressen zu übernehmen, fanden im Ausstellungsjahr 1906 insgesamt 136 größere Veranstaltungen in Nürnberg statt.85 Zu Recht strich der Verein in seinem ersten Geschäftsbericht heraus, dass diese Anzahl an Veranstaltungen nicht leicht in einer anderen Stadt von der Größe Nürnbergs bisher gelungen sein dürfte.86 Die Nürnberger Fremdenverkehrsspezialisten beschränkten sich aber nicht auf reine PR-Maßnahmen zur Umwerbung der Landesausstellung. Bereits vor der Gründung des Vereins hatten Nürnberger Geschäftsleute 1904 auf Initia­ tive des Großhändlers Friedrich Carl Zahn Pläne gefasst, im Rahmen der Landesausstellung eine Sonderausstellung zum bayerischen Fremdenverkehrs­ wesen zu präsentieren.87 Das Ausstellungsprojekt wurde dann vom Nord­ bayerischen Verkehrsvereins weiterverfolgt88 und schließlich von diesem, in Zusammenarbeit mit dem „Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs in Mün­ chen und im bayerischen Hochlande“, in einem Raum im Gebäude der staatli­ chen Ausstellungen realisiert.89 Aufgeteilt nach geographischer Zuständigkeit übernahm der Nordbayerische Verkehrsvercin die Präsentation des nördlichen Bayerns, während der Münchner Verein den Ausstellungsteil zu Südbayern gestaltete. In der Schau waren insbesondere Ölgemälde und Aquarelle, aber auch Zeichnungen und Fotografien der bayerischen Landschaft sowie von Sehens­ würdigkeiten aus den verschiedenen bayerischen Städten und Gemeinden Orten ausgestellt. Die Präsentation der nordbayerischen Fremdenverkehrs­ attraktionen mit einer Fülle von anheimelnden, wohl vertrauten Bildern be­ urteilte der Vorstand des Nordbayerischen Verkehrsvereins durchaus selbst­ kritisch: In der Tat haben wir das Gefühl, dass die vielen, meist kleinformati­ gen Bilder einander erdrücken, dass der Besucher, ehe er nur zum Beschauen gekommen ist, sich schon in der Furcht zu ermüden, abwendet [...] Diese Ge­ fahr hat der Münchner Fremdenverkehrsverein entschieden besser vermieden. Ihm kam es darauf an, mit einigen wenigen, dafür aber grossflächigen, durch­ schlagenden Bildern zu wirken.™

85 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 14f. Im offiziellen Ausstellungsbericht heißt es, dass zur Jubiläumsausstellung über 100 Kongresse und Fachtagungen von regionalem, nationalem, aber auch internationalem Rang in Nürnberg stattfanden: Paul Ree: Bayerische Jubiläums-, Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Nürnberg 1906, Offizieller Bericht, Nürnberg 1907, S. 402-405. 86 I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 14. 87 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Schreiben Zahns vom 18.5.1904. 88 Nürnberger Volkszeitung, 20.12.1904. 89 Nordbayerische Verkehrs- und Touristen-Zeitung III. Jg-, Nr. 1/1906, S. 13 und 2/1906, S. 26. 90 Nordbayerische Verkehrs- und Touristen-Zeitung III. Jg., Nr. 21/1906, S. 299.

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Nach der erfolgreichen Jubiläumsausstellung, die von insgesamt 2,5 Millio­ nen Gästen besucht wurde,91 gründete sich auf Anregung des Nürnberger Fremdenverkehrsvereins ein Ausschuss, der sich darum kümmerte, Nürnberg auch weiterhin für Besucher attraktiv zu gestalten und die Stadt zu verschö­ nern. Dieser Ausschuss, von Großhändler Friedrich Carl Zahn geleitet, war mit Vertretern der Stadtgemeinde, des Gartenbauvereins, des Vereins TreuNürnberg, des Industrie- und Kulturvereins, des Grund- und Hausbesitzervereins sowie Repräsentanten der Vorstadtvereine und zahlungskräftigen Privatiers besetzt. Ziel des Komitees war es, die Nürnberger Bürgerschaft zu motivieren, ihre Anwesen mit Blumenschmuck zu versehen. Unterstützt durch Vertreter von Künstler-, Architekten- und Ingenieurvereinen führte der Verein vor, wie eine musterhafte Gestaltung aussehen sollte und veranstaltete einen Wettbewerb für Balkon- und Fensterblumenschmuck.92 Im Zusammenhang mit dem Bestreben, die Stadt zu verschönern, bildete sich unter Leitung des Fremdenverkehrsvereins auch ein „Ausschuss für die Ausgestaltung des Luitpoldhains“, der sich um die Instandsetzung des Aus­ stellungsgeländes der Bayerischen Landesausstellung kümmerte.93 Diesem Ausschuss stand ein größerer finanzieller Betrag in Höhe von 18.000 Mark zur Verfügung: Einige der Garantiefondszeichner der Landesausstellung von 1906 hatten auf Rückzahlung ihrer Haftsumme, die zur Sicherung der Finanzierung der Ausstellung hinterlegt worden war,94 verzichtet und bestimmt, dass das Kapital für den Ausbau des Luitpoldhains zum Park genutzt werden sollte. 3.6 Der Tiergarten Noch im September 1906, d.h. zu einem Zeitpunkt, als die Bayerische Landes­ ausstellung noch lief, kam aus den Reihen des Fremdenverkehrsvereins der Vorschlag, das Ausstellungsgelände als Areal für einen Tiergarten zu verwen­ dend Der Vorschlag, der vom Fränkischen Kurier veröffentlicht wurde, stieß in der Öffentlichkeit auf ein positives Echo, so dass der Nürnberger Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs den Gedanken weiterverfolgte und zu konkre­ teren Planungen überging.96

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Ree (wie Anm. 85), S. 454. 1. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 16; Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 7. Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 7. Vor allem Nürnberger Unternehmer, Industrielle und Honoratioren, aber auch die Stadt und Prinzregent Luitpold hatten zur Finanzierung der Ausstellung eine Haftsumme von insgesamt 2.519.850 Mark in einen Garantiefonds einbezahlt: Bauernfeind (wie Anm. 84), S. 372. 95 Peter Mühling: Der alte Nürnberger Tiergarten, Nürnberg 1987, S. 23. 96 Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 7.

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Der Gedanke, in Nürnberg einen zoologischen Garten einzurichten, war Ende des 19. Jahrhunderts bereits mehrfach diskutiert worden; in NürnbergUnterbürg bestand kurzzeitig ein kleiner Privat-Zoo, der allerdings bald wie­ der geschlossen wurde. Zu dieser Zeit gab es in Bayern noch keinen offiziellen Zoo, allerdings war in München ein neu gegründeter „Verein Zoologischer Garten München e.V.“ dabei, in Hellabrunn einen Zoo zu errichten.9 Nachdem der Nürnberger Fremdenverkehrsverein die Planungen für einen Zoologischen Garten weiterverfolgte hatte, berief er im Frühjahr 1908 eine Versammlung ein, zu der auch die Vorstände verschiedener Vereine sowie ein­ flussreiche Bürger geladen waren. Ziel dieser Veranstaltung war es, die Bürger­ schaft zur finanziellen Beteiligung an dem Zoo zu motivieren. Zusammen mit einer Gruppe engagierter Bürger erarbeitete der Fremdenverkehrsverein einen technisch und wirtschaftlich durchdachten Plan für die Errichtung eines zoo­ logischen Gartens.98 Dieser Plan wurde der Nürnberger Bevölkerung am 28. Januar 1909 im Rahmen einer öffentlichen Hauptversammlung des Fremden­ verkehrsvereins vorgestellt. Kommerzienrat Friedrich Zahn präsentierte dabei in seinem Vortrag „Soll und kann in Nürnberg ein zoologischer Garten errich­ tet werden?“99 nicht nur fundierte Vergleichsdaten und Fakten von bereits bestehenden Zoos anderer, außerbayerischer Städte, sondern versuchte mit be­ geisternden Worten weitere Mitstreiter für das Projekt zu gewinnen: Schmieden Sie das Eisen solange es heiß ist, bilden Sie ein Komitee, das sich zusammensetzt aus Männern aller Bevölkerungsschichten und sorgen Sie dafür, daß dieses mit Eifer, Umsicht und Geschick eine Agitation für die Gründung eines Zoologi­ schen Gartens in Nürnberg in die Wege leitet und so lange entfaltet, bis ein voller Erfolg erzielt ist.'00 Einstimmig beauftragte die Versammlung daraufhin den Vorstand des Frem­ denverkehrsvereins mit der Fcitung der weiteren Planungen für die Errichtung eines zoologischen Gartens in Nürnberg. Kurz darauf stellte der Stadtmagis­ trat eine etwa 30 Tagwerk101 große Fläche im Südwesten der Parkanlage Fuitpoldhain zur Errichtung eines Tiergartens bereit.102 Nun bildete sich Anfang 1910 unter dem Ehrenvorsitz des Oberbürgermeisters Georg Ritter von Schuh ein „Vorbereitender Ausschuss“ mit 140 Mitgliedern, um die Durchführung des Vorhabens zu planen und die notwendigen finanziellen Mittel dafür auf­ zubringen. 97 Alfred Seitz: 50 Jahre Tiergarten Nürnberg, 8. Aufl. Nürnberg 1962, S. 101. 98 Mühling (wie Anm. 95), S. 24. 99 CTZ Protokollbuch II, fol. 7. 100 Zitiert nach CTZ Protokollbuch II, fol. 7. 101 Ein Nürnberger Tagwerk entspricht etwa 4.725 qm, d.h. 30 Tagwerk entsprechen rund 14,175 Hektar Land. 102 Mühling (wie Anm. 95), S. 26.

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Die Aufrufe zur Gründung eines Tiergartens zeigten schnelle Erfolge: Breite Bevölkerungsschichten kamen der Bitte nach, das Projekt finanziell zu för­ dern, so dass innerhalb eines guten halben Jahres Zeichnungsverpflichtungen für Aktien im Wert von rund einer halben Million Mark Vorlagen. Auch der Fremdenverkehrsverein entschloss sich, um fernerhin zu dem Unternehmen in Beziehung zu bleiben, 5 Aktien a Mk 500-für den Tiergarten [zu] über­ nehmen,103 Eine enge Verknüpfung des Nürnberger Zoos mit dem Fremdenverkehrs­ verein war aber auch durch die personelle Besetzung des Vorstands der „Tiergarten-A.-G.“ gegeben. Der nationalliberale Rechtsrat und Magistratsrat Wilhelm Weigel, der von 1904 bis 1922 als Erster Vorstand des Fremden­ verkehrsvereins fungierte,104 übernahm auch den Vorsitz der „Tiergarten Nürnberg A.-G.“. Auch Großhändler Friedrich Carl Zahn, ebenso wie Weigel Mitglied der nationalliberalen Partei und zwei Jahre lang Vorstand des Kollegi­ ums der Gemeindebevollmächtigten, der sich, wie oben geschildert, maßgeb­ lich für die Gründung des Fremdenverkehrsvereins eingesetzt hatte und hier auch das Amt des Ersten Schriftführers bekleidete, war bis zu seinem Tod im Jahr 1920 im Vorstand der „Tiergarten A.-G.“ tätig.105 Die Stadt Nürnberg stellte für das Projekt weitere Landflächen bereit, die zum Teil eigens aus staatlichem Besitz angekauft wurden. Insgesamt stand eine Fläche von rund 58 Tagwerk (19,76 Hektar), die auch die Wasserflächen der Nummernweiher für den Nürnberger Tiergarten einschloss, zur Verfügung. Die Planung des Zoos übernahm der städtische Baurat Oberingenieur Kuch, der sich stark am Hamburger Zoo Hagenbeck orientierte. Kuch sah einen Tier­ garten mit einem breiten Spektrum von einheimischen und fremdländischen Tieren vor, die in großen Freianlagen ohne störende Gitterabtrennungen gehal­ ten werden sollten. Auf Grund eines Gutachtens von Professor Brandes, des damaligen Direktors des Zoologischen Gartens in Dresden, der das Nürn­ berger Terrain als sehr günstig für eine zoologische Anlage beurteilte, musste Kuch seine Pläne allerdings noch etwas modifizieren: Nun waren auch Käfige und Volieren für Einzeltiere einzuplanen. Im Januar 1911 wurde mit den Bau­ arbeiten des Tiergartens begonnen, der schließlich am 11. Mai 1912 eröffnet werden konnte.106

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(; iy Protokollbuch II, fol. 11. StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Zeugnis vom 15.2.1923. Mühling (wie Anm. 95), S. 45f. Mühling (wie Anm. 95), S. 33-56.

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3.7 Der Bayerische Fremdenverkehrsrat Bei der Beantragung von Landesmitteln zur Finanzierung von Werbeaktivitä­ ten hatten der Nordbayerische und der Nürnberger Fremdenverkehrsverein häufig das Nachsehen gegenüber dem „Fremdenverkehrsverein für München und das Bayerische Hochland“. Der Unwillen über diese Benachteiligung schlug sich sogar in den offiziellen Geschäftsberichten des Nürnberger Vereins nieder. So heißt es im Bericht von 1907/08: Der Nordbayerische Verein hat zwar mehrfach den Versuch zu gemeinsamer Arbeit mit dem südbayerischen Verein gemacht, es haben sich aber die Grundlagen für ein ersprießliches Zusammenarbeiten nicht gewinnen lassen.107 Um der Benachteiligung nordbayerischer Interessen und den ungleichen Arbeitsbedingungen auf Landesebene entgegenzuwirken, beantragte der Nord­ bayerische Verkehrsverein im Februar 1908 beim kgl. Staatsministerium für Verkehrsangelegenheiten, einen Fremdenverkehrsrat für Bayern zu schaffen, der die anstehenden Fragen zum Fremdenverkehr behandeln und die für Bayern notwendigen Maßnahmen festlegen sollte. In das Aufgabengebiet die­ ses Fremdenverkehrsrates sollten auch Regelungen über die Zuwendung von staatlichen Mitteln fallen.108 Dieser Vorschlag fand offiziell Unterstützung: Der bayerische Verkehrs­ minister kündigte an, die Leistungen der Verkehrsverwaltung künftig nur noch zu gewähren, wenn sich die großen Fremdenverkehrsvereine aus Nordbayern, Südbayern und der Pfalz zu einer einheitlichen Organisation zusammen­ schlössen. Neben der übergeordneten bayerischen Landesorganisation sollten die regionalen Vereine allerdings bestehen bleiben, um die Angelegenheiten, die ausschließlich ihre Region betrafen, selbstständig zu bearbeiten. Nach längeren Verhandlungen zwischen den drei Hauptverbänden wurde zum 1. Januar 1910 die Landesorganisation zur Stärkung des bayerischen Fremdenverkehrs gebildet. Die Gründung dieser Institution wurde auf der Hauptversammlung des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg euphorisch be­ grüßt. Wie es im Protokoll heißt, wurde dabei die These vertreten, dass mit der Gründung des Fremdenverkehrsrats für Bayern in der Entwicklung des Frem­ denverkehrs ein Wendepunkt eingetreten sei, den herbeigeführt zu haben, auch der Fremdenverkehrsverein Nürnberg sich rühmen dürfe.109 Die Erwartungen erfüllten sich allerdings nur teilweise: Allein durch die Besetzung des Gremiums war der Einfluss des nordbayerischen Fremdenver107 Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 12. 108 Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 13. ,OT CTZ Protokollbuch II, fol. 10.

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kehrsvereins beschränkt: Neben jeweils einem Vertreter der Staatsministerien des kgl. Hauses sowie des Außen-, des Innen-, des Finanzministeriums und des Ministeriums für Verkehrsangelegenheiten gehörten dem Fremdenverkehrsrat zwar fünf Mitglieder des Fremdenverkehrsvereins in München und im bayeri­ schen Hochland, jedoch nur drei Vertreter des Nordbayerischen Verkehrs­ vereins und zwei Delegierte des Pfälzischen Fremdenverkehrsrats an.110 3.8 Erfolgsbilanz Die Erfolge des Nürnberger Fremdenverkehrsvereins lassen sich nur schwer erfassen, da in der Regel nicht nachweisbar ist, inwieweit Besucher tatsächlich durch Aktivitäten des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs zu einem Aufenthalt in Nürnberg angeregt wurden und in welchem Umfang sie das Ser­ viceangebot des Fremdenverkehrsvereins während eines Nürnberg-Aufent­ halts in Anspruch nahmen. Allerdings können bestimmte Aussagen und Zah­ len als Maßstab herangezogen werden: Wie der Vorstand im Rahmen einer Hauptversammlung festhielt, entwickelte sich die Geschäftsstelle des Vereins im Hauptbahnhof zu einer unentbehrliche[n] Einrichtung für das Verkehrs­ leben Nürnbergs. Weiter konstatierte der Vorstand des Fremdenverkehrs­ vereins in seiner Bilanz, daß der Fremdenverkehr in unserer Stadt fortgesetzt in erfreulicher Weise zunehme."' So konnte die Zahl der Übernachtungsgäste im Jahr 1905 gegenüber dem Vorjahr um rund 10 Prozent gesteigert werden: Im Jahr 1904 waren 168.220 Übernachtungsgäste gemeldet; im Jahr 1905 stieg die Zahl auf 184.537.112 Im Jahr 1906 lockte die Jubiläumsausstellung besonders viele Übernach­ tungsgäste an: In seinem Geschäftsbericht von 1907/08 führte der Nürnberger Fremdenverkehrsverein für das Jahr 1906 über 270.000 Übernachtungsgäste auf; dies entsprach gegenüber dem Vorjahr 1905 einer Steigerung von rund 45 Prozent.113

110 Geschäftsbericht des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg für das Jahr 1909/1910, Nürnberg 1910, S. 23. CTZ Protokollbuch II, fol. 7. 112 Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 6 und Statistik des Fremdenverkehrs (Mitteilungen des Statistischen Amts der Stadt der Reichsparteitage 14), Nürnberg 1938, S. 12. 113 Geschäftsbericht 1907/08 (wie Anm. 68), S. 13. Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten: In seinem I. Geschäftsbericht (wie Anm. 50), S. 6, gibt der Fremdenverkehrsverein für das Jahr 1906 insgesamt 266.991 Übernachtungsgäste an. In der Statistik des Fremden­ verkehrs (wie Anm. 112), S. 13, sind für das Jahr 1906 sogar nur 235.815 Übernachtungsgäste aufgeführt. Da alle Statistiken auf der bei der Polizei gemeldeten Anzahl von Übernachtungs­ gästen basieren, kann über die Gründe für die unterschiedlichen Angaben nur spekuliert wer-

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Im Folgejahr war die Besucherzahl zwar wieder deutlich niedriger als im Jubiläumsjahr, konnte aber auch in den nachfolgenden Jahren kontinuierlich gesteigert werden.114 Die Steigerung ließ sich auch auf eine Zunahme an Ge­ schäftsreisenden zurückführen. So kamen z.B. vermehrt Einkäufer von Spiel­ waren und spielwarenverwandten Bereichen nach Nürnberg. Zudem besuch­ ten immer mehr Amerikaner die Stadt, was, wie die Handelskammer von Mit­ telfranken in ihrem Jahresbericht für 1909 festhielt, der tatkräftigen und ziel­ bewussten Arbeit unseres Fremdenverkehrsverbands zuzuschreiben sein dürfte."5 1913 wurde erstmals auch der Anteil an ausländischen Besuchern genau erfasst: So kamen in diesem Jahr über 45.000 Ausländer, davon über 15.000 Österreicher, fast 10.000 Amerikaner, knapp 3.200 Engländer und Iren und knapp 2.600 Franzosen nach Nürnberg. Das Interesse englischsprachiger Besucher an Nürnberg ließ sich auch an den Anfragen im Verkehrsbüro erken­ nen: Während der ersten 9 Monate im Jahr 1910 wurden 14.300 mündliche Auskünfte, davon 3.225 in englischer Sprache, aber nur 216 in französischer Sprache erteilt.116 Gegenläufig zur Zahl der Übernachtungen, die kontinuierlich anstieg, ging die Zahl der Fremdenbetten zurück: Nachdem im Jahr 1904 zwei Hotels geschlossen hatten, besaß Nürnberg 1904 nur noch 2.930 Betten (gegenüber 3.268 Betten im Jahr 1900). Erst durch Erweiterungsbauten an bestehenden Hotels konnte die Bettenanzahl allmählich wieder gesteigert werden, so dass zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Nürnberg ein Gesamtübernachtungs­ angebot von 3.765 Fremdenbetten in Hotels, Gasthöfen und Pensionen zur Verfügung stand.117

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den. So wurden in der Statistik des Fremdenverkehrs explizit keine Gäste berücksichtigt, die bei Privatleuten untergekommen waren. Zudem konnten in der Statistik des Fremdenverkehrs Meldungen, die für die polizeiinterne Bearbeitung entnommen worden waren, nicht berück­ sichtigt werden. Laut Geschäftsbericht 1909/1910 (wie Anm. 110) kamen im Jahr 1907 insgesamt 186.495, im Jahr 1908 insgesamt 211.970 und im Jahr 1909 insgesamt 233.716 Ubernachtungsgäste. Laut Sta­ tistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 13, waren im Jahr 1907 insgesamt 183.495, im Jahr 1908 insgesamt 209.970 und im Jahr 1909 insgesamt 237.980 Ubernachtungsgäste gemeldet. Zitiert nach: Geschäftsbericht 1909/1910 (wie Anm. 110), S. 5. So waren 1909 in Nürnberg 2.974 Betten verfügbar: Geschäftsbericht 1909/10 (wie Anm. 10), S. 3. Bis August 1911 stieg die Zahl auf 3.339 Betten: StadtAN C 7/1 Nr. Nr. 2799, Fragebogen über den Fremdenverkehr, 1.4.1911-31.3.1912. Geschäftsbericht 1909/1910 (wie Anm.110), S. 7.

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4. Krieg, Krise und Kunst 4.1 Humanitäre Hilfe Der Erste Weltkrieg stoppte den Aufwärtstrend im Nürnberger Fremden­ verkehr. Sämtliche Aktivitäten im Bereich des internationalen Reiseverkehrs kamen abrupt zum Erliegen. Die Zahl der Besucher aus dem Ausland nahm drastisch ab."8 Im Frühjahr 1914 hatten die städtischen Kollegien dem Frem­ denverkehrsverein noch einen einmaligen Zuschuss von 5.000 Mark geneh­ migt, 119 der vor allem für Werbeaktivitäten im Ausland genutzt werden sollte. Dieser Zuschuss wurde nun nicht mehr in Anspruch genommen, sondern auf die nachfolgenden Jahre übertragen.120 Dennoch hielt der Nürnberger Fremdenverkehrsverein den Betrieb aufrecht und warb nun vor allem in Deutschland um Nürnberg-Besucher. So wurden die Verkehrs- und Reisebüros in anderen deutschen Städten weiterhin mit Pro­ spektmaterial versorgt. In Zeitungen und Illustrierten wurden Werbeanzeigen geschaltet und für das Jahr 1916 eine Neuauflage der Broschüre „Acht Tage in Nürnberg“ vorbereitet.121 Weiterhin erhielten Reisende, worunter jetzt auch verstärkt die Gruppe der Kriegsteilnehmer fiel, Rciseauskünfte aller Art. Allerdings ließen kriegs­ bedingte Reiseeinschränkungen und Febensmittelrationicrungen122 auch die Besucher aus dem Inland deutlich zurückgehen. Dagegen passierten nun sehr häufig Truppentransporte, Lazarettzüge und Kriegsverwundete die Stadt, so dass trotz des Krieges immer noch nennenswerte Besucherzahlen registriert wurden.125 Der Nürnberger Fremdenverkehrsvercin reagierte sofort auf die veränderte Situation und übernahm zahlreiche neue Aufgaben, die in dem einzigen Geschäftsbericht, der während des Ersten Weltkriegs im Jahr 1916 erschien,

118 Die Zahl der ausländischen Besucher ging mit fortschreitenden Kriegshandlungen drastisch zurück: Gegenüber 45.129 Ausländern, die 1913 nach Nürnberg kamen, waren es in den folgenden Jahren nur noch 27.896 (1914), 6.156 (1915), 3.410 (1916), 2.096 (1917) und 2.691 (1918): Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 26. StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Beschlüsse des Stadtmagistrats vom 14.4.1914 sowie des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten vom 5.5.1914. 120 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Fremdenverkehrsverein an Stadtmagistrat, 28.2.1919. 121 Tätigkeitsbericht des Fremdenverkehrsvereins Nürnberg und Umgebung e.V., Nürnberg 1916, S. 5. 122 Siehe hierzu StAN Reg. v. Mfr. Kdl, Abg. 1968, Tit. IX Nr. 481. 125 Im Einzelnen wurden im Jahr 1914 insgesamt 178.711 Besucher, im Jahr 1915 immer noch 126.744 Besucher, 1917 bereits wieder 154.812 Besucher und 1918 sogar 215.285 Besucher gezählt: Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 14.

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pathetisch als ein Arbeitsfeld der Liebestätigkeit für unsere Kämpfer, Verwun­ deten, Kranken und Gefangenen bezeichnet wurden.124 Vom ersten Kriegstag an verteilten die Angestellten des Fremdenverkehrsvereins an durchreisende Truppen sowie an Soldaten, die von Nürnberg abreisten, Nürnberger Ansichts­ karten, Bleistifte, Eisenbahnkarten, Streichhölzer und Süßigkeiten. Auf Anre­ gung des Vereins entstand in Zusammenarbeit mit dem Stadtmagistrat und dem örtlichen Roten Kreuz in der Geschäftsstelle des Vereins im Hauptbahnhof eine eigene „Verpflegstation des Roten Kreuzes“. Auch nachdem man diese Station aus Zweckmäßigkeitsgründen in einen Raum außerhalb des Bahnhofs verlegt hatte, gab der Nürnberger Fremdenverkehrsverein weiterhin große Mengen an Postkarten, Briefverschlussmarken, Bleistiften und Streichhölzern, die zum Teil auch von Nürnberger Firmen gespendet worden waren, zum Verschenken an das Rote Kreuz und an die örtlichen Militär-Reserve- und Vereinslazarette weiter. Im Oktober 1914 richtete der Fremdenverkehrsverein in seiner Geschäfts­ stelle eine Informationsstelle zu den verschiedensten durch den Krieg beding­ ten Fragen ein.125 Die unbarmherzige Realität des Kriegs bestimmte nun auch das Aufgabengebiet des Fremdenverkehrsvereins: In der Geschäftsstelle wurde eine Art Poststelle eingerichtet für die Begleitmannschaften der nach Nürnberg kommenden Lazarettzüge, von denen sich häufig sechs oder acht gleichzeitig für längere Zeit in Nürnberg aufhielten. Das Personal dieser Züge konnte beim Fremdenverkehrsverein seine Briefe und Pakete abholen. Der Verein über­ nahm auch die Nachsendung von Post an Ärzte, Schwestern und Sanitäter, deren Lazarettzüge Nürnberg bereits wieder verlassen hatten. Schließlich un­ terstützte der Fremdenverkehrsverein Nürnberg alle Veranstaltungen und Sammlungen des Roten Kreuzes, insbesondere durch die Veröffentlichung von Artikeln und Notizen in der örtlichen Presse.126 4.2 Existenzkämpfe Die Wirtschaftskrise und die Rezession der 1920er Jahre, aber auch die Sonder­ belastungen für den Fremdenverkehr wie die Wohn- und Beherbergungs­ steuern127 brachten auch beim Nürnberg-Tourismus gravierende Einbrüche: l2< Tätigkeitsbericht (wie Anm. 121), S. 3. 125 Hier wurde Informationsmaterial zur Erforschung des Verbleibs von Zivil- und Kriegsgefan­ genen, zu Bestimmungen für Postsendungen an Soldaten im Feld und an im Ausland internierte Angehörige, zu den in Nürnberger Lazaretten untergebrachten Verwundeten u.ä. angeboten: Tätigkeitsbericht (wie Anm. 121), S. 4. 126 Tätigkeitsbericht (wie Anm. 121), S. 4. 127 Im Januar 1925 stellte der Fremdenverkehrsverein den Antrag, diese Bestimmungen, welche die Einreise und den Aufenthalt von ausländischen Reisenden erschwerten, aufzuheben: CTZ, Protokollbuch II, fol. 19.

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Nachdem im Kriegsjahr 1918 insgesamt 215.000 Übernachtungsgäste nach Nürnberg gekommen waren und die Besucherzahlen bis 1922 sogar auf über 260.000 anstiegen, zählte die Stadt 1923 weniger als 200.000 Übernachtungs­ gäste.128 Bereits während des Krieges mussten einige Hotels und Gasthöfe schließen; weitere Häuser hatten infolge der wirtschaftlichen Depression ihren Betrieb eingestellt. Bis Anfang 1926 waren insgesamt neun Gasthöfe und Hotels vom Markt verschwunden; die Übernachtungsmöglichkeiten sanken gegenüber der Vorkriegszeit um die Hälfte auf 1.890 Betten.129 Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Lage wurde der berufsmäßige Stadtrat Dr. Walter Eickemeyer im April 1922 zum ersten Vorsitzenden des Fremdenverkehrsvereins gewählt. Er löste damit den Rechtsrat Wilhelm Weigel ab, der dieses Amt 18 Jahre lang innehatte.130 Eickemeyer, ein Ökonom und Staatswissenschaftler, übte das Amt des Ersten Vorsitzenden bis 1930 aus. In der Stadtverwaltung war er zu dieser Zeit für das Lebensmittelreferat zustän­ dig. 1925 übernahm er die Leitung des Finanzreferats und etablierte sich über­ regional als Finanzfachmann.131 Der Nürnberger Fremdenverkehrsverein bemühte sich nun verstärkt darum, das Nürnberger Beherbergungsgewerbe als seinen wichtigsten Partner zu unterstützen. Dies kam unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass der Zweite Vorsitz des Vereins nun mit einem Vertreter der Nürnberger Hotellerie besetzt wurde. Bei der Mitgliederversammlung im April 1922 wurde Georges Richert in dieses Amt gewählt. Er führte zusammen mit Fritz Lotz das GrandHotel, das zu diesem Zeitpunkt als die erste Hoteladresse in Nürnberg galt.132 Mit hohem persönlichem und finanziellem Aufwand engagierte sich Richert, der das Amt des Zweiten Vorsitzenden bis 1934 innehatte, für den Nürnberger Fremdenverkehr. Um die zur Verfügung stehenden Betten schnell und reibungslos an Besu­ cher weitervermitteln zu können, richtete der Fremdenverkehrsverein 1922 in seinem Büro anstelle des Zimmernachweises erstmals eine offizielle Zimmer128 129 ijo 131 132

Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 15. CTZ Protokollbuch II, fol. 24. ctz Protokollbuch II, fol. 16. Diefenbacher/Endres (wie Anm. 6), S. 237. Das Grand-Hotel befand sich seit 1906 im Besitz der Familie Lotz. Nach dem Tod von Rudolf Lotz im Oktober 1919 führten dessen Frau Ingeborg Lotz und dessen Bruder Fritz Lotz das Hotel weiter. 1921, nach der Wiederverheiratung von Ingeborg Lotz mit Georges Richert, wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet. Persönlich haftende Gesellschafter waren Fritz Lotz und Georges Richert; Ingeborg Lotz wurde stellvertretende Kommanditistin. Diese Gesellschaft pachtete das Grand-Hotel von der Erbengemeinschaft Rudolf Lotz: 75 Jahre Familie Lotz - Hoteliers in Nürnberg, Nürnberg 1981, o.S.

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Vermittlung ein. Hier wurden freie Zimmer in Hotels, Gaststätten, Pensionen sowie Unterkünfte bei Privatleuten an ankommende Gäste vermittelt.133 Die wirtschaftliche Rezession und die hohe Inflation brachten auch den Fremdenverkehrsverein in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Auch die Erhöhung der Beiträge134 für die nunmehr 490 Mitglieder des Vereins sowie die Hochsetzung der Gebühren für die Zimmervermittlung und eine Sammlung bei Hotelbesitzern und Geschäftsleuten135 brachten nur eine unmerkliche Ver­ besserung der Lage. Nachdem sich die finanzielle Misere immer mehr zu­ spitzte, sah sich der Vorstand gezwungen, Jean Braun, dem Geschäftsführer des Fremdenverkehrsvereins, zu kündigen.136 Mit dem Vollzug dieser Kündi­ gung, gegen die Braun Widerspruch einlegte, wäre der Fremdenverkehrsverein in seinem Fortbestand bedroht gewesen. In einer Petition an den Stadtrat legte die Vorstandschaft die prekäre Situation dar und erbat von der Stadt eine deut­ liche Erhöhung des Zuschusses, um die Aktivitäten zur Förderung des Frem­ denverkehrs aufrecht erhalten zu können. Der „Hilferuf“ stieß beim Stadtrat auf positive Resonanz. Mit der Begrün­ dung, dass die Stadt nicht nur mittelbar, sondern auch unmittelbar ein erheb­ liches Interesse an der Erhaltung des Fremdenverkehrs und damit an der Arbeit des Fremdenverkehrsvereins hat,'i7 gewährte der Stadtrat zunächst einen ein­ maligen Zuschuss von 100.000 Mark.138 Um den Fremdenverkehrsverein bei der Finanzierung der Personalkosten als größtem Posten zu entlasten, über­ nahm die Stadt zusätzlich die Finanzierung der Geschäftsführerstelle.139 Damit konnte der Fortbestand des Fremdenverkehrsvereins gesichert und das Wirk­ samwerden der Kündigung des Geschäftsführers verhindert werden. Diese städtische Unterstützung war in Zeiten der wirtschaftlichen Not, durch die auch der städtische Haushalt erheblich geschwächt war, keine Selbst­ verständlichkeit. So musste zum Vergleich der Münchner Verkehrsverein, der in eine ähnliche finanzielle Schieflage geraten war, 1923 vorübergehend auf­ gelöst werden.140 Die Nürnberger Fremdenverkehrsfachleute witterten hierin sofort eine Chance, ihre Position zu verbessern. So schrieb Rechtsrat Weigel in einem Antrag an das Finanzreferat: In der Zwischenzeit hat sich der Münchner

133

Qyy Protokollbuch II, fol. 16.

134 135 136 137

StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Vorstandssitzungsprotokoll, 23.10.1922 StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Gesprächsprotokoll, 5.10.1922; CTZ Protokollbuch II, fol. 18. StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Vorstand Eickemeyer an Geschäftsführer Braun, 13.10.1922. StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Gutachten des Wirtschafts- und Finanzausschusses, 23.10.1922, auf dessen Basis der Stadtrat seine Entscheidung fällte. 138 StadtAN C 7/1 Nr. 1269, Stadtratsbeschluss, 25.10.1922. 139 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Beschluss des Finanzausschusses, 23.3.1923. 140 Bayerische Staatszeitung, 24.3.1923.

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Fremdenverkehrsverein, der zugleich die Führung der Fremdenverkehrsinter­ essen für Bayern südlich der Donau hat, [...] vorübergehend aufgelöst, so daß der hiesige Verein plötzlich vor große neue Aufgaben gestellt wird, in denen er die Sicherung für Bayern in die FIand nehmen muß und deren Lösung in erster Linie Nürnberg zugute kommen wird.141

Um die laufenden Mietkosten zu senken, fasste der Vorstand des Nürnber­ ger Fremdenverkehrsvereins den Beschluss, die Geschäftsstelle zum April 1923 zunächst in einen kleineren Raum in einem Nebengebäude des Hauptbahnhofs zu verlegen.142 Bei dieser Entscheidung dürften neben den finanziellen Proble­ men auch die ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Mitarbeitern des Fremdenverkehrsvereins und des Reisebüros Schenker eine Rolle gespielt haben. Die Hauptursache für die Konflikte zwischen den beiden Parteien, die sich einen Büroraum im Hauptbahnhof teilten, lag darin, dass sich zum Teil die Tätigkeitsfelder der beiden Institutionen überschnitten.143 Nachdem es Ende 1923 gelungen war, die deutsche Währung vor dem Hin­ tergrund der galoppierenden Inflation wieder zu stabilisieren, verlangte der Nürnberger Fremdenverkehrsverein unter Hinweis auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nachdrücklich, alle den Fremdenverkehr schädigenden Sonder­ belastungen [...], insbesondere auch die Wohn- und Beherbergungssteuern baldmöglichst abzubauen.144 Zur Wiederbelebung des Reiseverkehrs ausländi­ scher Gäste, forderte der Verein zusätzlich, dass alle die Einreise und den Auf­ enthalt ausländischer Reisender erschwerenden Bestimmungen, soweit sie über die allgemeinen deutschen Passvorschriften hinausgehen, nunmehr aufgehoben werden sollen, namentlich auch die bayerischen Sonderbestimmungen /.../.145 In der Begründung dieser Forderung wurde weiter ausgeführt: Diese Be­ schränkungen waren in der Zeit des „Ausverkaufs“ Deutschlands durch Aus­ länderberechtigt; heute, wo der allgemeine Preisstand in Deutschland die Welt­ marktpreise längst erreicht und vielfach überschritten hat, bedeuten sie eine doppelt schwere Hemmung gerade für den erwünschten und nützlichen Aus­ länder-Reiseverkehr. 146 Eine Verbesserung der miserablen wirtschaftlichen Situation und zugleich einen erheblichen Werbeeffekt erhoffte sich der Fremdenverkehrsverein Nürn­ berg vom 3. Deutschen Verkehrstag des Bundes Deutscher Verkehrsvereine, 141 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Weigel an das Finanzreferat, 27.3.1923. 142 StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Vorstandssitzungsprotokoll, 15.2.1923; CTZ Protokollbuch II, fol. 17. 143 Zahlreiche Berichte und Zeugenaussagen zu den Querelen finden sich in: StadtAN C 7/1 Nr. 1289. 144 CTZ Protokollbuch II, fol. 20. 145 CTZ Protokollbuch II, fol. 19. 146 CTZ Protokollbuch II, fol. 19.

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der im September 1924 in Nürnberg stattfand. Als gastgebender Verein stellte der Nürnberger Verkehrsverein ein attraktives Programm zusammen und rich­ tete mehrere Veranstaltungen aus. Neben einem Begrüßungsabend mit geson­ dertem kulturellem Programm im Kulturvereinsgebäude fanden ein Gartenfest im Tiergarten und eine Sonderfahrt nach Rothenburg statt.147 Doch der erhoffte Besucherstrom zum Deutschen Verkehrstag lag, wohl auch auf Grund der wirtschaftlichen Lage, weiter unter den Erwartungen. Die Kosten für diese Veranstaltung konnten bei weitem nicht durch den Verkauf von Teilnehmerkarten gedeckt werden.148 Auf Antrag des Fremdenverkehrs­ vereins übernahm aber der Nürnberger Stadtrat aus Mitteln der Kämmerei­ reserve fast die Hälfte des entstandenen Verlustes.149 Eine weitere Verbesserung der finanziellen Situation des Fremdenverkehrs­ vereins brachte das Angebot weiterer Stadtrundfahrten und von Fernfahrten, die von der Bayerischen Verkehrs-Aktiengesellschaft veranstaltet wurden. Den

Fremdenrundfahrt mit einer Kutsche des Amtlichen Bayerischen Reisebüros in der Vorderen Kartäusergasse, um 1925. (StadtAN A 34 Nr. 4434)

147 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Programm 3. Deutscher Verkehrstag, 4./7. September 1924. 148 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Antrag Eickemeyers, 9.10.1924. 144 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Stadtratsbeschluss, 29.10.1924.

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Verkauf der Fahrscheine für diese Fahrten, die ab 1924 mit motorisierten Aus­ sichtswagen durchgeführt wurden, übernahm der Fremdenverkehrsverein. Als Provision erhielt der Verein zehn Prozent des Verkaufserlöses. Wurden die Fahrscheine durch Unterverkaufsstellen oder Hotelportiers verkauft, verblie­ ben immer noch fünf Prozent des Umsatzes beim Fremdenverkehrsverein.150 Die Stadtrundfahrten starteten an der Klarakirche; die Fernfahrten, z.B. nach Rothenburg oder in die Fränkische Schweiz, fuhren am Nassauerhaus ab.151 Durch diese Zusammenarbeit erzielte der Fremdenverkehrsverein zusätzliche Einnahmen von knapp 4.000 Mark jährlich, d.h. rund 15 Prozent seiner jähr­ lichen Gesamteinnahmen.152 1926 schloss sich die Bayerische-Verkehrs-AG mit der Auto-Vereinigung zu einem neuen Rundfahrtsunternehmen zusammen, dem der Stadtrat die Kon­ zession, ohne Auflage einer vertraglichen Bindung an den Fremdenverkehrsvercin, gewährte.153 Den Einnahmeausfall, der dem Verkchrsverein damit ent­ stand, versuchte der Stadtrat durch das Gewähren eines einmaligen zusätz­ lichen Zuschusses von 3.000 Mark weitgehend zu kompensieren.154

Rundfahrtbus des Fremdenrundfahrtsunternehmens Intra vor der Vorderen Kartäusergasse 3, un­ datiert. (StadtAN A 34 Nr. 4437) 150 151 152 155 154

StadtAN C 7/1 StadtAN C 7/1 StadtAN C 7/1 StadtAN C 7/1 StadtAN C 7/1

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

1289, Vorstandssitzungsprotokoll, 15.2.1923 und Vermerk, 13.4.1923. 1289, Gesprächsprotokoll, 24.5.1923. 1270, Kassenbericht 1926. 1289, Vorstandssitzungsprotokoll, 29.6.1926. 1270, Stadtratsbeschluss, 7.7.1926.

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Fremdenrundfahrt mit dem Aussichtsbus der Vereinigten Nürnberger Fremden-RundfahrtUnternehmungen GmbFI, 1932. (StadtAN A 34 Nr. 4435)

Mit der allmählichen Normalisierung der wirtschaftlichen Lage setzte der Fremdenverkehrsverein ab Mitte der zwanziger Jahre zunehmend auf eine internationale Vermarktung Nürnbergs.155 So erschien beispielsweise im Jahr 1925 von April bis August wöchentlich eine Anzeige in der „Chicago-Tribüne“ zur Umwerbung von Nürnberg. Die Kosten für diese Anzeigeserie teilten sich der Fremdenverkehrsverein und das Nürnberger Grand Hotel.156 1926 schal­ tete der Fremdenverkehrsverein seine Werbeinserate in verschiedenen ameri­ kanischen Zeitschriften wie z.B. dem „New York Herald Tribüne“ oder den deutsch-, englisch und spanischsprachigen Ausgaben der Ocean-Bord-Depechen-Zeitungen. Die Bedeutung, die dem englischsprachigen Raum bei der Nürnberger Fremdenverkehrswerbung zukam, zeigt sich auch darin, dass 1926 deutlich mehr englische als deutsche Werbeprospekte an Fremdenverkehrs­ büros verschickt wurden.157 Der Erfolg der Werbeaktion ließ sich unmittelbar erkennen: 1925 gelang es, die Anzahl der Nürnberg-Besucher aus Nord- und Mittelamerika fast zu ver155 Die unterschiedlichen Werbebemühungen sind dokumentiert in: StadtAN C 7/1 Nr. 1270. 156 StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Vorstandssitzungsprotokoll, 31.3.1925. 157 CTZ Protokollbuch II, fol. 23f.

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doppeln. Einen weiteren deutliehen Anstieg an amerikanischen Gästen brach­ ten schließlich die Feierlichkeiten und Ausstellungen zum Dürerjahr 1928, für die der Nürnberger Oberbürgermeister Hermann Luppe während einer priva­ ten Amerikareise kräftig die Werbetrommel gerührt hatte. Im Jubiläumsjahr kamen 12.800 amerikanische Gäste und damit mehr als doppelt so viele wie noch drei Jahre zuvor nach Nürnberg.158 4.3 Mit Dürer zum Durchbruch Das 400. Todesjahr Albrecht Dürers wurde in Nürnberg groß gefeiert. Hauptattraktion war die erste umfangreiche Dürer-Ausstellung im Germani­ schen Nationalmuseum. Dank des Engagements und der Beziehungen des Nürnberger Oberbürgermeisters Herrmann Luppe war es gelungen, hier erst­ mals Dürer-Werke aus deutschen und ausländischen Museen und Galerien gesammelt in einer Ausstellung zu präsentieren. Einen weiteren Anziehungs­ punkt bildete die umfassende Schau zur „Deutschen Kunst der Gegenwart“, die in der Norishalle gezeigt wurde. Neben diesen Ausstellungen von inter­ nationalem Rang fand ein attraktives Rahmenprogramm mit zahlreichen Ver­ anstaltungen, einem großen Festakt, historischen Ausstellungen, Vorträgen, Führungen und folkloristischen Aufführungen statt.159 Das Jubiläumsprogramm zog mehr Besucher als je zuvor nach Nürnberg: So wurden 1928 insgesamt 283.824 Übernachtungsgäste und damit fast 50.000 mehr als im Vorjahr gezählt. Seit dem Dürerjahr wurde neben der Anzahl der Übernachtungsgäste nun auch die Zahl der Übernachtungen erfasst, die 1928 bei 454.317 Übernachtungen lag.160 Damit wurde eine genauere Analyse des Gästeverhaltens möglich: Ein Übernachtungsgast verweilte zu dieser Zeit durchschnittlich 1,6 Nächte in Nürnberg. Zur Vorbereitung und Durchführung des Jubiläumsjahres wurden 1926 von der Stadtverwaltung fünf große Ausschüsse gebildet: der Zentralausschuss, der grundlegende Entscheidungen fällte, der Werbe- und Presseausschuss, der die Veranstaltungen vor allem im Ausland umwarb und sich um die Unterkunft der Übernachtungsgäste kümmerte, der Finanzausschuss, der Festausschuss, der das Programm plante und für die Vorbereitung und Durchführung der ein-

158 1924 wurden in Nürnberg 3.370, 1925 insgesamt 6.050 und in den Folgejahren 7.698 bzw. 9.748 amerikanische Ubernachtungsgäste registriert: Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 28. 159 Siehe hierzu: Stadtrat Nürnberg (Hrsg.): Bericht über die Veranstaltungen und den Verlauf des Dürerjahres 1928, Nürnberg 1928. 160 Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 17.

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zelnen Punkte zuständig war sowie der Ausstellungsausschuss, der die Aus­ stellungen organisierte.161 Der Nürnberger Fremdenverkehrsvercin arbeitete von Anfang an im Werbe- und Presseausschuss mit. Neben Geschäftsführer Jean Braun war auch der ehemalige Major Otto Goetz von Heiligbrunner, der 1927 als weiterer Geschäftsführer vom Fremdenverkehrsverein eingestellt wurde,162 in diesem Ausschuss vertreten. Der Nürnberger Oberbürgermeister engagierte sich persönlich in erheb­ lichem Maße für das Dürerjahr, die Programmgestaltung, die Vorbereitung und Organisation, aber auch für die Werbung. Während einer privaten Ameri­ kareise hielt er an mehreren Orten Vorträge über Nürnberg und besuchte die großen Reisebüros, die Reisen nach Deutschland organisierten, um hier gezielt für einen Nürnberg-Besuch zu werben. Dabei überreichte Luppe der GeneralAgentur der Hamburg-Amerika-Linie in New York als Geschenk ein Gemälde vom Henkersteg und Hungerturm mit dem Werbeslogan des Fremden­ verkehrsvereins, diesmal in englischer Sprache: „Germany Nuremberg ist one of the most attractive cities of the world“. Das Ölgemälde hatte der Fremden­ verkehrsverein aufgekauft und rahmen lassen und dem Nürnberger Ober­ bürgermeister für Werbezwecke nach Amerika geschickt. Luppe berichtete in einem Brief an den Nürnberger Fremdenverkehrsverein dazu: Das Bild von Nürnberg wird die Hamburg-Amerika-Linie in ihrem neuen Büro an promi­ nenter Stelle aufhängen; sie ist sehr dankbar dafür, da sie nicht viel Bildschmuck hat. Es wird sich vielleicht empfehlen gelegentlich dem Norddeutschen Lloyd etwas ähnliches zu stiften. Am wirksamsten ist Reklame aber doch wohl im German Railway Information Office /.../163 Zum Dürerjahr erstellte der Fremdenverkehrsverein einen neuen großen Nürnberg-Stadtführer und neue Faltblätter unter dem Titel „Nürnberg im Dürerjahr 1928“. Mit dem Selbstbildnis von Albrecht Dürer auf dem Titelbild erschienen die Faltblätter in deutscher und englischer Sprache.164 Der deutsch­ sprachige Prospekt, der bereits in einem Umfang von 120.000 Exemplaren auf­ gelegt worden war, musste bald nachgedruckt werden.165 Um die Veranstalter von Kongressen zu motivieren, im Dürerjahr ihre Tagungen in Nürnberg abzuhalten, erschien zudem ein Prospekt, der „Nürnberg als Kongressstadt“ umwarb.166 161 Stadtrat (wie Anm. 159), S. 2ff. (2'fz Protokollbuch II, fol. 23 und StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Vorstandssitzungsbericht, 20.4.1927. 163 StadtAN C 7/1 Nr. 1289, Luppe an Fremdenverkehrsverein, 15.5.1927. 164 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Vermerk 26.11.1927 und Stadtratsbeschluss, 30.11.1927. 165 StadtAN C 7/1 Nr. 1288, Geschäftsbericht 1928/29. 166 QY2. Protokollbuch II, fol. 26. 1«

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Um während des Dürerjahres die Informationstätigkeit und Zimmerver­ mittlung angemessen durchführen zu können, wurde während des Umbaus des Hauptbahnhofs anstelle der engen und ungünstig beleuchteten Geschäfts­ stelle16' ein neues einladendes Verkehrsbüro im Schaltervorbau der Mittelhalle eingerichtet. Zur Finanzierung und für den Betrieb des Verkehrsbüros gründe­ ten die Stadtgemeinde Nürnberg und der Fremdenverkehrsverein eine gemein­ nützige GmbH, in welche die Stadt eine Stammeinlage von 15.000 RM und der Fremdenverkehrsverein eine Einlage von 3.000 RM in bar sowie Sach­ leistungen im Wert von 5.000 RM einbrachten. Für den Betrieb des Verkehrs­ büros sicherte die Stadt einen jährlichen Zuschuss von 30.000 RM zu.168 Zudem stellte der Stadtrat für den Ausbau der ehemaligen Schalterräume und der danebenliegenden Räume im Hauptbahnhof'69 zum Verkehrsbüro einen ein­ maligen Zuschuss in Höhe von 35.000 RM zur Verfügung.170 Auf Vorschlag des Fremdenverkehrsvereins wurde das Amtliche Bayerische Reisbüro in die unmittelbar angrenzenden Räumlichkeiten verlegt, so dass, wie es in einem Bericht der Nürnberger Verkehrsbüro G.m.b.H. hieß, Nürnberg nach Lage am Bahnhof und nach Einrichtung heute über ein Verkehrsbüro verfügt, wie es nicht leicht wieder eine Stadt im ganzen Reich ihr eigen nennen kann /.../.171 Daneben wurde zum Dürerjahr in Nürnberg ein Städtisches Verkehrsamt etabliert, das dem Statistischen Amt angegliedert wurde. Dieses städtische Amt war für alle Angelegenheiten des Fremdenverkehrs innerhalb der Stadtverwal­ tung zuständig; insbesondere oblag es ihm, Kongresse und Tagungen nach Nürnberg zu holen. Während des Dürerjahres war Geschäftsführer Heilig­ brunner halbtags für dieses Verkehrsamt tätig.172 Das Verkchrsbüro blieb dagegen in Zusammenarbeit mit dem Fremdenver­ kehrsverein für die Herausgabe und Verbreitung von Werbematerial sowie die Einladung von Kongressen und Tagungen zuständig. In der Geschäftsstelle wurden Schalterräume zur Bedienung des reisenden Publikums eingerichtet. Hier sollten die Bedürfnisse des reisenden Publikums umfassend abgedeckt werden. So erstreckten sich die Auskünfte „auf alle Gebiete mit Ausnahme von Bahn- und Dampferverkehr, über den das Amtliche Bayerische Reisebüro unterrichtet[e].“m Zudem wurde ein Schalter betrieben zur Vermittlung von Zimmern in Hotels, Pensionen, Privatunterkünften sowie in dem eigens zum 167 168 169 170 171 172 173

StadtAN StadtAN StadtAN StadtAN StadtAN StadtAN StadtAN

C 7/1 C 7/1 C 7/1 C 7/1 C 7/1 C 7/1 C 7/1

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

1270, Vermerk Eickemeyers, 22.10.1927. 1288, Gesellschaftsvertrag, 2.4.1928. 1288, Vermerk, 24.12.1927. 1288, Stadtratsbeschluss, 23.1.1928. 808, Tätigkeitsbericht 1928, S. 4. 1288, Vermerk, 3.10.1928. 1288, Arbeitsplan der Nürnberger Verkehrsbüro GmbH.

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Dürerjahr für Unterbringungsengpässe eingerichteten städtischen Fremden­ heim in der Blumenstraße. Der Geschäftsführer des Verkchrsbüros, der zu­ gleich Geschäftsführer des Fremdenverkehrsvereins war, erhielt die Aufgabe, Gesellschaften, prominente Persönlichkeiten und ausländische Journalisten zu begrüßen und zu betreuen. Ziel der Aktivitäten des Verkehrsbüros sollte es sein, den Fremden zum dauernden Bleiben zum Ansiedeln zu veranlassen. Dazu sollte eine Werbeschrift „Nürnberg als Wohnstadt“ erscheinen.1 4 Service wurde im Dürerjahr groß geschrieben: So war das Verkehrsbüro, dessen Personal in der Geschäftsstelle deutlich aufgestockt worden war,173 während der Hauptsaison, d.h. von 1. Juli bis 15. September, von 8 Uhr mor­ gens bis 1 Uhr Nachts geöffnet. Nach 19 Uhr wurden allerdings nur noch Aus­ künfte über Nürnberg und seine Umgebung erteilt und kostenlos Zimmer in Nürnberg sowie im näheren Umkreis vermittelt. Außerhalb der Hauptsaison hatte das Büro immerhin noch bis 20 Uhr bzw. bis 22 Uhr geöffnet.176 Dieser Service trug bei zur positiven Bewertung des Nürnberg-Besuchs. Das Fremdenrundfahrtunternehmen Intra ließ im Dürerjahr deutsch- und eng­ lischsprachige Gästen bei seinen Stadtrundfahrten einen Fragebogen ausfüllen. Bei der Auswertung der insgesamt 1.154 Fragebögen stellte sich heraus, dass die überwiegende Anzahl der Gäste mit ihrem Nürnberg-Aufenthalt zufrieden war. Wie es in dem Bericht des Nürnberger Verkehrsbüros hieß, brachten viele Gäste die Freude an der Stadt, an dem guten Empfang und an der Freundlich­ keit der Bevölkerung zum Ausdruck. Kritik wurde offenbar nur von einem Teil der Gäste an zu hohen Hotelpreisen geübt. Das Verkehrsbüro räumte in seinem Bericht ein, dass diese Kritik teilweise berechtigt war, und dass vor allem kleinere Hotels im Verhältnis zum Gebotenen öfters überteuert waren.1 Das Konzept der Verantwortlichen ging auf: Die Veranstaltungen zum Dürerjahr lockten mehr Besucher als je zuvor nach Nürnberg. In der Dürer­ ausstellung im Germanischen Nationalmuseum wurden über 200.000 Besucher gezählt, eine Zahl, die alle Erwartungen übertraf und für damalige Verhältnisse bei einer Kunstausstellung kaum vorstellbar war.m Und das Dürerjahr brachte auch den gewünschten Erfolg für die Zukunft, wie ihn Oberbürgermeister Luppe schon 1928 in einem Brief skizziert hatte:

174 StadtAN C 7/1 Nr. 1288, Arbeitsplan der Nürnberger Verkehrsbüro GmbH. 175 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Fremdenverkehrsverein an Eickemeyer, 15.12.1928. 176 StadtAN C 7/1 Nr. 1288, Dienststunden der Nürnberger Verkehrsbüro gGmbH und Geschäfts­ bericht der Nürnberger Verkehrsbüro gGmbH über das Geschäftsjahr 1928/29. 177 StadtAN C 7/1 Nr. 808, Tätigkeitsbericht 1928, S. 4. 178 Hermann Hanschel: Oberbürgermeister Hermann Luppe. Nürnberger Kommunalpolitik in der Weimarer Republik (NF 21), Nürnberg 1977, S. 297.

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Die Bedeutung des Dürerjahres liegt, ganz abgesehen von den großen ideellen und kulturellen Aufgaben, die es erfüllt, vor allem darin, dass der Name Nürn­ berg, wie ich wohl sagen darf auf der ganzen zivilisierten Welt in Erinnerung gebracht wurde, was sicherlich auch in den kommenden Jahren Auswirkungen für den Fremdenverkehr zeitigen wird.179 So konnten in den beiden Folgejahren die Besucherzahlen und die Zahl der Übernachtungen noch etwas gesteigert werden.180 Bei der Fremdenwerbung wurde hierbei neben den mittelalterlichen Bauwerken und Kunstdenkmälern sowie dem Tiergarten auf Nürnbergs Ruf als Sporthochburg sowie auf die kom­ munalen Einrichtungen gesetzt. Als eine weitere Attraktion wurden 1930 abendliche Konzerte in der Lorenzkirche sowie auf dem Hauptmarkt durch­ geführt.181 Da diese Konzerte nur wenig besucht waren, wurden sie bald wieder eingestellt. Erfolgreicher waren dagegen die so genannten „Burgserenaden“ auf der Nürnberger Kaiserburg.182 Als im Jahr 1930 die Zahl an amerikanischen Touristen infolge schwerer wirtschaftlicher Depression in den USA deutlich zurückging, gelang es dem Fremdenverkehrsverein, durch gezielte Werbung verstärkt skandinavische Besucher zu einem Nürnberg-Besuch zu motivieren. So kamen 1930 mit über 62.500 ausländischen Übernachtungsgästen weiterhin über 20 Prozent der registrierten Besucher aus dem Ausland. Im reichsweiten Vergleich stand Nürnberg mit der Anzahl an ausländischen Gästen nach Berlin und Köln an dritter Stelle.183 Nach dem erfolgreichen Ablauf des Dürerjahres kam es zu einigen per­ sonellen Änderungen. Geschäftsführer Jean Braun ging in den Ruhestand, die Geschäftsführung ging damit ganz an Otto Goetz Ritter von Heiligbrunner über.184 1930 trat Stadtrat Dr. Eickemeyer aus beruflichen Gründen als Vorsit­ zender des Fremdenverkehrsvereins zurück. Als Nachfolger wurde Rechtsrat Dr. Wilhelm Schmidt gewählt.185 Dem Verein standen nun schwere Jahre bevor: Infolge der Weltwirtschafts­ krise sanken die Besucherzahlen wie in allen deutschen Großstädten auch in Nürnberg erheblich. So kamen im Jahr 1931 bereits 17 Prozent weniger Be179 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Luppe an Staudt, 2.8.1928. 180 Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 17f. 1929 wurden 288.646, im Jahr 1930 sogar 290.426 Ubernachtungsgäste registriert, die sich durchschnittlich für 1,6 Nächte in Nürnberg aufhielten. 181 FK, 3.4.1930 und Fränkische Tagespost, 2.4.1930. 182 Reif (wie Anm. 50), o.S. 183 CTZ Protokollbuch II, fol. 45. 184 StadtAN C 7/1 Nr. 1270, Fremdenverkehrsverein an Eickemeyer, 19.12.1928. 185 CTZ Protokollbuch II, fol. 42.

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Sucher nach Nürnberg als im Vorjahr; im Jahr 1932 musste die Stadt gegenüber dem Jahr 1930 sogar einen Besucherrückgang von 30 Prozent hinnehmen.186 ln seinem Geschäftsbericht von 1931 erklärte Geschäftsführer von Heiligbrunner diesen Einbruch: Der Vergnügungsreisende von heute ist zum Sparen gezwun­ gen. Er wird in den wenigsten Fällen Nürnberg als Ziel seiner Reise nehmen, sondern er wird auf der Hin- oder Rückreise zu seinem Sommerziel Nürnberg im Vorübergehen besuchen. Muss er nun sparen, so wird er nicht auf sein Sai­ sonziel verzichten, wohl aber sich entschliessen, die Nebenaufenthalte, wie z.B. den Besuch in Nürnberg möglichst abzukürzen. Aus den gleichen Gründen sehen wir in allen grösseren Städten den Fremdenverkehr mehr zurückgehen, wie in Erholungsgebieten,187 Dieser Einbruch hatte auch für das Verkehrbüro Folgen: Waren das Büro und die hier befindliche Zimmervermittlung in den Vorjahren während der Hauptsaison bis 1 Uhr Nachts geöffnet, so wurde es nun auch im Sommer bereits um 20 Uhr geschlossen. Um die veränderten Öffnungszeiten zu kom­ pensieren, brachte der Fremdenverkehrsverein im Schaufenster des Verkehrs­ büros große Tafeln mit den genauen Hotelverzeichnissen an.188 Im Jahr 1932 wurde unter dem Stichwort „Schwedenjahr“ an den Dreißig­ jährigen Krieg und das Vordringen des schwedischen Heeres nach Süddeutsch­ land sowie die Schlachten zwischen den schwedischen und den kaiserlichen Heeren im Jahr 1632 erinnert. Gemeinsam mit dem Verkehrsverband Nord­ bayern und den übrigen nordbayerischen „Schwedenstädten“ umwarb der Nürnberger Fremdenverkehrsverein im Ausland und insbesondere in Schwe­ den die Veranstaltungen, die anlässlich dieses Jubiläumsjahres stattfanden. In diesem Zusammenhang gab der Fremdenverkehrsverein auch in Zusammen­ arbeit mit Zirndorf und Fürth einen eigenen Prospekt zum Schwedenjahr her­ aus. Um diese Werbeaktivitäten zu unterstützen, versuchten die Nürnberger Fremdenverkehrsaktivisten persönlichen Kontakt zu schwedischen Multi­ plikatoren herzustellen. Besonders erfolgreich war dabei der Zweite Vorsit­ zende des Vereins, Hotelier Georges Richert, der mit dem schwedischen Auto­ mobilclub Kontakt aufnahm. Dieser bereitete in Zusammenarbeit mit dem deutschen und dem bayerischen Automobilclub eine Fahrt nach Nürnberg

186 StadtAN F 2 Nr. 46, 28.3.1933 und CTZ Protokollbuch II, fol. 52; Statistik des Fremden­ verkehrs (wie Anm. 112), S. 30f. Im Jahr 1931 kamen 240.546, im Jahr 1932 sogar nur noch 201.112 Ubernachtungsgäste nach Nürnberg. 187 CTZ Protokollbuch II, fol. 57. 188 CTZ Protokollbuch II, fol. 56. 189 CTZ Protokollbuch 11, fol. 60.

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5. Zwischen Kaiserburg und Führertum Mit der Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten und der neuen Rolle als „Stadt der Reichsparteitage“ änderte sich das Fremdenverkehrswesen in Nürnberg erheblich. Wie alle Organisationen und Institutionen wurde auch der Nürnberger Fremdenverkehrsverein nach den Anordnungen der NS-Machthaber „gleichgeschaltet“ und gemäß dem zentralistisch ausgerichteten Führer­ prinzip umstrukturiert. 5.1 Führerprinzip und Zwangsmitgliedschaft Unabhängig von der Gleichschaltung erfolgte bereits im September 1933 eine personelle Veränderung. Otto von Heiligbrunner, der bisherige Geschäfts­ führer des Fremdenverkehrsvereins, verließ Nürnberg, da ihn der bayerische Wirtschaftsminister Hermann Esser nach München berufen hatte.190 Seinen Posten als Geschäftsführer des Nürnberger Fremdenverkehrsvereins über­ nahm nun der SS-Offizier Otto Bernhard Jochem, ein Werbefachmann.191 Am 23. Juni 1933 veröffentlichte die nationalsozialistische Regierung ein „Gesetz zum Reichsausschuss für Fremdenverkehr“, wodurch die Gleich­ schaltung der Fremdenverkehrsorganisationen und die Durchsetzung des Füh­ rerprinzips sichergestellt werden sollte. Auf Basis dieses Gesetzes erfolgte die Vereinheitlichung und Straffung der Verkehrsverbände und Verkehrsvereine. Aus den zahlreichen bestehenden Organisationen wurden 24 staatlich aner­ kannte Landesverkehrsverbände gebildet, deren Arbeitsgebiete klar vorgege­ ben wurden. Am 6. März 1934 gab das bayerische Wirtschaftsministerium einen Erlass heraus, der auch die Neuorganisation und Umstrukturierung der bayerischen Verkehrsvereine gemäß den Vorgaben der Reichsgesetze sowie eine Neuausrichtung an nationalsozialistischen Zielen vorsah.192 Bereits drei Wochen später setzte der Nürnberger Fremdenverkehrsverein diese Verordnung um. Bei der Mitgliederversammlung des Fremdenverkehrs­ vereins am 27. März 1934 erhielt der Verein zum Vollzug der reichsgesetzlichen 1.0 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Fremdenverkehrsverein an die Mitglieder, 2.8.1933. Hermann Esser, den Otto Straßer als Demagogefn] übelster Sorte betitelt hatte, wurde 1935 zum Leiter der Fremdenverkehrsabteilung des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung ernannt. Goebbels berief ihn zudem als Präsidenten des Reichsfremdenverkehrsverbandes. Die Geschäftsführung des 1936 in Berlin gegründeten Reichsfremdenverkehrsverbandes übernahm Otto von Heiligbrunner: Wolfgang Benz / Hermann Graml / Hermann Weiß (Hrsg.): Enzy­ klopädie des Nationalsozialismus, München 1997, S. 833; Berktold-Fackler / Krumbholz (wie Anm. 10), S. 73 und Wissmann (wie Anm. 60), S. 22. 1.1 CTZ Protokollbuch II, fol. 86. 1.2 CTZ Protokollbuch II, fol. 78f.

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und ministeriellen Bestimmungen zunächst eine neue Satzung mit einigen einschneidendejn] Änderungen, wie der Schriftführer im Protokollbuch festhielt. Deutlich wurde die Neuausrichtung auch im Namen des Vereins, der fortan als „Verkehrsverein Nürnberg e.V.“ firmierte. Um die Mitgliederzahlen und damit die Einnahmen zu steigern, führte der Verkehrsverein kurzerhand die Zwangs­ mitgliedschaft für juristische oder natürliche Personen ein, die in Nürnberg wohnen oder unmittelbare Nutznießer des Fremdenverkehrs sind (materielle Interessen).m Des Weiteren wurde in der Satzung verankert, dass die Mit­ gliedsbeiträge durch den Vorsitzenden auf Vorschlag der Vorstandschaft für jeweils ein Jahr festgesetzt wurden. Zudem wurde die Organisation des Vereins nach dem Führerprinzip fest­ gelegt. Dies bedeutete konkret, dass der Erste Vorsitzende die weiteren Mit­ glieder des Vorstands, d.h. seinen Stellvertreter, den Geschäftsführer, den Schriftführer und den Kassenwart, zu berufen hatte. Hier war zudem vor­ geschrieben, dass mindestens zwei Mitglieder des Vorstands Vertreter des Stadtrats sein mussten. Die Einführung des Führerprinzips beinhaltete auch die Erweiterung der Kompetenzen des Vorstands und Einschnitte bei den Rechten der Mitglieder. Der Vorstand, der die Geschäfte des Vereins zu leiten und zu überwachen hatte, konnte einen Beschluss der Mitgliederversammlung ablehnen und die Entscheidung des Vorsitzenden anrufen. Diesem oblag dann die endgültige Entscheidung. Zudem räumte die Satzung dem Ersten Vorsit­ zenden die Möglichkeit ein, für bestimmte Arbeitsgebiete besondere Aus­ schüsse zu gründen, die nach seinen Weisungen Aufgaben zu erfüllen hatten. Der Erste Vorsitzende, gleichzeitig grundsätzlich Vorsitzender aller Aus­ schüsse, konnte zur Erledigung der Geschäfte aus den Reihen der Ausschuss­ mitglieder einen geschäftsführenden Vorsitzenden (Obmann) bestimmen. Die eigentliche Tätigkeit des Verkchrsvereins veränderte sich während der NS-Zeit nicht wesentlich. So war in der 1934 verabschiedeten Satzung als Ver­ einszweck die Pflege und Förderung des Fremdenverkehrs im Vereinsgebiet festgelegt. Dabei wurde aber auf eine engere Verzahnung mit der Stadtver­ waltung geachtet. So heißt es in der Satzung: Der Verein besorgt die Fremden­ verkehrswerbung, unterstützt die Stadtverwaltung bei allen dem Fremdenver­ kehr dienenden Maßnahmen und führt dies auf deren Wunsch und Auftrag durch.194 Gemäß den Vorgaben des Reichsgesetzes und dem Erlass des Bayerischen Wirtschaftsministcriums wurde der Verkehrsverein im Sinne einer hierarchii9j

Protokollbuch II, fol. 83-85 bzw. StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Satzung des Verkehrsvereins Nürnberg e.V. 194 (2TZ Protokollbuch II, fol. 83. (-]"/

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sehen Ordnung auch dem Landesfremdenverkehrsverband Nürnberg und Nordbayern (mit bayerischer Ostmark) untergeordnet. So hieß es in den Statuten, der Verein habe den Weisungen des Landes-Verkehrsverbandes nach­ zukommen und auf schnellste Erledigung der zugewiesenen Arbeiten, sowie pünktliche Beitragszahlung Bedacht zu nehmen,195 In derselben Mitgliederversammlung erfolgte dann auch sofort die Umset­ zung der Satzung und die Neuorganisation des Vereins nach dem Führerprin­ zip: Den Vereinsvorsitz übernahm nun der nationalsozialistische Oberbürger­ meister Willy Liebei, der die Annahme dieses Amtes pathetisch damit begrün­ dete, dass er zwar über Mangel an Arbeit nicht zu klagen habe, sich aber dem Rufe nicht entziehen wolle, weil er als Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg es für notwendig erachte zu zeigen, in welchem Masse die Stadtverwaltung am Gedeihen des Fremdenverkehrs interessiert ist. Auch als Nationalsozialist, der in der Förderung des Fremdenverkehrs eine wichtige nationalsozialistische Auf­ gabe sehe, und der es als seine Pflicht betrachte, den Forderungen des Gemein­ wohls auch im Verkehrsverein zum Durchbruch zu verhelfen, als Sohn der Stadt Nürnberg, der mit Liebe an seiner Vaterstadt hänge und ihre Tradition hoch halte und nicht zuletzt als Vorsitzender des Landesverkehrsverbandes Nordbayern, der von der Staatsregierung beauftragt wurde, in ganz Nord­ bayern den Fremdenverkehr zu beaufsichtigen und zu führen, sehe er seine Pflicht und Aufgabe darin, den Verkehrsverein Nürnberg zum Vorbild für alle nordbayerischen Städte zu machen.196 Als stellvertretenden Vorsitzenden ernannte Liebei den bisherigen Vorsit­ zenden, den Stadtrat Dr. Wilhelm Schmidt, der als Wohlfahrts-, Sport- und Presscreferent der Stadt Nürnberg tätig war. Zum Schriftführer berief er den Stadtrat Heinrich Wolfram, der zugleich als Verkehrsreferent der Stadt Nürn­ berg fungierte und dem Wohnungswesen Vorstand. Der Besitzer des GrandHotels, Georges Richert, wurde schließlich zum Kassenwart ernannt. Otto Jochem blieb weiterhin Geschäftsführer des Verkehrsvereins. Der Geschäfts­ führer des Verkehrsvereins, der weiterhin auch gleichzeitig als Geschäftsführer des Landesfremdenverkehrsverbandes Nürnberg und Nordbayern (mit bayerischer Ostmark) fungierte, trug nun den Titel „Verkehrsdirektor“.197 In derselben Mitgliederversammlung bildete Liebei auch folgende Aus­ schüsse: Den Mitgliedsausschuss, den Werbeausschuss, den Verkehrsaus­ schuss, den Verschönerungsausschuss und den Hotelausschuss. Der Hotel­ ausschuss wurde noch in zwei Unterausschüsse unterteilt, den Uberwachungs1,5 CTZ Protokollbuch II, fol. 83. i% CT2 Protokollbuch II, fol. 86f. 1,7 CTZ Protokollbuch II, fol. 83-87.

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ausschuss, der die Qualität von Unterkünften und Verpflegung zu kontrollie­ ren und Reklamationen nachzugehen hatte, sowie den Tagungsausschuss, der für die Preisgestaltung zuständig war und zu jeder Saison verbindliche Richt­ preise veröffentlichte. Hotels und Gaststätten blieben zwar eigenständige Wirtschaftsbetriebe, waren so aber einer strengen Reglementierung unter­ worfen. Der Mitgliedsausschuss hatte eine Liste von Personen und Firmen zusam­ menzustellen, die vom Fremdenverkehr profitierten und deshalb laut Satzung zur Mitgliedschaft im Verkehrsverein verpflichtet waren.198 Bei der Umsetzung dieser Verordnung waren die Mitglieder der Stadtverwaltung nicht zimperlich: Städtische Werber suchten die entsprechenden Personen und Firmen auf und versuchten sie eindringlich zur Mitgliedschaft im Verkehrsverein zu bewegen. So beschwerte sich im Dezember 1934 die Firma Albert Wacker Kupfer­ schmiede und Apparatebau, dass ein Werber der Stadtbehörde behauptet hatte, dass städtische Aufträge nur noch an Geschäftsleute vergeben würden, die Mit­ glieder des Verkehrsvereins seien und damit die Firma unter Druck gesetzt hätte, dem Verkehrsverein beizutreten.199 Auf Anfrage bestätigte Geschäfts­ führer Jochem, dass den Werbern im Einverständnis mit Oberbürgermeister Liebei der Auftrag erteilt wurde, in Notfällen darauf hinzuweisen, dass unter Umständen die Mitgliedschaft beim Verkehrsverein eine Rolle bei der Ver­ gebung von Aufträgen durch die Stadt spielen könnte.200 Stadtrat Wolfram ging in seiner Antwort an die Firma Albert Wacker nicht weiter auf die Methoden der Werber ein, lieferte aber ein Beispiel dafür, wie weit die Kriterien für eine Zwangsmitgliedschaft gefasst wurde. So führte er aus, dass die Firma u.a. Spezialapparate für Lieferfirmen des Caststättengewerbes herstellte und deshalb als direkt[er] Interessent und Nutznießer des hiesigen Fremdenverkehrs zu betrachten sei, der damit der Zwangsmitgliedschaft unterliege.201 In einem Merkblatt zur Mitgliedschaft und Beitragsregelung listete der Ver­ kehrsverein auf, welche Gewerbe und Berufsgruppen als unmittelbare und mittelbare Nutznießer des Fremdenverkehrs zu gelten hatten und damit zur Mitgliedschaft beim Verkehrsverein verpflichtet waren. Zu den Nutznießern des Fremdenverkehrs wurden juristische und natürliche Personen aus folgen­ den Bereichen gerechnet:

m CTZ Protokollbuch II, fol. 88f. StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Albert Wacker an den Stadtrat, 14.12.1934. 200 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Jochem an Wolfram, 19.12.1934. 201 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Wolfram an Albert Wacker, 20.12.1934.

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a) das Unterkunfts- und Gaststättengewerbe, Bierbrauereien, Wein-, Likörund Mineralwasserhandlungen, Bierdepots, Molkereien, sowie deren Liefe­ ranten usw. b) Vergnügungsstätten c) Verkehrsbetriebe, z.B. Reisebüros, öffentliche Fuhrwerke, Lohnkutschereien, gewerbsmäßige Vermieter von Kraftwagen und Kraftwagenhallen d) Vermieter von Wohnungen oder Zimmern für Fremde, Fremdenheime, Pensionen, Erholungsheime, Kuranstalten usw. e) Photographen, Buchhandlungen, Reiseandenken-Geschäfte f) Ladengeschäfte, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen, insbesondere alle Geschäfte der inneren Stadt, ferner Feinkost- und Lebensmittel­ geschäfte, Konditoreien, Blumenhandlungen, Sportgeschäfte usw. g) Handelsgeschäfte, Gewerbetreibende und Handwerker aller Art, die sich mit dem Vertrieb und der Herstellung von Gegenständen befassen, die für Fremde in Frage kommen. h) Industriefirmen und Geldinstitute, die fast ohne Ausnahme mittelbare Nutznießer des Fremdenverkehrs sind. i) von den freien Berufen: Ärzte, Rechtsanwälte, Künstler, Architekten, Ingeni­ eure, Fremdenführer usw. soweit sie Nutznießer des Fremdenverkehrs sind. k) Organisationen und Behörden, die am Fremdenverkehr ein materielles Interesse haben.102

Die oben noch etwas vage im Konjunktiv formulierte Voraussetzung für die Erteilung von städtischen Aufträgen wurde 1936 mit einer Anordnung Liebeis verschärft, wonach nur noch solche Firmen und Gewerbetreibende städtische Aufträge erhalten durften, die neben der Erfüllung anderer Voraussetzungen auch ihre Mitgliedschaft beim Verkehrsverein nachweisen konnten. Der Ver­ kehrsverein schrieb dazu an den Nürnberger Oberbürgermeister: Dieser Anordnung verdanken wir eine ausserordentliche Steigerung unserer Mitglie­ derzahlen und damit unseres Beitragsaufkommens.2W In der Tat gelang es so innerhalb von fünf Jahren, die Mitgliederzahlen des Verkehrsvereins beinahe um das achtfache, von 390 Mitgliedern im Jahr 1933 auf 3.005 Mitglieder im Jahr 1939, zu steigern. Die Einnahmen aus Mitglieds­ beiträgen verzehnfachten sich sogar von 6.925,50 RM im Jahr 1933 auf 69.549

202 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Merkblatt - Wichtiges über Mitgliedschaft und Beitragsregelung, März 1934. 203 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Verkehrsverein an OB, 14.10.1936.

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RM im Jahr 1939.204 Die Mitgliedsbeiträge wurden gestaffelt erhoben: So bezahlten Freiberufler und Kleinbetriebe jährlich 20 RM, Ladenbetriebe und Gewerbetreibende einen Jahresbeitrag von 50 RM, größere Geschäfte und Betriebe 100 RM und Großbetriebe 200 RM im Jahr.205 Doch diese Zahlen genügten dem Verkehrsverein noch nicht. Im 1939 er­ schienenen Geschäftsbericht kritisierte Jochem: Aber zahlreiche Geschäftsleute stehen noch abseits oder haben sich mit einem viel geringeren Beitrag beteiligt, als es der Größe ihres Geschäfts und ihrem Nutzen aus dem Fremdenverkehr entspricht.20*' Der Vorsitzende Oberbürgermeister Willy Liebei griff in Bezug auf die Mit­ gliederzahlen zu markigeren Worten, die den totalitären Machtanspruch der Nationalsozialisten auch in trivialen Angelegenheiten verdeutlichen: Für die Welt-Fremdenverkehrsstadt Nürnberg immer noch keine besondere Auszeich­ nung. Wenn die draußen jetzt nicht bald einsehen, daß es im Guten geht, wer­ den wir ihnen beweisen, dass das auch mit anderen Mitteln möglich ist. Wer nicht hören will, muß fühlen.207 Dennoch scheuten die nationalsozialistische Stadtregierung und der Nürn­ berger Verkehrsverein, die letzten Mittel zur Steigerung der Beiträge zu ergrei­ fen und die Zwangsmitgliedschaft per Gesetz durchzusetzen oder in Nürnberg eine Fremdenverkehrs-Zwangsabgabe einzuführen. Diese Zwangsabgabe wurde in zahlreichen Klein- und Mittelstädten, aber auch in München, von al­ len Nutznießern des Fremdenverkehrs zur Aufbringung der Mittel für die Fremdenverkehrsarbeit erhoben.208 5.2 Werbeaktivitäten Die Reichsparteitage mit ihren gigantischen, martialischen Propagandaveran­ staltungen für Führerkult und Volksgemeinschaft machten Nürnberg inter­ national bekannt. Auch der Verkehrsverein nutzte die Mammutveranstaltun­ gen für seine Nürnberg-Werbung. Bereits 1934 ließ er einen Prospekt mit dem geplanten Reichsparteitagsgelände in einer vergleichsweise sehr hohen Auflage von 100.000 Exemplaren drucken.209 Dieser Plan diente den Besuchern der

204 Verkehrsverein Nürnberg e.V., Jahresbericht 1937/38 - 1938/39, S. 15. 205 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Merkblatt - Wichtiges über Mitgliedschaft und Beitragsregelung, März 1934. 206 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 16. 207 Wissmann (wie Anm. 60), S. 22. 208 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 16. 204 CTZ Protokollbuch II., fol. 90.

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Reichsparteitage, aber auch der 1934 stattfindenden NS-Kampfspiele zur Orientierung und wurde bei der Vermarktung des Reichsparteitagsgeländes als touristische Attraktion eingesetzt. In den offiziellen Nürnberg-Führern erschien eine Beschreibung des Reichsparteitagsgeländes, zudem wurden mehrsprachige Broschüren zum Gelände herausgegeben. Nürnberg-Besucher konnten ab 1935 auch an offiziellen Bus- bzw. Fuß-Führungen über das Areal teilnehmen.210 Allerdings stellten die Reichsparteitage nur einen Aspekt der NürnbergWerbung dar. Bei sämtlichen Werbeaktivitäten des Verkehrsvereins stand im­ mer auch die knapp 900-jährige Geschichte der Stadt Nürnberg im Mittel­ punkt. Das „mittelalterliche Stadtbild“ der „deutschesten aller deutschen Städte“ bildete den Aufreißer der Werbeprospekte des Verkehrsvereins, die jedes Jahr aufs Neue in großer Auflage erschienen. Mit gezielten Aktionen für Besucher rückte die Stadtverwaltung die Nürn­ berger Stadtgeschichte in den Mittelpunkt. So wurde z.B. 1937 das alte Rathaus als eine touristische Attraktion herausgestellt, nachdem in den beiden Vorjah­ ren die Halle, die Haupttreppe und der große Rathaussaal restauriert worden waren. Hier waren die Wandbilder gereinigt und an der Stelle, an der ursprüng­ lich das Peter-Vischer-Gitter gestanden war, eine hölzerne Balustrade ein­ gebaut worden.211 Im großen Rathaussaal, dessen Besichtigung nun zum Besuchprogramm der Nürnberg-Touristen gehören sollte, wurde als besonde­ rer Anziehungspunkt eine Archivalienausstellung gezeigt, mit Urkunden aus 9 Jahrhunderten [...], angefangen vom Freiheitsbrief Heinrichs III. aus dem Jahre 1050 bis zu den Nürnberger Gesetzen Adolf Hitlers aus dem Jahr 1935.2'2 Daneben wurden weitere wechselnde Schwerpunkte für die Fremdenver­ kehrswerbung gesetzt. So warb der Verkehrsverein beispielsweise 1935 inten­ siv mit dem 100-jährigen Eisenbahnjubiläum. Mit seinem umfassenden Werbe­ prospekt „Jahrhundertfeier der Ludwigseisenbahn Nürnberg-Fürth“ mit farbigem Umschlag rückte der Verkehrsverein erfolgreich international die Veranstaltungen zum Eisenbahnjahr in den Blickpunkt. Neben der zentralen Gedenkveranstaltung, dem „Tag der Deutschen Eisenbahn“ im Dezember 1935, zu der auch Hitler nach Nürnberg kam,213 wurde die Eisenbahn vor allem

210 Geschichte Für Alle e.V. (Hrsg.): Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, 2. Aufl. Nürnberg 1995, S. 142f. 211 Matthias Mende: Das alte Nürnberger Rathaus. Baugeschichte und Ausstattung des großen Saals und der Ratsstube, Nürnberg 1979, S. 10. 212 Vortrag Willy Liebeis „Nürnberg - Die Weltfremdenverkehrsstadt!“, S. 8, in: CTZ Protokoll­ buch II, fol. 121. 213 Fränkischer Kurier, 9.12.1935.

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Umschlagseite eines Werbeprospekts des Verkehrsvereins Nürnberg, 1933/34. (Congress- und Tourismus-Zentrale)

mit mehreren Ausstellungen gewürdigt. So fand in der Norishalle eine Kunst­ ausstellung zum Thema „Kunst und Eisenbahn“ statt. Im Verkehrsmuseum, dessen Dauerausstellung zum Jubiläum grundlegend überarbeitet und erneuert worden war, wurde die „Jubiläumsschau der Ludwigs-Eisenbahn NürnbergFürth“ gezeigt. Hauptattraktion bildete die Schau „100 Jahre deutsche Eisen­ bahnen“, eine umfangreiche Verkehrsausstellung mit zahlreichen Lokomo402

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Prospekt zum 100-jährigen Jubiläum der Ludwigseisenbahn, 1935. (StB Nor 4309.8°)

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tiven, Triebwagen, Personen-, Güter und Lastkraftwagen, die in der neu er­ richteten Umladehalle des Güterbahnhofs Nürnberg an der Allersberger Straße sowie auf den dazugehörigen Gleisanlagen und dem angrenzenden Frei­ gelände präsentiert wurden. Hier wurde nicht nur die Geschichte der Eisenbahn gezeigt, z.B. mit einer originalgetreu nachgebauten „Ludwigs-Eisenbahn“, die um das Ausstellungsgelände herumfuhr. Der Schwerpunkt lag auf der Präsen­ tation moderner Techniken, der letzten Errungenschaften auf allen Gebieten der deutschen Reichsbahn mit der neuesten Stromlinienlokomotive, dem Aus­ sichts-Triebwagen oder der optischen Bremse.214 Die international umworbene Ausstellung, die auch während des Reichs­ parteitages 1935 geöffnet war, zog allein über eine halbe Million zahlende Besucher aus dem In- und Ausland an, wie der Verkehrsverein in seiner Jahres­ bilanz stolz hervorhob.215 Im Zentrum der Nürnberg-Werbung und des Nürnberg-Besuches stand auch der Christkindlesmarkt, den die nationalsozialistische Stadtregierung 1933 wieder auf den Hauptmarkt bzw. den „Adolf-Hitler-Platz“ verlegte, wie der Platz während der NS-Zeit hieß. Mit einem eigenen Prospekt über den Christkindlesmarkt übernahm der Verkehrsverein die internationale Vermark­ tung des Weihnachtsmarktes. Bei der Umwerbung des Christkindlesmarkts kam auch eine neue Werbestrategie des Verkehrsvereins zum Tragen: 1934 stellte der Nürnberger Verkehrsverein zusammen mit dem Landes-Verkehrsverband Nordbayern einen eigenen Reisebeamten ein. Aufgabe dieses Außen­ beamten, der zuvor das Tiroler Verkehrsamt geleitet hatte, war es, bei den Reiseveranstaltern im In- und Ausland auf eine gleichmäßigere Verteilung des Fremdenverkehrs während des gesamten Jahres hinzuwirken.2lh Während der Hauptsaison, d.h. von Anfang Juni bis Ende September, hatte der Nürnberger Fremdenverkehr nämlich bereits 1936 seinen „absoluten Sättigungsgrad“ erreicht. Es gab bei weitem nicht genügend Unterkünfte, so dass alljährlich in dieser Zeit Zehntausende von Fremden teils von Nürnberg weggeschickt, teils nach Nürnberg überhaupt nicht mehr zugelassen werden konnten.217 Die Werbestrategie scheint erfolgreich gewesen zu sein; so meldete der Ver­ kehrsverein, dass es im steigenden Maße gelang, während der Vor- und Nach­ saison Gesellschaftsreisen und Sonderzüge nach Nürnberg zu holen.218 Einen

214 Otto Bernhard Jochem: Jahrhundertfeier der Ludwigseisenbahn Nürnberg-Fürth, Nürnberg o.J. 215 StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Rechenschaftsbericht 1935/36. 216 CTZ Protokollbuch II fol. 102 bzw. StadtAN C 7/1 Nr. 1290, Geschäftsbericht 1934/35, S. 9. 2,7 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 3. 218 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 5.

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Grund, außerhalb der Saison nach Nürnberg zu reisen, bildete der Christkind­ lesmarkt, den der Verkehrsverein auch vor Ort intensiv bewarb. So wurde im Schaufenster des Informationsbüros im Bahnhof im Dezember 1937 eine Ins­ zenierung der weihnachtlichen „Budenstadt“ präsentiert.219 Dieses Informationsbüro war bis 1935 in Form einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung von der Stadtverwaltung und dem Ver­ kehrsverein gemeinsam getragen worden. Die enge Bindung des Verkehrs­ vereins an die Stadtverwaltung, die auch in der Satzung verankert war, ließ den Betrieb dieses Verkehrsbüros in Form einer gemeinsamen Gesellschaft über­ flüssig erscheinen. Die Gesellschafterversammlung löste im April 1935 die GmbH auf; die Geschäfte der Gesellschaft übernahm der Nürnberger Ver­ kehrsverein.220 Im folgenden Jahr wurden die Geschäftsräume des Infor­ mationsbüros sowie des angrenzenden Amtlichen Bayerischen Reisebüros im Hauptbahnhof als „Verkehrspassage“ grundlegend neu gestaltet. Ganz im Sinne einer Passage blieben die Geschäftsräume mit den freien Schaltertischen im Sommer offen stehen, damit man im Vorübergehen sein Geschäft abwickeln konnte.221 Nürnberg entwickelte sich zu einer der bekanntesten Städte Deutschlands. NS-Oberbürgermeister Liebei ging sogar weit zu behaupten, dass Nürnbergs Name so oft in allen Zeitungen der Welt genannt wird, wie so leicht keiner anderen deutschen Stadt.222 Um diese Behauptung zu stützen, führte er zwei Beispiele an: eine umfassende Kampagne der finnischen Presse mit dem Titel „Nürnberg - die deutsche Weihnachtsstadt“ und eine Zusammenstellung der 20 schönsten Städte der Welt durch einen bekannten englischen Weltreisenden, die in der amerikanischen Presse veröffentlicht wurde. In seinem sehr subjekti­ ven Ranking führte der Autor Nürnberg als einzige deutsche Stadt auf.223 5.3 Quartiersvermittlung Die meisten Besucher kamen in den Jahren 1933 bis 1938 zu den Reichspartei­ tagen. Die gigantischen Aufmärsche wurden mit Teilnehmerzahlen von 350.000 (1933) bis 450.000 (1938) in der ersten Septemberhälfte inszeniert. Zu dieser sieben bzw. acht Tage andauernden Schau kam zudem noch eine große 219 Bayerische Volkszeitung, 16.12.1937. 220 Qy Protokollbuch II, fol. 87. 221 FK, 9.7.1936. 222 Vortrag Willy Liebeis „Nürnberg - Die Weltfremdenverkehrsstadt!“, S. 8, in: CTZ Protokoll­ buch II, fol. 121. 223 Vortrag Willy Liebeis „Nürnberg - Die Weltfremdenverkehrsstadt!“, S. 8, in: CTZ Protokoll­ buch II, fol. 121.

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Zahl an Gästen: So sollen beim ersten Reichsparteitag 1933 etwa 120.000, beim Reichsparteitag 1938 sogar rund 820.000 Besucher die ,Propagandaorgien“ besucht haben.224 Diese Massenveranstaltungen führten, wie es Hans-Joachim Wissmann sehr treffend ausdrückte, zu einer Perversion des Fremden­ verkehrs:225 Die meisten der bis zu 497.000 Teilnehmer und Besucher, die über Nacht blieben,226 waren in Massenlagern untergebracht und durften aus diszi­ plinarischen Gründen die Stadt nicht besuchen. Nur Amtsleiter und wenige Teilnehmer durften sich frei in der Stadt bewegen; dennoch waren die Zahlen so hoch, dass manche Gaststätten Abend für Abend zum Bersten gefüllt waren}17 Die Vorbereitung und Durchführung der Reichsparteitage lag offiziell bei der Organisationsleitung der NSDAP, einem Amt des Reichsorganisations­ leiters. Allerdings hatte die Stadtverwaltung gerade beim ersten Reichspartei­ tag 1933 einen großen Teil der Organisation dieser Massenveranstaltung mit zu übernehmen.228 Der Verkehrsverein war nur am Rande mit der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Reichsparteitage beschäftigt. Zur Organisationsleitung, die 1933 und 1934 jeweils drei Monate vor Beginn des Reichsparteitags eingerichtet wurde und ab 1935 ganzjährig bestand, gehörte ein Quartieramt, das während der Reichsparteitage die ausschließliche Vermittlung von Unterkünften übernahm.229 Allerdings scheint dieses Quar­ tieramt häufiger vor allem mit der Unterbringung von Einzelgästen überfor­ dert gewesen zu sein: So musste z.B. 1934 der Verkehrsverein hier vermittelnd einspringen. Obwohl sich der Verkehrsverein mit seiner Zimmervermittlung um eine stärkere Einbindung bemühte, durfte er nicht mehr als 10 Prozent der über 3.000 zur Verfügung stehenden Hotelbetten vermitteln.230 2:4 Siegfried Zelnhefer: Die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg, Nürnberg 2002, S. 123. 225 Wissmann (wie Anm. 60), S. 22. 226 Auch die Zahl der Übernachtungsgäste schwankte. Sie lag im Jahr 1933 bei 345.872. In den bei­ den Folgejahren übernachteten über 490.000 Teilnehmer und Gäste in den Massenquartieren, während in den Jahren 1936 und 1937 die Zahl auf gut 450.000 Ubernachtungsgäste sank und 1938 auf rund 428.000 zurückging. Gleichzeitig nahm die Dauer des Aufenthalts zu: 1933 blie­ ben die Gäste im Durchschnitt 2,1 Nächte. Bis 1936 steigerte sich der durchschnittliche Auf­ enthalt auf 5,4 Übernachtungen. Nach einem Rückgang auf 4,6 Übernachtungen im Jahr 1937 wurde im darauf folgenden Jahr wieder der Höchststand von 1936 erreicht. Statistik des Frem­ denverkehrs (wie Anm. 112), S. 19-23; Jahresbericht 1937/38 — 1938/39 (wie Anm. 204), S. 9. 227 CTZ Protokollbuch II, fol. 74. 228 Zelnhefer (wie Anm. 224), S. 117. 229 Zelnhefer (wie Anm. 224), S. 117. 230 Die Zahl der Hotelbetten unterlag Schwankungen. Während 1934 mit 3.099 Betten der Tief­ punkt an Übernachtungsmöglichkeiten erreicht war, standen 1935 bereits 3.500 Betten zur Ver­ fügung. Bis 1938 konnte die Bettenzahl auf 3.553 gesteigert werden. Jahresbericht 1937/38 1938/39 (wie Anm. 204), S. 10.

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Dies brachte zum Teil gewaltige Probleme mit sich: Da den Besuchern die Verteilung der Kompetenzen nicht bekannt war, belagerten sie die Schalter des Verkehrsvereins in Scharen. So suchten im Jahr 1935 während der Reichs­ parteitage zwischen 3.000 und 5.000 Besucher nach einer Unterkunft. Die Organisationsleitung erklärte diese unangemeldeten Besucher als unerwünscht und forderte diese auf, Nürnberg zu verlassen. Allerdings zeigten sich viele dieser Besucher hartnäckig und verbrachten die Nacht auf einer Parkbank oder ähnlichem.231 Die Beschwerden des Verkehrsvereins zeigten keinen Erfolg; im Gegenteil verlangte die Organisationsleitung z.B. 1935: Das Verkehrsamt darf sich unter keinen Umständen wie im vergangen Jahr in die Angelegenheiten des Quartier­ amtes einmischen.2i2 Der Geschäftsführer des Verkehrsvereins kündigte darauf­ hin an: Der Verkehrsverein wird durch Anschlag an seinen Schaltern und am Eingang des Schalterraumes darauf hinweisen, dass die Quartiervermittlung ausschließlich durch das Quartieramt der Organisationsleitung erfolgt und dass dort auch evtl. Reklamationen und Beschwerden anzubringen sind.“m Anders gestaltete sich die Situation beim Bayerischen Turnfest und den NSKampfspielen, die vom 20.-29. Juli 1934, unabhängig von den Reichspartei­ tagen, in Nürnberg stattfanden.234 Bei der Organisation dieses Ereignisses, das Geschäftsführer Jochem als einen Höhepunkt der Tätigkeit des Verkehrsbüros im Jahr 1934 bezeichnete,235 war der Verkehrsverein gleichberechtigt in die Vermittlung von Unterkünften eingebunden. Dabei kümmerte sich das Deut­ sche Kampfspielbüro, das seinen Sitz im Kupferschmiedshof hatte, um die Unterbringung von Teilnehmern und Besuchern in Privat- und Massenquartie­ ren, während der Verkehrsvercin die Vermittlung von Zimmern in Hotels und Gaststätten vornahm.236 Zu den unterschiedlichen Sportveranstaltungen, die im Stadion, der Luitpoldhalle, im Tiergartensaal, im Stadionbad, auf verschie­ denen Schießplätzen, auf der Aufmarschwiese, dem Zeppclinfcld und auf dem

231 Zelnhefer (wie Anm. 224), S. 141; StadtAN C 7/II Nr. 1292, Vermerk des OB, 30.05.1938 232 StadtAN C 7/1 Nr. 923, Besprechungsprotokoll, 12.7.1935, zitiert nach Zelnhefer (wie Anm. 220), S. 290, FN 118. 233 StadtAN C 7/1 Nr. 923, Jochem an das Parteitagsreferat, 27.7.1935, zitiert nach Zelnhefer (wie Anm. 220), FN 119. 234 Bei den Veranstaltungen handelte es sich um die Fortsetzung des seit 1862 alle vier Jahre statt­ findenden Bayerischen Landesturnfestes sowie der seit 1922 im Vierjahresabstand abgehaltenen deutschen Kampfspiele: Geschäftsführender Ausschuss (Hrsg.): Festbuch für die Deutschen Kampfspiele und das Bayerische Turnfest in Nürnberg vom 22.-29. Juli 1934, Nürnberg 1934, S. 35. 233 CTZ Protokollbuch II, fol. 91. 236 Festbuch (wie Anm. 234), S. 27

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Dutzendteich stattfanden,'37 kamen weit über 10.000 Teilnehmer und Besucher nach Nürnberg.238 Als Höhepunkt der Veranstaltung galt das zum Abschluss stattfindende Fußballendspiel um den „Hitlerpokal“. 5.4 Fremdenverkehr Die gezielten Werbeaktivitäten und die hohe Präsenz Nürnbergs in der über­ regionalen und internationalen Presse zeigten deutliche Erfolge: Auch außer­ halb der Reichsparteitage stieg die Zahl der Nürnberg-Besucher in kurzer Zeit um mehr als das 2,5-fache: Während 1933 noch weniger als 200.000 Übernach­ tungsgäste die Stadt besuchten, kamen im Jahr 1938 rund 530.000 Besucher, die mindestens einmal übernachteten.239 Die absoluten Zahlen an Übernachtungen stiegen sogar um mehr als das 3-fache von knapp 325.000 im Jahr 1933 auf über 1.040.000 im Jahr 1938.240 Im Sommer war während der Hauptsaison in Nürn­ berg jedes Bett belegt. Wie oben beschrieben, bestand eine Werbestrategie des Verkehrsvereins darin, auch für die Nebensaison bzw. außerhalb der Reise­ saison Besucher nach Nürnberg zu ziehen. Eine nicht unbedeutende Steigerung der Übernachtungszahlen außerhalb der Hauptsaison brachten die KdF-Reisen, die ab 1934 in steigendem Umfang auch nach Nürnberg durchgeführt wurden. Bei den KdF-Fahrten handelte es sich um konkurrenzlos günstige Reiseangebote für Arbeiter und Angestellte zu Zielen vor allem in Deutschland. Die KdF-Fahrten, die sich großer Nach­ frage erfreuten, ermöglichten denjenigen, die sich auf Grund ihres Einkom­ mens in der Regel keine Urlaubsreise hätten leisten können, zu verreisen.241 Von Anfang an wurde auch Nürnberg als Reiseziel angeboten und bereits 1934 in einem erfreulichem Umfang besucht.242 1935 fanden insgesamt 72 KdF-Eisenbahn- und Omnibusfahrten mit 21.742 Teilnehmern nach Nürn­ berg statt. In den folgenden Jahren wurde das Rciseangebot kontinuierlich aus­ gebaut, so dass 1938 bereits 470 KdF-Fahrten mit 156.195 Teilnehmern nach Nürnberg durchgeführt wurden.243 Von 1935 bis 1937 fanden zusätzlich noch 10-tägige KdF-Fahrten zu den Reichsparteitagen statt. Während die Teilneh-

237 Festbuch (wie Anm. 234), S. 28. 238 Statistik des Fremdenverkehrs (wie Anm. 112), S. 20. Alleine in Massen- und Privatquartieren waren 10.439 Teilnehmer untergebracht; hier wurden 37.332 Übernachtungen gezählt. 239 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 9. 240 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 10. 241 Nach Berktold-Fackler/Krumbholz (wie Anm. 10), S. 90, wurden bei den KdF-Fahrten 1934 insgesamt 2,3 Millionen Teilnehmer, im Jahr 1938 sogar 10,3 Millionen Teilnehmer gezählt. 242 CTZ Protokollbuch II, fol. 98. 243 Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 10.

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mer dieser Reisen in den ersten beiden Jahren in Fürth untergebracht waren, fanden die insgesamt 15.500 Teilnehmer im Jahr 1937 in Nürnberg Unterkunft in den Massenlagern.244 5.5 Der Verkehrsverein während des Zweiten Weltkriegs Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen die Aktivitäten im Fremden­ verkehrswesen schnell zum Erliegen. Uber die „wehrfähige männliche Bevöl­ kerung“ wurde eine Urlaubssperre verhängt, die erst Anfang 1940 wieder auf­ gehoben wurde. Da die Verkehrsmittel, insbesondere die Reichsbahn, zum Transport von Truppen und kriegswichtigen Materialien benötigt wurden, sollte die Bevöl­ kerung von der Durchführung privater Reisen absehen. Propagandaminister Goebbels ließ deshalb auf den Werbeflächen der Reichsbahnwagen den Slogan „Erst siegen, dann reisen!“245 anbringen. Das Schalten von Werbeanzeigen und das Verteilen von Werbeprospekten, das zum privaten Reisen hätte anregen können, war unerwünscht. Der Verkehrsverein Nürnberg besaß aber auch nicht mehr ausreichend personelle Kapazitäten für eine umfassende Fremdenverkehrswerbung. Geschäftsführer Otto Jochem und die männlichen Mitarbeiter des Verkehrs­ vereins waren als Soldaten eingezogen.246 Von den 15 Mitarbeitern, die vor dem Krieg für den Nürnberger Verkehrsverein tätig waren, standen nur noch wenige zur Verfügung. Als einzige Werbeaktivität während des Zweiten Weltkriegs erfolgte die Herausgabe und Verteilung von kleinen Broschüren, mit denen Nürnberg als Reiseziel für Wehrmachtsurlauber umworben wurde.247 Die Konzentration des Fremdenverkehrs auf die Wehrmachtsurlauber wurde Anfang 1943 auch ganz offiziell vom Staatssekretär für den Fremdenverkehr im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Inneren und dem Reichswirtschaftsminister angeordnet. Es wurde festgelegt, dass der gewerbliche Beherbergungsraum in den Fremdenverkehrsgemeinden in erster Linie Wehrmachtsurlaubern und solchen Volksgenossen Vorbehalten [bleiben sollte], die kriegswichtige Arbeit leisten [.. ,/48

2" 2.5 2.6 2.7

Jahresbericht 1937/38 - 1938/39 (wie Anm. 204), S. 11. Berktold-Fackler (wie Anm. 3), S. 74. CTZ Ordner 1950-52, Vorstandsprotokoll, 27.4.1950. So z.B. die Werbebroschüre des Landes-Fremdenverkehrsverbandes Nürnberg und Nord­ bayern e.V. „Wehrmacht-Urlauber - Willkommen in Nürnberg, 1939/40“. 2.8 StadtAN C 7/1 Nr. 1301, Richtlinien vom 24.2.1943.

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Titelseite der Broschüre „Willkommen in Nürnberg“ für Wehrmachturlauber, herausgegeben vom Landes-Fremdenverkehrsverband Nürnberg und Nordbayern. (StadtAN Av A 831).

In Nürnberg bestand allerdings kaum mehr Gelegenheit für einen Urlaubs­ aufenthalt: Dem ersten Luftangriff am 29. August 1942 folgten zahlreiche wei­ tere Flächen-Bombardements: Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage und des „Frankenführers“ Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Hetz­ blatts „Der Stürmer“, war ein bevorzugtes Ziel der alliierten Geschwader, vor 410

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allem, weil sich hier ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt und zahlreiche Firmen der Elektro- und Maschinenbauindustrie befanden, die „kriegswich­ tige Güter“ produzierten. Einem Luftangriff im Oktober 1944 fiel das Büro des Verkehrsvereins im Hauptbahnhof zum Opfer. Die Geschäftsstelle zog um in die Lorenzer Straße und nahm hier den Betrieb nochmals kurzzeitig auf. Beim verheerenden Luft­ angriff am 2. Januar 1945 wurde auch das Behelfsbüro zerstört. Die Akten des Verkehrsvereins, längst vorher ausgelagert, verbrannten auf der Cadolzburg bei Fürth.249 Nur ein kleiner Teil der Geschäftsunterlagen blieb erhalten. Damit errichtete die Buchhalterin Emilie Walz in Ebing bei Bamberg im Hause ihrer Eltern im März 1945 ein Notbüro und erstellte dort den Geschäftsabschluss für das Jahr 1944.250 An Fremdenverkehr war in der zu 90 Prozent zerstörten Altstadt nicht mehr zu denken: Knapp die Hälfte der ursprünglich 125.000 Wohnungen war völlig zerstört, weitere 40 Prozent waren zum Teil schwer beschädigt. Überall mangelte es am Nötigsten, an Wohnraum, an Möbeln und an Lebensmitteln. 6. Neubeginn Unterkünfte für Besucher waren Mangelware: Von den über 5.700 Gästebetten der Vorkriegszeit waren zu Kriegsende nicht einmal mehr 100 nutzbar. Ein Jahr später standen bereits wieder 378 Gästebetten zur Verfügung. Und die wurden auch dringend gebraucht für die vielen Auswärtigen, die in die Stadt drängten: Kriegsheimkehrer auf Durchreise, Vertriebene und Flüchtlinge, später auch Geschäftsleute und Besucher der Nürnberger Prozesse. Bereits im Jahr 1946, als das Leben in Nürnberg infolge der Kriegsschäden noch von Not und Elend gekennzeichnet war, wurden deshalb in Nürnberg rund 27.350 Übernachtungsgäste mit etwa 43.800 Übernachtungen registriert. Vor diesem Hintergrund kümmerte sich Emilie Walz, langjährige kaufmän­ nische Mitarbeiterin des Verkehrsvereins, mit hohem persönlichen Einsatz um das Fortbestehen des Verkehrsvereins. Bereits im Juni 1945 richtete sie in ihrer Privatwohnung in der Austraße ein improvisiertes Verkehrsbüro ein.251 Hier bearbeitete sie Flüchtlingsangelegenheiten und unterstützte vor allem das Beherbergungsgewerbe bei der Wiederaufnahme des Betriebs: So kümmerte sie

249 250 251 252

Gespräch mit Lydia Rottenbacher, der Tochter der Buchhalterin Emilie Walz, vom 27.9.2004. CTZ, ungeordneter Bestand, Emmy Walz an Landesfremdenverkehrsverband, 18.6.1946. Gespräch mit Lydia Rottenbacher vom 27.9.2004. Verkehrsverein Nürnberg e.V.: Geschäftsbericht 1964 - 60 Jahre Verkehrsverein, Nürnberg 1964, o.S.

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sich um die Beschaffung von Handtüchern, Waschschüsseln und Geschirr. Unterstützung fand sie bei Verwaltungsinspektor Georg Heigl, dem Leiter des Amtes für Verkehrsförderung und Nachrichten, der für zwei Jahre die kom­ missarische Geschäftsführung des Verkehrsvereins übernahm.252 Im Juli 1945 bezog der Verkehrsverein wieder eigene Räume, diesmal im dritten Obergeschoss des Gebäudes in der Lorenzer Straße 31, und betreute hier auch bald wieder seine erste Tagung, die der Verein für Maschinenbau­ anstalten veranstaltete. Hauptaufgabe des Verkehrsvereins war es dabei, in Zeiten rationierter Lebensmittel für das leibliche Wohl der Tagungsteilnehmer zu sorgen.253 1948 erschien bereits wieder ein Werbeplakat, ein Nürnberg-Prospekt und ein Verzeichnis mit den noch bestehenden Hotels, Gaststätten, Fremden­ heimen und Speiselokalen. Im Herbst desselben Jahres konnte schließlich erst­ mals wieder eine Mitgliederversammlung stattfinden. Einstimmig wählten die Anwesenden Nürnbergs Zweiten Bürgermeister Heinrich Landgraf zum Ersten Vorsitzenden, der bereits ein Jahr später verstarb. Die Nachfolge Landgrafs trat Nürnbergs Bürgermeister Julius Loßmann an, gleichzeitig Fraktions­ vorsitzender der SPD. Die nebenberufliche Geschäftsführung übernahm zunächst Dr. Hans Zankl, ein ehemaliger städtischer Beamter. Ende 1949 wurde Emilie Walz, die bereits zwei Jahre zuvor die Geschäftsführung der Schwesterorganisation, des Landesverkehrsverbands Nürnberg und Nord­ bayern, übernommen hatte, zur vorläufigen Geschäftsführerin des Nürnberger Verkehrsvereins ernannt. Reichlich bescheiden waren die Rahmenbedingungen, unter denen die Mit­ arbeiter des Vcrkehrsvercins in den ersten Nachkriegsjahren arbeiteten: Nach Verhandlungen mit der Rcichsbahndirektion erhielt der Verkehrsverein im zerstörten Hauptbahnhof 1948 als Informationsstelle eine Art Mini-Büro, kaum größer als eine Telefonzelle. Hier fand genau eine Person Platz, um Reisenden Auskünfte zu geben und Unterkunftssuchenden ein Gästebett zu vermitteln. Zur Deutschen Bauausstellung 1949 sowie zu Nürnbergs 900-Jahr-Feier fand nun auch wieder in Ansätzen Fremdenverkehr statt. Das Auskunftsbüro zog nun um in eine freie Christkindlesmarktbude, die in der Bahnhofs-Mittel­ halle aufgestellt war. In dieser Informationsstelle, die mit noch erhaltenen bunten Vorkriegsplakaten beklebt wurde, bemühte sich der Verkehrsverein um

253 Verkehrsverein Nürnberg e.V.: Geschäftsbericht 1964 - 60 Jahre Verkehrsverein, Nürnberg 1964, o.S.

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die Vermittlung der rund 1.000 Fremdenbetten in immerhin 39 Hotels und Gasthöfen sowie in den drei Bunkerhotels und den vier Fremdenheimen. Nach der Gründung der Bundesrepublik nahm die Reiselust der Deutschen eine bisher nicht gekannte Größenordnung an. Das steigende Einkommen während der so genannten Wirtschaftswunderjahre bot den Menschen die not­ wendigen finanziellen Voraussetzungen für Urlaub und Reisen. Mitte der fünf­ ziger Jahre unternahmen bereits 24 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Reise. Obwohl Italien, Südtirol und der Gardasee als die eigentlichen Traum­ ziele für Urlaubsreisen galten, steuerten 85 Prozent aller deutschen Reisenden ein Ziel im Inland an.254 Begünstigt wurde die Entwicklung durch den steigen­ den Omnibusverkehr, der eine ganz neue Form des Tourismus ermöglichte: die Gesellschaftsreise. Immer mehr Menschen schlossen sich diesen kurzen Grup­ penreisen an, die ohne Unterbrechungen zu einem bestimmten Ziel führten. Schon bald wurde auch die im Wiederaufbau begriffene Nürnberger Alt­ stadt mit ihren berühmten historischen Gebäuden ein beliebtes Ziel solcher Reisen. So kamen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre jährlich etwa 5.000 Busse nach Nürnberg.255 Der steigende Reiseverkehr ermöglichte die Konsoli­ dierung des Verkehrsvereins Nürnberg, der sich nun wieder voll und ganz auf die Umwerbung Nürnbergs als attraktives Reiseziel und die Betreuung der Nürnberg-Besucher konzentrieren konnte. Daneben unterstützte der Verkehrs­ verein die Bemühungen von Spielwarenmesse und Stadtverwaltung, Nürnberg als Messestandort und als Tagungs- und Kongressstadt zu etablieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Verkehrsverein Nürnberg seit seiner Gründung mit eigenen Publikationen, internationalen Werbe­ kampagnen und aktiver Betreuung der Medien sowie mit einem vielseitigen Serviceangebot, das von der Vermittlung und Reservierung von Zimmern und Stadtführungen bis zur Organisation unterschiedlichster Veranstaltungen reicht, einen sehr wichtigen Beitrag zum Marketing und zum Image der Stadt Nürnberg leistet.

254 Berktold-Fackler/Krumbholz (wie Anm.lO), S. 109. 255 StadtAN F 2 Nr. 49, 31.10.1952.

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GRÜNDUNG UND KRISE DES DEUTSCH-AMERIKANISCHEN INSTITUTS NÜRNBERG 1962-1972 Von Reinhild Kreis Ich darf Ihnen danken, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß Sie [...] das Fortbestehen des Amerikahauses Nürnberg, eines unserer wich­ tigsten Kulturinstitute unserer Stadt, ermöglicht haben. Nur dadurch wird es möglich sein, dieser für uns alle und besonders für unsere Jugend wichtige[n] Einrichtung, den Fortbestand zu sichern

Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter im Nürnberger Stadtrat, 28. März 1962 Oberbürgermeister Dr. Urschlechter gibt hiermit bekannt, daß er am 22.12.1972 den Beschluß des Nürnberger Stadtrats über das Ausscheiden der Stadt Nürnberg aus dem Deutsch-Amerikanischen Institut Amerika Haus Nürnberg e. V. durch Herbeiführung der notariellen Beurkundung der erforderlichen Satzungsänderungen vollzogen hat. Oberbürger­ meister Dr. Urschlechter hat mit Wirkung ab 1.1.1972 sein Amt als Vor­ sitzender des Deutsch-Amerikanischen Instituts niedergelegt. Die Stadt Nürnberg ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Mitglied des Instituts.2

Presseerklärung von Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter, 8. Januar 1973 Zwischen diesen beiden Aussagen des Nürnberger Oberbürgermeisters Dr. Andreas Urschlechter (SPD) liegen zehn Jahre, in denen das DeutschAmerikanische Institut (DAI) Nürnberg finanziell von der Stadt unterstützt wurde. 1962 hatte der Nürnberger Stadtrat zugestimmt, das seit 1946 beste­ hende Amerikahaus3 in ein binationales Institut umzuwandeln, das von deut­ scher und amerikanischer Seite gemeinsam getragen werden sollte. Zu diesem Der vorliegende Aufsatz ist eine gekürzte Version meiner Magisterarbeit „Gründung und Krise des Deutsch-Amerikanischen Instituts Nürnberg 1962-1972“, die ich im März 2004 an der LMU München eingereicht habe. 1 StadtAN C 85/III Nr. 23, Protokoll der 33. Sitzung des Stadtrats vom 28. März 1962, S. 6. 2 StadtAN C 85/1 Nr. Bl 10, Presseerklärung Urschlechters vom 8. Januar 1973. 3 In Quellen und Literatur finden sich verschiedene Schreibweisen für beide Einrichtungen. Die vorliegende Arbeit verwendet einheitlich die Schreibweisen „Amerikahaus“ und „DeutschAmerikanisches Institut“.

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Zweck wurde der Verein Deutsch-Amerikanisches Institut - Amerika Haus Nürnberg e.V. gegründet. Zusammen mit dem Freistaat Bayern und der Bundes­ republik Deutschland übernahm die Stadt den deutschen Kostenanteil des DAI. Ende 1972 wurden die städtischen Zahlungen jedoch auf Beschluss des Stadtrats wieder eingestellt. Wie in Nürnberg waren 1962 auch in anderen deutschen Städten Amerika­ häuser auf dieser Basis in DAIs umgcwandelt worden. Doch Nürnberg war die erste und einzige Stadt in der Bundesrepublik, die sich aus der Finanzierung ihres DAI wieder zurückzog und damit den Fortbestand des Hauses existentiell gefährdete. Für einige Monate schien die Schließung des DAI unabwendbar. Vor dem Hintergrund der deutsch-amerikanischen Beziehungen und der Außenpolitik von USA und Bundesrepublik sollen im Folgenden die Ursachen für den „Sonderweg“ des Nürnberger DAI herausgearbeitet und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Anders als die Amerikahäuser waren die Deutsch-Amerikanischen Institute bisher noch nicht Gegenstand der For­ schung. Hier soll es erstmals darum gehen, die Entstehung und Ausrichtung eines binationalen Instituts unter den veränderten politischen und gesellschaft­ lichen Vorzeichen der 1960er Jahre zu untersuchen.'* Ausgangspunkt ist die besondere Position, die die Amerikahäuser als Vor­ gängerinstitutionen der Deutsch-Amerikanischen Institute in der Bundesrepu­ blik einnahmen. Sie wurden als Einrichtungen der amerikanischen Besatzer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet und übernahmen schnell Aufgaben im offiziellen Reeducation-Programm der USA, wo sie „im Rahmen besatzungspolitischer, speziell reedukativer Erwägungen schließlich eine wich­ tige Rolle beim Aufbau einer demokratischen Grundhaltung“ in Deutschland 4 Zur Gründungs- und Frühphase der Amerikahäuser siehe Karl-Ernst Bungenstab: Entstehung, Bedeutungs- und Funktionswandel der Amerika-Häuser. Ein Beitrag zur Geschichte der ameri­ kanischen Auslandsinformation nach dem 2. Weltkrieg, in: Jahrbuch für Amerikastudien 16 (1971), S. 189-203, hier S. 203; Manfred Strack: Amerikanische Kulturbeziehungen zu (West-) Deutschland 1945-1955, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 37 (1987), Heft 2, S. 283-300; für Tübingen: Christiane Pyka: Get Together. 50 Jahre d.a.i. Tübingen, in: Politics and Pop. 50 Jahre Deutsch-Amerikanisches Institut Tübingen, hrsg. v. Ute Bechdolf, Christiane Pyka, Tübingen 2002, S. 17-48, hier S. 24,29; für Marburg: Gabriele Clement: „Window to the West“. Das AmerikaHaus in Marburg, in: Marburg in den Nachkriegsjahren, Bd. 2: Aufbruch zwischen Mangel und Verweigerung, hrsg. v. Benno Hafenger, Wolfram Schäfer, Marburg 2000, S. 207-244, hier S. 234; für Freiburg: Deutsch-Amerikanische Zeiten. 50 Jahre Amerika-Haus Freiburg und CarlSchurz-Haus/Deutsch-Amerikanisches Institut e.V. Eine Festschrift des Carl-Schurz-Hauscs, Freiburg 2002, S. 27. Für Nürnberg weist Clemens Wächter nur in einer Fußnote auf die Um­ wandlung des Amerikahauses hin: Clemens Wächter: Kultur in Nürnberg 1945-1950. Kultur­ politik, kulturelles Leben und Bild der Stadt zwischen Ende der NS-Diktatur und der Prospe­ rität der fünfziger Jahre (NW 59), Nürnberg 1999, S. 272, Anm. 202. - Für seine Rückmeldung danke ich Herrn Professor Dr. Hermann Glaser.

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spielen sollten.'’ Besonders wichtig waren dabei die Bibliotheken, die von Anfang an den Kern der Häuser bildeten. Im Zuge der Verschärfung des Kalten Krieges und als Reaktion auf die sowjetische Propaganda wurde die Zahl der Häuser zwischen 1947 und 1951 in einer regelrechten Gründungswelle von 20 auf 27 erhöht.56 In Nürnberg hatte am 14. November 1946 eine amerikanische Bibliothek eröffnet, die von der Bevölkerung schnell angenommen wurde. Neben einem Buchbestand von ungefähr 10.000 Bänden, Tageszeitungen, Noten und Schall­ platten bot das Amerikahaus Vortrags- und Diskussionsabende, Diavorträge und Filmvorführungen.7 Wie in vielen anderen Städten auch war das Amerika­ haus in Nürnberg eine der ersten wieder funktionsfähigen Kultureinrichtun­ gen nach Kriegsende und NS-Herrschaft, die den Nachholbedarf der deut­ schen Bevölkerung an Informationen und internationalen, insbesondere west­ lichen Kulturkontakten erfüllen konnten. Die besondere Bedeutung, die den Amerikahäusern vielfach beigemessen wurde, kommt in der Bezeichnung „Window to the West“ zum Ausdruck, mit der die Amerikahäuser immer wieder belegt wurden.8 In Nürnberg beurteilte Umfragen zufolge kaum jemand das Amerikahaus als Propagandaeinrichtung der Besatzungsmacht, sondern es galt primär als Vermittler amerikanischer Kultur.9 Diese Einschätzung entsprach der Inten­ tion der Amerikaner, die jeden Eindruck von Propaganda zu vermeiden such­ ten.10 Diese Direktive galt auch, nachdem 1953 mit der Gründung der United States Information Agency (USIA) eine zentrale Behörde für die amerikani­ sche auswärtige Kultur- und Informationspolitik geschaffen wurde, in deren

5 Maritta Hein-Kremer: Die amerikanische Kulturoffensive 1945-1955. Gründung und Entwick­ lung der amerikanischen Information Centers in Westdeutschland und Westberlin, Köln, Weimar, Wien 1996, S. 544. Zur Entstehungs- und Frühgeschichte der Amerikahäuser siehe ebd.; Frank Schumacher: Kalter Krieg und Propaganda. Die USA, der Kampf um die Weltmeinung und die Westbindung der Bundesrepublik 1945-1955, Trier 2000. 6 Dazu kamen 135 Lesesäle in kleineren Städten, die den Amerikahäusern angegliedert waren. Damit bestand 1951 die höchste Dichte an Amerikahäusern, die seit Gründungen in Hannover und Hamburg auch in der britischen Besatzungszone vertreten waren. Bereits zwischen 1951 und 1953 wurden viele Häuser und Lesesäle wieder geschlossen. Zum Einfluss des Ost-WestKonflikts siehe Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 299-303, 308-317. 7 Wächter (wie Anm. 4), S. 262f. Näheres zum Programm der Anfangsjahre siehe ebd. S. 264f. 8 Henry P. Pilgert: History of the Development of Information Services through Information Centers and Documentary Films, Mehlem 1951, S. 9; Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 544. Die bereits Anfang 1946 in Marburg eröffnete kleine amerikanische Bücherei firmierte sogar unter diesem Namen, siehe Clement (wie Anm. 4), S. 212; Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 160f. 9 Wächter (wie Anm. 4), S. 270f. 10 Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 252, 269f.

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Zuständigkeitsbereich auch die Amerikahäuser fielen." Die für die Umsetzung des Programms vor Ort verantwortlichen Außenposten der USIA arbeiteten unter dem Namen United States Information Service (USIS). Unter USIA wurde das Programm der Amerikahäuser nochmals enger an die allgemeinen Ziele der amerikanischen Außenpolitik angeglichen. Im Spannungsfeld von Propaganda und Information erwies sich der innere Widerspruch zwischen dem Selbstverständnis der Behörde als Vermittlerin amerikanischer Kultur­ politik und der Sicht von Präsident und Kongress auf die USIA als Instrument der jeweiligen Außenpolitik jedoch als unlösbar.12 Am Beispiel des DAI Nürnberg soll die Entwicklung dieser aus der Besat­ zungszeit stammenden Einrichtung während der 1960er Jahre nachgezeichnet werden - einer Zeit also, in der sich das deutsch-amerikanische Verhältnis und demzufolge die Aufgaben des Instituts fundamental von den Bedingungen unterschieden, unter denen es gegründet worden war. Das DAI Nürnberg ist dabei Beispiel und Sondcrfall zugleich, an dem sich der Bedeutungswandel der Häuser exemplarisch zeigen lässt, dessen Entwicklung sich aber von der ande­ rer DAIs dadurch unterschied, dass die Stadt Nürnberg Ende 1972 ihre Unter­ stützung einstellte. Um die Frage nach den Gründen für diese Entwicklung beantworten zu können, müssen zuerst die Umwandlungsverhandlungen in Nürnberg untersucht werden. Aus welchen Gründen stimmte der Nürnberger Stadtrat dem Vorschlag eines binationalen Instituts zu und war bereit, dieses Institut mitzufinanzieren? Unter welchen Bedingungen erklärten sich der Frei­ staat Bayern und das Bundespresseamt als Vertreter des Bundes dazu bereit, Unterstützung zu leisten? Wie sahen die Vereinbarungen über Finanzierung, Struktur und Aufgaben des DAI aus? Die Antworten auf diese Fragen bilden die Grundlage, auf der untersucht werden soll, welche Prozesse und Ereignisse zur Einstellung der städtischen 11 Sie beendete eine lange Phase ständig wechselnder Zuständigkeiten und damit verbundener Unsicherheiten in diesem Bereich. Zur Programmübernahme durch USIA siehe Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 411-419. 12 Jörg Becker / Rudolf Witzei: Die auswärtige Kultur- und Informationspolitik, in: Länderbericht USA, Bd. 2: Außenpolitik, Gesellschaft, Kultur, Religion, Erziehung, hrsg. v. Willi Paul Adams u.a., Bonn 1992, S. 92-108, hier S. 94, 107f.; Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 345f., 416. Präsident Eisenhower, in dessen Amtszeit die Gründung der USIA fiel, definierte ihre Aufgaben folgender­ maßen: „Explaining and interpreting to foreign peoples the objectives and policies of the United States Government / Depicting imaginatively the correlation between the United States policies and the legitimate aspirations of other peoples of the world / Unmasking and countering hostile attempts to distort or frustrate the objectives and policies of the United States / Delineating those important aspects of life and culture of the people of the United States which faciliate understanding of the policies and objectives of the US Government.“ Statement of Mission for USIA, zitiert nach Holger Ohmstedt: Von der Propaganda zur Public Diplomacy. Die Selbst­ darstellung der Vereinigten Staaten von Amerika im Ausland vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges, München 1993, S. 57f.

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Zuschüsse Ende 1972 führten. Zu fragen ist zum einen nach lokalspezifischen Faktoren, zum anderen nach übergeordneten Tendenzen und Konstellationen auf politischem, gesellschaftlichem und kulturellem Gebiet, die das DAI als binationale Einrichtung auf dem Gebiet der Kultur- und Informationspolitik beeinflussten. Hier geht es um Kontinuitäten und Brüche im deutsch-amerika­ nischen Verhältnis während des Untersuchungszeitraums und um das Verhält­ nis der bundesdeutschen Bevölkerung zu „Amerika“. Den Hauptquellenbestand für diese Untersuchung bildet die Aktenüber­ lieferung des DAI, die mit den Gründungsverhandlungen 1961/62 einsetzt. Der neuerdings im Stadtarchiv Nürnberg befindliche Bestand wurde für die vorliegende Untersuchung erstmals verzeichnet und ausgewertet.'3 Neben den jährlichen Tätigkeitsberichten des DAI, Rechnungsprüfungsberichten und den Protokollen der Verwaltungsrats- und Vorstandssitzungen umfasst der Bestand hauptsächlich die umfangreiche Korrespondenz zwischen den deutschen Finanzgebern untereinander und mit dem DAI. Protokolle und Berichte geben zusammen mit der Korrespondenz einen detaillierten Einblick in Arbeit, Finanzierung und Entwicklung des DAI. Die Memoranden und die Korre­ spondenz zwischen den amerikanischen Direktoren des DAI und ihren über­ geordneten USIS-Dienststellen in München und Bonn ergänzen die Überliefe­ rung um die amerikanische Perspektive. Besonders das Berichtswesen kann wichtige Einblicke bieten, wie die Amerikaner die lokale Situation beurteilten. Das Veranstaltungsprogramm des DAI ist detailliert durch Korrespondenz, Einladungen, Presseberichte, Programme und Programmevaluierung überliefert. Als Parallelüberlieferungen wurden die Akten des Oberbürgermeisters der Stadt Nürnberg und des städtischen Schul- und Kulturreferats (Referat IV) herangezogen. Sie werden ergänzt durch die Verlaufsprotokolle der Stadtrats­ sitzungen, in denen alle die Stadt betreffenden Beschlüsse über das DAI disku­ tiert und gefasst wurden. Um die öffentliche Diskussion über das Amerikahaus / DAI nachzuvollziehen, wurden die wichtigsten Nürnberger Tageszeitungen ausgewertet: die Nürnberger Zeitung (NZ), die Nürnberger Nachrichten (NN) und die Ausgabe Nord der Abendzeitung (AZ). Zu Beginn der 1960er Jahre hatten sich die Bedingungen für die Arbeit der Amerikahäuser auf mehreren Ebenen grundlegend gewandelt: USA und Bundes­ republik standen sich nicht mehr primär als Sieger und Besiegte, Besatzer und 13 Insgesamt umfasst der Bestand StadtAN E 6/799 ca. 85 lfd. Meter für den Zeitraum 1962-2000 (einzelne Dokumente auch außerhalb dieses Zeitraums). Für die vorliegende Arbeit wurden die Akten im Zeitraum bis Mitte der 70er Jahre verzeichnet und ausgewertet. Schwierigkeiten in der Auswertung ergaben sich durch das teilweise ungeordnete Ablagesystem, da Vorgänge aus­ einander gerissen waren und dadurch teilweise eine Einordnung einzelner Dokumente in bestimmte Zusammenhänge sehr schwer oder gar nicht mehr möglich war.

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Besetzte gegenüber, sondern waren Partner im gemeinsamen Bündnis, in das die Bundesrepublik fest integriert war. Die westdeutsche Bevölkerung, an die sich das Programm der Amerikahäuser richtete, hatte sich ebenfalls seit den un­ mittelbaren Nachkriegsjahren verändert. Durch Liberalisierungs- und Demo­ kratisierungsprozesse bildete sich eine zunehmend „aktive“ Öffentlichkeit in der Bundesrepublik heraus, die überdies auf ein wachsendes Repertoire an massenmedialen Informations- und Vermittlungsmöglichkeiten zurückgreifen konnte. Auf weltpolitischer Ebene hatten sich im Zuge einer beginnenden Ent­ spannungspolitik die Brennpunkte im Kalten Krieg weg von Europa nach Afrika, Asien und Lateinamerika verlagert. In diese Richtung verschoben sich auch die außen- und kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen der USA. Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen sollen im Folgenden zuerst die Umwandlungsverhandlungen in Nürnberg untersucht werden, die zur Gründung des DAI führten. Hier stehen zum einen die Motive aller an die­ sem Prozess beteiligten Institutionen und die Bedingungen der Umwandlung im Mittelpunkt, zum anderen Struktur und Aufgaben des neu gegründeten binationalen Instituts. Anschließend richtet sich der Blick auf drei „Problemfelder“ genannte Themen­ komplexe, die ausschlaggebend für die Entwicklung des DAI hin zur Krise 1971/72 waren. Neben dem in Nürnberg als Provokation empfundenen ameri­ kanischen Fernsehfilm „The Germans“ aus dem Jahr 1967 sind hier als zweites die Proteste im Rahmen der 68er-Bewegung zu nennen, in deren Verlauf auch das DAI Nürnberg mehrfach zur Zielscheibe der Kritik wurde. Den dritten Bereich bildet die Kulturpolitik der Stadt Nürnberg in ihrem Verhältnis zum DAI. Das DAI war zwar keine kommunale Kultureinrichtung, jedoch finan­ ziell durch die Zuschüsse und personell durch städtische Vertreter in Vorstand­ schaft und Verwaltungsrat eng mit der Stadt verbunden. Aufgrund dieser städ­ tischen Leistungen an das DAI wurde das Institut bis zu einem gewissen Grad in die Nürnberger Kulturpolitik miteinbezogen. Schließlich wird die tatsächliche Krise des DAI untersucht, nachdem der Nürnberger Stadtrat Ende 1971 beschlossen hatte, zum Ende des folgenden Jahres die Zuschüsse für das DAI einzustellen. Zwar schien für einige Monate die Schließung des Hauses unabwendbar zu sein, doch entwickelten sich aus der Krise heraus neue Konstellationen, die das Überleben des DAI sicherten. Nachdem dieser Prozess für das DAI Nürnberg nachgezeichnet wurde, werden abschließend die verschiedenen Problemfclder in Beziehung zuein­ ander gesetzt, um das Gewicht der einzelnen Faktoren in Bezug auf die Ent­ wicklung hin zur Krise zu bestimmen. Dabei ist auch von Interesse, ob und wie sich die Faktoren wechselseitig bedingt oder beeinflusst haben. In einem zwei­ ten Schritt werden diese Ergebnisse in den Kontext übergeordneter Strömun420

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gen und Konstellationen eingeordnet, die das DAI als binationale Kultur­ einrichtung beeinflussten. Schließen oder umwandeln? Die Verhandlungen in Nürnberg Die enge Koppelung der USIA an die US-Außenpolitik14 bedeutete eine Kurs­ korrektur in der auswärtigen Kultur- und Informationspolitik, wann immer sich die Ziele und Gewichtungen der amerikanischen Außenpolitik verschoben. Auch Regierungswechsel hatten in der Regel die Neukonzeption von Auf­ gaben und Zielen der USIA und personelle Neubesetzungen zur Folge. Mit dem Amtsantritt John F. Kennedys als Präsident der USA 1961 und unter dem von Kennedy eingesetzten neuen Direktor der USIA, Edward Murrow, verbesserte sich der Status der USIA innerhalb des amerikanischen Behörden­ gefüges maßgeblich.15 Mit dieser grundsätzlichen Statusverbesserung ging eine inhaltliche Neukonzeptionierung der Arbeit der USIA einher, die sich an den außenpolitischen Schwerpunktsetzungen der Regierung Kennedy orientierte. Besonders Lateinamerika und die im Dekolonisationsprozess befindlichen afrikanischen Staaten rückten zu Beginn der 1960er Jahre ins Blickfeld der USA und damit auch der USIA. Westeuropa hingegen galt der US-Regierung als fest integrierter Bündnispartner. Die Einflussbereiche von USA und Sowjetunion in Europa waren im Gegensatz zu Afrika, Asien oder Latein­ amerika klar abgesteckt - da hier keine Veränderungen zu erwarten standen, sollte nur der Status Quo aufrecht erhalten bleiben.16 Diese Beurteilung der politischen Lage hatte auch Auswirkungen auf die auswärtige Kultur- und Informationspolitik der USA in der Bundesrepublik Deutschland, die sich im Spätsommer 1961 konkretisierten. In einem Briefing Paper on Establishment of Certain Amerika Haeuser and German-American Institutes on a Full-Fledged Bi-National Basis wurden die USIS-Stellen in Deutschland über die Pläne der USIA zur Umwandlung einiger Amerika­ häuser in binationale Kultureinrichtungen informiert.17 14 Manfred Knapp bezeichnet die auswärtige Kulturarbeit der USA und ihre ausführende Behörde, die USIA, durchgängig als „außenpolitisches Instrument“ und betont besonders die enge Ver­ bindung zur Außenpolitik der USA und ihre Aufgaben im Dienste dieser Außenpolitik; siehe Manfred Knapp: Die Stimme Amerikas. Auslandspropaganda der USA unter der Regierung John F. Kennedys, Opladen 1972. 15 Ebd. S. 61f., 98f., 130f.; Manuela Aguilar: Cultural Diplomacy and Foreign Policy. GermanAmerican Relations 1955-1968, New York u.a. 1996, S. 60, 116-120; Ohmstedt (wie Anm. 12), S. 75-80. 16 Knapp: Auslandspropaganda (wie Anm. 14), S. 64-67; Aguilar (wie Anm. 15), S. 162, 233-235; Ohmstedt (wie Anm. 12), S. 96, 105. 17 StadtAN E 6/799 Nr. 72, Briefing Paper on Establishment of Certain Amerika Haeuser and German-American Institutes on a Full-Fledged Bi-National Basis, Anlage zu Miller an Benedict vom 30. September 1961. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf dieses Dokument.

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Diese Pläne wurden in einem doppelten Argumentationsstrang begründet: Zum einen seien die Amerikahäuser in den Jahren ihres Bestehens immer mehr in die lokale Kulturlandschaft integriert und als solche von den Kommunen zunehmend unterstützt worden. Durch die Umwandlung einiger Amerika­ häuser in binationale Institute - zur Disposition standen die Häuser in Darm­ stadt, Freiburg, Kassel, Koblenz, Marburg, Nürnberg, Regensburg, Heidel­ berg und Tübingen - sollte diese von der USIA als sehr erfreulich angesehene Entwicklung an ihren logischen Schlusspunkt geführt werden. Zum anderen wurde auf die Direktive des amerikanischen Kongresses verwiesen, USIA solle gesteigerte Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel auf Afrika, Lateinamerika und Asien richten. Aus haushaltstechnischen Gründen müssten deswegen ent­ weder einige Häuser in der Bundesrepublik umgewandelt oder geschlossen werden, nur in den Städten, in denen auch ein amerikanisches Generalkonsulat angesiedelt war, sollten voll durch USIA finanzierte Amerikahäuser bestehen bleiben. Einige Amerikahäuser als binationale Einrichtungen weiterzuführen stellte aus Sicht der USIA einen Weg dar, sowohl den außenpolitischen Ver­ pflichtungen gerecht zu werden als auch den durch die Häuser geleisteten kulturellen Austausch zwischen den USA und der Bundesrepublik auf unver­ ändert hohem Niveau fortzuführen. Im Oktober 1961 nahm der Konsul und Leiter der Kultur- und Informations­ abteilung des amerikanischen Generalkonsulats in München, Robert C. Bene­ dict, Kontakt zum Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter auf, um ihn von den Umwandlungsplänen des USIS für das Amerikahaus zu unterrichten. Dieser reagierte höchst aufgeschlossen: Er habe schon etwas in dieser Art erwartet, so Urschlechter, und ihn von der Notwendigkeit einer deutschen Beteiligung an der Finanzierung des Amerikahauses überzeugen zu wollen, heiße offene Türen einrennen. Das durch diese Haltung deutlich wer­ dende Verständnis für eine notwendige Schwerpunktverlagerung in der ameri­ kanischen Außenpolitik zeigte sich auch in Urschlechters Vorschlag, die Presse vorerst nicht über die Verhandlungen zu informieren. In der Öffentlichkeit sollte die Umwandlung nicht als Ausdruck amerikanischer Umorientierung erscheinen, weil so die ohnehin bestehende Unsicherheit in der Bevölkerung über die amerikanische Deutschland- und Berlinpolitik noch verstärkt werden würde, so Urschlechter. Positive Resonanz könne man jedoch erzielen, wenn sie als Resultat städtischer Bemühungen erscheine, sich stärker an dieser wich­ tigen Einrichtung zu beteiligen, die den gemeinsamen Interessen der USA und der Bundesrepublik diene.18 In seinem Bericht über die Unterredung zitierte 18 USIS hatte den Nürnberger Oberbürgermeister schon zuvor als aufgeschlossen den USA gegenüber beurteilt. Sein reges Interesse an den Aktivitäten des Amerikahauses habe sich unter anderem in einigen öffentlichen Bemerkungen über dessen Bedeutung für die Stadt gezeigt. Vgl.

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Benedict den Oberbürgermeister mit den Schlussworten: The time for words is now over. Now is the time for concrete action. You may count on our Support.19 Am 17. November 1961 konnte der Direktor des Amerikahauses, Nelson O. Chipchin, dem Oberbürgermeister eine erste Kostenaufstellung der amerikani­ schen Botschaft für das Amerikahaus vorlegen.20 Diese Übersicht diente als Grundlage für eine Besprechung in der Bayerischen Staatskanzlei am 6. Dezem­ ber 1961, zu der Ministerialdirigent Freiherr von Brand eingeladen hatte. Er war vom Public Affairs Officer (PAO) des USIS Deutschland, James E. Hoof­ nagle, zwei Tage vor Urschlechter über die Umwandlungsabsichten unter­ richtet worden und konnte diesem kurz darauf mitteilen, dass der Freistaat Bayern eine Unterstützung dieser Pläne „wegen der außenpolitischen Bedeu­ tung der Einrichtung für notwendig und zweckmäßig“ halte. Auf einem weite­ ren Treffen zwischen Urschlechter, von Brand sowie Vertretern des Finanzund des Kultusministeriums und der Stadt Regensburg21 wurde das weitere Vorgehen festgelegt. Eine Umwandlung der Häuser zum 31. Dezember 1961, wie es die Amerikaner gewünscht hatten, wurde jedoch ausgeschlossen. Die Finanzierungsfrage sollte in Gesprächen auf Landes- und Bundesebene geklärt werden. Bereits am 12. Dezember lagen Urschlechter die Entwürfe einer Ver­ einbarung über die Fortführung der Amerikahäuser durch einen Vertrag zwischen USIS, dem Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg vor sowie ein Vertragsentwurf, eine Jahreskostenaufstellung und eine Vereinssatzung, die Ministerialdirigent Keim vom Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus erarbeitet hatte.22

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StadtAN E 6/799 Nr. 122, Biographie Data Report Dr. Andreas Urschlechter, Anlage zu Scott an Chipchin vom 9. Mai 1961. Vgl. außerdem StadtAN E 6/799 Nr. 122, Bericht USIS über Dr. Andreas Urschlechter, 1960. StadtAN E 6/799 Nr. 72, Bericht Benedicts an Miller vom 6. Oktober 1961. Das Gespräch wurde auf deutsch geführt, da Urschlechter die englische Sprache nicht beherrschte, jedoch im USIS-internen Bericht auf Englisch wiedergegeben. Das Datum dieses Besuchs geht aus einem Bericht Urschlechters über den Stand der bisherigen Verhandlungen hervor: StadtAN C 85/1 Nr. Bl09, Bericht Urschlechters vom 7. Dezember 1961. Danach beliefen sich die Gesamtkosten auf 561.154 DM, die mit Abstand größten Posten waren die mit 191.440 DM veranschlagten Gehälter für die deutschen Angestellten und die Aus­ gaben für die Räumlichkeiten, die sich auf 96.159 DM beliefen. Siehe StadtAN E 6/799 Nr. 72, Jahreskostenaufstellung und Erläuterungen zur Jahreskostenaufstellung, Anlage zu Benedict an Urschlechter vom 3. November 1961. Die frühere Datierung des Kostenvoranschlags ergibt sich aus dem Umstand, dass der an Urschlechter gerichtete Brief erst am 17. November durch Chip­ chin an den Oberbürgermeister übergeben wurde. Nach den Plänen des USIS sollte auch das Regensburger Haus in eine binationale Einrichtung umgewandelt werden. Allerdings bestand diese de facto schon, da die Stadt Regensburg jährlich mit ungefähr 100.000 DM an der Finanzierung beteiligt war. StadtAN C 85/1 Nr. B109, Proto­ koll über Besprechung in der Bayerischen Staatskanzlei vom 7. Dezember 1961. StadtAN C 85/1 Nr. B109, Keim an Urschlechter vom 12. Dezember 1961.

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In der Folge drängten sowohl das Land Bayern als auch USIS auf rasche Verhandlungen, zu denen jedoch zuvor der Nürnberger Stadtrat sein Placet geben musste. Am 31. Januar 1962 wurden hier die Umwandlungspläne in einer nichtöffentlichen Sitzung diskutiert,23 nachdem zwei Tage zuvor auch das Bundespresseamt finanzielle Unterstützung angekündigt hatte.24 Urschlechter, der den Stadtrat über den Stand der Gespräche unterrichtete, warb für den Ver­ bleib des Amerikahauses in Nürnberg, ohne dabei die mit der Umwandlung verbundenen Probleme auszuklammern, nämlich die hohen Kosten - insbe­ sondere den hohen Anteil der Personalkosten am Gesamtetat - und den gerin­ gen Einfluss des Verwaltungsrates auf die Arbeit und den Kurs des Hauses. Urschlechter war bereit, auf die Bedingungen der amerikanischen Botschaft die Gründung eines eingetragenen Vereins statt nur eines Fördervereins und die starke Stellung des amerikanischen Direktors - einzugehen, denn er sah den Themenkomplex in einem Kontext, der weit über die lokale Ebene hinausging. Er betonte die Funktion des Hauses als eine Kontaktstelle auf kulturpoliti­ schem und auch auf staatspolitischem Gebiet, die abzureißen wir uns in der der­ zeitigen politischen Situation der Bundesrepublik Deutschland in keiner Weise leisten können und leisten wollen.25 Man müsse umgekehrt eine gewisse Schuld abtragen für das Entgegenkommen seit den ersten Nachkriegsjahrend Auf­ grund dieser Einschätzung war Urschlechter bereit, gewisse Zugeständnisse an die amerikanischen Partner zu machen27 und blieb dementsprechend moderat in seinen Forderungen: Bei den Haushaltsverhandlungen solle man zwar eine rationelle Haushaltsführung anstreben, aber das dürfe nicht kleinlich28 gesche­ hen. Auch entsprechenden Einwänden und Forderungen seitens der Stadträte begegnete er mit dem Argument, das seien Gegebenheiten, die mit der ameri­ kanischen Lebensweise zusammenhängend

2i Dazu und zum Folgenden StadtAN C 85/III Nr. 22, Protokoll der 28. Sitzung des Stadtrats am 31. Januar 1962 (nicht öffentlich), S. 28-37. 24 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Vermerk vom 29. Januar 1962. Die Höhe der Zuschüsse war aller­ dings noch unklar. 25 StadtAN C 85/III Nr. 22, Protokoll der 28. Sitzung des Stadtrats vom 31. Januar 1962 (nicht öffentlich), S. 32. 26 Ebd. Diese Kontextualisierung wurde im Stadtrat voll und ganz geteilt, siehe die Redebeiträge der Stadträte Prölß, Schneider und Bibel, ebd. S. 34f. 27 Ebd. S. 31. 28 Ebd. S. 33. 29 Ebd. S. 37. Zuvor hatten die Stadträte Bibel und Schneider die bis zu viermal höheren Gehälter der in der Bundesrepublik arbeitenden Amerikaner angesprochen, die jedoch hauptsächlich auf den Dollarwechselkurs von 1:4 zurückzuführen waren. Vgl. ebd. S. 35-37. Mit der Umwand­ lung des Hauses in ein DAI wurde das Personal nach deutschem Tarifrecht entlohnt, siehe StadtAN C 85/111 Nr. 23, Beschluss des Stadtrats vom 28. März 1962, Anlage 7 zum Protokoll der 33. Sitzung des Stadtrats vom 28. März 1962.

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Trotz dieser Bedenken fasste der Stadtrat einstimmig den Beschluss, die wei­ teren Verhandlungen so zu fuhren, daß ein Viertel des vorerwähnten Betrags, d.s. DM 133.613 - von der Stadt Nürnberg übernommen werden kann?0 Der Wunsch, der Bevölkerung eine akzeptierte und integrierte Kultureinrichtung zu erhalten und das Gefühl, den USA etwas schuldig zu sein, waren stärker als alle Bedenken, die den Haushalt betrafen. In den Verhandlungen waren jedoch mögliche Konfliktpunkte deutlich gewor­ den. Neben den Kosten war dies vor allem die begrenzte Einflussmöglichkeit der Verwaltungsgremien insbesondere auf das Programm des Instituts. Auf die da­ hingehende Frage des Stadtrats Prölß (SPD)31 antwortete der Schul- und Kultur­ referent der Stadt, eine Einflussnahme könne sich nur aus der mehr oder minder starken Vertretung der Stadt in dem zukünftigen Verwaltungsrat32 ergeben. Nach der offiziellen Zustimmung des Nürnberger Stadtrats konnten die Verhandlungen mit USIS und dem Bayerischen Kultusministerium in die nächste Runde gehen und konkretisiert werden. Im Mittelpunkt standen die Finanzen: Sowohl das Land Bayern als auch die Stadt Nürnberg sprachen sich gegen eine rechtliche Zahlungsverpflichtung der Zuschussgeber aus;33 die Stadt schlug für den Vertrag einen Passus über Rücktrittsmöglichkeiten [...] in Krisen­ zeiten34 vor. Mit Bezug auf einen Vorschlag der Stadt Regensburg plädierte das Bayerische Kultusministerium für eine Teilung der Kosten nach Sachposten: USIS sollte demnach das gesamte Programm mit den Nebenkosten, Gehalt und Wohnung des amerikanischen Direktors übernehmen, die mit dem Gebäude zusammenhängenden Kosten sollten von der Stadt und die Personalkosten für die deutschen Angestellten von Land und Bund getragen werden.35 Auch das Bundespresseamt knüpfte Bedingungen an einen staatlichen Zuschuss: der Charakter des Hauses dürfe sich nicht ändern, es solle auf keinen Fall der Ein­ druck entstehen, daß sich die Amerikaner zurückzögen und eine ,verdünnte Zone‘ entstehe, weil dies sicherlich vom Osten propagandistisch ausgewertet 30 StadtAN C 85/III Nr. 22, Beschluss des Stadtrats vom 31. Januar 1962, Anlage 15 zum Protokoll der 28. Sitzung des Stadtrats vom 31. Januar 1962 (nicht öffentlich). Mit diesem Beschluss wurde auch der Forderung des Freistaats Bayern entsprochen, die Amerikaner sollten die Hälfte der Kosten übernehmen. Siehe ebd. S. 29. 31 Ebd. S. 33. 32 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Vermerk des Schul- und Kulturreferats an Urschlechter vom 26. Fe­ bruar 1962. 33 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen vom 8. März 1962, S. 2. Das gleiche Schreiben ging auch an die Bayerische Staatskanzlei und die Städte Nürnberg und Regensburg. 34 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Bericht Urschlechters über eine Besprechung in der Bayerischen Staatskanzlei vom 15. Februar 1962. 33 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen vom 8. März 1962, S. 3.

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werden würde. Deshalb darf auch der amerikanische Direktor [...] nicht in seinen Aufgaben beeinträchtigt werden; insbesondere obliege ihm die Programmgestaltung.36 Nach Abschluss aller Verhandlungen stimmte der Nürnberger Stadtrat am 28. März 1962 einer Vereinbarung über die Weiterführung des Amerikahauses Nürnberg 37 zu und damit der Umwandlung in ein binationales Institut in Form eines eingetragenen Vereins und auf der Basis eines Satzungsentwurfs des Bayerischen Kultusministeriums.38 Die Vereinbarung beinhaltete neben dem Beschluss der Vereinsgründung vor allem finanzielle Regelungen: USIS ver­ pflichtete sich, das komplette Inventar des Amerikahauses mitsamt allen Medien dem Verein unentgeltlich zu überlassen und den Großteil der Materialund Programmkosten sowie Gehalt und Wohnung des amerikanischen Direk­ tors zu übernehmen. Die deutschen Zuschussgeber teilten die Kosten für Per­ sonal und Gebäude nach den oben geschilderten sachlichen Kriterien, gingen aber keine vertragliche Dauerverpflichtung ein.39 Der Stadtrat benannte außer­ dem die städtischen Vertreter für die Gremien des zukünftigen Vereins: Für die Vorstandschaft waren dies Oberbürgermeister Urschlechter als Vorstands­ vorsitzender sowie Schul- und Kulturreferent Staudt, für den Vcrwaltungsrat die Stadträte Prölß (SPD), Holzbauer (CSU) und Bergold (FDP). Am 12. April 1962 wurde der Verein „Deutsch-Amerikanisches Institut Amerika Haus Nürnberg e.V.“ gegründet.40 Die Umwandlung des Amerika­ hauses in ein binationales Institut war damit vollzogen. Bereits im Dezember 1962 berichtete William A. Pugh, der Nelson O. Chipchin als Direktor des Hauses abgelöst hatte, an den PAO in München: It is evident from the attendance of prominent Personalities, conversational remarks, press comments, and general response to our program that the Amerika Haus is held in high regard by this community and enjoys considerable prestige as an integral and full accepted part of the city’s cultural life.“ Die Umwandlung in ein binationales Institut sei höchst erfolgreich verlaufen, so Pugh weiter, und habe die Position des Instituts in der Stadt definitiv verbessert.41 36 StadtAN C 85/1 Nr. Bl09, Bericht über eine Besprechung wegen Umwandlung des Amerika Hauses Nürnberg in ein bi-nationales Kulturinstitut in der Bayerischen Staatskanzlei vom 15. März 1962. 37 StadtAN C 85/1 Nr. Bl09, Vereinbarung über eine Weiterführung des Amerikahauses Nürn­ berg. 38 StadtAN C 85/1II Nr. 23, Beschluss des Stadtrats vom 28. März 1962, Anlage 7 zum Protokoll der 33. Sitzung des Stadtrats vom 28. März 1962. Zum Sitzungsverlauf siehe ebd. S. 1-7. 39 Für die Stadt ergab sich damit eine zu zahlende Summe von 118.540 DM, siehe ebd. 40 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Protokoll der Gründungsversammlung des Vereins DA1 Nürnberg e.V. vom 12. April 1962. 41 StadtAN E 6/799 Nr. 72, Assessment Report für das Jahr 1962.

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Doppelt verpflichtet: Struktur und Aufgaben des DAI Mit der Umwandlung in ein binationales Institut hatte sich nicht nur die Finanzierung des DAI geändert, sondern als Verein war es in eine neue Rechts­ form übergegangen. Aufgaben und Struktur des Vereins wurden in einer Satzung schriftlich fixiert, Änderungen bedurften der Zustimmung der Ver­ einsgremien, in denen alle Finanzierungspartner vertreten waren. Damit wurde dem Prinzip der Binationalität entsprochen; gleichzeitig bedeuteten die Ände­ rungen aber auch eine Einschränkung der Flexibilität für das Institut, das sich vorher nach den Vorgaben nur einer Stelle, der USIA, hatte richten müssen. Das DAI musste sich nun zwei Seiten gegenüber verantworten - der amerika­ nischen Regierungsbehörde USIA und den deutschen Vertragspartnern, auch wenn die inhaltliche Fortführung des Hauses im bisherigen Stil beschlossen worden war. Diese Doppelverpflichtung kommt in der Satzung des Vereins42 zum Ausdruck: Aufgabe des Vereins war demnach, das DAI zu leiten, zu unterhalten und zu unterstützen. Zum Zwecke der Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen im örtlichen kulturellen Rahmen sollten die gemeinsamen Ziele der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland und der des amerikanischen Volkes, besseres gegenseitiges Verständnis und die Sicherung und Pflege dauernder Freund­ schaft sowie bleibendes gegenseitiges Wohlwollen und Zusammenwirken der beiden Länder und ihrer Bürger, die Wertschätzung ihrer Ideale und Kulturen gefördert werden. Die Umsetzung dieser Ziele sollte durch die Organe Vor­ standschaft, Verwaltungsrat und Mitgliederversammlung gewährleistet wer­ den.43 Die Leitung des Instituts hatte jedoch der Direktor inne, der von USIS bezahlt und ernannt wurde, also amerikanischer Staatsbürger war. Er war für das Programm zuständig und somit für die Auswahl der Medien, Referenten, Künstler, etc. Die Verantwortung für die Verwendung der Mittel des DAI war ebenso seine Aufgabe wie die Personalangelegenheiten.44 Neben einem Tätig­ keitsbericht und einem Nachweis über Einnahmen und Ausgaben hatte er der Vorstandschaft einmal jährlich einen Haushaltsplan für das kommende Jahr vorzulegen.45

42 StadtAN C 85/1 Nr. B109, Satzung des Vereins Deutsch-Amerikanisches Institut - Amerika­ haus Nürnberg e.V. 43 Ebd. § 1 und § 2. 44 Ausgenommen davon waren nur Vertragsabschlüsse mit leitenden Angestellten, die zu den Auf­ gaben der Vorstandschaft gehörten. Siehe ebd. § 6 und § 13. 45 Ebd. § 13.

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Die Umwandlung in ein binationales Institut ist auch nach außen sichtbar: Das Deutsch-Amerika­ nische Institut mit amerikanischer und deutscher Flagge. (StadtAN E 6/799 Nr. 35)

Die Vorstandschaft billigte diesen Haushaltsplan und veranlasste die Prüfung der Jahresrechnung durch das städtische Rechnungsprüfungsamt. Vorstandsvorsitzender war satzungsgemäß der jeweilige Nürnberger Ober­ bürgermeister, sein Stellvertreter und geschäftsführender Vorstand der jewei­ lige Direktor des DAI. Die übrigen vier Mitglieder der Vorstandschaft setzten sich aus einem weiteren von der Stadt zu ernennenden Mitglied,46 einem ge­ meinsamen Vertreter von Bund und Land sowie aus zwei von USIS ernannten Mitgliedern zusammen.4’ Sie sollten außerdem eine Geschäftsordnung für das 46 Laut Stadtratsbeschluss vom 28. März 1962 war dies der jeweilige Schul- und Kulturreferent der Stadt. Siehe StadtAN C 85/III Nr. 23, Beschluss des Stadtrats vom 28. März 1962, Anlage 7 zum Protokoll der 33. Sitzung des Stadtrats vom 28. März 1962. 47 Damit waren je drei deutsche und drei amerikanische Mitglieder in der Vorstandschaft vertreten. In den ursprünglichen Satzungsentwürfen hatte USIS vorgeschlagen, den Vorstand mit drei von der Stadt und drei von USIS zu ernennenden Mitgliedern zu besetzen, den amerikanischen Direktor aber als siebtes, voll stimmberechtigtes Mitglied zu benennen. Siehe StadtAN E 6/799

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DAI erlassen, die Erfüllung des Vereinszwecks überwachen und die Geschäfts­ führung des Verwaltungsrates übernehmen.48 Dieser bestand aus 14 Mitgliedern, von denen sieben durch USIS, je zwei durch Bund und Land und drei durch die Stadt Nürnberg eingesetzt wurden.49 Der Verwaltungsrat hatte beratende Funktion und sollte vor allem vor wichti­ gen und entwicklungsbestimmenden Entscheidungen gehört werden.50 Die Mitgliederversammlung schließlich hatte insbesondere über Satzungsänderun­ gen und die Auflösung des Vereins zu entscheiden.51 Damit gab die Satzung des DAI zwar einen strukturellen Rahmen vor, des­ sen inhaltliche Füllung jedoch von deutscher Seite aus nur schwer zu beein­ flussen war. Die Kontroll- und Lenkungsmöglichkeiten der paritätisch besetz­ ten Organe waren eher indirekter Natur, nämlich hauptsächlich über die Billi­ gung des Haushaltsplans zu erreichen. Auf die Bestellung des Direktors, der für das Programm des Hauses und damit für den Erfolg und das Bild des DAI in der Öffentlichkeit verantwortlich war, konnten die Gremien keinen Einfluss nehmen. Nur bei einer Dreiviertelmehrheit im Vcrwaltungsrat musste USIS auf einen entsprechenden Antrag hin den Direktor abberufen, und dies war aufgrund der Zusammensetzung des Gremiums eine recht unwahrscheinliche Möglichkeit. Bei der inhaltlichen Programmgestaltung war der Direktor des DAI zwar an technische Vorgaben der Satzung, die einige Programmbausteine vorschrieb, und an die Zweckbestimmung des Vereins gebunden. Laut Satzung war das

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Nr. 72, Vertragsentwurf, S. 2, Anlage zu Benedict an Urschlechter vom 3. November 1961. Der Nürnberger Ältestenrat hatte schon im Dezember 1961 eine paritätische Besetzung der Vor­ standschaft gefordert, vgl. StadtAN C 85/1 Nr. B109, Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Ältestenrats vom 8. Dezember 1961. StadtAN C 85/1 Nr. Bl09, Satzung des Vereins Deutsch-Amerikanisches Institut - Amerika­ haus Nürnberg e.V., § 4. Auch hier bildete sich ein paritätisches Verhältnis zwischen deutschen und amerikanischen Mitgliedern erst im Laufe der Verhandlungen heraus. In einem Satzungsentwurf des USIS hieß es im Januar 1962 noch, der Beirat solle aus fünf gemeinsam von Stadt, Land und USIS zu benennenden Mitgliedern bestehen; im März 1962 sah ein Vorschlag des Bayerischen Kultus­ ministeriums einen aus mindestens acht Personen bestehenden Verwaltungsrat vor, von denen je drei durch USIS und Stadt ernannt werden sollten und bis zu zwei je von Land und Bund. Vgl. StadtAN C 85/1 Nr. B109, Vertragsentwurf, § 12 und §13, Anlage zu Chipchin an Urschlechter vom 12. Januar 1962; StadtAN C 85/1 Nr. B109, Satzung des Vereins Deutsch-Amerikanisches Institut - Amerikahaus Nürnberg e.V., § 7 und § 8, Anlage zu Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus an das Bayerische Ministerium der Finanzen vom 8. März 1962. Weiter beschloss er den vom Direktor aufgestellten und von der Vorstandschaft gebilligten Haushaltsplan und entlastete die Vorstandschaft nach Vorlage des Jahresberichts und des Rech­ nungsprüfungsberichts, siehe StadtAN C 85/1 Nr. B109, Satzung des Vereins Deutsch-Ameri­ kanisches Institut - Amerikahaus Nürnberg e.V., § 7. Ebd. § 9.

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DAI zur Unterhaltung einer Bibliothek mit Leseraum verpflichtet und sollte Vorträge über Kultur, Geschichte, Sprache, Ideale und Gesellschaft der USA anbieten. Ausstellungen, Konzerte und Filmvorführungen waren ebenso vor­ geschrieben wie die Förderung der englischen Sprache durch Konversations­ gruppen und englischsprachige Seminare. Eine weitere wichtige Aufgabe war es, interessierte Schüler und Studenten über Austausch- und Stipendien­ möglichkeiten zu informieren.52 Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung wurde jedoch maßgeblich vom ameri­ kanischen Partner USIS beeinflusst, aus dessen Reihen die Direktoren des DAI stammten. USIS hatte als Teil der Regierungsbehörde USIA nicht nur die Ver­ mittlung von Kultur, sondern immer auch Informationspolitik zum Ziel. So versorgte das DAI neben der Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben die lokale Presse mit Bildern und Artikeln zu meist USA-bezogenen Themen. Das entsprechende Material stellte die USIS-Zentralredaktion in Bad Godesberg.53 Nur durch diese Doppelfunktion im Kultur- und Informationsbereich konnte die USIA überhaupt ihre Existenz als Regierungsbehörde in Washington legi­ timieren.5'' Die Umsetzung der informationspolitischen Ziele der USA vor Ort wurde durch die jährlichen Country Plans gewährleistet. Diese Pläne, die dezi­ diert auf die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern und auf die länderspezifischen außenpolitischen Ziele der USA eingingen, wurden für jedes Land erstellt, in dem der USIS vertreten war.55 Sie formulierten Ziele, Strategien, Zielgruppen und konkrete Programm­ vorschläge.56 Ergaben sich innenpolitische Veränderungen im Gastland oder im außenpolitischen Kurs der USA, wurden die Pläne überarbeitet und als neue Richtlinien herausgegeben.57 In einem jährlichen Assessment Report berichte-

52 Ebd. §14. 53 Uber diesen Pressedienst unterrichtete jeweils der Tätigkeitsbericht, siehe Stadt AN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsberichte des DAI Nürnberg 1963-1972. M Knapp: Auslandspropaganda (wie Anm. 14), S. 99, 107-109; William J. Weissmann: Kultur- und Informationsaktivitäten der USA in der Bundesrepublik Deutschland während der Amtszeiten Carter und Reagan. Eine Fallstudie über die Alliierten-Öffentlichkeitsarbeit, Pfaffenweiler 1990, S. 43—50; Frank Trommler: Neuer Start und alte Vorurteile. Die Kulturbeziehungen im Zeichen des Kalten Krieges 1945-1968, in: Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945-1990. Ein Handbuch. Band 1: 1945-1968, hrsg. v. Detlef Junker u.a., Stuttgart, München 22001, S. 567—591, hier S. 581. 55 Knapp: Auslandspropaganda (wie Anm. 14), S. 50; Hein-Kremer (wie Anm. 5), S. 415f., 423; Thomas Klöckner: Public Diplomacy - Auswärtige Informations- und Kulturpolitik der USA. Strukturanalyse der Organisation und Strategien der United States Information Agency und des United States Information Service in Deutschland, Baden-Baden 1993, S. 177. 56 Siehe beispielsweise StadtAN E 6/799 Nr. 130, USIS Germany, Country Plan, Fiscal Year 1963, Official Use only; Aguilar (wie Anm. 15), S. 62. 57 Vgl. z.B. StadtAN E 6/799 Nr. 130, Hoofnagle an USIS Bonn vom 10. Dezember 1962.

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ten die Direktoren dann über Erfolg und Misserfolg ihres Hauses bei dem Ver­ such, die Zielvorgaben der Country Objectives vor Ort zu erfüllen.58 Diese konkreten Vorgaben legten das Programm des DAI relativ genau fest. Ihre Umsetzung konnte nur erreicht werden, wenn an der entscheidenden Stelle ein USIS-Mitarbeiter mit der Programmgestaltung betraut war und dort freie Hand hatte. Damit wird verständlich, warum der USIS in den Umwand­ lungsverhandlungen auf einem von ihm eingesetzten amerikanischen Direktor beharrte, in dessen Programmgestaltungskompetenzen praktisch nicht ein­ gegriffen werden konnte.59 Von deutscher Seite war dies in Kauf genommen worden, allerdings mit leichtem Unbehagen.60 Erst in der Praxis würde sich erweisen, ob diese Auffassung von „Binationalität“ langfristig den Interessen aller Beteiligten gerecht werden konnte. Uber das Veranstaltungsprogramm und den Service des DAI legte der Direktor den Vereinsgremien jährlich in einem Tätigkeitsbericht Rechenschaft ab, der die einzelnen Bereiche Verwaltung, Veranstaltungsprogramm, Biblio­ thek und Filmprogramm umfasste.61 Das Veranstaltungsprogramm bestand in der Regel aus Vorträgen, Podiumsgesprächen, Konzerten, Theatervorstellun­ gen und Lesungen sowie Seminaren zu verschiedensten politischen, gesell­ schaftlichen und kulturellen Themen.62 Dabei wurden überwiegend amerikani58 Diese Berichte waren von entscheidender Bedeutung für USIA, da sie die Grundlage für ihre Planung und Haushaltsaufstellung bildeten. Je nach Erfolg oder Misserfolg konnten die Assessment Reports auch dazu führen, dass die Country Plans geändert und angepasst wurden. Siehe StadtAN E 6/799 Nr. 72, Circular der USIA Washington vom 20. Dezember 1962. 59 Natürlich erschien es auch aus anderen Gründen zweckmäßig, den Posten des Direktors mit einem Amerikaner zu besetzen. Er repräsentierte das DAI nach außen und verkörperte damit das „Amerikanische“ des Hauses. Bei der Umwandlung von Amerikahäusern in binationale Institute ging es ja nicht darum, nun auch „deutsche“ Kulturveranstaltungen ins Programm auf­ zunehmen, sondern es sollte weiter amerikanische Kultur vermittelt werden - und da hatte sich gezeigt, dass the presence of American personnel is essential for creating and maintaining an atmosphere of friendly, competent, dignified and authorative representation of the American interest in the binational undertaking; vgl. StadtAN E 6/799 Nr. 125, Binational Center Handbook, S. 17. 60 Diese Vorbehalte waren jedoch nicht auf Unzufriedenheit mit dem Programm zurückzuführen, das im Gegenteil sehr positiv bewertet wurde. Urschlechter zufolge war die Attraktivität des Programms ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung der Stadt, das DAI finanziell zu unterstützen, siehe StadtAN C85/I Nr. Bl09, Protokoll der Sitzung der Vorstandschaft des DAI vom 13. Mai 1963. Unbehagen erzeugte lediglich das grundsätzliche Ungleichgewicht zwischen den Zuschussleistungen einerseits und mangelnden Einflussmöglichkeiten andererseits. 61 StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsberichte 1963-1972. 6: Das Zustandekommen der einzelnen Veranstaltungen ist umfangreich dokumentiert durch Kor­ respondenz, Programme, Verträge mit den Referenten/Künstlern, Programmevaluierung und Pressemeldungen. Siehe StadtAN E 6/799 Nr. 142-172, 189, 195, 212. Die Tätigkeitsberichte listen in der Regel Titel, Art und Thema der einzelnen Veranstaltungen eines Jahres auf, siehe StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsberichte 1963-1972.

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sehe oder deutsche Künstler und Referenten verpflichtet, die entweder aus amerikanischer oder vergleichend deutsch-amerikanischer bzw. amerikanisch­ europäischer Perspektive sprachen. Daneben gab es mehrere Diskussions­ gruppen, die sich regelmäßig im DAI trafen, und viele Filmvorführungen (oft mit anschließender Debatte), die auf große Resonanz in der Bevölkerung stießen63. Beliebt war auch die Bibliothek des DAI.64 Wie die meisten Ver­ anstaltungen war die Bibliotheksbenutzung kostenfrei, um möglichst viele Besucher anzuziehen. Nur durch konstant hohe Besucherzahlen und eine breite Akzeptanz des Angebots konnte das DAI sicherstellen, auch weiterhin die nicht vertraglich abgesicherten Zuschüsse von Stadt, Land und Bund zu bekommen. Andernfalls wäre die Basis, auf der sich die deutschen Partner zur Co-Finanzierung entschlossen hatten - die Verankerung und Akzeptanz des DAI in der Nürnberger Kulturlandschaft - weggefallen. Besonders Urschlechter hatte das Programm des DAI wiederholt als besonders ausgewogen gelobt und betonte einige Monate nach der Umwandlung, die hohe Akzeptanz des Programms in der Bevölkerung sei mitbestimmend gewesen fuer den Vertrags­ abschluß zur Uebernabme des Amerika Hauses.bi Somit ergab sich ein gewisses Gegengewicht zu den programmpolitischen Vorgaben des USIS. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass sich das DAI und insbesondere sein Direktor seit der Umwandlung in ein binationales Haus in einem Span­ nungsfeld zwischen amerikanischen informationspolitischen Zielsetzungen und deutschen kulturpolitischen Ansprüchen bewegen musste. Die Umwand­ lung des Amerikahauses hatte zwar den Bestand der Einrichtung gesichert, doch mit der binationalen Struktur waren neue Probleme verbunden, mit denen sich das DAI in den kommenden Jahren auseinandersetzen musste. „The Germans“ 1967 - Ein Film als Provokation Am Abend des 12. Oktober 1967 zeigte das ZDF in der Sendung „Zur Sache“ den amerikanischen Fernseh-Dokumentarfilm „The Germans“,66 der das 63 1963 wurden z.B. 68 reguläre Filmvorführungen mit insgesamt 10.660 Zuschauern angeboten, dazu 21 Sondervorführungen für Schulen, Jugendorganisationen etc. mit 2.435 Zuschauern und 135 Vorführungen außerhalb des Hauses vor 1.076 Zuschauern. StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätig­ keitsbericht für das Jahr 1963. 64 Die Tätigkeitsberichte erfassen statistisch für jedes Jahr Benutzerzahlen, die Zahl neu gewon­ nener Benutzer, eine Ausleihstatistik, den Jugend-/Studentenanteil an den Nutzern und eine Liste der Neuzugänge bei Büchern und Zeitschriften, siehe StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeits­ berichte 1963-1972. 65 StadtAN C 85/1 Nr. Bl09, Protokoll über die Sitzung der Vorstandschaft des DAI vom 13. Mai 1963. 66 Der Film wurde 1967 für die Fernsehgesellschaft Columbia Broadcasting System (CBS) produziert.

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Deutschland von heute, also von 1967 und damit mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zeigen wollte. Schauplatz des Films war fast ausschließlich Nürnberg als deutscheste aller Städte.67 Die Nürnberger Presse reagierte empört auf den Streifen:6* Verzerrtes Bild der deutschen Wirklichkeit und Falsches Bild von Nürnberg titelten die Zeitungen.69 Der Grund für die Aufregung war das Empfinden, der Film habe ein Zerrbild von der Bundes­ republik und insbesondere von Franken entworfen.70 Das selbst gesetzte Ziel des Films war, die Deutschen zu definieren und zu prüfen - und zwar nicht als einzelne oder als Rasse, sondern als Gesellschaft mit eigenem Stil.7' Im Ergebnis hielt der Film fest, die deutsche Gesellschaft sei nicht neonazistisch, sondern neoviktorianisch: autoritär, patriarchalisch, kon­ servativ, geschäftstüchtig, eine Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, die keinen Anschluss an die heutige Welt gefunden habe, welche jedoch nicht zuletzt durch die Deutschen geprägt worden sei. Verhaftet in Tradition und einer romantischen Vaterlandsliebe, strebten die Deutschen 20 Jahre nach dem Krieg nicht nach offenem Nationalismus, sondern nach internationaler Akzeptanz und Anerkennung, nach einem neuen Nationalbewusstsein. In den Augen der Filmemacher war Deutschland zwar wirtschaftlich stark, aber politisch eine unterentwickelte Nation, in der der Stammtisch die Demokratie ersetze. Die Deutschen produzierten Arbeitnehmer, aber keine informierten Wähler, so der Film weiter; in ihrer familienartigen Gesellschaft sei kein Platz für Rebellen.72 Nürnberg mit seinem Stein fürStein wieder aufgebauten Stadtkern verkörperte für die Produzenten exemplarisch die deutsche Gesellschaft: Hier kann man sehen, was Deutschland deutsch macht - und den Rest der Welt nervös.

67 Der Sprecher im Film erklärte, für die Deutschen selbst sei Nürnberg die deutscheste aller Städte. So hatte 1938 der damalige Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebei die Stadt genannt, siehe Anne G. Kosfeld: Nürnberg, in: Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 1, hrsg. v. Etienne Francois, Hagen Schulze, München 2001, S. 68-85, hier S. 69. 68 „Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister“, in: NZ vom 16. Oktober 1967. 69 „Verzerrtes Bild der deutschen Wirklichkeit“, in: NN vom 13. Oktober 1967; „Falsches Bild von Nürnberg“, in: NN vom 18. Oktober 1967. 70 „Verzerrtes Bild der deutschen Wirklichkeit“, in: NN vom 13. Oktober 1967. 71 Diese Zitate sowie die folgenden Ausführungen beruhen auf der ZDF-Sendung vom 12. Okto­ ber 1967; eine Kopie des Films befindet sich im Stadtarchiv Nürnberg. 71 Erläuternd muss hinzugefügt werden, dass in einigen Sequenzen des Films auch positive Punkte Beachtung fanden. So zeigte CBS nach einer NPD-Kundgebung in Nürnberg, bei der die ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes gesungen wurden, Protestveranstaltungen gegen den NPD-Aufmarsch. Allerdings wurde auf die Proteste nur wenige Sekunden hingewiesen, während die NPD mehrere Minuten gezeigt und einige ihrer Mitglieder interviewt wurden. Ge­ gen Ende des Films befragte das Filmteam zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Nürn­ berg, die auch schon vor der Zeit des Nationalsozialismus dort gelebt hatten. Beide gaben an, im heutigen Deutschland sei Antisemitismus nicht oder kaum verbreitet.

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In der Nürnberger Presse wurde anfangs vor allem die Rolle des Nürnber­ ger Oberbürgermeisters Urschlechter und des städtischen Schul- und Kultur­ referenten Hermann Glaser thematisiert. Hatte Urschlechter schon lange vor­ her von dem Film und seinem Inhalt gewusst, fragte die Nürnberger Zeitung in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister.73 Und hätte nicht der städti­ sche Kulturreferent Hermann Glaser, der sogar für den Film interviewt wor­ den war - und zwar als der einzige Deutsche, der nicht allein als Symptom­ träger, sondern als positiver Gesprächspartner auftrat -, von dessen Tendenz und dem ungünstigen Bild Nürnbergs, das der Film vermitteln würde, wissen müssen?74 Vorgeworfen wurde vor allem Glaser, er habe als Gewährsmann für den beklagenswerten Zustand unseres [des deutschen, R.K.] Bildungs- und Ausbildungswesens fungiert und teile etliche Ansichten des Filmautors Hughes Rudd wie die grundsätzliche Verdächtigkeit alles Deutschen.75 Den Kontext für die Kritik am Film - und besonders an der Rolle Glasers bildete der seit 1945 andauernde Versuch, das Image unserer Stadt von den Bddern des Parteitags zu lösen.7b Gerade in Nürnberg, das mit großen Anstren­ gungen von diesem Bild wegzukommen versuchte, musste eine Darstellung der Stadt wie in „The Germans“ auf große Empörung stoßen, da sie die jahrelange mühsame Arbeit am Ruf der Stadt zu unterminieren drohte. Zuerst reagierte die CSU-Stadtratsfraktion, indem sie den Außenminister der Bundesrepublik, Willy Brandt, aufforderte, diplomatische Schritte einzu­ leiten, um das verunglimpfte Ansehen der Deutschen, insbesondere aber der Stadt Nürnberg [...] in den USA zu rehabilitieren. Von Urschlechter wurde gefordert, den Film öffentlich zugänglich zu machen, um so eine Diskussion darüber zu ermöglichen.77 Am gleichen Tag meldeten sich Glaser und Urschlechter über die Nürnberger Zeitung zu Wort. Glaser dementierte, von der Tendenz des Filmes gewusst zu haben und wehrte sich entschieden gegen die Annahme, er vertrete ähnliche Meinungen über die Deutschen wie dort

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„Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister“, in: NZ vom 16. Oktober 1967. Ebd.; „Hermann Glaser unter den Deutschen“, in: NZ vom 13. Oktober 1967. „Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister“, in: NZ vom 16. Oktober 1967. Ebd. In Nürnberg hatten 1927, 1929 und 1933-1938 die Reichsparteitage der NSDAP stattge­ funden, und die Verknüpfung mit dem Bild der „Stadt der Reichspaneitage“ blieb auch noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an Nürnberg haften. 77 „CSU-Fraktion fordert Brandts Eingreifen“, in: NZ vom 18. Oktober 1967; „Falsches Bild von Nürnberg“, in: NN vom 18. Oktober 1967. Urschlechter lehnte diese Forderungen, die auch später noch vorgebracht wurden, ab: [...] dafür auch noch 10.000 Dollar auszugeben, um den Film zu zeigen und damit CBS noch zu füttern, dafür glaube ich, kann man Steuergroschen nicht verantworten. StadtAN C 85/111 Nr. 79, Protokoll der 44. Sitzung des Stadtrats vom 13. November 1968, S. 41.

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gezeigt.78 Der Oberbürgermeister ging in seiner Stellungnahme weiter und beließ es nicht bei einer Zerstreuung des Verdachts, er habe den Film schon vor dem 12. Oktober gekannt. Vielmehr versprach er zu handeln: Der Ober­ bürgermeister hat sich bereits anläßlich der Sendung entschlossen, aus Anlaß des bevorstehenden Jubiläums des Deutsch-Amerikanischen Instituts am 13. November 1967 zu diesem Film und seinen negativen Tendenzen in aller Öffentlichkeit eine eindeutige Stellungnahme ahzugeben. Wegen des engen Zusammenhangs, der zwischen der Aufgabe des Deutsch-Amerikanischen Instituts, einer objektiven Aufklärung unserer Bürgerschaft über die Verhält­ nisse in Amerika und einer Vertiefung der deutsch-amerikanischen Freund­ schaft einerseits, der ,negativen' Aufklärung der Amerikaner über deutsche Verhältnisse andererseits, besteht, scheint das Forum der Jubiläumsfeier als geeigneter Rahmen für eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters der Stadt Nürnberg.7'’ Zwei Tage nach dieser Ankündigung schrieb Urschlechter an Außenminister Willy Brandt und an den amerikanischen Botschafter in Deutschland, George C. McGhee.80 Er respektiere den Grundsatz der Pressefreiheit, so Urschlechter, doch seien er und die Nürnberger Bevölkerung zutiefst bestürzt, dass in den USA vor Millionen von Zuschauern ein so falsches Bild Deutschlands und Nürnbergs vermittelt werden könne - besonders, da die Stadt eine Einrichtung wie das DAI mit beträchtlichen finanziellen Mitteln unterstütze, die umgekehrt eine positive Selbstdarstellung der USA ermögliche. Insgesamt erschwere ihm der Film eine weitere Kooperation mit dem DAI, das immerhin von den Steuer­ geldern der Stadt, des Landes Bayern und des Bundes finanziert werde. Der amerikanische Botschafter beeilte sich in seiner Antwort, Urschlechter zu versichern, wie beeindruckt er von der Wiederaufbauleistung Nürnbergs und dem demokratischen Geist der Stadt sei und wie sehr die Leistungen der Stadt Nürnberg für das DAI in der amerikanischen Botschaft geschätzt würden.81 Egal, wie ärgerlich der Film auch sein möge - führende Männer großer Städte und großer Nationen dürften sich durch vereinzelte Versuche, das Ansehen des anderen Staates zu untergraben, nicht davon abhalten, sich weiter für eine enge Beziehung zwischen den beiden Völkern zu engagieren. 78 „Auch Dr. Glaser wußte von nichts“, in: NZ vom 18. Oktober 1967. 79 „Dr. Urschlechter hat nichts gewußt“, in: NZ vom 18. Oktober 1967. 80 StadtAN E 6/799 Nr. 131, Urschlechter an McGhee vom 20. Oktober 1967. Der Brief wurde im gleichen Wortlaut an Brandt geschickt, siehe Vermerk ebd. In den Unterlagen ist das Konzept des Briefs nicht im Original überliefert, sondern nur als Abdruck in englischer Übersetzung. Er ist mit Anmerkungen in englischer Sprache versehen, die mit „G.E.“ gekennzeichnet sind, wahr­ scheinlich also von Gordon Ewing, dem Country PAO des USIS stammen. 81 StadtAN E6/799 Nr. 131, McGhee an Urschlechter vom 26. Oktober 1967.

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Dementsprechend endete der Brief mit dem Appell, die verständliche Verärge­ rung dürfe nicht die erfreuliche Zusammenarbeit im gemeinsamen Engagement für das DAI beeinträchtigen. Auch Willy Brandt hatte durchaus Verständnis für den Ärger seines Partei­ genossen.82 Die deutsche Botschaft in Washington hatte sich direkt nach der Ausstrahlung des Films mit CBS in Verbindung gesetzt, und auch in der USPresse fand der Film kein gutes Echo. Wie McGhee wies Brandt Urschlechter darauf hin, dass seit etlichen Jahren Goethe-Institute und vergleichbare Ein­ richtungen Kulturarbeit in den USA betrieben. Der Hinweis Urschlechters, „The Germans“ erschwere ihm die Mitarbeit am DAI und gefährde die öffent­ lichen Zuschüsse, könne bei den Bemühungen um mehr Unterstützung der deutschen Öffentlichkeitsarbeit durch die USA zwar dienlich sein, so Brandt.83 Von praktischen Maßnahmen möchte ich jedoch abraten, schloss der Außenmi­ nister, denn der CBS-Film eignet sich meiner Meinung nach kaum als Anlaß, dem Deutsch-Amerikanischen Institut künftig Zuschüsse zu verweigern, für deren Gewährung wohlerwogene Gründe Vorgelegen haben. Beide Beschwichtigungsversuche hatten keinen Erfolg. Am 13. Oktober 1967 hielt Urschlechter anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des DAI/Amerikahauses eine Rede, in der er hauptsächlich auf den Film und die seiner Meinung nach damit verbundene Gefährdung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses einging. In der Presse war von Urschlechters Kampffür den Ruf der Stadt84 die Rede, von einem in den USA geplanten Aufklärungsfeldzug,85 der das Deutschland- und Nürnbergbild wieder gerade rücken sollte, und von Schauer­ propaganda gegen Deutschland.86 Zu dieser zunehmend erregten Bericht­ erstattung hatte sicher auch eine Meldung in der Nürnberger Zeitung vom 21./22. Oktober 1967 beigetragen, wonach der Film an andere Länder verkauft worden war87. Zwar versuchten McGhee und Generalkonsul Robert C. Creel

82 StadtAN E 6/799 Nr. 131, Brandt an Urschlechter vom 31. Oktober 1967. 83 Gleichzeitig betonte Brandt aber auch, die eher geringe Zahl der Goethe-Institute in den USA liege nicht am mangelnden Interesse der USA, sondern an der deutschen Haushaltslage. Siehe ebd. 84 „Nürnberg wendet sich vergeblich an die USA - Der Oberbürgermeister dokumentiert auf dem Amerikahaus-Jubiläum seinen Kampf für den Ruf der Stadt gegen den US-Fernsehstreifen ,The Germans'“, in: NZ vom 14. November 1967. 85 „McGhee bedauert Film ,The Germans' - Nürnberg plant Aufklärungsfeldzug in den USA“, in: Fränkische Presse Bayreuth vom 15. November 1967; „Wirbel um einen US-Fernsehfilm“, in: Main-Post vom 15. November 1967. 86 „Ein Film trübt die Festfreude - Der Oberbürgermeister äußerte sich vor den Ehrengästen besorgt über die .Schauerpropaganda gegen Deutschland'“, in: NN vom 14. November 1967. 87 „Einseitiges Nürnberg-Bild wird weiter verbreitet“, in: NZ vom 21./22. Oktober 1967. Genannt wurden Lateinamerika, Australien, Japan, Neuseeland und die Niederlande. Im gleichen Bericht

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in ihren Reden, durch überschwängliches Lob für Nürnberg den negativen Eindruck des Films wettzumachen, doch nahm die von Urschlechter geäußerte Kritik einen weit größeren Raum in der lokalen Berichterstattung ein. In der Folge schien das Thema vom Tisch zu sein. Erst ein halbes Jahr später war der Film wieder in aller Munde, nachdem bekannt geworden war, dass er in amerikanischen Schulen als Unterrichtsmaterial gezeigt werden sollte.88 Sowohl in der Presse - hier war vom Kalten Krieg um den amerikanischen Fernsehfilm die Rede89 - als auch in der Reaktion des Oberbürgermeisters ver­ schärfte sich der Ton nochmals: Umgehend schrieb er weitere Briefe an den neuen amerikanischen Botschafter in Deutschland, Henry Cabot Lodge, und an Willy Brandt, in denen er nun direkte Konsequenzen für das DAI ankün­ digte: Es wäre schwer verständlich, wenn es der amerikanischen Regierung, die der amerikanische Botschafter f... ] im gleichen Sinne zu unterrichten versprach,

nicht gelungen sein sollte, die Verbreitung des CBS-Films wenigstens an den Schulen zu verhindern [...]. Daß der Nürnberger Oberbürgermeister den Vorsitz im Vorstand des Deutsch-Amerikanischen Instituts - Amerika-Haus Nürnberg e. V. fortführt und die Stadt das Opfer eines alljährlichen namhaften Zuschusses für diese Institution aufbringt, wäre mit einem solchen Verhalten unvereinbar. Entsprechende Konsequenzen wären in diesem Fall unumgänglich.90 Die Zeitungen griffen die Ankündigung sofort auf: Amerikahaus schließt titelten die Nürnberger Nachrichten am 17. Mai 1968; Die Stadt will die Zuschüsse für das Nürnberger Amerika-Haus streichen die Nürnberger Zeitung, und: OB Urschlechter: Das kann Folgen haben! die Abendzeitung.91 In der Folge gab es widersprüchliche Berichterstattungen darüber, ob wirk­ lich jemals der Plan bestanden hatte, den Film an amerikanischen Schulen ein­

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wurde erwähnt, das ZDF habe den Autor des Films, Hughes Rudd, zu einer Diskussion ein­ geladen, die dieser aber mit der Begründung abgelehnt hatte, sein Stil sei so ironisch, daß er kaum in Amerika, geschweige denn in Übersetzung vom deutschen Publikum verstanden würde. „Der Hetzfilm über Nürnberg als Unterrichtsstoff in US-Schulen?“, in: NN vom 16. Mai 1968; „Weitere Diffamierung Nürnbergs“, in: Fränkische Tagespost (FT) vom 16. Mai 1968; „Das fehlt noch“, in: NZ vom 16. Mai 1968; „,The Germans“ - umstritten“, in: Main-Post Würzburg vom 16. Mai 1968; „,The Germans“ im US-Geschichtsunterricht“, in: Fränkisches Volksblatt vom 16. Mai 1968. „.Die Deutschen“ doch nicht für die Schüler?“, in: AZ vom 18./19. Mai 1968. Urschlechter an Brandt vom 16. Mai 1968, zitiert nach NZ vom 17. Mai 1968. Die Briefe an Brandt und Lodge sind weder im Bestand des DAI noch in den Akten des Oberbürgermeisters erhalten, deswegen muss auf die in der Lokalpresse wiedergegebenen Ausschnitte zurück­ gegriffen werden. NN, NZ und AZ vom 17. Mai 1968. Aus den Schlagzeilen ist nicht ersichtlich, dass Urschlech­ ter nicht generell einen Rückzug der Stadt aus dem DAI angedroht hatte, sondern nur, wenn sich bewahrheiten sollte, dass der Film in Schulen gezeigt wurde.

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zusetzen.92 Das Interesse in der Bevölkerung schien wieder abzunehmen, und auch die Presse schlug moderatere Töne an: [...] nirgendwo sollte man diesen Film zu tragisch nehmen, schrieb die Abendzeitung am 22. Mai 1968.93 Von Sei­ ten der Stadtverwaltung wurden das DAI und der Film offiziell nicht mehr in einem Zusammenhang erwähnt oder Konsequenzen für das DAI angekündigt. So wirkte es wie eine sehr verspätete Reaktion, dass in der Stadtratssitzung vom 13. November 1968 ein Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)94 diskutiert wurde, der schon im Mai gestellt worden war und der den Rückzug der Stadt aus der Finanzierung des DAI forderte.95 Der Grund für die späte Diskussion des Antrags und das Ende der öffent­ lichen Diskussion um den Film lag in den Verhandlungen Urschlechters mit dem Auswärtigen Amt in Bonn. Wie Urschlechter am 13. November vor dem Stadtrat erklärte, hatten ihm sowohl Lodge als auch Brandt versichert, die amerikanische Regierung billige den Film keineswegs, habe aber keine Hand­ habe bei der Auswahl von Lehrmitteln.96 Auch das amerikanische Außen­ ministerium bedauerte, dass der Film Entrüstung hervorgerufen habe, bezwei­ felte aber, daß der Grad der Entrüstung in einem angemessenen Verhältnis zu dem geringen Umfang an zusätzlicher Verbreitung [neben der Fernsehaus­ strahlung in den USA, R.K.] stehe. [...] Eine Fortführung der Diskussion könne die weitere Verbreitung des Films nur fördern. Auf nochmalige Nachfrage Urschlechters konnte das Auswärtige Amt nur wieder mitteilen, der Film sei ein schlechtes Geschäft für CBS und verkaufe sich nicht gut.97 Da Urschlechter angekündigt hatte, die Drohung mit dem Rückzug der Stadt aus dem DAI nur dann umzusetzen, wenn sein Protest bei deutschen und amerikanischen Politi­ kern ohne Erfolg blieb, der Film also in Schulen gezeigt würde, konnte ein entsprechender Antrag erst nach Abschluss dieser Korrespondenz behandelt werden.98 Mit der Auskunft, der Film sei in den USA nicht gefragt, war die 92 „Die Deutschen“ doch nicht für die Schüler?“, in: AZ vom 18./19. Mai 1968; „Umstrittener CBS-Film ist doch im Handel“, in: AZ vom 20. Mai 1968. 91 „Deutsche ärgern sich über ,The Germans'“, in: AZ vom 22. Mai 1968. 94 Die NPD zog nach den Kommunalwahlen vom 13. März 1966 in mehrere Stadt- und Gemeinde­ räte ein und war in Nürnberg mit drei Stadträten vertreten. Siehe Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg 1965/67, Nürnberg 1969, S. 4. 95 StadtAN C 85/111 Nr. 79, Protokoll der 44. Sitzung des Stadtrats vom 13. November 1968, S. 33. Die Begründung für den Antrag lautete: Wir halten es [...] mit der Menschenwürde für unver­ einbar und für das Freundschaftsverhältnis der Bundesrepublik/USA im allgemeinen und Nürn­ berg/USA im besonderen als unzuträglich, wenn auf diese Weise Hass und Zwietracht gesät wird und wir diesem Tun keinerlei wirksamen Widerstand entgegensetzen. Vgl. ebd. S. 33f. 96 Botschafter Lodge an Urschlechter vom 6. Juni 1968, zitiert nach StadtAN C 85/III Nr. 79, Protokoll der 44. Sitzung des Stadtrats vom 13. November 1968, S. 39. 97 Ebd. S. 40. 98 Ebd. S. 37

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Gefahr einer weiteren Verbreitung vorerst gebannt und hatte Konsequenzen überflüssig gemacht. Dementsprechend votierte Urschlechter für eine Ableh­ nung des NPD-Antrags und beantragte, um die Angelegenheit ein für allemal zu beenden, dass der Stadtrat im vollen Umfange von Weiterungen aus der Verbreitung des CBS-Films gegenüber dem Amerika-Haus Abstand nimmt. Der Antrag wurde einstimmig angenommen." Damit war das Thema „DAI“ jedoch noch nicht vom Tisch, denn nach der Abstimmung trug der Schul- und Kulturreferent Hermann Glaser allgemeine Überlegungen zur Zukunft des DAI vor. Die Sitzung endete mit dem Beschluss, der Kulturausschuss solle sich mit der Frage einer möglichen Inte­ gration des DAI in das städtische Bildungszentrum beschäftigen.100 Zwar hatte der Oberbürgermeister letztlich in der Stadtratssitzung entgegen seinen früheren Äußerungen von einer Verknüpfung des Films mit dem DAI abgeraten, doch bieten der Verlauf der Sitzung und der gesamten Auseinander­ setzung etliche Hinweise, wie tief der Film die Stadt getroffen hatte und wie eng die Verknüpfung mit dem DAI gezogen wurde. Zum einen fällt auf, dass die Empörung über den Film und damit auch die Berichterstattung regional begrenzt blieben. Außerhalb Nürnbergs und Mit­ telfrankens fühlte sich die deutsche Bevölkerung anscheinend nicht so ange­ griffen, sondern empfand die Reaktion in Nürnberg als überempfindlich.'01 Zweitens endete in Nürnberg nach anfänglichen Schritten in diese Richtung jede kritische Selbstreflexion. Weder das Interview mit Hermann Glaser und seine kritischen Äußerungen zur mangelhaften Vermittlung staatsbürgerlicher Qualitäten im deutschen Ausbildungssystem wurden nach dem Oktober 1967 thematisiert, noch die NPD-Wahlversammlung, die ja tatsächlich in Nürnberg stattgefunden hatte, oder andere Punkte, die direkt nach der Ausstrahlung des Films noch als bedenkenswert angesehen worden waren.102 Schon wenige Tage 99 Ebd.S.49. 100 Ebd. 101 „The Germans ohne Klischees“, in: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 27. Juni 1969. Dieser Artikel erschien anlässlich eines weiteren amerikanischen Films über „die Deutschen“, der ein viel posi­ tiveres Bild vermittelte. NBC (National Broadcasting Corporation) hatte im Juni 1969 an fünf Tagen hintereinander insgesamt zehn Stunden lang Beiträge über Deutschland gesendet, siehe ebd. Über Urschlechters Protestrede während der Jubiläumsfeier des DAI berichtete die SZ ebenfalls: „Erhard - amerikanische Erfindung“, in: SZ vom 15. November 1967. Bereits die Überschrift zeigt, dass die SZ andere Prioritäten als die Nürnberger Presse setzte. 102 Die NZ gab zu bedenken, der Film sollte [...] aber zum Nachdenken zwingen, wie man den gegenwärtigen Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen durch intensivere Kulturarbeit doch bessern könnte. Man habe durchaus dankbar angenommen, was an ihr [der Sendung, R.K.] positiv und richtig war, so die NZ einige Tage später, und noch dankbarer, was an ihr negativ und doch auch richtig war, ohne dies genauer zu spezifizieren. Siehe „Nürnberg im

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nach den ersten Zeitungsberichten war nur noch von Verleumdung und Diffa­ mierung die Rede. Drittens dauerte es sehr lange, bis die zuerst von Urschlechter gezogene Verbindung zwischen Film und DAI hinterfragt wurde. Im Mai 1968 war erst­ mals einem Artikel der AZ zu entnehmen, dass überhaupt jemand den Direk­ tor des DAI um eine Stellungnahme bat und zu bedenken gab, ob der Film eine Maßnahme gegen das Nürnberger Amerika-Haus rechtfertigen würdet Erst in der Stadtratssitzung vom 13. November 1968 und nachdem Urschlechter bekannt gegeben hatte, dass der Film sich schlecht verkaufte, sagte CSU-Stadtrat Holzbauer deutlich, daß die Institution des Nürnberger Amerika-Hauses [...] nichts damit zu tun hat. Wir sollten und können nicht für so etwas Repres­ salien auf einem ganz anderen Sektor anwenden und Sanktionen verhängen.104 Und weiter: Jedenfalls eine abrupte Einstellung städtischer Zuschüsse wäre eine durch nichts zu vertretende politische Verrücktheit, in diesem Stadium der Politik.105 Willy Prölß von der SPD stimmte zu: Es wäre [... ] falsch, f... ] gerade gegen solche Institute vorzugehen, die sich um Völkerverständigung und Völkerversöhnung bemühen,106 Urschlechter selbst lehnte den NPD-Antrag mit den Worten da er mit dem CBS-Film begründet ist ab.107 Dass es sich dabei nur scheinbar um eine sachliche Trennung der beiden Komplexe handelte und Urschlechter generell sehr wohl über einen Ausstieg aus dem DAI zu reden bereit war - und zwar aus Anlass des Films, wenn dies auch nicht als offizielle Begründung genannt werden sollte -, zeigt besonders eine Gesprächsnotiz vom 9. Juli 1968 deutlich. Das DAI hatte, obwohl es mit dem Film in keinerlei Verbindung stand, durch „The Germans“ bei Urschlechter verspielt: Wir kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, die Vereinbarung über die Fort­ führung des Amerika-Hauses zu beenden. Allerdings soll nicht der CBS-Film im Vordergrund weiterer Schritte stehen, sondern das unzulängliche Programm des Instituts selbst. [...] Es ist auf Dauer keine kommunale Aufgabe [...] Sub­ ventionen jährlich zu leisten für eine Aufgabe, die eine echte Staatsaufgabe für

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US-Fernsehspiegel“, in: NZ vom 12. Oktober 1967; „Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister“, in: NZ vom 16. Oktober 1967. „,Die Deutschen' doch nicht für die Schule?“, in: AZ vom 18./19. Mai 1968. Herbert Adler, der Direktor des DAI, enthielt sich einer Stellungnahme gegenüber der Zeitung. Generell ist kein Hinweis über eine Reaktion auf die Verknüpfung mit dem Film in den Unterlagen des DAI zu finden - dass allerdings die gesamte Presseberichterstattung genauestens dokumentiert wurde, zeigt, wie sehr das DAI mit diesem Thema beschäftigt war. StadtAN C 85/111 Nr. 79, Protokoll der 44. Sitzung des Stadtrats vom 13. November 1968, S. 45. Ebd. S. 46. Aus Holzbauers und aus der nachfolgend zitierten Stellungnahme von Prölß spricht auch das Bestreben, sich deutlich von der NPD abzugrenzen. Ebd. S. 48. Ebd. S. 41.

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die Bundesrepublik Deutschland und für die U.S.A. ist.'0* Der Ton dieser Aussage unterscheidet sich deutlich von Urschlechters wohlwollendem Entgegenkommen 1961/62, als es um die Umwandlung des Amerikahauses ging. Dass der Film geeignet war, einen Einstellungswandel Urschlechters in Bezug auf das DAI herbeizuführen, scheint in der Biographie des Oberbürgermeisters begründet zu sein, der vor seiner Wahl zum Oberbürger­ meister 1957 Leiter des städtischen Referats für Wiederaufbau, Wohnungs­ und Grundstückswesen war. Über Jahrzehnte blieb der Wiederaufbau des im Krieg stark zerstörten Nürnberg für ihn das wichtigste Thema, und er betonte gerne die auf diesem Gebiet erbrachten Leistungen der Stadt.109 Eng damit ver­ bunden war Urschlechters Ziel, das Ansehen der Stadt wieder zu heben, das durch die Funktion als „Stadt der Reichsparteitage“ besonders im Ausland beschädigt war. Das DAI war in doppelter Hinsicht geeignet, gleichsam als Stellvertreter für die Produzenten der Sendung, CBS und Hughes Rudd, die Konsequenzen für den Film tragen zu müssen, obwohl es nichts damit zu tun hatte. Als amerika­ nische Einrichtung unter Leitung eines US-Amerikaners bot das DAI die ein­ zige Möglichkeit für Urschlechter als dem Stadtoberhaupt, direkte Konse­ quenzen zu ziehen, die zumindest symbolisch den Staat treffen sollten, in dem ein solches „Zerrbild“ Nürnbergs propagiert worden war. Andernfalls hätte sich Urschlechter auf verbale Proteste beschränken müssen. Das DAI war die einzige amerikanische bzw. deutsch-amerikanische Institution Nürnbergs, an der die Stadt in irgendeiner Form beteiligt war und durch demonstrativen Rückzug ein Zeichen setzen konnte. Zudem unterstützte die Stadt mit dem DAI eine Einrichtung, die es den USA ermöglichte, ihr Land und seine Kultur positiv darzustellen. Auf dieser Ebene bestand für den Oberbürgermeister eine Verbindung zwischen dem Film und dem DAI, obwohl das Institut weder an der Sendung noch an deren Verbreitung beteiligt war und auch das dort ver­ mittelte Nürnberg- bzw. Deutschlandbild nicht teilte. Hatten die USA mit Hilfe von Bund und Kommunen die Möglichkeit, sich in Deutschland positiv

108 StadtAN C 85/1 Nr. B108, Urschlechter vom 9. Juli 1968, Hervorhebung im Original. Eine zusätzliche Notiz auf dem gleichen Blatt vom 24. September 1969 besagt: Bis auf weiteres wer­ den die Auflösungsverhandlungen eingestellt. 109 StadtAN E 6/799 Nr. 131, Urschlechter an McGhee vom 20. Oktober 1967; „Andreas Urschlechter“, in: Internationales Biographisches Archiv 2/1988; Rudolf Endres, Martina Fleischmann: Nürnbergs Weg in die Moderne. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Nürnberg 1996, S. 296f. Auch der damalige Direktor des Amerikahauses Nelson O. Chipchin berichtete 1960: He is particulary interested in city planning and building, and the reconstruction of Nuremberg is a subject which he never tires of discussing, StadtAN E 6/799 Nr. 122, Biographie Data Report über Urschlechter vom 9. Mai 1960.

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darzustellen, so durfte nach Meinung Urschlechters nicht umgekehrt in den Vereinigten Staaten ein verfälschtes und negatives Bild der Bundesrepublik und der Städte verbreitet werden110. Das DA1 war aufgrund seiner Funktion und seiner Trägerschaft für Urschlechter der folgerichtige Ort für Sanktionen gegen „The Germans“. Die 1967/68 deutlich werdende Sicht des Nürnberger Oberbürgermeisters auf das DAI als Stellvertreter Amerikas und alles Amerikanischen, also auch für „The Germans“, wurde teilweise von der Bürgerschaft Nürnbergs geteilt. Sie offenbarte sich in einigen Protestaktionen, die während der 20-Jahrfeier des DAI und der Rede Urschlechters über den Film vor der Festhalle stattfanden. Dort waren Jugendliche aufgezogen, die das DAI-Jubiläum dazu nutzten, ihre Kritik an der amerikanischen Vietnampolitik öffentlich zu äußern. Sie skan­ dierten lautstark Ami go home und Vietkong, Vietkong und verteilten Flug­ blätter, auf denen es hieß: Was wird hier gefeiert? Daß die Amerikaner monat­ lich 30.000 Lufteinsätze in Vietnam fliegen?'" Insgesamt spiegelt die Debatte, wie sehr die Nürnberger noch damit beschäftigt waren, ihr Image von der Verknüpfung mit dem Nationalsozialis­ mus zu lösen, und wie leicht die Bevölkerung und ihr Oberbürgermeister durch einen einzelnen tendenziösen Film aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnten. Zudem zeigt sie, dass, auch wenn letztendlich keine direkten Konsequenzen wegen des Films für das DAI gezogen wurden, es doch Symbol und Bezugspunkt für alles, was mit den USA zu tun hatte, war und blieb. Das Institut als Ort des Protests: Antiamerikanismus, Außerparlamentarische Opposition und linke Parteijugend Die Proteste gegen den Vietnamkrieg während der 20-Jahrfeier des DAI im November 1967 waren nur ein Vorgeschmack auf die Demonstrationen, die in den folgenden Jahren in Nürnberg wie in der übrigen Bundesrepublik stattfan­ den. Neben innerdeutschen Konflikten wie den Notstandsgesetzen oder der als mangelhaft empfundenen Situation an den Hochschulen thematisierten die Proteste auch viele US-amerikanische Problemfelder. Besonders der Vietnam­ krieg, die Ausbeutung der Dritten Welt und die Rassendiskriminierung in den USA riefen Kritik hervor, desgleichen aber auch die bundesdeutsche Regie­ rung, die nach der Meinung der Demonstranten den „US-Imperialismus“

110 StadtAN E 6/799 Nr. 131, Urschlechter an McGhee vom 20. Oktober 1967. 111 „McGhee bedauert Film ,The Germans1“, in: Fränkische Presse Bayreuth vom 15. November 1967; „Erhard - Amerikanische Erfindung“, in: SZ vom 15. November 1967; „Ein Stück Nürn­ berger Kulturleben“, in: FT vom 15. November 1967.

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unterstützte.112 Diese Kritik beschränkte sich jedoch nicht auf die konkrete Außenpolitik der USA oder einzelne Politiker, sondern war als „Fundamental­ kritik am liberal-kapitalistischen System“ zu verstehen. Diese in der Forschung mit dem Begriff des „Antiamerikanismus“ 113 belegte Haltung betraf, wie das Beispiel der Jubiläumsfeier gezeigt hat, auch das Nürnberger DAI als eine amerikanische Einrichtung. Auch in Nürnberg begannen sich Mitte der 1960er Jahre erste Protestbewe­ gungen zu formieren. Seit 1960 gab es in Nürnberg Ostermärsche, und 1964 hatte die erste Protestveranstaltung gegen den Vietnamkrieg in der Stadt statt­ gefunden. 114 Zwar war Nürnberg nie ein mit Westberlin, München oder Frank­ furt vergleichbares Zentrum der 68er, doch war auch hier ein breit gefächertes Engagement gegen Notstandsgesetzgebung und Vietnamkrieg zu beobachten. Im März 1968 stand Nürnberg im Zentrum des öffentlichen Interesses und der Protestbewegungen, denn hier fand der Jubiläumsparteitag der SPD statt. Vertreter der Außerparlamentarischen Opposition (APO) forderten die SPDPolitiker zu Diskussionen über die Notstandsgesetzgebung heraus; Willy

112 Für einen knappen Überblick siehe Ingrid Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung. DeutschlandWesteuropa-USA, München 22003. 113 Philipp Gassen definiert Antiamerikanismus als „weltanschaulich motivierte Ablehnung amerikanischer Politik und Kultur“. Da sich die „Kritik der Protestbewegung ,mit Amerika an Amerika““ nicht nur auf die amerikanische Außenpolitik oder einzelne Politiker beschränkte, sondern „Fundamentalkritik am liberal-kapitalistischen System“ übte, ist sie nach Gassert in der Forschungsliteratur zu Recht als Antiamerikanismus bezeichnet worden. Siehe Philipp Gassert: Gegen Ost und West: Antiamerikanismus in der Bundesrepublik, in: Junker: USA, Bd. 1 (wie Anm. 54), S. 944-954, hier S. 945,954; Philipp Gassert: Amerikanismus, Antiamerikanismus, Amerikanisierung, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 531-561, hier S. 557. Die dem Begriff innewohnende Problematik, eine Protestbewegung gegen die USA zu definieren, deren Ursprung jedoch selbst in den USA lag und die die dort herausgebildeten Protestformen ebenso wie andere kulturelle Moden adaptierte, wird dabei in der Literatur durchgängig thematisiert. Wolfgang Kraushaar löst diesen Widerspruch wie folgt auf: „Die Politik war von ihren Zielen her antiamerikanisch, der Protest jedoch von seinen Formen her proamerikanisch geprägt.“ Vgl. Wolfgang Kraushaar: Die transatlantische Protestkultur. Der zivile Ungehorsam als ameri­ kanisches Exempel und als bundesdeutsche Adaption, in: Westbindungen. Amerika in der Bundes­ republik, hrsg. v. Heinz Bude, Bernd Greiner, Hamburg 1999, S. 257-284, hier S. 257f. Auch Claus Leggewie benennt diesen Widerspruch und erklärt, die gegen die USA gerichteten Pro­ teste seien nicht einem originären Antiamerikanismus, sondern aus der enttäuschten Amerika­ liebe einer im Zeichen der kulturellen Verwestlichung aufgewachsenen Generation entsprun­ gen. Vgl. Claus Leggewie: 1968 - ein transatlantisches Ereignis und seine Folgen, in: Junker: USA, Bd. 2: 1968-1990 (wie Anm. 54), S. 632-643, hier S. 637. Trotz dieser definitorischen Schwierigkeiten wird der Begriff in der Forschung überwiegend verwendet. Da zudem für diese Arbeit der Protest an sich in seinen Auswirkungen auf das DAI im Vordergrund steht und weniger die dahinter stehende ideologische Motivation, wird er auch hier gebraucht. 114 Lothar Strogies: Die Außerparlamentarische Opposition in Nürnberg und Erlangen, Erlangen, Jena 1996, S. 32.

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Brandt und Herbert Wehner wurden sogar in ein Handgemenge mit den Demonstranten vor der Nürnberger Meistersingerhalle verwickelt."5 Zunächst verlief die Entwicklung in Nürnberg jedoch eher schleppend. Auf den ersten Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg mussten noch die Demonstranten von der Polizei gegen die aufgebrachte Bürgerschaft geschützt werden.116 Als im Juni 1965 ungefähr 20 Jugendliche bei einem vom DAI orga­ nisierten Konzert des United States Air Force-Orchesters in der Meister­ singerhalle plötzlich Transparente enthüllten und gegen den Krieg in Vietnam protestierten, wurden sie kurzerhand hinausgeworfen."7 Auch der Sozialisti­ sche Deutsche Studentenbund (SDS) war bis Mitte der 1960er Jahre nicht an der Universität Erlangen/Nürnberg vertreten. Erst im Dezember 1966 wurde eine SDS-Hochschulgruppe gegründet, die schnell Mitglieder gewann und seit Anfang 1967 eine wichtige Rolle an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) und in der lokalen APO spielte."8 Ins Licht der Öffentlichkeit rückte der SDS im Herbst 1967, als einige seiner Mitglieder zum Jahrestreffen der Gruppe 47 in der Fränkischen Schweiz fuhren, um die Schriftsteller zur Unter­ zeichnung einer Anti-Springer-Rcsolution aufzufordern.119 Eine wichtige Funktion bei der Herausbildung der Nürnberger APO hatte das Kabarett „Die Hintertreppe“ von Horst Blome, wo der Vietnamkrieg und die Notstandsgesetzgebung kritisch thematisiert wurden.120 1967 verdichtete

115 Walter Bauer (Hrsg.): Nachrichten aus der Provinz. 1968. Die APO in Nürnberg. Texte der APO-Press und Pressenachrichten über die APO in Nürnberg, Nürnberg 1998, S. 3, 20-22; Wolfgang Kraushaar: 1968. Das Jahr, das alles verändert hat, München 1998, S. 81).; Bernd Stöver: Die Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 2002, S. 82-85. 116 Strogies (wie Anm. 114), S. 32, 67. 117 StadtAN E 6/799 Nr. 72, Assessment Report für das Jahr 1965; StadtAN F 2 (Stadtchronik) Nr. 57, S. 181. Der Vorfall hatte ein gerichtliches Nachspiel, siehe ebd. S. 320. 118 Strogies (wie Anm. 114), S. 36-40; Bauer (wie Anm. 115), S. 7. Obwohl der Hauptstandort der FAU die Stadt Erlangen ist, kann der SDS zum Teil zur Nürnberger APO-Szene zugerechnet werden, da seine Gründung auf Nürnberger Initiativen zurückzuführen war. Siehe „Bestands­ aufnahme beim SDS“, in: AZ vom 21./22. Oktober 1967. Schon seit 1965 gab es Proteste gegen die Studienbedingungen an der FAU, die gleichermaßen von Studierenden und Professoren getragen wurden. Siehe Herbert R. Ganslandt: Die 68er Jahre und die Friedrich-AlexanderUniversität, in: 250 Jahre Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Festschrift, hrsg. v. Henning Kössler, Erlangen 1993, S. 839-870, hier S. 841, 850. Zum Allgemeiner Studie­ rendenausschuss (AStA) und dessen politischer Haltung an der FAU vor der Gründung des SDS siehe ebd. S. 846f. „Bestandsaufnahme beim SDS“, in: AZ vom 21./22. Oktober 1967. 120 Blome war bei fast allen Aktionen und Protesten in Nürnberg maßgeblich beteiligt, wurde mehrfach verhaftet und zu Geldstrafen verurteilt. Er war u.a. Mitorganisator der Proteste gegen NPD-Versammlungen in der Meistersingerhalle und hatte während des Schah-Besuchs in Westdeutschland dessen nachgespielte Krönung mit Eichenlaub geplant. Siehe: „HintertreppenChef trat daneben“, in: AZ vom 13. Oktober 1967. Während des SPD-Parteitags in Nürnberg war

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sich die APO-Landschaft in Nürnberg weiter durch die Gründung des Kura­ toriums „Notstand der Demokratie“ im August und des „Club Liberte“ im Herbst.121 Als Ende 1967 die „Hintertreppe“ verboten wurde und nur mehr vor geschlossener Gesellschaft spielen durfte, entstand als Reaktion am 2. März 1968 der „Republikanische Club“ (RC) unter maßgeblicher Beteiligung Blomes. Ziel des RC war, durch aufklärende Aktion und Diskussion der fort­ schreitenden Entdemokratisierung der Bundesrepublik entgegenzuwirken.'22 Im RC waren mit Jürgen Kaleck, Elmar Altvater und Wolfgang Vetter die neben Blonic wichtigsten Vertreter der Nürnberger APO engagiert. Seit April 1968 hatte der RC sogar eine wöchentliche Spalte in den Nürnberger Nach­ richten zur Verfügung, und auch die Abendzeitung wollte die APO regelmäßig zu Wort kommen lassen.123 Als vornehmliche Ziele der seit 1968 vermehrt stattfindenden Proteste gegen den Vietnamkrieg kristallisierten sich das US-Army-Hotel und das DAI her­ aus. Fast alle Demonstrationsrouten führten in den folgenden Jahren an min­ destens einer dieser Einrichtungen vorbei und veranlassten die Demonstranten zu besonders lautstarken Protesten gegen die amerikanische Vietnam-Politik oder die Rassendiskriminierung. Die Absperrung der beiden Gebäude durch die Bereitschaftspolizei gehörte schon bald zu den Standardmaßnahmen, die vor jeder angemeldeten Demonstration ergriffen wurden.124 Wie sich bereits 1965 und 1967 angedeutet hatte, wurde das DAI als Symbol der Vereinigten Staaten gesehen und damit als folgerichtiger Ort für Protestaktionen, die sich gegen die Politik der USA richteten. Auch das US-Army-Hotel in der Innen­ stadt wurde zum Anlaufpunkt für Proteste.125 So folgten nach der Ermordung

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er als Musiker mit Geigenkasten verkleidet in den Saal gelangt, wo er eine Vietkong-Fahne ent­ rollte und die Delegierten aufforderte: Rausgehen, diskutieren/, siehe Bauer (wie Anm. 115), S. 21f. Der „Club Liberte“ war ein offener politischer Club gegen Rechts, für Frieden, Internatio­ nalismus und die Anerkennung der DDR, siehe Bauer (wie Anm. 115), S. 9. Ebd. S. 17; Presseerklärung zur Gründung des Republikanischen Clubs Nürnberg vom 29. Februar 1968, abgedruckt ebd. Der RC war ein Sammelbecken für Vertreter der verschie­ densten Gruppierungen. Die Zahl der Gründungsmitglieder wird mit über 60 angegeben, nach Aussage Blomes hatte der RC danach bis zu 3.000 Mitglieder; siehe ebd. Lothar Strogies bezweifelt diese Angabe als wesentlich übertrieben, siehe Strogies (wie Anm. 114), S. 34. Rundschreiben des Republikanischen Clubs Nürnberg vom April 1968, abgedruckt in: Bauer (wie Anm. 115), S. 27. Zuvor war besonders den Nürnberger Nachrichten immer wieder von APO-Mitgliedern vorgeworfen worden, Meldungen zu manipulieren oder zu unterdrücken. Vgl. ebd. S. 14. Seit 1968 behandelten die jährlichen Tätigkeitsberichte des DAI die Demonstrationen und dankten der Polizei für den Schutz des Gebäudes und einiger Veranstaltungen: StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsberichte für die Jahre 1968, 1969, 1970. Im November 1969 flogen beispielsweise Farhbeutel, Eier und Steine gegen Fenster und Fassade des US-Army-Hotels, das durch Schutz- und Bereitschaftspolizei abgesichert wurde. Laut Presse hatte sich im Inneren des Hotels amerikanische Militärpolizei formiert, um gege-

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Rückzug der Amerikaner

GARAGEN

Vietnam!

Demonstranten vor dem Deutsch-Amerikanischen Institut protestieren gegen den Vietnamkrieg. (StadtAN E 6/799 Nr. 114)

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des Vorkämpfers der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King, am 4. April 1968 etliche Jugendliche dem Aufruf des RC und demons­ trierten tags darauf vor dem DAI mit schwarzen Fahnen.126 Das DAI wurde jedoch nicht nur mit jugendlichen Demonstranten kon­ frontiert. Abgesehen von der regelmäßigen Teilnahme einiger SPD-Stadträte an den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg127 kam es immer wieder zu Absagen von Lokalpolitikern, die wegen des Vietnamkriegs nicht mit dem DAI Zusammenarbeiten wollten. 1966 schrieb ein Stadtrat der SPD an das DAI: Gerade als Freund des amerikanischen Volkes muss ich es ablehnen, mit der Propagandastelle eines Regimes zusammenzuarbeiten, dessen Soldateska in Vietnam noch die Grausamkeiten der Hitlerschen SS überbietet.'2S Mit der Verschärfung des Vietnamkriegs und vor allem nach der Ausdeh­ nung des Konflikts auf Kambodscha im April 1970 veränderte sich die Funk­ tion des DAI für die Protestierenden. Das „vergebliche, aber auch eher sym­ bolische Anrennen gegen das Amerikahaus, das von Polizeikräften geschützt wurde“,129 wich Aktionen, die direkt gegen das DAI gerichtet waren. Schon im Februar hatte Christ, der Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation Deutsche Jungdemokraten in Nürnberg, in einem Brief an den DAI-Direktor Dean O. Claussen die geplante Zusammenarbeit auf dem „Europa-Seminar“130 abgesagt: Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Nürnberg hat angesichts der im grundsätzlichen unveränderten Vietnampolitik der USA beschlossen, an Ver­ anstaltungen des Amerikahauses nur noch dann teilzunehmen, wenn den demokratischen Kritikern (u.a. auch Mitglieder des Vietnam-Komitees) des amerikanischen Engagements in Vietnam Gelegenheit zu einer Diskussion im Nürnberger Amerikahaus gegeben wird. Und weiter: Wir stellen uns vor, daß während der Vietnamwoche im März das Amerikahaus zu einer Podiums­ diskussion einlädt, wobei über die amerikanische Botschaft Politiker oder Jour­ nalisten beteiligt werden sollen, die die amerikanische Haltung in Südostasien

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benenfalls eingreifen zu können. „Demonstranten warfen Farbbeutel und Eier“, in: NZ vom 17. November 1969. Bauer (wie Anm. 115), S. 24. Für diese Auskunft danke ich dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Dr. Peter Schönlein (SPD). StadtAN E 6/799 Nr. 72, Assessment Report für das Jahr 1966. Strogies (wie Anm. 114), S. 68. Damit ist wahrscheinlich das für den 28. Februar 1970 angesetzte Seminar „Europa zwischen Atlantik und Ural“ gemeint, das Walter Kröpelin aus der politischen Redaktion des Bayeri­ schen Rundfunks leiten sollte. Als Referenten waren vorgesehen: Hermann Bohle (politischer Korrespondent), Professor Wolfram F. Hanrieder (Professor für Politikwissenschaft an der University of California), Wolfgang Horlacher (stellv. Chefredakteur des Münchner Merkur), Dr. Helmut Lindemann (politischer Schriftsteller).

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rechtfertigen.131 Stand hier noch die Forderung nach einer kritischeren Bericht­

erstattung, nach einer Rechtfertigung des amerikanischen Vorgehens im Vor­ dergrund, verschärfte sich der Ton nochmals nach dem „Überfall“ auf Kam­ bodscha. Im Mai 1970 kündigten die Jusos Nürnberg in einem offenen Brief an, künftig jegliche Zusammenarbeit und Verbindung mit dem Amerikahaus ab\zu]lehnen und die Nürnberger aufzufordern, alle Veranstaltungen und sonstigen Angebote des Amerikahauses zu boykottieren,13’ Weiter wollten sie darauf hinwirken, daß von Seiten der Stadt Nürnberg sofort alle finanziellen Zuschüsse eingestellt werden und daß der Nürnberger Oberbürgermeister seinen Präsidiumssitz niederlegt. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Viet­ namkrieg und dessen Ausdehnung auf Kambodscha. Dem DAI warfen die Jusos vor, es habe sich zu einem gut funktionierenden Propagandaapparat der US-Regierung entwickelt und schweige sich über den Abbau aller demokrati­ schen Verhältnisse in den USA aus, die unter dem Druck der Konzerne und der Allmacht des CIA immer faschistischere Züge annähmen. Am gleichen Tag berichtete die AZ über Forderungen der „Sozialistischen Aktion“ bei der Eröffnung des Jugendhilfstags, die ebenfalls angesichts des Völkermordes der US-Regierung, des Mordes an Studenten und des Terrors gegen die Friedens­ kräfte einen Rückzug der Stadt aus dem DAI forderten.133 Hier zeigt sich, dass das DAI in den Augen der Protestierenden nicht mehr nur ein Symbol für die USA, sondern selbst beteiligt an der kritisierten Politik war: Es wurde selbst Zielscheibe der Kritik. Auch der Direktor des DAI, seit Februar 1970 Robert M. Allen, war sich dessen bewusst. Nach den Attacken der ersten beiden Maiwochen berichtete er an USIS Bonn: On the same day May 14, there is an Anti American demonstration this time explicitely also against the [N\merica HouseM* Dem Angriff der Jusos maß Allen nicht allzu viel Bedeutung zu, wohl aber einem AZ-Artikel vom 13. Mai, in dem der von Nürnberg getragene Finanzierungsanteil am DAI besonders betont worden war und den Allen als teilweise ausschlaggebend für die Aktionen gegen das

131 StadtAN E 6/799 Nr. 200, Deutsche Jungdemokraten, Arbeitskreis Nürnberg, an das DAI vom 4. Februar 1970. 132 StadtAN E 6/799 Nr. 200, Offener Brief der Arbeitsgemeinschaft junger Sozialdemokraten Nürnberg an das DAI Nürnberg vom 13. Mai 1970. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Brief. 133 „Zuviel Geld fürs Amerikahaus“, in: AZ vom 13. Mai 1970. 134 StadtAN E 6/799 Nr. 205, Entwurf eines Briefes von Allen an USIS Bonn, undatiert. Das leicht veränderte Schreiben selbst findet sich in: StadtAN E 6/799 Nr. 131, Allen an USIS Bonn vom 15. Mai 1970. Auch im Tätigkeitsbericht für das Jahr 1970 schrieb Allen: Im Berichtsjahr fanden zwei anti-amerikanische Demonstrationen statt, die sich auch speziell gegen das Amerika Haus Nürnberg richteten, siehe StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsbericht für das Jahr 1970.

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DAI vom 14. Mai ansah.135 Die Demonstration am 14. Mai war mit ca. 4.000 Teilnehmern eine der größten, die bisher in Nürnberg im Rahmen der APOProteste stattgefunden hatten. Bis 20 Uhr abends blieb das DAI von mehreren Hundertschaften Bereitschaftspolizei, die Kampfanziige, Helme und Plastik­ schilde trugen, abgesperrt.136 Jürgen Kaleck, einer der Hauptagitatoren der Nürnberger APO-Szene, stellte der Stadt ein Ultimatum, bis spätestens Ende des Monats jede Beteiligung am DAI einzustellen. Außerdem müsse geprüft werden, ob auf dem US-Truppenübungsplatz Tennenlohe bei Erlangen Atom­ sprengköpfe gelagert wurden.137 Das Ultimatum beeindruckte die Stadtverwaltung wenig: Den Forderungen der Demonstranten und einer ähnlichen der Jungsozialisten [... ] könne kaum nachgekommen werden, zitierte die Nürnberger Zeitung den städtischen Pressereferenten, denn abgesehen davon, dass auf solche Ultimaten grundsätz­ lich nicht eingegangen werde, seien Finanzierung und Vorsitz des DAI in einer Satzung zwischen Stadt, Bund und Land festgelegt.138 Dies war zwar eine deut­ liche Absage an derartig vorgebrachte Forderungen, aber nicht gerade eine städtische Loyalitätsbekundung für das DAI. Dieser Eindruck bestätigte sich in den folgenden Wochen. Am 19. Juni 1970 richtete Andreas Fink, der einzige Vertreter der Deutschen Friedens-Union (DFU)139 im Nürnberger Stadtrat, einen Antrag für die nächste Sitzung an den Oberbürgermeister. Darin forderte er, frühestmöglich die Mitgliedschaft der Stadt im DAI aufzukündigen.M0 Die Verwendung öffentlicher Gelder zur Aufrechterhaltung eines PropagandaApparats der US-Regierung in Nürnberg sei spätestens nach dem Überfall amerikanischer Truppen auf Kambodscha nicht mehr zu verantworten - schon gar nicht, wenn für soziale Belange wie Kindergärten und das Studentenwerk das Geld fehle. Damit stand die städtische Unterstützung für das DAI am

155 StadtAN E 6/799 Nr. 205, Entwurf eines Briefes von Allen an US1S Bonn, undatiert; StadtAN E 6/799 Nr. 131, Allen an USIS Bonn vom 15. Mai 1970. I3t „2.500 Nürnberger verurteilten den Kambodscha-Krieg“, in: AZ vom 15. Mai 1970; „Die Wasser­ werfer konnten ruhen“, in: FT vom 15. Mai 1970; „5.000 bei Demonstration“, in: NN vom 15. Mai 1970. Die Angaben über die Zahl der Demonstrationsteilnehmer schwankten zwischen 2.500 und 5.000. 137 Ebd. 138 „Nicht so einfach“, in: NZ vom 19. Mai 1970. Laut Zeitung war Oberbürgermeister Urschlechter zu diesem Zeitpunkt nicht in Nürnberg. 139 Zu Geschichte und Programm der DFU siehe den Beitrag von Rolf Schönfeldt: Die Deutsche Friedens-Union, in: Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Bd. 2, hrsg. v. Richard Stöss, Opladen 1986, S. 848-876. Zur DFU als Bestandteil der APO siehe ebd. S. 861-866. 1,0 StadtAN C 85 Nr. B108, Fink an Urschlechter, Antrag mit Bitte um Aufnahme in die Tages­ ordnung der nächsten öffentlichen Stadtratssitzung vom 19. Juni 1970.

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15. Juli 1970 bereits zum zweiten Mal aufgrund eines Parteiantrags zur Debatte. Wie der NPD-Antrag 1968 fand auch Fink keine Mehrheit für sein Ansinnen, denn die Stadträte lehnten mehrheitlich ein Ende der Bezuschus­ sung aus politischen Gründen ab.141 Obwohl die Arbeit des DAI insgesamt positiv beurteilt wurde - Stadtrat Rost von der CSU hob hervor, dass im DAI keinesfalls Propaganda im einseitigen Sinne stattgefunden habe, sondern vielen und auch kritischen Meinungen ein Forum gegeben worden sei142 -, wurde der Antrag der DFU von Anfang an mit der seit der Debatte von 1968 im Raum stehenden Frage verbunden, ob die Aufgaben des DAI in den städtischen Kulturbereich überführt werden sollten. Seitens der CSU bestanden zwar durchaus Zweifel, ob die Frage nach der grundsätzlichen Zukunft des DAI mit dem DFU-Antrag verknüpft werden sollte, doch endete die Diskussion mit dem einstimmigen Beschluss, im November die erste Beratung darüber zu führen [...], ob auf der Basis eines internationalen Instituts die wichtigen Bildungs- und Informationsaufgaben des Amerika-Hauses in den kommuna­ len Bereich überführt werden könnend DAI-Direktor Allen hatte nicht an der öffentlichen Sitzung teilgenommen, aber aus inoffizieller Quelle von deren Verlauf erfahren und berichtete direkt danach an Gordon A. Ewing, Country PAO bei USIS in Bonn.144 Er gehe davon aus, so Allen, dass die Frage der städtischen Unterstützung für das DAI bis November weniger emotional und politisch gesehen werde. Allen verfolgte wie seine Vorgänger genauestens die Aktivitäten der Nürnberger APO und berichtete darüber an USIS. Schon 1965 hatte Edward Brandt empfohlen, in der weiteren Programmgestaltung sehr vorsichtig mit dem Thema Vietnam umzugehen, da die Bevölkerung extrem sensibel auf den kleinsten Verdacht, das DAI betreibe Propaganda, reagiere. Dennoch war, so Brandt, das DAI der Ort in Nürnberg, wo sich Anhänger verschiedenster politischer Richtungen treffen und diskutieren konnten.145 Auch Brandts Nachfolger Herbert Adler versuchte, den Kontakt zu den Protestierenden zu halten und empfing 1968 sogar eine Delegation von Demonstranten.146 Nelson O. Chipchin, Branch

141 StadtAN C 85/III Nr. 100, Protokoll der 74. Sitzung des Stadtrats vom 15. Juli 1970, S. 16-25, besonders S. 18f., 21f., 25. 142 Ebd. S. 21. 145 Ebd. S. 25. 144 StadtAN E 6/799 Nr. 131, Allen an Ewing über die Stadtratssitzung vom 15. Juli 1970, undatiert. Der Hinweis, das offizielle Protokoll der Sitzung sei erst in einigen Tagen zu erwarten, lässt darauf schließen, dass der Bericht direkt nach der Sitzung verfasst wurde. 145 StadtAN E 6/799 Nr. 72, Assessment Report für das Jahr 1965. 146 StadtAN E 6/799 Nr. 84, Tätigkeitsbericht für das Jahr 1968.

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Public Affairs Officer bei USIS München, berichtete ebenfalls an seine Vor­ gesetzten in Bonn, wie sehr man um engen Kontakt zu Jugendlichen, Studen­ ten und deren Vertretern bemüht sei und dem Bedürfnis nach Information und Diskussion Rechnung trage.147 In den Monthly Highlights Reports an USIS München führte Allen akribisch auf, an welchen Abenden parallel Veranstal­ tungen von DAI und Vietnam-Komitee liefen und wer mehr Zulauf hatte. Doch es war trotz aller Bemühungen schwierig, die Kritiker vom DAI-Programm zu überzeugen. No demonstrations, no bomb scares and the failure of the left radical Jungsoziahsten’s call for a Boykott of the Amerika Hans program might be called some kind of highlight, schrieb Allen im Juni 1970 sarkastisch.148 Nach der Stadtratssitzung vom Juli 1970 steigerte er nochmals seine Bemühungen, den Kontakt zu den Kritikern des DAI zu halten. Versuche die­ ser Art wurden aber vom Vorsitzenden der Jusos, Horst Schmidbauer, abge­ lehnt: Ich kann keinen freundschaftlichen Kontakt pflegen mit den Repräsen­ tanten einer Institution, die ihre derzeitige Aufgabe darin sieht, durch eine recht einseitige Arbeit als eine Art Propagandainstitut für die jetzige amerika­ nische Regierung zu wirken.149 In seiner Antwort bedauerte Allen die Absage und schrieb, Veranstaltungen wie „Amerika - Kranke Weltmacht“ oder „Protes­ tierende Jugend in Deutschland und Amerika“, die im Oktober im DAI statt­ gefunden hatten, hätten vielleicht zu einer Meinungsrevidierung der Jusos bei­ tragen können. So sehr sachliche Information dem DAI am Herzen liege, schrieb Allen weiter, bitte er jedoch auch zu verstehen, daß das DeutschAmerikanische Institut nicht die Rolle einer antiamerikanischen Institution übernehmen könne.150 Einen Tag später schickte Allen eine Abschrift der Korrespondenz mit Schmidbauer an Urschlechter und betonte nochmals, wie stark er an einer Kontaktpflege mit dem DAI kritisch gegenüberstehenden Gruppen interessiert sei.151 Aliens Versuche zeigten nur wenig Erfolg - auch im Jahr 1971 forderten mehrere Gruppen die Stadt aus politischen Gründen auf, die Zuschüsse an das DAI einzustellen. Ein Flugblatt der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) Nürnberg führte etliche, in den Augen der Verfasser sinnlose Posten im Stadtetat auf, die besser für den Ausbau von Kindergärten heranzuziehen seien, u.a. auch die 140.700 DM, die 1971 als Zuschuß für das US-Amerikahaus gegeben werden sollen. Eine Macht die Völkermord betreibt, darf von uns kein Geld für

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StadtAN E 6/799 Nr. 72, Assessment Report für das Jahr 1966. StadtAN E 6/799 Nr. 203, Highlights Report 1970, Allen an Chipchin vom 26. Juni 1970. StadtAN E 6/799 Nr. 201, Schmidbauer an Allen vom 29. Oktober 1970. StadtAN E 6/799 Nr. 201, Allen an Schmidbauer vom 2. November 1970. StadtAN E 6/799 Nr. 201, Allen an Urschlechter vom 3. November 1970.

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Propaganda erhalten. Die US-Regierung soll ihre Propaganda selbst bezahlen.'i2 Und im April 1971 forderte die sozialistische Jugendorganisation „Falken“ ebenfalls, die Zuschüsse an das DAI einzustellen.153 Insgesamt waren die Proteste, die sich in Nürnberg direkt gegen das DAI richteten oder das Institut als Repräsentanten Amerikas als symbolischen Protestort nutzten, nicht stärker als in anderen Städten mit ähnlichen Einrich­ tungen. Im Gegenteil, es kam in Nürnberg zu keinerlei Ausschreitungen oder Verwüstungen wie in anderen Städten. Schon im Februar 1966 hatten bei­ spielsweise in Frankfurt Studenten nach einer Demonstration die US-Flagge vom Amerikahaus geholt und Eier gegen die Fassade geworfen.154 In Tübingen wurden ebenfalls Veranstaltungen gestört, aber auch Fensterscheiben ein­ geschlagen und Wände beschmiert.155 Auch in Westberlin, München und Hamburg waren die Amerikahäuser Zielscheibe der Proteste und hatten Sach­ schäden zu beklagen.156 Doch in Nürnberg führten die Proteste zu einer zweiten Verhandlung des Stadtrats über eine Einstellung der städtischen Zahlungen innerhalb kurzer Zeit. Sie eröffneten so die Möglichkeit, das bereits aus anderen Gründen beste­ hende Vorhaben wieder aufzugreifen, das DAI in eine städtische Kultur­ einrichtung zu integrieren. Seitdem Hermann Glaser 1964 das städtische Schulund Kulturreferat übernommen hatte, war diese Möglichkeit immer wieder ins Gespräch gekommen. Durch die geschickte Verknüpfung des DFU-Antrags vom Sommer 1970 mit der Frage nach der generellen Zukunft des DAI - eine Frage, die an und für sich nichts mit dem Antrag zu tun hatte - konnte ein Stadt­ ratsbeschluss herbeigeführt werden, der den seit 1968 ruhenden Beschluss, über eine mögliche Integration des DAI in das städtische Bildungszentrum zu bera­ ten, wieder aufnahm. Insgesamt stellte der Beschluss von 1970 jedoch nur ein Teilelement der städtischen Kulturpolitik gegenüber dem DAI dar.

152 StadtAN E 6/799 Nr. 191, Flugblatt der DKP: „Nürnberg, die festliche Dürerstadt, die kein Geld für ihre Kinder hat“, undatiert, mit handschriftlichem Vermerk: 1971. Neben den Aus­ gaben für das DAI wurden der geplante Neubau des Polizeipräsidiums bemängelt, die hohen Ausgaben für das Dürer-Jahr 1971, die Kosten für die Wehrpflichterfassung und für das Amt für Zivilschutz. 153 „Zuschüsse einstellen!“, in: FT vom 10. April 1971; „Falken an OB: Amerikahaus-Zuschuß streichen!“, in: AZ vom 13. April 1971; „Falken: Kein Zuschuß für Amerikahaus“, in: NN vom 15. April 1971. ,M Giicher-Holtey (wie Anm. 112), S. 38. 155 Pyka (wie Anm. 4), S. 32. In Tübingen forderte die DKP allerdings nicht wie in Nürnberg den Rückzug der Stadt aus der Finanzierung des DAI, sondern die Umwandlung des Hauses „in ein Kulturzentrum, im Dienste des Friedens und der Völkerverständigung, unter Verwaltung der Stadt Tübingen“, siehe ebd. S. 32f. 136 Robert Koenig: Amerika Haus 1945-1995. The First 50 Years, Bonn 1995, S. 13.

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Gründung und Krise des Deutsch-Amerikanischen Instituts

Konkurrenz: Städtische Kulturpolitik Bei den Verhandlungen über eine Umwandlung des Amerikahauses in ein binationales Institut war vereinbart worden, dass der jeweilige Schul- und Kulturreferent (Referat IV) der Stadt Nürnberg einen Sitz in der Vorstand­ schaft haben würde. Damit stand er in engster Verbindung zum DAI und konnte im Rahmen der durch die Satzung festgelegten Möglichkeiten direkten Einfluss nehmen. Der seit 1964 amtierende Leiter des Referats IV, Hermann Glaser,157 regte bereits bei seiner ersten Teilnahme an einer Vorstandssitzung des DAI eine stärkere Koordinierung zwischen der Arbeit des Instituts und dem städtischen Kulturprogramm an, um Programmüberschneidungen mit anderen Institutionen zu vermeiden, überflüssige Ausgaben zu reduzieren und so freiwerdende Mittel anderswo sinnvoll einsetzen zu können.158 Auch eine stärkere Schwerpunktsetzung sei wünschenswert - und der Schwerpunkt des DAI sei nun einmal deutsch-amerikanisch. Damit legte Glaser in wenigen Sätzen einige Grundzüge seiner generellen kulturpolitischen Vorstellungen dar, die er am 28. Oktober 1964 ausführlich vor dem Stadtrat erläuterte und zur Diskussion stellte.159 Schul- und Kulturverwaltung sollten sich nach Glaser an bildungsökonomi­ schen Überlegungen orientieren: Ein Höchstmaß an Nutzwirkung würde erreicht durch eine geistige wie organisatorische Flurbereinigung\ durch die Vermeidung von Mehrgleisigkeit und Verzettelung, durch die Bildung von Schwerpunkten [...] Vor dem Wort Kulturplanung darf man dabei nicht zurückschrecken.160 Seine eigene Aufgabe als Kulturreferent begriff Glaser als Koordinierung aller Einrichtungen in sachlicher wie organisatorischer Hin­ sicht und entwickelte daraus einen veränderten, auf die Person des Referenten ausgerichteten Ansatz für die Struktur des Referats IV.161 Im Mittelpunkt seiner Planungen stand die Ausweitung der Volkshoch­ schule zum Bildungszentrum (BZ),162 das federführend für überregionale Auf­ gaben sein sollte, die Nürnberg in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik und

157 Glaser prägte nicht nur das Nürnberger Kulturleben entscheidend, sondern galt in der gesam­ ten Bundesrepublik als bedeutender Experte auf dem Gebiet kommunaler Kulturpolitik und als „Vordenker und Motor in Sachen soziokultureller Experimente“, siehe „Hermann Glaser“, in: Internationales Biographisches Archiv 2/1990. 158 StadtAN E 6/799 Nr. 79, Protokoll der Sitzung der Vorstandschaft des DAI vom 21. Mai 1964. 159 StadtAN C 85/III Nr. 40, Strukturplan, Anlage 19 zum Protokoll der 82. Sitzung des Stadtrats vom 28. Oktober 1964. 160 Ebd. S. lf. 161 Ebd. S. 4-6. 167 Ebd. S. 1 lf.; für Strukturschema und Aufgabenstellung des geplanten BZ siehe ebd. S. 14-17.

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darüber hinaus in der Weltöffentlichkeit einen gebührenden Platz verschaf­ fen,163 Gegenüber dem DAI, das ebenfalls dem Bereich der Erwachsenen­

bildung zugerechnet werden kann, hatte die VHS bzw. das geplante BZ den Nachteil, über keinen zusammenhängenden Gebäudekomplex zu verfügen. Als Fernziel formulierte Glaser dementsprechend eine Verlagerung der wich­ tigsten Einrichtungen und Veranstaltungen in ein Gebäude.164 Glasers Ansatz mit der starken Betonung von Koordinierung musste not­ wendigerweise auch die nicht-kommunalen Kulturanbieter einbeziehen, mit denen die Stadt auf vielfältige Weise, nicht zuletzt finanziell, verbunden war, wollte er die oben genannte Flurbereinigung erreichen. Zwar begrüßte er grundsätzlich kulturelle Initiativen von Vereinen, Gesellschaften, etc. und betonte ihre Bedeutung für ein breites kulturelles Panorama der Stadt. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Stadt an solchen Kulturträgern, zu denen auch das DAI zählte, sah er jedoch sehr eingeschränkt. In Fortführung der bisheri­ gen Praxis ist es auch möglich, diese Einrichtungen in kleinerem Umfang zu bezuschussen, wenn der Beweis erbracht ist, daß die Hauptlast der Aufwen­ dungen von der betreffenden Einrichtung selbst getragen wird. Es kann jedoch nicht der Sinn außerstädtischer Einrichtungen sein, Programme und Tätig­ keiten zu entwickeln, deren Hauptfinanzierung dann von der Stadt getragen wird. Sonst müßte nochmals etwas subventioniert werden, was im Rahmen der pluralistisch konzipierten städtischen kulturellen Einrichtungen sowieso durch­ geführt wird bzw. durchgeführt werden kann.165 Schon durch den von Glaser verwendeten Terminus „integrierte Einrichtun­ gen“ wird deutlich, welche Funktion Glaser nicht-städtischen Kultureinrich­ tungen zudachte. Sie sollten weder das städtische Kulturbudget belasten noch ein Programm anbieten, das kommunale Einrichtungen selber leisten konnten. Vielmehr wollte Glaser die Position der städtischen Einrichtungen weiter aus­ bauen und andere allenfalls integrieren. Die sich daraus ergebende Möglichkeit einer zumindest partiellen Kontrolle auch über nicht-städtische Kulturanbieter begründete Glaser mit dem am Anfang des Strukturplans hervorgehobenen Konzept der Bildungsökonomie: Diese Eingliederung hat dann so zu erfolgen, daß sowohl Name wie Organisationsform der betreffenden Einrichtung weit­ gehend erhalten bleiben, jedoch in der Programmgestaltung eine klare Koordi­ nierung mit dem Gesamtprogramm des Bildungszentrums (zur Vermeidung von Mehrgleisigkeit etc.) erfolgt.166

Ebd.S. 13. IM Zur Raumlösung siehe ebd. S. 18f., Hervorhebung im Original. 165 Ebd.S. 19. Ebd. S. 20.

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Gründung und Krise des Deutsch-Amerikanischen Instituts

Der Stadtrat billigte Glasers Strukturplan trotz 15 Gegenstimmen und über­ gab die weitere Behandlung der einzelnen Punkte in die zuständigen Aus­ schüsse, um zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Beschlüsse des Stadt­ rats herbeiführen zu können.167 Schon in der Sitzung der DAI-Vorstandschaft im Mai 1964 hatte sich ange­ deutet, dass Glaser das Institut gerne als eine solche integrierte Einrichtung gesehen hätte. Das DAI wurde zwar nicht mehrheitlich von der Stadt finan­ ziert, trug aber weder durch eigene Einnahmen nennenswert zu seinem Unter­ halt bei, noch bot es ein Programm, das nicht theoretisch auch von städtischen Einrichtungen hätte durchgeführt werden können, wie Glaser in seinem Struk­ turplan gefordert hatte. Dass das DAI dementsprechend unter die „Flurberei­ nigung“ fiel, zeigte sich kurz nach Glasers Amtsübernahme: Ich habe Herrn Dir. A [den Oberbürgermeister, R.K.] schon bei anderen Gelegenheiten darauf aufmerksam gemacht, daß eine Integration des Deutsch-Amerikanischen­ instituts als eigene Abteilung in das Bildungszentrum eine wesentlich sinn­ vollere Verwendung der Mittel ermöglichte.16S Der stellvertretende Leiter der VHS, Paul Dreykorn, stieß ins gleiche Horn und regte ein Institut für kultu­ relle Auslandsbeziehungen am BZ an, in dem alle Gemeinschaftsveranstaltun­ gen des BZ mit binationalen Einrichtungen zusammengefasst werden sollten, für die dann eine direkte Bezuschussung hinfällig wäre.'b0.5.89

siehe Rtlckselte

Beobachtimgspian vorhanden» Ja (echriftlich)

Karteikarte (Vorderseite) der Abteilung VIII der Bezirksverwaltung Gera, die seit 1955 u.a. für die Beobachtung, Ermittlung und Festnahme von Personen zuständig war. (BStU Außenstelle Gera)

30 MfS, BV Gera ZMA „Partner“ Reg. Nr. VIII 62/89, Bl. lff. ** MfS (wie Anm. 30), Bl. 3.

500

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Die Städtepartnerschaft Nürnberg-Gera

Teilnahme an der op. Beobachtungt

Einsatz PKW* Masklerungsrarianten;

Gen. Gen. Gen.

Wolke 882

Weller 1/1/10 HUttig 1/1/10 Dietrich 1/1/10

Gen. HShle 1/1/10 Gen. KelSner 1/1/10 Gen. Bornhold1/1 /10

Eingesetzte op. Technik; 3 Ü-PKW mit Pank USB 600 polz. Kenn*. WJ 09-57 BZ 08-28 5 1 2 2 2 1 2 5

Lada Wabu Lada Handfunkgeräte Typ DPT 721 StQtspkt. Funkstation Weller offis. Kamera (Mtl 5,EB 3) HShle.Dietrich TeleobJ. ( 300,500) Umhängetaschen mit Robot HUttig,Meißner Bekleid.-Poto (Montanahemd) Bornhold DP Cede (413)

Wolke 885 Wolke 878

- GV

U~t '

-----

- »Partner" unter Kontrolle gehalten - Kontakte zw. DDR-Bürgern u. der Reisegruppe festgestellt n. aufgeklärt.

Potodokumentation; Bild 1,6,9 Bild 2,4,5,6,7 Bild 3,14,15, 18,19,20

Gen. Meißner(Uaht.Robot) Gen. HUttig ( • ) Gen. Bornhold (Montanah. Robot )

Bild 10,11,12,13, 16,17,21-33

Gen. Dietrich (offii.K. 500 Tele )

Verbindungen/Anlaufstellent Eingesetzte persSnliche Veränderonganittel: -persönl. Wechselbekleidung eingesetzt Gen.HUttig,Meißner -Montanahemd Gen. Bornhold

V Dietrich Meißner HUttig V Meißner HUttig 7 HShle Bo» h 9 d

{

ME 52-44, IZ 37-39, KL? 3-79 WK 69-50, TG 15-55, HD 24-69 10 37-17, 10 83-52, IT 4b-99

t

NM 43-53, HB 19-44, HKB 3-12 TP 89-30

TZ* 9-63

NNOU-Ol

Rückseite der links abgebildeten Karteikarte.

Der später gefertigte Beobachtungsbericht hält Minute für Minute fest, wo ich mich gerade befand und was ich tat. Und das liest sich so: 10.12 Uhr fuhr der Sonderzug aus Nürnberg auf Bahnsteig 3 ein. Aus dem Wagen Nr. 5 stieg „Partner“ aus - das war der sehr sinnige Deckname, den die Stasi sich für mich ausgedacht hatte. Als Beiwerk trug er einen kleinen schwarzen Lederkoffer. 10.16 Uhr verließen „Partner“ und die Reisegruppe den Bahnhof durch den Hauptausgang. Anschließend nahm er in dem bereitgestellten Bus Nr. 8 Platz. 10.32 Uhr fuhren die Busse vom Bahnhof ab. Bus Nr. 8 hielt 10.34 Uhr in der Fredericistraße in Höhe der Teppichfabrik. „ Partner“ und eine weitere männliche Person verließen den Bus, wobei „Partner“ seinen kleinen schwarzen Leder­ koffer bei sich trug. Beide Personen begaben sich zum Interhotel Gera, welches sie 10.36 Uhr betraten,32 Und so ging das weiter bis zur Abfahrt des Sonder­ zugs am Abend um 19.22 Uhr. Viel Aufmerksamkeit wurde auch denjenigen Nürnberger Bürgern zuteil, die schon am Bahnhof von Verwandten oder Freunden aus Gera erwartet und in deren privaten Kraftfahrzeugen mitgenommen wurden. Die Kfz-Kennzei32 MfS (wie Anm. 30), Bl. 8ff.

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chen der betreffenden Autos und die Autohalter wurden von der Stasi sorgfältig registriert und auch fotodokumentarisch festgehalten.33 Die Bilanz, die die Stasi in einer so genannten Deliktspezifischen Einschät­ zung meines eintägigen Aufenthalts in Gera zog, enthielt eigentlich kaum etwas, um nicht zu sagen nichts, was SED und Stasi um den Bestand der DDR bangen lassen mussten.34 Die uns allzeit unterstellten finsteren Absichten, die DDR als Staat untergraben und agitatorisch eine Art Klassenkampf gegen das politische System führen zu wollen, waren so jedenfalls zu keinem Zeitpunkt gegeben. Jahrhunderte gemeinsamer deutscher Kultur und Geschichte Unsere Bemühungen setzten auf einer anderen Ebene an. Wir wollten den Partnern in Gera nahe bringen, dass uns nicht nur etwas trennt, sondern auch viel miteinander verbindet: Jahrhunderte gemeinsamer deutscher Kultur und Geschichte, wie sie in Nürnberg besonders auch das Germanische National­ museum immer neu in unserem Bewusstsein verankert. Und dementsprechend gestalteten wir auch unsere Begegnungen mit den Partnern aus Gera, wie ich Ihnen anhand des Besuchs der Geraer Delegation im Juli 1988 darstellen möchte. Die Vertragsverhandlungen waren in diesen Tagen endgültig abgeschlossen worden, und der Städtepartnerschaftsvertrag schien endlich in trocknen Tüchern. Zum Abschluss des Besuchsprogramms luden wir unsere Partner zum Abendessen in die Gaststätte Rottner ein. Und anschließend fanden wir uns zum Ausklang noch im Wirtsgarten zusammen. Wir hatten Kurt Knippschild35 gebeten, uns auf seinen historischen, alten Instrumenten aufzuspielen. Es war ein lauer Sommerabend, der große Nussbaum in Rottners Garten breitete seine Zweige über uns, in den Gläsern funkelte fürstlicher Franken­ wein aus Castell, als Konrad begann, alte deutsche Volkslieder zu intonieren. Da mag wohl einen Augenblick die bange Frage über die Gesichter unserer Gäste gehuscht sein, ob sich da etwas politisch Verwerfliches anbahne, aber dann fassten sie sich ein Herz und sangen mit uns - gemeinsam - die schönen Lieder: Am Brunnen vor dem Tore - Ännchen von Tharau ist’s, die mir gefällt - Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das uns’re weit und breit, wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit.

33 MfS(wieAnm. 30), Bl. 15ff. 34 MfS (wie Anm. 30), Bl. 14. 33 Genannt „Konrad, der Musikant“.

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Die Städtepartnerschaft Nürnberg-Gera

Sprache und Denkstrukturen als ideologische Brückenköpfe Die Gemeinsamkeiten unseres kulturellen Erbes sollten uns also einander näher bringen, verschüttete oder verdrängte Erinnerungen wieder wachgerufen werden. Welchen Stellenwert hatte aber die deutsche Sprache als verbindendes Element? Welche Bindungswirkung konnte man von ihr erwarten? Die Erfahrungen dieser Monate haben uns gelehrt, dass auch die Sprache selbst der SED und der Stasi dazu diente, Kontrolle auszuüben, sich abzu­ schirmen und all diejenigen auszugrenzen, die nicht den gleichen politischen Denkmustern verhaftet waren. So wurde beispielsweise jegliche, auch noch so milde Kritik am politischen System der DDR nicht nur für unerwünscht, son­ dern sogar für unzulässig erklärt. Kritische Einlassungen oder Nachfragen wurden sprachlich als Provokation bezeichnet und entsprechend eingeordnet. Im offiziellen Bericht der Geraer Delegation über ihren ersten Aufenthalt in Nürnberg im März 1988 ist so zu lesen: Insgesamt können wir einschätzen, dass der Oberbürgermeister und alle Fraktionen des Nürnberger Stadtrates zu einem konstruktiven Dialog bereit sind. Es gab während der Zeit unseres Auf­ enthaltes keinerlei Provokationen oder Versuche, sich in unsere inneren Ange­ legenheiten einzumischen und auch keine zufälligen Kontakte Wie ein roter Faden zog sich durch fast alle Berichte die offenbar stets mit großer Erleichterung getroffene Feststellung, man sei in den Gesprächen und Begegnungen keiner Provokation ausgesetzt gewesen. Nur ein einziges Mal wurden wir mit einer Klage über die „Provokation“ eines Nürnberger Delega­ tionsteilnehmers konfrontiert. Diese Provokation ließ sich der evangelische Dekan in Nürnberg, Reinhard Dobbert, zu Schulden kommen, als er während eines Friedensseminars in Gera im Frühjahr 1989 die Frage stellte, wann denn einmal ein Sonderzug mit Geraer Bürgern nach Nürnberg kommen würde. Diese „Provokation“ ließ die Gesprächspartner verstummen, verstimmt wand­ ten sie sich anderen Themen zu. Willy Prölß, damals als Bürgermeister der Stadt Nürnberg führend und maßgebend mit engagiert in der Entwicklung der Städtepartnerschaft, war durch ein solches Friedensseminar vor allem eines bewusst geworden, nämlich wie sehr sich auch die beiden Staaten in ihren Denkstrukturen und in der Sprache auseinander entwickelt hatten. „Als ich zum Beispiel von unserem demokrati­ schen Rechtsstaat sprach und dabei Regierung und Opposition erwähnte, fand ich bei unseren Gesprächspartnern kaum Verständnis. Der Begriff der Opposition

36 MfS, BV Gera ZMA KD Gera 003022, Bd. 2, Bl. 341.

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war bei ihnen mit einer Staatsfeindlichkeit gleichgesetzt. Die Unterschiedlich­ keit der Systeme hat sich eben auch in der Wortwahl und Begriffauslegung bemerkbar gemacht.“37 Wie sehr bisweilen geradezu eine Werteumkehrung in der Begrifflichkeit erfolgt ist, zeigt sich im Rechercheauftrag der Bezirksverwaltung für Staats­ sicherheit in Gera vom 19. November 1987. Dort heißt es: In Vorbereitung auf die politisch-operative Sicherung der Städtepartnerschaft Gera/Nümberg bitten wir Sie um Recherche und Mitteilung folgender Sachverhalte: Welche Feind-, Menschenrechts- oder Revanchisten-Organisationen bzw. welche Untergliede­ rungen dieser Organisationen haben ihren Sitz in Nürnberg? Welche Personen daraus sind namentlich bekanntf38 Menschenrechtsorganisationen stehen hier in einer Reihe mit Feind- und Revanchisten-Organisationen! Zwar hatte sich die DDR in der Schlussakte von Helsinki offiziell auch zu den Menschenrechten bekannt, in der Praxis jedoch wurden überall dort, wo die allgemeinen Menschenrechte der politi­ schen Praxis des SED-Systems widersprachen, diese umgehend begrifflich ins Negative gewendet. Das ganze Elend mit der unterschiedlichen inhaltlichen Bewertung von Begriffen war übrigens auch bei den Vertragsverhandlungen zu Tage getreten. Die Nürnberger Seite hatte als Formulierung vorgeschlagen, dass sich beide Städte zu einem kontinuierlichen freien Meinungsaustausch bekennen sollten. Gegen einen „freien“ Meinungsaustausch wehrte sich aber die DDR-Seite mit aller Entschiedenheit. Ganz offensichtlich hatte der Begriff „frei“ etwas Anarchi­ sches, Umstürzlerisches, womöglich gar Kapitalistisches an sich. Angesichts der kategorischen Ablehnung eines freien Meinungsaustausches einigte man sich als Kompromiss schließlich auf einen offenen Meinungsaustausch.39 Die Freiheit der Gedanken Wenn schon keine Meinungsfreiheit, so doch Gedankenfreiheit - das war die trotzige Gewissheit, die unterdrückten Menschen zu allen Zeiten ein Stück ihrer Menschenwürde bewahrte. Während der Metternichschen Repression, aber auch schon vorher und danach sangen die Menschen in ihrer Bedrängnis das Lied: „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, / sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten. / Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen / Mit Pulver und Blei. / Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!“

37 Willy Prölß, Friedensgespräch in der Partnerstadt Gera, Zuschrift vom 26.7.2004. 38 MfS, BV Gera ZMA KD Gera 003022, Bd. 1, Bl. 28. 39 Siehe Anm. 26.

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Die Städtepartnerschaft Nürnberg-Gera

Wie sehr aber Freiheit der Gedanken ohne Freiheit der Meinungsäußerung auf Dauer zu einer psychisch kaum verkraftbaren Belastung wird, haben uns zwei junge Kruzianer, also Mitglieder des Kreuzchores in Dresden, gelehrt, die im letzten Jahr vor der Wende bei einer Auslandstournee in die Bundesrepublik geflüchtet waren, wo sie beim Windsbacher Knabenchor Zuflucht fanden. Dort wurden sie von Journalisten über den Grund ihrer Flucht befragt. Sie ant­ worteten: Sie seien geflohen, weil sie das Zwieleben in der DDR nicht mehr ausgehalten hätten. Auf die Rückfrage, was denn ein Zwieleben sei, antworteten sie: Immer anders sprechen zu müssen als man denkt. Es ist aber auch die Freiheit der Gedanken selbst, die zu verkümmern droht, wenn sie nicht vom freien Austausch der Meinungen und Standpunkte genährt, wenn sie nicht von einer in demokratischer Pluralität sich entfaltenden Presse und Literatur, Theater und Film, Kunst und Wissenschaft gespeist wird. Wenn darüber hinaus so intensiv versucht wird, Sprache für ideologische und politi­ sche Zwecke zu instrumentalisieren, dann wird auch auf die Denkstrukturen prägender Einfluss genommen. Je länger Menschen in ganz unterschiedlichen politischen Systemen zu Hause sind, umso mehr divergieren also auch ihre

Es ist vollbracht: Das Partnerschaftsschild wird von Bürgermeister Willy Prölß (links) und Ober­ bürgermeister Horst Jäger (Mitte) angebracht. (Stadt AN A 54 L 5192/F2/24)

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Bahnen des Denkens. Ist es schon nicht einfach, ganz unterschiedliche Lebens­ verhältnisse im sozialen, ökonomischen und ökologischen Bereich auszuglei­ chen - worauf Bundespräsident Horst Köhler dezent hinzuweisen sich heraus­ genommen hat -, so ist womöglich die Angleichung der Denkstrukturen und Mentalitäten sowie das Finden einer gemeinsamen Sprache noch schwieriger und langwieriger. Unsere Verpflichtung Gefordert ist in Deutschland also Geduld und langer Atem, aber auch die feste Entschlossenheit, die vor uns liegenden Aufgaben anzupacken und den Pro­ zess der Vereinigung mit Rat und Tat zu fördern, auf dass zusammenwächst, was zusammen gehört in Deutschland und in Europa.

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BUCHBESPRECHUNGEN Quellen und Inventare .............................................................................................. Topographie, Stadtteile und Landgebiet ................................................................... Politische Geschichte, Recht und Verwaltung ......................................................... Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine............................................................... Kunst........................................................................................................................... Kultur, Sprache, Literatur, Musik.............................................................................. Kirchengeschichte...................................................................................................... Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik ........................................................... Personen und Familien..............................................................................................

507 510 524 528 541 562 570 573 575

Quellen und Inventare Peter Rückert (Bearb.): Alles gefälscht? - Verdächtige Urkunden aus der Stauferzeit. Archivale des Monats März 2003 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. (Eine Publikation der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg). Stuttgart: Kohlhammer 2003, 67 S. € 12,-. Das Bändchen ist ein kleiner Katalog zu einem stets aktuellen Thema. Das Haupt­ staatsarchiv in Stuttgart präsentierte im März 2003 im Rahmen seiner Reihe „Archivale des Monats“ verschiedene Fälschungen des Mittelalters. Diese Ausstellung wurde noch einmal in der Langen Nacht der Museen am 29. März 2003 gezeigt. Aufgrund der großen Nachfrage erstellte die Archivverwaltung nachträglich einen Katalog, den in kundiger Weise Peter Rückert bearbeitet hat. Das Bändchen richtet sich mithin an einen breiten Interessentenkreis und kann deshalb auch nur mit einigen kurzen anfänglichen Bemer­ kungen zu den Fälschungen im Mittelalter Stellung nehmen. Dies geschieht zunächst mit einigen kurzen hilfswissenschaftlichen Eingrenzungen zum Fälschungsbegriff, sodann aber auch in Bezug auf die jeweils möglichen Fälschungsmotive und die verschiedenen Arten der Fälschungen. Der Wert des Bandes liegt vor allen Dingen in der Bereitstellung zahlreicher Bei­ spiele, die allesamt aus dem südwestdeutschen Raum stammen. Eine kleine Karte (S. 9) zeigt die Orte, an denen so genannte „Fälscherwerkstätten“ des Hochmittelalters im südwestdeutschen Raum ausgemacht wurden. In der Folge werden verschiedene Doku­ mente vorgestellt und kundig kommentiert. Leider ist bei manchen Abbildungen die Verkleinerung so stark, dass nur noch mit Lupe der Text erkannt werden kann. Insge­ samt handelt es sich jedoch um hervorragende Abbildungen, die nicht nur einem inte­ ressierten Publikum dienlich sind, sondern im Einzelfall auch im akademischen Unter­ richt einzusetzen sind. Interessant sind auch die vielfältigen Fälschungsmotive, ganz besonders häufig beziehen sie sich auch auf die Ursprünge geistlicher Institutionen, weil man oftmals aus der Rückschau die Anfänge des eigenen Klosters oder des eigenen Bistums verklärte. Ein Kurzverzeichnis bietet die wichtigste herangezogene Literatur; außerdem ist dem kleinen Band sogar ein nützliches Orts- und Personenregister bei­ gefügt. Klaus Herbers

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Reinhard Hildebrandt (Hg.): Quellen und Regesten zu den Augsburger Handels­ häusern Paler und Rehlinger, 1539-1642. Wirtschaft und Politik im 16./17. Jahrhun­ dert, Teil 2: 1624-1642 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 19,2). Stuttgart: Steiner 2004. 316 S. mit 2 Kt. € 68,-. Im zweiten Band der Edition stehen die privaten Geld- und Kreditgeschäfte des Marx Conrad Rehlinger und sein politisches und finanzielles Engagement auf antihabsburgischer Seite im Mittelpunkt. Er bietet vor allen Dingen aus unternehmens­ interner Sicht wertvolle Informationen und Einzelbausteine, die bei einer Monographie über den Dreißigjährigen Krieg viele Aspekte neu beleuchten könnten. Das Quellen­ material stammt aus 15 in- und ausländischen Archiven und Bibliotheken. Die lediglich rund 25-seitige Einführung ist gegliedert in .Forschungsstand“, .Marx Conrad v. Reh­ lingen: Politik und Geschäfte“ sowie ,Die Quellen: Überlieferung-Auswahl-Bearbei­ tungsgrundsätze“. Bei allen Verdiensten des Autors sind bei der Edition doch erhebliche, vor allen Din­ gen methodische und inhaltliche Schwächen nicht zu übersehen. Zunächst fällt auf, dass ergänzende Quellen aus den Nürnberger Archiven (gilt z.B. auch für Frankfurt und Hamburg) nicht herangezogen wurden. Um so wichtiger wäre es gewesen, die ihm zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse aus der Literatur und den Quellen (StadtAN Av (Dienstbibliothek) [neue Signatur] 7129.4 (1-3), Nürnberg, Hamburg, Amsterdam) erschöpfend auszuwerten. Schließlich war Nürnberg hinsichtlich Produk­ tion, Handel und Finanzen der zentrale Wirtschaftsstandort in Deutschland, vielleicht sogar Europas und bezüglich Rehlingers Geschäftspartner ein sehr wichtiger Knoten­ punkt. Das tut Hildebrandt leider nicht, er berücksichtigt die vorliegenden For­ schungsergebnisse sowohl in der Einleitung als auch im Darstellungsteil kaum, sondern verweist sie, inhaltlich sehr verkürzend, ja verzerrend, und damit die methodischen Ansätze und Forschungsergebnisse verschleiernd, in den Fußnotenapparat (z.B. S. 25, Fn. 59). Um Nürnberg macht der Autor regelrecht .einen Bogen“. Das gilt besonders für die Beziehungen Rehlingers zur hiesigen italienischen und niederländischen Kolonie. Die kaum nachvollziehbaren Schwächen des Buches lassen sich beispielhaft an Karte 1 und Grafik 1 (S. 280, 282) aufzeigen. Zu Karte 1: Wer nur halbwegs mit dem interna­ tionalen Kupferhandel vertraut ist und weiß, dass Rehlinger daran maßgeblich beteiligt war, dem drängen sich die genannten Orte förmlich auf. Was hier die Kenntnis wesent­ lich erweitert hätte, wären Zahlen darüber, in welchem Umfang die Waren- und Geld­ ströme aus welchen Gründen über welche Geschäftspartner wohin flössen. Die Beträge sind aber nicht ausgewiesen, folglich auch nicht begründet, obwohl Hildebrandt die Summen aufgrund der Quellen hätte errechnen können. Er löst damit den auf S. 20 for­ mulierten Anspruch selbst nicht ein. Analog gilt das auch für Karte 2. Grafik 1 (es gibt nur eine): Zunächst fasst er u.a. die Aktivbestände Rehlingers in Deutschland und der Schweiz zusammen, was aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen gerade für den Zeitraum 1629-1642 in einzelnen Städten (Hamburg - Augsburg/Nürn­ berg) schon methodisch unsauber ist. Wie Hildebrandt an die Zahlen kommt, die dem Flächendiagramm zugrunde liegen, wird im gesamten Band nicht nachgewiesen.

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MVGN 92 (2005) Quellen und Inventare In beiden Fällen wird Hildebrandt Opfer seiner eigenen mangelhaften Quellen­ aufbereitung. Mal werden in den Quellen bei den Transfers sowie der Aufzählung der Aktiva und der Passiva die Summen ausgewiesen, mal nicht (auch innerhalb einer Quelle unterschiedlich, z.B. Nr. 392, 402, 493, 596, 598), wobei nicht immer klar wird, ob sie, sind sie denn gezogen, aus den Quellen stammen oder vom Editor errechnet wurden. Eine Systematik ist nicht zu erkennen. Da sie für die Grafik aber gleichwohl ermittelt werden mussten, bleibt unklar, warum sie in den Quellen nicht durchgängig ausgewiesen wurden. Dasselbe gilt für die Herkunftsorte der Geschäftspartner. Die Firma Lumaga Frankfurt zuzuordnen, mag hinsichtlich des Zahlortes zutreffend sein (S. 155), Standort war aber Nürnberg. Was völlig fehlt, ist eine Begründung für die Flächenverläufe und ihr innerer Zusam­ menhang. Sind diese aus Literatur oder Quellen nicht herzuleiten, so ist es ureigenste Aufgabe einer Quellenedition, auf Forschungsdesiderate aufmerksam zu machen und Hypothesen zu bilden, an denen sich die kommende Generation abarbeiten kann. Auch sie fehlen. Dabei wären zumindest für Deutschland wichtige Indizien aufzuzeigen gewesen. Der Abwärtstrend im Jahre 1632 (bis 1635) ist mit Sicherheit in erster Linie auf die verheerenden Folgen der Pest in Nürnberg und Augsburg zurückzuführen (für Nürnberg: Walter Bauernfeind, Materielle Grundstrukturen, Nürnberg 1993, für Augs­ burg: Barbara Rajkay, Bevölkerungsentwicklung). Die etwas flappsigen Ausführungen von Hildebrandt auf S. 15 zu den Auswirkungen der Seuchen helfen nicht weiter. Es ist hier ohne Belang, wie hoch man die Seuchenopfer für einzelne Regionen oder für Deutschland insgesamt einschätzt (sehr gute Abwägung der unterschiedlichen Bewer­ tungen bei: Manfred Vasold, ZBLG, 56, Heft 1), ob man sie - direkt oder indirekt - dem Kriegsgeschehen zurechnet oder nicht. Gesamtwirtschaftlich und für Rehlinger waren die Pestzüge der 1630er Jahre in Nürnberg und Augsburg von höchster Bedeutung. Sie werden von Hildebrandt nicht gewichtet. In der gebotenen Kürze kann hier nur noch auf einige Punkte kurz eingegangen werden. Es ist durchaus eine zulässige Methode, den Konjunkturverlauf anhand des Geschäfts der großen Messen (Frankfurt/Main - Leipzig) oder der Umsatzentwicklung auf regionalen und lokalen Märkten nachzuweisen (S. 19). Gleichwohl zäumt man damit das Pferd von hinten auf. Dem Handel geht die Produktion voraus. Der Fokus hätte sich also in diesem Fall auch und in erster Linie auf die Ganzjahresstandorte Nürnberg und Augsburg legen, die dortigen Produktionsmöglichkeiten und den Nach­ frageumfang ausloten müssen. Das ist leider nicht erfolgt (s.o.). Ein zentraler methodischer Ansatz zur Durchleuchtung von wirtschaftlichen Bezie­ hungen ist die Bildung von Netzwerken. Es hätte sich in der Edition geradezu angeboten, die Transfers von Rehlinger mit einzelnen Geschäftspartnern und Städten alphabe­ tisch, örtlich, zeitlich und quantitativ zu ermitteln, zu bewerten und in einer Grafik oder Tabelle grafisch zu veranschaulichen. Dieser Versuch ist hier unterblieben; der Benutzer bleibt ohne systematische und analytische Aufarbeitung alleine gelassen. Das­ selbe gilt hinsichtlich einer modernen Ansprüchen genügenden Bilanzanalyse. Schwach begründet ist auch die Charakterisierung der Geldanlagen in die niederländischen

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Kompagnien als Kapitalflucht, erst generell (S. 18), dann eingeschränkt auf Rehlingers Finanzpolitik (S. 23) bezogen. Nicht thematisiert wurde auch das Verhältnis von Wech­ selzahlungen zu Bargeldtransporten (u.a. Nr. 501), entkoppelt wurden die Finanz- von den dahinterstehenden Warenströmen. Wenn ein zukünftiger Benutzer nach den Belegstellen von z.B. ,Kupferproduk­ tion/Kupferhandel (Neusohl), (Mansfeld), (Schweden)“, .Kupfermarkt“ (Nürnberg) sucht, er wird sich mühsam das ganze Buch neu erschließen müssen; sucht er nach Indi­ zierungen zu .Geld- und Wechselverkehr“, - nach Aussagen des Fierausgebers ein zentrales Thema (S. 11) - wird er wieder enttäuscht werden und sich - zum zweiten Mal - mühsam das ganze Buch neu erschließen müssen; sucht der Benutzer nach ,Pest (Aus­ wirkungen in Nürnberg/Augsburg und damit für ganz Europa)“, er wird aus demselben Grund sich - zum dritten Mal - mühsam das ganze Buch neu erschließen müssen, und - bleibt diesmal außerdem gänzlich ohne Ergebnis, und so weiter und so weiter: Ein Sachregister fehlt! Und das bei den heutigen technischen Möglichkeiten, der vorhande­ nen Zeit, die dem Editor zur Verfügung stand (Akademie-Jahr der VW-Stiftung), den verfügbaren Fremdmitteln (VW-Stiftung, DFG) und dem Hilfspersonal. Welche Opfer die Familie (Vorwort, S. 13) hat erbringen müssen, weiß man nicht, die eigentlich Leid­ tragenden jedenfalls werden die zukünftigen Benutzer sein. Die folgenden Unzulänglichkeiten sind im Vergleich mit diesen schwerwiegenden Mängeln von marginaler Bedeutung: Hildebrandt zitiert auf S. 23 .Ernstberger, Hans de Witte“, im Literaturverzeichnis führt er den Titel nicht auf; dasselbe gilt für seinen eige­ nen Aufsatz: .Unternehmensstrukturen im Wandel“ (S. 35); die alphabetische Reihen­ folge im Literaturverzeichnis (S. 299) weist Mängel auf; der von ihm (nicht in den Quel­ len) benutzte Ausdruck .Unkosten“ ist sprachlogisch widersprüchlich (S. 392), die Nürnberger Firma heißt Scherl und nicht Schrell (S. 86). Fazit: Spürbar und nachweisbar hatte der (selbstgesetzte?) Publikationstermin Vor­ rang vor einer gründlichen Aufbereitung, systematischen Durchdringung und ernsthaf­ ten Interpretation der Quellen. Die Arbeit erreicht deshalb über weite Strecken leider nicht den Standard, den man von einer Publikation in dieser renommierten Reihe erwartet. Lambert F. Peters Topographie, Stadtteile und Landgebiet Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte. Hrsg, von Johannes Merz und Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3). München: Kommission für bayerische Landesgeschichte 2004. X, 326 S. mit Abb. und Kt., 4 Kt.-Beil. € 12,-. Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Hrsg, von Wolfgang Jahn, Jutta Schuhmann und Evamaria Brockhoff. Katalog zur Landesausstellung 2004, Pfalzmuseum Forchheim, 11. Mai bis 24. Oktober 2004 (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 47). Augsburg: Haus der Bayerischen Geschichte 2004. 352 S. mit zahlr. Abb. € 29,90.

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet Edel und Frei - Franken im Mittelalter. Die CD-ROM zur Ausstellung (Historiker­ werkstatt 2004,1). Augsburg: Haus der Bayerischen Geschichte 2004. 1 CD-ROM €4,-. Große Geschichtsausstellungen bieten nicht nur dem Besucher eindrucksvolle Erlebnisse, sondern bereichern auch das historische Schrifttum. Ein Beispiel hierfür ist die vom Haus der Bayerischen Geschichte ausgerichtete letztjährige bayerische Landes­ ausstellung in Forchheim „Edel und frei - Franken im Mittelalter“, die nicht weniger als vier gedruckte oder elektronische Veröffentlichungen zur Folge hatte: neben dem Aus­ stellungskatalog einen Tagungsband und zwei CD-ROMs. Die Vorträge einer im Vorfeld der Ausstellung veranstalteten Tagung in Forchheim am 6.-8.11.2003 dokumentiert der von Johannes Merz und Robert Schuh herausgege­ bene Sammelband „Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte“, München 2004. In den drei in ihrer Abgrenzung nicht ganz überzeugenden Teilen „Siedlungs- und Verfassungsgeschichte“, „Aspekte der Geistes-, Kultur- und Sozialgeschichte“ und „Franken von den Rändern her“ bemühen sich die 17 Autoren um Annäherungen an den außergewöhnlich schillernden Begriff „Franken“ (mit seinem Bedeutungsumfang vom Reich Karls des Großen bis zum Hochstift Würzburg) und seine Umgrenzung und inhaltliche Konkretisierung für die Zeit von der Völkerungswanderzeit bis zum Ende des Mittelalters. Da eine detaillierte Besprechung der einzelnen Beiträge sich an dieser Stelle von selbst verbietet, sei hier nur ein grober Überblick gegeben. Die ersten beiden Beiträge -Jochen Haberstroh „Siedlungsgeschichtliche Entwick­ lungen im frühmittelalterlichen Franken in archäologischer Sicht“ und Robert Schuh „Die germanisch-deutsche und slawische Besiedlung Frankens im Lichte der Orts­ namen“ reichen fachwissenschaftlich und zeitlich über die thematische Begrenzung auf die mittelalterliche Geschichte Frankens hinaus. Beide müssen aber auch darauf hinweisen, dass für ihre Fachgebiete die Grundlage einer Analyse - die Dokumentation der Funde bzw. eine historisch-lexikalische Ortsnamendokumentation - noch fehlt. Einen Beitrag zur historischen Definitionen des Begriffs „Franken“ leistet Johannes Merz „Das Herzogtum Franken. Wunschvorstellungen und Konkretionen“, der institutionell einen engeren (Würzburg) und einen weiteren (Reichskreis) Frankenbegriff unterschei­ det. Auch der folgende Beitrag, Gerhard Lubich „Faktoren der politischen Raumord­ nung im früh- und hochmittelalterlichen Franken“, greift zunächst das Problem der räumlichen Abgrenzung des Begriffs „Franken“ auf, der sich in der Folge mehrerer Ausgrenzungen immer mehr eingeengt hat, um dann die politischen Bestimmungs­ faktoren dieses Raumes herauszuarbeiten. Diesen zweiten Aspekt verfolgen die drei folgenden Beiträge (Dieter J. Weiss „Reichsgewalt, Reichskirche und Adel in Franken vom Hoch- zum Spätmittelalter“, Klaus Rupprecht „Vom Landfriedensbündnis zur Adelseinung. Genossenschaftliche Organisationsformen im spätmittelalterlichen Fran­ ken“ und Wolfgang Wüst „Die politischen Kräfte am Übergang zur Neuzeit und ihre Fixierung im spätmittelalterlichen Franken“) zeitlich durch das Mittelalter hindurch bis zum Übergang zur Neuzeit.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Die Beiträge des zweiten Teils des Bandes - „Aspekte der Geistes-, Kultur- und Sozialgeschichte“ - lassen sich drei verschiedenen Themenbereichen zuordnen. Die soziale bzw. geistes- und kulturgeschichtliche Entwicklung einzelner rechtlich-gesell­ schaftlicher Gruppen und Institutionen behandeln Elke Goez „Die fränkischen Klöster zwischen kulturellem Transfer und regionaler Sinnstiftung“, Helmut Flachenecker „Landschafts- und Reichsbindung von Städten in Franken“ und Erwin Riedenauer „Die rechtliche und soziale Stellung der fränkischen Bauern im späten Mittelalter“. Nach Gemeinsamkeiten kultureller Außerungsformen in Franken suchen Karl Borchardt „Humanismus in Franken“ und Wolfgang Spind ler „Musikalisches Mittelalter in Franken“, während drei weitere Beiträge sich - analog dem Aufsatz von Johannes Merz im ersten Teil - der inhaltlichen Füllung des Frankenbegriffs in Literatur, Chronistik und Kunst widmen: Horst Brunner „Frankenlant hat eren vil. Franken und Fran­ kenbilder in der deutschen Literatur des Mittelalters“, Thomas Heiler „Das Franken­ bild in der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries“ und Erich Schneider „.Fran­ ken“ als Thema der mittelalterlichen Kunst“. Im letzten Teil „Franken von den Rändern her“ behandeln Miloslav Poli vka „Das Bild Frankens im spätmittelalterlichen Böhmen“ und Reinhard Seyboth „Franken in den politischen Konzepten der Wittelsbacher im späten Mittelalter“ die Außensicht auf Franken. Vier Kartenbeilagen („Bistumsgrenzen im mittelalterlichen Franken“, „Dialekträume in Franken“, „Die fränkische Städteland­ schaft um 1500“ und „-ungen-, -ing(en)- und -heim-Namen in Franken“) ergänzen den Band. Der Katalog zur Landesausstellung selbst (Edel und frei. Franken im Mittelalter. Hrsg, von Wolfgang Jahn, Jutta Schuhmann und Evamaria Brockhoff) enthält neben dem eigentlichen Katalogteil eine aus drei Aufsätzen bestehende wissenschaftliche Ein­ führung in das Thema. Wilhelm S t ör m er „Franken bis zum Ende der Stauferzeit“ gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte des heutigen Franken im Zusammenhang der Reichsgeschichte von der Völkerwanderungszeit bis in die Mitte des 13. Jahrhun­ derts, um dann auf die einzelnen Herrschafts-, Wirtschafts- oder Kulturträger - Bistümer und Domkapitel, Klöster, Adel und Grundherrschaft, Städte - einzugehen. Als zeitliche Fortsetzung dieses Beitrags beschreibt Rudolf Endres „Franken im Spätmittelalter“. Auch hier folgt einer Gesamtübersicht im Rahmen der Reichsgeschichte die Beschrei­ bung des Aufbaus der wichtigsten Territorien (Markgraftümer, Bistümer) und kleineren Herrschaftsträger (Städte, Adel), aber auch der Juden. Der letzte Aufsatz, Barbara Schick „Die Wandmalereien im Pfalzmuseum zu Forchheim“, stellt den frisch renovier­ ten Ort der Landesausstellung vor. Der Katalogteil gliedert sich - entsprechend der Ausstellung - in neun Abteilungen: I. „Edel und Frei - Franken im Mittelalter“ gibt anhand einiger ausgewählter Exponate eine erste Hinführung zum Thema. II. „Die Franken kommen“ behandelt die Besied­ lung Frankens in der Völkerwanderungszeit; trotz des Titels werden auch die vorfrän­ kischen Stämme und die slawische Siedlung gebührend berücksichtigt. III. „In der Mitte des Reiches“ zeigt die Zeit der größten Königsnähe Frankens im frühen Mittelalter (auch die Sigena-Urkunde wird hier präsentiert), aber auch die kirchliche Organi­ sation und - in Anbetracht des Titels etwas überraschend - Beispiele der bedeutenden

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet jüdischen Kultur dieses Zeitabschnitts. IV. „Das Herzogtum der Würzburger Bischöfe“ thematisiert die Geschichte des nie verwirklichten Anspruchs der Würzburger Bischöfe auf das „Herzogtum Franken“. V. „Schreibende Mönche und dichtende Ritter“ und VI. „Schalmeien, Trumein, Zauberharfen“ machen mit der reichen dichterischen und musi­ kalischen Tradition Frankens bekannt. Etwas unglücklich erscheint die Behandlung der gerade für Nürnberg so bedeutsamen Handwerkerdichtung und des Meistersangs, die schon in der Einleitung zu Kapitel VI kurz abgehandelt, mit ihren (Nürnberger) Expo­ naten aber erst in Kapitel VI präsentiert werden. VII. „Franconia sacra“ stellt die reiche kirchliche Kunst Frankens vor. Als sei sie ein Exponat wie jedes andere, wird hier auch die vom Haus der Bayerischen Geschichte erarbeitete umfangreiche Datenbank zur Geschichte der Klöster in Bayern vorgestellt. VIII. „Viele Herren und ein Kreis“ behandelt die spätmittelalterlichen Territorien Frankens und ihre Zusammenschlüsse bis hin zum Fränkischen Reichskreis. Hier ist Nürnberg mit mehreren Ausstellungs­ stücken - darunter dem Großen Tucherbuch als einem der Glanzstücke der Ausstellung -am stärksten vertreten. Die letzte Ausstellungsabteilung im Burggraben IX. „Leben in einer Pfalz“ bezieht den Ausstellungsort in die Ausstellung ein und sucht dem Besucher ein sinnliches Erlebnis des Themas zu vermitteln. Zu jeder Ausstellungsabteilung enthält der Katalog ein einführendes Kapitel von mehreren Seiten Umfang, dem die Abbildungen und Beschreibungen der einzelnen Exponate folgen. Da die Exponatbeschreibungen von Spezialisten - häufig den jeweili­ gen Leihgebern - stammen, dürfte ihre inhaltliche Qualität in jedem Falle gewährleistet sein. Schade, dass gerade bei einer Nürnberger Leihgabe (Exponat Nr. 100) durch ein redaktionelles Versehen Exponat und Beschreibung vertauscht wurden und ein Wald­ stromer-Wappen so die Beschreibung eines Schürstab-Wappens erhalten hat! Trotz dieses Missgriffs und einiger Inkonsequenzen in der logischen Gliederung der Aufsätze und des Katalogteils ist den Ausstellungsmachern mit ihrem reichbebilderten Katalog ein inhaltlich anspruchsvolles, druckgraphisch sehr ansprechendes und abwechslungs­ reich gestaltetes Werk gelungen, das der Leser immer wieder mit Freude und Nutzen zur Hand nehmen wird. Kaum eine größere Ausstellung verzichtet heute noch darauf, neben (oder sogar anstatt) ihrem Katalog in Buchform auch eine CD-ROM auf den Markt zu bringen. Auch das Haus der Bayerischen Geschichte macht hier keine Ausnahme und hat als Nummer 1/2004 ihrer Reihe „Historikerwerkstatt“ eine CD-ROM zur Ausstellung herausgebracht: „Edel und Frei. Franken im Mittelalter. Die CD-ROM zur Ausstel­ lung.“ Hier stand Goethe Pate: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“. Die fünf Abschnitte der CD-ROM könnten unterschiedlicher kaum sein. „Von Trude Unruh und Peter Ochs: Leben in einer fränkischen Stadt“ gibt anhand der Abbildungen des reich illustrierten Volkacher Salbuchs der Reichsstadt Schweinfurt eine Einführung in Sozialstruktur und Alltag einer spätmittelalterlichen Stadt. Als Zielgruppe ist offen­ sichtlich an interessierte Schüler gedacht. Einfaches Klicken führt assoziativ von Bild zu Bild, Ausschnitt zu Ausschnitt, Thema zu Thema, nirgends erfordern die kurzen Erklärungen ein längeres Lesen. Nur eines ist nicht möglich: ein systematisches Durch­ arbeiten des Salbuchs Seite für Seite von vorne bis hinten. Einem digitalen Lexikon

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen ähnelt dagegen der zweite Abschnitt „Ein Fähnlein für Franken: Adelsgeschlechter“. Anzuklicken über eine Landkarte Frankens mit ihren Stammsitzen oder aber über ihre Namen, findet der Nutzer zu jeder fränkischen Adelsfamilie Wappen und Kurzinfor­ mationen nach Art eines Lexikonartikels, manchmal auch Fotos des Stammsitzes. So weit, so gut - aber ohne jeden Ffinweis auf weiterführende Literatur wird der Nutzer nur begrenzten Gewinn daraus ziehen und bald zum nächsten Teil weiterklicken. Dieser - „Für Experten: Quellensammlung 11. Jahrhundert“ - ist eine Übernahme aus der Bamberger Landesausstellung zu Heinrich II. und ähnelt am ehesten einer Quellen­ sammlung in Buchform. Dutzende Zitate aus zeitgenössischen Chroniken wie auch aus der modernen Sekundärliteratur, Hunderte Urkunden Kaiser Heinrichs II. und der Kaiserin Kunigunde, jede zweisprachig lateinisch und deutsch, sind hier zusammen­ getragen - eine Fundgrube für jeden Forscher, der sich mit dieser Zeit beschäftigt. Zwar ist die unmittelbare Benutzbarkeit im „Ernstfall“ eingeschränkt durch das Fehlen eines textkritischen Apparats, als Zusammenstellung der einschlägigen Quellen stellt dieser Teil dennoch eine unschätzbare Hilfe dar. An das Ohr - so denn die technischen Vor­ aussetzungen gegeben sind - wendet sich der vierte Teil der CD-ROM: „Musik für Könige und Kaiser: Musik des Mittelalters“. Abbildungen aus Handschriften und Musikinstrumenten, ausreichende, aber nicht überlange Erläuterungen, Klangbeispiele - als einziger ruft dieser Teil Erinnerungen an die Ausstellung wach. Der Rezensent aber muss gestehen, dass ihm dieser Teil der CD-ROM aus technischen Gründen weit­ hin unzugänglich war. Im historischen Proseminar oder in der hilfswissenschaftlichen Übung hat der letzte Teil der CD-ROM ihren Ort. „Ein Verwaltungsakt - Aufbau einer Urkunde“ beschreibt eingehend und dank farbiger Markierungen, Vergrößerungen und Kommentare auch anschaulich den Aufbau einer Kaiserurkunde des 11. Jahrhunderts. Die Urkunden des dritten Teils könnten als weiteres Übungsmaterial dienen. Eine einheitliche Zielgruppe für diese CD-ROM ist nicht erkennbar, und diese breite Streuung der möglichen Interessenten „vom Schüler bis zum Wissenschaftler“ ist von den Herausgebern auch ausdrücklich gewollt. Der humane Preis von 4,- Euro mag dazu beitragen, dass mancher Käufer auch schon mit seinem eigenen Teil zufrieden sein wird. Vielleicht ermöglicht diese Vielfalt aber auch einen weiteren Einsatz der CD-ROM: Im Seminar für Fachdidaktik als Beispiel für die vielfachen Möglichkeiten einer modernen Präsentation der Geschichte. Auf die zweite CD-ROM zur Landesausstellung in Forchheim - die in Zusammen­ arbeit mit dem Stadtarchiv Nürnberg erstellte virtuelle Ausgabe des „Großen Tucher­ buchs“ - sei hier nur verwiesen. Sie hat in den MVGN bereits eine eigene, eingehende Würdigung erfahren (MVGN 91 (2004) S. 352-354). Horst-Dieter Beyerstedt

Torna Babovic / Hermann Glaser: Ins Land der Franken fahren ... in Bildern,Texten und Dokumenten. Hamburg: Ellert & Richter 2004. 240 S. mit zahlr. Abb. € 29,95. Vorliegender Band umreißt die Kulturgeschichte Frankens anhand zahlreicher histo­ rischer und zeitnaher Textdokumente sowie aktueller Fotografien. In einem einleiten-

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet den Kapitel, betitelt „Fränkische Topographie“, gelingt ein wahrlich nicht einfacher Streifzug durch die Geschichte, Kultur und Topographie Frankens, der - ohne sich im Kleinteiligen zu verlieren - essayistisch mit vielen historischen Fakten und Bezügen über Grundlegendes informiert und auch für den Franken-Kenner eine gewinnbrin­ gende Lektüre darstellt. Die folgenden Kapitel sind unterschiedlichen Aspekten des Fränkischen gewidmet: „Von fränkischer Wesensart“, „Fränkisches Frauenlob“, „Frän­ kische Literaturlandschaft“, „Fränkische Gegenden“, „Kanal und Eisenbahn in Fran­ ken“, „Lukullus in Franken“, „Fränkische Städtebilder“ (mit Würzburg, Bamberg, Erlangen, Bayreuth, Nürnberg, Fürth), „Braunes Franken“ und „Fränkische Nostalgie“. Im Gegensatz zum ersten Kapitel handelt es sich hierbei um Zusammenstellungen einzelner Texte älteren und neueren Datums, deren Autoren den verschiedensten Berei­ chen entstammen wie beispielsweise Wolfgang Buhl, Georg Philipp Harsdörffer, Theo­ dor Heuss, Wolfgang Koeppen, Ernst Penzoldt, Godehard Schramm und Jakob Wassermann. Den Band beschließt ein Anhang mit Autorenkurzbiographien, Personen­ register, Textnachweis und Glossar, das kenntnisreich über einzelne Orte, aber auch sachthematische Begriffe wie etwa „Bocksbeutel“ und „Schönbornzeit“ informiert. Wenige kleine Fehler fallen nicht ins Gewicht (S. 56: nicht St. Lorenz, sondern St. Sebald ist abgebildet, S. 73: Eichstätt kam erst im Zuge der Gebietsreform 1972 an den Regierungsbezirk Oberbayern, S. 195: die Fotografie stellt nicht einen Aufmarsch auf dem Zeppelinfeld, sondern einen solchen in der Luitpoldarena dar); eher noch wird man das Fehlen von Landkarten bedauern, die der Lokalisierung beschriebener Land­ striche und Orte zuträglich gewesen wären. Bei der Lektüre zu berücksichtigen ist jedoch die Tatsache, dass an einigen Stellen die unkommentierte Abfolge von literarischen und darstellenden beziehungsweise histori­ schen und zeitgenössischen Texten zu falschen Aufschlüssen verleiten mag - etwa wenn auf den ersten Blick verborgen bleibt, dass es sich bei Ernst Pcnzoldts Passage aus den „Leuten aus der Mohrenapotheke“ (S. 181) um eine sachlich falsche, weil literarisch verfremdete Beschreibung des - Regnitzer, realiter Erlanger - Schlosses handelt, oder wenn ortsnamenkundliche Passagen, laut Textzitat auf „neuesten Forschungen“ (S. 180) basierend, bereits 1969 erstveröffentlicht wurden. Dies wird im Textnachweis des Anhangs zwar korrekt aufgeschlüsselt, mag jedoch dem eiligen Leser entgehen. Seine opulente Ausstrahlung erhält der Band durch die künstlerisch ausgezeichne­ ten, vielfach großformatig wiedergegebenen Fotografien insbesondere von Architektur und Landschaft; darüber hinaus sind einige historische Bilder und schriftliche Doku­ mente wie etwa Buchmalereien aus der Manessischen Liederhandschrift beigegeben. Als Beispiel für die auch inhaltlich geschickt arrangierte Bebilderung sei die Gegen­ überstellung (S. 83) von der katholischen Hofkirche der Würzburger Residenz und der evangelisch-lutherischen Stadtpfarrkirche St. Gumbertus in Ansbach angeführt, deren beide in der Barockzeit entstandenen Innenräume das völlig unterschiedliche Kirchen­ raumverständnis der beiden Konfessionen augenfällig dokumentieren. Wer einen kulturgeschichtlichen Überblick über „das Fränkische“ sucht, wird mit diesem Werk, das ohne Larmoyanz oder Heimattümelei dessen Wesenszügen tief-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen gehend nachspürt, facettenreiche Einsichten und Einschätzungen vermittelt und bezüg­ lich der optischen Aufmachung keinerlei Wünsche offen lässt, bestens bedient sein. Clemens Wächter

Manfred Gillert / Hartmut Beck: Blicke auf Franken. Die Region Nürnberg auf dem Weg zur Metropole. Nürnberg: Carl 2003. 144 S. mit 130 Luftaufnahmen und 2 Übersichtskt. € 29,90. Nach den drei Bänden mit historischen Luftaufnahmen in der Reihe „Bild und Erin­ nerung“ legt Hartmut Beck nun gemeinsam mit dem Fluglichtbildner Manfred Gillert einen weiteren, ganz der Gegenwart verpflichteten Band an neuen Fotografien aus dem Flugzeug vor. Der Titel „Blicke auf Franken“ ist gleichzeitig das Programm, das einer interessanten Gliederung folgend zunächst die Städteachse Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach präsentiert, den Blick dann auf den zwischen diesen Städten und darum verdichteten Bereich der so genannten „Zwischenstadt“ (u.a. Lauf, Hersbruck, Altdorf Allersberg, Roßtal, Zirndorf, Herzogenaurach, Heroldsberg) lenkt, ehe das Flugzeug einen Kreis um die so benannten Außenstädte von Ansbach über Rothenburg, Neustadt/Aisch, Forchheim, Sulzbach-Rosenberg, Neumarkt i. d. Oberpfalz wieder in den Süden bis Weißenburg und Gunzenhausen zieht. Weitere interessante Ausblicke bietet der vierte, die Außenstädte umgebende Bereich als so genannter Ergänzungsraum. Er stellt in schönen Einzelaufnahmen vom neuen Seenland über das Freilandmuseum Windsheim, das Walberla und die bekanntesten Orte der Fränkischen Schweiz bis zum Römerkastell Weißenburg eine ganze Reihe besonders reizvoller Ansichten aus der Luft vor. Für den stadtgeschichtlich Interessierten sind unter den Nürnberger Aufnahmen, die natürlich einen entsprechend breiten Raum einnehmen, vor allem die in den letzten Jahrzehnten neu entstandenen Gebäude und -einrichtungen von größerem Informati­ onswert, zeigen sie doch nicht nur neue Qualitäten des Stadtwachstums etwa in Lang­ wasser, am Nordostpark, beim Frankenstadion oder der „Arena“ (leider fälschlich als Sportpark Zabo ausgewiesen), sondern dokumentieren auch bemerkenswerte Verände­ rungen in historischen Bereichen wie beispielsweise bei den Hesperidengärten in St. Jo­ hannis. Die Auswahl interessanter Ausschnitte bestimmt auch die folgenden Präsenta­ tionen der Nachbarorte und vermag auch mit den dortigen Entwicklungen nicht so vertrauten Nürnbergern auf spannende Weise die veränderten historischen Stadtkerne, aber vor allem auch die modernen Dienstleistungszentren und Gebäudekomplexe vor­ zustellen. In teilweise sehr kompakten Uberblicksaufnahmen bieten dann vor allem die Motive des vierten Blocks höchst anschaulich historisch - die Beispiele reichen vom Römerkastell Weißenburg bis zur Spielbank in Feuchtwangen - und geographisch interessante Belege zu Frankens Vielfalt. Allen Fotos sind kurze Erklärungstexte beigegeben, die die wirklich wichtigen Informationen enthalten und den jeweiligen Bereich auch regional zuordnen, ein Kom­ pliment an den Geographen Hartmut Beck. Kulturgeschichte aus der Luft - das Buch

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet macht darüber hinaus Lust, das eine oder andere Motiv auch von der Erdperspektive aus zu erkunden. Helmut Beer

James Stern: Die unsichtbaren Trümmer. Eine Reise im besetzten Deutschland 1945. Berlin: Eichborn 2004. 411 S. mit 7 Abb. € 24,90. Der Amerikaner James Stern (1904-1993) kam im Auftrag seiner Regierung im Sommer 1945 nach Deutschland, um mittels Interviews zu untersuchen, welche Aus­ wirkungen die alliierten Luftangriffe auf die deutsche Bevölkerung gehabt hatten. Stationen seiner Reise waren unter anderem Darmstadt, Stuttgart, München, Kempten, Frankfurt am Main und Bad Nauheim; Stätten des fränkischen Raumes behandeln in seinem romanhaften Reisebericht, der nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt, die Kapitel „Nürnberg und Umgebung“ (S. 253-311) und „Erlangen und Bamberg“ (S. 313-324). Die von Stern durchgeführten und erzählerisch wiedergegebenen Befragungen (insbesondere S. 106-127 sowie passim) geben Einblicke in die verschiedenen Charak­ tere der deutschen Interviewpartner, wenngleich die Reaktionen und Gedanken­ gänge des Amerikaners auf die Antworten der Befragten wohl als die eindringlicheren Partien gelten dürfen. Aufschlussreich zu lesen sind auch Sterns Erinnerungen an die Kontaktaufnahme zwischen Amerikanern und Deutschen, seine Besuche - nun unter den äußeren Bedingungen der Besatzungszeit - bei Personen, die er noch aus der Vorkriegszeit kannte sowie insbesondere die Passage über die Bekanntschaft mit der Familie des ermordeten Mitglieds der „Weißen Rose“ Alexander (Schurik) Schmorell (S. 150-159). Unter der Prämisse, dass der Aufenthalt Sterns im zerstörten Deutschland nur von kurzer Dauer war, ist auch das Nürnberg-Kapitel zu betrachten. Sterns topographische Beschreibungen sind oftmals korrekturbedürftig („Fürth ist ein Vorort von Nürnberg“, S. 294), da sich seine Kenntnisse über die Stadt verständlicherweise in Grenzen halten. So handelt es sich etwa bei dem „betoniertefn] Paradeplatz“ um die Große Straße, und mit dem ,,berühmte[n] Nürnberger Stadion“ ist die Zeppelintribüne gemeint (S. 285-286). Vielleicht liegt der besondere Reiz der Beschreibungen Sterns darin begründet, dass es sich hierbei nicht um die zahlreich bekannten Äußerungen eines Liebhabers der vormals unzerstörten Stadt handelt, sondern dass er gegen Nürnberg, das „Zentrum des deutschen Antisemitismus“ (S. 275), das er aus einem einwöchigen Sommeraufenthalt vor dem Krieg kannte, eine extreme Abneigung entwickelt hatte, „wie sie Jungen beim Geschichtsunterricht in der Schule“ überkomme (S. 257), und die Stadt in ihrem historischen Kontext nun eher reserviert betrachtet. Somit ergibt sich aus den Erinnerungen Sterns vorrangig ein sehr dichtes Stimmungsbild über den Zustand der Nürnberger Bevölkerung selbst. Dies kommt deutlich zu tragen in der Passage, die wohl als die stärkste des Nürnberg-Kapitels gelten darf: Sterns Erinnerungen an seine abendlichen Wanderungen durch die zerstörte Altstadt (S. 286-294), die umso ein­ dringlicher erscheinen, als sie, ohne geschichtliche Rekurse oder Vorgriffe, nur eine

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Buchbesprechungen

Momentaufnahme hoffnungslos erscheinenden Alltagslebens aus der Sicht eines Außenstehenden und am Schicksal der Stadt als solcher Uninteressierten darstellen.

Clemens Wächter

Helmut Beer: Südstadtgeschichte. Aus der Vergangenheit der Nürnberger Südstadt (Ausstellungskatalog des Stadtarchivs Nürnberg 15). Nürnberg: Hofmann 2004. 240 S. mit zahlr. Abb. €19,-(br.) € 24,50 (Hardcover). Nürnberg bietet mehr als seine historische Altstadt, Bratwürste und Christkindles­ markt. Das beweist für den, der es noch nicht wissen sollte, der schöne Katalog des Stadtarchivs Nürnberg zu der von April bis Juni 2004 im FrankenCampus präsentierten gleichnamigen Ausstellung. Für alle, die vielleicht als Autofahrer auf dem Weg zu einem dieser drei Aushängeschilder der einstigen Reichsstadt die heute unter dem eher nichts­ sagenden Begriff „Südstadt“ subsumierten Stadtviertel bisher als unübersichtliche Folge endloser Straßenschluchten und Ansammlung teils trister Großstadtbauten unter­ schiedlichster Zeiten und Stilrichtungen empfunden haben, erschließt sich jetzt die Ent­ stehung aus den heute teilweise auf einen bloßen Straßennamen reduzierten Orten Tafelhof, Galgenhof, St. Peter, Glockenhof, Steinbühl, Gibitzenhof, Lichtenhof, Hum­ melstein und Gleißhammer. Uber die einzelnen Ortsgeschichten bis ins Mittelalter zurückgreifend, als sich der Wald noch bis in die Nähe der Stadt erstreckte, die diversen Bäche viele Hammerwerke und Mühlen betrieben und eine Reihe stattlicher Herren­ sitze entstanden, liegt der Schwerpunkt auf dem Schicksal der Dörfer nach ihrer Einge­ meindung bis zu den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg bzw. zum Wiederaufbau. Eigene Kapitel sind jeweils den lokalen ehemaligen Herrensitzen, so zum Beispiel dem Lichtenhofer Schlösschen, dem Hallerweiherhaus bei St. Peter oder dem Zeltnerschloss gewidmet, ebenso markanten Bereichen der Landschaft, nämlich dem Fischbach, dem Hasenbuck, der Peterhaide (Ludwigsfeld) und dem Dutzendteich, und schließlich bedeutenden Einrichtungen und Unternehmen wie der Zeltnerschen Ultramarinfabrik, der königlichen Kreiswirtschaftsschule, der Firma Spaeth & Co, den SiemensSchuckert-Wcrken und der MAN. Ausführlich wird auf die große Mobilität der Bevöl­ kerung und deren durch Zuzug und Kinderreichtum heute, nach wenig mehr als hun­ dert Jahren nicht mehr vorstellbares, der Dritten Welt vergleichbares Wachstum im 19. Jahrhundert eingegangen sowie auf die Industrialisierung, Verstädterung und Urba­ nisierung, als deren Folge sich das Gesicht der alten Reichsstadt und ihres Umlandes binnen weniger Jahrzehnte dramatisch veränderte und ein Teil der uralten Kulturland­ schaft zur „Südstadt“ verschmolz. Bei Bedarf werden einzelne Aspekte und Themen näher untersucht und vertieft, etwa die Nutzung des Dutzendteiches, Sozialeinrichtun­ gen und Frauenarbeit bei Schuckcrt, das Schuckertviertel, die Arbeiterbewegung in der Südstadt, neue Versorgungseinrichtungen, Schulen, neue Kirchen und Gemeinden, Vor­ stadt- und Arbeiterwirtshäuser, Bürgervereine, Kinos, die Jubiläums-Landesausstellung 1906, der Luitpoldhain, der alte Tiergarten, das Frankenstadion, das NS-Parteitagsgelände, die Luftangriffe auf die Südstadt und schließlich das Kasperltheater beim „Schocken“ in der Nachkriegszeit.

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet Engagiert und mit Liebe geschrieben, ist das manchmal geradezu spannende Buch kein Abgesang auf die entschwundene gute alte Zeit, sondern ein Loblied auf die Qualitäten des allerdings wiederum im Umbruch stehenden Viertels. Ein dickes Plus bedeutet die ebenso sorgfältige wie reiche Illustration durch nicht selten farbige histori­ sche Ansichten, Karten, Graphiken, Tabellen und einen immensen Schatz von Foto­ grafien, die nicht nur zum Durchblättern, sondern zum intensiveren Studium animieren. Zu kritisieren ist nur wenig. Manchmal stören vermeidbare Wiederholungen etwas, einige Sätze sind unvollkommen redigiert (S. 68, S. 69, S. 97, S. 123). Im Ersten Mark­ grafenkrieg 1449/50 dürften weniger die „Ansbacher“ die Stadt attackiert haben (S. 84) als die Truppen des Ansbacher Markgrafen Albrecht Achilles. Markgraf Albrecht Alcibiades regierte ab 1541 das Markgraftum Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth, kann also eigentlich nicht als „Ansbacher“ bezeichnet werden (S. 84), auch wenn er in dieser Stadt geboren ist. Dass der Dutzendteich 1822 für ganze 48 Kreuzer den Besitzer wechselte (S. 97), mag man kaum glauben. Selbst wenn im vorliegenden Katalog die Anfänge der einzelnen Orte nur referiert und nicht eigens untersucht werden, sollte man vielleicht die stets auf höchstes Alter und größtmögliche Bedeutung zielenden Namensausdeu­ tungen der älteren Forschung, hier die des als Architekt und Kunsthistoriker für der­ gleichen weitreichende Aussagen nicht unbedingt qualifizierten August Nagel, nicht einfach übernehmen. Beim Tafelhof könnte man einmal fragen, ob nicht außer „Hofgut zur Erzeugung von Naturalien zur königlichen Tafel“ (S. 26) andere Erklärungen ein­ leuchtender wären, etwa analog zur Benennung des sicherlich nicht zum Unterhalt der benachbarten Richtstätte verpflichteten „Galgenhofes“ eine Ableitung vom „Tafelfeld, wo die Tuchbereiterzunft ihre Rahmen zum Aufspannen der Tücher aufgestellt hatte“ (S. 17). Auch die konstruierte Verbindung von Steinbühl mit einem der Verwalter des Reichsguts, nur weil ein solcher Heinrich von Stein hieß (S. 49), erscheint sehr gewagt. In der Literaturauswahl vermisst man trotz der gebotenen Kürze das nur in den Anmer­ kungen genannte Nürnberger Stadtlexikon und den Ausstellungskatalog des Germani­ schen Nationalmuseums von 1985 über „Leben und arbeiten im Industriezeitaltcr“. Fazit: Alles in allem eine rundherum gelungene Bereicherung der Nürnberger Stadt­ geschichte und nicht zuletzt ein weiterer schöner Nachweis für die erfolgreiche histori­ sche Bildungsarbeit des Stadtarchivs. Andreas Jakob

Eckart Dietzfelbinger / Gerhard Liedtke: Nürnberg - Ort der Massen. Das Reichsparteitagsgelände. Vorgeschichte und schwieriges Erbe. Berlin: Links 2004. 159 S. mit zahlr. Abb. € 29,90. BauLust e.V. (Hg.): Positionen. Zum Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitags­ gelände. Nürnberg: Selbstverl. BauLust e.V. 2004. 38 S. mit zahlr. Abb. Zu der Vielzahl an Publikationen über das ehemalige Reichsparteitagsgelände sind jüngst zwei neue, empfehlenswerte Schriften hinzugetreten. Die Monographie von Eckart Dietzfelbinger und Gerhard Liedtke informiert fundiert und das gesamte Themenspektrum abdeckend über die Geschichte des Reichs-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen parteitagsgeländes. Ein erstes Kapitel ist der Nutzung des Geländes vor der NS-Zeit gewidmet (S. 11-22), daran anschließend behandelt das zweite Kapitel die Zweck­ bestimmung des Areals als Reichsparteitagsgelände, beinhaltend eine Darstellung der Anfänge der NS-Bewegung in Franken, der Umgestaltung des Geländes, der Errich­ tung der einzelnen Bauten und der Reichsparteitage selbst (S. 23-92). Am Rande sei hier angemerkt, dass die Freitreppenanlage um die Kongresshalle nicht fertig gestellt wurde (S. 52) und dass die Reichskleinodien bereits 1796 von Nürnberg nach Wien verbracht wurden (S. 66). Ausführlich - und in dieser Gewichtung zum Gesamtthema eine Neu­ orientierung - wird in einem dritten Kapitel der Umgang mit dem Reichsparteitags­ gelände nach 1945 behandelt (S. 93-132), welches kenntnisreich über die Aufarbei­ tungsversuche der Reichsparteitags-Vergangenheit vor dem Hintergrund der bundes­ republikanischen Geschichtsarbeit informiert und in dieser Ausführlichkeit jedem an der Geschichte des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes Interessierten neue Einblicke wird gewähren können. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Geschichtsauf­ arbeitung auf politischer, wissenschaftlicher und künstlerischer Ebene insbesondere auch der abschließende „Kommentar: Bewältigen wäre schön“ (S. 133-144). Die Broschüre des Vereins BauLust dokumentiert dessen Beschäftigung mit dem Reichsparteitagsgelände in den vergangenen fünf Jahren. Die Kernthematik des offenen Konzeptes, das spätere andere Gedenkformen noch möglich machen soll, besteht im Abwägen zwischen der Funktion als Erinnerungsort und Elementen praktischer Nut­ zung. Das Heft beinhaltet konkrete Vorschläge zum weiteren Umgang mit dem Gelände hinsichtlich der Behandlung der Gebäude, der Installation eines Informations­ systems und der künstlerischen Ausgestaltung. Clemens Wächter

Franz Kimberger / Rolf Kimberger: Bad Fürth - Wünscht raum und Wirklichkeit. Von Heilwasservorkommen, Kurbadträumen und Bäderprojekten (Fürther Beiträge zur Geschichts- und Heimatkunde 10). Fürth: Geschichtsverein Fürth 2003. 175 S. mit 168 Abb. €18,90. Mit den Plänen zur Errichtung eines großen Thermalbades bis zur Jahrtausendfeier der Stadt 2007 und der unlängst durchgeführten erfolgreichen Erbohrung einer neuen Quelle knüpft Fürth an eine hundertjährige Tradition an. Der Traum vom „Bad Fürth“ währte damals allerdings nur wenige Jahre. Erster Weltkrieg, Not- und Inflationszeit brachten den nicht einmal zehn Jahre lang prosperierenden Trink- und Badebetrieb auf dem späteren Grundig-Gelände zum Erliegen. Der wechselvollen Geschichte der Fürther Heilquellen haben Franz und Rolf Kim­ berger eine Monographie gewidmet, die den Bogen von den ersten privaten Bohrungen 1901 bis zur von der Stadt Fürth 2002 beauftragten Machbarkeitsstudie zur möglichen Verwirklichung einer Thermalquellennutzung spannt. Am Anfang stand die Idee des Kommerzienrates Carl Nold und anderer Investoren, die im Umkreis der Industrie­ städte Nürnberg und Fürth vermuteten Lagerstätten von Kohle, Eisen, Kalisalzen oder Erdöl zu erschließen. Eine Probebohrung in der Nähe des südlichen Pegnitzufers,

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet unweit der Nürnberger Stadtgrenze, stieß am 4. Juli 1901 nicht auf die erhofften Bodenschätze, sondern in 356 m Tiefe auf kohlensäurereiches, salziges Mineralwasser, das in einer 15 m hohen Fontäne aus dem Bohrloch schoss (König-Ludwig-Quelle). Eine noch im gleichen Jahr durchgeführte Bohrung in Weikershof im Rednitzgrund stieß, statt auf die noch immer erhofften Bodenschätze, wiederum auf eine - diesmal stark eisenhaltige - Quelle („Gackalesquelle“, Gustav-Adolf-Quelle). Bei einer Tempe­ ratur von 22°C bzw. 20°C und einer Schüttung von 12 bzw. 6 Sekundenlitern bot sich eine Ausbeutung dieser Thermalquellen zu Trink- und Badezwecken geradezu an. Nachdem die Stadt Fürth kein Interesse am Erwerb der Quellen gezeigt hatte, nahm Nolds Konsortium die Ausbeutung selbst in die Hand. 1910 wurde die König-LudwigQuelle, der eine mit den Quellen von Kissingen und Homburg vergleichbare Qualität attestiert wurde, neu gefasst und der Öffentlichkeit in einer „einfachen Trinkgelegen­ heit“ zugänglich gemacht. 1911 konnten erste Kuranlagen mit einer Trinkhalle einge­ weiht werden, der Heilwasserverkauf in Flaschen (Dosana) begann, Thermal-, Strom­ sprudel- und Moorbäder wurden angeboten. 1912 erfolgte die staatliche Anerkennung als Heilquelle und die Aufnahme in den Bäder-Almanach. 1913 wurden bereits 11.709 Bade- und 74.380 Trinkkurgäste gezählt. Die Erbohrung dreier weiterer Brunnen und die Einweihung der neuen Kuranlagen mit Kurmittelhaus, Trink- und Wandelhalle, Kurgarten mit Aussichtspavillon, Restaurant, Musikpavillon, Tennisplätzen, Kinder­ spielplätzen und Uferpromenade markieren den Höhepunkt des Fürther Kurbetriebes vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der folgende, zunächst kriegsbedingte Nieder­ gang konnte auch in der Weimarer Republik nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die weiterhin in einfachsten Verhältnissen privat betriebene Gustav-Adolf-Quelle erhielt immerhin ein kleines Freibad. Die im Dritten Reich angegangene großzügige Neukonzeption des Kurgeländes (Architekt: Roderich Fick) unter Einbeziehung der alten Kurbadanlagen, des Espans (Erbohrung einer neuen Quelle 1935) und des Stadt­ parks kam nach Kriegsausbruch zum Erliegen. Nach 1945 konnte ein einheitliches Konzept für die vier Fürther Quellenstandorte nicht mehr realisiert werden, da 1947 das Grundig-Werk I im früheren Kurparkgelände errichtet worden war. Lediglich die Espan-Quelle wurde neu gefasst und zum Mittel­ punkt der neuen Parkanlage „Klein-Mainau“ gestaltet. In den 1980er Jahren scheiterte das Projekt eines Gesundheitskomplexes mit Thermalbad am sog. Kavierlein, wo bereits 1904 eine Quelle erbohrt worden war. Der Verfall der Gustav-Adolf-Quelle seit den 1970er Jahren wurde dank des Engagements des Gebersdörfer Bürgervereins gestoppt, 2000 ein neuer Brunnenpavillon errichtet. Das seit einigen Jahren intensive Interesse der Stadt Fürth an einer sinnvollen Nutzung ihrer Thermalquellen, deren „herausragende Wasserqualität und erstaunliche balneologische Wirksamkeit“ (S. 156) oftmals wissenschaftlich belegt wurden, wird seit seiner Gründung (2000) vom „Förderverein Fürther Heilquellen“ tatkräftig unterstützt und findet große öffentliche Resonanz. Mit ihrer solide aus den Quellen erarbeiteten, flüssig geschriebenen und reich bebil­ derten Geschichte des „Bades Fürth“ haben die beiden Autoren ein historisches Funda-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen ment für die aktuellen politischen Entscheidungen gelegt und einen über die Lokal­ geschichte hinaus bedeutenden Beitrag zur fränkischen Medizin- und Wirtschafts­ geschichte geleistet. Die als Anhang beigegebenen Bohrlochbilder und chemischen Analysen der Quellen machen den Band, der sich an ein historisch interessiertes breites Publikum wendet, auch für Spezialisten interessant. Uwe Müller

750 Jahre Allersberg. Allersberg: Marktgemeinde Allersberg 2004. 132 S. mit zahlr. Abb. € 19,80. 13 Jahre nach Franz Hirscheiders „Allersberger Heimatbuch. Geschichte und Geschichten mit Denk- und Merkwürdigkeiten“ liegt mit dem neuen Jubiläumsband quasi eine Ergänzung zu den grundlegenden Ausführungen Hirscheiders vor. So wird auf die Geschichte des Spitals, die Sebastianbruderschaft, die Baugeschichte der Pfarr­ kirche und die Stiftungen des Unternehmers Jacob Gildardi nicht näher eingegangen, sondern explizit auf die Darstellungen in Hirscheiders Buch verwiesen (S. 15, 73 und 75). Es erscheint wohltuend, wenn nicht nur bereits Bekanntes wiederholt wird, son­ dern neue Aspekte der Ortsgeschichte dargestellt bzw. bereits Beschriebenes wesentlich vertieft ausgeführt wird. Wer selbst aktiv mit der Erstellung von Ortschroniken befasst war, weiß, wie viel Zeit und Arbeit investiert werden muss - eine Aufgabe, die von einem einzelnen kaum zu bewältigen ist. In diesem Fall hat sich ein Autorenteam gefunden, was den Vorteil hat, dass zu den verschiedenen Spezialthemen Experten Beiträge lieferten. Herbert Rädle aus Neumarkt stellt die Urkunde vor, in der Allersberg erstmals genannt wird. Die Transkription und Übersetzung des Textes lieferte Wolf Schöffel aus Baiersdorf. Ernst Wurdak beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Allersbergs mittelalterlicher Geschichte, dem Landshuter Erbfolgekrieg und gibt einen knapp gefassten Überblick der Regionalgeschichte bis 1806. Hartmut Frommer liefert einen Beitrag über die Beziehungen Allersbergs zur benachbarten Reichsstadt Nürnberg, der im wesentlichen die Aspekte Verkehr und Wirtschaft und hier besonders die Drahtzieherei berücksich­ tigt. Letzterer widmet derselbe Autor im Anschluss noch ein eigenes Kapitel. Die Geschichte der St. Wolfgangkirche bei Allersberg von 1472 bis 2002 schildert Robert Unterburger. Die Lage im Wald bildet den Anknüpfungspunkt zum nächsten Kapitel, in dem Manfred Kinzler eine Abhandlung zur Geschichte der Waldwirtschaft und aktuellen Problemen der Fortswirtschaft beisteuert. Störend wirkt nur, dass einige Male umfangreiche, mehrere Sätze lange Bildunterschriften identisch nur wenige Zeilen darunter im Text wiederholt werden, möglicherweise ein ungewolltes Duplizieren beim Druck. Rudolf Mang führt die Thematik Wald mit Ausführungen zum holzverarbei­ tenden Gewerbe in Allersberg weiter. Den Verkehrsanschluss Allersbergs durch Eisen­ bahn und Kraftverkehr mit dem Akzent auf der Lokalbahn, auch der Autobahn München - Nürnberg, angereichert mit persönlichen Erinnerungen, schildert Lieselotte Wagenknecht-Hirth. Mit den Ausführungen zu Allersberger Hausnamen von Reinhold Mücke wird ein wichtiger Aspekt der Ortsgeschichte vor dem Vergessenwerden bewahrt. Leider ist es

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MVGN 92 (2005) Topographie, Stadtteile und Landgebiet für einen Ortsfremden oder Neuzugezogenen schwierig, eine exakte Zuordnung der Namen zu den entsprechenden Häusern zu rekonstruieren. Eine kleine Konkordanz „Heutige Adresse - alter Hausname“ am Ende des Kapitels oder eine Karte mit Kenn­ zeichnungen der beschriebenen Häuser wäre zur Orientierung hilfreich gewesen. Die Informationen wurden aus einem Verzeichnis gewonnen, das von 1945 bis 1948 in der Gemeinde geführt wurde, und bei mehreren Heimatabenden von Bürgerinnen und Bürgern erfragt. Unklar bleibt, warum nicht die in den Staatsarchiven liegenden Kataster herangezogen wurden, gerade im Häuser- und Rustikalsteuerverzeichnis (um 1808) oder im Urkataster (um 1843) finden sich oft auch die Hausnamen. Sie liefern zuweilen sogar über die Besitzernamen bzw. deren Berufe eine Hilfe für die Deutung der Namen. Dabei könnte auch deutlich werden, dass die heutigen Hausnamen oft nicht aus dem Mittelalter stammen, sondern teilweise erst Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden und sich bisweilen auch verändern. Georg und Eva Schultheiß sowie Robert Unterburger behandeln in ihrem gemein­ samen Kapitel die katholische Kirchengeschichte Allersbergs von 1254 bis heute, Jörn Hagen im Anschluss daran die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde, die von 1542 bis 1627 reicht und 1891 mit der Einweihung eines Betsaales wieder feste Formen annimmt. Er schließt mit einer Darstellung der ökumenischen Bewegung in Allersberg in den 1990er Jahren. Die Geschichte der Hauptschule Allersberg behandelt Robert Unterburger, wobei er die Schulgeschichte bis 1989 durch ein Zitat aus Hirscheider abhandeln kann. Er geht anschließend auf die Zeit bis heute ein. Die Entstehung und Entwicklung der Städtepartnerschaft mit Saint Cere in Frank­ reich (Dordogne) mit einer Schilderung der Geschichte und der Sehenswürdigkeiten dieser Region von Reinhold Mücke würdigt den zeittypischen Aspekt der Völker­ verständigung. Zusammen mit Eva Schultheiß schildert er den Ablauf der Gebiets­ reform 1971 bis 1975. Details zur Ortsgeschichte lieferte bereits Franz Hirscheider, daher dürften auch weitere Ausführungen zur Geschichte der eingemcindeten sechs Gemeinden hier fehlen. Ein umfangreicher Bildteil bildet den Abschluss des Buches, das in den Einbanddeckeln von einer alten Landkarte und einer modernen Luftauf­ nahme gleichsam umrahmt wird. Literatur wird von einigen Autoren jeweils summarisch am Kapitelende zitiert, Hin­ weise auf Archivalien fehlen völlig. Nur in dem Kapitel über Häusernamen wird das Hausnummernverzeichnis der Gemeinde genannt, das 1945 nach der Vernichtung der Rathausregistratur durch Kriegseinwirkung neu angelegt und bis 1948 weiter geführt wurde. In vielen Fällen wurde bei den Schilderungen auch auf persönliche Erinnerun­ gen zurückgegriffen. Mit 228 Abbildungen ist die Schrift reich bebildert, ein detaillier­ ter Herkunftsnachweis fehlt allerdings. Mit der vorliegenden Festschrift ist eine fundierte Abhandlung über vielfältige Aspekte der Allersberger Geschichte und Gegenwart vorhanden. Es bleibt nur zu hof­ fen, dass eine quellenmäßig aufbereitete umfassende Geschichte des Marktes nicht auf die Feier des 800jährigen Jubiläums warten muss. Frank Präger

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Buchbesprechungen

Politische Geschichte, Recht und Verwaltung Andrea Bend läge: Henkers Hetzbruder. Das Strafverfolgungspersonal der Reichs­ stadt Nürnberg im 15. und 16 Jahrhundert (Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 8). Konstanz: UVK 2003. 330 S. mit 6 Abb. € 34,-. Bereits in MVGN 91 (2004), S. 376, wurde auf die von Neidhard Bulst betreute und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen ihres Schwerpunktprogram­ mes zur Entstehung des öffentlichen Strafrechts geförderte Bielefelder Phil. Diss. von Andrea Bendlage hingewiesen. Der Friedrich Freiherr von Haller’schen Forschungs­ stiftung ist es sehr zu danken, dass das wichtige Werk nunmehr im Druck vorliegt. Es wertet die Jahrgänge 1480 bis 1580 der Ratsverlässe lückenlos und bis 1630 in Stich­ proben auf die dort enthaltenen Daten über die vom Rat angestellten Leute aus, die von Bendlage unpräzis Strafverfolgungs- und Strafvollzugspersonal, daneben aber auch zutreffender Exekutiv-, Sicherheits- und Ordnungspersonal genannt werden. Strafvoll­ zug war bei den vorherrschenden Leibes- und Lebensstrafen Sache von Nachrichter und Löwe, die als „unehrliche“ Berufe eine Sonderrolle einnehmen und deshalb zu Recht nicht mit untersucht wurden. Die Verfolgung von Straftaten war nur ein - mangels jeden kriminalistischen Impetus eher kleiner - Teilbereich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dies zu berücksichtigen, ist innerhalb eines straf­ rechtlichen Projekts nicht immer ganz einfach. Die Lektüre der Bewertungen innerhalb der Arbeit wird dadurch erschwert - ebenso wie durch den Versuch, im Hinblick auf die Projektvorgaben eine Entwicklung von der „vormodernen“ zur „modernen“ Straf­ verfolgungspraxis nachzuweisen, was jedenfalls für den Untersuchungszeitraum in Nürnberg fast gar keinen Sinn macht. Das liegt wesentlich daran, dass Nürnberg sozu­ sagen ab urbe condita ein strikt regiertes Gemeinwesen mit auffälliger Regelungsdichte bildete, weshalb auch im Reich hier 1464 erstmals von „Policey“ die Rede war und für Defizite in Vollzug und Staatlichkeit kaum Raum blieb. Den Wert des Werkes insgesamt schmälert das nicht: wir wissen jetzt Vieles, was wir vorher nicht wussten. Im Zentrum des reichsstädtischen Ordnungsdienstes standen vom 14. Jahrhundert bis zum Ende ca. 6 Stadtknechte und 4 Stadtbüttel, hierarchisch gegliedert vom rangältesten „Ratsdiener“ bis zum rangjüngsten „puttel“. Den Stadt­ knechten gleichgestellt waren Lochhüter und die Wächter der beiden Schuldtürme. Nebenberuflich tätig waren zahlreiche weitere (Turm-)Wächter, hauptberuflich (auch als „Austrag“ für Stadtknechte) gab es noch Zöllner und Marktaufseher. Ehrenamtlich kamen die Viertelmeister und Gassenhauptleute hinzu, die aber - wie auch Pfänder und Bettelrichter - gehobenen Schichten entstammten, während die übrigen - bei halbwegs auskömmlichen Verdienst — Handwerksgesellen gewesen und diesen sozial gleich­ gestellt waren. Die Stadtknechte hatten sich täglich bei den Bürgermeistern einzufinden, bei deren Wahl ihren ihr Pflichtenheft, das sog. „Vierwochenmanual“, vorgelesen wurde. Die Aufsicht des Rates erinnert in ihrer Mischung aus Fürsorge und Strenge an heutiges Disziplinarrecht - abgesehen davon, dass die Gefahr einer Amtserhebung sehr groß war. Die Pflichten entsprachen denen des Pfänders: „In sein ampt vleissig zusein, sonderlich die ehr gottes zufürdern auch die gass sauber zehalt“ - also der Gesamt­ bereich der öffentlichen Ordnung.

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All dies wird von Bendlage in guter Ausführlichkeit mit hochinteressanten Details dargestellt. M. E. rechtfertigt das Ermittelte die Annahme, dass in Nürnberg der Auf­ bau einer zureichenden stadtbürgerlich-hauptamtlichen Exekutive (die tatsächlich in einem Gemeinwesen ohne Gewaltenteilung fast den gesamten dem Rat zugeordneten Staatsapparat darstellte) früher und besser gelungen ist als anderswo. Die Bezeichnungen „Gewaltrichter“ in Köln bzw. „Richtersknechte“ in München lassen vermuten, dass dort die Vollzugskräfte noch einer spezifischen Gewaltkultur jenseits aller gesellschaftlichen Regeln verpflichtet waren. Dieser Gefahr ist man in Nürnberg durch Reduktion auf die Stadtschützen begegnet. Diesen ca. 35 allein den Kriegsherren verantwortlichen Männern war die Amtshilfe insbesondere bei der Aus­ übung unmittelbarer Gewalt übertragen. Sie wurden wie Söldner ge- bzw. missachtet und standen außerhalb der Stadtgesellschaft, ein Aufstieg zum Stadtknecht war weitest­ gehend ausgeschlossen. Dies war sozusagen der Preis, den die Reichsstadt Nürnberg für ihre zivilisierte Ordnungsverwaltung zu bezahlen hatte. Hartmut Frommer

Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495. Hrsg, von Ulrich Wagner und Walter Ziegler. Würzburg: Schöningh. Bd. III. Von Gerhard von Schwarzburg bis Johann II. von Brunn (1372-1440). Bearb. von Christoph Bauer, Hannelore Götz, Asta Schröder und Ulrich Wagner. 1999. 382 S. €69,-. Bd. IV. Von Sigmund von Sachsen bis Rudolf II. von Scherenberg (1440-1495). Bearb. von Ulrike Grosch, Christoph Bauer, Harald Tausch und Thomas Heiler. 2002. 314 S. €69,-. Bd. V. Wappen und Register. Bearb. Von Hans-Peter Baum, Rainer Leng, Renate Schindler und Florian Sepp. Mit einem Beitrag von Karl Borchardt. 2004. 396 S. mit zahlr. Abb. € 59,-. Mit dem Erscheinen der letzten beiden Textbände (Bd. III und IV) und des Wappenund Registerbandes (Bd. V) der Würzburger Bischofschronik des fürstbischöflichen Sekretärs, Rats und Archivars Lorenz Fries, 1489 oder 1491 in Mergentheim geboren und 1550 in Würzburg gestorben, steht dieses grundlegende Werk der fränkischen Geschichtsschreibung am Beginn der Frühen Neuzeit der Forschung nun erstmals in einer wissenschaftlichen Edition zur Verfügung. Die insgesamt sechs Bände umfassende Edition ist das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Stadtarchiv Würzburg und Universität Würzburg, deren Anfänge in die 1980er Jahre zurück­ reichen. Die beiden ersten Textbände (Bd. I und II) der Edition sind in den Jahren 1992 und 1994 erschienen (vgl. Bespr. in MVGN 83/1996, S. 385-387), der die Miniaturen der Chronik behandelnde Bildband (Bd. VI) im Jahr 1998 (vgl. Bespr. in MVGN 85/1998, S. 407f.). Der von der Rezensentin damals in dieser Zeitschrift geäußerte „Wunsch, daß die noch ausstehenden drei Bände in absehbarer Zeit vorliegen werden“, ist somit zwölf Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes - in erstaunlich kurzer Zeit in Erfüllung gegangen.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Begleitend zu diesem Editionsvorhaben entstanden an der Universität Würzburg zwei Dissertationen, die als Band 7 und 9 der Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg erschienen sind: bereits 1995 die kunsthistorische Arbeit von Christiane Kummer über die Miniaturen der Bischofschronik (Die Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546. Ein Hauptwerk Martin Segers und seiner Werkstatt) und 2001 die „wissenschaftliche Einleitung“ zur Edition von Thomas Heiler (Die Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries [gest. 1550]. Stu­ dien zum historiographischen Werk eines fürstbischöflichen Sekretärs und Archivars). Die in Band I (S. XI-XIV) erläuterten Editionsgrundsätze (buchstabengetreue Text­ wiedergabe sowie text- und sachkritische Kommentierung) gelten auch für Band III und IV. Auch der Aufbau der Textbände (Abkürzungs- und Siglenverzeichnis - Text­ überlieferung, gegliedert nach Regierungsjahren der Bischöfe - Quellen - Literatur) wurde beibehalten, ebenso wurde der zu edierende Text nach Pontifikaten (Band III: 68 Jahre, Band IV: 55 Jahre) auf mehrere aus dem Kreis ehemaliger Seminarteilnehmer hervorgegangener Bearbeiterinnen und Bearbeiter verteilt. Band V wird eröffnet durch ca. 50 Farbtafeln (S. 3-58) mit den in der Handschrift C der Fries-Chronik (Ratsbuch 412 des Stadtarchivs Würzburg) abgebildeten Wappen und Fahnen (sowie einigen „Vergleichswappen“ aus Fries-Handschriften der Univer­ sitätsbibliothek und des Staatsarchivs Würzburg). Die Abbildungen enthalten neben einer Kurzbeschreibung die Angabe der jeweiligen Stelle in der Textedition und die Nummer der alphabetischen Wappenbeschreibung im anschließenden systematischen Beitrag von Karl Borchart über die Wappen in der Chronik des Lorenz Fries (S. 59-87, hier S. 72-82). Den Hauptteil von Band V bildet das detaillierte Register, das die Chronik zu einem Nachschlagewerk macht und damit den Wert der Edition deutlich erhöht. Es zerfällt in ein Orts- und Personenregister (überarbeitet von Rainer L e n g, S. 89-310) und ein Sach­ register (bearbeitet von Renate Schindler, S. 311-375). Während Letzteres den verglei­ chenden, systematischen Zugriff z.B. auf Reichstage, Fehden oder andere Ereignisse der fränkischen Geschichte ermöglicht, erschließt Ersteres eine überraschende Vielzahl auch von Nürnberg-Betreffen und erweist damit die weit über Hochstift und Diözese Würz­ burg hinaus reichende Bedeutung der Fries-Chronik. So finden sich neben allgemeinen Nennungen der Stadt Nürnberg, des städtischen Rats, der Bürgerschaft sowie zahlrei­ cher Einzelpersonen vor allem die Burggrafen von Nürnberg bzw. die Markgrafen von Brandenburg(-Ansbach) mit zahlreichen Vertretern, aber auch topografische Begriffe. Eine (zum Teil auf Hinweisen von Rezensenten basierende) Liste von Errata und Corrigenda (S. 377-382) sowie Nachträge zu Quellen und zwischenzeitlich neu erschienener Literatur (S. 383-388), an die sich eine Zusammenstellung der bisher erschienenen Rezensionen (S. 389f.) anschließt, liefern wertvolle Ergänzungen zum Gesamtprojekt. Den beiden Herausgebern und allen an diesem Projekt Beteiligten gebührt Respekt für ihre Leistung und Dank dafür, dass sie mit dieser Edition die seit langem bestehende Lücke der fränkischen Landesgeschichte geschlossen haben. Wiltrud Fischer-Pache

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Horst H. Freyhofer: The Nuremberg Medical Trial. The Holocaust and the Origin of the Nuremberg Medical Code. New York u.a.: Lang 2004. VIII, 209 S. mit Abb. $ 35,95. Als erster Nachfolgeprozess des Hauptkriegsverbrecherprozesses fand von Dezem­ ber 1946 bis August 1947 in Nürnberg der sogenannte Ärzteprozess statt. Angeklagt waren vor dem US-Militärgerichtshof 19 Ärzte und eine Ärztin sowie drei Nicht-Ärzte wegen Medizinverbrechen im Dritten Reich: Die Anklagepunkte beinhalteten nicht­ freiwillige Experimente an Menschen, Euthanasieverbrechen und die Ermordung von KZ-Insassen zur Anlage einer Skelettsammlung jüdischer Menschen. Bei den Menschen­ versuchen mit einkalkuliertem tödlichem Ausgang handelte es sich insbesondere um Unterdrück- und Unterkühlungsversuche, Meerwasserexperimente, Versuche mit Fleck­ fieberimpfstoffen und Experimente der rekonstruktiven Chirurgie. Viele Opfer starben oder überlebten mit schweren Verstümmelungen. Der Prozess endete mit sieben Todes­ urteilen, sieben Verurteilungen zu lebenslänglichen und zwei Verurteilungen zu lang­ jährigen Freiheitsstrafen. Sieben Angeklagte wurden aufgrund lückenhafter Beweislage freigesprochen. Die Stellungnahme des Militärgerichtshofes im Hinblick auf erlaubte medizinische Versuche bildete die Grundlage für einen „Nürnberger Kodex“, dessen normative Aussagen in den folgenden Jahrzehnten präzisiert und weiterentwickelt wurden. In seinem in englischer Sprache erschienen Buch gibt der Wissenschaftshistoriker Horst H. Freyhofer einen Überblick über Hintergründe und Ablauf dieses Prozesses. Er beleuchtet die juristischen Aspekte, die sich bei der Anklageerhebung ergaben, zeichnet die Argumentationen sowohl der Ankläger als auch der Verteidiger nach und arbeitet die verschiedenen Stränge der Verteidigungsstrategien der Angeklagten heraus. Eingehend beschäftigt sich Freyhofer mit medizinethischen Überlegungen: Auch noch nach sechzig Jahren sind die im Ärzteprozess aufgeworfenen Fragen nach der mora­ lisch-ethischen Verankerung ärztlichen und wissenschaftlichen Handelns hochaktuell. Der Autor betont nachdrücklich die besondere Grausamkeit und das Ausmaß der begangenen Verbrechen, weist aber dennoch darauf hin, dass diese Taten nicht völlig herausgelöst aus der medizinischen Wissenschaftstradition zu sehen sind und in ande­ ren Ländern, wie den USA, ebenfalls umstrittene Menschenexperimente stattfanden. Auf der Anklagebank saßen neben wenigen Hauptverantwortlichen auch Vertreter mittlerer Hierarchieebenen; andere hatten Selbstmord begangen oder waren unter­ getaucht bzw. ins Ausland geflüchtet. Die Angeklagten entsprachen nicht dem Typus des Monsters, sondern schienen sich in Einstellung und Persönlichkeit eher wenig von ihren Berufskollegen zu unterscheiden. Sie beriefen sich auf die Gehorsamspflicht gegenüber staatlichen Befehlen, v.a. in Kriegszeiten; sie gaben an, absehbare Todesfälle bei Menschenversuchen, z.B. bei den Fleckfieberversuchen, nur in Kauf genommen zu haben, um mit den gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen der „Volksgemein­ schaft“ ein Vielfaches an Menschenleben zu retten. Der Vernichtungskrieg im Osten und der Holocaust steigerten einerseits die Bedenkenlosigkeit bei der Planung und Durchführung mörderischer Versuchsreihen, andererseits war z.B. das Euthanasie-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Programm sozusagen ein erster „Test“ auf dem Wege zur Massenvernichtung von im Rahmen der Naziideologie gebrandmarkten Bevölkerungsteilen. Personelle Kontinuitäten bei der im Vergleich zu anderen Berufsgruppen erheblich stärker in das Nazisystem verstrickten deutschen Ärzteschaft trugen nach dem Krieg dazu bei, die Befassung mit der eigenen professionellen Vergangenheit im Dritten Reich abzublocken. Die von Alexander Mitscherlich und Fred Mielke 1949 herausgegebene Dokumentation über den Ärzteprozess („Medizin ohne Menschlichkeit“) fand wenig Beachtung und wurde erst in den 80er Jahren durch eine Neuauflage einem breiteren Publikum bekannt. Mitte der 90er Jahre setzte sich endlich der Deutsche Ärztetag mit der Beteiligung von Medizinern an Naziverbrechen auseinander. Eine Gesamtdoku­ mentation des Nürnberger Ärzteprozesses erschien jedoch erst 1999, finanziert über Einzelspenden von ca. 8.000 Ärztinnen und Ärzten; die Bundesärztekammer lehnte eine Beteiligung an der Finanzierung ab. Freyhofers facettenreiche, in sich kompakte Darstellung des Prozesses und der sich daraus ergebenden Problem- und Fragestellungen kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, den aktuellen Diskussionen zur medizinethischen Verantwortung ein wissen­ schaftshistorisches Fundament zu geben. Dringend zu wünschen ist allerdings eine deutsche Übersetzung des Buches, um eine breite Rezeption auch hierzulande zu erleichtern. Was bei Freyhofers ansonsten exzellenter Darstellung erstaunt: Er geht nicht darauf ein, inwieweit die verhängten Freiheitsstrafen vollzogen wurden. So ist aus anderer Quelle zu erfahren, dass man 1951 nachträglich alle Freiheitsstrafen reduzierte. Die meisten der Verurteilten wurden in den darauffolgenden Jahren vorzeitig entlassen eine konsequente Aufarbeitung der Nazivergangenheit war in den fünfziger Jahren politisch nicht mehr opportun. Fred-Jürgen Beier

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine Astrid Schmidt-Händel: Der Erfurter Waidhandel an der Schwelle zur Neuzeit. (Europäische Hochschulschriften: Reihe III / Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 998). Frankfurt u.a.: Lang 2004. 304 S. mit 4 Kt. € 51,50. Die vorliegende Arbeit wurde 2002 als Dissertation an der Universität ErlangenNürnberg angenommen. Untersuchungsziel war es, die in der meist älteren Literatur formulierten Thesen, die auch von den wenigen Untersuchungen neueren Datums übernommen wurden, zu überprüfen und mit neuen Forschungsansätzen zu verknüp­ fen. Die Arbeit stützt sich auf eine breite Literaturbasis, insoweit möglich werden die Ergebnisse aus den Quellen erarbeitet und abgesichert. Die Autorin gliedert ihre Untersuchung neben Einleitung und Zusammenfassung in vier Hauptkapitel. Hinsichtlich Umfang, Handelsrichtung und konjunkturellem Ver­ lauf des Waidhandels geben vor allem die Geleitsrechnungen Auskunft. Der Export

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durch die Geleitsstationen Erfurt, Eisenach und Eilenburg stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchung. Zu weiteren acht Stationen ist die Quellenlage zwar sehr lückenhaft, aber das Material reicht aus, um die vorher gewonnenen Erkenntnisse im wesentlichen abzusichern. Schmidt-Händel widmet ein Kapitel ihrer Untersuchung auch den am Transport beteiligten Fuhrleuten, die in der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung sonst kaum beachtet werden, ein anderes den bedeutendsten Waidhändlern, die sie in Erfurt, Zentrum des Waidanbaus, der Waidverarbeitung und des Waidhandels, oder im Erfur­ ter Land namhaft machen konnte. Da Waid im Mittelalter und der frühen Neuzeit die bedeutendste Pflanze zum Blaufärben war [und ebenfalls für Tinten, Anstriche und Druckfarben verwendet wurde], rücken hinsichtlich des Absatzes natürlich die Zentren der Textilherstellung und der Textilfärberei in den Mittelpunkt der Untersuchung. Aus Nürnberger Sicht ist es erfreulich, dass Schmidt-Händel hier besonders den Focus auf die Stadt an der Pegnitz legt (Punkt 5.1.1. in Verbindung mit 3.3.), einem der bedeutendsten Zentren der Textil­ veredlung und des Textilexports. Die Ware gelangte über die Nürnberger Geleitsstraße, die zahlreiche Nebenstrecken aufwies, in die Stadt. Bereits im Jahre 1377/78 errichtete der Nürnberger Rat ein Waidhaus, ein deutlicher Hinweis auf die Wichtigkeit dieses Wirtschaftsgutes. Die Waidordnung sah vor, dass der Waid nur an Nürnberger Bürger verkauft werden durfte (Vorkaufsrecht), es sei denn, es bestand bei ihnen keine Nach­ frage. In diesem Fall konnten Fremde sich allerdings nur dann direkt einschalten, wenn der Rat sie einer nicht-verfeindeten Stadt zurechnete. Der Import wurde dabei zunächst von Erfurter Händlern organisiert, später schalte­ ten sich Nürnberger Kaufleute - entgegen der Erfurter Waidordnung - zunehmend selbst ein, indem sie u.a. versuchten, die Waidbauern als Zulieferer zu gewinnen. Zum Teil errichteten Erfurter Waidhändler in Nürnberg Faktoreien, verwurzelten hier und gingen Verwandtschaftsbeziehungen mit Nürnberger Händlerfamilien ein. Als Nürn­ berger Waidkäufer - also entweder Färber oder Händler - belegt die Autorin folgende Nürnberger Bürger, bei denen es sich allerdings z.T. um Angehörige ursprünglich Erfurter Familien handelte: Heinz Scherl (um 1500), Hans Ebirhart (um 1480/90), Hans Reyff (um 1450), Ulrich Freydung (um 1450), Stephan Volckmer d.Ä. und d.J. (um 1500), Andres Volckmeier d.J. (um 1500), Paul Volckamer (um 1500), Martin Merckel (um 1480), Simon Froler d.Ä. und d.J. (um 1450/70), möglicherweise auch die Familien Mulich mit Cuntz, Praun mit Hans und Sebald mit Hans (um 1470). Anders als in Erfurt widmete sich das Nürnberger Patriziat diesem Handelszweig offensichtlich nur in Ausnahmefällen. Kritisch anzumerken bleibt, dass bei einer sorgfältigeren Endredaktion die Wieder­ holung der letzten Zeile auf der nächstfolgenden Seite (z.B. 149/150) zu vermeiden gewesen wäre. Bei der Literatur hätte man zusätzlich zu dessen anderen Publikationen das Buch von Müllerott, Quellen zum Waidanbau in Thüringen (1993) heranziehen können. Er nimmt dort u.a. Bezug auf Langercranz (1913) und liefert zahlreiche techni­ sche Details zur Gewinnung des Farbstoffes (S. 12 bei Schmidt-Händel). Die Frage bleibt, wann die weitgehende Verdrängung des Farbstoffes Waid durch das nachhaltiger

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen färbende dunkelblaue Indigo einsetzte und abgeschlossen war. Neben diesen eher marginalen Kritikpunkten ist es allerdings sehr ärgerlich, dass der Benutzer bei der Erschließung des Buches nicht durch ein Orts- und Sachregister unterstützt wird. Insgesamt handelt es sich jedoch um eine sehr erfreuliche Arbeit, die in vollem Umfange das leistet, was man von einer Dissertation füglich erwarten darf. Besonders beeindruckend sind die zahlreichen textnah integrierten Karten und Tabellen und ihre kritisch-abwägende Interpretation. Die Autorin löst mit der Fülle des Stoffes, seiner methodischen Durchdringung und der Veranschaulichung der Ergebnisse ihre selbst­ Lambert F. Peters gesetzten Zielsetzungen überzeugend ein.

Lambert F. Peters: Strategische Allianzen, Wirtschaftsstandort und Standortwett­ bewerb. Nürnberg 1500-1625. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2005. 683 S. mit 79 Abb. €91,80. Seit vielen Jahren hat sich der Autor Lambert F. Peters der Aufgabe verschrieben, die gewaltige, aber spröde Datenmenge der Kontobücher des Nürnberger Banco Publico auszuwerten und für die Wirtschaftsgeschichte nutzbar zu machen. Auch wenn der Untersuchungszeitraum dies zunächst nicht vermuten lässt, so ist doch auch das hier zu besprechende Werk eine Frucht dieser Arbeit. Ausgangspunkt war die Beobachtung einer Anomalität im Kontobild der Jahre 1621-1624: Während jede der großen Firmen mit jeder anderen Geschäfte abwickelte, fehlen Überweisungen zwischen den Firmen Imhoff und Tücher vollkommen. Die Suche nach den Gründen dieser auffälligen Abweichung führte zurück bis ins frühe 16. Jahrhundert. Es fällt schwer, auch nur die großen Linien dieses inhaltsreichen Werkes in wenigen Worten zusammenzufassen. Peters’ Untersuchung beginnt mit der Ausgangssituation im 16. Jahrhundert, als eine Allianz aus Nürnberger (Imhoff, Welser, Tücher) und anderen (Zollikofer, Rottergatter, Augsburger Welser) Firmen den Safranmarkt mono­ polistisch beherrschte. Ausführlich untersucht er die Marktmechanismen auf diesem speziellen Markt, die Methoden der Allianzpartner und ihre inneren Gegensätze; scharf, vielleicht zu scharf kontrastiert er die Unterschiede der Firmenkultur zwischen den alteingesessenen, solideren, kooperationswilligen und freihändlerisch gesinnten Tücher und den jüngeren, aggressiven, protektionistischen und auch vor illegalen Prak­ tiken nicht zurückschreckenden Imhoff/Welser. Als dynamische Reaktion des Marktes auf das bestehende Monopol bildete sich um 1570 ein kleineres Konkurrenzoligopol italienischer Firmen (Turrisani, Odescalco, Werdemann, Lumago), die nun ihrerseits Nürnberg zum strategischen Zentrum ihres Deutschlandhandels machten. Diese Standortwahl nimmt Peters im 2. Kapitel zum Anlass für eine - soweit mög­ lich quantitative - Analyse der besonderen Standortqualitäten Nürnbergs und ihrer interdependenten Zusammenhänge, insbesondere im Vergleich zu den Messestädten Frankfurt und Leipzig. Hier erweist sich - trotz oder gerade wegen des Fehlens einer Messe - der Ganzjahresstandort Nürnberg mit seinem kontinuierlichen Geschäfts­ verlauf als gerade für Finanzgeschäfte geeigneter als die Messestädte mit ihren starken

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Schwankungen des Geschäftsumfangs. Der Zustrom italienischer (und niederländi­ scher) Firmen bezeugt die Attraktivität des Standorts Nürnberg auch nach dem Zweiten Markgrafenkrieg, führte aber auch zu einer Verschiebung der Marktanteile zuungunsten Nürnberger Firmen, die diese zu verschiedenartigen Reaktionen veranlasste. Die hierdurch ausgelöste wirtschaftspolitische Diskussion, die Einflussnahmestrate­ gien der verschiedenen Firmengruppen, die Informationsmöglichkeiten, Entschei­ dungsgrundlagen und möglichen Alternativen des Rates untersucht der Autor im 3., dem umfangreichsten Kapitel. Hauptproblem des Rates war die seit dem Zweiten Markgrafenkrieg angespannte Finanzsituation der Reichsstadt. Diese führt Peters weder auf eine durch den Krieg angeblich verschlechterte wirtschaftliche Situation Nürnbergs zurück (dagegen spreche schon der Zuzug der Italiener und Niederländer) noch auf die hohen Kriegskosten als solche, sondern auf die korrupte Politik des Losungers Endres (I.) Imhoff: Anstatt die Kriegskosten durch Anleihen auf dem freien Geldmarkt zum üblichen Zinssatz von ca. 5% aufzubringen, habe er die Finanzierung einem Konsortium der Welser und Imhoff (!) übertragen, die Reichsstadt durch lang­ fristige Knebelverträge an deren überhöhten Zinssatz von 10-12% gebunden und so auf Dauer die städtischen Finanzen ruiniert. Eingehend verfolgt Peters im Folgenden den Verlauf der jahrelang geführten Diskussion, den Zielkonflikt des Rates zwischen Zollerhöhung zum Schuldenabbau und Freihandel zur Standortsicherung, die Kon­ frontation der verschiedenen Firmengruppen mit ihren unterschiedlichen Interessen und Einflussnahmestrategien (Eingaben und Gutachten, Unterschriftensammlungen, Platzierung eigener Interessenvertreter in den zuständigen Ratskommissionen, Drohung mit Standortverlagerung und zeitweilige Warenauslagerung nach Schwabach und Roth durch die Italiener), die verschiedenen Reformansätze und ihre Rücknahmen, schließlich den Sieg des Freihandels in der Grundsatzentscheidung des Rates von 1576. Als positive Kontrastgestalt zu Endres I. Imhoff stellt Peters den späteren Losunger Willibald Schlüsselfelder heraus. Das 4. Kapitel ist der quantitativen Untersuchung des Ergebnisses der Entwicklun­ gen des 16. Jahrhunderts anhand der Konten des Banco Publico der Jahre 1621-1624 und der Analyse der Ursachen dieses Ergebnisses gewidmet. Die italienischen Firmen besaßen jetzt einen 3'/2-mal höheren Marktanteil als die früheren Mitglieder der Nürn­ berger Allianz zusammen; diese selbst war zerfallen. Als Ursache sieht Peters das gegenseitige Misstrauen der Nürnberger Allianzmitglieder, das ihnen eine engere Kooperation und die Anwendung moderner, flexibler Handelsmethoden (z.B. Kom­ missionsgeschäfte), wie die italienischen Firmen sie anwandten, unmöglich machte; darüber hinaus vermieden sie als ehemalige Marktführer Risiken und damit auch Chan­ cen. So schrumpfte ihre frühere Marktführerschaft auf oligopolistischen Märkten zu bloßem Zwischenhandel mit sinkender Rendite, bis eine Firma nach der anderen aus dem Wirtschaftsleben ausschied. Der Inhaltsreichtum der vorliegenden Arbeit findet seine Entsprechung in der Viel­ falt der benutzten Quellen: Geschäftsbriefe des frühen 16. Jahrhunderts aus verschiede-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen nen Patrizierarchiven, amtliche Akten zur Standortdiskussion der 1560-er/70-er Jahre, Schuldbücher des Banco Publico vom Anf ang des 17. Jahrhunderts (deren Quellenwert für die Erforschung der Nürnberger Wirtschaftsgeschichte die vorliegende Arbeit ein­ drucksvoll bestätigt), sogar Kunstwerke aus Nürnbergs Kirchen, die Peters als Doku­ mente des Prestigewettstreits (Statuskonkurrenz!) der Stifterfamilien interpretiert - in seiner Verbindung mit dem wirtschaftlich-politischen Konkurrenzkampf der Patrizier­ familien ein interessanter Gesichtspunkt für die Nürnberger Kunstgeschichte! Dass der Verfasser durchgehend die Theorien der modernen Wirtschaftswissenschaften zur Erklärung der Vorgänge des 16. Jahrhunderts heranzieht, trägt zur Nachvollziehbarkeit seiner Argumentation wie auch zum anregenden Charakter der Arbeit zweifellos nicht wenig bei. Trotz der Menge und Vielfalt der benutzten Archivalien bringen es die Eigenarten des Gegenstandes (die meist nur geringe Überlieferung firmeninternen Schriftguts und statistisch verwertbarer Daten, aber auch die extreme Geheimniskrämerei des Rates bezüglich interner Meinungsverschiedenheiten) mit sich, dass manche Thesen des Autors nur unzureichend belegt werden können. Der Verfasser ist sich dieser Proble­ matik durchaus bewusst. Ausdrücklich weist er an gegebener Stelle auf den „teilweisen Hypothesencharakter“ einzelner seiner Ausführungen hin, unterscheidet zwischen zweifelsfreien Fakten und nicht zweifelsfrei abzusichernden Kausalzuschreibungen, kennzeichnet „Indizienketten“ und „assoziative Verknüpfungen“. Trotz dieser not­ wendigen Einschränkungen bleibt die Plausibilität seiner Argumentation beein­ druckend. Der Autor hat mit neuen Methoden und Quellen wichtige neue Erkenntnisse über die Nürnberger Wirtschaftsgeschichte des 16. Jahrhunderts gewonnen und eine neue Sicht auf die entscheidende Zeit des Übergangs von Nürnbergs Blütezeit zum späteren Niedergang eröffnet. Ob alle seine Thesen und sehr prononcierten Wertungen ungeteilten Beifall finden werden, bleibt abzuwarten. Er selbst versteht seine Arbeit als „Angebot für die künftige Forschung ..., die Fragen aufzunehmen“ (S. 23). Es ist zu wünschen, dass viele künftige Forscher von diesem Angebot Gebrauch machen werden. Horst-Dieter Beyerstedt

Thomas Reinwald: Triumph Motorräder. Lemgo: Kleine Vennekate 2004. 139 S. mit zahlr. Abb. € 29,-. Seiner Firmenmonographie über den Nürnberger Zweiradhersteller Victoria fügt Thomas Reinwald nun eine Unternehmensgeschichte über den Fahrrad- und Motor­ radhersteller Triumph hinzu. Selbstbewusst offeriert Reinwald sein neues Buch dem Leser als „erste ausführliche Triumph-Motorradhistorie..., dessen (sic) Erscheinen eine Lücke am Buchmarkt schließt“ (S. 4), und verbindet mit der Angabe seiner e-mailAdresse gleichzeitig die Einladung zum Dialog. Den historischen Wurzeln der Nürnberger Traditionsfirma widmet Reinwald, dessen Arbeiten in der Regel technikgeschichtlich ausgerichtet sind, ein ausführliches Kapitel. Es führt den Leser zunächst nach Großbritannien, wo bereits 1887 die Triumph

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Cycle Company Ltd. in Coventry als Vorläuferfirma des Nürnberger Werks von dem jüdischen Nürnberger Siegfried Bettmann und dem für ein Nürnberger Unternehmen tätigen Vertreter Carl Schwemmer gegründet wurde. Da Reinwald ohne Anmerkungen auskommt, bleibt auch unklar, woher er seine Kenntnisse bezieht. Zumindest erscheint zweifelhaft, dass Schwemmer als Vertreter bei seinen Uberlandtouren in einer Zeit schlechter Straßenverhältnisse und geringer technischer Entwicklung ein Fahrrad benutzt haben soll. Die Geschäftsidee selbst war auf jeden Fall erfolgreich, denn am 15. Juli 1896 wurde die Deutsche Triumph Fahrradwerke AG als Nürnberger Zweigfabrik errichtet, die schon 1913 von der britischen Mutterfirma unabhängig wurde. Unter den Geldgebern waren Julius Beißbarth, der als Zulieferer von Fahrradteilen ein besonderes Interesse an der Unternehmung hatte, sowie das jüdische Bankhaus Kohn. Zur prominenten Grün­ dergeneration gehörte auch der Werksmeistcr Arno Dietrich, der später die ArdieWerke AG ins Leben rief. Die Firma Triumph boomte, und schon 1898 fertigten rund 300 Mitarbeiter 5.900 Zweiräder. 1897 wechselte das Unternehmen in die Fürther Straße, wo es bis zu seiner Abwicklung blieb. 1902 verließ das erste motorisierte Fahr­ rad die Werkstätten, und 1909 wurde das Fertigungsspektrum mit der Übernahme der Norica-Schreibmaschinenwerke Kürth & Riegelmann GmbH auf Schreibmaschinen ausgeweitet. 1911 erfolgten die Trennung der zwei Geschäftsbereiche und die Umbe­ nennung in Triumph-Werke AG. Nach diesem geschichtlichen Abriss steigt Reinwald in das eigentliche Thema des Buches ein: Die Triumph Motorräder. Die vier folgenden Kapitel untergliedert Rein­ wald unter entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkten in die Abschnitte 1919-1930: Die Zweitakter von der Knirps bis zur K XI Supra, 1924-1929: Viertakter mit engli­ schen Triumph-Motoren, 1930-1938: Viertaktmotoren von M.A.G. und 1930-1939: Die Zweitakter der dreißiger Jahre. Die letzten drei Kapitel sind unter zeitgeschicht­ lichen Aspekten zusammengefasst: 1939-1945: Die Triumph-Werke AG im Zweiten Weltkrieg, 1945-1957: Die Nachkriegsepoche und 1957: Die Einstellung der Motorrad­ produktion. Vor allem der technisch interessierte und versierte Motorradfan kommt bei Reinwalds detailreicher Bearbeitung der Fertigungspalette auf seine Kosten. Reinwald schafft es dennoch, auch für den unkundigen Laien ein lebendiges Bild der Motorrad­ produktion und Entwicklung zu zeichnen. In zahlreichen Episoden und Anekdoten bleiben Mitarbeiter wie Ingenieure, Werksmeister, Werksfahrer oder Arbeiter nicht anonym. Für die nächste Publikation dieser Art sei deshalb an dieser Stelle die Anlage eines Personenregisters empfohlen. Allerdings wird das attraktive Fotomaterial nicht immer optimal präsentiert. Allzu oft verliert es als Collage oder durch kleinformatigen Abdruck an Wirkung. 1957 wurde im Sog des allgemeinen Niedergangs der Nürnberger Zweiradindustrie, nicht zuletzt bedingt durch die wachsende Automobilisierung der prosperierenden Gesellschaft, auch die Motorradproduktion bei Triumph eingestellt. Bei dem einge­ fleischten Motorradfan Reinwald kommt Max Grundig, der die Firma erst erworben und dann abgewickelt hatte, nolens volens ausgesprochen schlecht weg. Dagegen

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen erstrahlt Gerd Schmelzer im Nimbus des Retters, der im Verhandlungspoker mit der italienischen Firma Olivetti um das Triumph-Adler-Gelände einige als Anschauungs­ objekte in der Firma verbliebene und fast vergessene Motorräder aus den 1950er Jahren zur conditio sine qua non des Kaufs machte. Die wertvollen Oldtimer sind heute im Centrum Industriekultur zu besichtigen. Eine „Triumph Typenliste“, zu der nur Kenner Zugang haben dürften, beschließt die flott geschriebene und insgesamt gelungene Darstellung. Martina Bauemfeind

Gregor Schöllgen: Diehl. Ein Familienunternehmen in Deutschland 1902-2002, Ber­ lin u.a.: Propyläen-Verl. 2002. 336 S. mit Abb. € 35,-. Anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums erschien die erste Firmen- und Famili­ enbiographie als Auftragsarbeit der Familie Diehl. Als Autor konnte Gregor Schöllgen, Professor für Neuere Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg, unterstützt von zwei Mitarbeitern, gewonnen werden, in dessen For­ schungszeitraum Gründung und Aufstieg von Diehl fallen. Umfangreiche Archiv­ recherchen, u. a. im „Karl-Diehl-Archiv“, sowie Zeitzeugeninterviews, auch mit dem Firmenpatriarchen Karl Diehl selbst, liegen der Studie zugrunde. Der Quellenlage ist zum Schluss ein eigenes Kapitel gewidmet. Entlang der Firmenchronologie gliedert Schöllgen den komplexen Stoff der Firmen­ entwicklung in die Kapitel „Vom Ziseleur zum Munitionsfabrikanten. Die Ära Hein­ rich Diehl 1902-1938“, „Durchbruch und Zusammenbruch. Ein Rüstungsunternehmen in Großdeutschland 1938-1947“, „Wecker und Patronen. Konsolidierung im Wirt­ schaftswunder 1947-1959“, „Mut und Motivation. Karl Diehl und seine Mitarbeiter 1959-1971“, „Fehler und Fortune. Deutschlands diskretester Milliarden-Konzern. 1971-1983“, „Rat und Tat. Ein Mischkonzern im weltpolitischen Umbruch 1983-1992“ und „Von der Mechanik zur Elektronik. Die dritte Generation 1992-2002“. Wer denkt, es ginge im etwas knalligen Stil der Kapitelüberschriften weiter, der irrt. Es folgt eine äußerst dichte Darstellung auf wissenschaftlicher Basis. 1902 gründete der Kunstgießer Heinrich Diehl (1878-1938) in der Nürnberger Schweiggerstraße unter seinem Namen eine Werkstatt für Kunstgussartikel und Armaturen. 1915 kam der Stangenguss zur Fertigungspalette, der als so genanntes Halbzeug bis heute zu den zentralen Geschäfts­ bereichen der Firma zählt. Während des Ersten Weltkrieges stieg Diehl bereits in die Rüstungsproduktion ein, wenn auch noch in bescheidenem Umfang. Auch dieser Betriebszweig stellt - von zeitbedingten Unterbrechungen abgesehen - bis heute ein wichtiges Standbein der Firma dar. Noch unter Heinrich Diehl kam es zu Kontakten und Verflechtungen mit anderen fränkischen Unternehmen wie den späteren FaunWerken, aber auch der MAN oder der Krupp AG in Essen. 1917 zog das Unternehmen unter dem Namen „Metall-, Guß- und Preßwerk Heinrich Diehl“ an die Bayreuther Straße um, und 1937 konnte in der Stephanstraße für das Metallwerk ein geeigneter Komplex erworben werden, der bis heute Firmenstammsitz ist. Außerdem wurde 1938 in Röthenbach/Pegnitz mit der Metallhalbzeugfertigung im großen Stil begonnen. Im

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gleichen Jahr übernahm nach Heinrich Diehls Tod sein Sohn Karl Diehl die Leitung des Unternehmens. Seinen Lebensweg nimmt Gregor Schöllgen genau unter die Lupe. So schloss sich Karl Diehl während der Weimarer Republik dem völkisch-nationalistischen Bund Oberland an, wie u.a. auch der Gründer der Nürnberger Nachrichten Joseph E. Drexel. Wenn sein Engagement dort auch Episode blieb, brachte es, gepaart mit seiner Rolle als Rüstungsfabrikant und seinem frühen Beitritt zur NSDAP, Diehl seit 1945 immer wieder in Rechtfertigungszwang. Bei der historischen Einordnung der Familie Diehl während des Dritten Reiches und der Rekonstruktion der Ereignisse spekuliert Schöllgen nicht, sondern hält sich kritisch an die dürren Fakten. Vor allem aber inter­ pretiert er aus zeitgenössischer Sicht. So gab es während der Zwangswirtschaft für Metall verarbeitende Betriebe wenig Alternativen. Um das mittelständische Unterneh­ men zu erhalten, arrangierte sich die Familie, wenn auch offenbar ohne größere Über­ windung, aus Pragmatismus und Opportunismus mit dem Hitler-Regime. Damit untermauert Schöllgen das Urteil von Wolfgang Benz, der in seinem Gutachten zu dem Schluss kommt, dass Karl Diehl im „landläufigen Verständnis ..., trotz der NSDAPMitgliedschaft, kein ,Nazi‘ gewesen sei“ (S. 306). Unbestritten bleibt, dass vor dem Hin­ tergrund der deutschen Wiederbewaffnung 1935 und der beginnenden Hochrüstung auch die Firma Diehl expandierte. Bis 1945 produzierte das Röthenbacher Werk vor­ nehmlich für die Rüstungsindustrie. Karl Diehl, der innerhalb der Rüstungsbürokratie eine Reihe von Ämtern übernahm, eckte vor allem dann mit dem NS-Regime an, wenn die nationalsozialistische Planwirtschaft seine Unternehmensführung tangierte. Im Focus seines Interesses stand immer das Unternehmen. Unter diesem Aspekt schützte er auch Juden und Halbjuden vor dem Zugriff der Nationalsozialisten. Von den rund 4.000 Mitarbeitern, die Diehl 1939 beschäftigte, wurden mit Kriegsbeginn nach und nach wehrfähige Facharbeiter eingezogen und sukzessive durch die Einstellung von Zwangsarbeitern ersetzt. 1945 waren es rund 3.500. Auch hier fügte sich Diehl den politischen Zwängen, die Schöllgen kleinschrittig nachvollzieht und analysiert, ohne den Unternehmer pauschal zu salvieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg überstand Diehl Entnazifizierung und Demontagen und stellte die Produktion erfolgreich auf Zivilartikel und Gebrauchsgegenstände wie den Uhrenbau (verbunden mit der Marke Junghans), Herdschaltuhren oder Rechen­ maschinen um. Auch die Produktion von Halbzeug als krisensicheres Standbein ging weiter. Der Rückkehr zu Rüstungsproduktion und Wehrtechnik, etwa mit Munition und Panzerzubehör, deutete sich schon Anfang der 1950er Jahre mit der Diskussion um die EVG-Pläne an. Die alte Rüstungslobby fand sich wieder zusammen, und Kontakte zu Ludwig Erhard und vor allem zu Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ebneten Diehl hier den Weg. 1956 erfolgte die Umfirmierung in „Diehl GmbH“, und 1982 kam es zu einer Reform der Unternehmensorganisation, einhergehend mit dem Kompetenz­ zuwachs der drei Söhne Diehls, und schließlich zur Überführung in eine Holding­ struktur. So komplex und unübersichtlich der Wandel vom mittelständischen Unternehmen zum weltweit agierenden Großkonzern mit einer Vielzahl von Geschäftsbereichen, Beteiligungen und vorübergehenden Engagements auch ist, gelingt es Schöllgen durch-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen weg, die Stofffülle in eine lesbare Form zu gießen. Aus dem Verständnis der Zeitgenos­ sen argumentierend bettet der Autor als Kenner der internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts seine Darstellung in eine weltpolitische Rahmenhandlung ein. Wer sich hingegen an der lokalen Nürnberger Stadtgeschichte und -entwicklung orien­ tieren möchte oder gar auf Lokalkolorit und Milieureportagen aus Diehls Heimatstadt hofft, wird enttäuscht. Sozialgeschichtliche Aspekte bleiben ausgeklammert, im Vor­ dergrund der Unternehmensgeschichte stehen die Darstellung der Konzernstruktur, der Produktpalette und die Leistungen der Unternehmensleitung, zu der in den Anfangsjahren auch Karl Diehls Mutter Grete zählt. Ist von den Beschäftigten die Rede, handelt es sich in der Regel um Berater, Weggefährten und Mitarbeiter in Schlüssel­ positionen. Alle Namen sind in einem Personenregister im Anhang nachzuschlagen. Flankiert wird die Firmenmonographie durch Reflexionen über Karl Diehls privaten Lebensweg, den ein mondäner großbürgerlicher Lebensstil kennzeichnete. Dazu gehörten Diehls soziales Engagement für seine Mitarbeiter und bedürftige Nürnberger Familien ebenso wie seine millionenschweren Spenden zum Aufbau der Stadt Nürnberg nach dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Kontext bleibt die anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Diehl in jüngster Zeit geführte Diskussion um die Entschädi­ gung von Zwangsarbeitern nicht ausgespart. Einige, etwas lieblos in den Text hineinmontierte Abbildungen illustrieren die Dar­ stellung. In größerer Zahl und besserer Qualität hätten sie die Attraktivität des Buches bestimmt noch steigern können. Mit der Firmenmonographie aus der Feder Gregor Schöllgens liegt eine in jeder Hinsicht überzeugende und auch sprachlich gelungene Aufarbeitung der komplexen Geschichte des Weltkonzerns Diehl vor. Dass sie ihrem Leser bisweilen höchste Konzentration abverlangt, liegt in der Natur des unübersichtlichen und komplizierten Stoffes. Martina Bauernfeind

Geschichte des Spitals in Schwabach. Festschrift zum 600jährigen Weihejubiläum der € 11,-. Spitalkirche. Schwabach: Hospitalstiftung 2004. 212 S. mit zahlr. Abb. Schon 1375 wurde - nahezu zeitgleich mit dem Glockengießer-Spital in Lauf und vielleicht vom gleichen Stifter - das Spital zu Schwabach gegründet, 1404 fand die Weihe der Spitalkirche statt. In der Geschichtsschreibung haben beide Spitäler jedoch eine sehr unterschiedliche Aufmerksamkeit gefunden: Während das GlockengießerSpital in Lauf bereits mehrfach Gegenstand monographischer Untersuchungen wurde, findet sich in der Biographie zum Schwabachcr Spital kein einziger entsprechender Titel. Dieser Umstand hat die heute noch bestehende Spitalstiftung bewogen, als Fest­ schrift zum Weihejubiläum der Spitalkirche den vorliegenden Sammelband zur Spital­ geschichte herauszugeben. Es ist keine Untersuchung aus einem Guss, sondern eine Zusammenstellung von 14 Beiträgen von neun Autoren plus einem Anhang von fünf Dokumenten und Listen zur

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MVGN 92 (2005) Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Vereine Spitalgeschichte. Vielfältig wie die möglichen Aspekte der Spitalgeschichte und seiner Beziehungen zur Geschichte der Stadt Schwabach sind die Beiträge der Festschrift. Von der wissenschaftlichen Untersuchung bis zur persönlichen Kindheitserinnerung, vom gesamteuropäischen Überblick bis zur detaillierten Analyse einer Einzelquelle reicht das Spektrum der hier versammelten Beiträge. Nach dem einführenden Überblick von Wolfgang Dippert „Die Spitäler als Ele­ ment städtischer Infrastruktur“ (S. 7-11) wendet sich der gleiche Autor der „Gründung des Spitals in Schwabach“ (S. 12-20) zu, wobei er besonderes Gewicht einerseits auf die Parallelen zur Spitalgründung in Lauf, andererseits zur Bedeutung der Spitalgründung für die Stadtwerdung Schwabachs legt. Eugen Sc hölers Aufsatz „Die Familien Glocken­ gießer- Ahnen, Nachkommen und Wappen“ (S. 21-34) bemüht sich, Schneisen in den „genealogischen Irrgarten“ aus Gleichnamigkeit, Mehrfachnamen, Verwandtschaft und fehlenden Verbindungsgliedern rund um die (Stifter-)familie(n) Keßler/Glockengießer/ Rosenhart/Rosenau zu schlagen. Zwar gelingt ihm die Erhellung einiger Probleme und Irrtümer, eine wirkliche Klärung aber bleibt unmöglich. Sabine Weigand-Krug „.Ar­ men, Siechen und Dürftigen zur steten Herberge“ - Das Spital in Mittelalter und früher Neuzeit unter Berücksichtigung der Schwabacher Verhältnisse“ (S. 35-56) gibt einen Überblick über innere Organisation und Lebensformen im Spital bis zur Trennung von Krankenhaus und Altersheim im 19. Jahrhundert. Unter dem geheimnisvollen Titel „Wo es nach Heilkräutern duftet - 600 Jahre Spitalkirche“ (S. 57-80) meditiert Uli Hubel anhand intensiver und zu teilweise überraschenden Einsichten kommender Textbetrachtung (Bibel, Kafka, Laotse, Zeitungsmeldungen u.a.) über das Wesen des Helfens und Heilens und dessen Bezug zum Sinn des Lebens - entsprechend dem leit­ motivisch wiederkehrenden Lutherwort „Die heilige Schrift ist ein Kräutlein, je mehr man reibt, desto mehr duftet es“. Jörg Ruthrof „Das Schwabacher Spital als Wirt­ schaftsfaktor innerhalb und außerhalb des Stadtganzen“ (S. 81-95) untersucht anhand der von 1579 bis nach 1800 vorliegenden, in Zehnjahresschritten ausgewerteten Rech­ nungsbücher des Schwabacher Spitals die laufende Rechnungs- und Wirtschaftsführung dieser Institution. Dem Grundbesitz als der Grundlage der Wirtschaft des Spitals widmet sich Wolfgang Dippert „Das Spital als Grundbesitzer, Grundherr und Inhaber der niederen Gerichtsbarkeit“ (S. 96-106), wobei Erwerb und Formen des Grundbesit­ zes im Mittelpunkt des Interesses stehen. Der Hauptquelle für die Erforschung des Grundbesitzes des Spitals, den vier Salbüchern der Spitalstiftung von 1405 bis 1716, widmet Dippert einen eigenen Aufsatz „Die Salbücher des Spitals“ (S. 107-114). Die Auswirkungen der „großen“ Ereignisse in Politik, Wirtschaft und Krieg auf das Spital beschreibt Wolfgang Dippert „Das Spital und Ereignisse der Schwabacher Stadtge­ schichte“ (S. 115-124); er fasst sie zusammen in dem Satz „Über die Jahrhunderte seines Bestehens hinweg teilte das Spital das Schicksal der Stadt, ohne es selbst mitzugestal­ ten“. Klaus Huber „Adam Kraft starb im Schwabacher Spital“ (S. 125-131) stellt den berühmtesten Pflegefall des Schwabacher Spitals vor. Ulrich Distier „Baugeschichte des Schwabacher Spitals und die Veränderungen im Spitalwesen im 19. Jahrhundert“ (S. 132-149) geht durch die Einbeziehung der Funktions- und Finanzierungsprobleme der einzelnen Bauwerke weit über eine reine Baugeschichte hinaus; leider endet sein

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Buchbesprechungen

Beitrag abrupt mit der Zerstörung der Spitalkirche 1941. Die heutige Spitalstiftung stellt Richard Schwager „Durch schwere Zeiten gestärkt in die Zukunft - Die Hospitalstif­ tung im 20. Jahrhundert“ (S. 150-179) vor, insbesondere ihre Vermögensentwicklung. Herbert Spachmüller „Kirchliches Leben in der Spitalkirche Schwabach“ (S. 180-187) beschränkt sich auf die Zeit nach dem Wiederaufbau der Spitalkirche und baut in erster Linie auf Zeitungsmeldungen auf. Der letzte Beitrag von Wolfgang Dip per t „Aufge­ wachsen im Schatten des Spitalkirchturms“ (S. 188-193) fasst zwei Interviews mit zwei „alten Schwabachern“ über ihre Kinder- und Jugendzeit auf dem Spitalberg während der Jahre 1940-1950 zusammen. Ein Anhang enthält die Gründungsurkunde Markgraf Friedrichs V. für das Schwabacher Spital, seinen Schutzbrief von 1375, eine von Wolf­ gang Dippert zusammengestellte Liste der Hospitalpfleger (mit einer Anmerkung über die Hospitalinspektoren), die derzeit gültige Spitalsatzung von 1976 und ein Literatur­ verzeichnis. Die einzelnen Beiträge sind, wie nicht anders zu erwarten, von unterschiedlichster Art und Qualität, im allgemeinen jedoch von guter Qualität. Ein Nachteil dieser Art von Sammelbänden ist die fehlende Abstimmung der Einzelbeiträge, die zwangsläufig zu Lücken führen muss. So ist das besitzgeschichtlich doch nicht unwichtige Thema der Aufhebung der Grundherrschaft nur mit einer kurzen Erwähnung im Kapitel über die Baugeschichte versteckt (S. 146), die Weihe der Spitalkirche 1404 - und damit der Anlass der Festschrift - fehlt völlig. Einzelne Beiträge sind nicht frei von sprachlichen Fehlern - hat hier der Termindruck seine Spuren hinterlassen? Die Bebilderung ist für eine Fest­ schrift relativ bescheiden und besteht leider durchgehend nur aus SchwarzweißBildern. Insgesamt ist jedoch ein ansprechender und informativer Band zur Geschichte des Schwabacher Spitals entstanden, der diesem endlich die längst verdiente Aufmerk­ samkeit sichert. Horst-Dieter Beyerstedt Astrid Ley: Zwangssterilisationen und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärzt­ lichen Handelns 1934-1945 (Kultur der Medizin 11), Frankfurt a.M.: Campus-Verl. 2004. 394 S. € 43,-. Ärzte und ihre Rolle in der nationalsozialistischen Selektions- und Vernichtungs­ politik sind als Phänomen einer besonderen Pervertierung und wegen der im Vergleich zu anderen akademischen Berufen hohen Affinität ihres Berufsstands zum National­ sozialismus seit 1980 Gegenstand zahlreicher (medizin)historischer Forschungs­ arbeiten. Astrid Ley richtet in ihrem Buch, das aus ihrer Dissertation an der Universität Erlangen-Nürnberg hervorgegangen ist, den Blick nicht auf die vergleichsweise kleine Gruppe von Ärzten, die als Kapitalverbrecher oder als Funktionselite in das System und seine Verbrechen eingebunden waren, sondern auf den deutschen Durchschnittsarzt und seine Mitwirkung an den Zwangssterilisationen aufgrund des Gesetzes zur Ver­ hütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN). Die Autorin fragt nach dem beruflichen Selbstverständnis von Ärzten im National­ sozialismus und gewinnt neue Einblicke, indem sie die Beteiligung an der Umsetzung

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des GzVeN als Gradmesser für den Einfluss nationalsozialistischer Kollektivethik auf den einzelnen Arzt sieht. Wie geschah die Umsetzung einer Ideologie, der nicht länger - gemäß individualtethischem Prinzip - das Wohl eines jeden einzelnen Patienten, sondern - auf der Grundlage eines rassenhygienischen Denkmodells - der Schutz des „rassisch wertvollen Volkskörpers“ und somit die vermeintliche Notwendigkeit zur Zwangssterilisation „minderwertig“ klassifizierter Patienten als übergeordnetes Prinzip ärztlichen Handelns galt? Im ersten von vier Teilen, in die sich die Arbeit gliedert, beschreibt Astrid Ley die gesetzlichen Vorgaben für die Zwangssterilisationen. Unbestritten belegt ist durch neuere Forschungen, dass die ideengeschichtlichen Wurzeln des GzVeN vom 14.7.1933 bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen und dass das eugenisch-rassenhygienische Denken bereits in der Weimarer Republik quer durch alle politischen, gesellschaftlichen und konfessionellen Gruppierungen weit verbreitet und auch fortschreitend in der öffentlichen Gesundheitspflege institutionalisiert war. Astrid Ley beschreibt die neun Indikationen, die das Gesetz vorsah, die zeitgenössische Diagnostik, die formalen Rahmenbedingungen des gesetzlich vorgeschriebenen „Erbgesundheitsverfahrens“ und die Einrichtung der Erbgesundheitsbehörden. Nach der Darstellung der Richtlinien ärztlichen Handelns im Nationalsozialismus analysiert Ley im Hauptteil ihrer Arbeit drei Gruppen der praktizierenden Ärzteschaft unter Einbeziehung von deren beruf­ licher Situation und daraus resultierenden gruppenspezifischen Selbstverständnis: die niedergelassenen Haus- bzw. Fachärzte, die Fürsorgeärzte des ambulanten Außen­ dienstes psychiatrischer Krankenhäuser und die klinischen Universitäts- und Anstalts­ psychiater. Deren Handeln untersucht sie am Beispiel der Region Nürnberg-FürthErlangen, die mit etwa 900 Ärzten, drei öffentlichen Einrichtungen für die klinische psychiatrische Versorgung und einem ausgedehnten psychiatrischen Außendienst versorgt war. An wichtigen Quellen wertet Ley die Unterlagen zu 3.560 Sterilisations­ prozessen aus, die zwischen 1934 und 1945 vor dem zuständigen Erbgesundheitsgericht Erlangen geführt wurden, die gerichtlichen Einzelfallakten und im Falle des Bezirks Nürnberg-Stadt die gesundheitsamtlichen Gegenakten, die so genannten Sippenakten, sowie als einzigartige Quelle einen vollständigen Bestand von 238 Sterilisationsanzeigen für den Bezirk des Gesundheitsamts Schwabach, durch den die Meldetätigkeit der niedergelassenen Ärzte dokumentiert ist. Das Einkommen der niedergelassenen Ärzte hing vom Patientenzuspruch ab, und ein enges, vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis sowie gemeinsames Lebens­ umfeld, so Astrid Ley, waren für die ärztliche Berufsausübung entscheidend. Insofern brachten die Einführung der Anzeigepflicht gemäß GzVeN und die teilweise Auf­ hebung der Schweigepflicht durch die Reichsärzteordnung vom 13.12.1935 eine Gefahr für ihre Existenz mit sich; Resultat war eine hohe Verweigerungsrate (S. 155): Zwei Drittel der Schwabacher Ärzte meldeten keine Patienten aufgrund des GzVeN. Dies überrascht vor allem deshalb, weil drei Viertel von ihnen einer NS-Gruppierung angehörten, was einen vergleichsweise hohen Organisierungsgrad darstellte. Die Hal­ tung der Schwabacher Ärzte ist exemplarisch für die niedergelassenen Ärzte insgesamt; sie wurde in der zeitgenössischen Fachpresse kritisiert und darauf zurückgeführt, dass

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen die Namen der meldenden Ärzte vor den Sterilisationsopfern nicht hinreichend geheim gehalten wurden. Aus politischen Rücksichten wurden diese Bedingungen aber weder geändert noch die Verweigerungshaltung in einem nennenswerten Ausmaß geahndet. Die Ärzte der „offenen Fürsorge“, als zweite von Astrid Ley untersuchte Gruppe, verstanden ihre Beteiligung an der Umsetzung des GzVeN als Chance, den Bestand ihrer Einrichtung zu sichern. Das durch Gustav Kolb entwickelte „Erlanger Modell“ wirkte nach dem Ersten Weltkrieg bahnbrechend, indem es darauf abzielte, die Struktur der psychiatrischen Anstalten als reine Verwahranstalten aufzubrechen und die „Irren­ fürsorge“ als „offene Fürsorge“ schwerpunktmäßig auf das Leben außerhalb der Anstalt zu verlagern. In den Krisenjahren der Weimarer Republik war die Fürsorge für „Geisteskranke“ einem massiven Rechtfertigungs- und Einsparungsdruck ausgesetzt. Am Beispiel des Fürsorgepsychiaters Valentin Faltlhauser, der die Nürnberger Außenund Fürsorgestelle der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen von Mai 1922 bis Oktober 1929 leitete, erweist sich, wie innerhalb dieses Berufsfelds die Bereitschaft stieg, eugenischrepressive Maßnahmen zu befürworten. Als späterer Leiter der Anstalt KaufbeurenIrsee war Faltlhauser an der Ermordung nicht arbeitsfähiger Patienten maßgeblich beteiligt. In Schwabach stellte die „offene Fürsorge“ ihre Zustimmung zum GzVeN sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes durch Sammelanzeigen gegen ihre Klientel und durch die Ermittlung potenzieller Kandidaten aus den Altakten unter Beweis (S. 221). Die Fürsorgestellen arbeiteten bereitwillig und so intensiv an der Ausarbeitung von Gutachten und als Sachverständige bei den Gerichtsverfahren mit, dass bei gleichzeiti­ gen Etatkürzungen für die eigentliche Betreuung der Klientel kaum noch Zeit blieb. Ein ambivalentes Verhalten zeigten die klinischen Psychiater. Einerseits befürwor­ teten sie mehrheitlich eugenisch-rassenhygienische Maßnahmen, andererseits sahen sie durch das GzVeN ihre Expertenstellung bedroht und stellten die psychiatrischdiagnostische Kompetenz der Amtsärzte z.B. in Zusatzgutachten in Frage. Ihr Antrags­ recht für ein Sterilisationsverfahren gebrauchten sie nur zurückhaltend. Im letzten Teil der Arbeit wird das Verhalten der Ärzteschaft bei gerichtlichen Erbgesundheitsver­ fahren vorgestellt. Fazit der Untersuchung von Astrid Ley ist, dass die zeitspezifischen ökonomischen, berufsethischen und gesellschaftlichen Faktoren die konkrete Beteiligung von Ärzten an der Umsetzung des GzVeN bestimmten und dagegen politischer Überzeugung und eugenisch-rassenhygienischen Vorstellungen nur eine untergeordnete Bedeutung zukam (S. 341). Das Anzeigeverhalten niedergelassener Ärzte analysiert die Autorin exemplarisch für den Stadt- und Landkreis Schwabach, wo zehn der Ärzte Anzeigen erstatteten, zwanzig hingegen keine. Die Verweigerungshaltung der Ärzte ist plausibel erklärt, wenn auch z.B. die konfessionelle Bindung nicht als möglicher handlungsbeein­ flussender Faktor diskutiert wird. Es stellt sich die Frage, ob ein Blick auf die Opfer aussagekräftig hätte sein können: Gab es auffällig häufige Übereinstimmungen hin­ sichtlich ihrer Krankheitsbilder, Geschlechts- und Schichtzugehörigkeit? Eindringlich und überzeugend zeigt die Studie von Astrid Ley die Geschichte der Reformeinrichtung „offene Fürsorge“ und ihre spätere Radikalisierung als exempla-

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risch für die „Janusgesichtigkeit der Moderne“ (Max Weber/Detlev Peukert) auf. Gerade die Klientel der in der Weimarer Republik vorbildlich ausgebauten Spezial­ fürsorgestellen, die ihre Fälle in Kartotheken erfasst hatten, wurde in Anwendung des GzVeN systematisch überprüft. Claudia Thoben

Kunst Pablo de la Riestra: Kunstdenkmäler in Bayern. Franken, Regensburg und die Oberpfalz. Darmstadt: Wiss. Buchges. 2003. 238 S. mit zahlr. Abb. € 29,90. Wer in diesem Sommer durch die Regensburger Altstadt ging, traf auf Touristen, die vor historischen Bauten standen und von einem Bildheft aufschauten. Dieses enthält farbige Zeichnungen des 1953 in Argentinien geborenen Architekturhistorikers und -Zeichners Pablo de la Riestra, Profesor de Artes Visuales, der Bauwerke im Abbild so anschaulich zu erklären vermag, dass wenig Vorgebildete ohne Begleittexte auskommen (P. de la Riestra, Ffermann Bickon: Regensburg und seine schönsten historischen Bau­ werke, Verlag Friedrich Pustet 2005). Für Nürnberg gibt es ein so instruktives Uberblickswerk nicht, doch entschädigt de la Riestras Blick aus der Vogelschau (Nürn­ berg. Bildkarte des besterhaltenen Teils der historischen Altstadt mit Burg, Stadtmauer, Hauptmarkt, Rathaus, Kirchen, Brunnen, Kaufmanns- und Handwerkerstraßen als übersichtlicher Wegweiser für Besucher, gezeichnet, koloriert und betextet von Dr. P. de la Riestra im Auftrag der „Altstadtfreunde“ Nürnberg 2003. € 3,-). Viele Nürnberger werden sich an Ausstellungen der Altstadtfreunde in ihrer Scheune in der Zirkel­ schmiedsgasse erinnern, die unter dem treffenden Titel „Mit den Augen des Adlers“ Blätter des in Marburg an der Lahn und in Nürnberg lebenden Kunsthistorikers zeig­ ten. So braucht hier der Zeichner de la Riestra kaum vorgestellt zu werden; vgl. Kerstin Möllers Artikel in den Nürnberger Nachrichten vom 21./22. August 2004. Anders ver­ hält es sich mit dem Wissenschaftler, Hochschullehrer und Fotografen. Seine 1990 in Marburg abgeschlossene kunsthistorische Dissertation fand, obwohl den Weiserhof, Theresienstraße 7, in Nürnberg behandelnd, in der Bauforschung wenig Beachtung (P. de la Riestra: El Claustro de Comendadoras de Santa Cruz de Santiago en Valladolid y el patio de los Welser en Nuremberg. Patios con arquerias espaiioles y alemanes en torno al 1500. Valladolid: Fundaciön Municipal de Cultura del Ayuntamiento de Valla­ dolid 1994). Das hier anzuzeigende Buch von Pablo de la Riestra bezieht sich im Titel auf das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ von Georg Dehio (1850-1932), dessen erster Band vor genau einhundert Jahren erschien, vgl. Zeit Schichten. Erkennen und Erhalten - Denkmalpflege in Deutschland. 100 Jahre Handbuch der Deutschen Kunst­ denkmäler von Georg Dehio, hrsg. von Ingrid Scheurmann, München-Berlin 2005. In allen Kompendien des nunmehr kompletten „Dehio/Deutschland“ sind die behandel­ ten Orte alphabetisch aufgeführt, im aktuellen, Nürnberg betreffenden Band von Abenberg bis Zwernberg (Franken. Die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfran­ ken und Unterfranken, bearbeitet von Tilmann Breuer, Friedrich Oswald, Friedrich

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Piel, Wilhelm Schwemmer u. a., 2. Aufl., München-Berlin 1999). Pablo de la Riestra entschied sich bei seinen auf zwei Bände ausgelegten „Kunstdenkmälerfn] in Bayern“ für ein chronologisches Prinzip. Nach einer knappen Einführung folgen vier Ab­ schnitte: I. Die Romanik - Zeugnisse und Bedeutung. II. Die Gotik - Eine Moderne ohne Antike. III. Renaissance und Nachgotik - Zeit der Kriege und Konflikte. IV. Der Barock - Von der Strenge zur Sinnlichkeit. Innerhalb dieser Kapitel sind die ausgewähl­ ten Bauten, Dehio folgend, alphabetisch sortiert. Der generelle Verzicht auf die Archi­ tektur des 19. und 20. Jahrhunderts wird vom Autor nicht begründet - ihre Berück­ sichtigung hätte den Rahmen eines solchen auf breite Benutzerschichten zielenden Überblickswerks wohl gesprengt. Unter den romanischen Bauten findet sich aus Nürn­ berg allein die Doppelkapelle der Kaiserburg behandelt, deren Vollendung der Autor in die Zeit Friedrich I. Barbarossas vor 1190 setzt. Überzeugender finde ich die Spätdatie­ rung in das zweite Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts; vgl. Birgit Friedei, G. Ulrich Groß­ mann: Die Kaiserpfalz Nürnberg, Regensburg 1999. Unabgängig davon bleibt das Fak­ tum, dass Nürnberg in romanischer Zeit gegenüber Bamberg und Regensburg architek­ tonisch wie bauplastisch im Hintertreffen lag. Das gilt selbst dann, wäre die romanische Egidienkirche nach dem Brand 1696 nicht abgetragen worden. Deutlich zugunsten Nürnbergs verschiebt sich jedoch das Gewicht in der Gotik. Pablo de la Riestra gibt dieser Aufholjagd viel Raum (S. 72-109). Seine immer fundierten, kennerschaftlichen Urteile schließen polemische Seitenhiebe gegen Kollegen oder in Richtung Moderne nicht aus. Der Behauptung von Robert Suckale, das Albrecht-Dürer-Haus sei einfach und kunstlos, wird widersprochen; der von Otto Peter Görl und Harald Clauss an die­ sem verantwortete Ausstellungsanbau (1970/71) sei ein „Betonklotz“. Der Rathaus­ neubau am Hauptmarkt von Kurt Schneckendorf (1954/55) gilt de la Riestra, zu meiner Freude, als schön. In Vorlieben des Autors gründen vereinzelte Unausgewogenheiten, wenn beispielsweise vom Nürnberger Rathauskomplex allein die von Hans Beheim d. A. errichteten spätgotischen Teile in Wort und Bild gewürdigt werden, der nördlich der Alpen als Profanbau beispiellose Rathaussaal des 14. Jahrhunderts aber unbesprochen bleibt. Natürlich vermag der versierte Bauhistoriker de la Riestra das Sakramentshaus von Adam Kraft in der Forenzkirche besonders einfühlsam zu würdigen. Beein­ druckend, wie der Englische Gruß des Veit Stoß in der gleichen Kirche in die Marien­ ikonographie der Zeit eingeordnet wird. Eigenen Forschungen entspringt die These, dass die Architektur des Weiserhofs von spanischen Bauten abzuleiten ist. Unter den Renaissance-Bauten in Kapitel III werden die reichsstädtische Universität Altdorf, Fembo- wie Peilerhaus, der Rathausneubau 1617/22, das Tucherschloss in der Hirschei­ gasse, der Spittlertorturm, das Anwesen Weinmarkt 6 und der Herrensitz in Schoppershof abgebildet und kommentiert. Unter den fränkischen Barockbauten war dem Ver­ fasser in Nürnberg nichts erwähnenswert. Pablo de la Riestra ist ein erfahrener Universitätsdozent. Sein klarer Stil verrät pädagogisches Geschick. Unvermeidliche Fachbegriffe werden in einem Glossar erläu­ tert, eigene Schwarzweißfotos stützen das Geschriebene. Das Literaturverzeichnis ist knapp gehalten, vermittelt Interessierten jedoch das Wichtigste. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf seinen Aufsatz „ Architektur der Gotik in den deutschen Landen“

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MVGN 92 (2005) Kunst in dem von Rolf Thoman herausgegebenen Buch: Gotik. Architektur-Skulptur-Malerei, Köln 1998. Matthias Mende

Hundert Jahre Verein zur Erhaltung 1903-2003. Sammclband der Referate des Kolloquiums aus Anlass des Vereinsjubiläums, hg. von Christian Schmidt und Georg Stolz (Schriftenreihe des Vereins zur Erhaltung der St. Lorenzkirche in Nürnberg 2). Nürnberg: Verein zur Erhaltung der St. Lorenzkirche in Nürnberg 2004. 80 S. mit Abb. € 19,80. Die spätgotische Lorenzkirche in Nürnberg gehört durch ihre Architektur und Aus­ stattung zu den bedeutendsten spätmittelalterlichen Kirchen Deutschlands. Als eine der beiden Hauptpfarrkirchen der Reichsstadt ist sie in den Jahrhunderten vor der Refor­ mation durch zahlreiche Stiftungen reich ausgestattet worden, wovon nicht nur das zu großen Teilen noch erhaltene Inventar, sondern auch eine umfangreiche archivalische Überlieferung zeugt. Kein Wunder, dass deshalb die Lorenzkirche auch überregional immer wieder Forscher angezogen hat, die sich mit ihrer Kunst- und Ausstattungs­ geschichte beschäftigt haben. Davon legt auch der vorliegende Band Zeugnis ab, der Beiträge eines Symposiums enthält, das der Verein zur Erhaltung der St. Lorenzkirche in Nürnberg anlässlich seines hundertjährigen Bestehens veranstaltet hat. Neben mehreren Grußworten enthält der Band folgende Beiträge: Beata Hertlein legt „Neue Forschungen zum Sakramentshaus des Adam Kraft in der Nürnberger Lorenzkirche“ vor (S. 14-25), wobei exemplarisch planerische und bautechnische Fragen der Konstruktion sowie des statistischen Systems behandelt werden. Deutlich wird, wie durchdacht die Statik des über 20 Meter hohen Sakramentshauses angelegt wurde. Der materialsparende Werkprozess mit zahlreichen Anstückungen - laut Wert­ vertrag von 1493 musste Adam Kraft die Materialkosten tragen - führte zu zahlreichen großen und kleinen Fugen, weshalb anzunehmen ist, dass das gesamte Sakramentshaus ursprünglich geschlämmt oder farbig gefasst war. In der Bautechnik lässt das Kunst­ werk in Übereinstimmung mit dem Werkvertrag eine abgestufte Ausführungsqualität erkennen. Der Werkvertrag sah vor, dass Adam Kraft eine Visierung anzufertigen hatte. Wie die Verfasserin mit neuen Argumenten wahrscheinlich macht, handelt es sich bei den vier Federzeichnungen eines Sakramentshauses, die sich in den Staatlichen Graphi­ schen Sammlungen in München befinden und von der Forschung schon mehrfach dis­ kutiert worden sind, um zeitgenössische Kopien der Entwurfszeichnungen Adam Krafts. Heinrich Dorm ei er, „Der Rochusaltar in seinem religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Umfeld“ (S. 27-34), setzt die zahlreichen seit 1985 veröffentlichen Studien des Verfassers über den Rochuskult und den spätestens 1493 von Peter Imhoff d.A. in der Lorenzkirche gestifteten Altar fort. Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Verfasser dabei der Ikonographie der Außenseite des Rochusaltars, der Stellung des Altars inner­ halb der Kulturgeschichte des hl. Rochus und den Handelsbeziehungen der Familie Imhoff nach Venedig, von wo sie den Rochuskult nach Nürnberg „importiert“ haben.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Es dürfte wenige Heiligenkulte des späten Mittelalters geben, deren Verbreitung Dank der Forschungen Dormeiers - so gut erforscht ist. Rochus war vor der Reforma­ tion einer der meistverehrten Heiligen, und „die Lorenzpfarrei wurde nördlich der Alpen zur Hochburg des Kultes“. „Der Dreikönigsaltar in St. Lorenz und Hans Pleydenwurff“ stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Stefan Roller und Gerhard Weilandt (S. 35—44). Dieser Altar ist aller­ dings erst im 19. Jahrhundert in die Lorenzkirche versetzt worden und befand sich ursprünglich im Nürnberger Dominikanerkloster. Zwei zugehörige Tafeln sind außer­ dem in das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gelangt. Die stilistische Ein­ ordnung der Tafelgemälde, die niederländische Einflüsse erkennen lassen, spricht dafür, den Altar Hans Pleydenwurff (gest. 1472) zuzuschreiben. Diese Annahme ist zwar nicht ganz neu, wird von den Verfassern aber durch weitere Beobachtungen unter­ mauert. Als Entstehungszeit ist die erste Hälfte der 1460er Jahre wahrscheinlich. Matthias Hollemann stellt „Jüngere Untersuchungen zur Außenplastik von St. Lorenz“ vor (S. 45-51) und vermittelt damit Einblicke in die aufwändigen restauratori­ schen Arbeitsmethoden, die zur Sicherung der Loenzkirche beitragen. „Aktuelle Forschungen zur Glasmalerei in St. Lorenz“ sind das Thema von Hartmut Scholz (S. 52-59), der damit über die laufenden Arbeiten am deutschen „Corpus Vitrearum Medii Aevi“ (CVMA) berichtet. Band X, Teilband 2 wird die innerstädtischen Bestände der Lorenzer Stadtseite behandeln (Band X/l mit den Beständen Mittelfran­ kens und der Stadt Nürnberg (extra muros) ist 2002 erschienen). Die Bedeutung der spätmittelalterlichen Glasmalerei Nürnbergs ist schon daraus ersichtlich, dass für die Sebalder Seite und die übrigen Glasgemälde noch zwei weitere Bände in diesem Inventarwerk vorgesehen sind. Das CVMA, an dem für Nürnberg, wenn auch mit Unterbrechungen, seit gut 50 Jahren gearbeitet wird, dient nicht nur der Dokumentation des erhaltenen Bestandes, sondern die Bearbeiter untersuchen die Glasgemälde auch hin­ sichtlich Bildprogramm, Stiftermotivation, beteiligten Meistern und Werkstätten und bieten damit eine umfassende kunstgeschichtliche und historische Einordnung der Werke. Der Verfasser verdeutlicht dies anhand mehrerer Beispiele: Das VolckamerFenster ist das best erhaltene und berühmteste Fenster in St. Lorenz. Stilistische Zusam­ menhänge verweisen nach Ulm und Straßburg, wobei offensichtlich wird, dass die potenten Auftraggeber aus einem „Katalog lieferbarer Fenstertypen“ bestellen konnten. Als weiteres Beispiel aus St. Lorenz wird die Darstellung eines Engels im Architektur­ gehäuse erörtert, dessen ursprüngliche Provenienz (vielleicht Heilig-Geist-Spital?) noch nicht gesichert ist. Wie der Verfasser wahrscheinlich macht, ist in diesem Glasgemälde­ rest eine Nürnberger Werkstatttradition der Zeit um 1400 greifbar, die deutlichere Spuren in Ulm und im Eisass hinterlassen hat. Weitgespannte Bezüge - in diesem Fall nach Krakau - lassen auch die Reste der Lorenzer Chorverglasung erkennen. Der Abschluss der Arbeiten am erwähnten Corpus-Band wird für 2008/9 angekündigt. Ursula Schädler-Saub erörtert „Wandmalereien mit Retabelfunktion in den Seiten­ kapellen von St. Lorenz in Nürnberg- Form und Ikonographie“ (S. 60-69). Zwar fehlt bislang eine systematische Untersuchung solcher Wandgemäldetretabel, doch kann die

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MVGN 92 (2005) Kunst Verfasserin mehrere Vergleichsbeispiele aus Deutschland, Italien (Assisi) und Böhmen (Prag) vorstellen. Die drei näher beschriebenen Beispiele aus der Lorenzkirche sind Ende des 14. / Anfang des 15. Jahrhunderts entstanden und bedürfen weiterer Erfor­ schung. In dem Aufsatz „Der Wolfgangaltar der Nürnberger Lorenzkirche - Bildprogramm, liturgische Nutzung und eine Neudatierung“ (S. 71-79) wirft Gerhard Weilandt die Frage auf, ob der so genannte Wolfgangmeister vielleicht deutlich früher als in den 1460er Jahren tätig gewesen sein könnte, was Folgen für die Beurteilung seines Stils hätte. Wie der Verfasser zeigen kann, ist der Altar mit dem Patrozinium St. Konrad 1455 testamentarisch von dem Nürnberger Bürger Konrad Kessler gestiftet worden, doch hat sich - da es bereits einen Konradsaltar in der Lorenzkirche gab - seit den 1490er Jahren die Bezeichnung als St. Wolfgangsaltar durchgesetzt. Neben der Pfründenstif­ tung ist aus dem Jahr 1455 auch eine Urkunde über die Ausstattung des Altars über­ liefert; die darin erwähnte „tafel“ dürfte mit dem erhaltenen Altarretabel identisch sein, wofür, wie der Verfasser näher begründet, auch der ikonographische Befund spricht. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Wolfgangaltar auf 1454/55 zu datieren ist und die Hauptschaffenszeit des Wolfgangmeisters damit in die Zeit fällt, bevor Hans Pleydenwurff seit 1457 seine Tätigkeit in Nürnberg entfalten konnte. Enno Bünz

Albrecht Dürer: Das druckgraphische Werk, Band 3: Buchillustrationen. Bearb. von Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum. München u.a.: Prestel 2004. 576 S. mit zahlr. Abb. € 125,-. (Subskriptionspreis bei Abnahme aller drei Bände je Band € 99.-). Nun ist der dritte Band glücklich doch erschienen, obwohl es eine Weile so aussah, als sei die Finanzierung nicht gesichert. Im Vorwort danken der Herausgeber G. Ulrich Großmann und die Autoren Matthias Mende und Rainer Schoch für Druckkosten­ zuschüsse ausdrücklich dem Kulturreferat der Stadt Nürnberg, der SchickedanzHolding und der Kulturstiftung der Sparkasse Nürnberg. Man darf nicht zuletzt deshalb diesen dritten und abschließenden Band des druckgraphischen Werks von Albrecht Dürer besonders dankbar willkommen heißen. Er bildet mit mehr als 700 Ein­ zelbeschreibungen den Abschluss einer gewiss entsagungsvollen Arbeitsleistung der drei Haupt-Bearbeiter, deren Lebensarbeitszeit durch die drei Bände wohl weit über mehr als ein Jahrfünft bestimmt war. Zur Anlage des Gesamtwerkes ist Einführendes in der Besprechung des ersten Ban­ des (Kupferstiche, Eisenradierungen und Kaltnadelblätter, 2001) in dieser Zeitschrift gesagt worden (MVGN 89/2002, S. 238-240). Für den zweiten Band (Holzschnitte und Holzschnittfolgen, 2002) waren aus Gründen der Chronologie und des inhaltlichen Zusammenhangs die großen Buchillustrationsfolgen der Jahre 1498 bis 1511 vorge­ zogen worden: die „Apokalypse“, die „Große Passion“, die „Kleine Passion“ und das „Marienleben“ (siehe Rezension in MVGN 90/2003, S. 212-217). Wie die beiden Vor­ gängerbände, folgt auch der dritte Band der chronologischen Ordnung der Werke.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Die Buchillustrationen nehmen in Dürers graphischem Werk den bei weitem größ­ ten Raum ein; besonders gilt dies für die drei großen theoretischen Schriften, die „Lehr­ bücher“, zu deren Holzschnitten er selbst die Vorzeichnungen geschaffen hat. Sie sind hier Seite für Seite verkleinert abgebildet und kommentiert. Damit betreten die Heraus­ geber Neuland, denn in den älteren Werkverzeichnissen sind die Buchholzschnitte ent­ weder lückenhaft oder überhaupt nicht erfasst. Die kunsthistorische Beschreibung und Bewertung schuf überdies zahlreiche Probleme. So wird das Baseler Frühwerk Dürer zwar weiterhin zugeschrieben, muss aber doch hypothetisch bleiben. Gleiches gilt für Arbeiten um 1500, in denen neben Dürer mehrere verwandte Hände zu erkennen sind, die bis heute nicht namentlich benannt werden können. Für die Bearbeitung der Dürerschen Lehrbücher konnten Spezialisten gewonnen werden: die der „Unterweisung der Messung“ (Nr. 274) lag in den Händen des Mathematikers und Mathematikhistorikers Peter Schreiber; die „Proportionslehre“(Nr. 277) mit den Themen der Aktdarstellung und Antikenrezeption in denen von Berthold Hinz. Die „Befestigungslehre“ (Nr. 276) hat Matthias Mende bearbeitet. Diesen Katalogteilen sind längere Einleitungen voran­ gestellt. Auch der dritte Band wird, nach dem Vorwort, von zwei einführenden Grundsatz­ artikeln eröffnet. Matthias Mende bietet eine chronologische Übersicht der Anfänge unter dem Titel „Albrecht Dürer und der Nürnberger Buchholzschnitt zwischen 1488 und 1503“ (S. 9-22). Darin stellt er die Zeit des frühen Schaffens nach den wichtigsten Jahren heraus. Noch vor dem Ende seiner Lehrjahre bei Michael Wolgemut (November 1489) gibt es vom jungen Dürer datierte und mit „AD“ signierte Blätter. „Daß ein Geselle bereits vor Ende der Ausbildungszeit signiert, ist vor 1500 ungewöhnlich. Es bezeugt die Sonderrolle, die sich Dürer gegen 1489 bereits zumaß“ ( S. 13). In die Zeit zwischen April 1490 und Mai 1494 fällt Dürers Gesellenwanderung. In Basel ist er 1491/92 nachweisbar. Er ist nicht in Nürnberg, als bei Koberger Stephan Fridolins „Schatzbehalter“ im November 1491 und Hartmann Schedels „Weltchronik“ im Juli und Dezember 1493 (hier Nr. A 28) gedruckt wurden. Wenige Wochen nach seiner Rückkehr heiratet er am 7. Juli 1494 Agnes Frey. Im Herbst des Jahres bricht er nach Italien auf und kehrt im späten Frühjahr 1495 nach Nürnberg zurück. Ab 1495/96 pro­ duziert er als Kupferstecher „im Selbstverlag Marktgängiges“, respektiert dabei die Holzschnitt-Buchillustration als Domäne der Wolgemut-Werkstatt, kann aber „ohne Konkurrenz Einblattholzschnitte verlegen“. An der Apokalypse arbeitet Dürer 1497/98: sie erscheint 1498 in einer deutschen und in einer lateinischen Ausgabe, Dürers „erster gewichtiger Beitrag zur Nürnberger Buchillustration“ (S. 15). Zum Schaffen des Jahres 1499 betont Mende den Einfluss, den der „Wanderhumanist“ Conrad Celtis über Willibald Pirckheimer auf Dürer ausübte; die Erkenntnisse hierzu seien vor allem den Forschungen Dieter Wuttkes zu verdanken. Celtis und Dürer realisieren 1501 ein gemeinsames Buchprojekt: die Ausgabe der Werke von Roswitha von Gandersheim, zu der Dürer zwei ganzseitige Einleitungsholzschnitte beiträgt. Die Zusammenarbeit setzt sich 1502 fort mit den beiden einleitenden Titelblättern zur Ausgabe von Celtis’ Schrif­ ten. In das Jahr 1503 fällt, gleichzeitig mit Dürers tiefer Depression, das Aufblühen seiner jungen Werkstatt, die bald die des Lehrmeisters Wolgemut im Rang ablöst.

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Dürers Zeit der Gesellenwanderung widmet Rainer Schoch den zweiten EinleitungsEssay des Bandes mit dem Titel „Buchholzschnitt in Basel und Straßburg 1492-1494“ (S. 23-29). Er unterzieht darin die älteren Zuschreibungen an das graphische Frühwerk Dürers einer kritischen Prüfung. Prägend müssen die Buchholzschnittwerke aus der Offizin seines Paten Anton Koberger gewesen sein. Dies gelte „zumindest für die Illustrationen zum »Schatzbehalter« des Stephan Fridolin (1491), wohl kaum für die Elolzschnitte zur »Weltchronik« des Hartmann Schedel“ (1493, Nr. A 28). Damit lehnt Schoch die Annahme ab, „der begabte Lehrjunge müsse erkennbare Spuren als Holz­ schnittentwerfer hinterlassen haben“, wie sie postuliert worden waren von Weisbach (1907), Kurth (1928), Holzinger (1929), Panofsky (1943) und Sladeczek (1948 und 1955) - nicht „Sledaczek“ (S. 23) (ein etwas nachlässig wirkender Druckfehler). Die schrift­ lichen Quellen geben kaum Hinweise auf Dürers Lehr- und Gesellenzeit, auch nicht auf seine Wanderschaft. Bis heute ist ungeklärt, welchen Reiseweg er genommen hat, als er nach Ostern 1490 Nürnberg verließ und zu Pfingsten 1494 dort wieder eintraf. In der 1515 veröffentlichten Vita des Anton Kress schreibt Dürers Freund Christoph Scheurl, der Maler sei erst im Jahr 1492 nach Colmar und Basel gekommen, ein Jahr nach Mar­ tin Schongauers Tod (S. 24). Seit dem Frühjahr 1492 in Basel, wird die Begegnung mit dem Buchdrucker Johann Amerbach und dem verlegerisch tätigen Johann Bergmann von Olpe wichtig (S. 25). Der einzige Beweis für Dürers Tätigkeit in Basel ist aber das Titelblatt zur 1492 gedruckten Ausgabe der Hieronymus-Briefe, mit der Signatur auf der Rückseite des Holzstocks „Albrecht Dürer von nörmergk“ (Nr. 262.1) (S. 26). Daran wurden weitere Zuschreibungen an die Baseler Zeit angeschlossen. Friedrich Winkler hat in seiner Arbeit „Dürer und die Illustrationen zum Narrenschiff“ (1951) das Nürnberger, Baseler und Straßburger Frühwerk Dürers zusammengefasst. An ihm orientiert sich auch das hier besprochene Werkverzeichnis, macht jedoch „vorsichtige Abstriche von Winklers Gebäude“ (S. 27) und „unterzieht die zahlreichen in der histo­ rischen Debatte gemachten Beobachtungen und begründeten Zweifel einer neuen Prüfung“ (S. 28). Kommenden Generationen wird damit die Möglichkeit zu eigenen Einsichten nicht genommen. Die Reihenfolge der Beschreibungen schließt an die des vorigen Bandes an. Sie beginnen mit Nr. 261 (Hieronymus-Briefe) und enden bei Nr. 277 (Proportionslehre). Die ausgeschiedenen Werke folgen wieder am Schluss mit den ebenfalls fortgeführten Bezeichnungen A 28 (Schedelsche Weltchronik, 1493) bis A 48 (Der orientalische Reiter, in Aenea Silvios „Asia“, gedruckt 1531). Die Übersicht zu den Anteilen der Bearbeiter sei auch hier, wie schon in den vorher­ gehenden Rezensionen, summarisch nachgeliefert: Rainer Schoch (RS) sind rund 173 Beschreibungen zu verdanken: das Titelblatt der Hieronymus-Briefe (1492, Nr. 261), die Holzschnitt-Folgen der Terenz-Komödien (1492/93, Nr. 262.1-262.11), Der Ritter vom Turn (1493, Nr. 263.1-263.45), Missale Speciale (1493, Nr. 264), die Basler Gebetbuchholzschnitte (um 1493, Nr. 265.1-265.18), die Holzschnitte zu Sebastian Brants Narrenschiff (1494, Nr. 266.1-266.78), die „Reformation der Stadt Nürnberg“ (1521, Nr. 273), Ptolemäus, Armillarsphäre (1525,

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Nr. 275), sowie die ausgeschiedenen: Schedelsche Weltchronik (1493, Nr. A 28), Bon­ stetten (1493, Nr. A 31), Spiegel der wahren Rhetorik (1493, Nr. A. 32), Sebastian Brant, Varia Carmina (1498, Nr. A 33), Gerson als Pilger (1502, Nr. A 36), Messahallah (1504, Nr. A 39), Druckerzeichen des Jodocus Badius (1520, Nr. A 44) und in Johann Fabri Maria mit dem Kind (1523, Nr. A 45). Matthias Mende (MM) hat rund 30 Einzelbeschreibungen beigetragen: die Illustra­ tionen zu den Werken Hrotsvits (1501, Nr. 268.1-268.2), Celtis“ Amores (1502, Nr. 269.1-269.2), Freydal (um 1517/18, Nr. 272.1-272.5) und die Befestigungslehre (1527, Nr. 276.1-276.21). Von Anna Scherbaum (AS), sind 118 Beschreibungen: Caput physicum (1498, Nr. 267), Plutarch (1513, Nr. 270), Missale Eystetensis (1517, Nr. 271), sowie die ausgeschiedenen: Birgitta, Offenbarungen (1500, Nr. A 34), Gebetbuch (1503, Nr. A 37.1-A 37.63), Andachtsbuch mit Sonntagsevangelien (nach 1510?, Nr. A 38.1 — A 38.43), Ulrich Pinder (1505, Nr. A 40.1-A 40.2), Apologia (1511, Nr. A 41), Sebaldus (1514, Nr. A 42), Johannes Teuschlein (1517, Nr. A 43), Eobanus Flessus (1526, Nr. A 46), Anzeigung etlicher Mängel (1526, Nr. A 47), Pius II. De Asia (1531, Nr. A 48). Die Autorin hat auch maßgeblich zur Schlussredaktion des Bandes beige­ tragen. Susanne Schröer-Trambowsky (SS) hat drei der ausgeschiedenen Werke be­ schrieben: Gerson als Pilger (1489, Nr. A 29), Cassandra Fedele als Philosophia (1489, Nr. A 30) und Drei Nonnen vor dem Gekreuzigten (1501, Nr. A 35). Von Peter Schreiber (PS) sind 216 Einzelbeschreibungen der „Unterweisung der Messung“ (1525, Nr. 274.1-274-216); Berthold Hinz (BH) ist mit 150 Beschreibungen der „Proportionslehre“ (1528, Nr. 277.1-277.150) vertreten. Die drei großen „Lehr­ bücher“ Dürers nehmen im dritten Band den weitaus größten Raum ein. Zu ihnen seien daher kurze Exkurse erlaubt. Der Mathematikhistoriker Peter Schreiber stellt in der Vorbemerkung (S. 168-172) der „Unterweisung der Messung“ fest, das geometrische Hauptwerk Albrecht Dürers sei bisher weitgehend verkannt worden. Dürer sei „der erste große Meister des Zweiund Mehrtafel Verfahrens“ und damit Vorläufer von Gaspard Monge (1746-1818) gewe­ sen. Die Darstellung der Polyeder durch Netze, die Abwicklungen der Oberfläche in der Ebene und die Anwendung der gleichen geometrischen Begriffe und Prozesse auf alle Objekte der Ebene und des Raumes machten ihn zum Ahnherrn neuzeitlicher com­ puterorientierter Geometrie. Unter Dürers zahlreichen mathematischen und geometri­ schen Erfindungen sind die rekursiven Punktfolgen (Nr. 274.28-274.32), die „Muschel­ linie“ (Nr. 234.38 f.), oder die Wiederentdeckung und geometrische Anwendung der um die Mitte des 14. Jahrhunderts von Richard Swineshead und Nicolas Oresme darge­ stellte Theorie der Formlatituden (Nr. 274.43). Zu seinen genialen Lösungen gehören die Dreiteilung eines Kreisbogens (Nr. 274.71), die Schaffung von Variablen durch Indi­ zes, die als „Adressen“ verwendet werden (Nr. 274.73), oder die Aperiodischen Pflaster (Nr. 274.78 ff.). Im dritten Buch „Von den Körpern“ bietet Dürer Konstruktions-

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MVGN 92 (2005) Kunst beispiele für Kegel, Pyramiden, Pfeilersockel, Säulen und ihre Basen, Kapitelle und Stufensockel für Denkmäler. Ein ausführlicher Kommentar ist der „Bauernsäule“ von 1525 (Nr. 274.108-109) gewidmet, die im Zusammenhang mit der Nürnberger Ausstel­ lung von 1971 zu einem Streitpunkt wurde zwischen der marxistischen Kunst- und Geschichtswissenschaft der DDR und der „bürgerlichen Kunstgeschichte“der BRD. Der polnische Kunsthistoriker Jan Bialostocki hat sie als „Melancolie paysanne“ gedeutet und den trauernden Bauern neben das Motiv des „Christus in der Rast“ („Schmerzensmann“, Titel der Kleine Passion, Nr. 186) gestellt. Erläutert werden auch der Entwurf eines Turms (Nr. 274.11) und die Messung seiner Höhe (Nr. 274.12), die geometrische Konstruktion eines Zifferblatts (Nr. 274.115) und von Sonnenuhren (Nr. 274.116-119). Der Holzschnitt „Schrift auf einer Tür“ mit einer Kapitalis-Monumentalschrift, welche die Verkürzung in der Perpektive des Beschauers ausgleicht (Nr. 274.121), leitet über zu den Konstruktionen von monumentalen AntiquaMaiuskeln (Nr. 274.122-157). Dürer konnte sich dabei an Arbeiten italienischer Auto­ ren orientieren, wie denen von Luca Pacioli (Venedig 1509) oder Sigismondo Fanti (Venedig 1514), die er bei seinen Aufenthalten in Italien kennengelernt haben mag. Er ging aber durchaus eigene Wege und zeigt dabei besondere Kenntnisse der Typographie. Die an die Antiqua-Maiuskeln anschließenden Konstruktionen der Textura oder Goti­ schen Minuskel (Nr. 274.158-160), von Dürer ja auch „die alte textur“ genannt, in der Tat eine gebrochene Schrift, wird aber im Katalog irrtümlich mit „Fraktur“ bezeichnet (S. 242f.). Die Erwähnung der Literaturdebatte des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, ob Dürer „Schöpfer der Frakturschrift“ gewesen sei, ist daher ohne weitere Differenzierung an dieser Stelle irreführend. Den Schluss der „Unterweisung“ bildet die Visierung mit dem Visiergerät für perspektivisches Zeichnen (Nr. 274.213) und dem dekorativen Blatt mit dem „Zeichner der Kanne“ und dem „Zeichner des weiblichen Modells“ (Nr. 274.215-216). Der „Zeichner der Laute“ (Nr. 274.198) ist für den Schutzumschlag des Bandes gewählt worden. Dürer nennt den Erfinder des Visier­ gerätes, einen gewissen Jacob Keser, „der historisch nicht weiter nachweisbar ist“ (S. 275). Vielleicht ist es jener „Jacob Keßer hinter St. Lorenz“, für den am Jakobstag den 25. Juli 1481 in St. Sebald und in St. Lorenz Totengeläut gehalten wird. (Nürnber­ ger Totengeläutbücher St. Sebald 1439-1517 [1961] Nr. 3146 und Nürnberger Toten­ geläutbücher St. Lorenz 1454-1517 [1967] Nr. 2011. - In späterer Generation gibt es einen Bildschnitzer Hans Keser, 1514 Bürger, bis 1528 nachweisbar, und um 1528 einen Kompassmacher gleichen Namens (Manfred H. Grieb, Materialsammlung zum Nürn­ berger Künstlerlexikon, CD-ROM 2005). Die „Befestigungslehre“ („Etliche vnderri/cht zu Befestigung / der Stett, / Schloß vnd / flecken.“, 1527 Nr. 276.1-276.21) wurde von Matthias Mende bearbeitet und mit einem einleitenden Essay erläutert. Ihre Entstehungsgeschichte ist unerforscht, die kunsthistorische Fachliteratur hat sich mit ihr nur wenig befasst, im 19. und 20. Jahr­ hundert war es vorwiegend Domäne der Militärhistoriker (S. 282). Anlass zur Nieder­ schrift war die Türkengefahr, besonders nach dem Fall von Belgrad (1521). Beim Ver­ such, die Stadt wieder zu erobern, wurde eine Truppe von über tausend Nürnbergern aufgerieben. In der Schlacht bei Mohäcs (Ende August 1526) vernichtete Süleiman der

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Große das ungarische Heer, und König Ludwig II. von Ungarn fiel dabei. Ein Jahr nach Dürers Tod standen die Türken dann vor Wien (S. 283). Im Juli 1527 saß Dürer an der Reinschrift für den Setzer. „Wichtiger Ratgeber ... scheint (der kaiserliche Festungs­ baumeister) Johann Tschertte (um 1480-1552) gewesen zu sein“, vielleicht auch der Nürnberger Patrizier Christoph III. Fürer (1479-1537), der seinen Landsitz Haimen­ dorf 1515 zu einer modernen Festung ausgebaut hatte. Ein möglicher Gewährsmann ist auch Johann von Schwarzenberg (1463-1528) gewesen, der die Burg Hohenlandsberg bei Weigenheim 1511-1524 neu erbauen und sein Stammschloss Schwarzenberg neu befestigen ließ (S. 283f.). Praktische Auswirkungen aber scheint Dürers Befestigungs­ lehre nicht gehabt zu haben. Sie gehörte wohl, als eine Art „Leistungsnachweis“ zu seinem „universalen Anspruch als Humanist und führender Künstler des Nordens“ (S. 285). Mehr Wirkung im Städtebau des 16. Jahrhunderts hatte sein „Bebauungsplan einer idealen quadratischen Stadt“ (276.17). Das dritte der großen Lehrbücher, die „Proportionslehre“ („...vier Bücher von menschlicher Proportion...“, 1528, Nr. 277.1-277.144) wird von Berthold Hinz kom­ mentiert. Dürer starb während der Drucklegung (1528), nachdem er das gesamte Werk fertiggestellt hatte. Postum wurde es von der Witwe „am letzten tag Octobris“ heraus­ gegeben (S. 471). Dürers Vorarbeiten reichen etwa 20 Jahre zurück, Widmungsentwürfe an Pirckheimer sind für die bereits zum Jahr 1523 geplante Edition erhalten (S. 319). Proportionsstudien hatten Dürer wohl schon um 1495 und danach in mehreren vonein­ ander abgrenzbaren Schaffensperioden beschäftigt. Die erste davon galt dem Problem der Schönheit, die er mit dem Instrumentarium der Geometrie sichtbar zu machen suchte. Sie gipfelt im Kupferstich „Adam und Eva“ von 1504 (Nr. 39) und endet an den Figuren Adam und Evas im Madrider Gemälde von 1507 (S. 320). Eine zweite, arithme­ tische Phase war durch Modulsysteme mit Bruchzahlen bestimmt (S. 321). Hinz hebt auch Dürers Neuerungen in der deutschen Sprache hervor, die bis dahin für künstleri­ sche oder gar kunsttheoretische Themen nicht geformt war. Wie auch für die „Unter­ weisung der Messung“ schuf Dürer für die „Proportionslehre“ einen Prosastil, den Panofsky mit dem von Luthers Bibelübersetzung verglichen hat: umgangssprachlich verdeutscht und „gleichsam im Volkston“, wenn auch die sprachgeschichtliche Wir­ kung ungleich geringer war als die Luthers (S. 325). Als Lehrbuch blieb es für die deutschsprachige Leserschaft wohl nicht verständlich. Die Rezeption setzt erst mit der lateinischen Ausgabe durch Joachim Camerarius ein (1532 und 1534). Später fand das Lehrbuch Nachahmer und Vereinfachcr und wurde schließlich zur „Quelle für anthropometrische Zwecke unterschiedlichster Art und zum Bild- und Ideengeber der dar­ stellenden Anthropologie“ (S. 327). Der Autor schließt mit der Frage, warum „ein besonnener Kopf wie Dürer einen Großteil seiner Lebenszeit und Lebenskraft in ein Projekt steckt, das sein erklärtes Ziel ... verfehlt“. Als Erklärung bleibe, wie bei Leonardo da Vinci, nur ein „ausgeprägter Forscherdrang“ (S. 328). Wie bei den beiden ersten Bänden folgen zum Schluss die „Ausgeschiedenen und zweifelhaften Werke“ (Nr. A 28 - A 48). Die Kommentare hierzu geben wiederum einen lebendigen Einblick in die Bewegtheit kunstgeschichtlicher Zuschreibungen der letzten anderthalb Jahrhunderte. Am Schluss stehen die Hinweise auf die im zweiten

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MVGN 92 (2005) Kunst Band vorgezogenen „Bücher“: Die Apokalypse (Nr. 109-126), Die Große Passion (Nr. 154-165), Das Marienleben (Nr. 166-185), Die Kleine Passion (Nr. 186-224) und auf das Titelblatt von Eusebius’ Hieronymus (Nr. 232). Er folgen die Errata in Band II, die Konkordanzen zu den älteren Katalogen, Bibliographie und Bildnachweis. Zu loben ist wiederum die Qualität der Reproduktionen, das Papier und der gediegene Einband. Die Anmerkungen sind weiterhin ein schmerzliches Augenfutter und nach längerem Lesen nur noch mit dem Vergrößerungsglas zu bewältigen. Die Schlussredaktion aber war diesmal sehr erfolgreich: Druckfehler sind selten und dann unbedeutend; auch die Transkriptionen sind gelungen, nur in A 39 hieße die Bildüberschrift in der zweiten Zeile richtig „MESSAHALAH DE SCI I ENTIA MOTVS ORBIS“. Das nunmehr abgeschlossene dreibändige Handbuch zu Albrecht Dürers druckgraphischem Werk ist höchst willkommen und wird dankbar aufgenommen. Leider hat man auf ein Gesamt­ register nach Namen, Orten und Sachen verzichtet. Peter Zahn

Der Hirsvogelsaal in Nürnberg. Geschichte und Wiederherstellung (Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 113). München 2004. 240 S. mit zahlr. Abb. € 44,-. Am 21. Juni 2000 konnte in Nürnberg die Wiederherstellung des Hirsvogelsaales eines einzigartigen, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Anbaues an ein Handelshaus der Familie Hirschvogel in der nach ihnen benannten Hirschvogelgasse aus dem Jahr 1534 - gemeldet werden. Lienhard III. Hirschvogel, ein eitler und geltungssüchtiger Jung­ patrizier, beauftragte, noch nicht 30jährig, namhafte Künstler mit der Ausführung: Peter Flötner für den Großteil der Innenausstattung und den Dürerschüler Georg (Jörg) Pencz mit dem monumentalen Deckengemälde mit der Darstellung von „Phae­ tons Sturz“. Durch enges Zusammenwirken des Bayerischen Landesamtes für Denk­ malpflege (BLfD), der Unteren Dcnkmalschutzbehörde der Stadt Nürnberg und der Städtischen Museen konnte der einmalige Renaissance-Raum für die im Krieg gebor­ gene Ausstattung nahe seinem früheren Standort in räumlicher Nachbarschaft zum Museum Tucherschloss eine neue Hülle bekommen. Entwurf und Ausführung des weitgehend neutralen Neubaues mit einer unabdingbaren Service-Einheit lag in den Händen von Bettina Reinecke-Karg vom Architekturbüro Albert & Reinecke, die von den sachverständigen Mitarbeitern des BLfD um den Referenten Matthias Exner her­ vorragend unterstützt und begleitet wurde. Es ist erfreulich, dass die Wiederherstellung des Saales in einem Arbeitsheft des BLfD dokumentiert werden konnte. Es entstand eine kompakte Werksmonografie zur Erbauung, zur Nutzung und zur Geschichte des Objektes, die angereichert ist mit den Ergebnissen der Grundlagenforschung, der Bauforschung und den umfangreichen Fachberichten zu den einzelnen Ausstattungsstücken samt einer hilfreichen Auflistung der wissenschaftlichen Fachliteratur. Schade und als Nachteil für die Benutzer wird die verwirrende Festlegung auf den Terminus „Hirsvogelsaal“ - die übrigens sowohl in der Presseinformation des BLfD

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen wie auch in manchen Fachbeiträgen nicht konsequent durchgehalten wird - empfun­ den. Spätestens mit der grundlegenden Arbeit von Christa Schaper (Die Hirschvogel von Nürnberg und ihr Handelshaus. Nürnberger Forschungen 18/1973) wurde die Unterscheidung zwischen den Handelsherren „Hirschvogel“ und der Nürnberger Glasmalerfamilie „Hirsvogel“ empfohlen und auch von der wissenschaftlichen Forschung übernommen. In den Einzelbeiträgen beleuchtet der bayerische Generalkonservator Egon Johan­ nes Greipl im Vorwort Vorzustand, Notwendigkeit und Konzept der Maßnahme, verbunden mit einem Rechenschaftsbericht. Franz Sonnenberger berichtet mit „Rekonstruktion und Neuschöpfung“ über die jüngere Geschichte des Saales als Provisorium im Fembohaus, die Museumsperspektive 2000 zum Stadtjubiläum und die Einbindung in die „Museumsinsel“ am Treibberg bei gleichzeitiger Drehung um 180°, auf Grund topografischer Vorgaben und Ausrichtung auf das Tucherschloss. „Das Anwesen an der Hirscheigasse mit dem Hirsvogelsaal“ ist das Thema der Untersuchungen von Nadja Bennewitz zum Bauherrn, seiner gescheiterten Ehe mit der Augsburgerin Sabine Welser und zum Gebäudebestand mit dem Besitzwechsel an die Familie Behaim bzw. Rieter. Hier sind manche lateinische Zitate ungenau übersetzt und auf S. 22 fälschlicherweise statt Michael V. Behaim (1510-1569) Martin Behaim in die Besitzerfolge aufgenommen. Der Beitrag von Nicole Riegel „Zur Architektur des Hirsvogel’schen Saalbaues“ analysiert den Bautyp und stellt Vergleiche zu venezianischen Objekten her. Die reiche Bebilderung mit Ruinenaufnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg stimmt wehmütig und lässt die Frage aufkommen, warum bei dem umfangreichen Restbestand keine Bergung oder Wiederherstellung erfolgt ist? Detlef Knipping hat sich mit „Amor et artes“ die Ausstattung vorgenommen und stellt Flötners Mobilien und Baudetails in einen interessanten Kontext zur zeitgleichen Druckgrafik in Nürnberg, Augsburg und Italien. Johannes Hallinger widmet seinen Beitrag der Künstlerperson „Georg Pencz und der Hirsvogelsaal in Nürnberg“. Die Biografie reicht vom Dürerschüler über die drei unseligen Maler zum Stadtmaler in Nürnberg und Hofmaler Herzog Albrechts in Königsberg. Das monumentale, auf Leinwand gemalte Deckengemälde von ca. 95 qm stellt er als Fresko-Imitation mit Putzgrund vortäuschender Sandbeigabe im Malmate­ rial vor und leitet über zu den Nachforschungen von Dorothea und Peter Diemer unter dem Titel „Der was nit kann und nimpt sichs an / Der muss den spott zum schaden han.“ Beide versuchen eine Brücke zu schlagen zwischen dem von Hochmut, Selbst­ überschätzung, Prunksucht und Rücksichtslosigkeit bestimmten Bauherrn Lienhard III. Hirschvogel und der Motivation zur extravaganten und kaum zu begreifenden Themenwahl des mythischen Phaeton-Sturzes für die raumbestimmende Aussage des Deckenbildes.

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Andreas Tacke widmet seinen Aufsatz dem Thema „Vom Hochzeitssaal zur Kaiser­ herberge“, der zweiten Ausbaustufe des Hirschvogelsaales mit der Einbringung des Imperatorenzyklus oberhalb der Wandvertäfelung durch die Patrizierfamilie Rieter. Ausgestattet mit umfangreichem Bildmaterial vergleicht er eine Vielzahl von Imperato­ rensälen und erklärt die angestrebte Umnutzung des Raumes: Eine Familie des Klein­ adels schafft Raum für einen Kaiser. Nach diesem wissenschaftlichen Teil der Publikation erfolgt eine sehr gut darge­ stellte, informative Dokumentation der bei der „Wiedergewinnung“ des Juwels durch­ geführten Maßnahmen unter den Einzeltiteln „Phoenix aus der Asche“ (Matthias E x n e r / Johannes Hallinger), „Die erhaltenen Fragmente des Kamins“ (Heike Fastje), „Das Architektenprojekt“ (Bettina Reinecke-Karg), „Das Anwesen an der Hirscheigasse ... und seine Besitzer“ (Nadja Bennewitz), „Chronik des Hirsvogelanwesens im 19. und 20. Jahrhundert“ (Detlef Kippi ng / Edmund Melzl), „Die erste .Rekonstruktion“ des Hirsvogelsaales“ zur Landesjubiläumsausstellung 1906 im Luitpoldhain (Edmund Melzl), „Die Gipsabgüsse vom Gartenportal des Hirsvogelsaales im Victoria-Albert Museum in London“ (Edmund Melzl / Johannes Hallinger) und „Lienhard III. Hirsvogel - ein Porträt von Georg Pencz“ (kann die nach wie vor bestehenden Zwei­ fel an der Porträtwiedergabe des Bauherrn nicht ausräumen, Nina Carolin Wiesner). Eine „Ausgewählte Bibliographie zum Hirsvogelsaal“ (zusammengestellt von Edmund Melzl und Nina Carolin Wiesner) schließt die überaus erfreuliche Publi­ kation ab und macht sie zu einer sicher gut angenommenen Basis und Quelle für alle weiteren Forschungen um den Hirschvogelsaal, seinen Erbauer, seine Nutzer und seine herausragenden Künstler. Georg Stolz

Barbara Dienst: Der Kosmos des Peter Flötner. Eine Bildwelt der Renaissance in Deutschland (Kunstwissenschaftliche Studien 90). München-Berlin: Dt. Kunstverl. 2002. 624 S. mit 288 Abb. € 68,-. Vier Jahre nach Abschluss des Promotionsverfahrens in Jena legte Barbara Dienst die Druckfassung ihrer Dissertation über Peter Flötner vor. Monographisch handelt sie von einem Künstler, der wie andere Zeitgenossen, beispielsweise Peter Vischer d. J., als Künstler in Nürnberg im Schatten Albrecht Dürers zu bestehen versuchte. Als Person urkundlich wenig fassbar, wuchs ihm seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein beträchtliches - auch architektonisches - Werk zu. Dieses auf den belegbaren Kern zu reduzieren, ist Grundaufgabe jeder neuen Beschäftigung mit dem vielseitigen Künstler. Bereits mit ihrer Magisterarbeit „Das Nürnberger Sebaldusgrab - Ein Hauptwerk der süddeutschen Plastik an der Wende zur Neuzeit“ (München 1991) sicherte sich Barbara Dienst einen Platz in der Kunstgeschichte. Seit damals interessierte sie, was sie bei Flöt­ ner „Kosmos“ nennt: Das Zusammenspiel, die Summe von Kunsttechnik, Formenspra­ che, Bildinhalten, das humanistische Umfeld, Kultur- wie Sozialgeschichte. Mit dieser ganzheitlichen Ausrichtung war klar, dass ihr Flötner-Buch kein klassischer Werkkata­ log werden konnte, wie ihn Thomas Eser 1996 für den Augsburger Hans Daucher im

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gleichen Verlag herausbrachte. Mit Eser vergleichbar, teilt die Verfasserin die Absicht, den „Mythos Flötner“ und den vagen Begriff einer „Deutschen Renaissance“ kritisch zu hinterfragen. Arnold Bartetzky versuchte parallel in einem Sammelband Vergleich­ bares für die Baukunst, so am Beispiel der Architekten Elias Holl in Augsburg und Jakob Wolff d. J. in Nürnberg (Die Baumeister der „Deutschen Renaissance“. Ein Mythos der Kunstgeschichte?, Beuxha 2004). Das gewichtige, in der Fülle des ausgebreiteten Materials wie seiner gedanklichen Durchdringung beeindruckende Buch der Kunsthistorikerin Barbara Dienst ergänzt zwei frühere an Hochschulen entstandene Untersuchungen, die sich jeweils Teilaspek­ ten des Flötnerschen Werkes widmeten und ohne Abbildungen sind: Martin Angerer: Studien zu Peter Flötner. Peter Flötners Entwürfe. Beiträge zum Ornament und Kunst­ handwerk in Nürnberg in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, Phil. Diss. München 1983 (Dissertationsdruck Kiel 1984) und Sibille Fürniß: Zum graphischen Werk Peter Flöt­ ners anhand ausgewählter Exempla, Magisterarbeit Erlangen 1996 (ungedruckt). Diensts Untersuchung setzt ein mit einem knappen Abriss der Forschungs- und Rezeptionsgeschichte. Erst dann werden chronologisch die Quellen zu Flötner abge­ druckt und kommentiert (S. 21-47). Ihr Fazit ist ernüchternd. Mangels gesicherter bio­ graphischer Daten werden, trotz Barbara Diensts begründbarer Reduktionen, andere Autoren weiter phantasieren (siehe die Artikel „Flötner“ in der Deutschen Biographi­ schen Enzyklopädie, Band 3, München 2001 und im Lexikon der Kunst, Band 2, Leipzig 2004). Flötners Name findet sich erstmals 1523 im Nürnberger Neubürgerverzeichnis: „Peter Flattner schnitzfer]“. Ob dieser mit dem am 1. Oktober 1522 eingebürgerten fremden Bildschnitzer aus Ansbach, Meister Peter genannt, identisch ist, lässt Dienst offen. Meine These, Flötner sei aus Ansbach geholt worden, um an der neuen hölzernen Tonnendecke im Nürnberger Rathaussaal mitzuarbeiten, hat sich nicht bestätigt (S. 561-562); vgl. Mende: Das alte Nürnberger Rathaus, Nürnberg 1979, S. 7, 13, 78, Abb. 53. Flötners Geburtsjahr bleibt unbekannt. Gesichert ist sein Sterbedatum 23. Okto­ ber 1546 (Grabplatte auf dem Johannisfriedhof, Abb. 7; bessere Abb. in: Mitteilungen Bürgerverein St. Johannis, Heft 40, 1996, S. 25). Ihre „Werkbilanz“ (S. 48-50) versteht die Autorin als Vorgriff auf ein ausführliches Werkverzeichnis. Am wenigsten strittig sind rund 100 Holzschnitte (fast die Hälfte mit seinem Monogramm versehen) und etwa 115 Plaketten. Die Grauzone setzt ein bei Vertäfelungen, Skulpturen, Möbeln. Als einzige gesicherte freiplastische Arbeit gilt, da monogrammiert, der hölzerne „Adam“ im Kunsthistorischen Museum in Wien (Abb. 163, 1-6). Ist diese Standfigur eine Schöpfung des Bildschnitzers Flötner, kann aus stilisti­ schen Gründen das Modell des Apollo-Brunnens nicht von ihm sein (Abb. 170-178; Stadtmuseum Fembohaus Nürnberg). Die Zweifel der Autorin scheinen mir berechtigt. Alles weist auf Peter Vischer d. J. als Schöpfer des Apollo-Brunnens, dessen Modell dann um 1520 anzusetzen wäre, nicht erst 1532 (Datum auf dem gegossenen Sockel). Vischers Zeichnung „Apoll und Daphne“ im Schwenter-Codex hat für mich förmlich Beweischarakter; vgl. Franz Josef Worstbrock, Fedja Anzelesky: Apologia poetarum.

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MVGN 92 (2005) Kunst Die Schwenter-Handschrift ms. lat. fol. 335 der Staatsbibliothek Preußischer Kultur­ besitz zu Berlin mit den Illustrationen Peter Vischers des Jüngeren, Wiesbaden 1987. Beim Hirschvogelsaal von 1534 ist allein der steinerne Kamin durch das Zeugnis Johann Neudörffers d. A. als Arbeit Flötners gesichert. Die Zuschreibung auch der Ver­ täfelung an Flötner, zuletzt durch Detlef Knipping, bleibt hypothetisch; vgl. Amor et artes. Die Ausstattung des Hirschvogelsaals von Peter Flötner, in: Der Hirsvogelsaal in Nürnberg. Geschichte und Wiederherstellung. Arbeitshefte des Bayerischen Landes­ amtes für Denkmalpflege 113. München 2004, S. 72-90. Barbara Dienst beurteilt die Rekonstruktion des Hirschvogelsaals am Treibberg oberhalb des Tucherschlosses erfreulicherweise distanzierter als die beteiligten Denkmalpfleger und Museumsleute. Sie spricht von einer „Neuinszenierung“, geht aber nicht so weit, den Bau innen wie außen als charakteristisches Zeugnis modischer Event-Kultur zu verstehen. Kritisch steht Frau Dienst ebenso der Vermutung gegenüber, Flötner sei an der Ausstattung des Tucherschen Gartenanwesens Hirscheigasse 9-11 beteiligt gewesen (S. 563-565). Sicher ist der darin befindliche „Flötner-Schrank“ kein Werk unseres Künstlers; vgl. Jutta Tschoeke: Das Museum Tucherschloss mit Hirsvogelsaal, Museen der Stadt Nürnberg 2001, S. 17, Abb. S. 14 unten. Diskutabel als Frühwerk Flötners vor seinem Umzug nach Nürnberg bleibt für mich der Altar in der Johanniskirche in Ansbach; vgl. Zur Restaurierung des Ansbacher „Flötneraltares“. Denkmalpflege Informationen, Aus­ gabe D, Heft 12, November 1991. Klammert man alles Strittige aus, bleibt Flötner ein phantasievoller Entwerfer und versierter Kunsthandwerker. Das numerische Zurückschneiden des Oeuvres durch Barbara Dienst öffnet uns den Blick auf ikonographische Themen. Ungewöhnliches, wie das Menschenalphabet oder Fäkalisches rücken ins Blickfeld (S. 68ff.). Flötner als Zeichner wird aufgewertet (Abb. 38, 48, 49, 243, 244, 288), scheinbar ausgeforschte Arbeiten wie der Holzschuherpokal im Germanischen Nationalmuscum erfahren eine vertiefende Deutung (S. 138ff). Blättert man den umfangreichen Band mit seinen fast dreihundert Abbildungen durch, erschlägt einen anfangs die Materialfülle. Zu einem Ganzen fügt sich das Betrachtete jedoch nicht. Das liegt nicht an der Autorin, sondern an der Person Flötners, die, fast noch spätmittelalterlich, hinter dem Werk verschwin­ det. Mit Einführung der Reformation in Nürnberg 1525 brach der für die bildenden Künste wichtigste Auftraggeber weg. Flötner versuchte erfindungsreich in geänderten Zeiten zu überleben. Dass er in Nürnberg blieb, nicht in den Hofdienst strebte, impo­ niert. Barbara Dienst bringt uns über das gesicherte Schaffen einen Künstler näher, den sein Zeitgenosse Neudörffer auch als Theoretiker rühmt („in Perspectiv und Maßwerck war er also erfahren“), von dem er glaubt, dass er nur durch ungünstige Umstände in „grossen Dingen“ weniger erfolgreich war „dann in Kleinen.“ Matthias Mertde

Nina C. Wiesner: Das Deckengemälde von Georg Pencz im Hirschvogelsaal zu Nürnberg (Studien zur Kunstgeschichte 154). Hildesheim u.a.: Olms 2004. 183 S. mit Abb. €29,80.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Schon seit längerer Zeit interessiert sich die Kunstgeschichtsschreibung verstärkt für die Entwicklung, die die Nürnberger Malerei in der Zeit nach dem Tod Albrecht Dürers genommen hat. Die alte Verfallsthese wird dabei - je nach der Betrachtungsweise einerseits bestätigt, auf der anderen Seite aber radikal widerlegt. Tatsächlich ist es der Nürnberger Kunst nie mehr gelungen, eine derartig epochale Gestalt von europaweiter Wirkung hervorzubringen wie Dürer, aber trotzdem hatte die gesamte Nürnberger Kunst noch lange Zeit eine außerordentlich prägende Kraft. Überblickt man die künst­ lerische Entwicklung Deutschlands bis zum beginnenden 18. Jahrhundert, wird man kaum eine Erscheinung finden, die nicht entscheidend von Nürnbergern bestimmt worden wäre. Einer dieser Künstler, die noch direkt aus dem Einflusskreis Dürers hervorgegangen sind, ist der Maler Georg Pencz (ca. 1500-1550). Charakteristisch für ihn ist die selbständige Verbindung der Tradition Dürers mit neuesten künstlerischen Anregungen aus Italien. Eines der Hauptwerke von Pencz ist das 1534 entstandene Deckenbild des Nürn­ berger Hirschvogelsaals, dem sich die vorliegende Arbeit widmet. Thema das Gemäldes ist der Sturz des Phaeton. Pencz, der die Freskentechnik wohl nicht beherrschte, hat das ca. 100 m2 große Bild im Auftrag des Nürnberger Patriziers Lienhard III. Hirschvogel auf Leinwand gemalt. Dieser ungewöhnlichen Technik verdankt das Werk auch seine Erhaltung, denn der Hirschvogelsaal wurde bei der Bombardierung Nürnbergs beschä­ digt und anschließend ohne Rücksicht auf die große Bedeutung der Anlage abgerissen. Das Deckenbild aber konnte zusammen mit den meisten Teilen der Wanddekoration noch vor den Kriegszerstörungen geborgen werden. Erst Jahrzehnte später wurde es möglich, in der Nähe des Tucherschlosses einen Ersatzbau zu errichten, um in ihn die zahlreichen erhaltenen sowie einige rekonstruierte Dekorationsbestandteile des Saals zu integrieren, so dass man sich heute wieder einen angemessenen Eindruck von diesem bedeutenden Nürnberger Renaissanceraum machen kann. Im Jahr 2000 wurde der Neubau eröffnet. Hier erhielt auch das Deckenbild von Pencz seinen alten neuen Platz. In ihrer gelungenen Würzburger Magisterarbeit, die von Volkmar Greiseimayer betreut wurde, hat sich nun Nina Wiesner mit diesem Werk befasst, das bis dahin noch nie umfassend behandelt worden war. Nach einem Überblick über den Forschungs­ stand schreibt die Verfasserin eine die Sekundärliteratur zusammenfassende Darlegung der Bau- und Ausstattungsgeschichte des Hirschvogclsaales. Es folgen Ausführungen zur Gestalt des Malers Georg Pencz, denen sich eine genaue Beschreibung des Decken­ bildes anschließt. Glücklicherweise konnte sie hierfür bereits auf die Ergebnisse der letzten Restaurierung zurückgreifen. Wiesner gelingt dabei - erstmals ! - eine eindeutige Benennung aller dargestellten Personen. Sehr zutreffend stellt sie aber vor allem die Bedeutung der perspektivischen Konstruktion heraus. Einen interessanten Diskussi­ onsbeitrag liefert sie mit ihrer Vermutung, der sogenannte „Kamin“ sei eigentlich ein Alkoven zur Aufstellung eines Prunkbettes gewesen, der gesamte Saal also zumindest auch als Unterkunft für hochgestellte Personen, vor allem für den Kaiser selbst, zu ver­ stehen. Dadurch würde sich das Deckenbild mit dem Sturz des Phaeton weniger als Warnung vor Hochmut, sondern eher als Allusion auf die weise kaiserliche Regierung verstehen lassen. Vielleicht hätte sich durch intensivere Nachforschungen und die

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MVGN 92 (2005) Kunst Anführung von weiteren Vergleichsbeispielen dieser Gedanke noch stärken lassen. Allerdings belegt das von Wiesner genannte „Schöne Zimmer“ im Nürnberger Pellerhaus, dass ihre These durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist. Wie auch immer man einzelne Aspekte beurteilen möchte, insgesamt bleibt fest­ zuhalten, dass der Verfasserin ein beachtlicher und lesenswerter Beitrag zur Geschichte der Nürnberger Kunst geglückt ist. Christian Hecht

Achim Riether: Rudolf Meyer (1605-1638). Schweizer Zeichenkunst zwischen Spät­ manierismus und Frühbarock. Katalog der Handzeichnungen (Akädemos 4). München: scaneg 2002. 886 S. mit zahlr. Abb. € 178,—. Der bereits mit 33 Jahren jung verstorbene Rudolf Meyer entstammte einer Züricher Künstlerfamilie. Nach der Ausbildung (1622-1629) bei seinem Vater Dietrich Meyer d.Ä. ging er auf die von der Züricher Malerzunft vorgeschriebene Gesellenwander­ schaft. Zuerst (1629-1630) führte der Weg in die Werkstatt von Matthäus Merian d.Ä., zu dem der Vater Beziehungen unterhielt, danach ging Rudolf nach Nürnberg (1629-1632/33). Seine Aufenthalte fielen in jene Jahre, in denen beide Städte vom Dreißigjährigen Krieg heimgesucht wurden. Die Schrecken des Krieges, die Hungers­ nöte und Epidemien, werden in der auskunftsfreudigen Meyerschen Familienchronik (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung) geschildert und von Meyer in Zeichnungen und Graphikblättern eindringlich dargestellt. Künstlerisch gesehen waren die Städte ein Glücksgriff für den Malergesellen Rudolf gewesen, denn sowohl in Frankfurt am Main wie auch in Nürnberg war er in Werk­ stätten gelandet, die einen regen Kunsthandel betrieben; in der Frankenmetropole war es der lange in Vergessenheit gewesene Johann Hauer. Merian d.Ä. und Hauer profi­ tierten durch die Tatsache, dass Frankfurt und Nürnberg zeitweise - vor allem durch die Aufenthalte König Gustav Adolfs von Schweden - zu europäischen Kunstzentren wur­ den. Auch das umfangreiche Meyersche CEuvre entkräftet selbstredend das zählebige Vorurteil, dass im Dreißigjährigen Krieg die Künste daniedergelegen hätten. Von Seiten der Kunstwissenschaft wird dieser Niedergangsthese eine gewichtige Studie entgegen­ gestellt. Zahlreiche bildende Künstler, aber auch Dichter oder beispielsweise Kompo­ nisten wurden von den reichlich zu vergebenden Aufträgen angelockt und reisten in diese vom Krieg heimgesuchten Städte. Rudolf Meyer nutzte seine Aufenthalte in Frankfurt am Main und Nürnberg, um nach zahlreichen Gemälden, Handzeichnungen, Graphiken wie auch Skulpturen älterer und zeitgenössischer Künstler zu zeichnen. Herausgekommen ist ein Kompendium von Handzeichnungen nach Werken der europäischen Barockkunst, die Riether als Bearbeiter des Zeichnungsbestandes, welcher überwiegend in Zürich verwahrt wird, auf verschlungene Pfade führte. Denn nicht immer konnte Rudolf Meyer auf das Original eines Cranach, van Dyck, Rubens oder Veronese zurückgreifen, oftmals waren es Kopien, Varianten von Meister- oder Schülerhand, die unser Malergeselle in der Kunsthandlung von Merian d.Ä. bzw. Hauer oder in den Sammlungen der Kaufleute und Patrizier der Aufenthaltsorte vorfand.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Riether war bereit, allen Spuren nachzugehen, so dass sein Buch auch ein anregender Beitrag zur frühneuzeitlichen Paraphrasenpraxis ist. Und so ganz nebenbei liefert Riether auch einen Beitrag zur Barockskulptur, denn mit Hilfe des Meyerschen Zeichnungskonvolutes ließen sich eine Reihe von bis dato nicht sicher datierten Werken Leonhard Kerns zweifelsfrei bestimmen. Zudem wurden dem Kernschen CE uv re weitere Arbeiten hinzugefügt. Im Frankfurter Verlagshaus Merian arbeitete Rudolf Meyer an zahlreichen Buch­ publikationen mit; Riether gelingt es, Meyers beachtlichen Anteil von dem der MerianWerkstatt säuberlich zu trennen. Damit erfolgen zahlreiche Ergänzungen zum Stan­ dardwerk von Lucas Heinrich Wüthrich, vor allem auch hinsichtlich der ikonographischen Bestimmung der Buchillustrationen gelangt Riether über das bis jetzt Bekannte hinaus. In der Werkstatt des Nürnberger Flach- und Atzmalers Johann Hauer zeichnete Meyer zusammen mit zahlreichen anderen Künstlern, so dass Riether dank des Meyer­ schen Konvolutes deren Werkverzeichnisse bereichern und verbessern konnte, bei­ spielsweise jenes von Michael Herr (zu diesem vgl. meine Rezension in MVGN 88, 2001, S. 288-291). - Meyers in Nürnberg gezeichneten Blätter, sie machen den größten Teil des umfangreichen Konvolutes aus, sind eine Fundgrube: Der ehemals so reiche Bestand an reichsstädtischen Privatsammlungen lässt sich auch mit diesen Blättern illustrieren, sie bilden eine anregende Ergänzung zu den handschriftlichen Inventaren. Nach Zürich zurückgekehrt, nimmt Rudolf seinen begabten Bruder Conrad in die Lehre. Auf seinen großen, überwiegend in Frankfurt am Main und Nürnberg erarbeite­ ten Zeichnungsbestand kann er im Sinne eines Vorlagenvorrates kaum zurückgreifen; meistens erledigt Rudolf nur kleinere Auftragsarbeiten. Riethers Stuttgarter Dissertation wurde von Heinrich Gcissler angeregt und von Werner Sumowski betreut; sie ist beiden Kennern in mehrfacher Hinsicht verpflichtet. Sie gehört zu jener Gruppe von Dissertationen, die einen ob ihres weit gespannten The­ menbogens und der Gründlichkeit ihrer Bearbeitung kleinlaut werden lässt: In 489 umfangreichen Katalognummern werden die Zuschreibungen und in 158 Nummern die Abschreibungen bei den Handzeichnungen abgehandelt, kleine Kataloggruppen berücksichtigen das graphische bzw. das malerische Werk Rudolf Meyers; eine Tran­ skription der Schriftquellen bzw. der Signaturen rundet die Monographie ab. Es ist wohl traurige Gewissheit, dass Riethers jetzige Berufstätigkeit - er ist Kustos an der Staatlichen Graphischen Sammlung in München - ihn weitgehend davon abhalten wird, sich noch einmal die Zeit für eine derart beeindruckende Rekonstruktionsleistung nehmen zu können. Im Buch sind nahezu alle Werke, wenn auch oftmals recht klein, abgebildet; 37 Tafeln führen eine Auswahl der schönsten Blätter großformatig vor Augen. Als Ergänzung kann man den schmalen, von Riether verfassten Katalog (ISBN 3-906574-20-2) der Rudolf-Meyer-Ausstellung in Zürich (23.5.-17.08.03) und München (01.10.03.04.01.04) nehmen, da sich darin zahlreiche Farbabbildungen befinden.

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MVGN 92 (2005) Kunst Der Verlag hat sich mit diesen und ähnlichen Publikationen in der Gruppe derer etabliert, die auch größere und anspruchsvollere Buchprojekte zu meistern versteht, denn die Qualität ist auch hier der Werkbearbeitung entsprechend. Beim stolzen Buch­ preis kann für den Käufer nur tröstlich sein, dass er die Monographie des Schweizer Künstlers Rudolf Meyer in Händen hält, den Riether überzeugend in die europäische Kunst- und Kulturgeschichte zu verorten weiß, mithin, dass es sich bei Riethers Buch um einen grundlegenden und bleibenden Beitrag zur Zeichenkunst des Barocks handelt. Andreas Tacke

Hortulus floridus Bambergensis. Studien zur fränkischen Kunst- und Kultur­ geschichte. Renate Baumgärtel-Fleischmann zum 4. Mai 2002, hrsg. durch Werner Taegert. Petersberg: Imhof 2004. 424 S. mit zahlr. Abb. € 49,80. Hortulus floridus Bambergensis erschien im Jahre 2002 anlässlich des Eintritts in den Ruhestand von Renate Baumgärtel-Fleischmann, der langjährigen kommissarischen Leiterin des Diözesanmuseums Bamberg. Ein kurzer biographischer Abriss und die Bibliographie der Jubilarin stehen am Anfang des umfangreichen Sammelbandes, dessen thematischer Schwerpunkt, wie schon der Titel verrät, auf der Kulturgeschichte Bambergs liegt. Der erste Themenkomplex widmet sich dem Bamberger Dom im weitesten Sinne. Dem einleitenden Artikel von Tilmann Breuer über die historische Topographie des Doms schließt sich eine detaillierte Untersuchung Richard Strobels über die StuckKapitelle an der Ostchor-Krypta an. Uber die Brandkatastrophe von 1227 und die daraus folgenden notwendigen späteren Sanierungen des Doms, die in den Jahren 1744 und erneut 1776 durch Franz Ignaz Michael Neumann erfolgten, informiert der Aufsatz von Manfred Schüller. Daran schließt sich die Analyse Manfred Fürsts über die geologi­ sche Beschaffenheit der im Kreuzgang des Doms aufgestellten Skulpturen an, gefolgt von einem historischen Abriss von Hannelore Herrmann über die Konservierung und Restaurierung der kostbaren Textilien des Bamberger Domschatzes, speziell der soge­ nannten Kaisermäntel aus dem Besitz Kaiser Heinrichs II. und Kaiserin Kunigundes. Den Abschluss des Komplexes über den Bamberger Dom bilden der Beitrag von Peter Wünsche über die Feier des Weihnachtsfestes im Dom, wie sie im Liber Ordinarius von 1491 (SB Bamberg, Msc.Lit.il 8) aufgezeichnet wurde, und die Beschreibung des Zeremoniells bei der Amtseinführung der Bamberger Bischöfe im Mittelalter und der Frühen Neuzeit von Dieter J. Weiß. Den Abschnitt über die Abtei Michelberg eröffnet Rainer Kahsnitz mit einem Bei­ trag über das als „Morgengabe“ bezeichnete goldene Kreuz aus dem Michelsberger Klosterschatz. Das in der Säkularisation zerstörte Kleinod war ein Geschenk Kaiser Heinrichs II. an seine Gemahlin Kunigunde, die es später dem Kloster auf dem Michelsberg verehrte. Der aus dem Umkreis von Veit Stoß stammende Kruzifixus in der Klosterkirche St. Michel steht im Mittelpunkt der sich daran anschließenden kunst­ geschichtlichen Untersuchung von Stefan Roller. Mit der Ausmalung der Klosterkirche

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befassen sich die beiden folgenden Aufsätze. Werner Dressendörfer beschreibt die als „Himmelsgarten“ bekannten Pflanzenmalereien an der Gewölbedecke des Haupt­ schiffes; die zahlreichen Embleme der Seitenschiffe und des Schutzengelaltars sind Gegenstand der ausführlichen kunsthistorischen Untersuchung von Werner Taegert. Mit Franken im weitesten Sinn befasst sich der dritte Themenkomplex, der mit einer Untersuchung von Matthias Mende über die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Nach­ bildung des Heiligen Grabes im Nürnberger Heiliggeistspital eröffnet wird. Daran schließt sich Rainer Hambrechts Beschreibung des Wiederaufbaus der im Jahre 1500 niedergebrannten, damals noch zum Besitz der Wettiner gehörenden Veste Coburg durch den Nürnberger Stadtwerkmeister Hans Beheim d.Ä. (ca 1460?-1538) an. Der folgende Artikel von Thomas Korth beleuchtet die Herkunft und Tradierung des soge­ nannten „Dientzenhofer Skizzenbuches“, einer Sammlung von Grundrissen, die von Leonhard Dientzenhofer, seit 1690 Hofbaumeister in Bamberg, während seiner Aus­ bildung wohl teilweise selbst angefertigt, teilweise auch nur gesammelt wurden. Dem Wirken mehrerer Maler aus Regensburg im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts in Nürnberg geht Robert Suckale nach. Die acht im April 1991 bei Bauarbeiten im ehe­ maligen Frauenkloster Himmelkron aufgefundenen bemalten Sandsteinplatten sind Gegenstand der Untersuchung von Christine Hans-S c h u 11 e r. Im folgenden Beitrag geht Kurt Löcher der Frage nach, inwieweit der bekannte Holzschnitt des Nürnberger Künstlers Wolf Traut, „Abschied Christi von Maria“, als Vorlage für Werke anderer Künstler im deutschen und ostmitteleuropäischen Raum diente. Mit dem prunkvollen Familienepitaph des Nürnberger Kaufmanns Johann Rochus Kneutzel in der protes­ tantischen Kirche von Walsdorf bei Bamberg befasst sich der Aufsatz von Annette Faber. Der folgende Beitrag von Bernhard Schemmel untersucht die Aufstellung der Bibliothek des in der Säkularisation aufgelösten Bamberger Dominikanerklosters. Der sich daran anschließende Aufsatz von Regina Hanemann schildert am Beispiel der Malerfamilie Treu das Leben bambergischer Künstler in den letzten Jahrzehnten des Fürstbistums. Die nächsten drei Beiträge beschäftigen sich mit mittelalterlicher Buchmalerei. Gude Suckale- Redlefsen analysiert das Herrscherbild der Bamberger Flavius-Josephus-Handschrift (Msc. Class. 79), Franz Ronig beschreibt das sich heute in der Bamberger Dombibliothek befindende, aus dem Lambertuskloster in Lüttich stam­ mende Sakramentar (Msc. Lit.3), und Helmut Engelhart untersucht den St. Marienthaler Psalter, eine illuminierte Handschrift aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die vermutlich im fränkischen Raum angefertigt wurde und erst später den Weg in das Marienthaler Zisterzienserinnenkloster fand. Gegenstand der folgenden drei Aufsätze ist wieder Bamberg: Den Bambergensia im Besitz des Göttweiger Abtes Gottfried Bessel (1672-1749) widmet Gregor M. Lechner einen kurze Abhandlung, Siegfried Seifert geht der Verehrung des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde im heutigen Bistum Dresden-Meißen nach, und Walter Milutzki stellt die im Diözesanmuseum Bamberg vorhandenen Spitzenbilder mit Darstellungen Heinrichs II. und Kunigundes vor. Den Abschluss bildet ein Artikel von Renate Neumüllers-Klauser über die An­ fänge der von den Deutschen Academien der Wissenschaften im Jahre 1934 begonnenen Sammlung „Die Deutschen Inschriften“.

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MVGN 92 (2005) Kunst Hortulus floridus Bambergensis zeichnet sich, bei derartigen Sammelbänden keines­ wegs eine Selbstverständlichkeit, durchgehend durch ein gleichbleibend hohes Niveau der einzelnen Beiträge aus. Zudem ist er sehr sorgfältig aufgemacht und reich bebildert, wobei auch die Qualität der Abbildungen nichts zu wünschen übrig lässt. Alles in allem ein sehr informativer Band über die verschiedensten Aspekte der fränkischen, speziell bambergischen Kunst- und Kulturgeschichte. Christina Hofmann-Randall

Elizabeth Blackwell: Herbarium Blackwellianum. (Meisterwerke der Buchillustra­ tion). Erlangen: Harald-Fischer-Verlag 2003. (2 CD-ROMs). 519, 483 S. mit 600 Abb. € 280,-. Im Jahre 1737 erschien in England ein Kräuterbuch unter dem Titel „A curious Herbai, containing 500 cuts of the most useful plants which are now used in the practice of physick“. Die Künstlerin, Elizabeth Blackwell, hatte das Buch veröffentlicht, um ihren im Schuldgefängnis sitzenden Mann Alexander Blackwell auslösen zu können. Als Vorlage für die Abbildungen, die sie selbst zeichnete und stach, diente ihr die Sammlung von Pflanzen des Chelsea Physic Garden in London. Die sehr knappen botanischen Erläuterungen stammten von Alexander Blackwell, der als angehender Mediziner die dazu notwendigen Kenntnisse besaß. Das 500 kolorierte Kupferstiche umfassende, zweibändigeWerk war so erfolgreich, dass 1739 und 1751 zwei weitere Ausgaben in England herauskamen. Blackwells Kräuterbuch inspirierte den bekannten Nürnberger Stadtarzt und Botaniker Christoph Jacob Trew (1695-1769), Herausgeber zahlreicher botanischer Werke, dazu, eine erwei­ terte und verbesserte Ausgabe herauszubringen. Der Text wurde von Trew und dem Leipziger Professor für Medizin Christian Gottlieb Ludwig (1709-1773) völlig neu­ bearbeitet und in „Centurien“ (jeweils 100 Pflanzen) gegliedert. Überdies fügte Trew eine weitere Gruppe von Arznei- und Giftpflanzen hinzu, die das englische Original nicht enthielt, die aber in Deutschland von Bedeutung waren. Für die auf sechs Bände erweiterte Ausgabe mit 600 statt 500 kolorierten Kupfern stach der Nürnberger Künst­ ler Nikolaus Friedrich Eisenberger die Darstellungen, vielfach nach Originalvorlagen, neu. Das Werk kam zweisprachig, deutsch und lateinisch, unter dem Titel:„Herbarium Blackwellianum emendatum et auctum, id est Elisabethae Blackwell collectio stirpium quae in pharmacopolis ad medicum usum asservantur, quarum descriptio et vires es anglico idiomate in latinum conservae sistuntur... bzw. vermehrtes und verbessertes Blackwellisches Kräuter=Buch das ist Elisabeth Blackwell Sammlung der Gewächse...“ in den Jahren 1750-1773 in Nürnberg heraus. Als Vorlage für die aus zwei CD-ROMs bestehende digitalisierte Ausgabe diente das Exemplar des Herbarium Blackwellianum, das sich im Besitz der Münchner Universitätsbibliothek (W 2 Phytol. 6) befindet. Beide CD-ROMs beginnen mit einem von dem Apotheker und Pharmaziehistoriker Werner Dressendörfer erarbeiteten lateinisch-deutschen und deutsch-lateinischen Namensregister der einzelnen Pflanzen sowie der Nummer der dazugehörigen Abbildung. Daran schließt sich die digitalisierte

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Wiedergabe des Buches an. Die erste CD-ROM enthält die Tafeln 1-300. Auf die Abbildungen der ersten 100 Pflanzen folgt der dazugehörige Text, bestehend aus der Praefatio, dem Catalogus Auctorum, Catalogus Operum botanicorum, dem Index Auctorum, der Tabularum explicatio, also der Erklärung der Kupfertafeln, und den Indices Nominum, den Pflanzennamen in lateinischer, deutscher, englischer, griechi­ scher, spanischer, italienischer, französischer und holländischer Sprache. Dann folgen die zweite und dritte Centurie, ebenfalls gefolgt von dem dazugehörigen Text, wobei nur bei der II. Centurie noch ein Catalogus Auctorum folgt. An jede Centurie schließen sich die Indices Nominum in den erwähnten Sprachen an. Ein Index Generalis Nominum Latinorum und Germanicorum sowie eine 15-seitige sehr informative Einführung in die Geschichte der Entstehung des Herbarium Blackwellianum von Werner Dressendörfer bilden den Abschluss der ersten CD. Die zweite CD ist analog aufgebaut: sie enthält die vierte, fünfte und sechste Centurie, also die Abbildun­ gen 301-600, samt dem dazugehörigen Text sowie die wissenschaftliche Einleitung. Die farbliche Wiedergabe der Pflanzendarstellungen ist von hoher Qualität und vermittelt einen guten Eindruck vom Aussehen des Originals. Bei der Konzeption der digitalisier­ ten Ausgabe wurde großer Wert auf die Benutzbarkeit gelegt. Das Namensregister ermöglicht es auch dem Laien, problemlos die gewünschte Pflanze zu finden; selbst wenn ihm nur der deutsche bzw. lateinische Name bekannt ist. Da Text und Bild wechselseitig verknüpft sind, kann der Benutzer zudem zu jeder Tafel sofort den dazu­ gehörigen Text abrufen. Alles in allem eine sehr gelungene Reproduktion, die nicht nur ästhetischen Genuss, sondern auch umfangreiche botanische Informationen bietet. Christina Hofmann-Randall Kultur, Sprache, Literatur, Musik Evangelos Konstantinou (Hg.): Nürnberg und das Griechentum. Geschichte und Gegenwart (Philhellenische Studien 9). Frankfurt/Main: Lang 2003. 335 S. € 55,50. Es ist das Verdienst des von Evangelos Konstantinou geleiteten „Europäischen Zentrums für wissenschaftliche, ökumenische und kulturelle Zusammenarbeit Griechisch-Deutsche Initiative e.V.“, im Rahmen der von ihm organisierten inter­ nationalen Symposien deren wissenschaftliche Ergebnisse in der dafür vorgesehenen Schriftenreihe zu publizieren. Das Geleitwort des Herausgebers (S. 13-18) spannt einen großen Bogen von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die Gegenwart anhand der deutsch-griechischen bzw. griechisch-deutschen Beziehungen und Bemühungen, wie sie ihren Niederschlag in der Königs-, Reichs- und Industriestadt Nürnberg gefunden haben und finden. Der darauffolgende „Teil I. Nürnberg und das Griechentum in der Geschichte“ behandelt aus der Fülle der Jahrhunderte langen Begegnungsgeschichte paradigmatisch drei Themenkomplexe: Kardinal Bessarion und andere griechische Gelehrte in ihrer Beziehung zu Nürnberg, die Rolle der Paläologenprinzessin Zoe und die Griechen­ begeisterung des Philhellenismus und deren Vorbereitung in Nürnberg.

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MVGN 92 (2005) Kultur, Sprache, Literatur, Musik Der durch stupenden Material- und Detailreichtum bestechende Beitrag von Carmelo Capizzi „Episoden aus dem Leben des Kardinals Bessarion in Rom“ (S. 21—48) deckt die materiellen Grundlagen (z.B. S. 28-31 Zusammenstellung seiner Pfründen) und die vielfältigen privaten und amtlichen Aktivitäten auf, die Bessarion seine Stellung in der Kurie und „die .großen* Momente seines Lebens“ (S. 47) erreichen ließen. Diese behandelt Marino Zorzi in seinem Aufsatz „Bessarion and the Defence of the Greek World“ (S. 48-63). „Strong patriotic feeling“ (S. 51) habe Bessarion zum Übertritt in die päpstliche Kirche und zur Annahme des Kardinalshutes 1440 bewogen, um zu retten, was noch zu retten war, selbst nach und trotz der Katastrophe des christ­ lichen Heeres bei Varna 1444, wofür nach eingehender Diskussion (Anm. 6 auf S. 53f.) genuesischer Verrat im Vorfeld verantwortlich gemacht wird, und der daraufhin unaus­ weichlichen und somit 1453 erfolgten Eroberung von Konstantinopel, nämlich durch stetes Bemühen zum einen um politisch-militärische Gegenmaßnahmen und zum andern um die Sammlung und Bewahrung der griechischen Traditionen. Seinem Schei­ tern in ersterem Bereich steht aber sein Erfolg in letzterem über die Jahrhunderte hin­ weg gegenüber; denn die planmäßige und kostspielige Sammlung griechischer Hand­ schriften und Bücher sowie deren Übereignung an die Bibliothek von St. Markus, die dadurch weltberühmte Marciana, und die nachhaltige Förderung und Verbreitung der griechischen Sprachkenntnisse werden dadurch erst verständlich und rechtfertigen sich im Nachhinein, da sie ja erst die Vollendung der Epochen von Humanismus und Renaissance herbeiführten. In diese kulturpolitische Konzeption Bessarions passt gut Zorzis Hypothese (S. 59), dass der Kirchenfürst sehr schnell die Möglichkeiten, die in dem soeben in Deutschland erfundenen Buchdruck steckten, erkannt und dessen Über­ tragung nach Italien gefördert habe mit entsprechenden Rückwirkungen wieder auf Nürnberg (Regiomontan und Radtoldt, S. 60). Wenn auch der Kardinal auf dem von ihm geleiteten Reichstag während seines Aufenthaltes in Nürnberg 1460, der erschöp­ fend von G. Schuhmann (JfL 34/35, 1974/75, 447-465) aufgearbeitet und dargestellt ist, keinen Kreuzzug wider die Türken zustande brachte, so konnte er doch die Reichsstadt in ein weiteres Projekt einbinden, nämlich in die von ihm vermittelte Heirat der Nichte Zoe des bei der Eroberung seiner Hauptstadt gefallenen letzten byzantinischen Kaisers mit dem verwitweten Großfürsten Ivan III. von Moskau (1440-1505). Die Nürnberg-Episode auf dem Weg dorthin mit dem prächtigen Empfang auf Bessarions Veranlassung schildert materialreich im Detail wie bei der Einordnung in die große europäische Geschichte mit Vorgeschichte und Folgen Günther Schuhmann: „Zum Aufenthalt der Paläologenprinzessin Zoe in Nürnberg 1472 auf ihrer Reise von Rom nach Moskau“ (S. 107—141; überarbeitete und erweiterte Fassung eines Aufsatzes von 1966; auf S. 109 ist der Stammbaum so zu berichtigen, dass alle Enkel von Thomas abstammen). Diese Heirat führte zwar nicht zur erhofften Annäherung zwischen päpst­ licher Kirche und russischer Orthodoxie, geschweige denn zu einer Allianz oder mehr, wohl aber zur Übernahme der byzantinischen Tradition wie Hofzeremoniell, Titulaturen - am wichtigsten die Annahme des Titels „Zar“ und des Doppeladlers als Wappen, gipfelnd in den klassisch gewordenen Worten der Prophezeiung: „Zwei Rome (Rom und Konstantinopel) sind gefallen, aber das dritte (Moskau) steht, und ein viertes

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wird es nicht geben.“ Demgegenüber plädiert Anna LeonidovnaChoreskevic in ihrem Beitrag „Die Palaiologen in Rußland am Ende des 15. - Anfang des 16. Jahrhunderts“ (S. 65-79) nach dem Überblick über die politischen Schicksale von Zoe/Sophia und ihrer Kinder sowie das Aufgehen dieser Nachkommenschaft im russischen Hochadel mehr für die „Übernahme des westlichen Reichszeremoniells“ (S. 77f.). Tatjana Pano va referiert über „Sophia Paleolog. Burial Place. Results of Local Investigation“ (S. 143-148) mit Wiedergabe der eindrucksvollen vollplastischen Rekonstruktion des Kopfes aus den Skelettresten nach den Methoden modernster Kriminaltechnik: Die Vorderansicht (S. 145) zeigt die Züge einer hoheitsvoll blickenden Matrone. Weiter­ führendes trägt T. D. Panova „Russian-Western Relations in the Second Half of the XV Century and Zoya Paleolog“ (S. 149-164) bei, nämlich diesbezügliche Zitate aus zeitgenössischen russischen Chroniken, eine Übersicht über Großfürst Ivans Nach­ kommenschaft aus seinen beiden Ehen und die daraus entstandenen dynastischen Ver­ wicklungen (die genealogischen Daten sind z.T. korrekturbedürftig) sowie Einzelheiten (mit Abbildungen) über Begräbnis und Grabstätte. Mit einem gelehrten Priestermönch, der von Anfang September 1625 bis Mitte Juli 1626 in Nürnberg bzw. seiner Universität Altdorf weilte, befassen sich Ulrich Moennig („Metrophanes Kritopulos und die Neugriechischkenntnisse deutscher Gelehrter im 17. Jahrhundert“, S. 81-91) und Gerhard Podskalsky („Die Deutsch­ landreise des Metrophanes Kritopulos (1624-1627) im Rahmen der deutsch-griechi­ schen Beziehungen im 17. Jahrhundert“, S. 93-106) und betonen jeweils die davon aus­ gehenden wichtigen Anregungen auf lutherische Theologen und Philologen (Die S. 87, Anm. 20, genannte unveröffentlichte Magisterarbeit von R. Sack ist nun als Kopie in der Stadtbibliothek unter der Signatur D 6421 vorhanden; der S. 103 genannte folgende Vortrag des Rez. ist durch den voluminösen Kongressbericht Alexander Helladius the Larissaean. International Conference Larissa, 4-5 September 1999. Proceedings, Ed. Vasilios N. Makrides. Larissa 2003, überholt.) Eine neue Sicht eröffnet Richard Klein mit seinem Referat „Das Bild der griechi­ schen Geschichte in Hartmann Schedels Weltchronik“ (S. 165-171, ausführlicher JfL 58, 1998, 167-185), indem nämlich dort zum ersten Male die griechische Geschichte mit Einschluss der heidnischen Mythologie und der Antike in das christliche Geschichts­ bild einbezogen und als ein Kontinuum bis in die Zeit des Frühhumanisten gesehen ist, wobei die bisherige Auffassung und Abwertung ihres Verfassers als eines bloßen Kompilators korrigiert und dieser aufgewertet wird wegen seines Bestrebens, Geschichte und Geographie zusammenzubringen, und den Stellenwert von Konstantinopels Fall für die Zeitgeschichte entsprechend zu betonen. Johannes Irmscher („Johann Wülfer, ein Vorläufer des Philhellenismus“, S. 237-246) behandelt die in homerischen Hexametern abgefasste Elegie auf die Eroberung von Iraklion/Candia 1669 durch die Osmanen, vor­ getragen von dem Nürnberger Studenten am Ende desselben Jahres an der Universität Altdorf und 1822 von dem Nürnberger klassischen Philologen Johann Adam (so S. 238, Anm. 7, zu verbessern) Göz mit der deutschen Übersetzung des Titels „Hellas an die Teutschen. Ein Jammerschrey um Hilfe ...“ publiziert, um an der Zensur vorbei durch antiquarische Maskierung für die aufständischen Griechen die Stimme zu erheben.

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MVGN 92 (2005) Kultur, Sprache, Literatur, Musik Von Raimund Wünsche stammt der Festvortrag „Carl Haller von Hallerstein. Der erste deutsche Philhellene in Griechenland. Dieses Mitglied eines der ältesten Nürn­ berger Patriziergeschlechter (1774 Hiltpoltstein [so S. 201 zu verbessern] - 1817 Ambelakia/Thessalien) erhält hier aus berufenstem Munde seine verdiente Würdigung; denn wer könnte besser als der Direktor der Glyptothek die Leistungen dieses lang unbekannt und verkannt Gebliebenen ins rechte Licht rücken, dessen Entdeckung und Vermittlung der Giebelskulpturen des Aphaia-Tempels auf Aigina zum Ankauf durch den Kronprinzen und späteren König Ludwig I. von Bayern (1825-1848) führten und damit nicht nur zum Bau dieses Museums, sondern letztlich auch zu Münchens Umge­ staltung in „Isar-Athen“ und zum weiteren Aufblühen des Philhellenismus! Wie sehr der Reiz dieses Landes auch noch nach seiner Zerstörung durch Befreiungs- und Bür­ gerkrieg selbst auf einen nicht klassisch Gebildeten wirkte, kann das entsprechend umgearbeitete Kapitel aus der Biographie von Franz Sonnenberger und Helmut Schwarz (Johann Caspar Beeg 1809-1867. Lebenslinien eines Technologen. Nürnberg 1989) verdeutlichen: „Das .griechische Abenteuer* des Nürnberger Gewerbeförderers Johann Caspar Beeg“ (S. 173-197). Den „Teil II. Nürnberg und das Griechentum in der Gegenwart“ eröffnet die knappe Übersicht von Athanasios Papandreou „Zur Geschichte der griechischen Gemeinde in Nürnberg“ (S. 249-253, wobei hier wie im Folgenden das Wort „Gemeinde“ in seinem allgemeinen Sinn als „Gemeinschaft“ oder in seinem speziellen als „Kirchen­ gemeinde“ entsprechend zu verstehen ist). Es folgt die detailreiche, gut dokumentierte und wohlabgewogene Chronik von Konstantinos Fotou unter dem Titel „Die soziokulturellen Organisationen der griechischen Einwanderer in Nürnberg 1960-1998“ (S. 255-274), in der die schwierige Zeit der Herrschaft der Militärdiktatur in Griechen­ land (1967-1974) sowie die Rolle von orthodoxer Kirchengemeinde, griechischen Schulen und Vereinen gewürdigt werden. Evthymios Chr. Papachristos informiert übersichtlich (bis auf die Tabelle S. 285), engagiert und kompetent über „Griechische Schulen in Nürnberg/Bayern. Ihre Geschichte und Perspektiven“ (S. 275-291). Den anstehenden Problemen und Perspektiven antwortet aus deutscher Sicht Günter Scharff: „Schulische Förderung griechischer Schüler in Bayern“ (S. 293-301). Der kurze Überblick von Ioannis Chrysopoulidis „Aus dem kulturellen Leben der griechischen Gemeinde in Nürnberg“ (S. 303-306) stellt die Bemühungen von Musikund Tanzgruppen, griechischen Presse-Erzeugnissen und das Programm des Griechi­ schen Kunstclubs vor und leitet über zum Originalbeitrag von Eleni Torossi, „Die Literatur der Griechen in Deutschland von 1960 bis heute“ (S. 307-321), in seiner Fülle von Namen - Autoren, Titel, Orte und Verlage - eine für die spätere literaturgeschicht­ liche Zusammenschau und Bewertung aus größerem Abstand unentbehrliche und darum umso dankenswertere Bemühung und Bestandsaufnahme; aus diesem Mosaik lässt sich jetzt schon das verdienstvolle Wirken von Verlagen, wie z.B. des Verlages Romiosini in Köln, durch die Präsentation originalsprachiger oder ins Deutsche über­ setzter Literatur für diesen speziellen Markt erkennen. Ein Personen- (S. 323-330) und Ortsregister (S. 331-335), jeweils für Teil I und II, beschließen den inhaltsreichen Band. Ernst-Friedrich Schultheiß

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Christina Hofmann-Randall: Die Einblattdrucke der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (Schriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg 42). Neustadt/Aisch: Schmidt 2003. XIII, 564 S. € 112,-. Der vorliegende Katalog entstand im Zusammenhang mit einer 1999 von HofmannRandall erarbeiteten Ausstellung (Monster, Wunder und Kometen. Sensationsberichte auf Flugblättern des 16. bis 18. Jahrhunderts (Schriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg 36) Erlangen: Universitätsbibliothek 1999). Er erschließt eine Sammlung von über 550 Einblattdrucken (mit Doppelexemplaren und Druckvarian­ ten), die wohl im Laufe des letzten Jahrhunderts aus den unterschiedlichen Druck­ schriftensammlungen der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg entnommen bzw. aus Inkunabeln ausgelöst worden sind. Der mehrmals umsystematisierte Teilbestand erhält mit dem Katalog seine endgültige Ordnung, die einzelnen Exemplare haben von nun an zitierfähige Signaturen. Es wurden sechs Hauptgruppen gebildet, von denen nur die erste, bei weitem am umfangreichste nach sachlichen Gesichtspunkten weiter unter­ gliedert ist: Flugblätter (über 400 Nummern in 12 Untergruppen), Kalenderblätter und Almanache (48 Nummern), Ablassbriefe (16 Nummern), Wittenbergensia (41 Num­ mern), Universitaria (9 Nummern) und Misellanea (5 Nummern). Haupt- und Unter­ gruppen sind chronologisch geordnet mit den undatierbaren Stücken am Schluss. Während Kalenderblätter und Ablassbriefe zumeist aus dem 15. Jahrhundert datieren, entstand die Masse der Flugblätter und Universitätsschriften im 16. bzw. im 17. Jahr­ hundert. Dem großformatigen Band sind zwei sehr kurze Vorworte vorangestellt, die sich auf die Entstehung des Verzeichnisses und die Erläuterung des Katalogisierungsschemas beschränken; Geschichte und Schwerpunkte der Sammlung werden allenfalls angedeu­ tet. Auch optisch im Mittelpunkt steht der vollständig bebilderte Katalogteil: Für jedes Katalogisat wurde eine Seite reserviert, jede Titclbeschrcibung leitet die vollständige Reproduktion eines Exemplars des jeweiligen Einblattdruckes in Schwarzweiß ein. Soweit ermittelbar werden angegeben: Initium, Erscheinungsort und -jahr, Verfasser, Künstler, Drucker/Verleger/Buchhändler, weitere beteiligte Personen, Drucktechniken, Bild- und Blattmaße, Zustand, alte Signaturen, weitere Exemplare mit Standorten, Literatur. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte die Datenbank „Einblattdrucke der frühen Neuzeit“, die mit umfassenden Beschreibungen zur Zeit an der Bayerischen Staatsbibliothek in München entsteht (http://www.bsb-muenchen.de/handruck/ einbl_opac.htm). Der Katalog wird durch folgende Register erschlossen: Verzeichnisse der Initien, der Drucker/ Verleger/ Buchhändler/ Künstler, der Druckorte und der Standorte zitierter Einblattdrucke. In die weiterhin vorhandenen Personen- und Orts­ register gingen die „wichtigsten, in den Einblattdrucken genannten Persönlichkeiten“ und die erwähnten Orte normiert ein. Keine Recherchemöglichkeiten bietet der Kata­ log allerdings demjenigen, der sich für die Bilder auf den Einblattdrucken interessiert. Ein ikonographisches Register fehlt, Bildthemen werden grundsätzlich im Katalogisat nicht benannt (sie sind manchmal, aber eben längst nicht immer, aus der Einordnung in Haupt- oder Untergruppen zu erschließen). Ebenfalls nicht erstellt wurde ein Index mit Sachstichworten zu weiteren in den Texten behandelten Themen.

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Mit dem Katalog wird ein bisher vernachlässigter Druckschriftenbestand in der Graphischen Sammlung der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg zugänglich gemacht. Er bietet eine Fundgrube auch für Forschende zur Regionalgeschichte: unter den Druckorten ist Nürnberg bei weitem am häufigsten belegt (dahinter Augsburg, Frankfurt am Main, Straßburg und Wittenberg), insbesondere Personen und Orte aus Franken sind für die Register aufwändig identifiziert und somit recherchierbar gemacht worden. Christine Sauer

Sonja Schultheiß-Heinz: Politik in der europäischen Publizistik. Eine historische Inhaltsanalyse von Zeitungen des 17. Jahrhunderts (Beiträge zur Kommunikations­ geschichte 16). Stuttgart: Steiner 2004. 357 S. € 62,-. Die Erfindung des Buchdrucks löste eine enorme Beschleunigung der Kommunika­ tion aus. Das gesammelte Weltwissen konnte zügig notiert und verbreitet werden, gleichzeitig eröffnete sich den Menschen erstmals die Möglichkeit, die eigene Lebens­ zeit als Medienereignis mitzuerleben. Flugschriften begleiteten das Weltgeschehen des 16. und 17. Jahrhunderts, ja inszenierten so bedeutende Ereignisse wie Reformation und Dreißigjähriger Krieg. Als diese ersten Massenmedien thematisch breiter gefächert wurden und zu einer der Aktualität verpflichteten periodischen Erscheinungsweise übergingen, war die Zeitung geboren. Obwohl die Meinungsbildung durch die Medien gewiss keine Erfindung der jüngsten Zeit ist, in der die mediale Präsenz den politischen Inhalten längst den Rang abgelaufen hat, fehlte bislang eine Analyse von Zeitungsinhal­ ten aus der Frühen Neuzeit. Diese Lücke versucht Sonja Schultheiß-Heinz in ihrer 2001 abgeschlossenen Bayreuther Dissertation auf europäischer Ebene zu schließen. Aus etwa fünfzig damals existierenden Blättern wählte die Autorin die London Gazette, die Pariser Gazette und den Teutschen Kriegs-Curier aus, um Inhalt und Berichterstattung zu vergleichen. Dem Umstand, dass als deutsches Beispiel eine Nürnberger Zeitung herangezogen wurde, verdankt sich die Rezension an dieser Stelle, sic hat ihr Augen­ merk deshalb auch vornehmlich auf das Blatt des Wolff Eberhard Felsecker zu richten. Dessen vergleichsweise späte Gründung markiert das Einsetzen des Untersuchungs­ zeitraums, der von 1672 bis 1679 reicht. Zu informieren war damals vor allem - wie so oft - über militärische Konflikte: Die Jahrhunderte währenden Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und Frankreich gipfelten gerade im Holländisch-Schwedischen und Englisch-Niederländischen Krieg und dominierten die Tagespresse. In Zeiten des bewusst gelenkten „embedded journalism“ der US-Army mag die Suche nach wechsel­ seitigen Beziehungen zwischen Krieg und Medien auf besondere Aufmerksamkeit stoßen. Erwiesenermaßen trägt die politische Publizistik wesentlich zur positiven Selbst- und negativen Feindstilisierung bei. Die Studie zerfällt in drei Teile. Zunächst werden die Zeitungen in ihrem historisch­ politischen Umfeld des 17. Jahrhunderts verortet. Auffällig ist die Selbstverständlich­ keit der kriegerischen Auseinandersetzung, die dem Kriegs-Curier gar namentlich seine Existenzberechtigung verleiht. Die Frühgeschichte der ersten offiziellen Nürnberger Zeitung wird fundiert nacherzählt, ohne der bekannten Literatur jedoch neue Details

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen hinzufügen zu können. Den Mittelteil der Arbeit bildet die nach einem eigens ent­ wickelten Kategorienschema vorgenommene Inhaltsanalyse der drei Zeitungen. Es zeigt sich, dass sie sich im Wesentlichen auf die Außenpolitik beschränken. Die militärische Berichterstattung wird um das Hof- und Gesandtschaftswesen ergänzt, innenpolitische Themen tauchen nur auf, wenn sie einen Bezug zur Außenpolitik aufweisen. Insofern ähneln sich die Presseorgane zwangsläufig sehr stark. Lokalmeldungen fehlen ohnehin gänzlich; bezeichnend ist, dass sich der Begriff „Nürnberg“ im - dankenswerterweise der Arbeit beigegebenen - Register jeweils nur auf den Erscheinungsort des Kriegs-Curiers bezieht, die Stadt selbst aber offenbar in der Zeitung keine Erwähnung findet. Im dritten Teil vergleicht die Autorin die Art der Darstellung: Inwieweit ist sie tendenziös? Hier fällt zunächst der jeweils über 90 % liegende Anteil neutraler Nachrichten auf. Bei dem geringen Anteil wertender Meldungen erfahren die Verbündeten von Kaiser und Reich durch den Kriegs-Curier eher eine positive Beurteilung, während die Gegner, das mit einem eindeutigen Feindbild belegte Frankreich sowie Schweden, überwiegend negativ wegkommen. Ein letztlich kaum überraschendes Ergebnis, schließlich führt den gerech­ ten Krieg stets die eigene Seite. So dürfte die gleichförmige Faktenwiedergabe, die zudem der Funktion als mehr oder weniger offiziöses Verlautbarungsorgan gehorchen musste, dafür verantwortlich zu machen sein, dass Zeitungen der Frühen Neuzeit bisher in der historischen Publizistik kaum Berücksichtigung fanden. Der Transport politischer Grundeinstellungen über die wenigen wertenden Artikel scheint in seiner zurückhaltenden Art eher selbstverständlich als aufwiegelnd. Insofern bleibt offen, ob die Analyse eines Zeitabschnitts, der nicht so drastisch wie hier von feindbild-zementierenden Kriegen bestimmt wurde, die Autorin in ihrer Argumentation noch zu den gleichen Ergebnissen geführt hätte. Insgesamt legt Sonja Schultheiß-Heinz eine sauber gearbeitete Dissertation vor. Lobenswert die geringe Zahl an Druckfehlern, ein paar Zitierungenauigkeiten (z.B. mehrfach in Fußnote 86) tun dem ansprechenden Rahmen keinen Abbruch. Das Vor­ urteil der Geschichtswissenschaft, die inhaltliche Beschäftigung mit frühen Zeitungen bringe nur mageren Erkenntnisgewinn, vermag die Autorin freilich nicht gänzlich zu entkräften. Walter Gebhardt

Boris Braun: Brauns Brauerei-Atlas, Bd.l: Mittelfranken und südliches Oberfranken. Nürnberg: Carl 2003. 135 S. mit zahlr. Abb. und Kt. € 14,80. Allen Klagen über gastro-astronomische Preiserhöhungen zum Trotz: Kulinarische Führer jedweder Art boomen. Im Fränkischen ist Boris Braun daran nicht ganz unschuldig, schickte er doch (gemeinsam mit den Co-Autoren Stefan Mack und Arno Klinner) seine trinkfreudige Kundschaft bereits 1993 in die „Biergärten von Adlitz bis zur Zabo-Linde“. Mit seinem „Brauerei-Atlas“ bewegt er sich nun zurück zu den Ursprüngen des Gerstensaftes. Welche geographische Ausdehnung das mehrbändige Werk erfahren soll, ist aus Band 1 nicht ersichtlich, jedenfalls beginnt der Nürnberger Autor heimatnah. Damit geht er kaum fehl, hat er doch in „Mittelfranken und süd­ lichem Oberfranken“ insgesamt 135 Braustätten aufgetan, womit bereits gut zehn

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MVGN 92 (2005) Kultur, Sprache, Literatur, Musik Prozent aller deutschen Brauereien versammelt sind. Tatsächlich scheinen seine Bemühungen um Vollständigkeit weitestgehend erfolgreich, auch wenn diverse im Internet kursierende Brauereilisten noch den einen oder anderen Namen hinzufügen ließen. Dem Zechaspiranten werden einige Informationen an die Hand gegeben: Die Stätten seiner Sehnsucht verteilen sich eingangs auf fünf Kartenausschnitte, die mit unter­ schiedlichen Farben unterlegt wurden. Zu diesem topographischen Arrangement stellen entsprechend eingefärbte Randleisten eine übersichtliche Verknüpfung zum Hauptteil her. Dort findet sich neben der selbstverständlichen Adresse eine selten hilfreiche, weil extrem knapp gehaltene Wegbeschreibung („A3 Nürnberg-Würzburg“), das Grün­ dungsjahr sowie die erzeugten Biersorten. Eher ins Detail gehen dann Angaben zur Hauptsorte, dem Bierausstoß (sofern offenbart) und der damit zwangsläufig korrelie­ renden Verbreitung. Unterfüttert durch das Foto des Objekts (das jeglichen künstleri­ schen Anspruch entschieden von sich weisen würde) erschließt sich dem Kundigen aus diesen Fakten bereits ein kleiner Brauereikosmos. Der Ausflügler wird für die außer­ dem mitgeteilten Daten zur häufig angeschlossenen Gaststätte samt ihrer Spezialitäten besonders dankbar sein. Dem Nürnberger wird der Niedergang seiner ehedem als Biermetropole gefeierten Stadt wieder einmal drastisch vor Augen geführt: Gerade noch drei winzige GasthausEvent-Braustätten sieden hier, am Ort existiert keine einzige Großbrauerei mehr. Die Tucher-Bräu wird korrekt unter Fürth abgehandelt, wo sich mittlerweile der Stammsitz des fränkischen Branchenriesen befindet. Laut Vorwort verlangten die Recherchen des wissensdurstigen Bierforschers seinem alten Fiat 7165 Kilometer ab. Hat sich der Aufwand gelohnt? Das bunte Büchlein kann demjenigen, der als Genießer abseits der langweilig-geschmacksnivellierten Einheits­ ware von Fernsehbieren unterwegs ist, durchaus ein nützlicher Begleiter sein. Leider beschränkt sich der Autor aber zur Gänze auf seine statistischen Angaben, die mit der Zeit etwas ermüden. Ähnlich wie das Bier, dessen Besonderheiten erst der Braumeister aus seinen schlichten Zutaten Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser formt, verlangt ein Buch eine persönliche Handschrift. Schmerzlich vermisst man einen Begleittext, der die Brauereien jenseits des nackten Zahlenwerks individuell charakterisiert und der Führern dieser Art erst Leben einhaucht, ihnen eine Ausstrahlung verleiht. Diesem Manko scheint sich der Autor durchaus bewusst zu sein, denn im Nachwort karikiert er eine Lesung all seiner „spannenden Adressen“ und „lustigen Postleitzahlen“. In eine ähnliche Richtung zielt ein weiterer Kritikpunkt: Dass Braun sich einer Bewertung der Biere enthält, ist angesichts subjektiver Präferenzen durchaus verständlich. Ausgespro­ chen hilfreich wäre freilich eine sensorische Beschreibung der jeweiligen Biersorten gewesen, die ähnlich wie beim Wein objektivierbare Grundzüge nach Farbe, Nase und Geschmack erkennen lässt. Wie es mit etwas mehr inhaltlicher Auseinandersetzung auch anders - besser - geht, haben Harald Schieder und Ralph Förster in ihren ober­ pfälzischen und niederbayerischen Bierführern (Regensburg 1999 bzw. 2000) längst bewiesen. Walter Gebhardt

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Kirchengeschichte Martial Staub: Les paroisses et la eite. Nuremberg du XHIe siede ä la Reforme (Civilisations et Societes 116). Paris: £d. de l’ficole des hautes etudes en Sciences sociales 2003. 343 S. mit Abb. und Kt. € 35,-. Bekanntlich zählte Nürnberg im Mittelalter zu einer der bedeutendsten deutschen Städte. Zu dieser Bedeutung trugen nicht nur die wirtschaftliche Kraft, sondern auch die zahlreichen, in der Stadt angesiedelten Kirchen und Klöster bei, wobei in der hier vor­ liegenden Abhandlung die Rolle der Pfarrkirchen St. Lorenz und St. Sebald für die städ­ tische Gesellschaft detailliert nachgezeichnet wird. Staub sieht die Kirchen nicht als Mittel für eine religiöse Disziplinierung, sondern im Sinne von Charles Tocqueville, Max Weber und Ernst Troeltsch als einen wesentlichen Motor für die gesellschaftliche Entwicklung an und versucht, diese Rolle in fünf Kapiteln nachzuzeichnen, wobei er von der These ausgeht, dass die Entwicklung der Administration der Kirchen einen wesentlichen Einfluss auf Nürnbergs Aufstieg hatte. Nach einer Einleitung, in der Staub das politische und kirchliche Umfeld sowie die Patronatsverhältnisse in der Stadt Nürnberg vor der Reformation skizziert, folgen zwei ausführliche Kapitel zur Verwaltung der Pfarreien. Für eine wissenschaftliche Abhand­ lung dieser Art eher untypisch, liefert Staub auf S. 64-89 ein ausführliches Repertorium der benutzten Quellen, insbesondere der ausgewerteten sog. Salbücher, Inventare und Rechnungsbücher. Diese Auflistung beschränkt sich aber auf eine alleinige Beschrei­ bung und wäre somit in einem Anhang besser aufgehoben gewesen. Aus der anschließen­ den Auswertung dieser Quellen ergibt sich ein Bild über die zahlreichen Stiftungen und regelmäßigen bzw. unregelmäßigen Einkünfte der Pfarreien, die Staub anhand der Benefizien, Seelenmessen, Zehnten, Aushilfen (S. 118-142) sowie die Einnahmen aus Stolgebühren (S. 146-160) näher beleuchtet. Schaubilder und Karten verdeutlichen an dieser nicht nur das Ausmaß der Stiftungen, sondern auch die starken Schwankungen der Einkünfte z.B. aufgrund von Missernten, Epidemien und Inflation (S. 175-193). Außerdem veranschaulicht dieser Abschnitt die weite Wirkung der Pfarrkirchen auf das Land aufgrund von Grundbesitz oder Zehntabgaben (bes. S. 182-188). Kurz vor der Reformation wurden, so der Verfasser, die althergebrachten Frömmigkeitsmuster jedoch zunehmend in Frage gestellt, und die Einnahmen der Pfarrer erfuhren durch Pamphlete wie z.B. Von dem geplerre und mißbrauch der Seelmessen, Vigilien und Jabrtägen erhebliche Einbußen (S. 194-200). Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den finanzwirtschaftlichen Aspekten, während die abschließenden Kapitel zur Entwicklung der Sodalitäten insbesondere im Rahmen des Humanismus (S. 234ff.) und zur Stellung der Pfarrkirchen innerhalb der städtischen Gesellschaft recht knapp ausgefallen sind. Mit seiner Darstellung beleuchtet Staub einen bisher vernachlässigten Punkt der Nürnberger Stadtgeschichtsforschung und gibt einen Einblick in das religiöse Leben vor der Reformation sowie in die - vorrangig finanziellen - Aspekte der Pfarrei­ verwaltung und die damit verbundenen vielfältigen Aufgaben der Kleriker. Staubs Aus­ führungen sind daher nicht nur für die Mentalitäts-, sondern auch für die Wirtschafts-

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MVGN 92 (2005) Kirchengeschichte geschichte von großem Interesse. Eine angenehme Abrundung hätte diese Arbeit jedoch durch einen kurzen Vergleich zu anderen Städten erfahren. Positiv zu bewerten sind allerdings die am Ende des Buches (S. 281-289) aufgenom­ menen Begriffserklärungen sowie zahlreiche Schaubilder und Karten. Es wäre wün­ schenswert, wenn dieser Band baldmöglichst in einer deutschen Übersetzung erscheint, um ihn auch einem breiteren, interessierten Publikum zugänglich zu machen. Christian Plath

Werner Schanz: Das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott ist nur bei einem ganz geringen Teil vorhanden. Gibitzenhof auf dem Weg zu einer von der Industrie geprägten Vorstadtgemeinde (Schriftenreihe Zeit fürs Evangelium des Evang.Luth. Dekanats Nürnberg 3). Nürnberg: Mabase-Verl. 2003. 83 S. mit 2 Abb. € 5,-. Rüdiger Kretschmann: Geschichten um den Kirchturm St. Markus. Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Markuskirche Nürnberg-Gibitzenhof. Nürnberg: Selbstverl. Evang.-Luth. Kirchengemeinde St. Markus 2004. 124 S. mit zahlr. Abb. € 5,-. Die beiden jüngst erschienenen Schriften befassen sich mit der Geschichte der evan­ gelisch-lutherischen Gemeinde in Gibitzenhof, ab 1644 ein Außensprengel von St. Leonhard und seit 1922 selbständige Pfarrei St. Markus. Werner Schanz behandelt nach einem einleitenden Überblick über die Geschichte des Sprengels bis zur Neuzeit (S. 9-14) die Verhältnisse zwischen protestantischer Seel­ sorgetätigkeit und Religiosität der Vorortbevölkerung im 19. Jahrhundert (S. 15-51). Die Realität auf Gemeindeebene wird hierbei in Bezug gesetzt zu der allgemeinen Situation des Protestantismus im Königreich Bayern; in den sehr lesenswerten Aus­ führungen stehen weniger die konkreten lokalen Rahmenbedingungen von Gibitzenhof im Mittelpunkt als vielmehr die allgemeinen Gegebenheiten im protestantischen Nürn­ berg. Abschließend stellt der Autor ausführlich die sogenannte „Ronge-Bewegung“, die Gründung einer freien christlichen Gemeinde durch den Priester Johannes Ronge, dar (S. 53-80). Rüdiger Kretschmann zeichnet in seiner - zeitlich daran anschließenden - Festschrift von St. Markus ein historisch solides und sehr sorgfältig aufbereitetes Bild von der Geschichte der Gemeinde im 20. Jahrhundert. Eingehend wird die Errichtung der 1914 fertig gestellten und 1944 zerstörten Notkirche an der Ulmenstraße sowie der Bau der 1954 eingeweihten, heutigen Markuskirche an der Frankenstraße sowie deren letzte, 1992 abgeschlossene Renovierung geschildert. Breiten Raum nehmen darüber hinaus die Vereinsaktivitäten und das Gemeindeleben im Laufe der Jahrzehnte sowie die Persönlichkeiten einzelner Pfarrer ein und vermitteln somit ein lebendiges, bis in die Jetztzeit reichendes Bild dieses Sprengels. Clemens Wächter

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MVGN 91 (2004) Personen und Familien Hans Gerd Rötzer: Von Nürnberg nach Santiago. Jakobspilger aus Franken. Ein kleines Vademecum (Kleine fränkische Bibliothek 15). Bamberg: Kleebaum 2004. 95 S. mit 7 Abb. € 12,40. Noch immer hat die Geschichte der Wallfahrten Hochkonjunktur. Da wünscht sich der Leser eine handliche Übersicht über das Pilgern im Mittelalter allgemein und dessen spezielle Ausprägung in seiner Heimatregion im besonderen. Genau ein solches Buch hat Hans Gerd Rötzer am Beispiel einer der wichtigsten Pilgerfahrten des christlichen Mittelalters, der Wallfahrt zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostella, für den fränkischen Raum vorgelegt. In drei große Teile hat Rötzer sein Buch gegliedert. Im ersten Teil „Von der Bibel zur Legende“ verfolgt der Verfasser Entstehung und Weiterentwicklung der Jakobslegende von den biblischen Quellen (die drei im Neuen Testament genannten Jakobusse: der Johannesbruder Jakobus Zebedäus, Jakobus Alphäus und Jakobus der Herrenbruder) über deren allmähliche, wenn auch nur teilweise Verschmelzung in den verschiedenen Legenden, die aus der Rivalität der Kirchenprovinzen des 6. Jahrhunderts geborene Verbindung der Jakobslegende mit Spanien bis zur zielgerichteten Förderung der Jakobuswallfahrt durch die cluniazensische Reformbewegung und die Krone Asturiens, die das um 812/14 „entdeckte“ angebliche Apostelgrab in Santiago zum Zweck der Wirtschaftsförderung zu einem der wichtigsten Wallfahrtsziele der Christenheit hoch­ jubelte. Im zweiten Teil „Fromme Geschichten und Pilgerführer“ wendet Rötzer sich der Wallfahrt selbst zu, die in praxisbezogenen Pilgerführern, aber auch in neugeschaf­ fenen Jakobslegenden um die Wallfahrt selbst (mit dem Tenor „St. Jakob hilft denen, die zu ihm pilgern“) ihren literarischen Niederschlag fand. Im dritten Teil „Fränkische Pilger“ kommt auch der an Nürnberger Geschichte interessierte Leser voll auf seine Kosten. Nach einer kurzen allgemeinen Einleitung zur Reliquien- und Berührungs­ gläubigkeit des Mittelalters, den unterschiedlichen Motiven einer Pilgerschaft (von ech­ ter Frömmigkeit über Abenteuerlust bis hin zum Broterwerb als Berufspilger), der sozialen Zusammensetzung der Pilger und ihrer Ausrüstung stellt Rötzer sechs Nürn­ berger Santiagopilger vor, die durch ihre Pilgerberichte berühmt geworden sind: Peter Rieter (1428) und seinen Sohn Sebald Rieter d.Ä. (1462), Gabriel Tetzel, der 1465 im Gefolge des böhmischen Gesandten Leo von Rozmital nach Santiago reiste und dort in einen Bürgerkrieg zwischen Stadt und Bischof geriet, Hieronymus Münzer 1494, Sebald Ortei 1521 und Stephan III. Praun 1571 (der zwar keinen Pilgerbericht über seine Santiagowallfahrt, wohl aber sein Pilgerkleid hinterlassen hat). In einem Nach­ wort stellt Rötzer diesen Reisenden aus den privilegierten Schichten die Not der ein­ fachen Pilger gegenüber und verweist auf die neue Popularität, die die Wallfahrt nach Santiago di Compostella seit der Erhebung des Jakobsweges zum Weltkulturerbe 1993 gewonnen hat. Ein „Vademecum“ nennt der Verfasser sein Werk, ein kleines Büchlein, ansprechend aufgemacht, unterhaltsam zu lesen, informativ und bequem auf die Reise mitzunehmen. Dieses Ziel hat er vollkommen erreicht. Fundiert, aber zugleich unterhaltsam und mit umfangreichen Zitaten aus den Originaltexten angereichert beschreibt er die tiefe Frömmigkeit, die in den beschwerlichen und manchmal lebensgefährlichen Pilgerfahr-

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ten zum Ausdruck kommt, aber auch die mit solchen Massenbewegungen stets verbun­ denen menschlichen Unzulänglichkeiten und Absurditäten, materiellen Interessen und sogar kriminellen Machenschaften, die Gaunereien der Wirte und Pilger, die Konkur­ renz der Wallfahrtsorte bis hin zu der absurden Situation, dass die vollständigen Gebeine des Heiligen Jakobus gleich zweimal auf der gleichen Wallfahrt bewundert werden konnten, in Santiago und in der Etappenstation Toulouse - was offenbar keinem der zitierten Pilger Anlass zur Verwunderung gab. Gewiss wären aus Sicht der historischen oder theologischen Fachwissenschaft noch manche Ergänzungen möglich und auch wünschenswert, wissenschaftliche Vollständigkeit aber war nicht beabsichtigt und konnte es bei einem solchen Büchlein auch nicht sein. Schade ist es aber - gerade unter dem Gesichtspunkt des „Vademecums“ -, dass der Verfasser darauf verzichtet hat, die Spuren des Jakobswegs in Mittelfranken in seine Darstellung einzubeziehen. Die heute evangelischen Gemeinden der beteiligten Jakobskirchen haben die Tradition wieder aufgegriffen und ein gemeinsames Faltblatt über den Jakobsweg von Nürnberg bis Rothenburg herausgegeben, das als willkommene regionale Ergänzung des vor­ liegenden „Vademecums“ dienen kann. Horst-Dieter Beyerstedt Schulwesen, Bildung, Wissenschaft, Technik Heinrich Müller: Albrecht Dürer. Waffen und Rüstungen. Hrsg, vom Deutschen Historischen Museum. Mainz: von Zabern 2002. 216 S. mit 202 Abb. € 45,-. Viele Mitautoren der Kataloge der umfassenden Dürer-Ausstellungen in London, Wien, Osnabrück und Bremen 2002/03 profitierten vom Spezialistentum des Heinrich Müller. Jahrzehnte betreute er die Bestände des preußischen Zeughauses Unter den Linden in Berlin, die nach 1948 in das Museum für Deutsche Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik integriert wurden, ehe sie nach der Wiedervereinigung am alten Standort im Deutschen Historischen Museum aufgingen. Von Müllers voraus­ gehenden Publikationen seien genannt: Deutsche Bronzegeschützrohre 1400-1750 (1968); Alte Geschütze. Kostbare Stücke aus der Sammlung des Museums (1988); Das Berliner Zeughaus. Vom Arsenal zum Museum (1994). In der Dürer-Literatur taucht Müllers Name erstmals 1971 auf. Im Ausstellungskatalog „Kunsthandwerk der Dürer­ zeit und der deutschen Renaissance“ im Kunstgewerbemuseum in Schloss Köpenick in (Ost-)Berlin zeichnet er für den Abschnitt über Waffenschmiedekunst verantwortlich. Was Müller in dem vom Verlag opulent ausgestatteten Band zusammenfassend publi­ ziert, ist folglich das Ergebnis mehr als drei Jahrzehnte währender Forschungstätigkeit. Wie kein zweiter Fachautor heute vermag Müller auf Gemälden, Zeichnungen, Stichen und Holzschnitten Dürers abgebildete Rüstungs- und Waffendetails mit erhaltenen Stücken in Verbindung zu bringen. Sein Material gliederte er nach Sachgruppen. Auf Geschützkonstruktionen folgen Bogen und Armbrust, Griffwaffen für Hieb und Stoß, Harnische und Rüstungen, zuletzt Stangen- und Schlagwaffen. Das Literaturverzeichnis ermutigt zu eigener Weiterarbeit, ein Fachwörterbuch der Historischen Waffenkunde beseitigt mögliche Unklarheiten, Personen- wie Ortsregister geben dem Werk Handbuchcharakter.

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Buchbesprechungen

Ausgespart blieb Dürers theoretischer und praktischer Anteil am Wehr- und Festungs­ bau seiner Zeit, den zuletzt Juan Luis Gonzalez Garci'a und der Rezensent würdigten; vgl. Alberto Durero. Tratado de arquitectura y urbanismo militar. Ediciön critica e introducciön, Madrid 2004; Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band III: Buchillustrationen, München 2004 (S. 282-318; dazu Bespr. von Peter Zahn in diesem Band der MVGN). Dass Darstel­ lungen Dürers den aktuellen Stand der Waffentechnik wiedergeben, ist von Kunst­ historikern gern behauptet, doch selten belegt worden. Erst Heinrich Müller kann nachweisen, dass eine Holzschnittillustration in der sog. Befestigungslehre von 1525, die einen Sieg über „mechtig leut“ in Form eines Säulenmals feiert, ein von Endres Pegnitzer d. A. in Nürnberg gegossenes Geschütz wiedergibt (Abb. 6-10). Mit Pegnitzer wird ein Stückgießer fassbar, mit dem Dürer in Verbindung gestanden haben muss. Für die Nürnberger Lokal- und Personenforschung eröffnet sich dank Müllers gründlichen Ausführungen ein künftiges Arbeitsfeld. Wer waren die Männer, denen Dürer sein fortifikatorisches und waffentechnisches Wissen verdankte, wer ermöglichte ihm das Studium historischer Zeughausbestände? Johannes Willers nannte erstmals Namen, doch wurde sein wichtiger Ansatz, so weit ich sehe, nicht weiterverfolgt (Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 1976, S. 72-82). Eine Schlüssel­ figur scheint mir Christoph III. Fürer (1479-1537) gewesen zu sein, der seinen Stamm­ sitz Haimendorf 1515 zu einer modernen Festung ausbaute. Auch Johann von Schwarzen­ berg (1463-1528) könnte für Dürers Befestigungslehre als Gewährsmann in Frage gekommen sein. Beide Namen tauchen im Register von Müllers Buch nicht auf, was man ihm als Museumspraktiker und Nicht-Dürer-Spezialisten kaum vorwerfen kann. Auf Grund seiner Kenntnisse verstand sich Dürer nicht nur als Theoretiker, sondern zugleich als Praktiker. So endet seine Befestigungslehre mit der Beschreibung einer modernen Geschützlafette in neuartigen Drehvorrichtung bei standfesten Rädern (in Müllers präziser Definition: Kartaune als Festungsgeschütz in Wandlafette), die nach dem beigefügten Holzschnitt nachzubauen technisch kein Problem gewesen sein dürfte. Es mindert den Wert des Buches nicht, dass eine Reihe bisher für Dürer in Anspruch genommene Werke diesem nun abgeschrieben werden (Farbtaf. S. 2, Abb 18, 26, 28, 49, 85, 141, 165). Abb. 67 halte ich nicht für einen Harnischdekor, sondern für geschnitzte Teile eines Möbels; vgl. Matthias Mende, Albrecht Dürer - ein Künstler in seiner Stadt. Nürnberg 2000, S. 382-383. Neuigkeitswert haben ausführliche Kommentare zu zwei Schwertklingen im Berliner Zeughaus mit geätzten Szenen nach den Dürerschen Wand­ gemälden im Nürnberger Rathaussaal (S. 74-84). Entstanden um 1530/40, zeigen sie die Kompositionen vor allen Veränderungen des 17. Jahrhunderts. Da mir seinerzeit die Originale in Ost-Berlin nicht zugänglich waren, ergänzen Müllers Texte und 18 (!) bei­ gefügte Fotos das in meinem Buch „Das alte Nürnberger Rathaus“ (1979) Ausgeführte. Mich überzeugen auch die Argumente, dass der Roßharnisch auf dem „italienischen“ Skizzenblatt Dürers um 1495 in den Uffizien zu Florenz (Abb. 107) eine deutsche Plattnerarbeit wiedergibt. Die Deckfarbenmalerei eines Stechhelms in drei Ansichten im Pariser Louvre (Abb. 116), ein Höhepunkt der Wiener Dürer-Ausstellung 2003, wird

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MVGN 92 (2005) Personen und Familien von Heinrich Müller auf 1498 datiert, von Mathias F. Müller eher um 1501 (vgl. Albrecht Dürer. Hrsg, von Klaus Albrecht Schröder und Maria Luise Sternath, Ostfildern-Ruit 2003, Nr. 38). Ich halte das oben flüchtig gesetzte Datum 1514 und Dürers Monogramm jedoch für authentisch. Die Illustrationen zum „Freydal“, einem Buchprojekt Kaiser Maximilians I., das über Vorarbeiten und einige wenige Probedrucke nicht hinauskam, spielen in der Dürer-Literatur eine untergeordnete Rolle. Heinrich Müllers Erläuterun­ gen ergänzen das Wenige zu einem verständlichen Ganzen. Jährlich erscheinen weltweit mehr als drei Dutzend Bücher über Albrecht Dürer. Fast alle sind entbehrlich, da sie nichts (oder kaum) Neues enthalten. Heinrich Müllers Kompendium gehört zu den rühmenswerten Ausnahmen. Es ist die Summe einer erstaunlichen Lebensleistung. Es vertieft unser Wissen von Dürers Vielseitigkeit und Genauigkeit im Detail. Ein zitierfähiges Werk, das noch in Jahrzehnten nicht überholt sein wird. Matthias Mende Personen und Familien Peter Blastenbrei: Johann Christoph Wagenseil und seine Stellung zum Judentum. Erlangen: Harald Fischer 2004. 172 S. € 44,-. Sammlung Wagenseil. Katalog auf CD-ROM. Hrsg, von Hermann Süß und Hartmut Bobzin. Erlangen: Harald Fischer 1996. 1 CD-ROM. Johann Christoph Wagenseil ist einer der bekanntesten, aber auch verkanntesten Gelehrten der Universität Altdorf. Zunächst europaweit berühmt als Polyhistor und in Nürnberg durch seine historischen Werke niemals ganz vergessen, wandelte sich sein Bild außerhalb Nürnbergs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Muster­ beispiel des weltfremden, vertrockneten Barockgclehrten, der sich nicht einmal die Zehennägel geschnitten habe und deshalb Spezialschuhe habe tragen müssen; besten­ falls wurde dieses Bild ins positive gewendet wie bei E.T.A. Hoffmann, in dessen „Serapionsbrüdern“ Wagenseil den Einsiedler Serapion in ein märchenhaftes Mittelalter einführt. Gegenüber diesen Zerrbildern stellt Blastenbrei den politisch-gesellschaftlich engagierten Wissenschaftler Wagenseil in den Mittelpunkt seiner Untersuchung, und das in einem bis heute aktuellen und umstrittenen Aspekt seines Wirkens: seiner Tätig­ keit als Hebraist und seiner Stellung zum Judentum. Schon das Thema muss auf den ersten Blick überraschen, waren doch 1499 alle Juden aus Nürnberg ausgewiesen worden und erst seit 1850 wieder zurückgekehrt. Dennoch wurde an der Universität Altdorf nicht nur Hebraistik gelehrt, sondern sie bot durch große jüdische Gemeinden in ihrer Nähe (Fürth, Schnaittach) sogar ein besonders fruchtbares Umfeld und eben mit Wagenseil eine europaweit anerkannte Koryphäe auf diesem Gebiet. Damit verspricht die Arbeit Erkenntnisse, die über den bloß lokalhisto­ rischen Rahmen weit hinausgehen. Blastenbreis Untersuchung besteht aus drei Teilen. Den ersten Teil bildet eine umfangreiche Biographie Johann Christoph Wagenseils (1633-1705) von seinem

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Studium in Altdorf über seine Zeit als Hauslehrer und Hofmeister protestantischer Adelsfamilien Niederösterreichs und die ausgedehnte Bildungsreise mit seinen Zöglin­ gen durch Frankreich, Italien, Spanien (mit Ceuta in Nordafrika), die Niederlande und England bis zum Antritt seiner Professur für Geschichte und Staatsrecht (1667) und orientalische Sprachen (1674) und seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Altdorf, die sich auch den Bedürfnissen des praktischen Lebens zuwandte bis hin zu Erfindungen wie Schwimmflossen zur Unterstützung der amphibischen Operationen des kaiser­ lichen Heeres im Türkenkrieg - die noch jahrzehntelang in der Universitätsbibliothek ausgestellten Schwimmflossen dürften zum Ansatzpunkt der Anekdote über seine Zehennägel geworden sein. Deutlich werden das frühe Interesse Wagenseils für die Judaistik, die Wichtigkeit der Fürther und Schnaittacher Judengemeinden für seine Arbeit, aber auch die glücklichen Zufälle, die seine Interessen förderten: die Möglich­ keit der persönlichen Bekanntschaft mit vielen jüdischen Gelehrten in Wien und auf seiner Bildungsreise, aber auch der Zufall, dass gerade damals das Auftreten des jüdi­ schen Pseudo-Messias Schabbatai Zvi viele seiner Anhänger zum Verkauf ihrer gesam­ ten Habe verleitete und es damit Wagenseil ermöglichte, wertvollste jüdische Original­ handschriften zum Schnäppchenpreis zu erwerben. Im zweiten Teil stellt Blastenbrei die Werke Wagenseils vor, die Material zu seiner Fragestellung enthalten: Editionen und Übersetzungen grundlegender, aber auch damals noch unbekannter hebräischer Texte, kleinere Texte historischen Charakters zur Widerlegung des Ritualmordvorwurfs, das erste deutsche Lehrbuch des Jiddischen mit Textproben, theoretische Erörterungen zu Sinn und Zweck der Beschäftigung mit dem Judentum und zu praktischen Fragen des Zusammenlebens von Juden und Christen. Es ist bemerkenswert, dass Wagenseil seine frühen, wissenschaftlichen Werke in Latein schrieb, während er sich in seinen späten, lebenspraktisch orientierten Werken zur Erzielung einer besseren Breitenwirkung der deutschen Sprache bediente - auch dies ein Hinweis auf Wagenseils gesellschaftliches Engagement, das über bloßes wissen­ schaftliches Interesse weit hinausging. Der dritte Teil „Von der semitischen Philologie zum Philosemitismus“ enthält den Kern der Arbeit Blastenbreis, die Analyse des Verhältnisses Wagenseils zum Judentum. Deutlich arbeitet Blastenbrei den Neuansatz in Wagenseils Konzeption gegenüber der bisherigen Hebraistik, aber auch die Wandlungen in Wagenseils eigener Einstellung heraus: Während sich die bisherige Hebraistik - auch in Altdorf - den Werken der Kabbala und antichristlichen Streitschriften widmete, die im Judentum selbst kaum noch Beachtung fanden, konzentrierte sich Wagenseil auf den Talmud und andere für das zeitgenössische Judentum wichtige Schriften, in denen er das auch für Christen Positive zu sehen suchte. Wagenseils Motive waren wissenschaftliche Neugier, natur­ rechtliches Denken, aber auch - und das mag überraschen - das aus eschatologischem Denken geborene Anliegen einer Bekehrung der Juden zum Christentum. Es scheint wie eine Ironie der Geschichte, ist aber in sich durchaus folgerichtig, dass gerade aus diesem Anliegen und der Einsicht in sein Scheitern die beiden aus heutiger Sicht modernsten Ansätze Wagenseils erwuchsen: Sein Engagement für die Verbesserung der Stellung der Juden im alltäglichen Leben und für die Emanzipation der Judaistik aus

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MVGN 92 (2005) Personen und Familien einer Magd der Theologie zu einer selbständigen Wissenschaft. Deutlich werden in diesem Teil aber auch die Schwierigkeiten, mit denen Wagenseil zu kämpfen hatte, sein ständiger Balanceakt zwischen wissenschaftlicher Pionierleistung und Rücksichtnahme auf die (durchaus begründeten) Ängste seiner jüdischen Freunde, der Zwang zu „listigem Argumentieren“ mit scheinbar chaotischen Argumenten, um die Vorurteile seiner Leser zu unterminieren, mit Rücksichtnahme und scheinbarem Eingehen auf christliche Vor­ urteile, die nicht nur von manchen seiner jüdischen Freunde, sondern auch von späteren Lesern bis heute als eigene Judenfeindschaft Wagenseils missverstanden werden konn­ ten. Diese Eigentümlichkeiten seines Werks trugen nicht wenig dazu bei, dass es trotz seiner Bedeutung schon bald nach Beginn der Aufklärung unverständlich wurde und weitgehend der Vergessenheit anheimfiel. Eine besondere Erwähnung verdient der Anhang der Arbeit Blastenbreis. Neben dem üblichen Apparat einer wissenschaftlichen Arbeit enthält dieser ein Verzeichnis der gesamten bekannten Korrespondenz Wagenseils: 426 Briefe von und an Wagenseil in chronologischer Reihenfolge mit Angabe der Lagerorte bzw. des Drucks, einschließlich der verlorenen, aber aus Erwähnungen bekannten Briefe. Damit gibt Blastenbrei der künftigen Wagenseilforschung ein nützliches Hilfsmittel in die Hand, von dem diese hoffentlich regen Gebrauch machen wird. Mit seiner Untersuchung über Johann Christoph Wagenseil hat Blastenbrei ein wichtiges, aber aus sprachlichen (Latein, Hebräisch), stilistischen und sachlichen Grün­ den noch immer weitgehend unbekanntes Kapitel nicht nur der Geschichte der Nürn­ berger Universität Altdorf, sondern auch der Wissenschaftsgeschichte der Judaistik, der Missionswissenschaft und der Frühaufklärung zugänglich gemacht. En passant gelingt ihm dabei eine weitere Aufwertung der so genannten „Niedergangszeit“ Nürnbergs und seiner Universität Altdorf, deren eigene überregionale und durchaus positive Bedeutung immer klarer zutage tritt. Unabdingbare Voraussetzung der Arbeit Blastenbreis war die Rekonstruktion der Bibliothek Wagenseils. Diese war 1708 von seinen Erben an die Universitätsbibliothek Altdorf verkauft worden und ist zusammen mit dieser in der Universitätsbibliothek Erlangen aufgegangen; da Besitzvermerke in den einzelnen Bänden fehlen, war ihre Zusammensetzung seitdem nicht mehr feststellbar. Erst die glückliche Wiederauf­ findung des Verkaufskatalogs im Jahre 1981 schuf eine neue Lage. Jetzt konnten die ein­ zelnen Werke seiner Bibliothek - ca. 600 Titel in 300 Bänden, davon 150 Bände originale Hebraica, 55 Bände Hebraica christlicher Hebraisten und 95 Bände philologischer Lite­ ratur - identifiziert und seine Bibliothek rekonstruiert werden. Zugleich wurde die gesamte Wagenseil-Bibliothek in Mikrofiche-Form ediert: 580 Titel (20 Titel waren nicht mehr auffindbar) mit ca. 180.000 Seiten wurden auf 1.847 Mikrofiches gespeichert; der stolze Preis von 11.000 € macht das Werk allerdings nur für Spezialbibliotheken erschwinglich. Für diese Mikrofiche-Edition bildet die hier vorzustellende, von Hermann Süß und Hartmut Bobzin herausgegebene CD-ROM gewissermaßen eine Einführung. Neben einem Einführungstext zur Geschichte der Bibliothek Wagenseils sowie zur Entstehung der Microfiche-Edition bietet sie einen Katalog der in ihr enthal-

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen tenen Werke (mit Titelaufnahme in Originalschrift und lateinischer Transkription, Kon­ kordanz zu den wichtigsten einschlägigen Bibliographien sowie der Möglichkeit der Textrecherche nach jedem möglichen Stichwort) und eine mit ihm verknüpfte Bilddatei mit Abbildungen aller Titelblätter der Bibliothek Wagenseils. Damit steht erstmals seit 1708 die Bibliothek Johann Christoph Wagenseils wieder - wenn auch in virtueller Form - als solche jedem interessierten Benutzer zur Verfügung und erlaubt aufschluss­ reiche Einblicke in den wissenschaftlichen Apparat dieses großen Altdorfer Gelehrten. Horst-Dieter Beyerstedt

Matthias Eckert: Julius Schieder (1888-1964). Regionalbischof und Prediger in schwerer Zeit (Zeugen und Zeugnisse der Wahrheit 4). Neuendettelsau: Freimund 2004. 357 S. mit 28 Abb. € 29,60. Die vorliegende, für den Druck gekürzte Dissertation ist die erste zusammen­ fassende Würdigung des Lebens und Wirkens von Julius Schieder, des ersten Kreis­ dekans des 1935 neu geschaffenen Kirchenkreises Nürnberg. Den Titel Regionalbischof kannte man damals noch lange nicht. Schieder war auf kirchlicher Seite der Widerpart Julius Streichers und anderer Parteigrößen dieser Stadt, von Landesbischof Meiser ganz bewusst für diese neue Stelle vorgesehen, ein geschickter Schachzug, das Überleben der Kirche gegen Partei und Angriffe „Deutscher Christen“ zu sichern. Dem biographi­ schen Teil schließt sich die Darstellung seines pastoralen Wirkens als dezidiert lutheri­ scher Theologe an. Der im persönlichen Umgang eigentlich wortkarge und nicht gerade bequeme Schieder war ein beliebter und geschätzter Prediger, dessen noch in einer Viel­ zahl existente hektographierte Predigten beredtes Selbstzeugnis ablegen. Wie Meiser „liebte er seine Kirche“, damals eine Kirche des lebendigen Luthertums, das sich nicht scheute, mutig zum Bekenntnis zu stehen. Als „Wächter auf der Mauer“ ist Schieder mit seiner eigenen Vergangenheit selbstkritisch umgegangen, wie ich selbst in Gesprächen mit ihm über seine Rolle im Kirchenkampf feststellen konnte, auch wenn eine noch offenere Selbstkritik wünschenswert gewesen wäre. Er war eine Säule der Landeskirche im Kampf gegen die christlich-völkische Irrlehre, wie ich vor fast vierzig Jahren schrieb und wie vom Autor erneut festgestcllt wurde. Der Julius-Schieder-Platz in Nürnberg erinnert an einen tief in der Geschichte verwurzelten Theologen, der nicht zu Unrecht als theologischer Nachfolger des ehemaligen Rektors von Neuendettelsau und Präsi­ denten des protestantischen Oberkonsistoriums Hermann von Bezzel bezeichnet wurde. Bezzel, mit Schieder nicht immer einer Meinung, war dessen Lehrer und Vor­ bild, ebenso tief in der Geschichte gründend, der noch mit dem Wirken Gottes in der Geschichte rechnete. Bezzels Einfluss ist für ihn entscheidend geblieben. Am 17. Juli 1888 in einer Kaufmannsfamilie in Weißenburg geboren, war der Vater, langjähriger Magistratsrat, mit dem Berufswunsch seines nach ihm benannten Sohnes Julius, Pfarrer zu werden, ganz und gar nicht einverstanden. Der Verlust zweier Brüder prägte ihn. Erzogen in der Mentalität des Kaiserreiches lernte er schon in der Familie Durchsetzungsvermögen und Kampfeslust. Weißenburg und Mittelfranken blieb er zeitlebens verbunden. Hier lernte er auch die Not des Volkes, vor allem der Bauern,

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MVGN 92 (2005) Personen und Familien kennen und stand in einer selbstverständlichen traditionellen Kirchlichkeit, deren bewahrende Funktion in geistlicher Lebendigkeit er gerade im Kirchenkampf schätzen lernen sollte. Die Volksschule in Weißenburg und das humanistische Gymnasium in Ansbach weiteten seinen Lebenshorizont, regten ihn aber ebenso zur massiven Kritik an Theologen an, mit denen er zu tun hatte. Nach seiner Zeit als „fröhlicher Soldat“ wandte er sich dem Theologiestudium in Erlangen und der liberalen Theologie des Kulturprotestantismus in Tübingen zu, nicht gerade mit einem begeisternden Urteil in seiner Rückschau: „So blieb ich bettelarm.“ Sein Kinderglaube schien verloren. Als späterer Mann der kirchlichen Praxis suchte er den Bezug zum Leben. Seinem hervorragenden Ergebnis als Zweitbester des theol. Examens hatte er es zu verdanken, 1910 in das Münchner Predigerseminar, das Eliteseminar, einberufen zu werden. Nach Ordination und Vikariat in der einem kirchlichen Leben wenig zuge­ wandten Gemeinde Burghausen, wo er Geduld und Planung lernte, begleitet von Her­ mann von Bezzel als väterlichem Freund, war für ihn die Zeit reif, sich zwischen Pietis­ mus und Luthertum zu entscheiden. Fortan lebte er bewusst seine lutherische Identität. Getreu der Familientradition zog auch Schieder 1914 mit ganzer Begeisterung in den Krieg, ohne sich jedoch einer Geschichtstheologie und der nationalistischen Ideologie auszuliefern. Mit dem Kriegsende brach die idealistische Welt zusammen, ebenso war in der Theologie die Notwendigkeit eines Neuansatzes evident. Bei Schieder setzte ein tief gehendes Umdenken zu einem „standhaften lutherischen Theologen“ ein. Damit konnte er auch das Dämonische des Nationalsozialismus recht früh durchschauen. Schieder lernte, einer Theologie der Anpassung gegenüber, gleich in welchem politi­ schen und gesellschaftlichem System zeitgeistgeöffnet, äußerst skeptisch zu sein. Die dialektische Theologie eines Karl Barth und die Luther-Renaissance eines Karl Holl bestimmten nun die bayerische Pfarrerschaft in relativer Geschlossenheit. Das Studium Luthers vertiefte Schieders Denken und Einstellungen. Auch ihn hatte Karl Barths berühmte Römerbrief-Auslegung angesprochen, ihn aber zugleich die Defizite in dessen Theologie erkennen lassen. 1915-1928 erlebte Schieder seine Reifezeit und die Lehrjahre als Gemeindepfarrer in Augsburg, der Weimarer Republik reserviert und abwartend gegenüberstehend wie die meisten bayerischen Pfarrer, Patriotismus und Protestantismus immer noch als eng zusammengehörige Größen sehend. Zeit seines Lebens spielte für ihn das Verhältnis von Kirche und Theologie zu Volk und Staat eine große Rolle. In Augsburg lernte er die „neue Bewegung“ kennen, angezogen vom nationalen Gedanken, aber je länger je mehr durchschaute er sie und wurde zum strikten Gegner, die Dämonie Hitlers, den er selbst gehört hat, relativ früh durchschauend. Seine frühe Nürnberger Zeit folgte von 1925 bis 1934, Tür an Tür mit den Vikaren im dortigen Predigerseminar, wo er den jungen Theologen entscheidende Grundlagen ver­ mittelte. Seinen enormen Arbeitseinsatz nutzte er für eine Reihe wesentlicher literari­ scher Arbeiten. Seine Leser- und Hörerschaft nahm zu, wie er im Umgang mit der Gemeinde stets hinzulernte.

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen Mit Interesse habe ich vermerkt, dass der Autor wie ich vor fast vierzig Jahren die kirchlichen Ereignisse und die Stellung der Kirche in der Frühzeit des Nationalsozialis­ mus und bei der Machtübernahme ebenfalls im Fehlen einer echten politischen Ethik bestimmt sieht. Wir gehen in unseren Untersuchungen des Kirchenkampfes konform. Schieder warnte vergebens vor einem Ausbruch des Bösen: „Nicht aufwärts geht es mit der Weltgeschichte, sondern abwärts.“ Er sprach sehr bald vom Heraufziehen einer neuen Religion, ohne Hitlers eigenen Bezug dazu zu erkennen. Gerade der Ende 1933 schon einsetzende Kampf um die Jugend, das Ende des Evang. Jugendwerkes, die Fehl­ entscheidung Meisers für Ludwig Müller als Reichsbischof, die Meiser später selbst als den größten Missgriff der Landeskirche zugab, ließ den Rektor des Predigerseminars in der Folgezeit entsprechend reagieren. Die Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen, der „SA-Christi“, und deren angebliche Theologie, die der Autor viel zu sanft als „Vermittlungstheologie“ charakterisiert, haben Schieders früher Einstellung Recht gegeben und ihn in der Folgezeit zu einem unermüdlichen Warner gemacht: Anfang Mai 1934 hat er mit anderen zur Bildung einer Bayerischen Pfarrerbruderschaft aufge­ rufen, die fest auf dem Boden von Bibel und Bekenntnis stand. Sie wurde zum Kern der Bekennenden Kirche (BK) in der Landeskirche, die sich als Ganzes selbst zur BK rech­ nete. Schieder wusste, dass die Kirche in statu confessionis zu bekennen und zu leiden hatte; einen aktiven Widerstand jedoch lehnte er etwa im Gegensatz zu Bonhoeffer ab. Als Rektor des Nürnberger Predigerseminars wurde er zum führenden Kopf der Nürnberger Pfarrerschaft gegen die heimtückischen Folgen der Ideologie der Partei, gegen das gottgläubige Neuheidentum und stand in erbitterter Gegnerschaft zu den häretischen Deutschen Christen. Unbeirrbar hat er am ansonsten wenig geschätzten Alten Testament festgehalten. Was Wunder, dass ihn die Partei immer wieder zu ver­ nichten suchte. Mit seinen Predigtamtskandidaten hatte er ein Informationsnetz auf­ gebaut, mit dem wichtigste Nachrichten auf dem Kraftrad schnellstens in alle Richtun­ gen verbreitet werden konnten - die entsprechenden Diagramme existierten im Landes­ kirchlichen Archiv und fanden sich in vielen Pfarrämtern. Sehr genau schildert der Autor die bekannten dramatischen Ereignisse in der Landeskirche im Herbst 1934 mit der Absetzung Meisers und seinem Hausarrest wie der Zerschlagung der Landeskirche in zwei Reichskirchengebiete und den ebenso dramatischen Vorgängen in Nürnberg selbst, die eine Welle von Gottesdiensten der Bekennenden Kirche auslösten - so wie sie mir Julius Schieder und Karl Geuder selbst noch bestätigen konnten und ausführlich berichteten. Mit der auch auf ausländischen Druck erfolgten Rückgängigmachung aller Gewaltmaßnahmen in der bayerischen Kirche bis zum 1. November 1934 hatte die Bekennende Kirche in Bayern einen beachtlichen Sieg errungen, gleichzeitig aber die Gegnerschaft zu Partei und NS-Staat offenkundiger gemacht. Nürnberg war in allen diesen Auseinandersetzungen eine zentrale Rolle zugewach­ sen, in Nürnberg saßen die Hauptwidersacher der Kirche. Zum 1. Januar 1935 wurde daher der neue Kirchenkreis Nürnberg geschaffen, Schieder zum Kreisdekan und Oberkirchenrat berufen, ein Amt, das er bis 1958 inne hatte, nachdem er schon seit Dezember 1934 das Dekanat in Personalunion (bis 1951) versah. Schieder hatte diese Ämter nie gesucht!

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MVGN 92 (2005) Personen und Familien Die Fronten waren nun klar. Die Konfliktsituationen ließen nicht lange auf sich warten, sei es mit dem Reichsbischof und seinen fanatischen DC-Anhängern im neuen Kirchenkreis, sei es mit der Partei des Julius Streicher und besonders dem stellver­ tretenden Gauleiter Karl Holz, seien es Vorladungen der Gestapo oder Verhöre vor Gericht gewesen. Nur Polizeipräsident Dr. Martin schien eine Ausnahme gewesen zu sein. So erwiesen sich Schieder und sein Nürnberg als ein Fels der bekennenden Kräfte der Landeskirche im Meer der braunen Ideologie. Viele Namen, darunter eine große Anzahl von Laien, die mit ihm kämpften, gewinnen wieder Gestalt und Aussehen, auch wenn es heute kirchlicherseits ebenso Mode geworden zu sein scheint, diese Lehrer und Väter gering zu schätzen. Bis zu seinem Tode aber blieb Schieder von der Haltung der meisten Kirchenmänner und seiner eigenen in der sog. Judenfrage, vor allem nach der Reichspogromnacht, betroffen. „Es bedrückt mich noch heute in großem Maße, dass ich nicht mehr geredet und gehandelt habe“, so seine mir in Erinnerung gebliebenen Worte kurz vor seinem Tode. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Kirchenkampfes bildete auch der ver­ lorene Schulkampf, den die Partei für sich entscheiden konnte: Der christliche Einfluss wurde radikal ausgeschaltet, wenn auch Schieders „Katechismusunterricht“ gezielte Unterstützung für die Religionslehrer in diesem ungleichen Kampf leisten konnte. „Die Kriegsjahre waren für Schieder von einer großen inneren Zerrissenheit geprägt.“ Der Kreisdekan hatte als Seelsorger und Tröster zu handeln, besonders nach­ dem sich die Maßnahmen gegen die Kirche ab 1941 stetig verschärften und die totale Vernichtung nach dem „Endsieg“ programmiert war. Mit seinen Predigten und Vor­ trägen wollte er den im Verlauf des Kriegs immer mehr entwurzelten Menschen eine geistige Heimat geben. Als entschiedener Gegner der Euthanasie unterstützte er Bodelschwinghs Kampf gegen die Vernichtung „unwerten Lebens“ nach Kräften. Schieder als einer der bedeutendsten Kirchenmänner Bayerns blieb dabei ebenso wie andere in Ver­ hängnis, Schuld und Verstrickung eingebunden. Er aber bekannte seine Schuld immer wieder freimütig. Schieder, der sein Vaterland liebte und unter der Katastrophe des Krieges litt, sehnte dennoch das wie auch immer geartete Ende des Krieges herbei. Äußerer und innerer Wiederaufbau, Neuordnung und Kirchenleitung beschäftigten ihn bis zum Ende seiner Amtszeit. Elementare Not in den Trümmern der ihm ans Herz gewachsenen Stadt galt es zu lindern und zu beseitigen, verführte Menschen wieder zu gewinnen, den Aufbau von Kirchen und kirchlichen Gebäuden voranzutreiben. Dass er sich weigerte, seine Gemeinde anzuweisen, an einem US-Militärgottesdienst teilzuneh­ men, hatte seinen Grund in seiner konsequenten Haltung, keinerlei nationale Symbole bei einem Gottesdienst zu dulden. „Aus den Erfahrungen dieses Kirchenkampfes heraus waren ihm der sensible Umgang mit dem Staat und die strikte Trennung zwischen Kirche und Staat besonders wichtig geworden“, resümiert der Autor zu Recht Die Amerikaner verlangten seine Absetzung und inhaftierten ihn für kurze Zeit - so miss­ verständlich konnte der Umgang zwischen Siegern und Besiegten in der Anfangszeit sein. Niemandem sollte der seelsorgerliche Dienst verweigert werden; die grundsätz­ liche Gleichheit vor Gott war für Schieder maßgebend. Nicht wenige nahmen Anstoß,

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MVGN 92 (2005) Buchbesprechungen als er die frohe Botschaft auch den Hauptkriegsverbrechern verkündete. Selbst den Landesbischof konnte er an ein notwendiges bischöfliches Wort in einer bestimmten Situation mit bitterer Klage erinnern, wie er selbst zu den Gemeinden in lebendiger Beziehung blieb. Als steter Mahner der Kirche trat er in den Jahren des Neubeginns und Wiederaufbaus in Erscheinung, auch in der theologischen Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmanns Programm der Entmythologisierung. Seinen Ruhestand verbrachte er in tätiger Unruhe. Anhand der Analyse ausgewählter Predigten und Selbstzeugnisse zeigt der Autor die Grundlinien von Schieders Verkündigung und Theologie auf und führt in die Arbeits­ felder seines Wirkens ein. Sie erfuhren keine bleibenden Umbrüche, lediglich durch neue Herausforderungen Erweiterung und Vertiefung. Schieder war in seiner Theologie geprägt von Luther und Bezzel. „In lutherischer Tradition stehend bildete die Heilige Schrift als maßgebende Norm (norma normans) zusammen mit den Bekenntnis­ schriften der evangelisch-lutherischen Kirche als .abgeleitete Norm“ (norma normata) die Grundlage seines Glaubens.“ Danach war auch seine christologische Verkündigung in der Auseinandersetzung mit Existentialismus und Fundamentalismus ausgerichtet, wobei er darum wusste, dass Gott in der Geschichte handelt. Sein Motto als Prediger und Seelsorger lautete: Tröstet, tröstet, tröstet. Für die insgesamt sehr ausgewogene, detailreiche Biographie Schieders konnte der Autor bislang unbekannte Aufzeichnungen aus der Hand Schieders benutzen. Der aus­ führliche Anmerkungsteil geht über den normalen wissenschaftlichen Apparat hinaus. Er ist mehr als nur eine übliche Ergänzung, er gehört ohne Einschränkungen zum Ver­ ständnis des Textes mit vielen spannenden und wichtigen Einzelheiten, die das Wirken und die Person Schieders wesentlich beleuchten. Für das Verständnis und die Lesbarkeit wäre der unmittelbare Anschluss an den jeweiligen Text wünschenswert gewesen. Die aufgrund ihrer Kürze leicht lesbaren Abschnitte werden durch eine Reihe von SchwarzWeiß-Abbildungen ergänzt, deren Schärfe wegen des gewählten Papiers nicht immer optimal ist. Die reichhaltige Bibliographie, die der Autor auch benutzt hat, bereichert das Buch als Nachschlagewerk. Damit ist dankenswerterweise wieder ein Stück kirch­ licher Zeitgeschichte, nicht nur Nürnbergs, aufgearbeitet worden, die insgesamt oft Helmut Baier recht klischeeartig behandelt wurde und vielfach noch wird.

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AUS DER ARBEIT DER NÜRNBERGER ARCHIVE SCHENKUNGEN, LEIHGABEN, ANKÄUFE UND ERSCHLIESSUNGEN IM LANDESKIRCHLICHEN ARCHIV, IM STAATSARCHIV UND IM STADTARCHIV NÜRNBERG 2004 UND 2005 Zusammengestellt von Jürgen König, Günther Friedrich und Ruth Bach-Damaskinos Im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wurde unter der Bestandsbezeichnung Personen (Pers.) 193 der Nach­ lass des Heimatforschers Karl-Heinz Gastner (1923-1987) verzeichnet, der sich vor allem mit den Epitaphien des Johannisfriedhofs, wo er regelmäßig Führungen veranstaltete, sowie mit der Genealogie der Familie Castner/Gastner beschäftigte. Dieser Bestand enthält reichhaltiges, leider kaum beschriftetes Bildmaterial (Dias). Unter der Bezeichnung Pers. 222 findet sich der Nachlass des Glockenexperten Dieter Schmidt (1935-1997), der dessen Unterlagen und das Manuskript zum Nürnberger Glockenbuch enthält. Unter den Nachlässen von Theologen ist erwähnenswert der von Pfarrer Karl Wirth (1880-1927). In diesem Bestand (Pers. 209) finden sich Vorträge und Predigten aus seiner Tätigkeit in Nürnberg als Vereinsgeistlicher beim Verein für Innere Mission (Stadtmission, ab 1914) und als Pfarrer in St. Peter (ab 1921). Kirchenrat Ludwig Fischer (1904-2004) war Pfarrer in Herrnneuses, in St. Lorenz und St. Leonhard. Sein Nachlass (Pers. 229) enthält autobiogra­ phische Aufzeichnungen und Predigten. Im umfangreichen Nachlass von Oberkirchenrat Karl Burkert (1892-1991, Pers. 171) ist dessen Tätigkeit als Hilfsgeistlicher in Nürnberg-Steinbühl (1918-1922) nur durch ganz wenige Akten dokumentiert. Hinzuweisen ist auch auf den Nachlass von Kirchenrat Wilhelm Eckardt (1882-1976, Pers. 117), der als Gegenspieler des DC-Pfarrers Dr. Beer im „Eibacher Kirchenstreit“ eine wichtige Rolle im Kirchenkampf spielte. Außer Nachlässen wurden auch Pfarrarchive verzeichnet. Unter diesen ist für die Nürnberger vor allem dasjenige des Pfarrsprengels St. Leonhard von Interesse. Leider enthält dieses eine große Lücke, da im Zweiten Weltkrieg das gesamte Schriftgut aus der Zeit von Anfang des 19. Jahrhunderts an, soweit es nicht an das Landeskirchliche Archiv abgegeben worden war, bei der Zer­ störung des Pfarrhauses vernichtet wurde. Aus der Zeit vor 1945 sind daher nur der größte Teil der Kirchenbücher sowie ein Altbestand erhalten, der den Zeitraum bis ca. 1800 umfasst. Weiterhin wurden u.a. auch die Pfarrarchive von Dambach und Emskirchen bearbeitet. 583

Im Staatsarchiv Nürnberg werden derzeit im Zuge der Neuerschließung der Schriftgutabgaben der mittelfränkischen Amtsgerichte die preußischen Grundakten verzeichnet. Diese vor allem für die Haus- und Familien­ geschichte wichtigen Quellen wurden seit 1801 im Zuge der Einführung der preußischen Hypothekenordnung in den Fürstentümern Ansbach und Bay­ reuth, die damals bis vor die Nürnberger Stadtmauer reichten, angelegt und auch nach der bayerischen Inbesitznahme bis ca. 1825 weitergeführt. Sie ent­ halten für jeweils ein Privathaus neben der tabellarischen Besitzgeschichte meist Kauf- und Schenkungsverträge, Schuldverschreibungen, teilweise auch Hausstandsinventare, Testamente und Kirchenbuchauszüge. Umfang und Aussagekraft der einzelnen Akten sind allerdings sehr unterschiedlich und von der Dauer und Intensität der Aktenführung abhängig; so wurden z.B. die Akten für die Häuser innerhalb der Stadtmauer erst 1809 begonnen und um­ fassen meist nur wenige Seiten. Auch ist nicht für jedes Haus ein Grundakt vorhanden. Nur wenige Akten wurden noch von den preußischen Justizämtern abge­ schlossen. Aktenführende bayerische Stellen waren für das Stadtgebiet das Stadtgericht (1809-1818), ab 1818 das Kreis- und Stadtgericht Nürnberg, für das Umland die Landgerichte (älterer Ordnung) Altdorf, Cadolzburg, Erlangen, Lauf, Nürnberg und Schwabach. Ebenso führten die zahlreichen gutsherrlichen Patrimonialgerichte wie z.B. Almoshof, Bislohe, Boxdorf, Buch usw. Grundakten. Die Akten werden nach den einzelnen Provenienzstellen aufgestellt und können anhand der erstellten Findbücher benutzt werden. Als Neuzugang hat das Stadtarchiv Nürnberg einen Band der Chronik des Diakonus Wolfgang Lüder (1571-1625) zu verzeichnen. Bei dem vom Archiv der Diakonie Neuendettelsau als Leihgabe überlassenen Band handelt es sich um ein Buch, das 1852 von dem Lübecker Kaufmann Carl Heinrich Georg Friedrich Pießenberger in Nürnberg erworben und Pfarrer Wilhelm Löhe geschenkt wurde. Er wurde dann Bestandteil der Bibliothek der Diakonissen­ anstalt, die Löhe 1854 gegründet hatte. Der Band der Lüder-Chronik (F 1 Nr. 153; die übrigen befinden sich im Staatsarchiv Nürnberg) ergänzt den reichen Bestand an Chroniken und Darstellungen der reichsstädtischen Geschichte, über die das Stadtarchiv Nürnberg verfügt. Der besondere Wert der Chronik liegt vor allem in der Beschreibung von Lüders eigener Epoche um 1600: Er schildert neben wichtigen Ereignissen auch kleine Begebenheiten wie die vielen Belange und Details seiner Sebalder Kirchengemeinde oder Redensarten, Spitznamen und Gebräuche seiner Zeit. Da Lüder öffentliche amtliche Unterlagen seiner Zeit ausgewertet hat wie die Ratsmandate oder die so genannten Schenckzettel, Belege des Rates über Geschenke an vornehme 584

Besucher, besitzt seine Stadtchronik für die wissenschaftliche Forschung eine große Bedeutung. Interessant sind auch die Verhandlungen vor dem Fünfer­ gericht, die er für die Jahre 1616 bis 1619 herangezogen hat, da die Original­ protokolle verlorengegangen sind. 2005 übernahm das Stadtarchiv wiederum umfangreiche Komplexe an Unterlagen zu den Städtischen Bühnen/Theater Nürnberg (C 45). Es handelt sich um die so genannten Rapportbände, gebundene Bühnenrapporte, für die Spielzeiten 1919/20 bis 1989/90, Programme und Theaterzettel der Jahre 1905/06 bis 1942/43 und eine teilweise gebundene Zeitungsausschnittsamm­ lung zum Theaterleben der Stadt und des Umlandes aus dem Zeitraum von 1923/24 bis 1989. Nahezu lückenlos sind für die genannten Serien in den jeweiligen Laufzeiten alle Unterlagen zu allen Aufführungen sowohl in den eigenen Nürnberger Spielstätten als auch außerhalb erhalten, hinzu kommen Sonderveranstaltungen und die Gastspiele fremder Ensembles und Künstler. Durch diese dichte Überlieferung an Personenakten, Bühnenrapporten, Beleg­ zetteln, Zeitungsberichten und Fotografien aus dem Zeitraum 1905 bis 1995 ist der Teilbestand C 45/111 (zusammen mit den Teilbeständen A 81/1 Theater­ bilder/Porträts und A 81/11 Theaterbilder/Szenenfotos) von großer Bedeutung für die lokale Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts. Der Sammelbestand E 6 (Vereinsarchive) konnte durch eine Abgabe des Bürgervereins Nürnberg St. Jobst-Erlenstegen ergänzt werden: Der Vorstadtund Geschichtsverein hat das 78 Einheiten umfassende Registraturgut von der Vereinsgründung im Jahre 1982 bis zum Jahr 1994, das u.a. den Schriftwechsel enthält, und seine Sammlung an Fotomaterial und Interviews aus den Jahren 1982 bis 2000 zur Geschichte des Stadtteils abgegeben. Der Bestand wird unter E 6/1262 geführt. Der Sammelbestand E 10 (Nachlässe) wurde durch die Personennachlässe von Friedrich Schumann (*1860), Friedrich Küfner (1863-1940) und August Ertheiler (1863-1960) sowie den Familiennachlass Kißkalt erweitert. Der Nachlass Martin Kißkalt (E 10/95) ist eher als Familienarchiv Kißkalt zu bezeichnen, da er Stammbäume, Familienurkunden sowie Schulzeugnisse, Lehrbriefe und Arbeitszeugnisse sowie Unterlagen zur Lebkuchenfirma Johann Friedrich Kißkalt beinhaltet. Der kleine Bestand wurde dem Stadt­ archiv Nürnberg 2004 von Martin Kißkalt, Nürnberg, als Schenkung über­ lassen. Von August Ertheiler, dem Inhaber der Firma Vollrath & Co, stammt der zweite Personennachlass (E 10/96). Die Firma, bekannt durch die Kelterung von Heidelbeerwein, wurde von dem Hopfenhändler Anton Ertheiler, der 1862 das Bürgerrecht der Stadt Nürnberg erwarb, und Eduard Vollrath, der 585

der Firma den Namen gab, 1855 als Spirituosen- und Likörfabrik gegründet. August Ertheiler, der die Firma vom Vater Anton Ertheiler übernahm, musste Deutschland 1938 aufgrund der Rassegesetze verlassen. 1951 erfolgte dann seine Wiedereinbürgerung. Der Nachlass von August Ertheiler umfasst neben Unterlagen zu seinen Vorfahren und Familienurkunden auch Unterlagen zu seinen Grundstücken und zur Firma Vollrath. Interessant sind diese Unter­ lagen, da sie einen Einblick vermitteln über die Schwierigkeiten eines Verfolg­ ten des Naziregimes, in der Nachkriegszeit den Familienbesitz, die Grund­ stücke und die Vollrath-Aktien zurückzuerlangen. Der Nachlass kam im September 2004 über das Antiquariat Rammel, Bamberg, an das Stadtarchiv Nürnberg. Der Nachlass des Zeichners und Malers Friedrich Schumann (E 10/98), der bis um 1930 in Nürnberg lebte und Mitglied der hiesigen Malerakademie war, beinhaltet neben persönlichen Dokumenten und Fotos auch das Skizzenbuch sowie Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle des Künstlers, darunter einige Arbeiten mit Nürnberger Motiven. Unter seinem künstlerischen Nachlass ist ein Wappenbuch mit kolorierten Zeichnungen und Informationen zu den einzelnen Familien hervorzuheben. Zu dem Architekten und städtischen Oberbaurat Friedrich Küfner wurde ein Nachlasssplitter (E 10/101) übergeben. Unter Küfner, der von 1898 bis 1925 als Leiter des Stadterweiterungsamtes tätig war, entstanden für die Kommune wichtige Bauten wie der Südfriedhof (1913), das Volksbad am Plärrer (1914) und das Krematorium am Westfriedhof (1913). Der Nachlass enthält in größerer Anzahl Fotos der Gebäude, die unter Küfners Mitwirkung entstanden sind, Glasnegative von Privataufnahmen und dienstliche Korres­ pondenz. Der Bestand ist derzeit noch nicht bearbeitet. Am 20. Juni 2005 kam der zweite Teil der Sammlung Robert Müller (E 37) mit Erinnerungsstücken und Fotos an das Stadtarchiv Nürnberg und komplet­ tiert damit die Sammlung zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Sozialdemo­ kratie und zur Gartenstadt. Zum Jahresthema in Nürnberg, das sich mit der Zerstörung der Altstadt im Zweiten Weltkrieg und dem Kriegsende vor 60 Jahren auseinander setzte, gehört die Erweiterung der Sammlung Dr. Karl Kunze (F 13). Der Historiker und Zeitzeuge hatte seine umfangreiche Materialsammlung von ca. 4 lfd. Regalmetern zum Kriegsende in Franken und dem Kampf um Nürnberg im April 1945 bereits Ende 1997 abgegeben. Durch den Restbestand, den das Stadtarchiv Nürnberg im März 2005 von Karl Kunze erhalten hat, ist die Quellensammlung komplett. Sie beinhaltet in reproduzierter Form TruppenBerichte der US-Armee aus dem Nationalarchiv in Washington, Berichte der

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deutschen Kommandeure, die in der Gefangenschaft auf Veranlassung der Amerikaner verfasst wurden, Zeitzeugenberichte, Aktenkopien aus dem Insti­ tut für Zeitgeschichte in München und dem US Army Military History Insti­ tute in Carlyle/Pennsylvania sowie eine Liste der in Nürnberg gefallenen und bestatteten deutschen Soldaten. Diese Liste ist, obwohl sie nicht ganz vollstän­ dig ist, die derzeit einzige dieser Art. Dieser Fundus geschichtlicher Daten war die Grundlage der - heute vergriffenen - lokalhistorischen Untersuchung „Kriegsende in Franken und der Kampf um Nürnberg im April 1945“ von Kunze, die im Jahr 1995 als Band 28 in der Reihe „Nürnberger Forschungen“ vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg herausgegeben wurde. Das Bild-, Film- und Tonarchiv hat im Frühjahr 2005 Zeichnungen des Nürnberger Architekten Matthias Billmann (1889-1965) erworben (Bestand A 93). Matthias Billmann stammte aus Herrieden bei Ansbach und erlernte zunächst das Maurerhandwerk, bevor er sich über die Abendschule zum Architekten weiterbildete. Vor dem Zweiten Weltkrieg errichtete er hauptsäch­ lich Hotels und Villen in der ehemaligen Tschechoslowakei. Erste Bauaufträge nach dem Krieg waren in Nürnberg der Wiederaufbau des Hotels Victoria am Königstor und in Fürth der Neubau des Geschäftshauses Bössneck & Meyer an der Fürther Freiheit. Die angekauften Kohlezeichnungen zeigen teilweise in ungewöhnlichen Größen Totalansichten der zerstörten Nürnberger Altstadt unmittelbar nach dem Kriegsende. Kleinformatige Kopien dieser Zeichnungen hat Billmann einst an die Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht verkauft, um damit den Lebensunterhalt für seine Familie in der Nachkriegs­ zeit zu sichern. Eine Auswahl der Zeichnungen wurde vom 18. Mai bis 9. Juni 2005 in einer Ausstellung im Pcllerhaus präsentiert. Des weiteren wurden 80 Fotografien von Zbigniew Bielawka (s' 1953) erworben (Bestand A 91). Der Krakauer Bielawka zählt zu den renommier­ testen polnischen Foto-Künstlern der Gegenwart. Seine Aufnahmen zeigen Portraits von Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens in Nürnberg, aber auch unbekannte Stadtbewohner. 2002/03 waren die Arbeiten Bielawkas, darunter auch die angekauften Fotografien, unter dem Titel „Stadt­ gesichter“ in einer Doppelausstellung in der Norishalle und im Krakauer Haus zu sehen. Die beiden vom Bild-, Film- und Tonarchiv angekauften Konvolute sind noch nicht verzeichnet.

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NEUE ARBEITEN ZUR NÜRNBERGER GESCHICHTE Zusammengestellt von Walter Gebhardt ßO Jahre Partnerschaft Jumelage Nürnberg-Nizza: Dokumentation. - Nürn­ berg: Amt für Internationale Beziehungen, 2005. - [ca. 100] S. 200 Jahre NZ: Nürnberger Zeitung 1804 - 2004 / Red.: Markus Paul (verantw.). - Nürnberg: Nordbayer. Verl.-Ges., 2004. - 56 S. Afratis, Georgios: Struktur und Situation der Privatschulen des griechischen Staats in Bayern, dargestellt am Beispiel Nürnbergs. Eine empirische Unter­ suchung dieser Schulen und der Studien- und Berufsausbildungswege der Absolventen/innen der Privatlyzeen. - Diss. Univ. Erlaneen-Nürnbere, 2001.-301 Bl. Alberti, Volker: Bausteine zur frühen Ortsgeschichte Pillenreuths. Existierte in vorklösterlicher Zeit ein Castellum in Pillenreuth?, in: Altnürnberger Land­ schaft: Mitteilungen 53 (2004), S. 805-813. Aoyama-Shibuya, Aika: Ein bisher unbekanntes Vorbild für Dürers „Thronender Greis und knieender Jüngling“. Zum Entstehungsprozess der Werke Dürers aus den Wanderjahren, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2005, S. 7-24. Beck, Hartmut: Ist die Region Nürnberg eine europäische Metropolregion?, in: Natur und Mensch 2003 (2004), S. 5-11. Beck, Hartmut: Konversion von Militärflächen in Nürnberg, in: Natur und Mensch 2004 (2005), S. 5-14. Bennewitz, Nadja: Berta Backof (1911 - 2001). Ein Leben gegen Krieg und Faschismus, in: Geschichte quer 12 (2004), S. 16-18. Bismarckschule : Das historische Lesebuch der Bismarckschule Nürnberg. - 3. Aufl. / zsgest. und überarb. von Dieter Zylla ... - Nürnberg 2004.- 129 S. Bockisch-Brauer, Christine: Die Ausgrabung in der Kubinstraße in NürnbergHerpersdorf im Jahr 2002, in: Natur und Mensch 2004 (2005), S. 125-134. Bößenecker, Rupert: Tod und Kriminalität in Nürnberg am Ende des 18. Jahr­ hunderts. Ermittlungen des reichsstädtischen Schöffenamtes. - Magister­ arbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2004. - 83 Bl. Bohr, Jörn: Jakob Wolff d.J., in: Die Baumeister der „Deutschen Renaissance“ - Ein Mythos der Kunstgeschichte, Beucha 2004, S. 183-212. Cescutti, Eva: „Quia non convenit ea lingua foeminis“ - und warum Charitas Pirckheimer dennoch lateinisch geschrieben hat, in: Nonne, Königin und Kurtisane, Königstein im Taunus 2004, S. 202-224. 589

Christengemeinschaft / Gemeinde : Die Christengemeinschaft in Nürnberg. Eine Chronik ihres Werdens von den Vorstufen ab 1902, der Gründung 1923 bis zum Jahr 2004 / hrsg. von Rolf-Michael Schmidt. Nürnberg 2004. - 138 S. Denninger, David: Ägyptendarstellungen in deutschen Reiseberichten 1467 1498. - Zulassungsarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2003. - 128 Bl. [behan­ delt u.a. Hans Tücher und Sebald Rieter] Diefenbacher, Michael: Die Dokumentation Standesregister im Stadtarchiv Nürnberg, in: Gesellschaft für Familienforschung in Franken: Mitteilungen Nr. 29 (2004), S. 16-19. Dimler, Doris: Der Business-Park Nürbanum. - Diplomarbeit Univ. ErlangenNürnberg, 2002. - IV, 63 Bl. Erinnerung an die historische Eimmart-Sternwarte auf der Nürnberger Burg / Cauchy-Forum-Nürnberg e.V., Interdisziplinäres Forum für Mathematik und ihre Grenzgebiete. Red.: Hans Gaab ... - Stand 1.1.05. - Nürnberg 2005.-47 Bl. Etenyi, Nöra G.: A nürnbergi nyilvänossäg es a Nädasdy „Mausoleum“, in: Tanulmänyok Szakäly Ferenc emlekere / szerk. Fodor Pal ..., 1. kiad., Budapest 2002, S. 121-137. Etenyi, Nöra G.: Die Öffentlichkeit der Entscheidungsträger. Der Reichstag zu Regensburg im Spiegel der Nürnberger Gesandtenberichte in den Jahren 1663 - 1664, in: Collegium-Hungaricum-Studien 2002, S. 99-156. Exner, Matthias: Zur Wiederherstellung des Petersaltars im Chorscheitel der Nürnberger Sebalduskirche, in: Denkmalpflege-Informationen Ausg. B 130 (2005), S. 20-21. Fejtovd, Olga: Die bürgerliche Buchkultur in Nürnberg im 17. Jahrhundert, in: Acta Comeniana 17 (2003), S. 151-181. Fischerei-Verein : 125 Jahre Fischereiverein Nürnberg e.V. 1879 2004. - Nürnberg 2004. - 100 S. Gaab, Hans: Zur Geschichte der Eimmart-Sternwarte. Nürnberg [...] der beste ort pro Studio Astronomiae in gantz Deutschland. - Nürnberg: Nürn­ berger Astronomische Ges., 2005. - 73 S. - (Regiomontanus-Bote ; 18/2005, Spezialausgabe) Gedenksteine, Quellen und andere Besonderheiten im Sebalder Reichswald / Buch- und Kartengestaltung: Jean-Christophe Meillan. - Erlangen: Forst­ amt, 2004. - [34] S.: 111. + 1 Kt. Grebe, Anja: Ein Gebetbuch aus Nürnberg im Germanischen National­ museum und das Frühwerk von Nikolaus Glockendon, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2005, S. 97-120. 590

Haberiah, Annett: Eine katholische Enklave in der Reichsstadt Nürnberg. Analyse des Ebracher Klosterhofs 1744 bis 1803 hinsichtlich Persönlich­ keiten und Amtsführung der Pfleger. - Magisterarbeit Univ. ErlangenNürnberg, 2004. - 164 Bl. Hitz, Uwe: Bartholomäus Elolzmann. Wirt zu Almoshof und Bürger zu Nürn­ berg (1605 bis 1675). Stationen eines vom 30jährigen Krieg geprägten Lebens, in: Blätter für fränkische Familienkunde 27 (2004), S. 166-182. Höverkamp, Ingeborg: Die wechselvolle Geschichte der Kornburg, in: Heimatkundliche Streifzüge 23 (2004), S. 34-38. Jakob, Dorothea-Elisabeth: Luxuswaren im Nürnberg der frühen Neuzeit. Aspekte von Handel, Herstellung und Konsum. - Magisterarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2004. - 197 Bl. Janik, Michaela: „Nürnberg, Ahaa“. Die Nürnberger Faschingszüge von 1945 - 2001. - Zulassungsarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2002. - 101 Bl. Jochem, Gerhard: Wege slowenischer NS-Opfer in Nürnberg und Bayern, in: Entrechtung, Vertreibung, Mord, Berlin 2005, S. 237-272. Keller, Karl Heinz: Deferegger Exulanten in Nürnberg, Schwabach und im Raum Gunzenhausen, in: Blätter für fränkische Familienkunde 27 (2004), S. 7-106. Krauß, Eberhard: Ein Franke in Gresten. Johann Christoph Gugel von Diepoltsdorf auf Brand *8. Juni 1629 fl 1.5.1714, in: Exulanten aus der niederösterreichischen Eisenwurzen in Franken / bearb. von Manfred Enzner und Eberhard Krauß, Nürnberg 2005, S. 317-326. Krauß, Eberhard: Dr. Antonie Nopitsch und die Herkunft der Familie Nopitsch aus Gresten, in: Exulanten aus der niederösterreichischen Eisen­ wurzen in Franken / bearb. von Manfred Enzner und Eberhard Krauß, Nürnberg 2005, S. 359-370. Krieg und Frieden: Wehrbauten in und um Nürnberg. Kurzführer zum Tag des Offenen Denkmals 2005 / Red.: John P. Zeitler ... Texte: Nikolaus Bencker ... - Nürnberg: Hochbauamt, Untere Denkmalschutzbehörde, 2005.-71 S. Kröner, Alfred: Ludwig Feuerbach und die Stadt Nürnberg. Gedenken und Denkmäler, in: Aufklärung und Kritik 2004, 1, S. 164-170. Kröner, Alfred: Ein Philosoph wird zu Grabe getragen, in: Aufklärung und Kritik 2004, 1, S. 171-175. [Ludwig Feuerbach] Kröner, Alfred: Eine unbekannte Rede Paul Johann Anselm Feuerbachs anläss­ lich der Bekanntgabe der Baierischen Verfassung von 1818, in: Aufklärung und Kritik 2004, 1, S. 153-163. Kühl, Kristina: Vom Schicksal bloßen Menschseins. Die Situation von Asyl­ bewerbern in Nürnberg im Spiegel eines christlichen Menschenbildes. 1. Aufl. - Nürnberg: Mabase-Verl., 2004. - 149 S. 591

Kuller, Christiane: „Erster Grundsatz: Horten für die Reichsfinanzverwal­ tung“. Die Verwertung des Eigentums der deportierten Nürnberger Juden, in: Die Deportation der Juden aus Deutschland / Hrsg.: Birthe Kundrus ..., Göttingen 2004, S. 160-179. Kuller, Christiane / Axel Drecoll: Inszenierter Volkszorn, ausgebliebene Empörung und der Sturz Julius Streichers. Reaktionen auf die wirtschaft­ liche Ausplünderung der deutschen Juden, in: Skandal und Diktatur, Göttingen 2004, S. 77-101. Leberzammer, Armin: Wer wählte rechts? Reichstagswahlen in Nürnberg 1919 - 1933, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 63 (2003), S. 225-251. Lemmel, Hans-Dietrich: Immanuel Kant-Nürnbergs großer Enkel, in: Blätter für fränkische Familienkunde 27 (2004), S. 256-257. LocalJewish history and Nuremberg City Archives / Gerhard Jochem. - Nürn­ berg: Stadtarchiv, 2005. - 12 S. Lust und Last am Bauen: 100 Jahre Verein zur Erhaltung der St.-Lorenzkirche in Nürnberg. - Nürnberg: Verein zur Erhaltung der St.-Lorenzkirche in Nürnberg e.V., 2003. - (St. Lorenz ; N.F. 49) Mende, Matthias: Hans Dürer (1490 - 1534). Königlich Polnischer Hofmaler, in: Fränkische Lebensbilder 20 (2004), S. 37-50. Metzger, Pascal: Die Dutzendteich-Park Aktiengesellschaft (1823 - 1940). Ein „patriotischer” Verein zwischen Gewinnstreben und Wohltätigkeit. Nürn­ berger Vereinswesen im 19. und 20. Jahrhundert. - Magisterarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2004. - 121 Bl. Morisawa, Mariko: Syntaktische Erscheinungen als Spiegel der Gesellschaft im 16. Jahrhundert. Historisch-soziolinguistische Analyse von Relativsatz­ einleitungen in der Nürnberger Stadtsprache, in: Neue Beiträge zur Germa­ nistik 3 (2004), S. 183-195. Mulzer, Erich: Vom Alltag in die Vergessenheit. Der Fischbach in Nürnberg, in: Nürnberger Altstadtberichte 28. 2003 (2004), S. 41-80. Musikinstrumente in Wort und Bild. - Nürnberg: Verein zur Erhaltung der St.-Lorenzkirche in Nürnberg e.V., 2004. - (St. Lorenz ; N.F. 50). — 19 S. [Enth. S. 3-19: Eine spätmittelalterliche Instrumentenkunde in St. Lorenz zu Nürnberg / Friedemann Hellwig] Norymberga w obiektywie Lali Aufsberg - Nuremberg through the lens of Lala Aufsberg: The catalogue was created as part of the „Nuremberg through the lens of Lala Aufsberg“ exhibition organized by the Internatio­ nal Cultural Centre in Krakow in Cooperation with the City of Nuremberg and the Nuremberg House in Krakow 6 December 2004 - 30 January 2005 / Autor i kurator wystawy: Helmut Beer. - Krakow: Miedzynarodowe Centrum Kultury, 2004. - 150 S. 592

Oechsler, Karlheinz / Bernd Franta: MAN-Nutzfahrzeuge im städtischen Fuhr­ park Nürnberg. Gut gebrüllt, Löwe. - Brilon: Podszun, 2004. - 141 S. Pfändtner, Karl-Georg: Das Missale ecclesiae Bambergensis der Stiftsbiblio­ thek Göttweig und die Nürnberger Miniaturmalerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Codices manuscripti 48/49 (2004), Textbd. S. 43-54, Tafelbd. S. 43-66. Rauschhuber, Luis: Bildhauer Luis Rauschhuber 1904 - 1973. Archiv der Werke des Künstlers mit über 1600 Abbildungen, detaillierte Informationen, und verwandte Arbeiten, Biografie und Werke der Studienzeit. Präsentation ausgesuchter Werke in einer Diashow, Verzeichnis größerer Aufträge und Ausstellungen mit Pressekommentaren und vieles mehr ... - Würzburg: Annaversum, 2004. - 1 CD-ROM. Reitz, Dirk: Der Wehrarchitekt der Reichsstadt - Wolf-Jacob Stromer Rats­ baumeister zu Nürnberg 1561 - 1614. Militärische Aspekte der Baumeister­ bücher I - XII, in: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 7 (2003), S. 200-204. Rempe, Martin: Politisches Wir-Gefühl? Jerusalempilgerfahrten Nürnberger Bürger im Spiegel der Erinnerung. - Seminararbeit Humboldt-Univ. Berlin, 2004.-27 Bl. Rödel, Michael: Die Entwicklung der Sebaldslegende als Ausdruck steigenden nürnbergischen Selbstbewusstseins im Mittelalter. - Hausarbeit Univ. Bamberg, 2004. - 23 Bl. Roider, Klaus: Die Nürnberger Bürgerkavallerie im 18. Jahrhundert, in: Zeit­ schrift für Heereskunde 59 (2005), Nr. 417, S. 118-124. Ruderverein : 125 Jahre Ruderverein Nürnberg von 1880 e.V. 1880-2005. Festschrift / Red. Manfred Ganzer ... - Nürnberg 2005. - 104 S. Ruff, Alexander: Die Muna Feucht - ein Beispiel für regionale Konversion. Zulassungsarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2004. — 51 Bl. Sahin, Rana: Einflussfaktoren auf das Bildungsverhalten türkischstämmiger Kinder und Jugendlicher. Eine empirische Untersuchung an Nürnberger Schulen. - Zulassungarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg, 2003. - 185 S. Scherbaum, Jochen: Die Grabung in der Theresienstraße und der Tetzeigasse im Altstadtbereich von Nürnberg, in: Beiträge zur Archäologie in Mittel­ franken 7. 2003 (2004), S. 223-230. Schieber, Martin: Ein Festmahl für den Frieden. Nürnbergs Rolle in der Beendi­ gung des Dreißigjährigen Krieges, in: Geschichte quer 12 (2004), S. 2-4. Schier, Volker / Corine Schleif: Seeing and singing, touching and tasting the Holy Lance. The power and politics of embodied religious experiences in Nuremberg 1424 - 1524, in: Signs of change / ed. by Nils Holger Petersen ..., Amsterdam [u.a.] 2004, S. 401-429. 593

Schmidt-Händel, Astrid: Der Stellenwert Nürnbergs im Erfurter Waidexport des Spätmittelalters, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 63 (2003), S. 1-23. Schnabel, Werner Wilhelm: Vom Ister an die Pegnitz. Lebensstationen der Barockdichterin Catharina Regina von Greiffenberg, in: Exulanten aus der niederösterreichischen Eisenwurzen in Franken / bearb. von Manfred Enzner und Eberhard Krauß, Nürnberg 2005, S. 265-301. Schnalke, Thomas: Anatomie einer Korrespondenz. Abraham Vater im Brief­ wechsel mit dem Nürnberger Arzt und Naturforscher Christoph Jacob Trew, in: Anatomie / hrsg. von Jürgen Helm ..., Stuttgart 2003, S. 29-47. Schraut, Elisabeth: Gewirkte Bildteppiche des 15. Jahrhunderts. Erzeugnisse weiblichen Klosterfleißes oder professioneller Werkstätten in der Stadt?, in: Frauen in der Stadt, Linz 2003, S. 183-205. [u.a. Katharinenkloster Nürnberg] Schweizer, Claudia: Wolframsbrunnen. Die Geschichte des Brunnens in der Lorenzer Straße 5. 200 Millionen Jahre Nürnberg. - Nürnberg: Seubert, 2004.- 112 S. Schwertner, Theresia: Das Kriegserlebnis Nürnberger Kinder im Spiegel von Aufsätzen. - Facharbeit Städtisches Labenwolf-Gymnasium Nürnberg, 2005.-29, [23] Bl. Schwöb, Ute Monika: „Got mus für vns vechten“. Kommentare von Hans Rosenplüt und Oswald von Wolkenstein zum Dilemma der ,Kreuzzüge‘ gegen die Hussiten, in: Deutsch-böhmische Literaturbeziehungen Germano-Bohemica: Festschrift für Vaclav Bok zum 65. Geburtstag / hrsg. von Hans-Joachim Behr ..., Hamburg 2004, S. 271-286. Sonntag, Dietrich: Kleine Kreuzer S.M.S. Nürnberg I und II, Leichter Kreuzer Nürnberg III, sowjetischer Kreuzer Admiral Makarow (ex Nürnberg). Norderstedt: Books on Demand, 2004. - 260 S. St. Lorenz und die Familie v. Haller. - Nürnberg: Verein zur Erhaltung der Lorenzkirche in Nürnberg, 2005. - 55 S. (St. Lorenz ; N.F. 53) Staub, Martial: Les juifs dans la ville en Allemagne du Sud ä la fin du Moyen Äge. Les enseignements de la memoire, in: Memoria, communitas, civitas / sous la direction de Hanno Brand ..., Ostfildern 2003, S. 39-48. Stopper, Regina: Luis Rauschhuber 1904 - 1973. - 2., überarb. Aufl. - Nürn­ berg: Nagel, 2003. - 44 S. Strack, Doris: Die Stuckaturen der Brüder Kuhn zu Ovids Metamorphosen im Nürnberger Rathaus und in Schloss Altenmuhr, in: Anzeiger des Germani­ schen Nationalmuseums 2005, S. 35-56. Svobodovd, Milada: Dva kodexy z kläStera dominikänek u sv. Katenny v Norimberku dochovane v Prazske Iobkowiczke knihovne, in: Pater familias: 594

sborm'k pnspevkü k zivotm'mu jubileu Prof. Dr. Ivana Hlaväcka, Praha 2002, S. 115-131. [Enth. dt. Zs.fassung: Zwei in der Prager Lobkowicz’schen Bibliothek erhaltene Kodizes des Dominikanerinnenklosters zu St. Katha­ rina in Nürnberg] Taschner, Michael: Expressionistische Spitzbogendächer in Nürnberg, in: Nürnberger Altstadtberichte 28. 2003 (2004), S. 93-96. Vogler, Herbert: Friedrich Lehner. A nearly forgotten chemical fibers pioneer. Born 150 years ago, in: Chemical fibers international 55 (2005), S. 158-160. Vom Ostermarsch zur Vietnamdemo: Nürnberger Friedens- und Protestbewe­ gung in den 60er Jahren. Diese CD dokumentiert eine Ausstellung, die am 1. Oktober 2004 im Friedensmuseum Nürnberg eröffnet wurde. - Nürn­ berg 2004. - 1 CD-ROM. Wasner, Julia: Die Entwicklung wichtiger Nebennutzungen im Nürnberger Reichswald von der Besiedlung im 11. Jahrhundert bis heute unter besonde­ rer Berücksichtigung jüngerer Entwicklungen in Stadtnaähe im Bereich des Lorenzer Reichswaldes und unter Einbeziehung der forstrechtlichen Situa­ tion. - Diplomarbeit Techn. Univ. Dresden, 2005. - 130, 20 Bl. Weber, Gerd: Die Pfarrkirche St. Sebald in Nürnberg. Restaurierungs­ geschichte und Geschichte des Wiederaufbaus nach 1945. - Masterarbeit Univ. Bamberg, 2005. - 255, 3 Bl. Weilandt, Gerhard: Alltag einer Küsterin. Die Ausstattung und liturgische Nutzung von Chor und Nonnenempore der Nürnberger Dominikanerin­ nenkirche nach dem unbekannten „Notel der Küsterin“ (1436), in: Kunst und Liturgie / hrsg. von Anna Moraht-Fromm, Ostfildern 2003, S. 159-187. Weilandt, Gerhard: Heiligen-Konjunktur. Reliquienpräsentation, Reliquienverehrung und wirtschaftliche Situation an der Nürnberger Lorenzkirche im Spätmittelalter, in: Von goldenen Gebeinen / Markus Mayr (Hrsg.), Innsbruck [u.a.] 2001, S. 186-220. Wider, Hansjörg: Dr. med. dent. Martin Trittermann, ein Nürnberger Sammler, in: Natur und Mensch 2004 (2005), S. 183-192. Williams, Ulla / Werner Williams-Krapp: Die Dominikaner im Kampf gegen weibliche Irrtümer. Eberhard Mardachs ‘Sendbrief von wahrer Andacht’ (mit einer Textedition), in: Deutsch-böhmische Literaturbeziehungen Germano-Bohemica: Festschrift für Vaclav Bok zum 65. Geburtstag / hrsg. von Hans-Joachim Behr ..., Hamburg 2004, S. 427-446. Zahlaus, Steven M.: Rascher Wiederaufstieg, Krise und Konsolidierung, beschleunigter Wandel. Umrisse der wirtschaftlich-industriellen Entwick­ lung Erlangens und Nürnbergs nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 63 (2003), S. 253-293. 595

Zeitler, John P.: Die Ausgrabungen in der Weißgerbergasse 10. Ein neues Bild aus Nürnbergs Untergrund, in: Nürnberger Altstadtberichte 28. 2003 (2004), S. 81-92. Zeitler, John P.: Eine spätmittelalterliche/frühneuzeitliche Gießwerkstätte in Nürnberg, in: Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken 7. 2003 (2004), S. 231-242.

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JAHRESBERICHT ÜBER DAS 127. VEREINSJAHR 2004 Zusammengestellt von Wiltrud Fischer-Pache I. Bericht des Vorsitzenden Im Berichtsjahr fanden in den Monaten Januar bis Mai und Oktober bis Dezember mit Ausnahme der Ferienzeit jeweils am ersten Dienstag im Monat - im Fabersaal in der Nürnberger Akademie acht Vorträge statt. Referenten und Vortragsthemen sind im Teil II des Jahresberichts aufgelistet. Am 25.126. Juni veranstaltete der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg gemein­ sam mit der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft im Rahmen von deren Jahrestagung ein Symposion zum Thema „Die Pirckheimer. Humanismus in einer Nürnberger Patrizier­ familie.“ Den Eröffnungsvortrag hielt am Freitag Abend der Vorsitzende der Pirckheimer-Gesellschaft, Herr Prof. Dr. Franz Fuchs (Würzburg), anschließend fand ein kleiner Stehempfang statt. Am darauffolgenden Samstag wurden insgesamt fünf Vorträge gehalten (siehe Teil II). An sonstigen Veranstaltungen wurden zwei Stadtrundgänge und drei Exkursionen organisiert, die bedauerlicherweise jedoch zum Teil abgesagt werden mussten. Außer­ dem fand am 28. Juli 2004 anlässlich des 200. Geburtstags des Philosophen Ludwig Feuerbach im Großen Rathaussaal als gemeinsame Veranstaltung der Stadt Nürnberg (Stadtarchiv, Bildungszentrum der Stadt Nürnberg) und des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg eine Gedenkfeier statt. Wegen einer Terminüberschneidung wurde der für 10. Juli angesetzte Stadtrundgang mit Ludwig Engelhardt zum Thema „Sonnen­ uhren in Nürnberg“ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die für 19. Juni geplante natur- und kulturhistorische Exkursion in die Juralandschaft im Umkreis von Gräfenberg unter Leitung von Prof. Dr. Rusam musste abgesagt werden, da nur sechs Anmel­ dungen Vorlagen. Ebenfalls ausgefallen wegen mangelnder Nachfrage ist die Halbtages­ fahrt zur Bayerischen Landesausstellung nach Forchheim (24. Juli) „Edel und Frei Franken im Mittelalter“. Im Anschluss an den Februar-Vortrag wurde am 3. Februar 2004 in Anwesenheit von 25 Mitgliedern die Jahreshauptversammlung abgehalten. Neben den Routine­ sitzungen des engeren Vorstands und den Redaktionssitzungen der Schriftleitung fanden im Berichtsjahr wie üblich im Juni und im Dezember zwei ordentliche Vor­ standssitzungen statt.

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Durch Tod verlor der Verein im Berichtsjahr drei Mitglieder: Johannes G. Lang, Nürnberg Johannes E. Bi sc hoff, Uttenreuth Prof. Dr. Agostino S o 11 i 1 i, Turin Wir werden den Verstorbenen ein ehrenvolles Gedenken bewahren. 18 Personen durften wir 2004 als neue Mitglieder begrüßen: Horst Gehringer, Inderstorferstr. 22, 80689 München Günther Haas, Riegelsberger Str. 33, 90469 Nürnberg Wolfgang Heilig-Achneck, Pfarrer-Hausmann-Str. 20, 91500 Heilsbronn Peter Hirschmann, Irleshof 17, 92348 Berg Matthias Honold M.A., Weiherstr. 23, 91564 Neuendettelsau Wolfgang Köhler, Effnerstr. 37, 90480 Nürnberg Jan König, Schnaittacher Str. 44a, 90562 Heroldsberg Peter Lang, Rothenbergstr. 5, 91207 Lauf Herbert May M.A., Kraftshofer Hauptstr. 195, 90427 Nürnberg Pascal Metzger M.A., Hummelsteiner Weg 74, 90459 Nürnberg Michael Metzner, Stubenlohstr. 8, 91052 Erlangen Mariko Morisawa, Yuhsenteil-14-Johanan-ku, JP-814-0122 Fukuoka Jochen Pipke, Äußere Cramer-Klett-Str. 5, 90489 Nürnberg Dr. Andrea Schwarz, Hufclandstr. 81, 90419 Nürnberg Abbe Francois Terzer, Presbytere, 2 rue des Pierres, L-5441 Remerschen Robert Wedel, Poppenreuther Str. 177a, 90765 Fürth Gerhard Winkler, Zwieseler Str. 6, 90480 Nürnberg Peter Wo 1 f r u m, Geisseestr. 4, 90439 Nürnberg Teils aus Altersgründen, teils wegen Wegzugs sind 20 Mitglieder im Berichtsjahr aus unserem Verein ausgetreten bzw. mussten wegen säumiger Mitgliedsbeiträge ausgeschlossen werden. Am 31.12.2004 zählte unser Verein 779 Mitglieder.

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Wie in den vergangenen Jahren erschien kurz vor Weihnachten Band 91 der Mitteilungen. Im Einvernehmen mit dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg als Rechteinhaber hat die Bayerische Staatsbibliothek 2004 damit begonnen, die Mitteilun­ gen zu digitalisieren. Ab 2005 können sämtliche Texte der MVGN seit Erscheinungs­ beginn 1879 - ausgenommen jeweils die Ausgaben der letzten vier Jahre - im Internet eingesehen und ausgedruckt werden. Allerdings wird das digitale Angebot vorerst noch keine Volltextrecherche ermöglichen. Ende 2004 wurde das Lorenzer Häuserbuch im Manuskript bzw. Typoskript abgeschlossen. Ab 2005 wird der Bearbeiter, Herr Karl Kohn, ein Gesamt-Personen­ register zum Lorenzer Häuserbuch und dem bereits 1983 vorläufig abgeschlossenen Sebalder Häuserbuchs erstellen sowie das Sebalder Häuserbuch überarbeiten bzw. an das Lorenzer Häuserbuch angleichen. Die Drucklegung dieses für die Stadtgeschichts­ forschung bedeutsamen Werkes steht ab 2008/09 an. Zum Schluss des Jahres haben wir wiederum vielfachen Dank auszusprechen: allen Mitgliedern und Gönnern unseres Vereins, die unsere wissenschaftliche Arbeit durch ihre Mitgliedsbeiträge bzw. durch großzügige Spenden unterstützen, der Stadt Nürn­ berg, der Friedrich Freiherr von Hallerschen Forschungsstiftung und der Sparkasse Nürnberg für die gewährten Druckkostenzuschüsse, ferner den Medien für die Ankün­ digung unserer Veranstaltungen und die Berichterstattung in der Presse. Unser aus­ drücklicher Dank für die langjährige bewährte Zusammenarbeit gilt schließlich auch wieder der Verlagsdruckerei Schmidt in Neustadt/Aisch, die trotz großem Termindruck die pünktliche Auslieferung des vorliegenden Jahrbuchs möglich gemacht hat. Willy Prölß Michael Diefenbacher

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II. Übersicht über die Veranstaltungen Vorträge: 13. Januar

Alfred Kröner M.A., Oberasbach: Die Beziehungen der Familie Feuerbach zu Nürnberg

3. Februar

Dr. Helmut Beer, Nürnberg: Die Nürnberger Südstadt

2. März

Siegfried Adler, Nürnberg: Nürnberg und der Faustkomplex

20. April

Prof. Dr. Hermann R u s a m, Nürnberg: Thon - Ein altes Knoblauchsländer Dorf im Würgegriff der wachsen­ den Stadt

4. Mai

Dr. Andrea M. K1 u x e n, Ansbach: Die Akademie der bildenden Künste in Nürnberg - Die älteste deut­ sche Kunstakademie

5. Oktober

Dr. Jochen H a e u s 1 e r, Nürnberg: Die illustren Gäste des Hotels Bayerischer Hof im 19. Jahrhundert

9. November

Dr. Udo Winkel, Nürnberg: Die Konstituierung der deutschen Sozialdemokratie in Nürnberg 1868

7. Dezember

Walter Gebhardt, Nürnberg: Nürnberg macht Druck - 6 Jahrhunderte Buchwesen in Nürnberg

Symposion „Die Pirckheimer. Humanismus in einer Nürnberger Patrizierfamilie' (gemeinsame Veranstaltung mit der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft, dem Stadt archiv Nürnberg und dem Bildungszentrum der Stadt Nürnberg): 25. Juni

Prof. Dr. Franz Fuchs, Würzburg: Die älteren Pirckheimer und der deutsche Frühhumanismus

26. Juni

Dr. Helga S c h e i b 1 e, Heidelberg: Willibald Pirckheimer im Spiegel seines Briefwechsels Prof. Dr. Niklas H o 1 z b e r g, München: Zwischen biographischer und literarischer Intertextualität: Willibald Pirckheimers „Apologia seu Podagrae Laus“ Prof. Dr. Hermann Wiegand, Heidelberg/Mannheim: Willibald Pirckheimers „Schweizer Krieg“ und die Tradition der antiken Geschichtsschreibung

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PD Dr. Eva Schlotheuber, München: Caritas Pirckheimer. Humanistisches Wissen und geistliches Leben an der Wende zum 16. Jahrhundert Prof. Dr. Claudia Wiener, München, und Dr. Anna Scherbaum, Bamberg: Caritas Pirckheimer und das Bild der heiligen Familie im „Marien­ leben“ von Albrecht Dürer und Benedictus Chelidonius Sonstige Veranstaltungen: 7. Mai

Stadtführung mit Prof. Dr. R u s a m: „Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Altstadt von Nürn­ berg - Rundgang mit Besichtigung des sonst nicht zugänglichen alten Judenbades beim Nassauerhaus“

10. Juli

Tagesexkursion mit Richard Kölbel nach Dinkelsbühl (Stadtführung und Besuch der St. Georgskirche) und Feuchtwangen (Besuch des Fränkischen Museums, Führung in der Stiftskirche)

28. Juli

Festakt anlässlich des 200. Geburtstags von Ludwig Feuerbach im Großen Rathaussaal

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ABKÜRZUNGEN Abb. ADB AGNM AO AZ Az. BayHStA BldLG B1FF BStU BUB BV d DAI DPM EKB

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Abbildung Allgemeine Deutsche Biographie Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Archiv für Geschichte von Oberfranken Abendzeitung Aktenzeichen Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München Blätter für deutsche Landesgeschichte Blätter für Fränkische Familienkunde Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheits­ dienstes der ehemaligen DDR, Berlin Biblioteca Universitaria, Bologna Bezirksverwaltung Pfennig (denarius) Deutsch-amerikanisches Institut Danubius Pannonico-Mysicus, Amsterdam und Haag 1726 Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns Gulden (florenus) Folio (Blatt) Fränkischer Tag Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Herausgeber Hofkriegsrat Heller Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte Handschrift Historische Zeitschrift Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken Jahrbuch für fränkische Landesforschung Kriegsarchiv Kreuzer libra (=Pfund) Landeskirchliches Archiv Nürnberg Lexikon des Mittelalters Mark Mitteilungen der Altnürnberger Landschaft Ministerium für Staatssicherheit Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Magyar Vi'zügyi Müzeum /Ungarisches Museum für Wasserwesen, kurz: Donau Museum, Esztergom Nachdruck Nürnberger Forschungen

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NN NUB NW NZ o.J. o.O. ÖStA PfarrA Pfd./lb r RM Rst. Nbg. RV ß StadtA StadtAN StAN StBN v VHVO VSWG ZBLG ZRG KA

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Nürnberger Nachrichten Nürnberger Urkundenbuch Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte Nürnberger Zeitung ohne Jahr ohne Ort Österreichisches Staatsarchiv, Wien Pfarrarchiv Pfund (libra) recto Reichsmark Reichsstadt Nürnberg Ratsverlässe Schilling (solidus) Stadtarchiv Stadtarchiv Nürnberg Staatsarchiv Nürnberg Stadtbibliothek Nürnberg verso Verhandlungen des Historischen Vereins für die Oberpfalz Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte - Kanonische Abteilung