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German Pages 382 Year 1918
Mitteilungen des
Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Herausgegeben im Auftrag des Vereins von
Dr. Ernst Mummen hoff, Archivrat.
Zweiundzwanzigstes Heft. Mit 18 Abbildungen.
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NÜRNBERG VERLAG VON J. L. SCHRÄG (In Kommission)
1918.
Inhalt Seite
Abhandlungen und Quellenpublikationen: Das Findel- und Waisenhaus zu Nürnberg, orts-, kulturund wirtschaftsgeschichtlich. Von Archivrat Dr. Ernst Mummenhoff. II......................................................... 3 Die Steinbrüche am Kornberg bei Wendelstein. Von Reichs archivrat Otto Geiger................................................................ 147 Neveu und der Raub Nürnberger Kunst- und Bücherschätze im Jahre 1801. Von OttoGlauning ■. 174 Johann Philipp Andreae und das Medaillen-Pasquill auf den Nürnberger Rat vom Jahre 1731. Von Dr. Theodor Hampe 244 Kleinere Mitteilungen: Entstehung und Alter des Nürnberger Ratssiegels. Von Mummenhoff......................................................... 280 Die Mauerkrone über dem Nürnberger Wappen. Von Mummenhoff................................................................................. 292 Der Anachoret Bruder Jakob in Nürnberg 1504. Von Th. H. 294 Berufung des Dr. Anton Fuchs an den Hof der Königin Elisabeth von England 1592. VonTh. H.................................... 296 Otto von Guericke in Nürnberg im Jahre 1649. Von Gümbel 297 Ein Erntefest vor 100 Jahren. Von Katechet L. Eisen . . 298 Erntefest in Wöhrd und anderswo i. J. 1817. Von M. . . 302 Die Siegel des älteren * Kgl. Bayrischen Stadtmagistrats Nürnberg« (1806—1808). Nachtrag zu S. 292 ff. Von Mummenhoff................................................................................. 303 Verzeichnis der von 1911 bis 1917 erschienenen Schriften und Aufsätze zur Geschichte der Stadt Nürnberg und ihres ehemaligen Gebietes. Bearbeitet von Dr. Heinrich Heer wagen .....................................................................................
305
Entstehung und Alter des Nürnberger Ratssiegels. Nach trag zu S. 289. Von M.................................................................363
Das
Findel- und Waisenhaus ZU
Nürnberg orts-, kultur- und wirtschaftsgeschichtlich. II.
Von
Dr. Emst Mummenhoff Archivrat
6.
Vermögenslage der Findel und ihr finanzieller Niedergang vornehmlich im 17. und 18. Jahrh.
Die jährlichen Zahlungen des Rats — keine Zuschüsse, sondern pflichtmäßige Rentenzahlungen. Einziehung von Renten durch den Rat, insbesondere zum Bau des Neptunbrunnens. Kapitalanlagen der Findel bei der Losungstube und anderen Ämtern. Kapitalvermögen der Findel. Rechnungsergebnisse seit 1550. Versiegen der Einnahmequellen. Rück stände der Losungstube. Dreißigjähriger Krieg. Schlechte Verwaltung. Niederschlagung der Rückstände. Steigen des Vermögens nach dem 30jährigen Krieg und Anlegung der Kapitalien. Unberechtigte In anspruchnahme der Findel durch das Ärar und andere Ämter. Wider stand des Pflegers und Kampf mit dem Rat. Sog. eilende Geldhülfen und andere Abgaben. Notlage der Findel. Unterstützung durch den Rat und das Almosenamt. Verpflichtungen des Almosenamts seit der Reformation und deren Erfüllung. Geldzuschüsse einzelner Ämter. Steuerveranlagung seit 1740.
Die Findel war in der älteren Zeit in der Lage, die viel fachen Anforderungen, die das verhältnismäßig umfangreiche und kostspielige Wirtschaftswesen stellte, aus den gegebenen Einnahmen zu bestreiten, ja sogar in der Regel noch einen ganz ansehnlichen Überschuß herauszuwirtschaften. Abgesehen von den Kriegsjahren des 17. und späten 18. Jahrhunderts würde sich wohl auch kaum ein bedeutender wirtschaftlicher Rückgang ergeben haben, wenn nicht der Rat in der Zeit seiner finanziellen Bedrängnisse wie andere Ämter der Reichsstadt so auch die Findel in ganz unberechtigter, ja gewissenloser Weise zu höchst bedeutenden Abgaben für den Staat herangezogen hätte. Nach den älteren Findelrechnungen könnte man allerdings zunächst anzunehmen geneigt sein, der Rat hätte der Stiftung alljährlich bedeutende Zuschüsse gewährt. Aber die seit Anfang
4 des 16. und bis in die 60er Jahre des 17. Jahrhunderts in den Findelrechnungen erscheinenden Zahlungen der Losungstube wurden keineswegs aus Mitteln des Ärars geleistet, sondern stellen sich bei näherem Zusehen als die Rente dar, die das Losungsamt von den bei ihr angelegten Findelkapitalien zu entrichten verpflichtet war. Was die Findel nämlich nicht in Grundstücken und Eigen- und Gattergeldern anlegen konnte, mußte sie als Kapital auf Zins unterzubringen suchen, und dafür gab es damals in Nürnberg nur eine einzige Stelle, die zugleich auch die erforderliche Sicherheit bot, das Schatzamt oder die Losungstube. Durch solche Anlagen bildete sich nach und nach ein ganz ansehnlicher Vermögensstock, der, wie gesagt, in der älteren Zeit ganz ausschließlich in der Losungstube, seit den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts aber auch zum Teil bei einzelnen Stadtämtern, die in Geldnöten schwebten, angelegt war. Seit etwa dem Beginn des 16. Jahrhunderts läßt sich nachweisen, daß die Losungstube 191 fl. in Gold als Zins ertrag eines nicht näher angegebenen Kapitals an die Findel zu leisten hatte. Zu dieser alten später auf 190 Goldgulden abgerundeten Rente kam nach den mit 1550/51 beginnenden Jahresrechnungen der Findel noch eine weitere von einer neueren Kapitalanlage, 1550/51 betrug diese erst 3 fl. 5 Ti 18 erhöhte sich dann aber schon bald sehr beträchtlich, 1562/63 auf rund 64, 1565/66 auf 189, 1566/67 auf 194, 1570/71 auf 217, 1575/76 auf 327 fl. Der ganze Rentenertrag belief sich 1580/81 auf 190 Goldgulden oder 238 V* fl. in Münze und weitere 272 fl. derselben Gattung, im ganzen auf rund 510 fl. Im Jahre 1586,87 gingen außer den 190 Goldgulden 337 fl. in Münze, im ganzen rund 575 fl. Rente ein. Die Mehrung um 65 fl. in diesem Jahre erklärt sich daraus, daß der Findel pfleger 1500 fl. in der Losungstube neu hatte anlegen können. Im Jahre 1587/88 stieg der Zinsenertrag sogar auf 608 fl. An Münze waren nämlich eingegangen 337 fl., von 400 fl., die Bernhard Pustzys sei. drei Söhne mit in die Findel gebracht hatten, 20 fl., und von 500 fl., die zu Laurenzi 1587 gleich falls in der Losungstube angelegt worden waren, ein halber Jahreszins von I2V2 fl. Diese Einnahme zeigte fortwährend
eine steigende Tendenz: 1588/89 rund 620 fl., 1600/01 800 fl., bis 1638 war sie auf 1112 fl. gestiegen. In diesem Jahre aber erging eine höchst fragwürdige Verfügung des Rats, wodurch die jährliche Einnahme der Findel aus der Losungstube eine bedeutende Minderung erfuhr. Das Zinsbuch der Findel enthält zum Jahre 1638 eine Bemerkung des Pflegers, die deutlich erkennen läßt, wie man ohne Bedenken über die angelegten Gelder der einzelnen Ämter und in unserem Falle über die Stiftungsgelder der Findel zu dem Geist der Stiftung völlig widersprechenden Zwecken verfügte. Der Pfleger stellt aktenmäßig fest, daß er am 1. Mai des genannten Jahres aus der Losungstube 3600 und an Aufwechsel 300 fl., die dieser zugunsten des Spitals und des Lazaretts übergeben worden waren und die jährlich zu 5 % 195 fl. ertragen hatten, zurückerhalten habe. Wenn er nun auch diesen Posten als empfangen ansetze, so habe es damit doch folgende Bewandtnis. Jene beiden Ämter seien der Losungstube eine große Summe schuldig geworden, zu deren Erstattung der Rat es für gut angesehen habe, von den auf der Losungstube stehenden Kapitalien der verschiedenen Ämter eine gewisse Summe abzuschreiben. So wurden denn jene 3900 fl. einfach wieder eingezogen und es blieben der Findel an Zinsen aus der Losungstube statt der bisher erhaltenen 1112 fl. nur noch 919 fl. 1648/49 war die Rente wieder auf 930V2 fl. gestiegen, wozu noch ein Zuschuß aus der Schau kam,1) so daß sich zuletzt ein Betrag von rund 1300 fl. ergab. Leider ging er der Findel nur noch kurze Zeit zu. Im Jahre 1660 machte nämlich der Rat ernstliche Anstalten, den längst beabsichtigten Bau des Neptunbrunnens endlich ins Werk zu setzen. Damals waren die Quellen und das Schöpfwerk im Stadtgraben beim Mohrenköpflein 2) wesentlich verbessert worden, so daß jetzt eine bedeutende Wassermenge verfügbar war, die wenn nötig noch weiter verstärkt werden konnte. So . war denn zu dem geplanten springenden BrunnenWasser zur Genüge vorhanden. Der Rat gab daher dem Baumeister den Auftrag, mit dem Brunnengebäu fortzufahren, das Bildwerk in Metall zu ’) 1653 z. B. 194 fl., 1654 344 fl**» 1655—1659 369 fl. *) Beim heutigen Mohrentor, das danach benannt ist und seinen alten historischen Namen statt des farblosen »Westtor« behalten sollte.
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gießen, mit dem Bildhauer Georg Schweigger und dem Modelleur des Brunnens, dem Goldschmied und Bildhauer Christoph Ritter, wegen der Kosten zu verhandeln und das Weitere anzuordnen. Aber der ganze Bau hatte nach der Verfügung der Ältern Herrn auf Kosten und zum Schaden der Findel zu erfolgen. »Der Herrn Ältern wohledle Herrlichkeiten« befanden nämlich für gut, des »Herrn Findelpflegers wohledle Herrlichkeit« zu ersuchen, die wöchentlichen 25 fl., so sie aus der Losungstube empfangen — das waren eben die 1300 fl. jährliche Rente von dem auf der Losungstube angelegten Stiftungskapital —, schwinden zu lassen und zu diesem Brunnenbau zu verwenden. Es ist schwer begreiflich, wie der Stiftungscharakter dieser Gelder von den maßgebenden Herrn des Regiments so völlig verkannt werden konnte. Die Losungstube, die Rechnungs revisoren, ja auch die sämtlichen Herrn vom Rat mußten es genau wissen, daß es sich um Stiftungsgelder handelte. Das Verfahren des Rats war nichts anderes als ein offen zu Tage liegender Raub an dem Vermögen der armen Findel- und Waisenkinder.1) Man sollte nun glauben, die Findel hätte nach diesen und anderen bösen Erfahrungen ihre Überschüsse an anderen Stellen, nur nicht bei der Losungstube angelegt. Aber es fehlte eben in Nürnberg an einer sonstigen geigneten Gelegenheit und dann hatte sich doch auch die dem Rat als Aufsichtstelle unter gebene Anstalt dessen Wunsch und Willen zu fügen. So blieb es . denn beim Alten. *) Die Findelpfleger trugen denn auch vom Jahre 1660 an, in welchem nur noch ioo fl. bis zum 23. März von der Losungstube abgeführt worden waren, während von 1661 kein Heller mehr bezahlt wurde, mit eiserner Konse quenz und gewissermaßen als stets erneuerten Protest gegen dieses der Stiftung hohnsprechende und rechtswidrige Verfahren bis zum Ausgang der Reichsfreiheit, folgende Bemerkung in jede Jahresrechnung ein: »Das jährliche Einkommen in eines wohledlen, fürsichtigen und hochweisen Rats löbl. Losungstuben thut jährlich an Gold- und Grobgeld sambt des Sigmund Gabr. Beern und Wolf Friedrich Mechtel überwiesenen Geldern.........................................930 fl. 10 ß So ist über solches in etlichen nächst verflossenen Jahren der Findel zu einem Zuschuß gereicht worden ............................. 369 fl. 10 ß thut zusammen 1300 fl. Alldieweilen aber solche Gelder zu schuldiger Folg der Herrn Eltern woladlichen Herrlichkeiten den 23. Mai 1600 hierüber ergangenen Verlaß zu anderweiten Ausgaben verwendet worden, als würdt diß Orts zur künftigen Nachricht geführt und ad notam genommen«.
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Schon gleich in dem Jahre (1660), in dem die Beraubung durch den Rat erfolgt war, legte das Findelamt neuerdings 1000 fl. Grobgeld oder Guldengroschen = 1333Vs fl., die Ablösungsumme des Hauszinses auf dem Wolf Endterschen Hause zwischen den Fleischbänken, in der Losungstube an, wovon es 66 fl. 13 ß 1 hl. Jahreszinsen bezog. Im Jahre 1670/71 hatte sich schon wieder ein Vermögenstock gebildet, der jähr lich über 162 fl. Zinsen ergab. 1680/81 verzeichnet die Jahres rechnung zum Teil jetzt auch die Höhe des Kapitals, das zu 4%, 4l/2% und 5% bei der Losungstube, dem Leihhaus und dem Vormundamt untergebracht war.1) Bis 1700/01 erreichte das Vermögen infolge neuer Kapitalanlagen die Höhe von 7993 fl. mit einem Zinsenertrag von 368 fl. Nach einer vorübergehenden Minderung war es dann bis 1740/41 nominell auf 11093 fl. gestiegen, aber die Findel hatte inzwischen auch Schulden gemacht, die mit 5 600 fl. zu Buche standen. Das Vermögen betrug demnach immer noch 22 293 fl. mit einem Zinsenertrag von 917 fl. und hatte diese Höhe erreicht, obschon die Findel unterdes zu bedeutenden Abgaben durch den Rat gezwungen worden war. Bis 1780/81 war das Vermögen trotz aller Ab gaben an andere Ämter und Geldhülfen an den Rat auf 23 693 fl. gestiegen, dem allerdings eine Schuld von 9600 fl. gegenüber stand. Der Zinsenertrag aus dem wirklichen Vermögen betrug 576 fl. Inzwischen hatte bei einer namhaften Vermögensmehrung eine Schuldentilgung eingesetzt. Das Jahr 1790/91 verrechnet nämlich ein Aktivkapital von 31576 fl. und nur noch 2000 fl. Passiva. Es ergab sich jetzt ein Rentenertrag von 1209 fl. Das Kapitalvermögen hielt sich bis zum Schluß der reichs städtischen Zeit, obschon Teuerung und schwere Kriegsjahre mit fast unerschwinglichen Kontributionen über die Stadt hin weggingen, fast auf derselben Höhe: 1800/01 betrug es nach Abzug der Schulden 26776 fl. und mit diesem Vermögen trat die Anstalt in die neue bayrische Zeit im Jahre 1806 ein.
J) Die Losungstube zinste von iooo Guldengroschen, der Ablösung summe von dem Wolf Endterschen Hause, 66 fl. 13 ß 4 hl., außerdem aber noch 50 fl. von einem nicht näher angegebenen Kapital, das Leihhaus von 700 fl. 28 fl. und das Vormundamt von 350 fl. 17 fl. 10 ß.
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Um einen klaren Einblick in die finanziellen Verhältnisse der Findel zu gewinnen, empfiehlt sich eine nähere Betrachtung der Rechnungsergebnisse, die, wie schon bemerkt, seit dem Jahre 1550,51, mit welchem die Jahresrechnungen einsetzen, vorliegen. Wir können daraus ersehen, daß die Verwaltung der Findel selbst die Ausgaben mit den Einnahmen sehr wohl in Einklang zu bringen wußte, ja im allgemeinen mit nicht unbedeutenden Überschüssen wirtschaftete und daß die Ürsache des finanziellen Niedergangs in äußeren Verhältnissen lag, die die Pfleger der Anstalt nicht zu wenden vermochten. Gleich im ersten Jahr, für das uns eine Rechnung vor liegt, 1550/51,]) erübrigte die Findel bei einer Einnahme von 757 fl. nicht weniger als 109 fl., 1560/61 standen 2025 fl. Ein nahmen sogar nur 851 fl. Ausgaben gegenüber, so daß sich eine Mehreinnahme von 1174 fl. ergab, die allerdings darin ihre Erklärung findet, daß der Erlös aus dem alten Knabenfindel haus in der Schmalen Gasse (Brunnengasse) mit 1100 fl. in Einnahme gesetzt worden war. Immerhin ergab sich auch in diesem Jahre ein wirklicher Überschuß von 74 fl. Das Jahr 1570/71 wies bei einer Einnahme von 1203 fl. einen Überschuß von 131 fl. auf. Bei der Findel hatte sich das unwirtschaftliche System eingeführt, daß die Mehreinnahmen oft jahrelang stehen blieben, ohne verzinslich angelegt zu werden. Dadurch ergaben sich zeitweise ganz beträchtliche Kapitalansammlungen, die zuweilen erst auf besondere Anordnung des Rats oder der Losungstube, die die Rechnungen der Findel jährlich prüfte, angelegt wurden. Nur einzelne Jahre weisen Mindereinnahmen auf, so z. B. das Jahr 1609/10 eine solche von 274 fl. Die Mindereinnahme läßt sich hier nicht auf eine größere Zahl der zu versorgenden Kinder zurückführen — es waren nur wenige mehr als sonst, 214 gegen 210 des Vorjahres und 203 des Jahres 1610/11 —, wenn auch in der Regel ein großer Unterschied in den Ausgaben in der größeren oder geringeren Anzahl der Kinder seinen Grund hat. Geringe Einnahmen und Fehlbeträge sind aber auch l) Auch die Zeit von 1513 bis 1550 schloß, wie aus dem Abrechnungs büchlein der Findelpflegerinnen zu ersehen, stets und zwar zum Teil mit beträchtlichen Mehreinnahmen ab.
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auf äußere Umstände zurückzuführen, für die am allerwenigsten die Findel verantwortlich gemacht werden kann. Es war der Rat, der die Renten der bei ihm angelegten Kapitalien einbehielt oder sogar das Kapital selbst einzog, es war das Almosenamt, das seinen eingegangenen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, es waren die Zinspflichtigen und sonstige Private, die mit ihren Abgaben im Rückstände blieben. Auch die kleineren Einnahme quellen versiegten in bösen Tagen. Die Findel wäre wohl auch kaum in so große und andauernde Geldschwierigkeiten geraten, wenn es ihr gerade in der schwersten Zeit möglich gewesen wäre, ihre Forderungen einzutreiben. Aber im Jahre 1626/27 blieb die Losungstube gleich mit 556 fl. im Rückstände, Private schuldeten 248 fl. und von den Miststättengeldern gingen 187 fl. nicht ein. Trotzdem schloß das Jahr mit einer Mehreinnahme von 580 fl. ab. Aber das folgende Jahr brachte bereits eine Mindereinnahme von 137 fl. Die Schuld des Rates an rück ständigen Zinsen war nämlich auf 1368 fl. und die der Privaten auf 504 fl. gestiegen. Aber noch kamen einige ertragreiche Jahre. 1630/31 konnten 754 fl. zurückgelegt werden, obschon 1000 fl. dem Hl. Geistspital vorgestreckt worden waren, und 1631/32 556 fl. trotz einer Rücklage von 658 fl. Aber jetzt zeigen sich auch in der Findelwirtschaft die verhängnisvollen Wirkungen des 30jährigen Krieges. Gerade sie wurde dadurch ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen, weil die vielen vater- und mutterlosen Waisen und die haufenweise umherstreunenden Bettelkinder zum Teil in die Findel aufgenommen werden mußten.1) Im Jahre 1633/34 geht die Mehreinnahme auf 11 fl. zurück. Dann aber ergeben sich mit Ausnahme von 1636/37, das die geringe Mehreinnahme von 23 fl. aufweist, trotz anfänglicher bedeutender Unterstützung durch das Stadtalmosenamt und einer geringen durch den Rat Mindereinnahmen bis zum Jahre 1651/52 einschließlich.2) Nur zu bald aber hörten jene Unterstützungen wieder auf und der Rat scheute sich auch nicht, sich an dem bei ihm angelegten *) Sieh Heft 2 f, S. 17 7 f. und sonst. *) 1634/35 Mindereinnahme 7 fl.; 1635/36 97 fl.; 1637/38 2 fl.; 1638/39 112 fl.; 1639/40 134 fl.; 1640/41 236 fl.; 1641/42 259 fl.; 1642/43 420 fl.; 1643/44 451 fl.; 1644/45 391 fl.; 1645/46 329 fl.; 1646/47 278 fl.; 1647/48 172 fl.; 1648/49 178 fl.; 1649/50 94 fl.; 1650/51 128 fl.; 1651/52 98 fl.
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Vermögen der Findel zu vergreifen. Auch durch die schlechte Wirtschaft, wenn nicht gar durch Unredlichkeit des damaligen Findelpflegers wurde die Findel auf das schwerste geschädigt. Der 1633 verstorbene Findelpfleger Hans Heinrich Pömer hinterließ nämlich der Findel eine persönliche Schuld von 722 fl., die gleichfalls nicht beglichen und jahrzehntelang in den Aus gaben weitergeführt wurde. 1640/41 betrugen die Rückstände an Eigen- und Kapitalzinsen, Miststättengeldern und der Pömerschen Schuld (nur noch mit 698 fl. angeschlagen) im ganzen 1824 fl., 1650/51 2104 fl., 1659/60 2485 fl. Darunter waren aber über 1246 fl. uneinbringliche Forderungen. Da diese »ungewissen und verlornen Schulden bisher in den Rechnungen angesetzt und weiter geführt worden, von denen man doch weder wenig noch viel einbringen« könne, so hätte man, bemerkt die Rechnung von 1659/60, bei der Abhörung durch die Losunger und Deputierten dafür gehalten und auch beschlossen, solche Schulden bei dieser und den künftigen Rechnungen als verloren in Ausgabe zu bringen. Dem zu gebührender Folge habe man sie unter diesen besonderen Titel bringen wollen und zwar die Schuld des Hans Heinrich Pömer sei. mit 697 fl. 17 ß, dann die von Adam Koch der Findel schuldig gebliebenen Eigenzinse seiner ihr zugesprochenen Behausung mit 191 fl. 15 ß, seinen versessenen Hauszins mit 74 fl., endlich rückständige Eigenzinse von Sebald Kraßlers Behausung mit 283 fl., im ganzen 1246 fl. 12 ß. Es blieben aber immer noch an rück ständigen Eigen- und anderen Zinsen 904 fl. und an rück ständigen Miststättengeldern 88 fl. Die Findel konnte allerdings damals diese uneinbringlichen Verluste verschmerzen, da sie über den bedeutenden Kassarest von über 4687 fl. verfügte. Die Außenstände an Miststättenzinsen, die fortwährend schwankten, betrugen im Jahre 1639/40 33öV2fl. Dieser Betrag, der in Zukunft infolge ihrer strengeren Einziehung nicht mehr anwuchs, war gleichfalls ein verlorener Posten, der trotzdem bis zum Jahre 1660/61 in Einnahme und Ausgabe gestellt wurde. Bei der Abhörung dieser Rechnung beschlossen die Losunger und Rechnungsherrn, »die alten Schulden von wegen der salva venia Miststätten, weilen nichts zu hoffen, in der Rechnung hinfiir auszusetzen«.
Knabenschlaf kammer. Tuschzeichnung (1723—J726) von Markus Tuscher.
Stadtbibliothek.
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Die Eigenzins- und Kapitalrückstände ließen sich auch in Zukunft nicht vermeiden, erreichten indes nie mehr die Höhe der früheren Jahre.1) Nachdem die Folgen des 30 jährigen Krieges einigermaßen verschmerzt waren, besserten sich auch wieder die Finanzen der Findel. Im Jahre 1652/53 ergab sich schon wieder eine Mehreinnahme von 244 fl., die 1654/55 auf 1203 fl. und 1655/56 auf 2315 fl. stieg. Man war eben wieder zu dem alten System der zinsenlosen Ansammlung der Kassareste bei dem Findelamt zurückgekehrt. Es drängt sich unwillkürlich der Verdacht auf, daß der Findelpfleger mit den angesammelten Kapitalien auf eigene Faust Geldgeschäfte betrieb oder, wie im Falle Pömer, Summen davon für seine eigenen Zwecke und Bedürfnisse verwendete. Seit den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts wurden wieder von Zeit zu Zeit die Kassareste in der Losungstube verzinslich angelegt, 1662 1000 fl., 1665 auf Befehl der Losunger 2501 fl.r so daß nur noch ein Kassarest von 400 fl. verblieb. Damals konnten auch kleinere und größere Kapitalien mit 4, 5, ja 5l/2% bei den Stadtämtern, die in finanziellen Nöten waren, wie dem Vormundamt, Stadt- und Landalmosenamt, später auch dem Leihhaus, dem Kriegsamt, der Ablösungskasse und auch bei Privaten untergebracht werden. Es waren nicht allein die Überschüsse, sondern auch Kapitalien ganz verschiedener Her kunft, wie die von Haus- und Zinsverkäufen herrührenden Kauf schillinge und Eigengelder, zurückgezahlte Kapitalien und, wenn auch seltener, größere Vermächtnisse, während die meist kleineren Legate gleich zur Deckung der Jahresbedürfnisse der Findel Verwendung fanden. Von dem durch das Testament des Andreas Adam Rost im Jahre 1781 der Findel vermachten Kapital von 12 640 fl. wurden 8250 fl. angelegt, während der Rest mit den Zinsen im Betrage von 4500 fl. zu Rückzahlungen von Schulden an Private verwendet werden konnte. Auch auswärts nahm man die finanzielle Hülfe der Findel in Anspruch *) Nur einzelne Jahre zeigen hohe Beträge z. B. 1680/81 1170 fl,, 1690/91 1209 fl., 17T0/11 860 fl., 1760/61 840 fl. Seit 1730/31 bewegten sie sich nach den von 10 zu 10 Jahren vorgenommenen Proben zwischen 124 und 263 fl., ein Beweis, daß auch diese Einkünfte im großen und ganzen regelmäßig eingingen.
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und zwar nicht etwa bloß in den Ortschaften des nürnbergischen Gebiets, wo sie wiederholt Geld an Private auslieh, sondern auch in entlegeneren Orten. So konnte sie 1744/45 bei der Stadtkammer und dem Salzamt zu Regensburg 2000 fl.1) zu 4 % unterbringen und verfügte trotzdem immer noch über einen Barbestand von 2223 fl. Bei der glücklichen Finanzlage, in der sich die Findel wieder befand, blieb es nicht aus, daß sie vielfach in Anspruch genommen, ja, man darf wohl sagen, in gewissenloser Weise vom Rat ausgebeutet wurde. So mußte sie 1670/71 dem Stadtalmosenamt, das damals zu den Baufallwendungen der Findelgebäude verpflichtet war, für die Wiederherstellung der im Barfüßerkloster eingefallenen Mauer auf Anordnung der Losunger 300 fl. ohne Verzinsung leihweise überlassen, die erst 10 Jahre später wieder zurückgezahlt wurden.2) Zu einer wahren Kalamität wurde die fortwährende Heran ziehung der Findel zu zunächst verzinslichen, dann aber unver zinslichen Zuschüssen an jene Nürnberger Ämter, deren Rech nungen mit bedeutenden Mindereinnahmen abschlossen, und besonders an das in ewigen Bedrängnissen schwebende Ärar selbst. Wie andere Ämter wurde auch die Findel gezwungen, zu Zwecken, die mit ihrer Bestimmung auch nicht den geringsten Zusammenhang aufwiesen, oft ohne alle Rücksicht auf ihre Leistungsfähigkeit bedeutende Summen, sog. eilende Hülfen, aufzubringen. Im Jahre 1728/29 hatte sie einer Verfügung des Älternkollegiums zufolge von ihrem Kassarest, der in diesem Jahr nur 750 fl. ausmachte, einen Beitrag von 500 fl. an das Kriegs amt abzuführen und im Jahre 1735/36 die gleiche Summe an dasselbe Amt. Damals waren ihre finanziellen Verhältnisse allerdings sehr günstig, denn trotz dieser Abgabe blieb ihr immer noch ein Kassarest von 1405 fl. Die Findel machte in der Folge sogar mit Erfolg den Versuch, sich diesen Eingriffen des Rats zu entziehen. Der Findelpfleger Georg Christoph Volckamer wagte es nämlich, *) Wurde 1755/56 zurückgezahlt. *) Hiernach die Angabe Mitteil, zi, S. 136, Anm. 4, wonach der Findel die vorgestreckte Summe nicht zurückgezahlt worden sei, zu veibessern.
13 ihm in Wahrung der Findelinteressen mit allem Nachdruck entgegenzutreten. Er verlangte 1741 die Rückerstattung der früher der Findel entzogenen Einkünfte, des sog. Bierdreiers1) und anderer Gefälle. Es entspann sich ein Kampf zwischen dem Rat und dem ihm untergeordneten, aber auf seinem Recht bestehenden Beamten, der sich durch mehrere Jahre hinzog. Die Ältern Herrn ließen ihn zunächst zu einer Sitzung laden, »um ihm punktweise die behörige Remonstration zu tun« und ihm zu Gemüt zu führen, daß im Fall der Not wie an andern Orten so auch in Nürnberg die geistlichen Güter — wozu übrigens die Findelstiftung gar nicht gehörte — zu einem Beitrag bei gezogen würden, das Findelamt vor andern Ämtern und Stiftungen kein Vorrecht beanspruchen, die Tilgung dieser Schulden aber ohne den Zusammenbruch des Ärars und gemeinen Wesens sowie aller »mit Losungkapitalien versehenen Privaten und Familien« allein aus Staatsmitteln unmöglich geschehen könnte. Man hoffe daher, er werde sich mit den bisherigen Einkünften um so mehr begnügen, als diese ja nach Ausweis der Jahresrechnungen durch aus zureichend seien, nicht nur die ordentlichen Ausgaben damit zu bestreiten, sondern auch noch den Kassarest in etwas zu verstärken. Man will im Losungsamt nachsehen lassen, ob sich dort finde, daß im Jahre 1657 3000 fl. Kapital, die das Findel amt beim Landpflegeamt angelegt, eingezogen, weiter auch, ob mit dem Jahre 1660 für die Herstellung des Peuntbrunnens Zinsgelder der Findel verwendet worden seien. Ferner soll vom Landalmosenamt ein Verzeichnis der ihr früher zuständigen Einkünfte, für die sie dann durch eine jährliche Pauschsumme von 36 Simmer Korn abgefunden worden sei, und vom Stadt almosenamt eine Übersicht über die von diesem übernommenen Bauunkosten aufgestellt werden. Man sieht aus diesem Verlaß, was der Pfleger alles beanspruchte und zurückverlangte. Aber die Ältern Herrn waren wenig geneigt, ihm in seinen Forde rungen entgegenzukommen. Ein weiterer Beschluß derselben ordnete wenige Tage später an, die Losunger und, in Abwesen heit des Kastellans Karl Benedikt Geuder,2) Hieronymus Ebner solle dem Findelpfleger in der Losungstube das Behörige J) Siehe Heft 21, S. 328. 2) Er war der vorderste, Ebner der zweite Losunger.
14 remonstrieren. Im Fall nun wider Verhoffen diese Remon strationen nicht verfangen würden, soll das Memorial des Findel pflegers dem gesamten Rat zur "weiteren Beschlußfassung zuge wiesen werden. Aber Volckamer blieb fest. An demselben Tage noch, an dem der erwähnte Älternverlaß ergangen war, lehnte er es ab, die von der Findel verlangten 1000 fl., die doch, wie die Ältern Herrn bemerkten, die geistlichen Ämter ohne allen Anstand entrichtet, in der untern Losungstube zu erlegen. Er wird jetzt nochmals gemahnt und die Ältern Herrn drohen ihm, im weiteren Weigerungsfälle dem Rat Anzeige zu erstatten. Aber der Findelpfleger war durch nichts zur Zahlung des verlangten Beitrags zu bewegen. Nachdem die Sache mehrere Monate auf sich beruht hatte, kamen die Losunger wieder darauf zurück. Volckamer aber beharrte auf der Forderung der Auszahlung der rückständigen Zinsen aus der Losungstube, des früher von der Findel bezogenen Bierbrauerdreiers, sowie des beim Landpflegamt angelegten, vom Losungsamt eingezogenen Kapitals von 3000 fl., während er die Leistung des auf sie ausgeschlagenen Beitrags von 1000 fl. an das bedrängte Ärar wie vorher verweigerte. Die Forderungen würdigten die Losunger keiner weiteren Erwägung, sondern beschlossen nur, wie schon früher, den Findelpfleger zu einer Sitzung der Herrn Ältern in der obern Losungstube vorzufordern und ihm unter Zuziehung der Losungsräte nochmals ernstlichen Vorhalt zu tun und die Erwartung auszusprechen, er werde sich besinnen und die Vorstellungen beherzigen, im andern Falle aber rätig zu werden, ob man nicht die Einbehaltung der Losungszinsen oder etwas anderes verfügen wolle. Über diese Verhandlungen sind zunächst Aufzeichnungen nicht vorhanden. Wenn sie stattgefunden, hatten sie doch zu keinem Ziele geführt. Die geheimen Losungsver lässe des folgenden Jahres lassen dies deutlich genug erkennen. Volckamer bestand immer noch auf seinem Recht. Er verlangte sogar eine Abschrift der Findelpflegerpflicht aus der Kanzlei. Die Ältern Herrn gaben, als sie davon hörten, den Beamten die Anweisung, sie sollten ihn bescheidentlich zur Geduld mahnen und befragen, wozu er sie benötige und ob sie nicht schon abschriftlich im Findelamt sei, in welchem Falle sie mit dem Pflichtbuch kollationiert werden könne. Nach weiteren drei
15 Monaten erinnerte man sich wieder, daß Volckamer immer noch nicht die vor mehr als einem Jahr auf die Findel repartierten 1000 fl. an die Losungstube abgeführt hatte. Man beschloß deshalb wieder einmal, ihn zu der nächsten Sitzung der Herrn Ältern einzuladen und ihm entsprechende Vorstellungen zu machen, bei fortgesetzter Weigerung aber zu überlegen, ob nicht in Befolgung des früheren Verlasses mit der Anweisung zur Aus zahlung der Losungszinsen zurückzuhalten sei. Volckamer machte auch geltend, daß für den Rats beschluß der Leistung von 1000 fl. als ein Vorlehen zur Begleichung unaufschieblicher Ausgaben eine Anzahl Ratsherrn, die damit nicht einverstanden gewesen, nicht votiert hätten, worauf ihn der Ratsausschuß auffordern ließ, jene Herrn nam haft zu machen. Als im Oktober 1742 zur Bestreitung des Beitrags der Stadt an die fränkische Kreiskasse, zur Unterhaltung der Stadtund Feldmiliz und Beihülfe für das Schauamt die Aufnahme eines Kapitals von 50 000 fl. notwendig erschien, wurden die Ämter, die nach Lage ihres Kassaabschlusses eine Abgabe zu leisten vermochten, zu einem Beitrag von im ganzen 10000 fl. veranlagt.1) Zur allmählichen Abtragung des aufzunehmenden Kapitals wollte man außerdem noch ein gewisses Beitragsqiiantum jährlich oder vierteljährig von einigen Ämtern erheben. *) Die Lage des Ärars war damals schwieriger denn je. War man anfangs bei der Heranziehung der Ämter der Meinung gewesen, ihnen ihre Repartitionsbeiträge aus den Jahren 1741 und 1742 wieder zu ersetzen, so mußte jetzt jede Hoffnung darauf völlig schwinden. Die Ältern Herrn ordnen vielmehr an, daß die Beiträge der geistlichen Ämter als unverzinslicher Vorschuß an das Losungsamt unter den Forderungen, die der weltlichen dagegen als eine eilende Hülfe, falls es noch nicht geschehen, in Rechnung gestellt werden sollen. Was das zu bedeuten hatte, konnte bei der Finanznot des Ärars den in Betracht kommenden Ämtern kaum verborgen sein, zumal wenn die Losung stube jetzt gleich wieder eine neue bedeutende Anforderung an sie zu stellen sich veranlaßt sah. Da zur Bestreitung der bedeutenden Beiträge zur fränkischen Kreis kasse und zur Kriegsstube sowie zur Erhaltung des öffentlichen Kredits wieder ein zureichendes Kapital erforderlich war, so erhielt die Losungstube die Anweisung zu einer abermaligen Reparation auf die geistlichen und welt lichen Ämter nach dem Verhältnis ihrer Kassareste. Allerdings beschloß man, den Ämtern die Versicherung zu geben, daß man ihnen im Notfall und ins besondere dem Kastenamt bei einem vorteilhaften Getreideankauf zu Hülfe kommen werde. Bei dieser Gelegenheit erinnert man sich denn auch wieder einmal, daß der Findelpfleger die 1741 auf ihn repartierten 1000 fl. noch nicht erlegt hat, und beschließt, ihm nochmals die entsprechende Remonstration zu machen, im Weigerungsfälle aber die Zinsen von den Findelkapitalien auf der
16 Das Findelamt wurde zwar nicht mit einem neuen Beitrag belegt, aber doch wieder einmal zur Zahlung der auf dasselbe am 9. Februar 1741 repartierten 1000 fl. aufgefordert. Der Findelpfleger rührte sich indes nicht, weder jetzt, noch in den folgenden Jahren. 1744 war ihm noch wie andern geistlichen Ämtern zur Unterstützung des Getreideaufschlagamtes eine neue Leistung von 500 fl. vom Rat auferlegt worden, die er gleich falls nicht entrichtete. Im folgenden Jahre überwiesen die Ältern Herrn die verschiedenen Streitpunkte, die noch immer nicht behoben waren, darunter auch die Frage wegen der Anstellung des Mistenmeisters, zur Entscheidung an den Rat, um hierin womöglich ein Ganzes zu machen. Bei einer weiteren Inanspruchnahme einer Anzahl geistlicher und weltlicher Ämter zu einer außerordentlichen unumgänglichen Geldhülfe blieb die Findel verschont.1) Sie hat auch die Auflage von 1000 fl. nicht entrichtet. Der Rat mochte endlich einsehen, daß sie sich in keinen günstigen Vermögensverhältnissen befand, und es auch vermeiden wollen, noch länger mit dem für die ihm anvertraute Anstalt mit allem Nachdruck eintretenden Pfleger, der um keinen Zoll von seinem Rechte wich, sich herumzuschlagen, zumal da er selbst im Unrecht war. Auch für die Universität Altdorf hatten die Nürnberger Ämter Beiträge zu leisten, wenn sie in Geldnöten sich befand. Losungstube einzubehalten. Ungefähr ein halbes Jahr später kommt man dann mit dem Projekt der Aufnahme von 50000 fl. zur Bestreitung der dringenden Ausgaben zur fränkischen Kreiskasse, zur Unterhaltung der Stadt- und Feld miliz und zur allenfalls erforderlichen Beihülfe für das Schauamt, sowie der Repartition von 10000 fl. auf verschiedene Ämter. Auch jene Ämter, die bisher noch nicht mit einem unverzinslichen Vorlehen belegt worden, sollen jetzt herangezogen werden. Zur allmählichen Abtragung des aufzunehmenden Kapitals erwägt man sogar, ob nicht einige Ämter jährlich oder vierteljährig einen gewissen Betrag zusammenschießen sollen, wie es früher auch bei den Lotterie geldern geschehen, während man zur Erleichterung der Verzinsung den Ämtern, welche ihre Schulden zum Teil oder ganz abbezahlt, ein weniges an Losungs zinsen nach Maßgabe ihres Bedarfs abreichen will. Endlich aber regen die Ältern Herrn wieder an, die schon längst in Vorschlag gebrachte Auflage auf den beträchtlichen Konsum von Kaffee, sowie auch von Rauch- und Schnupf tabak ins Werk zu setzen. Die finanzielle Not, das sieht man hier wieder einmal an einem drastischen Beispiel, war groß, die Abhilfe aber schwer. Geh. Verl, der Herrn Ältern 10, S. 282. Verl, vom 1. Oktober 1742. *) Zu einem Beitrag wurden durch Älternverlaß herangezogen das Spital amt, das Katharinenamt, das Klaraamt, das Weizenbräuamt, das Leihhaus, das Konvertitenamt, das Grabstättenamt, die Mendelsche Zwölfbrüderstiftung, das Ochsen- und Unschlittamt und das Kastenamt, die Findel war nicht darunter.
17 An den Zinsenzahlungen eines von der Altdorfer Universitätskasse im Jahre 1747 aufgenommenen Kapitals von 8000 fl. war die Findel mit einem Jahresbeitrag von 20 fl. beteiligt, den sie aber nur ganz unregelmäßig, zum letzten Male im Jahre 1765/66 abführte. Bei einer weiteren im Jahre 1749 auf die verschiedenen Ämter ausgeschlagenen größeren Kontribution war die Findel mit 300 fl. veranlagt worden. Das Findelamt wies demgegen über darauf hin, daß einer solchen Forderung der Stiftungsbrief,, der Revers und die Pflicht des Findelpflegers entgegenständen. Die Ältern Herrn beschlossen darauf, eine eingehende Relation auf Grund der Akten ausarbeiten und dem Pfleger triftige Remonstrationen machen, bei unverhoffter Widersetzlichkeit aber ein rechtliches Gutachten von 2 oder 3 Rechtsgelehrten einholen zu lassen. Aber auch in diesem Falle blieb der ganze in Bewegung gesetzte Apparat ohne Wirkung. Seit etwa der Mitte der 50er Jahre des 18. Jahrhunderts — Volckamer hatte 1753 das Zeitliche gesegnet — setzten wieder die verzinslichen wie unverzinslichen Abgaben der Findel, an die Ämter und besonders an das Staatsärar selbst ein, die oft eine unerschwingliche Höhe erreichten. So machte man sich die gute finanzielle Lage der Findel im Jahre 1754/56 in einer nach unseren Begriffen wenigstens leichtfertigen, ja gewissenlosen Weise zu nutze: an das Schauamt, also für das Ärar, waren zu entrichten 200 fl., an das Vormundamt für die Universität Altdorf und zur Bezahlung der Besoldungen und Stipendien 320 fl. und an das Stadtalmosenamt als Holzsteuer für die Hausarmen 20 fl.,1) alles unverzinsliche Zuschüsse, von denen die Findel keinen Pfennig wiedersah. Zur Zeit der Besetzung des Nürnberger Gebiets im sieben jährigen Kriege durch Preußen wurde es noch ärger. Gleich im Jahre 1757 mußte sie zunächst eine unverzinsliche »eilende Geldhülfe« von 100 fl., dann eine weitere von 2500 fl., diese allerdings gegen 4% Verzinsung an das Schauamt liefern. Dazu reichte aber der Kassaüberschuß nicht aus und es blieb *) Eine Holzsteuer von 20 fl. für Hausarme mußte die Findel auch 1757 und eine weitere Steuer von 30 fl. für Brot und Fleisch bei Gelegenheit des Friedensfestes im Jahre 1763 beitragen.
18 nichts anderes übrig, als die gleiche Summe wieder aufzunehmen, wodurch nicht allein die von der Losungstube zu zahlenden Zinsen verloren gingen, sondern sich auch noch eine weitere Zinsenlast für die Findel ergab. In der gleichen Weise wurde die Findel in den folgenden Jahren ausgebeutet: 1759/60—1761/62 waren im ganzen 9500 fl., allerdings fast ausnahmslos mit 4% zu verzinsende Geldhülfen abzuliefern, und sie konnte sich nur dadurch helfen, daß sie die hohen Summen wieder aufnahm. Den Rat aber kümmerte es wenig, wie sie aufgebracht wurden. Er verfügte einfach, es seien aus dem vorhandenen Kassarest, •durch Verkauf des entbehrlichen Getreides oder in dessen Ermangelung durch Kapitalaufnahmen die geforderten Summen aufzubringen und sobald als immer möglich an die Schau abzu liefern. Im Jahre 1762/63 hatte die Findel einen Vorschuß von 3000 fl. zu 4% an das Schauamt abzuführen, den sie durch Kündigung eines Kapitals von 2500 fl. und durch Aufnahme von 1500 fl., woraus sie den Rest zahlte, aufbrachte, dann aber tioch über 1876 fl. zur Deckung der Mindereinnahme der Hl. Kreuzstiftung beizutragen, welche Summe sie dem Kassarest von 3196 fl. entnahm, der sich dann trotzdem immer noch auf 1319 fl. belief. Solche immer wiederkehrenden Leistungen, die das Findelvermögen angriffen und der Möglichkeit einer guten Versorgung der Kinder bedeutenden Abbruch taten, mußten den Unmut, ja den gerechten Zorn des Findelpflegers, wenn er auch selbst den herrschenden Kreisen angehörte, auf das äußerste •erregen, und so erlaubte sich der damalige Pfleger Georg Burkhard Haller in der Jahresrechnung 1762/63, die der höchsten Instanz zur Prüfung vorgelegt wurde, die unwillige aber treffende Bemerkung, man wolle dies »um deswillen allegieren, damit bei allenfalls vorkommender Reparation das noch nie so stark als dermalen angefüllt gewesene und in 99 Kindern ohne die Ehehalten bestehende Findelamt mit fernerweiten Beiträgen soviel als möglich verschonet bleiben möge«. Auch im folgenden Jahre, als das Findelamt bei einem Überschuß von 20801/2 fl. 1785l/2 fl. zur Begleichung des Fehlbetrags der kl. Kreuz stiftung beizutragen hatte, kann es sich nicht enthalten, noch mals die gleiche Erklärung abzugeben.
Mädchensclilafkammer. Tuschzeichnung (1723—1726) von Markus Tuscher.
Stadtbibliothek
19 Bei der Repartition eines Vorlehens im Jahre 1762/63, zu welchem das Findelamt 800 fl. zu leisten hatte, wurde ihm auch noch auferlegt, die Hälfte in Charles- oder neuen Louisd’ors oder Laubtalern und das übrige in Münze an das Schauamt abzuführen. 1763/64 leistete die Findel wieder einen mit 4% verzins lichen Vorschuß von 1000 fl., den es durch Aufnahme der gleichen Summe deckte. Im folgenden Jahre zahlte es eine unverzins liche Geldhülfe von nur 700 fl., dafür aber im Jahre 1765/66 eine solche von 6300 fl. Dieses Jahr schloß denn auch mit einem Fehlbetrag von 798 fl. ab bei der höchsten Einnahme, die die Findel unseres Wissens je aufzuweisen hatte, nämlich von 11864 fl. und einer Ausgabe von 12662 fl. Angeblich zahlte die Losungstube in diesem Jahr ein verzinsliches Anlehen von 6000 fl. zurück, die aber in Wirklichkeit gar nicht an die Findel kamen. Diese erhielt vielmehr einen losungsamtlichen Rekognitionsschein dahin lautend, daß diese Summe neuerlich, als unverzinsliches Kapital an die Losungstube abgeliefert worden sei,1) eine finanzielle Spiegelfechterei, bei der der schwächere Teil den Schaden zu tragen hatte, einen Zinsentgang von jährlich 252 fl. Zu diesen bedeutenden Abgaben an das Ärar, die kein Ende nehmen wollten, kamen aber auch noch andere an notleidende Ämter. Einiges wurde bereits angeführt. Beigefügt *) Der Verlaß der Herrn Altern, der diese Finanzoperation vorsieht, verdient hier zur Beurteilung der Handlungsweise des Rats gegenüber den Stiftungen und ihrem Vermögen festgehalten zu werden: »Da die Beschaffenheit des Aerarii unumgänglich erfordert, daß die während des letzten Kriegs auf das höchste gehäufte Schuldenlast in etwas gemindert und hierdurch die unerschwingliche Zinszahlungslast einigermaßen erleichtert werde, als ist das löbliche Findelamt in Gemäßheit der von einem Hochlöblichen Rat besage des gestrigen Tags ergangenen Verlasses oberherrlich bestätigten Repartition andurch ersucht, die in Händen habende losungamtliche Schuldverschreibungen über die während den vorgewesenen Krieg verzinslich vorgeschossenen Capitalien samt einer Quittung in das Löbl. Losungamt zu liefern, um hierinnen das bestimmte Capitalquantum der sechstausend Gulden vom ersten dieses Monats an abschreiben zu können, dagegen aber einen losung amtlichen Recognitionsschein, als ob eben diese Summa der 6ooo fl. neuerlich an das Aerarium unverzinslich abgeliefert worden wären, in Empfang zu nehmen, um sofort in der Amtsrechnung diese Post teils als vom Losungamt bar abbezahlt, teils als eine vom Löbl. Findelamt an das Aerarium beschehene unverzinsliche eilende Geldhülfe resp. in Einnahme und Ausgabe stellen zu können. Den 24. Maii 1765. Losungamt. Findelamt * 2
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sei noch, daß, als im Jahre 1757 die Kosten für die Umgießung der Glocken bei St. Jakob mit 480 fl. durch die geistlichen Ämter aufzubringen waren, die Findel mit 30 fl., und als im folgenden Jahre auf dieselben Ämter mit Ausnahme des Stadt almosenamts die Kosten einer Kirchturmreparatur von 601 fl. ausgeschlagen wurden, sie mit der hohen Summe von 115 fl. herangezogen wurde. Noch einmal — 1766/67 — hatte das Findelamt eine eilende Geldhülfe zu leisten. Sie war gering, betrug nur 75 fl. Und doch mochte ihr damals diese an sich niedrige Abgabe nicht allzu leicht fallen. Die Herrn Ältern ermächtigten nämlich durch Verlaß vom 25. November den Findelpfleger auf dessen Bericht von dem erschöpften Zustande der Findelkasse und der Notwendigkeit der Beschaffung eines Vorrats, zur Bestreitung der in der weitläufigen Ökonomie vorkommenden unumgäng lichen Ausgaben zur Aufnahme eines Kapitals von 1000 fl., bis man wegen des Ersatzes des der Hl. Kreuzstiftung zu ihren Baukosten gewährten Vorschusses würde Verfügung getroffen haben. Wenige Monate später — am 3. April 1767 — stellten dann die Herrn Ältern den Losungern anheim, bei der unum gänglichen Notwendigkeit einer außerordentlichen Geldhülfe seitens der geistlichen Ämter für die Findel, dieselben zur Auf bringung von 2000 fl. zu veranlassen.1) Man sieht, wie sehr sich die finanzielle Lage der Findel verschlechtert und wie nun auch der Rat der Ältern Herrn sich überzeugt hatte, daß die Findel nicht länger mit großen Zumutungen behelligt werden durfte, da sie selbst einer wirksamen Hülfe nicht entraten konnte. Für den Rest des 18. Jahrhunderts verlautet denn auch nichts mehr von weiteren Inanspruchnahmen der Findel zu gunsten des Staates und einzelner Ämter. Auffallende Vor kommnisse und Unregelmäßigkeiten in der Finanzgebarung sind nicht zu bemerken. Erzielte die Wirtschaft auch keine dauernden Erübrigungen in jener Höhe wie in früheren Jahren, so waren sie doch immerhin bis in die 90er Jahre noch *) Von den weiteren Vorschlägen des Findelpflegers, der Findel von den Kindtaufen Geldbeträge zuzuwenden und ihr von jedem Eimer Bier einen Aufschlag von 3 ^ zu gewähren, wurde der erste der Polizeideputation zur weiteren Beratung überwiesen und wohl in ihrem Schoße begraben, der zweite aber gleich als unausführbar abgelehnt.
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ansehnlich. So ergab sich 1788/89 sogar der bedeutende Kassa rest von 1020 fl. und im folgenden Jahre nach der Anlage von 200 fl. immer noch ein Überschuß in demselben Betrage. Dann aber ging es schon bald mit Riesenschritten bergab. Das Jahr 1792/93 zeigt eine wenn auch nur geringe Mehrausgabe, die 1796 auf 528 fl. und 1799/1800 auf 665 fl. steigt Die letzten Jahre des reichstädtischen Regiments schließen mit folgenden Mehrausgaben ab: 1800/01 mit rund 242 fl., 1801/02 mit 535 fl., 1802/03 mit 406 fl., 1803/04 mit 561 fl., 1804/05 mit 547 fl., 1805/06 mit 439 fl. und 1806/07 mit 408 fl. Diese letzte Rechnung erstreckte sich übrigens auf 17 Monate, auf die Zeit von Anfang Mai 1806 bis Ende September 1807, von wo an die Rechnungsablage nach der Vorschrift der neuen Verwaltung erfolgte.
Die Erkenntnis der Notlage der Findel war dem Rat erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gekommen. Hatte er sie wie die anderen Ämter der Reichsstadt seit dem 17. Jahr hundert als willkommene Finanzquelle betrachtet und aus ihren Überschüssen seine doch nicht zu wendenden Bedrängnisse, für die alle. diese Zuschüsse doch nichts anderes bedeuteten als einen Tropfen auf einen heißen Stein, zu stillen gesucht, so mußte er sich jetzt entschließen, die Findelnot, wenn auch nicht aus eigenen Mitteln, so doch aus dem Vermögen der geistlichen Stiftungen, so gut es eben ging, zu mildern. In Zeiten äußerster Not hatte ja der Rat schon früher der Findel vereinzelt nicht unwesentliche Unterstützungen gewährt. Es war doch auch nicht mehr als seine Pflicht, einer so gemein nützigen Wohltätigkeitsanstalt, wie es die Findel war, seine Hülfe angedeihen zu lassen, wenn sie sich in schwieriger Lage befand, um so mehr, als er selbst durch seine unaufhörlichen Ansprüche das ganze Findelelend mit verursacht hatte. Was er ihr aber je zu Zeiten gewährt, reichte auch nicht entfernt an das, was er ihr genommen hatte. Als Albrecht Pömer im Jahre 1633 die Findelpflege über nahm, stellte der Rat ihm »in Mangel anderer Barschaft« 278 fl. und weiterhin zur Abtragung »etlicher hinterlassener Amtsschulden« 2*
22 noch 200 fl. aus der Losungstube zur Verfügung. Und als im folgenden Jahr, mit dem schlimmsten des dreißigjährigen Kriegs in Nürnberg, die Bettelkinder zur äußersten Beschwernis der Bürgerschaft in großer Menge auf den Gassen lagen, weinten und heulten und von einem Hause zum andern betteln gingen, da hielt er das Stadtalmosenamt an, Hülfe zu schaffen. Rat und Amt ließen die Kinder in der Findel versorgen, die Kosten dafür hatte in diesem Jahre (1634/35) das Stadtalmosenamt ausschließlich zu tragen. Sie erreichten die hohe Summe von 4400 fl. ungerechnet den Wert des Kornes, das es gleichfalls beisteuerte.*) 1635 36 fielen für diesen Zweck aus der Losungstube 466 fl., aus dem Stadtalmosenamt 1395 fl., 1636 37 aus dem Stadtalmosenamt allein 2930 fl., 1637/38 3500 fl., 1638/39 2125 fl., 1639/40 275 fl. Seit dem Jahre 1640/41 zahlte das Stadtalmosenamt keinen Beitrag mehr, man hatte diese fremden Kinder wohl meist wieder aus der Stadt zu den zuständigen Herrschaften abgeschoben. Dagegen steuerte die Losungstube von 1640/41 an noch einige Jahre zur Unterhaltung der Ziehkinder wie auch für andere tägliche Bedürfnisse außer den Kapital zinsen und Renten, wozu sie so wie so verpflichtet war, nicht unbedeutende Beiträge bei: 1640/41 456 fl., 164l/4'2 633 fl., 1642 43 383 fl., 1643/44 483 fl., 1644/45 333 fl., 1646/47 358 fl. und 1647/48 145 fl. Mit diesem Jahre stellte auch die Losungstube die Gewährung besonderer Geldzuschüsse an die Findel wieder ein. Sie waren nur von kurzer Dauer gewesen, aber das Ärar selbst schwebte in fortwährenden schweren Geld nöten und bedurfte der Unterstützung der Ämter, statt sie *) Nach der Rechnung des Stadtaimosenamts, das die Beiträge aus dem sog. Achtviertelalmosen entrichtete, waren es nur 4075 fl., aber dieses Amt hatte eine andere Rechnungsperiode (von Mai zu Mai) als die Findel (von Juni z\x Juni), woraus sich die Verschiedenheit der Angaben erklärt. Auch das Heiliggeistspital erhielt einen jährlichen Zuschuß. * Die Rechnung des Stadt aimosenamts bringt dazu folgende Erläuterung: »Dann auch und dieweil im Junio a° 1634, als die neue Pettelordnung angefangen, über die starken [erwachsenen] Leüte, welche in groser Anzahl aus der Statt geschafft worden, noch viel armer kranker Leut sich befunden, welche ihr Wägs nicht gehen können, als sint dieselben in den neuen Spital verschafft worden, sich daselbsten in etwas zu erholen und dann gleichfalls fortgewisen worden, dessen zu Ergetzlichkeit ist aus dem Almosen dahin bezahlt worden fl. 300.« In den folgenden Jahren erhielt das Spital nichts mehr.
23 diesen, die doch auch mit der schweren Zeit unausgesetzt zu kämpfen hatten, zu gewähren. Daß der Rat jährlich aus der Losungstube nicht unbe deutende Kapitalrenten an die Findel abzuführen hatte, eine Verpflichtung, der er sich dann ohne viel Bedenken entzog, wurde schon zu Anfang dieses Kapitels des näheren ausgeführt. Aber auch andere pflichtmäßige Abgaben wurden ihr im Laufe der Zeit immer mehr beschnitten.
Nach Einziehung der Kirchengüter im Jahre 1525 hatte das zu deren Verwaltung errichtete Almosenamt auch den Genuß der Naturalzinse der Findel auf dem Lande an sich gezogen, wogegen es dieser eine jährliche Pauschsumme entrichtete. 3) Es geht dies aus einem Ratsverlaß vom Jahre 15612) hervor, der anordnet, daß die Mannschaften, die der Findel zuständig seien, aus beweglichen Gründen ins Almosen gezogen worden, wogegen man diesem allerlei Handreichungen an Brot und anderem habe zukommen lassen. Dadurch aber sei dem Almosen jährlich viermalsoviel aufgegangen, als es an Nutzung aus den Findelgütern gehabt hätte. Es wurde daher angeordnet, jene Mannschaften und Güter zwar unter der Verwaltung des Almosens zu belassen, jedoch in Erwägung zu ziehen, wie man es in Zukunft mit diesen Zuschüssen halten wolle, damit das Almosen nicht allein mit solchen Lasten beschwert werde. Die hier erwähnten Lasten wurden nun wohl auf das gebührende Maß herabgesetzt, ja das Almosenamt wußte es so einzurichten, daß es selbst keinen Schaden litt, während die Findel allem Anschein nach nie recht zu dem Ihrigen gelangte. Das Amt steuerte auch sonst noch jährliche Geldbeiträge zur Unterhaltung der Findel in ganz verschiedener Höhe bei. Sie schwankten zwischen 30 und etwa 110 fl. und stammten allem Anschein nach aus einer besonderen Stiftung, dem Jungfrauenalmosen. 1564/65 betrug der Zuschuß sogar 226 fl.. 5 ß 8 den Karl Fürer an die Findel abführte, dafür aber wurde im folgenden Jahre kein Beitrag entrichtet. Vom Jahre 1565/66 an zahlen die *) S. Heft 21, Seite 254 und 256. 2) Rats verlaß vom 1. September 1561.
24 Almosenherrn überhaupt keinen ständigen Zuschuß mehr. Erst mit dem Jahre 1685/86 sind wieder Geldbeiträge des Stadt almosenamts nachzuweisen, die in der Regel 50 fl., aber auch weniger betrugen, zuweilen auch auf 60 bis 80 fl. stiegen.1) In den 30 er Jahren des 18. Jahrhunderts gingen siefortwährend herunter, betrugen im Jahre 1742 43 nur noch 3 fl. 5 ß und hörten dann ganz auf. Das Stadtalmosenamt hatte allem Anschein nach seit der Reformationszeit auch die Verpflichtung der baulichen Unter haltung der Findelgebäude übernommen. Bis zum Jahre 1754 hat es wohl auch die Baufallwendungen durchgeführt, die ihm nun allzu beschwerlich geworden zu sein scheinen. Es verein barte nun mit der Findel eine feste Pauschalsumme. Der in dieser Angelegenheit ergangene Rats verlaß vom 10. Dezember 1754 bemerkt, daß man bei der sehr erschöpften Kassa des Stadt almosenamts und den gesegneten Verhältnissen der Findel sich dahin geeinigt habe, daß das Findelamt gegen einen jährlichen Vorschuß des Stadtalmosenamts alle vorkommenden Baukosten ex proprio bestreiten, die Arbeiten aber durch eigene Hand werksleute ausführen solle. Seit Lorenzi 1758 übernahm schließ lich das Bauamt die Unterhaltung der Gebäulichkeiten der Findel. Mit dem Jahre 1645 steuerte das Landalmosenamt zu den 1635 eingeführten Kornabgaben aus den Mühlen einen beträcht lichen Beitrag an Gültgetreide, 52 Sr, für die Bedürfnisse der Findel bei. Aber diese Lieferungen gingen gegen Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr zurück und hörten schließlich ganz auf. Auf Beschwerde des Findelpflegers, daß vom Land almosenamt eine geraume Zeit nichts mehr abgereicht worden, wendete der Kirchenpfleger ein, daß man diese und andere Ausstände wegen der großen Entlegentheit der Zinspflichtigen nicht eintreiben und die Exekution nicht bewerkstelligen, mithin dem Waisenhaus das Seinige nicht verschaffen könne. Der Rat ließ nun beide Ämter zusammentreten und sie dahin sich vereinigen, daß in Zukunft jährlich 36 Sr an die Findel geliefert und die landalmosenamtlichen Schuldner, soweit tunlich, zum *) 1691/92 und 1692/93 60 fl.; 1693/94 und 1694/95 77 fl.; 1695/96 79 fl.; 1696/97 60 fl.; 1699/1700 73 fl.; 1710/11 46 fl.; 1720/21 68 fl ;
U30/31 37 A-; U40/41
21
A-; I74I/42 13 A- «nd U42/43 3 A-
25 Abtrag angehalten werden sollten. Das Landalmosenamt kam von nun an der Verpflichtung zur reduzierten Abreichung des Gültgetreides nach; daß aber je die großen Ausstände der Zins pflichtigen nachgeholt worden wären, ist aus den Findelrech nungen nicht ersichtlich und wohl auch nie geschehen. Noch im letzten Jahrzehnt des reichsstädtischen Regiments suchte man der mißlichen Finanzlage der Findel durch nicht unbedeutende Geldzuschüsse einzelner Ämter einigermaßen auf zuhelfen. 1796 beschloß der Rat,1) zur Unterstützung des Findel amts auf verschiedene Behörden 500 fl. zu repartieren und als diese Anordnung bei mehreren der in Betracht kommenden Ämter auf passiven Widerstand stieß, auf dieser Anordnung »der nötigen Unterstützung der äußerst erschöpften Findelamts kassa« zu beharren. Jene Behörden, die bisher noch nichts geleistet haben, sollen mit wenigstens der Hälfte der auf sie repartierten Summe der Findel an die Hand gehen und den Rest nach Möglichkeit nachzahlen. Die sog. geistlichen Ämter — denn sie waren es, die der Rat zur Beihülfe aufgefordert hatte — kamen, so gut es eben ging, den ihnen auferlegten Verpflichtungen nach. Für das Jahr 1796/97 steuerte bei das Spital St. Martha...................... 10 fl. das Klosteramt St. Klara .... 50 » der Siechkobel St. Peter..................11 » die Stiftung zum hl. Kreuz .... 10 » das Landalmosenamt...................... 50 » das Konvertitenamt.................. 10 » 141 fl. In den Jahren 1797/98 — 1799/1800 zahlten die geistlichen Ämter überhaupt nichts, vielleicht hatten sie selbst unter Mangel zu leiden oder wollten von dieser für sie unbequemen Neuerung nichts wissen. Aber Hülfe tat not. Deshalb ordnete die Sub delegationskommission, die 1797 vom Kaiser zur Besserung der höchst trostlosen Nürnberger Finanzverhältnisse eingesetzt worden war, eine Unterstützung der Findel durch die Schau an. Es wurden ihr durch letztere 1798/99 300 fl. und 1799/1800 l) Ratsverlaß 1796/97 4. und 29. Oktober 1796.
H. 7, S. 128, FF 8, S. 103 f.
Verlässe vom
26 200 fl. Beihülfe gewährt. Erst 1800/01 kamen zwei geistliche Ämter dem 1796 ergangenen Ratsbefehl zur Unterstützung der Findel wieder nach. Die Siechkobelpflege von St. Peter zahlte 150, die von St. Jobst 400 fl., dazu kam noch vom Zahlamt der Beitrag von 600 fl., im ganzen 1180. 1801/02 zahlte die Siechkobelpflege St. Jobst . . . 400 fl. das Landalmosenamt ........ 400 » 800 fl. 1802/03 das Zahlamt . . . 400 fl. die Siechkobelpflege St. Jobst.............................100 » die Rietersche Stiftungsadministration . . 1000 » 1400 fl. 1803/04 auf Veranlassung der kaiserl. Subdelegations kommission die Rietersche Stiftungsadministration . . 400 fl. das Zahlamt...................................................... 400 » 800 fl. 1804/05 das Kastenamt..................................... 200 fl. das Landalmosenamt für Rechnung des Zahlamts...................................................... 300 » das Zahlamt...................................................... 400 » 900 fl. 1805/06 das Landalmosenamt für Rechnung des Zahlamts...................................................... 750 fl. das Zahlamt...................................................... 250 » 1000 fl. 1806/07 die Siechkobelstiftung St. Jobst .... 200 fl. das Zahlamt auf Anweisung des General landeskommissariats ................................ 500 » 700 fl:
Von nicht geringem Interesse erscheint es zu sehen, wie sich der Staat gegenüber einer Wohltätigkeitsanstalt, wie es doch die Findel war, hinsichtlich der Erhebung von Steuern verhielt. Eine Steuererhebung erfolgte erst im weiteren Verlaufe des 18. Jahrhunderts. Bis zum Jahre 1740/41 einschließlich hatte sie
27 nicht stattgefunden, aber von nun an wurde zunächst eine Kapitalrentensteuer erhoben. Die 4%igen Zinsen von den ausgeliehenen Kapitalien im Betrage von 1000 fl. wurden mit einer Fünfviertellosung = rund 10 fl. belegt. Die einfache Losung hätte 8 fl. oder Vs der Rente betragen.1) Ein an und für sich außerordentlich hoher Steuersatz, es bleibt indes zu berücksichtigen das anderweitige Steuern von der Findel nicht erhoben wurden. Gleich im Jahre darauf — 1742/43 — mußte von weiteren, aber bei weitem nicht allen Vermögens teilen, im ganzen von nur 2000 fl., eine Kapitalrentensteuer im Betrag einer Sechsviertellosung mit beinahe 25 fl. entrichtet werden. Bis zum Jahre 1756/57 blieb die Sechsviertellosung bestehen, trotzdem stieg die Steuer fast von Jahr zu Jahr, da immer weitere Vermögensteile zur Versteuerung herangezogen wurden. In dem letztgenannten Jahre betrug diese Steuer von einer Rente von 448 fl. bereits über 137 fl. Die Sechsviertellosung wurde 1757/58 auf eine 13Uund 1758/59 auf eine doppelte Losung erhöht. In diesem Jahre waren von einer Rente von 420 fl. 171 fl. Steuer abzu führen. Sie betrug demnach Vs des besteuerten Rentenertrags. Das Einkommen der Findel an Kapitalrenten ging in den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts ganz bedeutend zurück. Hatte es 1760/61 bei einer Rente von 422 fl. noch 169 fl. betragen, so war es 1770/71 auf 108 fl. gesunken, wovon die doppelte Losung mit 44 fl. zu erlegen war. Auf dieser Höhe bleiben Renten und Steuern bis zum Jahre 1781/82. Im folgenden Jahre ging diese Steuer auf 22 fl. herunter. Aber es war inzwischen die große Andr. Adam Rostsche Erbschaft im Betrage von 13 640 fl. der Findel zugegangen, die noch mit 185 fl. versteuert werden mußte. Die Steuer schwankte bis zum Jahre 1795,96 zwischen 156(1783/84) und 210fl. (1787/88). Seit 1796/97 konnte sie »wegen Unzulänglichkeit der Findel kasse« nicht mehr erhoben werden. Die Einstellung der Steuer zahlung war zurückzuführen auf die Schmälerung der FindelJ) Bemerkt sei hier noch, daß die einfache Losung zunächst mit dem sechsten Teil der Zinsen des angelegten Kapitalvermögens angenommen wurde. Da aber die eine Hälfte in Silber, die andere in Gold zu erlegen war, so erhöhte sich die Steuer im Verhältnis des Werts von Gold zu Silber etwa um ein Drittel bei dem in Gold zu zahlenden Betrag. •
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einkünfte infolge der Besetzung des Nürnbergischen Gebiets in den Jahren 1792 und 1796 durch die Preußen, denen sofort die Franzosen folgten, die dann wieder von den Österreichern abgelöst wurden. Unter den unaufhörlichen Bedrängnissen und unerschwinglichen Auflagen, unter denen Stadt und Land dem Ruin entgegengingen, litten auch die Ämter auf das schwerste und darunter die mit Gütern keineswegs übermäßig gesegnete Findel. Es kam dazu, daß die preußische Regierung, die das Gebiet bis zu den Toren okkupiert hatte, nun auch von den Gütern der Findel Steuern erhob. Das erste Mal — 1799/1800 — mußten wegen der Galgenwiese bei Glockenhof 4 fl. Wild beitragssteuer und 1 fl. Exekutionskosten an das Kgl. preußische Amt zu Wöhrd abgeführt werden, ferner »auf heftiges Andringen und angedrohte Exekution« die gleiche Steuer von der Steinbühler Findelwiese auf 5 Jahre zurück. Es war nur ein gering fügiger Betrag, im ganzen 1 fl. 10 kr., aber diese Steuern gingen bald beträchtlich hinauf und wurden für das in finanziellen Nöten steckende Findelamt zu einer schweren Last. 1800/01 waren 1 fl. 36 kr. »widerrechtlich abgeforderter« Wildsteuer beitrag für zwei Jahre wegen der Leonharder Wiese an das Kgl. preußische Amt Gostenhof zu bezahlen und außerdem 12 fl. 36 kr., die vom Müller zu Wöhrd seitens des Kgl. preu ßischen Kameralamts daselbst zwangsweise eingetrieben worden waren, zu ersetzen. 1801/02 wuchsen die preußischen Landsteuern schon ganz bedeutend an. Von der Steinbühlerwiese waren für 1799/1800 und 1800/01 an die Kameralbehörde zu Schwabach zu entrichten........................................................... 3 fl. 32 kr. Von der Galgen - und der Wöhrderwiese nach erfolgter Exekution an das Kameralamt zu Wöhrd für 1801/02 ................................................ 13 » 46 » Als Rest vom vorhergehenden Jahre . . 1 » 30 » Exekutionsgebühr............................................... — » 30 » Wegen der Leonharderwiese wurden vom preuß. Kameralamt Fürth für die Jahre 1798 und 1799 eingetrieben.................................................. 7 » 24 » An Servisbeitrag........................................... 1 » 24 » Ebenso für 1799 bis 1802 .......................... 17 * 36 »
29 Wildsteuer wegen der Leonharder Wiese . . . — fl. 8 kr. Desgleichen wegen der Steinbühler Wiese für 2 Jahre . ................................................ — » 15 » Wegen des Findelfeldes bei Galgenhof als Ersatz für die dem Pächter abgedrungene Steuer für die Jahre 1796 bis 1801................................ ' 16 » — » im ganzen 61 fl. 38 kr. 1802/03 betrugen diese Steuern, die in einem Fall durch militärische Exekution ein getrieben wurden, im ganzen...........................26 fl. 7 kr. 1803/04 mit den nachzuzahlenden Rück ständen ...................................................................... 39 * 6* 1804/05 mit Rückständen .....................40 » 14 » 1805/06 mit Rückständen.....................19 * 14 » 1806/Ö7 mit Rückständen, nunmehr an die bayr. Behörde zu Gostenhof und an die Kammerämter zu Wöhrd, Schwabach und Oberferrieden abzuführen, im ganzen..................... 54 » 14 » Diese letzte Steuer, die das Findelamt noch in seiner alten Verfassung entrichtete, sei hier wegen des Interesses, das sie bietet, im einzelnen aufgeführt. Wegen der Leonharder Wiese für das erste Quartal 1806/07 ........................................... 2 fl. 13kr. An die Kgl. bayrische Behörde in Gostenhof von der Galgenwiese 1805/6 ...........................lOfl. 19kr. 2^ und für das erste und zweite Quartal 1806/07 5 » 9 * 3 » Exekutionsgebühr...............................................1» — — In das Kammeramt Wöhrd von der Wöhrder Wiese für 1805/06 und 1806/07 ..................... 6 » 53 » 2 » In das Kammeramt Schwabach an Steuern, Akzise-, Servis- und Furagebeiträgen von der Steinbühler Wiese für 1803/04 bis 1806/07 . 8 » 53 » 2 » In das Kammeramt Oberferrieden für Steuer und Servisbeiträge vom Findelfeld für 2XU Jahre 6 » — — Dann Lazarettkostenbeiträge.................... — 18 » — Ebendahin an Kriegssteuer.................... 1 » 44 » 1 » und nochmals an Lazarettkostenbeiträgen . . — 14 * — Wildsteuer von der Leonharder Wiese . — 8 » —
30 Dsgl. von der SteinbühlerWiese löund 14kr. — 30kr. — Von der Galgenhofer Wiese..................... — 48 » — In das Kammeramt Wöhrd als Beitrag zur Entschädigung des daselbst durch die franzö sischen Truppen mitgeführten Anspannviehs wegen der Wöhrder Wiese................................ 3fl. 14kr. — Desgleichen wegen der Galgenhofer Wiese 7 » 39 » — Diese Steuern wurden auch weiterhin mit den Kriegs kontributionen erhoben, konnten aber häufig wegen Unzulänglich keit der Mittel nicht geleistet werden. Sie betrugen, um ein Jahr herauszugreifen, 1812/13 — Dominikal und Rustikalsteuern mit den Kommunalzuschlägen — nicht weniger als 160 fl. 17 kr. Dazu kamen aber noch bedeutende Kriegskostenbeiträge. 1817 hatte die Findel einen Kriegskostenbeitrag, der noch aus den Jahren 1812 bis 1814 herrührte, an die Gemeinde Gleißhammer und einen Lieferungsbeitrag zur russischen Armee aus einer Wiese und dem Acker beim Wolfsturm') mit 5 fl. vom Jahre 1814/15 her zu leisten. Bis zum Jahre 1815 hatte die Kommunaladministration die von den verpachteten Stadtgräben fallende Steuer bezahlt, wälzte sie aber jetzt auf die Stiftungsadministration der Wohltätigkeit oder im Grunde auf die Findel mit der Begründung ab, daß derjenige, der den Nutzen einer Sache beziehe, auch die Lasten zu tragen habe. Diese seit 1811/12 von einer Steuermasse im Anschlag von 717 fl. zu entrichtende Steuer berechnete sich damals auf 18 fl. Von 1815/16 bis 1818/19 belief sie sich auf 13 fl. 42 kr., darunter 1 fl. 3 kr. »Kriegsäquationsumlage« und 2 fl. 6 kr. Kommunalzuschlag. Noch weiter auf diese Verhältnisse mit Bezug auf die Findel näher einzugehen, kann nicht der Zweck dieser Aus führungen sein. Es sollte nur das Besondere und Charakteristische, wie es, durch die ehemaligen Zeitumstände bedingt, in der Besteuerung eines doch verhältnismäßig kleinen Instituts zutage trat, in seinen Anfängen und seiner ersten Entwicklung dar gelegt werden. Auf die moderne Steuererhebung kann hier nicht näher eingegangen werden. *) Beim Hallerschlößchen.
31
7Die Findel unter staatlicher Verwaltung.
Traurige finanzielle Lage der Findel. Stellung unter die Unterriclitsstiftungs-, dann unter die Wohltätigkeitsadministration. Zustände in der Findel: Gebäude, Versorgung der Kinder und ihr Gesundheits zustand, Personal, Kosten der Haushaltung, Zuschüsse des Staats, Mangel und Not. Bedeutende Mindereinnahmen. Reorganisation. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Generalkommissariat und Stiftungs administration. Unterstellung unter diese Administrationsbehörde. Auf lösung der Ökonomie. Verkauf bezw. Verpachtung der Grundstücke und Geräte. Bauliche Änderungen. Beabsichtigte Auflösung der Findel. Verbesserung in der Lebensweise. Speiseordnung. Kirchliche Zuge hörigkeit.
Man sollte annehmen, daß die materielle und finanzielle Lage der Findel unter dem neuen Regiment sich mit einem Schlage gebessert hätte und nunmehr in jeder Beziehung wenn auch nicht gerade erfreuliche, so doch erträgliche Zustände eingetreten wären. Das war nicht der Fall. Im Gegenteil die Lage verschlimmerte sich von Tag zu Tag und es bestand zunächst auch gar keine Aussicht auf Besserung. Es will uns gar nicht glaublich erscheinen, wie sehr die neue Regierung die Armen- und Pflegeanstalten, denen sie doch eine besondere Sorge hätte zuwenden sollen, einem großen Elend überließ. Es fehlte an allem, besonders an Geld. Die nächsten Aufsichtsbehörden verfügten, wie es scheint, nicht über die hinreichenden Mittel und in München hatte man anscheinend die Nürnberger Findel ganz vergessen. Es bestand die Meinung, sie müsse sich aus eigenen Mitteln erhalten. Aber die früheren Einnahmen waren sehr zurückgegangen, hatten sogar zum Teil ganz zu fließen aufgehört. Die Zinsen von den Stiftungskapitalien gingen nur unregelmäßig ein, die
32 Abgaben aus den Dungstätten, die Leichengelder, die Kinder aufnahme- und Unterstützungsbeiträge, die Schenkungen, die Bürger- und Meistergelder und später die der Findel nach Auf hebung des Armen- und Arbeitshauses (1807) zugewiesenen Sammelgelder gingen entweder immer mehr zurück oder wurden wie die letztgenannten Gelder, obschon sie der Findel zuge standen worden waren, weil die endgültige Entscheidung des Ministeriums ausblieb, gar nicht erhoben. Auf der anderen Seite die vermehrten Ausgaben, die sich zeitweilig aus der größeren Kinderzahl und der Verteuerung aller Lebensmittel ergaben. Da die Mittel zur Unterhaltung der Kinder und des Per sonals auch nicht entfernt ausreichten, so wirtschaftete man einfach auf Borg, brachte sich um allen Kredit und stand schließ lich vor dem finanziellen Zusammenbruch. Das Findel- und Waisenhaus wurde der Stiftungsadmini stration der Erziehung und des Unterrichts unterstellt, die wiederum dem Kgl. Generalkommissariat des Pegnitzkreiscs unterstand. Die polizeiliche Aufsicht hatte die Kgl. Polizei direktion, und man muß es anerkennen, daß der sonst so viel geschmähte Polizeidirektor Wurm sich der armen Waisen, soweit es in seinen Kräften stand, auf das warmherzigste annahm. Immerhin herrschte bezüglich der Aufsicht und Unterhaltungs pflicht nicht immer die wünschenswerte Übereinstimmung und die Findel war stets der leidende Teil, wenn jene Ämter, statt helfend einzugreifen, sich wegen der Zuständigkeit herumstritten.]) l) An der Stiftungsadministration der Erziehung und des Unterrichts fand die Findel eine ganz unzureichende Stütze. Sie vertrat ja, wie es an sich recht war, die Interessen des Staates, aber eine energischere und wärmere Fürsorge für das Wohl der ihr anvertrauten Findelkinder hätte über die einfach grauenhaften Zustände, wie sie in dieser 'Kindererziehungsanstalt so grell zu Tage traten, wenigstens einigermaßen hinweghelfen müssen. Der Stiftungsadministrator war zwar ein kranker Mann, aber das war noch längst kein zureichender Grund, um hier völlig die Zügel schießen zu lassen. Man half der Findel nur dann mit ganz besonderer Energie, wenn es auf Kosten anderer geschah, und scheute da bis sogar in die höheren Regionen vor offen barem Unrecht und Vergewaltigung der Schwachen nicht zurück. In einem höchst eigentümlichen Lichte erscheint das Verhalten der Stiftungsadministration gegenüber der Baderswitwe Maria Magdalena Öder, der Haushälterin des Handelsmanns Andreas Adam Rost, der ihr ein jährliches Legat im Betrage von 200 fl. vermacht hatte, das nach seinem im Jahre 1781 errichteten Testamente von der Findel als seinem Erben ausbezahlt weiden sollte. Die Administration zahlte das Legat wegen der angeblichen Zahlungs unfähigkeit der Findel einfach nicht aus, nur im Jahre 1809 verstand sie sich einmal zu einer Abschlagszahlung von im ganzen 50 fl. Die Frau soll sich
33 Gegen Ende des Jahres 1810 wurde die Verwaltung des Findel- und Waisenhauses trotz der Vorstellung, daß es wohl keine Anstalt gebe, die im eigentlichen und strengen Sinne mehr eine Erziehungs- und Unterrichtsanstalt sei als die Findel, der Administration der Erziehung und des Unterrichts genommen und jener für Wohltätigkeit übertragen. Dazu bemerkt die seitherige Verwaltungsbehörde, daß sie für das Beste des Instituts alles getan habe, was unter den bestehenden widrigen Verhältnissen möglich gewesen sei. Die innere Verwaltung und Aufsicht habe sie erst vor sechs Monaten übernehmen können, während dieser Zeit aber gleichwohl die jährlichen Natural einnahmen um 20 Simmer Korn vermehrt *) und das Institut von einem seit ältester Zeit unrechtmäßig gezahlten Aufschläge von mehreren 100 fl. befreit. Die Anstalt sei aber viel zu tief herabgekommen, als daß es möglich wäre, alles wieder in guten Stand zu setzen. Es gleiche mehr einem Straf- als einem Erziehungshause. Aber Knaben und Mädchen hätten jetzt doch statt der Lumpen, womit sie früher kaum ihre Blöße hätten bedecken können, eine gute Bekleidung Erhalten, ohne daß die bei der Übernahme vorhandenen Kurrentschulden von 2000 fl. vermehrt worden wären. gedulden, bis sich die finanziellen Verhältnisse der P'indel gebessert haben. »Denn die aufgenommenen Kinder hungern zu lassen,« bemerkt sie in ihrem Bericht an das Ministerium vom 6. Oktober 1809, »um sie, die doch arbeiten kann, befriedigen zu können, wäre ein unmenschliches Verlangen«. Obschon nun das Ministerium trotzdem die Auszahlung des Rückstands, der damals auf 372 fl. angewachsen war, in vierteljährlichen Raten und zugleich die Ver steigerung des überflüssigen Inventars wohl aus dem Grunde anbefahl, damit aus dem Erlös die Forderung der Öder befriedigt werde, so wurde doch nur ein geringer Teil der Schuld abgetragen, die im Jahre 1811 die Höhe von 525 fl. erreicht hatte. Die Angelegenheit kam sogar zur gerichtlichen Klage und man mußte sich dann schließlich auch dazu bequemen, der Witwe ihre Forderung mit einem Nachlaß von 100 fl., zu dem sie sich schon früher in den Verhandlungen bereit erklärt hatte, auszuzahlen. Uns erscheint es einfach unbegreiflich, wie die staatlichen Behörden sich immer wieder auf das stete Anwachsen der Ausgaben und die Abnahme der Einnahmen sowie auf die Zahlungsunfähigkeit des Findel- und Waisenhauses berufen konnten. Es wäre doch wohl die Pflicht des Staates gewesen, mit der Übernahme der Stadt und ihres Gebietes auch für die Verbindlichkeiten aufzukommen, zumal bei einem Institut, das so sehr der Fürsorge des Staates in jener Zeit bedurfte. *) Sie hatte es durchgesetzt, daß die früher an das Arbeits- und Armen haus aus dem Spital geleisteten 4 Simmer Korn und weitere 16 aus dem Land almosenamt, die seit 1808 nicht mehr gereicht worden waren, letztere mit Rück wirkung bis auf 1807/08 entweder in natura entrichtet oder zu dem damals geltenden Normalpreis vergütet wurden.
34 Bevor wir uns mit der Verwaltung und dem Zustande des Findel- und Waisenhauses in bayrischer Zeit näher befassen, erscheint es angebracht, uns einigermaßen die Beschaffenheit des Instituts bei der Übernahme durch den Staat vor Augen zu führen. Die Findelgebäude — denn es war ein ganzer Komplex von Häusern — setzten sich aus einzelnen Bestandteilen des 1525 aufgehobenen Franziskaner- oder Barfüßerklosters, die für die Zwecke der Anstalt umgebaut waren, und weiteren dazu aufgeführten Gebäulichkeiten zusammen. Sie erstreckten sich von der Kirche, dem späteren Besteimaierschen Hause an der Königstraße und dem ehemaligen Zucht- und Werkhause, dem heutigen Museum, gleichfalls Bestandteilen des ehemaligen Barfüßerklosters, bis östlich zum Bergauerplatz, dann von der Pegnitz bis südlich zur Findelgasse und umschlossen einen größeren vorderen (westlichen) und einen kleineren hinteren (östlichen) Hof, um die sich eine Reihe von Gebäulichkeiten gruppierten, so die Pfleger- und Elternwohnungen, die Kinder stuben, die Schlafkammern, das Schulzimmer, die Stallungen, die Küche, das Back- lind das Waschhaus, die Böden (Heu-, Kornund Waschböden). Auf der Ostseite befand sich der Garten für den Pfleger, der zeitweilig auch den Kindern zugänglich war. Nach den von dem schon erwähnten Findelschüler und späteren namhaften Maler und Kupferstecher Markus Tuscher gefertigten Tuschzeichnungen waren sie etwa im Anfang der 30 er Jahre des 18. Jahrhunderts in einem gut gehaltenen Zustande, ja sie machten damals im Äußeren wie im Innern einen erfreulichen, ja anheimelnden Eindruck. Nach den Beschreibungen aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts gleich nach dem Übergang der Stadt an Bayern sind die Findelgebäulichkeiten sehr herunter gekommen, ja zum Teil baufällig geworden und drohen den Einsturz. Im großen Hofe stand das Hauptgebäude, dessen erstes und zweites Obergeschoß, neun heizbare Zimmer, ebensoviele Kammern und zwei Küchen umfassend, von dem Findel pfleger v. Fürer und seiner Frau, der Findelpflegerin, bewohnt wurden. Das Erdgeschoß enthielt außer einem Vorplatz und einem Gewölbe die große Stube für die erwachsenen Kinder zu ihrem beständigen Aufenthalt. Dieses Zimmer war niedrig, finster, für die vielen Kinder zu klein, auch zu tief und winklig,
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Das Kgl. Bankgebäude und die Nikolauskapelle vor dem Umbau der Bank (1847—49). Links im Hintergründe die Findel. Aquarell von G. C. Wilder d. j. (April 1847). Im Besitz der Kgl. Bank dahier.
35 als daß frische Luft hätte hineingebracht werden können. Mit den Kindern arbeiteten in diesem Raume der Findelvater mit seiner Frau, der Schneider und die Nähterin. Im Erdgeschoß befand sich außerdem noch die Küche, die Speisekammer und ein weiteres Gewölbe. Zunächst am Haupttore hatte der Schullehrer, der un verheiratet war, »ein kleines Stübchen« inne. Das dem Haupteingange — an der Findelgasse — gegen überliegende Gebäude umfaßte im Erdgeschoß die Stallungen für zehn Kühe, oben zwei Schlafsäle, die als geräumig und gesund bezeichnet werden, die Heu-, Stroh- und Getreideböden und die »Wohnung« des Aufsehers, aus einer Stube bestehend. Zur linken Seite des Eingangs stand ein Gebäude, das im Erdgeschoß zwei Wagenschuppen, zwei Holzgewölbe und einen kleinen Stall und oben ein geräumiges Zimmer, das als Spinn stube diente, eine kleinere Stube und zwei Kammern zur Auf nahme von allerlei Sachen und einen Waschboden umfaßte. Dieses Gebäude war in einem guten Zustande, und es hätte mit geringen Kosten darin eine Arbeits- oder Krankenstube oder auch eine Stube für die kleineren Kinder errichtet werden können. Zwischen diesem Gebäude und dem Bestelmaierschen Hause nach der Königstraße hin war noch ein Milchkeller, eine Kammer und ein Pferdestall. An dem kleineren Hof lagen der Garten, V4 Tagwerk groß, ein Gebäude mit einem heizbaren Zimmer und einer Kammer sowie einer weiteren Kammer zum Aufenthalt der Kinder vom vierten bis zum siebenten Jahre, einer weiteren kleineren Kammer, einem Backofen und einer Backstube, oben mit zwei Vorratskammern, einem heizbaren Schulzimmer, einem Krankenzimmer und einer Bodenkammer. In der Findel waren damals (1809) 48 Knaben und 29 Mädchen vom vierten Jahre an untergebracht, die Kinder unter dieser Altersgrenze, 9 Knaben und 11 Mädchen, auf Kosten der Anstalt bei sog. Pflegeeltern oder Ziehmüttern versorgt. Außerdem hatte aber die Anstalt noch die bei einem Handwerksmeister in die Lehre gegebenen Knaben und die bei einer Dienstherrschaft untergebrachten Mädchen mit der 3
36 erforderlichen Kleidung auszustatten und noch auf vier weitere Jahre für den Ersatz derselben Sorge zu tragen. Es war dies nicht allein eine sehr wohltätige, sondern auch eine notwendige Einrichtung, da die Handwerksmeister und Dienstherrschaften nicht zu bewegen waren, die Kinder auch noch zu kleiden. Über den Gesundheitszustand der Kinder wird bemerkt, daß er allerdings manches zu wünschen übrig lasse. Die in allen ähnlichen Instituten auftretenden Unzuträglichkeiten machten sich auch hier bemerkbar. Das viele Sitzen in kleinen, über füllten, dumpfigen Räumen, die Art der Arbeit, das Baum wollenspinnen, womit die meisten Kinder beschäftigt wurden, die gewöhnlicheren Nahrungsmittel und der Mangel an Bewegung in freier Luft verhinderten das Wachstum und Gedeihen dieser schon von Haus aus in der Entwicklung zurückgebliebenen und im elendesten Zustande übernommenen armen Geschöpfe. Ein wesentliches Hindernis des Wachstums der Kinder in stark angefüllten Waisenhäusern wie in Nürnberg wurde auch darin erblickt, daß die Kinder keinen genügenden und ungestörten Schlaf genossen, da so viele unter ihnen waren, die durch ihre Klagen über ihr körperliches Übelbefinden die Ruhe der übrigen störten, und daß sie in zarter Jugend teils zum Gebet, teils zur Arbeit allzufrüh aus dem Schlaf gerissen wurden. Ver nachlässigung von Seite der Aufseher, bemerkt der Bericht, könne nicht gerügt werden, aber an etwas anderem kranke die Anstalt wie alle ähnlichen ganz besonders, an dem Geld mangel. Wäre mehr Geld vorhanden, so brauchte man die Kinder nicht gar zu sehr zur Arbeit anzuhalten und könnte sie auch besser verpflegen und kleiden. Hinsichtlich der Moralität der Kinder wird nur bemerkt, sie hätten wenig Gelegenheit, freien Willen zu äußern, schienen indes im übrigen gut geartet und folgsam zu sein. Das bei dem Findel- und Waisenhause angestellte Personal blieb bis zur Neuorganisation im Jahre 1810 in seiner bisherigen Stellung. An der Spitze der Wirtschaft stand der Findelpfleger v. Fürer und seine Frau, die gleichfalls amtlich angestellt war. v. Fürer war näch dem Bericht vom Jahre 1809 schon ein 8#jähriger Greis und sehr gebrechlich. Fast die ganze Verwältutag lag seiner Fräu ob, die von der Polizeidirektion mit
37 den höchsten Lobsprüchen bedacht wird, während die Stiftungs administration weniger von ihr erbaut ist.*) Der jährliche Bezug des Findelpflegers an Gehalt und Akzidentien — Geldbeträge für ehedem bezogene Naturalien u. a. — betrug 360 fl. Der Aufseher, der frühere Findelvater Kern, dessen Frau die Wirtschaft besorgte und der die Aufsicht über die Kinder im weitestenUmfange oblag, bezog 380 fl., der Schullehrer 227 fl., der Knecht 38 fl. 50 kr., die Köchin 32 fl. 3 kr., die Kinder wärterin 29 fl. 31 kr., die Nähterin ebensoviel, die Viehmagd 38 fl. 20 kr., der Schneider 38 fl. 33 kr., der Viehhirt 25 fl. 46 kr., der Hausknecht 37 fl. 39 kr. Für die Konfirmierung der Kinder erhielt der Pfarrer Wagner 15 fl. 51 kr., für den Unterricht der Kommunikanten der Theologiekandidat Pabst 18 fl., der Hausarzt Dr. Riederer 11 fl., der Chirurg Nehr 30 fl. 15 kr. Die im Hausdienst der Findel stehenden Personen hatten über dies freie Kost, die jährlich auf 750 fl. 32 kr. in Geld angeschlagen wurde. Für Besoldungen, Lietlöhne und Verköstigung des ganzen im Dienst der Findel stehenden Personals wurden da mals 2048 fl. 21 kr. verausgabt. Die Ansätze waren durch gängig so gering, daß sich daran nichts abmindern ließ, eher wäre bei manchem eine höhere Entlohnung am Platze gewesen. Auch an eine Einschränkung des Personals ist nach dem Bericht der Polizeidirektion nicht zu denken, jedes hat hinreichend zu tun. Die Verpflegungskosten, für im ganzen 125 Kinder*2) berechnet, wurden für jedes Kind auf wöchentlich 1 fl. an genommen. Sie können dafür außerhalb der Anstalt kaum unterhalten werden. Dazu kamen aber auch noch die Ausgaben für die Bekleidung der Findel- und Pflegekinder, der Lehrlinge und Dienstmädchen. Bei den wachsenden Ausgaben, die die Preissteigerung aller Lebensbedürfnisse verursachte, war es ganz ausgeschlossen, die Einnahmen und Ausgaben der Findel auch nur entfernt ') Sieh S. 47. 2) Es waren damals allerdings bloß 97 Kinder in und außerhalb der Findel untergebracht. Der Bericht nimmt die höhere Anzahl an, um einer etwaigen Erhöhung der Kosten durch Mehrung der Kinderzahl gerecht zu werden.
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38 in Einklang zu bringen. Es wird sich das zeigen, wenn wir uns einmal näher betrachten, was ein bestimmtes Jahr an Einnahmen brachte und was es dagegen aufzubringen hatte. Eine solche Aufstellung ist für das Jahr 1809 gegeben und möge hier eine Stelle finden: Einnahmen. Kapitalzinsen.......................................... 1274 fl.23 V2 Eigen- und Gattergelder.................... 326 » 34 V2 Bestandzinse.............................................541 » 3 Gesammelte Gelder............................... 346 »10 Verdiente Gelder........................................... 11 » 49 Vermächtnisse, Stiftungsgelder und Geschenke 100 » — Leichengebühren und Kissengelder ... 400 » — Beamten- und Bürgergelder.................. 123 » 53 Aufnahmegelder.................................... 423 » — Hinterlassenschaften verstorbener Kinder . 3 » 58 Handlohn...................................................... 11» — Verkauftes Vieh ............................................ 385 »45 Verkündgelder......................................... 91 » 39 Verkaufte Milch.................................... 654 »32 Kleien vom abgemahlenen Korn . . 34 » 57
kr. » » * » * * » » * » » » » »
4728 fl. 44 kr. Ausgaben. Renten von 4000 fl. Passivkapital................................ Verköstigung der Kinder in und außerhalb des Hauses Bekleidung der Kinder sowie der Dienstmägde . Unterstützung der Lehrlinge ........ Besoldungen, Löhne und Kostgelder des Personals
80 5044 1387 192 2048 8751
fl. » » » » fl.
Demnach beliefen sich die Ausgaben beinahe auf das Doppelte der Einnahmen. Sollte die Anstalt nicht bald ihrem sicheren Ruin entgegengehen, so war es hohe Zeit, entweder neue ergiebige Einnahmequellen zu erschließen oder aber die Zahl der Kinder bedeutend einzuschränken und die ganze Wirtschaft auf eine andere, weniger kostspielige Grundlage zu stellen.
39 Bemerkt sei hier, daß die Haupteinnahme des Findel- und Waisenhauses, die Kapitalzinsen im Betrag von rund 1274 fl., bis in die neue Zeit hinein — 1807/08 — vom Findelpfleger selbst verrechnet worden waren. Seit dem Jahre 1808/09 wurden sie von der Stiftungsadministration eingezogen und je nach Bedarf an den Findelpfleger ausbezahlt. Was die Findel an wirklichen Zuschüssen vom Staate erhielt, war nicht der Rede wert. Im Jahre 1808/09 erhielt sie in einzelnen Vor schüssen 1800 fl., der Zuschuß der Stiftungsadministration, den sie aus eigenen Fonds gewährte, betrug demnach etwa 520 fl., und selbst da weiß man noch nicht, ob nicht auch noch der Findel zustehende Renten in dieser Summe inbegriffen waren. 1810/11 waren es rund 1700 fl., die die Administration der Findel gewährte. Im übrigen steuerte die Polizeidirektion zu weilen, wenn die Anstalt sich in höchster Not befand, nach Kräften bei, so 1807/08 300 fl., 1808/09 124 fl. Je länger die neue Regierung zögerte, durch Erschließung neuer Einnahme quellen entsprechende Zuschüsse und durch die längst in Aus sicht gestellte Reform der Anstalt und ihrer Wirtschaft aufzuhelfen, um so mehr verschlimmerte sich der ganz unerträgliche Zustand, der den in Betracht kommenden Behörden nur zu wohl bekannt war. So berichtet der Polizeidirektor Wurm am 15. November 1808 an die Kgl. Stiftungsadministration, daß in der Findel völliger Mangel eingetreten sei. Die dringende Not zwinge die Polizei direktion fast täglich, neue Kinder aufzunehmen, ohne daß man auch nur das Geringste für ihre Unterhaltung beitragen könnte. Die Findelinspektion sähe sich ganz außer Stande, sie zu er nähren, wenn nicht schleunige Hülfe geleistet werde. Eine beträchtliche Summe sei auch zur unumgänglich notwendigen Kleidung erforderlich. Da die Kgl. Polizeidirektion keine Mittel besitzt, so muß sie deren Beschaffung der Stiftungsadministration anheimstellen. Um jene unglückseligen Opfer nicht den Wir kungen des Hungers und Elends preiszugeben, möge sie nicht allein zur unverzüglichen Beschaffung der für den Augenblick zur Verpflegung und Bekleidung erforderlichen Geldmittel Maß regeln ergreifen, sondern auch Sorge tragen, daß nicht weiterhin Zustände einträten, die die Auflösung der ganzen Anstalt zur Folge hätten.
40 Die Stiftungsadministration stellte darauf (22. November) dem Ministerium die klägliche Lage des Findel- und Waisen hauses mit eindringlichen Worten vor. Sie wies darauf hin, daß schon seit mehreren Jahren die Ausgaben die Einnahmen überstiegen hätten und in den 10 Jahren von 1797/98 bis einschließlich 1806/07 10 651 fl. mehr ausgegeben als ein genommen worden seien. Die Mehrausgaben seien damals durch die Zuschüsse aus andern Ämtern und Kassen gedeckt worden. Sie sieht den Grund der Mindereinnahmen, die sich mit jedem Jahre erhöhen müßten, in dem Rückgang aller Einkünfte und der Steigerung der Ausgaben. Sie hofft, daß der der Findel durch die infolge der Verfügung der Herabsetzung der Zinsen von allen beim Staate angelegten Kapitalien von 4 auf 2 % drohende bedeutende Verlust »durch allerhöchste Huld und Gnade« abgewendet werde. Nur eine vollständige Reform der Findel und ihrer Wirtschaft könne ihr wieder aufhelfen. Doch damit hatte es noch gute Wege. Was die Anstalt an Zuschüssen vom Staat erhielt, konnte der Not in keiner Weise abhelfen. Im Jahre 1808 erwirkte die Polizeidirektion durch Vermittlung der Kgl. Schuldentilgungs kommission vom Zahlamt bare 300 fl. und 1809 gar 500 fl. Trotz eindringlichster Vorstellungen hatte der Findelpfleger schon am 19. November 1808 wieder auf den Mangel an allem hingewiesen und für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse einen Zuschuß von 1200 fl. gefordert, falls nicht die Anstalt in kurzem »in einen Zustand totaler Insolvenz versetzt werden solle«. Ein Bericht an die Stiftungsadministration vom 27. No vember entwirft ein wahrhaft erschreckendes Bild von dem unhalt baren Zustande, der jetzt eingetreten war. Seit 8 Tagen war die Kasse des Findelpflegers völlig leer, erbesitzt, wie er klagt, keinen Heller. Die seit 14 Tagen aufgelaufenen Kostgelder des Personals und der kleinen Kinder, die außerhalb der Anstalt bei Ziehmüttern aufgezogen werden, sowie die übrigen Haus haltungskosten können nicht bestritten werden. Einschließlich der Forderung des Altmachers1) belaufen sich diese kleinen Beträge auf 150 fl. Die Forderungen des Dienstpersonals wegen seines täglichen Unterhalts werden immer dringender und es steht zu *) Flickschusters.
41 befürchten, daß ein längerer Aufschub der Bezahlung ihrer Löhne von den nachteiligsten Folgen sein und ein noch mehrere Tage andauernder Geldmangel das ganze Institut in den hülflosesten Zustand versetzen und zuletzt dem Zufall preisgeben werde. Zur Befriedigung dieser dringendsten Bedürfnisse ver langt er die schleunige Zuweisung von 300 fl. Statt dessen erhielt er 100 fl. mit der Bemerkung, daß alle Renten des zur Verwaltung der Stiftungsadministration gehörigen Fundationsvermögens abgegeben und schon aus anderen Kassen Vorschüsse gemacht worden seien. Das Generalkommissariat hatte der Polizeidirektor Wurm schon am 23. November 1808 um Erwirkung einer ausgiebigeren Geldhülfe gebeten. Die Mittel, welche sofort mühsam zu ihrer Unterhaltung aufgebracht worden seien, reichten höchstens so weit, um sie für den Augenblick vor dem totalen Untergang zu retten. Keine der Nürnberger Versorgungsanstalten, so korrupt sie auch zum größten Teil seien, befinde sich in einer so überaus schrecklichen Lage wie das Waisenhaus. Und doch sei es die Anstalt, deren man in den jetzigen Zeiten am aller notwendigsten bedürfe, denn täglich steige der Andrang von Menschen, die von der Polizeidirektion die Versorgung hülfloser Kinder heischten. Aller Geldvorrat sei längst erschöpft und es habe sich schon Mangel an Lebensmitteln eingestellt. Dazu komme, daß manche, besonders die neuaufgenommenen Kinder, welche auch nicht die notdürftigste Kleidung mit in die Findel brächten, kaum mehr ihre Blöße bedecken könnten. Gesund heit und Leben der Kinder seien deshalb in Gefahr, welche ohne außerordentliche Unterstützung schlechterdings nicht besei tigt werden könne, da durch das lange Borgen und die augen scheinliche Insolvenz der Anstalt aller Kredit geschwunden sei. Er beantragt daher, daß der Findelanstalt eine ergiebige Unter stützung durch Abtragung der aufgelaufenen Zinsenrückstände von den beim Ärar angelegten Kapitalien oder aber auf andere bestmögliche Weise zugewendet und in Zukunft die vollen obligationsmäßigen Zinsen ausgezahlt werden möchten. Auf die weiteren Vorstellungen, worin der Findelpfleger berichtete, daß die Ziehweiber die Kinder zurückzugeben drohten, der Metzger sich weigere, noch auf längeren Borg Fleisch abzugeben, daß
42 die Kinder nicht bekleidet und besonders auch für die zum ersten Mal zum Heil. Abendmahl gehenden die erforderlichen Kleidungsstücke nicht angeschafft werden könnten, der Jahres lohn der Dienstboten und Angestellten seit Lichtmeß fällig sei, andererseits aber die Stiftungsrückstände durch das Zablamt nicht abgeführt und die Geldsammlung immer noch nicht geneh migt worden sei, gab die Stiftungsadministration überhaupt keine Antwort. Zu Anfang des Jahres 1809 sandte sie 500 fl. Die sämtlichen Bittschriften des Findelpflegers bis Ende 1809 schrieb sie einfach zu den Akten mit dem Vermerk, daß kein dem Institut zuständiges Geld vorhanden und auf den an das Mini sterium in der Sache erstatteten Bericht vom 22. November noch keine Verfügung eingelaufen sei. Und doch wäre eine schleunige und durchgreifende Hülfeleistung durchaus notwendig gewesen. Von dem, was einkam, konnte auch nicht das Allernotwendigste bezahlt werden. Krämer, Apotheker, Bader, Schuster, Buchbinder, Schmied, Tuchhändler und andere Gewerbetreibende hatten Rückstände zu fordern, die auf Jahre zurückgingen und sich infolge der Zahlungs unfähigkeit der Anstalt immerfort mehren mußten. Die Klagen hörten auch in der Folge nicht auf. Es fehlte besonders auch an Betten für die Kinder. Und wenn auch aus dem Bestand des Heil. Geistspitals eine Anzahl zur Verfügung gestellt wurde, so waren sie doch sofort wieder belegt. Einen Zuschuß an barem Geld konnte die Anstalt immer noch nicht erhalten, sie schwebte dazu fortwährend in der Furcht, daß die Reduktion der Kapitalzinsen auf die Hälfte des Ertrags auch für sie durchgeführt werden würde. So war nicht abzusehen, wi^. sie noch länger bestehen sollte. Der Findelpfleger kann es nicht verschmerzen, daß die mit über 31000 fl. allein an Kapital dotierte Anstalt dem empfindlichsten Mangel preisgegeben sei. Um die Lage nicht bis zum Äußersten zu verschlimmern, bittet er, das Institut für geschlossen zu erklären und von nun an mit der Aufnahme von Kindern einzuhalten. Die Polizeidirektion vertröstet darauf die Findelinspektion damit, daß sie Bericht an die höchste Behörde erstatten werde. Von einer Schließung, d. h. Ablehnung weiterer Aufnahmen, könne nicht die Rede sein. Die Fälle, in denen die Versorgung hülfloser Kinder
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Außenansicht der Findel mit dem Ostchor der ehern. Barfüßerkirche. Kopie eines Aquarells von Herrn Privatier J. A. Luckmeyer 1892.
43 absolut eintreten müßte, seien unabwendbar. Die Polizeidirektion werde sich indes fortwährend beeifern, die Anstalt in Aufnahme zu bringen, die versiegten Einnahmequellen fließend zu machen und neue zu eröffnen, wo es immer nur möglich. Das waren ja recht schöne Aussichten, nur schade, daß sie sich nicht verwirklichen ließen. Im Laufe des Jahres 1809 verschlimmerte sich die Lage zusehends. Ein Bericht der Stiftungsadministration an das Ministerium schildert sie in den düstersten Farben. Die Not vergrößere sich mit jedem Tage, da die vielen Gläubiger immer dringender und unter Androhung des Zwangsverfahrens ihre endliche Befriedigung forderten, die Kinder aber nun bald ohne alle Bedeckung sein würden. An diesem traurigen Zustande wurde auch durch die damals ergangene Verfügung nichts geändert, daß die Staatskassen mit Rücksicht auf die bedrängte Lage der Findel die Kapitalzinsen unverkürzt abführen sollten. Das Weizenbräuamt weigerte sich übrigens, dem nachzukommen, und die übrigen Ämter beeilten sich nicht sonderlich. Am 17. Juni 1809 berichtet wieder einmal die Findel inspektion über den Geldmangel der Findelkassa und die Not in der Anstalt, die von Tag zu Tag größer werde. In dem laufenden Jahre 1808/09 habe die Anstalt noch nicht den geringsten Zuschuß erhalten. Zwar seien durch landesherrliche Verfügung die früher von der Bürgerschaft für das jetzt aufge löste Armen- und Arbeitshaus geleisteten Beiträge nunmehr dem Waisenhaus zugewiesen worden und die Kgl. Administration der Erziehungs- und Unterrichtsanstalten hätte diese viertel jährlichen Beiträge einziehen sollen, aber trotz aller Erinnerungen und der schon im Januar erlassenen Bekanntmachungen sei es weder an Lichtmeß noch an Walburgis geschehen. Wenn das auch noch nachgeholt werde, so würden doch noch einige Wochen darüber hingehen und mit einem solch bedauerlichen Verzug sei der Findel nicht gedient, da die Not schleunige Hülfe erheische und der Ertrag der so verspäteten Sammlung nicht von dem Erfolge sein könne, dem Bedürfnis vollständig abzuhelfen. Der Schullehrer habe nun schon 1V2 Monate lang seine Wochenrechnungen nicht abgeschlossen, weil ihm der nötige
44 Zuschuß von nunmehr 300 fl. nicht habe geleistet werden können. Der Schuhmacher, der Weber, der Bierbrauer, der Metzger und viele andere Personen könnten nicht bezahlt werden, nicht zu gedenken der alten Schulden bei der Lobenhoferschen Tuch handlung und dem Apotheker. Sie alle drängten unter den verletzendsten Äußerungen auf Befriedigung ihrer Forderungen. Auch er selbst — der Findelinspektor Fürer — habe seinen Vorschuß noch nicht zurückerhalten und habe doch sonst noch so manches Opfer gebracht. Beinahe 100 Kinder zu verpflegen und zu bekleiden, ein Dienstpersonal von 11 Personen zu verköstigen und zu entlohnen, 13 Lehrjungen während ihrer Lehrzeit mit Kleidern und Wäsche zu unterhalten und die Wirtschaftskosten zu bestreiten, erfordere einen nicht unbedeutenden Aufwand. Für das laufende Etatsjahr — also schon SU desselben — seien einschließlich der Zahlungen der Kgl. Stiftungsadministration erst 2700 fl. eingegangen und eine solche Einnahme könne nicht ausreichen, zumal wenn noch alte Forderungen zu begleichen wären. Von den Einkünften des aufgehobenen Armen- und Arbeitshauses, für das beim Staat nicht unbeträchtliche Kapitalien angelegt sein müßten, sei noch kein Kreuzer an das Waisenhaus gekommen, obgleich dieses den ersten Anspruch darauf hätte, da die daraus entlassenen Kinder ihm zugeteilt worden wären. Die vom Landalmosenamt jährlich abzureichenden 36Simmer Korn seien schon geliefert und verbraucht und für den Rest des Jahres nur noch das von den Mühlen abzugebende Sammel getreide zu erwarten. Es sei im Vergleich zu früher in der Menge sehr zurückgegangen und werde nicht lange ausreichen, so daß man zukaufen müsse. Es sei notwendig, die Einkünfte an Geld und Korn so zu regulieren, daß man nicht immer mit Mangel aller Art zu kämpfen habe. Für jetzt aber müßten schleunigst wenigstens 1000 fl. beigebracht werden, damit einigermaßen Ordnung geschafft, das Nötigste berichtigt werden könne und nicht der leidige Fall eintrete, daß die Kinder dem Hunger preisgegeben und auf den Bettel gehen müßten. Die Polizeidirektion vertrat dieses dringende Gesuch bei der Stiftungsadministration. Um so mehr müsse auf eine gründ-
45 liehe Besserung der finanziellen Verhältnisse der Findel höchsten Ortes hingewirkt werden, als sonst die gänzliche Auflösung der Anstalt in kurzem erfolgen und 100 Kinder dem grenzenlosesten Elend preisgegeben werden müßten, ein Ereignis, wofür man die Unterbehörden nicht werde verantwortlich machen können, wenn diese alle nur möglichen Mittel und Vorstellungen erschöpft hätten, um »ein solches unerhörtes Spektakel« zu verhüten. Schon lange wären die unglücklichen Geschöpfe kaum zur Not durft mit elenden Lumpen behängen. Wenn nun aber auch noch die kärglichen Quellen zur Bestreitung der spärlichen Nahrungsmittel versiegen würden, so sollte man lieber bei Zeiten die Türen öffnen und die beklagenswerten Schlachtopfer einer zerrütteten Ökonomie, diese elenden Waisen, der öffentlichen Wohltätigkeit anheimgeben, wo sie dann vielleicht ihre Existenz länger fristen würden als in dieser öffentlichen Staatsanstalt. Auch das Generalkommissariat des Pegnitzkreises war von der Notwendigkeit gründlicher Abhülfe durchdrungen. Momen tane Unterstützungen, bemerkt es in einer Verfügung an die Polizeidirektion, seien Palliativmittel, die das Elend nur auf kurze Zeit dem Auge entziehen, aber den Zustand nur noch verschlimmern würden. Sobald nur möglich und mit allem Ernst sei auf die Reorganisation der Anstalt und die Beschaffung der dazu nötigen Fonds zu dringen. Die Polizeidirektion soll endlich die schon am 24. Dezember 1808 geforderten Vorschläge einreichen. Diese gab darauf wohl eine Darlegung der Ein richtung und des Zustandes der Findelanstalt, lehnte aber die Ausarbeitung von Vorschlägen zur Reorganisation ab. Sie seien Sache der Stiftungsadministration und von dieser längst bei der höchsten Stelle eingereicht worden. Die Stiftungsadministration hatte allerdings, wie schon bemerkt, am 22. November 1808 eingehenden Bericht wegen der Reform der Findel erstattet und am 29. März 1809 den Etat der Anstalt eingereicht, worin besonders die Einschränkung des Ökonomiepersonals vorgesehen war. Aber bis zum 23. Juni 1809 war noch keine Antwort des Ministeriums eingelaufen. Jetzt wagt sie endlich, die dringende Angelegenheit in Erinnerung zu bringen. Die Not werde immer größer und die Gläubiger immer ungestümer. Alle bisherigen Darstellungen, in denen es
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an den erforderlichen Beweisen nicht fehle, ließen es hinlänglich erkennen, daß Gefahr im Verzüge sei. Deshalb bittet die Stiftungsadministration wenigstens bezüglich jener Punkte um Bescheid, die sich auf das Vermögen der Anstalt beziehen. Als Grundsatz hatte sie aufgestellt, daß das eigene Vermögen der Anstalt auf die möglichst beste Weise ausgenützt werden müsse, bevor fremdes in Anspruch genommen werden könne. Der darauf ergangene Erlaß des Ministeriums vom 11. Juni 1809 enthält zunächst die sehr auffallende Bemerkung, daß jener Bericht, der die organisatorischen Vorschläge enthalte, gar nicht eingegangen und jetzt in Abschrift beizubringen sei. Im übrigen bemerkt das Ministerium, es würden die zur Durch führung der Verordnung über die Armenpflege notwendigen Vorschriften, welche auch die Findel- und Waisenhäuser beträfen, ehestens erfolgen und dann das Institut wegen seiner Unter haltung, falls der Fonds nicht reichen würde, einer zweck mäßigeren Bestimmung näher gebracht werden. Leider ist weder der Bericht der Stiftungsadministration vom 22. November 1808, der die Reformvorschläge enthält, noch die Verfügung des Ministeriums, die darüber im einzelnen entschied, bei den Akten. Immerhin kann festgestellt werden, in welcher Weise sich die Reform der Findel vollzog. Durch Aufhebung der Viehwirtschaft und Reduktion des Personals dachte man die Ausgaben möglichst zu beschränken. Zunächst hob man die Stelle des Findelinspektors, des vormaligen Findelpflegers Fürer, und der Findelpflegerin, seiner Frau, auf. Letztere hatte die Aufsicht über das ganze Haus wesen und die Wirtschaft geführt. Auf den Findelpfleger konnte man um so eher verzichten, als er, wie schon bemerkt, ein gebrechlicher Greis war, der das achtzigste Lebensjahr schon überschritten hatte. Unterm 9. September 1809 wurde ihm aufgegeben, seine Rechnungen abzuschließen, seine Wohnung noch im Lauf des Monats zu räumen und sich aller Anord nungen bezüglich des Eigentums der Stiftung und dessen Verwendung zu enthalten^ Trotz seiner höchst lamentabelen Bittschriften um Aufhebung dieser Verfügung und des warmen Eintretens der Polizeidirektion zu seinen Gunsten blieb die Stiftungsadministration auf der einmal getroffenen Anordnung
47 bestehen, ohne die Gesuche weiter zu befördern. Die Polizeidirektion spendet der Findelpflegerin das höchste Lob. Die ganze Administration ruhe auf ihr. Sie sei voll männlichen Geistes, von dem lebhaftesten Eifer für das Beste des Instituts beseelt und mit allen Kenntnissen und Erfahrungen ausgerüstet, die ein ebenso schwieriges als verdrießliches Geschäft erfordere. Der Zustand, worin sich diese Anstalt trotz der langjährigen Geldklemme befinde, gereiche ihr ebensosehr zur Ehre, als es andererseits zu beklagen sei, daß die vielen Anstrengungen, Sorgen und ewigen vergeblichen Sollizitationen ihre Gesundheit angegriffen zu haben schienen. Immer würde es ein Gewinn für die Anstalt sein, wenn diese Frau noch lange die Aufsicht über sie führen könne. Eine andere Meinung von ihr hatte allerdings die Stiftungsadministration. Unterm 13. November berichtet sie an das Ministerium, die Übergabe der Registratur und der Sturz des Inventars behufs dessen Überweisung sei endlich erfolgt, und es würde die gänzliche Übernahme wahr scheinlich schon vor mehreren Wochen beendigt und die erforderlichen Anordnungen zur höchstnötigen Minderung des Dienstpersonals längst getroffen worden sein, wenn nicht die Vorspieglungen des Findelpflegers v. Fürer, hauptsächlich aber dessen Frau, die voll von Schikanen und Gleisnerei sei, bei dem Generalkommissariat des Pegnitzkreises Eingang gefunden und einen Erlaß zu ihren Gunsten erwirkt hätten. In diesem Erlasse hatte das Generalkommissariat die Erwartung aus gesprochen, die Stiftungsadministration der Erziehung und des Unterrichts werde so lange, bis eine weitere allerhöchste Ent schließung erfolgt sei, nicht weiter auf der Entlassung des Findelpflegers v. Fürer bestehen und sich überhaupt aller Einmischung und Anordnung in die innere Einrichtung des Findelhauses bestimmt enthalten. Im anderen Falle werde das Kgl. Generalkommissariat durch geeignete Maßregeln und mit allem Nachdruck jeden Eingriff in die ihm zustehende Ober aufsicht über diese Polizeianstalt zu beseitigen wissen. Aber das Ministerium gab der Stiftungsadministration recht und erteilte dem Generalkommissariat eine ernstliche Rüge. Letzteres sei zu solchen Aufträgen nicht allein nicht befugt, sondern diese widersprächen auch geradezu den Bestimmungen des aller-
48 höchsten Reskripts vom 29. August 1809, *) hemmten die Ordnung im Dienste und gäben zu Kollisionen Anlaß, worunter die Wohlfahrt des Instituts nur leiden könne. Das General kommissariat wird sodann um Angabe der sein Verfahren rechtfertigenden Gründe aufgefordert und ihm bis auf weitere endgültige Entscheidung folgender Bescheid zur Darnachachtung eröffnet. Bei der Entlassung des Findelinspektors Fürer und der Übernahme der Verwaltung durch die Stiftungsadministration müsse es umsomehr sein unabänderliches Bewenden haben, als Fürer, der im Alter von 80 Jahren stehe, seinem Amte nicht mehr vollkommen vorzustehen vermöge und eine Einschränkung in der Wirtschaft einzutreten habe. Da er aber so bejahrt ist und schon 49 Jahre im städtischen und Stiftungsdienste zu gebracht hat und auch nicht ganz plötzlich eine angemessene Wohnung finden kann, so wird ihm bewilligt, noch bis zum Ziel Walburgis unentgeltlich im Findelhause wohnen zu bleiben und seinen Gehalt bis Oktober 1809 zu beziehen, wogegen man gewärtigt, daß er sich des Geschäfts begebe, welches nun in die Kompetenz der besonderen Stiftungsadministration falle. Zur Rechnungsablage für die Jahre 1807/08 und 1808/09 wird ihm der Termin bis zum letzten Februar 1810 verlängert. Bezüglich seiner Bitte um Beibehaltung seines bisherigen Gehalts als Ruhegehalt hat es bei dem abschlägigen Bescheid sein Bewenden, da ein Nebenfunktionär auf Fortbezug seines Funktionsgehalts keinen Anspruch hat. Die Reorganisation der Findel erfolgte endlich im Jahre 1810. Fürer wurde definitiv entlassen und die Stelle des Findelpflegers oder Inspektors, wie er unter der bayrischen Regierung genannt wurde, eingezogen. An die Spitze der Verwaltung trat nun mehr ein Ökonom in der Person des bisherigen Findelvaters Christoph Michael Kern, der der Administration der Erziehung und des Unterrichts unterstellt wurde. Der Polizeidirektion aber wurde bedeutet, in allen das Institut betreffenden An gelegenheiten sich mit der Stiftungsadministration ins Einver nehmen zu setzen. Sie hatte nur die polizeiliche Aufsicht. Von dem Personal wurden infolge der Aufgabe der Ökonomie entbehrlich die Köchin, der Knecht, der Hirt, die *) Liegt leider nicht bei den mir zugänglichen Akten.
49 Viehmagd, außerdem noch der Schneider. Alle diese Stellen wurden Walburgis 1810 aufgehoben. Die Dienstleistungen der Köchin hatte nunmehr in der Hauptsache die Frau des Ökonomen zu übernehmen. Die Nähterin wurde vorderhand und unter der Bedingung bei behalten, daß sie außer dem Unterricht der Mädchen in weiblichen Arbeiten, der Anfertigung neuer und der Aus besserung alter Kleidungsstücke, wozu die Mädchen, soweit es zweckdienlich, zu verwenden sind, besonders auch Wart und Pflege der kranken Kinder, die nicht mehr unter der Aufsicht der Kindsfrau stehen* besorge und deshalb eintretenden Falles in der Krankenstube schlafe. Außerdem hat sie auch im Haus dienst, soweit es dienlich und tunlich, hülfreiche Hand zu reichen. Kann und will sie diese Obliegenheiten nicht über nehmen, so hat sie bis Walburgis den Dienst zu verlassen und sich deshalb sofort zu erklären. Der Gehalt des Ökonomen und seiner Frau jvurde für beide zusammen festgesetzt auf 150 fl. in Geld, welche vom 1. Oktober an in vierteljährigen Raten ausgezahlt werden sollen; außerdem erhielten sie 121 fl. 40 kr. für 2 u Rindfleisch täg lich, das Pfund zu 10 kr. berechnet; 41 fl. 36 kr. für wöchentlich 6 Laib Brot, je zu 8 kr.; 48 fl. 40 kr. für täglich 2 Maß Bier, je zu 4 kr.. Demnach im ganzen 301 fl. 56 kr. nebst freier Wohnung und Beheizung. Dagegen hatten sie auf alle »Akzidentien und Emolumente«, namentlich auf Trinkgelder, Einstand, Angebinde, Stiftungen, Tischtuch, Handtuch, die sog. Anstich maß und dergleichen zu verzichten. Alle diese Nebeneinnahmen fielen von nun an der Anstalt zu und waren zu verrechnen. Der feste Gehalt des Ökonomen wurde 1815 auf 200 fl. erhöht. Am kläglichsten war die Besoldung des Schullehrers in der Findel und unter dem neuen Regiment trat noch eine Verschlimmerung seiner finanziellen Lage dadurch ein, daß eine Reihe von Einkünften, wie die Reichnisse bei Hochzeiten und Leichenbegängnissen, die Geschenke des Bierbrauers und des Metzgers, die Milchabgabe und das Trinkgeld beim Viehaus treiben — im ganzen über 35 fli — durch polizeiliche und anderweitige Anordnungen als unzeitgemäß abgeschafft wurden. Der Schullehrer selbst berechnete seine Einnahme auf 2Ö6 fl.
50 24 kr., dazu 40 fl. für ein kleines Stübchen und freie Beleuchtung und Beheizung. Nach der Gehaltsfassion bestand der Gehalt schon seit Jahrhunderten in 10 fl., wozu seit dem Jahre 1729 eine Addition von 25 fl. kam, alles übrige waren Entschädigungsgelder für besonders geleistete Dienste und früher bezogene Naturalien. Im übrigen wurde die vom Schullehrer angenommene Summe von 206 fl. 24 kr. gar nicht erreicht, eine Zusammenstellung von 1811 berechnet sie auf 161 fl. 34 kr., wozu allerdings noch allerlei Nebeneinnahmen gekommen sein mögen. Auf seine Eingaben um Erhöhung seiner kärglichen Besoldung an die Stiftungsadministration erhielt er zur Antwort, daß in dem Bericht an die höchste Stelle wegen Organisation des Nürn berger Volksschulwesens seine gerechtfertigten Bitten möglichst berücksichtigt worden seien, er daher bis zum Eintreffen der allerhöchsten Entschließung Geduld üben müsse. Aber die Neuorganisation der Volksschulen kam während der staatlichen Verwaltung der Stadt nicht mehr zur Ausführung. Die Stiftungsadministration mußte sich übrigens selbst klar darüber sein und berichtete denn auch in dem Sinne an das Ministerium, daß ein Mann, und selbst wenn er wie in diesem Falle ledig sei, mit 161 fl. 34 kr., womit er Kost, Kleidung und alle übrigen Bedürfnisse bestreiten, müsse, »in den jetzigen Zeiten« schlechterdings nicht auskommen könne. Er sei schlechter bezahlt als der ärmste Taglöhner. Auf die höchst dringende Befürwortung der Stiftungsadministration bewilligte das Staatsministerium nunmehr — 29. März 1813 — eine Gratifikation von 40 fl. für das Jahr 1811/12, die von nun an dem Findelschullehrer jährlich auf eine besondere Eingabe hin bis zum Jahre 1818 bewilligt wurde. Auch der Stadt magistrat, dem nach seiner Einführung im Jahre 1818 die Verwaltung der Findel übertragen worden war, ließ ihm 1819 mit Rücksicht auf seine traurige Lage die bisherige Gratifikation zukommen und setzte im folgenden Jahre seinen Gehalt auf 600 fl. fest. Der Gehalt des Findelvaters wurde zu gleicher Zeit auf 400 fl. und unter Anrechnung der Naturalkost auf ebenfalls 600 fl. normiert.
51 An Personal waren auch fernerhin außer der schon genannten Nähterin die Kindsfrau und der Mistenmeister in der Findel angestellt. Außerdem nahm man noch wie bisher die Dienste des Hausarztes, des Chirurgen und seines Gehilfen sowie des Katecheten in Anspruch. Die Stelle des letzteren wurde übrigens schon bald und zwar mit dem Zeitpunkt eingezogen, da die Kinder in die Kirchenkatechisation geschickt wurden. Bei der Neuorganisation der Findel wurden auch die Lohnverhältnisse der Angestellten durchgesehen, ohne daß übrigens eine Besserung eingetreten wäre. Eher noch ist eine Herabsetzung der Löhne wahrzunehmen. Der jährliche Bezug bestand aus dem ganz geringen Lohn an sich, der im allge meinen 10 fl. betrug, und den größeren Entschädigungen für die früher bezogenen Naturalien und die am Thomastag, an Weihnachten und Johanni empfangenen Mahlzeiten. Kindsfrau und Nähterin bezogen jetzt im ganzen 89 fl., der Mistenmeister, der mit den Kindern aß und auch die Kleidung von der Findel erhielt, 82 fl. Die Besoldung des Arztes wurde bei der Neu besetzung der Stelle im Jahre 1812 von 8 fl. auf 36 fl. erhöht, der Chirurg erhielt 24 fl. und sein Gehülfe 2 fl. 15 kr. Später war auch wieder ein Knecht angestellt, dem außer den ihm im Hause obliegenden Dienstleistungen insbesondere auch die Reinigung des Spitalpiatzes und anderer Plätze in der Stadt aufgetragen war.l) Der Abschaffung eines Teils des Personals war die Auf lösung der Ökonomie schon vorausgegangen. Das überflüssig gewordene Vieh wurde dem öffentlichen Verkaufe unterstellt, nachdem durch Bekanntmachungen von den Kanzeln in den benachbarten Kirchen und den Synagogen zu Fürth und Zirn dorf die bevorstehende Versteigerung zur allgemeinen Kenntnis gebracht worden war. Aus 11 Kühen mit 2 Kälbern, 2 ein jährigen Kälbern und 2 Zugochsen, die insgesamt auf 624 fl. angeschlagen worden waren, erlöste man 797 fl. !) Erwähnt wird auch noch die Kärntnerin oder Flechterin, die die Kinder kämmte und ihnen die Haare flocht. Sie bezog am Thomastag 4 fl. 44 kr. und am Johannistag 36 kr., muß aber doch auch sonst noch Neben« bezüge gehabt haben.
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52 Mit dem Verkauf des Viehes hatten auch die Wiesen für die Findel ihre Bedeutung verloren. Von ihrem Verkauf sah man ab, da man sich keinen Erfolg davon versprach, sondern entschied sich für die Verpachtung. Es waren im ganzen 5 Wiesen, die Galgenhofer mit 67/8, die Leonharder mit 53/s, die 2 Wöhrder mit 3lU und die Steinbühler Wiese mit 3U Tag werk; sie wurden um 511 fl. verpachtet. Das Feld am Wolfs turm beim ehemaligen Hundsschlager oder Abdecker unweit des Hallerschlößchens konnte erst im folgenden Jahre um einen Pachtzins von 80 fl. vergeben werden. Verkauft wurde es im Jahre 1817 um den damals ansehnlichen Kaufschilling von 1225 fl. Verschiedene Pachtverträge liefen noch fort, so der wegen des Stadtgrabens vom Ausfluß der Pegnitz bis zum Tiergärtnertor; der Pachtzins betrug jährlich 148 fl., wovon 60 fl. an die Findel fielen. Ferner war der Grabenteil vom Wöhrdertürlein bis zum Einfluß der Pegnitz mit einer Kassematte um 39 fl. und 2 weitere Grabenteile um 51 und 35 fl. bis zum Jahre 1822 verpachtet. Endlich gehörte auch noch das Gras auf der Schanze vorm Frauentor der Findel, das gleichfalls um 21 fl. verpachtet werden konnte. Aus dem Komplex des alten Barfüßerklosters wurden einige kleinere Baulichkeiten entweder verkauft oder verpachtet. So ersteigerte der Kaufmann Bestelmeyer, der in der Königs straße gleich beim Museum ein großes Warengeschäft betrieb, einen Anbau am Wasser, der als Stallung, Boden und Keller gedient hatte und von der Findel nicht mehr benutzt wurde, für die genannte Gesellschaft um den Preis von 450 fl. Dieses Eckgebäude tauschte, um das hier gleich zu bemerken, der Stadtmagistrat im Jahre 1822 gegen einen unter dem West flügel bis an die Pegnitz laufenden Keller von den Aktionären der Museumsgesellschaft wieder ein. Verpachtet wurden an das Museum eine Schupfe oder Remise, wovon ein Teil zu einem Zimmer eingerichtet und das übrige als Hühnerstall benutzt wurde, um 30 fl. und an den Träteur Auernheimer für dessen Pferde und Equipagen ein Gewölbe und eine Stallung sowie eine Kammer um 22 fl. Endlich waren noch eine Menge von Geräten und Gebrauchs gegenständen, die vordem für die Ökonomie, den Haushalt und
53 zu anderen Zwecken verwendet worden waren, entbehrlich geworden. Sie wurden jetzt an Altkäufelinnen und Fürther Juden zum Teil zu Spottpreisen losgeschlagen. In buntester Unordnung werden da aufgeführt landwirtschaftliche Geräte, wie Spann-, Hemm- und Kuhketten, 1 Leiterwagen, 2 Ochsenjoche, 1 Peitsche, 4 Dreschflegel, Räder, 1 Sense, 1 Holmbank (Häcksel schneidebank); dann eine Unmenge zum Teil wertvoller Haus haltungsgeräte, wie kupferne Kessel, Häfen und Becken, Schwank kessel, kupferne Milchkrüge, Stürze und Untersätze, Feuerböcke, Kohlpfannen, Bratpfannen, zinnerne Schüsseln und Teller, Braten teller, zinnerne Vorleg- und Eßlöffel, Messer und Gabeln, zinnerne Maßkannen, Biergläser, Bierhahnen, porzellanene Schalen und Teller, ein kupfernes Kaffeezeug, ein zinnernes Waschbecken, Spiegel, Gewichte, Tisch- und Tafeltücher, Servietten, Socken, Strümpfe und Bänderzöpfe, Schränke, Tische, Bänke, Sessel u. a.; endlich noch kirchliche Paramente, die wohl größtenteils aus dem ehemaligen Barfüßerkloster stammten, eine ganze Anzahl zum Teil kostbarer Meßgewänder, Altartücher und Altardecken, Chorhemde und Kopuliermäntel. Diese Versteigerung brachte im ganzen 1267 fl. ein. — Noch unter der Verwaltung der Stiftungsadministration der Erziehung und des Unterrichts wurden im Herbst 1810 bauliche Änderungen in Angriff genommen. Die Fenster der Schlafzimmer der Kinder befanden sich in einem höchst schad haften Zustande und es zog auch der üble Geruch aus den sog. heimlichen Gemächern herein. Die Fensteröffnungen wurden jetzt weiter ausgebrochen und die Fensterrahmen mit Zubehör in Arbeit gegeben, aber nicht rechtzeitig fertig. So glichen diese Schlafstätten einem offenen Gang, worin die Schlafenden jedem Wind und Wetter ausgesetzt waren und wenn, wie täglich zu erwarten, Winterkälte und Schneegestöber eintreten sollten, die Kinder in ihren Betten erfrieren mußten. Die Erkrankung des Stiftungsadministrators Gottsmann und vielleicht auch Ände rungen, die die Quieszierung des Findelpflegers v. Fürer mit sich gebracht hatte, trugen wohl die Hauptschuld an »einer so unglaublich widersinnigen Leben und Gesundheit der Pfleglinge so ganz aufs Spiel setzenden Ausführung der nötig gefundenen Reparatur«. Dem Ökonomen und Findelvater mußte aufgetragen 4*
54 werden, die Kinder sofort aus diesen Schlafstuben zu entfernen und in den nächstgelegenen leeren mit Betten versehenen Stuben und Kammern der vormaligen Findelpflegerwohnung hinzubetten. Das Stadtkommissariat aber ließ dem Schreiner, Schlosser und Glaser ankündigen, daß nur diejenigen Fenster übernommen werden würden, die bis Ende der nächsten Woche ganz fertig eingehängt werden könnten, die bis dahin nicht gelieferten indes ohne Bezahlung zurückgewiesen werden würden. Man verhandelte auch noch mit den Handwerksleuten wegen der Zurücknahme ihrer Arbeit, und diese ließen sich in der Tat einschüchtern, obschon sie gar keine Schuld traf. Schließlich übernahm man denn doch die Fenster. Seitdem das Findel- und Waisenhaus unter staatlicher Verwaltung stand, hatte man wiederholt seine Auflösung ins Auge gefaßt. Das Generalkommissariat des Pegnitzkreises spricht sich am 26. Dezember 1808 auf das entschiedenste gegen die Waisenhauserziehung aus. Nach allgemeiner Erfahrung werde durch das Zusammenpfropfen einer Menge von Kindern in den Findel- und Waisenhäusern der Zweck und Erfolg der Privat erziehung nie erreicht, die physische Entwicklung, das Gedeihen der Kinder gehemmt, ja sogar gehindert und es gehe häufig aus solchen Anstalten eine kraftlose und verdorbene Jugend hervor, die nur zu geringen oder gar keinen Hoffnungen für die bürgerliche Gesellschaft und den Staat berechtige. Außer dem verschlängen die Verwaltungs- und Regiekosten einen großen Teil der Einkünfte und entzögen sie der Erziehung der Kinder. Es frage sich daher, ob nicht auch hier die ander wärts, z. B. in Ansbach, mit Erfolg eingeführte Unterbringung der Kinder bei rechtschaffenen Hausvätern besonders auf dem Lande ratsam und tunlich sei. Dadurch würden die unvermeid lichen Nachteile des Zusammenseins in engen, unreinen Stuben, des Mangels an Bewegung in freier Luft, an körperlichen Kraft übungen vermieden und durch Ersparung des Aufwandes für Inspektoren und Hülfspersonal und die eigene Ökonomie größere Geldmittel verfügbar und eine Vermehrung der Unterstützungen ermöglicht. Auch später spricht sich die Regierung zugunsten der Erziehung durch Pflegeeltern aus und berührt die Frage der Aufhebung der Anstalt.
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Aber gegen die Auflösung entschied schon von vornherein der offenbare Stiftungscharakter der Findel. Dann aber war es in Nürnberg gar nicht möglich, außer den zahlreichen schon bei Pflegeeltern versorgten Kindern noch weitere auf diese Weise unterzubringen. Die Polizeidirektion bemerkt einmal, daß schon sehr viele Versuche dieser Art mißlungen seien, obschon man sich alle Mühe gegeben, solche Pflegeeltern aus findig zu machen, auf die man sich völlig verlassen zu können meinte und denen man selbst mehr zahlte, als die Unterhaltung eines Kindes in der Findel koste. Selbst gegen die reichlichste Bezahlung sei es doch immer unglaublich schwer Leute zu finden, die sich zur Aufnahme solcher Kinder bereit erklärten. Nur Leute niedrigsten Standes wollten sich mit ihnen abgeben, und diese verständen sich nur aus reinem Geldinteresse dazu, wobei die Kinder freilich wenig gewännen. Sie gewöhnten sich an Müßiggang, statt zur Schule angehalten zu werden. Ihre Gesundheit würde nur zu häufig untergraben, und aus Furcht vor den Mißhandlungen ihrer Pflegeeltern getrauten sich die Kinder nicht einmal in dieser Beziehung Klagen anzubringen. Eine wirksame Überwachung sei äußerst schwierig, ja beinahe unmöglich. Wenn auch die Erziehung im Waisenhaus Mängel habe, so sei sie doch der durch Pflegeeltern vorzuziehen. Nur auf fehlerhafte Organisation sei es zurückzuführen, wenn es in solchen Anstalten an Reinlichkeit fehle und die Gesundheit der Kinder darunter leide. Durch strengste Reinlichkeit, gesunde Ernährung, gute Bekleidung und zweckmäßige Beschäftigung müßten die Kinder gesund erhalten werden, und das sei in einem wohleingerichteten Findelhause eher zu erreichen als durch die Unterbringung bei Pflegeeltern, die keine Garantie einer ent sprechenden Versorgung und Erziehung bieten könnten. Auch später tauchte die Frage der Aufhebung der Anstalt mehrmals wieder auf. Man konnte sich nicht darüber klar werden, ja man kam gar nicht dazu, sich ernstlich mit dem Gedanken zu befassen, was denn eigentlich aus diesem Institut werden, ob man es aufheben oder bestehen lassen sollte. In jenen kriegs erfüllten Tagen, die zudem noch bei den vielen großen organi satorischen Aufgaben die schwierigsten Probleme stellten, mußte natürlich eine Anstalt wie das Nürnberger Findel- und Waisen-
56 haus völlig in den Hintergrund treten. Selbst im Oktober 1814 hatte man in München noch nicht über das Schicksal der Findel entschieden. Das Kommissariat der Stadt Nürnberg bemerkt damals, es sei zwar zurzeit höchsten Orts wegen des Weiter bestehens noch nichts entschieden, es könne auch von Ober administrationswegen eine Vergrößerung des Instituts teils wegen der erheblichen Bedenken, die allen weitumfassenden Instituten der Art entgegenständen, teils wegen der Beschränktheit des Fonds sowie des zur zweckmäßigen Vergrößerung nicht passenden und unzusammenhängenden, zum Teil sogar den Einsturz drohenden Gebäudes nicht beantragt werden. Da man sich nach dem inzwischen vorgenommenen Augenschein mit Vergnügen über zeugt habe, daß das Institut seit den von 1810/11 an von Oberadministrations wegen getroffenen Änderungen ein viel vor teilhafteres Aussehen sowohl hinsichtlich der Räumlichkeiten als auch der physischen Ausbildung, der Beschäftigung und der Bekleidung der Kinder bekommen habe und es zu hoffen stehe, daß es bei einem auf 40 bis 50 Kinder beschränkten Wirkungs kreis den billigen Anforderungen, die man an ein derartiges Institut stellen könne, entsprechen werde, so sei vorderhand darauf Bedacht zu nehmen, es bis zu einer endgültigen Ver änderung in diesem wenn auch beschränkten, so doch zweck mäßigen Stande zu erhalten. Immerhin hielt man einzelne kleinere Bauvornahmen für notwendig. Die Schlafsäle erscheinen nicht entsprechend, sie sollen vergrößert oder doch luftiger, sonniger und freundlicher gestaltet werden; das Flügelgebäude, das in Hof und Garten sich erstreckte, soll wegen seiner Baufälligkeit auf den Abbruch verkauft und eine neue Schulstube eingerichtet werden. Aber aus den geplanten Verbesserungen wurde wieder nichts. Im folgenden Jahre fand man bei einem Augenschein ganz im Gegenteil, daß die Schlafräume so geräumig, hell und luftig seien, daß sie*vorderhand und bis zur Wegräumung der Scheide wände den Kindern keinen Nachteil brächten. Die Beschaffung ordentlicher Bettstellen wurde von der Ausführung der Bauarbeiten, die von neuen Tischen und Bänken in der Schulstube von der Neuorganisation des Volksschulwesens in Nürnberg abhängig gemacht. Da aber weder an die Durchführung der Bauarbeiten,
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noch der Volksschulorganisation unter der staatlichen Verwaltung mehr gegangen wurde, so blieb alles bis in die magistratische Zeit hinein hübsch beim Alten. Nur die Verlegung der Schule in einen anderen Raum wurde ins Werk gesetzt. Dagegen wurden die anbefohlenen gesundheitlichen Maßnahmen, wie die Verwendung eines trockneren Kornbrotes, der Gartenbesuch der Kinder auf eine bis zwei Stunden und die Speiseordnung, eingeführt. Früher hatten die Kinder die Speisen, wie Suppe, Fleisch, Gemüse, Brei und Erbsen usw., direkt heiß aus der Schüssel gegessen. Sowohl die Polizeidirektion als auch die Stiftungsadministration hatten schon längst darauf gedrungen, daß die Kinder von Tellern essen sollten, aber diese Maßregel war nicht völlig zur Durchführung gekommen, jetzt soll sie auf alle Kinder ausgedehnt werden. . Die Speiseordnung war für alle Tage der Woche genau vorgeschrieben. Gegen früher hatte sich nicht sehr viel geändert. Morgens Einbrennsuppe, dazu ein Stück schwarzes Brot für die Großen und ein weißes für die Kleinen. Sonntags, Donnerstags und Samstags mittags Suppe und Rindfleisch, dazu an den Sonntagen ein Schoppen Bier für die kleineren und ein Seidlein für die größeren Kinder. An den übrigen Wochentagen war Gersten oder Grießsuppe oder Erbsen- oder Hirsebrei (Montags), Kar toffeln, Rüben, Kohl oder Kohlrüben (Dienstags und Freitags) und Gemüse nach der Jahreszeit (Mittwochs) vorgeschrieben. Das Fleisch an den Samstagen hatten die Kinder zum Teil in der Fleischbank gesammelt. An Festtagen gab es Rindfleisch suppe mit Weißbrot, Schöps- oder Kalbsbraten. An den Abenden die gewöhnliche Suppe, nur an den Samstagen Fleischsuppe, die an diesen Tagen infolge der Fleischsammlung in größerer Menge hatte hergestellt werden können, und schwarzes Brot. Diese Speiseordnung, die im großen und ganzen auf eine frühere Zeit zurückging, fand bis auf eine Ausnahme auch die Billigung des Stadtkommissariats, das nur die Sonntagskost für zu kärglich bemessen erachtete. An einer bloßen Fleischbrühsuppe und einem Stückchen Rindfleisch könnten sich die Kinder an den Sonntagen, wo sie weniger Beschäftigung und mehr Zeit zum Herumspringen, also auch mehr Appetit hätten, nicht wohl satt essen. Es soll daher im Sommer und Herbst noch etwas frisches
58 Gemüse und im Winter und Frühjahr entweder Reis oder Nudeln in der Suppe oder eine sonstige gute Mehlspeise, Wassernudeln, Mehlklöße usw., gegeben werden, die ohnehin im Speisezettel ganz fehlten. Bemerkt sei noch, daß bei der neuen Kirchenorganisation im Jahre 1811, die die neuen Stadtpfarreien St. Egidien, Heilig geistspital und St. Jakob schuf, die Findel zum Kirchensprengel Heil. Geist hätte gezogen werden sollen. Die Findelkinder hätten demnach den Konfirmandenunterricht in dieser Kirche erhalten sollen. Es blieb aber aus rein praktischen Erwägungen zunächst noch beim Alten: der jedesmalige Schaffer bei St. Lorenz erteilte auch weiterhin diesen Unterricht gegen eine Remuneration von 1 fl. 21 kr. für jedes Kind. Im Jahre 1818 wurde der Diakon am Spital mit dieser Verrichtung betraut und behielt sie auch bei, als er zum 1. Pfarrer aufrückte. Später (1838) erhielt der dritte Pfarrer beim Spital den Konfirmandenunterricht.
Friedrich Campe, Buch-, Kunst-Musikalienhändler und Magistratsrat. Findelpfleger 1821 bis 1827.
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8.
Die Findel unter magistratischer Verwaltung.
Weiterer Fortbestand. Plan der Errichtung einer Industrieschule. Hebung der Anstalt unter den magistratischen Pflegern. Findelneubai» unter Campe. Reformen. Gesundheitlicher Zustand. Aufnahme der Kinder, Unterbringung, Kleidung, Unterricht, Beschäftigung, Festtage, Entlassung und Versorgung. Das Personal. Aufbesserung desselben,. Campesche Stiftung. Sonstige Fonds. Sparkassen der Kinder. Vermehrung des Dienstpersonals, dessen Lohn und Kostgelder. Weihnachtsgeschenke. Hausordnung. Kostordnung für die Kinder. Die Erhöhung der Kinderzahl scheitert am Kostenpunkt. Deckung der Fehlbeträge durch die Armenpflege. Verstadtlichung der Anstalt. Das Findelwiesenunternehmen. Stiftungen. Einführung des Grundsatzes der ausschließlichen Aufnahme von Doppelwaisen und Findelkindern. Findelneubau. Innere Einrichtung. Organisatorische Änderungen. Leben, Beschäftigung und Feste im neuen Hause.
Mit der Einsetzung des Stadtmagistrats im Jahre 1819 kamen auch die Wohltätigkeitsstiftungen — und zu diesen gehörte auch die Findel — unter die kommunale Verwaltung. Hatte die Regierung vorher wiederholt die Aufhebung der Anstalt und die Privat Versorgung der Findel- und Waisenkinder ins Auge gefaßt und kam sie noch im Jahre 1820 auf diesen Gedanken wieder zurück, so war die neue Verwaltung weit davon entfernt, das Institut, das auf ein Alter von beinahe fünfhundert Jahren zurückblicken konnte und trotz aller Mängel,, die ihm anhafteten, in dieser langen Zeit so außerordentlich wohltätig und ersprießlich gewirkt hatte, nun auf einmal auf zugeben. Davon konnte jetzt keine Rede mehr sein. Gegen die Auflösung sprach auch, wie schon früher bemerkt, der Stiftungscharakter der Anstalt und die Unmöglichkeit, außer den schon bei Pflegeeltern versorgten Kindern noch weitere in dieser Weise unterzubringen.
60 Der Stadtmagistrat befaßte sich vielmehr schon bald nach der Übernahme des Instituts mit einem allerdings etwas abenteuerlichen und problematischen Plane der Erweiterung der Findel zu einer Art Industrieschule. Bei der damals immer mehr um sich greifenden Stockung des Handels und der Gewerbe nahm auch die Armut in den untersten Volksklassen überhand. Die Menge unversorgter und hülfloser, besonders auch außerehelicher vater- und mutterloser Walsen wuchs zusehends. Um sie vorläufig vor dem Unter gang zu bewahren, sah man sich genötigt, sie bei Ziehmüttern und Pflegeeltern in Versorgung zu geben. Damals waren mehr als 40 Kinder in dieser Weise untergebracht, und die Kosten ihres Unterhalts überstiegen die Summe von 2000 fl. Man war indes gern zu einem solchen Opfer bereit, wofern nur nicht diese Art der Versorgung von den Pflegeeltern als Erwerbsquelle ausgebeutet, die Kinder an Indolenz gewöhnt und zum Bettel angehalten und so eine Unzahl von untauglichen Subjekten großgezogen worden wären. Die städtischen Kollegien traten jetzt dem Gedanken der Erweiterung des Findel- und Waisenhauses für 100 Zöglinge näher. Die bisherige Einrichtung, wonach der Waisenvater mit seiner Frau zugleich auch als Ökonom die ganze Wirtschaft führte und der Lehrer nur vier Lehrstunden im Tage erteilte, brachte es mit sich, daß die Kinder entweder gar nicht oder doch nur von den Mägden beaufsichtigt werden konnten. Es soll nun eine Umgestaltung der Anstalt in der Weise durchgeführt werden, daß statt des Ökonomenehepaars ein Industrielehrer angestellt wird, der die Erteilung des Industrieunterrichts zu übernehmen hat, während seine Frau die Wirtschaft führt. Für den eigentlichen Schul unterricht in den verschiedenen Klassen wird noch ein beson derer Schullehrer mit seiner Frau in Aussicht genommen. Zur Besorgung der Küche soll noch eine gewandte und erfahrene Köchin angestellt werden. Für jede Person werden an Personal bedarf außer freier Kost, Wohnung und Beheizung 200 fl. in Anschlag gebracht und die ganze Bedarfssumme auf 1300 fl. angeschlagen. Die Anzahl der aufzunehmenden Kinder soll von dem jetzigen Stand (42) auf 100 gebracht, das Institut der Pflege-
61 kinder aber beseitigt werden. Die Kosten sollen aus den überschüssigen Stiftungsrenten Deckung finden. Obschon die städtischen Kollegien die vorgeschlagene Umgestaltung des Findel- und Waisenhauses guthießen und die Regierung ihre Genehmigung erteilte, trat das Projekt doch nicht ins Leben. Die Akten schweigen völlig von der weiteren Durchführung des Planes, und es scheint, daß er noch in demselben Jahre, in dem er geboren worden war, sang- und klanglos zur Ruhe bestattet wurde. Man erkannte doch wohl auch, bevor man zu seiner Verwirklichung schritt, die außerordentlichen Schwierig keiten, die sich ihm in den Weg stellten. Mit dem geringen in Aussicht genommenen Personal ließen sich die Aufgaben, die eine solch grundlegende Umgestaltung mit sich brachte, unmöglich bewältigen. Dann mußten sich aber auch erhebliche praktische Bedenken gegen eine mehr gewerbliche Erziehung der Kinder in einem noch nicht gereiften Alter erheben. Oder wollte man bloß die talentvolleren oder infolge besonderer Naturanlage mehr geeigneteren Zöglinge zu einer gewerblichen Tätigkeit erziehen? Der Vorschlag spricht sich nicht darüber aus. Er war, wie er sich darstellt, zu unklar und zu unreif, und als man ihn ausführen wollte, zeigte sich wohl, daß er unmöglich war. Die ganze Einrichtung und Verfassung des Findel- und Waisenhauses blieb im wesentlichen auf der bisherigen Grund lage bestehen. Nur insoweit wurde eine Änderung getroffen, als die früher betriebenen Heimarbeiten, wie das Flinderleinanhängen und das Baumwollspinnen, in Wegfall kamen, während andere Beschäftigungen, wie besonders das Strümpfestricken, Nachtlichterstecken und andere Handarbeiten, um so eifriger gepflegt wurden. Unter der Verwaltung des Stadtmagistrats hob sich die Anstalt zusehends. Es waren einmal bessere Zeiten angebrochen, und dann darf man wohl auch sagen, daß gerade eine gemeind liche Verwaltung noch am ehesten in der Lage ist zu erkennen, was einer solchen Anstalt zum besten dient. Das Institut der Pfleger hat sich hier bewährt. Männer aus dem praktischen Leben, mit offenen Augen und einem warmen Herzen für die ihrer Sorge anvertraute Anstalt haben weder Mühe noch Arbeit
62 gescheut, um den ärmsten Wesen ein freundliches Dasein zu bereiten und ihnen eine gute Erziehung durch tüchtige und bewährte Waiseneltern und Lehrer angedeihen zu lassen, die Stadtverwaltung aber und den wohltätigen Sinn der Bevölkerung zur Gewährung der erforderlichen Mittel zu bewegen. Durchaus zutreffend wird einmal ihre erfolgreiche Tätigkeit in einem amtlichen Schriftstück dahin gekennzeichnet, daß sie alle »aus Liebe zur Sache und zu den Kleinen, deren Wohl sie zu beraten hatten, liebevolle Pfleger der Anstalt gewesen seien, in der sie nicht anders als Familienväter gewaltet« hätten. Es war für das Findel- und Waisenhaus ein besonderes # Glück, daß sein zweiter Pfleger, der auch sonst um Nürnbcig hochverdiente Buchhändler Dr. Friedrich Campe, in seiner sechsjährigen Wirksamkeit (1821 —1827) sich seiner mit aller Tatkraft und Opferwilligkeit annahm. Eine seiner ersten Sorgen war die Herstellung zweckent sprechender und gesunder Räumlichkeiten anstelle der über alle Maßen vernachlässigten und gesundheitswidrigen Gelasse, mit einem Worte ein völliger Umbau des aus vier einzelnen Gebäu den bestehenden Findelkomplexes, von denen eines, wie schon früher bemerkt, von der Gesellschaft Museum wieder zurück gekauft worden war. Wir kennen die durch und durch unhaltbaren Zustände schon aus den früheren Schilderungen. Zweimal hatte man schon Abhülfe treffen wollen, aber die gutgemeinten Entschlüsse wurden nach kurzer Zeit wieder aufgegeben und alles blieb, wie es war. Jetzt aber kam zum Willen die Tat. Unterm 25. März 1822 wies Campe darauf hin, daß »das Bedürfnis schreiend« sei. Durch den Findelumbau werde eine Schuld abgetragen, die die Vorgänger zu verantworten hätten. Die königlichen Administratoren hätten im Spital gewohnt, dort wäre gebaut und verschönert worden, in der Findel aber nichts geschehen. »Vergessen und verlassen liegt sie da, sie glich und gleicht noch zum Teil einer Ruine«, ruft er aus. Bei der Gleichheit der beiden Institute dürfe nun wohl vor allem die Findel Anspruch auf Berücksichtigung erheben,
August Weiß, Apotheker und Magistratsrat, Findelpfleger 1895 bis 1899.
63 und es dürften zunächst 4256 fl. auf den Bauetat der Wohl tätigkeitsstiftungen zu übernehmen sein, »um die so lange gewünschte, längst in drei Instanzen genehmigte Erweiterung radikal, gründlich und genügend zu bewirken«. »4256 fl. wären allerdings eine große Summe für einen kleinen Zweck, allein eine kleine Summe für einen großen Zweck«. Hunderte von Kindern würden es dem Magistrat ihr ganzes Leben lang danken, die Gegenwart werde es nicht bekritteln, die Nachkommen schaft es aber vielleicht für das ehrenvollste Denkmal der damaligen Zeit halten. Der Stadtmagistrat erkannte den Umbau als eine unabweisliche Notwendigkeit an und beschloß dessen Ausführung. Campe spricht sich einmal darüber aus, daß er mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt; »allein, begeistert von der ihm klar gewordenen Idee des Besseren«, hätte er alle Kämpfe siegreich geführt. »Glücklich stand das Werk nach einem Jahre da; fröhlich verließen die Kinder am 4. Dezember 1822 das alte, enge, dumpfe, ungesunde Gebäude und bezogen ein neues, worin sie eine neue Schule, einen neuen Lehrer, einen neuen Findelvater und eine gänzlich neue Haus- und Lebensordnung fanden.« *) Die Kosten des Umbaues betrugen 11000 fl. Wie es Campe selbst andeutet, hatte es an mannigfachen Verdrieß lichkeiten nicht gefehlt. Er hatte sich des Baues mit aller Tat kraft und mit großem Eifer angenommen, mehr als es dem damaligen Vorstand des Bauamts, dem Baurat Wolff, paßte, der allerlei daran zu beanstanden und zu bekritteln fand. Und doch hatte dieser vollständig versagt, Campe aber hatte sich für alle getroffenen Maßnahmen durch Magistratsbeschlüsse gedeckt. Ohne Plan und Riß hatte der Baurat Wolff den Bau angefangen. Trotz aller Bitten war kein Riß von ihm zu erlangen. »Einstmals gelang es mir«, erzählt Campe in seiner Rechtfertigung an den Stadtmagistrat, »ihn auf den Dreifuß zu bringen. Eine Zeichenmaschine kam, Riß, Brett, Richtscheit, Bleistift waren in seinen Händen; die Fassade sollte angefangen *) Gedruckte Campesche Stiftungsurkunde vom 4. Dezember 1827 S. 5. Von der neuen Hausordnung findet sich leider nichts in den Akten, die allem Anschein nach nur unvollständig erhalten sind.
64 werden, wurde auch wirklich angefangen, — wieder angefangen und — nie beendigt!« »Daß bei solcher Bauweise, wo keine Idee im Klaren> kein fester Plan entworfen, kein vorgelegter, geprüfter und genehmigter Riß vor Augen, die Handwerker im Nebel herum tappen und nicht wissen, was sie machen oder an wen sie sich halten sollen, daß versucht und geändert, aufgebaut und wieder eingerissen wird, das ist sehr natürlich . . . Ewiges Schwanken war da, bis der talentvolle Architekt Heideloff sich der Sache annahm und einen Riß entwarf.« Ihm verdankte die Stadt, was Gutes am Baue war. Campe brachte übrigens nicht geringe persönliche und finanzielle Opfer. Abgesehen von der Zeit und Arbeit, die er dem ihm am Herzen liegenden Werke widmete, kam er für so manche Kosten auf, wenn es galt, nicht bloß auf das Not wendige sich zu beschränken, sondern dem Bau auch durch äußeren ’ Schmuck, Anbringen der Stadtwappen und der Jahr zahlen, Ausführung von Bildhauerarbeiten, ein schönes und würdiges Aussehen zu geben. Im übrigen sah er an erster Stelle auf das Zweckmäßige, auf eine gediegene Ausführung, auf eine gute und bequeme Stiegenanlage und noch auf so manches andere. Durch diesen Umbau wurden zwei große, heitere Säle, der eine für die größeren, der andere für die kleineren Kinder, zum Tagesaufenthalt und zwei Schlafsäle, die allen Anforderungen der Gesundheit entsprachen, geschaffen. Campes große Verdienste, die er sich durch diesen Bau und seine Findelreform überhaupt erwarb, wurden schon von den Mitlebenden rückhaltlos anerkannt. Ein Zeitungsbericht1) schildert die vorher unhaltbaren Zustände der Anstalt, die so unerträglich erschienen, daß sie ein königlicher Kommissär im Jahre 1807 auf den Abbruch habe verkaufen wollen. »Und wie ist es jetzt?«, fährt der Artikel fort. »Mit festem Mut, mit Klugheit, Umsicht und weiser Bemessung der Kräfte wurde das Werk begonnen, trotz aller Schwierigkeiten und Hemmungen fortgesetzt, ein neues, gesundes, großes und freundliches Haus steht da, zweckmäßig und reinlich eingerichtet, ein eigener *) Korrespondent v. u. f. Deutschland vom 8. Dezember 1822 Nr. 342.
65 Lehrer angestellt, und es ist dem Menschenfreund ein seliger Anblick, 91 gesunde, fröhliche und reinliche Kinder der mensch lichen Gesellschaft gerettet zu sehen. Ja, die Zeit ist besser geworden; die Findel besteht nur noch dem Namen nach, sie ist nun ein Waisenhaus, ein Asyl für elternlose Kinder, denn unter allen ist nur noch ein Findling. Doch auch verwaist sind sie nicht mehr; die Stadt legte sie ans Herz und verbesserte ihre Lage auf tausendfache Weise; einen treuen Vater haben sie in ihrem Pfleger Campe, der kein Opfer scheute, um dieses schöne Ziel zu erreichen. Der 4. Dezember, der Jahrestag der Einsetzung des neuen Magistrats, wurde gewählt, um dieses Haus des Segens einzuweihen. Der Magistrat und die Gemeinde bevollmächtigten, die alle einstimmig für diesen frommen Zweck gewirkt, und einige Jugendfreunde versammelten sich dazu. Die Kinder wurden eingeführt in ihre neuen Wohnungen, mit Rede und Gesang wurde eine erzene Tafel mit den Namen ihrer Wohltäter, der Mitglieder des Magistrats und der Ge meindebevollmächtigten und der kurzen Geschichte des neuen Baues in dem großen Speisezimmer aufgehängt, und ein fröh liches Mahl erfreute die Kleinen. Die Eingeladenen tranken auf das Wohl des besten Königs, der neue Kräfte in die Hände seiner guten Städte legte, auf das Wohl dieser alten, ehr würdigen Stadt und ihres trefflichen Magistrats. — Dies stehe hier als Beispiel, was edler, fester Wille, Ausdauer und geistige Kraft vermag, und daß nicht immer viel Geld und Gut nötig ist, um für die Menschheit und ihre Zukunft zu wirken. Die Kosten dieses schönen Familienfestes wurden von dem Magistrats personal privatim bestritten, und ein Mann, dessen Wohltätig keitssinn sich stets bewährt, der Kaufmann Cramer dahier, übergab dem Pfleger eine Schenkungsurkunde über 25 fl. jährlich, um die Feier dieses Jahrestags den Kindern zu sichern«. Die überaus wohltätigen Wirkungen der Reformen Campes hinsichtlich der Kost, Kleidung und Beschäftigung bezeichnet der Anstaltsarzt Dr. Lochner als wahrhaft glänzend. »Denn während früher«, bemerkt er, »Krätze und andere chronische Ausschläge in der Anstalt nie zu beseitigen waren, so waren mit einemmal diese Qualen der Kleinen verbannt, und wirklich, von diesem Augenblick der Umgestaltung an blühten die früher
66 hinfälligen, kränklichen Kinder zu neuer Gesundheit und neuem Leben empor. Und wenn auch heute noch die Sitte besteht, daß der besoldete Wundarzt der Anstalt alle Monate die Kinder besichtigen und ein Attest ausstellen muß, daß keine Krätze noch sonstiger bößartiger Ausschlag an ihnen zu finden sei, so ist dies doch gegenwärtig in der Tat nichts als ein nicht abge schafftes altes Herkommen; denn seit 20 Jahren sind diese Krankheiten der Reinlichkeit, der frischen Luft und den gesunden trockenen Aufenthaltsorten, ihren natürlichen Feinden, gewichen«. Die hier geschilderten von den früheren unglaublichen Mißständen in so erfreulicher Weise abstechenden gesundheit lichen Verhältnisse der Anstalt waren doch fast ausschließlich auf die zweckmäßigen baulichen Veränderungen und Einrich tungen Campes zurückzuführen. Auch die weiteren Ausführungen Lochners verdienen Be achtung und mögen hier zum Teil wenigstens eine Stelle finden. Er bemerkt:1) »Es ist dieses Resultat um so mehr zu bewun dern, da die Kinder, in der Regel Waisen, in Armut, Elend und allem Jammer des Lebens aufgewachsen und von kränk lichen, oft liederlichen Eltern erzeugt sind, die alle schon früh zeitig dahinsiechten, meistens an Krankheiten, die das Kind im Mutterleibe schon vergiften. Wie sehr nun kränkliche Eltern, schlechte Erziehung, Armut und Elend und was alles Trauriges dazu gehört, zur Skrofelsucht geneigt machen, ist bekannt, und nicht minder ist bekannt, wie kränklich und besonders zu chronischen Ausschlägen geneigt skrofulöse Kinder sind. Wenn nun auch die Kinder dieser Anstalt beinahe alle das Gepräge, aus dem sie hervorgingen, nicht verleugnen, indem die meisten Mein, unscheinlich und beinahe alle mit dem Habitus scrophulosus versehen sind, so kann man doch sagen, daß ihre Gesund heit gut und, solange sie in der Anstalt sind, dauerhaft ist. Als Beweis dessen mag gelten, daß in der Anstalt vom Jahre 1822/23 bis 1841/42, also in 20 Jahren, nur 13 Kinder gestorben sind, davon 7 Kinder, 5 Mädchen und 2 Knaben, an akuten Krankheiten und nur 5 Mädchen und 1 Knabe an Abzehrung *) Statistisch-medizinischer Bericht über die Kranken- und Versorgungs anstalten Nürnbergs von Dr. Lochner und Dr. Bock, Hospitalärzten etc. Nürn berg 1844, S 61 f.
Karl Raab, Essigfabrikant, Magistrats- und Kommerzienrat. Findelpfleger 1899 bis 1909.
67 beziehungsweise skrofulösen Leiden. Als weiterer Beweis der Gesundheit der Kinder mag dienen, daß seit 1830, solange ich Arzt der Anstalt bin, die Kinderseuchen, welche in der Stadt herrschten, nur sehr wenige Waisenkinder ergriffen. So erkrankten an der im Jahre 1834 herrschenden Morbillenepidemie nur gegen 20 Kinder daselbst, und während in der Stadt an der damals sehr bösartigen Krankheit viele Kinder starben, war dort keines bedenklich krank. Ein ähnliches Zahlenverhältnis hatte im Jahre 1838 und 1843 statt. Die zwei sehr bösartigen Scharlachepidemien, die ich als Arzt mitmachte, ergriffen in der Anstalt nur wenig Kinder — etwa 5 bis 6 — und keines starb. Es wird überhaupt der Arzt der Anstalt im ganzen so selten von derselben in Anspruch genommen, daß man überzeugt war, er werde auch ohne Lohn diese geringen Dienste gerne leisten, und so geschah es auch bisher. Ich wiederhole es nochmals, daß die dauerhafte Gesund heit der Kinder, welche mit allen schlimmen Krankheitsanlagen geboren wurden, der glänzendste Beweis für den Wert eines frischen, luftigen Aufenthalts und einer vernünftigen Erziehung ist. Bei dieser Gelegenheit erkenne ich aber rühmend an, daß auch unter der jetzigen Verwaltung der Anstalt — Magistratsrat Schnerr — fortwährend alles geschieht, nicht allein, um das schon vorhandene Gute zu erhalten, sondern auch, um immer noch solche Verbesserungen, namentlich in der Kleidung, Heizung, einzuführen, die zum Wohle der Anstalt und zum Besten der armen Kinder dienen können.« Bezüglich der Aufnahme der Kinder galten noch dieselben Normen, die sich allmählich in der Praxis ausgebildet hatten. Aufgenommen wurden Kinder, deren Eltern gestorben waren und nichts hinterlassen hatten, und von denen Verwandte nicht lebten, die sich ihrer hätten aftnehmen können, in seltenen Fällen auch einfache Waisen, deren Väter oder Mütter sie nicht zu ernähren vermochten, endlich ausgesetzte Kinder. Unter dem vierten oder fünften Jahre wurden Kinder, die dem Waisenhause übergeben worden waren, also in erster Linie die Findlinge, nicht aufgenommen, man gab sie um ein billiges Kostgeld in der Stadt in Pflege und nahm sie nach Erreichung des bezeichneten Alters auf. »Jedes Kind hatte sein eigenes Bett und
68 dabei einen mit seinem Namen bezeichneten verschlossenen Kasten, in welchem es seine Kleider und sonstigen Habselig keiten auf heben mußte«. Knaben und Mädchen schliefen in besonderen Sälen und in beiden eine Person des gleichen Geschlechts zur nötigen Aufsicht. Zu Weihnachten erhielt jedes Kind eine vollständige neue Kleidung. Sie hatten ihre besonderen Kleider für die Sonnund Wochentage, für den Sommer und den Winter. Bei der Entlassung aus der Anstalt erhielt jedes 3 vollständige neue Anzüge — einen für die Sonntage, einen für die Werktage und einen Sommeranzug —, die nötigen Schuhe und Stiefel, Hut und Hauben, Hemden und Strümpfe, kurz alles, was sie brauchten, um wenigstens für ein Jahr in dieser Beziehung kein weiteres Bedürfnis zu haben. Der Unterricht, den die Waisenkinder durch einen eigenen Schullehrer erhielten, war derselbe wie in den Volksschulen. Außerdem lernten sie noch stricken, nähen und spinnen und wurden zur Haus- und einiger Feldarbeit angehalten. Die Waisenhausschule wurde am 1. Juni 1852 aufgelöst, der Lehrer J. G. Roeder an der Lorenzer Schule angestellt und die Kinder von nun an in die Volksschule geschickt. Es wurde dadurch einerseits eine finanzielle Entlastung der Findel bewirkt, da nunmehr der Gehalt des Schullehrers mit im ganzen 650 fl. eingespart wurde, andererseits lag es aber auch ganz besonders im Interesse einer besseren Erziehung und Charakterbildung der Kinder, wenn sie, aus dem einförmigen, beinahe stumpfsinnigen Findelleben herausgerissen, mit den Altersgenossen verschiedener Stände in näheren Verkehr treten konnten. Und wie vorteilhaft, wie wohltuend mußte dieser Verkehr auf die ganze Gemüts stimmung der Kinder wirken! Im Jahre 1882 wurde eitle besondere Beschäftigung eines Teiles der Kinder durch Laubsäge-, Holzschnitz-, Papp-, Bürsten binder- und Buchbinderarbeiten, der sogenannte Handfertigkeits unterricht, unter Anleitung eines besonderen Lehrers, später auch noch eines Buchbinders eingeführt. Diese Arbeiten warfen mit der Zeit ein ganz erkleckliches Erträgnis ab, das in die Hauskassa floß und zum Teil zum Stammvermögen geschlagen, zum Teil auch als Sparkasseneinlage für die Kinder
69 und zum Ankauf von Rohmaterial verwendet wurde. Diesen Arbeiten, woran etwa die Hälfte der Kinder teilnahmen, konnten 6 Stunden in der Woche gewidmet werden. Zwei Festtage riefen alljährlich in der Findel eine große Freude hervor, der Johannistag, an dem das Gedächtnis der Stifterin Elisabetha Kraus begangen wurde, und der Barbaratag, eine Stiftung Campes, auf die noch zurückzukommen sein wird. Außerdem wurde natürlich auch der heilige Abend durch eine Bescherung gefeiert. Jedes Kind erhielt da außer einer neuen Kleidung je nach seinem Alter Spielzeug und Gebrauchs gegenstände, dann Lebkuchen, Nüsse und Äpfel. »Lichter und* geputzte Bäume fehlten nicht, um den armen Waisen dieses Fest so angenehm zu machen, wie sie es in den Verhältnissen, in denen sie geboren waren, wohl nie genossen hätten.« Wenn die Kinder zum ersten Mal zum Abendmahl gegangen waren, mit dem 13. oder 14. Jahre, wurden sie aus der Anstalt entlassen, die Knaben kamen zu einem Handwerks meister in die Lehre, die Mädchen zu einer Dienstherrschaft. Die Unterbringung der Knaben bei Handwerkern war meistens mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden, da für sie kein Lehrgeld bezahlt wurde. Manche von ihnen konnten sich auch, wenn sie die heiteren, freundlichen und reinlichen Räume des Waisenhauses, den Umgang mit ihren Spielgenossen, die nicht angestrengte Beschäftigung, die gute Kost und Behandlung gegen zuweilen finstere und unfreundliche Werkstätten,, magere Kost und viel Schläge oder doch schlechte Behandlung und einen ihnen nicht passenden Umgang vertauschen mußten, schwer an die neuen Verhältnisse gewöhnen, die ihnen statt des gewohnten sorgenlosen und treu behüteten Daseins nun auch den Ernst und den Kampf des Lebens zeigten. — Kehren wir zu Campes Reformtätigkeit zurück. Sein Verdienst war es auch, daß die Lage der Angestellten eine Besserung erfuhr. Der Gehalt des Schullehrers wurde auf 600 fl. und der der Pflegeeltcrn, abgesehen von der freien Kost für sich und ihre Kinder und täglich 2 Maß Bier, auf 400 vom Jahre 1820 und auf 600 von 1822 an erhöht. Der Hausknecht erhielt einen Lohn von 30 fl. und ein tägliches sog. Kostgeld von 12 kr. Er hatte freie Kost und aß mit 5*
70 den Kindern. Diesen verschaffte Campe noch eine besondere Osterfreude, den sog. Osterpetzen im Betrage von 12 kr.; zu Weihnachten und an anderen Festtagen waren sie zum Teil durch besondere Stiftungen schon bedacht. Seiner Für sorge war es auch zu danken, daß sie eine zweckmäßige Kleidung und gute Betten erhielten. Bei seinem Rücktritt als Magistratsrat und Findelpfleger am 4. Dezember 1827 errichtete Campe für die Findel- und Waisenkinder noch eine besondere Stiftung, auf die hier näher einzugehen ist. In einer Zuschrift an den Stadtmagistrat weist er darauf hin, daß er bei der Übernahme des Amts als Magistratsrat vor sechs Jahren erklärt habe, seine Grundsätze gestatteten ihm nicht, eine Remuneration für bürgerliche Dienste anzu nehmen, daß er sie vielmehr zum Besten des Findel- und Waisenhauses, das er in einem beklagenswerten Zustande angetroffen, verwenden werde. Sein Gewissen sage ihm zwar, daß er dies Gelübde durch den Findelbau und während einer sechsjährigen Verwaltung treu gelöst habe, aber es genüge ihm das nicht und er wolle daher für das Waisenhaus noch eine besondere Stiftung errichten. Er bestimmte nun 2000 fl. als unantastbares Stamm vermögen einer Stiftung, die den Namen Campesche Stiftung tragen und gesondert vom allgemeinen Findel- und Waisen fonds verwaltet werden soll. Die Renten von 1000 fl. — 40 fl. — sollen zur jährlichen Feier des 4. Dezember — des Barbara tages —, von dem an die Erneuerung der Anstalt ihren Anfang nehme, dienen, und zwar sollen erhalten: Der Geistliche, welcher den Konfirmandenunterricht hält, der Beichtvater des Hauses, ‘wenn er der Eröffnung des Festes beiwohnt, die Kinder auf sonst und jetzt aufmerksam macht und sie durch einige wenige herzliche Worte zur Dankbarkeit gegen alle ihre Wohltäter ermahnt und ihnen in Campes Sinne sagt, daß er ein Fest der Dankbarkeit für alle Wohltäter der Anstalt, ob sie nun vor Jahrhunderten gelebt oder noch leben, gestiftet, 3 fl. Der Schullehrer der Anstalt, der zu Beginn des Festes, mittags 12 Uhr, den Gesang: »Wie groß ist des Allmächtigen
Hof des alten Findel- und Waisenhauses vor dem Abbruch. Aufgenommen im Frühjahr 1899. Ansicht nach Nordost.
71 Güte« und zum Schluß, abends 8 Uhr: »Nun danket alle Gott« mit den Kindern feierlich singt, zu welchem Ende die schul pflichtigen Waisenkinder diese beiden herzerhebenden Lieder auswendig lernen sollen, 3 fl. Der Findelvater, der während des Mahles zugleich mit allen Kindern den Trinkspruch ausbringt: »Dem dankbaren Andenken unserer Wohltäter!« 2 fl. Die Findelmutter für ihre treue Sorge um Speise und Trank 2 fl. Von den noch bleibenden 30 fl. erhalten die Kinder Zugaben zur Tageskost, die in Braten, Pasteten, einem Glase Wein, Kaffee usw. bestehen können. Außerdem wird ihnen eine einfache Tanzmusik gestattet, die aber höchstens 4 fl. kosten darf, wie er sie bisher schon angeordnet hatte, die den Kindern große Freude machte und ihm mit ihnen. »Denn ein un schuldiges Vergnügen unter Aufsicht«, fügt er hinzu, »ist mehr wie Speise und Trank und Gott angenehm.« Aber jede Unbotmäßigkeit ist ernstlich untersagt, Schlag 8 Uhr abends hat das Fest ein Ende, und mit Andacht soll das Schlußlied gesungen werden. Der Pfleger der Anstalt aber soll nach dem Wunsch des Stifters die Leitung des Festes übernehmen und darüber wachen, daß sein Wille im besten Sinne genommen und aus geführt werde. Die Zinsen der zweiten tausend Gulden bestimmt Campe zu einem Stipendium für einen talentvollen Knaben des Waisen hauses, der sich der Kunst zuwenden will. Unter Kunst will er nur die Mal-, Kupferstecher- und Bildhauerkunst, nicht aber auch die mechanischen Künste oder gar »Fakultätswissenschaften« — also das Studium der Kunstgeschichte — verstanden wissen. Für Studien habe die Stadt genügend Stipendien zu vergeben, für die Kunst aber zu wenige — und doch verdanke Nürnberg einen großen Teil seines Ruhms der Kunst. Den einstweiligen Ertrag des Stipendiums — 40 fl. — soll der talentvolle Zögling drei Jahre nach einander genießen, wenn er gute Fortschritte macht. Denn wer drei Jahre fleißig lerne, der könne schon etwas verdienen und solle einem andern — oder der Stiftung nichts entziehen. Wer aber träge, faul,
72 liederlich in der Lehre wird, dem soll das Stipendium entzogen werden, er mag ein Handwerk lernen. Bei der Wähl des Zöglings soll man aber ja nicht auf die Laune des Knaben sehen; denn fast alle Kinder lieben das Malen auf ihre Weise, ohne daß ein heiliges, anhaltendes Feuer in der Tiefe brannte. Auch könnte das Stipendium reizen und so statt Gutes wohl gar Böses stiften. Man solle auf ein echtes, hervorspringendes Genie, wenigstens 'auf Talent, nicht aber auf bloße Anlagen sehen, denn die habe der liebe Gott jedem Menschen gegeben. Nichts sei trauriger als ein gewöhnlicher Künstler, kein Brot unsicherer wie das eines solchen Alltags menschen, wo zuletzt der großen Mühe kleines Resultat — ein Zeichenlehrer sei. Viele seien berufen, aber wenige auserwählt! Findet sich kein Würdiger, so werden die Zinsen zum Kapital geschlagen. Der Nächste, auf den die Wahl fällt, bekommt die seither aufgelaufene Rente, wenn sie die Summe von 100 fl. nicht übersteigt. Wächst das Grundkapital durch Zuschüsse und Ersparungen dermaßen, daß die Rente 100 fl. übersteigt, so wird ein zweites Stipendium bis zu 100 fl., dann ein drittes usf. gebildet. Als Verwalter der Stiftung unter Aufsicht des Stadtmagi strats setzt er ein den Lehrer und den Beichtvater des Findel und Waisenhauses, den Direktor der Kunstschule, sich selbst und nach seinem Tode einen seiner männlichen Nachkommen. Leider muß festgestellt werden, daß die Stiftung in keiner Weise den Erfolg hatte, den der Stifter ohne Zweifel von ihr erhofft hatte. In dem langen Zeiträume von ihrer Errichtung im Jahre 1827 bis auf den heutigen Tag ist sie nur dreimal ausgeteilt worden. Die Ausrichtung scheiterte an den viel zu hoch gespannten, ja unmöglichen Anforderungen an die aus der Findel austretenden, noch unentwickelten und unreifen Bewerber, die nach der Stiftungsurkunde und der Auslegung des Stifters ein »hervorspringendes Genie« oder »eminentes Talent« aufTveisen sollen, und weiter an der großen Einschränkung des Kreises der Stiftungsberechtigten infolge der Bestimmung, daß nur Maler, Bildhauer und Kupferstecher zuzulassen sind. Hätte der Stifter den völligen Mißerfolg seines Werkes noch erlebt,
73 so hätte er ihm sicher durch Herabsetzung der Anforderungen und Erweiterung der Zahl der zur Erwerbung des Stipendiums befähigenden Kunstbetätigungen noch nachträglich die Lebens fähigkeit verliehen, die ihm jetzt völlig abgeht. Bleibt die Stiftung, wie sie ist, so wird sie auf immer zur Unfruchtbarkeit verdammt sein. Bedeutende Kapitalien sammeln sich an, ohne ihrem Zweck zugeführt werden zu können. Da dürfte es Pflicht des Verwalters der Stiftung sein, das Werk, das dem Geiste einer Stiftung nicht gemäß ist, so umzugestalten, wie es der Stifter selbst, wenn er den Mißerfolg noch erlebt hätte, aller Voraussicht nach getan haben würde. Durch eine vernunft mäßige Reorganisation würde erst dem Willen des Stifters und dem Geiste der Stiftung in Wahrheit entsprochen werden ! Seitdem die Findel unter magistratischer Verwaltung stand, war es herkömmlich, kleine Geschenke von Freunden der Anstalt, die nicht zur Mehrung des Stiftungsvermögens bestimmt waren, sondern nach dem Willen der Geber zu Nutz und Frommen der Kinder, zu ihrer Unterhaltung und Freude Verwendung finden sollten, nicht zu verrechnen, sondern dem Pfleger zur freien Verfügung für die Waisen zu überlassen. Ebenso wurde es mit den Erträgnissen der Sammelbüchsen und dem Erlöse aus den Handarbeiten der Kinder gehalten. So bildete sich eine Handkasse, aus der die Kosten kleinerer Reparaturen, Ausflüge, Spaziergänge, Spielsachen, Weihnachtsgeschenke und dergl. bestritten wurden. Durch sorgsame Verwaltung und Sparsamkeit war ihr Bestand allmählich mehr und mehr an gewachsen und hatte Ende des Jahres 1862 die Summe von 700 fl. erreicht. Bei einer weiteren Zunahme dieses noch kleinen Ver mögens konnte vielleicht einem Bedürfnisse Rechnung getragen werden, für dessen Befriedigung bis jetzt noch nicht die ent sprechenden Mittel bereitgestellt waren, der Unterstützung talentvoller Knaben zwecks einer höheren Ausbildung, da die Campesche Stiftung bei ihrer Beschränkung auf die Kunst einen solchen Zweck nicht erfüllen und die Armenpflege so weite Ziele nicht ins Auge fassen konnte. Der moralischen Pflicht, hier helfend einzugreifen, konnte sich aber der Stadtmagistrat nicht entziehen, und er erkannte sie auch ausdrücklich an. Als
74 das ihm den der der
geeignetste Mittel zur Erreichung dieses Zweckes erschien wohl mit Recht die Errichtung eines Stipendienfonds aus bisherigen Ersparnissen, weiteren Erübrigungen, den Zinsen, Zuweisung eines Teils der Erträgnisse aus den Arbeiten Kinder und aus besonderen Stiftungen.
Schon am 3. Dezember 1863 wurde die Bildung eines unangreifbaren Stipendienfonds zugunsten solcher Pfleglinge, die sich durch Begabung und Geschicklichkeit sowie durch Fleiß und gute Sitten vor andern in dem Grade ausgezeichnet, daß sie zum Besuche höherer Lehranstalten als befähigt erachtet werden könnten, beschlossen. Das Kollegium der Gemeinde bevollmächtigten und die Kgl. Regierung von Mittelfranken konnten den wohlwollenden und menschenfreundlichen Absichten des Stadt magistrats nur beistimmen. Diesem wurde in der Wahl der Pfleglinge zum Genuß dieses Stipendiums und der Entscheidung wegen der Höhe und Dauer desselben völlig freie Hand gelassen. Die Zinsen, über die nicht verfügt wurde, kamen zum Stamm vermögen. Das Vermögen des Stiftungsfonds wuchs in verhältnis mäßig kurzer Zeit zu bedeutender Höhe an: 1870 betrug es rund 2207 fl., 1880 schon 12633 «i/, 1890 22498 M, 1900 31020 Jt, 1910 41617 Jl, 1912 45147 Jt. Die Sammelbüchsen der Anstalt und des 1876 errichteten Standesamts, die zahlreichen und oft nicht geringen Geschenke von Freunden und Gönnern, der allerdings unbedeutende und in manchen Jahren gar nicht eingehende Überschuß der Kosten des Krausischen Stiftungsmahls, der Erlös aus den Arbeiten der Kinder und besonders auch aus den Handfertigkeitsarbeiten seit dem Jahre 1882 sowie auch die zum Kapital geschlagenen Zinsen brachten in ihrer Gesamtheit doch ganz erhebliche Beträge, obschon von der Handkassa auch die Kosten für Er frischungen der Kinder bei Ausflügen und Spaziergängen, zur Anschaffung kleinerer Schulbedürfnisse, der Bücher für die Schülerbibliothek und von Spielen und Weihnachtsgeschenken bestritten wurden. Greifen wir ein Jahr heraus — das Jahr 1889, da es eine gute Übersicht gewährt —, so ergeben sich für die Handkassa
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aus dem Arbeitsverdienste der Zöglinge, Ertrag der Sammelbüchsen im Standesamt, Geschenke von Privaten, Ertrag der Sammelbüchsen im Waisenhaus am St. Johannistag, Erlös aus geschenkten Zigarrenabschnitten, aus der Elis. Krausischen Stiftung zur Anschaffung von Bibeln.
1230 Jl 17 J}. Diesen Einnahmen der Handkassa standen an Ausgaben 811 Jl 32 $\. gegenüber, so daß sich ein Überschuß von 418 M 85 $\ ergab. Die besondere Kassa des Handfertigkeitsunterrichts ergab nach Abzug der Materialkosten 460 Jl 61 Überschuß. Um nun den Kindern wie alljährlich einen kleinen Beitrag für die Sparkassa gewähren zu können, entnahm man aus dem Überschuß der Handkassa 216 Jl und aus jenem des Hand fertigkeitsunterrichts 160 Jl. Diese 376 betragende Summe wurde zu je 4 Jl unter die 94 Zöglinge für ihre Sparkassen verteilt. Der noch verbleibende Rest der Handfertigkeitsunter richtskassa im Betrage von 300 M 61 ^ wurde dieser zu Anschaffung von Rohmaterialien und Werkzeugen überwiesen, der noch übrige Betrag der Handkassa von 202 Jl 85 ^ dagegen an die Kassa der Wohltätigkeitsstiftungen behufs Ein verleibung in das Stammvermögen des Stipendienfonds übergeben. Die veränderten Zeitverhältnisse und die steigenden Be dürfnisse in der Findel ließen auch eine Vermehrung des Dienst personals notwendig erscheinen. Unter Campe war zu dem übrigen Personal noch eine Nähterin angenommen worden, die unter Beihülfe, der sonstigen weiblichen Dienstboten und der größeren Mädchen die Näh- und Flickarbeiten zu fertigen hatte. Später ließ er an 2 Tagen in der Woche die Ausbesserung der Kinderkleider und die Anfertigung der neuen Mädchenkleider durch einen Schneidermeister besorgen, der für den Tag 30 kr. bezog und die Kost frei hatte. Nach dessen Abgang im Jahre 1849 wurden diese Arbeiten einer Nähterin, die unausgesetzt mit einem Taglohn von 18 kr. und freier Mittags- und Abend kost beschäftigt war, und einer Kleidermacherin, die zeitweilig
76 zur Anfertigung der neuen Kleider beigezogen werden mußte, übertragen. Ihnen halfen wieder die weiblichen Dienstboten und die größeren Mädchen. Seitdem die Waisenkinder die Stadtschulen besuchten und jetzt mehr auf eine entsprechende Kleidung gesehen werden mußte, mehrten sich die Näharbeiten ganz beträchtlich, und es erschien jetzt vorteilhafter, anstatt eine Näherin gegen Taglohn zu beschäftigen, sie wie einst als Dienstboten mit Jahreslohn zu dingen. Sie kam so billiger und leistete auch mehr als eine Lohnarbeiterin, die täglich kam und ging. Außerdem aber konnte sie noch bei anderen Arbeiten zugreifen und besonders der Kindsmagd, die mit den vielen kleinen Kindern nicht fertig wurde, Hülfe leisten. Eine eigentümliche Bewandtnis, die noch auf die reichs städtische Zeit zurückging, hatte es mit der Entlohnung und Verköstigung der Dienstboten. Da die Findelküche für die Kinder nur an 4 Tagen Fleisch kochte, so wurde den Dienst boten, die dieselbe Kost wie die Kinder bekamen, für den Ausfall eine Geldzulage unter der Bezeichnung eines Kostgeldes gewährt. Die fünf Dienstboten, Hausknecht, Köchin, Haus magd, Kindsmagd und Nähterin, erhielten an Lohn je 30 fl., die Kost, und zwar morgens und abends Brennsuppe, mittags Suppe oder Klöße und viermal in der Woche Fleisch, wurde für jeden angeschlagen mit 42 fl. 35 kr. jährlich und als Kostgeld waren 73 fl. in Anschlag gebracht, also für jeden 145 fl. 35 kr. Dazu kam noch als Weihnachtsgeschenk ein Hemd und ein weiteres an St. Johannistag, letzteres aus der Krausischen Stiftung. Der Lohn war ein geringer. Der Gesamtaufwand für die einzelne Person stellte sich um ein bedeutendes niedriger als in anderen städtischen Anstalten, obschon der Dienst in der Findel schwer war. Im Hl. Geistspital bekam z. B. eine Magd 20 fl. mehr als im Waisenhause und in einer Bürgerfamilie bezog ein Dienstbote 150 fl. ohne die Trinkgelder. Auch in Zukunft blieb es zunächst noch beim Alten, nur wurde (1852) die eine Abänderung getroffen, daß neueintretende Dienstboten einen jährlichen Lohn von 75 fl. und die Kinderkost im An schläge von 42 fl. 30 kr., also im ganzen 117 fl., bezogen. Im Jahre 1863 wurden für die fünfDienstboten Weihnachtsgeschenke, je nach Dienstalter und Würdigkeit von 2 bis zu 8 fl. bemessen,
Hof des alten Findel- und Waisenhauses vor dem Abbruch. Aufgenommen im Frühjahr 1899. Ansicht nach Südwest.
77 eingeführt. Man hielt das für um so notwendiger, als sie schlechter gestellt seien als jene im Privatdienst. 1864 nahm man eine besondere Kleidermacherin und eine Nähterin an, die 36 bezw. 24 kr. Taglohn erhielten und dazu täglich noch eine Fleischration von 1l-> U. Damals wurde auch für die wöchentliche Wäsche auf 2 Tage eine Waschfrau mit im ganzen 2 fl. und V2 E Fleisch zur Verköstigung für den Tag bestellt. Manche Anstellung wie die von Krankenwärterinnen, einer weiteren Flickerin der Bett- und Leibwäsche und sonstiger Aushülfspersonen richteten sich nach den jeweiligen Bedürfnissen. In den 70 er Jahren ist auch eine zweite Kindsmagd angestellt. Daß bei der Steigung der Lebensmittelpreise auch von Zeit zu Zeit eine Erhöhung der Löhne und Kostgelder eintreten mußte, ist wohl selbstverständlich. Man suchte sie den in anderen städtischen Anstalten gezahlten Löhnen möglichst an zugleichen. Es kann auf all die mannigfachen Änderungen, die sich im Laufe der Zeit ergaben, hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Das Jahr 1862 ist für das Findel- und Waisenhaus inso fern bemerkenswert, als es ihm eine neue Hausordnung bescherte, an erster Stelle genaue Vorschriften, worin die Befugnisse des städtischen Pflegers und die Stellung des Hausvaters oder Ökonomen gegenüber dem Stadtmagistrat und Pfleger und die Pflichten des Hausvaters wegen der Erziehung und Pflege der Kinder und der Verwaltung der Anstalt überhaupt im einzelnen festgelegt wurden. Es kann um so eher von einem näheren Eingehen auf die sehr umfangreichen Bestimmungen abgesehen werden, als sie doch so vieles enthalten, was durchaus selbstver ständlich erscheint. Dagegen hat die eigentliche Hausordnung in ihren meisten Bestimmungen Anspruch auf unsere Beachtung. Die Kinder standen in den Sommermonaten um 5 7-2, im Winter um 6 Uhr auf, kleideten sich an, verrichteten im Saale ihr gemeinschaftliches Morgengebet und erhielten ihr Frühstück, um dann die Schule zu besuchen, die damals um 7 Uhr begann und um 10 Uhr endigte. Die Zwischenzeit bis zum Mittagessen wurde durch eine angemessene Beschäftigung ausgefüllt: die Knaben fertigten ihre Aufgaben, steckten Nacht lichter, verrichteten Garten- und Hausarbeiten, zeichneten und
78 turnten auch, die Mädchen hatten zu stricken und zu nähen. Die größeren und kräftigeren Kinder, besonders die Mädchen, wurden auch zu Hausarbeiten, wie Putzen und Fegen, Waschen und Küchenarbeiten, herangezogen. Um 12 Uhr fand das gemeinschaftliche Mittagessen statt, an dem auch die Haus eltern mit ihren Kindern teilnahmen. Es wurde natürlich mit einem Bittgebet eröffnet und schloß mit einem Dankgebet. Bis 2 Uhr hatten sich dann die Kinder wieder* in der vorhin geschilderten Weise zu beschäftigen, worauf sie bis 4 Uhr die Schule besuchten. Nach ihrer Rückkehr führte der Hausvater bei günstiger Witterung die Knaben ins Flußbad. Später bearbeiteten sämtliche Kinder unter der Aufsicht des Hauslehrers ihre Hausaufgaben. Nach dem Abendessen, das um 6 Uhr begann, spielten die Knaben auf dem Turnplatz, die Mädchen im Hof. Von 7 bis 9 Uhr wurden die Kinder durch Arbeiten beschäftigt und gingen nach einem gemein schaftlichen Abendgebet zur Ruhe. Im Winter dauerte der Schulunterricht von 8 bis 11 und von 2 bis 4 Uhr. Von 4 bis 5 Uhr konnten sich die Kinder durch Schlittenfahren und Spielen im Hofe unterhalten. Zu Bett gingen sie schon um V2 9 Uhr. An den Sonn- und Feiertagen besuchten sie den Morgengottesdienst und die christliche Lehre. Hatten sie sich keine Strafe zugezogen, so war es ihnen gestattet, Verwandte und Befreundete in der Stadt aufzusuchen, vorausgesetzt allerdings, daß von ihnen ein nachteiliger Einfluß nicht zu befürchten war. Nach der Ent lassung aus dem Waisenhause durfte kein ehemaliger Zögling mehr auch nur für kurze Zeit darin herbergen, wie auch sonst niemand außer den Waisenkindern und Bediensteten das Über nachten gestattet war. Daß »unziemliche Redensarten oder unpassende, die Sittlichkeit verletzende Erzählungen und Gesänge, Fluchen, Schimpfen, Zank und Streit« streng verboten waren und streng geahndet wurden, ist wohl selbstverständlich. Körperliche Züchtigungen konnte der Hausvater aber nur nach Einholung der Genehmigung des Pflegers vollziehen. In schweren Fällen war er allerdings befugt, in eigener Zuständig keit einzuschreiten. Erst im Jahre 1895 wurde dem Haus vater das Züchtigungsrecht der Volksschullehrer eingeräumt.
79 lm Laufe der Jahre erfuhr diese Hausordnung einzelne Abänderungen. So standen später die Mädchen im Sommer um 5 und im Winter um 5 V* Uhr auf, während den Knaben noch eine weitere Vs» Stunde Schlaf vergönnt war. Verschiedene Verschiebungen in den Arbeiten und Spielen ergaben sich auch dadurch, daß späterhin der Schulbeginn auf 8 Uhr fest gesetzt wurde. Im Jahre 1864 führte der Stadtmagistrat auch eine unter Beiziehung des Gasthofbesitzers Aurnheimer vom bayrischen Hof ausgearbeitete neue Kostordnung für die Kinder und das Dienst personal ein. Bis dahin hatte die Kostordnung, wie sie im Jahre 1811 bestand, Geltung gehabt, die aber auf eine wünschens werte Abwechslung, auf Menge und Güte der Speisen wenig Rücksicht nahm. Jetzt wurde alles auf das sorgfältigste erwogen, und wenn man auch überall das Gute und Zweckmäßige wollte, so mußten andererseits doch auch die Kosten sich den gegebenen Mitteln anpassen. Ohne Zweifel war es ein großer Fortschritt, daß statt der ewigen Brennsuppe nun für den Sommer wie den Winter Milch mit sog. römischem Brot als Frühstück eingeführt wurde. Um 10 Uhr und im Winter um 11 Uhr erhielt jedes Kind ein Stück Roggenbrot Für den Mittag waren vier Fleischtage vorgesehen. Ein besonderes Speiseregulativ bestimmte, welche Menge für 70 Kinderportionen zu kochen und welche einzelne Bestand teile die Speisen zu enthalten hatten. Der Speisezettel war im Winter wie im Sommer für je drei Wochen festgesetzt, ohne indes im einzelnen bindend zu sein. Danach sollte der Pfleger gegebenen Falls im Einvernehmen mit dem Hausarzt und Haus vater den Speisezettel für eine oder mehrere Wochen bestimmen. Ob das alles so genau durchgeführt wurde, wie es angeordnet war, ist wohl mehr als zweifelhaft. Eine besondere Bestimmung befaßte sich sogar mit der Art und Weise, wie das Rindfleisch zu kochen sei: nicht wie bisher in der Suppe und im Gemüse, sondern einfach mit Wasser zugesetzt, da man nur so eine gute Fleischbrühe und Abschöpfschmalz gewinne. An Suppe waren für jedes Kind 1V2 Schoppen berechnet, dazu ein Stück Schwarz brot. Im übrigen war der Speisezettel den Verhältnissen der Anstalt und dem Bedürfnis der Kinder wohl angepaßt und in
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seiner Art sehr abwechslungsreich. Sehr häufig waren Mehl speisen an der Tagesordnung, und das war wohl auch das Ent sprechendste und den Kindern das Liebste. Rindfleisch gab es 1865 an vier Tagen, häufig Rindfleisch und Gemüse, letzteres je nach der Jahreszeit, oder auch Suppe mit Rindfleisch, Rind fleisch mit Graupen, Schweinefleisch mit Sauerkraut und Kar toffeln, sehr häufig Klöße allein oder auch mit Fleisch, wie Semmel- oder Kartoffelklöße mit saurer Lunge, Grießklöße mit Kuttelwamme oder gekochten Birnen oder auch mit Zwiebel sauce, Ofen- oder Kartoffelklöße mit Schnitz oder gedörrtem Obst oder Kartoffel-, Grieß- oder Leberklöße, auch Grießbrei allein. Dann auch Dampfnudeln mit Milch, Brennsuppe und Wassernudeln, Wassersuppe und Kartoffelnudeln, Kartoffelbrei, Kartoffeldietschen, Reisbrei. . An den Samstagen waren Fleisch speisen sehr selten, es gab da allerlei Mehlspeisen, wie Wasser nudeln, denen später eine Brennsuppe vorherging, Semmel spatzen, Kartoffelbrei, ganz vereinzelt auch wohl einmal Würste mit Erbsen oder Linsen. Dafür kam Sonntags regelmäßig ein Braten auf den Tisch, vorher auch wohl Suppe. Die Auswahl war allerdings nicht groß, man wechselte zwischen Rinds- und Schweinsbraten, Kalbsbraten war zu teuer. Wenn die Suppe ausfiel, wurden meist Kartoffeln gegeben. Nachmittags um 4 Uhr erhielten die Kinder ein Stück Schwarzbrot, zuweilen auch außerdem Äpfel oder anderes Obst. Die Abendkost, die im Winter um 6 und im Sommer um 7 Uhr gereicht wurde, war fast regelmäßig Brennsuppe, aber auch andere Speisen, wie sie der Pfleger nach dem Speisenverzeichnis anordnen konnte. Später (1874) kamen zur Brennsuppe Kar toffeln und in der Zeit, wo sie ausgegangen waren, wurden statt llh 2 Schoppen Brennsuppe gegeben. An den Dienstagen bewilligte die Ordnung wie bisher einen Schoppen Bier, das aber »frisch vom Wirte« zu holen war, später (1883) wurde es wieder abgeschafft und dafür ein weiterer Fleischtag eingeführt, zu dem bald darauf (1885) noch ein sechster kam. Die Hauseltern und Dienstboten erhielten dieselbe Kost wie die Kinder, nur in größeren Mengen. Statt der Milch wurde für die letzteren 1873 und für die ersteren 1875 der Kaffee eingeführt. Die Abendkost war für Kinder und Haus-
Ansicht des neuen Findel- und Waisenhauses von der Reutersbrunnenstraße aus.
81 eitern die gleiche, die Dienstboten erhielten dafür sowie als Entschädigung für das an mehreren Mittagen ausfallende Fleisch und für Bier wie schon vorher eine Jahreszulage von 54 fl. 45 kr., seit 1873 aber die Kinderkost, Brennsuppe, und zwar zwei Kinderportionen. Noch weiter auf die Einzelheiten der Kost ordnung einzugehen, wie sie 1864/65 ins Leben trat und sich später weiter entwickelte, schien mir nicht ratsam. Schon das Mitgeteilte mag beinahe über das Maß des Zulässigen hinaus gehend erscheinen. Aber andererseits sind die Beispiele, an denen man die Verhältnisse einer noch nicht gar lange ent schwundenen Zeit nach dieser Richtung hin im näheren erkennen kann, so dünn gesät, daß ich es für ratsam erachtete, etwas näher darauf einzugehen, zumal da sie auch des kulturhistorischen Interesses nicht ganz entbehren. Bei der großen Zahl der in Privathäüsern untergebrachten Kinder, die, wie wir schon wiederholt gesehen, sehr häufig nicht die entsprechende Nahrung, Pflege und Erziehung finden konnten, erwog man im Jahre 1869, ob nicht mehr Kinder aufgenommen werden und an eine Erweiterung des Findel- und Waisenhauses auf Kosten der Stadt gedacht werden könnte. Damals waren in die 60 Kinder untergebracht, die Zahl war in jener Zeit auch wohl höher und ging zuweilen weit in die 70 hinauf. Bei einer völligen Ausnutzung der schon vorhandenen Räume hätte man bis in die 100 Kinder unterbringen können. Aber dieses Projekt scheiterte an dem Kostenpunkte. Der Armenpflegschaftsrat sah sich nicht in der Lage, die Verpflegungskosten von 148 fl. 31 kr. für das Kind aufzubringen, das in der Privatpflege nur die Hälfte dieser Kosten verursachte. Die Aufbringung der Unterhaltungs kosten, insbesondere die Deckung des Fehlbetrages, die den sog. konsolidierten Armenpflegestiftungen bzw. dem Armenpfleg schaftsrat zufiel, war mit fortwährend wachsenden Schwierigkeiten verbunden. Auf der einen Seite von Jahr zu Jahr steigende Ausgaben, auf der anderen in der Regel ein Rückgang und schließlich ein Versiegen der alten Einnahmen. Die Mitzabgabe der Müller vom vermahlenen Korn (Roggen), die einst so bedeutende Erträge gebracht hatte, ging bei der Zunahme der Kunstmühlen, die nur ausnahmsweise Korn vermahlten, immer mehr zurück und wurde im Jahre 1860 aufgehoben.
82 Die sogen. Bürgeraufnahmegebühren — von den neuaufgenommenen Bürgern und sogen. Schutzverwandten oder Insassen —, die mit dem Anwachsen der Einwohnerzahl höhere Erträge ergaben,1) kamen mit der im Jahre 1869 eingeführten Gemeindeordnung in Wegfall. Weniger ins Gewicht fielen die Gebühren der zu Meistern und Gesellen gesprochenen Hand werker. Sie erreichten wohl hie und da den Betrag von über 200 fl., blieben aber in der Regel weit darunter. Aufgehoben wurden sie mit der Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1868, welche auch die Meister- und Gesellensprechungen abschaffte. Auch die Gebühren von den sogen. Hausleichen, welche zeitweilig ganz beachtenswerte Summen ergeben hatten, gingen seit den 50er und 60er Jahren immer mehr zurück, da man nach der Errichtung von Leichenhäusern auf den Friedhöfen mit der alten Gewohnheit, die Leichen in feierlichem Zuge auf den Kirchhof zu geleiten, immer mehr brach. 1880 lieferten die Gebühren von den fünf Friedhöfen zu St. Johannis, St. Rochus, Wöhrd, St. Leonhard und St. Peter als Anteil der Findel noch 173 Jt 80 1890 waren sie auf 32 Jt 25 und 1891 auf 17 Jt 25 ^ zurückgegangen. Für das Jahr 1893 berichtete die Friedhofverwaltung, daß Hausleichen nicht vorgekommen und deshalb auch keine Leichengebühren für die konsolidierte Armenpflege sowie die Findel- und Waisenhausstiftungen zum Anfall gekommen seien. Die zum Teil sehr bedeutenden letztwilligen Zuwendungen konnten doch nicht über die Finanznöte der Findel hinweg helfen. Von jeher, auch unter der königlichen Verwaltung, hatte bei den unzureichenden Renten des Stiftungsvermögens der Fehlbetrag aus den Fonds anderer, besonders der Wohl tätigkeitsstiftungen, später aus den Überschüssen der Kranken pflegestiftungen oder der konsolidierten Armenpflegestiftungen gedeckt werden müssen. Er war in manchen Jahren bei einer verhältnismäßig doch nicht so großen Anstalt recht bedeutend. Im Jahre 1820/21 betrug er rund 4756 fl., 1830/31 1828 fl., 1840/41 2322 fl., 1850/51 3804 fl., 1860 3546 fl., 1870 5247 fl. In der Zeit von 1874 bis 1891 schwankte er zwischen 4065 0 1818/19 ergaben sie 546 fl.; 1830/31 461 fl.; 1840/41 503 fl.; 1850/51 640 fl.; 1860/61 1253 fl.; 1865/66 1344 fl.; 1868 836 fl.
83 und 18604 Jl. Im Jahre 1874 sahen sich die konsolidierten Armenpflegestiftungen, die selbst fortwährend mit Fehlbeträgen zu kämpfen hatten, außerstande , das Mehrerfordernis des Findel- und Waisenhauses im Betrage von 8327 M zu decken. Durch übereinstimmende Beschlüsse der städtischen Kollegien wurde daher die Übernahme der Mehrausgaben auf die Armen pflege übernommen, da es deren »Sache sei, für die armen Kinder zu sorgen, soweit es nicht aus Stiftungsmitteln geschehen« könne. Diese bedeutenden Zuwendungen, ohne die das Findel und Waisenhaus nicht hätte bestehen können, gingen demselben durch die Vermittlung der Armenpflege zu, die sie von der Gemeindekasse erhielt. Da nun die Stadt für die Mehrausgaben aufkam, so war es naheliegend, ja naturgemäß, daß der Magistrat das Findel- und Waisenhaus nicht mehr als eine durch Zuschuß der Armenpflege erhaltene Stiftungsanstalt, sondern als eine mit Stiftungszuschüssen ausgestattete Gemeindeanstalt behandelt wissen wollte. Auch zur Vereinfachung der Rechnung der Armenpflege, in der der Zuschuß der Stadthauptkasse nochmals in Einnahme und Ausgabe gestellt werden mußte, erschien die Verstadtlichung der Anstaft geboten. So wurde denn durch Beschlüsse der städtischen Kollegien vom 4. und 22. September 1891 mit Genehmigung der Königlichen Regierung von Mittel franken mit Wirkung von 1892 an das Findel- und Waisenhaus aus einer Wohltätigkeitsstiftung in eine Gemeindeanstalt zu Armenzwecken umgewandelt. Im Grunde erscheint der Unterschied zwischen früher und jetzt nicht wesentlich. Was die Stadt vorher indirekt geleistet hatte, leistete sie jetzt direkt. Die Rechnungslegung blieb dieselbe. Allerdings erwuchsen der Stadtgemeinde mit der Umwandlung des Findel- und Waisenhauses in eine Gemeinde anstalt insofern Haftungen, als sie mit der Aufnahme der Findel- und Waisenkinder nun auch die Verpflichtung übernahm, für deren Unterhalt zu sorgen und für die fehlenden Mittel aufzukommen. Aber diese Frage war doch wohl nur eine rein theoretische. Die Gemeindeverwaltung hätte sich ohnedies dieser moralischen Verpflichtung nicht entziehen können und wohl auch nicht entzogen. 6
84 Mit der Übernahme des Findel- und Waisenhauses durch die Stadtgemeinde besserte sich die finanzielle Lage der Anstalt in ganz überraschender Weise. Hatte das Jahr 1892 noch einen Zuschuß von 3681 Jt erfordert, so schloß die Rechnung des folgenden Jahres mit einem Überschuß von 456 Jt ab, der sich 1894 sogar auf 2680 Jl erhöhte, um dann von 1895 bis 1898 sich in den normaleren Grenzen von 220 und 241 M zu bewegen. Der ungewöhnlich hohe Überschuß im Jahre 1894 findet darin seine Erklärung, daß im Vergleich zum folgenden Jahre die Ausgaben niedriger und die Einnahmen höher waren1), als wie sonst. Mit dem Jahre 1899 erfolgte wieder ein bedeutender Rückschlag. Die Zuschüsse, welche die Stadt in diesen Jahren beizusteuern hatte, betrugen 1545 Jt (1907) bis zu 11407 Jl (1901). Erst im Jahre 1913 arbeitete das Findel- und Waisen haus wieder mit einem Überschuß und bei den durchaus sicheren und geregelten Verhältnissen, in denen es sich zurzeit befindet, und bei der Aussicht auf weitere Stiftungen einer mildtätigen Bürgerschaft darf man die Hoffnung hegen, daß die Anstalt auch in Zukunft finanziell immer mehr erstarken wird. Die Besserung der finanziellen Lage des Findel- und Waisenhauses beruhte anfangs zum Teil darauf, daß infolge der Nichtaufnahme der Halbwaisen die Zahl der Zöglinge zurück ging. Aber das war nur für kurze Zeit der Fall. Die Gründe lagen ganz anderswo und reichten in der Hauptsache schon viel weiter zurück. Es muß hier darauf hingewiesen werden, daß die gemeindlichen Kollegien in kluger Ausnützung der Zeit verhältnisse im Jahre 1879 ein Unternehmen ins Leben riefen, von dem bei der damals längst eingetretenen Bauentwicklung der Stadt außerhalb der Ringmauern ein sicherer und reicher Erfolg erwartet werden durfte. Sie kauften von den Findel und Waisenhausstiftungen die in der Steuergemeinde St. Peter gelegene sog. Findelwiese mit einem Flächeninhalt von 9,75 Tag werk oder 3 Hektar 323 Ar um den Preis von 19505 Jt, um sie zu geeigneten Zeiten als Bauplätze zu verwerten. Das für den Bau und die Kanalisierung einer Strecke der Scheurlstraße *) 1894 Einnahmen: 44484 Ji 30 Mehreinnahmen : 2680 M 5 2 1895 Einnahmen: 45911 M 10 Mehreinnahmen 241 Ji 35
Ausgaben: 41803 M 78 Ausgaben: 45669 Ji 75
Ansicht des neuen Findel- und Waisenhauses vom Garten aus.
85 aufgewendete Kapital von 13300 Jt wurde der Stiftung aus Gemeindemitteln bar zurücker tattet. Es wurde weiter bestimmt, über das gesamte Geschäft gesonderte Rechnung zu führen und unter Zugrundelegung einer 4J/2prozentigen Verzinsung der sämtlichen aufgewendeten und eingehenden Beträge nach der Verwertung des ganzen — unter Abzug der öffentlichen Straßen — verbleibenden Bestandes eine Schlußabrechnung herzustellen, den sich ergebenden Gewinn der Findelstiftung unverkürzt einzuhändigen, einen etwaigen Verlust aber ohne Inanspruch nahme der Stiftung auf die Stadt zu übernehmen. Schon im Jahre 1881 konnten die auf den Ankauf und die Verbesserung der Findelwiese von der Getreidemagazinskasse vorgestreckten Kapitalien völlig zurückgezahlt und von 1887 bis 1896 der Kasse der Wohltätigkeitsstiftungen als der Verwalterin der Findel und Waisenhausstiftungen 215926 Jt aus dem Erlös der bis dahin verkauften Bauplätze übergeben werden. Vom Jahre 1892 an wurde das vereinnahmte Kapital an die Findel- und Waisenhausstiftung zur eigenen Verwaltung überwiesen. Von 1897 bis 1916 wurden aus den Grundstückverkäufen 175776 Jt vereinnahmt. Das Unternehmen ergab bis dahin einen Ertrag von 391692 Jt, während die noch jnicht veräußerten 0,243 ha. einen Wert von etwa 20582 Jt darstellten. Der Gewinn, den das Findelwiesenunternehmen nach seiner Durchführung abwerfen wird, beläuft sich demnach aller Voraus sicht nach auf etwa 413000 Jt. Zu diesem ganz außergewöhn lichen Anwachsen des Stiftungsvermögens in verhältnismäßig kurzer Zeit infolge des glücklichen Gelingens einer wohl erwogenen, gut vorbereiteten und sicheren Erfolg versprechen den Spekulation kamen dann die zahlreichen und seit dem Beginn der 70 er Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Teil groß artigen letztwilligen Schenkungen, wodurch die Vermögensver hältnisse des Findel- und Waisenhauses noch in viel höherem Maße gehoben wurden. Alle diese Zuwendungen hier im einzel nen aufzuzählen, dürfte zu weit führen, doch mögen einige der bedeutendsten herausgehoben werden: so die Stiftung des Matthias Stephan im Jahre 1869 mit 11548 fl., die der Erben der Interessenten der ehemaligen Pensionskasse der Kommerzial6*
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beamten und anderer Personen im Jahre 1875 mit 17041 dl, die Stiftung des Büchsenmachermeisters Johann Leonhard Engel hard im Jahre 1876 mit 15974 dl, der Witwe des Parfümerie fabrikanten Karl Bernhard Kreller Christina Margareta Kreller im gleichen Jahre mit 86000 dl, des Kaufmanns Joh. Martin Richter im Jahre 1884 mit 220602 dl, der Postoffizials- und Gutbesitzerswitwe Anna von Mann-Tiechler im Jahre 1890 mit 17 270 dl, des Anteils der Findel an der Wilhelm Freiherr v. Mulzerschen Stiftung im Jahre 1894 mit 120667 dl, der Stiftung des Privatiers Johann Gottlieb Held im Jahre 1903 mit 41500 dl und der des Magistrats- und Kommerzienrats Ernst Plank im Jahre 1915 mit 20000 dh Seit dem Jahre 1870 ergab sich eine Vermehrung des Stiftungsvermögens allein durch letztwillige Verfügungen um ungefähr 656600 dl und seit 1879, in welchem Jahre das Findelwiesenunternehmen einsetzte, ein Ertrag daraus von 391692 dl. Die Gesamtsumme erreichte die ganz außerordentliche Höhe von 1088 292 d(. Bei einem derartigen Anwachsen des Stiftungskapitals wurde es dem Findel- und Waisenhaus im neuen Jahrhundert möglich, sich finanziell auf eigene Füße zu stellen, aus dem Ertrag seiner Renten alle Ausgaben zu bestreiten und zum Teil noch über nicht unbedeutende Überschüsse zu verfügen, obschon in dem Neubau des Anstaltsgebäudes eine Aufgabe an es herantrat, dessen Kosten durch die aus dem Verkauf des alten Hauses sich ergebende Summe von 300000 dl bei weitem nicht gedeckt werden konnten. Unmittelbar vor der Inangriffnahme des Neubaus Ende 1895 zeigte die Findelrechnung folgendes Ergebnis. Einnahmen: 2 680.52 dl Überschuß aus dem Vorjahre, 33 132.96 * Renten aus Stiftungen, deren Erträgnisse aus schließlich dem Waisenhause zufließen, 8 693-39 » Zuschuß aus anderen Stiftungen, 1 404.23 > sonstige Einnahmen. 45911.10 dl. Dem gegenüber standen Gesamtausgaben einschließlich 3 255 dl auf dem Stiftungsvermögen lastender Rente im Betrage von 45 669.75 dl. Es ergab sich demnach eine Mehreinnahme
87 von 241.35 Jt. — Angesichts der so bedeutenden Vermögens mehrung und des Umstandes, daß man es immer in der Hand hatte, etwa eintretenden finanziellen Schwierigkeiten durch eine Beschränkung der Kinderaufnahme zu begegnen, konnte man ohne Bedenken dem Plan der Verlegung und des Neubaus des Waisenhauses, deren Notwendigkeit nicht abzuweisen war, näher treten. Doch bevor darauf näher eingegangen werden kann, sind noch einige andere Punkte klarzulegen, zunächst die Frage der Aufnahme der Kinder. Von dem alten Grundsätze an erster Stelle nur Findlinge und Doppelwaisen aufzunehmen, den man jederzeit, wenigstens in der Theorie, als zu Recht bestehend anerkannt, aber im Drange der Not so wenig befolgt hatte, daß oft Halbwaisen und verwahrloste Kinder die große Überzahl bildeten, war man auch in magistratischer Zeit immer mehr abgewichen. Man berief sich dabei auf die Bestimmung der Krellerschen Stiftung vom Jahre 1876, wonach deren Renten »auf die Erziehung, Unterhaltung, Pflege und den Unterricht der Waisenhauskinder, sowie hauptsächlich zur Aufnahme einer größeren An zahl arrrter, verwahrloster Kinder verwendet werden sollten«.1) Eine solche neuerliche Bestimmung indes konnte unmöglich den alten immer wieder betonten Charakter der Anstalt als Findel- und Waisenhaus aufheben oder auch nur beeinträchtigen, auch wenn die Findel jetzt als Gemeindeanstalt verwaltet wurde. Am allerwenigsten konnte eine solche Übung Platz greifen in einer Zeit, die sich einer wohlgeordneten Armen pflege erfreute, die die Kinder dieser Art billiger und in zufriedenstellender Weise zu versorgen vermochte. So dachte auch der Stadtmagistrat. In seiner Sitzung vom 25. November 1894 beschloß er, im allgemeinen und solange das Findel- und Waisenhaus nicht genügende eigene Mittel besitze, daran fest zuhalten, daß, von ganz besonderen und von Notfällen abgesehen, nur eigentliche oder sogen. Doppelwaisen oder Findelkinder, deren Eltern nicht bekannt seien, aufgenommen werden sollten. Dieser Beschluß bedeutete für die Findel eine Befreiung von allen fremdartigen Elementen und mit der Minderung der Zahl J) Lotter im Bericht über die Gesundheitsverhältnisse und Gesundheits anstalten in Nürnberg 1892, S. 210.
88 der Kinder auch eine finanzielle Entlastung. Aber doch nur auf kurze Zeit. Bis Ende 1898 war die Kinderzahl auf 62 zurückgegangen, stieg aber schon bald wieder, da man jetzt mehr Waisen aufnahm, allmählich auf 100 und darüber. Im Jahre 1910 z. B. waren 112 Kinder in der Findel untergebracht. Bevor wir uns der Schilderung des Findelneubaues zu wenden, werfen wir noch an der Hand eines authentischen Berichts einen Blick auf das Leben in der Findel, wie es sich gegen Ende des Jahrhunderts gestaltete.1) Es heißt daselbst: »Der Beschluß des Magistrats, das Waisenhaus, dessen Räume den Verhältnissen nicht mehr genügen, dem es ins besondere an einem Garten fehlt, um den Zöglingen Gelegenheit zum Aufenthalt im Freien und zu entsprechender Tätigkeit zu geben, auf einen geeigneten Platz an der Peripherie der Stadt zu verlegen, muß im Interesse der Anstalt mit Freude begrüßt werden, wenn auch damit leider wieder ein Stück Altnürnberg ins Grab sinkt. Die Tatsache, daß sich unter der hiesigen Bevölkerung das Interesse für das Waisenhaus trotz so mancher unbegreif licher Mahnungen, nichts mehr dafür zu stiften, »da es Sache der Stadt sei, für die armen Waisen zu sorgen«, forterhält und sich gerade in Stiftungen äußert, ist ebenfalls mit Freude und Dankbarkeit anzuerkennen. Hat doch der in München ver storbene Freiherr von Mulzer dem Waisenhause neben den hiesigen Blindeninstituten fast sein ganzes Vermögen vermacht, das gegen 300 000 Jl beträgt. Das Wohlwollen des Magistrats zeigte sich in einer Besserung der Kost. Statt der üblichen Brennsuppe haben die Kinder zum ersten Male in diesem Jahre an einem Abend in der Woche Knackwürste, Preßsack oder Käse erhalten. Die höchste Zahl der 1893 gleichzeitig in der Anstalt befindlichen Kinder war......................................................95 die Mindestzahl...................................................... 80 die Durchschnittszahl.................................................................88,15 neu aufgenommen wurden......................................................25 x)
Nürnberg.
Bericht über die Gesundheitsverhältnisse und Gesundheitsanstalten in 1893, S. 180 ff. Von Waisenhausvater Lotter und Hofrat Dr. Stich.
89 entlassen wurden................................................................ 19 davon kamen in die Lehre zu einem Handwerk . . 13 in den Dienst...................................................................... 6 Die Unterbringung der Knaben bei tüchtigen Handwerkern, bei denen sie auch Kost und Wohnung — ohne Zehrgeld — erhalten sollen, ist im letzten Jahrzehnt ein Ding der Unmög lichkeit geworden. Lehrgeld hat 1893 in den meisten Fällen von der Armenpflege bewilligt werden müssen. Es wird aber auch bald dafür zu sorgen sein, daß die Knaben während ihrer Lehrzeit Kost, Wohnung und Wäsche erhalten. Unter so bewandten Umständen Stiftungen für die Anstalt zu hintertreiben, ist den armen Kindern gegenüber gewiß nicht zu rechtfertigen. Es muß hier auch erwähnt werden, daß die Vormünder der Kinder, deren Obliegenheit in erster Linie es ist, ihre Mündel bei ordentlichen Meistern unterzubringen, in den meisten Fällen ihre Mithülfe versagen. Die Mädchen finden dagegen leicht einen Dienst, sofern sie körperlich und geistig normal entwickelt sind. Wegen körperlichen Gebrechens (krummen Wuchses) und wegen zwerghafter Kleinheit konnten zwei Mädchen nicht untergebracht werden; zwei geistig sehr schwach veranlagte haben wir zwar in einen Dienst gebracht, die betreffenden Dienstherrschaften haben es aber nicht länger als ein Vierteljahr mit ihnen ausge halten. Wohin sollen derartige Mädchen kommen, wenn sie durch Dienen ihr Fortkommen nicht finden können? Die Anstalt schickt ihre Zöglinge nicht leer hinaus ins Leben. Sie erhalten auf Kosten der Anstalt eine ganz ansehn liche Ausstattung an Kleidung und Wäsche. Für 1893 wurde hiefür ausgegeben 943 M 72 wobei die Kosten für Anfer tigung, die im Hause selbst geschieht, nicht berechnet sind. Das Personal der Anstalt hat in diesem Jahre nicht viel gewechselt. Die Hauseltern, das Ehepaar Michael und Margareta Lotter, stehen der Anstalt nunmehr im 23. Jahre vor. Zur Führung des Haushaltes sind ihnen beigegeben 2 Näherinnen, von welchen eine nunmehr über 12 Jahre diesen Posten bekleidet, 2 Hausmägde, 2 Kindsmägde, eine Küchenmagd, ein Hausdiener und ein Schneider, der im Tagelohn arbeitet. Außer den Waiseneltern ist kein Aufsichtspersonal über die Kinder da.
90 Pfleger ist Magistratsrat Basler (seit 1891), Hausarzt Hof rat Dr. Stich, Anstaltsseelsorger Pfarrer Grunwald.1) Die nicht geringe Zahl der Dienstboten rührt daher, daß im Hause selbst alle Kleidungsstücke und alle Wäschestücke gefertigt, gewaschen und ausgebessert werden. Das Waschen der rußigen Wäsche allein nimmt 3 Personen für 5 Tage wöchent lich in Anspruch. Obwohl die Löhne für das Dienstpersonal ziemlich hoch sind, halten nur wenige den anstrengenden Dienst längere Zeit aus. Auch die Abgeschlossenheit der Anstalt trägt dazu bei. Die Zöglinge stehen im Sommer morgens 5 Uhr, im Winter um 51/2 Uhr auf. Um 6 bezw. 6V2 Uhr erhalten sie als Frühstück Milch und römisches Brot. V28 Uhr begeben sich die Schulpflichtigen, mit einem Stück Schwarzbrot versehen, zur Schule. Eine Anstaltsschule besteht seit 1852 nicht mehr; die Kinder sind seitdem den Volksschulen zugeteilt. Zwei Zöglinge befinden sich auf Kosten der Anstalt im zweiten Jahre in der Präparandenschule in Schwabach, einer in der hiesigen Latein schule. Gutbefähigte Kinder sind merkwürdigerweise sehr selten; die Lernfreudigkeit ist meist nicht groß. Mittags 12 Uhr erhalten die Kinder ihre Hauptmahlzeit, an 6 Tagen Fleisch und Gemüse oder Fleisch und Suppe mit Brot. Nur am Freitag bekommen sie keine Fleischkost. Um 2 Uhr begeben sie sich wieder zur Schule. Bei ihrer Zurückkunft um 41/2 Uhr gibt es ein Stück Brot. Um 6 bezw. 6l/-2 Uhr wird zu Abend gegessen. Das Abendessen besteht in Brennsuppe, Grießsuppe, Kartoffelgemüse oder Knackwürsten, Preßsack, Käse mit Kartoffeln oder Brot; letzteres, wie schon bemerkt, einmal wöchentlich. Gegen 8{h Uhr wird nach der Abendandacht das Bett aufgesucht. In den schulfreien Stunden dürfen die Kinder spielen, spazieren gehen, ihre Hausaufgaben anfertigen. Sie werden auch zu verschiedenen Arbeiten angehalten. Eine den Knaben lieb gewordene Beschäftigung bietet der Handfertigkeitsunterricht, erteilt von dem Oberlehrer Ernst und dem Buchbinder Büchl. In wöchentlich 6 Stunden erlernen sie J) Pfleger jetzt (1916) Magistratsrat Heim. Schneider, Hausarzt noch Geh. Sanitätsrat Dr. Stich, ein Seelsorger ist nicht mehr angestellt.
Neues Findel- und Waisenhaus. Grundriß des zweiten Obergeschosses.
Grundriß des ersten Obergeschosses.
Zweites Obergeschoß:
l. Knabenschlafsaal. 2. Aborte. 3. Bruderzimmer. 4. Schlafraum für kleine Kinder. 5. Knaben sonntagskleiderablage. 6. Schwesterzimmer. 7. Krankenzimmer mit Bad. 8. Küche. 9. Krankenzimmer mit Bad. 10. Schwesterzimmer. 11. Oberschwester- und Schwesternzimmer. 12. Mädchensonntagskleiderablage. 13. Schwesterzimmer. 14. Schlafraum für größere Mädchen. 15. Aborte. 16. Mädchenschlafsaal. Erstes Obergeschoß: l. Speisesaal. 2. Aborte. 3. Schneiderzimmei. 4. Handfertigkeitszimmer. 5. Knabenwerktagskleider ablage. 6. Aufenthaltsraum für kleine Knaben. 7. Verwaltung. 8. Nähzimmer. 9. Bücherei. 10. Vorhalle. 11. Hausdienerzimmer. 12. Lernzimmer für kleine Kinder. 13, Mädchenwerktagskleiderablage. 14. Schwesterzimmer. 15. Aufenthaltsraum für kleine Mädchen. 16. Aborte. 17. Ausweichsaal.
91 Bürstenbinden, Laubsägen, Bücherbinden, Schreinerei usw. nach dem System Clausen-Kraus. Äußerst widerwärtig ist ihnen das Nachtlichterstecken. Als ein großer Mangel wird das Fehlen eines Gartens zu land wirtschaftlicher oder gärtnerischer Tätigkeit empfunden. Leichter ist es, die Mädchen angemessen zu beschäftigen. Sie werden zu den Hausarbeiten mitverwendet und erhalten Anleitung zum Stricken, Nähen, Flicken, Häkeln usw., sowohl in der Anstalt als auch in der Volksschule. Was die Kinder mit Arbeit verdienen, z. B. mit dem Nachtlichterstecken, bekommen sie am Schlüsse des Jahres in ihr Sparkassenbuch. Im Jahre 1893 hat jedes Kind 5 Jl erhalten; der ganze Betrag war 475 Jt>. Viele Kinder haben beim Eintritt in die Anstalt eine förmliche Scheu vor jeder Arbeit; waren sie ja niemals zu etwas anderem als höchstens zum Bettel angehalten worden, oder man hatte sie. eben einfach auf der Straße herumstreunen lassen. Es kostet oft viele Mühe, sie an Arbeit zu gewöhnen; manche bleiben arbeitsscheu für immer. Natürlich ist auch der Sinn für Ordnung und Reinlichkeit bei manchen nicht entwickelt. Nur durch Energie, durch fort währendes Nachgehen und Überwachen kann man es dahin bringen, daß Kleider, Bücher, Spielsachen usw. richtig aufge hoben werden, daß der Körper rein von Schmutz und Ungeziefer bleibt. Es ist nicht zu beschreiben, wie unrein uns die Kinder von ihren eigenen Müttern oder sonstigen Angehörigen zugeführt werden, so zwar, daß man sich oft scheuen muß, die dargereichte Hand zu nehmen. Die mitgebrachten Kleider wandern gar oft ins Feuer. Auf Reinlichkeit wird selbstverständlich in der Anstalt großes Gewicht gelegt. Die Wohn- und Schlafräume müssen stets blank und sauber sein; Hof und Spielplatz werden häufig gekehrt, Wäsche und Kleider oft gewaschen und gewechselt, der Körper unter Aufsicht täglich zweimal gewaschen beziehungs weise gebadet. Im Sommer nehmen die Knaben täglich einmal ein Fluß bad. Schwimmlehrer Maderholz erteilte ihnen Unterricht im Schwimmen. Im Winter wird wöchentlich einmal ein Wannen bad genommen. Für die Mädchen stehen auch im Sommer
92 Wannenbäder zur Verfügung. Eine Badeeinrichtung befindet sich im Hause. Ein Hauptaugenmerk wird der ausgiebigen Lüftung der Wohn- und Schlafräume zugewendet. Die Schlafräume haben im Sommer den ganzen, im Winter den halben Tag die Fenster geöffnet und in der warmen Jahreszeit wird auch nachts ein Fenster offen gelassen. In den Wohnräumen wird insbesondere während der Abwesenheit der Kinder stets längere Zeit und auch außerdem ergiebig gelüftet; was hiedurch im Winter mehr an Brennmaterial verbraucht wird, kommt durch den besseren Gesundheitszustand der Zöglinge reichlich wieder ein. Die Beköstigung ist in Bezug auf Qualität sehr gut, in Hin sicht auf die Quantität ausreichend. Es gibt Sonntags Braten mit Klößen, an den übrigen Wochentagen mit Ausnahme des Freitags — an dem es wegen unserer katholischen Zöglinge eine Fasten speise gibt — Rindfleisch mit Suppe oder Gemüse mit Brot. Der Gesamtaufwand für 1893 betrug 39359 Ji 66 im Vorjahre 41166 Jl 92^. Der Haushalt einschließlich der Besoldung des Personals kostete 30100 Jl 37 im Vorjahre 32080 Jl 52 $\. Die Ausgaben der Anstalt wurden bestritten aus 389 Jl 95 Einnahmen des Vorjahrs, Stiftungsrenten, 47 » 31955 » 4 598 > 32 » Zuschuß aus anderen Kassen 2415 » 92 » sonstigen Einnahmen, Summe 39 359 Jl 66 worunter 3 430 M Leibrenten. Über den Gesundheitszustand der Kinder im Laufe des Jahres 1893 ist abermals nur Befriedigendes zu berichten. Wie früher wurden nur einzelne Erkrankungen an Kinderkrankheiten beobachtet und die Erkrankten wurden regelmäßig dem hiesigen Kinderspitale zugewiesen, um einer Hausepidemie vorzubeugen. Die übrigen Erkrankungen aufzuführen, lohnt nicht der Mühe, da es nur solche von untergeordneter Bedeutung waren. Augen kranke wurden von Hofrat Dr. v. Förster behandelt. Bettnässer sind durchgehends 10 % in der Anstalt. Bisher hatten alle Maßregeln und Medikamente gegen enuresis nocturna keinen durchschlagenden Erfolg. Das Aussehen der Kinder ist vor trefflich, ihre Gewichtszunahme günstig, der Frohmut ganz befriedigend.«
93 Die Umwandlung des Findel- und Waisenhauses aus einer Stiftungs- in eine Gemeindeanstalt hatte besonders das Gute, daß sich die Stadt ihrer um so sorglicher, gewissermaßen als ihres eigenen Kindes annahm. Es kam dies vornehmlich in dem schon bald in Angriff genommenen Neubau zum Ausdruck. Die alten Gebäulichkeiten im ehemaligen Barfüßerkloster, wieder holt umgebaut und geflickt, waren längst unzureichend geworden, sie konnten insbesondere modernen Ansprüchen an Zweck mäßigkeit und Gesundheit in keiner Weise mehr genügen. Auf dem Platz aber, auf dem die alte Findel stand, ließ sich ein Neubau nicht aufführen. Denn einmal fehlte es hier an dem genügenden Raum für ein in jeder Beziehung entsprechendes Haus. Dann stand aber noch ein weiteres damals unüberwind lich erscheinendes Hindernis im Wege. Durch die geplante Pegnitzüberbrückung behufs Verbindung der beiden Stadthälften im Anschluß an den Burgbergtunnel hätte der Platz des Findel und Waisenhauses zum größten Teile in Anspruch genommen werden müssen. Es mußte zugleich zweckmäßig erscheinen, eine Anstalt dieser Art bei gegebenerGelegenheit aus dem Zentrum der Stadt hinauszuverlegen an eine Stelle, die auch Gelegenheit zu landwirtschaftlichen und gärtnerischen Arbeiten darbot. Als geigneter Baugrund stand eine Fläche an der Reutersbrunnenstraße südwestlich der Johannisbrücke zur Ver fügung, die der Stadtmagistrat der Findel- und Waisenhaus stiftung um den Kaufpreis von 100 000 ^ überließ, während die Stiftung für die Abtretung des alten Findelgebäudes 300 000 dt erhalten sollte. Der Neubau wurde am 21. und 28. Juli 1896 von den städtischen Kollegien beschlossen und sogleich nach Genehmigung durch die Kgl. Regierung von Mittelfranken an die Vorarbeiten gegangen. Schon im Oktober 1896 konnten die Planskizzen vorgelegt werden, die die Zustimmung der städtischen Kollegien fanden. Nach Herstellung der eigentlichen Baupläne bewilligten sie am 19. und 30. März 1897 543 000 di und zwar 100 000 dl für den Baugrund, 354 000 dl für das Hauptgebäude, 29 000 dl für die Nebengebäude, den Garten und Spielplatz und 60 000 dl für die innere Einrichtung. Mit den Bauarbeiten konnte in dem genannten Jahre nicht mehr begonnen werden, da die
94 staatsaufsichtliche Genehmigung erst im November erteilt wurde. 1898 wurden die Bauarbeiten so gefördert, daß am 13. Juli die feierliche Grundsteinlegung in Gegenwart der Vertreter des Stadtmagistrats, der Gemeindebevollmächtigten, der Geistlichkeit, von Gönnern der Anstalt sowie des Waisenhausvaters, der Waisenkinder und anderer Personen stattfinden konnte. Die Feier wurde durch einen Choral, den die Waisenkinder vor trugen, eingeleitet, worauf der Waisenhausgeistliche Pfarrer Wunderer die Festrede hielt und Bürgermeister Dr. v. Schuh in einer Ansprache Zweck und Bedeutung der Anstalt darlegte. Der Architekt Ingenieur Kuch verlas darauf die Grundstein urkunde, die mit einer Aufzeichnung über den Bau, den Plänen, einem Adreßbuch vom Jahre 1898, einer Denkmünze auf die Stifterin Elisabetha Kraus und den Reichsmünzen von 5 Mark abwärts unter dem Gesang der Kinder in den Grundstein gelegt wurde. Darauf erfolgten die üblichen Hammerschläge. Gegen Ende des Jahres war das Haus im Rohbau fertig, im Frühjahr 1899 konnte mit dem inneren Ausbau begonnen werden, Ende des Jahres war auch diese Arbeit bis auf das Legen der Riemenböden vollendet. Die innere Einrichtung war bis Ende Juli 1900 fertiggestellt. Im Juli 1899 war der Bau des Ökonomiegebäudes mit der Gärtnerwohnung, der Stallung und Remise und einer offenen Halle in Holzkonstruktion zur Ermöglichung des Aufenthalts und der Beschäftigung der Kinder im Freien in Angriff ge nommen worden. Vollendet wurde er im Juli 1900. Am 2. August dieses Jahres konnte dann das neue Haus dem Betrieb übergeben werden, nachdem es 2 Tage vorher der öffentlichen Besichtigung geöffnet gewesen war. Zu der feierlichen Eröffnung waren Mitglieder der städtischen Kollegien mit dem 2. Bürgermeister Jäger, der Pfleger der Anstalt Magistratsrat Raab, der Hausarzt Dr. Stich, der Anstaltsgeistliche Pfarrer Wunderer, der Hausvater Lotter, eine Anzahl geladener Gäste und die Waisenkinder erschienen. Eingeleitet wurde die Feier durch das von den Waisenkindern gesungene Lied: »Mit dem Herrn fang alles an!« Die Einweihungsrede hielt Pfarrer Wunderer mit dem Text: »Alles was ihr tut mit Worten
Vorhalle im neuen Findel- und Waisenhaus.
95 oder mit Werken, das tut im Namen des Herrn Jesus«. Der Lehrergesangverein sang den Chor: »Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehre!« Bürgermeister Jäger betonte, daß das Beste für die Kinder gerade gut genug sei, und hob besonders die Verdienste des früheren Pflegers Magistratsrats Weiß hervor, der der Findel stets ein sorglicher Vater gewesen sei, den Neubau mit allen Kräften gefördert habe, dessen Vollendung aber nicht mehr hätte erleben sollen. Er schloß mit dem Wunsch, daß Zucht und Sitte, Ordnung und Recht, Pflichteifer und Liebe, kurz alle die Lichterscheinungen, die das Vaterhaus unvergeßlich machen, in dem neuen Hause wohnen möchten. Der Pfleger der Anstalt, Magistratsrat Raab, wandte sich mit herzlichen Worten an die Kinder. Viele hundert arme Kinder, die in den letzten Tagen das neue Haus besichtigten, hätten nicht das Glück, so schön zu wohnen und zu schlafen und so liebevoll verpflegt zu werden. Er ermahnte sie, stets ihre Vaterstadt und ihr Vaterland zu lieben, und schloß mit einem Hoch auf den Prinzregenten. Nachdem noch ein Waisen mädchen ein Dankgedicht vorgetragen hatte, dankte im Namen der früheren Zöglinge Kartonnagezuschneider Beringer den Pflegern und allen Wohltätern, besonders Hofrat Dr. Stich, Kommerzienrat Magistratsrat Plank, den Pflegeltern, der Stadt verwaltung und der gesamten Bürgerschaft. Mit dem Choral: »Kommt, den Herrn zu preisen!«, den die Waisenkinder vor trugen, schloß die Feier. Über das neue Waisenhaus enthält der Verwaltungsbericht 1900 folgende Ausführungen in baulicher Hinsicht!): »Das Hauptgebäude, welches gegen die Reutersbrunnen straße zweigeschossig, gegen das Pegnitztal dreigeschossig ist, besteht aus einem Mittelbau und zwei Flügelbauten. Der Mittel bau hat zwei Giebel gegen die Reutersbrunnenstraße und ein hohes Ziegeldach, auf dem sich ein Dachreiter erhebt; er ist von zwei türm artigen Ausbauten flankiert, in welchem die Haupt treppen liegen. Die Abschlüsse der Giebelbauten mit beider seits abgewalmten Giebeln treten an der Reutersbrunnenstraße 1 Meter, gegen die Gartenseite 9,30 Meter vor. *) Von dem Erbauer Oberingenieur Georg Kuch.
96 Die architektonische Gestaltung des Gebäudes ist im Stile der deutschen Renaissance unter Verwendung Altnürnberger Wohnungsmotive durchgeführt. An den Umfassungen des Gebäudes ist zu allen architek tonischen Gliederungen, Fenster- und Türumrahmungen und zum Sockel des Mittelbaues roter Nürnberger Sandstein, zu den dünneren Fenstersprossen hellroter Mainsandstein verwendet. Das zwischenliegende Backsteinmauerwerk hat einen möglichst wetterfesten, sog. historischen Verputz von schwach blaßgrüner Färbung erhalten. Die Dachflächen sind mit roten Flachziegeln, sog. Biberschwänzen, eingedeckt, Treppen- und Aborttürme haben Kupferblechbedachung, der Dachreiter ist aus Holz, der Unterbau desselben reich geschnitzt, der obere Teil mit Kupfer blech verkleidet. Die beiden Zifferblätter am Dachreiter sind transparent und werden nachts beleuchtet. Die Uhr ist mit elektrischer Auslösung versehen. Die innere Einteilung des Gebäudes ist nach folgenden Gesichtspunkten durchgeführt. Der Mittelbau enthält die eigent lichen Verwaltungsräume und die Wohnung für die Hauseltern, der rechte Flügelbau die Mädchen-, der linke die Knaben abteilung. Im Unter- bzw. Erdgeschoß sind die eigentlichen Wirtschaftsräume, die Bäder und die Räume für Heizungs- und Lüftungsanlagen, im ersten Obergeschoß die Tagesaufenthalts räume und im zweiten Obergeschoß die Schlafräume, die Kranken abteilung und die Hauselternwohnung untergebracht. Zwischen dem Mittelbau und jedem der beiden Flügelbauten führen Haupt treppen von 3,50 Meter Breite, deren Stufen aus feinkörnigem niederbayrischem Granit bestehen, zu den Obergeschossen. Die Anstalt ist mit allen zeitgemäßen Einrichtungen versehen. Die Erwärmung wird durch Niederdruckdampfheizung bewirkt, sämtliche Räume haben ausgiebige Lüftung; Wasser leitung und elektrische Beleuchtung sind eingerichtet. Die Abort anlagen sind mit Wasserspülung und mit Klärgruben versehen. Der 6,35 Tagwerk große Grundbesitz der Anstalt ermög lichte die Schaffung ausgedehnter Gartenanlagen. Zwei breite Granittreppen führen auf die an der Gartenseite angelegte obere Terrasse, welche eine Rasenböschung und Baumpflanzung erhalten hat. Ringsum schließt sich hieran die große untere Terrasse,
97 welche als Spielplatz für die Kinder dient und mit Turn- und Spielgeräten ausgestattet ist. Die nordwestliche Seite dieser Terrasse erhält ihren Abschluß durch das Ökonomiegebäude, an welches sich eine zum Schutz gegen Zugluft an der Nord westseite durch eine Fach wand abgeschlossene, gegen den Spiel platz offene Halle anschließt. Diese Halle bietet den Kindern die Möglichkeit, bei schlechterem Wetter ihre Spiele auszu führen oder Handarbeit zu verrichten. Das Ökonomiegebäude enthält eine Wohnung für den Gärtner, eine Stallung für drei Kühe und einige Schweine, Wagenremise und Futterboden. Von der unteren Terrasse einerseits, dem Hochwasser damm und dem Straßendamm der Johannisbrücke andererseits begrenzt, liegt das zur Ausübung des landwirtschaftlichen Betriebs gehörige Grundstück von etwa 3,80 Tagwerk Fläche. An der Reutersbrunnenstraße sind die Vorgärten des Anwesens durch ein schmiedeeisernes Gitter auf Muschelkalk sockel zwischen Sandsteinpfeilern eingefriedigt, an den übrigen Seiten ist das Grundstück durch einen Palisadenzaun und eine lebende Hecke abgeschlossen. Die Gesamtkosten des Neubaues haben einschließlich der inneren Einrichtung 472000 Jt 79 betragen.« Treten wir noch unter der liebenswürdigen Führung der Oberschwester einen kurzen Rundgang durch die Anstalt an, um einen Einblick in die einzelnen Räume zu gewinnen und von der Zweckmäßigkeit ihrer Einteilung, der Gediegenheit ihrer Einrichtung, der Ordnung und Harmonie, die das Ganze durchwalten, einen bleibenden Eindruck zu empfangen. Durch den Haupteingang auf der Südseite an der Reuters brunnenstraße gelangen wir in eine kleine von zwei Säulen getragene Vorhalle, von der links und rechts einige Stufen zum Korridor des Erdgeschosses hinaufführen. Die Halle schmückt eine Bronzegruppe, ein armes, verlassenes Kinderpaar unter einem Wegkreuz darstellend, ein etwas größeres Mädchen, die Hände gefaltet und den Blick nach oben gerichtet, mit ihrem Brüderchen, eng an sie angeschmiegt, mit Bündel und Stab. Die schöne Gruppe, von Kittier modelliert und von Lenz gegossen, die wohl kaum eine passendere Stelle hätte finden können, ist ein Geschenk des Kommerzienrats Ernst Plank, der,
98 selbst aus der Findel hervorgegangen, ihr stets seine Zuneigung und Liebe bewahrte, sie, wie wir gesehen, mit einer reichen Stiftung bedachte und bei jeder sich bietenden Gelegenheit sich als ihren warmherzigen Gönner und Wohltäter bewies. Links und rechts vom Verwaltungszimmer im Erdgeschoß sind die Namen hervorragender Stifter und Gönner des Findel und Waisenhauses auf großen Tafeln verzeichnet. Sonst liegen zu beiden Seiten des Ganges das Empfangszimmer mit der Bibliothek, einige Schwesternzimmer und weit von einander getrennt im Westen und Osten die Aufenthalts- und Lernund Kleiderablegezimmer der Knaben und Mädchen. Den äußersten Westflügel nimmt der ausgedehnte Speisesaal ein, wohl der eindrucksvollste Raum des ganzen Hauses mit seiner kräftigen und gediegenen Wand- und Deckenvertäfelung im Stile der deutschen Renaissance. Die Simse sind mit altem Zinn besetzt und an den Wänden prangen die Ölbildnisse von Stiftern und Wohltätern der Anstalt aus alter und neuer Zeit. Auf der Südwand sehen wir die Bilder der Stifterin Elisabetha Kraus, ihres Mannes, Sohnes und ihrer Tochter, außerdem links das Bildnis der Stifterin Margareta Kreller und rechts des Pflegers Johann Jakob Schnerr; auf der Westseite des Stifters Martin Richter und seiner Gemahlin; auf der Nordseite ein unbekanntes Bildnis aus dem 19. Jahrhundert, ferner das des Pflegers und Wohltäters Joh. Jak. Link, des schon wiederholt erwähnten Stifters und Reorganisators Dr. Friedr. Campe und des Pflegers August Weiß. Der Saal, in dem auch ein Harmonium aufgestellt ist, vereinigt am Morgen und Abend die Zöglinge zum gemeinschaftlichen Gebet. Blattpflanzen von besonderer Größe und Schönheit erhöhen den freundlichen Eindruck, den dieser festliche Raum hervorruft. Dem Speisesaale entspricht auf der Ostseite der gleich große einfacher ausgestattete sog. »Ausweich-« und Festsaal. Früher als Lernzimmer verwendet, dient er jetzt verschiedenen Zwecken, und zu Weihnachten findet hier die große Be scherung statt. Das obere Stockwerk umfaßt im äußersten West- und Ostflügel und noch in einigen weiteren Räumen die Schlafsäle der Knaben und Mädchen. Diese großen und schönen Räume
Ernst Plank, Fabrikbesitzer und Kommerzienrat (f 1914), Stifter und Wohltäter der Findel.
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vereinigen Gediegenheit in der ganzen Einrichtung mit Zweck mäßigkeit und Bequemlichkeit und fallen durch tadellose Sauber keit und musterhafte Ordnung auf. An die Schlafsäle schließen sich an die Schrankzimmer, in denen jedes Kind in einem besonderen Schrank seine Kleider, Schuhe und sonstigen Hab seligkeiten und kleinen oft lieben Erinnerungen aufbewahrt, mehrere Schwesternzimmer, das Wohn- und die Schlafzimmer der Schwestern und das Nähzimmer. Auch die Räume im Untergeschoß sind einer näheren Besichtigung wert, die Baderäume mit den Wannen- und Brause bädern, die sehr geräumige Waschküche und die Bügelstube, der Raum für die Handfertigkeitsarbeiten, die große und schöne Küche mit dem mächtigen Herd, auf dem alle Kessel brodelten und von dem der würzige Duft der Semmelschmarren zu uns drang, daran anschließend die Spülküche und die Vorratskammer, die mit Lebensmitteln aller Art, eingemachten Früchten und einer Anzahl ansehnlicher Schinken eigener Zucht wohl versehen war, die Kellerräume zur Aufbewahrung von Sauerkraut und Bohnen in großen Bottichen sowie für Kohlen und Holz. Überall gewahrt man den Geist der Ordnung, überall die peinlichste Sauberkeit, und es überkommt einen das Gefühl des Behagens in den wohnlichen und luftigen Räumen. Es mag wohl wenige Waisenhäuser geben, die in jeder Beziehung so gediegen und zweckmäßig eingerichtet sind und zugleich einen so überaus wohltuenden und freundlichen Eindruck hinterlassen wie das Nürnberger. Durch die hohen und weiten Fenster fluten Luft und Licht in alle Räume und Gänge, und man gewahrt keine dunkle Ecke. So sind alle Säle, Zimmer und Gelasse wohnlich und gesund und entbehren zum Teil auch nicht der Behaglichkeit in der ganzen Ausstattung, die wir mit dem fremden Ausdruck Komfort zu bezeichnen pflegen. Aber auch sonst ist für die Gesundheit der Kinder auf das beste gesorgt. Hinter dem Hause senkt sich das Gelände in drei Terrassen zur Pegnitz hinab, von denen die kleinere obere und die größere untere als Spielplätze dienen. Ein Rasenplatz mit dem von der Witwe des verdienstvollen Pflegers Weiß gestifteten Pelikanbrunnen scheidet hier die Spielplätze der Knaben und Mädchen, von denen jeder einen Rundlauf 7
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aufweist und der erstere auch mit dem erforderlichen Turn gerät ausgestattet ist. Westlich schließt sich die schon erwähnte gedeckte Halle an, die den Knaben bei eintretendem Regen wetter zum Spiel und Aufenthalt dient, sowie die Gärtners wohnung und die Schweinestallung, worin drei treffliche Ver treter des für die Wirtschaft so wichtigen Borstenviehs ihr behagliches Dasein fristeten. Die unterste weitausgedehnte Terrasse nimmt der Gemüse garten ein. Die Anstalt zieht nämlich nicht nur all die verschie denen Gemüsearten, die sie für ihre Wirtschaft braucht, sondern kann bei dem bedeutenden Anbau auch noch so manches ver kaufen. Auch Beerenobst ist in Hülle und Fülle vertreten und schon recht ansehnliche Obstbäume liefern einen reichen Ertrag an Äpfeln, Birnen und besonders auch an Zwetschgen für die Wirtschaft. Der Gemüsegarten wird von dem Gärtner mit Hülfe der Knaben bearbeitet und in Ordnung gehalten. Für sie sind auch eine ganze Reihe — nicht weniger als 24 — Blumenbeete angeordnet. Meist zu zweien pflegen die Knaben ein Beet in der Regel mit großer Sorgfalt und Liebe. Auf dem großen sich im Westen anschließenden Gelände, das die Stadt der Anstalt zur Verfügung gestellt hat, wird abwechselnd Kartoffel-, Getreide- und Gemüsebau betrieben. Mit der Übersiedelung in das neue Heim traten zugleich einschneidende organisatorische Änderungen ein. Die Verpflegung und Erziehung der Zöglinge, die bisher den Waisenhauseltern obgelegen hatte, wurde nun drei bis vier Diakonissinnen, Schwestern aus Neuendettelsau, unter der Leitung der Ober schwester übertragen, der bisherige verdienstvolle Hausvater Lotter, der mit seiner Ehefrau Wohnung im neuen Hause erhielt, übernahm jetzt die Verwaltungsgeschäfte der Anstalt und war als Lehrer und Überwacher der Kinder tätig. Außerdem war noch im Jahre 1900 an Personal vorhanden ein Hausdiener, ein Gärtner, eine Helferin, zwei Kindsmägde, eine Küchenmagd und eine Hausmagd sowie ein Schneider und eine Waschfrau im Taglohn. Das fremde Personal wurde nach und nach durch Diakonissinnen und schon konfirmierte Mädchen ersetzt. Im Jahre 1909 starb der ehemalige Waisenhausvater und damalige
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Verwalter Lotter. Seine Obliegenheiten in der Anstalt über nahm jetzt die Oberschwester, und die Verwalterwohnung konnte für weitere Schlafräume der Kinder Verwendung finden. Im Jahre 1909 waren 4 Schwestern, 4 Gehilfinnen und 1 Bruder im Hause angestellt, denen am Schluß des Jahres 102 Kinder, 51 Knaben und 51 Mädchen unterstanden Die Schulpflichtigen besuchten die Simultanschule.*) Die schon konfirmierten Mädchen erhielten den Fortbildungsunter richt von einem besonderen Lehrer, der auch den Handfertig keitsunterricht der Knaben leitete. Da Dienstboten nicht mehr angestellt sind, so bietet sich den größeren Mädchen hinreichend Gelegenheit, sich in allen häuslichen Arbeiten gründlich auszu bilden. Sie helfen abwechselnd in der Küche, beim Rein machen des großen Hauses, beim Waschen der vielen Wäsche, die zum Zweck einer besseren Einführung in diese Arbeit ohne Maschine gewaschen wird. Ebenso gibt es in der Näh- und Flickschule viel Arbeit, die geschickteren werden auch zum Nähen mit der Nähmaschine und zur Anfertigung der neuen Wäsche herangezogen. Zwischen den Arbeiten im Waschhaus und der Nähstube wird in der Regel in der Art gewechselt, daß wer vormittags wäscht, nachmittags nicht und umgekehrt. So ist die Arbeit weniger anstrengend und es wird auch das viele Sitzen vermieden. Bei der Arbeit wird auch manch fröh liches, schönes Lied gesungen. Am Abend, wenn die Schul kinder zu Bett gehen, dürfen die großen Mädchen sich öfters noch um die Schwester sammeln, es wird dann meist ein schönes Buch gelesen, eine Stunde, die ihnen die liebste ist. Des Morgens hat ein jedes der Schulkinder eine kleine Hausarbeit zu verrichten, die seinem Alter und seiner Fähigkeit entspricht, und es ist ihnen eine wahre Freude, wenn die Haus arbeiten, was meist zweimal im Jahre geschieht, neu eingeteilt werden. Im Hause herrscht frohes Leben, man merkt es den Kindern an, daß sie sich wohl fühlen. Fröhlich tummeln sie sich im großen, schönen Hof und ergötzen sich an allerlei Spiel: im Sommer an Rundlauf, Ballspiel und an den Turngeräten, im Winter am Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen. Von den *) 2 Kinder besuchten die Schule der Schwachsinnigen.
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Festen war früher schon die Rede. Das höchste aller Feste ist aber das Weihnachtsfest mit seiner Vorfreude, besonders vom Advent an. Diese Zeit ist ausgezeichnet durch den großen »Adventkranz«, in welchem jeden Abend das vermehrte brennende Licht das herannahende Weihnachtsfest verkündet. Die Brief lein an das Christkind werden geschrieben und fröhliche Weih nachtslieder erklingen durch die Räume und Hallen des Hauses. Mit großer Sehnsucht wird der heilige Abend erwartet. Man muß ihn selbst mit den Kindern erlebt haben und man hat Grund zu Lob und Dank für Gottes Gnade, die sich auch der armen Waisen mit so viel Liebe angenommen hat.1) Und jetzt noch kurz eine Schilderung, wie sich das Leben der Kinder Tag für Tag vollzieht. Im Sommer stehen sie um 6, im Winter um V2 7 Uhr auf und erhalten nach dem gemein schaftlichen Morgengebet ihr Frühstück, das in einer Tasse Milch und einem bis zwei Broten (Kipfen) besteht. Um 8 Uhr beginnt die Schule, zu der sie ein Stück Brot, aber aus gutem Grunde kein Obst, mitbekommen. Die Schule dauert für die Größeren bis 12 Uhr und um V2I Uhr wird zu Mittag gegessen. Viermal in der Woche bekommen sie außer der Suppe Fleisch, einmal Würste und zweimal Mehlspeise. Nachmittags Schule. Am Abend Suppe oder Tee, dreimal auch eine Fleischbeilage, Brot mit Braten oder Schinken, Fleischküchlein, Käse oder auch Butterbrot mit Rettich. Bei besonderen Gelegenheiten werden die Kinder auch, wie z. T. schon erwähnt, durch ein Festmahl erfreut. Die Kosten solcher Feste werden aus Stiftungen bestritten. So beim Tümmelfest, benannt nach der Stiftung des Buchdruckers und Verlegers W. Tümmel, an dem besondere Wünsche der Kinder hinsichtlich des Essens befriedigt werden, oder wo, wie am Tage der Ausrichtung der OfTenbachschen Stiftung — 25. Juli —, ein Ausflug stattfindet. Vom Campe fest am Bärbaratag — 4. Dezember — war bereits die Rede. Der Krellertag — 28. Dezember — bietet den Kindern Kuchen und Kaffee. An den beiden letzten Tagen hält der Hausgeist*) Die beiden letzten Absätze fast der Oberschwester Regina Meisinger im teilungen und Aufklärungen, die sie mir Weise erteilte, spreche ich ihr an dieser
wörtlich aus dem Waisenhausbericht Jahre 1909. Für mancherlei Mit sonst noch in der liebenswürdigsten Stelle meinen herzlichsten Dank aus*
Speisesaal im neuen Findel- und Waisenhaus.
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liehe eine Ansprache, das eine Mal über die Dankbarkeit, das andere Mal über Arbeitsamkeit und Sparsamkeit. Wie gut es die Kinder in dieser trefflich geleiteten Anstalt haben, wie man in steter Liebe und sorglicher Pflege sich um sie bemüht, wie jedes Bedürfnis an Speise und Trank und alle sonstigen Lebensbedürfnisse besser und ausgiebiger befrie digt werden als bei den meisten Kindern in der Stadt, wie auch für ihre Unterhaltung und Freude hinreichend gesorgt ist und wie sie froh und unbekümmert in der Anstalt, die ihnen das Vaterhaus ersetzt, aufwachsen und gedeihen, das wissen die Kinder kaum oder bedenken es nicht. Es war das nicht immer so. Immerhin hat das Nürn berger Findel- und Waisenhaus im Laufe von mehr als fünf Jahrhunderten die Aufgabe zu erfüllen gesucht, die Ärmsten der Armen zu retten, zu bessern und zu allem Guten zu erziehen. Nicht immer konnte es dieses Ziel erreichen, und es traten auch für die Findel wiederholt Zeiten des Niedergangs und der Unordnung ein. Die schlechten Erfolge waren einerseits bedingt durch den physischen und moralischen Tiefstand der Aufge nommenen selbst, dann auch durch die Mängel und Unvoll kommenheiten, die besonders in früherer Zeit derartigen Anstalten anhafteten, hauptsächlich aber durch die schweren Zeiten der langen Kriege, Seuchen und Teuerungen, deren Folgen auch in der Findel sich bemerkbar machen mußten. In neuerer Zeit war ihr fortwährend eine ruhige und fortschreitende Ent wicklung vergönnt. Das gilt seit der Zeit, in der sie unter magistratischer Verwaltung stand. Seitdem hat sich ihre mate rielle Lage in ungeahnter Weise gehoben und Hand in Hand damit konnte auch für das Leben und Gedeihen der Kinder in körperlicher wie geistiger und besonders auch in gesundheit licher Beziehung in mehr als ausreichender Weise gesorgt und alles aufgewendet und geschaffen werden, was man nur von einer derartigen Anstalt erwarten kann. Es mag in der Tat nur wenige Waisenhäuser geben, die den Eindruck einer solchen Gediegenheit, Wohnlichkeit und Freundlichkeit hinterlassen wie das Nürnberger Findel- und Waisenhaus, wo zugleich der Geist der Ordnung, Fürsorge, und liebevollen Behandlung in solchem Maße Früchte trägt. Sie geben sich in der ganzen äußeren
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gesunden, zufriedenen und fröhlichen Art der Kinder zu erkennen. Und das alles ist erreicht dank der stets bereiten Opferfreudig keit einer mildtätigen Bürgerschaft und der steten treuen Für sorge und tatkräftigen Unterstützung einer einsichtigen und auf alles bedachten Stadtverwaltung. So stellt sich das Nürnberger Findelhaus dar als ein Denkmal echten Bürgersinnes »aere perennius« !
Mädchenschlafsaal im neuen Findel- und Waisenhaus.
Beilagen.
1.
Labungen und Reichnisse an die Findelkinder und das Personal zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Das nachstehende Verzeichnis der Labungen und Reichnisse, die alljährlich bei besonderen Gelegenheiten an die Findelkinder und zum Teil auch an das Personal ausgeteilt wurden oder zur Bestreitung verschiedener Bedürfnisse bestimmt waren, schrieb die Findelpflegerin Walburg Holzschuher (1512 — 1526) auf eines der letzten Blätter ihres gleich bei ihrem Amtsantritt angelegten Zinsbuchs, um Tag und Gegenstand der Leistung nicht aus dem Gedächtnis zu verlieren. Sie ergänzen die schon ge machten Mitteilungen für eine frühere Zeit, da noch keine Jahresrechnungen und anderweitigen Aufzeichnungen vorliegen, und lassen ersehen, wie der mildtätige Sinn der Bürgerschaft zu jeder Zeit den armen Kindern das einförmige und oft freudlose Leben in der Findel durch kleine Spenden und Er frischungen angenehmer zu gestalten bestrebt war. Hernach stet, was man in die fundl muß geben. Item an dem Christabend soll man in ein jede fundel kaufen 3 pollen l) weck, je ein umb 25 ^ und in jede fundel ein weißen weck umb 32 Item an sand Steffanstag, wenn die fundlkind ausgen, mit dem ansingen, so schickt man in jede fundel ein viertel guts neus weins, das si sand Johanns namen drinken. Item, zu weihnechten gibt man in ein jedes fundlhaus 10 pfund gelts, das die fundlmutter dester pas mit den vorsingern auskomen mag. Item an der schadlasnacht,2) wenn man aufhbrt zu singen, so gibt man in ein jede fundel 45 ^7 umb wein. Item an der fasnacht gibt man in ein jede fundel 3 pfund gelts den kinden und ehalten umb wein. Item in der fasten gibt man in ein jede fundel ein guldin den muettern umb fisch, das si dester pas auskomen. *) eine besondere Form des Weckes. Schmeller-Frommann I, 386. *) Scheid]esnaeht. S. Mitteil. 21, S. 296, A.nm. 1.
106 Item zu ostern gibt man in ein jede fundel J guldin den kinden umb fladen und anders als umb um pier und fleisch. Item zu sand Johanns nacht gibt man in ein jede fundel dreu pfund gelts, das man den kinden und ehalten met darumb kauf. Item zu sand Sewolts tag gibt man in ein jede fundel 15 pfund schitzens flaisch ’) und ain viertel wein den kinden und eehalten zu der kirchweich. Item zu der Mortansnacht*2) gibt man in ein jede fundl 3 pfund gelts den kinden und eehalten umb 'gens und wein. Auch gibt man auf den tag jedem kind ain haller semel und jedem eehalten ain weck spitz3) umb ain pfening zu dem wegspitz. Item so gibt man zu dem neuen jar den vettern und muettern in den fundien jedem 32 ^ und jedem eehalten 15 Item so mues man im herbst in bed fundel umb 9 oder 10 guldin ruben und kraut kaufen dem fiech. Item so mues man in bed fundel alles holz kaufen, das si bedorfen, ungeverlich zwischen 30 und 40 meß. Item so mues man in den zwaien fundein alls zeunlon ausrichten und was si pauens notturftig seind. Item so mag ir jede fundlmuetter. und fundlvatter in beden fundien von der kind gelt alle tag kaufen ain viertel piers oder ein maß wein, so sein die fundeimutter den maiden schuldig alle fastag und all freitag über den tisch ein viertl piers zukaufen oder einen ehalten ein ^ darfür zugeben. Item so gibt man an sand Sewolts tag dem mann, der das tefel in sand Sewolts pfarr umbtregt, ein viertel weins und darnach an der sonntags kirchweich aber ein viertel weins.
2.
Verzeichnis der Findelpfleger bzw. der Findelpflegerinnen. Für die ältere Zeit der Findelgeschichte fehlt es leider an zusammenhängenden Verzeichnissen der Findelpfleger und Findelpflegerinnen. Was an Aufzeichnungen darüber vorhanden ist, stammt aus einer wesentlich spätem Zeit, dem 17. und 18. Jahrhundert, und kann wegen seiner Unzuverlässigkeit für die ältere Periode nicht in Betracht kommen. Es gilt dies *) Hammelfleisch. *) Tag vor St. Martin. 3) Spitzweck.
107 besonders von einem ganz unvollständigen Verzeichnis der Pfleger und Pflegerinnen aus dem 17. Jahrhundert im Stadt. Archiv (R. 80, B. 90) und der erst mit dem Jahre 1480 beginnenden Findelpflegerreihe in einem Ämterbuch in der Stadt bibliothek mit dem Titel »Beschreibung des Regiments zu Nürn berg samt dero Ämter und Beamten Namen« (Amb. 6, 2°), einer Privataufzeichnung, die nur mit äußerster Vorsicht zu benutzen ist. Für die Jahre 1514 bis 1626 ist uns in dem von der Pflegerin Walburg Holzschuher (1512—1526) ange legten »Auszug der Rest und Rechnung der Findelkinder«, den wir kurz als »Rechnungsbüchlein der Findelpflege« (80 B. 92 im Städt. Archiv) bezeichnen, eine Quelle erhalten, die, zunächst gleichzeitig, durchaus zuverlässig erscheint, während sie sich allerdings in den spätem Nachtragungen nicht durchweg frei von Irrtümern gehalten hat. Dazu kommen dann mit dem Rech nungsjahre 1550/51 die Findelrechnungen und auch sonstige archivalische Behelfe. Für die magistratische Zeit waren die Akten des Stadtmagistrats heranzuziehen. — Die Findelpflege war in der Regel Herrn des Rats, zuweilen auch Genannten des Großem Rats übertragen oder ganz aus nahmsweise mit Bürgern in entsprechenden angesehenen Stellun gen, die sich dafür besonders eigneten, besetzt. Von etwa 1500 bis in den Anfang des 17. Jahrhunderts wurden merkwürdiger weise Frauen aus dem Patriziat oder doch aus ehrbaren Familien zur Pflegschaft berufen. Man wußte damals die Fähig keiten der Frau für die Verwaltung einer Anstalt zu schätzen, in der die Hauptlast der Erziehung der Kinder und der Führung der Wirtschaft mehr auf ihr als dem Mann ruhte. Sie führte damals auch die Rechnung und hatte sie vor dem Rat zu ver treten. Der Pfleger, wenn ihr überhaupt ein solcher in ihrem Mann beigegeben war, hatte in der Hauptsache die Obliegen heit der richtigen Einziehung der Gefälle1), wozu die Frau weniger geeignet erschien. Auch auf andern Gebieten bediente sich der Rat der Frau da, wo sie ihre besondern Fähigkeiten entfalten und Dienste leisten konnte, wozu sie mehr als der Mann berufen erscheint. *) S. Mitt. 21, S. 198, Anm. 2.
108 Erinnert sei an die Einrichtung der »ehrbaren Frauen« oder »assidentes matronae« aus dem Patriziat oder doch den ehr baren Familien, die schon im 15. Jahrhundert zu den Hebammen und gebärenden Frauen gebeten wurden, bei denen sie ohne Zweifel Beihülfe leisteten und sich zu überzeugen hatten, daß nichts verabsäumt werde, ferner der »geschwornen Frauen« aus dem Handwerkstande, die gleichfalls zu den Geburten der niederen Stände herangezogen wurden und die Aufsicht über die Hebammen führten. Weiter sei erinnert an die Lehr frauen, die sich wie die Schreib- und Rechenmeister mit dem Unterricht und der Erziehung der Jugend befaßten. Es wird sogar eine Losungschreiberin Mortan oder Mörtan (Merten), die sich dann als eine Barbara Martin entpuppt, in dem Zinsbuch der Walburg Holzschuher aufgeführt. Von 1512—1516 erhielt sie aus der Findel eine sog. Weisat, ein in einem Natural oder Geldzins bestehendes Reichnis. Es ist allerdings schwer zu entscheiden, ob hier eine in der Losungstube verwendete Schreiberin oder die Frau eines Losungschreibers gemeint ist. Ein Losungschreiber Martin läßt sich in den nur unvollständig erhaltenen Ämterbüchlein1) und sonstigen Quellen nicht nachweisen, und das schon erwähnte Ämterbuch in der Stadtbibliothek beginnt die Reihe der Losungschreiber erst mit dem Jahre 1618*. Immerhin ist es keineswegs in das Gebiet des Unwahrschein lichen zu verweisen, daß gegen Ende des 15. oder im Anfang des 16. Jahrhunderts eine Frau zu Schreibarbeiten in der Losung stube verwendet worden sei. Bemerkt sei noch, daß die Findelpfleger durchweg dem Patriziat entnommen wurden und in der Regel auch dem Rat angehörten. Ihre Stellung im Rat wurde in dem folgenden Verzeichnis nur in aller Kürze angegeben. Näheres ist in Biedermanns »Geschlechtsregister des Patriziats zu Nürnberg« *) Die Ämterbüchlein verzeichnen bis zum Jahre 150^ keine Losung schreiber, obschon sie längst angestellt waren. Das erste Amt der Stadt konnte auch in der früheren Zeit der Schreiber nicht entbehren. 1442 findet sich denn auch schon ein Losungschreiber, Johann Schütz (St.-Chr. III, 395), und 1468 2 Losungschreiber, Anthoni Tallner und Johann Rynolt, aufgeführt (St.-Chr. V, 764), und eine nähere Nachforschung in den Jahresregistern der Reichsstadt •würde sie ohne Zweifel für eine noch viel frühere Zeit erweisen lassen. Sie waren so alt wie das Amt selbst. Nach dem Ämterbüchlein 1507 war Jörg Alt als Losungschreiber angestellt.
109 und dessen Fortsetzungen von Waldau und Volckamer nach zusehen. In magistratischer Zeit waren die Findelpfleger stets Mit glieder des Stadtmagistrats.
1. Konrad Babenberger. Als Pfleger der Knabenfindel urkundlich genannt in den Jahren 1368, 1381, 1382 und 1383. Eine Aufzeichnung in der Stadtbibliothek führt ihn auch als Gerichtszeugen 1367, 1376 und 1378 und als Besitzer eines Hauses bei den Kartäusern an, das er 1383 verkaufte. Diese Angaben sind, weil auf Stadtgerichtsurkunden zurückgehend, wohl nicht zu bezweifeln. Nach Roths Genanntenbuch war er von 1364 bis 1389 Genannter des Großem Rats, seines Zeichens ein Schneider und gehörte als der erste seines Handwerks dem Kleinern Rat seit 1370 an. Auch die »Beschreibung des Regiments zu Nürnberg samt dero Ämter und Beamten« (Ämterbuch, Amb. Sammlung der Stadtbibi. 6, 20) läßt ihn als ersten seines Handwerks 1370 in den Rat eintreten und setzt seinen Tod in das Jahr 1389. Sicher war er, nach der ältesten Stadtrechnung vom Jahre 1377, Mitglied des Kleinern Rats und zwar Handwerkerlosunger (S. auch Städtechroniken Bd. I, S. XXVI), und die Ratsgänge oder Ratslisten führen ihn 1378, 1381 und 1382 unter den 7 oder 8 Hand werkern des Kleinern Rats auf. Da mit dem Eintritt in den Kleinern Rat die Zugehörigkeit zum Großem erlosch, so ist Roths Angabe entsprechend zu berichtigen. Ob er schon 1370 dem Kleinern Rat angehörte, läßt sich nicht ermitteln, da es nicht feststeht, ob schon 1349 oder 1370 oder noch später — angeblich erst 1378, was übrigens durch die älteste Stadtrechnung widerlegt wird — die Zulassung der Handwerker in den Rat erfolgte.
2. Konrad Paumgartner. Als Pfleger der Knabenfindel urkundlich genannt 1387. . Er war nach Roth von 1367 bis 1399 Genannter des Großem Rats und in den Ratsgängen wird er seit 1396 bis zu seinem im Jahre 1414 erfolgten Tode häufiger als Mitglied des Kleinern Rats aufgeführt. Er kann daher nur bis zu diesem Zeitpunkt Genannter des Großem Rats gewesen sein.
3. Konrad Paumgartner. Sohn des Vorhergehenden, als Pfleger der Knaben- und Mädchen findel urkundlich genannt 1421 und 1425. War nach Roth Genannter des Großem Rats von 1405 bis 1461. Nach der von ihm selbst herrührenden genealogischen Aufzeichnung im Kollektaneenband der v. Scheurischen Bibliothek H im Germ. Museum kam er 1424 in den Rat, während die Ratsgänge ihn erst seit 1427 als Ratsmitglied aufführen. Er gehörte dem Rat bis zum Jahre 1461 an und starb 1464.
110
4. Kunigunde Krell, Witwe des Hans Krell. Als Pflegerin der Findel und insbesondere der Knabenfindel urkundlich genannt 1426 und 1445. Ihr Mann* dessen Stand nicht zu ermitteln, starb 1423, liegt im Barfüßerkloster begraben und wird im Necrologium desselben (16. Jahrh. Germ. Museum 20805 40, Bl. 37) als magnus amicus fratrum bezeichnet. Nach einem Geschlechterbuch im Germ. Museum (HR 146, 20 193) soll er der erste seines Geschlechts in Nürnberg gewesen sein. Eine Kunigundis Krell fand übrigens schon 1391 ihr Begräbnis im innern Kreuzgang des Barfüßerklosters.
5. Martin Paumgartner. Als Pfleger beider Findein in dem angeführten im 17. Jahrhundert verfaßten Findelpflegerverzeichnis um 1472 genannt. Er wurde 14J3 Kirchenmeister von St. Sebald. Urkundliche Nachrichten waren nicht^ zu ermitteln.*1)
6. Lienhard Behaim. Ratsherr im Jahre 1479. Nach einer Stadtgerichtsurkunde vom 5. Oktober 1484 (sexta post Dionisii) erbringt er anstatt und wegen beider Findelhäuser durch das Gerichtsbuch, daß nach der Aussage Ruprecht Hallers d. ä. Katharina, Niklas Grolands Wirtin sei., von 16 Bt Eigengeld aus Otto Zigmanns Haus bei der Findel in St. Sebald 8 U an die beiden Findein vermacht und die Testamentsvollstrecker der Groland die andern 8 ^ an Ruprecht Haller verkauft, der sie dann den beiden Findelhäusern geschenkt hätte, sie jährlich »zu Lernung Schreibens und Lesens der Findelkinder, Knäblein und Maidlein, beder. Findelhäuser, die . . . am pasten darzu geschickt und tuglich an gesehen werden-', zu verwenden. Er war demnach 1484 Pfleger beider Findein. In dem erwähnten Findelpflegerverzeichnis aus dem 17. Jahrhundert wird er noch i486 und 1502 als solcher aufgeführt. Aber nach Biedermann, Taf. 7, starb er schon i486. Der Umstand, daß er nur ein Jahr (1479) dem Rat angehörte, läßt darauf schließen, daß er kränklich war. Die Annahme, daß er noch 1502 gelebt hätte, scheint irrig und Biedermanns Angabe richtig zu sein. Wenn Hilpert a. a. O. S. 63 seine Gemahlin Kunigunde .*) Margareta Sebastian Volckamer wird in dem erwähnten Ämter buch S. 171 als im Jahre 1480 zur Findelpflege berufen aufgeführt. Es kann dies nicht richtig sein. Ein Sebastian Volckamer, der mit einer Margareta Gieferin zu Winzer vermählt war, starb 1449, während sie im Jahre 1460 das Zeitliche segnete (Biedermann Taf. DXXXII) und demnach als Findelpflegerin i. J. 1480 nicht in Betracht kommen kann. Eine weitere Margareta Volckamer, die mit einem Sebastian Volckamer verheiratet gewesen und um 1480 gelebt hätte, findet sich nicht. Die Angabe des Ämterbuchs in der Stadtbibliothek, da9 bei den vielen sonstigen Unrichtigkeiten nur mit äußerster Vorsicht zu benützen ist, kann nicht aufrecht erhalten werden. Margareta Sebastian Volckamer ist als Findelpflegerin zu streichen.
111 1483 gleichfalls als Pflegerin der Knabenfindel verzeichnet, so ist dazu zu bemerken, daß sie mit ihrem Manne ohne Zweifel auch die Pflege der Mädchenfindel führte und daran, gerade in der damaligen Zeit, einen hervorragenden Anteil hatte. *)
7. Michel Behaim d. ä, Ratsherr und Ratsbaumeister2), als Pfleger und Verweser der Findel kinder, Pfleger der beiden Findelhäuser, Fürsteher der Findelkinder, Pfleger des Almosens der armen Findelkinder oder der armen, elenden Findelkinder genannt in Stadtgerichtsurkunden der Jahre 1492, 1495, 1496, 1502, 1503, 1505, 1506, 1508, 1509 und 1510. Er starb 1511. Die eigentliche Findelpflege oblag aber seiner Gemahlin Margareta, sie hatte die Sorge für die Kinder, führte die Aufsicht und legte Rechnung. Zu Beginn des Zinsbuchs, das die im Jahre 1512 zur Findelpflege berufene Walburg Holzschuher anlegte, bemerkt diese nämlich, daß sie das Amt von der ehrbaren Frau Michel Behaimin der älteren über nommen habe, »die dann das ampt lang davor verwesen, alle puecher, register und gelt mir uberantwurt in laut meiner rechnung, deshalb ich geursacht, diß neu puch anzufahen . . . « Der nächstfolgende Pfleger war
8. Michel Behaim d. j. Er wurde gleich nach dem Tode Michel Behaims d. ä. zugleich mit seiner Frau zur Findelpflege berufen und halte das Amt nach einer Stadt gerichtsurkunde noch im folgenden Jahre inne, trat dann aber ab. Er *) Ruprecht Haller und seine Frau Kunigunde, die eine geb.Behaim gewesen sein soll, werden in dem erwähnten Findelpflegerverzeichnis für das Jahr 1485 als Findelpfleger aufgeführt. Diese Angabe ist unhaltbar. Ruprecht Haller hatte keine Behaim zur Frau, sondern in erster Ehe eine Anna Steiner und in zweiter Barbara von Lochheim, sein Sohn Ruprecht II. (f 1498), der mit einer Katharina Münzer vermählt war, kann ebensowenig wie die sonst noch genannten Haller mit dem Vornamefi Ruprecht für Nürnberg in Betracht kommen, auch wegen der Zeit nicht, in der sie lebten. Gegen die Angabe spricht auch der Umstand, daß damals aller Wahrscheinlichkeit nach Lienhard Behaim noch Findelpfleger war. Ruprecht Haller I. stieg 1476 zum ersten Losunger, der höchsten Würde der Reichsstadt, auf. Daß er nach diesem Zeitpunkt noch das Amt eines Findelpflegers sollte übernommen haben, ist im höchsten Grade unwahrscheinlich. Er starb 1489. Hilpert führt in seinem schon mehrfach angezogenen Manuskript über die Findel S. 63 Ruprecht Haller und die Michel Behaimin im Jahre 1485 als Pfleger der Mädchenfindel auf, was ganz unverständlich ist. 1485 gab es keine Michel Behaimin, die hätte in Frage kommen können. Michel Behaim d. ä. heiratete erst im folgenden Jahre Margareta Winter von Augsburg, und erst in den 90 er Jahren kann von der Michel [Margareta] Behaim, der Frau des Michel Behaim, als Findelpflegerin gesprochen werden. *) Er war als solcher nur der vom Rat berufene Vorstand des Bauamts, ein Verwaltungsbeamter, der den Konnex zwischen Rat und Amt aufrecht zu erhalten hatte, kein Baumeister oder Architekt in unserem Sinne. S. mein Rathauswerk S. 160 ff. '
112 war aller Wahrscheinlichkeit nach der Sohn Michel Behaims d. ä., wenn er auch bei Biedermann nicht als solcher aufgeführt wird. Darauf deutet schon die Bezeichnung »der jüngere*, im Gegensatz zum »älteren«, der auch schon vorher in den Urkunden gemacht wird.1) Wenn die folgende Findelpflegerin Walburg Holzschuher unter völliger Übergehung der doch zum Amt berufenen Michel Behaim d. j. und seiner Frau als deren unmittelbare Vorgängerin Michel Behaimind ä. bezeichnet, die ihr Bücher, Register und Geld überantwortete, so erklärt sich das wohl daraus, daß jene bei ihrer kurzen Pflegschaft keine nennenswerte Tätigkeit als Findelpfleger entfaltet haben. Besonders muß dies bezüglich der Frau gelten, die ja nicht einmal die für die Ausübung der Findelpflege unerläßlich notwendigen Geschäftsbücher in ihren Besitz gebracht hatte.
9. Walburg Holzschuher 1512—1526. Ihr Gemahl war Jörg Holzschuher d. ä., von 1484-1514 im Rat, aus dem er als älterer Bürgermeister austrat. Er starb 1526, in dem selben Jahre auch seine Frau. Die Findelpflege führte sie ohne ihn. Es geht das wohl am besten daraus hervor, daß sie sich häufiger ver treten ließ, aber niemals durch ihn. So legte ihr Sohn Jörg Holz schuher d. j. Rechnung in den Jahren 1518, 1520, 1522-1525 und Lienhard Motschidler im Jahre 1521, als er »die armen fundlkinder drei viertel jars verwalten hat in den sterbleuften« (Rechnungsbüchlein der Findelpflege). In einer Urkunde aus demselben Jahre wird er als Verweser beider Findein bezeichnet. Im Jahre 1526 vertrat sie der Losungschreiber Hans Tücher. S. auch Mitteil. 21, S. 198.
10. Kunigunde Lochner 1527—1549. Witwe des Dr. med. Johann Lochner. Für sie legte Rechnung ihr Sohn Hans 1528—1531 und 1533, der Losungschreiber Jakob Tücher 1545 —1549 und nach ihrem Tode im Jahre 1550 ihr Sohn Jobst Lochner. S. auch Mitteil. 21, S. 110, 152, 198.
11. Katharina Haller 1550—1572. Witwe des Ulrich Haller am Markt, der schon 1532 im Alter von 44 Jahre starb. Dem Rat hat er nicht angehört. S. auch Bieder mann a. a. O. Tafel 109 und Mitteil. 21, S. 113, 115, 118, 198 ff., 288.
12. Anna Pömer 1573—1588. 13. Ursula Pömer 1588—1603. Gemahlinnen des Losungsrats Wolf Pömer. Biedermann, Tafel 577 Mitteil. 21, S. 204.
l) S. auch S. 198, Anm. 1.
113 14. Jakob Pömer 1603—1607. Junger Bürgermeister, Almosen- und Vormundamtsherr. Das wiederholt angezogene Rechnungsbüchlein, das in seinen späteren Teilen erst nachträglich zusammengestellt sein kann, läßt ihn die Findelpflege bis ins Jahr 1612 fortführen, während er nach dem Lorenzer Totenbuch (Jakob Pömer des innern Rats am Hafenmarkt — unterhalb der Lorenzkirche —) schon am 6. Dezember 1607,begraben wurde, also am 7. dess. Monats starb. Damit stimmt auch die Angabe bei Biedermann Tafel 578 und der Ratsgang.
15. Hans Heinrich Pömer 1607—1633. Ging nicht zu Rat, sondern war Genannter des Großem Rats. Das Rechnungsbüchlein hat, entsprechend dem voraufgehenden un richtigen Eintrag bei Jakob Pömer, das unrichtige Antrittsjahr 1607. Als sein Vertreter erscheint 1627 Johann Moritz Fürer. S. Mitteil. 21, S. 204-206. Biedermann nimmt (Tafel 576) als sein Todesjahr un richtig 1622 an.
16. Albrecht Pömer 1633—1654. Alter Bürgermeister, Almosen-, Vormundherr und Scholarch. Mitteil. 21, S. 207.
17. Leonhard Grundherr 1654—1665. Zweiter Losungen
Mitteil. 21, S. 208 f., wo auch sein Bildnis.
18. Wilhelm Imhoff 1665—1690. Älterer Herr, erster Scholarch, Vorsitzender des Obervormund amts.
19. Jakob Willibald Haller 1690—1710. Bei Biedermann Tafel CXLI irrig als Hans Willibald aufgeführt. Zweiter Losungen
20. Karl Benedikt Geuder 1711—1729. Vorderster Losungen bei S. 224.
S. a. Mitteil. 21, 189 ff, 194 ff.
Abbildung
21. Jakob Christoph Stromer 1729—1736. Älterer Herr und Landpfleger.
22. Georg Christoph Volckamer 1737—1753. Erster älterer Bürgermeister, Scholarch etc. Abgeb. Mitteil. 21, S. 240.
23. Georg Burkhard Haller 1753—1766. Obristhauptmann und Kriegsoberster.
114 24. Christoph Karl Sigmund Holzschuher 1766—1792. Alter Bürgermeister, Scholarch und Oberalmospfleger.
25. Christoph Karl Fürer 1792 —1807 bzw. 1809. Oberster Hauptmann seit 1804. Er wurde von der bayrischen Regierung als Findelpfleger über nommen und erhielt den Titel eines Findelinspektors. Als solcher wurde er im Jahre 1809 in den Ruhestand versetzt. Die Findel unter stand zunächst der Unterrichtsstiftungs-, dann der Wohltätigkeitsstiftungs administration (S. Kap. 7). Dabei blieb es bis zur Einführung des Stadt magistrats im Jahre 1818, der die Anstalt der Aufsicht von Findel pflegern, die zugleich Magistratsmitglieder waren, unterstellte. 26.
1818—1821 Johann Ernst Krafft, Kaufmann.
27.
1821—1827 Dr. Friedrich Campe, Buch- und Kunst händler.
28.
1827—1857 Johann Jakob Schnerr, Buchbindermeister.
29.
1857—1863 Johann Jakob Link, Kaufmann.
30.
1863—1869 Johann Martin Richter, Kaufmann.
31.
1870—1872 Michael Pauschinger, Gürtlermeister. 1873—1881 Karl Scharrer, Goldarbeiter. 1881 —1887 Wilhelm Merck, Großhändler. 1888—1890 Christian Münzinger, Kaufmann. 1891 —1895 Johann Baßler, Privatier. 1895—1899 August Weiß, Apotheker. 1899 — 1909 Karl Raab, Essigfabrikant und Kommer
32. 33.
34. 35.
36. 37.
zienrat.
38.
1909—1911 August Merklein, Juwelier und Kommer zienrat.
39.
1912
Hermann Schneider, Arbeitersekretär.
115 3.
Übersicht über Anzahl, Zugang, Abgang etc. der Findel und Waisenkinder. Mit dem Einsetzen der Findelrechnungen im Jahre 1550 wird es erst möglich, ein Verzeichnis der in und außer der Findel untergebrachten Kinder nach Zahl, Geschlecht und Wechsel in den einzelnen Jahren aufzustellen, das dann auf Grund der 1568 beginnenden Kinderaufnahmebücher auch noch hinsichtlich der Unterscheidung der Findel- und Waisenkinder ergänzt werden kann. Eine solche Aufstellung auf die sämt lichen Jahre bis auf die heutige Zeit auszudehnen konnte als zu weitgehend nicht in Frage kommen, dagegen erschien eine Aufführung der Kinderzahl von 10 zu 10 Jahren für eine statistisch brauchbare Übersicht als ausreichend, wenn nur die anormalen Jahre hervorgehoben würden, jene Jahre nämlich, die sich durch eine auffallend große Gesamt- oder Sterbe ziffer der in der Findel selbst untergebrachten oder in Pflege gegebenen Kinder auszeichnen.v) Die hohen Ziffern lassen im allgemeinen auch einen Schluß auf schlechte Zeiten, Krank heiten und Seuchen zu, wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, daß in verschiedenen Zeiten ganz verschiedene Anschauungen hinsichtlich der Zahl der aufzunehmenden Kinder sich geltend machen konnten und sich auch in der Tat geltend machten. Große Gesamtziffern, in der Regel über 200, und verhältnismäßig sehr hohe Sterbeziffern sind in den Jahren 1585/86 bis 1614/15 zu verzeichnen. Letztere halten noch längere Zeit an, während die Gesamtziffern bedeutend zurückgehen. In einigen Jahren des dreißigjährigen Kriegs (1634/35—1637/38) schnellen beide Ziffern wieder bedeutend hinauf, und besonders die Sterbeziffer hält sich bis zu Beginn der 40 er Jahre auf ganz anormaler Höhe. Als bedeutende Sterbejahre sind anzuführen 1586/87 mit 30 Todesfällen bei einer Gesamtziffer von 202; 1602/03 (32 und 208); 1605/06 (24 und 197); 1607/08 (20 und 205); 1610/H (20 und 203); 1611/12 (32 und 207) usf., *) Die Durchführung dieses Grundsatzes fand, was bemerkt werden möge, auch die Zustimmung des Ausschusses des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg.
8
116 dann besonders 1615/16 (43 und 178); 1632/33 (76 und 126); 1634/35 (147 und 268); 1635/36 (53 und 246); 1637/38 (71 und 235) und 1638/39 (42 und 173). Bis etwa gegen Mitte des 17. Jahrhunderts bildet das Ver zeichnis sozusagen eine Probe auf die sonst schon allerdings bloß im allgemeinen historisch festgelegten Krankheits- bezw. Sterblichkeitsverhältnisse, außerdem aber läßt sich auch für jene Zeiten, für die derartige Zustände noch nicht feststehen, auf Grund der anormalen Ziffern auf ihr Vorhandensein und den Grad ihres Auftretens schließen. Mit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geht die Zahl der Kinder bedeutend zurück — der dreißigjährige Krieg ist überstanden —, auch die Sterbefälle werden gering, es treten mit einem Wort normale und dauernde Verhältnisse ein. Ende der 40 er Jahre ging man bei der Kinderaufnahme selten noch bis zu 100 hinauf und schränkte ihre Zahl auch weiterhin noch erheblich ein. Diese Zeit läßt Rückschlüsse auf Gesundheitsstand und Sterblichkeit aus der Zahl der aufgenommenen Kinder nicht mehr zu. Es waren andere Zeiten eingetreten und man brauchte nicht mehr, wie einst in Pestzeiten, die vielen vater- und mutter losen Kinder aufzunehmen. Kinderkrankheiten, die damals auf traten, wie die Kinderblattern in den Jahren 1663, 1710 und 1750, hatten auf-die Sterblichkeit in der Findel keinen Einfluß. Nach dem Übergang der Reichsstadt an Bayern und unter der magistratischen Verwaltung sind die statistischen Aufzeich nungen in den Rechnungen, Akten und im Aufnahmebuch weder vollständig, noch spezifiziert. Im allgemeinen war nur die Gesamt zahl, die Zahl der Sterbefälle und seit dem Jahre 1850 z. T. nur noch die Durchschnittszahl festzustellen, die der Kostkinder nur in wenigen Fällen. Selten waren über 100 Kinder in der Findel, in einzelnen Jahren ging ihre Zahl bis auf beinahe 40 zurück. Das Steigen der Kinderzahl von 43 auf 77 in dem Jahre 1818/19 auf 1819/20 darf wohl mit Sicherheit datauf zurückgeführt werden, daß mit dem Übergang der Verwaltung der Findel vom Staat auf die Stadt und mit der Wiedereinsetzung eines Pflegers die Interessen der Findel- und Waisenkinder in tat kräftigerer Weise gewahrt wurden.
117 Die Zahl der Sterbefälle war jetzt sehr gering, in neuerer Zeit setzen sie zuweilen jahrelang ausl) und von Kinderkrank heiten und Epidemien ist die Sterblichkeit dank der sorgsamen Pflege, die die Kinder finden, nicht beeinflußt.2) Zu denken gibt es, daß die Sterblichkeit in den meisten Fällen auf die bei Ziehmüttern untergebrachten Kinder sich erstreckt. Das Cholerajahr 1854, das ja in Nürnberg nicht gerade besonders viele Sterbefälle aufwies, blieb ohne jeglichen Einfluß auf die Sterblichkeitsverhältnisse in der Findel, und im Jahre 1873, in dem die Cholera ganz gelinde auftrat, starb kein einziges Kind. Eine bedeutendere Kinderzahl (93 —103) weisen die Jahre 1882 bis 1895 auf. Die Ursache ist nicht ersichtlich, ein Sterbefall ist nur für das Jahr 1890 verzeichnet. *) So z. B. 1868 bis 1876, 1878 bis 1889 und dank den vollkommenen hygienischen Einrichtungen besonders in unseren Tagen. 2) S. auch S. 65 ff.
8*
Übersicht über Anzahl, Zugang, Abgang usw. der Findel- und Waisenkinder. Rechnungs
Zahl der
jahr
Kinder
i. Juni bis
zu Beginn
31. Mai
neu auf
darunter
des Jahres genommen
gestorben
entlassen
Findlinge
Knaben findel
1
i i
Besondere
Mädchen-
in Privat
Gesamt
findel
pflege
zahl
7
30
28
37
36
13 IO
19
41
39
95 122
13
•
17
9
42 48
32
39
119
—
2
1552/53
115 122 100
31
»
17
8
52
39
l5
106
1561/62
106
47
»
16
130
>
21
24 85
123 212
*563/64
*23 212
51 69
48
1562/63
H 20
>
60
H
53
5i
1565/66
118
37 22
15
7i 22
175 m
1566/67
111
49
1567/68
124
*568/69
151 146
*569/70
1570/71 1571/72
145 *38
55 46 33
1
58
H 22
44 47
45 4b
3i
T24
* 6
14 8
20
56
5i
44
27
24
54
13
21
59
43 38
151 I46
5
49 48
13 21
50 29
62
29 49
4i 85 j !
56
9
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5 10
i
23
138
89
78
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78
74 87
3
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5o 53
59
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61
5»
239 198
23
70
52
47
169
21 52
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*572/73
206 188
52 162
*574/75
22b
H5
1575/76
54
7
1576/77
239 198
35 36
9
5
15
1580/81
126
16
2
15
5
54
47
1584/85
147
42
8
18
12
54
53
9 8
!
j
i
Pestjahr.
145
53
*573/74
2. markgräfl. Krieg.
I 22
1 / Irestjanre.
118
1560/61
»
Bemerkungen
i
Nicht fest zustellen »
1550/51 *553/54
Zahl der Kinder am Schlüsse des Jahres in der
Im Laufe des Jahres
1585/86
»59
81
1
22
25
1586/87
49
!
2
IO
30
1587/88
»93 202
5°
i
3
12
1588/89
227
19
4
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1589/90
21 I
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5
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1590/91
214
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I
8
25
1591/92
2 10
29
|
9
*5
1592/93
218
*9
;
1
25
*5
73
»593/94
197
3i
1
15
IO
75
1594/95
203
40
3
12
18
»595/96
213
23
6
26
1596/97
J95 198
32
4
J3
'5 16
34
5
12
16
1597/98
71
54
1
68
|
67
202
'3
73 82
62
227
83
77 66
68
*4
62
211
10
78
67
69
2 r4
7
78
67
65
210
6
76
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70
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!
197
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:
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193
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195
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204
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1599/1600
201
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62
56
73
191
|
Pestjahr.
l 1600/01
191
69
7
I6OI/O2
222
63
11
1602/03
233
29
6
1603/04
208
36
1604/05
210
33
I605/06
207
24
1606/07
197
40
I 607/08
204
28
1608/09
205
1609/IO
18
20
79
63
80
21
31
82
67
84
22
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53
92
1
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19
67
52
91
5
18
18
67
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5
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24
60
48
94 89
9
*5
18
59
49
96
204
8
7
20
63
52
90
205
36
n
12
63
55
92
210
210
19
35
3
*3
18
68
53
93
214
1610/11
214
35
8
26
20
62
48
1611/12
203
50
14
14
32
61
50
93 96
207
1612/13
207
41
H
23
24
57
45
99
201
; !
222 |
1
233 208 210
197
203
Sterben 1600 und 1601.
Rechnungs
Zahl der
jahr
Kinder
i. Juni bis
zu Beginn
31. Mai
Zahl der Kinder am Schlüsse des Jahres in der
Im Laufe des Jahres neu auf
darunter
des Jahres genommen
1613/14
201
46
1614/15
203
1615/16 1616/17
213 178
51 38
1617/18
185
1618/19
Findlinge
14 22 11
gestorben
entlassen
Mädchen
in Privat
Gesamt
findel
findel
pflege
zahl
203
80
1 i i
86
1
82
185 182
65
149
65
Hi
50 56
120 120
28
58
45
100
25
58
108
43
18
50 58
47 48
42
46
38
40
36
53
10
31 18
12
IO
182
5
25
24 26
1619/20
149
19
13
H
13
1620/21 1621/22
H1 120
1622/23
129
1 !
58
1
4i
19
4
22
18
36
33 22
4
5
19
37
34 36
9
H
17
36
38
46
32
42
!
31
i
34
45 66
.
213
'?*
129
1623/24
120
5 10
13 5
33
107
x5 18
15
1624/25
i
x3
31
1625/26
107
38
8
1
1
11
33
1626/27
133
41
18
12
30
83
32
21
17
1
33
18
8
H
14
3i
i
3?
75 60
138
1628/29
x44 138
3i 30
1
1627/28
13 6
1629/30
128
12
5
5
5
30
29
71
130
1630/31
130
9
5
IO
27
120
120 112
/ 29
8
9 76
23
«632/33
13 98
23 2I
70
1&31/32
9 12
4i
1633/34
126
15
131 268
3 8
10
1634/35
30 294
IO
—
85
147 53
41 112
«635/36
116
!
:i
89
i
1 ;
i !
1
Bemerkungen
120
16 16 30 28
Besondere
Knaben
107 107 133 144
1624 und 1625 Sterben.
128
68
112
28
57
126
Seuchenjahre
4° 85 88
50
131 268
Pestjahr.
!
71 69
246
und
1636/37
246
16
4
25
20
70
67
80
217
‘637/38
217-
120
3
3i
7i
94
67
235
1638/39
235
8
2
28
42
39
173
1639/4°
173
16
1
H
26
74 58
74 60
35
149
1640/41
149
12
—
24
14
40
123
123
15
1
16
44
23
113
1642/43
113
19
8
9 18
54 46
29
l64l/42
20
38
37
19
94
‘643/44
5 6
1
18
12
29
28
12
69
‘644/45
94 69
1
5
26
23
12
61
1645/46
61
6
3
2
9 6
25
24
10
59
23
IO
63
24 21
IO
63
6
61
23
8
59
22
8
.Juni—30. April 1646/47
56
!
! !
59
7
1
1
1
4
2
29
4
2
4
7
34 28
7
5
24
2
30
Mai— 30. April 63
6
56
11
1649/50
61
9
3 1
1650/51
59
7
2
!
Zahl der Kinder am Schlüsse des Jahres Knaben
1660/61
56
1670/71 1680/81
79
1690/91 1700/01 1710/11
85
|
Gesamt zahl
1
35
21
56
2
4
33
40
3
47
44
42
73 86
50
40
90
7
55
25
80
17
3
1
2
9
2
11
78
15
4
3
95
21
5
19
15 6
4
11
!
Mädchen
54 Außerdem während des Jahres Kinder in Privatpflege
9
4
8
38
19
57
12
1715/16
7i 84
9 12
22
8
H
17
42
33
75
24
1720/21
82
17
4
5
6
47
4i
88
i5
121
1647/48 1648/49
Rechnungs
Zahl der
jahr
Kinder
i. Mai bis
zu Beginn
30. April
Zahl der Kinder am Schlüsse des Jahres
Im Laufe des Jahres
neu auf des Jahres genommen
darunter Findlinge
entlassen
gestorben
Knaben
Mädchen
Außerdem während des Jahres Gesamt Kinder in zahl Privatpflege
1730/31
80
9
1
6
8
34
V
75
13
1740/41
69
19
4
5
8
45
30
75
21
1750/51
64
*3
4
26
*5
4
5
50
37 36
63
87
7 [i
7
1760/61
86
14 l8
82
21
4
57
36
93
l8
4
4 —
6
53
6
3
28
20
48
1790/91
63
7
—
6
3
26
61
4 IO
1800/01
80
12
—
7
3
35 —
—
82
22
•
Bemerkungen
122
1770/71 1780/81
Besondere
1. Okt.—30. Sept 1808/09
—
23
1
—
4
48
29
77
20
1810/11
—
—
—
—
—
—
42
21
1818/19
—
IO
—
—
5 —
—
—
43
1819/20
43
46
1
IO
2
—
—
77
1820/21
77
19
—
13
4
—
—
79
—
1830/31
.76
13
1
17
1
—
—
7i •
—
1840/41
83
17
—
13
—
—
—
87
—
1850/51
-
6
—
8
2
—
—
65*
—
1860/61
—
16
—
6
-
—
—
68*
—
1870
—
13
—
13
—
—
—
62*
—
—
80*
—
1880
— .
18
—
19
—
—
1890
—
17
—
*9
1
—
1900
74
21
—
9
—
43
1910
ior
27
—
22
—
1915
107
14
—
23
—
■
—
90*
—
43
86
—
54
52
106
—
44
54
9«
—
*) Durchschnitts zahl.
123 4.
Ehrentafel der Stifter und Wohltäter. Auf S. 287 ff. ist ausgeführt worden, daß dem Findel- und Waisenhaus schon von Anfang an —‘ war doch die Anstalt selbst eine bedeutende Stiftung ! — reiche Zuwendungen gemacht worden sind, daß aber die Behauptung, es habe schon seit dem Jahre 1550 für die Testierenden die Verpflichtung bestanden, sie durch Legate zu bedenken, nicht aufrecht erhalten werden kann. Alles, was der Findel seit ihrem Bestehen bis auf unsere Tage an Stiftungen, Vermächtnissen und Schenkungen zuging, waren freiwillige Gaben, ein Beweis des frommen und mild tätigen Sinnes, der der Nürnberger Bevölkerung in alter wie in neuer Zeit in so hohem Maße innewohnte. - Im nachfolgenden Verzeichnis finden sich auf Grund der Urkunden, Zinsbücher und Rechnungen die Zuwendungen von 20 fl., seit 1806 von 25 fl. *) und seit der Durchführung der Markwährung im städtischen Rechnungswesen im Jahre 1876 von 50 jU an du'rchgeführt. Es ist mir wohl bekannt, daß in diesen Sätzen eine Wertgleichheit keineswegs erreicht ist. Besonders stellt der fl. oder das a des 14. Jahrhunderts einen ganz anderen Wert dar als die gleichnamigen Münzen der späteren Zeit.*2) Daß aber im 14. Jahrhundert und auch noch erheblich später die Kapitalzuwendungen unter 20 fl. nicht herabgingen, hat darin seinen Grund, daß 1 fl. Jahreszins das Geringste war, was man der Findel in der Form des Renten kaufs zuwies. Man kaufte einen jährlichen Ewig-, Eigen- oder Gatterzins von wenigstens 1 fl. durch Hingabe eines Kapitals, das bei dem damals allgemein üblichen Zinsfuß von 5 % 20 fl. betrug. Aber auch in der Form einfacher Schenkungen sind ohne Zweifel noch so manche bedeutende wie unbedeutende Zuwendungen an die Findel gekommen, über die keine Urkunde und kein Zinsbuch berichtet. So manche ältere Schenkungen konnten auch infolge der großen Lückenhaftigkeit der Quellen nicht ermittelt werden. !) Eine Zusammenstellung von io zu io Jahren von 1550/51 —1806/07 auch Mitteil. 21, S. 288, Anm. 2. 2) S. Anlage Nr. 5, S. 138 ff.
124 Vom Jahre 1550/51 an aber darf die Zusammenstellung wohl auf eine gewisse Vollständigkeit Anspruch erheben, bis auf jene Fälle allerdings, in denen die Schenkungen sei es auf Wunsch der Geber oder weil sie sofort in der Wirtschaft verwendet und nicht besonders verrechnet wurden oder infolge Fehlens oder mangelhafter Führung der Rechnungen nicht festgestellt werden konnten. In den schweren Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts ließen die Zuwendungen bedeutend nach oder hörten zuzeiten ganz auf. Doch brachten die schlimmsten Jahre des dreißig jährigen Kriegs immer noch ganz erhebliche Erträge, wenn auch, wie es übrigens schon früher wahrgenommen werden kann, ganze Jahre ohne für uns in Betracht kommende Ergebnisse zu verzeichnen sind. In den späteren Jahrzehnten des 17. Jahr hunderts gehen die bedeutenderen Schenkungen immer mehr zurück, während die unbedeutenderen bis herab auf wenige Kreuzer immer mehr anwachsen. Im 17. Jahrhundert sind wieder holt auf Jahre hinaus keine Schenkungen von Bedeutung verzeich net, besonders in der zweiten Hälfte desselben, wo sie z. B. von 1757/58 bis 1771/72 und vq* 1782/83 bis 1803/04 vollständig fehlen. Der Wohlstand war auf das schwerste erschüttert, unter den Drangsalen der fortwährenden Kriege, den Erpressungen und Kontributionen sowie der allgemeinen Unsicherheit lagen Handel, Industrie und Gewerbe völlig darnieder. In der Zeit des allge meinen Rückgangs und Verfalls zu Anfang des 19. Jahrhunderts aber, als die Bürgerschaft dumpf und abgestumpft dahinlebte und sich selbst nicht mehr zu- helfen wußte, schwand auch alle Möglichkeit, die Wohltätigkeitsanstalten und unter ihnen die Findel mit Schenkungen zu bedenken. Vom Jahre 1806 bis 1818 hören wir von keinen Zuwendungen irgend welcher Art an die Findel. Zum Teil hing das wohl auch damit zusammen, daß es während des damaligen Notstandes und der Verwaltung der Wohltätigkeitsanstalten durch bayrische Beamte an einem besonderen Antrieb zu Schenkungen mangelte. Bemerkenswert ist es, daß die Neubelebung des Wohl tätigkeitssinnes mit dem Beginn der städtischen Selbstverwaltung zusammenfällt. Die Bevölkerung hatte sich bis dahin von den schweren Schlägen der früheren Zeit wieder einigermaßen erholen
125 können, und nun war es der Segen der Selbstverwaltung, das Interesse der Stadt für. die ihrer Sorge anvertrauten Anstalten, die Einführung besonderer Pflegschaften für sie, die wesentlich dazu beitrugen, den wohltätigen Sinn der Bürgerschaft, soweit er nicht schon anfing aus sich selbst wieder aufzuleben, anzuspornen und zu kräftigen. Und je mehr ein selbsttätiges bürgerliches Leben wieder erwachte und erstarkte, um so größer und schöner zeigte sich der alte milde Sinn, der außer der Sorge für das eigene Wohlsein auch jene für die Armen, Schwachen und Hülflosen kennt. Die Bürgerschaft beweist wieder wie ehemals ihr warmes Mitgefühl für die armen der elterlichen Pflege beraubten Kinder in einer zum Teil wahrhaft großen und hochherzigen Weise.
1359 1364 1369
1381 Vor 1400 1412 1419 1426
1445 1456
1468 1482
Ehrentafel. Kapital vermacht Bernhard von Neuenmarkt den beiden Findel häusern 1 $5 Heller............................................. .. 20 $5 Ulrich Osterman zu einem Jahrtag von jährlich 4 #5. . 80 ß? überweist Hermann Keßler, Pfleger der Pfarrei St. Lorenz, aus dem Eigen an der Langen Brücke 3 #5 Heller den Findelkindern zu St. Sebald zu einem Seelgerät .... 60 U fallen durch Erbschaft Christian DeichslerS aus 3 Häusern an der Kotgasse (Brunnengass6) an beideFindein . . . 20fl. vermacht Jakob Muffel der Findel zuSt. Sebald 2 fl. und der zu St. Lorenz 7* A................................................... 5° » Klara, Heinz Geuders Witwe, letztwillig in jedes Findelhaus 2 fl......................................................................... 80 » Hans S[ch]lusselburg in die beiden Findelhäuser 6 fl. . 120 » kauft Kunigunde Krell, Pflegerin der Findelkinder in der Lorenzer Pfarrei, aus der Losungstube 20 fl. Ewig geld zum Besten der Findelkinder......................................400 » eignet Kunigunde Krell, Hans Krells Witwe, den Findel und Waisenkindern 2 Tagwerk Wiesen zum Steinbühl. hinterlegt Ulrich von Bucheim, Bürger in Köln, in der Losungstube zu Nürnberg 2000 fl. zu 5 %. Von den Zinsen von 100 fl. sollen nach seinem Ableben 5 fl. an das Klara kloster, 7 5 fl. an seine Erben und 20 fl. an die Mädchenfindel fallen. Der Anteil der Findel entspricht einem Kapital von 400 > vermacht Jakob Unrue, Bürger zu Nürnberg, in jedes Findelhaus 1 fl. Ewiggeld.....................................................40 » i4fl. rh. von einem Ewiggeldkapital aus........................336 » der Stiftung des Hans Meyr sei., Bürgers zu Nürnberg, an das Kloster Gnadenberg sollen an das Findelalmosen fallen, falls jenes die vereinbarten 3 Messen nicht lesen läßt.
126 1482
1482
Vor 1484
Vor 1484 1484 1485
1485 1488 1489 1502
1506
Vor 1511 Vor 1511 Vor Vor Vor Vor
1511 1512 1512 1512 1514
1531
Kapital 9 fl. Ewigzins von einem Ewiggeldkapital von .... 216 fl. aus der Stiftung desselben an das Kloster Maria Mai St. Birgittenordens sollen an das Findelalmosen fallen, falls jenes die vereinbarten 2 Messen nicht lesen läßt. 6 fl. rh. aus einem Eigengeldkapital von . . . . . . 144 * aus der Stiftung desselben an das Augustinerkloster zu Nürnberg sollen an das Findelalmosen fallen, falls jenes die vereinbarte eine Messe nicht lesen läßt. vermacht Katharina, Niklas Grolands Witwe, 8 fl. Eigen geld aus Otto Zigmanns Haus bei der Findel in St. Sebald an beide Findelhäuser................................................ 160 » schenkt Ruprecht Haller 8 fl. aus demselben Haus an die beiden Findelhäuser.......................................................... 160 » vermacht Jörg Keyper letztwillig..........................................100 » Jörg Keypersche Stiftung an beide Findelhäuser über jährlich 50 fl. und 13 12 ^ alt Eigen- und Gattergelder aus Häusern zu Nürnberg, ein Kapitalvon über . . . 1000 » vermacht Konrad Topler....................................................40 > oder vorher Konrad Glockengießer Ewiggeld in der Losungstube.............................................................................60 > stiftet Bartholmes Knebel einen Jahrtag von 1 fl. an beide Findein....................................................................... 20 > stiftet Helena Stephan Tücher 5 fl. Gatterzins aus der Eckbehausung an der Bindergasse an beide Findel häuser ........................................................... 100 » stiftet Nikolaus Topler 2 fl. Zins aus dem Garten der Ruhelgreden Erbe an die beiden Findelhäuser zur Labung der kranken Kinder............................................................ 40 » stiftet Peter Stromair d. ä. einen Jahreszins von 2$ 3^, über ...................................................................................... 40 % stiften Hieronymus und Heinz Muffel von Eschenau einen Jahreszins von 2 fl......................................................40 fl. Grolandscher Jahrtag. Jahreszins von 1 20 vermacht Anna Deucherin 1 fl. Jahreszins........... 20 fl. der Haller großer Jahrtag zu St. Sebald mit jährlich 3 % 60 tfc stiftet die Schwebin, Schusterin zur grünen Linde, einen Jahreszins von 4 und 1 fl.......................... 80 U und 20 » vermacht Konrad Horn, Tuchmachermeister, 100 fl. Ewig geld an die beiden Findelhäuser für 4 Findelknaben zur Erlernung eines Handwerks- oder zum Studium und für 4 Findelmädchen zur Erlernung der Hauswirtschaft . . 100 * oder vorher Peter Huber von den 2 Frauenhäusern im Maukenthal1), die Hans Jakob von Schweinfurt erkaufte, 20 fl. rh........................................................................................... . 400 » A) Frauengasse
127 Kapital 1532 und 1538 erkauft Kordula, Witwe Hans Tuchers d. ä. auf St. Egidienhof, den armen Findelkindern 3 fl. und 3 fl. 5 18 .di aus der Losungstube....................................180 fl. 1550/51 1554/55 1555/56 1557/58 1558/59
vermacht Klara Hans Nützel..............................................40 » Barbara, Sebastian Welsers Ehefrau.............................100 > schenkt ein Ungenannter................................................. 25 > vermacht Christoph Haller............................................. 50 » Ursula Lißmann....................................................................... 40 » Paulus Lengenfelder...............................................................50 » 1559/6° Erasmus Topler................................................................. 20 » ,1561 die alte [Felicitas] Sigmund Fürerin.............................100 » 1563/64 schenkt Leonora Sebastian Füttererin ...... 25 » 1564 schenken die Zeichenmeister auf dem Tuchhause . 2000 » 1564 oder vorher vermacht Bonaventura Furtenbach . . 500 > 1565 Frau Katharina Ulrich Haller......................................... 20 » Erscheint erst 1572/73 in den Findelrechnungen. 1566/67 1567/68 1568/69 1569 1571/72 1572/73 *573/74 1574 1574/75 1576/77 1577
vermacht Wolf Kallinger...................................................... 100 Lienhard Tücher................................................................. 50 Anton Tücher.............................................................................40 Frau Martha Hans Reutter................................................. 400 Frau Christoph Pfinzing.......................................................100 Hier. Imhoff............................................................................ 20 Hans Schivinel................................................................. 80 Barbara Lienhard Amman............................................. 20 Sophie Hermann Heß........................................................ 22 Margaretha Murhard, Holzdrechslerin.............................200 schenkt Endres Imhoff d. ä. zum Gedächtnis seines ver storbenen Bruders Michel Imhoff.......................................... 40 vermacht Frau Katharina Hans Rieter...............................20 Albrecht Scheurische Stiftung zur Austeilung von Strümpfen, Handschuhen und Pelzhauben unter die armen Findelknaben.
1578/79 vermacht Magdalena Hans Hilbrandt...............................80 Hans Hilbrandt .................................. 50 Anton Prem............................................................................ 200 Endres Örttl . 50 Willibald Imhoff d. ä................................................................ 100 1580/81 Frau Sebolt Pfinzing............................. 20 Lienhard Amman .................................................................... 30 schenkt Jörg Rieter............................................................. 33 1583/84 derselbe................................................................................ 43 vermacht Anton Imhoff................................... 30 1585 Frau Barbara Jakob Pretfeld........................................... 500 In der Losungstube angelegt 1587/88. 1585/86 vermacht Philipp Rappolt von Augsburg.................... 50 » j579/8o
* *
» > » » » » » » » *
» * * » * » » » » » »
128 Kapital
1585/86 vermacht Agnes Wilhelm Heft...........................................93 1586/87 Michel Meuters Erben............................................................. 300 1589/90 Hans Weyerman.................................................................. 50 Albrecht Hoffman.................................................................... 20 1590/91 Heinrich Leis ......................................................... 20 1592/93 Ursula Suesin.............................................................................. 50 1593/94 Ursula Neuber.............................. 200 1594 Wolf Fürter an Ewigzinsen für arme Bürgerssöhne und Findelknaben, die ein Handwerk lernen wollen . . 150 1595/96 1597/98 1600/01 1602/03 1603/04 1604 1607/08 1609/10 16io/11 1614/15 1617/18
1623/24 1627/28 1630/31 1631/3 2 1635/36 1636/37 1637/38 1638
fl. » » > » » » *
Ur. Melchior Ayrers Witwe . . 20 » Frau Ursula Kaspar Tücher................................................50 * Margareta Jakob Pellens Tochter......................................20 » Christoph Pfister......................................................................... 28 » Katharina Georg Pfisters Witwe...........................................40 » stiftet Albrecht Fladen zu Mahlzeiten für die Findel kinder an St. Alberti und Martinitag.............................. 400 * vermacht Susanna Adrian Kalb, Tuchbereiterswitwe . 25 » Bernhard Nöttel......................................................................... 50 » Egidius Arnold........................................ 100 erlegt Hans Jakob Imhoff wegen seines Schwähers Herdegen Tücher, der es beiden Findein verschaffte 25 » vermacht Endres Muffel..........................................................20 > Item erlegt Th. Rudolf Gugel als Ausrichter End. Muffels sei. Testaments, so er in bede Findel verschaff hat 20 » vermacht Stephan Cornelius Roth......................................25 * Hans Herman............................................................................ 200 * Frau Egidi Arnoltin . .......................................................... 20 * Veit Pfaud....................................................................................50 » schenken die Bierbrauer............................. 150 » vermacht Anton Tücher.......................................................... 25 » Johann von Blansdorf............................................................... 60 » geht der durch des Findelknaben Hans Präbes Ableben an die Findel gefallene Anteil an der Erbgerechtig keit des Hauses und der Hofreit hinter St. Katharinen an der Mauer durch Kauf an Michel Grünebaldt (Grünewald) über. Kaufsumme nicht genannt.
1639 Elisabeth Krausische Stiftung. 1640/41 vermacht Georg Groth ....................................................25 » Frau Maria Fürleger.................... ..................... • • 50 > Michael Schmidt...................................................................20 » 1641/42 Anna Susanna Speidl........................................................ 25 > Hans Knoblach, Weinschenkzum roten Krebs ... 50 » 1644/45 schenkt Frau Oberst Sporck...............................................20 » 1647/48 vermacht Frau Afra von Speidl.................................... 3° * Sigmund Gabriel Beem in Hamburg . . . 321 fl. 7ß nh
129
Kapital 1649/50 schenkt Generalfeldmarschall Karl Gustav Wrangel . 75 fl. Leonhard Pistrich wegen des ihm zugelassenen Glück hafens ......................................................................... 15° * 1652 vermacht Simon Irnsinger zur Austeilung von Bier, Brot und Fleisch an Simonis- und Judaetag . . . 600 » 1652/53 Georg Guttheter........................................................... 50 » 1653/54 Christoph Fürer........................................................... 50 » Hans Marx Guttheter........................................................ 50» Anton Matt.....................................................................20 > 1656/57 Christoph Schnabel.......................................................50 * 1658/59 Johann Barthel Scheller, Handelsmann .................. 50 * Barbara, Witwe des Bierwirts Andreas Ochs.... 50 * Melchior Metschger, Amtmann in der Schau ... 25 > Leonhard Büchner....................................................... 25 * 1659 Wolfgang Goepner, Rotgerbermeister, ein Ewiggeld von 75 fl. zu milden Zwecken, wovon jährlich 2 fl. zur Spendung von Bier und Eierbrot an die Findel kinder am Wolfgangstage verwendet werden sollen . 40 » 1660/61 Frau Helena Balthasar Schmidt................................25 * 1661/62 Dr. med. Adam Züßner von Züßnerseck . . . . 37 fl. 10 ß 1663/64 Sibylla, Ehefrau des Lorenz Schlicht.......................25 fl. 1665/66 Georg Brölling, Handelsmann........................... 20 » 1667/68 Johann Christoph Volland......................................... 50 » Georg Nürnberger.......................................................25 » 1668/69 Johann Michael Dilherr..............................................20 > 1670/71 Johann Andreas Endter......................................... 200 » Erasmus Lang.................................... ...........................25 » Frau Helena Klara Rühl..............................................20 » 1671/72 Jakob Gräsel................................................................25 > Johann Philipp Fürleger..............................................25 > Johann Philipp Fleischbein .......... 30 * 1672/73 Christoph Endter....................................................... 5.0 * Oberleutnant Friedrich Hofmann................................20 > 1674/75 Frau Anna Helena Schlicht......................................... 25 » 1676/77 Michael Edel, Marktvorgeher.....................................25 » 1678/79 Johann Albrecht Lemp..............................................20 > 1679/80 Frau Maria Dr. Johann Kob.................................... 50 » Anna Maria Endter .................................................. 30 » Johann Colhöfel........................................................... 25 > 1681/82 Christoph Peiler........................................................... 25» 1686/87 Justina Katharina Hechtin......................................... 30 > 1688/89 Frau Lämmermännin.................................................. 25 > 1689/90 Georg Gammersfelder.................................................. 25 » 1690/91 Anna Maria Metsgerin..............................................25 * Heinrich Leonhard Straub.........................................24 *
130 Kapital *693/94 vermacht Jakob Graßel d. ä., der zu Venedig gestorben 36 fl. 1698/99 Frau Martha Kramer......................................................... 100 > 1699 stiftet Magdalena, Ehefrau des Joh. Christoph Felbinger, V* Seidlein (»Trünklein«) Bier an den Sonntagen für jedes Kind . ....................................................................800 » 1700/01 vermacht Frau Susanna Maria Fürer...................... 50 * 1701/02 schenkt Generalleutnant von Baden, hochfürstl.Durchlaucht 50 » 1703/04 dessen Gemahlin................................................................50 » 1708 Frau verwitwete Markgräfin von Baden..................24 * 1708/09 vermacht Martin Rost...................................................... 50 * 1710/11 Johann Jobst Peiler......................................................25 * 1712/13 Karl Benedikt Nüzel......................................................25 » Christoph Gottlieb Scheurl............................................25 » 1715/16 Johann Kießling................................................................25 » 1717/18 Simon Tobias Wölcker...................................... ... 25 * 1719/20 Gottlieb Sander................................................................25 » 1721/22 Johann Christoph Engeland.......................................25 » Daniel Stöber..................................................................... 25 » \ 725/26 Johann Paul Paumgärtner........................................... 25 » 1727/28 Frau Anna Maria Löffelholz...................................... 25 » 1729 Magdalena Georg Friedrich Bär................................ 100 » Erscheint in der Findelrechnung erst 1731/32. 1731/32 Anna Regina Kießling................................................... 25 * 1734 »Notleidende Kinderstiftung«. Gestiftet von einer un genannten Person mit einem Kapital von 300 fl. für arme in periculo perversionis befindliche Knaben und Mädchen, zur Beförderung der Knaben zu Handwerker jungen und zum Unterricht der Mädchen in der Hauswirtschaft...............................................................300 » *736/37 vermacht Anton Tücher................................................. 25 * *737/38 Georg Burkhard Löffelholz............................................ 25 » 1740/41 Christoph Scheurl, Konsulent.......................................25 * 1741/42 Frau Anna Katharina Sichart, Marktvorsteherin . . 50 » *743 Von Elisabetha Regus dem Findelamt erblichzugefallen 200 * 1743/44 vermacht Frau Margareta Freund, verw. Heuer . . 50 » 1744/45 Thomas Billet.................................................................. 36 fl. 18 ß 1747/48 Walburg SpÖrl, Buchdruckerswitwe.............................25 fl. 1751/52 Frau Barbara Praebes...................................................... 50 * Frau Maria Magdalena Scheurl..................................20 * 1752/53 Frau Susanna Regina Nützel................................... . 25 * 1753/54 Georg Christoph Volckamer, Findelpfleger.... 300 » 1756/57 Karl Friedrich Welser......................................................20 » *772/73 Hans Michael Thaler, Untertan in Elgersdorf . . . 100 » 1774 Frau Anna Helene Drexler, Kaufmannsehefrau... 25 » 1781 stiftet Andreas Adam Rost, Bürger und Handels mann ...................................................................12640 fl. 14 kr.
131 Kapital 1801/02 vermacht Fräulein Rosina Helene von Holzschuher. 25 fl. 1804/05 Frau Hofrat Petronella Bauer...................................... 200 » 1806/07 Christoph Karl Sigmund Holzschuher, verstorbener Findelpfleger, zur Unterhaltung einer Nachtlampe . 400 v 1818/19 Apothekerswitwe Sophie Magd* Cnopf ...... 100 » 1819/20 ein Ungenannter............................................................ 25 » 1820/21 Kaufmann, Marktvorsteher und späterer Landtags abgeordneter Wolfg. Merkel.................................. 100 » Prof. Thiersch in München.............................. ... 25 » 1821/22 Hofapotheker Friedrich Wilh. Pabst......................25 » 1822/23 Balthasar StünzendÖrfer von Unterfarrnbach . . . 25 » 1823/24 schenkt k. k. Geheimrat und Kämmerer Franz Maria Freiherr von Carnea-Steffaneo zu Wien .... 400 > vermacht Kaufmann Gg. Hieron. Moser................... 25 » Haushälterin Marie Christine Guthmann .... 125 » Kupferstecher Joh. Christian Schauppmeier .... 25 > 1824 stiftet Dr. Jakob Christ. Bischoff 3000 fl., wovon ein Teil der Zinsen, etwa 70 Jl, der Findel zustehen. 1825/26 vermacht Scholarchenwitwe Marie Philippine von Volckamer......................................................................... 50 » 1826/27 Kaufmannswitwe Marg. Joh. Barb. Roscher ... 25 » 1827 stiftet Dr. Friedrich Campe, Bürger, Buchhändler und Buchdrucker..................................................................... 2000 » 1827/28 vermacht Kaufmann Joh. Hieron. Förster.........................25 » 1829/30 Gastwirtsehefrau Margareta Eckstein.................................100 » Kaufmann Christian Zacharias Lotzbeck......................... 50 » 1830/31 Buchdruckereibesitzerswitwe Marg, Zunner . .... 50 > 1831/32 Fräulein Susanna Marie Anna Jakobine von Woelckern 100 * Kaufmann Benedikt von Schwarz...................................50 * *832/33 Kaufmann Gg. Franz Goeller . 25 » Kath. Barbara Goetz...........................................................25 » Kaufmannswitwe Katharina Maurer...................................25 » 1833/34 Rentmeister Johann Christian Simmerlein .... 25 > Kgl. Kreis- und Stadtgerichtsrat Dr. Colmar .... 100 » Kaufmannswitwe Gertraud Marg. Ehemann .... 50 » Appellationsgerichtsassessorswitwe Maria Regina von Schwarz.................................................................... 25 » *834/35 Kaufmann Karl Gottlieb Reidner....................................... 75 > Metzgerswitwe Sperber.......................................... 50 » Apotheker Joh. Dav. Gaupp.............................................50 > Kgl. Handelsappellationsgerichtsassessor Leonhard Kalb 100 » *835/36 Kaufmann Joh. Andreas Stellwaag............................... 1000 * Kaufmann und Marktadjunkt Georg Peter Rohrmann 300 > Chirurgenwitwe Anna Marie Samstag............................... 50 » Buchhalterswitwe Anna Marg. Haas.............................25 * 9
132 Kapital 1836/37 vermacht Bierbrauerswitwe Marie Hedwig Hoernlein 500 fl. Kaufmann Joh. Karl Friedrich Eisenbach .... 50 » 1837/38 zweiter bürgerl. Bürgermeister Joh. Merkel .... 100 » ein Verwandter der im Waisenhaus aufgenommenen Gengschen Kinder ....................................................... 50 * Kirchenrat und Dekan Gotthold Daniel Friedrich Seidel 25 » 1840/41 Kaufmann und Kirchenpfleger Ehrenfried Graf ... 50 > Kaufmann und Marktvorsteher Johann Friedrich Meier 50 » 1841/42 Bauratswitwe Marie Kißkalt............................................50 » Untergerichtsassessorswitwe Marie von Stromer . . 25 * Werkmeisterseheleute Joh. Kasp. und Anna Maria Kath. Lederer...................................................... 25» Gastwirtswitwe Marie Rosina Friedlein..................... 100 » 1842/43 Kaufmann Joh. Karl Knauer..............................................500 » 1843/44 Kaufmann und Spezereihändler Georg Paul Amberger 100 * Hammerschmiedstochter Anna Marie Leykauf ... 50 » 1844/45 Kürschners- und Wirtswitwe Anna Sibylla Reichhold 25 » 1845/46 Kapellmeisterstochter Wilh. Ursula Martha Gruber . 25 » 1846/47 Generalleutnantswitwe Charlotte von Theobald . . . 100 » 1848/49 Privatiersehefrau Marg. Barb. Meier....................................200 » Rentner Wilh. Cramer sen.................................. 2000 » 1849/50 Notars- und Kanzlistentochter Joh. Sus. Kath. Heunisch 100 > Privatier Elias Kleining........................................................ 100 » 1850/51 Ratswitwe Elise von Neu ...............................................100 » 1851/52 schenkt Großhändler Meyer Kohn............................... 25 » vermacht Maurermeister Christian Hösch.................... 25 » 1852/53 Privatier Daniel Roth zu Wien einschl. Zinsen . nofl. 50 kr. Kaufmannswitwe Klara Sophia Graf, geb. von Fürer 25 fl. schenkt ein Ungenannter................................................... 50 » *853/54 vermacht Privatier Johann Knauer 150 fl. Anteil an den Ersparnissen der Freiherrl. von Camea-Steffaneoschen Stiftung.........................................................128 fl. 1-^ kr. 1854/55 Doktorswitwe Albertine Christ. Sophie Susanna Vogel roo fl. *856/57 Weinhändlerswitwe Joh. Barb. Doerrfuß.................... 50 > *857/58 Kaufmannswitwe Marie Marg. Kaestner......................... 100 » Bierbrauerstochter Anna Kath. Mayer von Schwabach 100 * *858/59 Privatier Joh. Jak. Bielitz................................................... 200 * Kaufmannswitwe Anna Kath. Glafey..........................25 » Hauptmannswitwe Hedwig von Furtenbach .... 25 » 1859/60 Privatier Gg. Jakob Gagstetter.........................................50 » Kartenfabrikantenwitwe Helena SusannaJegel ... 25 » schenkt Dr. phil. Wilh* KÖnigswarter..........................250 » 1861/62 vermacht Kaufmannsehegattin Rosa Alix Wiß, geb. von Schwarz.................................................................. 25» Majorsgattin Karoline Frfr. von Soden.................... 50 *
133 Kapital 1861/62 vermacht Privatiersgattin Dorotheajulianajohanna Krauß 25 fl. Kgl. Kreis-und Stadtgerichtsassessors witwe Rosine Greßer 25 > 1862/63 Schlossermeisterswitwe Anna Marg. Eckert .... 25 » 1863/64 Kirchenrats- und Dekanswitwe Karolina Seidel ... 25 » 1864/65 Steinhauergeselle Andreas Teuffel...............................200 » Rentamtsdienerswitwe Anna Barb. Dürr........................... 50 » Privatier Joh. Gabriel Fuchs................................................25 » Kaufmannswitwe Babette Geßert.........................................100 » 1865/66 Kaufmannswitwe Magd. Knauer und deren Schwester Buchdruckereibesitzerstochter Anna Elisab. Sibylla Bieling ...................................................................................100 » Schuhmachermeisterssohn Joh* Gg. Rieß..................... 50 * 1866/67 schenkt ein Ungenannter................................................... 25 » vermacht Sattlermeisterstochter Marie Alter . . . . 25 » Kaufmann und Handelsappellationsgerichtsassessor Joh. David Wiß.................................................................... 50 » Gastwirtstochter Maria Kath. Roth................................... 100 » 1868 Privatierswitwe Kath. Hofer..........................................................50 » Bankier Gg. Mart. Kalb . 200 » 1869 Eisenmeisterswitwe Regine Baudenbacher..........................100 » schenken die Erben des Gg. Hch. Sichler........................... 25 ■» vermacht Kaufmann Christoph Gottlieb Wieland . . 500 » Bankier und Marktvorsteher Karl Konrad Cnopf . . 25 » 1870 Privatier Math. Stephan......................................... 11 543 fl. 22f kr. schenkt Buchdruckereibesitzer J. P. Wilh. Dietz . . . 200 fl. vermacht ungenanntes Ehepaar.....................................................50 » 1871 Marktvorsteher Joh. Christian Merck....................................100 » 1872 Prokurist Ernst Christ. Wilh. Heller . 1000 » schenkt prakt. Arzt Dr. Heller....................................77 fl. 30 kr. vermacht Metzgermeisterstochter Madlon Riedt ... 50 fl. 1873 Antiquitätenhändlerseheleute Joh.Wilh. und Elis. Bab. Beils 25 * Lebküchnersgattin Anna Marg. Bab. Ottenberger . . 25 » stiftet Privatier Leonhard DÖrffler zur Unterstützung der das Waisenhaus verlas enden Zöglinge . •....................... 6000 » schenken die Erben der Kaufmannswitwe Bab. Goldbeck 500 » 1874
1875
vermacht Kaufmann Albrecht Jakob Solger .... 1000 Schuhmacherswitwe Kath. Bab. Schwarz ..... 75 schenkt Ungenannter.................................................................. 150 Geschenk zum Andenken an die verstorbene Rechts anwaltsgattin Pauline Kreitmaier geb. Beckh ... 50 vermacht Tabakfabrikant Joh. Feder................................... 500 schenkt Ungenannter.................................................................. *5° vermacht Privatierswitwe Wilh. Loschge................................ 25 Privatier Salomon Tuchmann..................................................500 Rechnungsführer Joh. Nik. Rottner.......................................... 50 9
*
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134 Kapital schenkt Kaufmannswitwe Birkner ...................................... 100 fl. Ertrag eines Konzertes..............................................................370 » schenkt Privatier Anton von Schorn....................................25 » Pfarrerswitwe Kath. Bab. Kleindienst ....... 25 » Ungenannter durch den Privatier Samuel Rosenbaum . 25 > ungenannte Frau..................................... 100 » Privatiersehegatten Friedrich und Johanna Wurster . . 50 * Kaufmannstochter Babette Hutzier...................................... 100 » Mitglieder des Vereins für prunklose Beerdigungen 142 fl. 46Jkr. Erben der Interessenten der ehedem bestandenen Pensionskassa der Kommerzialbeamten . . 17 041 fl. irkr. Kaufmannsgattin Emma Lamprecht......................................100 fl. Buchdruckereibesitzer Wilh. Tümmel................... 583 fl. 20 kr. 1876 Christine Margareta Krellersche Waisenhausstiftung zur Erziehung, Pflege und Unterricht der Waisenhaus kinder sowie hauptsächlich zur Aufnahme einer größeren Anzahl armer verwahrloster oder verwaister Kinder in das Findel- und Waisenhaus.............................88 988 Ji vermacht Privatier Karl August Glafey........................ 200 » Privatier Ernst Model........................................... 85^/71^ pens. Kgl. Oberappellationsgerichtsrat Friedr. Künßberg zu München ......................................................... 685 M 72 ^ Privatierswitwe Elise Eckel geb. Kolb zu Fürth . 29^ Vermögenshälfte des verstorbenen Büchsenmachermeisters Jos, Engelhardt................................................ *5973«/^ 51^ schenkt Privatierswitwe Elisabeth Schlerf ..... 100 M Ertrag eines vom Zitherverein veranstalteten Konzerts 206 » schenkt Buchdruckereibesitzer Wilhelm Tümmel zur Abhaltung eines Jahrtages ..................................857 Ji 14 ^ Maurermeister Karl Bayerlein...................................... 100 Ji Ausschuß vom deutschen Müllerverband .... 500 » 1877 vermacht Ungenannter......................................................... 50 » Kaufmann Julius Merzbacher...................................... 50 > Hofrat Dr. Dietzsche Kinder..................................................100 » 1878 Konditorswitwe Julie Winter................................................1000 » Metzgermeisterstochter Maria Sus. Friedlein von Ammerndorf....................................................................... 2000 > schenkt Kaufmann Karl Sachs............................................ 100 » die Erben eines hiesigen Bürgers....................................... 300 » Spielwarenfabrikant J. G. Geiger . 100 » 1879 vermacht Privatier Ed. Mor. Bock................................. 85 > Schreinermeister Gg. Jak. Krauß ... 5° * Eheleute Joh. und Bab. Funk............................................ 500 » Privatier Joh. Jak. Hoffmann..................................................100 » stiften die Erben der Kaufmannswitwe Christine BÖschel 2000 * 1875
135
k ip
*
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Kapital 1879 schenkt Industrie- und Kultur-Verein.............................. 500 Ji Ungenannter........................................................................ 5° * das Landwehroffizierkorps........................................... 53 » 1880 vermacht Ungenannter......................................................... 1000 » Kaufmannswitwe Wilh. Wunderlich...................................500 » Frau Marianne Mathilde Goeß...................................... 100 * schenkt Kaufmann Marx Gütermann................... 1021 Ji 46 Ungenannter........................................................................ 100 desgleichen .............................................................................. 200 Maurermeister Eduard Oetterich.................................. 51 Ungenannter............................................................................ 1000 r88i vermacht Privatier Ignatz Richter........................1714*^ 28 Kommerzienrat Heinrich Zeltner...................................... 1000 schenkt Pinselfabrikant Heinrich Ott................................. 1000 » Fabrikbesitzer Heinrich UttendÖrfer...................................500 » Kaufmannswitwe Louise Fuchs.............................................200 » Ungenannter...................................... roo » Ertrag des im großen Rathaussaale abgehaltenen Konzerts der Meininger Hofkapelle........................................... 100 » 1882 Ungenannter . . . 100 » ungenannte Dame.................................................................... 100 » desgleichen................................. 200 * der Verein deutscher Metall- und Bronzefabrikanten in Nürnberg und Fürth................................................ *5° * 1883 vermacht Privatierswitwe Walb. Marg. Daucher . . 300 » Privatier Joh. Maas......................................................... 100 » Schmiedswitwe Anna Maria Schmidt .............................. 200 > Holzhändlerswitwe Anna Marg. Hohmann..........................200 » schenkt ein Ungenannter...................................... .... . 1000 » die Erbendes früheren Magistratsrats Joh. Mich. Pauschinger 500 » 1884 vermacht die in Nürnberg verstorbene Kaufmannstochter Jeannette Wagenseil aus Kaufbeuren ................... 80 » stiftet Kaufmann Joh. Martin Richter . . . 220601^ 68^ schenkt Reichsratswitwe Freifrau von Cramer-Klett in Nürnberg ........................................................................4000 Ji Erbschaft des Nachlasses des Privatiers Jak. Christ. Sörgel durch die Stadt. Von den Zinsen fallen der Findel jährlich 200 Jt zu. 1885* vermacht Privatiere Karoline von Michels.................... 100 » Privatier Philipp Blumröder...................................... 20 000 » Kaufmannswitwe Kath. Krämer............................................ 200 » Kaufmannswitwe Babette Förster................................. 180 » Bezirksdirektor Christoph Albert Otto........................ 150 > schenkt Lebkuchen- und Schokoladefabrikantenwitwe Maria Metzger ............................................................... 500 »
136 1885
1886
af
Kapital schenken die Erben der Kommissionärswitwe Bab.Wolf 200 Ji Kaufmann Joseph Ehrenbacher aus Liverpool . . . 200 » Kaufmann Gottlob Glafey . . r ■.................................... 150 » vermachen Kaufmannseheleute Ignatz und Babette Wertheimber....................................................................1000 » Baumeisterswitwe Marie Metzger.............................. 100 » Maurermeisterswitwe Anna Margareta Krauer . . . 343 > Privatier Heinrich Wilhelm Weidner. . . . 342.^ 86 schenken die Erben des Bierbrauereibesitzers Gg. Zeltner 1000 vermacht Privatierswitwe Anna Luise Raum .... 300 Wundarztswitwe Johanna Susanna Mayer..................100 Privatier Heinr. Erdmut Friedr. Solger......................1800 Aufschlägerswitwe Klara Helene Holzinger.... 200 Professorswitwe Eva Bauer.......................................... 3000 Privatier Gottfried Goldbeck..................... . . 6857 ,/tf 14 Privatier Justus Friedr. Hofmann.................................100 schenkt Bankier und Hopfenhändler Ignatz Weisenfeld 200
1888
stiftet Privatier Rudolf Baumbach zu Weihnachts geschenken ............................... vermacht Privatier Joh. Leonhard Rußhart .... Schneidermeisterswitwe Susanna Helene Heicher . .
.....
1887
cf ^| .
...
1000 300 340
.
......
Abfindungssumme für das Vermächtnis des früheren Buchhändlers, späteren Privatiers Friedrich Karl Konrad Christoph Recknagel......................................... 1750 vermachen Bezirksgerichtsdirektorseheleute Wilhelm und Auguste Hammer, letztere eine geb. Freiin von Holzschuher.............................................................................1300 Privatiere Anna Maria Krafft......................................... 100 1889 Privatier Emanuel Anton von Schorn ...... 100 Opernsänger Georg Schmidt..................................................... 400 Privatier Johann Fürst......................................................... 100 schenkt eine ungenannte Witwe . 100 1890 vermacht Postoffizials- und Gutsbesitzerswitwe Anna von Mann-Tiechler......................................... 17270 M 64 Privatierswitwe Marie Margarete Dell................................ 200 Büttnergeselle Joh. Martin Wurm..........................261 J1- 85 Privatiere Elise Braun........................................................ 100 Direktorswitwe Helene Gründler.........................................8500 1891 Privatiere Anna Margarete Ludwig..................................... 300 Kaufmannswitwen Lisette Krauß und Kath. Krämer 1714 Ji 28 Kaufmannswitwe Lisette Krauß.............................. 200 schenkt eine ungenannte Witwe......................................... 50 1892 vermacht lediger Privatier Peter Paul Böhmländer . 500 Privatiersehegatten Ferdinand und Kath* Ammon 171 Ji 43 Privatier Friedrich Bälz..........................................................300
137 1892
1893 1894
1895
1896
1897
1898
1899 1900
1902
Kapital vermachen Privatiersehegatten Jakob und Mathilde Weber in Fürth, Kapital und Zinsen .... 5018 Jt 89 Platzreisender Georg Endreß....................... 300 Privatierswitwe Marie Sophie Haack................... 857 Jt 14 schenkt Joseph Schwarz, Jakobstraße 12................... 50 Ungenannter........................................................................ 100 » Ungenannte....................................................................... 50 » vermacht Privatier Joh. Albrecht Trapp......................... 200 » Fabrikbesitzersgattin Luise Josephine Krafft .... 3000 » Privatierseheleute Otto Gottfried Hermann und Magdalene Felsenstein................................................................200 * Privatiersehefrau Anna Ziegler...................................... 100 * Gymnasiallehrerswitwe Justine Guilleaume......................... 200 * schenkt Privatierswitwe Julie Perl........................................500 * Wilhelm Frhr. von Mulzersche Stiftung zur Unter stützung des Waisenhauses und der Blindenanstalten zu 362 000 Jt, wovon V3 der Zinsen an die Waisen hausstiftung zu verabfolgen sind. vermachen Kaufmannseheleute Christian Adam und Rosina Bab. Marg. Joh. Harrer...................................856 » Privatier Christian Hermann Voit......................................1000 » schenkt Kaufmann Max Lust . 50 » Ungenannter........................................................................ 100 > vermacht Privatiere Maria Anna Birkner........................1000 » Privatierseheleute Herrn, und Kath. Rieß................... 100 » schenkt Unbekannter.............................................................. 1000 » Sparanlagen früherer Waisenhauszöglinge, welche nicht mehr aufzufinden sind........................................... 259 Jt 69 ^ vermacht Rentier Johann Albrecht Hohenner . . . 125 M Privatiere Lisette Benz............................................... . ioo » Oberbahnamtsdienerswitwe Johanna Hetz..........................100 » Fabrikbesitzerswitwe Marie Metzger...................................500 » vermachen Privatierseheleute Joh. Gg. und Therese Hörauf 50 » schenkt Herr Ludwig Neu..................................................100 » Privatier Arnold Erlanger................................................ 100 » vermacht Privatiere Magd. Bruch.................................. 100 » Kaufmann Jos. Offenbacher (Zinsen "zur Bewirtung der Waisen auf einem Ausflug)..................................1000 » Privatier Leonh. Christian Reiß..................................2000 » Privatierseheleute Andr. Jak. und Marg. Blum . . . 172 » schenkt Kommerzienrat Ernst Plank für Herstellung einer Kindergruppe im Vestibül des neuen Waisenhauses . 2000 » Alexander Thonsche Wohltätigkeitsstiftung zu 75000 wovon je V8 der Zinsen der Eleonore Christine Thonschen Stiftung, dem Cnopfschen Kinderspital und dem städtischen Findel- und Waisenhaus zustehen.
138 1902 1903 1904 1905 1906
1907 1909
1912 1914 1915
Kapital vermacht Privatier Joh. Georg Errmann......................... 100 Jt Privatier Johann Schiede . . 200 » Privatier Christoph Bauer............................................... 1000 * Privatier Joh. Gottlieb Held................... .... 41 500 * vermachen Privatierseheleute Christoph Ludwig und Katharina Böhm.............................................................. 1000 > Rentier Andreas Ludwig Raum......................................2000 » prakt. Arzt Dr. Elias Mayer................................................. 500 * Geschenk des verstorbenen Magistratsrats A. Weiß zur Ausschmückung der Vorhalle im Treppenhaus des neuen Waisenhauses................................... 582 Jl 48 ^ vermacht Privatierswitwe Amalie Braudlein .... 1000 Ji vermachen Privatierseheleute Joh. Georg und Maria Magdalena Korber...........................................................200 * Privatiere Bertha Held...........................................................200 » Privatier Heinrich Wültner................................................4000 » Privatierswitwe Marg. Brunner..............................................500 » Vermächtnis des verstorbenen Kommerzienrats Ernst Plank zur Erinnerung an seinen vom Jahre 1850 bis 1857 als Zögling im städt. Waisenhause genossenen Aufenthalt........................................................................ 20000 » Eisenbahnexpeditorswitwe Marie Kopp in Ansbach . . 5000 »
5.
Wert des Pfundes und des Guldens in Silber, bezw. nach dem Silbergehalt. Die Münzwerte während der Zeit von beinahe 6 Jahr hunderten festzustellen, wäre eine Aufgabe, die die Grenzen des Möglichen weit überschreiten würde. Der Wert der Gold münze — des Goldguldens — blieb sich ja zu den verschie denen Zeiten einigermaßen gleich, da das Gold im allgemeinen seinen festen Wert behielt und der Goldgulden nur wenig von seinem Feingehalt verlor. Um so schlimmer stand es dagegen mit der Silbermünze, die besonders infolge ihrer fortwährenden Verschlechterung immer mehr in ihrem Werte fiel. Da aber der Geldverkehr im gewöhnlichen Leben sich fast durchweg in Silber vollzog, so stößt die Wertfestsetzung bei dem steten Herabgehen der Silbermünzen nicht allein in den meisten Fällen
139 auf die größten Schwierigkeiten, sondern ist zeitweise gar nicht durchzuführen. Nur wenn Münzverträge und andere Aufzeich nungen es ersehen lassen, kann auch der Silberwert der zu schlagenden Münzen in Zahlen ausgedrückt werden, aber auch nur der Silbergehalt, während das wirtschaftliche Sinken des Geldes, das fortwährende Herabgehen seiner Kaufkraft nicht festgestellt werden kann. Nach Hegels Berechnung1) war der fl. rh. im Jahre 1377 dem U Heller im Werte völlig gleich, beide stellten einen solchen von 6,98 Ji in Silber dar. Aber schon bald änderte sich dieses Verhältnis. 1387 war der Wert des fl. rh. in Silber auf 6,60 der des E'es dagegen schon auf 5,49 Jl gesunken. 1396 betrug der Wert des fl. rh. in Silber immer noch 6,60 M, während das U Heller nur noch einen Wert von 2,20 M darstellte. Diese ganz außerordentliche Verschlechterung der Silber münze führte 1396 zu einer Reform, die darin bestand, daß man ein neues Pfund schuf, das dem rheinischen Gulden wieder gleichkam. Anfangs hatte man es auf den dreifachen Wert des alten Pfundes — 120 ^ oder 240 hl., während das alte Pfund 40 oder 80 hl. betrug — festgesetzt. Aber auch dieser Kurs erschien noch zu hoch, er ging auf das Verhältnis von 1 zu 4 zurück, so daß man, um wieder eine Gleichheit zwischen Pfund und Gulden zu erzielen, 4 Ü a. einem tt n. gleichsetzte. Das neue U hatte 120, das alte 30 ^ und die doppelte Anzahl von Hellern. Bemerkt sei übrigens, daß sich im gewöhnlichen Leben auch in Zukunft nicht, wie es in den Rechnungen des Rats geschah, die Rechnung nach U n. durchsetzte, es blieb vielmehr nach wie vor bei dem $ a. = 30 In der nachstehenden Tabelle sind nun die Werte der Silbermünze — denn darauf kommt es in unserem Falle an, da die Kapitalzinsen und Schenkungen in Silber ausbezahlt wurden — auf Grund der Forschungen von Hegel, Sander und Scholler in den Jahren, wo es möglich war, zusammen gestellt. Im Jahre 1457, in dem Scholler den Wert des Guldens in Silber nicht errechnet hat, konnte er auf Grund des Münz vertrags zwischen den Markgrafen Johann und Albrecht und der Stadt Nürnberg nach dem Verhältnis zwischen U und fl. l)
S. Städtechroniken I, 254.
140 (5 S 24 ^ oder 5f E = 1 fl.) festgestellt werden1). Dieses Verhältnis verschlechterte sich auch in Zukunft fortwährend zuungunsten des u a., 1500 stand der fl. nach der Festsetzung des Rats 8 t£ a. 9 1501 8 U a. 10 ^ 2). Im öffentlichen Verkehr war er schon 1504 8 u a. 12 ^ gleich,3) ein Ver hältnis, das vom Rat erst 1532 offiziell festgesetzt wurde und im ganzen 16. Jahrhundert bestehen blieb.4) Zur besseren Veranschaulichung und Vergleichung folgt nachstehend die Tabelle, aus der die Münzverschlechterung und zugleich das Wertverhältnis zwischen E a. und fl. zu ersehen ist. fl. rh. 1356 1375 1377 1378 1381 und 1382 . 1384 1385 1387 und 1388 . 1389 1391 und 1392 . 1396
1397 1406 1420--1426 . 1427--1443 . 1457 1510
. .
. — . — . . 6,89 . 6,89 . 6,89 . 6,89 . 6,89 . 6,60 . 6,60 . 6,60 . 6,60
. . . . . .
Ti
in Silber jU 10,18 » 5,9 » 6,89 » 6,57 * 6,26 » 6,— 5,74 » 5,49 » 5,11 » 4,14 »' 2,20 »
M
> » » > * » » » » »
fl. rh. U' a. in Silber 1,25 J 6,49 M 1,30 » 6,29 » 1,30 > 5,57 » 1,26 » 5,57 > 0,91 > 5,28 » 6) 0,62 » 5,21 >
*) v. Wölckern, Hist. Norimb. dipl. I, No. CCCLVII S. 666. Scholler a. a. O. 234. *) Scholler, ebend. 241. 3) ebend. 139. 4) ebend. 241. B) Silbergehalt nach Scholler S. 243. Die folgenden Angaben bis zum Jahre 1443 geben den Wert des ®es in Silber nach Hegels Städtechroniken I, 254 und II, 533. 6) Nach dem durch den Münzvertrag vom Jahre 1457 festgesetzten Verhältnis 5 #5 24 ^ — 1 fl. S. S. 139. Der Silbergehalt des % a. von 1457 an nach Scholler S. 243 und 245.
141 fl. rh. U a. in Silber 1527 . . . . . 4,96 Jt 0,59 Jl 0,54 » 1536 . . . . . 4,54 » 1551 — 1559 . . . 4,28 » 0,51 > 1621 . . . . . 1,71 » 0,20 » 1623 . . . . . 3,13 » 0,37 » Der große Sturz im Jahre 1621 erklärt sich aus der Kipper und Wipperzeit, die übrigens schon im Jahre 1623 überwunden war, worauf wieder erträglichere Verhältnisse eintraten. Für die folgende Zeit liegen Forschungen über das Wert verhältnis von fl. und u für Nürnberg nicht vor. Aber es darf wohl angenommen werden, daß die Münzgebarung sich von nun an hier in normaleren Verhältnissen vollzog. Die Silbergulden — die Stadt prägte sie wie die halben Silber gulden seit dem Münzvertrag von 1559 — zeichnen sich im 17. wie im 18. Jahrhundert, wie die Goldgulden, durch ihre gute Qualität aus. Aber andererseits darf nicht übersehen werden, was damals auch an schlechten Münzen nach Nürnberg kam und wie vordem den Kurs drückte. So stand denn auch der Silbergehalt der Münzen, wie sie die Tabelle aufführt, in Wirklichkeit oft beträchtlich unter den Festsetzungen der Münz verträge. In den voraufgehenden Darlegungen konnte, wie schon bemerkt, lediglich der Stand und Rückgang der Münzwerte veranschaulicht werden. In welchem Maße aber das Geld wirtschaftlich an Kaufkraft verlor oder mit andern Worten, in welchem Maße die Preise der Lebensbedürfnisse und sonstigen Kaufgegenstände ganz abgesehen von der durch die Münzver schlechterung bedingten Preiserhöhung im Lauf der Zeit hinauf gingen, läßt sich in Zahlen nicht ausdrücken und wird wohl für immer sich der näheren Feststellung entziehen. Die Preise sind so mannigfachen Einwirkungen und Zufälligkeiten unterworfen, sie sind so wandelbar und so fließend, gehen oft, wie so häufig beim Getreide, jäh und sprunghaft auf und nieder, daß das Aufstellen fester Gesetze stets mit den größten Schwierigkeiten verbunden sein wird. Immerhin wird sich durch Vergleichung der Preise der mehr preisbeständigen Kaufgegenstände, wie
142 Immobilien, Getreide und sonstige Lebensmittel, sowie der Löhne das Verhältnis zwischen einst und jetzt wenigstens im Rohen einigermaßen feststellen lassen. Sander**) möchte bei Anlegung ganz grober Maßstäbe 1 $ n. um die Mitte des 15. Jahrhunderts 2 $ n. um den Anfang des 16. Jahrhunderts, 2 fl. um den Anfang des 17., 3 fl. um das Ende des 17. und 4 fl. um das Ende des 18. Jahrhunderts »hinsichtlich der Kaufkraft als Ausdrucksform ein und derselben Größe betrachten, einer Größe, der heute (1902), wo sich der Wert des Tagelohns auf etwa 2 bis 21U Reichsmark, der des Maßes Bier im Kleinverkehr auf 30 und der des Pfundes Fleisch auf 60 bis 80 Pfennige schätzen läßt, ein Geldbetrag von ungefähr 20 bis 30 Jt entsprechen würde«. Ob er damit den wirt schaftlichen Rückgang der Kaufkraft des Geldes richtig erfaßt hat, dürfte wohl einigermaßen, in Zweifel zu ziehen sein. Es sprechen besonders hinsichtlich der Löhne Anzeichen dafür, daß der Rückgang der Preise ein größerer gewesen ist, als er annimmt.
Nachträge und Berichtigungen. Zu Mitt. 2i, S. 92. Israelitisches Waisenhaus zu Fürth. Aus der Geschichte der jetzt schon über anderthalb Jahrhundert bestehenden israeli tischen Waisenanstalt zu Fürth möge nachträglich noch das Wichtigste und Wesentliche hervorgehoben werden.2) Ein im Jahre 1763 zum Zweck der Errichtung eines israelitischen Waisenhauses ins Leben gerufenes Komitee hatte die Gründung einer Anstalt in Aussicht genommen, die die Erziehung und unentgeltliche Unterhaltung vater- und elternloser Knaben vorsah, wie sie schon in anderen großen Städten, besonders in Prag und Amsterdam bestand. Einer der Unterzeichner des Aufrufs, Israel Lichtenstadt von Prag, der wohl auch als der Vater des Gedankens bezeichnet werden darf, spendete sofort 500 fl. und verpflichtete sich weiterhin zu »wöchentlichen geheimen Leistungen«. Die Beiträge flössen im übrigen so reichlich, daß noch in demselben Jahre 13 Waisenknaben — denn für Knaben ausschließlich wurde die Anstalt zunächst ins Auge gefaßt — in Privatpflege untergebracht werden konnten. Einige Jahre l) Sander, die reichstädt. Haushaltung Nürnbergs 1902. Bd. 2, 753. *) Nach den freundlichen Mitteilungen des Herrn Direktors Dr. Deutsch, einem Waisenhausakt und Fronmüller, Chronik der Stadt Fürth. 1887. 2. Aufl.
143 später wurden die Kinder in ein eigenes Heim in der Geleitsgasse überführt und zwei Lehrer angestellt. An der Spitze der Verwaltung stand ihr Stifter Israel Lichtenstadt. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts reichten die Räum lichkeiten für die immerfort gewachsene Zahl der Kinder in keiner Weise mehr aus und auch in gesundheitlicher Beziehung blieb so manches zu wünschen übrig. Man entschloß sich daher zur Errichtung eines allen Anforderungen entsprechenden geräumigen und nach da maligen Anschauungen schönen Neubaus in der Jülienstraße, der im Jahre 1868 bezogen werden konnte. Eine Stiftung, die der Anstalt 1884 in dem bedeutenden Betrage von 100000 zufiel, ermöglichte es, den Stiftungszweck auch auf Waisenkinder weiblichen Geschlechts auszudehnen und durch einen Anbau die dazu erforderlichen Räumlich keiten zu gewinnen. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bedürfnis eines um fassenden und allen Forderungen der Neuzeit entsprechenden Neubaus immer mehr geltend gemacht. Schon im Jahre 1904 trat man einem solchen Plane näher und im Jahre 1908 wurde ein Platz von etwas über zwei Morgen, der zum Areal des alten Gaswerks gehörte, um nahezu eine Viertel Million Mark vom Stadtmagistrat erworben, die Pläne vom städtischen Baurat Zizler entworfen und zur Ausführung der Architekt Albert Mayer zu Nürnberg ausersehen. Die feierliche Grundsteinlegung sollte an Königsgeburtstag (7. Januar) 1915 stattfinden, mußte aber nach Ausbruch des Krieges auf friedliche Zeiten verschoben werden. Der Bauplatz liegt völlig frei an der Theresienstraße mit der Aussicht auf das freundliche Wiesental der Rednitz, das von dem waldigen Höhenzuge mit dem Turm der Alten Feste begrenzt wird. Hier wird ein großer, stattlicher, zweckmäßiger und schöner Neubau entstehen, ein hervorragendes Denkmal des mildtätigen und. opferwilligen Geistes der Fürther Judenschaft. In mehr als 150 Jahren hat sich das Fürther Waisenhaus aus kleinen Anfängen zu einer blühenden Anstalt entwickelt und erfreut sich einer überaus segensreichen Wirksamkeit. An die 50 bis 60 Kinder, wovon etwa 2/s Knaben, V3 Mädchen, werden in sorgsamster Weise verpflegt und erzogen. Hat auch die alte Satzung im Geiste früherer Zeiten, geleitet von vermeintlich ethischreligiösen Anschauungen, außer ehelichen Kindern die Wohltaten der Aufnahme versagt, so hat doch fortgeschrittenes soziales Empfinden und gesteigertes Verantwortungs gefühl von Fall zu Fall stets auch solche Kinder zugelassen. Das israelitische Waisenhaus in Fürth ist das einzige in Bayern, die sonst noch an einzelnen größeren Orten bestehenden Waisenvereine bringen die Waisen in Privatpflege oder unterstützen die Witwen durch Geldbeiträge. Der Jahresaufwand beziffert sich im Durchschnitt der letzten Jahre auf etwa 50000 Ji, eine Summe, die in der jetzigen Kriegszeit
144 noch wesentlich überschritten wird. Er findet durch Stiftungen, frei willige Zuwendungen und die Zinsen des Anstaltsfonds ausreichende Deckung. Der Anstaltsfonds beläuft sich etwas über eine Million Mark, das nicht rentierende Vermögen, in dem Anstaltsgebäude sowie in dem schon erwähnten Gebäude für den Neubau bestehend, beträgt 280000 Ji. Die Anstalt leitet ein Direktor — nun schon seit 23 Jahren der verdienstvolle Direktor Dr. Hermann Deutsch —, dem mehrere beamtete Hülfspersonen und ein neungliedriger Ausschuß zur Seite stehen. Wie sich der Berichterstatter durch eingehende Besichtigung überzeugen konnte, herrscht überall im Hause die peinlichste Ordnung und Sauber keit und das gesunde und fröhliche Aussehen der Kinder läßt erkennen, daß ihnen nichts mangelt und sie mit Sorge und Liebe betreut werden. Der allgemeine Gesundheitszustand der Kinder wird als ein sehr erfreu licher geschildert. Bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts empfingen die Kinder den Unterricht in den Volksschulfächern in der Anstalt selbst, jetzt besuchen die Knaben zu einem geringen Teile die Volks schule, die große Mehrzahl aber die Real- bzw. die Oberrealschule, die Mädchen größtenteils die Volksschule und einige die höhere Töchter oder Handelsschule. Nach Verlassen der Anstalt widmen sich die Knaben vornehmlich dem kaufmännischen oder einem anderen bürgerlichen Beruf, während die Mädchen in der Hauswirtschaft als Hausgehülfinnen und Köchinnen oder als Näherinnen, Schneiderinnen und Kontoristinnen ihre Lebens stellung finden. Auch während ihrer Lehrzeit erfreuen sich die ehe maligen Zöglinge noch der ausgiebigen und liebevollen Unterstützung der Anstalt, woraus sie hervorgegangen sind. Außer dem israelitischen bestand in Fürth seit dem Jahre 1836 noch ein christliches Waisenhaus, das Ludwigswaisenhaus, das aus wohltätigen Stiftungen und freiwilligen Gaben unterhalten wurde. Die Pflege und der Unterricht lag in den Händen eines Volksschullehrers. Leider brachte es die Anstalt, auf die man so große Hoffnungen gesetzt hatte, zu keiner gesunden Entwicklung. Im Jahre 1846, als die Kinderzahl auf 3 herabgesunken war, ging sie wieder ein.1) Erwähnt sei auch noch »das Witwen- und Waisenstift der Volksschullehrer in Fürth«, allerdings keine Waisenanstalt, sondern eine im Jahre 1871 auf Anregung des Lehrers und späteren Schulrats Höchstätter ins Leben gerufene Geldstiftung. Durch anfangs freiwillige, später satzungsgemäß festgesetzte Beiträge, durch Geschenke, Spenden und Konzerte von Lehrern, Privaten und Vereinen, besonders aber durch dem Stifte nutzbar gemachte Vereinsunternehmungen wuchs das Ver mögen ziemlich rasch und beläuft sich gegenwärtig (1917) auf nahezu 40000 JC. Aus den Zinsen und Erübrigungen genießen zurzeit 28 Witwen mit je 50 Ji, 13 einfache Waisen mit je 10 Ji und 2 Doppelwaisen mit l) S. Fronmüller, Chronik der Stadt Fürth.
2. Auflage
1887, S. 260.
145 je 20 Jt jährlich die Wohltat der aus kleinen Anfängen ansehnlich gewachsenen Stiftung.1) Gewiß ein schöner Erfolg eines auf kleine Mittel angewiesenen Privatunternehmens! S. 105 Textzeile 5 ist statt 1512 zu setzen 1513, ebenso S. 107 Z. 8 und 9 statt 1514 und 1512, S. m Z. 13 und S. 112 Z. 14 statt 1512. Namensform der Stifterin Elisabetha Kraus. Zu Mitteil. Bd. 21, S. 171 und sonst sowie zu verschiedenen Abbildungen. Der Name der Stifterin Elisabetha Kraus wird schon im 18. Jahrhundert durchweg mit dem scharfen s (ß) geschrieben, während im 17. Jahr hundert die Schreibweise zwischen dem einfachen und scharfen s schwankt. Ich bin in meiner Darstellung zunächst der letzteren Schreibweise gefolgt. Erst, als ein großer Teil der Arbeit und besonders auch die Abbildungen mit ihren Unterschriften gedruckt waren, bin ich zu der gegenteiligen Ansicht gekommen. Für die Feststellung der Namensform kann die in den späteren Hand- und Druckschriften gebräuchliche Schreibweise nicht maßgebend sein, es muß auf die gleichzeitige amtliche, und da auch diese in vielen Fällen versagt, wenn irgend möglich, auf die von den Namensinhabern selbst angewendete zurückgegriffen werden. Gehen wir auf die Zeit der Stifterin zurück, so käme das Stiftungs buch der Krausischen Stiftung, das schon wohl bald nach dem Tode der Stifterin (+ 1639) angelegt wurde, in Betracht. Hier ist unter den Bildnissen der Stifterin und ihres Mannes der Name mit einem scharfen s geschrieben: Konrad Krauß und Elisabeth Kräußin, ebenso durchweg in der beigefügten »Ausführlichen Geschieht-Schrift von Ein-, Fort- und Ausgang des Lebens neben dem dabey verfasten letzten Willen auf ewige Zeiten weylund Frauen Elisabeth Kräußin«. Auffallend muß es erscheinen, daß die in lateinischer Sprache verfaßte und von anderer Hand niedergeschriebene »Epigraphe« auf die Stiftungspfleger ein ein faches s aufweist, an dessen Stelle in der deutschen Übersetzung (»Bei schrift«) das scharfe s getreten ist. Wegen dieser schwankenden. Schreib weise kann das Stiftungsbuch für die Entscheidung der Frage nicht in Betracht kommen. Es bleibt noch das Testament. Es schreibt den Namen abwechselnd mit dem einfachen oder dem scharfen s, doch ist ersteres vorwiegend. Wenn man übrigens bedenkt, daß sich der Schreiber, der das Testament niederschrieb, in damaliger Zeit um die genaue Wiedergabe des Namens nicht allzuviel kümmerte und im allgemeinen dem Gehör folgte, daß zudem die Namensform immer noch schwankte und in Urkunden des 17. Jahrhunderts für einen und den selben Namen oft mehrfache Schreibweisen Vorkommen,2) so erkennt *) Gütige Mitteilung des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Wild in Fürth. *) Über die Unsicherheit, ja Gesetzlosigkeit der Namenschreibung in früherer Zeit, besonders aber im 15. bis 17. Jahrhundert, sieh meinen Aufsatz: »Adam Krafft oder Kraft** in Band 14 der Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, S. 258 ff.
146 man leicht, was von der Beweiskraft der damaligen Urkunden für die Feststellung der Schreibweise eines Familiennamens zu halten hat. Ent scheidend ist stets die Selbstschrift des Namensinhabers. Die Stifterin aber hat das Testament unterschrieben: »Ich Elisabett Conrrat Kräysin beken, wye herrin begryffen«. Nach damaliger Sprechweise hat sie ihren Namen mit dem Umlaut und im Dialekt (äi = äu) geschrieben. Ins Hochdeutsche übersetzt erhalten wir die Form Krausin. Kraus mit dem einfachen s dürfte demnach der Name zu schreiben sein.
Die Steinbrüehe am Kornberg bei Wendelstein. Von Reichsarchivrat Otto Geiger. Der Charakter der Bauwerke einer Stadt wird wesentlich durch das Material, welches für die Bauten zur Verfügung steht, mitbedingt. So ist der Charakter von Nürnbergs Architektur durch die Verwendung von feinkörnigem Sandstein als Bau material bezeichnet. Wenn der Südbayer, insbesondere der Münchner, nach der Pegnitzstadt kommt, ist er bei einem Gang durch die Stadt überrascht durch das Vorherrschen des Natursteins in den Werken der Baukunst. In München ist man das nicht gewohnt; dort herrscht der Backsteinbau, namentlich bei den älteren Bauten ist lediglich Ziegelsteinwerk verwendet. Erst bei den neueren Luxusbauten überwiegt jetzt auch der Haustein. 'Ganz anders in Nürnberg. Gleich vom Bahnhof aus zeigt sich dem Auge der dunkelrote feinkörnige Stein an den alten Stadtmauern und Türmen, dann weiter an fast allen welt lichen und kirchlichen Bauten bis hinauf zur Höhe des Burg berges, wo die schlanken Türme ins Land hinaus winken. Wo nun der natürliche Stein so allgemein zur Verwendung gelangt, muß er in reichen Lagern und nahe bei der Stadt Vorkommen. Nach v. Kreß, Der Reichswald bei Nürnberg, liegen quartäre Ablagerungen rings um die Stadt in beiden Reichs wäldern; dazu gehören hauptsächlich sandige Ablagerungen und Geröllschichten aus der Stufe des Stuben- oder Burgsandsteins des oberen Keupers. Die Hauptmasse hievon wird aus hell roten bis weißen, selten gelblichen, ziemlich körnigen und festen, zu Bauzwecken verwendbaren Sandsteinen gebildet. Die Züge dieses Burgsandsteins, welche in riffartig aufsteigenden Fels platten die tieferen Keupergebilde überdecken, treten besonders io
148 scharf an der Burg zu Nürnberg (daher der Name) und am Rücken des Schmausenbucks in dem dortigen Steinbruchgebiete hervor. Soweit v. Kreß. Nach Aufzeichnungen in den nürnbergischen Bauamts akten gab es gegen Ausgang des Mittelalters über 30 Stein brüche um die Stadt und man darf wohl annehmen, daß davon wenigstens ein Gutteil schon seit der Ausdehnung • der Stadt im 12. Jahrhundert abgebaut wurde. Es werden da genannt im Sebalderwald ein Steinbruch zu nächst Rückersdorf, aus welchem zum äußeren Lauferturm Steine gebrochen wurden, zwei weitere bei Beringersdorf und nördlich von Neunhof (B.-A. Fürth) im Gansstein,1) wovon das Material zum Bau des neuen Fleischhauses genommen wurde. Auf der Lorenzer Seite werden erwähnt ein Steinbruch im Langenlohe in der Nähe des Zollhauses, der Reuelberg bei Mögeldorf,2) fünf Brüche in der Feuchter Hut, neun in der Hut von Ungelstetten bei Birnthon an der Altdorfer Straße usw. Es heißt dabei, daß laut Nach richt und wie der Augenschein lehre, von alters her zu gemeiner Stadt und anderen Gebäuen unzählig viel Steine gebrochen worden seien. Alle diese Brüche galten aber mehr oder weniger als weiche Steingruben mit Ausnahme des von Langenlohe, von welchem es heißt, daß er dauerhaften Wetterstein gäbe. Die Ausbeute dieser Brüche wurde lange Jahrhunderte hindurch^stark willkürlich betrieben, es mag sogar eine Art von Raubbau geherrscht haben. Eine Besichtigung vom 19. April 1594 ergab nach einem Bericht an den Rat, daß die Brüche dermaßen zerwühlt und nicht aus dem Grund gearbeitet, sondern was nur bald am Tage gejegen, hinweg gebrochen und hernach die Stelle wieder verschüttet worden, daß etliche mit großen Kosten neuerdings wieder ausgeräumt und gleichwohl die Sorge, ob es sich der Mühe lohnen möchte, gehegt werden müßte. Zielbewußt wurde hingegen der Abbau des Kornberges bei Wendelstein betrieben, welcher im Gegensatz zu vor*) Wohl der jetzt aufgegebene Steinbruch »Ohrwaschel«. a) Nach Dr. Mummenhoffs Forschungen (s. Heft 15 der Vereinsmit teilungen S. 219) bei Besprechung des Sanderschen Werkes über »Die reichs städtische Haushaltung Nürnbergs« ist unter Reuelberg der Rühlberg rechts * vom Wege nach Kornburg zu verstehen, so daß die obige Lagebezeicbnung in den Bauamtsrechnungsakten »bei Mögeldorf« eine irrige ist.
149 genannten Brüchen harten Stein lieferte, der vielfach neben Hochbauten auch zu Mühlwerken und Wasserbauten Verwen dung fand, während aus den kleinen Bruchsteinen Pflastersteine geschlagen wurden. Der Kornberg ist ein Höhenzug in südöstlich-nordwest licher Richtung im Bezirksamt und Amtsgericht Schwabach bei den Gemeinden Wendelstein, Worzeldorf und Kornburg. Wenn man vom Steinachtal herkommend dem Kanal von Wendelstein ab weiter folgt, hat man den Höhenzug zur Rechten. Doch verbirgt der Föhrenwald die Brüche. Dieser Kornberg ist nun zwar im Gebiet des vormaligen Reichswaldes St. Lorenz gelegen, gleichwohl gehörte er nicht hiezu und war auch nicht in dem Kaufe vom Walpurgistag des Jahres 1396 eingeschlossen, wodurch die Stadt Nürnberg von den Brüdern Jakob, Konrad und Sigmund Waldstromer das Forstmeisteramt erwarb. Ein Vergleich zwischen dem Bauamt und dem Waldamt Nürnberg, welcher im Jahre 1754 zustande kam, bemerkt ausdrücklich, da es seine volle Richtigkeit habe, daß der vom Reich zu Lehen gehende Kornberg für keine Pertinenz und Zubehör des Reichswaldes St. Lorenz zu betrachten sei, sondern nach vorhandenen Kaufdokumentis und darüber erteilten kaiserlichen Lehenbriefen an und vor sich selbst sei, solle er auch weiterhin als separierter fundus agnosziert und gehalten werden. Ursprünglich gehörte der Kornberg zum Gebiete des jetzigen Marktes Kornburg, welcher einen Ortsadel hatte, der um die Mitte des 14. Jahrhunderts verschwindet. Um 1364 gehörte Kornburg den Burggrafen von Nürnberg; von diesen kam es an die Kühdorfer, Gießer, Geuder und Secken dorfer. Diese letztgenannte Familie besaß größere Teile der Steinbrüche am Kornberg, welche sie durch Kauf zumeist von Jordan Gießer in Amberg seit 1400 an sich gebracht hatte. Kaiser Ruprecht gab ihnen die Belehnung dazu. Im Jahre 1424 besaß Hans von Seckendorf zu Dettelsau den Kornberg mit einer Forsthube; es bestanden aber damals Streitigkeiten darüber mit der Familie v. Wenkheim, welche durch Heirat mit einer Geuder von^ Nürnberg, die seit 1410 auch Lehens rechte am Kornberg besaßen, in diesen Besitz gekommen war. TO*
150 Die Irrungen zogen sich lange Jahre hindurch; es mischte sich auch die Reichsstadt Nürnberg ein und dies verleidete den Seckendorfern schließlich den Besitz. Insonderheit war hiezu Anlaß die Irrung vorn Jahre 1445. In der Fastenzeit dieses Jahres zerstörte ein starkes Unwetter einen Teil der äußeren Nürnberger Stadtmauer, namentlich »bei dem neuen Turm beim Ihrertürlein« (Hallertürlein). Da erhielt der damalige Stadtbaumeister Hans Graser vom Rat den Auftrag, »auf des hl. Reichs Boden in dem Wald nach Steinen zu brechen«, die tauglich zur Ausbesserüngsarbeiten wären. Der Baumeister ließ das tun in der Berggrube, genannt der Höhelstein am Kornberg. Da erhoben Hilpolt und Jörg v. Secken dorf zu Dettelsau Einspruch beim Rate, da Berg und Steinbruch ihr Eigentum wären. Ganz unanfechtbar muß aber ihr Recht nicht gewesen sein; jedenfalls suchte alsbald der Landrichter Hans v. Seckendorf zu vermitteln und man einigte sich auf einen Tag zu Nürnberg. Am dritten Tag hach St. Peter und Paul war der Termin im Heilsbronnerhof und es erschienen vom Rat Karl Holzschuher und Konrad Baumgartner mit dem Rats schreiber, auf der Gegenpartei Hans v. Seckendorf, Hans Medlinger, Chorherr, Görg v. Wemdingen und die Sachwalter, später auch Martin v. Eyb. Die Seckendorfer betonten haupt sächlich ihre Gerechtigkeit, welche sie von alters her an und auf dem Kornberg gehabt und die von Nürnberg nur von ihnen bestanden hätten. Die Nürnberger antworteten darauf, daß die HÖhelsteingrube mehr als Meile Wegs vom Kornberg gelegen und schon zum Walde gehöre. Die Gegenbehauptungen gingen hin und her; schließlich verlegte man den Entscheid auf einen Gerichtstag zu Cadolzburg. Das Endergebnis der Irrungen war aber, daß im folgenden Jahre 1446 Jörg v. Seckendorf zu Kornburg alle seine Gerechtig keit auf dem Kornberg im Lorenzerwald an die Stadt Nürnberg verkaufte und König Friedrich III. unterm 24. November 1446 der Stadt den Kornberg zu rechtem Reichslehen verlieh. Ein kleiner, in jenem Kauf noch nicht inbegriffener Teil der Brüche wurde 1472 seitens der Stadt von Andreas, Sebald und Heinrich Geuder erworben und darüber unterm 12. Mai gleichen Jahres kaiserlicher Belehnungsbrief ausgestellt. Fortan wird in den
151 Konfirmationsbriefen der Kaiser über die Reichsgüter der Stadt Nürnberg auch immer der Kornberg genannt. Der Abbau der Steinbrüche daselbst wurde nun fortan von der Stadt betrieben, zwar nicht in eigener Regie, aber es wurde eine Bergordnung aufgerichtet und für sachgemäße Aus nützung der Brüche weitgehende Sorge getragen. Gleich anfangs 1446 ab wurde die Aufsicht über gemeiner Stadt Steinbrüche dem Amtmann anvertraut, der über Weg und Steg bestellt war, d. h. für Instandhaltung der Land straßen und Brücken auf dem Lande zu sorgen hatte. Alsbald aber erscheinen eigene Bergpfleger, welche wieder einer eigenen Ratskommission unterstanden, und um 1470 war dann der ganze Beamtenkörper des “Bergamts ausgebaut. An der Spitze standen 2 verordnete Bergherrn, Mit glieder des Rats; einer von diesen war zumeist gleichzeitig Baumeister der Stadt. Diese Bergherrn hatten die Oberaufsicht, Überwachung der Ausgaben und Einnahmen und die vor geschriebenen Amtsbesichtigungen vorzunehmen. Der Bergpflege vorgesetzt war dann der Bergrichter, erwählt vom Rat oder dazu verordneten Ratsfreunden und Gesandten. Ihm standen ein Berggerichtsschreiber und Schöffen in Ausübung seines Amtes zur Seite. Daneben gab es dann die Rechner, Be schauer, Bergleute und zeitweise noch andere Beamte. Die Bergherrn wurden jährlich oder in Zeiträumen von 2 bis 5 Jahren gewechselt. Sie hatten ihre Funktionen als Ehrenamt zu führen, während die übrigen zu Michaeli entlohnt wurden. Im Jahre 1474 waren Endres Tücher und Gabriel Nützel vom Rat zu Bergherrn bestellt worden. Da beide wenig genaue Kenntnis vom Kornberg und dessen Abbaubetrieb hatten, be schlossen sie am Montag nach St. Sebaldstag, das war am 22. August, den Berg zu bereiten und die Steinbrüche oder Gruben, wie in der Amtssprache die Baustätten hießen, in Gegenwart des Bergrichters Heinz Ernst zu beschauen. Der Betrieb war damals folgender. In jeder Grube arbei teten 3 »Gemeiner« oder Werkgesellen; diese kauften das Recht der Ausnutzung gegen einen verhältnismäßig geringen Barlohn
152 von der Stadt; sie hatten also eine sog. Nutzungsgewere. Was diese Gemeiner dann durch Verkauf der gebrochenen Steine erlösten, davon war der 4. Pfennig als Erbzins an die Stadtkasse zu bezahlen. Der Nutzungsanteil an der Grube war als selb ständiges Recht frei veräußerlich, wurde alsbald erblich und es lassen sich aus den Akten ganze Generationen von Steinbrechern am Kornberg feststellen. In der Niederschrift über jene Besichtigung sind die Arbeitsstätten mit den Leuten genannt. Die 1. Grube am Berg heißt in dem Eisenhut und wurde damals gerade nicht ausgebeutet. Gemeiner und Werk gesellen waren Seiz Puchner, Thoman Franz und Hermann Feuchter, alle 3 aus Röthenbach. Die 2. Grube heißt im Wasser loch. Dort arbeiteten Heinz Mayer aus Raubersried, Spitaluntertan, vertreten durch seinen Sohn Kunz; daneben Peter Peringer von Schwarzenlohe und Thoman Peringer. Die 3. Grube heißt Neugrub. Sie wurde ausgenutzt von Hermann Volkhart und Ullein Kramer aus Wendelstein und Hänslein Pemerlein aus Raubersried. In der 4. Grube, in der Schnöckengrube, arbeiteten Kunz Weiß und Hans Herbst, beide von Schwarzenlohe, und für die Gemeinin C. Reckin, Witib und Untertanin vom St. Katharinen kloster in Nürnberg, ihr Knecht Kunz Frantz. Die 5., 6. und 7. Grube hießen Sonnengrube, dann in dem vordem und hintern Wernloch. In der 8. Grube: an dem Mittelberg und der 9. Grube: an dem Höhelstein, auch Höllstein, wurden damals nur Pflastersteine ge brochen. Diese Namen für die Steinbrüche haben sich bis heute erhalten und finden sich auch z. T. noch im Topographischen Atlas von Bayern 1:50000. Auf Grund des Befundes bei jener Besichtigung erließ der Rat von Nürnberg alsbald Ordnungen über den Betrieb der Steinbrüche am Kornberg, welche dann im Jahre 1546 eine Hauptredaktion erfuhren. Ein schön geschriebenes Manuskript des Kgl. Kreisarchivs Nürnberg hat dieselbe erhalten und sei hieraus das Wichtigste mitgeteilt.
153 »Des Kornberger Steinbruchs Berggerichtsgesetze und Ordnung; aus Befehl Herrn Wilhelm Schlüsselfelder und Joachim Tetzeis Baumeister als verordneten Bergherrn über den Kornberger Steinbruch ist dies Büchlein also aus dem alten in sein Ordnung bracht und geschrieben worden durch Wilbolten Gebhart, Kanzleischreibern zu Nürnberg, 1546.« Zunächst sind hier verzeichnet Angaben über Vereidigung der Amtsleute im Steinbruch, dann über die Arbeitseinweisung der Gesellen etc. Es folgt dann die Ordnung des Berggerichts, Der Bergrichter — auch Bergmeister genannt — wird vom Rat ernannt oder entsetzt, doch soll man keinen nehmen, der selbst Teil oder Gemein am Kornberg hat, wodurch eben die Unparteilichkeit bezw. Uninteressiertheit gewährleistet sein sollte. Er muß einem jeden »umb Sachen, die das Bergwerk antreffen«, zum Rechte verhelfen. Die Schöffen sind bei einer Geldstrafe von 60 Pf. verpflichtet, auf Anrufen zum Gerichte zu kommen. Wann ein Gast, d.i. ein Fremder, käme und des Rechtes begehrte, soll ihm der Bergmeister alsbald ein Gastrecht versammeln und ihm zum Rechte verhelfen. Dabei muß er dem Gast zuvor ansagen, daß er bei Verurteilung den Schöffen und Urteilern jedem ein Mahl zu bezahlen schuldig wäre; würde der Wider teil schuldig, müsse es dieser ausrichten. Der Richter soll darauf achten, daß in allen Gruben am Berg gearbeitet werde, widrigenfalls sollen die Gemeiner die Gruben verkaufen. Gruben und Felsen dürfen nicht verschüttet werden, sondern es ist der Schutt, der »Abraum«, jederzeit abzufahren. Der Verkauf der Steine darf erst nach deren Abtrennung vom Felsen erfolgen, widrigenfalls ist der Schuldige verpflichtet, den besten Stein in der Grube zur Buße zu geben. Nun wird in der »sonderbaren Ordnung des Berggerichts« zunächst die sachliche Zuständigkeit desselben geregelt: »Was Sachen sich auf dem Bergwerk verlaufen, es sei um Schuld, Stein, Schmähwort beim Handel oder Frevel, Ver wundung und dergl., welche dasselbe Bergwerk antreffen, die sollen an keinem anderen Gericht verrecht noch anderswohin gezogen werden «.
154 Die Besetzung des Berggerichts soll allweg mit 12 geschworenen Schöffen erfolgen, nämlich mit 9 oder 10 Rech nern aus den Gruben am Berg und 2 oder 3 von auswärts, die weder Teil noch Gemein am Berg haben, - aber doch hinter gemeiner Stadt Nürnberg stehen, damit diejenigen, welche am Berggericht zu rechten haben, sehen mögen, daß das Gericht nicht allein mit Bergleuten besetzt sei. Das Berggericht soll sein in des Bergrichters Haus und 1, 2 oder 3 Stunden währen. Vierzehn Tage nach dem ersten Gericht soll man gewöhnlich ein Nachgericht halten. Wenn die Richter niedersitzen, soll der Bergmeister oder Richter den Ring verrufen und sprechen, er verpänn’ das Recht bei 60 Pf. Strafe, also daß keiner hinter dem Ring nichts Frevent liches oder Unbescheidenliches reden und seine Notdurft anders nicht denn durch einen Fürsprech mit Zucht und Bescheidenheit Vorbringen solle. Zum Besuch des Berggerichts ist Sicherheit zum Berg gericht zu kommen gewährt. Wenn die Schöffen sich zu einem Urteil nicht einigen können, soll Klage, Antwort und alles notwendige Für- und Einbringen durch den Gerichtsschreiber mit Fleiß aufgezeichnet und dann das Urteil beim Stadtgericht zu Nürnberg gesucht werden. Soweit die Gerichtsordnung. Sodann folgen noch Bestimmungeif allgemeiner Art. Jeder Bergmann, der nicht selbst im Berg arbeitet, soll einen Knecht an seiner Statt in der Grube haben, der im Gelübd tue, wie die Pflicht aufweist. In jeder Grube soll so gearbeitet werden, daß je drei gemeine Werkgesellen sein sollen, deren keiner eine andere Herrschaft hab, noch häuslich oder häblich sitze als hinter gemeiner Stadt Nürnberg. Unter jenen dreien ist einer Rechner und was aus dem Steinbruch gelöst wird, davon muß d6r Rechner in derselben Gruben den 4. Pfennig von allen Käufen gemeiner Stadt zu gut ansagen, geben und zu gebührender Zeit getreulich an die Rechnung bringen. Es darf keiner eine neue Grube anfangen ohne Wissen und Willen der Herrschaft; darüber hat der Bergmeister zu achten.
155 Es ist auch Bergrecht: welcher Knecht einen Anteil an der Grube, worin er arbeitet, oder in einer anderen am Berg kauft und von der Herrschaft verliehen erhält, den darf sein Herr und Meister daran nicht hindern. Auch soll der Knecht nicht schuldig sein, die verdingte Zeit auszuhalten, er wolle es denn selbst gerne tun. Die Gemeiner in einer Grube müssen zumindest haben bei 26 - 30 Steinäxte, 1 Hebeisen, 2 — 3 Schaufeln, 1 Spitzhammer, 3 Rugghauen,1) 1 Anpaß, 2 Blasbälge und was sonst abgeht; zerbrochenes Geräte müssen die 3 Gesellen von ihrem Geld machen lassen. Dieses Werkzeug ist mitsamt dem Teil, so die Gemeiner am Berg haben, eines jeden Erb, sein und seiner Erben nach Bergrecht; es gehört also zu dem Nutzungsanteil. Beim Verkauf des Anteils gehört hiezu auch der 3. Teil aller Geräte. Der Teil an der Grube und die Werkzeuge müssen ein Kauf sein und solcher Kauf muß dem Bergrichter zu wissen gemacht und durch diesen zunächst der Herrschaft angeboten werden, diese hat 14Tage die Wahl, den Kauf selbst zu behalte oder einem anderen zu gönnen, doch keinem dann der nürnbergisch ist. Beim Verkauf erhält der Bergmeister 1 oder 2 Maß Weins. Nach geschehenem Verkauf darf der Bergmann noch 2 Tage aus der Grube ausführen, dann muß er noch dreimal dem Berggericht beiwohnen und warten, ob etwa jemand ihn anzusprechen hätte. Vor Verlaß der Grube muß der Verkäufer seine bisherige Grube ausführen und räumen mit Karren und Wagen; ebenso jener, der seine Grube aufgibt oder sich der Erbschaft daran verzieht. Wer aber dann den Schutt nicht ausführt, soll 50 U oder 10 fl. oder die Pön, welche der Berg meister gebieten würde, zur Strafe zahlen. Ein Sonderverbot ward vom Ratsmitglied Hans Coler hierher erlassen: Keiner dürfe das Geräume (den Abbau) seiner Grube mehr verkaufen ohne des Bergmeisters Wissen und *) »Rugghaue«, Ruck-, Rückhaue, zum Fortrücken, Fortbewegen der Steine und des Abraums, der man sich wie eines Hebels bediente. Wohl die Reut- oder »Raithaue«, wie sie auch zu Ausrodungen gebraucht wild, an deren Stelle zum »Abraum« heute der Pickel oder die Schaufel verwendet wird, eine stärkere Haue. M.
156 Erlaub. Wer es verkaufen wolle, habe den 4. Pfennig vom Erlös zu geben. Der Abbau in der Grube hat von oben her zu geschehen, ein Unterhauen des Felsens ist verboten. Das benötigte Zeug- und Geschirrholz dürfen die Bergleute im zustehenden Berg hauen; dafür hatten sie vor Zeiten nichts zu geben, von jetzt ab ist aber der Verlaub des Amtmanns zu erholen und dem Schreiber 2 Pfennig zum Einschreiben zu geben. Wann die Bergleute auf den Kornberg zur Arbeit und wieder Weggehen, auch zu Kornburg und Wendelstein essen, soll man ihnen und ihren Knechten nicht gebieten. Sie sollen, wenn sie zu und von der Arbeit gehen, sicher sein bis an ihren Gewahrsam und sollen dessen von der Herrschaft versichert werden soviel immer möglich ist. Ordnung der Lehrknecht halb. Im Jahre 1465 hat Hans Coler als von Rats wegen ver ordnet mit Wissen und Willen der Meister auf dem Steinbruch, nämlich Konz Seibold, Fritz Stecken und Fritz Gredner von Groß-Schwarzenlohe, Ottel Kreutzer von Wendelstein, Hans Mair und Konz Dobennek von Raubersried, Hans Kötzler, Konz Feldner und Konz Weiß von Nehern-Schwarzenlohe (Klein-Schw.), Heinz Peringer von Wotzeldorf bestimmt, daß fernerhin jede Grube haben solle einen Lehrknecht, solange es einem Rat fügsam und eben, d.h. genehm, ist. Der Lehrknecht muß für mindestens 1 Jahr aufgenommen werden; voraus erhält er 15 — 20 U und dazu alle Tage 16 ^ Lohn. Nach Umlauf des Jahrs mag er Lohnknecht sein oder einen Lohnknecht am Berg verwesen und zu einem andern kommen. Ein Lehrknecht darf den Meister nicht verwesen. Die 3 Meister einer Grube mögen zusammen einen Lehrknecht aufnehmen und auf ihren gemeinsamen Lohn halten. Ordnung der verkauften Steine. Alle Steine müssen vor dem Verkauf nach Bergordnung ausgemacht, d. h. völlig vom Felsen abgetrennt sein. Ein Wiederverkäufer darf angekaufte Steine über 3 Tag und Nacht nicht stehen lassen. Ist der Käufer ein »Gast« oder Müllner, so soll er die gekauften Steine mit seinem Zeichen merken,
157 damit sie nicht noch einmal verkauft werden; daraufhin können diese bezeichneten Steine wohl liegen bleiben, bis bequeme Abfuhr möglich ist. Wer zerbrochene Mühlsteine am Berg für ganz verkauft, muß dem Rat der Stadt den besten Stein in der Grube oder 14 U alt dafür geben. Hinsichtlich eines Wiederverkaufs wird für die nächsten Jahre Sperre verfügt, da die Stadt in den letzten Jahren durch Steinbruch am Kornberg Geldabbruch erlitten hat. Wenn arme Gesellen Steine am Kornberg stehen haben, welche sie so bald nicht verkaufen können und doch Geld bedürfen, so soll der Meister Macht haben auf einen solchen Stein 60—70 4 zu leihen und diese beliehenen Steine dann kennzeichnen. Beim Verkauf solcher Steine soll der Bergrichter zunächst das dargeliehene Geld einnehmen. Wer dies dem Richter nicht alsbald auszahit, ist mit 60 ^ der Buße verfallen und der Richter hat Macht, ihn deshalb und um das darauf geliehene Geld zu pfänden. Kein gemeiner Teilhaber am Kornberg darf von Mit besitzern Steine kaufen oder bestellen; jeder Kauf muß dem Bergrichter angezeigt werden. Beim Verkauf von Mühlsteinen muß der Käufer eine Zugabe geben, 1 oder 2 Maß Weins, wozu die Bergleute ebensoviel reichen, was sie aber bezahlen müssen von gemeinem Geld und nicht von dem Stadtgeld, d. i. dem 4. Pfennig, das an die Maut gehört. Nach der Ratsverordnung von 1496 dürfen als Zugabe genommen werden von je 1 T( alt nicht mehr als 2 bei Strafe von 2 fl. rh. Ordnung der Rechnungen und Mahlzeiten. Man soll jährlich über den Kornberger Steinbruch vierbis fünfmal Rechnung halten, je nach Benützung und der ein genommenen Geldmenge. Die Herren, denen der Berg vom Rate befohlen ist, sollen die Zeit der Rechnungsabnahme dem Berg richter ansagen und ihm befehlen, alle Rechner zu berufen und das Geld mitzubringen. Die Rechnungsabnahme Soll gewöhnlich an einem Sonntag zu Wendelstein geschehen oder zu Nürnberg,
158 aber gleichwohl den meisten Teil zu Wendelstein. So man ein Mahl dazu geben will, soll der Bergrichter das allen Leuten allweg 4 Tage zuvor ansagen. Es soll auch ein ehrbarer Rat zu Nürnberg als die Herrschaft durch ihre Ratsfreunde und Gesandten, die er dazu verordnet, fürohin allen Bergleuten dreimal im Jahr, um Ostern, Pfingsten und Weihnachten, zu essen und trinken geben, wie es von alters Herkommen und Gewohnheit ist. Das Mahl soll man gemeiniglich bei dem Bergrichter halten. Wenn er aber in seinem Haus nicht Gelegenheit hat, bei einem Nürnberger Wirt zu Wendelstein, und alle Meister aus den Gruben, die von ihnen gedingten Knechte, dann die 3 Schöffen sollen teilnehmen und der Schmied durch den Bergrichter oder Gerichtsknecht dazu nach Herkommen erfordert werden, so daß ungefähr 40 Personen zum Mahle kommen, welches von der Rechnung zu bezahlen ist.. Rechnung und Mahl soll immer zusammen sein an den vorgenannten Terminen. Die vierte Rechnung erfolgt um Dionysii (9. Oktober), hernach folgt kein Mahl. Nach Schluß jeder Rechnungsabnahme gibt man allen zusammen 5 oder 6 Maß Weins, außer wenn einer oder der andere Rechner von den Herren geladen würde, insonderheit mit ihm zu Tisch zu sitzen, was stets nur eine Gunst sein kann. Bei dem Pflichtmahl zu Wendelstein kann die Rechnung vor oder nachher gemacht werden. Die Herren sollen zu Tisch sitzen mit ihren Knechten, Rechnern und dem Bergrichter oder wer dazu gefällig ist. Die übrigen Bergleute sitzen zu acht oder neun an einem Tisch und soll der Herren Tisch mit Essen und Trinken allweg etwas besser zugerichtet sein als die andern. Ehe man das Essen auf den Tisch bringt, soll allen Bergleuten des Zutrinkens und Spielens halb vom Gerichtsschreiber folgende Ordnung vorgelesen werden: 1. Lassen die Herrn als die Gesandten des Kornbergs neben ihrem geordneten Richter bei Pön von 1 fl. gebieten, daß keiner dem andern an der Mahlzeit beim Trunk Bier oder Wein zutrinken oder zuzechen soll; denn wellicher überfuhrt wird, der soll, so oft es beschieht, der Pön unnachlässig verfallen sein.
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2. Zum andern, wo die ßergleut hinfiiro von wegen des Bergs etwas zu handeln haben, soll ihnen das Zutrinken und Spielen auch in allweg verboten sein, davor sich männiglich zu hüten. Wenn man nun Rechnung halten will, ist nach alter Gewohnheit durch die Herren mit Kreide ein großer runder Kreis auf den Tisch und'sechs oder acht Striche oder Teile darin gemacht worden, wofür man jetzt ein besonderes rundes Gefäß mit etlichen Fächern zugerichtet hat. Dies setzt man auf den Tisch und befehlen die Herrn dem Bergrichter, daß er die Rechner mit ihrem Geld hervorzutreten fordern wolle. Darauf soll der Bergrichter den Rechner aus der ersten Grube, die man arbeitet, herfürrufen und auffordern bei seinem Eid, die Wahrheit zu sagen und alles erlöste Geld aufzulegen. Darauf setzt der Rechner das Geld in einer verschlossenen Büchse auf den Tisch, das wird gezählt und in eines der Fächer gelegt mit dem Namen der Grube. Der Bergrichter fordert nun seinen gebührenden ‘ Kaufpfennig, das ist von jedem Stein 1 Pfennig, doch nicht von der Herrschaft Geld. So nun das Geld alles gezählt und dargelegt ist, soll der Gerichtsschreiber Jahr und Tag der Rechnungsablage verzeichnen, nebst Name und Summe. Darauf ruft man den Wirt, wieviel Mahl man gehalten und dafür schuldig sei, sowie für Heu und Futter, dann ist zu berechnen der Fuhrmannslohn, das Küchen geld — gemeiniglich 12 ^ —, mehr was man den Gesellen zu vertrinken gibt, das gewöhnlich fünf oder sechs Maß Weins ist, ferner des Bergrichters Lohn; das macht man in Summe und wird von dem Geld bezahlt, das angefallen ist. Der Rest des Gelds wird darauf verzeichnet und der Zettel in die Losungs stube nach Nürnberg verbracht. Sofern man Rechnung nach Tisch hält, trägt man unter der Rechnung den Gesellen Wein auf} der von den Herrn geschenkt wird. Wenn dann die Herrn wieder wegreisen, mögen der Bergleute Weiber zu ihren Männern kommen, dann gibt ihnen der Wirt Käs und Brot, Wein und was übrig geblieben ist; das alles geht aber die Herrschaft nicht an und was sie über die verehrten fünf oder sechs Maß trinken, müssen sie selbst bezahlen.
160 7 Während des Mahls trägt der Gesellen einer, welcher der Köchin guten Willen beweisen will, einen großen Koch löffel herein und fordert von den Bergleuten darauf Küchengeld; dann gibt jeder Meister, der Teil an einer Grube hat, 1 die Knechte aber geben nichts. Wenn ein neuer Rechner das erste Mal zur Rechnungs ablage kommt, setzen ihn die Gesellen auf einen Sessel und heben ihn mit großem Geschrei in der Stube auf; alsdann gibt ihnen derselbe eine Maß Wein oder zwei zu vertrinken. Über die Arbeitszeit war bestimmt: Von Lichtmeß ab soll die Arbeit im Steinbruch um 7 Uhr nach Wendelsteiner Uhr beginnen und bis 11 Uhr dauern oder bis in Wendelstein geläutet wird, dann wieder dauern von 1 Uhr bis Niedergang der Sonne. Von Ostern bis Michaeli ist Arbeitsbeginn um 5 Uhr, eine Stunde vor Sonnenuntergang ist Schluß. Bei Ver säumnissen sind 10 sty Strafgeld zu erlegen. Wenn die Knechte nicht zur rechten Zeit anfangen, ist es jedesmal dem Berg richter zu melden. Bei Verkäufen darf die Zugabe nicht eher gefordert werden, bis der Kauf endgültig geschlossen ist. Was dabei aus gutem Willen gegeben wird, das sollen die Knechte dann vertrinken, doch nirgend anderswo als in einem Nürnberger Wirtshaus und zwar soviel möglich zu Wendelstein. Auch sollen sie über zwei bis drei Stunden bei solchem Leikauftrinken nicht bleiben, sondern wieder zur Arbeit gehen; außerdem wird kein Taglohn bezahlt. Bei Strafe von 40 ^ muß vor jedem Verkauf der Bergrichter benachrichtigt werden, der dann dabei sein soll, damit nach rechter Ordnung gehandelt werde. Dafür erhält er bei jeder Rechnung noch 3 ^ zu dem schon bezogenen 1 /$, also 4 ^ im ganzen, die ihm bleiben sollen. Von jedem Erlös muß jeder Meister oder Gemeiner dem Rat bezw. dem Rechner den vierten Pfennig abliefern, längstens den Morgen nach Abschluß des Verkaufs, welches Geld der Rechner dann in die versperrte Büchse einlegt. Die Übung, das alte Jahr zu vertrinken, soll als eine unnot dürftige Neuerung abgestellt werden und dem Meister oder Gemeiner allein gestattet sein, wenn er seine Knecht zum neuen Jahr wieder gedingt hat, ihnen an einem Feiertag Käs und Brot nebst zwei bis dreiMaß gemeinenWeins zu bezahlen und nicht mehr bei Pön von Jfl.
161 Damit gute Steine, insbesondere gute Mühlsteine, gebrochen werden, soll ein jeder Bergrichter und die drei Gerichtsschöffen, dazu die sechs Meister aus den sechs Gruben schuldig sein, die Beschau, so oft nötig oder sie vom Richter dazu erfordert werden, sämtlich oder zu mehreren vorzunehmen, auch alle fertigen Mühlsteine, niemand zu Lieb und zu Schad, zu besich tigen und zu probieren. Die, welche für gerecht und gut erkannt werden, sollen als ein tüchtiges Kaufmannsgut mit einem sicht lichen Nürnberger Schild bezeichnet werden, woneben jeder Meister das Zeichen seiner Grube hauen läßt. Was weich Mühlwerk ist, soll unbezeichnet bleiben. Während der Prüfung hat jeweils der betreffende Meister auszutreten. Ungeprüfte oder unbezeichnete Steine nach Nürnberg zu verkaufen, ist verboten bei Verlust des Steins und 2 fl. Strafe. Unverboten aber ist es, solche Steine auswärtigen Müllern zu verkaufen, worüber diese sich mit den Meistern zu vergleichen haben. Als Beschaugeld sind 8 ^ von jedem Stein zu entrichten, welche Käufer und Verkäufer je halb zahlen sollen; darüber muß bei jeder Rechnung Vortrag geschehen. Von der Summe des Beschaugeldes erhält der Richter den dritten Teil; der Rest kommt unter die übrigen Beschauer in gleichen Teilen. Der Bergrichter muß das ganze Jahr hindurch jede Woche zwei- bis dreimal selbst an den Berg gehen’ in allen Gruben nachsehen, die Steine prüfen sowie die Güte der Bearbeitung, die Strafgelder mit Fleiß aufschreiben usw. Das ist der wesentliche Inhalt der Neuordnung vom Jahre 1546, welche nach gründlicher Prüfung allen Bergleuten durch den Losungsschreiber Erasmus Schürstab nach gehaltener Rech nung zu Wendelstein am 21. Februar vorgelesen und genauest zu befolgen vorgehalten worden ist. Ein Zusatz von 1594 bestimmte, daß alle Mittwoch die Bauschau stattfinden und alle Steine von jedem Meister nebst dem Erlös aus Verkäufen verzeichnet werden sollen. Schon vorher, im Jahre 1591, war eine Ermahnung seitens des Rats zu Nürnberg an die Bergarbeiter ergangen zu Fleiß und Arbeit samkeit, wie auch zur Unterlassung des Fluchens und Streitens, auch an die Bergmeister zu gewissenhafter Besichtigung und Abmessung der gebrochenen Steine.
162 Ein Ratsverlaß vom 14. August 1702 bestimmt sodann: »Auf des Baumeisters mündlich Vorbringen, daß nach Absterben des Bergrichters zu Wendelstein diese Stelle mit keinem von den Schöffen, wie die Ordnung erfordert, besetzt werden könne, indem sie kranke und sonst unvermögliche Leute wären, daher das Ratsamste, dem Spitalrichter allda auch das Bergrichteramt und zwar solchergestalten anzuvertrauen, daß die jährlichen vier Mahlzeiten künftig abgestellt, die hierauf sonst verwendeten Unkosten neben dem anderen dem Bergrichter sonst zukommenden Gefällen halbiert, die eine Hälfte dem Bergrichter, die andere aber den drei Bergschöffen, als welche dem Vernehmen nach diesen Vorschlag angenommen hätten, zugewendet würde, ist für genehm gehalten und diesem nachzugehen befohlen worden«. Wenige Tage hernach, am 23. August, wurde die Berg rechnung in der Peunt abgehalten und zum neuen Bergrichter vermögRatsverlasses erwählt Johann Michael Herolt, nürnbergischer spitalischer Stabrichter zu Wendelstein. Es wurde dabei ein Vertrag zwischen diesem und den Schöffen des Berggerichts über die Verteilung der Leikaufbatzen vereinbart, wobei es anscheinend die nächste Zeit verblieb. Gleichzeitig wurde auch wieder mit dem Schmied zu Kornburg Abrede dahin erneuert, daß er um der Äcker willen, welche er innehabe, den Bergleuten ihre Geräte, Äxte und anderes Werkzeug stets ausbessere, doch nur um ihr Geld, also gegen Bezahlung. Ein Vertrag hierüber war bereits im Jahre 1470 abgeschlossen und ein Tarif festgestellt worden, doch gab es in der Folgezeit mehrfach Streitigkeiten. Über den Betrieb in den genannten neun Gruben ist aus den Bauamtsrechnungen einiges zu entnehmen. Trotzdem die Nachfrage nach Steinen vom Kornberg ziemlich andauernd eine rege war, wurden doch nicht alle Gruben immer aus gebeutet. So waren 1523 nur fünf, 1630 sieben Gruben im Betrieb. Bisweilen verhinderten auch Elementarereignisse den Abbau, so ließ 1723/24 die Stadt wegen Wasserstauung in den Gruben einen Abzugskanal anlegen, wofür Arbeitslöhne in der Höhe von 1014 fl. I2V2 kr. bezahlt wurden. Weiterhin wird berichtet, daß die Grube Vorderes Wernloch seit 1737 wieder mit Wasser angelaufen war und volle 23 Jahre unbenutzbar blieb. Um 1760
163 behinderte ein Wassereinbruch in der Sonnengrube die Arbeit auf mehrere Monate, wodurch anscheinend die Bergleute Schmälerung ihres Verdienstes erlitten, denn es wurden auf Ansuchen dem Gemeiner Joh. Pröschel für die Jahre 1762—1765 Freijahre gewährt, d. h. es war kein 4. Pfennig an die Stadt zu entrichten; dafür aber mußte diese Grube sowie das Vordere Wernloch wieder gangbar gemacht werden durch Wasser ableitung. Bald darauf, im Jahre 1789, wurde die Sonnengrube wegen Erschöpfung verlassen und dafür der unfern gelegene Fischleinsberg, eine Abzweigung des Kornberges, dem Stein brechmeister Paul Pröschel, wohl einem Sohn des vorgenannten Johann, überwiesen mit der Erlaubnis, das auf dem neu ab gemessenen Bezirk der Fischleinsgrube stehende Gehölz nach den Bergordnungen in demselben Maße, wie es anderen Gruben meistern zukomme, zu nutzen und zu gebrauchen, jedoch unter der Bedingung, daß Pröschel sich fernerhin allein an den Fischleinsberg halten und jedes weiteren Steinbrechens in der alten Grube künftig entraten müsse. Aus diesen Gruben wurde nun sowohl an die Stadt als auch nach auswärts verkauft und zwar war der Umsatz ein ziemlich bedeutender. Nach dem Rechenbuch von 1594—1599 wurden aus der Grube im Wasserloch im Jahre 1594 Steine in 18 Wochen verkauft um 205 fl. 5 ß 24 ^, im Jahre 1597 in 29 Wochen um 299 fl. und 1598 in 13 Wochen um 74 fl. Die anderen Gruben zeigen ähnliche Verhältnisse. Aus einer Relation des Baumeisters Wolf Jakob Stromer . über die Brüche erfahren wir, daß im Sommer 1595 im ganzen 10800 Stücke gebrochen und zum Transport in Winterszeit bereit gelegt wurden. Die Abfuhr geschah durch Frondienst leistungen auf Untertanspflicht beruhend. Bei der Bevölkerung bestand jedoch zu diesen Scharwerken keine besondere Geneigt heit, es mochten insbesondere die Wege durch die schweren Fuhrwerke in schlechtem Zustande sein, namentlich zu nasser Jahreszeit, auch wurden naturgemäß die Lasttiere stark ange griffen, kurz, der Bericht klagt, daß die Wirte und Kutscher der Stadt sowohl als auch die Bauernschaft auf dem Lande sich ungehorsam verhielten. Es wurde daraufhin bei Strafe von 2 fl. dem »unbändigen Gesind« strenge Befolgung ihrer ix
164 Untertanenpflicht anbefohlen und eine Verkündung von der Kanzel erlassen. Im Rat wurde dann beschlossen, daß zur Abfuhr der Steine nach der Stadt jeder Bauer vier Frohnden verrichten solle und die ungehorsamen Knechte bestraft werden müßten. Zu Ende des 16. Jahrhunderts war eine rege Bautätig keit in Nürnberg und Material auch schon in Menge vorhanden, indem nämlich von den im Frühjahr 1595 durch Wasserflut eingebrochenen drei Pegnitzbrücken noch 12000 Stück Hausteine vorhanden waren. In diesem Jahr 1595 wurden laut den Amtsrechnungen verbaut: 1. zu einem neuen Pfeiler am Schleierturm1) 1379 Stück 2. » > » * » Henkerssteg . . 1350 » 3. beim Dannergärtlein2)...................................... 448 * 4. zu einer umgelegten Seitenmauer vor dem Hallertürlein...................................................... 288 * 5. zu einer langen Seitenmauer gegen die Hallerwiese hinab........................................... 1530 » 6. zu einer Zwergmauer beim Einfluß der großen Pegnitz beim Hübnershof3)................................2154 * 7. zu einer Mauer bei derBayermühle ... 120 * 8. in die Waschhäuser........................................... 36 » in Sujmme 7305 Stück. In der Relation heißt es weiter: Folgen die Brücken und Steg, deren zehn sind, welche schadhaft und wieder gebessert wurden, in der Stadt und auf dem Land, und was zu jedem verbraucht worden ist: 1. zu den 2 Spittelbrücken, dieselben zu erhöhen 349 Stück 2. zu den Brücken beim Wildbad..................... 28Ö » 3. zu dem Pfannensteg zum Stirnpfeiler . . 278 » 4. zum Steg bei der Weidenmühle .... 189 » 5. zur Brücke zum Thoß (Doos), welche man 10 Schuh unter dem Wasser herauf neu erbaut hat ............................................................ 248 » *) Turm am Ausfluß 3) Ohne Zweifel das später unter Hinüberziehung S. Mitteil. II., S. 67, Anm. 8) am Hübnersplatz.
der Pegnitz. S. Städtechron., S. 371, Anm. 1. St. Annengärtchen auf der hinteren Insel Schütt, des t von St. zu Annen — Tannengärtchen genannt. 2.
165 6. 7. 8. 9. 10.
zur Brücke in Reichelsdorf............................. 284 Stück zum Brücklein zwischen Poppenreuth und Doos 110 > zur Brücke am Altenberg.................................. 1080. » zur Brücke zum Stein........................................ 161 > zum Flicken und Auswechseln der Schoß gattern bei den Ein- und Ausflüssen, bei den Basteien und Brückenpfeilern usw. . . .. 450 > in Summe 3329Stück. Zum Bau der Fleischbrücke im gleichen Jahre 1595 fanden Verwendung aus den Steinbrüchen am Kornberg: 1100 Halbstück zu den Widerlagern auf beiden Seiten, macht . ............................................. 2200 fl. 2000 kleinere Halbstück, macht ........ 1000 » 2000 große Pfeilerstück zu 3 « 15 macht . . 833 > 1200 Parpands zu 2 E’ 34......................................... 300 » 1600 Halbstück zu 112 fl.,macht.............................. 800 * 200 Parpands zu l/i fl................................................. 50 » 200 Quader zu 48 ^........................... 38 » Summe des Erlöses 5211 fl. Ferner wurden im gleichen Jahr an der Mauer vor dem Frauentor, die sich 545 Schuh lang geschoben hatte, 20592 Stück Steine vom Kornberg verbaut. Nach einer Zählung vom gleichen Jahre lagen zur Verwendung noch weiter bereit 13416 Stück. Man ersieht, daß die Steinbrüche am Kornberg sehr ergiebig waren und die Stadt, welche von den verkauften Steinen den vierten Pfennig bezog, wohl ein finanzielles Interesse hatte, diese reichen Steinlager in ihr Eigentum zu bringen. Und anscheinend hätte man auch für noch größere Mengen gebrochener Steine Absatz gefunden, denn es wird in jener Zeit über den Unfleiß der Steinbrecher und hiedurch bedingte geringe Steinmenge Klage geführt. Ein Ratsverlaß vom 2. Mai 1593 besagt: Auf mündlich Vorbringen, daß die Steinbrecher sehr unfleißig und auf die Voglherd laufen und dadurch die Bürgerschaft Mangel an Steinen hab, ist befohlen, dieselbe auf ihre Ordnung zu weisen und zu mehrerem Fleiß zu ermahnen, und daß man, welcher auf einen Vogelherd gehe, abschaffen, d. h. entlassen, wolle. 11*
166 Das Absatzgebiet für die Kornberger Steine war ein ziemlich weites. Nach Ausweis der Rechnungen des Jahres 1598 wurden in diesem Jahr Bausteine geliefert nach Crailsheim, Eichstätt, Ingolstadt, Leinburg, Plankstetten, Pleinfeld, Neumarkt, Öttingen, Seligenpforten und Weißenburg. Daneben war noch umfangreich der Absatz an Pflastersteinen, welche vielfach aus Abfallsteinen der Brüche gewonnen wurden. Aus dem Jahre 1597 ist ein Verzeichnis der Bruch- und Fuhrlöhne des Steinwerks erhalten. Der Bruch- und Fuhrlohn nach Nürnberg betrug hienach für 1 Haustück 6 Schuh lang 2 Ci 5 1 Halbstück 1 u 5 1 Großpfeiler 1 u 2 1 Kleinpfeiler 7 1 Parpand *) 4 1 Quader 3 1 »Schuigs« 2 Noch im Jahre 1611 galten gleiche Preise, 1763 aber gab es nach der oberherrlich regulierten Taxe schon höhere. So kostete eine Pfeilersäule, 6 Schuh lang, 6 bis 6 fl. 30 kr., ein Quader 2 bis 2 fl. 20 kr., ein doppelter Grabstein, 6 Schuh lang, 3 Fuß breit und 27 Zoll hoch, 24 bis 28 fl. Im Jahre 1614 wurden zum Bau des Wöhrdertores Steine im Kornberg gebrochen und 1887 große Blöcke geliefert, wo für allein 394 fl. Fuhrlohn entrichtet wurde. Ebendahin wurden im folgenden Jahre 1615 3919 Stücke transportiert, wofür der Fuhrlohn 1444 fl. 4 ^ ausmachte. Für Mühlsteine, wozu besonders hartes Korn gebraucht wurde, waren die hintere Wernloch- und die Neue Grube am gesuchtesten. Der Ruf von Steinen aus diesen Brüchen war weitverbreitet, doch wurde bisweilen der Versuch gemacht, auch Mühlsteine aus anderen Gruben für Arbeit aus jenen auszugeben. Deshalb erging im Jahre 1633 der Ratsverlaß, *) Die hier und auf der folgenden Seite vorkommenden technischen Ausdrücke Parpand, Parpet und Pander sind in den Wörterbüchern und Idiotiken nicht aufgeführt und zurzeit sprachlich nicht hinreichend zu erklären. Nach Mitteilung eines Sachverständigen versteht man unter dem heute gebräuch lichen »Barbert«, das aus dem alten >Parpet« verderbt ist, einen Stein i m lang, 6o bis 70 cm breit und 45 bis 50 cm hoch, unter »Panter« einen solchen von 1 m Länge, über 70 cm Breite und 45 bis 50 cm Höhe. »Parpand« kommt heute nicht mehr vor. Vielleicht ist es die ältere Form von »Parpet«. Vergl. übrigens das englische Perpend (Muret-Sanders S. 1582) = Durch-, Vollbinder und das französische Parpaing (Sachs-Vilatte S, 1117), das außer dem auch die Bedeutung von Streck- und Tragestein hat. Vergl. auch Mothes, Archäol. Wörterbuch S. 730. Der »Schuigs« genannte Stein erklärt sich wohl selbst; M.
167 der Baumeister solle im Steinbruch ernstlich Verordnung tun, daß ohne seinen Befehl und vorher eingesandten Bericht kein Mühlstein verabfolgt werde. Diese Felsen aus den genannten Gruben waren so hart, daß in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus solchen, welche die Steinbrecher zu Mühl- und Schleifsteinen bestimmt, aber beim Arbeiten zerbrochen hatten, durch Zerkleinern Büchsen- und Flintensteine gewonnen wurden. Weil aber davon beim Verkauf kein vierter Pfennig in den Stadtsäckel gegeben wurde, so tat die Stadt dieser Verarbeitung Einhalt. Die Einnahmen der Stadt aus dem vierten Pfennig waren nicht gering, aber schwankend. So wurden im Jahre 1540 erlöst 525 fl. > » 620 1610 » » 1682 33 kr. » 911 » * 1764 433 48^ » » * 1768 642 3 > » » > 1784 . 1172 » 45 » » . 1039 > 45 » 1787 » » » 914 » 18* » 1791 die Preise der Steine gibt erst eine vom Jahre erhaltene Tabelle Aufschluß. Von festen, harten Mühlsteinen mit 4 Schuh Länge (d. i. wohl Durchmesser) und 3 Zoll Höhe kostet der Zoll 40 kr., von nur 3 Schuh langen Haustücken 36 kr., von gewöhnlichen weiten zu 31/2 Schuh 30 kr. Mit 30 kr. wird auch der Zoll von unganzen und weichen Steinen bezahlt, aber der Stein nur zu zwei Drittel berechnet, so daß das letzte Drittel als Darein gabe galt. Von Grabsteinen, wenn solche 6 Schuh lang, 3 Schul* breit und 26—28 Zoll dick sind, kostet der Zoll 1 fl. Ein Wasser trog, 4 Schuh lang und 3 Schuh breit, kostet 20 fl., ein Parpet 3 fl., ein Pander 4 fl. 30 kr., ein Quader 2 fl., ein Rinnstein, 12—13 Zoll breit und 10 Zoll dick, kostet pro Schuh 24 kr., eine gemeine Schale, 2 Schuh lang und 2 V2 breit, kostet 36 kr., eine Doppelschale, 4 Schuh lang und 2 breit, 1 fl. 12 kr., ein quadriges Böcklein von 7V2 Schuh Länge 1 fl. 15 kr., eine Stürze (wohl Türblock) 6 fl.
168 Endlich findet sich der Preis verzeichnet für 1000 harte Pflastersteine mit 10 fl., doppelte mit 20 fl. Daß die Preise hiefür so niedrig angesetzt, ist dadurch zu erklären, daß es eben nur Bruchmaterial war. Aufträge für solche Pflastersteine ergingen bisweilen in großem Umfang; so erhielten 1804 die Steinbrechmeister im Kornberg den Auftrag, für das folgende Jahr 16—18000 Steine zu liefern. Wegen der Kriegsdrangsale jener Zeit kamen die Meister um Lohnerhöhung ein. In der Bergordnung von 1546 ist, wie bemerkt, bestimmt worden, daß die Bergleute das nötige Zeug- und Geschirrholz, dessen sie bedürfen, im Walde hauen können. Da der Baum^ wuchs auf dem Kornberg selbst nicht bedeutend war, holten die Berechtigten ihr nötiges Bauholz für die Werkhütten und anderes im Waldbezirk am Fuß des Berges. Dorthin aber reichte der Reichswald von St. Lorenz und deshalb gab es, wie leicht erklärlich ist, häufig Streit mit dem Waldamt. Das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch berichten die Akten von Irrungen. Endlich kam 1754 ein Vergleich zu stände unter Mitwirkung einer Ratsdeputation, wozu Jobst Wilhelm Ebner abgeordnet worden war. Hienach stand man zwar von einer Abmarkung des Kornberges ab und fand es »für besser, es bei der natür lichen Situation des Berges zu belassen, der sich nach seiner Lage und Beschaffenheit von selbst abmarket«, dahin aber verglich man sich, daß alles Holz rechts vom Nürnberger Weg den Erbleuten der Gruben ohne Entgeld überlassen sein sollte. Schwierigkeiten wegen Beschaffung des Werkholzes gab es aber auch noch im Beginn des 19. Jahrhunderts. Gar manche Streitigkeiten erwuchsen zwischen den Gruben eigentümern und den Bergrichtern auch wegen des Ausschlusses nicht entsprechender Steine von der Bemarkung. Es mußten ja, wie ohen bemerkt, die geprüften und erprobten Steine mit einem sichtbaren Nürnberger Schild, d. i. dem Stadtwappen und dem jeweiligen Grubenzeichen, versehen werden, bevor sie dem Verkauf unterstellt werden durften. Bei der Prüfung wurden auch gute, aber im Ausmaß den Vorschriften nicht entsprechende Steine von der Bemarkung zurückgewiesen. Da erhob sich oftmals lebhafter Einspruch und zuletzt wurde verlangt, es sollten solche Steine einen Nachlaß um 1, 2, höchstens 3 Zoll erhalten, eine
169 Preisminderung vermerkt, darnach die Steine aber doch mit dem Zeichen versehen und in das Bergmanual eingetragen werden. Dieses Begehren begründeten die Bergleute auch damit, daß die Konkurrenz anderer Gruben ihnen viel Schaden bringe. Hierauf wurde entgegnet, daß viele fremde Steinbrüche wegen ihrer schlechten Beschaffenheit ihrem Ende zueilten, wovon der eichstättische bei Spalt ein Beispiel sei, wohingegen der Korn berger Steinbruch in qualitate et quantitate noch immer seinen Vorzug behaupte, aber auch seine Steine geschützt werden müßten dadurch, daß man strenge Auswahl treffe, nur wirklich gute Ware zulasse und vorgeschriebenes Ausmaß sichere. Da raufhin ward auch das Begehren der Steinbrecher abgewiesen. Dieses Verfahren sicherte auch den Ruf der Kornberger Steine. Der Kornberg wird südlich abgeschnitten durch das Tal der Schwarzach. Diese bildete zugleich die Grenze zwischen dem nördlich gelegenen Gebiet der Reichsstadt Nürnberg und dem südlich gelegenen fürstl. ansbachischen Oberamte Roth. Bekanntlich war das nachbarliche Verhältnis dieser beiden Gebiete nicht stets das allerbeste; gab es auch nicht immer Krieg mit Plünderung oder Streifen gartender Knechte, so bestanden doch zeitweise Handelssperren im freundnachbarlichen Verhältnis, welche dann auch auf die Ausfuhr von Steinen hindernd ein wirkten. So erteilte ein Nürnberger Ratsverlaß vom 27. August 1774 den sämtlichen Kornberger Steinbrechern bei schwerer Strafe den Auftrag, zu einem (nicht weiter genannten) brandenburgischen Straßenbau nicht das mindeste an Steinen verkäuflich abzugeben. Brandenburg-Ansbach hatte nämlich damals gegen Kurbayern und Pfalz-Neüburg eine Repressalienlandsperre verfügt und diese wurde auch gegen Nürnberger Gebiet — obwohl unberechtigt — gehandhabt, insoferne als nämlich jede Einfuhr von Kornberger Mühlsteinen verboten wurde. Dabei war diese brandenburgische Landsperre selbst wieder nur eine Gegenmaßregel gegen eine kurbayrische übermäßige Maut- und Accisverhängung. Irrungen mit dem Ansbacher Gebiet gab es auch wegen der Pfarrzugehörigkeit des Kornbergs, insofern als der Pfarrer von Wendelstein, welches, soweit es auf dem linken Ufer der Schwarzach lag, seit dem Jahre 1583 ansbachisch war und zum
170 Dekanat Schwabach gehörte, sich Pfarrechte bezw. Amtshand lungen bei Niederlassungen von Steinhauerknechten bei der Höllsteingrube am Kornberg anmaßte. Auf das hin richtete der Pfarrer von Kornburg Joh. Ernst Burger unterm 8. Dezember 1786 an den Nürnberger Rat die Bitte, die Ansiedler am Kornberg anzuweisen, die sacra nirgends anders als in seiner Kirche, der allein berechtigten Pfarrei zu holen und dem Pfarrer von Wendelstein Amtshandlungen dort zu verbieten. Der Rat beschloß dem Ansuchen gemäß. Der Betrieb der Steinbrüche am Kornberg blieb ziemlich unverändert bis zum Ende der Selbständigkeit der Reichsstadt. Versuche, die Ertragnisfähigkeit zu erhöhen durch Verminde rung der Verwaltungskosten, insbesondere durch Einziehung der Posten des Bergmeisters und Steinaichers und Ersetzung durch die Förster des Waldamtes wurden zwar mehrmals im 18. Jahr hundert gemacht, aber nicht in die Tat umgesetzt, wohl weil man daraus Irrungen befürchtete. Vor der kaiserlichen Subdelegation, welche in Ausführung von Art. 17 der Rheinbundakte im Sommer 1806 die Einver leibung des Gebiets der Stadt Nürnberg in das Königreich Bayern durchzuführen hatte, fand freilich auch die Bergpflege keine Gnade. Sie wurde aufgehoben und der Kornberger Stein bruch der Kgl. Rentkammer in Nürnberg überwiesen und dem Bauamt zur Aufsicht übergeben, damit von ersterer das Finanzielle, von letzterer das Artistische respiziert werde. Die Knechte und Lehrjungen wurden weiterhin von der Rentkammer ver pflichtet, aber nicht mehr alljährlich, weil dadurch Kosten erspart wurden. Diese Verhältnisse sind nun im ganzen bis zur Jetztzeit unverändert geblieben. Noch heute sind wenigstens die drei Hauptgruben, wovon die eine etwa den dreifachen Umfang des Nürnberger Hauptmarktes mißt, in staatlichem Besitz und wird vom Pächter als sog. Steinbruchquart ein Zins gezahlt, welcher 25 vom Hundert des Bruttoerlöses darstellt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ging man daran die Abgabe zu, fixieren, aber nur in ihren Grundlagen, d. h. es wurden für die einzelnen Steinsortimente feste Preise, also unabhängig von dem wirklichen
171 Verkaufserlöse, festgesetzt. Nach diesem Tarif wurde alljährlich auf Grund Feststellung der verkauften Steine der Rohertrag berechnet und hieraus die Quart bestimmt. Diese war also trotzdem eine wechselnde Größe geblieben, da nur die Preise für die einzelnen Gesteinsarten festgelegt waren, während für den Umfang der Steinausbeute der wirkliche Anfall maßgebend war. Der erste Preistarif wurde im Jahre 1853 aufgestellt und im Jahre 1909 einer Revision unterzogen. Unterm 14. November 1916 kam dann beim Kgl. Notariate Schwabach ein Vergleich zwischen dem Kgl. Staatsforstärar und den Berechtigten zustande, in welchem das Rechtsverhältnis in ein den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und insbesondere dem neueren Liegenschaftsrechte angepaßtes Ge wand gekleidet, dabei aber auch der Inhalt nach Tunlichkeit den Bedürfnissen des neuzeitlichen Verkehrslebens entsprechend gestaltet wurde. Bezüglich der Steinbruchquart wurde daran festgehalten, daß sie an sich 25 vom Hundert der Brutto ausbeute darstellt, daß jedoch für die Art der Berechnung ^-derselben der Tarif vom Jahre 1909 maßgebend ist, vorbehaltlich des Rechtes der Staatsbehörden, denselben jederzeit unter Wahrung der Höchstgrenze (25 v. H. der Rohausbeute) ab zuändern oder neu zu gestalten. Die Beibehaltung dieser Besteuerung mit nur geringen Abänderungen durch Jahrhunderte bis zur Gegenwart zeigt, daß sie dem Wesen des Steuergegenstandes gut angepaßt war. Allzu bedeutend ist dieses Steuererträgnis freilich nicht, vor allem weil die Verwendung des Steines aus dem Kornberg eine geringere geworden ist, indem zu Hochbauten jetzt zumeist ein minder fester, schwerer und teurer Stein bevorzugt wird. Da aber, wo dauerhafter Stein benötigt wird, wo man Kunstbauten herstellt, welche vielen Geschlechtern dienen sollen, oder Aus besserungen an ehrwürdigen Gebäuden vorgenommen werden, wählt man auch heutzutage den kräftigen Kornberger Stein. In diesem wurden alle Erneuerungsarbeiten an der Sebaldusund Lorenzkirche ausgeführt und wie gut sich der neue Stein dem alten anfügt und in wenigen Jahren unter dem Einflüsse der Witterung anpaßt, zeigt uns ein Blick auf diese beiden erhabenen Denkmale deutscher Baukunst.
172
Anhang.
*) Die Reihe der Bergherrn ist ziemlich erhalten und mag hier zum Schluß eine Stelle finden. 1465 Hans Koller [Koler], Baumeister (B.), 1474 Mertha [Martin] Pehaim, Gabriel Nützel, Endres Tücher und Steffan Koller (B.), 1491 Niclaß Groß der jünger, 1492 » * * älter, 1500 Anthoni Tetzel, 1515 Hans Volckamer und Kaspar Baumgartner (B.), * * > Hans Haller (B ), 1523 > » Paulus Grundherr und Hans Haller (B.), I529 1533 Hans Haller (B.) und Mathes Löffelholz, 1536 Wilhelm Schlüsselfelder (B.) und Mathes Löffelholz, 1539 Mathes Löffelholz und Barnabas Potner (B.), 1545 Wilhelm Schlüsselfelder und Joachim Tetzel (B.), 1550 Joachim Tetzel (B.) und Barnabas Börner, » » und Jheronimus Schürstab, 1552 * * » Jakob Fütterer, I564 > » » Julius Geuder und Tobias Tücher (B.), 1575 1576 Julius Geuder und T. Tücher (B), I5g4 Tobias Tücher und Jheronimus Holzschuher (B.), 1590 Hieronimus Holzschuher, Christoph Tücher und WolfgangJakobStromer(B.), 1598 Jobst Friedrich Tetzel und Wolf Jak. Stromer (B.), 1603 Wolf Jakob Stromer (B.) und Hans Nützel, * » » und Paulus Böheim, 1604 » * » » Georg Volckamer, 1605 16. . » » » * Wolf Löffelholz, » » * * Linhard Grundherr, 1613 1614 Linhard Grundherr und Eustachius Karl Holzschuher (B.), » » » > 1617 Christoph Böheim 1624 Wilhelm Imhoff * » » » 1630 Georg Christoph Volckamer und Eustachius Karl Holzschuher, 1633 Jakob Welser und Eustachius Karl Holzschuher (B.), > » » Ulrich Grundherr, Bauherr und Baumeisterverwesei, 1639 «643 » » » Georg Abraham Bömer, Bauherr, 1645 Hans Wolf Kreß und Georg Abraham Bömer, 1650 Georg Albrecht Bömer und Christoph Derrer, 1653 Burkhard Löffelholz und Leonhard Grundherr, » » (B.) und Paulus Harstorffer, 1655 1655 Friedrich Volckamer (B.) und Paulus Harstorffer, 1658 > » und Wilibald Schlüsselfelder, » * * Johann Sigmund Haller, «659 1664 » » » Andreas Georg Baumgartner, 1667 » » » Jobst Wilhelm Ebner, 1671 * » * Gabriel Nützel, » » » Ulrich Grundherr, 1677 1678 > » . ♦ Jobst Christoph Kreß. 1682 Friedrich Volckamer (B.) und Wilhelm Imhoff, 1682. Wilhelm Imhoff und Gottlieb Volckamer (B.), 1687 Gustav Philipp Tetzel und Gottlieb Volckamer (B.), 1690 Johann Adam Geuder ». > * » 1692 Karl Gottlieb Fürer » » » »
173 1694
Wolf Friedrich Böhmer und Gottlieb Volckamer (B.),
1695 Joh. Karl Schlüsselfelder > • » > » 1697 Veit Engelhart Holzschuher » » * » 1697 Karl Sigmund Grundherr » » » * 1706 Jobst Wilhelm Ebner » » > » 1707 Christoph Andreas Harsdorfer und » > > 1708 Christoph Fürer und Gottlieb Volckamer (B.), 1709 Paulus Tücher und Christoph Gottlieb Volckamer (B.), 1710 Friedrich Wilh. Ebner und Christoph Gottlieb Volckamer, 1710 Johann Carl Löffel holz > » > > 1711 Georg Christoph Kreß » * * > 1714 Joh Christoph v. Imhoff und » » » 1719 Veit Hieronym. Holzschuherund Christoph Gottlieb Volckamer, 1720 Leonhard Grundherr » » > » 1725 Joh. Christoph Tetzel > * » » 1728 Christoph Gottlieb Nützel » > » » 1729 Hieronym. Wilh. Ebner » » » > 1729 Ulrich Sebastian Fürer * » » » 1734 Sigmund Friedr. Beheim » » * » 1736 » » » » Christoph Karl Weiser (B.), 1737 Joh. Karl Ebner und Christoph Karl Welser (B.), 1747 Georg Christoph Volckamer und Christoph Karl Welser (B.), 1753 Sigmund Christoph Harsdörfer und Christoph Karl Welser (B,), 1756 » » * (Bergpfleger) und Chr. Atid. Imhoff (B. 1758 Johann Karl Grundherr und Chr. And. Imhoff (B.), 1760 Carl Friedr. Böheim (Bergpfleger) und Chr. And. Imhoff (B.), 1763 Karl Friedr. Böheim ^Bergpfleger) und Christoph Karl Josef Volckamer (B.), 1764 Georg Christ. Gottlieb Imhoff (Bergpfleger) und Christoph Karl Volckamer, 1766 Christoph Karl Kreß (Bergpfleger) und Christoph Karl Volckamer, 1767 Christoph Jakob Böhmer (Bergpfleger) und Christoph Karl Volckamer, 1774 Paul Karl Welser (Bergpfleger) » » » » 1776 Joh. Sigmund Haller (Bergpfleger) > » » » 1777 Die Letztgenannten und Christ. Karl Grundherr (B.), 1782/3 Jobst Christoph Harsdorf (Bergpfleger), Christoph Karl Joseph Volckamer und Christoph Karl Grundherr (B.), 1786 Christ. Fried. Wilh. Beheim (Bergpfleger) und Chr. K. Grundherr (B.), 1788 Christ. Karl Sigm. Holzschuher > > » » » 1790 Carl Wilhelm Ebner » » * » » 1792 Christoph Joachim Haller » » » * » 1793 Christoph Karl Fürer » » * » » 1795 Sigmund Friedr. Fürer » » » » » 1796 > » » » * Karl Wilhelm Welser (B.),
Neveu und der Raub Nürnberger Kunst- und Büehersehätze im Jahre 1801. Von
Otto Glauning. In der Geschichte der Bibliotheken und Kunstsammlungen spielt eine große Rolle die Verschiebung des Besitzes. In Friedenszeiten kommt sie zustande durch Kauf, Erbschaft, Schenkung, in Kriegszeiten durch Zwangsmaßregeln und Raub. Die letzte Periode solcher Verschiebungen, die hinter uns liegt, war die Zeit der französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege1).II Wie für andere Länder, z. B. Italien, war sie vor allem verlustreich für das von französischen Heeren durchzogene Deutschland. Die gegenwärtigen Kriegsläufte, in denen unser Vaterland vor den Schrecken und Verlusten durch feindliche Besetzung glücklicherweise fast ganz bewahrt geblieben ist, regen dazu an, sich an die schlimmen Zeiten vor 100 Jahren zurückzuerinnern und festzustellen, wie es zu solch großen und schwer zu verschmerzenden Verlusten wissenschaftlicher und künstlerischer Werte gekommen ist. Einen Überblick mehr allgemeiner Art über den Umfang der damals von den Franzosen in deutschen Landen verübten Räubereien hat vor kurzem Degering2), zum Teil an der Hand neuer Quellen, geboten. Da er dabei jedoch Bayern nur ganz kurz streift3), möchte ich an dieser Stelle als Ergänzung des Degeringschen Aufsatzes und als Baustein für eine zusammenfassende Darstellung dieser 1) Vgl. Vorlesungen und Abhandlungen von Ludwig Traube, herausgegeben von Franz Boll. I. Band. Zur Palaeographie und Handschriftenkunde, heraus gegeben von Paul Lehmann 1909, S. 120 ff., und Palaeographische Forschungen von Ludwig Traube. 3. Teil. Jean Baptiste Maug6rard. Ein Beitrag zur Bibliothekgeschichte von Ludwig Traube und Rudolf Ehwald. 1904 (Aus den Abhandlungen der K. Bayer. Akademie der Wiss. III. Kl. XXIII. Bd. II. Abt.). *) Hermann Degering, Französischer Kunstraub in Deutschland 1794— 1807 in der Internationalen Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik. II (1916), Sp. 1 ff. •) Degering, a. a. O., Sp. 47.
175 ganzen Frage über einen Einzelfall berichten, über Erlebnisse der Stadt Nürnberg im Jahre 1801. Ich darf dies wohl mit etwas größerer Ausführlichkeit tun, weil ich damit zugleich einen nicht unwillkommenen Beitrag zur Kenntnis der wenig behandelten reichsstädtischen diplomatischen Kleinkunst jener Tage liefern zu können hoffe, von der man, wie mir scheinen will, auch sagen darf, daß sie, zum mindesten in diesem Fall, besser gewesen ist als ihr Ruf. Meine Kenntnis der zu schildernden Vorgänge schöpfe ich hauptsächlich aus den »Acta, die Unterhandlungen mit dem Herrn Commissaire du gouvernement Neveu betr. v. Jan. — Mart. 18001)«, die 81 Blätter enthalten, und aus einem ziemlich starken Band, der das »Central-Deputations-Protokoll de A4L 1800— 1805» zusammenfaßt.2) Die gedruckte Literatur gebe ich von Fall zu Fall in den Fußnoten an. Bevor ich mich der Erzählung des Hergangs zuwende, muß ich eine ganz kurze Übersicht der damaligen allgemeinen Lage in Mitteleuropa vorausschicken, in die unsere Schilderung hinein zu versetzen ist. Das Jahr 1799 hatte zum zweiten Mal gegen das revo lutionäre Frankreich ein europäisches Bündnis gebracht, das zunächst vom Kriegsglück sehr begünstigt war. Erzherzog Karl von Österreich schlug die unter Jourdan in Süddeutsch land eingedrungenen Franzosen über den Rhein zurück. In Italien wurden nach verschiedenen Siegen der Österreicher unter Melas und der Russen unter Suwarow die alten Regie rungen wieder hergestellt, nur Genua verblieb in den Händen der Franzosen. Der Spätherbst aber brachte mit der Nieder lage der Russen bei Zürich den Umschwung, den auch Suwarows bewunderungswürdiger, jedoch erfolgloser Zug durch die Ostschweiz nicht aufhalten konnte. Im Frühjahr des folgenden Jahres drang Moreau in Süddeutschland bis nach Bayern vor, in Italien gewann Napoleon durch die einzige Schlacht bei *) Fälschlich für 1801. 2) Kreisarchiv Nürnberg. Akta der C — Laden, Saal II, Lade ioi, Nr. 4 und Nr. 1, Rep. 17. Ich nehme die Gelegenheit wahr, um dem K. Kreisarchiv in Nürnberg für die Überlassung der Akten und für die bei der beschränkten Arbeitsmöglichkeit der Kriegszeit doppelt angenehme, reichliche Bemessung der Leihfrist den verbindlichsten Dank abzustatten.
176 Marengo die ganze Herrschaft wieder zurück. Als die Öster reicher im Spätherbst des Jahres 1800 das Waffenglück noch einmal versuchten, öffnete sich Moreau durch seinen Sieg bei Hohenlinden der freie Weg auf Wien. Als Seitendeckung der Moreauschen Truppen war eine 20 000 Mann starke gallo-batavische Armee unter Augereau vom Niederrhein aus den Main herauf in Franken eingerückt und hatte am 29. November 1800 Würzburg besetzt. Am 10. Dezember erschien die Vorhut seines rechten Flügels vor Nürnberg, das ihm, da es neutral zu bleiben wünschte, ohne Kampf seine Tore öffnete. Im Verlauf des Dezember, vom 15. bis 22., folgte dann eine Reihe nicht unblutiger Gefechte bei Lauf, Altdorf und Fischbach, durch die es den Österreichern gelang, die Franzosen wieder aus Nürnberg zu verdrängen (22. Dezember). Nach weiteren Gefechten bei Vach, Möhren dorf und Baiersdorf stellten die Österreicher jedoch ihre Ver suche, ein weiteres Vorrücken zu erzwingen, ein und zogen sich wieder zurück. Nürnberg, das sie am 27. Dezember ver ließen, wurde am Abend des gleichen Tages durch die von Augereau befehligten Franzosen wieder besetzt. Wenige Tage darnach, am 30., kam die von der Bürgerschaft mit großer Freude aufgenommene Nachricht von dem am 25. ab geschlossenen Waffenstillstand von Steyr. Eine dort festgesetzte Grenzlinie, die von Würzburg über Baiersdorf, Erlangen, Nürn berg, Neumarkt nach Regensburg lief, überließ bis zum Abschluß des wirklichen Friedens auch Nürnberg dem »Schutz« der Franzosen. Da sich diese aber weit besser benahmen als bei ihrem ersten Besuch im Jahre 1796, wurden sie bald nicht mehr als Feinde angesehen und behandelt. An Augereaus Stelle, der nur vom 27. (29.?) Dezember bis 2. Januar sich in Nürnberg aufhielt, war der Divisionsgeneral Barbou getreten, der bemüht war, die drückende Last der Einquartierung soviel als möglich zu mildern. Eine Erleichterung trat schon ein, als am 3. bis 5. Januar drei Bataillone der 49. Halbbrigade nebst Kavallerie und Artillerie ins Bambergische abmarschierten und nur 3 Bataillone Chasseurs und eine Abteilung Dragoner in der Stadt verblieben. Das gute Verhältnis zwischen Stadt und Besatzung kam auch darin zum Ausdruck, daß Bürgerschaft
177 und Offiziere am 9. und 28. Januar sich gegenseitig zu Frei bällen einluden1).* So lagen die Verhältnisse in der Stadt als am Freitag, den 30. Januar 1801, die Zentraldeputation8) auf einen durch Vermittelung des Sprachmeisters Gabrieli an sie gelangten Wunsch des französischen Platzkommandanten Simon beschloß, die Herren Senator J. G. Fr. von Kreß jun.3) und Marktsadjunkt Justus Christian Kießling4) zur Begrüßung des neuangekommenen französischen Regierungskommissärs abzuordnen (A 3. B 253—254).5) Der Neuankömmling war, wie aus den von ihm gebrauchten, vorgedruckten Kopfbogen sogleich zu ersehen war, »FrangoisMarie Neveu, instituteur ä l’ecole polytechnique et commissaire du gouvernement frangais en allemagne pour les Sciences et les arts«, ein Mann, der auch anderwärts in gleicher Tätigkeit sich nachweisen läßt.6)* In seinem ersten Schreiben vom 10. Pluviöse de Tan IX (= 30* Januar 1801) an die Nürnberger Regierung teilte er mit, daß er den amtlichen Auftrag habe, in Nürnberg Gemälde und Wiegendrucke zu sammeln, welche dem Museum und der Nationalbibliothek zu Paris fehlten. Trotz aller politischen und militärischen Ereignisse habe die französische Regierung die Pflege von Kunst und Wissenschaft nie aus den Augen verloren. Nürnberg solle dem Beispiel vieler Staaten Italiens und Deutsch lands folgen, die um die Wette dazu beigetragen hätten, die Sammlungen Frankreichs zu bereichern. Man werde sich dann auch Nürnberger Wünschen gegenüber nach Möglichkeit dafür *) Vgl. Moritz Maximilian Mayer, Kleine Chronik der Reichsstadt Nürnberg. 1847, S. 370 ff. — Bernhard August Wilhelm Marx. Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. 1856, S. 399 ff. — Priem, Geschichte der Stadt Nürnberg. 1875, S. 285. — Ludwig Rösel, Alt-Nürnberg. 1895, S. 671. a) Über die Zentraldeputation s. die Beilage am Schluß. *) Vgl. Johann Gottfried Biedermanns Geschlechtsregister des Patriziats der vormaligen Reichsstadt Nürnberg bis zum Jahre 1854, fortgesetzt von Chri stoph Friedrich Wilhelm von Volckamer. 1854, S. 78/9. 4) Vertrat zwischen April 1801 und April 1805 wiederholt Nürnberg bei der französischen Regierung in Paris. Im Juni 1809 wurde er mit anderen Nürnbergern von den Österreichern unter Hauptmann Jellachich für kurze Zeit als Gefangener mitgeschleppt. Vgl. Georg Schrötter, Geschichte der Stadt Nürnberg. 1909,8.158 —160 und 171, und Die letzten Jahre der Reichsstadt Nürnberg und ihr Übergang an Bayern in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. 17 (1906), S. 1 —177, wiederholt. 5) Mit A bezeichne ich die auf S. 175 erwähnten »Acta«, mit B die ebendort genannten Protokolle. •) Über sein Leben u^l seine Persönlichkeit vgl. unten S. 198 ff.
178 erkenntlich zeigen. General Barbou übernehme nach Rücksprache wegen des ihm, Neveu, mitgegebenen Verzeichnisses der von Paris aus gewünschten Nürnberger Gemälde und Bücher die Bürgschaft, daß, im Falle der Willfährigkeit hinsichtlich der jetzt geäußerten Wünsche, die Stadt gegen spätere Anforderungen sicher gestellt sein werde (A 1 /2). Die Zentraldeputation beschloß daraufhin am 31. Januar 1801, die von Neveu zu erwartende Liste solle zur Begutachtung durch Bürgermeister C. Wilhelm Friedrich Stromer von Reichenbach1), Prediger D. Christian Gottfried Junge2) und andere Sachverständige3) an den Rat abgegeben und dessen weitere Beschlüsse abgewartet werden (A 4). In dem Entwurf zu einer Antwort des Rates auf Neveus Schreiben wird bedauert, daß die wenigen Gemälde und Bücher, die sich noch in den städtischen öffentlichen Sammlungen befänden, bereits in den Besitz der Staatsgläubiger übergegangen seien, sodaß über sie nicht mehr verfügt werden könne. Nürnberg sei deshalb leider nicht in der Lage, dem Beispiel der von Neveu angeführten Länder zu folgen. Man glaube aber trotzdem bei der Gerechtigkeit der französischen Regierung ein williges Ohr für allenfallsige Bitten zu finden. In diesem ablehnenden Entwurf war anhangsweise auch noch für den Fall des teilweisen Eingehens auf Neveus Wünsche eine Schlußwendung vorgesehen, in der zur Bezeugung guten Willens der Rat zur Schenkung eines sehr wertvollen Gemäldes sich bereit erklärt *) Senator seit 1785. * 5. Februar 1737, f 20. Mai 1805. Vgl. Georg Andreas Will, Nürnbergisches Gelehrten - Lexikon. 8 (1808), S. 310 ff. und Johann Georg Meusel, Das gelehrte Deutschland. 7 (1798), S. 710 f.; 12 (1806), S. 386; 15 (1811), S. 564. a) Antistes des nürnbergischen Ministeriums, Prediger bei St. Sebald und Stadtbibliothekar. * 20. Oktober 1748, f 27. März 1814. Vgl. Will, a. a. O. 6 (1805), S. 184 ff. und Meusel, a. a. O. 3 (1797), S. 575 ff.; io (1803), S. 44 f.; 11 (1805), S. 406; 18 (1821), S. 282. s) Unter diesen war wohl an erster Stelle der Schaffer bei St. Lorenz, Georg Wilhelm Panzer, der berühmte und hochverdiente Forscher auf dem Gebiet der frühen Druckgeschichte. Vgl. Will, a. a. O. 3 (1757)» S. 118 f.; 7 (1886), Sf 94 ff.; Meusel, a. a. O. 6 (1798), S. 21 ff.; 10 (1803), S. 396; 11 (1805), S, 600; 12 (1806), S. 367; 15 (i8ii), S. 6 f.; Allgemeine deutsche Biographie. 25 (1887), S. 132 ff. — Franz Eugen Freiherr von Seida in seiner > Historisch-Chronologischen Darstellung des wichtigen Feldzugs in Deutschland im Jahre 1800«, 1802, S. 319, erwähnt, daß sich der ehrwürdige Panzer aufs eifrigste den Requisitionen Neveus widersetzt habe. Aus den mir zugäng lichen Akten habe ich über diese an sich sehr glaubhafte Nachricht nichts Näheres feststellen können.
179 (A 5/6). Aus dem Ratsverlaß vom 3. Februar 1801, der vor behaltlich der Genehmigung der Kaiserlichen Subdelegations kommission!) und der Zustimmung des Genanntenkollegiums *) die Ausfertigung des eben erwähnten Antwortschreibens an Neveu bestimmt, geht nicht hervor, welche Stellung der Rat eingenommen hat (A 7), es scheint aber nach Bemerkungen auf dem Entwurf selbst, daß der Rat sich zur Abgabe eines Gemäldes entschlossen hatte. Der Frage eines »Douceurs« an Neveu — der Rat kennt seine Leute! — soll dagegen nach einem zweiten Ratsverlaß vom gleichen Tage »zur Zeit noch« nicht näher getreten werden (A 8). Neveu war unterdessen schon ungeduldig geworden. Er schrieb gleichfalls am 14. Pluviöse (= 3. Februar) mit leiser Drohung einen Mahnbrief an den Rat. Er wünsche eine baldige Antwort, damit er das Ergebnis ohne Verzug entweder an den Oberbefehlshaber oder an die französische Regierung weitergeben könne(A9/10). Noch am selbenTag, den 14. Pluviöse(= 3.Febr.), bestätigte er in einem zweiten Brief an den Rat den Empfang von dessen Schreiben vom 2. — fälschlich statt 3. — Februar. Er wolle keinerlei Zwang anwenden, sondern der Überweisung durchaus den Charakter der freiwilligen Gabe erhalten wissen. Er sende »deshalb« ein Verzeichnis der gewünschten Sachen und ersuche um Angabe einer Zeit für mündliche Erledigung der Angelegenheit. (All/12. Die Beilagen finden sich abgedruckt A 13/14: Bücher auf S. 233 ff., und A 15: Gemälde auf S. 208 f.). *) Die schlechte Finanzwirtschaft des Rates hatte gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Schuldenlast Nürnbergs auf 9 Millionen Gulden anschwellen lassen. Dies erregte schließlich die Bürgerschaft und ihre Vertretung, das Genanntenkollegium so, daß sie 1786 Beschwerde zum Kaiser ergriffen. Sie hatte zunächst keinen Erfolg, doch führten längere Verhandlungen über den Gegenstand der Klage 1792 zur Einrichtung eines »Ökonomie-Verbesserungs und Rechnungsrevisions-Kollegiums«. Dadurch wurden jedoch die Verhältnisse sehr wenig gebessert und 1797 wurde in Wien die Einsetzung einer kaiserlichen Kommission zur Besserung der verfahrenen Lage erbeten. Der Kaiser ernannte daraufhin den Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Maximilian von Österreich zum Kommissär und dieser wiederum beauftragte mit- seiner Vertretung den Rat des Deutsch-Herren-Ordens Philipp Ernst Gemming, der gegen Ende des Jahres sein Amt antrat. Leider hat auch die von Gemming geleitete »Subdelegations kommission«, die vor allem der Rentkammer als ihres hauptsächlichsten Arbeits mittels sich bediente, den Ausweg aus den überreichlich vorhandenen Schwierig keiten nicht zu finden vermocht. Das Ende des Reichs (1806) brachte auch ihr erfolgloses Mühen zum Abschluß. *) S. Anhang S. 240 ff 12
180 Die Liste der Gemälde umfaßt 18 Nummern, die der Wiegen drucke 50 Titel, denen fast durchgehends die Signaturen der Nürnberger Bibliothek beigefügt sind. Daraufhin wies der Rat am 4. Februar die Zentraldepu tation an, mit der Subdelegationskommission und dem Genanntenkollegium Rücksprache zu nehmen und »alles anzuwenden, was die Verminderung dieser so sehr beschwerlichen Forderung für hiesige Stadt nur immer bewürken kann« (A 16). Die Zentral deputation beauftragte infolgedessen am gleichen Tag den Bürgermeister Jobst Wilhelm Karl Tücher von Simmelsdorf1) und Kießling bei General Barbou vorstellig zu werden und zu versuchen, durch seine Fürsprache eine Verminderung dieser »Requisition« zu erlangen sei (B265—266). Von diesem Besuch und seiner allenfallsigen Wirkung hören wir nichts weiter, dagegen beauftragte die Zentraldeputation am 5. Februar Tücher, Neveu aufzusuchen und mit ihm wegen dessen Forderungen Rücksprache zu nehmen (B 272). Diese Unterredung fand unter Zuziehung von Kießling am Vormittag des 6. Februar statt und nahm offenbar zwar anscheinend einen für die StaIn der St. Aegidien-Kirche gefiel mir das Altarblatt sehr wohl. Herr von Murr sagt, es wäre ein Van Dyck, andere Kenner läugnen es, und halten es für eine von einem guten Mahler retouchirte Kopie«. Die neuere Forschung hat diese Zweifel mehr und mehr als richtig bestätigt. Schon G. F. Waagen1) zog die Berliner Ausfertigung dieses Bildes der Nürnberger vor und Emil Schaeffer sagt in seinem Sammelwerk »Van Dyck. Des Meisters Gemälde in 537 Abbildungen«, 1909 [= Klassiker der Kunst. Bd. 13], S. 499: »Eine Werkstattwiederholung des Bildes [d. h.. der Beweinung Christi. Berlin, Kaiser FriedrichMuseum', die er S. 95 abbildet] mit geringen Abweichungen befindet sich in der Aegidienkirche zu Nürnberg«. Einen »Christ au milieu de ses bourraux« kennt auch er nicht. Neveu scheint hier, wie bei Dürer (Nr. 14 und 15), eine Verwechslung begegnet zu sein, die eine mündliche Nachrichtenbeschaffung wahrscheinlicher macht. Welches nun das Schicksal der Mehrzahl der damals sämtlich bedrohten Bilder war, kann ich hier auf sich beruhen lassen; nachgegangen bin ich dieser Frage nur bei den von Neveu wirklich fortgeschafften Bildern (vgl. oben S. 193). Daß diese Bilder Paris und die dortigen Sammlungen wirklich er reichten geht aus folgender Nachricht bei Vauthier, S. 35, hervor: »Les tableaux arrivent ä Paris le 8 prairial [= 28. Mai 1801]. Neveu Pavait bien devine: les administrateurs du Museum ne sont pas satisfaits. Tres mediocres, Albert Dürer et Hemskerck; mediocre, Kupetzki; quant au portrait de Pencz, ce n’est qu’une copie d’apres un ancien maitre«. Darüber hinaus war das Ergebnis zunächst nicht gerade erfreulich. Ich war erstaunt, daß die Kunstgeschichte der Frage des Wanderns der Bilder nicht die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen scheint, wie die Handschriftenkunde den Schicksalen der Codices. Daß ich bei den minder hervorragenden Künstlern wie Heemskerck und ') Kunstwerke und Künstler in Deutschland, i (1843), S. 287.
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Kupetzki nichts ausfindig machen konnte, überraschte mich nicht. Bei Pencz konnte ich nur feststellen, daß das Bild Wenzel Jamnitzers, das dessen Sohn Hans im Jahre 1600 dem Rat gegen eine Verehrung von 50 Gulden geschenkt hatte,*3) *zwar das 18. Jahr hundert hindurch — 171 la), 17303), 17904) — in Nürnberg bezeugt ist, im Jahre 1828 aber als gänzlich verschollen betrachtet wurde:5)6 »In dem Cataloge des Museums im Louvre zu Paris steht es nicht aufgeführt, befindet sich auch nicht dort aufge hangen, und kam, wie ja jene Zeit bekanntlich so manchem Kunstunterschleif Vorschub gewährte, wahrscheinlich in Privat besitz, ohne daß sich bisher etwas darüber ausmitteln ließ«. Diese Nachforschungen wieder aufzunehmen, verbietet sich jetzt während des Krieges natürlich von selbst. Auch bei dem Nachgehen nach den Schicksalen der beiden Dürerschen Bilder mußte ich mich im wesentlichen auf das mir in München zugängliche gedruckte Material beschränken, dessen Benützung mich bald davon überzeugte, wie sehr Anton Springer recht hat, wenn er in seinem Beitrag zur Dürerforschung »Inventare der Imhoffschen Kunstkammer zu Nürnberg«(>) sagt: »Steht der Künstler am höchsten, welcher am häufigsten nachgeahmt, am eifrigsten gefälscht wurde, so wird wohl kein anderer Meister unserem Albrecht Dürer die Palme streitig machen können. Die Geschichte seiner Werke ist gleichzeitig die Geschichte der großartigsten Kunstfälschungen, die jemals vorgekommen sind. Nicht genug, daß Dürers Holzschnitte und Kupferstiche, kaum daß sie seine eigene Presse verlassen hatten, sofort in die Hände der Nachdrucker wanderten, daß seine Schriften, insbesondere seine »puecher auß der Kunst der perspectiue« unmittelbar nach seinem Tode eine Beute der Übersetzer und Verleger in Deutschland wie in Frankreich, ja selbst in seiner eigenen Vater stadt wurden und den Rat hier zum Einschreiten, dort zum *) Vgl. Ernst Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg. 1891, ’S. 72. *) Lang bei Mummenhoff, a a. O., S. 291. 8) Johann Gabriel Doppelmayr, Historische Nachricht Von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. 1730, S. 197, Anm. dd. 4) Murr, Beschreibung des Nürnbergischen Rathhauses. 1790, S. 36. ®) Die Nürnbergischen Künstler, geschildert nach ihrem Leben und ihren Werken. 3 Heft. Wenzel Jamnitzer. 1828, S. 11. 6) Mitteilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. 5 (1860), S. 352. 14
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Abmahnen nötigten. So fand bereits im sechzehnten Jahrhundert auch die Sitte Eingang, von Dürers Bildern auf Täuschung hin Copien anfertigen zu lassen, und dann nach jeweiligem Vortheile die Copie als Original, das Original als Copie anzugeben. Es gibt wenige Dürersche Werke, welche nicht in mehreren Exemplaren vorhanden wären und nicht den Streit, welche derselben echt, welche unecht, immer wieder anregten«.1) Ich glaube also Anspruch auf einige mildernde Umstände zu haben, wenn ich im Folgenden zusammen zu stellen versuche, was ich über Dürers »Adam und Eva« und über sein Selbstbildnis vom Jahre 1500 feststellen konnte. Das Selbstbildnis befand sich, wie es scheint, seit Dürers Tod im Besitz des Rates seiner Vaterstadt2); bezeugt als dort befindlich wird es 1577 durch den vlämischen Maler Karel van Mander.3) Ein Menschenalter später hat'es wohl Hans Georg Ernstinger auf einer seiner Reisen am 4. Dezember 1606 dort gesehen: »in ainem [Zimmer] . . . des weitberühmten malers von Nürnberg des Dürers contrafet, alt [?] und junges von ime selbs gar künstlich gemalt, neben anderen seinen künstlichen picturen mehr«.4) Dasselbe berühmte Bild ist ohne Zweifel gemeint, wenn bei den Vorbereitungen für den Kurfürsten tag von 1611 in einem gleichzeitigen Bericht über die damalige Ausschmückung des Rathauses ein »klein conterfect des kunst reichen und weitberumbten malers Albrecht Dürers von Nürn*) Die gleiche Klage findet sich schon 40 Jahre früher bei Adam Weise» der in seinem Versuch »Albrecht Dürer und sein Zeitalter«, 1819, soweit ich sehe, als erster ein vollständiges Verzeichnis der Dürerschen Gemälde aufzu stellen unternahm; vgl. dort S. V f. Ähnlich auch Joseph Neuwirth in den Xenia Austriaca. 1 (1893), Abt. IV., S. 199 und 220 f., und Theodor von Frimmel, Kleine Galeriestudien. 3. Folge, 5. Lieferung. 1899, S. 153. *) Katalog der Kgl. Älteren Pinakothek. Amtliche Ausgabe. 12. Auf lage. 1913, S. 39. Eine Angabe, worauf sich diese Annahme stützt, fehlt leider. 8) Het Schilderboeck (Ausgabe von 1618), Fol. I32ra: »Daer zyn oock van hem in zyn Vader-stadt Norenburgh op het Raedt-huys verscheyden schoon stucken: . . . en zyn eyghen [conterfeytsel], dat welck is een cleen stucksken, daer zyn tronie in comt, met langh hanghende schoon hayr, dat oock seer constigh ghehaindelt is, daer onder eenighe goutghele zyn#geslingert, op een aerdighe wyse, als my wel voorstaet gesien, en in myn handen gehadt te hebben, doe ick daer was Ao. 1577. het selfde was gedaen (als ick meen) Ao. 1500. doe hy ontrent 30. Jaer oudt was«. 4) H. G. Ernstingers Raisbuch. Herausgegeben von Ph. A. F. Walther. 1877 Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart. 135], S. 263.
213 berg«, von dessen Hand herrührend, erwähnt wird.1) In der Beschreibung des Rathauses von Georg Jacob Lang, 1711, wird es merkwürdigerweise nicht erwähnt,2) dagegen finden wir in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Bild von Sandrart als in Nürnberg befindlich, wenn auch ohne nähere Angaben,, so doch in einer Form erwähnt, daß man daraus auf eine Auf bewahrung in einer öffentlichen Sammlung schließen muß.3) Dann erwähnen es die Nürnberger Lokalhistoriker Murr4), Roth5)» Müller,6) und auch Baader7) als in der Silberstube8) des Rat hauses aufgehängt. In dem nun folgenden Jahrzehnt ging das Bild für Nürnberg verloren, als man es dem Maler Abraham Wolfgang Küfner zum Kopieren überließ. »Dieser Küfner war kein zuverlässiger Mensch: er begann als Kaufmann, wurde später wegen Fälschung vön Münzen zum Gefängnis verurteilt,, wußte sich aber vor dem gänzlichen Verkommen zu retten und hat dann einen Kunstverlag in Nürnberg gegründet. Als er das Selbstbildnis zum kopieren bekam, sägte er die Rückseite des Brettes ab und malte darauf seine Kopie. Diese konnte er dann leicht bei der Rückgabe an den Nürnberger Rat dem Originale unterschieben, da der Stempel auf der Rückseite jeden Zweifel an der Echtheit des Bildes ausschloß. Wie er das Original zu verkaufen vermochte, ist unbekannt. Es tauchte einige Jahre später (1805) im Besitze des Konsulenten G[eorg] G[ustav Wilhelm] Pez9) in Nürnberg auf und wurde gleich darauf von dem Direktor der bayerischen Gemäldesammlungen, Christian von Männlich (1741—1822), der das Glück hatte, es zu ent decken, um den Preis von 600 Gulden angekauft [Beschreibung der Churpfalzbaierischen Gemäldesammlungen zu München, J) Mummenhoff, Rathaus, S. 75. 2) Mummenhoff, a. a. O., S. 290. 3) Joachim von Sandrart, Teutsche Academie der Bau-, Bildhauer- und Maler-Kunst. 3. Hauptteil, 2. Band r=r 7. Band ^1774), S. 221. 4) Beschreibung der Merkwürdigkeiten in Nürnberg. 1778, S. 410, und Beschreibung des Rathauses. 1790, S. 35. 5) Leben Albrecht Dürers. 1791, S. 85. •) Kurze Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg. 1793, S. 54. 7) Reisen. 2 (1797), S. 33. 8) — Grünes Zimmer; vgl. Mummenhoff, Rathaus, S. 148. 9) Wohl der bei Biedermann-Volckamer, a. a. O., S, 98, erwähnte StadtGerichts-Assessor Petz. Vgl. auch Will, a. a. O., 6 (1805), S. 126 — 131. 14*
214 Christian von Männlich. München 1805, Bd. 2, S. 267. Nr. 1091]«.') Da nun Neveu im Jahr 1801, wie wir gesehen haben, ein Selbstbildnis, das nicht das Original war, von Nürnberg mit hinweg nahm, müssen sich diese Vorgänge wohl nach dem Besuch Baaders (1792) und vor dem Neuveus abgespielt haben. Der Rat muß indes nach dem Verlust der Küfnerschen abermals eine Kopie im Rathaus aufgehängt haben, denn 1819 berichtet Adam Weise*2) neben dem Münchener Original von einem Selbst bildnis Dürers in der dortigen Silberstube, nach Heller3) hing es 1822 in der Gemäldesammlung auf der Nürnberger Burg, ebendort weiß es auch Nagler4) und später wird es mit anderem städtischen Kunstbesitz dem Germanischen Museum4) anvertraut, wo es jetzt noch aufbewahrt wird. Solch doppelter Verlust .von Original und Kopie wieder holte sich nun auch bei dem Bilde des ersten Menschenpaares, nur liegen die Verhältnisse hier noch um einiges verwickelter. *) Diese Darstellung entnehme ich dem Aufsatz »Dys Münchener Selbst bildnis Albrecht Dürers. Ein Beitrag zu seiner Datierung« von H. Ochenkowski im Repertorium für Kunstwissenschaft. 34 (1911), S. 423 ff. Sie faßt zusammen, was Joseph Heller in seinem »Leben und Werke Albrecht Dürers«, 2 (1831), S.209, und Thausing in der 2. Auflage seines »Dürer«, 1884, S. 98, Anmerkung, von dieser seltsamen Geschichte erzählen. G. C. Nagler in seinem »Albrecht Dürer und seine Kunst«, 1837, gibt eine in manchen Zügen verschiedene Darstellung (S. 7 f.). Nach ihm war Küfners Auftraggeber ein in den dreißiger Jahren verstorbener Graf Eckart. Statt von einer Zersägung der Bilder ist hier von einer Fälschung der Siegel die Rede. Das Original sei nach München verkauft worden. Küfner sei in der Folge Falschmünzer geworden und habe zur Strafe dafür eine mehrjährige Haft auf der Festung Rothenberg verbracht. Die Kopie des Grafen Eckart sei möglicherweise später in den Besitz des Legations rates Scharold in Würzburg übergegangen. — Über Küfner (1760 —1817) vgl. auch H. H. Füßli, Allgemeines Künstlerlexikon. 2,1 (1806), S. 651, Sp. 1; Johann Georg Meusel, Teutsches Künstlerlexikon. 1808, S. 530—532; Ralf von Rettberg, Nürnberger Briefe. 1846, S. 196; G. K. Nagler, Neues Allge meines Künstlerlexikon. 7 (1839^, S 193 f. Mehr oder minder deutlich spielen auf diese Vorgänge auch an Nagler in seinem Künstlerlexikon. 3 (1836), S. 506; Kugler in den 3 Auflagen seines »Handbuchs der Geschichte der Malerei«, 2, 1837, S. 93; 1847, S. 210; 1867, S. 474 f-; Lionel Cust, Albrecht Dürer. 1897, S. 100; Valentin Scherer in »Dürer. Des Meisters Gemälde, Kupfer stiche und Holzschnitte in 447 Abbildungen«. 1904, S. 367 [= Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben. 4]; Katalog der Gemäldesammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. 4. Auflage. 1909, Nr. 1^5 (288. 269) und Katalog der Kgl. Älteren Pinakothek. Amtliche Ausgabe. 12. Auflage. 1913,8.39. *) Albrecht Dürer und sein Zeitalter, S. 92 und 94. *) Vgl. oben Anmerkung 1. Seine Quelle ist wohl das »Neue Taschen buch von Nürnberg«. 2 (1822), S. IV. 4) "^ßl* oben Anm. 1.
215 Das Doppelbild des ersten Menschenpaares stammt aus dem Jahre 15071) und befand sich das 16. Jahrhundert hindurch auch auf dem Nürnberger Rathause.2) Wann es dorthin ge kommen ist, läßt sich nicht feststellen, denn die Behauptung Friedrich Campes,3) das von Dürer 1526 mit dem denkwürdigen Begleitschreiben 4) dem Rat geschenkte Gemälde habe nicht die beiden Apostelpaare, sondern Adam und Eva vorgestellt, ist schon von Joseph Heller5) abgelehnt, von J. Baader6) widerlegt worden. Abermals nach unbeglaubigter Nachricht7) erhielt Kaiser Rudolf II., ein großer Liebhaber und Sammler von Kunstschätzen, das Doppelbild vom Nürnberger Rate und zwar soll es in der Nacht von mehreren Männern weggetragen worden sein. Eine Zeitangabe fehlt, indes findet sich bei Joseph Neuwirth, Rudolf II. als Dürer-Sammler8), neben sonstigen eingehenden Mitteilungen über Verhandlungen zwischen Kaiser Rudolf II. und dem Nürnberger Rat hinsichtlich der Verbringung von Dürers Adam und Eva nach Prag, folgende ansprechende Vermutung : »Da am 22. Januar 1587 dem »Mathesen Breßlackh von Nürn berg, der zwo gemalte Durerische tafeln von dannen irer kais. maj. zum sehen alher gefurt« von dem Hofzahlmeister in Prag 100 fl. rheinisch, »so ime von irer kais. maj. laut particularbevelchs zu ergöczung seiner gehabten muhe und aufgewendten zehrung aus gnaden bewilligt worden«, ausgezahlt wurden [Jahr buch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser*) Heinrich Wölfflin, Die Kunst Albrecht Dürers. 1905, S. 139. 2) Alfred Woltmann und Karl Woermann, Geschichte der Malerei. 2 (1882), S. 378, Moritz Thausing, Dürer. Geschichte seines Lebens und seiner Kunst. 2. Auflage. 1884. 2, S. 3, und Marcus* Zucker, Albrecht Dürer. 1900, S. 75. Leider findet sich nirgends ein Gewährsmann für diese Behauptung angegeben; auch in Mummenhoffs Rathaus-Werk findet sich kein Beleg hiefür. *) Reliquien von Albrecht Dürer. 1828, S. 58. Die gleiche Ansicht wurde auch schon im Deutschen Unterhaltungsblatt für gebildete Leser aus allen Ständen. 1816, Nr. 8 vom 27, Januar, S. 30, vertreten. 4) Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß, herausgegeben von Ernst Heidrich 1908, S. 188 und 351. 5) Das Leben und die Werke Albrecht Dürers. 2 (1831), S. 205. Vgl. auch G. C. Nugler, Neues Allgemeines Künstler-Lexicon. 3 (1836), S. 5°9< und Albrecht Dürer und seine Kunst. 1837, S. 23, sowie A. von Eye, Lebenund Wirken Albrecht Dürers. 1860, S. 245. 6) Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs. I (1860), S. 9. 7) Heller, a. a. O., S. 188 (vgl. auch ebendort S. 209 und 239), und G. C. Nagler, a. a. O., S. 509 und 22 f. 8; Xenia Austriaca. 1 (1893), Abteilung IV, S. 197 ff.
216 hauses. 7, 2. Theil, S. CCXX, Nr. 5468], so ist es nicht unstatt haft, die in dem ältesten Prager Verzeichnisse ausdrücklich als »zwo schöne große Taffein« bezeichneten Darstellungen Adams und Evas gerade mit diesen beiden Tafeln zu identifizieren. Trifft man damit den richtigen Sachverhalt, so würde sich daraus ergeben, daß die Tafeln mit Adam und Eva offenbar 1586, also bald nach der Überlassung des Allerheiligenbildes [1585], von Nürnberg aus an Rudolf II. abgetreten und im Jänner 1587 nach Prag überführt wurden«. Jedenfalls läßt sich zu Anfang des 17. Jahrhunderts ein solches Doppelbild Dürers von Adam und Eva im Besitz Kaiser Rudolfs II. in Prag feststellen. Zwischen 1601 und 1603 wurde die dortige Kunstkammer von dem schon oben (S. 212) erwähnten Maler Karel van Mander besucht. Er berichtet darüber in seinem Werke Het Schilder-Boeck^Bl^OSTf., wie folgt: »Dan so veel ick wetenschap hebbe, sal ick ons nu verhalen zyn [i. e. Dürers] constighe stucken schilderye . Voorts A? 1507 heeft hy ghedaen, also groot als t’leven, een Adam en Eva . . . Dese verhaelde weerdighe stucken staen, en zyn te sien tot Praga, int’ Paleys van den Keyser, op de nieuw gallerye, daer der Duytscher en Nederlanders constige wercken plaetse hebben«. Inventare aus der Zeit Rudolfs II. liegen bis jetzt nicht vor. Das bisher älteste Verzeichnis, das unsere Tafeln enthält, ist das von A. von Perger2) aus dem Cod. 8196 der Wiener Hofbibliothek veröffentlichte, das aber nicht vom Ende des 16. Jahrhunderts3) stammt, sondern erst um 1621 nach der Vertreibung des Winterkönigs4) hergestellt *) Erschienen Haeriem, 1603—1604, in 2 Teilen. Die Vorrede ist vom 3. Juni 1603 datiert. *) Studien zur Geschichte der K. K. Gemäldegallerie im Belvedere zu Wien in den Berichten und Mittheilungen des Alterthums-Vereins zu Wien. 7 (1864), S. 109. Auf diese Stelle hat schon Thausing, a. a. O , II, S. 3, Anm. 1, hingewiesen. Dieses Verzeichnis enthält übrigens noch einen Eintrag [S. 105] : »Adam und Eva, von Albrecht Dürren [Dürer]«. Einen nochmaligen Abdruck dieses Verzeichnisses enthält Olof Granberg, Kejsar Rudolf II :s Konstkammare och des Svenska öden, 1902, Bilaga I, wo die eben ferwähnten Doppel bilder unter Nr. 124 und 270 aufgeführt sind. Die Bezeichnungen der Räum lichkeiten fehlen bei diesem Abdruck. *) Joseph Chmel, Die Handschriften der K. K. Hofbibliothek in Wien. 2 (1841), S.i ff. *) Ludwig Urlichs, Beiträge zur Geschichte der Kupstbestrebungen und Sammlungen Kaiser Rudolf1’s II. in der Zeitschrift für bildende Kunst. 5 (1870), S.48.
217 sein kann. Danach befanden sich »auff dem Königlichen Prager Schloß, In der Römischen Kayserlichen Mayestät Schatz- vnd Kunst-Cammer« »An der Mauer bey den Fenstern« »Zwo schöne große Taffelri, darauf Adam und Eva, von Albrecht Dürern«. Ein paar Jahrzehnte später läßt sich das Doppelbild noch am gleichen Ort nachweisen, denn ein Verzeichnis, das nach dem Einfall der Sachsen 1631 und vor der Plünderung Prags durch die Schweden 1648, wohl als das Ergebnis einer der auf kaiserlichen Befehl vom 4. April 1635 oder vom 7. Juni 1644 vorgenommenen Bestandsaufnahmen, entstand, *) nimmt auf die gleichen Räumlichkeiten wie das obengenannte Bezug und erwähnt als an gleicher Stelle »An der Mauer bey dem Fenster« als Nr. 399: »Adam und Eva«.*2) Dann wanderten die beiden Tafeln mit der übrigen gewaltigen Kriegsbeute der Schweden nach dem Norden. Nachdem sie in Dömitz und Wismar über wintert hatten, kamen sie im Mai 1649 in Stockholm an.3) Ein drittes Verzeichnis, 1652 abgefaßt und 1653 nachgeprüft von dem Intendanten der Königin Christine, Marquis du Fresne, »Inventaire des raritez qui sont dans les Cabinet des antiquitez de la serenissime Reine de Suöde«, enthält als Nr. 105 der Bilder: »Dito, Adam et Eue sur un fonds de bois«. Durch den Beisatz: »De Prague« ist seine Herkunft gekennzeichnet. Von besonderem Belang ist der weitere Zusatz: »Donne au Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Gemälde. Beschreibendes Verzeichnis von Eduard Ritter von Engerth. i (1882), S. XVIII ff. 2) Buda Dudik, Die Rudolphinische Kunst- und Raritätenkammer in Prag in den Mittheilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. 12 (1867), S. XXXIII ff. Ein hier von Dudik erwähntes, weiteres Verzeichnis, das nach einem Brief Königsmarcks vom 20. Juli (a. St. = 30. Juli n. St.) 1648 an den Kanzler Johann Axel Oxenstierna für diesen und für die Königin Christine in je einer Abschrift angefertigt worden war, ist verschollen. Da das oben erwähnte Verzeichnis, das im Gegen satz zu dem von Perger veröffentlichten keine Künstlernamen enthält, auch noch unter Nr. 87, 148, 245, 247, 534, 566, 582 Bilder mit der Bezeichnung »Adam und Eva« auf führt, wäre ohne Bezugnahme auf die Räumlichkeiten eine Gleichsetzung der Bilder nicht möglich gewesen. Das Dudiksche Verzeichnis ist abgedruckt und verwertet in dem seltenen Werke von Olof Granberg, La Galerie de Tableaux de la Reine Christine de SuMe, ayant appartenu auparavant ä l’Empereur Rodolphe IJ, plus tard aux Ducs d’Orl6ans. Stockholm 1897, Appendice I, S. I ff. 3) Dudik, a. a. O., S. XXXIV, Sp. 1.
218 roy d’Espaigne [Philipp IV. 1621—1665]«.1) Nach Granberg fällt dieser Besitzwechsel ins Jahr 1654 und wurde von Christine von Antwerpen aus vollzogen. Zuvor waren die Tafeln in Schweden kopiert worden; diese Nachbildungen befinden sich, in nicht sehr gutem Erhaltungszustand, im Nationalmuseum in Stockholm. Nur sie und ihre Urbilder im Prado zu Madrid tragen außer der Inschrift »Albertus Dürer almanus faciebat post Virginis partum 1507« das Monogramm Dürers.2) Nach dem Übergang der Dürerschen Tafeln in den Besitz der spani schen Könige hören wir über ein Jahrhundert lang nichts mehr von ihnen. Aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts da gegen haben wir verschiedene Zeugnisse von ihrem Vorhanden sein in Madrid. Zuerst sah sie der Ritter von Bourgoing3) zwischen 1782 und 1788 während seiner spanischen Reise, deren Beschreibung er eigens, ein »raisonnirendes Verzeichnuß der Mahlereyen in dem neuen Kgl. Palaste, im Buen-Retiro, und in der Casa del Campo zu Madrid« von Richard Cumberland beigab. Dann werden die Bilder erwähnt von Antonio Conca in seiner Descrizione odeporica della Spagna, 1 (1793), S. 93. Damals befanden sie sich ebenfalls noch im Palast von 0 Vgl. Dudik, a. a. O., S. XXXIV, Sp. i f., dann den teilweisen Ab druck in dessen »Forschungen in Schweden zu Mährens Geschichte«, 1852, S. 103 —109, und den vollständigen Abdruck bei A. Geffroy, Notices et Extraits des manuscrits concernant l’histoire de la France, 1855, S. 168, end lich Granberg, a. a. O., Appendice II, S, XXXI, wo sich der weitere Zusatz findet: »Albrecht Dürer? Ses deux tableaux ä Madrid?« Auch in diesem Verzeichnis finden sich weitere Bilder von Adam und Eva, nämlich unter Nr. 128, 159, 169, 170 und 461. Diese letzte Nummer kommt wegen des Zusatzes »de moyenne grandeur« wohl sicher nicht in Betracht, aber da Nr. 169 und 170, »sur du bois«, zusammen ein Ganzes bilden, scheint mir die Frage berechtigt, ob nicht Du Fresne seine Bemerkung »Donn6 au roy d’Espaigne« an einer falschen Stelle eingetragen hat und sie richtiger zu diesen beiden Nummern gesetzt hätte? Praktisch würde natürlich auch durch die Richtigkeit dieser Vermutung nichts weiter gewonnen. 2) Granberg, a. a. O., S. 18 und 47, und in seinem »Kejsar Rudolf II:s Konstkammare och des Svenska öden«. 1902, S 59 ff. und 108. 8) Des Herrn Ritters von Bourgoing Neue Reise durch Spanien vom Jahr 1782 bis 1788. 1 (1789), S. 434. Es heißt da bei der Beschreibung des alten Palastes von Buen-Retiro: >ln dem Gemache des verstorbenen Infanten Don Luis finden sich.... zwey sehr merkwürdige historische Stücke, Adam und Eva in Lebensgröße, bezeichnet wie folget, Albertus Durerus Almanus faciebat post Virginis partum 1507«. Auf diese Stelle hat schon Murr in seiner Beschreibung des Nürnbergischen Rathauses, S. 30, hingewiesen. Er hielt die Bilder für Kopien und gibt noch an, sie seien auf Tuch gemalt, eine Bemerkung, für die er in seiner Quelle keinen Anhalt fand, die aber von Jakob Heller in seinem Leben Dürers, 2 (1831), S. 188, wiederholt worden ist.
219 Buen-Retiro, waren aber »Nell’Appartamento basso detto della Regina Madre«. Endlich findet sich noch ein Zeugnis aus dem Jahre 1794, die Bilder seien im »alcöve de la gallerie basse du jardin des Empereurs«, in dem neuesten Katalog des Pradomuseums zu Madrid, wohin die beiden Tafeln später übersiedelten. Für die Kunstgeschichte blieben sie aber an diesem Aufbewah rungsort lange Zeit verloren; mußte doch G. C. Nagler in seinem Künstler-Lexikon, 3 (1836), S. 509, und in seinem Albrecht Dürer, 1837, S. 22 f., wie auch Franz Kugler noch 1837 und 1847 im 2. Band der ersten (S. 96) und zweiten (S. 213) Auflage seines Handbuchs der Geschichte der Malerei sie als verschollen bezeichnen. Erst in dessen dritter Auflage von 1867, S. 478, konnte er ihre Stätte angeben, nachdem sie von J. D. Passavant auf seiner spanischen Reise dort gewisser maßen neu entdeckt worden waren.1) Trotzdem war bis in die neuere Zeit herein ihre Echtheit vielfach angefochten, für die schon Waagen,2) Eisenmann3) und Woltmann-Woermann4) eingetreten waren. Die neueste Forschung dagegen, vertreten durch Zucker,5) Scherer,6) Wölfflin,7) Voll,8) hat sich endgiltig für die Echtheit der Madrider Tafeln erklärt. Die Gegner dieser Ansicht, Mündler9),Thausing10), Springer11), Cust12), waren für die Echtheit der Florentiner Tafeln eingetreten. Wann sind nun diese beiden Bilder nach Florenz gekommen? In Alfred von Reumonts Geschichte Toscanas, 1 (1876), S. 605, findet sich die Bemerkung: »Über die Bildung der berühmten Gallerie (im Palazzo Pitti) sind wir sehr unvollständig unter richtet«. Diese Klage gilt auch noch heute. Die Andeutung *) Vgl. Deutsches Kunstblatt. 1853, Nr. 27 vom 2. Juli, S. 231. 2) Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen. 1 (1862), S. 206. 3) Zeitschrift für bildende Kunst. 11 (1876), S. 274. Sieht in den Florentiner Tafeln wenig jüngere Kopien von Hans Baidung Grien. 4) Geschichte der Malerei. 2 (1882), S. 378. 5) Albrecht Dürer. 1900, S. 75 und 168, Anm. 75, 1. 6) Dürer. Des Meisters Gemälde, Kupferstiche und Holzschnitte. 1904, S. 370. 7) Die Kunst Albrecht Dürers. 1905, S. 139. 8) Die Gemälde in der Sammlung des Prado in Madrid. 1906, S. 9. 9) Beiträge zu Burckhardts Cicerone in den Jahrbüchern für Kunst wissenschaft. 2 (1869), S. 284. 10) Dürer. 2. Auflage. 2 (1884), S. 3. 11) Albrecht Dürer. 1892, S. 66. 12) Albrecht Dürer. 1897, S. 60.
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einer Möglichkeit der Herkunft der beiden Dürerschen Stücke sehe ich in der Nachricht, daß der Großherzog von Toskana 1628 auf einer Reise durch Mitteleuropa auch Nürnberg berührte und sich dort bemühte »Dürersche Beute» davon zu tragen.1) Sichere Kunde geben dann die Reisebeschreibungen,2) die auch über die Bilderschätze von Florenz berichten. Richard Lassel, Außführliche Reyse-Beschreibung durch Italien, 1673, gibt bei Erwähnung des 3. Cabinets der Gallerie des alten Palastes [== Uffizien], S. 150, an: »Daselbst seynd auch Gemählde und Bilder / hochgeschätzt; als / Adam und Eva, die Albertus Dureus gemacht / ein original Stück / geschätzt 1500 Kronen /«. Die gleiche Stelle findet sich in der 2. Auflage der französischen Ausgabe Lasseis: Voyage d’Italie, 1 (1682), S. 196. Die nächste Erwähnung fand ich in »Herrn Maximilian Missons Reisen Aus Holland durch Deutschland In Italien«, 1701, S. 936, nur wird das Doppelbild nicht bei Florenz, sondern bei der Beschreibung von Poggio Imperiale genannt. Eben dort war es fast um die gleiche Zeit nach Germanus Adlerhold, Neu-eröffnetes Italien, 1703, S. 350: »In einem derselben [i. e. Zimmer] sieht man neben viel anderen Gemählden / Adam und Eva / wie auch den Heil. Hieronymum von Albert Dürern«. Diese Stelle findet sich wörtlich wieder in dem im gleichen Jahre in Lindau erschienenen: »Das Heutige Italien«, S. 470. Als in der »galerie du Grand Duc« befindlich bezeichnet die Tafeln fünfzig Jahre später J. B. Descamps, La vie des peintres flamands, allemands et hollandais, 1753, S. 29. Zeitlich die nächste Erwähnung begegnet in John Northall, Travels through Italy, 1766, S. 56; nach ihm befanden sie sich in der »5. Cham ber« der Uffizien. Zwar nicht als zur Reiseliteratur, aber als J) Notizen über einige unbekannte Malereien von Albrecht Dürer im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Neue Folge. 3 (1856), Sp. 228. a) Beim Durchsehen einer ganzen Reihe von solchen Reise werken aus dem 16.—18. Jahrhundert habe ich, wenn gleich das Ergebnis für meine besonderen Zwecke bescheiden blieb, es doch als einen großen Reiz empfunden zu beobachten, was die einzelnen Reisenden je nach Stand und Heimatland über die von ihnen besuchten Kunstdenkmale alkr Art zu berichten wissen, was sie für Urteile fällen, was sie der Erwähnung für wert halten, was sie mit anderen Worten überhaupt gesehen und vor allem auch nicht gesehen zu haben scheinen. Ich wundere mich, daß diese Quellen, so weit ich sehen kann, für die Kunstgeschichte, besonders für die Bildergeschichte und vor allem für die Geschichte des Geschmacks noch nicht stärker ausgeschöpft worden sind.
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zeitlich hierher gehörig ist die Stelle aus Johann Friedrich Roth, Leben Albrecht Dürers, 1791, S.80 f., hier einzufügen, der unter Florenz, Großherzogliche Gallerie, die beiden Tafeln erwähnt. Francesco Inghirami, L’Imp. e Reale Palazzo Pitti, 1828, S. 23, erwähnt bei der Stanza di Venere, Parete Prima, 1: »Luca Cranak e il pittore. Eva e il sogetto del quadro«, und S. 24, Parete Terza, 6: »Luca Cranak, Adamo«, welche Angaben in seinem Werke La Galleria dei quadri esistente nell’Imp. e Reale Palazzo Pitti, 1834, S. 14 und 16, wörtlich wiederkehren. Daß hier die Bilder nicht Dürer, sondern Cranach1) zugeschrieben werden, ist an sich wohl überraschend, doch braucht man deshalb nicht von der Identifizierung abzusehen, denn dieselben Gemälde werden als genau an den gleichen Stellen der Sala di Venere hängend erwähnt von Egisto Chiavacci in seinem Guida della R. Galleria del Palazzo Pitti, 4. Edition, 1867, S. 10, Parete Prima, 1: »Eva« und S. 17, Parete Terza [6 =], 20: »Adamo«. Hier aber ist richtig Dürer als Maler angegeben. Damit stimmt auch überein, um nur einen neueren Führer anzuziehen, Paul Schubring im Modernen Cicerone, Florenz I (1907), S. 160 ff. Neveu fand also in Nürnberg weder das Original noch die ihm künstlerisch wohl am nächsten kommende Kopie vor. Wenn er trotzdem die im dortigen Rathaus befindlichen Tafeln gutgläubig mitnahm, so unterlag er bei seiner nicht allzugroßen Kennerschaft der örtlichen Überlieferung, die an der Echtheit des Ersatzes2) für die heimlich vertauschten und der kaiserlichen Sammlung in Prag überlassenen Bilder nicht zweifelte. Beiden oben (S. 212) erwähnten Vorbereitungen zum Kurfürstentag von 1611 werden auch zwei Tafeln von Dürers Hand, Adam und Eva darstellend, aufgeführt. Hundert Jahre später, 1711, ist das Doppelbild abermals in einer »Ausführlichen Beschreibung aller auf dem Rathaus in den obern schönen Zimmern befind licher groß und kleinen Gemälden. Beschrieben von Georg Jakob Lang« als »Im schönen Saal« »neben dem Marmelportal« hängend bezeugt.3) Die Tafeln werden ferner genannt in der l) Vgl. Eisenmann, a. a. O., S. 274: »In der Galleria des Luigi Bardi sind die Tafeln als — Lucas Cranach gestochen«. Dieses Werk ist mir leider nicht zugänglich. *) Nach Nagler, Albrecht Dürer, 1837, S. 22, war dieser von Paul Juvenel. 3> Mummenhoff, a. a. O., S. 291 f.
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größtenteils schon oben (S. 209) angeführten Orts- und Reise literatur des 18. Jahrhunderts, so bei Keyßler 1741 und 1751 (a. a. O.); Georg Andreas Will, Nürnbergisches Gelehrten-Lexikon, 1 (1755), S. 298; Murr, Beschreibung der Merkwürdig keiten in Nürnberg 1778, S. 407, und Beschreibung des Rat hauses 1790, S. 30; Roth, Leben Albrecht Dürers, des Vaters der deutschen Künstler, 1791, S. 84; Müller 1793, S. 55; Baader 2 (1797), S. 33. Keiner dieser Gewährsmänner für das Vorhandensein der Tafeln hat irgend welche Zweifel an ihrer Echtheit und es ist nicht verwunderlich, daß auch Neveu in der Beurteilung der Bilder sich ihnen anschloß. Da er nun aber, wie wir gesehen haben, weder das Original, das damals schon in Madrid, noch die alte Kopie, die schon lange in Florenz sich befand, vor sich hatte, so läge es nahe, die von ihm geraubten Tafeln mit der in Mainz befindlichen dritten Ausfertigung1) von Adam und Eva gleichzusetzen, umsomehr als wir wissen, daß diese von franzö sischer Seite dorthin verbracht wurde.2) Dieser Annahme stehen zweierlei Nachrichten entgegen. Es wird nämlich in der in Frage kommenden Literatur des 19. Jahrhunderts3) immer das Jahr 1796, also der erste Einfall der Franzosen in Nürnberg, als die Zeit angegeben, wo dieses Bild geraubt worden sei. Eine Aus nahme davon machen nur die beiden ältesten Nachrichten, die von Murr vom Jahre 1803 (S. oben S. 195, Anm. l), der richtig 1800/1 angibt, und die im Deutschen Unterhaltungsblatt für ge bildete Leser aus allen Ständen, Nr. 8 vom 27. Januar 1816 (S.oben S. 215, Anm. 3), bei der sich keine Zeitangabe findet. Dieser *) Auch dieser schlechterhaltenen Kopie wurde die Ehre zuteil für das Original gehalten zu werden und zwar durch keinen geringeren als Jakob Burckhardt. Während nämlich Franz Kugler in der ersten Auflage seines Handbuches der Geschichte der Malerei, 2 (1837), S. 96, sagt: >Das in der Provincial-Gallerie von Mainz befindliche Gemälde desselben Inhalts ist eine spätere und übermalte Copie«, meint Burckhardt in einer Anmerkung der zweiten Auflage auf S.213 des 2. Bandes (1847): »Und dennoch ist wohl das Mainzer Gemälde das arg mißhandelte, ehemals vielbewunderte Urbild* und glaubt, trotz der gänzlichen Übermalung, daß wenigstens in dem Kopf der Schlange »noch die volle geistreiche Originalität des Meisters sichtbar wird«. 2) So berichtet Nagler in seinem Albrecht Dürer. 1837, S. 23. 3) [Campe,] Reliquien. 1828, S. 57; Die Nüinbergiscben Künstler. 3 (1828], S. 11; Heller, Dürer. 2 (1831), S. 188 und 211; Waagen, Hand buch. 1 (1862), S. 507; Thausing, Dürer. 2. A., 2 (1884', S. 3; Eye, Dürer. 1892, S. 47.
223 Umstand ist, wie ich glaube, verhängnisvoll geworden. Das Fehlen einer genauen Zeitangabe — oder aber das gänzliche Abhandenkommen dieser beiden Nachrichten — hat nach einem Menschenalter dazu geführt, sie zu ergänzen, und dabei hat man an Stelle des Jahres 1801 das Jahr 1796 gesetzt, weil der Einfall der Franzosen in diesem letzten Jahr bei seinen viel schlimmeren Begleitumständen auch viel stärkere Eindrücke hinterlassen hat als der in ungleich angenehmeren Formen sich bewegende zweite Einfall. Dazu kommt noch eine Erwägung, die, daß man andernfalls annehmen müßte, der Nürnberger Rat habe nach Einbuße der im Rathaus aufbewahrten Tafeln im Jahre 1796 wieder eine neue Kopie an die Stelle der geraubten gehängt und trotzdem hätte dadurch der herkömmliche Glaube an ihre Echtheit, den Neveu doch in noch voller Kraft antraf, nicht gelitten. Mit der obigen Annahme läßt sich also meines Erachtens ohne allzu gewagte Künstelei der nicht zu leugnende Widerspruch einigermaßen befriedigend lösen. Die andere Schwierigkeit, die der Gleichsetzung der Main zer Bilder mit den Nürnberger Tafeln in den Weg tritt, ist die Nachricht, daß die Mainzer Adam und Eva aus der Galerie des Großherzogs von Florenz stammen.1) Nun haben wir zwar oben gesehen, daß ein Doppelbild von Adam und Eva seit dem 17. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert herein als dort vor handen sich nachweisen läßt. Ich muß aber die obigen An gaben dahin ergänzen, daß verschiedene der dort genannten Gewährsmänner außer dem in Florenz selbst befindlichen auch noch ein zweites Dürersches Doppelbild in Poggio Imperiale bezeugen, nämlich Lassel2) und Northall3). Dies scheint der Nachricht N. Müllers mehr Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Allein, es erhebt sich dagegen sogleich wieder eine gegenteilige Erwägung. Wir haben oben gesehen, daß Inghirami — zu Unrecht, wie aus der späteren richtigen Benennung der an gleicher Stelle hängenden Bilder hervorgeht — die Tafeln mit dem ersten Menschenpaar anstatt Dürer dem Lukas Cranach zugeschrieben hat. Daraus müssen wir entnehmen, daß auch Ü N. Müller, Städtische Gemäldesammlung in Mainz im Rheinischen Archiv für Geschichte und Litteratur. 9 (1812), S. 51. *) A. a. O. 1O73, S. 182, und 1682, S. 235. 8) A. a. 0. 176b, S. 78.
224 unter den damaligen Fachleuten hinsichtlich der Zuweisung manchmal Schwanken bestand. Diese Verwechslungen sind umso verständlicher, als in Florenz eben auch von Cranach lebens große Tafeln mit Adam und Eva sich befinden*), von denen ich leider nicht nachweisen kann, seit wann sie dort aufbewahrt werden. Die Nachrichten Lasseis und Northalls von zweiten Kopien des Dürerschen ersten Menschenpaares können also sehr leicht auf Verwechslungen mit den Cranachschen Tafeln zurückzuführen sein. Sie sind also nicht gerade als Bestätigungen der Meldung N. Müllers aufzufassen. Gegen deren Richtigkeit spricht ferner und, wie mir scheinen will, sehr gewichtig, daß in keinem der beiden von Aurelio Gotti*2) abgedruckten Ver zeichnisse »Nota dei Quadri e delle Tavole in pietredure della Galleria Palatina di Firenze portate l’anno 1799 a Parigi, per ordine dei Commissari della Repubblica francese« und »Prospetto dei monumenti di scienze e di arti reclamati al governo francese« von einem Werke Dürers die Rede ist und daß auch aus den gleich noch zu erwähnenden Verzeichnissen der von der französischen Regierung an die Stadt Mainz abgegebenen Gemälde sich gar kein Anhalt zur Stütze der Müllerschen Nachricht entnehmen läßt. Wenn man also diesem Gewährsmann nicht eine über das Maß örtlichen Herkommens hinausgehende Glaub würdigkeit zubilligen will, scheint mir die Gleichsetzung der früher Nürnberger mit den jetzigen Mainzer Tafeln doch immer noch die größte Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Wir begegnen uns da mit der Auffassung der Nürnberger Kreise, die aus diesem Glauben heraus wiederholt, 1814/1815, Versuche gemacht haben, wieder in den Besitz der ihnen geraubten Kunst*) Joseph Heller, Lucas Cranacbs Leben und Werke. 1821, S. 236, und 2. Auflage. 1854, S. 65. An letzterer Stelle spricht er selbst von dem Schwanken der Zuweisung und verweist auf seinen »Dürer« 2 (1827), S. 160. Vgl. ferner Alexandre Dumas, Galerie de Florence, grav£e sur cuivre. 1843. Die dort abgebildete Tafel entspricht den von Francis Zacchiroli, Description de la Galerie Royale de Florence, 2 (1783), S. 22 beim Cabinet de Pamour zu Nr. XX[V] gemachten Angaben; »Eve, tenant la pomrae dans la main droite. En table; par Luc. Cranach. C’est le pendant du tableau marqu6 au num. II« [nämlich S. 16: »Adam, figure grande comme nature. En table, par Luc. Cranach. Grand tableau«]. Die Dürersche Eva aber hat den Apfel in der linken Hand. ZacchiroJi wäre demnach der älteste sichere Zeuge für das Vorhandensein der Cranachschen Tafeln in Florenz. *) Le Gallerie e Musei di Firenze. 2. edizione. 1875, S. 409—414 und 424-432.
225 schätze zu kommen.l)2 Darüber habe ich noch auf Grund einiger der Städtbibliothek in Mainz gehöriger Akten zu berichten.*} Gegen Ende des Jahres 1814 bewog der Magistrat der Stadt Nürnberg die bayerische Regierung, wegen Rückgabe der von den Franzosen aus Nürnberg nach Mainz verschleppten Gemälde und Wiegendrucke dort vorstellig zu werden. Mit der Vertretung dieser Ansprüche wurde der bayerische Ober landesgerichtsrat Hermann aus Aschaffenburg beauftragt. Mainz stand damals als Bundesfestung unter gemeinsamer österrei chischer und preußischer Verwaltung. Diese holte über das Gesuch der bayerischen Regierung bei dem Kreisdirektor und Oberbürgermeister von Mainz von Jungenfeld Bericht ein. Die Folge davon war ein Gutachten des Mainzer Bibliothekars und Vorstehers der wissenschaftlichen Sammlungen der Stadt Professor Friedrich Lehne3) »über die von der Stadt Nürnberg reklamirten Gemälde und Incunablen, die sich in der Sammlung der Stadt vorfinden sollen«4). Lehne erklärt, daß die Ansprüche Nürnbergs in keiner Weise begründet seien. »Sie wurden wahrscheinlicher Weise durch den Anblik eines Gemäldes von Albrecht Dürer veranlaßt, dessen zweites Ebenbild sich würklich ehemals in Nürnberg fand, aber nach allen Beschreibungen von dem unsrigen ganz verschieden war; indem sich auf dem Nürnberger das Portrait des Mahlers zeigte, das auf dem unsrigen fehlt, indem ferner dort der blose Name desselben, auf dem unsrigen aber das Wort Allemannus dabei steht, welches der Mahler aus deutschem Künstlergefühl dazu setzte, weil sein Gemälde für das Ausland bestimmt war. Die Existenz beider übrigens gleichen Gemälde ist in der Kunstgeschichte bekannt.« Die Angaben wegen der Inkunabeln ist falsch, »weil die Stadt Mainz nie Incunablen von Seiten der französischen Regierung empfangen *) Kurze Nachrichten hierüber finden sich im Deutschen Unterbaltungsblatt für gebildete Leser aus allen Ständen. 1816, Nr. 8 vom 27. Januar, S. 30, bei Heller, Leben und Werke Albrecht Dürers, 2 (1831), S. 188, und bei O. von Eye, Leben und Wirken Albrecht Dürers, 1860, S. 246. Vgl. dagegen G. C. Nagler, Albrecht Dürer. 1837, S. 23. 2) Ich verdanke diese Kenntnis und die Möglichkeit der Benützung der Liebenswürdigkeit des Vorstandes der Mainzer Stadtbibliothek, Herrn Professor Dr. Gustav Binz. 8) Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen 14. Jg. 1836, I (1838), S. 157 L 4j Mainz, Stadtbibliothek. Generalregister Nr. 2761.
226 hat, wohl aber mehrer kostbaren selbst beraubt worden ist«. Der Fordernde möge seine Ansprüche im einzelnen begründen. »Die K. K. Oesterreichische und K. Preußische vereinigte Administration der Stadt und Festung Mainz« — dies war ihr voller amtlicher Titel — übersandte auf diesen Bericht am 31. Dezember 18141) der — damals noch — provisorischen Kreisdirektion das Verzeichnis der von der Stadt Nürnberg zurückgeforderten Kunstschätze2) und ersuchte, dem K. Bayer. Oberlandesgerichtsrat Hermann die Einsicht in die städtische Bibliothek und Gemäldesammlung zu gestatten, welche Einsicht aber keineswegs den Charakter einer förmlichen Revision anzu nehmen habe. Der Kreisdirektor von Jungenfeld gab daraufhin am 2. Januar 1815 dem Bibliothekar Lehne entsprechende An weisung. Dieser erstattete unter dem 3. Januar 1815 Bericht3). Er habe Hermann in seinem Gasthof aufgesucht und noch vor dem Besuch der Sammlungen die Erklärung abgegeben, »daß die ihm [i. e. Hermann] ertheilte Begünstigung keineswegs als eine Anerkennung der Ansprüche auf die Kunstschätze der Stadt Mainz anzusehen sei, sondern als eine jedem Fremden erzeugte Höflichkeit. Die hohen vereinigten Mächte, indem sie den Franzosen die wissenschaftlichen Früchte ihrer Eroberungen als Eigenthum gelassen, hätten dadurch den Besitzstand dieser Gegenstände für jeden dritten sanctionnirt, darum könne die Stadt Mainz keinen Anspruch irgend einer Stadt auf ihre Kunst schätze anerkennen, die sie als eine kleine Entschädigung eigenen Verlustes anzusehen berechtigt wäre.« In der Bibliothek habe er an der Hand der Kataloge nachweisen können, daß keiner der zurückgeforderten Wiegendrucke sich im Besitze der Stadt Mainz befinde. »Bei der Ansicht der Gemälde zeigte sich es gleichfalls, daß von den fünf Gegenständen seiner Reklamation keines als das der Stadt Nürnberg einmals eigentümliche Ge mälde von Adam und Eva, ein Werk Albrecht Dürers, vorhanden sei, Herr Oberlandesgerichtsrath Hermann erklärte sich völlig überzeugt, daß die der Stadt Nürnberg und dem hohen bayeri schen Ministerio ertheilten Nachrichten grundlos seien, und hat *) Nr. 2432 — Mainz, Stadlbibliothek. Gcneralregister Nr. 2773. *) Liegt nicht bei. Vgl. S. 192, Anm 1. 8) Mainz, Stadlbibliothek. Generalregister Nr. 2792.
227 heute Mainz verlassen, um an Herrn von Zwa[c]k[h]l) seinen Bericht abzustatten.« Diesen Bericht Lehnes gab unter dem 4. Januar 18152) v. Jungenfeld an die Vereinigte Administration weiter, indem er dabei den von Lehne geäußerten Gedanken, daß aus dem Ver halten der vereinigten Mächte gegenüber den Franzosen die Rechtmäßigkeit eines allenfallsigen den Franzosen verdankten Besitzes der Stadt Mainz abzuleiten sei, hauptsächlich nach der rechtlichen Seite weiter ausführte. Damit war dieser erste Versuch Nürnbergs, wieder in den Besitz der geraubten Schätze zu gelangen, mit Erfolg abgeschlagen. Doch, bevor noch das Jahr zu Ende ging, folgte von dort ein zweiter Vorstoß, der das gleiche Ziel ins Auge faßte. Er ging aus von dem damaligen Direktor der Nürnberger Maler-Aka demie Albert Reindel3), der eine, wie es scheint, persönliche Eingabe an den Erzherzog Karl4) richtete und ihn darin um seine Unterstützung zur Wiedererlangung wenigstens der geraubten Gemälde ersuchte. Erzherzog Karl nahm sich auch wirklich der Sache an und unter dem 7. November 18155) teilte die Vereinigte Administration der Kreisdirektion in Mainz mit, daß die Stadt Nürnberg abermals die in den Anlagen6) verzeichneten Gemälde, »welche zur Zeit der französischen Invasion derselben genommen und von dem ehemaligen französischen Kaiser der *) Das Hof- und Staats-Handbuch des Königreichs Baiern 1813 — 1814 und 1815 stand mir leider nicht zur Verfügung — kennt 2 höhere Beamte dieses Namens: 1. Franz Xaver von Zwackh, Gesandter in Frankfurt, und 2. Philipp von Zwackh, Direktor am Ober-Appellationsgericht in München. Welcher der beiden hier gemeint ist, muß ich dahingestellt sein lassen. *) Nr. 1212 [zu Nr. 2432 und Nr. 2773]. *) Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. 28 (1889), S. 11 ff., und Georg Schrötter, Die Nürnberger Malerakademie und Zeichenschule. 1908, S. 81 ff. [= Neujahrsblätter. Herausgegeben von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. 3]. 4) Erzherzog Karl Ludwig von Österreich (1771 — 1847), der Sieger von Aspern, war 1815 Gouverneur von Mainz geworden. Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie. 15 (1882), S. 322 ff. Erzherzog Karl war schon im Jahre 1801, als Preußen und Bayern die Stadt bedrängten und ihr der Verlust der Reichs unmittelbarkeit drohte, von Nürnberg um seine Fürsprache angegangen worden. Vgl. Baader, Streiflichter, S. 5. 8) Nr. 3962 == Mainz, Stadtbibliothek. Generalregister Nr. 6742. •) Diese Anlagen bestehen aus einem Verzeichnis der zurtickgeforderten 5 Gemälde und — offenbar zur Begründung dieses Anspruches — einer beglaubigten Abschrift der Neveuschen Quittung vom 15. Ventöse IX ; vgl. oben S. 192 ff. 15
228 hiesigen Gallerie überlassen sein sollen.« Ihr Vorhandensein Und ihre Herkunft sei festzustellen. Die Kreisdirektion gab dann unter dem 15. November 1815 dem Bibliothekar Lehne den Auftrag, gemeinsam mit dem Konservator der Gemäldesammlung Bericht zu erstatten. Dieser zweite Bericht lag mir nicht vor; vermutlich hat er sich nicht erhalten. Dagegen konnte ich eine Anzahl Akten aus den jahren XII und XIII = 1803 und 1804 durch sehen, die wohl damals zur Berichterstattung herangezogen wurden. Sie geben Nachricht von der Überweisung einer großen Anzahl von Bildern aus Paris nach Mainz sowie von dem schlechten Zustand, in dem die vor ihrer Absendung noch mit einigen Kosten wiederhergestellten Bilder der Sendung 9 in Mainz eingetroffen sind. Bei dieser Sendung befand sich als eines der durch Sand und Wasser am schwersten beschädigten Gemälde die Dürersche Doppeltafel mit dem ersten Menschenpaar. Über die ursprüngliche Herkunft der einzelnen Stücke läßt jedoch aus diesen Akten nichts entnehmen1). Die Kreisdirektion hatte den uns fehlenden Lehneschen Bericht, der umgehend abgefaßt worden sein muß, der Verei nigten Administration vorgelegt. Als Antwort beauftragt diese schon am 18. November2)* die * * *Kreisdirektion, * Reindel auf seine bei S. Kais. Hoheit Erzherzog Karl eingereichte, mit keiner höheren Autorisation versehene Reklamation wegen Rückgabe der durch die Franzosen nach Mainz verschleppten Gemälde zu eröffnen, daß bereits im verflossenen Jahre der mit gehöriger Vollmacht versehene k. b. Oberlandesgerichtsrat Hermann sich davon überzeugt habe, daß keines der in Frage kommenden Gemälde in der Mainzer Gallerie vorhanden sei. Durch Schreiben vom 23. November 18158) an Reindel entledigte sich der Kreisdirektor von Jungenfeld dieses Auftrags. Damit war auch dieser zweite Versuch mißlungen, bei dessen ergebnislosem Ausgang man sich von nun an in Nürnberg beruhigte. Dieser Haltung des J) Eine Reihe weiterer Akten aus den Jahren 1817 —1820 beschäftigen sich mit der Frage der Wiederherstellung der beschädigten Bilder in der Mainzer Gemäldesammlung. Es ist dabei zwar immer auch von Dürers Adam nnd Eva die Rede, für unsere Zwecke läßt sich jedoch aus diesen Schrift stücken ebensowenig etwas entnehmen. *) Nr. 4086 m Mainz, Stadtbibliothek. Generalregister Nr. 6828. 8) Nr. 4210 [zu Nr. 6828].
229 Nürnberger Magistrats lagen wohl ähnliche Erwägungen zu^ gründe wie die, denen Friedrich Campe noch 1828 in seinen »Reliquien von Albrecht Dürer«, S. 57, Anmerkung, Ausdruck gibt mit den lebhaften Worten: »Da [i. e. in Mainz] hängt sie [i. e. die Tafel mit Adam und Eva] nun noch heute, eine Satyre auf Dürers Namen; ihrem Unwerthe hat sie die gute Ruhe zu verdanken, sonst wäre sie längst reclamirt und wieder hier«. In der Tat scheint mir das Verfahren und die Begründung der Mainzer nicht auf recht festen Füßen zu stehen. Die Ablehnung Reindels wird nicht nur durch neue Tatsachen, sondern durch den Hinweis auf den Verzicht Hermanns begründet. Da die Vereinigte Administration Bericht auch über die Herkunft einge fordert hatte, dürfte man, wenn wir auch den Lehneschen Bericht nicht kennen, doch annehmen, daß ein allenfallsiger Nachwes nichtnürnbergischer Herkunft in der ablehnenden Antwort an Reindel sicher ausgespielt worden wäre. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der Fall. Es bleibt also als Begründung der Ablehnung die Überzeugung von der Nichtidentität, die Hermann bei seinem Besuche gewonnen hat. Dieser Besuch war nur kurz und. der Besucher kein Fachmann, zwei gewichtige Punkte bei einer Sache, über die gewiegte Kenner lange Zeit sehr verschiedener Meinung waren. Daß die Untersuchung damals nicht sehr eingehend war, scheint mir auch daraus hervorzugehen, daß man erst durch eine erneute genaue Unter suchung1) des Bildes bei Gelegenheit seiner Wiederherstellung im Jahre 1820 feststellte, daß es eigentlich aus zwei getrennten Tafeln zusammengesetzt sei, ein Umstand, der wiederum sehr gut zu der früheren getrennten Aufhängung der Bilder in Nürnberg paßt.2) Die Begründung Lehnes, daß die Beschreibung des Nürn berger Bildes nicht auf das Mainzer passe und daß Dürer auf *) Hierüber gibt ein bei den Mainzer Akten liegender Brief des Darm städter Galerie-Inspektors F. H. Müller vom 16.Januar 1820 Aufschluß. Müller besorgte die Wiederherstellung der beschädigten Mainzer Gemälde. *) Da das alte nach Prag gekommene Urbild, wie wir oben (S. 217) gesehen haben, ausdrücklich als aus 2 Tafeln bestehend bezeichnet wurde, vom Rat aber die Kopie gleichsam zur Täuschung an die gleiche Stelle gehängt wurde, so muß man doch als sicher annehmen, daß die Nachbildung auch in 2 Teilen bestand, auch wenn die späteren Gewährsmänner nur von einem Bilde sprechen. Die Gruppe wurde eben immer sachlich durchaus als eine Einheit empfunden.
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230 das Exemplar, das für das Ausland bestimmt war, aus deutschem Künstlerstolz »Allemannus« beigesetzt habe, kehrt wieder in einer bisher noch nicht erwähnten Beilage zu den obigen Akten, betitelt: »Taxirtes Verzeichnis der städtischen Gemäldesammlung in Mainz im Stande von 1834«. Darin heißt es bei Nr. 6: »Adam und Eva, das erste Menschenpaar im Paradiese vor dem Baum der Versuchung. — Dieses Gemälde, eins der berühmtesten und aus der zweiten besseren Kunstperiode des Meisters hat derselbe zweimal gemalt, einmal für seine Vater stadt, wo er selbst hinterm Baumstamm sichtbar ist und das Monogramatäfelchen mit Noricus bezeichnet ist, und dann außer seinem Portrait durchaus dasselbe, welches er ins Ausland versendet hat, welches wir itzt hier besitzen und dessen Mono gramm das Nationalstolze Allemannus beigefügt erscheint . . . Es kommt aus der Galerie des Herzogs von Florenz«. Um die letzte Behauptung gleich vorwegzunehmen, so haben wir oben (S. 223 und 224) schon darauf hingewiesen, daß sie nur durch die Aussage N. Müllers gestützt wird. Was des weiteren die Unterscheidung zwischen Noricus und Allemannus betrifft, so glaube ich, daß damit Dürer moderne Anschauungen unter geschoben würden, die man damals in dieser Prägung doch wohl noch nicht kannte. Überdies geben sowohl Murr wie Roth (s. oben S. 222) bei der Beschreibung des Bildes »Almanus« und nicht »Noricus« an, und wenn des weitern wirklich auf dem Nürnberger Bild Dürer sich selbst mitabgebildet hätte, so wäre es doch sehr verwunderlich, wenn keiner der mancherlei Zeugen, die diese Tafeln gesehen haben, dieses Umstandes Erwähnung getan haben sollte. Stellen sich so die Aufstellungen des Mainzer Bibliothekars zur Begründung der dortigen Ansprüche als wenig zwingend heraus, so macht dagegen Schwierigkeiten ein Umstand, der von dieser Seite gar nicht erwähnt wurde. In den Beschreibungen der Nürnberg-Mainzer Tafeln bei Murr und Roth (s. oben S. 222) und auch später bei Weise1) und Heller2) heißt es: »Adam und Eva; zwischen ihnen der Baum der Erkenntniß mit der Schlange«. Diese Angabe paßt aber auf keines der Bilder, *) Albrecht Dürer und sein Zeitalter. 1819, S. 93. *) Leben und Werk« Albrecht Dürers. 2 (1831), S. 188.
231 weder die in Madrid, noch die in Florenz, noch die in Mainz. Diesen Widerspruch kann ich nur durch die Vermutung lösen, daß da der Stich vom Jahr 1504 als falsches Erinnerungsbild hereinspielt, denn auf diesen paßt die obige Beschreibung. Und noch etwas würde er erklären. Wie dieser Stich die oben genannten Forscher hinsichtlich der Beschreibung des Nürnberger Bildes irregeführt hat, so bezog eben daher der Mainzer Bibliothekar, der ihn gleichfalls als getreue Nachbildung der Nürnberger Tafeln auffaßte, seinen vorerwähnten, von uns abgelehnten Unterschied zwischen »Noricus« und »Almannus«, denn nur auf dem Stich heißt es »Noricus«, auf den Gemälden dagegen »Almannus«. Die Durchsicht auch der Mainzer Schriftstücke, soweit sie uns zur Verfügung standen, hat also, von dem späten, offenbar auf Müller zurückgehenden Zeugnis von 1834 abgesehen, keine aktenmäßige, zuverlässige Nachricht über die Herkunft der Doppeltafel gebracht, ich glaube daher mit Recht auf mein oben schon geäußertes Urteil zurückkommen zu dürfen, daß zwar ein glatter und zwingender Nachweis in dieser Sache auf Grund der bisherigen Quellen nicht zu führen ist, daß aber die allergrößte Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß das Mainzer Doppelbild ehemals lange Jahrzehnte im Nürnberger Rathaus aufgehängt war. Damit schließen wir die Nachforschung nach den Schicksalen der geraubten Gemälde ab. Nur über das letztgenannte konnten wir zu einer einigermaßen gesicherten Feststellung gelangen. Hinsichtlich der gleichfalls zu Verlust gegangenen Bücher wird uns ein kürzerer Weg zu sichereren Ergebnissen führen. Bevor wir auf die Bücher-Forderungen Neveus im Ein zelnen eingehen, erhebt sich auch hier die Frage, wie konnte man auswärts, vor allem in Frankreich, wissen, was an wert vollen Drucken in Nürnberg vorhanden war. Gute Dienste leistete auch hiefür die Orts- und Reiseliteratur des 18. Jahr hunderts, die, ebenso wie bei den Gemäldesammlungen, so auch bei den Bibliotheken die bemerkenswertesten Stücke mehr oder minder ausführlich und genau angab. Dann aber waren im Laufe des letzten Jahrzehntes vor der Wende des Jahrhunderts die für die Kenntnis der frühen Druckgeschichte grundlegenden
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Werke des Nürnberger Pfarrherrn Georg Wolfgang Panzer1), die Annalen der älteren deutschen Litteratur2) und die Annales typographici3) erschienen, die von der ganzen damaligen gelehrten Welt mit Bewunderung begrüßt und freudigst benützt wurden. Panzer hatte dabei die reichen Bestände der Nürnberger Bibliotheken an frühen Drucken sorgfältig verwertet und mit berechtigtem Stolz jeweils angegeben, wenn der von ihm beschriebene Druck in seiner Vaterstadt vorhanden war. Dadurch lag der Umfang der Nürnberger Schätze klar am Tage. Aus diesen Quellen hatte man in Paris ein Verzeichnis der dort fehlenden Frühdrucke zusammengestellt, die auf seiner Reise möglichst vollzählig zu beschaffen Neveu den Auftrag erhielt. Der oben (S. 200) erwähnte Zapf4) bestätigt dies, wenn er erzählt, daß »Neveu immer sein Verzeichnis von den der National bibliothek noch abgehenden Büchern bei sich hatte«. Ob Neveu seinen geheimen Vorbesuch in Nürnberg auch dazu benützt hat, um das ihm von Paris mitgegebene Verzeichnis nach Seite der Signaturen hin zu ergänzen, ist kaum zu entscheiden. Bei den Abweichungen, die zwischen den Angaben der gedruckten Literatur und dem Wortlaut der Neveuschen Liste bestehen, ist ebenfalls nicht sicher festzustellen, welcher Quelle man bei Aufstellung der letzteren gefolgt ist, wenngleich die Benützung der Murrschen Memorabilien die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Wenn ich nun im Folgenden das Neveusche Verzeichnis abdrucke, werde ich dabei von Nummer zu Nummer den Nach weis führen, daß das betreffende Werk in der Literatur als in Nürnberg vorhanden bekannt war, doch werde ich mich dabei, abgesehen von einzelnen Fällen, auf die Werke von Murr5) und F. K. G. Hirsching0) beschränken und deren Angaben bei jedem Titel durch einen Hinweis auf Panzer ($91 und PA abgekürzt) ergänzen. *) S. oben S. 178, Anm. 3. *) Bd. 1 ff. 1788 ff. 8) Bd. 1 ff. 1793 ff*) A. a. O., Sp. 1341. 8) Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in des H. R. Reichs freyen Stadt Nürnberg. 1778 [= 9JI] und Memorabilia bibliothecarum publicarum Norimbergensium et universitatis Altdorfinae. I (1786) [ = M]. ®) Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Teutschlands. 3, 1 (1788) [= H].
233 Das Neveusche Verzeichnis (A 13/14) lautet: BIBLIOTHEQUE DE LA VILLE DE NUREMBERG. 1. Durandi Rationale Divinorum officiorum. Moguntiae. Jean Fust. 1459. in Fol. imprime sur Velin. Nr. 1. du Catalogue de la Bibliotheque. — Vgl. SR 100. H 42. M 257. PA II, 112. 3. 2. Constitutiones Clementis V. Papse. Moguntie. J. Fust. 1460. in Fol. imprime sur velin. Nr. 19. — Vgl. SR 100. H 42. M 258. PA II, 112. 4. 3. Sextus Liber Decretalium. Moguntie. Jean Fust. 1460. *) in Fol. imprime sur Velin. Nr. 66. — Vgl. SR 100. H 42. M 259. PA II, 114. 7. 4. Lactantii Opera, in Monasterio Sublacensi. 1465. in Fol. Nr. 596. — Vgl. SR 100. H. 42/43. M 260. PA II, 405. 2. 5. Joan. de Turrecremata Meditationes. Romae. Vlricus Gallus. 1467. in Fol. cum Figuris. [Num. 2].*2) — Vgl. SR 100. H 43. M 261. PA II, 407. 6 (»Unicum exemplum libri huius rarissimi, quod hactenus detegi potuit, idque optime, conservatum, UNICA tanquam PHOENIX, extat in Bibliotheca publica Norimbergensi.«) 6. Cicero de Oratore. Romae. 1469. petit in Fol. Nr. 47. — Vgl. SR 100. H 44. M 266. PA II, 409. 13. 7. Ciceronis Epistolse. ad Brutum. Venetiis. Nie. Jenson. 1470» infol. Nr. 29. — Vgl. SR 101. H 44. M 267. PA III, 69. 22. 8. Sallustius. 1471. in Fol. Nr. 18. — Vgl. SR 101. H 44. M 267. PA III, 72. 32. Mesua. de Medicinis Morborum particularium. SR 101. 1471. infol. Nr. 139 [a]. 10. Petri Aponi additionnes ad Mesuam. 1471. H 45. M 267. PA 111,81.67. in Fol. Nr. 139 [b]. 11. Quintilianus. Venetiis. 1471. in Fol. Nr. 26. - - Vgl. SR 101. H 45. M 267. PA III, 77. 51. 12. Donati et Servii Commentaria in Virgilium. Ventis Valdarfer. 1471. inf. Nr. 21. — Vgl. SR 101. H 45. M 267. PA III, 79. 59. *) Fälschlich statt 1465. 2) Die Ergänzungen der Signaturen nach SR, H und M.
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13. Ciceronis Orationes. 1472. in Fol. Nr. 45. — Vgl. SR 102. 14.
15. 16. 17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24. 25.
H 46. M 268. PA III, 92. 106. Joan. de Turrecremata. Explanatio in Psalmos. Augustae. 1472. inf. Nr. 2 [c]. — Vgl. 3R 102. H 46. M 268. PA I, 102. 14. Leonardi Aretini Epistolae Familiäres. 1472. in F. Nr. 27. — Vgl. 3R 102. H 46. M 269. PA IV, 7. 28. Bocacii Decameron. Italic^. Mantuae. 1472. infol. Nr. 73. — Vgl. SR 102. H 46. M 269. PA II, 3. 1. Lascaris Erotemata. Grecae. Linguae. Venis- 1494. in 4°. Nr. 1779. — Vgl. SR 115. H 53. M 294. PA III, 361. 1846. Cicero, de Finibus bonorum et malorum. in 4°. Vetus Editio. Nr. 129 [a]. — Vgl. H 56. M 311. PA I, 328. 396. Panzer hat nur eine Ausgabe in 4° ohne Ort und Jahr mit dem Zusatz Bibi. P. Nor. S. unten Nr. 41! Scriptores de rb Rusticä. Venetiis 1472. in Fol. Nr. 75. — Vgl. SR 102. H 46 (Fälschlich als Nr. 57 bezeichnet). M 269. PA III, 89, 94. Macrobius. Venetiis. 1472. in Fol. Nr. 33. — Vgl. SR 102. H 46. M 269. PA III, 89. 93. Bocacius. de Claris mulieribus. cum Fig. Ligneis. Vlmae 1473. inf. Nr. 182. — Vgl. SR 103. H 47 (dafür fälschlich 37 gedruckt). M 277 (= Solg. I, num. 1206). PA III, 528. 3. Peroti Rudimenta Grammatices. Ven’s- 1474. in Fol. Nr. 150 [a]. — Vgl. SR 104. H 48. M 278. PA III, 207. 775 (Gibt 1484 als eigentliches Druckjahr an). Valerius Maximus. 1475. in Fol. in Bibi. Solgeriana. Nr. 1042 [= Nr. 181]. — Vgl. 3ß 105. H 48. M 279. PA II, 21. 47 (Bei letzteren auch der Verweis auf die Bibi. Solg. I, Nr. 1042). Philelphi Satirae. Mediolane. 1476. infol. Nr. 117. — Vgl. 2ß 106. H 49. M 280. PA II, 24. 73. Wolfram von Eschenbach Zvvey Heldengedichte. (Poemes heroi’ques). 1477. in Fol. in Bibi. Solgeriana. [I,] Nr, 1866. — Vgl. H 49. M 282. .$91 1, 101—103. 83 und 84 (Gibt an, daß Parzival und Tyturell in dem Exemplar der Bibi. Solg. zusammengebunden waren).
235 26. Stern des Messiach. (Etoile du Messie) Eslingen. 1477. infol. in Bibi. Solgeriana [II, Nr. 509]. Nr. 1866.1)* 3— Vgl. Säubert') 132. H 49 (kl. Fol.). M 282. $91 I, 95. 73 (gr. 4°). 27. Sachsen Spiegel, (le Jeu des Echecs [!]) Strasbourg.8) 1482. in Folio. — Vgl. H 51. M 287. $91 I, 124. 147 (Geben sämtlich als Druckort richtig Augsburg an). 28. Crastoni Lexicon. Graeco Latinum. Vicentiae. 1483. in Fol. [Philos.] Nr. 35. — Vgl. Säubert 148. M 288. PA III, 516. 54. 29. Scala Coeli. Argentinae. 1483. inFolio. — Vgl. Säubert 147. TO 112. M 288. PA I, 24, 46. 30. Crastoni Lexicon. Graeco Latinum. Mutinae 1499. in Fol. [Philos.] Nr. 32. —Vgl. Säubert 205. M298. PA II, 152. 40. 31. Dati Elegantiae. in 4°. Sine anno. Nr. 150 [b]. — Vgl. M 299. PA IV, 120. 417 oder 418. 32. Servius in Virgilium. in Fol. Vetus Editio. Sine anno. Nr. 6 [b]. — Vgl. TO 121. H 32. M 300. PA I, 76. 415. 33. Titus Livius. 3. Vol. in Fol. Romae. Sine anno. Nr. 8. 9. 10. — Vgl. TO 121. H 32. M 300. PA II, 412. 20. (»Bibi. P. Nor., in qua opus hoc splendidissimum tribus Voluminibus compacfum extat«). 34. Biblia Latina Germanica, in Fol. Vetus Editio.4)* * * *) Fälschlich für 186. Historia Bibliothecae Reip. Noribergensis . . . Authore J. Sauberto.
*j
1643
3) Fälschlich für Augsburg. 4) Die Unzulänglichkeit der Angabe macht eine genaue Feststellung des Druckes unsicher. Da damals eine vollständige lateinisch-deutsche Bibel nicht bekannt war, kann der Ausdruck Biblia nicht wörtlich genommen werden. Setzen wir dafür Psalterium an, so haben wir die Auswahl zwischen 3 Drucken, die Panzer, Annales V, 94, a, anführt. Der erste von ihnen würde der Größe, 2°, nach, passen, doch fehlt bei Panzer I, 95. 514 der Zusatz Bibi. P. Nor. Die beiden andern sind in 40. Nehmen wir einen zweitenFehler an, Fol.statt 40, so können wir den 3. Druck, bei Panzer I, 128. 174, in Nürnberg nachweisen, nämlich bei TO, S. 119, wo er die Signatur Bibi. Solg. T. II, n. 58 trägt, was mit den Angaben auf S. 10 von Bd. II der Solgerschen Bibliotheca, 1761» übereinstimmt. Danach sollte man erwarten, daß dieser Druck in die Nürn berger Stadtbibliothek gekommen sein müßte. M 368 erwähnt ihn auch als in deren Besitz, Panzer aber spricht sowohl in seiner »Ausführlichen Beschrei bung der ältesten Augsburgischen Ausgaben der Bibel«, 1780, S. 41, wie in seinen Annales typographici, a. a. O., 1793, nur von einem Exemplar, das er selbst besitze. Es ergibt sich also selbst bei Annahme zweier Versehen in der Neveuschen Angabe keine ganz befriedigende Lösung.
236 35. Biblia Germanica, in Fol. Vetus Editio. Bibi. Solgeriana. [I,] Nr. 65. — Vgl. ÜJi 116/7. H 62. M 341. $91 I, 9. 8. Panzer, Nürnberger Bibeln,1) 9. I. Mainz 1462. 36. Eadem Biblia Germanica, in Fol. Vetus Editio. [Incertor.] Nr. 5. — Vgl. 117 und 121. H 62. M 300 und 348. $91 I, 11. 9. Panzer, Nürnberger Bibeln, 22. II. Straßburg 1466 (Hier fälschlich als Nr. 4 bezeichnet). 37. Eadem. augustae Vindel. 1472. in Fol. [Incertor.] Nr. 4. — Vgl. 9K 117 und 121. H 63. M 300 und 351. $911,14.12. Panzer, Nürnberger Bibeln, 40. IV. Augsburg 1473—75. 38. Vocabularium Latino Germanicum. in Fol. Vetus Editio. Sine anno. Nr. 44 [e]. — Vgl. ä» 122. M 302. PA I, 133. 199. 39. Valerius Maximus. in Fol. Vetus Editio. Sine anno. Nr.63[a]. — Vgl. 3JI 124. H 55. M 304. PA I, 74. 408. 40. Cicero de Oratore. in Fol. vetus editio sine [anno.] Nr. 74 [a]. — Vgl. m 125. H 56. M 305. PA III, 483. 2706. 41. Cicero de Finibus bonorum et Malorum. in 4°. Vetus Editio. sine anno. Nr. 78 [a]. — Vgl. 125. H 56. M 305. PA I, 328. 396. S. oben Nr. 18 ! 42. Tacitus in Folio. Venetiis Vetus Editio sine anno. Nr. 86 [a]. — Vgl. äft 126. H 56. M 306 (Das Spire bei allen dreien wohl eine Verwechslung mit dem Namen des Druckers Vendelinus de Spira). PA III, 63. 4. 43. Vegetius Germanicfc. in 4 °. Vetus Editio. Nr. 100. — Vgl. H 56. M 308. $91 I, 38. 67 (Hier als fol. bezeichnet). 44. Mathaei Silvati. Pandectae Medicinae. in Fol. Vetus editio. Nr. 103. — Vgl. H 56. M 308. PA I, 79. 429. 45. Aggregator Paduanus de Medicinis Simplicibus. in Fol. Vetus Editio. Nr. 104. — Vgl. H 56. M 308. PA I, 79. 430 (Verfasser ist Jacobus de Dondis). 46. Vocabularium Latino Germanicum. in 4°. Vetus Editio. Nr. 131. — Vgl. M 311. PA IV, 210. 1298. 47. Georgii Purbachii Theorica nova Planetarum. in 4°. Vetus Editio. Nr. 116. — Vgl. M 310. PA II, 77. 463. !) Georg Wolfgang Panzers litterarische Nachricht von den allerältesten gedruckten deutschen Bibeln aus dem funfzehenden Jahrhundert, welche in der öffentlichen Bibliothek der Reichsstadt Nürnberg auf bewahrt werden. 1777-
237 48. Biblia Germanica. Augustae Vindel. 1477. infol. 2. Vol. Nr. 6 et 7. — Vgl. 9ftll7 (Fälschlich als Incertor. bezeichnet). H 63. M 354. $21 I, 93. 71. Panzer, Nürnberger Bibeln, 51. V (Das Nürnberger Exemplar ist in 2 Bände gebunden). 49. Eadem. Augustae Vindel. Antonius Sorg. 1477. in Fol. Bibi. Solgern.a [I,] Nr. 67. — Vgl. ätt 118. H 64. M 355. $21 I, 94. 72. Panzer, Nürnberger Bibeln, 56. VI. 50. Biblia Latina. Vetus Editio. 2. Vol. in Fol. [Incertor.] Nr. 1 et 2. — Vgl. SJt 121. H 64. M300 und 360. PAI, 80. 435. Aus dieser langen Liste hat Neveu schließlich die oben S. 193 angeführten 12 Drucke bekommen, deren Nummern hier fettgedruckt sind. Sie wanderten nach Paris und haben dort, ungleich den Gemälden, in der Bibliotheque Nationale eine dauernde Stätte gefunden. Der sichere Nachweis für diese Behauptung war früher außerhalb dieser Anstalt nicht zu führen und kann auch jetzt nur soweit wirklich zuverlässig geführt werden, als der Katalog der Pariser Nationalbibliothek im Druck erschienen ist.1) Da Neveu bei Übersendung seiner Liste (S. oben S. 177 und 179) mitteilte, daß die von ihm geforderten Drucke der Pariser Bibliothek fehlen, dürfen wir sicher sein, daß, wenn jetzt nur ein Exemplar der betreffenden Drucke im Katalog angegeben ist, dieses das ehemals nürnbergische sein muß und daß in den Fällen, in denen man nach dem Katalog zwischen verschiedenen vorhandenen schwanken kann, ein Augenschein diese Zweifel wohl sofort lösen würde. Ich stelle daher im Folgenden nochmals in einer kleinen Liste zusammen, was aus der obengegebenen in der Bibliotheque Nationale nachzuweisen ist. 7. Ciceronis Epistolae ad Brutum. Hain2) *5214. Pellechet3) 3630. Bibi. Nat. Res. Z. 122 (Das die Signatur Res. Z. 121 tragende Exemplar kommt wohl nicht in Betracht, da es Einträge von der Hand Polizianos enthält). 13. Ciceronis Orationes. Hain-Copinger4) *5123. Pellechet 3690. Bibi. Nat. Res. X. 421 oder 422. J) Catalogue g6n£ral des livres imprim6s de la Bibliotheque Nationale. Auteurs i ff. 1897 ff. 2) Repertorium bibliographicum. Opera Ludovici Hain. 1 ff. 1826 ff. 8) M. Pellechet, Catalogue g£n£ral des incunables des bibliotheques publiques de France. 1 — 3* 1897 —1909. 4)W.A.Copinger,Supplement toHain'sRepertoriumBibliographicum. 1.1895.
238 15. Leonardi Aretini Epistolae Familiäres. Hain-Copinger *1565. Pellechet 1118. Bibi. Nat. Res. Z. 545. 21. Bocacius de Claris mulieribus. Hain *3329. Pellechet 2474. Bibi. Nat. R6s. G. 362 (Das die Signatur Res. G. 363 tragende Exemplar ist unvollständig). 30. Crastoni Lexicon Graeco-Latinum. Hain *5814. Pellechet 4043. Bibi. Nat. Res. X. 487. 40. Cicero de Oratore. Hain 5096. Pellechet 3661. *) Bibi. Nat. R£s. X. 323. 41. Cicero de Finibus bonorum et Malorum. Hain-Copinger *5326. Pellechet 3786. Bibi. Nat. Res. *E. 284. 45. [Jacobus de Dondis,] Aggregator Paduanus de Medicinis Simplicibus. Hain-Copinger *6395 (2. Druck). Pellechet 4435. Bibi. Nat. Res. Te 1M. 5. Die übrigen 4 Nummern 10. Petri Aponi additiones ad Mesuam. Hain-Copinger 11107. 12. Donati et Servii Commentaria in Virgilium. Hain-Copin ger 14 705. 43. Vegetius. Germanicfc. Hain-Copinger *15 916. 44. Mathaei Silvati Pandectae Medicinae. Hain-Copinger *15 192. sind, da der gedruckte Katalog noch nicht bis zu diesen Buchstaben vorgerückt ist, in dieser Weise einstweilen nicht festzustellen. Da aber bei den obigen 8 Nummern vom Anfang des Alphabets dieser Nachweis geführt werden konnte, so ist es wohl kaum zweifelhaft, daß dies auch bei dem Rest gelingen würde. Über das Schicksal der vor einem Jahrhundert geraubten Bücherschätze sind wir somit durchaus im Klaren. Daß dem früher nicht immer so war, haben wir oben an dem vergeb lichen Versuch von 1814/15, die geraubten Wiegendrucke aus Mainz zurückzuerlangen, gesehen. Als dann nach dem Sturze des zweiten Kaiserreichs im Herbst 1870 die sicheren Aussichten auf einen günstigen Frieden sich eröffneten, wurden abermals Schritte vorbereitet, um die am Anfang des Jahrhunderts ge raubten Bücherschätze wieder zurückzuerlangen. Von diesem zweiten Versuch sind wir aus einem Akt der Nürnberger StadtJ) Hier fälschlich als Hain 5095 bezeichnet.
239 bibliothek *) »Die während der Napoleonischen Kriege aus der Stadtbibliothek abgegebenen Bücher und Handschriften« unter richtet, der fast ausschließlich aus Bücherlisten besteht, und zwar liegen diese in dreifacher Ausfertigung vor. Den ältesten Bestand bilden 6 lose Einzelblätter verschiedener Größe, be schrieben von 2 Händen aus dem Anfang des Jahrhunderts. Davon wurde im Jahre. 1870 durch einen diesen Dingen innerlich sehr ferne stehenden Schreibgehilfen eine Abschrift auf einem Folio-Doppelblatt angefertigt und endlich von der Hand des damaligen Stadtbibliothekars Lützelberger eine zweite Aus fertigung hergestellt, die durch Beiziehung anderer Kataloge und einiger einschlägiger Werke wie der Murrschen Memorabilien*2) oder des Katalogs der Solgerschen Bibliothek3) erweitert und bereichert wurde. Beigefügt ist noch der Entwurf zu einem Schreiben vom 4. [7. ?] Oktober 1870 an den Magistrat, das über die bei Aufstellung des Verzeichnisses beobachteten Grund sätze Aufschluß gibt. Inhaltlich ergibt sich gleichfalls eine Dreiteilung. Der erste Abschnitt zählt auf die am 14. Oktober 1800 von General Andreossi4) weggeführten Werke, der zweite die unter dem 28. Februar 1801 an Neveu wirklich abgegebenen und die von ihm nur verlangten Drucke, endlich der dritte die aus der Solgerschen Bibliothek unbekannt an wen überlassenen Handschriften und Bücher. Nur der mittlere Abschnitt käme für meine Untersuchung in Frage. Da ich aber oben bei meiner Darstellung teils die Urschrift teils eine beglaubigte Abschrift dieser beiden Zusammenstellungen benützen konnte, desgleichen auch auf die notwendigste Literatur verwiesen habe, glaube ich mich eines weiteren Eingehens auf diese späteren, unbeglaubigten Abschriften enthoben, umsomehr als tatsächlich *) Manual-Akt Nr. 8i, dessen Kenntnis ich Herrn Archivrat Mummen hoff verdanke. a) Vgl. oben S. 232, Anm. 5. 8) Vgl. oben S. 235, Anm. 4. 4) Antoine-Francois Comte d’Andr6ossi, französischer Generalleutnant, * 6. März 1761, f 10. September 1828. War damals Generalstabschef der gallobatavischen Armee. Wird auch in den Niederschriften der Zentraldepu tation genannt. Vgl. Biographie Universelle (Michaud). 1 (1854), S. 666 ff. und Neuer oder fortgesetzter allgemeiner litterarischer Anzeiger = Literarische Blaetter. 3 (1803), Sp. 109 f.
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nur gelegentliche unwesentliche Abweichungen *) zu beobachten sind. Zu greifbaren Ergebnissen hat, soweit ich Kenntnis habe, auch dieser zweite Versuch nicht geführt. So liegt es nahe mit dem Wunsche zu schließen, daß es doch noch einmal gelingen möge, diese Schätze wieder nach Nürnberg zurück kehren zu lassen. Blicken wir am Ende unserer Untersuchung zurück nach ihrem Beginn, bei dem wir an die jetzigen Kriegszeiten an knüpften, so drängen sich uns abermals Anklänge an die Zeit ereignisse auf. Ist nicht das Vorgehen Neveus gegen das neutrale Nürnberg in seinen Grundzügen durchaus das gleiche, das auch heute wieder von unsern Feinden gegenüber den unbeteiligten Staaten eingeschlagen wird. Neveu versichert immer wieder, daß nur freiwillige Geschenke für seine Regierung wertvoll seien und angenommen werden könnten, und doch besteht ja seine ganze Tätigkeit darin, den Rat so lange zu drangsalieren, bis er mürbe genug wäre, diese »freiwilligen Geschenke« ihm auszuhändigen. Es ist der alte Gegensatz zwischen schönen Reden, die gesprochen werden, und schlimmen Taten, die geschehen, ein Glück nur für uns Deutsche, daß wir diesmal nicht darunter zu leiden haben.
Anhang zu S. 177. Über die Zentraldeputation finde ich nur bei Georg Schrötter, Geschichte der Stadt Nürnberg, 1909, S. 158, die kurze wohl aus Joseph Baader, Streif lichter auf die ‘Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands, 1878, S. 4, stammende Angabe, daß sie »eine aus dem Subdelegaten Gemming, einigen Ratsmitgliedern und Ratskonsulenten bestehende Behörde war, die das Stadt regiment bildete«. Da auch Wilhelm Gebhard in seiner Dissertation über die »Organisation der Reichsstadt Nürnberg in den letzten Jahrzehnten ihrer *) Diese Abweichungen bestehen einerseits darin, daß gegenüber dem urschriftlichen Verzeichnis Neveus (A 13/14, S. 233 ff.) die Nummern 6, 9, 14, 16, 34, 39 fehlen, andererseits einer Reihe von Titeln Preise in Livres beigesetzt sind. Da sie zum Vergleich mit den auf S. 182, Anm. 2 gegebenen Werten vielleicht doch nicht unwillkommen sind, setze ich sie hierher, zuerst die der von Neveu geraubten Nummern (S. 237 f.) : 7 ^ 600 L., 10 300 L., 12 = 100 L., 13 — 200 L., 15m 150L., 21 =30oL., 30 —200 L., 40 = 40o L., 41 = 300 L., 43 zu 150 L., 44 = 150 L., 45 = 150 L.; dann noch die einiger in dem Verzeichnis der verlangten Werke enthaltenen Nummern, unter denen allerdings manche der ebengenannten noch einmal wiederkehren: 1 = 2700 L., 2 ^= 851 L., 3 = 802 L., 4 — 1830 L., 7 = 540 L., 12 — 450 L., 13 = 199 L., 15 = 150L., 17 — 250L., i8 = 6oöL., 20 3= 726 L., 21 — 300 L., 33 rr 500 L., 40 = 400 L., 4 t = 300 L., 42 = 740 L., 43 =r 150 L.
241 Selbständigkeit bis zu ihrer Einverleibung mit Bayern« (1910) sich darüber nicht ausspricht, ist es vielleicht nicht unwillkommen, wenn ich über die Entstehung dieser Körperschaft berichte, was sich aus den Niederschriften über ihre ersten Sitzungen entnehmen läßt. Das siegreiche Vordringen der Franzosen, die die Österreicher im Mai bei Stockach und Möskirch und am 19. Juni auf dem einst ruhmreichen Kampf felde von Höchstädt und Blindheim geschlagen hatten, führte am 15. Juli zu dem Waffenstillstand von Parsdorf, der den Süden Deutschlands den Franzosen völlig preisgab. Der Nürnberger Rat mußte sich auf die Wiederkehr der noch nicht verschmerzten Drangsale des schlimmen Jahres 1796 gefaßt machen und suchte neuer Unzufriedenheit mit dem patrizischen Stadtregiment dadurch zu begegnen, daß er der Vertretung der Bürgerschaft, dem Genanntenkollegium, eine etwas größere Anteilnahme an den Staatsgeschäften und damit auch Ver antwortung für deren Führung und Erledigung zuzuweisen beschloß. Auf Grund oberherrlicher Verlässe traten am 2. Juli 1800 in der Sternstube1) des Rathauses die Ratsdeputierten C. W. F. Stromer, C. C. S. Harsdorff, Rats konsulent Carl, die Konsulenten Deinzer und von Merz und der Marktsadjunkt Börner zu einer Besprechung zusammen. Der Rat ließ den Versammelten mitteilen, er wünsche von ihnen Vorschläge zur Abwendung oder Minderung der bevorstehenden Gefahr zu hören. Merz dankte im Namen des engem Ausschusses des Genanntenkollegiums für das oberherrliche Zutrauen und gah der Meinung Ausdruck, es müsse in alle Anstalten, besonders die Einquartierungsgeschäfte, mehr Ordnung gebracht werden als das letzte Mal [1796]. Die zweite Sitzung fand am 6. Juli in der Wohnung des Subdelegaten Gemming und unter dessen Vorsitz statt. Die Teilnehmer waren die gleichen,, wie das erste Mal, nür war noch Marktsadjunkt Merkel dazugekommen. Bei den Verhandlungen über die französischen Truppen gegebenenfalls entgegenzu sendenden Abordnungen nahm abermals Merz Gelegenheit, dem Wunsch Aus druck zu geben, daß in diesen Fällen wie auch bei Einquartierungs- und ähn lichen Geschäften bürgerliche Kondeputierte beigezogen werden sollten. Die beiden Ratsdeputierten teilten daraufhin mit, daß der Rat am Tage vorher einen diesbezüglichen Beschluß gefaßt habe. Merz erklärt nun, daß seiner ersten Äußerung folgende Meinung des Genannten-Ausschusses zu gründe liege: >Es wäre zu Vermeidung vieler schriftlicher Verhandlungen und Weitläufig keiten , eine Hauptdirektion niederzusetzen, welche aus magistratischen und bürgerlichen Mitgliedern zusammen zu setzen wäre, und in welcher, als in einem Zentralpunkt sich alle Geschäfte vereinigten, indem solche alle einzelnen Deputationen und deren Geschäfte zu leiten und in Ordnung zu halten, in den betreffenden Fällen aber sowohl Einem Hochlöbl. Rat, als dem L. GenanntenCollegio zu referiren etc. hätte. Sowohl dieser, als allen übrigen einzelnen Deputationen bleibe es dann unbenommen sich zur Beihülfe und Erleichterung ihrer Geschäfte die erforderlichen Beamten, Subalternen und andere hiezu tüchtige und bereitwillige Personen auszuwählen. Die bürgerlichen Mitglieder der Deputationen würden aber von dem L. Genannten-Collegio auszusuchen und vorzuschlagen, von E. H. Rat zu bestätigen, auch als Condeputati, keines wegs aber als Subalternen anzusehen sein, indem sonst die gewünschte Absicht. keineswegs erreicht würde«. Begründet wurde diese Stellungnahme durch die schlechten Erfahrungen im Jahre 1796. Zu dem letzten Punkt der Tages ordnung, der Frage der Fortsetzung dieser Besprechungen, erklärte Gemming, daß er fortan täglich um 11 Uhr vormittags auf dem Rathaus im Kommissions zimmer sich einfinden und dort >mit den Herren Deputirten des Rats und der Genannten sich konferenzialisch beratschlagen« wolle. Die dritte Besprechung hatte anderntags, 7. Juli, im grünen Zimmer des Rathauses statt und außer Merkel nahmen die gleichen Persönlichkeiten» *) Vgl. Mummenhoff, Rathaus, S. 134.
242 daran teil. Zur Ausgestaltung der Zusammenkünfte schlug Gemming vor, aus der Zahl der Triumviri den Kriegsobristen von Gugel, dann den Konsulenten Kahlhardt und endlich ein Mitglied der Rentkammer künftig beizuziehen. Diesem Vorschlag wurde hinsichtlich der beiden erstgenannten Persönlichkeiten zugestimmt, der dritte Punkt dagegen abgelehnt, da die Rentkammer durch Deinzer und Merz schon ausreichend vertreten sei. Bei der vierten Zusammenkunft am gleichen Ort am 9. Juli waren wiederum dieselben Teilnehmer zugegen, zu denen noch der Senator J. C. B. Grundherr und Konsulent Kahlhardt kamen. Über den Ausbau der neuen Körperschaft wurde nicht gesprochen, doch verwahrte sich Merz dagegen, daß ihm und dem Genannten-Ausschuß von nicht näher bezeichneten Verhandlungen mit einem französischen Obristen nichts mitgeteilt worden sei und man die konstitutionsmäßige Beiziehung des Genannten-Koilegiums verabsäumt habe. Die fünfte Zusammenkunft am 10. Juli vereinigte am gleichen Ort die gleichen Personen, zu denen noch der Platzmajor v. Grundherr getreten war. Es wurde noch einmal die Frage der Geschäftsbehandlung zur Sprache gebracht und einstimmig folgende Grundsätze genehmigt, die ich in Anbetracht ihrer Bedeutung trotz ihrer Länge wörtlich hierhersetze. »So rätlich und nützlich es allerdings sei, daß von einer magistratischer und bürgerlicher Seits zusammengesetzten Deputation, unter dem Vorsitz der HA. K. Subd. Kommission die weitern nötigen Voranstalten in Hinsicht auf eine allenfallsige fernere französische Invasion, insonderheit wegen Herbei schaffung des benötigten Geldbedürfnisses, in gemeinschaftl. Überlegung und Beratung genommen werde, so gewiß werde doch diese Art der Geschäfts behandlung nur so lange tunlich und ausführbar sein, als man noch Zeit genug übrig habe, die Resultate der Verhandlungen dieser Deputation E. H. Rat zur gleichmäßigen Deliberation und Entschließung darauf vorzulegen. »Ganz anders aber sei der Fall, wenn der Feind schon in der Nähe oder gar schon vor den Toren oder in der Stadt selbst ist, wo alle Anzeigen und Berichte im Ganzen übersehen, alle Entschlüsse auf das schleunigste gefaßt und ausgeführt, alle Mißverständniße, Zänkereien und Unordnungen vermieden, alle Deputationen gleichförmig instruirt und gegen sich kreuzende und wider sprechende Anweisungen gesichert und in manchen Fällen sogleich schleunige obrigkeitl. Verordnungen an die ganze Bürgerschaft erlassen werden müssen. »In diesem Fall könne nach diesseitiger Überzeugung nur die Rats stube der Mittelpunkt sein, wo sich alle Gewalt, die sonst unter mehrere Behörden verteilt ist, vereinigt befinden und schnell Zusammenwirken — und wo der nötige Beirat dem Hlbl. Rat nicht schriftlich oder mediante protocollo, sondern mündlich erteilet werden muß. »Sollte die oberwähnte Deputation auch in diesem Fall für sich bestehend bleiben, so müßten alle Anzeigen und Berichte doppelt, nämlich einmal bei E. H. Rat und das anderemal bei ihr gemacht werden. Sollte der Hlbl. Rat nicht eher darüber resolviren, bis die Deputation sich geäußert hätte, so würde daraus nicht nur der nachteiligste Verzug entstehen, sondern es würde auch der obrigkeitliche Arm dadurch völlig gelähmt werden und diese Deputation beinahe mehr als die Ratsversammlung selbst sein, welches weder die Meinung des Hlbl. Rats noch der Deput[at]ion selbst, welche die mit der Führung solcher Geschäfte verbundene allenthalbige Verantwortlichkeit nie auf sich wird nehmen wollen, jemals gewesen ist, noch auch jemals sein kann. Würde aber der H. Rat unerwartet der Meinung der Deputation Entschließungen fassen, so würden sich die Meinungen und Beschlüsse durchkreuzen und der Zweck der Deput. und deren nützliche Mitwirkung zum Wohl des Ganzen nicht erreicht werden. »Man glaube daher, daß diese Deput., sobald sich der Feind auf einige Stunden weit der Stadt nähert und die Geschäfte mehr mündlich als schriftl. behandelt werden müssen, mit in die Ratsstube gezogen werden
243 sollte, wo E. H. Rat die in möglichster Kürze abzugebenden Meinungen eines jeden Mitglieds derselben mit den dafür sprechenden Gründen vernehmen und darauf sogleich eine Entschließung fassen und zum Vollzug bringen lassen könnte. Wie nützlich und verehrungswert die Anwesenheit des Hochansehnl. Herrn Subdelegati in solchen Fällen in der Ratsstube sei, habe sich schon in diesen Tagen durch die Erfahrung bestätiget. »Die bei dieser Depp, mit angestellte Ratsglieder sowie die Hlbl. Consiliarii seien bisher auch schon bei den Rats-Versammlungen wegen solcher Ereignisse gegenwärtig gewesen. Die 3 Mitglieder des L. GenanntenCollegii aber hätten von der Zeit der vorigen Invasion her das Beispiel vor sich, daß E. H. Rat damals auch freiwillig die bürgerl. Hhl. Konsulenten und ein oder das andere Mitglied des L. Genannten-Collegii mit zu RatsVersaminlungen gezogen und deren patriotische Vorschläge vernommen habe, woraus zugleich der Vorteil entstehe, daß diese Mitglieder nicht nur von Zeit zu Zeit von der Lage der Dinge die zweckmäßigsten Nachrichten dem L. Ge nannten-Ausschuß erteilen, sondern auch in Fällen, wo die Mitwirkung des selben und der Bürgerschaft notwendig ist, desto schneller und besser sich bei der letzteren mit verwenden können. »Da bei diesen Ratsversammlungen nichts als die Invasions-Sache Vorkommen oder wenigstens nur in dieser allgemein votirt werden würde, so würde die Anwesenheit anderer Personen als der verehrl. Ratsglieder für andere Angelegenheiten und Sachen nicht zur Folge gezogen werden können, zumal da die Entschließung E. H. R. hierüber ja ganz freiwillig geschehen würde und niemand in der Ratsstube erscheinen kann, der nicht ausdrückl. dazu eingeladen wird. »Übrigens leuchte aber von selbst ein, daß in solchen wichtigfen] und dringenden Fällen, wo Gefahr auf dem Verzug ist, ein anderer Modus votandi als der gewöhnl. unumgänglich notwendig sei und alle Kurialien dabei weg zulassen, die Vota möglichst kurz zu fassen und nur die Personen, so etwas beizusetzen haben oder von dem gutachtl. Anhandgeben dissentiren, mit ihren kurz und bestimmt dagegen vorzubringenden Äußerungen zu hören und nur dann erst, wenn ein Dissensus vorhanden ist, alle Ratsglieder zur Abstimmung hierüber viritim atifzurufen sein möchten. »Sollte sich übrigens der Fall ereignen, daß sich diese Zentraldeputation über ein oder den andern Gegenstand ausführlich zu beratschlagen und zu besprechen für gut ansehen sollte, zumalen wenn es ein solcher Gegenstand wäre, bei welchem nicht unmittelbare Gefahr auf dem Verzug haftet und der also einiges Spatium deliberandi gestattet, so könnte sich selbige in einem andern Zimmer versammeln und die Resultate ihrer Beratschlagungen bei E. H. Rat vorlegen«. Nachdem Gemming noch den Wunsch ausgesprochen hatte, es möchten von Seiten des Rats noch die Senatoren v. Grundherr jun. und v. Holzschuher in die Zentraldeputation abgeordnet werden, ging man zur Beratung anderer Gegenstände über, die hier nicht weiter zu verfolgen sind. Denn mit den obigen Grundsätzen, die offenbar allgemeine Anerkennung fanden, war die neue Körperschaft nach Namen, Wirkungskreis und Geschäftsbehandlung im wesent lichen bestimmt und umschrieben. Aus dem im obigen wiedergegebenen Gang der Verhandlung geht noch hervor, daß das Entgegenkommen des Rates von der Bürgerschaft begierig aufgegriffen wurde und man in deren Kreisen gewillt war, das Mögliche zu tun, um sich gegen die Wiederkehr der unerfreulichen Erfahrungen des Jahres 1796 zu schützen.
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Johann Philipp Andreae und das MedaillenPasquill auf den Nürnberger Rat vom Jahre 1731. *) Von
Dr. Theodor Hampe. Die Geschichte der Reichsstadt Nürnberg ist reich an interessanten Rechtsfällen und verwickelten Prozessen, von denen auch bereits manche im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg behandelt worden sind. So sind insbesondere Ver brechen und Strafe des Nikolaus Muffel*2) schon verschiedentlich Gegenstand eingehender Untersuchung und Darstellung gewesen. Ein anderer Fall, die Hinrichtung zweier vermeintlicher Kinder mörderinnen, der Maria Eleonore Schönin und der Anna Dorothea Härlin, im Jahre 1716, hat sich bei neuerer Betrachtung als ein kaum zu bezweifelnder Justizmord erwiesen, dessen Härte nur insofern gemildert erscheint, als sich beide arme Frauens personen geradezu zur Exekution drängten, die Härlin um so eifriger, weil sie sich, wie sie angab, mit ihrem Manne, der einige Tage zuvor wegen Desertion in der Kaserne gehängt worden war, noch vor 12 Uhr am Hinrichtungstage im Himmel zusammenbestellt habe.3) Von sonstigen, in mannigfacher Hin sicht, zumal auch in psychologischer Beziehung interessanten b Dieser Arbeit liegt der Vortrag zugrunde, den der Verfasser am 18. Januar 1912 im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg gehalten hat — vgl. Jahresbericht über das 35. Vereinsjahr (1912) S. 7 f. — und der damals auch im Unterbaltungsblatt des Fränkischen Kurier vom 28. April, 5., 12., 19., 26. Mai und 2. Juni 1912 abgedruckt ist. Er erscheint hier, nachdem sich noch weitere Akten gefunden haben, in veränderter, insbesondere auch erweiterter Gestalt, wobei vor allem die Schlußabschnitte eine wesentliche Umformung erfahren haben. 2) Vgl. den Auszug aus dem Vortrag Mummenhoffs im Jahresbericht des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg VIII (1885), 9 ff., besonders aber dessen abschließenden und wegen 'der Schuldfrage keinen Zweifel mehr lassenden Aufsatz in der Allg. Deutsch. Biograph. Bd. 22, S. 444 ff. 3) Vgl. den Auszug aus dem Vortrag von H. Barbeck im Jahresbericht des Vereins XV (1892). S. 9 ff.
245 Prozessen seien hier endlich noch der gegen den Losunger Anton Tetzel (1514) *), den vordersten Advokaten und Rats konsulenten Nikolaus von Gülchen aas dem Jahre 1605 und der gegen den Betrüger Hans Vater von Mellingen, 1562, namhaft gemacht. Beiden sind erst vor einigen Jahren im Nürnberger Geschichtsverein auf Grund der Akten besondere Vorträge gewidmet worden.12) Wenn schon in einigen der angeführten Rechtshändel ernste und komische Momente sonderbar genug gemischt waren, ja gelegentlich wohl gar die letzteren für uns späte, unbetei ligte Betrachter zu überwiegen schienen, so ist dies in noch weit höherem Grade der Fall in dem Prozeß wegen eines 1731 gegen den Rat der freien Reichsstadt Nürnberg veröffentlichten Pasquills. Schon den Mitlebenden muß die seltsame Eigenart eben dieses Rechtsfalles mit seinen satirischen Spitzen, seinen vielen lächerlichen und ironischen, ja auch humoristischen Wendungen, der sich doch auf dem trüben Hintergründe des mehr und mehr dem völligen Ruin entgegensinkenden heimischen Staatswesens abspielte, voll zum Bewußtsein gekommen sein. Darauf deutet die vorzügliche Erhaltung aller auf diesen Prozeß bezüglichen Briefe und sonstigen Schriftstücke, die zusammen mit den eigentlichen Akten im Königl. Kreisarchiv Nürnberg drei starke Faszikel füllen, und besonders auch der Umstand, daß wiederum sorgfältige Auszüge aus diesem ganzen weit schichtigen Material sich in einem Handschriftenbande (Nr. 647,2°) der Bibliothek des Paul Wolfgang Merkelschen Familienstifts im Germanischen Museum vereinigt finden. Dieser über 200 Folio seiten umfassende, von gewandter Schreiberhand geschriebene Band stammt, wie man aus dem Wappenexlibris ersehen kann, aus Welserschem Besitz, und es ist anzunehmen, daß, wie Paul Karl Welser von Neunhof und Röthenbach, sich auch andere Mitglieder der patrizischen Familien Nürnbergs dergleichen Ex zerpte für ihre Bibliothek oder ihr Archiv haben anfertigen lassen. 1) Vgl. das Referat über den Vortrag von Emil Reicke im Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg im Jahresbericht 1908 des Vereins. 2) Vgl. den Auszug aus dem Vortrag von Dr. W. Fürst über Gülchen im Jahresbericht XXXII (1909), S. 19 ff. und den Abdruck des Hampeschen Vortrags über Hans Vater im Unterhaltungsblatt des Fränkischen Kurier vom 1., 9., 16. und 23, Januar 1910. ib*
246 Ich selbst bin zur Kenntnis der Akten dieses Prozesses gelegentlich meiner Studien zur Geschichte der Medaille und der Nürnberger Medailleure gelangt, denn den Anfang und Ausgangspunkt, um den sich dann auch die ganzen Verhand lungen drehen, bildet dabei die Fiktion einer Spottmedaille auf den reichsstädtischen Rat, einer Medaille, die in einem Flugblatt beschrieben und in einem Kupferstich abgebildet war und von der auch der Nürnberger Rat zunächst fürchtete, daß sie nicht nur in effigie, sondern auch in Wirklichkeit vorhanden, viel leicht in zahlreichen messingenen oder kupfernen Exemplaren unter das Publikum gebracht sein könne, eine Befürchtung, die sich allerdings bald als irrig erwies. Die Medaille existierte nur auf dem Papier jenes pasquillantischen Flugblatts, das 1731 auf der Jubilatemesse zu Leipzig auftauchte. Auf der Vorderseite ist ein nürnbergischer Senator in seiner Amtstracht dargestellt, wie er sich mit vier allegorischen Frauengestalten, die als Avaritia [Habsucht], Injustitia [Un gerechtigkeit], Superbia [Hochmut] und Fastus [stolze Verachtung] bezeichnet und charakterisiert sind, eng verbündet und von ihnen leiten läßt. Über seinem Haupte halten zwei Drachen oder teuflische Genien, Impostura [Heuchelei] und Falsitas [Falschheit], einen aus Schlangen geflochtenen Kranz. »Auf dem Avers«, heißt es in der Beschreibung weiter, »praesentiret sich eine Landschaft mit etlichen Seen oder Weihern, und zwischen diesen stehet ein nürnbergischer Senator mit auf habender Peruque und den Kragen um den Hals, aber anstatt des übrigen und ordentlichen Habits mit einem Fischer-Röcklein angetan und barfuß, dabei einen FischHamen über der Achsel habend, worinnen allerhand KaufmannsGüter und Handwerks-Zeug enthalten«. Auch an den Weihern des Hintergrundes sind noch Fischer mit Angeln und mit dem Legen von Netzen, .ferner ein Reiher mit Fischen, »wo er nicht besetzet hat«, beschäftigt. Das hin zugefügte Zitat aus dem Propheten Habakuk (l, 15): »Sie ziehen alles mit dem Hamen und fahens mit ihrem Netze, des freuen sie sich und sind fröhlich« und der Spruch aus dem Propheten Arnos (2, 7): »Sie treten den Kopf der Armen in Kot und hiiidern den Weg der Elenden« machen den Sinn
247 dieser Allegorie noch deutlicher. Der Titel des Pamphlets endlich wirft das allegorische Mäntelchen überhaupt ab und redet unverblümt von dieser »Medaille, welche bei gegen wärtigen Conjuncturen zu Nürnberg und zum Gedächtnus derer Unterdrückungen, die von Seiten des Magistrats gegen die Bürger-, vornehmlich aber Kaufmannschaft ausgeübet worden, gepräget im Jahr, da es mit dem Magistrat hieß: Bis hieher soltu kommen und nicht weiter, hie sollen sich legen deine stolzen Wellen«. Gleich hier muß bemerkt werden, daß die allegorische Darstellung wenigstens der Rückseite dieser fingierten Spott medaille keine originale Erfindung der Verfertiger unseres Pasquills war. Die Abbildung des nürnbergischen Senators im Fischerkittel mit dem vollen Netz über der Schulter geht viel mehr auf ein bereits um das Jahr 1704 erschienenes Spottblatt auf den Bayernfürsten, nämlich den Kurfürsten Max Emanuel, zurück, auf dem der Kurfürst als »ein listiger Fischer« ganz ähnlich dargestellt ist und ihm in dem diesen Kupferstich be gleitenden Text unlautere Absichten auf die vier Reichsstädte Ulm, Regensburg, Nürnberg und Augsburg — Ulm zappelt bereits im Netz — nachgesagt werden, die aber zum Glück vereitelt worden seien. Ein Exemplar dieses Pamphlets, »ge druckt zu Straßburg, im Jahr, da der Musen Patron Mercurius Regent und Herr war«, befindet sich bei den Prozeßakten. Jenes Medaillenpasquill nun versetzt uns zurück in eine für Nürnberg sehr ernste und schwere Zeit, in der es sich immer mehr herausstellte, daß der Verfall der Finanzen des Freistaates durch nichts mehr aufzuhalten sein werde. Bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts gehen die Anfänge dieses Ver falls, auf dessen Ursachen wir uns hier nicht einlassen können, zurück, doch anderthalb Jahrhunderte lang hatte der Rat durch fortgesetztes Anziehen der Steuerschraube, auf die Dauer frei lich ein äußerst bedenkliches Mittel, das nürnbergische Staats wesen über Wasser zu halten gewußt. Die Losung, die direkte Einkommensteuer, wurde schon längst im doppelten, wenn nicht noch höherem Betrage erhoben; dazu kamen aber noch alle möglichen und unmöglichen indirekten Steuern, das Ungeld auf Nahrungs- und Genußmittel, der Getreideaufschlag und hohe
248 Gebühren jeglicher Art, die hoch wie niedrig belasteten. Die Steuern hatten zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine solche Höhe erreicht, daß sie bei den Kaufleuten fast der Hälfte der gesamten jährlichen Einnahme gleichkamen und es allmählich zu einem ernstlichen Konflikt zwischen dem reichsstädtischen Rat oder Magistrat, wie er damals bereits genannt wurde, und der Bürgerschaft, vor allem den Handels- und Gewerbetreibenden kam. Sahen sich doch diese ohnehin durch die neuere Ent wicklung der Dinge, die in manchen Staaten bestehenden hohen Durchgangs- und Einfuhrzölle, das Aufkommen des Merkantilsystems, in Handel und Wandel auf das schwerste beeinträchtigt und gehindert. Nachdem sich 1716 und 1721 die nürnbergische Kauf mannschaft in ausführlichen Beschwerdeschriften, indessen ohne jeden Erfolg, an die Obrigkeit gewandt hatte und auch ein Reichshofratsbeschluß ungünstig ausgefallen war, sagte zu Anfang des Jahres 1730 der vornehme Handelsherr Zacharias Buck sein Bürgerrecht auf und zog von Nürnberg fort. Gleichzeitig drohten 82 der angesehensten Kaufleute, falls es bei jenem Reichshofratskonklusum bleiben werde, dem Beispiele Zacharias Bucks zu folgen, wandten sich aber zunächst, noch im gleichen Jahre 1730, mit ihren Klagen gegen den reichsstädtischen Magistrat an die kaiserliche Majestät Karl VI. selbst, während der Rat seinerseits eine Gegeneingabe der Handwerker ins Werk zu setzen suchte, freilich vergeblich, da die* beiden großen Hand werke der Schneider und der Schuhmacher namentlich wegen der »Stümpler«, die der Magistrat dulde, von vornherein für eine solche ratsfreundliche Kundgebung nicht zu haben waren. Zu Beginn des folgenden Jahres ernannte denn auch in der Tat Kaiser Karl VI. eine Kommission zur Prüfung und Schlichtung der Streitigkeiten und am 12. Mai 1731 begann diese Kommission ihre Tätigkeit. Allein so große Hoffnungen man auch in Nürnberg auf sie gesetzt hatte, sie vermochte höchstens ganz vorübergehend Frieden zu stiften, denn der Kern des Übels lag tiefer. Das nürnbergische Staatswesen konnte eben, wie dies auch vom Rat verschiedentlich betont wird, ohne hohe Besteuerung der bemittelten Stände nicht mehr seinen Verpflichtungen nachkommen, nicht mehr bestehen. So
249 dauerten die Miseren fort, ja steigerten sich noch infolge der 1738 ausgeschriebenen Türkensteuer und der Kriegsunruhen, von denen die nächsten Jahrzehnte erfüllt waren, mehr und mehr, bis dann schließlich die napoleonische Zeit mit ihren Umwälzungen dem verschuldeten nürnbergischen Freistaat ein Ende bereitete. Über jenen Konflikt zwischen dem Magistrat und der Nürnberger Kaufmannschaft, der hier nur kurz skizziert werden konnte, unterrichten uns zahlreiche Akten und eine »Ausführliche Relation« samt mehreren »Continuationen«, die auf Veranlassung der Kaufleute alle »im Bayerischen Hof zu Regensburg«, d. h. in Stadtamhof, durch Johann Franz Hanckh, Bürger und Buch drucker daselbst, — die kurfürstlich bayerische Regierung zu Straubing hatte offenbar ihre geheime Freude an den finanziellen Bedrängnissen der benachbarten Reichsstadt — gedruckt worden zu sein scheinen; und eine genaue Darstellung dieses Konflikts, der mit seinen Ursachen und Wendungen wohl das bedeutsame Moment in der innerpolitischen Entwicklung Nürnbergs während des 18. Jahrhunderts bildet, wäre ohne Zweifel von nicht geringem Interesse und sehr zu wünschen. In neuerer Zeit hat, so viel ich sehe, nur Ernst Mummenhoff sich etwas ein gehender darüber verbreitet in seinem Vortrage über der Reichsstadt Nürnberg geschichtlichen Entwicklungsgang, seinem Abriß einer Geschichte der Stadt Nürnberg im Jahrgang 1902 des Nürnberger Adreßbuches und seinem neuesten Buche »Nürnberg in Krieg und Kriegsnot'«. II. Diesen Ausführungen Mummenhoffs hat auch die obige, lediglich andeutende Dar legung jenes inneren Zwistes manches zu verdanken. In die Jahre der ingrimmigsten Erbitterung nun, des auf der ganzen Linie entbrannten Kampfes zwischen Regierung und Volk in Nürnberg lassen uns das Medaillen-Pasquill und der sich daran anschließende Prozeß namentlich in kulturgeschicht licher Hinsicht wertvolle Blicke tun. Das Pasquill ist nur eine aus der großen Zahl ähnlicher Spott- und Schmähschriften, die damals handschriftlich oder auch im Druck in Nürnberg ver breitet wurden, und das in einigen dieser Pamphlete beliebte Hereinziehen des schwierigen Verhältnisses zwischen der Reichs stadt und dem Markgrafen von Brandenburg in den Streit
250 zwischen Bürgerschaft und Rat verschlimmerte die ganze Lage der Sache noch bedeutend. Schon 1718 waren die Exemplare einer aufwiegelnden Schmähschrift, die in den Akten die »Anatomie« genannt wird, nach mancherlei Zeremonien durch den Scharfrichter auf einem vor dem Rathause aufgeschlagenen Schafott öffentlich ver brannt worden. Die Reihe der Pasquille und Spottgedichte der Jahre 1730 und 1731 eröffneten sodann ein paar Verse, die sich eines Morgens an der mittleren Tür des Rathauses von frevelnder Hand angeschrieben fanden: Auf, Bürger, auf, jetzt ist es Zeit, Das Joch ganz abzulegen; Wer Gott und Kaiser treu, Der greife nach dem . . . Als hierauf der Rat eine Belohnung von 100 Talern auf die Ermittlung und Ergreifung des Täters ausgesetzt hatte, war bald darauf in der Ratsstube selbst ein Zettel gefunden worden, auf dem zu lesen stand: Ich trage eine rote Kappen Und laß mich nicht ertappen, und am »Krebsstock« hatte man nachts einen aus Papier aus geschnittenen lebensgroßen Mann in roter Kappe angenagelt mit der Unterschrift: Dieses ist der Mann, Der die 100 Taler verdienen kann. Dann wiederum 1731 brachte einer der Ratsherren die Abschrift eines Liedes, eines »gotteslästerlichen und pasquillantischen Gesanges« mit, das »Canticum canticorum Norimbergense« überschrieben war und wohl nach den darin an gedeuteten Chorälen mit verteilten Rollen gesungen werden sollte, da es folgenden Wortlaut hatte: Magistratus in B-Dur: Wir haben’s Recht und Macht allein, Was wir setzen, das gilt gemein, Wer ist, der uns soll meistern!
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Die Noris, allegro: Freuet euch, ihr Nürnberger Und vergeßt all Not und Qual, Weil Carol der große Kaiser Euch führt aus dem Jammertal Durch eine Commission, Die er hat erkennet schon, Und Herr Pflüger mit soll bringen. Darum können fröhlich singen Die Herren Doctores, allegro: In dulci Jubilo Singen wir und seind froh, Unsers Herzens Wonne Ruht in Commissio Und leuchtet als die Sonne Ins Kaisers Gremio. Damit uns nicht wird weh, So trinken wir Caffee. Die Herren Geistlichen und Genannten, in B-Moll Nur still! nur still! nur still! Commissio ist unser Wille Darum schweigen wir ganz stille, So lang’s Gott haben will. Warum wir stille schweigen, Wird sich in kurzen zeigen. Nur still! nur still! nur still! Die Herren Kaufleute, Lamento: Ein veste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen! Der wird uns helfen aus der Not Und gar bald Hilfe schaffen Durch eine Commission, Die auch erkennet schon, Obwohl man auch spricht: Es komme keine nicht. Dies muß man nun erwarten.
252 Die Handwerker, Lamento: Ach Gott vom Himmel sieh darein Und laß dich das erbarmen! Das Bier ist teuer, das Brot ist klein, Verlassen sind wir Armen. Der Auflagen sind ohne Ziel! Commission, komm doch ins Spiel, Damit wir Hilf erlangen. Der Landmann, Lamento: Ach, wie elend ist unsere Zeit Allhier auf dieser Erden, Doch sei Commission nicht weit Und wird bald besser werden. Sollten wir lang so sein geschorn, Ging Haus und Hof, ja alles verlorn, Lang borgt ist nicht geschenket. Das Patriziat, in B-Moll: Mitten wir im Leben sind Mit viel Furcht umfangen, Wo suchen wir denn Hilf geschwind, Gnade zu erlangen? Bei Kaiser Carl allein! Uns reuet unsre Missetat, So die Kaufleut erzürnet hat. Kyrie Eleison ! Anderer Art waren mehrere Landkarten, die in den Jahren 1732 und 1733 Johann Paul Glück in Schwabach, der auch in den Prozeß wegen des Medaillen-Pasquills eine wichtige Rolle spielte, hatte erscheinen und den Markgrafen Karl Wilhelm Friedrich und Georg Friedrich Karl in tiefster Unter tänigkeit hatte zu Füßen legen lassen, Karten, die, wie es hieß, von den »nürnbergischen intendierten Anmaßungen« in bezug auf Territorialgewalt und Blutgerichtsbarkeit gesäubert sein sollten.
253 Rund um Nürnberg herum, in Schwabach, Wöhrd, Ans bach usw., aber auch in Nürnberg selbst saßen die Pasquillenschreiber, mit deren heimlichen Machenschaften und frechen, unbotmäßigen Veröffentlichungen die besseren Elemente des Handels- und Gewerbestandes selbstverständlich nicht einver standen waren, wie sie dies denn auch nach dem Erscheinen des Medaillen-Pasquills und einer anderen »Quint-Essenz« be titelten Famosschrift, die auf der Ostermesse des Jahres 1731 zu Frankfurt in den Handel gebracht wurde, die ich aber bis her in keinem Exemplare habe zur Hand bringen können, in den »Extraordinairen Kaiserl. Reichs-Post-Zeitungen«, die zu Frankfurt a. M. herauskamen, am 24. Juli 1731 öffentlich zu erklären sich veranlaßt sahen. Mit »sothanen Impressis« und selbst mit der »Ausführlichen Relation«, die gleichfalls voller Unwahrheiten stecke, und mit den »gewinnsüchtig und geld begierigen Leuten«, die dergleichen Piecen hätten in Druck ausgehen lassen, wollten sie nichts zu tun haben. Inzwischen hatte nun der Rat, veranlaßt durch das Medail lenpasquill, das als das aufreizendste, erbitterndste und gefähr lichste aller bisher erschienenen Pamphlete empfunden wurde, die Nachforschung nach dem Verfasser des Textes sowie nach dem Kupferstecher und Drucker vor allem dieses Flugblattes mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie begonnen. Ver mutete man doch in dem »Lügen-Schreiber« des Medaillen pasquills zugleich den Autor mehrerer der sonstigen »verfäng lichen Scartequen«. Mit einem großen Aufwand von Zeit und Mühe, von Papier und Tinte wurde in zahlreichen Erkundigungen, Berichten und Verhandlungen dabei gearbeitet nicht nur in Nürnberg, sondern z. B. auch am Stadtgericht zu Leipzig, das sich die Sache sehr angelegen sein ließ. Es wurde festgestellt, daß alle in Leipzig unter das Publikum gelangten Exemplare des Medaillenpasquills in dem Laden des Buchhändlers Johann Christian Martini in der Grimmaischen Straße, das Stück für einen Groschen, verkauft worden seien. Martini aber wollte von der Angelegenheit nichts wissen; sie sei eine Privatsache seines gleichnamigen Vetters und »Buchhandlungsbedienten«, d. h. Gehilfen, gewesen, der ihm während der Messe zu assistieren pflegte, im übrigen aber seit
254 nunmehr vier Jahren seines Prinzipals und Vetters Buchhandel zu Hof, Bayreuth und Wunsiedel zu »administrieren« hatte. Der Handlungsdiener Johann Christian Martini seinerseits sagte aus, daß er das Paket mit 500 Exemplaren des Flugblatts auf Order des Herrn Jean Paul Galatin in Genf durch einen »Jean Antoine de la Rue de Geneve«, zur Zeit aber in Schwabach, zugesandt erhalten habe. Daß es sich um ein Pasquill gehandelt habe, sei ihm nicht bewußt gewesen, »habe auch mehr nicht als das Kupferblatt gelesen und vermeinet, weil es gedruckt seie, so seie es auch erlaubet zu verkaufen«; daß der Nürn berger Rat mit der Bürgerschaft »in widrigen Umständen« stehe,, habe er gleichfalls nicht gewußt. Nachdem hierauf die 174 noch unverkauften Exemplare beschlagnahmt worden waren, erfolgte, ebenfalls vor dem Stadtgericht in Leipzig und • später dann auch in Nürnberg, die Vernehmung derjenigen Nürnberger Buchhändler oder ihrer Gehülfen, die auf der Messe größere oder kleinere Partien des Pasquills käuflich an sich gebracht hatten. Beteiligt waren die Buchhandlungen von Johann Stein, Johann Friedrich Rüdiger, Johann Wilhelm Rönnagel, Friedrich Rothscholz sowie die Felseckerische Handlung, deren Inhaber jedoch entweder über haupt kein Exemplar des »gottlosen Pasquills« zu Gesicht be kommen oder es keineswegs vertrieben oder aber einzelne Exemplare nur deswegen gekauft haben wollten, um sie baldigst beim Nürnberger Rat einzusenden, damit dem Unheil so rasch wie möglich gesteuert werden könne. In der Tat waren der Magistrat oder doch einzelne Mitglieder des Rats zuerst durch die Nürnberger Buchhändler, welche die Leipziger Jubilatemesse besucht hatten, auf das neu erschienene Pasquill aufmerksam gemacht worden. Aus dem Verhör der Buchhändler ist manches für die Geschichte des Buchhandels oder die Anschauungen der Zeit nicht ohne Interesse, wie z. B. die Aussage der Rothscholzin, die anstatt ihres erkrankten Mannes vernommen wurde. Ihr Mann, so brachte sie u. a. vor, habe geäußert, »der Autor des Pasquills hätte den Staup-Besen, ja wohl noch ein mehreres mit dieser gottlosen Arbeit verdient. Überhaupt habe ihr Mann einen solchen Abscheu vor allen verbotenen, ärgerlichen oder
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gottlosen Schriften, daß er auch nicht einmal einen Roman in seinem ganzen Laden habe und dulde.« Über Verfasser, Drucker und Kupferstecher war trotz aller Verhöre und trotz gewaltiger Schreibereien lange nichts herauszubringen, was zum Teil seinen Grund in dem schon erwähnten geringen Entgegenkommen, ja unfreundlichen Ver halten hatte, das die kurbayerische und noch mehr die markgräflich-ansb^chische Regierung dem nürnbergischen Rate gegen über bezeigte. Man hatte in Nürnberg anfangs an jenen Buchdrucker zu Stadtamhof, Johann Franz Hanckh, von dem bereits die Rede war, als an den Veranstalter und Verbreiter auch des Medaillenpasquills gedacht und deswegen nochmals an die kurfürstliche Regierung zu Straubing das dringende Ersuchen gerichtet, dem Buchdrucker zu Stadtamhof sein Hand werk zu legen. Aber Hanckh verwahrte sich in einer längeren Eingabe an den Kurfürsten selbst auf das allerentschiedenste gegen den Verdacht, an der Herausgabe des Pasquills irgend wie beteiligt zu sein. Er lebe demnach der »ohngezweifelt undertänigsten Zuversicht«, daß Ihre Kurfürstliche Durchlaucht nicht gesinnt sein werde, »Ihro getreuisten Bürger und Unter-, tanen ihre durch ehrliche Weg suchende Nahrungsmitl mittels unerweislicher Calumnien vom Maul wecknehmen zu lassen«. Auf abermaliges und wiederholtes Ansuchen des Rates, dem Hanckh wenigstens das Nachdrucken und den Verkauf der auf den Zwist der Nürnberger Obrigkeit mit ihren Bürgern bezüglichen Flugblätter und Schriften zu verbieten, erfolgte endlich sogar ein abschlägiger Bescheid ; man könne der Bitte nicht willfahren, »sondern bleibt euch unverhalten, daß man gedachten Hanckh derlei weiter nachtrucken und verschleißen zu lassen zuegestanden habe. Seind euch im übrigen mit Gnaden gewogen«. Die markgräfliche Regierung in Ansbach antwortete auf die wiederholten Anschreiben und Bitten des Nürnberger Rates überhaupt nicht, obgleich doch von ansbachischer Seite Bemü hungen zur Ermittlung des oder der Täter zweifellos am raschesten würden Erfolg gehabt haben. War doch jenes Paket mit den Pasquillen und das mit »Antoine de la Rue« Unterzeichnete Begleitschreiben, das übrigens noch auf ein bald
256 erscheinendes »größeres und profitableres Werk« verheißungs voll hingewiesen hatte, aus Schwabach datiert gewesen. So vergingen denn trotz aller Anstrengungen etwa zwei Jahre seit dem Erscheinen des Medaillenpasquills, ehe man in Nürnberg selbst den Anstiftern auf die Spur kam. Schon 1730 war der Globusmacher und Mathematicus Johann Philipp Andreae, den wir seit Ende 1720 in Nürn berg nachweisen können und der hier am 6. März 1721 das Bürgerrecht erworben hatte, »zur Inquisition gezogen« worden, weil er bei der Herstellung einiger von dem LandpflegamtsRegistrator Christoph Scheurer herausgegebenen Landkarten zumal des Nürnberger Gebiets, die sich zwar keineswegs eine Verkürzung der oberherrlichen Rechte der Reichsstadt zu schulden kommen ließen, aber doch ohne Vorwissen und Ge nehmigung des Rats erschienen waren, beteiligt gewesen war. Er hatte damals Urfehde schwören und feierlich geloben müssen, künftig »ohne oberherrliche Censur nichts stechen zu lassen oder sonsten zu edieren«. Als sich dann in der Folgezeit aufs neue der Verdacht .gegen Andreae richtete, daß er mit den Unzufriedenen und der Stadt Übelwollenden in geheimem Einverständnisse sei, als insbesondere die Glückschen Landkarten zu erscheinen begannen, deren Kolorierung wiederum Andreae besorgt hatte, dem Rat auch wohl hinterbracht wurde, daß vornehmlich Andreae es wäre, der den Buchdrucker Hanckh zu Stadtamhof mit Material für seine Veröffentlichungen versorge, da ließ man den un gehorsamen Bürger zunächst scharf überwachen, ihn auch vermahnen, ausforschen, verhören und schließlich, als bei der Aalglätte Andreaes mit alle dem der Sache nicht auf den Grund zu kommen war, eine Haussuchung bei ihm anordnen, die im September 1732 stattfand. Sie lieferte nun zwar nicht, wie man vielleicht gleichfalls geargwöhnt und gehofft hatte, Beweise für die Verfasserschaft oder Mittäterschaft des Andreae bezüg lich des Medaillenpasquills an die Hand, aber im übrigen eine ganze Fülle ihn schwer belastenden Materials zu Tage. So fand man u. a. den von der Hand Andreaes geschrie benen Text jener pasquillantischen Verse von der Tür des Rathauses und vom »Krebsstock« und glaubte schon in der
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Person ihres Schreibers des eigentlichen Urhebers aller der geheimen Zettelungen der letzten Jahre habhaft geworden zu sein. Allein in diesem Falle konnte Andreae wahrscheinlich machen, daß er die Verse lediglich ab- oder nachgeschrieben habe, indem er nachwies, daß er zur Zeit der Anbringung und Auffindung derselben überhaupt nicht in Nürnberg, sondern gerade auf Reisen gewesen sei. Des weiteren aber ergab die Haussuchung zweifellose Belege nicht nur für Andreaes nahe geschäftliche Verbindung mit Glück und dessen Landkarten unternehmen, sondern auch mit dem Stadtamhofer Drucker. Wohl bei ihm hatte er der Stadt Ämterbüchlein ohne jede Berechtigung drucken lassen*) und auch — eine weitere schwere Verfehlung — die Findelrechnung und zwar nach dem Original derselben, das er sich auf unrechtmäßige Weise zu verschaffen gewußt hatte, in den Druck gegeben. Auch diese beiden Veröffentlichungen standen, worauf ich hier nicht näher eingehen kann, in engem Zusammenhänge mit dem Zwiespalt zwischen Magistrat und Bürgerschaft und mit den Vorwürfen, die aus gewissen Kreisen der letzteren gegen das patrizische Stadtregiment erhoben wurden. Zu der Findelrechnung hatte übrigens Andreae auch noch einen Kom mentar — »verfängliche Noten« heißt es in den Akten — herauszugeben beabsichtigt, sich aber bisher in Schwabach vergeblich nach einem Drucker oder Verleger dafür umgetan. Besonders schwer fielen dann endlich noch zwei Schrift stücke ins Gewicht, die man gleichfalls unter seinen Papieren gefunden hatte. Das eine derselben war der Entwurf zu einem Dialoge zwischen zwei verstorbenen Nürnberger Senatoren, die einander in dem Amte eines Kastellans gefolgt waren, nämlich *) Von dem unrechtmäßigen Druck und »Divulgierung des Ämter büchleins« handeln (1732) manche Akten. Als »der übel beruffene globusmacher Andreae« oder »der boshaftige Andreae« wird der damals »am Roß markt gegen der Parfüßerkirchen über« wohnhafte lästige Bürger in den ein schlägigen magistratischen Schriftstücken bezeichnet. Auch der Buchhändler Peter Konrad Monath machte in einer besonderen Eingabe vom 8. September 1732 auf jenen Winkeldruck des Ämterbüchleins, voll von »Unrichtig- und Unschicklichkeiten sowol als auch höchst nachteiligen Dingen« aufmerksam, das heimlich teuer verkauft werde. Er schlägt die vom Rat vorzunehmende offizielle Herausgabe eines Ämterbüchleins vor und bittet um die Erlaubnis, ein solches zu verlegen. Mit einer gleichen Bitte war auch der Buchhändler Christoph Riegel an den Rat herangetreten.
258 zwischen Wolf Jakob Nützel und Christoph Fürer. In diesem Dialog, der dazu bestimmt war, als eine neue Nummer der bekannten, in zwangloser Folge erscheinenden polemisch-sati rischen »Gespräche im Reiche der Toten« veröffentlicht zu werden, und von. dem auch bereits eine Probe an den Drucker Hanckh in Stadtamhof gesandt worden war, sollte der erst jüngst verstorbene Christoph Fürer seinem »antecessor« Nützel in Rede und Gegenrede einen ausführlichen Bericht der die Vaterstadt seit drei Jahren zerreißenden Zwistigkeiten geben. Noch bedenklicher war das andere Schriftstück, nämlich ein »Pro Memoria« oder auch nur das Konzept zu einem solchen, in dem sich Andreae bei der ansbachischen Regierung um die durch den Tod des seitherigen Verwalters erledigte Stelle eines brandenburgischen Agenten im Heilsbronner Hof bewarb und dabei, wie es in den Akten heißt, »verschiedene praejudicierliche und recht verleumderische rationes pro captanda gratia mit anführet«, wie z. B., »daß er vom Magistrat der Stadt Nürnberg so viel Verdruß wegen der gefertigten und höchster Orten allschon übergebenen Landkarten gehabt und dieserwegen höchst notwendig Sicherheit vonnöten habe, item, daß die Abholung der Geleitzettel [die eine gute Einnahme quelle für die markgräfliche Regierung aber zugleich auch, wie bekannt, einen Gegenstand fortwährender Streitigkeiten zwischen ihr und der Reichsstadt Nürnberg bildeten] im Heilsbronner Hof so schlecht beobachtet werde, viele von denen Fieranten, die mit namhaften Kapitalien die Frankfurter und LeipzigerMessen frequen tierten, als schlechte Handeispursch dahin reiseten oder sich wohl gar vor Buchhändler, welche jederzeit Freizettel erhalten, ausgäben, um die Geleitsämter damit zu defraudieren«, u. s. f. Kurzum, die Ergebnisse der Haussuchung waren mehr als ausreichend, um aufs neue das gerichtliche Verfahren gegen Andreae einzuleiten und ihn nach längeren Verhören, in denen er sich anfangs äußerst verstockt zeigte und alles »contra fidem actorum et evidentiam facti unverschämt ableugnete«, wie er denn überhaupt, heißt es in den Akten weiter, wenn man ihn nicht mit der Hand im Sack ergreife, um Ausflüchte, Vorwände und Beschönigungen nie verlegen sei, am 3. Juni 1733 in die Männereisen einzuschaffen.
259 Etwa einen Monat hatte Andreae hier bereits gesessen, als dann ganz unvermutet seine Täterschaft auch in Sachen des Medaillenpasquills an den Tag kam. Um diese Zeit näm lich hatten die Stadtgerichte zu Leipzig, nachdem dort der Prozeß gegen den Handlungsgehilfen Martini zu Ende gegangen, dieser zu sechsjähriger Landesverweisung und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt worden war, dem Nürnberger Rat eine Abschrift der gesamten Prozeßakten übersandt, der man dann am 6. Juli 1733, vielleicht auf besonderen Wunsch des Nürnberger Rates, noch jenen Brief des »de la Rue«, der die Sendung an Martini begleitet hatte, im Original folgen ließ. Auch er befindet sich also heute bei den Akten im Nürnberger Kreisarchive. Da ergab sich nun aus dem Vergleich der Schriftzüge zu allgemeiner Überraschung und Genugtuung — ein moderner Untersuchungsrichter wäre allerdings wohl früher auf solche Vergleichung gekommen —, daß der Brief des angeblichen »de la Rue de Genöve« ganz von der Hand des Johann Philipp Andreae geschrieben war. Natürlich bestritt Andreae auch dies zunächst völlig. Es sei ihm schon lange kaum zweifelhaft gewesen, versicherte er, daß der Johann Paul Glück in Schwa bach, von dem er wohl wisse, wie täuschend er seine, Andreaes, Handschrift nachahmen könne, der Urheber des Medaillenpasquilles sei. Der Brief bestätige nur seine Vermutung, doch werde sich der Glück wohl unter dem Namen Jean Paul Galatins verstecken, denn eine solche Persönlichkeit sei ihm in Schwabach nicht bekannt, während der de la Rue ein Strumpffabrikant daselbst sei. Er selbst habe mit keinem Leipziger Buchhändler korrespondiert, sondern nur mit dem dortigen Mechanicus Johann Georg Kotta und mit seinen nach Leipzig kommenden »Bilderleuten«, dem Schropp, Ingedult, Daser und anderen, »so lauter Tyroler seien«. Gemeint sind damit jedenfalls die fliegenden Bilderhändler, durch die Andreae seine Landkarten, Flugblätter und sonstigen Erzeugnisse, wie insbesondere vermutlich auch seine Globen, vertreiben ließ. Durch weitere Verhöre in die Enge getrieben, sah er sich dann aber doch genötigt zu bekennen, daß allerdings das mit »de la Rue« Unterzeichnete Schreiben von ihm herrühre, daß i7
260 es aber lediglich die Abschrift eines Briefes des Johann Paul Glück sei, den dieser ihm mit der Bitte um Weiterbeförderung nach Leipzig zugesandt habe, der aber, als er in seine Hände gelangt wäre, durch Tintenflecken arg beschmutzt gewesen sei. Das Paket, das er gleichfalls habe nach Leipzig weiter expe dieren sollen, habe er gar nicht geöffnet, daher auch nicht gewußt, um was es sich bei der ganzen Sendung nach Leipzig eigentlich gehandelt habe. Doch auch diese Behauptungen konnte er nicht aufrecht erhalten, sondern mußte schließlich zugestehen, daß er dem Glück bei der Veröffentlichung des Pasquills Beihülfe geleistet, indem er die Zeichnung, die ihm aus Schwabach zugeschickt worden sei, in Glücks Auftrag durch den in einem Hause mit ihm wohnenden jungen Berndt habe in Kupfer stechen und hierauf das ganze Blättchen durch den Bronauer in der Katharinengasse habe drucken lassen. Indessen dürfe man ihn weder als den Inventor des Pasquills ansehen, noch habe er die Zeichnung dazu geliefert oder auch nur einen Teil der Aufschriften oder des Textes verfaßt oder ausgewählt. Viel mehr hätten der Glück und ein Studiosus Theologiae Holzberger, beide in Schwabach, nicht nur die Medaille und deren sämtliche Schriften, sondern auch alle pasquillantischen Verse angegeben, gezeichnet und ausgebrütet, wie er das in einem längeren Berichte im einzelnen darzulegen bereit sei. Eine »Nota« zu diesem Verhör, »actum in denen MännerEisen am 14. Juli 1733«, besagt dann noch: »Im Abtreten wurde er wieder zurückgerufen und befragt, wann er bei dem Heiligen Abendmahl gewesen sei, weilen er seine Christenund Bürgerpflicht in anderen Dingen so schlecht beobachtet habe, und von ihm geantwortet: er sei schon zwei Jahr nicht darzu gekommen, weilen er mit seiner Schwieger einige Zwistigkeiten wegen schon 18 Jahr unverteilten besitzenden Vermögens habe; und wäre sein Beichtvatter Herr Diaconus Beck bei St. Lorenzen«. Auf diese Aussagen hin, die er noch in einem an den Ratsherrn Löffelholz gerichteten, für die ganze damalige Intrigen-, Denunzianten- und Schmähschriften - Atmosphäre besonders kennzeichnenden und daher hier anhangsweise wiedergegebenen
261 Briefe *) wesentlich erweiterte und präzisierte, wurden nun vor allem die beiden nürnbergischen Mitschuldigen des Andreae,. Berndt und Bronauer, verhaftet und gleichfalls einem scharfen Verhör unterzogen. Beide gehören wohlbekannten und weit verzweigten Nürnberger Künstler- und Druckerfamilien an. Johann Christoph Berndt, Spiegelmacher und Kupferstecher, war als Sohn des Spiegelmachers Konrad Berndt um das Jahr 1705 geboren und1 starb erst 1798. Wir kennen ihn vor allem aus seinen Arbeiten für den damals noch blühenden Nürnberger Verlags buchhandel, der namentlich auf dem Gebiete der Erbauungs literatur und auch der Atlanten und Landkarten einen ersten Platz in Deutschland einnahm. So rührt insbesondere eine Folge biblischer Darstellungen in Kupferstich von ihm her. Auch hatte er u. a., wiederum durch Andreaes Vermittlung, nach einer von dem »rectore Sarganeck zu Neustadt an der Aisch« entworfenen Zeichnung eine Landkarte von dem Fürstentum Teschen in Kupfer gestochen, wegen der sogar mit eigenhändig Unterzeichnetem an den Nürnberger Magistrat gerichtetem Schreiben vom 29. Januar 1734 Kaiser Karls VI. Majestät in den Prozeß gegen Johann Philipp Andreae und Genossen eingriff, indem er vom Rat die Auslieferung aller Exemplare der »gedruckten falschen Land-Carte von dem Furstentumb Teschen sambt der kupferen Platten und Handriß« forderte. Einen Sohn dieses J. Chr. Berndt, Johann Oswald (1736 bis 1787), sehen wir nach^ mals in Frankfurt a. M. tätig. — Abraham Bronauer (oder Brünauer) war ganz vorzugsweise Kupferdrucker. Auch aus den Vernehmungen des Berndt und des Bronauer fällt manches helle Streiflicht auf Zeit und Menschen. Berndt begann seine Aussagen mit der Erklärung, daß er dem Hand werk der Spiegelmacher angehöre, als Kupferstecher niemals »Pflicht getan« habe; »und wären deren wohl 40, die ohne Pflicht arbeiteten«. Von einer Zensur bei den Kupferstechern wisse er nichts. Er bekannte sich zunächst nur zu dem Stich J) Vom gleichen Tage wie dieser Brief (21. Juli 1733) ist in den Akten ferner noch eine »Geheim Anzeig« datiert, in der u. a. auch der be kannte Historiker von Falkenstein, der Verfasser der Nordgauischen Alter tümer, mit in den Handel verstrickt wird. Ich lasse auch dieses Schriftstück in extenso im Anhänge folgen. 1
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262 einiger Karten, nämlich der vom Nürnberger Gebiet, des Fraischkärtleins und der Hersbrucker Karte. Vor etwa zwei Jahren habe ihn »der böse Mann« Andreae, der Geheime Rat von Seckendorf — gemeint ist der damalige Premierminister des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach — und ein paar andere im Heilsbronner Hof dazu überredet, was er seitdem schon oft bereut habe. Die Waldkarte, d. h. die Karte des Reichswaldes, durch die brandenburgische Brille gesehen, habe er dagegen nicht gestochen und ebensowenig wisse er irgend etwas von der Medaille und dem Medaillenpasquill. »Auf ernst- und bewegliches Zureden«, heißt es dann in dem Protokoll über dies Verhör weiter, »fället er auf die Knie und sagt mit Weinen: Die Ehrfurcht habe ihn bishero ab gehalten, die Wahrheit zu bekennen und das, was er leider getan, einzugestehen; er wolle aber nunmehro, wiewohl mit größter Wehemut, anzeigen, daß er diese Medaille, völlig wie das Exemplar sei, nicht nur die Figuren, sondern auch die Schrift gestochen habe«. Andreae habe ihm Zeichnung und Schrift gebracht, ihm die Arbeit angedingt und gesagt, sie geschehe im Auftrag eines fremden Herren. Sein Lohn habe 3 Gulden betragen; die habe der Andreae in seiner, Andreaes, Wohnung einem soeben erhaltenen Brief entnommen und sie ihm mit den Worten gegeben: »Da siehet er, daß es für einen fremden Herrn gehört«; »und habe der Andreae die Leute durch sein Zureden gleichsam bezaubern können«. Als Verfasser des Medaillenpasquills könnten seiner An sicht nach nur der Glück und Andreae in Frage kommen. Beide hätten mit den Landkarten »ihre Händel gemeinschaftlich gehabt« und die gleiche Bewandtnis werde es auch wohl mit gedachter Medaille haben. Auch Abraham Bronauer wollte sich anfangs nur zum Druck der Landkarten bekennen. Von der Medaille sei ihm nichts bekannt. Auf Vorzeigung eines Abdrucks des Pasquills jedoch, heißt es in dem Protokoll, »haesitirt er zimlich, endlich sagt er: er nicht, sondern sein Weib habe diese gedruckt, allerdings mit seinem Wissen«. Andreae habe ihn zu der Tat verführt. Das bestritt indessen wiederum Andreae, indem er aussagte, Bronauer habe vielmehr, da er ihm erstlich den
263 Kupferstich der Medaille gebracht habe, geäußert: »Wann auch 10 Teufel darauf stünden und die Herren des Rats zerreißeten, so drucke ers doch«. Alle drei wurden nach ihren Verhören wieder in das Gefängnis abgeführt, der Obhut der Männereisen-Meisterin Barbara Teuffelin übergeben. Die nächsten Monate sind mit einer ganzen Reihe weiterer Verhöre, mit Erkundigungen in Schwabach, die bei der un freundlichen Haltung der brandenburgischen Regierung nur auf privatem Wege vor sich gehen konnten, mit Gnadengesuchen der Angehörigen sowohl des Berndt als auch des Bronauer — von der Familie des Andreae verlautet nichts — und dazu mit einem wahren Bombardement von kürzeren oder längeren, zum Teil endlosen Schreiben, die Andreae aus seinem Gefängnis an einzelne Herren des Rats, namentlich an den als einer der Schöffen amtierenden Senator Karl Sigmund Ferdinand Grund herr, richtete, erfüllt. Zuerst langte ein Gesuch der Anna Katharina Bronauerin ein, ihren Mann doch gegen sichere Bürgschaft seiner Haft zu entlassen. Der Andreae habe, hieß es darin, durch seine sinnreichen und listigen Vorstellungen einfältige Leute mit ins Unglück gebracht. Ein hoher Rat möge doch bedenken, fährt die Bronauerin fort, daß »1. meines Mannes Verstand bekannter maßen nicht allzutief einsehend seie, solche Medaille 2. keines wegs erfunden noch angegeben habe, auch 3. in der Tat nicht verstanden habe, was ein dergleichen frevelhaftes Unternehmen bedeute, was 4. daraus leichtlich abzunehmen, daß der Verdienst dabei äußerst gering gewesen sei, aus welchem allen 5. keine Malice oder Bosheit wird hoffentlich zu schließen sein«. Darum möge man sich ihrer armen Kinder erbarmen und sie nicht an den Bettelstab bringen. In ähnlicher Weise wies der Vater des Johann Christoph Berndt, Konrad Berndt, in seinem Gnaden gesuch vor allem auf das »arme höchst betrübte, schwanger gehende Eheweib« seines Sohnes hin. Beide Familien, Berndt und Bronauer, bemühten sich auch eifrig, mit Johann Paul Glück in Verbindung zu treten, damit durch dessen Aussagen die Lügenhaftigkeit des Andreae noch mehr an den Tag komme, die beiden anderen Gefangenen aber
264 nach Möglichkeit entlastet werden möchten. Schon ein Johann Gunzenhauser, der sich zu Ende des Jahres 1733 freiwillig als Zeuge gemeldet hatte, sagte aus, daß er mit dem Glück in Schwabach zusammengetroffen sei und dieser ihm erzählt habe, der Andreae »seie ehedeme zu ihme, Glücken, nacher Schwobach kommen und habe sich gegen ihn groß gemacht, daß er das an dem Rathaus mit Kreide Gestandene geschrieben hätte«. Jeglichen Anteil seinerseits an dem Medaillenpasquill habe Glück bestritten. Wesentlich anders lautete die Auskunft, die er der Bronauerin gab, die eine Unterredung in Schweinau von ihm erbeten und gewährt erhalten hatte. Er selbst, hatte er ihr gesagt, könne als Zeichner schon deswegen gar nicht in Frage kommen, weil er nicht einmal eine Katz’ zu zeichnen vermöchte. Er habe die betr. Zeichnung vielmehr von dem Nürnberger Handelsmann Holzberger, wohnhaft am Roßmarkt, dem Bruder des Theologen, zugeschickt erhalten, der sie seinerseits auf der hiesigen [Nürnberger] Post-nach einer silbernen Medaille gemacht habe. Als dann der Andreae solche Zeichnung bei ihm, Glück, in Schwabach habe liegen sehen, habe er gesagt: »Herr! Das nimb ich mit hinein und laß es stechen. Das Ding muß uns recht Geld tragen. Ich will es schon machen, daß es dumm [wir würden vielleicht sagen: möglichst naiv] herauskommt« usw. Ähnlich hatte sich Glück Konrad Berndt gegenüber geäußert, der ihn in Schwabach aufgesucht hatte, um ihn zur Aushändi gung des »kupfernen Medaillen-Blättleins«, d. h. der Platte, die zum Abdruck gedient hatte, zu bewegen. In einem eigen händigen Schreiben Glücks an Johann Andreas Holzberger, das sich bei den Akten befindet, verwahrt er sich gleichfalls gegen den falschen Verdacht, in den ihn »der schelmische Andreae« gebracht, nämlich daß er, Glück, der Autor des Medaillen pasquills sei. Mehr hören wir nicht von diesem Ehrenmann, aber von seiner Frau liegt noch ein sehr ungelenk geschriebenes Blatt bei den Akten, auf dem sie dem Nürnberger Rat die noch in ihrem Besitz befindlichen verfänglichen Druckschriften und Landkarten zum Kauf anbietet. Ich kann mir nicht ver sagen, dieses Schriftstück, das uns so recht zeigt, in welchem Maße das Haus Glück oder der Kreis um Johann Paul Glück
265 eine Stätte der Intrigen und Stänkereien gegen die Reichsstadt Nürnberg und deren Rat gewesen sein muß, hier in seinem Wortlaute mitzuteilen, wenn ich mich auch auf eine genauere Erklärung der einzelnen Positionen darin nicht einlassen kann. Das Dokument lautet: »Specifikation, was vorhanden: 607 Exemplar der geographischen Beschreibung völlig ganz und collationiert, jedoch ohn die Landcarden. 110 Ämpter-Büchlein. 227 Fündel-Rechnungen. 300 Registerlein zu der Scheuererischen Carden. Ferner die 5 großen Kupfer-Blatten zu die Landcarden. Dann 4 kleine Kupfer-Blättlein zum Eindrücken in das Buch. Dieses alles bin erbötig auszuliefern vor dreihundert Species - Ducaten. Endlich, wann alles richtig, noch was Versiegeltes. Glückin«. Der Rat scheint sich auf dieses erpresserische Angebot jedoch nicht eingelassen zu haben; wenigstens habe ich bei den Prozeßakten über ein derartiges Abkommen mit der »Glückin« nichts gefunden. Den Ableugnungen Glücks gegenüber, der noch dazu in keiner Weise zur Rechenschaft gezogen oder auch nur gericht lich vernommen werden konnte, hatte nun zwar Andreae, wenn er vielleicht doch bis zu einem gewissen Grade, namentlich in puncto der eigentlichen Urheberschaft, unschuldig war, in der Tat einen schweren Stand und darum sind denn auch seine Briefe, die übrigens eine hohe Intelligenz verraten, von ganz besonderer Eindringlichkeit. Schon bald nach seiner Inhaftie rung bittet er in einem Schreiben an Karl Sigmund Ferdinand Grundherr diesen »fußfällig und um das Blut Christi willen«, für ihn armen Gefangenen bei einem ganzen hochedlen Rat zu interzedieren, und unterzeichnet sich als »Euer Wohlgeboren und Gnaden bis in den Tod betrübter Johann Philipp Andreae, Mathematicus«. Das Datum lautet: »e carcere, 31. Juli 1733«. Ein anderer Brief, den er aber, wie es scheint, nicht absenden durfte, ist an den Baron v. Seckendorf, Exzellenz,
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Premierminister des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, gerichtet. Er beschwört darin den Minister, doch den Glück verhören und darüber befragen zu lassen, ob er ihm nicht vor länger als drei Jahren eine Zeichnung, worauf die pasquillantische Medaille entworfen gewesen, samt einem Brief des Jean Paul Galatin zugesendet habe, damit der Berndt diese Medaille steche, und ob er es vor Gottes Gericht verantworten könne, daß er dem Buchdrucker Gunzelmann gegenüber böslicher Weise vor gegeben habe, er, Andreae, hätte sich gerühmt, das Pasquill an das Rathaus selbst angeschlagen zu haben. Mehr und mehr litt er unter seiner Gefangenschaft und unter dem inquisitorischen Verhalten seiner Wärter. »Ich glaube schwerlich«, so beginnt ein langer Brief an den Schöffen Grund herr, »daß Hiob dergleichen Plage von dem Teufel in der Höllen ausgestanden, als ich schon Qual und Marter von dem Eisenmeister Teufel und seiner Mutter erlitten, welches mir zu ertragen in die längere Zeit eine pure Unmöglichkeit ist. Den Teufel in der Hölle kann ich doch durch die Gnade Gottes mit dem Gebet vertreiben, aber diese 2 lassen sich weder mit Gebet noch anderem abtreiben. Vergebens hat sie Gott nicht mit einer Fußplage heimgesucht, weilen sie mich schon abgemartert, daß ich ganz kleinmütig darüber worden bin . . . Ich werde täglich, ja stündlich gequält, ich solle sagen, wer die Pasquille gemacht, wer solche angeschlagen. Ich sage noch einmal, daß mir Gott in meiner letzten Sterbestunde nicht solle gnädig und barmherzig sein, wenn ich weiteres anzuzeigen weiß, als bereits von mir geschehen ... In Schwabach«, heißt es dann weiter, »gibt es keinen einzigen Menschen, der etwas zeichnen kann außer dem französischen Prediger, von dem ich »den Ruin der Stadt Schwabach« gesehen habe«. Es bleibt fraglich, ob damit eine bestimmte Handzeichnung oder etwa ein Kupferstich gemeint sein soll. Im folgenden macht er dann eine ganze Reihe von Kaufleuten und anderen Persönlichkeiten in Nürnberg namhaft, die aus Schwabach direkt Exemplare des Medaillenpasquills erhalten hätten. Sie alle müßten vernommen werden, damit seine Unschuld in Sachen der Invention und Urheberschaft an den Tag komme. Er bittet den Ratsherren um der fünf Wunden Jesu willen, sich seiner zu erbarmen und
267 für seine Freilassung aus dem Gefängnisse einzutreten, damit er nicht ganz verzweifle. Ein späterer Brief an die beiden Schöffen Karl Sigmund Ferdinand Grundherr und Johann Karl Löffelholz, voll von Klagen und Bitten um Gnade und Barmherzigkeit, trägt das Motto »Bis dat, qui cito dat; non dat, qui munera tardat« und die Unterschrift: »Dero untertänigst gehorsamster, schon 16 Wochen elendiglich gefangener Johann Philipp Andreae«; wieder ein anderer ist unterschrieben »Euer Hochwohlgeborenen Gnaden bittlich seufzender J. P. A.«. Einmal ist auch der gekreuzigte Heiland, den Andreae so häufig zum Zeugen seiner Unschuld anruft, in einer kleinen Aquarellmalerei, die dem Texte des betreffenden Briefes eingefügt ist, abgebildet. Am auffälligsten ist an diesen Briefen, abgesehen von der außerordentlichen Schreibseligkeit ihres Verfassers, der außer dem zu jedem Verhör noch einen schriftlichen »commentarium exegetico-apologeticum« in Briefform zu den Akten gab, die große Zahl neuer Personen, die wir darin auftreten sehen und deren Vernehmung er größtenteils beantragt, da nur so Klar heit in die Sache kommen könne. Es ist nicht recht einzu sehen, was er damit bezweckte, wenn er nicht in der Tat eine wesentliche Entlastung für sich und seine Sache, eine Rein waschung von dem Odium wenigstens der eigentlichen Urheber schaft bezüglich des Medaillenpasquills von solchen Verhören erwartete und erwarten durfte. Wir werden daher doch viel leicht annehmen dürfen, daß der Ausgangspunkt des Pasquills, der Zeichnung, samt der dem Ganzen zu Grunde liegenden Idee, Schwabach und der engere Kreis des Johann Paul Glück, Andreae aber lediglich der »unglückselige Commissarius« des Glück, als der er sich beständig hinstellte, gewesen sei. Der Rat war freilich, wie es scheint, anderer Meinung. Er ließ zwar noch mit einigen wenigen sonstigen Personen ziemlich ergebnislos verlaufende Verhöre vornehmen, wie ins besondere auch mit dem Handelsmann Johann Andreas Holz berger, dessen Bruder, der stud. theol. Johann Holzberger, »Informator« bei dem Oberstjägermeister von Schiammersdorff in Ansbach gewesen war und der gegen die Behauptungen Glücks als gegen schmähliche Verleumdungen, wie man sie
268 freilich von einem solchen Spitzbuben, wie der Glück sei, nicht anders erwarten könne, »summo gradu« protestierte. Aber zu •einer Vernehmung von etwa 50 weiteren Personen, die Andreae benannte, verstanden sich Schöffen und Rat in keiner Weise ; sie betrachteten vielmehr offenbar die Schuld Andreaes auch bezüglich der Erfindung des Pasquills und der Abfassung des Textes für durchaus erwiesen und stimmten daher auch dem Gutachten des Ratskonsulenten Dr. C. W. Scheurl, der darin von Dr. Finkler und Dr. Wölkern, zwei anderen Ratskonsulenten, unterstützt wurde, völlig zu, wonach der Verbrecher zu lebens länglichem Gefängnis zu verurteilen sei. In seinen dieses harte Urteil im einzelnen begründenden Ausführungen führt der rechtsgelehrte Herr zunächst die viel fachen Verfehlungen Andreaes, unter denen das Medaillenpasquill ein »multo atrocius crimen« als alle übrigen sei, in langer Reihe auf. Hierauf werden elf erschwerende Umstände namhaft gemacht, wie daß er sich »seine noch ungerechtfertigten Händel nicht habe zur Witzigung dienen lassen«, daß er wider seinen Eid bezüglich der Zensur gehandelt habe, dann der »horror et detestatio« der Medaille, der Mißbrauch der Sprüche aus der heiligen Schrift, die große Verbreitung der Abdrücke auch in Leipzig usw. Bei solcher Schwere der Verbrechen und der begleitenden Umstände gehe die einstimmige Ansicht der Doctores dahin, daß als Strafe nur Fustigatio [Staupenschlag], Relegatio [Landesverweisung], Incarceratio [Einkerkerung] in Betracht kommen könne. »Ob nun wohlen«, heißt es in dem Bedenken weiter, »wegen der hierbei concurrierenden .... Umstände, welche das delictum exaggerieren, dem Andreae nicht zu viel geschehen würde, wann derselbe mit dem Staupen.schlag beleget würde, alldieweilen jedoch derselbe von einer .zumalen inter Theologos berühmten, mit den Harpprechts und Mosers [verwandten?], zumahlen im Württembergischen wohl angesehenen Familie herkommt, auch eben inter vilioris conditionis homines nicht zu zählen und durch diese Straf, wann er wenigstens in seine natürliche Freiheit wiederum käme, derselbe nur desperater und das Übel ärger gemachet würde . . ., mit der Relegation aber eben dieses, was bei der Fustigation zu besorgen, nicht zu gedenken, daß dieses dem Andreae, welcher
269 wenig allhier zu verlieren hat und omnia sua secum portat, ein schlechte Straf sein, ja wohl in vicinia« — gemeint ist natürlich das brandenburg-ansbachische Gebiet — »zu einer Promotion dienen würde; also was die Incarceration anbelanget, vermeinet zwar derselbe« — nämlich Andreae —, »durch die bisherige siebenthalbmonatliche Incarceration genugsam gebüßet zu haben, und hält solches für eine unbeschreiblich harte Straf. Allein wann man beherziget, daß dem Buchführer Martini zu Leipzig, blos weilen derselbe etliche von dem Andreae über kommene Exemplaria dieses Pasquills verkaufet, dann die meisten Exemplaria ihme abgenommen und anhero geschicket worden« — das stimmte nicht ganz: von 500 Exemplaren hatte man nur noch 174 bei ihm vorgefunden —, » . . . die Landesverweisung auf 5 oder 6 Jahr, ingleichen die Refusion der Inquisitionskosten zuerkannt worden, so würde wohl die bisherige Gefängnis keine Proportion gegen jene [Strafe] haben, zumalen da der Andreae ex confesso die Medaille machen und drucken lassen, auch sonsten allen Vorschub dazu getan«. Auf langen Umwegen, in denen er nochmals die Gründe für eine exemplarische Bestrafung wiederholt, auch auf ein Reichshofrats-Conclusum verweist, das es den Obrigkeiten zur Pflicht mache, mit aller Schärfe gegen die »Autores und Divulgatores der jetzt so sehr einreißenden Schand- und Schmähschriften« vorzugehen, kommt Dr. Scheurl dann endlich zu dem schon genannten Verdikt: lebenslängliche Einkerkerung entweder in seinem jetzigen Quartier, dem Männereisen, oder auch im Zuchthaus. »Bin zwar anfänglich«, heißt es am Schluß dieses Abschnitts über die für Andreae vorgeschlagene Strafe, »auf den Gedanken geraten, ob nicht in exemplum et terrorem aliorum der Andreae vorhero auf den Pranger zu stellen und zu gleicher Zeit die von Leipzig zur Hand gebrachten Exem plaria dieses Pasquills durch den Scharfrichter zu verbrennen, womit zugleich alle diejenigen, die quocumque modo moraliter dabei concurrieret und an diesen infamen Sachen ein Belieben tragen, per indirectum bestrafet würden. Es dorfte aber die Stellung auf den Pranger ein allzu großes Auflaufen verursachen«. Für Johann Christoph Berndt und Abraham Bronauer, bei denen die malitia nicht so groß wie bei dem Andreae und
270 die auch durch Not und Armut zu ihrem frevlerischen Tun verleitet worden seien, wird eine Prangerstrafe, dazu für jenen noch eine einjährige, für Bronauer eine halbjährige Zuchthaus haft in Vorschlag gebracht. In seiner »Sentenz« vom 11. Februar 1734 schloß sich der Rat, wie bereits erwähnt, bezüglich des Andreae der Ansicht seiner Konsulenten durchaus an. Hinsichtlich des Berndt und des Bronauer indessen erkannte er unter Weglassung der Pranger strafe auf zweijährige Gefängnishaft. »Die zur Hand gebrachten Abdrücke aber sollen im Beisein der drei Verbrecher durch des Scharfrichters Hand öffentlich zerrissen, verbrannt und abolieret werden.« Und so geschah es: für die Exekution, die an den noch vorhandenen Exemplaren des Medaillenpasquills vorgenommen wurde, diente die Zeremonie des Jahres 1718, von der wir bereits gesprochen haben, als Muster; alsdann wurden die Verurteilten wieder in ihre Gefängnisse abgeführt. Damit, so könnte man glauben, habe nun die ganze bereits einige Jahre lang spielende Sache endlich ihren Abschluß gefunden. Aber weit gefehlt! Eher dürfte man behaupten, daß sie jetzt eigentlich erst recht angehe, wie sie sich denn auch noch über zwei Jahrzehnte hingezogen hat. Da indessen das rechtsgeschichtliche Interesse mit der Aburteilung Andreaes im wesentlichen erschöpft ist und auch das kulturgeschichtliche und psychologische Moment weiterhin nur noch an einigen Stellen in neuer Beleuchtung erscheint, so können wir uns, was den Ausgang des Falles Andreae betrifft, gleichwohl kurz fassen. Wenn uns einerseits die Strafe, die über den Missetäter verhängt wurde, gar zu hart und seinem Vergehen unangemessen erscheinen will, so erkennt man, wie ich glaube, doch anderer seits selbst bereits aus den Vorschlägen des Rechtskonsulenten und ihrer Begründung, aus dem ganzen logischen oder auch unlogischen Aufbau des Gutachtens, daß es mit der lebens länglichen Gefängnisstrafe des Andreae nicht allzu ernst gemeint sein sollte. Eine Stäupung des Verbrechers, eine schwere und entehrende Prügelstrafe, würde ihn selbst zu sehr zur Rache entflammen und zugleich seine angesehene Verwandtschaft und Bekanntschäft im Württembergischen gegen den Nürnberger
271
Rat aufbringen. Landesverweisung aber, bei der er kaum etwas verliert, oder siebenmonatliche Gefängnisstrafe, für die der Verbrecher selbst plädiert und die durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt zu betrachten sein würde, ist doch wieder gar zu wenig und würde vielleicht den Rat in ein schiefes Licht gegenüber den Sachsen bringen, die in Leipzig einen solchen Eifer bei der Bestrafung ihres Martini entwickelt haben. Bleibt also nur, um nach außen einen guten Eindruck zu machen, die lebenslängliche Zuchthausstrafe! So war denn auch wohl der Rat, der für seine Finanzen gewiß eine bessere Verwendung wußte, als Verbrecher lebens länglich zu füttern, weder besonders überrascht, noch auch allzu erbittert, als sich eines Morgens, etwa 1V2 Monate, nachdem das grausame Urteil ergangen war, die Nachricht verbreitete, daß der »ad perpetuos carceres condemnierte Bösewicht Johann Philipp Andreae« aus seinem Gefängnis ausgebrochen sei und das Weite gesucht habe. Mehr als diese Tatsache, die den innersten Wünschen der hohen Obrigkeit ohne Zweifel entgegen kam, ärgerte die Herren des Rats vielleicht das spöttische »Billet«, das Andreae ihnen alsbald hatte zugehen lassen und das folgendermaßen begann : »Daß die Freiheit dem menschlichen Geschlechte ange nehmer als die vergitterten Fenster und versperrten Türen, solches wird keine christgläubige Seele negieren können. Auch kein unvernünftiges Tier mit seinem ihme .von dem Schöpfer verliehenen sensu wird es läugnen, daß die Freiheit das edelste, denn man betrachte nur ein Zeislein oder eine Meise: ob es gleich ein kleines Vöglein, so wird es doch seinen Kopf durch die eisernen Drähte continuierlich picken, ob es Luft gewinnen möchte, davon zu fliegen, also daß es manchmalen den Kopf ganz verwundet, und aestimiert die Speise nicht, so man ihme vorsetzt, sondern will lieber seinen Magen in Freiheit laben und sein Gefräß suchen. Noch viel weniger ist es einem ver nünftigen Menschen zu verargen, wann er auch die äußersten Kräfte mit Gottes Beistand daranstreckt, sich zu salvieren und in Freiheit zu setzen. »Daß ich aber meine Retirade gesucht mit Gott vorzu nehmen, dieses habe nicht ich, sondern der Herr, der stark
272 und mächtig ist, getan; diesem allein habe ich’s zu danken und keinem Menschen, besonders da ich die Verfolgung meiner Feinde unschuldig gelitten«. Nach wiederholter Beteuerung seiner Unschuld und der Mitteilung, daß er nach Schwabach fliehen werde, um von dort aus seine Sache ins Reine zu bringen, d. h. die Beweise für seine Unschuld herbeizuschaffen^ daß er übrigens schon morgen entweder »bei dem Büttnersgörgla« oder beim Hirschenwirt in Schweinau zu sprechen sei, falls man mit ihm reden wolle, lautet dann der Schluß des Briefes: »Obgleich Tür und Tor alle wohl verschlossen, so hat Gott doch einen Engel gesandt, der mich wunderbar ausgeführet hat, und eine Ohnmöglichkeit vor menschliche Augen gewesen ist durchzukommen. Ja, es hat gar müssen das Wasser mich retten und sich separieren, wie bei den Kindern Israel, Adio ! Adio! Komme der Herr morgen, so will ich mit ihme reden. Adio!« Und nun beginnt wieder eine wahre Hochflut von Ver nehmungen und häufen sich die Akten aufs neue mächtig an. Wir finden die Briefe des Andreae aus Schwabach an ver schiedene Senatoren, in denen er diese fortgesetzt bittet, ihm doch freies Geleit beim Nürnberger Rat auszuwirken, die aber daneben von Überhebung und Selbstberäucherung nur so strotzen,, wohl auch von einem grotesken Humor erfüllt sind. Sobald er nur, schreibt er einmal, den »salvum conductum« in Händen habe, werde man sehen, daß niemand so schöne consilia zu geben wisse wie er, »ja ich wollte fast sagen, daß keiner unter allen ihren [nämlich der Stadt Nürnberg] Beamten so viel Nutzen schaffen kann als ich«. »Ich versichere nochmalen Ihro Gnaden«, schreibt er, in einem anderen Brief an Herrn Christoph Gottlieb Volckamer von Kirchensittenbach, datiert Schwabach den 28. März 1734, »daß, wann Sie mir meine Freiheit gönnen wollen, das ich Ihnen so viel zu effectuiren imstande bin als alle Ihre Beamten und Bedienten, dann Gott hat mir Gaben gegeben, weit einzusehen und zu überlegen. Gott hat mir Gnade gegeben, bei denen Vornehmsten Ingreß zu finden. Gott hat mir die Vernunft gegeben, mit denen Gelehrtesten zu disputiern; und diese Gaben möchte ich gerne anwenden, Ihro-
273 Gnaden zu Dienst: nunmehro ist kein Mensch in der Welt, der mich in einem ehelichen Stand wider setzen kan als Ihro Gnaden und Herrn Ebners Gnaden, wann Sie für mich intercediern. Geschihet es nicht, so muß ich wider meinen Willen bei jetzigen Kriegstroublen mich als ein Ingenieur in kaiserl. Diensten gebrauchen lassen und daselbst mein Fortune suchen, vor das Vatterland streiten helfen; mir wäre aber lieber, wann ich von Ihnen employiert würde zu zeigen, daß ich etwas ausrichten kan; ich bitte ein Mittel hierzu auszufinden . . .« usw. Der halb satirisch gehaltene Brief ist weiterhin mit vielen Bibelsprüchen gespickt. Er werde nicht ruhen, heißt es in einem anderen Brief, bis er den eigentlichen Inventor des Medaillenpasquills entdeckt habe. Seinen Feinden aber werde er »ein Stücklein aus der Taschen« also ein Taschenspielerkunststück sehen lassen, das ihnen »empfindlich genug fallen und sie ihre Schnauzen einziehen würden, wie die Elephanten, wann sie einen Pfeil bekommen«. Den Ratschlägen der Konsulenten hätte man wahrlich nicht zu folgen gebraucht, »dann diese Herren sind Theoretici und gar gut in ihren Sachen; allein die Practic lacht die Theorie nur aus; gut ist es, wenn bede beisammen. Sie wissen in ihren Stuben zu Hause nicht, was außerhalb passiert, und in den gedruckten Büchern findet man auch nicht alles, und heutzutage wird die Welt täglich listiger, es bleibt nicht bei dem Alten. Wann Herr Consulent Scheurl die heutige Weltlist sollte betrachten, er würde erstaunen. Ja, dieser Herr hätte nicht so scharf auf mich dringen sollen, sondern machen, daß ich mit ihm hätte reden können, dann würde er anderst geredet haben« usf. — In einem der Schreiben gibt er auch eine Schilderung seines Ausbruchs au& dem Gefängnis und seiner Flucht, erzählt darin, wie er das Instrument, mit dem er die drei verschlossenen Türen geöffnet,, sich schon lange vorher, da die Untersuchungshaft kein Ende habe nehmen wollen, im Laufe etwa eines Vierteljahrs auf eine Art und Weise, die er nicht verraten wolle, zusammen gekünstelt und zustande gebracht habe. »Sollten es auch die Eisenmeistersleute anders darstellen, so lügen sie und suchen sich nur herauszureden, weilen es ihnen böhmische Dörfer sind* durch 3 Riegel und Schlösser zu echappieren. Ich habe keinent
274 Menschen gesehen, bis ich nach Schweinau ganz naß gekommen; aber wie ich an das Wasser gekommen, da wollte mir der Buckel grausen, weilen es kalt und ich ohnehin der Stuben gewohnt. Jedoch ging es gut von statten, also, daß nach Hinterlassung einer kölnischen Tobackspfeifen und eines Strumpfes ich glücklich durchkommen. . . Allein ich war kaum durch, so merkte ich, daß man die Spitze*) fallen ließe, welches mir eine böse Laugen gewesen wäre, wenn ich mich länger ver weilet hätte«. Ein Brief vom 4. Juni 1734 endlich ist an Herrn Georg Erasmus Wagner gerichtet. Dieser hatte sich durch Wohltaten namentlich um die Salzburger Emigranten verdient gemacht, und Andreae bittet ihn nun, sich auch seiner als eines un schuldig Bedrängten anzunehmen, da er bedürftiger sei als ein salzburgischer Emigrant, und ihm für die 2 sauber gearbeiteten »globos« und die neuen Bücher von der edierten Piece, die er ihm schicke, mit 20 Gulden an die Hand zu gehen. Die Kiste mit den genannten Gegenständen sollte ihm durch die Escherichin, Konrad Escherichs, Bürgers und Helfers bei den Ballenbindern, Frau, zugestellt werden. Der »Banchier« Eras mus Wagner benachrichtigte aber von Brief und Vorhaben Andreaes alsbald den Magistrat, der das Kästlein bei der Escherichin beschlagnahmen ließ. Bei den Büchern handelte es sich um 2 »Exemplaria von der in folio aufs neu heraus gegebenen so verräterisch- als unrichtigen nürnbergischen Staats- und Regimentsverfassung« und an dieses neue Delikt Andreaes schloß sich dann wiederum ein besonderes Prozeß verfahren. Wir hören in den Akten weiter von der Vernehmung der Eisenmeisterin Barbara Teuffel. und ihres Sohnes Johann Leonhard Teuffel, ihrer milden Verurteilung und alsbaldigen Begnadigung. Natürlich ward Teuffel auch seines Amtes entsetzt und die vakante Männer-Eisenmeister-Stelle ausgeschrieben; anstatt eines der anderen acht sich hierauf meldenden »Subjekte« wurde dann aber doch J. L. Teuffel unter Verwarnung wiederum als Eisenmeister angestellt (9. Juli 1734). *) Damit ist das Schoßgatter gemeint.
275 Wir erfahren auch von weiteren Vorstellungen und Be schwerden bei der markgräflichen Regierung in Ansbach, die sich gelegentlich auch einmal zu einer ziemlich lauen und nichtssagenden Antwort bequemt. Und doch ließ es lediglich diese ablehnende und nichts weniger als freundnachbarlicbe Haltung von Brandenburg-Ansbach dem nürnbergischen Rat trotz aller seiner Anstrengungen zunächst nicht gelingen, der Sache völlig auf den Grund zu kommen. Aber Nürnberg scheint sich für diese unfreundliche Behandlung auf eine höchst eigen artige Weise gerächt zu haben, nur sehen wir leider in dem weiteren Verlauf der Dinge nicht ganz klar, weil sich offenbar ein großer Teil der späteren Akten, die nach alter Signierung 7 Faszikel umfassen sollten, wenigstens im Königl. Kreisarchiv Nürnberg nicht erhalten hat. Möglich, daß ein ansehnlicher Bestand wegen seines verfänglichen Inhalts frühzeitig ausge schieden worden ist. Nach den letzten uns erhaltenen Briefen, die Andreae von Schwabach, wo er seit 1734 fest angesessen war, nach Nürnberg richtete, die aber erst aus den Jahren 1754 bis 1757 datiert sind, also auf eine Lücke von fast 20 Jahren in dieser merkwürdigen zumeist mit Nürnberger Patriziern oder auch unmittelbar mit dem Stadtregiment gepflogenen Korrespondenz schließen lassen, scheint nämlich der reichs städtische Magistrat sich des findigen, tatsächlich mit allen Wassern gewaschenen Mannes in späterer Zeit seinen Talenten entsprechend als Vermittler in allerlei heiklen Angelegenheiten und auch geradezu als Polizeispitzel und Spion bedient zu haben. Nicht immer freilich fielen die Angebereien des »dermaligen Onolzbachischen Commercien-Commissarius in Schwabach«, wie sich Andreae nun nennt, in Nürnberg auf fruchtbaren Boden. So überreichte er mit einem an »Herrn Castellan von Welser« gerichteten Schreiben vom 26. Dezember 1754 gleichzeitig ein »Promemoria«, aus dem zur Genüge ersehen werden könne, wie »eine gewisse vornehme und florisante Handlung in Nürn berg ratione der Losung den hochlöbl. Magistrat in 12 Jahren mehr als um 30000 fl. hintertragen« und »dadurch den Losungsaid gebrochen habe und meinaidig worden« sei, und »wie der modus sein muß, solche Defraudation ohne viele Umbschweif zu entdecken«. Zugleich bittet er auch in diesem Briefe noch, 18
276. ihn nun wieder zu Gnaden anzunehmen, »das Verbrechen, welches ich auf Anlaß der Handelschaft getan, mir zu ver geben, wo ich dann auch künftig meinen Treu und Eifer zeigen werde, zumalen da ich in 21 Jahren sehr vieles gesehen und gelernt. Herr Notarius Ram wird meine Supplique übergeben und ich will ein gnädiges Fiat gewärtigen . « Wir erfahren also hier zum ersten Male, daß Andreae selbst in diesen späten Jahren kein Hehl mehr daraus macht, seiner zeit das Medaillenpasquill auf Anstiften der mit der reichs städtischen Regierung unzufriedenen Kaufmannschaft verfaßt und veröffentlicht zu haben, was er in verloren gegangenen Schrift stücken wohl schon früher unumwunden zugegeben haben mag. Das in dem Schreiben selbst wie in dem Promemoria nieder-gelegte Ansinnen wurde indessen vom Magistrat abgewiesen, sein Mandatar Notar Rahm verwarnt, und keinen besseren Er folg hatte Andreae mit einem ähnlichen Vorschlag, den er am 5. Mai 1755 in einem Briefe an Herrn Karl Sigmund Ferdinand Grundherr machte. In einem weiteren erhalten gebliebenen Schreiben an Grundherr vom 5. Juni 1757 teilt er dann etwas über einen Truppendurchzug durch Schwabach mit — wir be finden uns nun bereits in der Zeit des siebenjährigen Krieges — und legt ein »Nürnberg den 1. Juni 1757« datiertes Flugblatt (»Patent«) über Truppenwerbung für den König von Preußen in Korrekturabzug bei, das der Kommandant Obristleutnant Johann von Mayer soeben in Schwabach in 1200 Exemplaren habe drucken lassen. Der letzte Brief Andreaes und zugleich das letzte Produkt in dem dritten Aktenfaszikel ist aus Schwabach ohne Datum an die Herren Älteren in Nürnberg, also die eigentliche regierende Behörde der Reichsstadt, gerichtet. Er bekundet darin seine Reue über die Missetat, die er begangen, hebt seine Verdienste in fünfzehnjähriger Korrespondenz mit dem verstorbenen Herrn Kastellan von Volkamer hervor, die erweisen würde, »daß ich viele Verdrießlichkeiten abgewendet, die von dem hochfürstl. Haus Anspach gegen Nürnberg haben sollen vorgenommen werden« und bittet schließlich wiederholt * untertänigst -gehorsämst«, ihm zu gestatten, daß er sich nun »entweder hier [d. h. in Nürnberg] oder in der Nähe wieder Ankäufen« dürfe. Wir wissen nicht, wie die Antwort auf dieses
277 Schreiben ausgefallen ist; in Nürnberg wird indessen Andreae sein Leben schwerlich beschlossen haben, da in den hiesigen Totenregistern sein Name nicht erscheint. Und so gelangte die ganze Angelegenheit, die so unendlich viel Schreiberei ver ursacht hatte, weder zu einer befriedigenden Lösung, noch selbst zu einem eigentlichen Abschluß; sie blieb halb, wie so manches in jener letzten Epoche des langsam absterbenden reichsstädti schen Staatswesens, in dessen Fäulnis uns jedoch gerade der Fall Andreae wertvolle Einblicke tun zu lassen besonders, geeignet ist.
Anhang. Als Probe der Briefschriftstellerei des Johann Philipp Andreae gebe ich hier den oben angeführten Brief an den Ratsherrn Löffelholz seinem genauen Wortlaute nach und auch buchstabengetreu wieder. Andreae schreibt am 2 1. Juli 1733 aus dem Gefängnisse: Wohlgebohrner Gnädiger Herr ! Dem mir gegebenen befehl Gehorsamst nachzuleben, so habe nicht er mangeln wollen, hiemit die anzeige zu thun, so viel als ich weiß und davon zu Gesicht gekommen : Ohngefehr in dem Monath Februarij dieses fortlauffenden Jahres [1733J ist der Glück nach Erlang geritten, daselbsten den Fleischmann, der den Stadtriß gestochen, mit sich nach Schweinau genommen und bey dem sogenandten Büttnersgörgla einlogiert; alda hat Er Ihme einen halben bogen groß eine Zeichnung machen müssen dieses Innhalts ohngefehr : 1. Fürstliche Persohn sitzet unter einem erhobenen Baldachinen in vollem Küriß mit Cron und Scepter; unter seinen F'üssen werden löwen sich befinden; unten stehen zu füssen 2 herren deß Raths, der eine den Neid vorstellend, der andere eine andere heßliche Figur. Der Neid hat eine Arm brust, so gespannt; auf diesem ligt ein Strohhalm und zielet nach dem Fürsten. Aus deß Fürsten Mund gehet eine stimme; die worte hab ich aber nicht leßen können, weilen solche gar klein geschrieben waren. Es sind noch viele Figuren vorhanden, da die eine die landcarten, die andere die Annales Mülleri. die dritte wieder ein anderes in händen hält, worunter lauter pasquillantische Lemmata stehen etc. Dieses Blatt habe ich nur in deß Glücken seiner Stuben von ferne ligen sehen; da Er aber wahrgenommen, daß meine äugen so scharff darauf waren, so hat Er dieses weggethan. Allein obige Zeichnung wird der Hering, Kupferstecher, besser erklären können und der Guntzelmann, kupfertrucker, weilen diese etl. wohl bey dem Fleischmann in Schweinau gewesen, der Reiß aber am allerbesten explicieren, weilen dieser solche Zeichnung meines Wissens nach Schwabach getragen. Noch erinnere ich mich, daß vor ohngefehr einem Jahr der Fleischmann auch hat zeichnen sollen ein völliges Kartenspiel von hiesigen herren, und der Glück dieser wegen gar vieles mit ihme gesprochen, allein ich kann solches nicht beweisen, sondern ich habe es nur durch einen Domestiquen von dem Glücken erfahren, doch solle es gantz gewiß seyn. Vielleicht weiß der Reuß mehrere Particularia hievon zu geben, mir hat man seit einem jahr und noch 18*
278 länger gar nichtes mehr wissen lassen. Von deß Glücken seinen anhängern kan ich keine weitere nachricht geben, weilen, wie erstgedacht, ich nicht mehr in [Bl. ib] seinen gunsten gewesen. Daß der Glück keinen strich zeichnen kan, ist gantz gewiß; mithin muß ihme die Medaille einer gezeichnet haben, allein ich kan keine nachricht ertheilen, indeme mit Gott und gutem Gewissen sagen kann, daß ich weder Inventorem noch delineatorem anzeigen kann, und wird dieses nicht nur der Glück selbst, der Holtzberger, sondern auch der Bernd und Bronnauer mit gutem gewissen sagen. Daß ich dieses so lange nicht bekennet, sind einig und allein Bernd und Bronnauer schuldig, dann sontags vor meiner einhafftierung war ich und Bernd bey dem Bronnauer, da ich dann ihnen solches vorgestellt und gesagt, was ich gefragt würde, so sagete ich es rund herauß, der Bernd aber zur antwort gegeben: Er lasse sich eher io wochen einsperren, ehe er dieses bekenne, und wann ihme einer unter die äugen ge stehet würde, so gestehe Er solches nicht, sondern laugne es; ich habe ihnen beeden dazumahlen noch gesagt, daß ich nichts daran gethan noch gemacht, sondern ledig in Commission solches gehabt, wie sie beede mit gutem gewissen sagen werden und müssen. Es wird sich der Bronnauer wohl zu entsinnen wissen, daß ich gesagt gleich anfangs, da es getruckt worden, es wäre besser gewesen, wir hätten alles verbrennt, weilen ein guter freund von dem Bronnauer ihne nach der hand solle gewarnet haben, daß dieses ein Pasquill seye, welches wir vorhero nicht so eingesehen; allein die abtruck waren schon weg. Euer Wohlgebohren und Gnaden haben also die hohe Gnade vor mich und intercedieren, damit ich doch möchte erlediget werden und meine arbeit, die gantz grossen globos betreffend, zum stand richten könne. Was ich nach der hand zu fernerer außforschung der andern script. etc. thun kan und mir anbefohlen wird, werde ich gewiß mit aller treue, Sorgfalt ünd mühe auf das fleissigste außrichten. Für einige mir erzeigende hohe Gnade werde ich nicht nur den grossen Gott für Euer Gnaden langes leben, hohes wohlseyn inbrünstigst anflehen und mit allem unterthänigsten respectt verharren Euer Wohlgebohren und Gnaden Unterthänigster diener Johann Philipp Andreae 6 Carcere den 21. Julii 1733. Mathematicus. Seiner Wohlgebohrn und Gnaden herrn Herrn N. N. Löffelholtz etc. Meinem Gnädigen Herrn Herrn. Vom gleichen Tage (»d. d. 21. Juli 1733«) ist, wie oben bemerkt, noch eine gleichfalls bei den Akten befindliche »Geheime Anzeig« datiert, die folgenden Wortlaut hat: Actum d. 2t. Juli 1733: Anheute zeigt ein gewisser Bürger, welcher sich dermalen nicht gerne kennen lassen will, in guter aufrichtiger Intention Folgendes an: Der Kupferdrucker Gunzelmann wißte in der geheimen Inquisitionssach gar vieles anzuzeigen und habe sich auch verlauten lassen, daß, wann mit ihme mit Güte und Gnade gehandelt würde, er alles Mögliche anzeigen wolte; unter andern hette solcher Gunzelmann Nachricht und Wissenschafft, daß I.) Der Herr von Falckenstein, so dermalen im Gostenhof sich aufhalte, die meinsten Sachen gemacht und geschrieben, und daß, wie erst jüngstens der Kupferdrucker Bronauer gefordert worden, gedachter Gunzelmann sogleich in den Gostenhof geloffen seie und dem Herrn von Falckenstein Nachricht davon gegeben und ihn vermuttlich gewarnet habe.
279 2.)
Daß dieser Falckenstein ein neues Werk oder Stück unter Händen
habe. 3. ) Daß von denen Interessenten der Glück in Schwobach nur der Principal genennet würde. 4. ) Der Andree aber bei diesem Glücken den Gunzelmann einen Ver räter geheißen und dieser deswegen den Reißen zu Entdeckung desjenigen, was er von Andree wisse, einer vertrauten Person zu entdecken ermahnet habe. 5. ) Daß der bekannte Fleischmann die Blatte vom Lager der Stadt ge stochen und die Bezahlung dafür von einem gewissen Juden empfangen habe, und 6.) Daß der Kupferstecher Hering auch nicht ganz rein seie. Der Gunzelmann wisse mehr als der Andree, Reuß und andere und wäre durch freundlichen, nicht aber ernstlichen Zuspruch zu einer offenherzigen Bekenntnus leicht zu bewegen, wann er zumalen vermerkete, daß man schon von einem und andern Nachricht hette. Gunzelmann müßte unversehens gefordert und ihm die Gelegenheit benommen werden, anderen und zumal dem Herrn v. Falckenstein dieses zu ihrer Nachachtung zu avisiren. Wann bei dem Herrn von Falckenstein unvermerkt eingegangen würde, dorfte man mehrers finden, als man vermutete. Nota: Der unbenannte Anzeiger ist von Selbsten zu dem Schöpfenamts schreiber gekommen und hat ihm Vorstehendes im größten Vertrauen entdecket und dieser es sogleich vorstehendermaßen niedergeschrieben«. Der »Geheimen Anzeig« folgt ein weiteres Aktenstück mit den Fragen, die dem Gunzelmann vorgelegt werden sollen und dann dessen Antworten auf diese Fiagen, die aber über das Medaillen-Pasquill und seine Entstehung nichts Neues bieten. Es ist hier u. a. von dem in Andreaes Briefen wiederholt er wähnten »bekannten Scribenten Reußen aus Schweinau« die Rede. Vom Herrn Baron von Falckenstein wird ausgesagt, daß er Bücher schreibe, auch »das Altertum von Eychstett« gemacht und ihn [Gunzelmann] »an den Glücken zu Schwobach recommendiert« habe. Baron von Falckenstein wohne zur Zeit in Gostenhof in dem vormals »Pellerischen nunc Prünhaußer & Hofmännischen Garten«.
Kleinere Mitteilungen. Entstehung und Alter des Nürnberger Ratssiegels. Auf das bisher bekannte erstmalige Vorkommen des Nürnberger Ratssiegels an einer Urkunde vom Jahre 1243 wurde zuerst in einem Aufsatz »Von den Siegeln der Reichsstadt Nürn berg« im Liter. Museum Bd. 1 (1778), S. 521 ff. hingewiesen. Es hing an einer Engeltaler Urkunde und stellte den Adler mit dem Königskopf, herabwallendem Haar und gefiedertem Leib vor.1) Aber schon an einer früheren Urkunde, angeblich vom 7. Januar 1225, soll dieses Siegel gehangen haben. In seiner »Geschichte .... des Reichsschultheißenamts zu Nürnberg« veröffentlichte der Nürnberger Ratsherr Christoph Wilh. Friedr. Stromer diese Urkunde, wodurch der Schultheiß Konrad Eseler und die Schöffen der Stadt Nürnberg beurkunden, daß Sifrit Ebener und seine Brüder Eberhard und Hermann sowie Ulrich Krumpsit ihre Muhme Jeuthe, Herolts Tochter, Erkelin, dem Zöllner, zur Frau gegeben und ihm statt der Mitgift von 20 Pfund Haller ein Vierteil des Zehnten zu Slaursbach (Schlauersbach im Bezirksamt Ansbach), den sie nach vier Jahren wieder einlösen sollen, eingesetzt haben.2) An dieser Urkunde *) Auf die Entstehung des Ratssiegels mit dem Königskopf unter Ver wendung des Siegels an dem großen Privileg König Friedrichs II. für die Stadt Nürnberg vom 8. November 1219 habe ich schon 1890 in meinem Altnürnberg (22. Bd. der im C. C. Buchnerschen Verlag zu Bamberg erschienenen Bayer. Bibliothek) S, 24 aufmerksam gemacht. 2) Wegen der Bedeutung dieser merkwürdigen Urkunde für unsere Frage, die nur bei dem schwer zugänglichen Stromer, Geschichte des Schult heißenamts etc , veröffentlicht ist, teile ich sie hier in ihrem ganzen Wortlaut mit: Ich Cvnrat der Eseler, der schultheizze, vnde wir die schephen von der stat zu Nürenberch veriehen an disem briefe, daz her Sifrit der Ebener vnde her Eberhart vnde her Herman, sine bruder, vnde her Vlrich der Krumpsite, daz die ir mvmen Jeuthen, div etewenne was Herolts tohter, gaben Erkelin dem zolner ze einer elichen wirtin vnde gaben der zv im zwainzik phunt haller vnde satzten im für div selben zwainzik phunt ein vierteil des zehenten ze Slavrspach mit sogetaner beschaidenheit, daz er den selben tail des zehenten inne haben sol vier jar von vnser frowen tage zer liehtmesse, div nv schierst chvmt. Nah den vier jaren svlen iriv geswisteride daz selbe vierteil des zehenten von im leesen vmbe div vorgenanten zwainzik phunt, swelhes jares si wellent, zer
281 hing das Schultheißen- und das Ratssiegel. Damit wäre das Vorkommen des Ratssiegels schon für das Jahr 1225 gesichert. Leider ist das Original dieser Urkunde nicht auffindbar. Wie mir Herr Katechet Karl Freiherr Ebner v. Eschenbach dahier mitteilt, ist sie im Freiherrl. v. Ebnerschen Familien archiv nicht vorhanden und lag ehedem in der sog. »Muffeh sehen Versperr«. Alle Nachforschungen des Herrn Katecheten v. Ebner, dit er noch zu Lebzeiten des Obersten v. Muffel über die »Muffelsche Versperr« anstellte, waren ergebnislos. Im Jahre 1730 wurde die Urkunde von Christoph Muffel Johann Karl Ebner von Eschenbach zur Abschriftnahme überlassen, das auf »Pergamen patentweis geschriebene und besiegelte Original, daran aber die Siegel nicht mehr gehangen«. Ebner legte es mit einer genau faksimilierten Abschrift dem Registrator der Reichsstadt Nürnberg und kaiserlichen Notar Fried. Pund vor, der sie von Wort zu Wort gleichlautend mit dem Original erfand und dies durch notarielle Beurkundung am Fuße der Abschrift mit Unterschrift und Siegel sowie Aufdruck seines Notariatszeichens — in Kupferstich — bestätigte.1) Es ist nun höchst auffallend, daß diese Urkunde das Datum des 7. Januar 1225 (an dem eritage nach dem obersten tage) trägt. Es kann auch kein Zweifel darüber bestehen, daß auch das nicht auffindbare Original das Jahr 1225 als Ausstellungsjahr verzeichnete. Das Faksimile ist nämlich mit der äußersten Sorgfalt hergestellt und es darf angenommen werden, daß dem Notar die Nichtübereinstimmung in der Datierung des Originals und der liehtmesse oder vor oder nach in vierzehen tagen. Vnde ist daz geschehen mit Albrehtes worte, des eitesten bruders, vnde hat der des veriaehen vor hem Sifrid, vor hern Eberhard, vor hem Hennanne, den drin Ebenem, vnde vor hern Vlrich dem Krumpsiten vnde vor hern Heinrich vnde vor hern Cvnrad den zweien Vorhtelin. Vnde hat auch gelobt mit den drin Ebenem vnde mit Vlrich dem Krvrnpsiten, swenne Creftel, sin bruder, ze lande chome, daz si danne schaffen suln, daz ez sin wille auch si. Vnd daz daz also staete belibe vnde vnzerbrochen, darvmbe hat man geschriben disen brief versigelt vnde gefestent mit des schultheizzen insigel vnde mit der stat insigel ze Nürenberch, div beidiy dran hangent. Darvber sint geziuge her Eberhart der Kezwazzerer, her Cvniat von Rot, her Sifrit Strekfadem, her Otte Muffel vnde ander erbere Jevte, die da vor genant sint. Der brief wart geben, da von gotes gebvrte waren tvsent jar zweihvndert jar in dem fvnften vnde zwainzigesten jarean dem erittage nah dem obersten tage. Faksimilierte und notariell beglaubigte Abschrift vom 4. März 1730 (S. oben). ‘) Diese Abschrift befindet sich jetzt im Archiv des German. Museums.
282 Abschrift sicher nicht entgangen wäre. Es kommt hinzu, daß auch Stromer, dem das Original im Jahre 1787 vorlag, 1225 las. Im höchsten Grade auffallend ist die Jahreszahl 1225 deshalb, weil Konrad Eseler erst gegen Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrhunderts (von 1290 —1296, von 1297—1300 und von 1310—1314) Schultheiß in Nürnberg war.1) Will man die Jahreszahl 1225 aufrecht erhalten, so müßte man für dieses Jahr nochmals einen Schultheißen mit dem Namen Konrad Eseler annehmen, wie es denn auch Stromer auf S. 67 seines angeführten Buches tut, wo er ihn als den ältesten Schultheißen bezeichnet, den er »mit diplomatischer Zuverlässigkeit angeben kann«. Aber es ist die einzige Stelle, die er anführen kann, und diese ist nicht beweiskräftig. Ein Konrad Eseler ist für jene Zeit nicht nachzuweisen. Um es gleich zu sagen, die Jahreszahl 1225 ist statt 1295 verschrieben worden. Daß die Urkunde aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammt, beweisen unwiderleglich die Schrift charaktere, die nur dieser Zeit angehören können. Dann aber kann eine erdrückende Menge von Beweisen dafür beigebracht werden, daß die in der Urkunde vorkommenden Personen in den letzten Jahrzehnten des 13. und in den ersten des 14. Jahr hunderts gelebt haben.2) *) 1296 wird Gramlieb, der Bruder Konrads, 1303 Seifried von Kammer stein, 1306 Heinrich Geuschmied, 1308 und 1309 wieder Seifried von Kammer stein und 1310 bis 1314 wieder Konrad Eseler als Schultheiß aufgefübrt. S. Stromer a. a. O. S. 73—75. Man sieht daraus, daß damals die Schult heißen, wohl bei Verhinderungen, vom Amt zurücktreten konnten, um es später wieder zu übernehmen. Bei Konrad Eseler kann es sich nur um dieselbe Persönlichkeit handeln, da sowohl 1296 als auch 1312 Gramlieb Eseler als sein Bruder erscheint. 2) Von den in der Urkunde vorkommenden Personen lassen sich außer dem sonst häufig begegnenden Schultheißen Konrad Eseler fast alle in den letzten Jahrzehnten des 13. und den ersten des 14. Jahrhunderts urkundlich nachweisen. Ich gebe nachstehend eine Reihe von Stellen, die sich noch vielfach, besonders für die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts vermehren ließen. Nicht auffinden konnte ich nur Jeuthe, Herolts Tochter, ihren Bruder Albrecht und Erkelin den Zöllner. Sigfried Ebner 1270, Oetter, Geschichte der Burggrafen von Nürn berg II, 568. 1278 Reg. Boic. IV, 61. 1278 Würfel, Nachrichten zur Nürn berger Stadt- und Adelsgeschichte I, 15. 1278 Mon. Zoll. II, 197. 1286 Jung* Miscell. I, 34. 1294' Reg. Boic. IV, 507. 1295 ebend. 593 und sonst wiederholt noch. Eberhard Ebner 1295 Hist. Norimb. dipl. II, 194, 195. Sigfried und Eberhard Ebner 1282 Schwarz, de butigul., p. 55, Anm. 82.
283 Aber man fragt sich unwillkürlich, ist es denn möglich, daß sich der Schreiber, der die Urkunde im Jahre 1295 nieder schrieb, in dem Maße verschrieben haben sollte, daß er statt 1295 1225 gesetzt haben, daß ferner das Schultheißenamt und die bei der Ausstellung beteiligten Amtspersonen, daß endlich Aussteller, Empfänger und Zeugen, die die Urkunde doch wohl auch näher ansahen, den Fehler nicht sollten erkannt haben > Grobe Fehler kamen ja beim Abschreiben von Urkunden und besonders auch beim Lesen der Jahreszahlen vor und richteten zum Teil Unheil und Verwirrung an. Der Nürnberger Rats- und Geschichtsschreiber Johann Müllner berichtet zum Jahre 1226 über zwei Fälle, von denen der eine wieder den Schultheißen Konrad Eseler, der andere den Schultheißen Berthold Pfinzing betrifft. Beide wurden auf Grund zweier alter Urkunden, die Konrad Haller in seinem Geschlechterbuch und Dr. Christoph Hermann Ebner 1286 Murr, Journal zur Kunstgeschichte, XV, 69. 1288 Reg. Boic. IV, 385. Sigfried und Hermann E. 1270 Würfel a. a. O. I, 9. 1274 Mon. Zoll. II, 138. 1277 Gatterer, Histor. Holzschuh., praefat. K 2. Sigfried, Eberhard und Hermann E. 1283 Reg. Boic. IV, 223. 1288 Hist. Norimb. diplom. II, 180. Ulrich Krumpsit 1268 Würfel a. a. O. 261. 1260, 1268, 1270, 1296 bei Müllner in seinen Annalen aus Urkunden angeführt. 1282 Mon. Zoll. II, Nr. 260. Heinrich Vorchtel 1295 Reg. Boic. VI, 593. 1299 bei Müllner z. J« I55°- 1296 Gatterer, Hist. Holzschuh., Cod. diplom. Nr. 9, 1298 und Schultheiß Konrad Eseler ebend. Nr. n und 12. Konrad Vorchtel 1275 Reg. Boic. III, 463. 1276 Waldau, Neue Beiträge I, 218. Würfel a. a. O. I, 15. 1290 Mon. Zoll. II, 341. Heinrich und Konrad V. und Sigfried Ebner 1282 Jung Miscell. Ir 33» 34Heinrich und Konrad sowie Schultheiß Konrad Eseler 129b Gatterer a. a. 0. Nr. 9. Heinr. V. und Sigfried Ebner 1298 Gatterer a. a. O. Nr. 13. Heinr. V. und Konrad Ebner 1298 ebend. Nr. 12. Eberhard Käswasser 1280 und 1285 Müllners Annalen z. J. 1285 und 1288. Eberhard K. und Hermann Ebner 1286 Murr, Journal zur Kunst geschichte, XV, 69. Konrad von Rot 1268 und 1296 Müllners Annalen z. J. 1272. 1288 Schwarz, de butigul., Nr. 6. Sigfried Streckfaden 1288, 1296, 1300 Müllners Annalen z.J, 1288. Sigfried Streckfaden und Konrad von Rot 1296 Würfel a. a. O. II» 939. Otto Muffel 1304 Müllner z. J. 1272. 1308 Würfel a. a. O. II, 427. Otto Muffel und Sigfried Ebner 1309 Mon. Zoll. II, Nr. 458. Otto Muffel, Hermann Ebner und Eberhard Keswasser 1288 Gatterer a. a. O. Nr. 3.
284 Seheuri in seinem Buch über die Nürnberger Geschlechter anführe und von denen die eine von dem Nürnberger Land richter und Butigler Rüdiger vom Brand 1226, die andere im Jahre 1227 ausgestellt worden, als Schultheißen in den genannten Jahren angesprochen. Er wendet dagegen mit Recht ein, daß Rüdiger vom Brand erst 1296 als Landrichter, Konrad Eseler 1295 und Berthold Pfinzing 1282 als Schultheißen in Urkunden genannt würden. Auch die Zeugen könnten erst zwischen 1280 und 1300 nachgewiesen werden. Deshalb sei das Ausstellungs jahr der beiden Urkunden nicht wenig verdächtig und zu ver muten, daß nicht 1226 und 1227, sondern 1296 und 1297 stehe, wie denn die Charaktere einen solchen Irrtum — n'oi statt JCCbl — leicht verursachen könnten. Aber in diesen beiden Fällen ist die falsche Jahreszahl nicht durch den Schreiber des Originals, sondern durch den Abschreiber desselben, der die Jahreszahl nicht lesen konnte, hervorgerufen worden. Ein solcher Irrtum kann einem Schreiber, der mit der alten Schrift nicht vertraut ist, leicht begegnen, dagegen wird sich für das Verschreiben der Jahreszahl durch den Kanzlisten, der das Original selbst riiederschrieb, nicht so leicht ein weiteres Beispiel beibringen lassen.1) Und doch, wenn man die originalgetreu faksimilierte und notariell beglaubigte Abschrift einer näheren Untersuchung unter zieht, so kann man sich der Annahme nicht verschließen, daß die Vorlage, wenn sie auch die falsche Zahl 1225 aufwies, dennoch dem Ende des 13. Jahrhunderts angehörte und daß sie ins besondere: echt war; dafür sprechen Schrift, Sprache und Inhalt. In einer weit von dem Ende des 13. Jahrhunderts abliegenden Zeit aber köfinte die Urkunde überhaupt nicht gefälscht sein, da sich dann ohne Zweifel auch Namen von Personen eingeschlichen hätten, die jener Zeit — dem Ende des 13. Jahrhunderts nicht angehört haben. Aber auch in dieser Beziehung ist an der Urkunde nicht das Geringste auszusetzen. Es war doch , *) Lochner, nach dem sich das vidimierte Faksimile 1834 im Besitz von Dr. Moritz Maximilian Mayer befand, meint (Nürnberger Jahrbücher II, 95 Anm.,;**), daß der öfters vorkommende Schreibfehler zwanzigsten statt neunzigsten der auch den sonst so sorgsamen Stromer fehlgeleitet, nicht zu übersehen, sei. Aber in der Jahreszahl einer Originalurkunde dürfte er doch wohl kaum zum zweiten Male festzustellen sein.
285 immerhin möglich, daß infolge eines Hörfehlers des Schreibers, der statt in dem fünften und neunzigesten — fünften und zwainzigesten verstand, der Fehler sich in das Diktat einschliqh. Zu einer Fälschung der Urkunde lag auch kein hinreichender materieller Grund vor; denn der Vorteil, den der Fälscher daraus hätte ziehen können, war nicht bedeutend genug, um sich den Gefahren einer solchen Machenschaft auszusetzen. Diese Darlegung, der Beweis, daß die Urkunde erst im Jahre 1295 ausgestellt worden sein kann, war erforderlich, um ihre Untauglichkeit für die Annahme des Ratssiegels schon für das Jahr 1225 darzutun. Aber es ist uns noch eine weitere um 1225, wenn nicht schon vorher ausgestellte Urkunde erhalten geblieben, die der Nürnberger Rat gesiegelt hat. B., Komtur des deutschen Hauses in Nürnberg, beurkundet darin den Kauf einer Mühle in Dietenhofen um den Preis von 14 U. Und damit dieser Akt im Laufe der Zeit nicht in Vergessenheit gerate, bekräftigte er die Urkunde durch seines Ordens und der Stadt Nürnberg Insiegel (sigilli nostri ordinis ac civium Nurenbergensium appensione presens scriptum duximus roborandum).x) Diese in einem älteren Kopialbuch des Deutschordens zu Nürnberg verzeichnete, leider undatierte Urkunde muß längst vor dem Jahre 1236 ausgestellt worden sein. Eine Zusammen stellung der in Betracht kommenden Zeugen derselben mit denen einer im Dezember 1236 von dem römischen König Konrad in Nürnberg ausgestellten Urkunde2) läßt darüber keinen Zweifel. Undatierte Urkunde Urkunde von 1236 Unter den Zeugen: Cunradus Bigenot, Cunradus, quondam antiquus scultetus scultetus, dictus Bigenot Hermannus Angwilla (ohne Beisatz)
Hermannus, quondam scultetus, dictus Anquilla, Eberhardus* scultetus.
Da in der undatierten Urkunde bei Hermannus Angwilla der Titel scultetus oder quondam scultetus fehlt, so darf *) Salbuch Nr. 131, Bl. 145 im Kgl. Kreisarchiv Nürnberg. 2) Mon. Boic. 30, i, Nr. 745.
286 angenommen werden, daß sie vor seinem Antritt des Amtes aus gestellt worden ist. Zwischen Hermann Anqwilla und Konrad Bigenot wäre daher noch ein weiterer Schultheiß anzunehmen,1) so daß also dem Schultheißen Eberhard vom Jahre 1236 bis zur Ausstellungszeit der undatierten Urkunde noch drei weitere vor hergehen würden, deren Amtszeit bei ihrer damaligen kurzen Dauer etwa bis zum Beginn der zwanziger Jahre des 13. Jahr-
Siegel König Friedrichs II. an dem großen Privileg für Nürnberg vom Jahre 1219.2) 6/7 der Originalgröße (Bildfläche und Legendengürtel).
hunderts zurückreichen würde. Die undatierte Urkunde wäre daher etwa in den Anfang der zwanziger Jahre des 13. Jahr hunderts zu setzen.3) x) Es wäre allerdings noch denkbar, daß das Amt eine Zeitlang un besetzt gewesen sei, was indes wenig wahrscheinlich ist. *) Der C. C. Buchnersche Verlag in Bamberg hatte die große Güte, mir die zeichnerischen Vorlagen zu obigen Abbildungen, die in meinem in der von ihm herausgegebenen »Bayerischen Bibliothek« als 22. Band erschienenen »Altnürnberg« S. 8 und 23 wiedergegeben sind, zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. 8) Danach ist die Schultheißenreihe bei Stromer a. a. O. zu berichtigen und zu ergänzen.
287 Demnach hatte der Rat schon um diese Zeit ein Siegel. Es fragt sich nur, ob es der für das Jahr 1243 nachgewiesene Adler mit dem Königskopfe war. Hier dürfte folgendes zu bemerken sein.
Ratssiegel der Stadt Nürnberg. Originalgröße.
Auf dem Reichstag zu Nürnberg im Jahre 1219 hatte König Friedrich II. der Stadt ihr erstes großes Privileg mit dem anhangenden Majestätssiegel verliehen. Es stellt den König auf dem Throne dar im Königsornat mit Zepter, Reichsapfel und Krone. Lange Locken wallen ihm bis zur Schulter herab.
288 Vergleicht man dieses Siegel mit dem Ratssiegel, so kann man sich nicht der Erkenntnis verschließen, daß der Kopf des Königssiegels bei der Herstellung des Ratssiegels als Vorbild genommen wurde. Auf den Königsadler mit den ausgespreizten Flügeln setzte man den gekrönten Kopf des Reichsoberhaupts mit den herabwallenden Haaren, allerdings mit jenen stilistischen Abänderungen, die sich aus der neuen Bestimmung des Bildes ergaben. Es erhebt sich die weitere Frage, wann denn die Stadt sich dieses Siegel beigelegt hat. Wohl schon bald, so darf man annehmen, nach der Verleihung des großen Privilegs. War dieses doch für sie ein Ereignis von der größten Trag weite und bildete es doch einen besonderen Abschnitt in ihrer Geschichte, indem es althergebrachte Rechte und Freiheiten urkundlich festlegte und ihr. neue verlieh und verbriefte. Da mit hatte sie erreicht, was sie schon längst ersehnt und er strebt — sie war jetzt im Genüsse jener Eigenschaften und Rechte, die das Wesen einer Reichsstadt begründen. Wichtiger als der ganze glänzende Reichstag mußte ihr dieses Privileg erscheinen. Das Königssiegel aber, das daran hing, sah man damals in Nürnberg zum ersten Male, und Urkunde wie Siegel mußten, zumal in den regierenden Kreisen, Aufsehen, Freude und höchste Befriedigung erregen. In dem Siegel sah man etwas Außerordentliches, Einziges, man möchte sagen, Ver ehrungsvolles und Sakrosanktes. So konnte es den Anstoß zur Annahme eines besonderen Siegels durch die Stadt geben. An erster Stelle kam für sie als Reichsstadt der Reichsadler in Betracht, wie denn ja auch eine ganze Reihe, ja die große Mehrzahl der Reichsstädte den Reichsadler ganz oder doch einen Teil desselben als Siegel und Wappen übernommen haben. Wollte man aber dem Siegel der Stadt eine besonders eigen artige und bedeutungsvolle Prägung verleihen, so vermochte man es am ehesten dadurch, daß man den Adler mit dem Antlitz des Reichsoberhaupts schmückte, wie man es auf dem Siegel des neuverliehenen Privilegs vor Augen hatte. So würde sich die Entstehung des Ratssiegels der Reichsstadt Nürnberg mit dem Königskopf anstandslos erklären. Als Zeit seines Entstehens aber wäre, durch die zeitlich beinahe zusammen-
289 fallende Ausstellung des Privilegs und der Deutschhausurkunde so gut wie gesichert, der Beginn der zwanziger Jahre des13. Jahrhunderts anzunehmen. Aber man könnte gegen diese Ausführungen immer noch, einwenden, daß die Stadt ja vorher schon ein anderes Siegel, geführt haben könnte. Das wäre allerdings möglich, aber doch wenig wahrscheinlich. Die Städtesiegel kommen erst im Laufe des 12. Jahrhunderts auf und nur äußerst wenige lassen sich für diese Zeit nachweisen, so das älteste Siegel der Stadt Köln, das an einer Urkunde vom Jahre 1149 hängt,1) das der Stadt Mainz, das für die Mitte des 12. Jahrhunderts bezeugt ist,2) das von Erfurt, dessen Stempel noch vor dem letzten Viertel des. 12. Jahrhunderts angesetzt wird,8) das von Magdeburg, dessen. Entstehung gegen Ende des 12. Jahrhunderts angenommen wird,4) das von Mühlhausen i. Th., dessen noch erhaltener Bronzestempel derselben Zeit angehören soll.5) Das große Siegel der Stadt Essen weist wegen »seiner mangelhaften Aus führung auf eine frühe Entstehungszeit, mindestens den Anfang“ des 13. Jahrhunderts hin«.6) Im 13. Jahrhundert mehren sich dann die Stadtsiegel, aber es sind ihrer doch bis zur Mitte desselben nicht allzuviele, die nachgewiesen werden können^ Halberstadt (1223), Nordhausen (1229), Neiße (1230), Torgau (1233), Memmingen (1234), Stendal (angeblich 1236), München (1239), Elbing (1242), Weißensee in der Provinz Sachsen (1242),. Thorn (l. Hälfte des 13. Jahrh.), Salzwedel (vor Mitte des. 13. Jahrh.), Ingolstadt, Kulm, Angermünde, Stettin (sämtl. Mitte des 13. Jahrh.7) Diese Beispiele werden sich ja noch weiter ver mehren, aber bis in die 20er Jahre des 13. Jahrhunderts dürfte sich doch wohl nur noch eine geringe Anzahl von deutschen Städtern mit Siegeln nachweisen lassen. Wenn man berücksichtigt, daß Nürnberg eine verhältnismäßig junge Stadt war und seine Rechte und Freiheiten erst durch die Urkunde Friedrich IL festgelegt werden, so dürfte sie ein Siegel wohl kaum schon h B. Endrulat, die Siegel der mederrheinischen Städte des 12. und 13. Jahrhunderts, S. 31. 2) O. Hupp,Wappen undSiegel der deutschen Städte, Heft3, $,49, Anm.*)*) Ebend. S. 48. — • 4) Ebend. S. 1. — •) Ebend. S. 52. ®) Endrulat S. 35. 7) S. über diese Städte Hupp a. a. O. unter den betr. Namen.
290 im 12. Jahrhundert geführt haben, dagegen die Annahme berech tigt sein, daß das Siegel, dessen sie sich seit den 20 er Jahren desselben erfreute, der Reichsadler mit dem Königskopf, auch ihr ältestes Siegel gewesen sei. Daß die Stadt schon um diese Zeit das Ratssiegel mit dem Königskopf führte, geht auch aus dessen ganzem Typus hervor, der sich bis zum Ende ihrer Reichsherrlichkeit strenge erhalten hat, da die neuen Stempel immer wieder das alte Bild übernahmen. Das Ratssiegel ist schon frühe, wohl schon im 14., sicher aber im 15. Jahrhundert als Wappen verwendet worden. Ich verweise auf den schönsten aller sog. Jungfrauenadler an dem Interimsrathaus zu Anfang der 30 er Jahre des 14. Jahrhunderts, Ecke der Winklerstraße und des Weinmarkts, dem jetzigen Bestelmeyerschen Hause, an dem stilistisch streng durchgeführten Adler am Tiergärtnertorturm und anderswo, auch in den ver einigten drei Wappen. Dieser Adler hat sich allerdings sowohl in Zeichnungen als auch in der Bildnerei eine ganz unge bührliche, weil unhistorische Ausgestaltung gefallen lassen müssen. Weil man nämlich von seinem Ursprung, seiner Entstehung durch die Verwendung des Königssiegels an der Urkunde von 1219 nichts mehr wußte, sondern glaubte, daß der Kopf mit dem langen herabwallenden Haar ein Frauen antlitz wiedergebe, so lag eine dem entsprechende Verbildung nahe und blieb dann auch in der Zeit der Renaissance nicht aus. In der ältesten Nürnberger Reformation, die 1484 bei Anton Koberger im Druck erschien, ebenso in der zweiten Ausgabe ohne Angabe des Druckorts und Druckers vom Jahre 14881) ist unser Adler noch ganz richtig und ohne die geringste Spur der bald schon eintretenden Verbildung zur Darstellung gekommen. Dagegen hat die Ausgabe von 1503 den Jung frauenadler schon in seiner völligen Ausbildung. Die Ausgabe von 1522 bringt die drei vereinigten Wappen in einer präch tigen Darstellung.2) Zwei Engel links und rechts halten die beiden Nürnberger Wappen und über dem erhöhten Reichs wappen mit dem doppelköpfigen Adler in der Mitte die KaiserJ) Auch der Augsburger Nachdruck von Hans Schönsperger vom Jahre 1498 gibt den Adler noch richtig wieder. *) Abgebildet in »Klassiker der Kunst« Bd. 4, BL 340.
291 kröne. Oben schweben auf Wolken wieder zwei Engel, der eine Schwert und Wage haltend, der andere mit der einen Hand ein Geldtäschchen ausschüttend, während er mit der anderen das Kleid an der Brust aufreißt, aus dem eine Flamme hervorbricht — Gerechtigkeit und Liebe —. Nach der oben auf einem Täfelchen verzeichneten Jahreszahl ist der Stich im Jahre 1521 entstanden. Er wird Albrecht Dürer oder seiner Werkstatt1) zugeschrieben. Auch hier ist der Jungfrauenadler in seiner völligen Ausbildung dargestellt. Diese Darstellung wird jetzt allgemein.2) Aber man kann doch nicht sagen, daß sie etwa durch ihre Verwendung im Zivilgesetzbuch der Stadt die amtliche Sanktion des Rats erhalten hätte. Ohne Zweifel waren es die Künstler, die Maler, Stecher, Zeichner, Bildhauer, die sich für die neue Form entschieden. Es kam doch auch vor, daß ein Künstler an der alten Form festhielt, so Veit Hirsch vogel, als er 1521 die 3 Wappen im großen Fenster des Rathaus saals malte. Der sog. Jungfrauenadler ist auch weiterhin bis auf unsere Tage in der verbildeten Gestalt beibehalten worden und schmückt häufig auch das Titelblatt städtischer Veröffentlichungen, wenn er auch hier, aber doch in höchst seltenen Fällen, in der richtigen Gestalt Verwendung findet. Eine vor etwa 10 Jahren von der Stadt veranlaßte, wie es scheint, offizielle Darstellung der beiden heute verwendeten Nürnberger Wappen zeigt den Jungfrauenadler in üppigster Ausgestaltung. Ob man vielleicht einmal dazu kommen wird, das aus dem Ratssiegel hervor gegangene Nürnberger Wappen in seine historisch richtige Form zu bringen? Es fällt allerdings oft schwer, sich von liebgewordenen Gewohnheiten und hergebrachten Irrtümern loszureißen, aber in *) S. darüber die Bemerkung in dem genannten Werk S. 380. *) Herr Konservator Dr. Heer wagen macht mich darauf aufmerksam, daß ein analoger Fall • der Umbildung in dem Wappen der Stadt Warschau vorliegt. »Das alte Wappenbild der Stadt war ursprünglich ein kämpfender Manngreif, eine in eine Greiffigur übergehende männliche Person, die aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts sich in eine Frau verwandelt hatte. D.ie Stempel schneider machten im 18. Jahrhundert aus diesem Frauengreif das ihnen be kanntere Meerweib, das nun von der preußischen Regierung 1788 seine Bestä tigung erhielt«. Heraldische Mitteilungen. Monatsschrift für Wappenkunde, Wappenkunst und verwandte Gebiete. 27. Jahrgang (1916), S. 32.
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292 diesem Falle wäre es doch eine Pflicht, die man der Wahrheit schuldet, das auf das alte Ratssiegel zurückgehende Wappen der Stadt in seiner historischen Form von Künstlerhand wieder neu schaffen zu lassen.
Mummenhoff.
Die Mauerkrone über dem Nürnberger Wappen. In der Wappenfibel von A. M. Hildebrandt (Frankfurt a. M. 1909) wird S. 40 bemerkt, daß die Mauerkrone eine neuere Erfindung, und S. 54, daß sie modernen Ursprungs sei. Diese Aufstellung entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen. So enthält das kleinere Siegel der Stadt Czaslau in Böhmen, das seit 1552 bei Zuschriften an andere Gemeinden gebraucht wurde, einen von der Mauerkrone überhöhten Schild mit dem böhmischen Löwen. *) Für Nürnberg ist die Mauerkrone zum ersten Mal aut der zur Erinnerung an die Belagerung der Festung Rothenberg durch die Truppen des fränkischen Kreises im Jahre 1703 geschlagenen Medaille verwendet. Die Vorderseite zeigt die Belagerung der Feste, die Rückseite in der Mitte den doppelköpfigen Reichs adler und daneben die Wappen der vier Vorsitzenden Stände des fränkischen Kreises, rechts das hochfürstlich bambergische und das hohenlohische, links das burggräfliche und das nürnbergische. Christoph Andreas Imhoff nennt es mit Bezug auf diese Darstellung in seiner »Sammlung eines Nürnbergischen Münzkabinets«, Nürnberg 1782, 1. Teil, 2. Abt., S. 136, »das neueste Nürnbergische Wappen mit einer Stadt- oder Mauer krone bedecket«. Das Wappen ist das alte Nürnberger Stadt wappen — rechts vorn ein halber schwarzer Adler in Gold am Spalte und links hinten von Silber und rot sechsmal schrägrechts geteilt —, die Mauerkrone besteht aus fünf zinnenge krönten Türmen. Die Bemerkung »neuestes Nürnbergisches Wappen« bei Imhoff läßt erkennen, ‘daß es erst kürzlich in Gebrauch genommen, ja bei diesem Anlaß zum ersten Male verwendet worden war. Ohne Zweifel hatte ein ganz beson') G. A. Seyler, Geschichte der Heraldik, S. 478.
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derer Umstand die Anbringung der Mauerkrone veranlaßt. Das bambergische Wappen hatte nämlich oben als Schmuck den Fürstenhut, das hohenlohische die Grafenkrone, das bambergische wieder den Fürstenhut. Der Symmetrie wegen bedurfte man für das nürnbergische Wappen gleichfalls eines Schmuckes und wählte die Mauerkrone, für die man anderswo ein Vorbild gefunden haben mochte. Weiterhin ist die Mauerkrone auf der Rückseite auf 2 verschiedenen Konventionstalern vom Jahre 1766 zu sehen.1) Sie besteht aus drei auf dem Bügel stehenden, mit Zinnen gekrönten Türmen, die sich nach oben hin verbreitern. Später — in bayrischer Zeit — hatte man für die heraldische Gestaltung der Mauerkrone nicht das richtige Verständnis mehr, wie das der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts angehörende mit dem Urbilde wenig mehr gemein habende, unschöne Wappen über dem Neuen Tor ersehen läßt, in dem die Mauerkrone aus nicht weniger denn sieben Türmen gebildet ist. Mit der Einführung der magistratischen Verfassung in den bayrischen Städten im Jahre 1818 mußte auch der Wappen frage näher getreten werden. Durch Verfügung des Kgl. Staats ministeriums des Kgl. Hauses und des Äußern vom 5. Dezember 1818 wurden Bestimmungen getroffen, die den Städten und Märkten die Annahme der Wappen nach höherer Genehmigung gestatteten, aber jene Wappenformen ausschlossen oder doch beschränkten, die an die Zugehörigkeit zu früheren Herrschaften erinnerten. Durch Ministerialentschließung vom 9. Dezember desselben Jahres wurde bestimmt, »daß den Magistraten gestattet sei, eigene Siegel mit dem Wappen der Städte oder Märkte und mit der Umschrift »Magistrat der Stadt (oder des Marktes) N.« in der Größe der gewöhnlichen Amtssiegel untergeordneter Behörden zu führen und dieselben auf Rechnung der Kommunal kassen anfertigen zu lassen«. Auf Grund dieser Verordnungen hat sich dann auch der Stadtmagistrat Nürnberg sein Amts siegel beigelegt, das 1819 der Graveur Anton Paul Dallinger2) ’) Will, Münzbelustigungen, 3. Bd. S. 409, 4. Bd. S. 419. 2) Über diesen vorzüglichen Medailleur, Steinschneider, Siegelgraber und Wachspossierer, geb. 1772 in Nürnberg (Todesjahr nicht angegeben), sieh Naglers Allg. Künstlerlexikon III, 251 und Thieme, Allg. Lex. der bildenden Künste VIII, 301 f. >9’
294 in drei Größen: ein großes Siegel zu 5 fl., ein mittleres zu 4 fl. und das Kommissionssiegel gleichfalls zu 4 fl. fertigte,*) während der Schlosser Huber die Stöcke zu den Siegelpressen um je 3 fl. 28 kr. und die Stellschrauben um je 9 kr. herstellte. Die Abdrücke in den Akten lassen ersehen, daß es von Anfang an der sog. Jungfrauenadler mit der Mauerkrone war, die aus drei mit je drei Zinnen gekrönten Rundtürmen bestand. Im Jahre 1837 ließ der Magistrat neue Stempel zu einem magi stratischen Amtssiegel und einem Kommissionssiegel schneiden. Beide zeigen den Jungfrauenadler mit der aus 5 viereckigen Türmen bestehenden Mauerkrone und den Umschriften »Magistrat der Stadt Nürnberg« und »Magistratscommission der Stadt Nürnberg«. Es sind davon nur noch Abdrücke vorhanden. Das neuere Siegel der Stadt ist gleichfalls der Jungfrauenadler mit der Mauerkrone, deren fünf Türme den bekannten vier Rundtürmen der Stadtmauer nachgebildet sind. Auch das neuere vereinigte — aus dem Jungfrauenadler und dem alten reichsstädtischen Wappen bestehend — findet sich bisweilen als Schmuck offizieller städtischer Druckschriften.
Mummenhoff.
Der Anachoret Bruder Jakob in Nürnberg 1504. In einem seiner inhaltsreichen Gedenkbücher, das als eine der geschichtlich wertvollsten Handschriften der Bibliothek des Paul Wolfgang Merkelschen Familienstifts in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums verwahrt wird, berichtet Sebald Schreyer ganz am Schluß »von einem fromen und strengen heiligen man«, wie es im Register heißt, der mit seinem aske tischen Leben einen großen Anhang gewann. Es gelang dem ihn gleichfalls sehr bewundernden Schreyer das hölzerne Kreuz sowie Kleidungsstücke und Haare des heiligmäßigen Mannes zu erwerben, die »zu ainer ewigen gedechtnus« auf bewahrt werden sollten. Da die Notiz m. W. bisher nirgends gedruckt ist und über das Auftreten des sonderbaren Fremdlings, eines Italieners *) Der Stadtmagistrat übertrug damals auch auf Ansuchen des Land gerichts Uffenheim die Anfertigung von 28 Gemeindesiegeln für ebensoviele Ortschaften des genannten Landgerichts dem »als Künstler berühmten Anton Paul Dallinger«, das Stück zu 2 fl. 25 kr.
295 (»Walchen«) von Geburt, kaum Näheres bekannt sein dürfte, so sei die Nachricht hier im Wortlaute wiedergegeben. Der Sache weiter nachzugehen und etwa auch zu prüfen, ob mit diesem Jacobus Walch von 1504 etwa der bekannte Maler Jacopo de’Barbari gemeint sein könnte, woran man wohl zu denken versucht ist, muß der weiteren Forschung Vorbehalten bleiben. Sebald Schreyer ließ über den Fall folgendes aufzeichnen (Hs. Nr. 1122, 2° der Merkelschen Sammlung Bl. 251a): »Item als man zeit nach der gebürt Cristi funfzehenhundert und vier jar ist ainer genannt Jacobus, der gepurt ain Walch, zu Nurcmberg gewesen, ein anfenger ains gar strengen und herten lebens, der den summer und winter in der grossen hiczen und kelten mit unbedecktem haubt und plosen fuessen mit ainem schlechten sack oder leinem tuch beclaidet, ein hulczen creuczlin in sainer rechten hand tragend, gangen ist; auch nichtzit dann wasser gedrunken und etlich tag in der wochen allein prot und etlich tag frucht zu dem prot zu seiner speis gepraucht und also mit vil vasten, wachen und peten seinen leib gekestigt und solchs bei den vierzig jaren stettes getriben hat. Auch hat er solchs seins überharten lebens etwanvil nachfolger gehabt, der ainßtails derselben zeit mit ime auch zu Nuremberg gewesen sind. Und als Sebolt Schreyer solich sein leben gesehen und vermerkt, hat er aus ainer sundern lieb und verwundern desselben Jacobi creucz, so er getragen hat, auch seiner leinen claider zwai, domit sein leib, nemlich mit dem zwifachen winterzeit und dem ainfachen summerzeit, bedeckt und beclait gewesen ist, auch seines hars, alles durch oder mit hilf des erwirdigen hochgelerten herren Erassem Toppiers, beder rechten doctor, des stuls zu Rom prothonotari, keiserlichen majestat rat und probst zu Sant Sebolt in Nurem berg, des gemelten bruder Jacobs peichtvatter, zu wegen pracht und beieinander in ainer laden zu ainer ewigen gedechtnus beschlossen (hat) mitsambt einem zettel auf pergament in römischer sprach geschrieben, verlautende, wie hernach: 1504. Hane crucem ligneam Jacobus quidam anachorita genere italico dextra sua gestavit. Is quoque primus fuit repertor peraustere vite: sub qua ipse divina fultus ope annos circiter
296 quadraginta deguit [sic!] rigores algorum estivosque calorcs discooperto capite et psdibus nudis incedens, sacco etiam seu vestimento lineo ac simplici tectus pro dei opti proximique [so!] dilectione pertulit. Hoc denique temporis decursu ad presentem usque annum, qui a JHu Cristi domini nostri supra millesimum agitur quartus ac quingentesimus, suum corpusculum, ut pro peccatis suis abundius satisfaceret, alioquin vigiliis multis in orationibus et jeiuniis frequentibus, que ad multos etiam dies absque ullo continuavit alimento, varie acriterque maceravit. Penitentie demum huius asperrime non paucos ex suo genere statuit atque reliquit sectatores. Hec quoque illius fuere vestimenta, quorum simplici quidem estate, duplici vero bruma usus fuit. Sunt etiam hic aliqui ex capillis eiusdem. Omnia hec Sebaldus Schreyer, civis Neronbergensis honestissimus, ob singulärem dilectionem, qua hominem hunc ac eius sectatores prosecutus est, interventu r[everen]di in Cristo patris ac domini Erasmi Topler, dei gratia sedis apostolice prothonotarii ac ecclesie S. Sebaldi Neronbergensis propositi et praefati Jacobi confessoris, adeptus ad perpetuam rei memoriam hoc in loco diligenter curavit. * Th. H.
Berufung des Dr. Anton Fuchs an den Hof der Königin Elisabeth von England 1592. Welch weiten Rufes sich in reichsstädtischer Zeit einzelne Nürnberger Ärzte erfreuten, lehrt u. a. das Beispiel des durch seine Krebsheilungen berühmten Dr. Anton Fuchs, wegen dessen sich die Königin Elisabeth von England erstmals im März 1592 an% den Nürnberger Rat wandte. Die Ratsverlässe (Jahrgang 1591/1592, Heft XII, Blatt 42 a) berichten darüber zum 2. März 1592: »Auf frauen Elisabetha, konigin in Engelland, gnedigistes schreiben und begern, Irer Königlichen Wirden doctor Anthoni Fuchsen in Engellandt zukommen zu lassen, einer furnemen hohen Weibsperson an dem krebß zu helfen, welches schreiben gedachtem doctor Fuchsen furgehalten worden, der sich darauf erklert und erpotten, sich hinein in Engelland zu begeben
297 und sein bestes bei gedachter weibsperson zu thun, doch das in mittelst und bis auf sein widerkunft die rechtlichen proceß und handlungen im gericht, so er mit Carl Albertinelli hat, suspendirt und eingestellt werden, ist befolhen, den Albertinelli zuvorderst derwegen zu hören. W. Löffelholz.« Es folgen nun (Bl. 51b, zum 6. März 1592) Verhandlungen mit besagtem Albertinelli, die sich aber wochenlang hinziehen, sodaß die ungeduldige Königin — es war bei der schweren Erkrankung gewiß auch Gefahr im Verzüge — Ende April ein zweites dringliches Schreiben sendet; (ebenda Bl. 70b) zum 25. April 1592 heißt es : »Frauen Elisabethen, konigin in Engelland, abermals schreiben und gnedigistes ersuchen, dem herren Dr. Anthoni Fuchsen furderlichst in Engelland zu erlauben und im darzu zu vermanen, soll man ermeltem doctor Fuchsen furhalten und sein bericht widerkommen lassen. J. Volckamer.« Aber Anfang Mai erfolgt von Seiten des Dr. Fuchs wiederum die gleiche Antwort, die er schon vor zwei Monaten gegeben, und aufs neue werden nun Verhandlungen gepflogen, bis wir dann (Jahrgang 1592/1593 der Ratsverlässe, Heft II., Bl. 50b) zum 20. Mai 1592 endlich hören, daß Dr. Anton Fuchs morgen nach England abzureisen gedenkt und die curam in 2 bis 3 Monaten wohl zu verrichten hofft, woraufhin ihm alsbald Urlaub erteilt und das gewünschte Empfehlungsschreiben nach England ausgestellt wird. Leider erfahren wir aus den Ratsakten nichts weiteres über diese Reise oder über die Art oder den Erfolg der von Dr. Fuchs vorgenommenen Kur.
Th. H.
Otto von Guericke in Nürnberg im Jahre 1649. Nachdem der am 24. Oktober 1648 zu Münster ver kündigte Friede den Verwüstungen eines dreißigjährigen Kriegs elends endlich Einhalt geboten hatte, trat im April des Jahres 1649 zu Nürnberg ein neuer diplomatischer Kongreß, bekannt unter dem Namen des Nürnberger Exekutionstages, zusammen, um Bestimmungen über die Ausführung des Friedenstraktates
298 insbesondere hinsichtlich der Fragen der »Restitutionen« nach dem Status von 1618 bzw. 1624 und der sog. schwedischen Satisfaktionsgelder d. h. der Abfindungsgelder für die schwe dischen Armeen zu treffen. Unter den Abgesandten der deut schen Stände, welche sich damals zu Nürnberg um den kaiserlichen und schwedischen Prinzipalbevollmächtigten, den Fürsten Piccolomini für den Kaiser und den Pfalzgrafen Karl Gustav von Zweibrücken für Schweden, versammelten, befand sich auch ein Mann, dessen Namen in die Jahrbücher der Naturwissenschaften insbesondere der Physik mit unvergänglichem Ruhme eingetragen ist, der Bürgermeister der Stadt Magdeburg, der Erfinder der Luftpumpe, Otto von Guericke. Die Anwesenheit des berühmten Physikers (dessen epoche machenden Erfindungen allerdings erst in die Zeit nach 1649 fallen) ist uns bezeugt durch einen Eintrag in den sog. Schenk büchern der Reichsstadt, d. h. rechnerischen Zusammenstellungen der Losungstube über die den anwesenden hohen Herrschaften und den Gesandten seitens des Rates gemachten »Verehrungen« mit Wein, Fischen und Fourage (Haber). In dem die Jahre 1635—1651 umfassenden Bande dieser Schenkbücher (Mscr. des Kgl. Kreisarchives Nürnberg Nr. 494, Bl. 144a) findet sich nun beim Jahre 1649 in der Bürgermeisterfrage des Chri stoph Kreß und Sebald Welser vermerkt: »[Nr.] 8. Adi 25. Augusti ist dem Edlen, Ehrnvesten, Fürsichtigen vnd Wolweisen Herrn Otto Gericke. Bürgermeister vnd Abgesander von der. Statt Magdeburg, zum PLmanuel Bühler [so körrig. aus Emanuel N.j im Heldengäßlein verehrt worden 10 Kandel, darunter 1 Ka[ndel] Peter Simenis, 9 Ka[ndel] Reinweiri.« Gümbel.
Ein Erntefest vor ioo Jahren. V