Mithras – Miθra – Mitra: Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte 9783963270444, 3963270446

Der römische Mithras-Kult gehört zu den sog. „orientalischen Kulten“, die sich im Imperium Romanum verbreiteten. Obwohl

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German Pages 302 [303] Year 2019

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Titelseite
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
Einleitung – Wie stellt man sich eine Gottheit vor?
Eine Phänomenologie des Polytheismus
Kapitel 1 Der Gott Mithras in der römischen Religion
1.1 Quellen
1.1.1 Primärquellen
1.1.2 Sekundärquellen
1.2 Einzelne Aspekte des Gottes
1.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta
1.2.2 Felsgeburt
1.2.3 Wasserwunder
1.2.4 Stiertötung
1.2.5 Mithras und Sol
1.2.6 „Aufnahme“ des Sol
1.2.7 Freundschaftsbund mit Sol
1.2.8 Freundschaftsmahl mit Sol
1.2.9 Himmelfahrt von Mithras und Sol
1.2.10 Ein neugefundenes Motiv – Mithras als Sieger über die Dämonen
1.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 2 Der Gott Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien
2.1 Quellen
2.1.1 Inschriften
2.1.2 Reliefs und Skulpturen
2.2 Einzelne Aspekte des Gottes
2.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta
2.2.2 Die Darstellungsweisen des Gottes
2.2.3 Die Funktionen des Gottes
2.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 3 Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen
Kleinasien
3.1 Die kommagenischen Mithras-Darstellungen und ihre Beziehungen
zur Ikonographie des römischen Mithras-Kultes
3.2 Die Hypothese über die kleinasiatische Herkunft des römischen
Mithras-Kultes
3.2.1 Die historische Überlieferung zur kleinasiatischen Herkunft
des römischen Mithras-Kultes
3.2.2 Die Münzen mit Mithras-Darstellungen aus Kleinasien
3.2.3 Die Darstellung der stiertötenden Nike aus Pergamon
3.2.4 Die Darstellungen des Gottes Sandas als ein neues Argument
für die kleinasiatische Herkunft des Mithras-Kultes
3.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 4 Der Gott Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum
4.1 Primärquellen
4.1.1 Avesta
4.1.2 Pahlavi-Literatur
4.1.3 Inschriften der Achämeniden
4.1.4 Münzen und Inschriften aus Kuschan
4.1.5 Die Reliquienkiste von König Kanischka I.
4.1.6 Kuschanisch-sassanidische Münzen
4.1.7 Die Münzen von Ohrmizd I.
4.1.8 Das Felsrelief von Tāq-e Bostān
4.1.9 Ein Siegel aus der Zeit der Sassaniden
4.1.10 Das Deckengemälde in Bāmīan
4.2 Sekundärquellen
4.2.1 Griechisch-römische Autoren
4.3 Die Gestalt des Mithra in Quellen aus dem iranischen Kulturraum
4.3.1 Das Wort miθra und der Gottesname Miθra
4.3.2 Der Gott Miθra im Avesta
4.3.3 Miθra im 10. Yašt
4.3.4 Miθra in anderen avestischen Texten
4.3.5 Mithra (Mihr) in der Pahlavi-Literatur
4.3.6 Mithra in den Inschriften der Achämeniden
4.3.7 Mithra im Kuschan-Reich
4.3.8 Mithra in der Religionsgeschichte des Kuschan-Reiches
4.3.9 Mithra auf den kuschanisch-sassanidischen Münzen
4.3.10 Mithra auf den Münzen von Ohrmizd I.
4.3.11 Mithra auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān
4.3.12 Mithra auf Siegeln aus dem Zeitalter der Sassaniden
4.3.13 Mithra auf einem kuschanisch-sassanidischen Siegel
4.3.14 Mithra auf dem Deckengemälde in Bāmīan
4.4 Mithra in den Sekundärquellen
4.4.1 Mithra in der griechisch-römischen Literatur
4.5 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 5 Der römische Mithras und seine Beziehungen
zu Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum
5.1 Berührungspunkte zwischen dem römischen Mithras
und dem iranischen Mithra
5.1.1 Der Name des Gottes
5.1.2 Mithras und (Freundschafts-)Bund
5.1.3 Mithras und die kosmische Ordnung
5.1.4 Mithras’ Solarität
5.1.5 Mithras’ Beziehung zu Wasser und Pflanzen
5.1.6 Mithras’ militärische Konnotationen
5.1.7 Mithras’ Kampf gegen Dämonen
5.2 Die Theorie über die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes
5.2.1 Mithras als iranischer Gott in kaiserzeitlichen Textquellen
5.2.2 Die Diskussion über die iranische Herkunft des römischen
Mithras-Kultes in der neuzeitlichen Forschung
5.2.3 Hinweise auf Persien in der Ikonographie und Terminologie des Kultes
als Beweis für die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes?
5.2.4 Die Stiertötungsszene und ihre mögliche Verbindung
mit der iranischen Mythologie
5.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 6 Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen
Kleinasien
6.1 Der Name des Gottes
6.2 Die Darstellungsweise des Gottes
6.3 Mithras Stellung und Funktion im kommagenischen Pantheon
6.4 Erklärungsmodelle des kommagenischen Pantheons
6.4.1 Das kommagenische Pantheon als Ausdruck des Zurvanismus
6.4.2 Das kommagenische Pantheon als mazdaistisches Pantheon
6.4.3 Das neue Erklärungsmodell – das kommagenische Pantheon als schwach und sekundär iranisiertes hellenistisches Pantheon
6.5 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 7 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus
7.1 Quellen
7.2 Der Name des Gottes und seine Titel
7.3 Die unterschiedlichen Funktionen des Gottes im Manichäismus
7.3.1 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Lebendige Geist (spiritus vivens)
7.3.2 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Dritte Gesandte (tertius legatus)
7.4 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 8 Der manichäische Mihryazd/Miši βaγi und seine
Beziehungen zu Miθra/Mihr im Zoroastrismus
8.1 Iranische Motive im Manichäismus
8.2 Der manichäische Gott Mihryazd und sein Verhältnis zum Gott Mithra (Mihr) im Zoroastrismus
8.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 9
Mitra in Indien
9.1 Quellen
9.1.1 Vedische Literatur
9.1.2 Ṛgveda
9.1.3 Atharvaveda
9.1.4 Yajurveda
9.1.5 Śatapatha brāhmaṇa
9.2 Die Gestalt des Gottes Mitra in der vedischen Literatur
9.2.1 Der Name des Gottes
9.2.2 Mitra im Ṛgveda
9.2.3 Mitra im Atharvaveda
9.2.4 Mitra im Yajurveda
9.2.5 Mitra im Śatapatha brāhmaṇa
9.2.6 Mitra in der nachvedischen Literatur
9.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 10 Die Beziehungen zwischen indischem Mitra
und iranischem Miθra/Mihr
10.1 Beziehungen zwischen vedischem und avestischem Pantheon
10.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen indischem Mitra
und iranischem Miθra
Exkurs: Mitras Erstnennung in der indoarischen Götterliste im Vertrag
von Hattuša?
10.3 Zusammenfassung und Ergebnisse
Kapitel 11 Zusammenfassender Vergleich und Ergebnisse: römischer Mithras, hellenistischer Mithra/Mithras/Mithres, iranischer Miθra/Mihr, manichäischer Mihryazd/Miši βaγi und indischer Mitra
11.1 Die wichtigsten Wesenszüge der Götter
11.1.1 Mithras im Römerreich
11.1.2 Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien
11.1.3 Miθra/Mithra/Mihr im iranischen Kulturraum
11.1.4 Mitra in den indischen Quellen
11.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Götter
Zusammenfassung
Summary
Quellen und Literatur
Quellen (schriftliche, epigraphische, numismatische)
Literatur
Index
1 Götter und andere mythische Wesen
2 Personen
3 Orte
Abbildungen
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Mithras – Miθra – Mitra: Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte
 9783963270444, 3963270446

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Kasion 3 Lahe • Mithras – Miθra – Mitra

Mithras – Miθra – Mitra Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte

Jaan Lahe

Κάσιον

Kasion 3 Zaphon

Kasion-3-Lahe-Cover.indd 1

11.03.2019 17:09:20

Mithras – Miθra – Mitra Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte

Jaan Lahe

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Kasion Publikationen zur ostmediterranen Antike Publications on Eastern Mediterranean Antiquity Band 3 Herausgegeben von Sebastian Fink, Ingo Kottsieper und Kai A. Metzler

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Mithras – Miθra – Mitra Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte

Jaan Lahe

Zaphon Münster 2019

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Illustration auf dem Einband: Marmor-Skulptur aus dem Mithräum in London, spätes 2. bis frühes 3. Jhd. n.Chr., Museum of London; © Museum of London.

Jaan Lahe Mithras – Miθra – Mitra. Der römische Gott Mithras aus der Perspektive der vergleichenden Religionsgeschichte Kasion 3

© 2019 Zaphon, Münster (www.zaphon.de) All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photo-copying, recording, or otherwise, without the prior permission of the publisher. Printed in Germany Printed on acid-free paper ISBN 978-3-96327-044-4 ISSN 2626-7179

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Für meine Tochter Katariina

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Inhalt

Vorwort .............................................................................................................. 13 Abkürzungen ..................................................................................................... 23 Einleitung – Wie stellt man sich eine Gottheit vor? Eine Phänomenologie des Polytheismus ......................................................... 25 Kapitel 1: Der Gott Mithras in der römischen Religion ................................ 35 1.1 Quellen ........................................................................................................ 37 1.1.1 Primärquellen ..................................................................................... 38 1.1.2 Sekundärquellen ................................................................................. 41 1.1.2.1 Nichtchristliche Autoren ....................................................... 41 1.1.2.2 Christliche Autoren ............................................................... 41 1.2 Einzelne Aspekte des Gottes ...................................................................... 42 1.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta ........................................... 42 1.2.2 Felsgeburt ........................................................................................... 46 1.2.3 Wasserwunder .................................................................................... 50 1.2.4 Stiertötung .......................................................................................... 52 1.2.5 Mithras und Sol .................................................................................. 60 1.2.6 „Aufnahme“ des Sol ........................................................................... 60 1.2.7 Freundschaftsbund mit Sol ................................................................. 62 1.2.8 Freundschaftsmahl mit Sol ................................................................. 63 1.2.9 Himmelfahrt von Mithras und Sol ...................................................... 64 1.2.10 Ein neugefundenes Motiv – Mithras als Sieger über die Dämonen 65 1.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ............................................................. 66 Kapitel 2: Der Gott Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien ........................................................................................ 69 2.1 Quellen ........................................................................................................ 70 2.1.1 Inschriften ........................................................................................... 70 2.1.2 Reliefs und Skulpturen ........................................................................ 71 2.2 Einzelne Aspekte des Gottes ....................................................................... 77 2.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta ........................................... 77 2.2.2 Die Darstellungsweisen des Gottes .................................................... 78 2.2.3 Die Funktionen des Gottes ................................................................. 82 2.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ............................................................. 84

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Inhalt

Kapitel 3: Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien............... 87 3.1 Die kommagenischen Mithras-Darstellungen und ihre Beziehungen zur Ikonographie des römischen Mithras-Kultes ........................................ 87 3.2 Die Hypothese über die kleinasiatische Herkunft des römischen Mithras-Kultes ............................................................................................ 90 3.2.1 Die historische Überlieferung zur kleinasiatischen Herkunft des römischen Mithras-Kultes ............................................................ 91 3.2.2 Die Münzen mit Mithras-Darstellungen aus Kleinasien..................... 94 3.2.3 Die Darstellung der stiertötenden Nike aus Pergamon ....................... 95 3.2.4 Die Darstellungen des Gottes Sandas als ein neues Argument für die kleinasiatische Herkunft des Mithras-Kultes ........................... 95 3.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ............................................................. 98 Kapitel 4: Der Gott Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum........................ 99 4.1 Primarquellen .............................................................................................. 99 4.1.1 Avesta ................................................................................................. 99 4.1.2 Pahlavi-Literatur ............................................................................... 100 4.1.3 Inschriften der Achämeniden............................................................ 101 4.1.4 Münzen und Inschriften aus Kuschan .............................................. 101 4.1.5 Die Reliquienkiste von König Kanischka I. .................................... 102 4.1.6 Kuschanisch-sassanidische Münzen ................................................. 102 4.1.7 Die Münzen von Ohrmizd I. ............................................................. 102 4.1.8 Das Felsrelief von Tāq-e Bostān ...................................................... 102 4.1.9 Ein Siegel aus der Zeit der Sassaniden ............................................. 103 4.1.10 Das Deckengemälde in Bāmīan ...................................................... 103 4.2 Sekundärquellen........................................................................................ 103 4.2.1 Griechisch-römische Autoren ........................................................... 103 4.3 Die Gestalt des Mithra in Quellen aus dem iranischen Kulturraum ......... 103 4.3.1 Das Wort miθra und der Gottesname Miθra .................................... 103 4.3.2 Der Gott Miθra im Avesta ................................................................ 106 4.3.3 Miθra im 10. Yašt ............................................................................. 107 4.3.4 Miθra in anderen avestischen Texten ............................................... 111 4.3.5 Mithra (Mihr) in der Pahlavi-Literatur ............................................. 111 4.3.6 Mithra in den Inschriften der Achämeniden ..................................... 112 4.3.7 Mithra im Kuschan-Reich ................................................................ 114 4.3.7.1 Münzen ............................................................................... 114 4.3.7.2 Mithra auf der Wand der Reliquienkiste von König Kanischka I. ........................................................................ 117 4.3.7.3 Mithra in den kuschanischen Inschriften ............................ 117 4.3.8 Mithra in der Religionsgeschichte des Kuschan-Reiches ................. 119 4.3.9 Mithra auf den kuschanisch-sassanidischen Münzen ....................... 125 4.3.10 Mithra auf den Münzen von Ohrmizd I. ......................................... 126 © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Inhalt

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4.3.11 Mithra auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān .................................. 126 4.3.12 Mithra auf Siegeln aus dem Zeitalter der Sassaniden ..................... 131 4.3.13 Mithra auf einem kuschanisch-sassanidischen Siegel .................... 131 4.3.14 Mithra auf dem Deckengemälde in Bāmīan ................................... 131 4.4 Mithra in Sekundärquellen ........................................................................ 132 4.4.1 Mithra in der griechisch-römischen Literatur ................................... 132 4.5 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 135 Kapitel 5: Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum ..................................... 137 5.1 Berührungspunkte zwischen dem römischen Mithras und dem iranischen Mithra ...................................................................................... 137 5.1.1 Der Name des Gottes ........................................................................ 137 5.1.2 Mithras und (Freundschafts-)Bund ................................................... 137 5.1.3 Mithras und die kosmische Ordnung ................................................ 138 5.1.4 Mithras’ Solarität .............................................................................. 138 5.1.5 Mithras’ Beziehung zu Wasser und Pflanzen ................................... 139 5.1.6 Mithras’ militärische Konnotationen ................................................ 139 5.1.7 Mithras’ Kampf gegen Dämonen ..................................................... 140 5.2 Die Theorie über die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes.. 140 5.2.1 Mithras als iranischer Gott in kaiserzeitlichen Textquellen ............. 140 5.2.2 Die Diskussion über die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes in der neuzeitlichen Forschung ................................ 145 5.2.3 Hinweise auf Persien in der Ikonographie und Terminologie des Kultes als Beweis für die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes? ................................................................................. 154 5.2.4 Die Stiertötungsszene und ihre mögliche Verbindung mit der iranischen Mythologie ...................................................................... 158 5.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 162 Kapitel 6: Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien............. 167 6.1 Der Name des Gottes ................................................................................ 167 6.2 Die Darstellungsweise des Gottes ............................................................. 168 6.3 Mithras Stellung und Funktion im kommagenischen Pantheon................ 169 6.4 Erklärungsmodelle des kommagenischen Pantheons................................ 169 6.4.1 Das kommagenische Pantheon als Ausdruck des Zurvanismus ....... 169 6.4.2 Das kommagenische Pantheon als mazdaistisches Pantheon ........... 170 6.4.3 Das neue Erklärungsmodell – das kommagenische Pantheon als schwach und sekundär iranisiertes hellenistisches Pantheon ........... 172 6.5 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 174

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10

Inhalt

Kapitel 7: Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus........................ 177 7.1 Quellen ...................................................................................................... 177 7.2 Der Name des Gottes und seine Titel........................................................ 178 7.3 Die unterschiedlichen Funktionen des Gottes im Manichäismus ............. 178 7.3.1 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Lebendige Geist (spiritus vivens)................................................................................. 179 7.3.2 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Dritte Gesandte (tertius legatus) ................................................................................. 182 7.4 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 183 Kapitel 8: Der manichäische Mihryazd/Miši βaγi und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr im Zoroastrismus ......................... 185 8.1 Iranische Motive im Manichäismus .......................................................... 185 8.2 Der manichäische Gott Mihryazd und sein Verhältnis zum Gott Mithra (Mihr) im Zoroastrismus .......................................................................... 186 8.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 188 Kapitel 9: Mitra in Indien .............................................................................. 191 9.1 Quellen ...................................................................................................... 192 9.1.1 Vedische Literatur ............................................................................ 192 9.1.2 Ṛgveda .............................................................................................. 192 9.1.3 Atharvaveda...................................................................................... 193 9.1.4 Yajurveda.......................................................................................... 193 9.1.5 Śatapatha brāhmaṇa ........................................................................ 193 9.2 Die Gestalt des Gottes Mitra in der vedischen Literatur ........................... 194 9.2.1 Der Name des Gottes ........................................................................ 194 9.2.2 Mitra im Ṛgveda ............................................................................... 196 9.2.3 Mitra im Atharvaveda....................................................................... 201 9.2.4 Mitra im Yajurveda........................................................................... 202 9.2.5 Mitra im Śatapatha brāhmaṇa ......................................................... 203 9.2.6 Mitra in der nachvedischen Literatur................................................ 204 9.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ........................................................... 204 Kapitel 10: Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra/Mihr .............................................................. 207 10.1 Beziehungen zwischen vedischem und avestischem Pantheon .............. 207 10.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra ............................................................................ 207 Exkurs: Mitras Erstnennung in der indoarischen Götterliste im Vertrag von Hattuša? ........................................................................................... 210 10.3 Zusammenfassung und Ergebnisse ......................................................... 214

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Inhalt

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Kapitel 11: Zusammenfassender Vergleich und Ergebnisse: römischer Mithras, hellenistischer Mithra/Mithras/Mithres, iranischer Miθra/Mihr, manichäischer Mihryazd/Miši βaγi und indischer Mitra............................................................................ 215 11.1 Die wichtigsten Wesenszüge der Götter ................................................. 215 11.1.1 Mithras im Römerreich................................................................... 215 11.1.2 Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien .................. 216 11.1.3 Miθra/Mithra/Mihr im iranischen Kulturraum ............................... 216 11.1.3.1 Miθra im Avesta .............................................................. 216 11.1.3.2 Mithra in achämenidischen Inschriften............................ 217 11.1.3.3 Miiro in kuschanischen Quellen ...................................... 217 11.1.3.4 Mihr auf sassanidischen Reliefs, Münzen und Siegeln .... 217 11.1.3.5 Mihr in der Pahlavi-Literatur ........................................... 217 11.1.3.6 Der iranische Mithra in den griechisch-römischen Quellen ............................................................................ 217 11.1.3.7 Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus ............................. 218 11.1.4 Mitra in den indischen Quellen ...................................................... 218 11.1.4.1 Mitra im Ṛgveda ............................................................... 218 11.1.4.2 Mitra im Atharvaveda ....................................................... 218 11.1.4.3 Mitra im Yajurveda ........................................................... 219 11.1.4.4 Mitra im Śatapatha brāhmaṇa .......................................... 219 11.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Götter ............................... 219 Zusammenfassung .......................................................................................... 225 Summary ........................................................................................................ 227 Quellen und Literatur .................................................................................... 229 Quellen (schriftliche, epigraphische, numismatische) ...................................... 229 Literatur ............................................................................................................ 234 Index................................................................................................................. 261 1 Götter und andere mythische Wesen ........................................................... 261 2 Personen ....................................................................................................... 266 3 Orte .............................................................................................................. 270 Abbildungen .................................................................................. Tafeln I–XXX

© 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Vorwort

Homer erzählt im 9. Buch der Odyssee vom Inselland der Kyklopen: Sie wohnten dort in absoluter Isolation von der übrigen Welt, kannten keinen Ackerbau und hatten keine Städte und keinen Staat. Sie besuchten keine fremden Länder, weil sie des Schiffbaus unkundig waren.1 Der bedeutende deutsche klassische Philologe Walter Burkert (1931–2015) bemerkte zu Recht, die europäischen Gelehrten hätten sich lange Zeit die alten Griechen wie diese Kyklopen vorgestellt, indem sie die griechische Kultur als einzigartig ansahen: Die altgriechische Kultur entstand ihrer Meinung nach isoliert, ohne Einflüsse der anderen Kulturen („das griechische Wunder“) und entwickelte sich auch danach ganz selbstständig.2 Doch gilt auch für das Inselland der Kyklopen der Titel eines Buches des italienischen Historikers Carlo Ginzburgs (geb. 1939), der lautet No Island is an Island.3 Jede Kultur braucht ihren interkulturellen Kontext, und das gilt auch für die Griechen. Burkert hat in seinen Werken gezeigt, wie stark die griechische Zivilisation durch die anderen, älteren mittelmeerischen Zivilisationen beeinflusst war.4 Diese Zivilisationen lagen von den Griechen aus gesehen im Osten. Die Einflüsse der alten orientalischen Kulturen sind in der griechischen Zivilisation in Schrift, Keramik, Skulptur, Literatur, Mythologie, Religion und Philosophie sichtbar.5 Burkerts Sicht ist heute allgemein anerkannt, und man nennt das 7. Jahrhundert v.Chr. wegen der starken orientalischen Einflüsse „die orientalisierende Epoche“ in der griechischen Kulturgeschichte.6 Auch die Römer haben schon in sehr früher Zeit mit orientalischen Völkern Kontakte gehabt, wie Einflüsse in der lateinischen Kultur zeigen, die besonders vom 8. bis 6. Jahrhundert stark gewesen sind; deswegen bezeichnet der deutsche klassische Philologe und Religionshistoriker Jörg Rüpke (geb. 1962) diese Epoche als die „orientalisierende Phase“ in der lateinischen Kultur.7 Heute ist in der Forschung fast allgemein anerkannt, dass die Mittelmeerregion schon im 2. Jahrtausend v.Chr. einen ziemlich einheitlichen kulturellen Raum bildete.

1

Od. 9, 125–129. Burkert, Die Griechen und der Orient, 9 ff. 3 New York: Columbia University Press 2000. 4 Burkert, Babylon, Memphis, Persepolis; Burkert, The Orientalizing Revolution; Burkert, Die orientalisierende Epoche. 5 Schuller, Griechische Geschichte, 20; Burkert, Die Griechen und der Orient. 6 Burkert, Die orientalisierende Epoche. 7 Rüpke, Die Religion der Römer, 52; Martinelli, Paolucci, Etruskische Stätten, 7; AignerForesti, Die Etrusker und das frühe Rom, 65–67. 2

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Vorwort

Die Kontakte – kulturelle wie wirtschaftliche – dauerten an, und wegen der Feldzüge Alexanders des Großen (356–323 v.Chr.) verbreitete sich die griechische Kultur bis nach Zentralasien und Indien. Dass sie auch in den Jahrhunderten n.Chr. in Asien weiter wirksam war, bestätigen Inschriften und andere archäologische Funde aus dem Reich Kuschan, in dem sich die hellenistische Kultur und die Kulturen der iranischen und indischen Völker begegneten.8 Durch die Seidenstraße stand das Kuschan-Reich auch mit Kleinasien in Verbindung.9 Seit der Epoche der mittleren und späten Republik haben sich auch die Kontakte zwischen den Römern und Völkern des Nahen Ostens erheblich und rasch verdichtet.10 Diese Kontakte dauerten durch die römische Kaiserzeit hindurch an, als deren Länder zum Römischen Reich gehörten.11 Handelskontakte haben die Römer aber auch mit ferneren Ländern des Ostens, wie z.B. Indien, gehabt.12 Auch in der Hauptstadt Rom wohnten Menschen mit unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Identitäten, darunter Menschen aus dem Orient (z.B. Syrer und Araber).13 Wie Burkert gezeigt hat, ist ein Bereich, in dem die orientalischen Einflüsse in der griechischen Kultur besonders stark gewesen sind, der Bereich der Religion.14 Auch die römische Religion war für die Kontakte mit dem Orient nicht verschlossen. Orientalische Gottheiten sind schon im Zeitalter der römischen Republik nachweisbar.15 In der Religionsgeschichte der Kaiserzeit stellen die sog. „Orientalischen Kulte“ ein eigenständiges Phänomen dar. Ohne hier länger Begriff und Konzept zu erörtern, die beide sehr problematisch sind,16 sei hier nur so viel gesagt, dass sie meistens keine Importkulte aus dem Orient sind, wie frühere Forscher meinten, sondern neue Kulte, die erst z.Z. der mittleren und späten Re-

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Harmatta (Hrsg.), History of civilizations of Central Asia, Vol. II; Litvinsky (Hrsg.), History of civilizations of Central Asia, Vol. III. 9 Herman A. G. Brijder, „Where did Commagene’s remarkable wealth come from?“, 172– 174. 10 Versnel, „Römische Religion und religiöser Umbruch“, 56–57. 11 Sartre, The Middle East under Rome. 12 Daniélou, India ajalugu, 132–134; Diehle, „Die entdeckungsgeschichtlichen Voraussetzungen des Indienhandels der römischen Kaiserzeit“, 118–152. 13 Noy, Foreigners at Rome. 14 Burkert, Die Griechen und der Orient, 79–106. 15 Colpe, „Einführung in die Geschichte und neue Perspektiven“, 1–40; Versnel, „Römische Religion und religiöser Umbruch“; Vermaseren, Die orientalischen Religionen, 41– 66; Vidman, „Isis und Sarapis“, 121–150; Sanders, „Kybele und Attis“, 264–291; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 28–74; 75–129; Borgeaud, „Die Mutter der Götter. Von Anatolien über Giechenland nach Rom“, 84–93; Spinola, „Palatin und Vatikan. Der Kybele-Kult in Rom“, 117–121; Sampaolo, „Wohngemeinschaft mit den Priestern“, 156– 163; Rüpke, Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, 272–280. 16 Lahe, „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“, 151–195. S. auch Anm. 1 in Kap. 1. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Vorwort

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publik oder in der römischen Kaiserzeit im Römerreich entstanden. Doch ist sicher, dass diese Kulte Göttern und Göttinnen huldigten, die Namen trugen, die aus dem östlichen Mittelmeerraum stammten; und die Anhänger dieser Kulte waren sicherlich davon überzeugt, dass sie uralte orientalische Gottheiten verehrten. Ein Grund der Entstehung und der Verbreitung solcher Kulte war die Faszination vom „Osten“, die sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern verbreitet war. Beide Völker erwarteten vom Orient – von Mesopotamien, Ägypten, Persien und Indien – eine uralte esoterische Weisheit.17 Unabhängig von einer wirklichen Kontinuität der alten nah- und mittelöstlichen Götter und Göttinnen mit ihren späteren Namensverwandten im Römerreich ist aber sicher, dass die Römer nicht gleichnamigen Gottheiten gehuldigt hätten, wenn sie die orientalischen nicht gekannt hätten. Das Kennenlernen dieser Gottheiten wäre aber ohne Kontakte mit den östlichen Kulturen nicht möglich gewesen. Deswegen muss man bei der Erforschung der sog. „orientalischen Kulte“ auch die älteren orientalischen Gottheiten berücksichtigen, deren Namen die Gottheiten in jenen Kulten im Römerreich trugen: Diese älteren Gottheiten bilden den breiteren interkulturellen Kontext, dessen Berücksichtigung für ein Verständnis der sog. „orientalischen Kulte“ im Römerreich nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches sehr wichtig ist. Einer dieser Kulte war der Mithras-Kult, der sich nachweislich seit dem 2. Jahrhundert n.Chr. in unterschiedlichen Gegenden des Imperium Romanum verbreitete. Die Anhänger und die Zeitgenossen des Kultes haben den Gott Mithra (oder Mithras), dem man in diesem Kult huldigte, für einen iranischen Gott gehalten, weil der gleichnamige Gott wirklich in der altiranischen Religion existierte und die griechisch-römische Welt darüber gut informiert war. Doch eigentlich sind die Beziehungen zwischen römischem Mithras und iranischem Mithra ein Problem, über das man in der Forschung seit langem diskutiert. Die mehr als hundertjährige Forschung zum römischen Mithras-Kult hat viele Veränderungen durchgemacht.18 Im Laufe der Zeit ist die Zahl der neuen Quellen gewachsen, und damit wurden viele der bisherigen Sichtweisen überdacht. Zweifellos der größte Durchbruch in der Forschung ist die Revision der Positionen von Franz Cumont (1868–1947), die in den 1970er Jahren begann und in gewissem Sinne noch heute andauert. Infolgedessen wurden viele der lange dominierenden Grundannahmen aufgegeben – zum Beispiel die Vorstellung, dass der römische 17

Diehle, Die Griechen und die Fremden, 105–121. Zur Forschungsgeschichte Beck, „Mithraism since Franz Cumont“, 2002–2115; Beck, „Mithraism after Mithraism since Franz Cumont, 1984–2003“, 3–30; Gordon, „Von Cumont bis Clauss“, 237–242. Obwohl die erste systematische Behandlung zum gesamten Mithras-Kult von Franz Cumont (Textes et monuments figurés relatifs aux Mystères de Mithra) stammt, haben viele Forscher schon früher über die Monumente des Mithras-Kultes geschrieben: z.B. Friedrich Windischmann, Mithra, ein Beitrag zur Mythengeschichte des Orients; Félix Lajard, Recherches sur le culte public et les mystères de Mithra ein Orient et en Occident; Karl Bernhard Stark, „Die Mithrassteine von Dormagen“, 1–25. 18

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Mithras mit dem iranischen Mithra identisch sei und dass man den römischen Mithras-Kult vom zoroastrischen Dualismus her zu erklären habe,19 ebenso die Vorstellung, dass die Anhänger des Kultes weitgehend römische Legionäre gewesen seien.20 Die römischen Mithras-Denkmäler (mit einer Ausnahme – die Wandgemälde des Mithräums von Hawarte21) zeigen keine Spuren von dualistischen Vorstellungen, und die Prosopographie der Kultanhänger hat gezeigt, dass unter den cultores Mithrae neben den Militärs auch andere soziale Schichten und Berufsgruppen vertreten waren.22 Im Gegensatz zu den früheren Untersuchungen, die die Einheitlichkeit des Kultes unterstrichen, wird heute mehr Wert auf die spezifischen regionalen Merkmale gelegt.23 Man hat begonnen, den römischen Mithras-Kult vor allem im Zusammenhang mit der römischen Religion und der römischen Gesellschaft zu sehen. Auch die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verbreitete Vorstellung von sogenannten „orientalischen Religionen“ als Gegensatz zum „Westen“ oder der griechisch-römischen Religion wurde weitgehend überarbeitet.24

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S. dazu 5.2.2. Unter den mittlerweile über 1100 bekannten Mithras-Anhängern sind nur ca. 12 % als Armeeangehörige bezeugt (Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 210; Gordon, „The Roman Army and the Cult of Mithras: a critical view“, 379–350; Clauss, Cultores Mithrae, 267–269). Elmar Schwertheim hat gezeigt, dass auch im römischen Germanien dasselbe Prinzip gilt: wenn wir den militärischen Weihungen die Anzahl der bisher gefundenen bürgerlichen Weihungen gegenüberstellen, so stehen 18 Weihungen von Angehörigen des Militärs 46 Weihungen von Personen bürgerlichen Standes gegenüber. Zählt man nicht nur die direkt Mithras gewidmeten Inschriften, sondern auch die in einem Heiligtum anderen Gottheiten geweihten Inschriften, so vergrößert sich der Abstand auf ein Verhältnis von 1:3 (Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland, 269–270). James B. Rives lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass z.B. unter den Anhängern des Juppiter Dolichenus der Anteil an Soldaten größer war als im MithrasKult (Religion in the Roman Empire, 139); s. auch Haensch, „Die Angehörigen des römischen Heeres und der Kult des Iuppiter Dolichenus“, 111–133. Zu den unterschiedlichen sozialen Schichten und Berufsgruppen unter den Anhängern des Mithras-Kultes s. auch Clauss, Mithras, und Turcan, The Cults of the Roman Empire, 203–215 u. 240–245. Doch wird die Anschauung von Legionären als Hauptanhängern des Kultes noch heute vertreten (s. z.B. Adrych, Bracey, Dalglish, Lenk, Wood, Images of Mithra, 24: „The worship of the god (Mithras – J. L) appears to have been particularly strong amongst soldiers“). 21 S. dazu 1.2.10 u. 5.1.7. 22 Clauss, Cultores Mithrae. 23 Clauss, Mithras, 25; s. auch Adrych u.a.: „It is by no means unusual to find that the art in mithraea employed features deriving from local culture“. 24 Burkert, Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt, 10–12; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 7–10; Auffarth, „Zwischen Anpassung und Exotik. ,Mysterien‘ und ,Orientalische Kulte‘ in der Religion der Antike“, 19–30; Auffarth, „Religio migrans: Die ,Orientalischen Religionen‘ im Kontext antiker Religion. Ein theoretisches Modell“, 333–363; 20

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Vorwort

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Als Ergebnis dieser definitiv positiven Veränderungen ist das heutige Bild vom römischen Mithras-Kult näher an der Wahrheit als das Bild, das Franz Cumont, Jean Réville (1854–1908)25 oder auch der frühe Maarten Vermaseren (1918–1985)26 ihren Zeitgenossen vorstellten. Doch hatte diese positive Entwicklung auch eine Nebenwirkung, die zum Verständnis des Phänomens „römischer Mithras-Kult“ nicht eindeutig positiv gewirkt hat. Das ist die Anschauung oder Betrachtungsweise, die alle möglichen Verbindungen zwischen dem römischen Mithras und seinen orientalischen Namensverwandten verneint.27 Wenn in den 1970er Jahren internationale Kongresse, die dem Mithras-Kult gewidmet waren, in Manchester (1971),28 Teheran (1975)29 und Rom (1978)30 stattfanden, hat man neben den Vorträgen über den römischen Mithras-Kult auch Bonnet, „Die ,Orientalischen Religionen‘ im Laboratorium des Hellenismus: Franz Cumont“, 4. Bonnet, Rüpke, Scarpi (Hrsg.), Religions orientales – culti miste. 25 S. Réville, Die Religion der römischen Gesellschaft im Zeitalter des Synkretismus. 26 Wie Cumont, ging auch Vermaseren davon aus, dass im Mithras-Kult hinter der Gestalt Jupiters in Wahrheit Ahura Mazdā steht und dass im kaiserzeitlichen Mithraismus auch der Dualismus zwischen Ahura Mazdā und Ahriman vorhanden war (Vermaseren, Mithras. Geschichte eines Kultes, 85–87); in der Gigantomachie, die auf den Kultreliefs und Wandmalereien der Mithräen häufig vorkommt, haben die Mithras-Anhänger laut Vermaseren den Kampf Ahura Mazdās gegen die Trabanten des Bösen gesehen, und Vermaseren meint, dass der Mithras-Glaube in diesem Fall eine innere Verbindung zwischen der klassischen Mythologie und den uralten heiligen Schriften des Iran herstellen wollte (ibid., 89). Den löwenköpfigen Gott, der von der Schlange umwunden ist, verstand Vermaseren als den Zeitgott Zervan, der in den griechischen Texten mittels eines Wortspiels zu Chronos (Zeit) wurde und mit Kronos und im römischen Kulturkreis entsprechend mit Saturn identifiziert wurde (ibid., 94–97, bes. 96). Vermaseren versuchte sogar noch, „Mithras größte Ruhmestat“, d.h. die Stiertötung, durch eine vermeintliche Parallele aus der altiranischen Mythologie zu erklären (ibid., 54–55). Später distanzierte Vermaseren sich von der iranischen These (s. Vermaseren, Der Kult des Mithras im römischen Germanien, 7; Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 96–120. 96–120). So sagt er in seinem Buch Der Kult des Mithras im römischen Germanien: „Und immer wieder ist man auch der Versuchung erlegen, M i t h r a s mit Mithra einfach zu verbinden und die okzidentalische Eigenart des Gottes und seines Kultes geradlinig aus den orientalischen Verbindungen herzuleiten. Persönlich neige ich jedoch immer mehr dazu, die Mithrasverehrung des Westens – wohl unter Berücksichtigung ihrer Verwandtschaft mit dem Gott des Orients – als einen neuen Kult zu betrachten, der am Anfang des 1. Jahrhunderts n.Chr. in Rom unter starkem philosophischem Einfluss geschaffen wurde. Wer sich bemüht, in Geist und Gehalt der neuen Mysterienlehre tiefer einzudringen, sollte deshalb von jenem Ideenkreis ausgehen, der das geistige Leben Roms im 1. Jahrhundert n.Chr. beherrscht hat“ (ibid., 7). 27 Diese Ansicht vertreten z.B. Manfred Clauss (Clauss, Mithras, 13–18) und Andreas Hensen (Hensen, Mithras, 24). 28 Hinnells (Hrsg.), Mithraic studies. Proceedings of the First International Congress of Mithraic Studies. Vol. I–II. 29 Duchesne-Guillemin (Hrsg.), Études Mithriaque. 30 Bianchi (Hrsg.), Mysteria Mithrae. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Vorwort

Vorträge gehalten, die dem Kult des Mithra(s) in anderen Kulturen und Religionen – im Königreich von Mitanni,31 im alten Indien,32 im Iran,33 im KuschanReich,34 in der hellenistischen Welt35 und im Manichäismus36 – gewidmet waren. So war es noch 1990 beim 16. Kongress der Internationalen Vereinigung für Religionsgeschichte in Rom, obwohl schon Beiträge dominierten, die speziell dem römischen Mithras-Kult galten.37 Cumonts Idee, den römischen Mithras-Kult als Teil einer großen „MithrasReligion“ zu betrachten, die sich vom Atlantischen Ozean bis nach Indien erstreckte, hat im 20. Jahrhundert viele Anhänger gehabt,38 und man hat auf internationalen Mithras-Konferenzen versucht, den römischen Mithras-Kult in einen breiteren interkulturellen Kontext zu setzen. In den Jahrzehnten nach den MithrasKonferenzen aber stehen die Forschungen zum römischen Mithras-Kult und zu den Kulten von Mithra in anderen Religionen bis heute meist isoliert nebeneinander. Es ist richtig, dass man jedes kulturelle oder religiöse Phänomen in erster Linie in seinem unmittelbaren Kontext betrachten muss. Für den römischen MithrasKult ist dieser Kontext die römische Gesellschaft und die römische Religion. Wir

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Bailey, „The second stratum of the Indo-Iranian gods“, 1–2. Ibid.; Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 1–39; Gonda, „Mitra in India“, 40–52; Humbach, „Mithra in India and the Hinduized Magi“, 229–254. 33 Jafarey, „Mithra, Lord of Lands“, 54–61; Frye, „Mithra in Iranian history“, 62–67; Gershevitch, „Die Sonne das Beste“, 67–89; Boyce, „Mihragan among the Irani Zoroastrians“, 106–118; Frye, „Mithra in Iranian Archaeology“, 205–212; Grishman, „Le culte de Mithra en Iran“, 213–214; Thieme, „Mithra in the Avesta“, 501–510; Gnoli, „Sol persice Mithra“, 725–740. 34 Humbach, „Mithra in the Kusana period“, 135–141; MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 142–150; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 305–316; Bivar, „Mithraic images of Bactria: are they related to Roman Mithraism“, 741–749. 35 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 123–134; Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 187–200. 36 Gershevitch, „Die Sonne das Beste“, 67–89; Sundermann, Some more Remarks on Mithra in the Manichaean Pantheon“, 485–500; Ries, „Théologie solaire manichéisme et culte de Mitra“, 761–775; Sundermann, „The five sons of the Manichaean god Mithra“, 777–787. 37 Hinnells (Hrsg.), Studies in Mithraism. 38 Robert Turcan schrieb noch im Jahr 1989: „In his astrological chronography, Ptolemy (Tertabiblos, II, 3) attributes central and southern Asia, from India to Assyria, to the power of Aphrodite-Isis and Kronos-Mithras, while the Phoenicians and Chaldaeans were concerned with the Lion and the Sun. In fact, we find Mithras under the name Miro (or Mirro) as far as on Kushan coins. As regards his cult, the god had followers almost everywhere, from the Indus to Scotland, from Germania to the edges of the Sahara […]“ (Turcan, The Cults of the Roman Empire, 215). 32

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haben keinen Grund, zu Cumonts Konzeption einer „Mithras-Religion“ zurückzukehren – es ist sicher, dass eine solche „Religion“ in der Geschichte nie existiert hat und dass indischer Mitra, iranischer Mithra, hellenistischer Mithra, Mithras oder Mithres und römischer Mithras unterschiedliche Gottheiten mit je eigenem Kult waren. Aber wie schon oben gesagt – keine Kultur oder Religion ist in Isolation entstanden und entwickelt worden, und deswegen haben wir sie außer in ihrem unmittelbaren Kontext auch in einem breiteren interkulturellen Kontext zu betrachten. Der Autor freut sich, dass er bezüglich dieser Meinung kein Einzelgänger ist: Im April 2017 hat eine Gruppe britischer Forscher und Forscherinnen als Resultat ihrer mehrjährigen Arbeit ein Buch veröffentlicht, das den Titel Images of Mithra trägt und in dem sie die Gestalt des Mithras in unterschiedlichen Kulturen untersucht haben.39 Die Forschungsarbeit des Autors verlief davon unabhängig, und desto mehr hat er sich gefreut, dass er und seine britischen Kollegen und Kolleginnen in manchen Punkten zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Die Auswahl der unterschiedlichen Kulturen und Religionen im vorliegenden Buch ist aber breiter und umfasst auch Indien und den vorsassanidischen Iran (der im Buch Images of Mithra nur am Rande berührt wird) und den Manichäismus. Der Autor des vorliegenden Buches hat mehr als sieben Jahre zum römischen Mithras-Kult geforscht und ist zum Ergebnis gekommen, dass der römische Mithras-Kult wirklich kein alter orientalischer Importkult war, sondern ein Kult, der erst in der römischen Kaiserzeit entstand. Der römische Mithras-Kult und der Kult von Mithra im iranischen Kulturraum sind folglich unterschiedliche Kulte. Diese Ansicht wird heute von vielen vertreten.40 Der Autor ist aber gleichzeitig davon überzeugt, dass trotz der vielfältigen Unterschiede zwischen römischem Mithras und iranischem Mithra außer dem Namen der Götter zwischen beiden Kulten noch ein wichtiges Bindeglied existiert – und zwar die Gestalt bzw. die Persönlichkeit des Gottes, der in diesen zwei unterschiedlichen Kulten verehrt wurde. Der römische Mithras und der iranische Mithra sind nicht gleich, aber zwischen beiden gibt es eine Reihe gemeinsamer Züge. Man kann also sagen, dass diese Gottheiten nahe Verwandte sind. Aber mehr noch: diese beiden Götter haben die gemeinsamen Züge auch sowohl mit dem Gott Mithra oder Mithres in der hellenistischen Welt als auch mit Mitra in Indien. Das vorliegende Buch ist eine vergleichende Studie, die allen vorgenannten unterschiedlichen Gottheiten gewidmet ist. Der Ausgangspunkt des Autors ist die Mithras-Gestalt in der römischen Religion. Das ist auch der Grund, warum das 39

Adrych u.a., Images of Mithra. So z.B. Clauss, Mithras, 13–18; Hensen, Mithras, 24; Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 201–210; Bowden, Mystery Cults of the Ancient World, 181. Bei North und Price, The Religious History of the Roman Empire, 260 heißt es: „This cult (d.h. der römische Mithras-Kult – J. L.), allegedly originating in Persia in the remote past, in fact developed in the Latin West in the late first/early second century AD“ (ibid.); vgl. auch Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. I, 266 u. 279–280. 40

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Vorwort

1. Kapitel dem römischen Mithras gewidmet ist und erst danach seine älteren Namensgenossen in der Religionsgeschichte betrachtet werden. Dabei wird nicht der römische Mithras-Kult als Ganzes, sondern nur ein Teil, die Gestalt bzw. die Persönlichkeit des Gottes betrachtet und analysiert. Der Autor vergleicht den römischen Mithras mit den obengenannten Gottheiten, um zu klären, was sie verbindet und was sie voneinander unterscheidet. Der Autor des Buches postuliert nicht die orientalische Herkunft des römischen Mithras-Kultes oder der Gestalt des Mithras in diesem Kult – er möchte nur den römischen Gott Mithras in einem möglichst breiten interkulturellen Kontext untersuchen, weil er davon überzeugt ist, dass solche Betrachtungen zu einem tieferem Verständnis der Mithras-Gestalt in der römischen Religion beitragen können. Vor dem Erscheinen des vorliegenden Buches hat der Autor Aufsätze über die sog. „orientalischen Kulte“ im Römerreich und über den Kult des Mithras in unterschiedlichen Sprachen (Englisch, Deutsch, Estnisch) veröffentlicht.41 Obwohl viele Kapitel des Buches auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Aufsätze geschrieben worden sind, ist das vorliegende Buch keine Aufsatzsammlung, sondern eine Monographie. Zuletzt möchte der Autor sich bei allen seinen Kollegen ganz herzlich bedanken, die ihm beim Schreiben des Buches in unterschiedlicher Weise mitgeholfen haben: Er dankt Herrn Professor Dr. Christoph Elsas (Philipps-Universität Marburg), der die Manuskripte des entstehenden Buches durchgelesen und sprachlich korrigiert hat. Auch sei ihm und ebenso Frau Pfarrerin Sandra Niemann (Kirchengemeinde Goßfelden bei Marburg) gedankt für ihre herzliche Gastfreundschaft während seiner Forschungsaufenthalte in Marburg. Der Autor dankt Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Manfred Clauss (Universität Frankfurt a/M), Herrn Prof. Dr. Richard Gordon (Universität Erfurt), Herrn Prof. Dr. Dr. Manfred Hutter (Universität Bonn), Herrn Prof. Dr. Attilio Mastrocinque (Universität Verona) und Herrn M.A. Daniel Mielke (Universität Potsdam/Technische Universität Darmstadt), die unterschiedliche Kapitel des Buches oder die Aufsätze, auf deren Grundlage die Kapitel geschrieben wurden, kritisch gelesen und dem Autor viele nützliche Verbesserungen vorgeschlagen haben. Für wichtige fachkundige Hilfe dankt er auch seinen estnischen Kollegen – Herrn Dr. Vladimir Sazonov und Herrn Dr. Peeter Espak (Universität Tartu) im Bereich der altorientalischen Religionsgeschichte, sowie Herrn Dr. Ivar Leimus (Museum für Estnische Geschichte, Tallinn) im Bereich Numismatik und Herrn M.A. Martti Kalda im Bereich Indologie. Weiter sei Herrn Dr. Alfred Schäfer (Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln), Herrn Prof. Dr. Dr. Manfred Hutter (Universität Bonn), Herrn Prof. Dr. Christian Witschel (Universität Heidelberg) sowie Herrn Prof. Dr. Jörg Rüpke (Universität Erfurt) und Herr Prof. Dr. Ortwin Dally (Deutsches Archäologisches

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S. das Literaturverzeichnis am Ende des Buches. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Vorwort

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Institut in Rom) als Gastgebern während der Forschungsaufenthalte des Autors in Köln, in Bonn, in Heidelberg, in Erfurt und in Rom gedankt, ebenso allen Sekretärinnen, Hilfsassistentinnen und Bibliothekarinnen der vorgenannten Universitäten und Museen, die ihm während seines Forschungsaufenthaltes hilfreich gewesen sind. Der Dank des Autors gilt auch Herrn Prof. Dr. Attilio Mastrocinque, Herrn Prof. Dr. László Takács (Katholische Universität Pázmány Péter, Ungarn) und Frau Prof. Dr. Patricia A. Johnston (Brandeis University, USA) für die Möglichkeiten, beim internationalen Symposium Peregrinum Classicum in Italien und in Ungarn Teilnehmer aus vielen Ländern, die zum Mithras-Kult forschen, kennenzulernen und mit ihnen zu diskutieren. Viele Unterkapitel des vorliegenden Buches basieren auf den Vorträgen, die während dieser Symposien präsentiert wurden. Der Autor dankt den Herausgebern der Serie Kasion, Dr. Sebastian Fink, PD Dr. Ingo Kottsieper und Dr. Kai A. Metzler, das Manuskript des Buches zur Publikation angenommen zu haben, und Letzterem für seine geduldige Hilfe bei der Korrektur des Manuskriptes. Schließlich ist der Autor auch seiner Frau Ursula und seiner Tochter Katariina zu großem Dank verpflichtet – ohne ihre moralische Unterstützung wäre die jahrelange Beschäftigung mit einem so umfangreichen Thema unmöglich gewesen. Ebenso möchte er sich bei seiner Studentin Frau Jane Vain für die Erstellung des Indexes dieses Buches bedanken. Der Autor hofft, dass sein Buch eine neue Perspektive für die heutige Mithras-Forschung bietet und damit die Diskussion zum römischen Mithras im interkulturellen Kontext weiterführen wird.

Tallinn 2018

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Abkürzungen

Griechisch-römische (darunter christliche) Quellen und Quellensammlungen I apol. Justin der Märtryrer, I. Apologia Adv. Nat. Arnobius, Adversus nationem Alexander Plutarch, Vita Alexandri CH Corpus Hermeticum CIL Corpus Inscriptionum Latinarum CIMRM Maarten J. Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae Comm. In Stat. Theb. Lactantius Placidus, In Statii Thebaida commentum Cyrop. Xenophon, Cyropaedia De antr. Porphyrios, De antro nympharum De civ. Augustinus, De civitate dei De err. Firmicus Maternus, De errore profanorum religionum De Lingua Varro, De Lingua latina De Mensib. Johannes Lydus, De Mensibus Deor. conc. Lukianos, Concilia deorum Flor. Apuleius, Florida Hist. Herodot, Historien Historia Alex. Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis Od. Homer, Odyssee Oeconom. Xenophon, Oeconomicus PGM IV Großes Pariser Zauberpapyrus Pomp. Plutarch, Vita Pompeii Praescr. Tertullian, De preascriptione haereticorum Pyth. Porphyrios, Vita Pythagoras Ref. Hipplyt von Rom, Refutatio omnium haresium Sel. in Gen. Origenes, Selecta in Genesis Str. Clemens von Alexandria, Stromata TMMM Franz Cumont, Textes et monuments figurés relatifs aux Mystères de Mithra Indische Quellen AV RV ŚB YV

Atharvaveda Ṛgveda Śatapatha brāhmaṇa Yajurveda

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Abkürzungen

Serien, Zeitschriften, Enzyklopädien und Lexika AI Acta Iranica ANRW Aufstieg und Niedergang der römischen Welt ARW Archiv für Religionswissenschaft AW Antike Welt EIEC Encyclopedia of Indo-European Culture EPRO Études préliminaires aux religions orientales dans l’Empire romain FARG Forschungen zur Anthropologie und Religionsgeschichte JMS Journal of Mithraic Studies JRS Journal of Roman Studies LIMC Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae MEFR Mélanges de l’Ecole française de Rome: Antiquité NHMS Nag Hammadi and Maichaean Studies ORA Orientalische Religionen in der Antike PAM Polish Archaeology in the Mediterranean RAC Reallexikon für Antike und Christentum RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft RM Die Religionen der Menschheit RRP Religion der römischen Provinzen STAC Studien und Texte zu Antike und Christentum TRE Theologische Realenzyklopädie TSAJ Texte und Studien zum Antiken Judentum UA Usuteaduslik Ajakiri VF Verkündigung und Forschung WUNT Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament ZfRW Zeitschrift für Religionswissenschaft

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Einleitung – Wie stellt man sich eine Gottheit vor? Eine Phänomenologie des Polytheismus

Wie stellt man sich eine Gottheit vor? Diese Frage ist natürlich nur im Kontext der polytheistischen Religionen berechtigt, da man nur in polytheistischen Religionen über eine Gottheit reden kann, die man sich vorstellen und, noch mehr, beschreiben kann. Als Polytheismus wird nach der Definition von Burkhard Gladigow „eine Religionsform bezeichnet, in der ein Handeln einer Mehrzahl persönlich vorgestellter Götter konzipiert ist.“1 Walter Burkert präzisiert: Polytheismus bedeutet, dass „nicht nur am selben Ort zur selben Zeit, sondern von derselben Gemeinschaft, demselben Individuum viele Götter verehrt werden; erst ihre Gesamtheit macht die göttliche Welt aus.“2 Oft sieht man den Hauptunterschied zwischen Polytheismus und Monotheismus darin, dass „der Polytheismus eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen innerhalb ein und derselben Religion anerkennt.“3 Doch meint der Autor des vorliegenden Buches, dass der größte Unterschied zwischen monotheistischen und polytheistischen Religionen bezüglich der Gottesanschauung nicht in der Zahl der Gottheiten,4 sondern darin besteht, was man unter „Gott“ in diesen Religionen versteht. In den polytheistischen Religionen werden die Götter meistens anthropomorph oder zoomorph dargestellt. Auch ihre Eigenschaften sind menschenähnlich. Obwohl schon Platon meinte, dass Gott unkörperlich sei,5 war die Körperlichkeit des Gottes die herrschende Anschauung in der Antike, die sogar unter den Christen Anhänger gehabt hat. So hat der christliche Apologet Melito von Sardes (2. Jh. n.Chr.) nach Origenes (Sel. in Gen. I,26) gelehrt, dass Gott in körperlicher Gestalt existiere6, und es gab noch im 4. Jahrhundert Christen die die Anthropomorphismen der Bibel wortwörtlich nahmen.7 Doch herrscht in der christlichen Theologie seit der Antike die Anschauung, dass Gott unkörperlich 1

Gladigow, „Polytheismus“, 321. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 331. 3 Lanczkowski, „Gott I. Religionsgeschichtlich“, 602. 4 S. auch Rüpke, Die Religion der Römer, 22. 5 Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen, 3. Buch, 1. Kap., 77. 6 Körperlichkeit gehört fest zur Vorstellung der Gottheiten in der griechischen Religion: „Sie sind keineswegs reiner ,Geist‘; wesentliche Elemente der Körperlichkeit gehören unabdingbar zu ihrem Wesen“ (Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 281); Zur Körperlichkeit der Götter in der rigvedischen Religion s. Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 108–113. S. auch Gladigow, „Gottesvorstellungen“, 40–41. 7 Zur Problematik: Markschies, Gottes Körper. Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike. 2

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sei. Und für jede monotheistische Gottesanschauung gilt prinzipiell das, was Hartmut Zinser an ihr hervorhob: „Wo religiöse, theologische und philosophische Reflexion wirksam werden, ist eine zunehmende logische und ethische ‚Reinigung‘ der Gottesvorstellungen von anthropomorphen, tiergestaltigen, soziomorphen, natürlichen und neuerdings auch technomorphen Bildern zu konstatieren.“8 Im Monotheismus sei Gott nicht „ein gigantisches, die Welt überragendes Wesen“, wie Paul Veyne die christliche Gottesanschauung falsch charakterisiert,9 sondern qualitativ von den Kreaturen unterschieden. Im Polytheismus ist der Unterschied zwischen Göttern und Menschen nur quantitativ10 und man kann Veit Rosenberger zustimmen, wenn er sagt, dass als Faustregel im Polytheismus gelten mag, dass jedes Wesen, das kultische Verehrung erhielt, eine Gottheit war. Damit zählten nicht nur Zeus und Apollon zu den Göttern, sondern auch hellenistische Könige und römische Kaiser, die sich eines Herrscherkults erfreuten; sogar einfache Menschen, die verstorben waren, konnten Empfänger von Ritualen sein und damit Götter.11 Von Gott als dem „ganz Anderen“ zu reden, wie es die Theologen Rudolf Otto (1869–1937) und Karl Barth (1886–1968) taten, gilt deswegen für alle monotheistischen Religionen. Die Differenzen zwischen den Gottheiten in der griechisch-römischen Religion und dem Gott im Monotheismus hat Veyne zutreffend wie folgt zusammengefasst: „Die antiken Götter leben in derselben Welt wie wir, sie sind wie wir Geschöpfe der Natur,12 körperliche Lebewesen und bilden eine der drei die Natur bevölkernden geschlechtlichen Spezies (jede Gottheit ist entweder männlich oder weiblich, sive deus, sive dea): Nach antiker Auffassung gibt 8

Zinser, „Gott. I. Religionswissenschaftlich“, 1099. Veyne, Die griechisch-römische Religion, 14. 10 Ibid., 16. 11 Rosenberger, Religion in der Antike, 25. Nach römischem Verständnis wurden die Toten zu Göttern. So heißt es zumindest bei Cicero (De legibus 2,22): „Die verstorbenen Guten sollen als Götter verehrt werden“. Hier zitiert Ciceros Bruder alte Sakralgesetze aus dem Kopf, gibt also nicht unbedingt ihren exakten Wortlaut wieder. Dennoch ist unbestritten, dass die „guten Toten“ als Götter betrachtet wurden (Rosenberger, Religion in der Antike, 119–120). Wie wenig festgeschrieben die Grenzen zwischen Göttern und Menschen waren, offenbaren auch die so genannten Privat-Deifikationen, wenn also Verstorbene divinisiert wurden, die nicht zum Kaiserhaus gehörten. So erklärte im 2. Jh. n.Chr. ein Mann seine verblichene Frau Primilla Medica, mit der er 30 Jahre ohne Streit zusammengelebt hatte, zu „Meiner verehrten Göttin“ (dea sancta mea; CIL VI 7581) (Rosenberger, Religion in der Antike, 46). 12 Da die Gottheiten Geschöpfe der Natur sind, wird ihr Wesen in der Systematik hellenistischer Philosophie als Teil der Physik abgehandelt. S. dazu: Johann Hermann von Kirchmann, „Einleitung. Cicero und die Religionsphilosophie der Antike“, 67 ff. 9

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es die Tiere – sie sind weder unsterblich noch vernunftbegabt –, die Menschen – sie sind vernunftbegabt und sterblich – und die sowohl vernunftbegabten wie auch unsterblichen Götter. Innerhalb der Welt, der alle diese Geschöpfe gleichberechtigt angehören, führen die Götter und die Menschen, obwohl sie verschieden sind, ein ganz ähnliches Dasein. [...] Die Götter bilden ebenso wie die Menschen eine lebendige Spezies, eine Rasse, ein genus. Sie sind eine Art außerirdischer Lebewesen, mächtige Fremdlinge mit einem eigenen und auf sich selbst konzentrierten Leben, unabhängig von den Menschen, die ihrerseits ein eigenständiges Dasein führen [...] Diese anthropomorphen Götter sind keine das Absolute oder das Unendliche verkörpernden Wesen.“13 Was Veyne zu den Gottheiten der griechisch-römischen Religion gesagt hat, gilt in etwa für alle polytheistischen Religionen:14 Ein Gott oder eine Göttin in einem polytheistischen Pantheon ist ein mächtiges Wesen – mächtiger als die Menschen,15 aber nur ein Mächtiges unter anderen Mächtigen. In der altgriechischen Religion z.B. sind die Götter dem Schicksal unterworfen.16 Meistens gelten er oder sie als unsterblich, aber in den Moralia Plutarchs (419 a–d) findet sich eine

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Veyne, Die griechisch-römische Religion, 14–15. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 280: „Früher war die Religionswissenschaft geneigt, die olympische Götterwelt für etwas Einzigartiges zu halten, für eine Schöpfung „Homers“, d.h. der frühen Griechen und ihrer Dichter. Die Wiederentdeckung der altorientalischen Literatur hat dies widerlegt. Da herrscht durchweg ein personhafter Polytheismus, der sich dichterisch ausgestalten lässt; nur Israel hat sich abgesondert. Nicht nur im Hethitischen und Ugaritischen, auch in der akkadischen Epik sind frappante Parallelen zum ,Homerischenʻ aufgetaucht. Ein Pantheon anthropomorpher Götter, die in menschlicher Weise miteinander sprechen und verkehren, die lieben und leiden, die durch Ehen und Eltern-Kind-Beziehungen miteinander verbunden sind, gehört zur vorderasiatisch-ägäischen Koine“. Die Gemeinsamkeiten der polytheistischen Religionen bedeuten aber nicht, dass es zwischen den unterschiedlichen polytheistischen Religionen keine Unterschiede gibt. S. z.B. Rüpke, Die Religion der Römer, 23: „Der römische Polytheismus unterscheidet sich deutlich vom griechischen. Die interne Strukturierung des Pantheons ist bei weitem nicht so scharf ausgeprägt gewesen wie in den griechischen Panthea, die Figuren stehen eher nebeneinander als in klaren Relationen zueinander. Die römischen Erzählungen von Göttern berichten eher von jeweils neuen Göttern als von den Variationen im Verhalten der alten untereinander. Die Gruppe der großen Götter ist so in Rom lange fließender gewesen, ihre ‚Persönlichkeiten‘ sind weniger anspruchsvoll als komplexe Handlungsmuster ausgebaut worden. Stattdessen traten immer wieder neue Götter, sei es durch Import, sei es durch einige Neubildungen, in das Pantheon ein“. 15 Nach der griechischen Anschauung sind die Götter „die Wesen, die den Menschen überlegen sind“ (Veyne, Die griechisch-römische Religion, 16). 16 Veit Rosenberger, Religion in der Antike, 25. 14

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Notiz über den Tod des Pan.17 Auch Gestalten wie Osiris oder Attis zeigen, dass Gottheiten auch manchmal sterben können.18 Besonders charakteristisch ist die Sterblichkeit der Götter für die ägyptische Religion, wozu Erik Hornung gesagt hat: „Die ägyptischen Götter haben einen Anfang in der Zeit und ein Ende in ihr. Sie werden geboren oder geschaffen, sie wandeln sich in der Zeit, sie altern und sterben, und sie werden eines Tages nicht mehr sein.“19 Die polytheistischen Gottheiten existieren nur in körperlicher Gestalt und haben ein spezifisches Aussehen und einen spezifischen Charakter, Geschlechtlichkeit und Sexualität20 und meist auch einen Stammbaum.21 Etliche von Göttern zeugen und gebären, und sie werden geboren und wachsen wie die Menschen.22 Wie die Menschen, so haben auch die Götter ihre Lebensgeschichten („Biographien“), die in den Mythen, die ihre Taten beschreiben, ihren Ausdruck finden. Im Unterschied zur monotheistischen Gottesanschauung, nach der Gott mit der ganzen Welt und mit allen Lebensbereichen verbunden ist, stehen die polytheistischen Götter zu einzelnen Weltteilen (Erde, Himmel, Unterwelt), Naturgewalten und -erscheinungen (Fruchtbarkeit, Sturm, Gewitter, Blitz, Feuer, Wind, Wasser, Sonne, Mond usw.) und Lebensbereichen (Liebe, Krieg usw.) in Beziehung oder sie sind die Personifikationen bestimmter Ordnungs- und Wertvorstellungen (wie Gerechtigkeit, Frieden, Loyalität usw.). Danach kann man die Götter in verschiedene Kategorien einteilen. Es gibt eine Reihe Göttertypen, die wir in unterschiedlichen Religionen des Altertums immer wieder vorfinden können – die Fruchtbarkeitsgottheit, die Sonnen- und die Mondgottheit, die Wettergottheit, den Kriegsgott (oder die Kriegsgöttin), die Gottheit als Kulturbringer, den Schöpfergott usw. Natürlich sind solche Göttertypen religionsphänomenologische Konstruktionen – in Wirklichkeit trägt eine Gottheit Züge aus unterschiedlichen Typen oder genauer gesagt, ihr Wesen ist komplizierter als die Göttertypen der Religionsphänomenologie. Als heuristisches Mittel ist solch eine Göttertypologie dennoch brauchbar, und das kann man auch auf die griechisch-römische Religion 17

Rosenberger, Religion in der Antike, 35. Die Tatsache, dass auch die Götter sterben können, unterstützt aber nicht die Anschauung eines sterbenden und auferstehenden Gottes, die in der Forschung eine wichtige Rolle gespielt hat (z.B. Frazer, Kuldne oks, 253–614; Snell, Die Religionen des alten Orients, 27). Zur Kritik dieser Konzeption Colpe, „Zur mythologischen Struktur der Adonis-, Attisund Osiris-Überlieferungen“. 19 Hornung, Die Eine und die Vielen, 150. 20 Burkert, Griechische Religion, 281–282. 21 Werblowski. „Polytheism“, 437. S. Cicero, Vom Wesen der Götter, II, XXVIII (70): „Denn wir kennen ja sogar die Gestalt, das Alter, die Kleidung und den Schmuck der Götter und ausserdem auch ihre Abstammung, ihre Ehegatten, ihre Verwandtschaft“ (zitiert nach der Übersetzung von Johann Hermann von Kirchenmann). 22 Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 109. 18

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anwenden. Natürlich gibt es zwischen den polytheistischen Religionen auch Unterschiede. So haben die Gottheiten sowohl in Ägypten als auch in Griechenland (wenigstens seit Hesiods Werk Theogonie) einen zeitlichen Anfang gehabt;23 wenn die Götter in Ägypten altern und sterben können,24 sind sie in Griechenland (wenigstens seit Homer) nicht nur unsterbliche, sondern auch ewig jugendliche Wesen.25 Es gibt aber mehr Gemeinsamkeiten zwischen den „Polytheismen“. Im Unterschied zum Gott in den monotheistischen Religionen ist ein Gott im polytheistischen Pantheon nicht allwissend,26 allmächtig27 und meist auch nicht allgegenwärtig.28 Viele Götter waren nur an dem Ort wirkmächtig, an dem sie wohnten – etwa einem Baum, einem Berg, einem Fels, einer Höhle oder einem Gewässer.29 Meistens ist der Gott auch nicht transzendent30 – er gehört zu dieser Welt, wie andere Lebewesen. In einer polytheistischen Religion kann Gott der Schöpfer der Welt sein (so gibt z.B. in der ägyptischen Religion viele Schöpfergötter31), muss das aber nicht sein. So fehlt in Hesiods Werk Theogonie die Anschauung eines Schöpfergotts. Obwohl die Idee der Weltschöpfung durch einen Gott auch in der griechischen Religion vorhanden war – sie kommt im Orphismus vor und wurde durch die platonische Anschauung vom δημιουργός, die auf Platons Timaios (28 A. C, 29 A. 31 A) zurückgeht, auch in anderen religiös-philosophischen Kreisen besonders in der römischen Kaiserzeit bekannt –, war sie nicht für die Religion der Antike obligatorisch; in allen monotheistischen Religionen ist Gott aber immer der Schöpfer der Welt. Obwohl römischer Mithras, hellenistischer Mithra, Mithras oder Mithres, iranischer Mithra oder Mihr, kuschanischer Miiro oder Mirro, manichäischer Mihryazd und indischer Mitra, d.h. die Götter, denen das vorliegende Buch gewidmet 23 Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht der altägyptische Gott Ptah nach der „Theologie von Memphis“ dar. Er hat keinen Anfang gehabt. Er ist immer existerend. 24 Hornung, Die Eine und die Vielen, 159–174. 25 Otto, Die Götter Griechenlands, 127–128 26 Snell, Die Religionen des alten Orients, 27–28. Sogar Zeus selbst scheint nicht immer allwissend zu sein (Burkert, Griechische Religion, 281; Vegetti, „Inimene ja jumalad“, 269. 27 Snell, Die Religionen des alten Orients, 28; Werblowsky, „Polytheism“, 437; Vegetti, „Inimene ja jumalad“, 268; Veyne, Die griechisch-römische Religion, 16. Erst Platon betonte, dass Gott allmächtig ist (s. Burkert, Griechische Religion, 483). 28 So können die griechischen Götter riesige Räume durchmessen, sie sind aber nicht allgegenwärtig (Burkert, Griechische Religion, 281). Doch war die Idee der Allgegenwart des Gottes in der altägyptischen Religion vorhanden – die Priester von Theben haben den Stadtgott Amon als einen allgegenwärtigen Gott verstanden (Stadnikov, „Sissejuhatus vanaegiptusse usundilukku ja mütoloogiasse“, 13). 29 Rosenberger, Religion in der Antike, 25. 30 Sergei Stadnikov, Vana-Egiptuse kultuurilugu, 13. 31 Morenz, Ägyptische Religion, 167–191; David, Religioon ja maagia Vana-Egiptuses, 92–99.

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ist, zu unterschiedlichen Religionen und Kulturen gehören, verbindet sie nicht nur die schon im Vorwort postulierte Namens- und Charakterverwandtschaft, sondern auch ihre Verankerung in polytheistischen Vorstellungen. Sie alle gehören zu unterschiedlichen Panthea, und für sie alle gilt prinzipiell das von Paul Veyne zu griechisch-römischen Gottheiten Zitierte und das, was Walter Burkert über „individuelle Götter“ in der altgriechischen Religion sagt: „Die Individualität eines Gottes, durch die er sich von anderen unterscheidet, wird durch mindestens vielerlei konstituiert und vermittelt: durch den nach Ort und Zeit fixierten Kult mit seinem Ritualprogramm und der darüber liegenden Stimmung; durch den Namen; durch die über den so Benannten erzählten Mythen; durch die Ikonographie, insbesondere das Kultbild.“32 Allerdings gilt das Gesagte für die obengenannten Gottheiten mit Vorbehalt, weil die Quellensituation bei ihnen ganz unterschiedlich ist. Beginnen wir mit dem römischen Mithras. Die Primärquellen zu seinem Kult sind vorwiegend Darstellungen des Mithras (Malereien, Skulpturen, Reliefs, Darstellungen auf kleineren Kultgegenständen) und der anderen Gottheiten des mithräischen Pantheons und Inschriften (1.1). Es gibt nur zwei Texte, die wahrscheinlich von Mithras-Anhängern stammen,33 und nur einer davon, die sog. „Mithras-Liturgie“, bietet ein wenig Information zur Persönlichkeit des Gottes. Die Inschriften geben mehr Informationen zu den Dedikanten als zu ihrer Gottheit, nennen aber immerhin unterschiedliche Kult-Epitheta und Eigenschaften des Gottes. Die Darstellungen des Mithras sind die wichtigsten Quellen, sind aber Bilder ohne erklärenden Text. Man muss sie durch anderweitige Texte und durch Parallelen aus anderen Kulten interpretieren. Als Folge dieser Quellensituation entwirft fast jeder Forscher seine eigene Vorstellung von Mithras, wobei das extremste Beispiel Cumonts Mithras-Bild ist, das nach Möglichkeit alle Charakteristika aus der zoroastrischen Mythologie und Ikonographie herzuleiten sucht. Zum Kult des Mithra oder Mithres in der hellenistischen Welt, besonders im hellenistischen Kleinasien (Kap. 2), bestehen die Hauptquellen wie zum römischen Mithras vorwiegend in den Darstellungen des Gottes (Reliefs und Skulpturen) und in einigen Inschriften, die den Gott nennen, aber zu seiner Persönlichkeit wenig Information geben. Knappe Berichte antiker Autoren ergänzen sie. Wir kennen Kultstätten, an denen Mithra gehuldigt wurde, ebenso Herrscher, die seinen Kult gefördert haben; aber diese Angaben geben wenig Information zur Persönlichkeit des Gottes. Deswegen muss man auch die hellenistischen MithraDenkmäler durch Parallelen interpretieren. Da Kleinasien, der wichtigste Ort des Kultes für Mithra, im Grenzbereich der hellenistischen und der iranischen Kultur 32

Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 189 Zum einen ein mithräischer Katechismus aus Ägypten (Brashear (Hrsg.), A Mithraic Catechism from Egypt) und zum anderen die sog. „Mithras-Liturgie“ (s. 1.1).

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lag, hat man diese Parallelen in hellenistischen und iranischen Religionsformen gesucht. Deswegen schwanken auch die Interpretationen des hellenistischen Mithra zwischen „Hellenismus“ und „Iranismus.“ Die rein iranische Interpretation der Skulpturen und Reliefs, deren wichtigster Vertreter Franz Cumont war, hat heute fast keine Verteidiger mehr. Wenn wir jetzt weiter nach Osten gehen und die iranischen Quellen betrachten (Kap. 4), dann sehen wir, dass die Quellensituation gänzlich verschieden vom Imperium Romanum und von der hellenistischen Welt ist. Aus dem Zeitalter der Achämeniden und der Arsakiden kennen wir keine iranische Darstellung eines Gottes und folglich auch keine von Mithra. Die Inschriften der Achämeniden geben mehr Informationen zur Haltung unterschiedlicher Könige gegenüber Mithra als zur Persönlichkeit des Gottes. Doch haben wir einige Texte aus dem Avesta, in denen Mithra eine wichtige Rolle spielt, aber diese Texte sind schwer zu datieren. Dasselbe gilt auch für die spätere religiöse und mythologische Literatur des Zoroastrismus, die sog. Pahlavi-Literatur. Obwohl man manchmal damit rechnen kann, dass die Pahlavi-Texte ältere Überlieferungen benutzt haben und auf älteren Texten beruhen, ist das meistens schwer zu beweisen. Wenn auch viele schriftliche Quellen zu Mithra aus der islamischen Zeit die Glaubenssituation in der Zeit der Sassaniden oder sogar der Parther widerspiegeln, müssen wir mit möglichen Veränderungen in der iranischen Religion rechnen und dürfen nicht jüngere Glaubensvorstellungen ohne Zögern in die ältere Zeit zurück projizieren. Bei den Texten, deren Herkunft aus der Zeit der Achämeniden sicher ist und die ziemlich informationsreich sind (wie z.B. Mihr-Yašt), hat man damit zu rechnen, dass sie keine möglichst vollständige Darstellung zur Gottheit Mithra bieten möchten, sondern davon ausgehen, dass der Gott Mithra den Lesern und Hörern (viele Texte waren zur Rezitation bestimmt) schon bekannt war. So muss man auch das Bild von Mithra im Zeitalter der Achämeniden erst nach den Quellen (re)konstruieren. Zum Glück haben wir eine Reihe von Berichten griechisch-römischer Autoren, die das Bild von Mithra im Avesta ergänzen; aber bei ihnen muss man damit rechnen, dass sie die Religion der Perser durch ihre eigene (d.h. griechisch-römische) Religion interpretieren (sog. interpretatio graeca). So muss man diese Berichte immer, sofern möglich, mit den Originalquellen vergleichen und hat auch mit Fehlinterpretationen zu rechnen (siehe z.B. das weibliche Geschlecht des Mithra bei Herodot). Die Antwort auf die Frage, aus welcher Zeit die ersten Abbildungen von Mithra aus dem iranischen Kulturraum stammen, hängt davon ab, welche Darstellungen wir mit der iranischen Kultur und Religion in Zusammenhang bringen. Die Forscher, die meinen, dass die kommagenischen Denkmäler iranische Vorstellungen widerspiegeln, halten die dortigen visuellen Darstellungen für die ältesten und datieren sie ins 1. Jh. v.Chr. (Kap. 6). Die anderen, die Abbildungen in der Tradition des iranischen Mithra auf den Münzen der Kuschanen für die ältesten halten, datieren sie ins 2. Jh. n.Chr. In beiden Fällen muss man aber bei Abbildungen von

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Mithra mit Einflüssen der hellenistischen Kunst rechnen. Wie Walter Burkert gezeigt hat, sind die Einflüsse der griechischen Kunst auf die iranische schon im Zeitalter der Achämeniden bezeugt.34 Die Rolle von Miiro im Reich der Kuschanen stellt im Einzelnen noch ein eigenes Problem dar (4.3.8). Zwar ist sicher, dass das Kuschan-Reich zum hellenistischen kulturellen Raum gehörte und dass Miiro im Kuschan-Reich eine iranische Gottheit war, da auch die baktrisch-sprachigen Inschriften die Popularität von Mithra im Kuschanreich belegen. Es ist aber nicht sicher, ob die iranische Religion, die sich auf den Münzen der kuschanischen Herrscher spiegelt, der Zoroastrismus war – eher kann man daran zweifeln. Und dann taucht die Frage auf, ob wir den kuschanischen Miiro von den Vorstellungen her interpretieren dürfen, die z.B. im Avesta vorhanden sind. Eher kann man vermuten, dass die iranische Religion im Kuschan-Reich ein lokales Phänomen darstellt, das sich unabhängig vom Zoroastrismus des benachbarten sassanidischen Iran entwickelt hat. Wir dürfen jedenfalls nicht die Angaben, die wir zur Position und Rolle von Mithra im sassanidischen Reich haben, problemlos auf den kuschanischen Miiro übertragen. Aus dem sassanidischen Zeitalter haben wir sowohl bildliche Darstellungen als auch schriftliche Quellen zum Gott Mihr (Kap. 4). Ganz anders sieht dagegen die Quellensituation im Manichäismus aus. Obwohl wir gute Kenntnisse von manichäischen Gemälden aus Zentralasien haben, stellen sie die Anhänger des Manichäismus, aber keine Gottheiten des manichäischen Pantheons dar. Diese Gottheiten, darunter die Gottheit Mihryazd, kennen wir nur durch schriftliche Quellen (Kap. 8). Ähnlich sieht auch die Quellenlage beim vedischen Mitra aus (Kap. 9). Visuelle Gottesdarstellungen sind ein ziemlich spätes Phänomen in der indischen Kunst, und deswegen haben wir auch keine Darstellungen von Mitra, die aus dem Altertum stammen und die man mit den vedischen Texten in Zusammenhang bringen könnte. Obwohl die avestischen und vedischen Texte viele Gemeinsamkeiten zeigen (und ihre Verwandtschaft auch außer Zweifel steht; Kap.10), gilt bei den vedischen Texten dasselbe, was bei den Texten des Avesta gilt – sie versuchen nicht, eine umfassende Abhandlung zu Mitra zu bieten, sondern setzen voraus, dass ihre Leser und Hörer schon diesen Gott kennen. Sie sind nicht Lehrtexte, sondern haben ihren „Sitz im Leben“ im Kult, weil die Religion der Veden in erster Linie eine Kultreligion war. Zusammenfassend kann man sagen, dass die ungleiche Quellensituation in den unterschiedlichen Religionen und Kulturen bei einem Vergleich des römischen Mithras mit den namensverwandten Gottheiten ein Hindernis darstellt. Doch lohnt der Versuch, diese unterschiedlichen Gottheiten zu vergleichen.

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Burkert, Die Griechen und der Orient, 107 ff. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Woraus resultiert das Bild eines Gottes? Im Corpus Hermeticum heißt es: „Deshalb muss man es auszusprechen wagen, dass der irdische Mensch ein sterblicher Gott und der Gott im Himmel ein unsterblicher Mensch ist.“35 Wir können eine polytheistische Gottheit folglich nach Art eines Menschen beschreiben. Wie ein Mensch, so hat sie einen Namen, ein Aussehen, einen Charakter und eine Lebensgeschichte, die sich in den Mythen widerspiegelt. Neben dem Namen haben die Götter meist eine Menge von Epitheta, die auf ihre unterschiedlichen Eigenschaften hinweisen, und auf den visuellen Darstellungen werden sie meistens durch unterschiedliche Symbole oder Attribute gekennzeichnet.36 Alle diese Komponenten werden im Folgenden zu beachten sein. Der Autor des Buches ist kein Archäologe oder Kunsthistoriker, sondern ein Religionshistoriker, und deshalb ist seine Betrachtungsweise religionsgeschichtlich orientiert. Da der Ausgangspunkt seiner Forschung der römische Mithras war (s. Vorwort), sind die Kulturen und Religionen, in denen die Gestalt des Mithra(s) betrachtet wird, nicht in chronologischer, sondern in geographischer Folge abgehandelt – vom westlichen Teil des Römerreiches, in dem man die ältesten römischen Mithras-Denkmäler gefunden hat, über das hellenistische Kleinasien bis Iran, Zentralasien und zuletzt Indien. Die Gestalten der Gottheiten werden also nicht in der chronologischen Reihenfolge, sondern umgekehrt, d.h. vom römischen Mithras im 2. Jahrhundert n.Chr. bis zum indischen Mitra im 2. Jahrtausend v.Chr. betrachtet. Die Gestalt des Mithra(s) wird zuerst in jeder genannten Region beschrieben und danach mit der in einer anderen Region und im letzten Kapitel übergreifend verglichen. Die Namensgestalt „Mithras“ wird dabei als ein „MetaName“ für unterschiedliche Gottheiten benutzt, die in den ihnen gewidmeten Kapiteln unter ihrem Originalnamen untersucht werden (Mithra, Miiro usw.). Das Ziel des Autors ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Gottheiten darzustellen und zu analysieren, um Antworten zu finden, wie man die Verbindungen zwischen den genannten Gottheiten erklären könnte, ohne zu Cumonts Konzeption einer „Mithras-Religion“ zurückzukehren. Der Autor glaubt, dass eine solche vergleichende Analyse nicht nur zu einem besseren Verständnis des römischen Gott Mithras, sondern auch der Religionen im Altertum überhaupt beitragen kann.

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CH X, 24 nach der Übersetzung von Jens Holtzhausen (Corpus Hermeticum Deutsch). Gladigow, „Gottesvorstellungen“, 43 „Für eine „Identifizierung“ von Göttern dient ein System von Attributen, besonderen Ornaten, Rüstungen und Waffen, Schmuck und Begleittieren“. 36

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Kapitel 1 Der Gott Mithras in der römischen Religion Der Mithras-Kult war ein sog. „orientalischer Kult“, der sich seit dem Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. im Römischen Reich verbreitete.1 Er gehört zu den Mysterienkulten, in denen die Initiation eine wichtige Rolle spielte.2 Die Mysterienkulte sind ein Phänomen, das für die griechisch-römische Religion kennzeichnend ist, und deswegen muss man auch den Mithras-Kult im Kontext der römischen Religion betrachten.3 Die genaue Entstehungszeit des Mithras-Kultes ist unbekannt – die ältesten Angaben zu diesem Kult stammen aus der Zeit um 100 n.Chr.4 Auch der Entstehungsort des Kultes ist nicht klar – die Denkmäler des Mithras-Kultes tauchen 1

An dieser Stelle wird der Begriff „orientalische Kulte“ nicht diskutiert, sondern als eine problematische (deswegen wird er in Anführungszeichen gesetzt), doch konventionelle Bezeichnung benutzt. Zur Diskussion des Begriffes Lahe, „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“, 151–195. S. dazu auch: Auffarth, „Zwischen Anpassung und Exotik. ,Mysterien‘ und ,Orientalische Kulte‘ in der Religion der Antike“, 19–30; Auffarth „Religio migrans: Die ,Orientalischen Religionen‘ im Kontext antiker Religion. Ein theoretisches Modell“, 333–363; Bonnet, „Die ,Orientalischen Religionen‘ im Laboratorium des Hellenismus: Franz Cumont“, 4; Bonnet, Rüpke, Scarpi (Hrsg.), Religions orientales – culti misterici. S. dazu auch Kap. 5. 2 Zum Phänomen der Mysterienkulte s. Burkert, Antike Mysterien; Scheid, An Introduction to Roman Religion, 186–188. Zum Mithras-Kult als einem Mysterienkult s. Burkert, Antike Mysterien, 9; 11; 14; 16; 45–46; 49–53; 59; 64; 70–71; 83; 87–88; 90; 93–94; Alvar, Myth, salvation and ethics in the cults of Cybele, Isis and Mithras, 17–23; Clauss, Mithras, 23–24; 98–102; Beck, The Religion of the Mithras Cult in the Roman Empire, 2–15. Alvar, Romanising oriental Gods, 22, und Beck, The Religion of the Mithras Cult in the Roman Empire, 2–3, betonen, dass der Mithras-Kult nur in der Form des Mysterienkultes existierte. 3 Unter der „römischen Religion“ versteht der Autor wie Jörg Rüpke, Die Religion der Römer, die Religion der Stadt Rom, die sich mit dem Wachstum des Machtbereichs urbs auf den großen Territorien des Mittelmeerraumes und auch auf anderen Gegenden, die die Römer herrschten, verbreitete. Wie jede polytheistische Religion, war auch die römische Religion oder die Religion der Römer ein offenes System, das im Laufe der Zeit in sich die neuen Elemente (darunter auch aus anderen Religionen) integriert hat. 4 Beck, „Mithraism since Franz Cumont“, 2002–2115; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 204–207; Merkelbach, Mithras, 146–153; Clauss, Mithras, 27–29; Warrior, Roman Religion. A Sourcebook, 111. Anders Mastrocinque, der die Anfänge des römischen Mithras-Kultes in die Zeit des Tiberius setzt (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 185 ff., bes. 189–192). Vgl. auch Beard, North, Price, die sagen: „The cult of Mithras seems to have been established in Rome by the early second century A.D. and evidence for it © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 1

gleichzeitig in unterschiedlichen Gegenden des Imperium Romanum auf,5 aber die größte Konzentration der Denkmäler kann man in Italien, im Rhein-MainGebiet und in den Balkan- und Donauländern beobachten.6 Obwohl Cumont meinte, dass der Mithras-Kult ein Importkult aus dem Osten war,7 sprechen alle Angaben im Gegenteil dafür, dass der Kult am wahrscheinlichsten im westlichen Teil des römischen Staates entstand.8 Dafür scheint in erster Linie die Tatsache remains abundant until the second half of the third century A.D. The classic sanctuaries of the cult (the socalled ‘caves’) appeared in the middle of the second century“ (Religions of Rome, 266). 5 Zur geographischen Verbreitung des Kultes s. wieder „Mithraism since Franz Cumont“, 2013–2048; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 203–215; Merkelbach, Mithras, 146– 153. Nach den Angaben von Manfred Clauss ist der Kult an fast 500 Orten nachgewiesen (Clauss, Mithras, 11). Eine Karte zur Verbreitung des Kultes im Römerreich findet sich bei Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults. Orientalischer Gott oder westliche Neuschöpfung?“, 206–207. 6 Karten bei Clauss, Mithras, 13 und Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 206– 207. 7 S. Vorwort. 8 Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 201–210; Clauss, Mithras, 18. Üblicherweise geht die Forschung, gestützt auf verschiedene Quellen, von zwei unterschiedlichen Ursprungsorten aus, nämlich von Rom bzw. Ostia (Clauss, Mithras, 18; Merkelbach, Mithras, 77) und Kleinasien (Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 130–136; Pettazzoni, „The monstrous figure of time in Mithraism“, 180; Vermaseren, Mithras, 21–22; Widengren, Die Religionen Irans, 224; Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 11 u. 22; Colpe, „Mithra-Verehrung, Mithras-Kult und die Existenz iranischer Mysterien“, 378–405); Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults; Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland, 13–18; Schwertheim, Kleinasien in der Antike, 97–100; Beck, „The Mysteries of Mithras: A New Account of Their Genesis“, 115–128; Jacobs, Die Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien, 27 ff.; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 964; Gordon, „From Mithra to Roman Mithras“, 454; Rives, Religion in the Roman Empire, 60–62; Cooper, Mithras, 11–13. Für Rom sprechen zwei Tatsachen: 1) Bislang wurden die meisten Zeugnisse in der Gegend von Rom und Ostia gefunden. 2) Die frühesten sicher zu datierenden Zeugnisse für den Mithras-Kult stehen mit Personen im Zusammenhang, die aus Italien stammen (Clauss, Cultores Mithrae, 254; Clauss, Mithras, 31–32). Für Kleinasien sprechen einzelne (aber wichtige) ikonographische Symbole, die charakteristisch für den römischen Mithras-Kult sind (Mithras’ Kleidung, sein Strahlenkranz, Dexiosis) und die geographische Nähe zu Italien. Beck betont dabei, dass der römische Staat in der Zeit, als der römische Mithas-Kult entstand, in engen Kontakten zu Kommagene stand. So war der römische Astrologe Claudius Tiberius Balbillus mit einer kommagenischen Prinzessin verheiratet, die Tochter des Antichos IV. war (Beck, „Whose Astrology? The Imprint of Ti. Claudius Balbillus on the Mithraic Mysteries“, 323–329). Gegen Kleinasien spricht aber die Tatsache, dass die Spuren dieses Kultes dort sehr gering sind. Darauf wies schon Martin P. Nilsson hin (Nilsson, Geschichte der Griechischen Religion. Zweiter Band, 670). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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zu sprechen, dass im Unterschied zum Christentum, das im römischen Osten entstand, der Mithras-Kult im östlichen Teil des Imperium Romanum sehr gering verbreitet war.9 Der Autor des vorliegenden Buches ist davon überzeugt, dass der römische Mithras-Kult ein Teil der Religion der Römer gewesen war und dass man ihn als einen Kult im Rahmen der römischen Religion betrachten muss. Dafür sprechen z.B. die Dedikationen für unterschiedlichen römischen Gottheiten (wie z.B. Silvanus, Venus, Vulcanus, Mercurius)10 und ihre Darstellungen, die in MithrasKultstätten gefunden wurden11, sowie auch die (vorwiegend lateinische) Terminologie des Kultes, die eng mit dem Vokabularium der römischen Religion verbunden ist. Der römische Staat war aber nicht geographisch oder kulturell isoliert von seiner näheren und weiteren Umgebung, sondern hatte viele Kontakte nicht nur mit dem Nahen Osten, dessen größerer Teil unmittelbar zum römischen Staat gehörte, sondern sogar mit so weit entfernten Gegenden wie Indien oder dem Reich der Kuschanen in Mittelasien.12 Deswegen kann man nicht ausschließen, dass auch der römische Mithras-Kult oder genauer gesagt die Gestalt der Gottheit Mithras in diesem Kult nicht nur Gemeinsamkeiten mit, sondern auch direkte Beziehungen zum Orient haben könnte. Das Ziel des folgenden Kapitels ist aber nicht, diese vermeintlichen Beziehungen zu diskutieren (dazu Kap. 6), sondern die Gestalt des Mithras in ihrem engeren Kontext, d.h. in seinem Kult und im Rahmen der griechisch-römischen Religion, darzustellen. 1.1 Quellen Die Quellen, die uns zum römischen Mithras-Kult bzw. zur Gestalt des Gottes Mithras in diesem Kult Auskunft geben, kann man unterteilen in 1) Primär- und 2) Sekundärquellen. Beim römischen Mithras-Kult sieht die Quellenlage ganz anderes aus als bei der antiken Gnosis. Während wir zur letzteren fast nur schriftliche Quellen haben (und das betrifft sowohl die Primär- als auch die Sekundärquellen), gibt es zum Mithras-Kult sehr wenig schriftliche Quellen, und diese sind meist Sekundärquellen, d.h. Berichte zum Kult, die von Autoren stammen, die

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Darauf hat besonders Witschel die Aufmerksamkeit gelenkt (s. Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 200–210). 10 MacMullen, Paganism in the Roman Empire1, 92. 11 Solche Gottheiten sind z.B. Sarapis, Venus, Mars, Hecate, Fortuna und Aesculapius (Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. I, 282). 12 Zu Kontakten zwischen den Römern und den Völkern des Orients s. Dihle, „Die entdeckungsgeschichtlichen Voraussetzungen des Indienhandels der römischen Kaiserzeit“, 118–152; Daniélou, India ajalugu, 132–134; Adshead, China in World History, 34; MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 142–150; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 305–311; Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 161–191. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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nicht zum Kreis der Kultanhänger gehörten. Im Unterschied zu anderen Mysterien-Gottheiten (Isis, Kybele, Attis) fehlt uns auch die Geschichte zu Mithras, d.h. die Kultlegende.13 Diese hat man nur auf Grund der überwiegend nichtschriftlichen Quellen rekonstruiert, und deswegen gehen die Interpretationen stark auseinander. 1.1.1 Primärquellen Die wichtigsten Primärquellen zum Mithras-Kult sind Inschriften, Kultreliefs und -skulpturen. Weniger sind Kultgemälde und -mosaiken erhalten. Auch Kleingegenstände (Öllampen, Geschirr, das im Kult benutzt wurde) geben zum Kult wichtige Informationen. Nach den Angaben von Manfred Clauss beträgt die Zahl der Inschriften über 1000.14 Die Inschriften, die man vor dem Jahr 1960 gefunden hat, wurden von Maarten J. Vermaseren in zwei Bänden publiziert.15 Später hat man weitere Inschriften des Mithras-Kultes gefunden, die in unterschiedlichen Ausgaben (besonders in Fachzeitschriften) publiziert wurden oder in Onlinedatenbanken präsentiert sind,16 aber alle Versuche, die später gefundenen Quellen in einem Korpus zusammenzufügen, sind bis heute misslungen. Wie schon in der Einleitung gesagt, bieten die Inschriften mehr Informationen zu Kultanhängern17 als zum Inhalt des Kultes bzw. der Gestalt des Gottes Mithras, doch kommen in ihnen manchmal Epitheta des Gottes vor, die eine wichtige Quelle zum Verständnis des Gottes darstellen. Da die Inschriften meistens Votivinschriften sind, die jemand pro salute – „zum Wohl“ – einer Person oder einer Personengruppe anbringen ließ,18 zeigen sie, dass Mithras als dem Schutzgott einer Person oder einer Personengruppe gehuldigt wurde. Dass viele Inschriften „zum Wohle“ des Kaisers gefunden wurden,19 zeigt uns, dass Mithras (wenigstens für seine Anhänger) auch der Schutzgott des Kaisers war. Deswegen kann man gut verstehen, dass die römische Sonderform des Herrscherkultes, der Kaiserkult,20 in den Mithras-Kult integriert werden konnte.21 13

Alvar, Romanising oriental Gods, 25. Clauss, Mithras, 11. 15 Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae. Vol. I.; Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae. Vol. II. 16 Die wichtigsten sind die epigraphische Datenbank Clauss-Slaby (http://www.manfred clauss.de/) und die epigraphische Datenbank der Universität Heidelberg (http://edh-www. adw.uni-heidelberg.de/home). 17 Auf der Grundlage dieser Information hat Clauss seine Prosopographie der Kultanhänger geschrieben: Clauss, Cultores Mithrae. 18 Clauss, Mithras, 45–46. 19 Ibid.; auch: Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. 1, 282. 20 Zum römischen Kaiserkult Wlosok (Hrsg.), Römischer Kaiserkult; Clauss, Gott und Kaiser; Hitzl, „Praxis, Semantik, Diffusion römischen Herrscherkults“. 21 Clauss, Mithras, 29. Die Beziehungen zwischen Mithras- und Kaiserkult hat neuerlich bes. Mastrocinque hervorgehoben (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras). 14

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Die zweite und wichtigste Gruppe der Quellen, die auf den Gott Mithras Licht werfen, sind die Kultreliefs und -skulpturen. Sie stellen den Gott Mithras und seine zwei Begleiter, Cautes und Cautopates, dar oder auch die wichtigsten Szenen aus dem Leben des Gottes, wie seine Geburt, sein Wasserwunder, seine Stierjagd und -tötung, seinen Freundschaftsvertrag mit dem Sonnengott Helios/Sol und ihr gemeinsames Freundschaftsmahl sowie die Himmelfahrt des Mithras im Wagen des Sonnengottes. Nach den Angaben von Clauss gibt es mehr als 700 Stiertötungsreliefs, von denen allerdings nur etwa ein Drittel vollständig erhalten ist, und mehr als 500 weitere Reliefs.22 Nach Leroy Campbell gibt es insgesamt fast 900 Darstellungen des Mithras Tauroctonos.23 Die unterschiedlichen Zahlen bei Clauss und Campbell kann man damit erklären, dass Campbell auch die Stiertötungsszenen auf den Kleingegenständen (Gemmen usw.) dazurechnet.24 Man kann davon ausgehen, dass die Zahl dieser Szenen durch Neufunde fortwährend erweitert wird.25 Es gibt sehr wenige schriftliche Quellen zum römischen Mithras. Obwohl Vollkommer vermutet, dass die Einheitlichkeit der Kultdarstellungen auf einer Art Offenbarungsbuch, auf einer Heiligen Schrift des Mithras basiert,26 ist das Vorhandensein eines solchen Buches nicht bestätigt. Wahrscheinlich hat es eine „Heilige Schrift des Mithras“ auch nie gegeben, weil der römische Mithras-Kult wie die römische Religion überhaupt keine „Buchreligion“, sondern eine Kultreligion war. Die Texte, die man in der Religion der Römer benutzte, dienten praktischen Zwecken (wie z.B. die Orakelbücher der Sibyllen). Auch die erhaltenen schriftlichen Originalquellen des Mithras-Kultes dienten praktischen Zwecken – der Katechismus des Mithras-Kultes aus Ägypten, den Brashear publiziert hat,27 stand wahrscheinlich mit der Initiation in Zusammenhang, und auch die sog. „Mithras-Liturgie“ diente wahrscheinlich kultischen Zwecke. Da der genannte Katechismus keine Information zur Mithras-Gestalt gibt, betrachten wir nur die „Mithras-Liturgie“ näher. Die sog. „Mithras-Liturgie“ ist eine viel diskutierte Quelle. Sie bildet einen Teil des „Großen Pariser Zauberpapyrus“ (PGM IV) (Bibl. Nat. Suppl. Gr. 574,475–750) und hat ihren Namen vom Erstübersetzer Albrecht Dieterich bekommen.28 Im Text kommt eine Gottheit vor, die Helios Mithras heißt und den Titel ὁ µέγας ϑ(εò)ς trägt (Z. 482). Später wird auch das Aussehen dieser Gottheit 22

Clauss, Mithras, 11. Campbell, Mithraic iconography and ideology. 24 Auch Rainer Vollkommer, der einen Aufsatz der Stiertötungsszenen gewidmet hat, beobachtet diese Szene auch auf den Kleingegenständen (s. „Mithras Tauroctonus. Studien zu einer Typologie der Stieropferszene auf Mithrasbildwerken“, 103, 265–281). 25 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219. 26 Vollkommer, „Mithras Tauroctonus“, 274–275. 27 Brashear (Hrsg.), A Mithraic Catechism from Egypt. 28 Dieterich, Eine Mithrasliturgie. 23

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beschrieben (Z. 696). Dieterich meinte, dass dieser Text als Produkt einer längeren Entwicklung im Zeitraum zwischen 100 und 300 n.Chr. entstanden sei, und betrachtet ihn als einen Kult-Text des kaiserzeitlichen Mithraismus.29 Hans Dieter Betz, der den Text neu ediert und kommentiert hat, datiert die „Liturgie“ ungefähr ins Jahr 200 n.Chr.30 und betrachtet sie nicht als einen Kult-Text des Mithraismus, sondern meint, dass die „Liturgie“ im religiösen Milieu Ägyptens unter starkem Einfluss der hellenistischen Philosophie entstanden sei, die stoische und neuplatonische Ideen enthielt und eine enge Verwandtschaft zum kaiserzeitlichen Hermetismus zeigte.31 Betz lenkt die Aufmerksamkeit auch darauf, dass der Name Mithras im Text nur einmal vorkommt, der Name Helios dagegen mehrmals.32 Richard Gordons Meinung nach gehört der Abschnitt, in dem der Name Helios Mithras genannt wird, zu einem redaktionellen Vorwort, das sich auch in anderen Details vom Duktus des Hauptteils unterscheide.33 Gordon meint, dass der höchste Gott der „Liturgie“ eher mit dem Agathos Daimon zu identifizieren ist, der allein die gesamte Schöpfung zusammenhält.34 Nach Attilio Mastrocinque ist die „Liturgie“ substanziell nicht mithraistisch, enthält aber neben den ägyptischen, jüdischen u.a. auch einige mithraistische Einflüsse.35 Marvin Meyer dagegen meint, dass sich in der „Liturgie“ doch der kaiserzeitliche Kult des Mithras widerspiegelt.36 Auch Manfred Clauss hält die „Liturgie“ für mithraistisch.37 Er datiert der Text in die Zeit um 300 und betrachtet ihn als einen Apathanatismos („Unsterblichmachung“), d.h. als einen Gebetstext, der von einem Mysten am Ende der Einweihungsproben bei der Aufnahme in die Kultgemeinschaft gesprochen worden ist.38 In diesem Fall wären die beiden oben genannten Texte mit der Initiation verbunden.

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Ibid. Betz, The “Mithras Liturgy”, 9. 31 Ibid., 37–38. 32 Ibid., 98. 33 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 995. 34 Ibid., 996. 35 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 308–312. Mastrocinque sagt: „At line 700 the supreme god and father of the sun god wears Persian trousers (ἀναξυρίσι). This is the most important Mithraic feature of this text. The location of Mithras on the heavenly pole is to be compared with Claudianus, De laude Stilichonis I.63: ... volventem sidera Mithram (‘Mithras who makes the stars turn’) and also the fresco of Santa Maria Capua Vetere.“ (ibid., 311). 36 Meyer, „‘The Mithras Liturgy’ as Mystery and Magic“, 447 ff. 37 Clauss, Mithras, 102. 38 Ibid. 30

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1.1.2 Sekundärquellen 1.1.2.1 Nichtchristliche Autoren Als Sekundärquellen zum Mithras-Kult sind die Berichte antiker Autoren zu nennen, die alle Außenseiter waren, d.h. nicht zum Kreis der Kultanhänger gehörten. Als wichtigste griechisch-römische Autoren, die den Gott Mithras oder den römischen Mithras-Kult nennen (oder wenigstens auf diesen Kult hinweisen), sind der griechische Schriftsteller Plutarch (ca. 45 – ca. 125 n.Chr.), der Dichter Statius (ca. 40–96 n.Chr.) und sein Scholiast Lactantius Placidus (wahrscheinlich 6. Jh. n.Chr.), der Neuplatoniker Porphyios (ca. 234–305 n.Chr.) und der Satiriker Lukian aus Samosata (ca. 125 – nach 180 n.Chr) zu nennen. Die Berichte von Porphyrios beruhen wenigstens teilweise auf zwei römischen Autoren, deren Werke nicht erhalten sind – auf Eubulos und Pallas (Kap. 5). Auch das Werk des Platonikers Kelsos, das wir durch Origenes kennen, enthält die vermutlich Hinweise auf den römischen Mithras-Kult. Die genannten Berichte werden im Kap. 5, der Bericht des Plutarch im Kap. 3 referiert und analysiert. 1.1.2.2 Christliche Autoren Unter den christlichen Autoren, die über den Mithras-Kult berichten, sind die wichtigsten der Apologet Justin der Märtyrer (um 100–165 n.Chr.), Tertullian (nach 150 – nach 220 n.Chr.) und Firmicus Maternus (4. Jh. n.Chr.). Der erste behandelt diesen Kult in seiner 1. Apologia und erwähnt die Felsgeburt des Gottes im Dialogus cum Tryphone; der zweite spricht über den Mithras-Kult in seinen Werken Ad nationes, Apologeticum, De corona militis und De praescriptione haereticorum; der letzte berichtet über Mithras in seinem Werk De errore profanarum religionum. Obwohl es in der Polemik der christlichen Autoren mit dem Mithras-Kult in erster Linie um seine Riten (besonders um das Kult-Mahl des Mithras-Kultes) geht,39 bieten sie auch Informationen, die für das Verständnis der Gestalt des Mithras wichtig sind. So berichtet Justin z.B. über Mithras’ Geburt in einer Höhle,40 und Firmicus Maternus sagt, dass die Anhänger des Mithras ihn als einen Sonnengott bezeichnen.41 Angaben aus den Primärquellen unterstützen diese Informationen. Die christlichen Autoren bieten manchmal aber auch von den Primärquellen nicht unterstützte Informationen (wie z.B. der Bericht Tertullians zum Auferstehungsglauben im Mithras-Kult).42 Hier ist wahrscheinlich mit einer Interpretatio Christiana zu rechnen, d.h. der Interpretation der Glaubensvorstellun-

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I apol. 1, 66; Praescr. 40, 3–4. Sie sehen darin eine dämonische Nachäffung des christlichen Abendmahls. S. dazu: Clauss, „Mithras und Christus. Der Streit um das wahre Brot“, 243–249. 40 I apol. 1, 78. 41 De err., 4. 42 Praescr. 40, 3–4. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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gen des Mithraismus durch christliche Glaubensvorstellungen, wobei das Hauptproblem beim „unparteiischen“ Standpunkt dieser Berichte liegt.43 1.2 Einzelne Aspekte des Gottes 1.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta Der Name ist die wichtigste Komponente der Identität eines menschlichen oder eines göttlichen Wesens. Der Name Mithras, dessen andere epigraphisch belegbare Formen Mithra,44 Mitra,45 Mitrha,46 Methra,47 Mytra,48 Mythra49 und Mithta50 sind, taucht in der römischen Religion erstmalig am Ende des 1. Jh. n.Chr. auf.51 Der Name ist nicht lateinisch, aber in der Religion der Römer gibt es viele männliche und weibliche Gottheiten, die Namen tragen, die von anderen Völkern – von den Etruskern, von den Griechen usw. – aufgenommen wurden. Die Annahme einer anfänglich reinen „Religion der Römer“ ist in der Forschung seit langem out of date.52 Der Name „Mithra(s)“ war den Römern durch griechische Autoren bekannt, die ihn in unterschiedlichen Formen (Mithra, Mithras, Mithres) benutzt haben. Die griechische Autoren (Herodot,53 Xenophon,54 Strabo,55 Lukian,56 Plutarch57) wussten, dass Mithra/Mithres eine persische Gottheit war. Den Namen des Gottes kann man unterschiedlich übersetzen (Kap. 4; 9; 10). Obwohl die Etymologie des Namens nicht klar ist, ist seine indoeuropäische bzw. indoiranische Herkunft sicher (Kap. 4; 10).

43 Zur christlichen Polemik gegen den Mithras-Kult s. Clauss, „Mithras und Christus. Der Streit um das wahre Brot“, 243–249. 44 CIMRM, Vol. 1, Nr. 463. 45 CIMRM, Vol. 1, Nr. 516; 563; Vol. 2, Nr. 1805. 46 CIMRM, Vol. 1, Nr. 574; 625. 47 CIMRM, Vol. 1, Nr. 522; 766. 48 CIMRM, Vol. 1, Nr. 149; 566; 841; 863; Vol. 2, Nr. 1151. 49 CIMRM, Vol. 1, Nr. 138C; Vol. 2, Nr. 1338; 1790; 1841; 1917; 1927; 1962. 50 CIMRM, Vol. 1, Nr. 17. 51 Zu ältesten Belegen s. Clauss, Mithras, 31f. 52 Rüpke, Die Religion der Römer, 51 ff.; bes. 62–66. S. auch andere neuere Abhandlungen zur römischen Religion, wie z.B. Rüpke, Von Jupiter zu Christus. Religionsgeschichte in römischer Zeit; Rives, Religion in the Roman Empire; Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. I; North, Price (Hrsg.), The Religious History of the Roman Empire. 53 Hist. I,131. 54 Cyrop. VII 5,43. 55 Geographica XV, 3,13 p. 732 C. 56 Deor. conc. 9. 57 Alexander 30,8.

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In den Inschriften wird Mithras sehr oft mit dem griechischen Sonnengott Helios und dem römischen Sonnengott Sol identifiziert. In den zahlreichen Inschriften wird er als Helios Mithra,58 Helios Mithra ἀνίκητος,59 Sol Mithra,60 Deus Sol Mithra,61 Deus Sol Invictus,62 Sol Invictus Mithra,63 Deus Sol Invictus Mithra64 und als Soli socius bezeichnet.65 Der Name des Gottes Sol, welcher „die Sonne“ bedeutet, ist indoeuropäischer Herkunft und hat Analogien in unterschiedlichen indoeuropäischen Sprachen.66 Nach der römischen Tradition stammt der Kult des Sol aus der Zeit des Königreichs und wurde von König Titus Tatius gegründet.67 In Rom ist sein Kult seit der Periode der Republik nachweisbar.68 Die Quellen unterstützen das Fortbestehen seines Kultes auch in der Kaiserzeit.69 Frühere Forscher haben Sol Indiges als einen genuin römischen Sonnengott vom Sonnengott Sol Invictus als einer fremden, syrischen Gottheit, deren Kult erstmalig Kaiser Elagabal (reg. 218–222

58 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 171; 361; Vol. 2, Nr. 2259; 2260; 2265. Die Namensform „Helios Mithras“ kommt auch in der „Mithrasliturgie“ (Z. 481) vor. S. den Text: 2005. Zu „Helios Mithras“ in der Mithrasliturgie s. auch: Fauth, Helios Megistos, 1–33. 59 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 178; 578; Vol. 2, Nr. 2296; 2235. 60 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 140; 429; 574; 594; Vol. 2, Nr. 1965. 61 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 247; 873; 1541; 1631. 62 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 89; 142; 1916. 63 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 170; 214; 235; 251; 273; 315; 348; 409; 439; 510; 521; 527; 528; 563; 564; 576; 630; 631; 648; 660; 674; 687; 744; Vol. 2, Nr. 1295; 1638; 1711; 1778; 1805; 1841; 1847; 1898; 1917; 1927; 1948; 1950; 1951; 1962; 1993; 2021; 2032; 2047; 2143; 2144; 2161; 2162; 2169; 2177; 2183. 64 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 134; 152; 153; 160; 416; 422; 436; 470; 566; 639; 688; 706; 708; 717; 754; 863; 873; 890; 138D; Vol. 2, Nr. 1015; 1151; 1293; 1417; 1453; 1507; 1524; 1527; 1531; 1532; 1538; 1543; 1585; 1588; 1590; 1592; 1596; 1614, 1615; 1617; 1637; 1698; 1729; 1813; 1814; 1821; 1936; 1937; 2278; 2377. 65 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 730; Vol. 2, Nr. 1207. 66 Vgl. mit dem griechischen Helios, altnordischen Sól, althochdeutschen und altsächsischen Sunna, sanskritischen Surya oder mit litauischen Saulė. S. auch: EIEC, 556. 67 Varro, De Lingua 5, 68 (= Augustinus, De civ. IV, 23). 68 Tacitus, Annales, 15, 74. S. Hijmans, „The Sun which did not rise in the East“, 115– 150; Matern, Helios und Sol: Kulte und Ikonographie des griechischen und römischen Sonnengottes; Wallraff, Christus versus Sol; Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. 69 Sol kommt schon auf den Münzen aus dem 1. und 2. Jahrhundert n.Chr., und auch viele frühere Kaiser werden auf ihren Münzen mit Sonnenstrahlen um den Kopf dargestellt. Diese Tradition begann nach Bergmann mit Kaiser Nero (reg. 54–68 n.Chr.) (Bergmann, Die Strahlen der Herrscher, 121–123), aber eigentlich schon mit Kaiser Caligula (reg. 37– 41 n.Chr.). S. dazu: Clauss, Gott und Kaiser, 93–94. Auch Mastrocinque betont die Beziehungen zwischen Mithras’ Solarität und der römischen imperialen Solarsymbolik (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 72 ff.).

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n.Chr.) und danach Kaiser Aurelian (reg. 270–275 n.Chr.) in Rom als einen offiziellen Kult eingeführt haben,70 unterschieden.71 Diese Unterscheidung ist aber schwach begründet und auch praktisch kaum benutzbar, weil die früheste Inschrift, in der der Name „Sol invictus“ vorkommt, schon aus dem Jahre 158 n.Chr. stammt72 und man nicht beweisen kann, dass der Beiname „invictus“ dem Gott Sol erst von Elagabal gegeben wurde.73 Gaston Halsberghe ist der Ansicht, dass der Kult der Sonne in der römischen Religion früher eine nebensächliche Rolle spielte, ziemlich früh verschwand und erst danach, als Kaiser Elagabal den Kult des Sol Invictus als offiziellen Kult in Rom eingeführt hatte (218 n.Chr.), eine wichtige Rolle zu spielen begann.74 Numismatik und Epigraphik unterstützen aber diese Hypothese nicht, sondern sprechen von einer kontinuierlichen Präsenz dieser Gottheit in der kaiserzeitlichen Religion.75 Wie Wolfgang Fauth76 und Martin Wallraff 77 gezeigt haben, hat der Sonnengott in der kaiserzeitlichen Religion eine hervorragende Stelle gehabt. Die Gestalt von Mithras als einem Sonnengott hat man sicherlich im Kontext des kaiserzeitlichen Sonnenkults und der „Sonnentheologie“ zu betrachten. Der römische Gott Mithras wurde schon in Inschriften, die aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. stammen, mit Sol gleichgesetzt und trug schon damals den Titel ἀνίκητος, Invictus.78 Dieser Titel verbindet ihn mit anderen römischen Gottheiten

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Zu diesem Gott: Altheim, Der unbesiegte Gott; Drijvers, „Die Dea Syria und andere Syrische Gottheiten im Imperium Romanum“, 247–248; Fick, „Emesa, Heliopolis und Hierapolis“, 195–198. 71 So z.B. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 262; 305; Latte, Römische Religionsgeschichte, 231–233; 349–350. 72 CIL VI, 175: Soli invicto deo / ex voto suspecto / accepta missione / honesta ex nume(ro) equi(tum) sing(ularium) Aug(usti) P(ublius) / Aelius Amandus d(e)d(icavit) Terullo et / Sacerdoti co(n)s(ulibus). S. Campbell, The Roman army, 31 BC–AD 337, 43. 73 S. auch Hijmans, „The Sun which did not rise in the East“; Hijmans, Sol: The Sun in the Art and Religions of Rome; Berrens, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193–337 n.Chr.); Matern, Helios und Sol. 74 Halsberghe, The Cult of Sol Invictus. Nach Halsberghe ist es wahrscheinlich, dass der römische Mithras-Kult dazu beigetragen hat. 75 Berrens Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193–337 n.Chr.); Matern, Helios und Sol. 76 Fauth, Helios Megistos. 77 Wallraff, Christus versus Sol. 78 Auf einer Statue des Mithras, der den Stier opfert – sie befindet sich im Britischen Museum in London und stammt aus der Regierungszeit des Trajans (98–117 n.Chr.; zur Datierung s. Merkelbach, Mithras, 148) –, lautet die Inschrift: Alcimus Ti(berii) Cl(audii) Liviani ser(vus) vil(i)c(us) Sol(i) Mi(thrae) d(onum) d(edit) (CIL VI, 718). Mithras wird schon in einer Inschrift aus Carnuntum, die spätestens aus dem Ende der traianischen Zeit stammt (zur Datierung s. Clauss, Mithras, 27), als invictus bezeichnet (CIMRM, Vol. 2, Nr. 1718). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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– mit Jupiter, Hercules, Mars, Apollo, Silvanus.79 Auch Isis trug den Titel Invicta.80 Mit Kaiser Commodus (reg. 180–192 n.Chr.), der sich mit Hercules identifizierte, wurde das Epitheton Invictus zum Teil der Titulatur der römischen Kaiser.81 Mithras teilt auch seine anderen Epitheta mit unterschiedlichen römischen Göttern – er ist sanctus,82 summus,83 insuperabilis,84 aeternus,85 omnipotens86, augustus87 und dominus.88 Auch die zwei letztgenannten Titel verbinden Mithras mit den römischen Kaisern. Diese Verbindung zur kaiserlichen Titulatur, die besonders Manfred Clauss hervorgehoben hat,89 ist sehr wichtig, denn sie spricht für die Hypothese, dass der römische Kaiserkult nicht neue rituelle Elemente gebildet, sondern sie aus dem Götterkult geliehen hat,90 und für Beziehungen von Mithras- und Kaiserkult;91 diese Beziehungen, die auch durch die Pro-salute-Inschriften bestätigt sind (s. 1.1.1), sprengen aber den Rahmen der vorliegenden Studie.92 Neben den vorgenannten hat Mithras auch einige Titel, die ihn von anderen römischen Gottheiten unterscheiden. Er ist soli socius,93 was auf seine engen Beziehungen zum Gott Sol hinweist (s. dazu Abschnitt 7 und 8) und genitor luminis,94 was gleichzeitig sowohl seine enge Verbindung zum Licht als auch seine schöpferische Tätigkeit betont.95 Beide Aspekte der Gottheit werden wir in den nächsten Unterabschnitten untersuchen. 79

Hijmans, Sol: The Sun in the Art and Religions of Rome, 124. Vidman, „Isis und Sarapis“, 125. 81 Clauss, Mithras, 29–30. 82 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 24B; 367; 117; Vol. 2, Nr. 575; 333, 2. 83 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 395 A; Vol. 2, Nr. 516; 206; 515. 84 So z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 376. 85 So z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 1845 86 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 1941; Vol. 2, Nr. 175. 87 So z.B. CIMR, Vol. 941. 88 So z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 333, 2; 767. 89 Clauss Mithras, 29–30. 90 Hitzl, „Praxis, Semantik, Diffusion römischen Herrscherkults“, 49. 91 Clauss, Mithras, 29–32. 92 Die Beziehungen zwischen Mithras- und Kaiserkult hat jüngst auch Attilio Mastrocinque betont (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 63 ff.). 93 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 730; Vol. 2, Nr. 1207. 94 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 1676. 95 Er wird als „Schöpfergott“ schlechthin bezeichnet. S. z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 2007: Io(vi) S(oli) invi(cto) / deo genitori. Auch Porphyrios berichtet, dass Mithras für seine Anhänger „der Schöpfer“ (δημιουργός) war (De antr. 6). Die Vorstellung vom δημιουργός als einem Gott, der die Welt schafft, stammt von Plato (Timaios, 28 A, C, 29 A, 31 A). Merkelbach, Mithras, und Turcan, Mithras Platonicus, vertreten die Meinung, dass die platonische Tradition sehr stark die Entstehung des römischen Mithraismus beeinflusst hat. 80

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1.2.2 Felsgeburt Nach der polytheistischen Gottesanschauung haben die Götter meistens einen Anfang in der Zeit (s. Einleitung). So beginnt auch die „Lebensgeschichte“ des Mithras mit seiner wunderbaren Geburt, die auf den verschiedenen Kultreliefs in unterschiedlicher Weise dargestellt wird. Auf den Reliefs vor allem in den germanischen und donauländischen Provinzen, aber auch in Italien, wird sie als eine Nebendarstellung neben der Stiertötung präsentiert.96 Oft wird die Geburt des Mithras unabhängig von der Stiertötungsszene als ein Relief dargestellt (Abb. 1– 2). Es gibt Denkmäler, die Mithras’ Geburt als Geburt aus einem Baum darstellen97; und ein Relief aus Britannien (Housesteads Fort, Northumberland) stellt seine Geburt aus dem Ei dar;98 aber häufiger gibt es Darstellungen zur Felsgeburt des Gottes.99 Unabhängig davon, ob die Felsgeburt Mithras’ als eine Nebendarstellung der Stiertötungsszene oder als ein selbstständiges Relief gestaltet wurde, folgt sie einem kanonischen Hauptschema. Mithras wird meist als ein Knabe und nur sehr selten als ein kleines Kind dargestellt.100 Er ist völlig nackt bis häufig auf die phrygische Mütze,101 die er auch in seinem späteren Leben trägt; aber die Mütze ist nicht obligatorisch und kann auch fehlen.102 Der junge Gott wächst aus einem 96

Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 224. S. z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 337 – Mon. 1283. So z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 1083; 1283; 1292. S. dazu: Saxl, Mithras, 75; Merkelbach, Mithras, 99–100. Es gibt auch Darstellungen, die unterschiedliche Interpretationen ermöglichen; z.B. Fig. 280 – Mon. 1088: Fels oder Zapfen? 98 CIMRM, Vol. 1, Fig. 226 – Mon. 860. Godwin weist darauf hin, dass Mithras „springs fully-armed from the broken halves of the cosmic egg, like Phanes Protogonus, the firstborn god of light in the Orphic theogony“ und interpretiert diese Relief wie folgt: „The world-egg represents the entirety, in potentia, of one cosmic cycle, and its sundering symbolizes the polarity of positive and negative forces without which no world could unfold in time and space. Mithras ist both the personified creator who breaks the egg, and the mediator between the oposites who eventually heals the rift and reconciles the warring factions. He is born in the sign of Capricorn, i.e. at the winter solstice: the light of the world enters on the darkest day of the year“ (Godwin, Mystery Religions in the Ancient World, 100). 99 Nach den Angaben von Manfred Clauss ist die Felsgeburt das neben der Stiertötung am häufigsten dargestellte Ereignis auf den mithraistischen Denkmälern (Clauss, Mithras, 66). 100 Heyner lenkt die Aufmerksamkeit (mit Hinweis auf Gordon, „A New Mithraic Relief in the Israel Museum, Jerusalem“, 53–63) darauf, dass hier nur zwei Sonderfälle vorhanden sind – ein Relief aus Trier und ein Relief aus Syrien (Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 225). 101 S. z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 100 – Mon. 353; Fig. 435 – Mon. 1687; Fig. 480 – Mon. 1865; Fig. 504 – Mon. 1930; Fig. 579 – Mon. 2134; Fig. 596 – Mon. 2184 102 So beispielsweise das Felsgeburt-Relief aus Köln (Abb. 1) (= Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland, 17 (Nr. 11 a und Tafel 3), oder auch CIMRM, Vol. 1, Fig. 286 – Mon. 1111, oder auch CIMRM, Vol. 2, Fig, 69 – Mon. 97

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Felsen heraus, dessen Form variieren kann. Manchmal wird der Fels auch ohne Gott dargestellt103 – als Hinweis auf seine Felsgeburt. Es ist „der gebärende Stein“ (petra genetrix), der auch in Inschriften genannt wird. Dieser Fels ist oft von einer Schlange umwunden.104 Der Oberkörper des Gottes ist meistens schon sichtbar. Manchmal werden bei seiner Geburt Menschen dargestellt, die die phrygische Mütze tragen und Mithras aus dem Felsen zu kommen helfen.105 Die Helfer bei seiner Geburt werden manchmal als Hirten gedeutet,106 doch fehlt für eine solche Gleichsetzung jeder Grund. In der Mehrzahl der Fälle sind indes nur zwei Fackelträger bei ihm, seine späteren Gefolgsmänner Cautes und Cautopates, die ebenfalls die phrygische Mütze tragen und mit unverhohlenem Staunen das Ereignis verfolgen.107 Auf dem Fresco im Mithraeum Barberini108 und auf den Reliefs aus Nersae109 und Apulum110 begrüßen sie nach Ansicht von Merkelbach den jungen Gott mit an den Mund gelegter Hand und werfen ihm so wohl eine Kusshand zu.111 Auf einem Relief in Pettau (Poetovio) schalten sie sich helfend ein.112 Sie haben Mithras bei den Armen gefasst und heben ihn vorsichtig aus dem Stein.113 Charakteristisch für die Geburtsreliefs sind die Attribute, die Mithras in seinen Händen hält. Er trägt in einer Hand etwas wie ein Messer, Dolch oder Schwert und in der anderen Hand eine Fackel (Abb. 1)114 oder auch eine Garbe (Abb. 2).115 Manchmal trägt Mithras die Weltkugel in der Hand (so in Trier)116 oder er hält in

230. 103 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 227 – Mon. 879. 104 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 227 – Mon. 879; Fig. 321 – Mon. 1240; Fig. 379 – Mon. 1492; Fig. 435 – Mon. 1687; Fig. 504 – Mon. 1930; Fig. 521 – Mon. 1991; Fig. 596 – Mon. 2184 105 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 408 – Mon. 1593. 106 Vermaseren, Mithras, 61; Merkelbach, Mithras, 97. 107 Vermaseren, Mithras, 61. 108 CIMRM, Vol. 1, Nr. 390. 109 CIMRM, Vol. 1, Nr. 650. 110 CIMRM, Vol. 2, Nr. 2000. 111 Merkelbach 1994: 98. 112 CIMRM, Vol. 1, Fig. 408 – Mon. 1593. 113 Vermaseren, Mithras, 61. Merkelbach meint, dass auch diese beiden Figuren die Hirten darstellen (Merkelbach, Mithras, 97). Clauss ist skeptisch gegenüber der ganzen „Hirtenkonzeption“ (Clauss, Mithras, 70), und m.E. mit Recht, weil nichts auf diesen Darstellungen konkret auf die Hirten hinweist. Die Hirten-Interpretation geht auf Cumont zurück (Cumont, Die Mysterien des Mithra, 119). 114 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 100–Mon. 353. 115 Z.B. Felsgeburt-Relief aus Köln (Abb. 1) (= Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland, 17 (Nr. 11 a und Tafel 3). 116 CIMRM, Vol. 1, Fig. 337 – Mon. 1283 (Nebendarstellung auf der linken Seite, Bild zwei von oben nach unten). Auch der erwachsene Mithras wird manchmal mit dem Erdball in der Hand dargestellt (so z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 338 – Mon. 1289). Mastrocinque © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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seinen Händen den Zodiakus;117 manchmal fehlen ihm aber jegliche Attribute.118 Mithras’ Felsgeburt ist ein Ereignis, das sowohl epigraphisch119 als auch literarisch120 bestätigt ist. Bei den Interpretationen der Attribute, die Mithras in seiner Geburtsszene trägt, gehen die Meinungen der Forscher nur wenig auseinander – im Unterschied zu den in Abschnitt 4 betrachteten Stiertötungsdarstellungen. Doch kann man das Ereignis selbst, d.h. die Geburt aus dem Felsen, unterschiedlich interpretieren. Meistens wird sie als eine Geburt aus dem Himmelsfirmament interpretiert:121 Mithra ist die Sonne oder das Sonnenlicht und kommt am Morgen aus dem Himmelsgewölbe heraus. Doch gibt es eine alternative Interpretation, die dem Autor des vorliegenden Buches wahrscheinlicher als die erstgenannte erscheint. Ähnlich wie bei John Ferguson122 heißt es bei Schwertheim: „Offenbar symbolisiert der Felsen hier nicht totes Gestein, aus dem der Gott häufig [...] geboren wird, sondern es ist die Spitze eines Berges gemeint, auf dem Mithras den Menschen zum ersten Mal erscheint.“123 Diese Hypothese scheint m.E. durch die Schlange, die um den Felsen gewunden ist, bestätigt, weil sie in der antiken Ikonographie ein Tier war, das mit der Erde in engem Zusammenhang stand (s. 1.5). Auch wird auf einem Fresco aus Dura Europos, das die Geburt des Mithras darstellt, der Fels als Berg gemalt.124 Fritz Saxl lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass auf dem Relief, das die Geburt des Mithras darstellt, das Bild der Geburt neben das des Sonnengottes gesetzt ist. Das ist Saxls Meinung nach der Umstand, dass der Typus der Darstellung von dem

sieht auch hier eine Parallele zur römischen imperialen Ikonographie: „Augustus was often represented as a ruler of the cosmos. Between 32 and 29 BCE an Augustan denarius showed Victoria and, on the reverse, either Neptunus or Octavian himself holding an aplustre and posing his foot on the cosmic globe. The inscription says Caesar divi f(ilius), and evidently distinctions between Neptunus and Octavian were left ambiguous. A relief in Ravenna shows the deified Augustus holding his foot on the cosmic globe, as well. After Augustus, the Roman emperors were usually represented as rulers of the cosmic sphere“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 67). 117 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 226 – Mon. 860; Fig. 237 – Mon. 985; auf einigen Stiertötungsreliefs kann der Zodiacus Rahmen um diese Darstellung sein (so z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 218 – Mon. 810; Fig. 375 – Mon. 1472). 118 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 286 – Mon. 1111. 119 Z.B. CIMRM, Vol. 2, Nr. 1223; 1652: p(etrae) g(enetrici); 2007. 120 Justinus, Dialogus cum Tryphone 70; Firmicus Maternus, De err. 20; Commodian. I, 13: Invictus dei petra natus; s. auch Lydus, De Mensib. IV, 30. 121 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 118–119; Vermaseren, Mithras, 60; Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 103; Merkelbach, Mithras, 97; Clauss, Mithras, 67. 122 Ferguson erklärt: „Mithras was born from a rock; the representations of this suggest the sun rising behind mountains“ (Ferguson, The Religions of the Roman Empire, 47). 123 Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 30. 124 CIMRM, Vol. 1, Nr. 42, 5. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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des Šamaš abgeleitet ist, der am Morgen über die Berge emporsteigt.125 Auch Bivar hat hier eine Parallele zur mesopotamischen Mythologie gesehen.126 In der babylonischen Mythologie gibt es einen mythischen Berg (Mašu). Šamaš trat jeden Tag aus diesem Berg heraus und bestieg den Himmel. Am Abend trat er wieder in die Erde ein und durchquerte sie bis zum nächsten Morgen.127 Man kann daran erinnern, dass auch nach der ägyptischen Mythologie die Sonne in der Nacht unter der Erde (= Unterwelt) ist.128 Mircea Eliade macht darauf aufmerksam, dass die Vorstellung einer Felsgeburt von Kleinasien bis China verbreitet war.129 Nach den Angaben von A. von Löwis of Menar war die Vorstellung der Steingeburt besonders in Nordkaukasien populär.130 Aber Parallelen zur Felsgeburt des Mithras kann man auch in seiner unmittelbaren Umgebung, in der griechischen Mythologie, finden. Dort ist die Erde immer ein feminines Prinzip („Mutter“), das die Lebewesen gebar. Aber auch die Vorstellung von einem gebärenden Felsen ist belegt. So erzählt Arnobius (gest. ca. 330 n.Chr.)131 in seiner Geburtsgeschichte des Attis, dass der Gott Papas (die phrygische Analogie zu Zeus) einen Felsen, dessen Name Agdos war, zu vergewaltigen versuchte. Sein Same fiel auf den Felsen und aus dem Felsen wurde ein androgynes Wesen, Agdistis, geboren. So ist die Vorstellung von einer Geburt aus dem Felsen in der kaiserzeitlichen Antike auch außerhalb des Mithras-Kultes belegbar. Die Fackel in der Hand von Mithras weist darauf hin, dass er als Bringer der Sonne zu ehren sei. Das Messer oder das Schwert kündigt dagegen seine wichtige Tat in der Zukunft an – die Stiertötung.132 Die Garbe wird als Sinnbild des erwachenden Lebens interpretiert133 und die Schlange als allgemeines Symbol der Geburt gedeutet.134 Wie schon gesagt, kann man sie gleichzeitig als ein Symbol, das auf die Mithras-Geburt aus der Erde hinweist, interpretieren.

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Saxl, Mithras, 73. Bivar, „Mithra and Mesopotamia“, 275–289. 127 Zum Berg Maschu: Gilgamesch IX, 37 und den Kommentar von Amar Annus dazu (Gilgameši eepos, 233); s. auch den Kommentar von Andrew George, The Epic of Gilgamesh, 669, und Gwendolyn Leick, A Dictionary of Ancient Near Eastern Mythology, 74. 128 Bonnet, Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, 589–590. 129 Eliade, Uurimus usundiloost, 284. 130 Von Löwis of Menar, „Nordkaukasische Steingeburtsagen“, 509–524. 131 Adv. Nat. V, 5 ff. 132 Vermaseren, Mithras, 60; Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 225; Clauss, Mithras, 66. 133 Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 30. 134 „Die Tiergestalt der Schlange hinter sich lassend, die alte Schlangenhaut abstreifend wird Mithras aus dem Felsen geboren“ (Merkelbach, Mithras, 97). Merkelbachs Ansicht, dass die Schlange das Symbol des zweiten Weihegrades war (ibid., 96–97), ist dagegen unbegründet. 126

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Die Weltkugel in der Hand des Mithras weist auf ihn als den Weltherrscher,135 und der Zodiakus symbolisiert seine Herrschaft über die Zeit.136 Manchmal wird Mithras als Atlas dargestellt, der das Himmelsgewölbe trägt.137 Auch diese Darstellungen symbolisieren Mithras’ Zuständigkeit für die Weltordnung.138 1.2.3 Wasserwunder Auf manchen Reliefs, die Mithras’ Geburt darstellen, werden neben dem aus dem Fels auftauchenden Gott Bogen und Pfeile dargestellt – so z.B. auf einer StatuenGruppe aus Rom.139 Diese Symbole weisen auf Mithras’ nächste Macht-Tat hin – auf sein Wasserwunder. Das Wasserwunder wird meistens nicht separat auf einem Relief dargestellt, sondern als eine Nebendarstellung neben der Stiertötungsszene, und als solche kommt es vorwiegend im Rhein- und Donaugebiet vor.140 Diese Darstellungen zeigen Mithras stehend oder auf einem Steinblock sitzend, vor ihm kniende Figuren.141 Manchmal wird Mithras selbst auf einem Knie dargestellt.142 Die knienden Figuren tragen meist dieselben Kleider wie der Gott selbst. Dabei schießt Mithras mit dem Bogen einen Pfeil auf den Felsen oder manchmal auch auf den Himmel, aus dem danach das Wasser heraussprudelt. Auch in Inschriften kann man Anspielungen auf das Wasserwunder finden. So kann man auf einem Altar aus Ptuj 135 Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 30–31. Mithras’ Titel kosmokrator ist auch epigraphisch bestätigt (CIMRM, 1. Vol. 463, 1). Das Begriff kosmokratores stammt aus der Astrologie und aus der hellenistischen Astralreligion, bezeichnete anfänglich die sieben Planeten als die Herrscher des Kosmos und kommt auch im Neuen Testament (Eph 6,12) vor. S. dazu: Schenke, „Die Gnosis“, 380; Dodds, Paganad ja kristlased ängistuse ajastul, 25. Mastrocinque sieht auch hier die Parallele zur römischen imperialen Ikonographie: „Both the divinized Emperor and Mithras were described as ones who moved the zodiac. Hadrian struck coins and medals representing a divinized Emperor, probably Trajan, within the zodiac, moving it with his hand. Commodus struck medallions which showed the emperor moving the zodiac; a marble bust of this emperor represents him on the cosmic globe; a medallion of Severus Alexander also shows him with his mother Julia Mamaea, in the attitude of one who moves the zodiac, while the four Seasons pass through, in turn. Similarly, other emperors are represented as the masters of zodiac, namely Gordianus III, Tacitus, Philippus Arabus, and Constantine the Great“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 65–66). 136 Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 103, 137 So auf einem Relief aus Neuenheim und in einem Fresko im Mithräum des Palazzo Barberini (Rom). 138 Turcan, The Cults of the Roman Empire, 223. 139 CIMRM, Vol. 1, Nr. 590. 140 Vermaseren, Mithras, 68; Clauss, Mithras, 72. Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 274 – Mon. 1083; Fig. 337 – Mon. 1283: Eine Ausnahme ist ein Altar aus Ptuj, in dem eine Darstellung zum Wasserwunder ist (CIMRM, Vol. 2, Nr. 1533). 141 CIMRM, Vol. 1, Fig. 345 – Mon. 1301; Fig. 320 – Mon. 1225. 142 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 337 – Mon. 1283 (fünfte Szene von oben).

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(Poetovio) die Inschrift finden: fonti perenni (Abb. 3).143 In einem Grafitto im Mithräum von Santa Prisca steht der Text: Fons concluse petris, geminos qui aluisti nectare fratres.144 Wie viele andere Darstellungen auf mithraistischen Denkmälern wurde auch die Darstellung von Mithras’ Wasserwunder häufig überinterpretiert. So erklärt z.B. Cumont: „Inzwischen war das erste Menschenpaar ins Dasein gerufen, und Mithra wurde damit beauftragt, dieses bevorzugte Geschlecht zu bewachen. Vergeblich erweckte der Geist der Finsternis allerhand Plagen, um es zu vernichten; der Gott wusste seine verderblichen Pläne immer wieder zu vereiteln. Zuerst verwüstete Ahriman die Felder, indem er ihnen eine anhaltende Dürre sandte, und ihre Bewohner riefen, von Durst gequält, seinen stets siegreichen Gegner um Hilfe an. Der göttliche Bogenschütze schnellte seine Pfeile gegen einen schroffen Felsen; da entsprang ihm eine Quelle lebendigen Wassers, und die Flehenden kamen, um an ihr den lechzenden Gaumen zu erfrischen.“145 Auch die Beschreibung dieses Ereignisses bei Merkelbach ist ziemlich dramatisch und detailliert. Er weiß u.a. zu erzählen, dass die vor Mithras knienden Figuren Hirten sind.146 Aber wie auf den Darstellungen der Felsgeburt, gibt es auch hier nichts, das diese Figuren als „Hirten“ identifizieren ließe. „Die Zwillinge“, die in dem Grafitto genannt werden, sind sicherlich die Dadophoren Cautes und Cautopates.147 Vermaseren lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass manchmal der Felsen einer Wolke ähnelt,148 und fast alle Forscher interpretieren den Felsen als Himmelsgewölbe.149 Da hier jegliche Anspielung auf die Erde fehlt, kann man im Vergleich mit der Schlange bei der Felsgeburt dieser Interpretation nur zustimmen. Die Bedeutung dieser Szene kann man aber zweierfach interpretieren: wortwörtlich gemeint wird hier Mithras als Wasserspender und damit als der Spender der Fruchtbarkeit dargestellt, aber die Gleichsetzung des Wassers mit Nektar erlaubt auch die Interpretation, nach der Mithras der Spender der Unsterblichkeit sei. Da

143

CIMRM, Vol. 2, Nr. 1533. Vermaseren, van Essen, The Excavations in the Mithraeum of the Church of S. Prisca on the Aventine, 193; „Du im Fels eingeschlossener Brunnen, der du die Zwillingsbrüder mit Nektar ernährt hast“ (Übersetzung von Gordon, „Mithras (Mithraskult)“). Vgl. mit der Übersetzung von Reinhold Merkelbach, Mithras, 113. 145 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 123–124. 146 Merkelbach, Mithras, 112. 147 So auch Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 103, und Clauss, Mithras, 73. 148 Vermaseren, Mithras, 69. 149 Ibid.; Merkelbach, Mithras, 113. 144

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wir sonst zum Unsterblichkeitsglauben im Mithraismus nur christliche und neuplatonische Quellen haben, wäre das als Anspielung auf Jenseitshoffnungen der Mithras-Gläubigen von großem Wert. Der Mangel an Originalquellen zum Unsterblichkeitsglauben des Mithras-Kultes ist kein Grund zur Annahme, dass der Mithras-Kult nur auf das Diesseits orientiert war, wie Walter Burkert meinte.150 1.2.4 Stiertötung Auf vielen mithräischen Denkmälern wird ein Kampf zwischen Mithras und dem Stier dargestellt, der meistens als „Stierjagd“ bezeichnet wird.151 Ende und Höhepunkt dieses Kampfes ist die Stiertötung, die die wichtigste Tat des Gottes Mithras darstellt und die sowohl auf den Reliefs als auch auf den Gemälden und in vollplastischen Skulpturen präsentiert wird (Abb. 4–18 und 22–23). Die Stiertötung (Tauroktonie), die am häufigsten dargestellte Episode der Lebensgeschichte des Gottes, weist verschiedene Variationen und Sonderformen auf. Während jede Typologisierung der Stiertötungsdarstellungen kompliziert und schwer zu begründen ist,152 zeigen die Darstellungen dieser Szene viele gemeinsame Hauptzüge. Meistens wird Mithras mit langer Hose (anaxyrides), wehendem Mantel und phrygischer Mütze dargestellt.153 Diese Kleidung verkörperte in der Vorstellungswelt der Römer einen „Orientalen“ (Abb. 19–20). Dasselbe Stereotyp wurde auf die mythologischen Gestalten Orpheus, Attis (Abb. 21), Ganymed und Paris angewandt, die nach römischer Auffassung ebenfalls aus dem Osten stammten.154 Mithras’ Mütze und Jacke sind rot,155 ebenso die Außenseite seines Mantels.156

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Burkert, Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt, 32–33. Clauss, Mithras, 75–78.Vgl. auch Cumont, Die Mysterien des Mithra, 20–22; Vermaseren, Mithras, 63–68. 152 So auch Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219, und Clauss, Mithras, 78–79. Die berühmtesten Klassifikationsversuche haben Saxl, Mithra, Campbell, Mithraic iconography and ideology, und Vollkommer „Mithras Tauroctonus, 265–281, ders., „Mithras“, 583–626) vorgenommen. 153 Allerdings gibt es durchaus auch Abweichungen von diesem Stereotyp. So wird z.B. Mithras im ostiensischen Mithräum Terme di Mitra ohne Mütze und in griechischer Kleidung abgebildet (CIMRM, Vol. 2, Fig. 69 – Mon. 230). Richard Gordon meint, dass es sich hierbei um eine von einem bekannten griechischen Bildhauer hergestellte Statue handelt, die später in einen Stiertötenden Mithras umgewandelt wurde – Mithras als griechischer Kulturheros (Gordon, „Glücklich ist dieser Ort …“, 215). Auch bei einem Relief in Cluj kniet Mithras ohne phrygische Mütze mit beiden Beinen auf dem Stier (CIMRM 2025; Abb.: Vollkommer, „Mithras Tauroctonus“, 280, Abb. 10). 154 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 221. Zur phrygischen Mütze s. auch Hensen, Mithras, 25. 155 So z.B. in Capua (Vermaseren 1971: Taf. III). 156 Ibid. 151

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Die Innenseite ist blau157 oder feurig rot158 und darauf wurden mehrfach sieben Sterne dargestellt,159 sicherlich die sieben Planeten.160 Folglich ist Mithras’ Mantel das Symbol des Himmels.161 Das Gesicht des Mithras kann Spuren von Vergoldung zeigen (so z.B. auf einem Relief aus dem Mithräum der Castra Perigrinorum (Rom).162 Manchmal trägt Mithras einen Sonnenkranz um den Kopf.163 Die beiden letztgenannten Merkmale betonen die Solarität des Gottes. Die Stiertötungsdarstellungen zeigen uns, wie Mithras den Stier zu Boden zwingt. Er kniet mit dem linken Bein auf dem Rücken oder auf der Flanke des Stiers, ergreift mit seiner linken Hand die Nüstern des Tieres, reißt ihm den Kopf hoch und erhebt mit der rechten Hand den Dolch, um den Stier zu töten. Das Gesicht des Gottes ist meistens vom sterbenden Tier abgewandt. Unter der Wunde am Hals des Stieres sind Weintrauben oder Ähren dargestellt164 und manchmal läuft sein Schwanz in eine Ähre oder ein Bündel von Ähren aus (Abb. 6 und 23).165 Auf einem Relief aus Rom verwandelt sich das Blut, welches aus der Wunde fließt, in Ähren.166 Neben und unter dem Stier werden verschiedene andere Tiere dargestellt: der Hund versucht das aus der Stichwunde austretende Blut aufzulecken, und der Skorpion greift in die Geschlechtsteile des Stieres. Am Boden kriecht die Schlange, die wahrscheinlich auch das Blut des Stieres trinken will. Manchmal befinden sich unter dem Bauch des Stieres auch ein Löwe und ein Krater.167 Der Ort des Geschehens ist eine Höhle oder liegt unter der Wölbung einer Grotte. Bei der Stiertötungsszene sind auch andere Nebenfiguren wichtig. So stehen rechts und links vom Stier Mithras’ Gefolgsmänner Cautes und Cautopates, die dieselbe Bekleidung wie Mithras tragen (Abb. 5, 7, 14, 15, 23). Oberhalb der Szene werden in der rechten und linken Ecke des Kultreliefs die Büsten von Sol und Luna dargestellt. Manchmal, wie auf einem Relief aus Bologna, werden am Rande der Grotte, in der die Stiertötung stattfindet, auch andere Planetengötter dargestellt.168 Diese kann man auch nur symbolisch andeuten durch sieben 157

So in Capua (CIMRM, Vol. 1, Nr. 181) und in Marino (Vermaseren, Mithriaca III, Tafeln III und IV). 158 So im Mithraeum Barberini (CIMRM, Vol. 1, Nr. 390). 159 So z.B. in Capua (Vermaseren, Mithriaca I, Taf. III). 160 Merkelbach, Mithras, 199. Clauss weist darauf hin, dass die Zahl Sieben überhaupt im Mithras-Kult eine erhebliche Rolle spielt (Clauss, Mithras, 83). 161 Merkelbach, Mithras, 200; Clauss, Mithras, 83. 162 So in Rom, im Mithräum unter S. Stefano Rotondo (Castra Peregrinorum); Rom, Museo Nazionale Romano, Terme di Diocleziano, Inv. 205837; hier: Abb. 8 und 22. 163 So z.B. auf einem Relief in Bad Deutsch-Altenburg (ehem. Carnuntum); s. Vermaseren, Mithras, 47, Abb. 9. 164 S. z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 168 – Mon. 593. 165 S. z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 184 – Mon. 657. 166 CIMRM, Vol. 1, Nr. 593. 167 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 340 – Mon. 1292; Fig. 505 – Mon. 1935. 168 Vermaseren, Mithras, 53. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Altäre und sieben Dolche in wechselnder Anordnung wie in Samizegetusa (Rumänien).169 In der Forschungsgeschichte des Kultes wurde die Stiertötungsszene kontrovers erklärt und wird auch heute unterschiedlich interpretiert. Das betrifft sowohl die Szene als Ganzes als auch ihre Details. Da das Thema der vorliegenden Studie nicht die Forschungsgeschichte des römischen Mithras-Kultes, sondern die Gemeinsamkeiten des römischen Mithras mit dem hellenistischen Mithra, iranischen Mithra und indischen Mitra sind, seien nur einige Beispiele dazu gegeben. Man kann die Interpretationen der Darstellungen der Stiertötungsszenen in zwei Gruppen teilen, die man als religionsgeschichtliche und als astronomischastrologische Interpretationen bezeichnen kann. Die Vertreter der religionsgeschichtlichen Interpretation (z.B. Franz Cumont,170 Alfred Loisy,171 Maarten J. Vermaseren,172 Richard Gordon,173 Manfred Clauss,174 Reinhold Merkelbach,175 Robert Turcan176 und Romy Heyner177) verstehen Mithras’ Stiertötung als ein Opfer, das zur Schöpfung der Welt oder zur Erneuerung des Kosmos und des Menschen wichtig war und das gleichzeitig zur Erschaffung der Kulturpflanzen diente. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu betonen, dass die Vorstellung, nach der die Welt aus dem Körper eines getötetes Urwesens entstanden sei, in unterschiedlichen Kulturen bekannt war (Tiamat in Mesopotamien; Puruša in Indien; Ymir in der skandinavischen Mythologie).178 Nach der astronomisch-astrologischen Interpretation (deren Vertreter z.B. David Ulansey,179 Roger Beck,180 Michael Speidel,181 Hugh Bowden,182 Bruno Jacobs183 und Luther H. Martin184 sind) stellt die Stiertötungsszene eine astrologische Konstellation dar (Speidel) oder sie ist eine Himmelskarte (Beck, Martin) oder sie ist der mythologische Ausdruck der Präzession (Ulansey). Manchmal sind beide Interpretationsweisen bei einem Autor kombiniert.185 Da alle astronomisch-astrologischen Interpretationen nach der 169

Ibid. Cumont, Die Mysterien des Mithra, 123. 171 Loisy, Les mystères païens et le mystère chrétien, 184–196. 172 Vermaseren, Mithras, 54–56. 173 Gordon, „Mithras“, 289; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 976. 174 Clauss, Mithras, 78–88. 175 Merkelbach, Mithras, 193–227. 176 Turcan, The Cults of the Roman Empire, 224; 228–229. 177 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 229. 178 Merkelbach, Mithras, 193–196. 179 Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults. 180 Beck, The Religion of the Mithras Cult in the Roman Empire, bes. 190–227. 181 Speidel, Mithras-Orion. Greek Hero and Roman Army God. 182 Mystery Cults of the Ancient World, 187. 183 Jacobs, Die Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien. 184 Martin, „Reflections on the Mithraic Tauroctony as Cult Scene“, 217–224. 185 So z.B. bei Merkelbach (z.B. Mithras, 215–221) und bei Beard, North, Price (Religions 170

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Meinung des Autors des vorliegenden Buches spekulativ und schwer zu begründen sind,186 lässt er sie außer Acht und betrachtet nur die religionsgeschichtlichen Interpretationen. Der Kampf zwischen Held und Tier ist ein Thema, das in der Mythologie der Antike eine wichtige Rolle gespielt hat. Es seien hier nur Herakles und Theseus genannt. Der erste erlegte den Nemeischen Löwen und fing sowohl den Kretischen Stier als auch den Erymanthischen Eber ein; der zweite fing den Marathonischen Stier ein, führte ihn nach Athen und opferte ihn dem delphischen Apollon. Der Sieg über den Stier demonstriert die Stärke des Gottes, der mit Recht den Beinamen Invictus trägt. Das direkte Vorbild für die Stiertötungsdarstellungen ist sicherlich eine Statue der Siegesgöttin Nike gewesen, die einen Stier opfert.187

of Rome. Vol. I: 285–286). Auch Clauss vertritt die Ansicht, dass Mithras die Sonne und der Stier der Mond sei (Mithras, 80–82). Diese Interpretation kommt schon bei Lactantius Placidus vor (4. Kap.). Auch Vollkommer lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass Mithras den Kopf des Stieres so nach hinten reißt, dass der Tierkörper mit dem Kopf die Form der Mondsichel annimmt („Mithras Tauroctonus“, 268). Godwin meint, dass die Stiertötungsszene gleichzeitig sechs unterschiedliche Bedeutungen gehabt hat und fasst sie wie folgt zusammen: „The myth can be interpreted on several levels. Terrestrially it represents the sun’s gift of fertility to corps and creatures: the pouring of vitality into the ground or into the womb from which new life can arise. [...] Psychologically it is the sacrifice or sublimation of the sexual powers, of which the bull is an obvious symbol, in the interests of higher development, as practiced by monks and yogis. Astronomically it marks the end of the Taurean Age of mankind (fourth-third millennia BC) which the Persian myths belong. Theologically it is the action of one of the lower gods, like Jehovah or Jupiter, who ‘slay’ the archetypal Ideas to create the physical matter without which our world could not exist [...] Physically it is the transmutation of matter into energy, taking place between the positive and negative potencies. Metaphysically it is the encounter between the infinite cosmic substance (Taurus) and the binding cosmic idea (Gemini)“ (Godwin, Mystery Religions in the Ancient World, 105). 186 S. auch die Kritik von Vermaseren (Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 104). Das bedeutet keineswegs, dass die Astrologie im Mithraismus unwichtig gewesen ist. Umgekehrt – alle Quellen sprechen dafür, dass die Astrologie im Mithras-Kult eine sehr wichtige Rolle spielte (das hat schon Cumont angemerkt; Cumont, Die Mysterien des Mithra, 107 ff.), aber die konkreten Erklärungen, die man für die Einzelsymbole und für die Stiertötungsszene als Ganzes geboten hat, stehen auf unsicherem Boden und bleiben hypothetisch und spekulativ. 187 Vermaseren lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass in Rom die Siegesgöttin Victoria auf dem Palatin verehrt und als Stiertöterin dargestellt wurde – wie ihre griechische Vorläuferin Nike auf dem Fries ihres Tempels auf der Akropolis von Pergamon (Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 98). Dass die stiertötende Nike für die Stiertötungsdarstellungen Vorbild gewesen ist, betont schon Cumont (Cumont, Die Mysterien des Mithra, 200– 201). Vgl. auch: Saxl, Mithra; Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 222; Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult”, 18; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 229; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 976. Für Schwertheim ist die Tatsache, dass die © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Dass die Stiertötung als ein Opfer gemeint war, wird durch manche ikonographischen Details bestätigt. So ist auf einigen Reliefs eine Opferbinde um den Körper des Stieres abgebildet.188 Manche Reliefs stellen den Ort des Ereignisses als Tempel dar (so z.B. in Jajce in Bosnien und Herzegowina189) oder der Stier wird einfach in einem Tempel liegend dargestellt (so z.B. auf dem Kultrelief von Dieburg190). Das steht nicht mit der normalen Praxis der griechisch-römischen Religion in Einklang, doch hebt es die Sakralität des Ereignisses hervor. Romy Heyner meint, dass auch die weiße Farbe des Stieres (so in Mithräen in Santa Maria Capua

Gestalt der stiertötenden Nike von einem griechischen Bildhauer aus der Schule von Pergamon im 2. Jh. v.Chr. geschaffen wurde, ein Indiz für möglichen Ursprung des MithrasKultes aus Kleinasien (Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 18). 188 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 195 – Mon. 693; Fig. 526 – Mon. 2006. S. auch Abb. 23. Auch Adrych u.a. sehen in der Stiertötung ein Opfer (Adrych, Bracey, Dalglish, Lenk, Wood, Images of Mithra, 32–33). Sie haben aber sicherlich recht, wenn sie meinen, dass die Stiertötungsszene nicht eine, sondern gleichzeitig verschiedene Bedeutungen gehabt hat (ibid., 37), darunter auch die astronomische, wie z.B. der Sieg der Sonne über den Mond (ibid., 37–38; das ist „a symbol of the cosmic victory of the sun over the moon“ (ibid., 38); für diese Bedeutung ist auch Clauss (Mithras, 81). Adrych u.a. betonen besonders, dass „the sacrifice (of the bull – J.L.) is connected to a renewal of the fertility and life“ (Adrych u.a., Images of Mithra, 57). Gegen die Idee vom Opfer ist Mastrocinque, der eine neue Interpretation vorschlägt: „From the time of Augustus onward images of Victory killing the bull were exceedingly popular, and occurred even on lamps and many terracotta slabs (‘lastre Campana’) which decorated the roofs of porticos and other temple-annexes of the Augustan Age. Under Trajan, images of Victory killing the bull were again exceedingly popular, as one can see on the Trajan arc at Benevento and on the reliefs from the Trajanic Forum, now in the Glyptothek at Munich. That could only mean that most people were able to recognize what the tauroctony stood for. On both Imperial triumphs and Mithraic tauroctonies, the bull is often decorated with a sacrificial ribbon, and this is proof that Mithras was not sacrificing a divine animal, at the origin of the world, but was celebrating the victory of a Roman Emperor“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 149–150). Mastrocinque weiß auch, wer der Stier ist: „In Augustan ideology the bull had a precise meaning: it represented the enemy; (ibid., 152) The bull represents the enemy of Mithras and of the Romans (ibid., 156)“. Diese Erklärung der Tauroktonie-Szene ist aber nach Ansicht des Autors des vorliegenden Buches zu phantasievoll und zu schwach begründet, um darüber zu diskutieren. Dasselbe gilt auch für Mastrocinques Hypothese, nach der Mithras mit dem römischen Kaiser identisch sei. S. die Rezensionen zu seinem Buch: Manfred Clauss, „Rezension: Attilio Mastrocinque, The Mysteries of Mithras“. 189 Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland, 123 a Rückseite u Taf. 31. 190 CIMRM, Vol. 2, Nr. 1247. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Vetere,191 Marino,192 des Palazzo Barberini193 und der Castra Peregrinorum194 in Rom) auf ihn als Opfertier hinweist.195 Beard, North und Price meinen dagegen, dass sich die mithräische Stiertötungsszene von den gewöhnlichen römischen Opferszenen stark unterschiedet: „The design of Mithraic sanctuaries also evoked a cave in Persia, where – as an act of primordial sacrifice – the god Mithras himself was said to have slain a bull. This sacrifice was regularly depicted in sculpture and painting at one end of Mithraic sanctuaries: Mithras on a bull's back forces it to the ground; pulling its head up by the nostrils, he plunges in a knife behind or beside the head. The violence of the scene marks this out as quite alien to the practice of ‘normal’ Graeco-Roman sacrifice, in which the victim was expected to die willingly; the role of the god in the Mithraic sacrificial ritual is also strikingly different (breaking the traditional civic norms which firmly separated the roles of humans and gods in sacrifice.“196 Obwohl die konkrete Bedeutung dieses Opfers für das Universum unklar bleibt,197 steht dessen kosmische Bedeutung außer Zweifel.198 Darauf weist die ganze kosmische Symbolik auf dem Kultrelief hin – die Sterne auf dem Mantel des Gottes, die Büsten von Sol und Luna und auch der Zodiakus, der manchmal die Stiertötungsszene rahmt.199 Auf die Entstehung der Kulturpflanzen als Folge dieses Opfers weisen klar die Trauben und die Kornähren hin. Mithras fungiert hier als ein Kulturheros, der den Menschen wichtige Nahrungsmittel gibt. In dieser Funktion kann man ihn mit vielen anderen griechisch-römischen Gottheiten vergleichen –

191 Vermaseren, Mithriaca I. The Mithraeum at S. Maria Capua Vetere, Taf. III. S. auch Abb. 17. 192 Vermaseren, Mithriaca III. The Mithraeum at Marino, Taf. III und IV. S. auch Abb. 11. 193 Ibid.: Taf. XII. 194 Rom, Museo Nazionale Romano, Terme di Diocleziano, Inv. 205837. S. Abb. 8. 195 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219. 196 Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. I: A History, 279. 197 Man kann fragen, ob die Bedeutung dieses Opfers nur die Erhaltung oder Erneuerung der Welt sei, wie die überwiegende Mehrzahl der Forscher meint (s. z.B. Vermaseren, Mithras, 55; Gordon, „Mithras“, 289; Alvar, Romanising oriental Gods, 128) oder auch der Schöpfungsakt der Welt, wie Merkelbach (Mithras, 193–227, bes. S. 193 u. 199–201) und Clauss (Mithras, 78–88) vermuten. Ich halte auch die letzte Hypothese für begründet, weil die Schöpfungstätigkeit des Mithras nicht nur durch Sekundärquellen (Porphyrios), sondern auch durch epigraphische Primärquellen bestätigt ist. 198 Vermaseren sagt: „Das Töten des Stieres ist [...] ein kosmisches Ereignis, ein Geschehen, das sich auf Himmel und Erde, Götter und Menschen, Ewigkeit und Zeit bezieht“ (Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 99). 199 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 218 – Mon. 810.

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besonders mit Demeter/Ceres, die den Menschen den Ackerbau lehrt, und mit Dionysos/Bacchus, der den Traubenanbau begründet. Auch das Motiv von Pflanzen, die aus dem Blut entstanden, hat Parallelen in der Mythologie der Antike – so entstanden die Veilchen aus dem Blut des sterbenden Attis, die Rosen und Anemonen aus dem Blut des sterbenden Adonis. Aus dem Leichnam des Osiris entstanden der Weizen und verschiedene Kräuter.200 Die Grotte, in der das Stieropfer sich vollzieht, ist das Symbol des Kosmos201 oder des Himmels,202 aber das schließt keinesfalls die wortwörtliche Bedeutung des Motivs aus – es kann gleichzeitig die Naturhöhle darstellen, in der die Stiertötung in uralter Zeit vollzogen wurde.203 Die Stiertötung hat aber noch eine sehr wichtige Bedeutung gehabt, die unmittelbar aus den Reliefs her nicht fassbar ist, doch epigraphisch belegt ist. In einer Inschrift heißt es: et nos servasti /…/ sanguine fuso.204 Das bedeutet, Mithras habe seine Anhänger durch das Vergießen des Blutes des Stieres gerettet, da dieses Blut die „Wiedergeburt“ des Individuums ermöglichte.205 So ist die Stiertötung auch Heils-Tat für die Menschen. Die Tiere, die bei der Stiertötungsszene sichtbar sind, hat man – wie auch die Dadophoren – unterschiedlich interpretiert. So ging Cumont von der iranischen Mythologie aus und meinte, dass der Skorpion, die Ameise und die Schlange die Vertreter des bösen Geistes (d.h. Ahrimans) seien – sie versuchen vergeblich die Genitalien des Stieres zu verzehren und sein Blut zu trinken und so in ihm die Quelle des Lebens zu vergiften.206 Der Hund sei dagegen der treue Begleiter des Mithras und damit ein Vertreter des Guten (d.h. Ahura Mazdā). Er beschützt den Samen und die Seele des Stieres vor den Trabanten Ahrimans.207 Auch Campbell hat für alle Tiere persische Analogien gesucht,208 aber wie schon Hinnells und Gordon gezeigt haben, sind solche Parallelen höchst fraglich. Nehmen wir nur ein einziges Beispiel: die Schlange. Im Zoroastrismus ist sie wirklich ein böses Wesen, aber wenn wir den Zoroastrismus außer Acht lassen und uns der griechischrömischen Tradition zuwenden, sehen wir die Schlange in einem ganz anderen Licht. Sie hat in griechisch-römischen Kulten eine wichtige Rolle gespielt. So wurde sie schon in alten griechischen Mysterienkulten (wie in Eleusis) als Symbol 200

Eliade, Uurimus usundiloost, 351. So Vermaseren, Mithras, 53 u. Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 222; s. auch Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 984–985. 202 So Merkelbach mit Hinweis auf Porphyrios (De antr. 6) (Mithras, 200). 203 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 984. 204 CIMRM, Vol. 1, Nr. 485. Gordon behauptet, dass die vermeintlich alte Lesart et nos (früher: viros) servasti eternali sanguine fuso sich als reine Hypothese Vermaserens herausgestellt hat; nur sanguine fuso ist sicher (Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 977). 205 Gordon, „Mithras“, 289. 206 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 99–100. 207 Ibid, 100. 208 Campbell, Mithraic iconography and ideology. 201

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der Erdgottheit und der Fruchtbarkeit verehrt.209 In Rom war die Schlange Verkörperung des genius – des Schutzgeistes des Mannes.210 Da die Schlange auf den mithräischen Reliefs manchmal mit Ei oder mit Ähren dargestellt wird, meint Hinnells, dass die Schlange eine Verkörperung der Lebenskraft sei,211 und jedenfalls weise nichts darauf hin, dass die Schlange auf den mithraistischen Reliefs ein böses Wesen sei.212Alle genannten Tiere hat man auch als Symbole der Elemente213 oder der Tierkreiszeichen214 interpretiert. Während die erste Interpretation spekulativ bleibt, ist die zweite wenigstens teilweise berechtigt. So ist der Skorpion, oder genauer gesagt, seine Beziehung zu den Genitalien des Stieres gut aus der griechisch-römischen astrologischen Tradition erklärbar. In der Antike war die Vorstellung verbreitet, dass die unterschiedlichen Körperteile des Menschen mit den unterschiedlichen Tierkreiszeichen in Verbindung stehen, und der römische Autor Manilius (1. Jh. n.Chr.) bringt den Skorpion als Tierkreiszeichen mit den Genitalien in Beziehung.215 In erster Linie betonen die vorgenannten Tiere den Wert des Stierblutes und -samens und der in ihnen verkörperten Kraft – die Reliefs zeigen, wie auch die Tiere an ihrer Kraft teilzuhaben versuchen.216 Die beiden Dadophoren Cautes und Cautopates hat man als Symbole (oder Verkörperungen) von Leben und Tod, Tag und Nacht, Frühling und Herbst erklärt.217 Die Tatsache, dass sie dieselbe Kleidung tragen wie Mithras, weist darauf hin, dass sie mit Mithras sehr eng verbunden sind. Es ist sogar möglich, dass sie seine unterschiedlichen Aspekte präsentieren. Da Mithras ein Sonnengott ist, scheint die Hypothese am wahrscheinlichsten, dass sie vorwiegend die auf- und untergehende Sonne darstellen.218 Das schließt natürlich andere Deutungen nicht aus. Höchstwahrscheinlich waren alle genannten Symbole schon in der Antike

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Rudolph, Die Gnosis, 256. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 55. 211 Hinnells, „Reflections on the bull-slaying scene“, 294. S. auch seine Beispiele zur Rolle und Bedeutung der Schlange in der griechisch-römischen Kultur (ibid., 294–295). 212 Ibid. 213 So interpretierte schon Cumont, Die Mysterien des Mithra, 104–105. S. auch Merkelbach, Mithras, 206. 214 So ist nach Speidel der Hund der Begleiter des Mithras und dieser mit Orion gleichgesetzt (Speidel, Mithras-Orion. Greek Hero and Roman Army God). Die Theorie, nach der die Tiere auf den mithraistischen Reliefs die Tierkreiszeichen sind, wurde erstmalig schon im Jahre 1869 von Karl Bernhard Stark formuliert („Die Mithrassteine von Dormagen“, 1–25). 215 Hinnells, „Reflections on the bull-slaying scene“, 300. 216 So interpretieren auch Vermaseren (Mithras, 55) und Clauss (Mithras, 96). 217 Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 100–101. 218 Auch Vermaseren erklärt Mithras, Cautes und Cautopates als Phasen des Sonnenganges: Cautes ist der Repräsentant des Sonnenstandes am Morgen, Mithras der Mittagssonne und Cautopates des untergehenden Gestirns (Mithras, 58–59). 210

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mehrdeutig. Dasselbe gilt auch für die übrigen Symbole, die wir in den nächsten Abschnitten betrachten werden. 1.2.5 Mithras und Sol Auf den mithräischen Reliefs gibt es eine thematische Reihe der Bilder, die Beziehungen zwischen Mithras und dem Sonnengott Helios/Sol darstellen. Dazu gehören vier Bilder: „Aufnahme“ des Sol; Freundschaftsvertrag mit Sol; Freundschaftsmahl mit Sol; Himmelfahrt des Mithras und des Sol. Im Folgenden werden diese vier Einzelszenen separat dargestellt und ihre Interpretationen betrachtet. Man kann also sagen, dass der Sonnengott Helios/Sol neben den Dadophoren Cautes und Cautopates in der Geschichte des Mithras eine wichtige Rolle gespielt hat, und nach der Meinung des Autors dieses Buches eine wichtigere Rolle als die Dadophoren, weil er in der Lebensgeschichte des Mithras eine aktivere Rolle als Cautes und Cautopates hat. 1.2.6 „Aufnahme“ des Sol Auf den mithräischen Reliefs wird häufig dargestellt, wie der Sonnengott Helios/ Sol vor Mithras kniet (Abb. 24). 219 Auf dem Relief von Osterburken kniet der nackte Sol vor Mithras, der die phrygische Mütze in der Rechten hält; auf dem Boden liegt die Strahlenkrone.220 Oft legt Mithras seine Linke auf das Haupt des Sonnengottes221 und hält in der Rechten einen Gegenstand hoch.222 Allerdings ist dieser Gegenstand zu klein dargestellt, und deswegen bleibt unklar, womit wir es zu tun haben. Manfred Clauss vermutet, dass dieser Gegenstand die phrygische Mütze sei, d.h., dass Mithras Sol mit dem Attribut auszeichnet, das ihn selbst charakterisiert.223 Vermaseren schließt das nicht aus, doch sagt er, dass es manchmal ein Trinkhorn, häufig sogar ein Fleischstück, etwa ein Schulterstück oder eine Keule zu sein scheint.224 Heyner ist ziemlich sicher, dass sich in einer Wandmalerei aus Budapest dieser Gegenstand als Stierkeule erkennen lässt und dass auch auf dem berühmten Mosaik aus dem Mithräum des Felicissimus (Ostia) die Illustration einer solchen im Symbolfeld für den dritten Weihegrad (miles) wiedergegeben ist (Abb. 25).225Auch Gordon unterstützt die Hypothese, dass der Gegenstand in der Hand des Mithras die Hinterkeule des Stieres sei.226

219

Z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 350; 555. CIMRM, Vol. 1, Nr. 1292. 221 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 451 – Mon. 1740. 222 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 340 – Mon. 1992 (auf Feld 4 der rechten Seitenleiste). 223 Clauss, Mithras, 143. 224 Vermaseren, Mithras, 77. 225 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 227. 226 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 977. 220

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Die Erklärungen dieser Szene gehen stark auseinander. So meinte Cumont, dass die Szene eine Investitur des Sol durch Mithras dargestellt, da er davon ausgeht, dass zwischen beiden Göttern eine Auseinandersetzung stattfand, die Mithras gewann.227 Als Sieger über Sol setze er ihm die Strahlenkrone auf das Haupt.228 Auch Heyner interpretiert die Szene als einen Triumph des Mithras, der in Inschriften häufig als unbesiegte Sonne (Sol invictus) angesprochen wird, über Sol, der in einem gegenseitigen Bündnis mündet.229 Vermaseren hat die Szene als eine Art „Ritterschlag“ verstanden.230 Wie Heyner, so sieht auch Merkelbach in dieser Szene die Einweihungszeremonie eines Mystes, aber nicht des miles, sondern des heliodromus. Seiner Meinung nach stellt das Relief nicht Götter, sondern Menschen dar, kniet nicht Sol vor Mithras, sondern der Einzuweihende vor dem Pater und huldigte ihm.231 Nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches ist eine solche Erklärung aber spekulativ und steht auf schwachem Boden – beide Helden der Geschichte sind dank ihrer Attribute ziemlich leicht als Mithras und Sol identifizierbar, und deswegen hat sich diese Interpretation in der Forschung nicht durchgesetzt. Auch Schwertheim sieht in der Szene eine Initiation und schreibt: „Die Osterburkener Darstellung verleitet mich dazu, an einen Einweihungsritus zu denken, wobei Sol von Mithras symbolisch zum miles geschlagen wird. Aus dem Fußbodenmosaik in Ostia wissen wir, dass Helm, Lanze und Sack den Einweihungsgrad des miles auszeichnen. Eine kurze Lanze trägt Mithras auf dem besagten Relief in der Linken. [...] Da Sol ja als miles den Helm tragen müsste, er aber trotzdem als Sol gekennzeichnet sein soll, liegt seine Strahlenkrone symbolisch am Boden. Vielleicht ist aber eben diese Strahlenkrone schon ein Hinweis auf einen weiteren Einweihungsgrad, den Mithras dem Sol verleiht, den des heliodromus, der nach dem Mosaik aus Ostia als Symbole Fackel, Strahlenkrone und Peitsche trägt. Besonders ausdrucksvoll ist eine solche Einweihung auf einem Relief aus dem österreichischen Virunum dargestellt. Mithras reicht dem unbekleideten Sol die Rechte und fasst ihn mit der Linken freundschaftlich an die Schulter. Sol trägt als heliodromus Strahlenkrone und Peitsche. Eine Szene aus dem Heddernheimer Kultrelief scheint diese Deutung noch zu unterstützen: Mithras setzt Sol die Strahlenkrone auf das Haupt.“232 Die Interpretation von Schwertheim und von Heyner, die die Szene nicht aus der Initiation erklärt, aber vermutet, dass die Szene u.a. auch mit der Einweihung des 227

Cumont, Die Mysterien des Mithra, 120. Auch Vermaseren setzt eine Rivalität voraus, die anfänglich zwischen beiden Gottheiten zu bestehen schien (Mithras, 78). 228 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 120. 229 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 227. 230 Vermaseren, Mithras, 77. 231 Merkelbach, Mithras, 123. 232 Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 45. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Mystes in Beziehung steht, also die Semantik der Initiation heranzieht, ist nach Ansicht des Autor des vorliegenden Buches aufgrund der Argumente der obengenannten Forscher ganz gut möglich. Unabhängig von der genaueren Erklärung der Szene (und es ist möglich, dass schon die Kultanhänger diese Szene unterschiedlich verstanden und interpretiert haben)233 ist aber eines sicher: seit dem dargestellten Ereignis besteht zwischen beiden Göttern eine enge Beziehung, sie sind Verbündete oder Freunde. Da nichts darauf hinweist, dass Sol und Mithras gekämpft hätten, nennen Rainer Vollkommer und Manfred Clauss die Szene nicht „Triumph des Mithras über Sol“, sondern „Aufnahme“ von Sol durch Mithras,234 was nach der Meinung des Autor des vorliegenden Buches gut begründet ist: Mithras nimmt Sol zum Verbündeten oder zum Freund auf. Diese Erklärung wird auch durch die folgende Szene bestätigt. 1.2.7 Freundschaftsbund mit Sol Nach Sols „Aufnahme“ werden auf vielen Reliefs stehende Götter dargestellt, die einander die Hand reichen (Abb. 26).235 Besonders interessant ist dabei ein Relief auf einem Altar aus Ptuj (Slowenien):236 Mithras und Sol reichen sich die Hand vor einem Altar,237 auf dem Feuer brennt, oder über den Altar hinweg.238 In ihren ineinander geschlungenen Rechten halten sie einen Dolch nach oben, auf dem Fleischstücke stecken. Vor dem Altar auf dem Boden wird auch ein Gegenstand dargestellt, der eine Keule des Stiers sein kann.239 Der Altar als geweihter Gegenstand betont die Sakralität des dargestellten Ereignisses. Unabhängig davon, ob das Objekt vor dem Altar eine Stier-Keule ist oder nicht, weist der Dolch mit Fleischstücken schon auf ein Ereignis hin, das sehr oft auch selbstständig präsentiert wird: das gemeinsame Mahl der Götter, das im nächsten Abschnitt betrachtet wird. Der Kern der Szene ist der Händedruck der beiden Götter. Clauss lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass bei den Griechen und Römern der Händedruck kein alltäglicher Gestus war, sondern ein Zeichen besonders inniger Freundschaft und ein Symbol des Vertrages.240 Nach Clauss schließen auf den 233 Clauss betont mit Recht, dass dasselbe auch für andere mithraistische Szenen gilt (Mithras, 26). 234 Ibid., 142–143. 235 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 366 – Mon. 1430; Fig. 400 – Mon. 1579; Fig. 403 – Mon. 1584; Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland: Nr. 85a; 148. 236 CIMRM, Vol. 1, Fig. 403 – Mon. 1584. 237 Clauss, Mithras, 144. 238 Vermaseren, Mithras, 78. 239 Clauss, Mithras, 61. 240 Ibid., 144. S. auch Ricks, „Dexiosis und Dextrarum Iunctio – The Sacred Handclasp in the Classical and Early Christian World“. Der Händedruck wird aber häufig in der Kunst der Antike dargestellt. So wird der Händedruck einer Frau und eines Mannes als Symbol

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römischen Darstellungen auch Mithras und Sol einen Bund, den man als einen Freundschaftsbund oder ein Freundschaftsvertrag zwischen den Göttern verstehen könne.241 In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Mithras-Anhänger sich als syndexi (das ist ein griechisches Lehnwort: συνδέξιοι) bezeichnet haben:242 Die Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgte durch feierlichen Händedruck,243 und vielleicht können wir diesen Händedruck als imitato dei auf ritueller Ebene verstehen. 1.2.8 Freundschaftsmahl mit Sol Eine gemeinsame Mahlzeit von Sol und Mithras ist im Mithraismus ein sehr beliebtes Thema, das oft dargestellt wird. 244 Nach der mithraistischen Überlieferung hat dieses Ereignis nach der Stiertötung stattgefunden. So tragen auf den Bildern von Dura Europos (Syrien) zwei Diener in persischer Kleidung den toten Stier, an eine Stange gebunden, auf den Schultern hinein.245 Wahrscheinlich sind diese Diener Cautes und Cautopates. Auf einem Relief aus Ladenburg liegen Mithras und Sol auf der Bank, die mit dem Fell des Stieres überzogen ist. Der Tisch, der neben ihnen steht, hat Beine, die in Stierhufen enden (Abb. 28).246 Auf dem Relief von Rückingen bildet der getötete Stier selbst den Tisch.247 Dies ist auch so auf der Rückseite des Reliefs von Heddernheim.248 Falls der Stier geopfert wurde (und alles weist darauf hin; s. Abschnitt 4), kann man das als Opfermahl verstehen. Da direkt vor dieser Szene Mithras’ Freundschaftsbund mit Sol dargestellt wurde, ist dieses Mahl auch als Freundschaftsmahl der Eheschließung dargestellt (s. z.B. das Bild bei Nigel Rodgers, Im antiken Rom, 96 (Hochzeitspaar bei der dextrarum iunctio auf einem Votivaltar des 3. Jh. n.Chr); die römischen Münzen von Lucius Verus (161–169 n.Chr.) stellen Marcus Aurelius und Lucius Verus vis-à-vis beim Handschlag dar (mit dem Text: IMP CAES L AVREL VERVS AVG, Büste mit Drapierung n.r. Rv: CONCORDIAE AVGVSTOR TR P II / COS II) (https:// www.numisbids.com/n.php?p=lot&sid=366&lot=279). Auf einem Relief aus Palmyra werden auch zwei Götter (Malakbel und Aglibol) beim Handschlag dargestellt (s. Abb. 27). 241 Clauss, Mithras, 144. So schon Cumont, Die Mysterien des Mithra, 120. 242 Die Termini (συν)δεξίωσις (Händedruck mit der Rechten), syndexi(i) und das Verbum συνδεξιῳ kommen in vielen Inschriften vor; z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 54; Nr. 60; 63, 7; Nr. 423; CIMRM, Vol. 2, 63 a. S. auch Firmicus Maternus, De err. prof. rel. 5. 243 Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 15. 244 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 1648; Fig. 21 – Mon. 42, 12; Fig. 23 – Mon. 49; Fig. 180 – Mon. 641; Fig. 217 – Mon. 798; Fig. 297 – Mon. 1137; Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland: Nr. 44a; 85a. 245 CIMRM, Vol. 1, Nr. 49. 246 Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland: Nr. 144 mit Tafel 42. 247 CIMRM, Vol. 1, Fig. 297 – Mon. 1137. 248 CIMRM, Vol. 1, Nr. 1083. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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erklärbar, das den Bund begleitet und bekräftigt. Das Freundschaftsmahl von Mithras und Sol wurde von der Kultgemeinschaft des Mithras im Kult-Mahl nachvollzogen. Auf der Rückseite des Reliefs von Konjic249wird dieses Kult-Mahl dargestellt: ein „Vater“ und ein „Sonnenläufer“ sitzen wie Mithras und Sol hinter dem Tisch, der mit der Haut des Stieres bedeckt ist,250 oder aber es besteht die Liege, auf die sie sich stützen, aus dem Stier, dessen Haut mit Kopf zu erkennen ist. Zur Rechten und Linken stehen Priester niederer Grade, ein „Rabe“ und ein „Löwe“, als Diener.251 Dieses irdische Mahl sollte kultisch jenes Mahl abbilden, das Mithras selbst mit dem Sonnengott abgehalten hat.252 1.2.9 Himmelfahrt von Mithras und Sol Die letzte Szene aus dem Zyklus „Mithras und Sol“ stellt beide Götter im Sonnenwagen dar (Abb. 29).253 Im allgemein ist Sol mit dem Strahlenkranz gekrönt und nackt bis auf den kurzen Schultermantel, der um ihn flattert.254 Auf vielen Reliefs zeigt man, wie Mithras auf den Sonnenwagen hinaufsteigt. Oft streckt Sol dabei die Hand aus, um Mithras behilflich zu sein.255 Die Fahrt des Sonnenwagens, der als Vier- oder Zweigespann dargestellt wird, geht über den Oceanus, über das große Wasser. Häufig weist der Bildhauer durch die schräg ansteigende Richtung des Gefährts auf die Fahrt in den Himmel hin.256 Dass das Ziel der Fahrt das Jenseits ist, zeigt u.a. auch die Tatsache, dass auf einem Relief in Klagenfurt (Österreich)257 der Seelenführer Mercur den Wagen leitet.258 Clauss meint, dass die Himmelfahrt des Mithras möglicherweise auch mit dem Unsterblichkeitsglauben der Mithraisten in Zusammenhang gestanden hat: Wie Mithras nach Abschluss seiner irdischen Taten in den Himmel fuhr, so hoffte der Eingeweihte, 249

CIMRM, Vol. 1, Nr. 1896. Merkelbach, Mithras, 132–133. 251 Clauss, Mithras, 105. Bei der Veranstaltung dieser Mahlzeiten spielten wahrscheinlich die drei untersten Initiationsgrade eigene Rollen (Gordon 2012: 218). Zu Initiationsgraden s. Vermaseren, Mithras, 113–126; Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 106–109; Clauss, Mithras, 124–131; Frackowiak, „Mithras ist mein Kranz“, 230–236; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 980–984. 252 Clauss, Mithras, 105–106. 253 Z.B. CIMRM, Vol. 1, Nr. 1648; 1650; 2298; Vol. 2, Nr. 2316; Vol. 1, Fig. 366 – Mon. 1430; Fig. 400 – Mon. 1579; Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland: Nr. 44a; 123a; 148; 152. Merkelbachs Meinung nach stellt diese Szene nicht die Himmelfahrt von Mithras zusammen mit dem Sonnengott dar, sondern einen „Perser“ im Wagen des Sonnengottes (Mithras, 117), aber diese Erklärung hat sich in der Forschung nicht durchgesetzt. 254 Vermaseren, Mithras, 84 255 Clauss, Mithras, 145. 256 Ibid., 145; s. auch Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 45. 257 CIMRM, Vol. 1, Fig. 366 – Mon. 1430. 258 Clauss, Mithras, 145. 250

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dass seine Seele eines Tages mit Hilfe von Mithras ins Sonnenlicht zurückkehren kann.259 Burkert ist dagegen sehr skeptisch gegenüber dem Vorhandensein eines solchen Unsterblichkeitsglauben im Mithras-Kult.260 Die Vorstellung vom Sonnenwagen als Wagen des Helios war in der Mythologie der Antike gut bekannt. Sie wird bei Homer nicht genannt, kommt aber in den Homerischen Hymnen an Demeter (Hymn 2) und an Helios (Hymn 31) vor. Die beiden Hymnen datiert man ins 7. oder 6. Jh. v.Chr. Die Vorstellung vom Sonnenwagen ist in vielen Kulturen belegt und, wie Burkert sagt, „im übrigen so gut indogermanisch wie altorientalisch“.261 In der Kunst der römischen Kaiserzeit wurde der Wagen von Helios/Sol oft dargestellt. Es ist nachgewiesen, dass auch der Unsterblichkeitsglaube in dieser Zeit häufig mit der Sonne verbunden war.262 Die Vorstellung von einer himmlischen Unsterblichkeit war in der Antike schon seit dem 5. Jahrhundert weit verbreitet.263 Weil dieser Glaube auch in der Religion der römischen Kaiserzeit sehr populär war,264 ist es nach der Meinung des Autors dieses Buches höchst wahrscheinlich, dass die Himmelfahrtsszene von Mithras und Sol darauf verweisen kann (gegen Burkert). Doch haben wir keine Gründe, die ganze platonische bzw. neuplatonische Anschauung vom Schicksal der Seele (mit der Seelenwanderung) automatisch in den Mithras-Kult zu übertragen, wie Porphyrios und auch manche Mithras-Forscher (Merkelbach, Luther H. Martin) das getan haben. 1.2.10 Ein neugefundenes Motiv – Mithras als Sieger über die Dämonen Im Jahre 1998 wurde durch ein syrisch-polnisches Grabungsteam in Hawarte (Syrien) ein Mithräum gefunden, dessen Wandmalereien neben schon früher bekannten Szenen der mithraistischen Mythologie (Felsgeburt, Tauroktonie) Motive darstellen, die bisher nicht bekannt waren. Dazu gehört ein Bild von einer Mauer mit einem Tor. Auf der Mauer kann man sieben Köpfe sehen. Ihre Lippen sind schwarz, ihre Haut ist schwarz oder rot, und ihre Haare sind struppig (Abb. 30). Auf einem anderen Bild stellt man zwei Reiter dar. Ein Reiter steht vor einem weißen Pferd und hält eine Kette in der Hand, an deren Ende ein gefesseltes schwarzes zweiköpfiges Wesen liegt (Abb. 31). Der Ausgräber Michal Gawlikowski interpretiert diese Wesen als Dämonen, die durch Mithras besiegt sind.265

259

Ibid. Burkert, Antike Mysterien, 33. 261 Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 270. 262 Nilsson, Geschichte der Griechischen Religion. 263 Burkert, Die Griechen und der Orient, 118 ff. 264 Clauss, Mithras, 18 ff. 265 Gawlikowski, „Hawarti: Preliminary Report“, 197–204; Gawlikowski, „Hawarte excavations 1999“, 261–271. 260

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Obwohl seit den bahnbrechenden Aufsätzen von John R. Hinnells266 und Richard Gordon267 Cumonts Anschauung, dass der Kern des Mithras-Kultes die zoroastrische Idee vom Kampf zwischen Gut und Böse gewesen sei, heutzutage fast keine Anhänger mehr hat, bezeugen die Funde aus Hawarte, dass die Idee vom Kampf zwischen Gut und Böse dem römischen Mithras-Kult nicht ganz fremd war. Somit war diese Vorstellung wohl wenigstens an einem Ort von großer Bedeutung. 1.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Wie jede Gottheit der griechisch-römischen Religion, so hat auch Mithras seinen unverwechselbaren Charakter, der seinen Ausdruck in der mithraistischen Ikonographie findet. Als hervorragendste Züge seien hier zusammenfassend die folgenden betont: •





• • •



Mithras trägt eine latinisierte Form des Namens, die in antiken Quellen immer mit dem Iran bzw. Persien in Zusammenhang gebracht wurde, und er wird meistens in „orientalischer Tracht“ und mit der phrygischen Mütze dargestellt. So hat man in der römischen Kunst die „Barbaren“ dargestellt, und diese Darstellungsweise betont ohne Zweifel Mithras’ nichtrömische Herkunft. Mithras tritt in den Inschriften als ein Schutzgott der Einzelperson oder einer Personengruppe hervor. Er war auch der Schutzgott des römischen Kaisers – wenigstens für seine Anhänger. Die wichtigste Tat des Mithras, die Tötung des Stieres, kann man als Opfer verstehen. Es ist sicher, dass dieses Opfer eine kosmische Bedeutung hatte. Es bleibt aber unsicher, ob Folge dieses Opfers die Entstehung der Welt oder nur die Erneuerung des Weltalls war. Er ist der Schöpfer (genitor, δημιουργός), aber leider ist nicht klar, wie groß sein Schöpfungsbereich war. Mithras ist aber sicherlich der Schöpfer des Lichts und der Kulturpflanzen. Mithras ist zuständig für die Weltordnung. Mithras ist sowohl Wasserspender (und damit Spender der Fruchtbarkeit) als auch Unsterblichkeitsspender. Mithras ist der Sieger über die Dämonen. Dieser Aspekt des Gottes ist nur an einem Ort (Hawarte) klar belegt, aber wichtig, weil ein Ausdruck für Mithras als „Unbesiegten“. Ein sehr wichtiger Aspekt von Mithras ist seine Solarität: Auf Reliefs trägt er solare Züge, und in Inschriften wird er direkt mit dem Sonnengott gleichgesetzt. Gleichzeitig ist er aber in paradoxer Weise ein selbstständiger Gott neben dem Sonnengott Helios/Sol, mit dem er enge Beziehungen hat.

266

Hinnells, „Reflections on the bull-slaying scene“; Hinnells, „The Iranian background of Mithraic iconography“, 242–250. 267 Gordon, „Franz Cumont and the doctrines of Mithraism“, 222. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Als Gottheit, die mit Helios/Sol einen Freundschaftsvertrag schließt und dessen Anhänger sich als syndexi(i) bezeichnen, ist Mithras eng mit den zwischenmenschlichen Beziehungen und sicherlich auch mit solchen Werten wie Treue und Freundschaft verbunden. Da sicher ist, dass das Kult-Mahl im Mithras-Kult eine Imitation des Freundschaftsmahles von Mithras und Sol ist, so wie der Handschlag der MithrasAnhänger den Handschlag der Götter darstellt, kann man schlussfolgern, dass Mithras ein Gott war, der unter seinen Anhängern imitiert wurde.

Bei der Gestalt des Mithras hat man auch seine militärischen Konnotationen betont. Es liegt nämlich eine ganze Reihe von Motiven vor, die man als „militärisch“ bezeichnen kann. Unter den vielfältig bezeugten sieben Weihegraden gibt es die Initiationsstufe miles. Als deren Attribute zeigt u.a. ein Mosaik in Ostia Soldatensack, Lanze und Helm (Abb. 25).268 Nach Tertullian spielte das Schwert bei der Einweihungszeremonie des „Soldaten“ eine wichtige Rolle.269 Auf einer Wandmalerei im Mithräum von Capua wird bei einer Initiationsszene das Schwert dargestellt,270 und im Mithräum von Riegel hat man auch ein „Theaterschwert“ gefunden,271 das wahrscheinlich als Requisite zur Inszenierung eines symbolischen Tötungsaktes bei Einweihungszeremonien diente.272 Tertullian berichtet davon, dass für die Mithras-Anhänger die ganze Verehrung des Gottes militia dei war.273 Manchmal wird auch Mithras selbst mit militärischen Attributen, wie Dolch und Bogen, dargestellt.274 Nach Meinung von James Rives spiegelt auch Mithras’ Titel Invictus seinen militärischen Aspekt wider.275 Nach den Parallelen mit anderen römischen Gottheiten, die diesen Titel trugen, kann man vermuten, dass man diesen Titel in einem sehr breiten Sinn verstehen kann. Doch militärische Konnotationen sind dabei nicht auszuschließen, und man kann vermuten, dass unter den Soldaten dieser Aspekt eine wichtige Rolle spielte. Mithras hat sehr viele Beziehungen mit anderen griechisch-römischen Göttern. Er teilt seine phrygische Mütze mit Attis und Sabazios, sein Epitheton Invictus mit Jupiter, Hercules, Mars, Apollo, Silvanus und dem vergöttlichten römischen Kaiser, seine Solarität mit Helios, Apollon und Sol und seine kosmischen

268

Clauss, Mithras, Abb. 100. De corona militis, 15, 3–4. 270 Vermaseren, Mithriaca I, Taf. XXII. 271 Z.B. Badisches Landesmuseum, Inv. 2002/1528, Karlsruhe. 272 Ibid., 264. 273 De corona, 15; Adv. Marcionem I 13; De praescr. haeret. 40. 274 CIMRM, Vol. 1, Fig. 100 – Mon. 353; Fig. 596 – Mon. 2184; Fig. 19 – Mon. 48, 8–10. 275 Rives, Religion in the Roman Empire, 139. Anders Clauss: „Sicherlich hat der Beiname Invictus des Gottes die Soldaten angesprochen, aber dieser Aspekt konnte für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen einen jeweils spezifischen Sinn erhalten“ (Mithras, 45). 269

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Züge mit Zeus/Jupiter, mit Jupiter Heliopolitanus276 und mit Jupiter Dolichenus;277 mit dem letzten verbindet ihn auch der Stier als Symboltier. Seine Felsgeburt erinnert uns an die Geburt von Attis nach Arnobius, sein Kampf mit dem Stier ähnelt dem Kampf des Herakles oder des Theseus mit einem Stier, und das Herauswachsen der Kulturpflanzen als Ergebnis seines Stieropfers erinnert uns an die Rolle der vielen griechisch-römischen Gottheiten (besonders Demeter und Dionysos) als Kulturheroen. Auch seine Fahrt im Sonnenwagen (Helios) und sein Sieg über Ungeheuer (= Dämonen) haben direkte Parallelen in der Mythologie der Antike. Alle diese Motive existierten auch in der kaiserzeitlichen Religion weiter. Diese Züge von Mithras haben aber auch außerhalb der Religion des Imperium Romanum eine Reihe merkwürdiger Parallelen, nämlich in unterschiedlichen Religionen der Indoeuropäer, die mit dem Römerreich direkte Kontakte hatten. In den nächsten Kapiteln werden solche Parallelen dargestellt, und erst im Anschluss wird dann nach den möglichen Beziehungen zwischen dem römischen Mithras und seinen Analogien in anderen indoeuropäischen Religionen gefragt werden.

276

Zu seinem Kult: Hajjar, „Jupiter Heliopolitanus“, 213–234. Zu seinem Kult: Blömer, Winter (Hrsg.), Iuppiter Dolichenus; zu den kosmischen Zügen bei Jupiter Dolichenus: Speidel, Jupiter Dolichenus, 16; Schwertheim, „Iupiter Dolichenus“, 200.

277

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Kapitel 2 Der Gott Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien

Kleinasien ist immer ein Raum gewesen, in dem sich unterschiedliche Kulturen gekreuzt haben. Seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. erstreckte sich hier das HethiterReich. Die Hethiter waren eines der ältesten uns bekannten indoeuropäischen Völker.1 Seit dem 15./14. Jahrhundert sind hier schon erste Spuren der Griechen belegt – diese wurden von den Hethitern seit dem 14. Jh. v.Chr. nach ihrem Herkunftsland Achaia als Bewohner von Achijawa bezeichnet.2 Die eigentliche griechische Kolonisation der Küsten Kleinasiens setzte mit dem Beginn der großen ägäischen Wanderung im 12. Jh. v.Chr. ein.3 Von dieser Zeit an bis etwa 500 v.Chr. bildeten sich hier zahlreiche griechische Kolonien, deren Bedeutung erst dann deutlich wird, wenn man sich vor Augen führt, wieviel Neues in Politik und Kultur hier seinen Anfang genommen hat – sowohl in der griechischen Literatur als auch in der Philosophie. Im 6. Jh. v.Chr. tauchte in der Geschichte Alt-Vorderasiens ein neuer machtpolitischer Faktor auf, das Perserreich. Um 547/6 v.Chr. begann auch in Kleinasien die persische Vorherrschaft, die bis zur Niederlage gegen den Griechen Alexander (333 v.Chr.) dauerte. Nach dessen Tod (323 v.Chr.) gehörte das Gebiet zu unterschiedlichen Diadochen- und Epigonen-Staaten4 und wurde letztlich allmählich der römischen Herrschaft unterworfen.5 Mit der politischen Macht waren auch unterschiedliche kulturelle Einflüsse verbunden. Neben 1

Die hethitische Sprache gehört zur anatolischen Familie der indogermanischen Sprachen. Außer Hethitisch gehört zu ihr vor allem die luwische Sprache, die man in Südkleinasien von der Westküste bis Kilikien gesprochen hat (Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike, 103). Die Anfänge des Hethiter-Reiches sind allerdings kaum fassbar, ebenso wenig, ab wann die Hethiter und die anderen indogermanisch sprechenden Gruppen nach Anatolien eingewandert sind. Immerhin sind hethitische Personen- und Götternamen bereits im 19. Jh. v.Chr., in der Zeit der altassyrischen Handelskolonien bezeugt (Nissen, Geschichte Alt-Vorderasiens, 107). 2 Schwertheim, Kleinasien in der Antike, 33. 3 Ibid. 4 Antigonos Monophthalmos (um 382–301 v.Chr.) erhielt Pamphylien, Lykien und Großphrygien, Leonnatos (um 360–322 v.Chr.) das hellespontische Phrygien, und Eumenes (362–316 v.Chr.) Paphlagonien und Kappadokien (Schwertheim 2005: 61). Später haben die Seleukiden in Anatolien und die Attaliden in Pergamon geherrscht. Zu dieser Periode in der Geschichte Kleinasiens s. Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike, 235–378. 5 Dieser Machtübergang begann im 2. Jh. v.Chr. und endete im 1. Jh. n.Chr. Zu dieser Periode in der Geschichte des Kleinasiens s. Schwertheim, Kleinasien in der Antike, 82– © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 2

der griechischen Kultur sind so schon in der klassischen Zeit kulturelle Einflüsse aus Persien im kleinasiatischen Raum nachweisbar. Wie Walter Burkert gezeigt hat, haben diese Einflüsse für die griechische Kultur eine große Bedeutung gehabt, besonders im Bereich der Kosmologie und des Unsterblichkeitsglaubens. J. Keil hat über Lydien gesagt, dass man dort von unterschiedlichen sich überlagernden Schichten (phrygische, persische, griechische usw.) sprechen kann.6 Obwohl die religiöse Landschaft Kleinasiens zu keiner Zeit eine Einheit war,7 gilt die Ansicht von Keil prinzipiell auch für andere geographische Regionen Kleinasiens. Wir finden hier Spuren von Göttern und Kulten unterschiedlicher Herkunft. Neben den lokalen Gottheiten finden wir hier solche, die später in der griechisch-römischen Welt weit verbreitet waren. Deswegen spricht F. K. Dörner von Kleinasien als „Herkunftsland orientalischer Gottheiten“ im Römerreich.8 Eine dieser Gottheiten, deren Kult man mit Kleinasien in Zusammenhang gebracht hat, war Mithra/Mithras/Mithres. 2.1 Quellen Die wichtigsten Quellen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien sind Inschriften, Reliefs und Skulpturen, die man in unterschiedlichen Gegenden Kleinasiens gefunden hat. 2.1.1 Inschriften Obwohl M. J. Vermaseren im ersten Band seines Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae9 alle Inschriften, die man mit Mithra in Zusammenhang bringen kann, publiziert hat, werden in diesem Kapitel nur solche Inschriften berücksichtigt, in denen Mithra genannt wird und zugleich Beziehungen zum römisch-kaiserzeitlichen Mithras-Kult nicht nachweisbar sind. Dasselbe gilt auch für Reliefs und Skulpturen. Ausgehend von F. Cumonts Konzeption zur „Mithras-Religion“ (s. Einleitung) unterscheidet Vermaseren in seinem Corpus nicht zwischen hellenistischem Mithra/Mithres und dem römischen Mithras, wie das der Autor des vorliegenden Buches tut. Als wichtigste Inschriften aus dem hellenistischen Kleinasien seien hier die folgenden genannt. Eine in den Felsen gehauene Inschrift, die man bei Faraša (ehem. Ariaramneia, Mitteltürkei, historisch Südost-Kappadokien) gefunden hat, mit dem Text Σαγάριος / Μαγαφέρνου / στρατηγὸς / Ἀριαραμνείας / ἐμάγευσε Μίϑρῃ:10 Vermaseren 96; Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike, 318 ff. 6 Keil, „Die Kulte Lydiens“, 239–266. 7 Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike, 627. 8 Dörner, „Kleinasien. Herkunftsland orientalischer Gottheiten“, 72–95. 9 CIMRM, Vol. 1. 10 CIMRM, Vol. 1, Nr. 19. Merkelbach übersetzt: „Sagarios der Sohn des Maipharnes, Stratege von Ariaramneia, hat für Mithras die magischen Opferriten vollführt“ (Mithras, 46). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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datiert den Text ins 1. Jh. n.Chr.,11 Turcan in den Zeitraum 1. Jh. v.Chr. – 1. Jh. n.Chr.,12 Gordon aber ins 3. Jh. v.Chr.13 Sicher ist, dass die Inschrift hellenistisch, und nicht römisch ist. Den Text hat man unterschiedlich übersetzt: „Sagarios, Sohn von Megapharnes oder Maipharnes (der Name ist umstritten), Heerführer Ariamneias, wurde Magier des Mithras“ oder „zelebrierte einen Gottesdienst für Mithras.“14 Merkelbach übersetzt dagegen: „Sagarios der Sohn des Maipharnes, Stratege von Ariaramneia, hat für Mithras die magischen Opferriten vollführt“,15 aber Merkelbachs Meinung nach bleibt, was man sich bei den „magischen Opferriten für Mithras“ denken soll, ganz ungewiss.16 Vermaseren erklärt: „ἐμάγευσε may mean ‘celebrated a Mazdaean ceremony’“.17 Gordon ist konkreter: Sagarios veranlasste Blutopfer für Mithras nach dem Ritus der μάγοι – d.h. das Tier wurde mit Keulenschlägen getötet.18 Aber das Verbum μαγεύω kann auch einfach „opfern“ bedeuten.19 Eine Inschrift aus Tyana (Kilisesi-Hissar, heute Bori) bietet den Text Θεῷ δικαίῳ Μίϑρᾳ:20 Die Inschrift ist verloren gegangen und ihr Alter ist nicht bekannt. Das Epitheton δίκαιος, das auf den römisch-kaiserzeitlichen Denkmälern nicht vorkommt, passt aber gut zu Mithra als göttlichem Richter, und auch zu ihm als Sonnengott, der alle Ungerechtigkeit sieht und sie ausrotten kann.21 Eine selbstständige Gruppe bilden die Inschriften aus dem Königreich von Kommagene (im Südosten Kleinasiens); aber weil sie mit den dortigen Reliefs und Skulpturen eine Einheit bilden, werden sie gemeinsam mit den anderen kommagenischen Denkmälern im nächsten Abschnitt behandelt. 2.1.2 Reliefs und Skulpturen Die wichtigsten Reliefs und Skulpturen, die den Gott Mithras/Mithres darstellen, stammen aus dem Königreich von Kommagene.22 Es ist wichtig zu betonen, dass

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Ibid. Turcan, The Cults of the Roman Empire, 200–201. 13 Gordon, „ From Mithra to Roman Mithras“, 451. 14 Vermaseren, Mithras, 16. 15 Merkelbach, Mithras, 46. 16 Merkelbach, Mithras, 46. 17 CIMRM, Vol. 1, Nr. 19. 18 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 970. Er weist auf Strabon 15, 13, 15 hin. 19 Turcan, The Cults of the Roman Empire, 201. 20 CIMRM, Vol. 1, Nr. 18. 21 Gordon, „ From Mithra to Roman Mithras“, 451. 22 Zur Geschichte der Kommagene s. Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, XIX–X; aktueller und umfassender: Wagner (Hrsg.), Gottkönige am Euphrat; Brijder, „Early Commagene and the immediate forefathers of Antiochos I“, 52–57; Brijder, „The life and family of Antiochus I of Commagene“, 59–62; Brijder, „King Antiochus I of Kommagene: History and foreign policy in the light of ancient literary sources“, 63–67; 12

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diese Darstellungen des Mithras überhaupt die ältesten sind, die zu unserer Verfügung stehen.23 Nach dem Tod Alexanders des Großen (323 v.Chr.) gehörte das Territorium von Kommagene zum Seleukiden-Reich; aber etwa 160 v.Chr. erklärte sich der kommagenische Fürst von den Seleukiden unabhängig. Etwa 100 v.Chr. nahm der Fürst Mithridates Kallinikos von Kommagene den Königstitel an und hat seitdem unter dem Namen Mithridates I. Kallinikos regiert (etwa 100–69 v.Chr.). Er führte seine Herkunft auf den persischen Satrapen Aroandes zurück, dessen Frau eine Tochter des persischen Großkönigs war. Mithridates selbst hat die seleukidische Prinzessin Laodike geheiratet. Da die Seleukiden behaupteten, dass sie von Alexander dem Großen abstammten, hat der Sohn des Mithridates Kallinikos, Antiochos I. Theos (reg. etwa 70–35 v.Chr.24) seinen Herrschaftsanspruch auf die persisch-griechische Doppelherkunft, d.h. die gleichzeitige Abstammung sowohl von König Dareios als auch von Alexander dem Großen, begründet.25 Die Idee dieser Doppelherkunft spiegelt sich auch in den Denkmälern von Antiochos I. wider, unter denen das Grabheiligtum (hierothesion26) auf dem Berg Nemrud Daği das bedeutendste Monument ist. Auf der Westterrasse des Heiligtums liegen fünf steinerne vollplastische Riesenfiguren, die unterschiedliche Gottheiten darstellen (Abb. 32).27 Eine dabei aufgefundene Inschrift besagt, dass Brijder, „The successors of Antiochus I“, 68–77. Zur Beschreibung des Ortes und zur Topographie von Kommagene s. Brijder, „Commagene: Some topography“, 38–51; Sanders, „Site Description“, 2–4; Goell, „Topography“, 26–85; Waldmann, Der kommagenische Mazdaismus, 27–32); Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 43– 60; und Homepage der Forschungsstelle Asia Minor: http://www.doliche.de/kommagene/ forschungsgeschichte/. Über die Ausgrabungen und Konservierungsarbeiten 2001–2009 s. Brijder, „Introductory remarks, foreword and acknowledgements“, 10–17. Über die älteren Funde, Expeditionen und Ausgrabungen s. Brijder, „Two reporting visitors of Commagene in the 1830s“, 176–183; „Other expeditions and discoveries, in the later 19th century“, 184–232; „Friedrich Karl Dörner und Rudolf Naumann in Commagene, 1938“, 233– 237; „Arsameia-on-the-Nymphaeus. Discovery and excavation of the hierothesion by Friedrich Karl Dörner & Theresa Goell in the 1950s“, 132–271; „A new start of the excavations on the hierothesion plateau of Arsameia-on-the-Nymphaeus by Wolfram Hoepfner and Friedrich Karl Dörner in 1963, continued in 1964 and 1967“, 272–278; „Theresa Goell and Nemrud Daği: an Introduction“, 289–310; „Theresa Goell’s thorough clearance of the East and West Terraces in 1953–1956“, 312–213. 23 Adrych u.a., Images of Mithra, 128. 24 Er regierte nach Adrych u.a. in den Jahren 69 – ca. 36 v.Chr. (Images of Mithra, 128). Nach Herman A. G. Brijder sind seine Regierungsjahre 70 – ca. 36(?) v.Chr. („Early Commagene and the immediate forefathers of Antiochus I“, 53). Sein Vater Mithridates I. reagierte nach Brijders ca. 109(?)–70(?) v.Chr. (ibid.). 25 Wagner, „Die Geschichte des späthellenistischen Königreichs Kommagene“, 33–60. 26 Zu diesem Begriff s. Şahın, „ἱεροθέσιον aus der mißlichen Lage eines hapax legomenon befreit?“, 8. 27 Zum Heiligtum und zu dortigen Skulpturen und Reliefs s. Dörner, Young, „Sculpture © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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die genannten Gottheiten Antiochos I. selbst, die Göttin Kommagene, Zeus-Oromasdes, Herakles-Artagnes-Ares und Apollon-Mithras-Helios-Hermes sind.28 Die letztgenannte Namenreihe kommt auch in anderen kommagenischen Inschriften vor, und zwar konkret in zwei Inschriften aus Samosata (Sx29 und

and Inscription Catalogue“, 175–360; s, auch: Marek, Geschichte Kleinasiens in der Antike, 633–636; Jacobs, „Das Heiligtum auf dem Nemrud Daği – Zur Baupolitik des Antiochos I. von Kommagene und seines Sohnes Mithridates II“, 77–87. Zu den Skulpturen s. auch Waldmann, Der kommagenische Mazdaismus, 33–36; Messerschmidt, „Kommagene vor Alexander. Eine kurze Kulturgeschichte des Landes vom Chalkolitikum bis zur Eisenzeit“, 23–31; Brijder, „Antiochusʼ personal information on the topographical situation of his own tomb sanctuary on Mount Nemrud“, 78–82; Brijder, „Nemrud Daği“, 83–131. 28 CIMRM, Vol. 1, Nr. 32 II A; Dörner, Young, „Sculpture and Inscription Catalogue“, 209; Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 62–71. S. auch die Übersetzung von Helmut Waldmann (ibid., 71–77 = Der kommagenische Mazdaismus, 204–207; vgl. mit der englischen Übersetzung von Dörner (Dörner, Young, „Sculpture and Inscription Catalogue“, 213–217). Hier sagt der König Antiochos: „(24) Als ich die väterliche Herrschaft übernahm, erklärte ich aus meinem gottesfürchtigen Sinn heraus das meinen Thronen unterworfene Königreich zur allen Göttern gemeinsamen Bleibe. Die Abbilder ihrer Gestalten, hergestellt auf die vielfältigsten Weisen, wie es alte Kunde von Persern und Hellenen – die glückhafte Wurzel meines Geschlechtes – uns überliefert, ehrte ich mit Opfern und Festversammlungen, so wie es seit alters Brauch ist und der Menschen gemeinsame Sitte. Auch erfand ich in meinem gerechten Sinn sichtbarlich würdige Ehrungen hinzu. (35) Als ich die Fundamente dieses dem Nagen der Zeit unzersetzbaren Grabheiligtums in der Nähe der himmlischen Throne zu legen beschloss, damit dort die äußere Hülle meines bis ins hohe Alter wohlerhaltenen Leibes bis in unendliche Zeiten ruhe, nachdem sie die gottgeliebte Seele zu den himmlischen Thronen des Zeus Oromasdes emporgesandt hat, da nahm ich mir auch das noch vor, diesen heiligen Ort zum allen Göttern gemeinsamen Thronsitz zu erklären, damit durch meine Fürsorge nicht nur die heldische Schar meiner Vorfahren, die Du dort vor Dir erblickst, errichtet werde; damit vielmehr auch das auf heiligem Hügel errichtete selbst schon göttliche Abbild der huldreich sich zeigenden Götter diesen gleichfalls nicht mehr verlassen daliegenden Ort als Zeugen meiner vor den Göttern geübten Frömmigkeit habe. (53) So errichtete ich, wie Du siehst, diesen Göttern wahrhaft würdigen Bilder: die des Zeus Oromasdes, des Apollon Mithras Helios Hermes, des Artagnes Herakles Ares und der Allnährenden Kommagene – meines Vaterlandes. Aus gleichem Stein gefertigt, auf gleichem Thron wie diese, erstellte ich den erhöhenden Göttern zur Seite auch das Abbild meiner Gestalt. Ich machte so die uralte Würde der großen Götter zur gleichaltrigen Gefährtin meines jungen Geschicks. So ahmte ich in genauer Gerechtigkeit ihre nie erlahmende Fürsorge nach, die sich mir zu Hilfe in meinen königlichen Kämpfen als sichtbarer Beistand häufig huldreich offenbarte“ (zitiert nach: Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 72). 29 Hier sagt König Antiochos, „Gott, der Gerechte, Epiphanes, Freund der Römer und Hellenen, Sohn des Königs Mithridates Kallinikos“: „Als ich das väterliche Königreich übernommen und die Abbildungen des Zeus-Oromasdes, des Apollon-Mithras-Helios-Hermes und des Artagnes-Herakles-Ares aufgestellt hatte – Bilder ihrer altehrwürdigen Gewalt –, © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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SyR30), in drei Inschriften aus Arsameia am Nymphaios (III (A)31, II (As)32 und At33), in einer Inschrift aus Arsameia am Euphrat (G (= Gerger)34) und in einer Inschrift aus Zeugma (Seleukeia am Euphrat)35. Die Reihenfolge der Namen ist unterschiedlich,36 aber es ist merkwürdig, dass in beiden Fällen Mithras mit drei anderen Göttern – Apollon, Helios und Hermes – gleichgesetzt wird. Auffällig ist, dass die persische Komponente der Namen bei den männlichen Göttern nur jeweils einen von mehreren Bestandteilen bildet, während die weibliche Gottheit nur mit dem griechischen Namen der Landschaft bezeichnet wird. Auch tauchen machte ich die Ehre der großen Götter zur gleichaltrigen Gefährtin meines jungen Geschicks und gesellte den himmlischen Göttern auf den heiligen, in Gruppen vereint errichteten Steinbilder das Abbild meiner Gestalt ganz wie das ihre geformt, hinzu, sie voll Wohlwollen zu begrüssen“ (nach der Übersetzung von Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 17–18. 30 Ibid., 31, Z. 23–25. Hier ist die Reihenfolge der Namen: Horomasdes(?) – Hera Tele(ia)(?) – Herakles/Artagnes – Mithras/Apollon – Helios/Hermes. 31 Text: Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 82–89. Hier sagt König Antiochos: „238 Allen aber, denen ein Sinn eignet, rein von ungerechtem Leben, aber voller Eifer auf heilige Werke, sollen getrost auf das Antlitz der Götter schauen und den glücklichen Spuren der Seligen folgen, und sie sollen auf glücklichen Pfaden auf Grund der Verehrung gegenüber uns einen guten Lebensweg zu eigenen Hoffnungen haben. Diese alle sollen hohen Sinnes aus der Nähe das große himmlische Haus des Zeus sehen und nahe den Augen und Ohren der Götter pflichtgemässe Gelübde und heilige Opfer leisten. Indem sie unsere Pracht der Weihgeschenke und unseren ewigen Ruhm besingen und mit gebührenden Ehrengaben verherrlichen, die erhöhenden Göttern angemessen sind, solle Zeus Oromasdes auf ihre heiligen Bitten hören und sie sollen ihn als gnädigen Mitstreiter ihrer guten Weke haben und neben ihm als Helferin Hera Teleia, und dazu Artagnes Herakles und Mithras Apollon und Helios sowie Hermes, der von den Göttern die vielstimmigste Rede hat“ (nach der Übersetzung von Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 95–96). 32 Text: Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 102–103. Hier berichtet man über die Einsetzung eines Priesters für den Kult des Mithras-Helios Apollon-Hermes: „Der Priester, der von mir für den Kult des Mithras-Helios Apollon-Hermes eingesetzt ist und welcher später bis in alle Ewigkeit dessen Stellung übernimmt, soll von allem anderen befreit, unbehindert und ohne Zögern diesem Gott dienen. Er soll für den Kult sorgen, wie es sich für die heiligen Standbilder und gemeinsamen Altäre ziemt“ (nach der Übersetzung von Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 194). 33 Text: Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 109. Hier ist die Reihe der Götter: Mithras-Helios Apollon-Hermes. 34 Text: Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 124–130. Hier ist die Reihenfolge der Götter: Oromasdes, Hera Teleia, Artagnes Herakles, Mithras Apollo, Helios Hermes. 35 Petzl, „Die Königsinschriften von Kommagene“, 66. 36 Nach der Angaben von Adrych u.a. gibt es insgesamt 6 Inschriften aus dem Königreich von Kommagene, in denen der Gottesname, der aus diesen vier Götternamen zusammengestellt ist, vorkommt. Zur unterschiedlichen Reihenfolge der Namen s. Adyrch u.a., Images of Mithra, Tabelle S. 147. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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die Mehrfachbenennungen nur dort auf, wo die Gottheiten dem Besucher bekannt gemacht werden sollen, in anderen Textstellen wird lediglich der westliche, griechische Name angegeben. Daraus hat man geschlossen, dass der gedankliche Ausgangspunkt der Religion griechisch-hellenistisch bleibt, der orientalische Anteil nur Ergänzung ist.37 Waldmann meint, dass auch die Reihenfolge der Namen eine Bedeutung hat: „Zunächst sei auf die von Mithradates I. Kallinikos stammende Kombination (d.h. Mithras-Apollon und Helios-Hermes – J. L.) eingegangen. Sie zeigt, dass Mithradates I. Kallinikos Mithras und Helios den Göttern Apollon und Hermes vorzog, die in beiden, durch das καί gleichgeordneten Namensgliedern die zweite Stelle einnehmen. Wenden wir uns der Namensreihung von As und At zu, die von Antiochos stammt (Mithras-Helios Apollon-Hermes), finden wir dort dieselbe Erscheinung, denn das καί [...], das die zweite Gruppe der ersten an Bedeutung gleichstellt, fehlt hier. Trotzdem sind durch die Schreibweise (auf At ist vor Apollon ein Zwischenraum freigelassen) zwei Gruppen herausgestellt. Auf der ersten liegt aber aufgrund des fehlenden καί die stärkere Betonung. Und diese Gruppe nennt die beiden von Mithradates I. Kallinikos bevorzugten Götter. Wie nun die gleichfalls auf Antiochos zurückgehende Kombination N 54 f. Par. und die eigentümlichen Formulierungen von Np 37–44 zeigen, folgt an der Spitze der zweiten Gruppe der Antiochos besonders nahestehende Gott Apollon. Daraus ist folgendes abzulesen: Mithras-Helios Apollon-Hermes ist eine Viererkombination, in der Mithras und Helios aus pietätvoller Rücksichtnahme auf die von Mithradates I. Kallinikos bevorzugten Götter die erste Stelle eingeräumt worden zu sein scheint. Der Name des Antiochos besonders nahestehenden Apollon folgt erst nach ihnen – erfährt aber durch den vor ihm freigelassenen Zwischenraum und als der erstgenannte der zweiten Namensgruppe wiederum eine gewisse Betonung. Infolgedessen kann man die Namensreihung von As und At als einen von pietätvoller Rücksichtnahme für seinen Vater bestimmten Versuch des Antiochos bezeichnen, die beiden je für ihn und seinen Vater typischen Bezeichnungen des Sonnengottes in einer Kombination zu vereinen.“38 Links von den Skulpturen auf dem Berg Nemrud Daği liegt eine andere Terrasse, auf der die vorgenannten Gottheiten auf Reliefs dargestellt werden. Auf jedem Relief wird auch König Antiochos dargestellt und dabei immer gezeigt, wie ein Gott dem König die Hand reicht, darunter ist nach der Inschrift Apollon, Mithras,

37 38

Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 103. Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 121–122. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Helios, Hermes dargestellt (Abb. 33).39 Wir haben es hier mit sog. Dexiosis-Szenen zu tun.40 Außer auf Nemrud Daği gab es im kommagenischen Königreich auch andere Kultorte. Die wichtigsten von ihnen lagen in Arsameia am Euphrat,41 Arsameia am Nymphaios,42 in Karakuş,43 in Sesönk,44 in Ancoz45 und in Samosata.46 Auch außerhalb des Heiligtums auf Nemrud Daği hat man Reliefs gefunden, die den Gott Mithras darstellen. Das erste Relief wurde in Samosata am Euphrat gefunden und 1898 publiziert. Nach dem Text Sx stellt es den Gott Apollon-Mithras-HeliosHermes dar. Der Gott ist nackt und trägt auf seinen Schultern einen Mantel. Über seinem Kopf ist die Sonnenscheibe mit 20 Strahlen. Seine rechte Hand ist ausgestreckt. Wahrscheinlich stand vor dem Gott eine andere Person, vermutlich der König Antiochios, und er wurde folglich mit dem Gott in Dexiosis dargestellt.47 Das andere Relief hat man im Jahre 1951 beim Dorf Alut gefunden, und dies stellt die Dexiosis zwischen Antiochos I. und Mithras dar.48 Dieses Kultrelief stammt aus Arsameia am Euphrat.49 Bei den Ausgrabungen in Arsameia am Nymphaios hat man als Oberflächenfund den oberen Teil eines weiteren Reliefs mit Mithras in einer Dexiosis-Szene sichergestellt. Dieses Fragment lag etwa 25 m westlich der Sockenanlage III; den unteren Teil hat man über dem Steilhang entdeckt, der 39

CIMRM, Vol. I, Nr. 30. Zu den Dexiosis-Reliefs in Kommagene s. Waldmann, Der kommagenische Mazdaismus, 62–63. 41 Dörner, „Gerger und die große Inschrift von Gerger“, 17–29; Humann, Puchstein, Reisen in Kleinasien und Nordsyrien; Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 123– 141. 42 Dörner, Goell, „Arsameia am Nymphaios“; W. Hoepfner, „Arsameia am Nymphaios“; Hoepfner, „Arsameia am Nymphaeum und der Allgötterkult Antiochosʼ I“, 56–73; Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 82–97. 43 Dörner, „Ein Drehbohrgerät löst das Problem der sepulkralen Anlage auf dem Karakus, Kommagene“, 60–63; Beck, „The astronomical design of Karakush, a royal burial site in ancient Commagene: a hypothesis“, 10–34. 44 Blömer, „Der Tumulus von Sesönk – Ein Monument des kommagenischen Ahnenkultes?“, 103–110. 45 Wagner, Petzl, „Relief- und Inschriftfragmente des kommagenischen Herrscherkultes aus Ancoz“; Hawkins, „Gods of Commagene: The cult of the Stag-God in the inscriptions of Ancoz“, 65–80. 46 Zoroĝlu, „Samosata. Ausgrabungen in der Kommagenischen Hauptstadt“, 74–83. Wir kennen aus dem Territorium von Kommagene insgesamt zehn Temenoi und drei Hirothesion (Adrych u.a., Images of Mithra, 132; s. auch die Karte 4 S. 152). 47 Brijder, „Stelae from Antiochus I’s temene at Samosata and surraounding area“, 132– 133. Es liegt jetzt in British Museum in London. 48 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 124; Brijder, „Arsameia-on-Nymphaeus“, 242–245. 49 Hoepfner, „Arsameia am Nymphaios und der Allgötterkult Antiochos’ I. Schriften, Bilder und Säulen als Zeugnisse späthellenistischer Kult“, 118; s. auch Dörner, „Mithras in Kommagene“, 123 ff. 40

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die Eski Kale begrenzt. Beide Fragmente gehören nach der Dedikationsinschrift auf der Rückseite zusammen. Nach der Inschrift hat König Antiochos I. diese Darstellung des Mithras-Apollon-Hermes geweiht.50 Im Jahr 2000 kam in Arsameia noch eine weitere Stele zutage, die Antiochos I. beim Handschlag mit Apollon-Mithras-Helios-Hermes zeigt. Dass es sich um diesen Gott handelt, geht aus der über die Rück- und Seitenflächen laufenden Inschrift hervor.51 Die beiden letztgenannten Reliefs sind dem Dexiosis-Relief auf Nemrud Daği ähnlich, auf dem der König Antiochos beim Handschlag mit Apollon-Mithras-Helios-Hermes dargestellt wird. Im Folgenden wird die Gestalt von Mithra/Mithras/Mithres auf den Denkmälern des hellenistischen Kleinasiens näher betrachtet. 2.2 Einzelne Aspekte des Gottes 2.2.1 Der Name des Gottes und seine Epitheta In den Inschriften kommen drei Formen des Gottesnamens vor: Mithra, Mithras und Mithres. Die erste Form verwendet man z.B. in den Inschriften aus Tyana, die zweite in den Inschriften aus Kommagene und die dritte in den Inschriften aus Faraša und aus Sarihüyük; die letzte Namensform ist auch durch Strabon52 und Plutarch53 belegt. Es ist sicher, dass die beiden letztgenannten Namensformen eine gräzisierte Form des indoeuropäischen Gottesnamens Mithra darstellen. Die Gleichsetzung von Mithra mit Helios und Apollon kann man als interpretatio graeca verstehen, die auch bei Strabon54 belegt ist. Seine Gleichsetzung mit Hermes hat im hellenistischen Kleinasien keine Parallele, jedoch im römischen Mithras-Kult. Auch das Epitheton δίκαιος von Mithra hat weder im hellenistischen noch im römischen Mithras-Kult eine Parallele, kann aber, wie Richard Gordon vermutet, auf seine Rolle als Richter hinweisen.55 Diese Rolle des Mithra ist nicht in der griechisch-römischen Religion, doch in der persischen Religion gut belegt. Das ist aber nur eine mögliche Interpretationsweise des Epithetons. Die andere, auf die Gordon ebenso hinweist, ist seine Rolle als Sonnengott, der alle Ungerechtigkeit austilgen kann.56 Merkelbach lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass auch König Antiochos den Titel „gerechter Gott“ führt,57 während sonst δίκαιος als Titel eines Gottes nur aus Tyana in Kappadokien bezeugt ist.

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Ibid., 127. Petzl, „Die Königsinschriften von Kommagene“, 66. 52 Strabon, Geographika, I.5.3.13. 53 Plutarch, Pomp. 24, 7. 54 Strabon, Geographika, I.5.3.13. 55 Gordon, „From Mithra to Roman Mithras“, 451–452. 56 Ibid., 452; s. auch Adrych, Images of Mithra, 141. 57 Merkelbach, „Mithras“, 59. S. seine Inschrift: „Ich, König Antiochos, in Erscheinung tretender gerechter Gott, Freund der Römer und Freund der Griechen, Sohn des Königs Mithridates (4) Kallinikos“ (SO 1–6; Petzl, 61). 51

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2.2.2 Die Darstellungsweisen des Gottes Im Prinzip gab es in Kommagene zwei unterschiedliche Darstellungsweisen von Mithras.58 Auf der Westterrasse des Heiligtums von Nemrud Daği werden alle Götter, darunter auch Apollon-Mithras-Helios-Hermes, auf Thronen sitzend dargestellt. Alle männlichen Götter trägen lange Hosen und Mäntel (Abb. 32).59 Die Statue des Mithra ist nicht in einem Stück erhalten – sein hauptloser Körper sitzt auf dem Thron, sein Kopf liegt nicht weit von seinem Körper auf dem Boden. Dasselbe gilt auch für andere Monumentalskulpturen. Mithra wird als junger, bartloser Mann dargestellt, der die persische Tiara trägt (Abb. 34).60 Das ist eine aus der phrygischen Mütze hervorgegangene konische Kopfbedeckung, deren Spitze nach vorne abgeknickt ist. Sowohl Zeus-Oromazdes als auch Apollon-Mithras-Helios-Hermes halten in der Hand das Barsom-Bündel. Mastrocinque betont, dass die Skulpturen Mithras Ähnlichkeit mit dem König hervorheben – beide werden als die junge Gottheiten dargestellt.61 Im Unterschied dazu trägt König Antiochos als einziger eine armenische Tiara.62 Diese ist an den Seiten abgeflacht und läuft nach oben spitz zu, wobei am oberen Rand fünf strahlenartige Dreiecke zu erkennen sind.63 Über den Tiaren tragen die Götter ein Diadem, das hinten zusammengebunden ist. Apollon-Mithras-Helios-Hermes, Zeus und Antiochos halten in der linken, auf dem Schoß liegenden Hand ein Barsom, ein zusammengeschnürtes Zweigbündel. Herakles hält eine aufrecht stehende Keule in der linken Hand, die bis an die Schultern reicht.64 Die Tatsache, dass die Skulptur des Königs mit den Götterfiguren auf demselben Ebene steht, weist auf die Göttlichkeit des Königs hin.65 Der Königskult von Kommagene, zu dem man viele Parallelen in der hellenistischen Welt finden kann, ist auch faktisch belegt.66 Die andere Darstellungsweise des Gottes zeigt Mithras und König Antiochos (so auf Nemrud Daği; s. Abb. 33) oder König Mithridates I. Kallinikos (so in Arsameia am Nymphaios) vis-à-vis beim Handschlag. Dabei tragen Mithra und König Antiochos die gleiche Kleidung: geschnürte Schuhe, eine lange Hose und 58 Darauf haben auch Rose („A new relief of Antiochus I of Commagene and other stone sculpture from Zeugma“, 220–231) und Adrych u.a. (Images of Mithra, 146–147, bes. Tabelle S. 147) hingewiesen. 59 Brijder, „Nemrud Daği“, 85–94. 60 Dörner, Young, „Sculpture and Inscription Catalogue“, 185. 61 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 54. 62 Dörner, Young, „Sculpture and Inscription Catalogue“, 184. Dörner und Young betonen: „Not only here, but on every other certain representation of Antiochus so far discovered in Commagene, including the coins, the ‘Armenian’ tiara is invariably the headdress of Antiochus“ (ibid.). 63 Über die Tiaras s. Brijder, „Nemrud Daği“, 87–92; über die persische Tiara s. auch Sanders, Young, „Sculpture Analysis“, 491; über die armenische Tiara s. ibid., 397–398. 64 S. Dörner, Young, „Sculpture and Inscription Catalogue“, 182–205. 65 Adrych u.a., Images on Mithra, 136. 66 Ibid., 137–140.

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eine knöchellange Ärmelbluse, die durch eine am Gürtel befestigte Doppelschnur bis über Kniehöhe geschürzt ist. Der Gürtel selbst ist vorn geknotet, die Enden hängen in Schlaufen herab. Von den Schultern fällt ein schwerer, fast bodenlanger Mantel herab.67 Während König Antiochos auch hier die armenische Tiara trägt, trägt Apollon-Mithras-Helios-Hermes auf den Dexiosis-Reliefs auf der Sockelanlage II in Arsameia und auf dem Relief auf Nemrud Daği die persische Tiara (Tiara orthe) mit der typisch nach vorn abknickenden Spitze sowie mit perlenbesetzten Kanten verzierten Wangenlaschen und Nackenschutz, geschmückt mit sechszackigen Sternen, die von einem Mittelpunkt ausstrahlen; dazu auf der Tiara noch ein 8–10 cm breites Diadem, gestaltet als ein einfaches, mit Rauten und Rundscheiben verziertes Band. 68 Den Gott kennzeichnet im Unterschied zur persönlichen Kopfbedeckung des Königs auch ein Strahlenkranz.69 Dieses ikonographische Attribut ist griechisch und kommt bei der Darstellung des Sonnengottes Helios schon wenigstens im 5. Jh. v.Chr. vor (Abb. 35). Mithras trägt einen schweren Mantel, anscheinend ein aus Wolle gearbeitetes Kleidungstück mit breiten Aufschlägen an den Ärmeln. Der Mantel wird vorn offen getragen, ist oben am Hals mit einer Kordel geschlossen, von der man noch die Schlaufe mit den beiden herabhängenden Quasten sieht und die offensichtlich rechts und links um zwei mit einem Blitz verzierte Medaillon-artige Schließen geschlungen ist. Der Mantel verdeckt die sogenannten Anaxyrides, die sich an den Füßen bauschenden Hosen, die in niedrige Schuhe eingesteckt sind.70 Die Kleidung des Gottes ist persisch, und er trägt ein Baresman in der Linken, das Zeichen der Göttlichkeit.71 John H. Young hat festgestellt, dass auch die achämenidischen Vorfahren von Antiochos I. in der Ahnengalerie auf Nemrud Daği72 die sogenannte persische Tiara tragen: eine hohe Fellkappe mit einer nach vorn fallenden Spitze, Ohrenklappen und Nackenschutz.73 Der junge, bartlose Mithras auf Nemrud Daği erinnert an die Darstellungsweise des Apollon in der griechischen Kunst, und man kann sie auf griechische Vorstellungsmuster zurückführen.74 Das ist verständlich, weil Mithras in Kommagene mit Apollon gleichgesetzt wird. Auch der auf einem Thron sitzende Gott ist ein ikonographisches Motiv, das in der Antike schon in der klassischen Zeit 67

Jacobs, „Das Heiligtum auf dem Nemrud Daği. Zur Baupolitik des Antiochos I. von Kommagene und seines Sohnes Mithridates II.“, 79. Auch Clauss merkt an: „Dabei trägt Mitra [...] die Kleidung, wie sie sonst nur Mitgliedern des Herrscherhauses in Kommagene zukommt, was bei keinem der anderen Götter zu beobachten ist“ (Clauss, Mithras, 16). 68 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 123. S. auch Schwertheim, „Mithras“, 15. 69 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 79. 70 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 124. 71 Schwertheim, „Mithras“, 15. 72 Zur Ahnengalerie s. Merkelbach, Mithras, 57–59; Dörner, „Zur Rekonstruktion der Ahnengalerie des Königs Antiochos I von Kommagene“,195–210. 73 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 47. 74 Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 105. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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bekannt war – erinnern wir nur an die Zeus-Statue des Phidias, die er zwischen 438 und 430 v.Chr. für den Zeus-Tempel von Olympia fertiggestellt hat.75 Von den Gottheiten der sog. „orientalischen Religionen“ in der römischen Kaiserzeit hat man Sarapis76 und Kybele (Abb. 36)77 auf dem Thron sitzend abgebildet. Obwohl diese Darstellungsweise der Götter aus dem Nahen Osten stammt, ist das nichts spezifisch „Orientalisches“. Die Gleichsetzung der griechischen Götter mit den iranischen ist in den Inschriften von Kommagene kein Zufall – wegen seiner propagierten Doppelherkunft hat König Antiochos I. in seinen Inschriften die Huldigung der „väterlichen Götter aus Persien und Makedonien“ (N 224 f.) betont. Ausdruck dieser Verehrung sind auch die vorgenannten griechisch-persischen Doppelnamen der Götter. Auch die Kleidung der Götter und des Königs auf den Reliefs betont eine Verbindung mit der persischen Tradition. So stellt D. Schlumberger im kommagenischen Königsornat den orientalischen Zügen achämenidischer Herkunft gewichtige Elemente der Arsakidenzeit zur Seite. Nach ihm hat die achämenidische Königstracht in der kommagenischen Kunst in bemerkenswerten Einzelheiten (Raffung, gürtelloser Mantel) Wandlungen erfahren, die als für die Kleidung der Reitervölker charakteristische Neuerungen bezeichnet werden dürfen. Nach Meinung von Jörg Wagner ist in den kommagenischen Reliefs allerdings das wesentliche Merkmal der parthischen Kunst – die Frontalität in den erzählenden Bildern – erst in Ansätzen ausgeprägt, so dass er der kommagenischen Kunst eine Mittlerrolle zwischen der achämenidischen und der parthischen Kunst zuweist.78 Ein besonders wichtiges Detail in dieser Ikonographie, das auf eine Beziehung zur persisch-parthischen Tradition hinweist, ist die persische Tiara auf dem Kopf des Gottes. Die genaue Bedeutung der Dexiosis-Szene ist nicht bekannt. Die geographisch und zeitlich nächste Parallele zur kommagenischen Dexiosis-Szene bietet ein Tonsiegel aus Doliche (Dülük), das Peter W. Heider ins Jahr 27 v.Chr. oder ins Jahr 21 n.Chr. datiert und das den Bündnisschluss zwischen Jupiter Dolichenus und einem römischen Imperator (Augustus oder Tiberius) darstellt.79 Während auf den Reliefs aus der römischen Kaiserzeit die Dexiosis einen Freundschaftsvertrag zwischen Mithras und Sol anzeigt, hat man die Dexiosis zwischen dem König und Mithra unterschiedlich interpretiert. So meinen Adrych u.a., dass „an act held to represent the continuing assistance of the god through the struggles in the king’s

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Schrader, „Das Zeusbild des Pheidias in Olympia“, 1–71; McWilliam, Taraporewalla u.a. (Hrsg.), The Statue of Zeus at Olympia. 76 Vidman, „Isis und Sarapis“, 122. 77 Borgeaud, „Die Mutter der Götter. Von Anatolien über Griechenland nach Rom“, 84– 91. 78 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 47–48. 79 Haider, Hutter, Kreutzer (Hrsg.), Religionsgeschichte Syriens. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, 236 (Abb. 104). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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life, but one that also explicitly places them on the same level“.80 Bruno Jacobs meint, dass die Götter (darunter auch Apollon-Mithras-Helios-Hermes) dem König durch den Handschlag vielleicht seine Herrschaft verleihen können.81 Otto Puchstein sieht im Handschlag ein Zeichen der Apotheose des Königs, indem dieser von den Göttern der Reihe nach als einer ihresgleichen begrüßt und damit in ihre Reihen aufgenommen wird.82 Puchstein meint auch, „dass hier nach altgriechischer Sitte die Begrüßung ausgedrückt werden soll“83, und sagt, dass die Handreichung veranschaulicht, „dass die einzelnen Götter der Reihe nach den König [...] begrüßen.“84 Auch Young deutet die Dexioseis als „Empfangsszenen“.85 Helmut Waldmann sieht in der Dexiosis einen Begrüßungs- und Anerkennungsakt des Königs Antiochos – er meint, dass der König über die Dexiosis-Reliefs kundtut, dass er ebendiese Götter begrüßt und mit ihnen den Götterkreis seiner Religion bildet.86 Waldmann teilt aber nicht die Meinung Puchsteins und sagt: „Für das Selbstverständnis des Mithridates Kallinikos – wie auch für die Sinndeutung der Dexiosis – ergibt sich daraus: Die Dexiosis ist für ihn nicht Ausdruck einer Apotheose – vielleicht ebenso wenig für seinen Sohn Antiochos –, vielmehr verfügt der König, so wie es ihm die gängige Auffassung vom König als die Epiphanie der segenspendenden Götter und als des religiösen Oberhauptes seines Landes zugesteht, über die Aufnahme eines neuen Götterkreises in sein Herrschaftsgebiet. [...] Der König ist und bleibt dabei das, was der übliche Königskult unter ihm versteht.87 Eine Identifikation mit den, man möchte sagen: lediglich begrüßten Göttern ist keineswegs mitzuverstehen.“88 Und er fasst die Bedeutung der Szene folgendermaßen zusammen: „Antiochos begrüßt die persisch-makedonischen Hochgötter und das allnährende Vaterland Kommagene. Auch der Vorgang, den das Löwenhoroskop darstellt, ist als ‚das Bild einer Dexiosis‘ zu deuten: Regulus Antiochos nimmt die Planetengötter sowie die Tyche-Kommagene zu Gefährten seines jungen Glückes an. Regulus-Antiochos ist und bleibt dabei, was er

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Adrych u.a., Images of Mithra, 129. Jacobs, „Das Heiligtum auf dem Nemrud Dağı“, 78–86. 82 Puchstein, „Die kommagenischen Denkmäler mit Benutzung der Untersuchungen Karl Humanns“, 339. 83 Humann, Puchstein, Reisen in Kleinasien und Nordsyrien, 339. 84 Ibid. 85 Young, Arsameia, 224. 86 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 197–202. 87 Waldmann betont ibid. 200: „Theos ist Antiochos wie viele Könige vor und nach ihm als epiphaner König sowie durch seiner Abstammung“. 88 Ibid., 200. 81

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durch die Thronbesteigung geworden ist: epiphaner König – wie alle Könige seines Kultbereiches, epiphaner König, der sich aus Dankbarkeit für erwiesene Wohltaten die Planetengötter zu Gefährten seines Lebensweges erwählt.“89 Es steht aber außer Zweifel, dass das Motiv der Dexiosis eine innige Verbindung zwischen dem König und den Göttern (darunter auch Apollon-Mithras-HeliosHermes) manifestiert und auf diese Gottheiten als die Schutzgottheiten hinweist.90 2.2.3 Die Funktionen des Gottes Viele Forscher haben die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass Mithras in der Religion von Kommagene eine wichtige Rolle gespielt hat.91 Waldmann meint, dass der Gott Apollon-Mithras-Helios-Hermes im Kult von Kommagene eine Sonderposition hatte und begründet das mit den folgenden Argumenten: 1) Dem Sonnengott wird als einzigem ein eigener Priester bestellt, während sonst nur Götter- oder Ahnengruppen mit einem eigenen Kult ausgestattet werden;92 2) Das ἡμετέραν (As 97) bringt eine gewisse Identifizierung beider Könige mit Mithras-Apollon zum Ausdruck.93 3) Der König Antiochos I. trägt den Beinamen δίκαιος, der auch sonst als ein Titel des Mithras im hellenistischen Kleinasien bestätigt ist (s. 2.2.).94 4) Mithra und König Antiochos tragen auf dem Relief, das Mithras’ Dexiosis mit Antiochos darstellt, dieselben Gewänder.95 5) Der König Antiochos trägt einen spezifischen Halsschmuck – eine doppelte 89

Ibid., 202. Dies meinen auch Adrych u.a.: „Apollo-Mithras, like the other gods at Nemrut Dagi, supports the king through the act of dexiosis and by being enthroned alongside him“ (Images of Mithra, 140). 91 So z.B. Schwertheim 1985: 15; Waldstein 1990: 34. 92 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 165–166. Auch Dörner (Dörner, Goell, „Arsameia am Nymphaios – Die Ausgrabungen im Hierothesion des Mithradates Kallinikos von 1953–1956“, 141 ff.), Schwertheim („Mithras“, Kleinasien in der Antike, 98; Schwertheim weist auf die Tatsache hin, dass im Grabheiligtum des kommagenischen Königs Mithridates I. Kallinikos in Arsameia am Nymphaios in einer Inschrift (Inschrift A 28–31; 57–76) des Königs Antiochos I. ein Priester (hiereus) erwähnt wird, der eigens für den Kult des Mithras-Helios-Apollon-Hermes bestellt war (s. den Text: Jacobs, Die Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien, 28 u. Petzl, „Die Königsinschriften von Kommagene“, 64)) und Adrych u.a. (Images of Mithra, 141) weisen darauf hin, dass der Mithra in Arsameia am Nymphaios der einzige Gott war, der seinen eigenen Priester gehabt hat. 93 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 165–166. 94 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 166; s. auch Adrych u.a., Images of Mithra, 141. 95 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 166; s. auch Adrych u.a., Images of Mithra, 140. 90

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Schnur mit einem ovalen Medaillon in der Mitte. Unter den Götterdarstellungen des Nemrud Daği weist einzig der Mithras des Dexiosis-Reliefs einen dieser Spirale vergleichbaren Halsschmuck auf.96 6) Der König Antiochos wählte für die monatliche Feier seiner Geburt den 16. Tag des Monats, das ein unter dem Schutz des Mithras stehendes Datum ist.97 7) Das Sternsymbol auf den Monumenten weist auf die besondere Nähe des Antiochos zu Apollon-Mithras-Helios-Hermes.98 8) Der Skorpion auf den Münzen des Königs Antiochos I.99 und der geflügelte Blitz100 und die Schlange auf den Skulpturen desselben Königs101 weisen auf Mithras. Den Argumenten 1, 4, 5 und 6 kann man nur zustimmen. Doch die anderen Argumente sind zu mehrdeutig, um sie als Beweise für Mithras’ Sonderstellung im kommagenischen Kult zu benutzen. So kann man das Sternsymbol ebenfalls als Symbol der Verehrung des Königs Antiochos vor Zeus-Oromasdes ansehen.102 Auch δίκαιος ist ein Epithet von Zeus.103 Die Sonderrolle des Mithras im kommagenischen Kult ist nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches auf Grund der obengenannten Argumente gut belegt.104 Da aber neben Mithras eine ganze Reihe von anderen Gottheiten belegt ist, bleibt für die hellenistische Kommagene ungeklärt, welche Rolle Mithras in dieser Religion eigentlich gespielt hat. Doch sind drei Tatsachen sicher: Mithras gehörte zu den Schutzgottheiten von Antiochos und seiner Dynastie; er stand, wie andere Gottheiten von Kommagene, mit dem kommagenischen Herrscherkult in Verbindung;105 und er hatte einen solaren Charakter. Die Tatsachen, dass das Hauptheiligtum von Kommagene auf dem Nemrud Daği das Grabheiligtum (hierothesion) von König Antiochos I. war und dort auch eine Kolossalstatue des Königs stand, betonen ebenso wie die Tatsache, dass Mithras eine gemeinsame Kleidung mit dem König teilte und ihm die

96 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 167. Darauf weisen auch Sanders und Young hin („Sculpture Analysis“, 386). 97 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 170; s. auch Adrych u.a., Images of Mithra, 140. 98 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 170–171. 99 Ibid., 171–172. 100 Ibid., 171. 101 Ibid., 172. 102 Ibid., 171. 103 Ibid., 163. 104 Gegen Hoepfner, der meint, dass die Konstruktion der Götterwelt des Antiochos von der Verehrung aller Götter ausging, was Sonderrollen ausschloss (Hoepfner, „Arsameia am Nymphaios und der Allgötterkult Antiochos I“, 130). 105 Zum kommagenischen Herrscherkult s. Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 43–59.

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Hand reichte, die Verbindung von Mithras mit dem Herrscherkult und seine Funktion als Schutzgottheit der kommagenischen Dynastie. Daneben heben der Strahlenkranz von Mithras und seine Gleichsetzung mit Helios und Apollon seine Solarität hervor – die Ursache dieser Gleichsetzung bestand darin, dass sowohl Mithras als auch Helios und Apollon106 solare Gottheiten waren. Warum Antiochos ihn auch mit Hermes gleichgesetzt hat, bleibt unsicher. Es ist auch nicht sicher, ob Hermes hier in der Funktion des Psychopompos vorkommt, wie Adrych u.a. vermutet haben.107 Viele Forscher haben auch betont, dass der Kult von Kommagene politischpropagandistische Aspekte hatte. Wegen ihrer Stellung zwischen zwei Großmächten, Parthien und Rom, mochten die kommagenischen Herrscher damit ihre vornehme Herkunft, ihre Wurzeln, die auf die Achämeniden zurückgehen, und ihre Römerfreundlichkeit demonstrieren. Der Kultkomplex von Nemrud Daği ist nicht nur dem vergöttlichten König, sondern auch seinen Ahnen und Schutzgöttern gewidmet und versucht mit religiösen Mitteln auch die Autorität der kommagenischen Königsdynastie zu sichern.108 2.3 Zusammenfassung und Ergebnisse In Kleinasien kann man in unterschiedlichen Gegenden Spuren des Mithras-Kultes finden. Auch beweisen die theophoren Eigennamen der kleinasiatischen Herrscher, dass Mithra in dieser Region ziemlich populär war. So haben z.B. im an der Nordküste Kleinasiens gelegenen Königreich Pontos sechs Könige mit dem Namen Mithridates („Gabe des Mithra“) regiert.109 Die größte Konzentration der Denkmäler für Mithra liegt im Königreich Kommagene, in dem man Mithra als einem Schutzgott des dortigen Königs bzw. seiner Dynastie gehuldigt hat. Die Ursache, warum Mithra von den kommagenischen Königen als Schutzgottheit ausgewählt wurde, liegt sicherlich darin, dass die kommagenischen Herrscher ihre Abstammung von den persischen Königen demonstrieren wollten. Dasselbe gilt auch für die andere Gottheiten, die iranische Namen trägen.110 Die griechisch-

106 Die frühesten Belege zu Apollon als Sonnengott stammen aus dem 5. Jahrhundert (Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, 230). Es sei hier erwähnt, dass der Kult des Apollon in Kleinasien sehr populär war und nach der Hypothese von Burkert Apollon anfänglich ein kleinasiatischer, speziell lykischer Gott war (ibid., 224). 107 Adrych u.a., Images of Mithra, 156. 108 Ibid, 139–140; S. auch Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 99–108. 109 Clauss, Mithras, 15; Merkelbach, Mithras, 43–44; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 199. S. auch Schmitt, „Die theophoren Eigennamen mit altiranisch *Miθra-“, 395– 456. 110 Das meint auch Waldmann, der sagt: „Mithradates I. Kallinikos hat offenbar aufgrund seiner besonderen genealogischen Lage die Idee eines reinen persisch-hellenistischen Syn-

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persischen Doppelnamen der Götter von Kommagene kann man als eine „Verbindung der iranischen und griechischen Elemente“111 oder als „griechisch-persischen Synkretismus“ charakterisieren, wie das viele Forscher getan haben.112 Allerdings ist der Begriff „Synkretismus“ zur Beschreibung der Religion der Antike ungenügend – nicht nur deswegen, weil der Begriff „Synkretismus“ Grenzen zwischen unterschiedlichen Kulten voraussetzt, die in den Religionen der Antike nicht notwendig zu finden waren,113 sondern auch, weil dieser Begriff nichts über Umfang und Art der gegenseitigen Einflüsse in einem Kult oder in einer Religion aussagt. Im Blick auf „Synkretismus“ in Kommagene ist auch zu bedenken, was Jörg Wagner anmerkte: „Ist das griechische Element (in diesem Synkretismus – J. L.) unbestritten, so hat sich zur iranischen Komponente eine lebhafte Diskussion entwickelt. Wenn E. Will in den weichen Umrissen und der linearen Zeichnung der kommagenischen Reliefs einen Fortbestand achämenidischer Traditionen erkennt, so erhebt sich die Frage, ob zur Zeit von Antiochos I. über die Tracht der achämenidischen Großkönige noch ein präzises antiquarisches Wissen verfügbar ist.“114 Nicht nur das verlangt eine kritische Überprüfung der Beziehungen des kommagenischen Kults zur altpersischen Religion. Wir werden darauf in Kapitel 5 zurückkommen.

kretismus vorgeschwebt, so wie er in der einfachen Paarung von persischen und griechischen Elemenenten in den Namensreihungen zur Bezeichnung seiner Götter zu Ausdruck kommt“ (Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 147). 111 Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 103. 112 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 147; Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 389; Schwertheim, „Mithras“, 1979, 18; Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene.“ 106; vgl. auch Gordon, „Mithras“, 287 („Synkretismus zwischen iranischen und griechischen religiösen Ideen“). 113 Bonnet, Rüpke, „Einleitung“, 15. 114 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 46. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 3 Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien 1

In der Forschung hat man seit langem Beziehungen zwischen Mithras und Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien postuliert und darüber diskutiert. Im Folgenden betrachten wir zuerst die kommagenischen Mithras-Darstellungen und ihre Beziehungen zur Ikonographie des römischen Mithras-Kultes und danach die Theorie zur kleinasiatischen Herkunft des römischen Mithras-Kultes. 3.1 Die kommagenischen Mithras-Darstellungen und ihre Beziehungen zur Ikonographie des römischen Mithras-Kultes Die kommagenischen Mithras-Darstellungen zeigen wirklich bemerkenswerte Parallelen zur Ikonographie des römischen Mithras-Kultes. Auf den kommagenischen Reliefs trägt Mithras häufig einen schweren Mantel, anscheinend ein aus Wolle gearbeitetes Kleidungsstück mit breiten Aufschlägen an den Ärmeln. Der Mantel wird vorn offen getragen und verdeckt die sich an den Füßen bauschenden Hosen, die sogenannten Anaxyrides, die in niedrige Schuhe eingesteckt sind.2 Auf dem Kopf trägt er eine kunstvoll verzierte persische Tiara (so z.B. auf der Sockelanlage II in Arsameia und auf dem Dexiosis-Relief auf dem Nemrud Daği).3 Ähnliche Kleider trägt Mithras auch in den Darstellungen aus der römischen Kaiserzeit, wobei die phrygische Mütze, die er trägt und die für ihn kennzeichnend ist, aus der persischen Tiara herausgewachsen ist.4 Die Kleidung des kommagenischen sowie des römischen Mithras betont seine iranisch-orientalische Herkunft. Für kommagenische Könige hat diese Kleidung als ein Hinweis auf ihre achämenidische Vorfahren gedient. Auf den kommagenischen Reliefs ist Mithras’ Kopf von einem Strahlenkranz umgeben. Auf den römischen Denkmälern ist eine solche Darstellungsweise nicht

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Dieses Kapitel basiert auf den folgenden Artikeln des Autors: „Mithra in Kleinasien und Mithra(s) im Römerreich: Sind die römischen Mithras-Mysterien in Kleinasien entstanden?“, und „Roman Mithras, Mithra of Commagene, and Miiro in the Kushan Empire – A Study on Comparative Iconography“. 2 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 124. 3 Eleonore Dörner, „Deus pileatus“, 116. 4 Ibid., 113–122. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 3

üblich, doch gibt es Mithras-Monumente aus der römischen Kaiserzeit, die Sonnenstrahlen vom Kopf des Mithras ausgehen lassen.5 Dieses ikonographische Symbol der Solarität, das in der griechischen Kunst eine lange Tradition gehabt hat (Kap. 2), sowie die Inschriften, die Mithras mit Helios und Apollo(n)6 gleichsetzen (auch Kap. 2), kommen sowohl im römischen als auch im kommagenischen Mithras-Kult vor. Wenn wir uns daran erinnern, dass die Mithras-Solarität ein wichtiger Wesenszug des römischen Gottes ist (Kap. 1), kann man sagen, dass sie ein gemeinsamer Zug der beiden Götter sind. Ein wichtiger Berührungspunkt zwischen kommagenischen und römischen Mithras-Kulten besteht darin, dass in Kommagene Mithras u.a. auch mit Hermes gleichgesetzt wird. Im Unterschied zur Gleichsetzung mit Apollon ist diese Gleichsetzung in der hellenistischen Welt außerhalb von Kommagene nicht belegt, doch wird Mithras im römischen Mithras-Kult manchmal zusammen mit Mercur (= Hermes) gehuldigt.7 Manfred Clauss hat hervorgehoben, dass Mercur für viele Mithras-Gemeinschaften im Römerreich wichtig gewesen ist. Das unterstreichen zahlreiche Weihinschriften für Mercur aus Mithräen sowie eine noch größere Zahl von Statuen. Ein Schwerpunkt lässt sich im germanisch-gallischen Raum feststellen, in dem Mercur stark verankert war. Clauss meint, dass sowohl Mithras als Mercur im Mithras-Kult als Seelenführer galten, welche die Seelen der Eingeweihten in den Himmel geleiteten.8 Die Jenseitsvorstellungen sind nicht Thema des vorliegenden Buches, aber hier sei daran erinnert, dass die Vorstellung von der Himmelsfahrt der Seele auch in einer Inschrift auf Nemrud Daği belegt ist (Kap. 2). Auf der Westterrasse des Heiligtums Nemrud Daği ist ein Relief erhalten, auf dem König Antiochos und der Gott Mithras so dargestellt sind, wie auf den römischen Reliefs die Götter Sol/Helios und Mithras: der König beim Handschlag mit dem Gott Apollon-Mithras-Helios-Hermes.9 Auch aus anderen Kultorten von Kommagene hat man ähnliche Dexiosis-Reliefs gefunden (Kap. 2). Diese Ähnlichkeit zwischen hellenistischen und römischen Reliefs ist sicherlich kein Zufall. Wir können vermuten, dass der Handschlag in beiden Kulten dieselbe Bedeutung gehabt hat – als symbolisches Zeichen der innigen Verbindung zwischen zwei

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Merkelbach, „Die Kosmogonie der Mithrasmysterien“, 228. So z.B. in der Nähe von Heilbronn, wo der Hauptmann der in Straßburg stationierten Legion III Augusta in der Mitte des 2. Jahrhunderts Altäre für Mithras, Apollo Pythius und Fortuna errichtete (CIMRM, Vol. 2, Nr. 01295). 7 So z.B. gegen Ende des 3. Jahrhundert in der Provinz Numidia (Algerien), wo ein Altar für Iuppiter, Iuno, Minerva, Mithras, Hercules, Mars, Mercur und den Schutzgott des Ortes errichtet wurde (CIMRM, Vol. 1, Nr. 00140). 8 Clauss, Mithras, 150. 9 Merkelbach, Mithras, Abb. 4. 6

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Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres

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Göttern. Man darf nicht vergessen, dass König Antiochos von Kommagene vergöttlicht wurde;10 hier reichen sich nicht ein Gott und ein Mensch die Hände, sondern zwei Götter, wie auf den römischen Mithras-Reliefs. Wie im römischen Mithras-Kult ein Freundschaftsbund zwischen Mithras und dem Sonnengott Helios/ Sol existierte, so gab es einen Freundschaftsbund zwischen Antiochos von Kommagene und seinem Schutzgott Mithras. Gegenüber der einseitigen Betrachtungsweise, die nur Gemeinsamkeiten betont, seien hier auch Unterschiede zwischen dem kommagenischen und dem römischen Mithras genannt. Im Unterschied zu römischen Mithras-Denkmälern fehlen beim kommagenischen Mithra alle Beziehungen zum Wasser und dem Wachsen der Pflanzen, ebenso verhält es sich mit der kosmischen Ordnung. Der wichtigste Unterschied besteht aber darin, dass auf den kommagenischen Denkmälern solche Szenen fehlen, wie die Geburt des Mithras, die Stiertötungsszene und die Wagenfahrt des Gottes. Der römische Mithras und der kommagenische Mithras haben folglich nur einige gemeinsame Züge. Doch haben die kommagenischen Denkmäler in der Diskussion über den Ursprung des Mithras-Kultes eine wichtige Rolle gespielt. Manche Forscher, wie z.B. Elmar Schwertheim,11 Jenny Rose,12 Roger Beck13 und Helmut Waldmann14, haben auf Grund der Ähnlichkeiten zwischen römischen und kommagenischen Mithras-Denkmälern postuliert, dass der kommagenische Mithras-Kult wahrscheinlich den römischen MithrasKult beeinflusst hat. Waldmann hat den kommagenischen Kult des Mithras als „eine Vorstufe des späteren Mysterienkultes“ bezeichnet.15 Hugh Bowden betrachtet den römischen Mithras-Kult als einen neuen, am Ende des 1. Jh. n.Chr. entstanden Kult, doch meint er, dass einzige Element dieses Kultes aus Kommagene stammen können. Er sagt: „The central elements of the mysteries of Mithras, including the Mithraeum, the tauroctony, initiation and the system of grades, are not found in Commagenian cult. In that sense Mithraism is a new cult, not an imported eastern one. But the basic building blocks, the imagery and the importance of astrology are best explained as coming from Commagene.“16 Um seine Meinung zu bestätigen, weist Bowden auf die Löwen-Horoskope in Nemrud Daği hin17 und betont die engen Beziehungen zwischen Rom und

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S. dazu Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 43–60. Schwertheim, „Mithras“, 13–17. 12 Rose, Zoroastrianism, 74. 13 Beck, „Mithraism“: http://www.iranicaonline.org/articles/mithraism. 14 Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 111 u. 148–149. 15 Ibid. 16 Mystery Cults of the Ancient World, 196. 17 Ibid., 195–196. 11

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Kommagene.18 Auch Elmar Schwertheim sieht ein verbindendes Glied zwischen dem kommagenischen und dem römischen Mithras-Kult in der Gestirnreligion, die ihre Ausdrucksform im obengenannten Horoskop findet.19 3.2 Die Hypothese über die kleinasiatische Herkunft des römischen Mithras-Kultes Schon der „Vater“ der Mithras-Forschung, Franz Cumont, hat die Ansicht vertreten, dass der römische Mithras-Kult ein „Importkult“ sei, der von Kleinasien nach Italien gekommen sei. Obwohl Cumont meint, dass der Mithras-Kult in Kleinasien unterschiedliche Einflüsse (semitisch-babylonische sowie der einheimischen Kulte Kleinasiens) aufgenommen habe,20 bleibt er seiner Meinung nach wesentlich iranisch oder, wie er sagt, „immer seinem Wesen nach ein chaldäisch imprägnierter Mazdaismus“.21 Nach Cumont lagen die Wurzeln dieses Mazdaismus in der iranischen Diaspora in Kleinasien (im Osten Kleinasiens, aber ebenso in Galatien, in Phrygien und in Lydien), und dessen Träger waren die dortigen iranischen Priester, die Magier,22 die auch für Einflüsse der griechischen Kultur offen waren.23 Die Römer haben Cumonts Meinung nach den iranischen MithrasKult in der Zeit kennengelernt, als Rom seine Eroberungen in Kleinasien und Mesopotamien erweiterte,24 d.h. im 1. Jh. v.Chr. Die Ansicht, dass sich der Mithras-Kult von Kleinasien aus auf römisches Gebiet hat ausbreiten können, hat auch im 20. Jahrhundert viele Anhänger gefunden. Die Hypothese von der kleinasiatischen Herkunft des römischen Mithras-Kultes bzw. der Mithras-Mysterien vertraten z.B. Maarten Vermaseren,25 Geo Widengren,26 Hans Schmeja,27 Carsten Colpe,28 Elmar Schwertheim,29 Richard Gordon,30 Michael Speidel,31 David Ulansey,32 Richard Foltz,33 Jenny Rose,34 Roger 18

Ibid., 196. Schwertheim, Kleinasien in der Antike, 98. 20 Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 177ff. 21 Ibid., 174. 22 Ibid., 128. 23 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 15 ff. 24 Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 128. 25 Vermaseren, Mithras, 21–22. 26 Widengren, Die Religionen Irans, 224. 27 Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 11. 28 Colpe, „Mithra-Verehrung, Mithras-Kult und die Existenz iranischer Mysterien“, 378– 405 (= Carsten Colpe, Iranier – Aramäer – Hebräer – Hellenen, 288–315). 29 Schwertheim, „Mithras“, 18. 30 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 964. 31 Speidel, Mithras-Orion. Greek Hero and Roman Army God. 32 Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults. 33 Foltz, Religions of Iran, 24. 34 Rose, Zoroastrianism. An Introduction, 74. 19

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Beck,35 Attilio Mastrocinque36 und Jörg Rüpke.37 So meint z.B. Roger Beck, dass der Mithras-Kult in die römische Welt gerade aus dem Königshaus von Kommagene nach der Eroberung dieses Königreiches durch die Römer (endgültig 72 n.Chr.) gekommen sei. Die Hypothese der kleinasiatischen Herkunft des römischen Mithras-Kultes beruht auf folgenden Argumenten: 1) Es gibt eine Reihe Parallelen zwischen der römischen und kleinasiatischen, besonders kommagenischen Mithras-Ikonographie (s. 3.1). 2) Es gibt eine historische Überlieferung, die die kleinasiatische Herkunft des römischen Mithras-Kultes postuliert. 3) Auf den Münzen aus Kleinasien wird Mithras als Stiertöter dargestellt. 4) Die Darstellungen des stiertötenden Mithras im Westen des Imperiums sind nach dem Modell der Skulpturen der Siegesgöttin Nike geschaffen, die aus Pergamon stammt. Das erste Argument haben wir schon in 3.1 betrachtet. Betrachten wir im Folgenden die anderen drei Argumente näher. 3.2.1 Die historische Überlieferung zur kleinasiatischen Herkunft des römischen Mithras-Kultes Der griechische Schriftsteller Plutarch (ca. 46 – ca. 120 n.Chr.) berichtet in seinem Leben des Pompeius (24, 7), das zu seinem Sammelwerk Bíoi Parállēloi gehört, das wahrscheinlich gegen Ende des 2. Jahrhunderts geschrieben wurde, 38 wie gefangene kilikische Piraten nach ihrer Niederlage gegen Pompeius den Kult des Mithras nach Italien brachten: „Die Seeräuber hielten fremdartige Opferfeiern in Olympos ab und übten geheimnisvolle Riten aus, von denen die des Mithras bis heute fortleben, welcher auch von ihnen zuerst bekannt gemacht worden ist.“39 Diese Nachricht, die wahrscheinlich von Poseidonius aus Apameia (ca. 135 – ca. 51 v.Chr.) stammt,40 hat man in der Forschung unterschiedlich beurteilt. Cumont ist gänzlich davon überzeugt, dass Plutarchs Nachricht historisch zuverlässig ist, und sagt:

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Beck, „Mithraism“; Beck, „The mysteries of Mithras: a new account of their genesis“, 115–128; Beck, „New thoughts on the genesis of the mysteries of Mithras“, 59–76. 36 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 28; 39–40. 37 Rüpke, Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, 322. Rüpke rechnet damit, dass der römische Mithras-Kult eine Stifterperson gehabt hat (ibid.). 38 Romm (Hrsg.), Plutarch: Lives that Made Greek History, vi. 39 Pomp., 24,5. 40 Turcan, Mithra et le mithriacisme, 18–19; Gordon, „From Mithra to Roman Mithras“, 452. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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„Dieser Bericht hat nichts Unwahrscheinliches. Wir wissen, dass sich die erste jüdische Gemeinde, welche sich trans Tiberim ansiedelte, großenteils aus den Nachkommen der Gefangenen zusammensetzte, welche derselbe Pompeius nach der Eroberung Jerusalems (63 n.Chr.) mitgebracht hatte. Dieser besondere Umstand lässt es daher als möglich erscheinen, dass der persische Gott schon seit dem Ende der Republik einige Gläubige in der gemischten Bevölkerung der Hauptstadt gefunden hat. Aber in der Menge der Bruderschaften verschwindend, welche fremde Riten ausübten, fand die kleine Gruppe seiner Verehrer keine Beachtung. Der Yazata teilte die Geringschätzung, mit welcher man den ihn anbetenden Asiaten begegnete. Die Einwirkung seiner Anhänger auf die Masse der Bevölkerung war fast ebenso belanglos als die der buddhistischen Gemeinschaften im modernen Europa.“41 Cumont war absolut sicher, dass der Mithras-Kult der kilikischen Seeräuber mit den späteren römischen Mithras-Mysterien identisch war.42 Auch O.G. v. Wesendonk,43 Maarten J. Vermaseren,44 Robert Turcan45 und Elmar Schwertheim46 zweifeln daran nicht. David Ulansey hat seine ganze Theorie auf Plutarchs Bericht aufgebaut. Er geht davon aus, dass die Ikonographie des Mithras-Kults ein astronomischer Code gewesen ist.47 Nach Ulanseys Theorie erfuhr eine Gruppe von der Stoa anhängenden Intellektuellen in der kilikischen Hauptstadt Tarsus, die ihr Interesse auf die traditionell stoischen Gebiete Astrologie, Astralreligion und astronomische Zyklen richtete, von Hipparchs Entdeckung der Äquinoktien-Präzession. Sie unterstellte die Existenz einer neuen, für dieses kosmische Phänomen verantwortlichen Gottheit, die das gesamte Weltallgefüge in Bewegung setzen konnte und somit ungeheure Macht besitzen musste. In typisch stoischer Manier personifizierte sie dieses neue kosmische Wesen in der Form ihres eigenen einheimischen Gottes Perseus, des Helden sowohl der Stadt Tarsus wie auch des Himmels (weil er auch ein Sternbild war). Die Überlegung, dass ein höchst passendes Symbol für die Präzession der Tod eines Stieres sein würde (da nach Hipparch das letzte Sternbild des Frühlingspunkts dasjenige von Taurus/Stier gewesen war), war für diese Intellektuellen mit der Tatsache verknüpft, dass die Konstellation Perseus genau oberhalb des Sternbilds Taurus lag und so das Bild eines von dem Helden getöteten Stieres hervorrief. Dieses Bild spiegelte so die gewaltige Macht des Gottes, die ihn befähigte, das Zeitalter des Stieres dadurch

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Cumont, Die Mysterien des Mithra, 33–34. Ibid., 33. 43 Wesendonk, Das Weltbild der Iranier, 250 ff. 44 Vermaseren, Mithras, 21–22. 45 Turcan, The Cults of the Roman Empire, 203. 46 Schwertheim, „Mithras“, 19. 47 Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults, 7. 42

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zu beenden, dass er das Frühjahrs-Äquinoktium aus dem Sternbild Taurus hinausschob. Der Kult breitete sich dann bis zu den kilikischen Piraten aus, die beste Verbindungen zu den Reichen und Intellektuellen hatten und die, wie alle Seefahrer, ein starkes Interesse an den Sternen haben mussten, da ihre Navigation ja vom Himmel abhängig war. Schließlich führte das enge Bündnis zwischen den Piraten und Mithridates Eupator, genannt nach Mithra und in mythischer Tradition von Perseus abstammend, die Seeräuber dazu, dem neuen Gott den Namen Mithras zu verleihen.48 Ulanseys Theorie ist sehr kühn und bringt viele Behauptungen zusammen, die nicht Tatsachen, sondern bloße Hypothesen sind (wie z.B. eine Verbindung zwischen den kilikischen Piraten und den stoischen Philosophen in Tarsus oder eine Gleichsetzung von Mithras mit Perseus),49 und wie Nikolai Swerdlow gezeigt hat, ist sie auch astronomisch unbegründet.50 Aber auch unabhängig von Ulanseys Theorie kann man mit Plutarchs Bericht kritisch umgehen. Dass der Mithras-Kult unabhängig von den römischen Mithras-Mysterien im hellenistischen Kleinasien verbreitet war, bestätigen die im vorigen Kapitel betrachteten Inschriften, Reliefs und Skulpturen. Das Vorhandensein dieses Kultes in dieser Gegend schon im vorchristlichen Zeitalter ist also keine Hypothese, sondern eine Tatsache. Deswegen rechnet auch Clauss mit der Möglichkeit, dass dieser Kult mit den gefangenen Piraten in Italien angekommen sein könnte, aber er fügt gleich hinzu: „doch beweist es für die Entstehung des römischen Mysterien-Kultes nichts.“51 Auch Andreas Hensen meint, dass Plutarchs Bericht als wichtiger Hinweis auf eine lebendige Tradition der zoroastrischen Mithras-Verehrung an verschiedenen Orten des hellenistischen Ostens gelten kann, aber dass dieser Bericht sich nicht als früher Beleg des römischen Mithras-Kultes heranziehen lässt.52 Für Christian Witschel besteht das Problem darin, dass die Nachricht von Plutarch sowohl in chronologischer Hinsicht wie auch im räumlichen Kontext völlig isoliert dasteht und somit eine Projektion der Verhältnisse aus Plutarchs eigener Zeit auf eine frühere Epoche darstellen dürfte.53 So versteht Plutarchs Bericht zuletzt auch Bruno Jacobs, der die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass Plutarch in flavischer Zeit lebhafte Kontakte nach Rom unterhielt; sowohl unter Vespasian als auch unter Domitian befand er sich mehrfach in diplomatischer Mission in der Hauptstadt und hatte dort Freunde und Bekannte. So wird er auch von den damals noch jungen, aber gewiss manches Gerücht nährenden Mysterien des Mithras erfahren haben. Da 48

Ibid., 82. Clauss, Mithras, 9–10. 50 Swerdlow, „Hipparchus’ Determination of the Length of the Tropical Year and the Rate of Precession“, 291. 51 Clauss, Mithras, 15. 52 Hensen, Mithras, 24. 53 Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults. Orientalischer Gott oder westliche Neuschöpfung?“, 208–209. 49

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diese als östlich galten und da offenbar bekannt war, dass die Seeräuber Mithras verehrt hatten, lag es für Plutarch nahe, für den zeitgenössischen Leser eine Ursprungserklärung zu konstruieren.54 So ist Plutarchs Bericht für Jacobs ein Beleg weder für iranische noch überhaupt östliche Herkunft der Mithras-Mysterien. Als Argumente gegen Plutarchs Bericht als Beleg für die kleinasiatische Herkunft der römischen Mithras-Mysterien kann man im Folgenden zusammenfassen: 1) Es gibt eine lange, ungefähr 150-jährige Zeitspanne zwischen den in Plutarchs Bericht genannten Ereignissen und den ältesten Denkmälern des römischen Mithras-Kults (sie stammen aus dem Ende des 1. Jh. n.Chr.). Man kann fragen: Warum gibt es keine Spuren vom Mithras-Kult aus diesem langem Zeitraum?55 2) Der Bericht Plutarchs sagt nichts über die Art der kultischen Verehrung und den Inhalt des kilikischen Mithras-Kults aus. In seinem Text fehlt das Wort μυστήρια. Der Schriftsteller benutzt zwar das Wort τελετή, aber die Begriffe μυστήρια, τελετή und ὄργια, die häufig als spezifische Begriffe für die Bezeichnung der Mysterienkulte interpretiert wurden, können in den Texten der römischen Kaiserzeit alle Kulte bezeichnen, also nicht nur diejenigen, die wir heute als Mysterienkulte verstehen.56 3) Es gibt keine Spuren der Mithras-Mysterien in Kleinasien. 4) Im Bericht des Plutarch fehlt alles, was für den römischen Mithras charakteristisch ist (jegliche Anspielungen auf seine Solarität, auf seine Stiertötung usw.). Daraus kann man folgern, dass Plutarchs Bericht kein überzeugender Beleg für die kleinasiatische Herkunft der Mithras-Mysterien ist. 3.2.2 Die Münzen mit Mithras-Darstellungen aus Kleinasien Aus der kilikischen Hauptstadt Tarsus hat man Münzen gefunden, die aus der Regierungszeit von Gordianus III. (238–244 n.Chr.) stammen und Mithras als Stiertöter darstellen.57 Die Darstellung des Gottes weicht von den traditionellen Darstellungen in den Mithräen ab. Der Gott trägt hier eine Strahlenkrone und ist bis auf einen Schurz nackt. Wie in Kap. 1 gezeigt, kann Mithras auch auf den Denkmälern des römischen Mithras-Kultes „unkanonische Kleider“ tragen und wird manchmal mit Strahlen um den Kopf (also als Sonnengott) dargestellt. Die Münzen von Tarsus weisen sicherlich darauf hin, dass der Gott Mithras in dieser

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Jacobs, Die Herkunft und Entstehung der römischen Mithrasmysterien, 32–33. Auf diese Zeitspanne hat auch Merkelbach hingewiesen (Mithras, 45). 56 Lahe, „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“, 187. 57 CIMRM 27. 55

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Stadt verehrt wurde,58 aber unabhängig von der „unkanonischen Darstellungsweise“ haben wir es hier mit dem römischen Mithras zu tun und folglich sind seine Darstellungen auf den Münzen kein Beleg für die kleinasiatische Herkunft des römischen Mithras-Kultes. Dasselbe gilt auch für die Münzen der Stadt Trapezunt, die Mithras als Reitergott abbilden.59 Auch Mithras als Reiter ist eine Darstellungsweise des Gottes, die auch auf den Denkmälern der Kaiserzeit belegt ist.60 3.2.3 Die Darstellung der stiertötenden Nike aus Pergamon Schon Franz Cumont hat vermutet, dass unsere Darstellungen des stiertötenden Mithra mehr oder weniger treue Repliken eines Typus sind, den ein Bildhauer der pergamenischen Schule nach dem Modell der opfernden Siegesgöttin schuf, welche die Balustrade des Tempels der Athena Nike auf der Akropolis schmückte.61 Später haben die Ähnlichkeit dieser Nike-Darstellung mit der Stiertötungsszene auf den kaiserzeitlichen Denkmälern auch Fritz Saxl,62 Elmar Schwertheim63 und Romy Heyner64 betont. Elmar Schwertheims Meinung nach könnte diese Ähnlichkeit dafür sprechen, dass die Anfänge des Mithras-Kultes in Kleinasien liegen.65 Doch kann man nicht beweisen, dass diese konkrete Nike-Darstellung aus der Schule von Pergamon, die auf der pergamenischen Akropolis lag, als unmittelbares Modell für die Stiertötungsszene des Mithras-Kultes gedient hat. Es ist relativ sicher, dass die Darstellung des stiertötenden Mithras durch die Darstellung der stiertötenden Nike inspiriert war, aber in der römischen Kaiserzeit war diese Nike-Darstellung in der antiken Welt gut bekannt66 und als einen Beleg für kleinasiatischen Herkunft der Mithras-Mysterien kann man die Ähnlichkeit der zwei obengenannten Darstellungen deswegen nicht berücksichtigen. 3.2.4 Die Darstellungen des Gottes Sandas als ein neues Argument für die kleinasiatische Herkunft des Mithras-Kultes Ein neues Argument für Kleinasien als Herkunftsland des römischen MithrasKultes hat jüngst Attilio Mastrocinque vorgestellt. In vielen Mithräen sind Statuen gefunden worden, welche einen nackten Mann mit Löwenkopf darstellen, dessen Leib von einer Schlange umwunden ist (manchmal in sieben Windungen). Dieses löwenköpfige Wesen hat oft einen offenen Rachen und meistens auch vier 58

Vermaseren, Mithras, 20–21. Ehling, „Mithra equitans auf den kaiserzeitlichen Münzen von Trapezunt“, 129–133. 60 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 229. 61 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 200. 62 Saxl, Mithras. Typengeschichtliche Untersuchungen. 63 Schwertheim, „Mithras“, 18. 64 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 222. 65 Schwertheim, „Mithras“, 18. 66 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 149. 59

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Flügel. In seinen Händen hält er unterschiedliche Gegenstände (einen Schlüssel, ein Zepter, die Fackeln usw.).67 In manchen Fällen steht er auch auf einer Weltkugel.68 Keine Inschrift weist seine Identität nach. Deswegen haben Forscher zu ihm unterschiedliche Vermutungen angestellt. Während J. Godwin,69 M. J. Vermaseren,70 R. Gordon,71 R. Merkelbach72 und M. Clauss73 ihn als den Zeitgott des hellenistischen Synkretismus (Aion oder Aion-Zurwan; Vermaseren: „a magical Time god“) interpretieren, sehen R. Pettazoni,74 R. Zaehner75 und U. Bianchi76 in ihm (ausgehend vom York-Monument) Ahriman, den Gott des Bösen. Später verzichtete Gordon auf die Anschauung, dass der löwenköpfige Mann der Zeitgott sei, und identifizierte ihn auf Grund einer Inschrift (CIMRM 833 aus York) an einer Statue dieses Gottes mit Arimanius.77 David Bivar meint, dass der Prototyp des löwenköpfigen Mannes der mesopotamischen Unterweltsgott Nergal war.78 Schon F. Cumont hatte die löwenköpfige Figur mit dem Zeitgott, aber nicht mit dem hellenistischen Zeitgott Aion, sondern mit dem iranischen Zeitgott Zerwan gleichgesetzt.79 Zerwan ist sicherlich das iranische Äquivalent des hellenistischen Aion, und es ist möglich, dass die iranischen Anschauungen zu Zerwan auch die hellenistisch-kaiserzeitlichen Aion-Vorstellungen beeinflusst haben,80 aber man kann nicht beweisen, dass die Anhänger des römischen Mithras-Kultes den löwenköpfigen Gott als Zerwan bezeichnet haben. Dieser Gott trägt keine spezifisch iranischen Züge und deswegen haben wir auch keinen Grund, ihn mit dem Iran in Zusammenhang zu bringen. Nach der Hypothese von Attilio

67 CIMRM, Vol. 1, Fig. 29a – Mon. 78; Fig. 29b – Mon. 78; Fig. 36 – Mon. 103; Fig. 85 – Mon. 312; Fig. 86 – Mon. 314; Fig. 89 – Mon. 326; Fig. 90 – Mon. 326; Fig. 109 – Mon. 383; Fig. 144 – Mon. 503; Fig. 152 – Mon. 543; Fig. 153 – Mon. 545; Fig. 156 – Mon. 550; Fig. 157 – Mon. 551; Fig. 188 – Mon. 665. 68 So z.B. CIMRM, Vol. 1, Fig. 152 – Mon. 543; Fig. 153 – Mon. 545. 69 Godwin, Mystery Religions in the Ancient World, 108–109. 70 Vermaseren, „A magical Time god“, 446–456; Vermaseren, Mithras, 94–99. 71 Gordon, „Franz Cumont and the doctrines of Mithraism“, 221f. 72 Merkelbach, Mithras, 103. 73 Clauss, Mithras, 169–174. 74 Pettazzoni, „The monstrous Figure of Time in Mithraism“, 180–192. 75 Zaehner, Zurvan: A Zoroastrian Dilemma. 76 Bianchi, „Mithraism and Gnosticism“, 457–465. Bianchi setzt ihn mit den löwenköpfigen Archonten zusammen, die den Weg der Seele beherrschen, wie Celsus von den Ophiten berichtet. 77 Gordon, „Franz Cumont an the doctrines of Mithraism“, 215–248. 78 Bivar, „Mithra and Mesopotamia“, 275–288. 79 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 96–97. 80 Colpe, „Aion und Zurvan“, 466–469. S. auch Colpe, „Irans Anteil an der Entstehung des antiken Synkretismus“, 365–373.

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Mastrocinque ist der löwenköpfige Gott im Mithras-Kult zwar Arimanius,81 aber sein Prototyp ist der kilikische Gott Sandas,82 der oft seit seleukidischer Zeit bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. auf kilikischen Gold- und Silbermünzen dargestellt wird. Er steht gewöhnlich auf einem geflügelten und gehörnten Löwen,83 aber manchmal wird er auch als ein löwenköpfiger Mann dargestellt.84 Er wurde mit dem Gott Herakles85 und als Gott des Todes gleichzeitig auch mit dem mesopotamischen Gott Nergal gleichgesetzt.86 Für Mastrocinque ist das ein Argument für die kleinasiatisch-tarsische Herkunft des Mithras-Kultes: „We do not offer to change substantially any of the more credible theories on the origins of Mithraism, but do point to Tarsus as the most likely place, in terms of its cultural environment, for the mysteries of Mithras to have first been conceived. The reason for choosing such a locale is not only because of the above-stated views of Ulansey, but also because Tarsus fostered a perfect atmosphere for the development of a deity typical of Mithraism – namely, the lion-headed god – in that the major god of Tarsus, Sandas, was indeed a lion-headed deity. Sandas was celebrated in a festival which was similar to the Roman Imperial apotheosis by immolation on a funerary pyre, whereas Antiochus I. of Commagene was buried under the top of a mountain. The Cilician beliefs thus seem closer to Roman Mithraism than those of Commagene. In fact, small funerary pyres (ustrina) were used by the Romans, and the Imperial apotheosis resorted to an enormous burning pyre, whereas burials on the top of mountains and also the worship of sacred mountains were almost entirely unknown to the Romans and Italian peoples. However Sandas and other related deities were worshipped not only in Tarsus, but also in the adjacent areas. Therefore it might be safer to speak, without precision, of a birth within a large area including Cilicia, Commagene, Cappadocia, and Armenia.“87 Der Autor des vorliegenden Buches ist jedoch der Meinung, dass die Hypothese, nach der der löwenköpfige Gott der Zeitgott sei, am überzeugendsten ist. Darauf weisen die Zähne, die Flügel und viele andere Attribute hin, die für ihn charakteristisch sind; und es gibt die magischen Gemmen, auf denen der Gott Aion mit

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Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 238. Ibid., 28. 238–239. 254. 83 Cox, A Gold Impression of a Tarsus Tetradrachm of Antiochus VIII, 6. 84 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 209. 85 Levy, „The oriental Origin of Herakles“, 47. 86 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 228. 87 Ibid., 28. Mastrocinque lenkt die Aufmerksamkeit auch darauf, dass viele Römer mit Tarsos dichte Kontakte gehabt haben (ibid., 228–232). Zu Sandas s. auch ibid., 232–236. 82

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dem Löwenkopf und von einer Schlange umwunden dargestellt ist.88 Auch wenn Sandas der Prototyp des löwenköpfigen Gottes wäre, wäre das nicht der Beweis für die kleinasiatische Herkunft des Mithras-Kultes als Ganzes. 3.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Obwohl es eine historische Überlieferung gibt, nach der der Mithras-Kult aus Kleinasien nach Italien gekommen sei, kann man nicht beweisen, dass dieser Mithras-Kult mit den kaiserzeitlichen Mithras-Mysterien gleich war. Die kommagenische Ikonographie des Mithras zeigt manche Gemeinsamkeiten mit der römischen Mithras-Ikonographie; das bestätigt, dass der römische Mithras und der kommagenische Mithras einige gemeinsame Züge haben, unter denen das „orientalische Aussehen“, die Solarität und eine Beziehung zum Freundschaftsbund, dessen äußeres Zeichen die Dexiosis ist, die hervorragendsten sind. Doch fehlen auf den kommagenischen Mithras-Denkmälern viele andere Motive, die für den römischen Mithras-Kult charakteristisch sind. Das wichtigste Motiv ist dabei die Stiertötungsszene. Viele Forscher haben vermutet, dass die Mysterien des Mithras in Kleinasien entstanden und von da als Importkult in den Westen gekommen seien. Doch ist eine solche Wanderung des Kultes vom Osten nach Westen nicht beweisbar. Man kann aber damit rechnen, dass aus geographischen Gründen höchst wahrscheinlich einige ikonographische Motive, die im kommagenischen Mithras-Kult und im römischen Mithras-Kult gemeinsam sind, durch die Vermittlung Kleinasiens in den Westen gekommen sind. Die vorgenannten ikonographischen Symbole, die sowohl im kommagenischen Mithras-Kult als auch im römischen Mithras-Kult vorkommen, sind zu genau, um zufällige Parallelen zu sein: Sie bestätigen, dass zwischen dem römischen Mithras und dem hellenistischen Mithra/Mithras/Mithres nicht nur eine Namensverwandtschaft, sondern auch eine inhaltliche Verwandtschaft besteht. Aus den geographischen und chronologischen Gründen kann man diese Verwandtschaft am überzeugendsten so erklären, dass der hellenistische Mithra/Mithras/Mithres die Entstehung einer neuen Göttergestalt in der römischen Religion – der Gestalt des Mithras – beeinflusst hat. Die Gestalt des Mithra/Mithras/Mithres in Kleinasien hat aber wiederum eine lange Tradition hinter sich. Die Spuren dieser Tradition reichen bis in die iranische Religion und Mythologie zurück.

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Vermaseren, „Mithras“, 104; Schmeja, Griechisches und Iranisches in den Mithrasmysterien, 15. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Kapitel 4 Der Gott Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum 1

Der Gott, der im Awestischen den Namen Miθra, auf Altpersisch Mithra und auf Mittelpersisch Mihr trägt, hat im Iran, und nicht nur im Iran, sondern im ganzen iranischen Sprach- und Kulturraum, der sich vom Kaukasus bis nach Zentralasien erstreckte2 und dessen Machtbereich noch umfangreicher gewesen ist (Kap. 2), eine wichtige Rolle gespielt. Die Quellen zu dieser Gottheit, die uns zur Verfügung stehen, sind zahlreicher, mannigfaltiger und stammen aus einem umfangreicheren Zeitraum als die römischen (1.1) oder kleinasiatischen Quellen (s. dazu 2.1). Neben den Schriften und Inschriften, die schon aus der achämenidischen Zeit (6.–4. Jh. v.Chr.) stammen, gehören zu diesen Quellen auch bildliche Darstellungen des Gottes, die nach den Reliefs und Skulpturen aus dem kommagenischen Königreich (1. Jh. v.Chr.) die ältesten belegbaren Darstellungen des Mithra sind (2. Jh. n.Chr.). In dem folgenden Kapitel werden zuerst die aus dem iranischen Kulturraum stammenden Quellen zu Miθra/Mithra/Mihr dargestellt, und danach wird die Gestalt der Gottheit in diesen Quellen beschrieben und analysiert. 4.1 Primärquellen 4.1.1 Avesta Eine Hauptquelle zum Gott Miθra ist die Sammlung der alten Ritualtexte der Religion des Zarathustra, das Avesta.3 Das Problem besteht hier aber darin, dass die einzelnen Texte des Avesta aus unterschiedlichen Zeitaltern (und wahrscheinlich auch aus unterschiedlichen Gegenden des Iran) stammen und sehr schwer datierbar sind.4 Außerdem müssen wir auch damit rechnen, dass die vorhandenen Texte im Laufe der Zeit Veränderungen durchgemacht haben. Die Texte des Avesta werden in zwei Gruppen geteilt – altavestische und jungavestische Texte. Zur ersten Gruppe gehören die Gāthās,5 Yasna Haptaŋhāiti

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Dieses Kapitel basiert auf dem folgenden Artikel des Autors: „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites – uurimus võrdlevast mütoloogiast“. 2 S. Karte bei Wesendonk, Das Weltbild der Iranier. 3 Zur Entstehung des Avesta s. Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 69–114; Kellens, „Avesta i. Survey of the history and contents of the book“; Knäpper, Die Religion der frühen Achaimeniden in ihrem Verhältnis zum Avesta, 21–31. 4 Stausberg, Zarathustra und seine Religion, 23. 5 Stausberg Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 86 ff.; Humbach, „Gathas i.“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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(Yasna 35–41)6 und vier große Gebete aus Yasna 27.7 Als die wichtigsten jungavestischen Textkorpora seien hier die große Mehrzahl der Texte von Yasna,8 Visprad,9 Videvdat,10 Xorde Avesta,11 Sīrōzaning12 und 24 Hymnen aus der Sammlung Yašt13 genannt.14 Dazu gehört auch der 10. Yašt, ein Hymnus, der dem Miθra gewidmet ist.15 Diesen Hymnus hat man unterschiedlich datiert,16 doch ist es sicher, dass er noch im Zeitalter der Achämeniden geschrieben wurde. Zum ältesten Teil des Avesta gehören die Gāthās, deren Autorschaft nach der Überlieferung dem Prophet Zarathustra gehört und die ungefähr ins Jahr 1000 v.Chr. datiert werden.17 Auch die ältesten jungavestischen Texte werden in die vorachämenidische Zeit, in den Zeitraum vom 9./8.–6. Jh. v.Chr., datiert.18 Die Sammlung und Redaktion der einzelnen Texte war wahrscheinlich auch in der Spätzeit der Achämeniden (4. Jh. v.Chr.) noch nicht zu Ende gekommen.19 Ihre heutige Gestalt hat die Sammlung der heiligen Texte erst im spätsassanidischen Zeitalter bekommen.20 4.1.2 Pahlavi-Literatur Neben dem Avesta sind die Hauptquellen zu Mithra (in der Pahlavi-Literatur: Mihr) die Pahlavi-Schriften, also die mittelpersische Literatur, die in großen Teilen aus der Zeit nach der Eroberung der Araber, vorwiegend aus dem 9. und 10.

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Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 101 ff. Kellens, „Avesta i. Survey of the history and contents of the book“; Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 83–86. 8 Ibid., 108–109; Malandra, „Yasna“. 9 Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 109. 10 Ibid., 109–110. 11 Ibid., 110–111. 12 Ibid., 111–112. 13 Ibid., 112–115; Hintze, „Yašts“. 14 Ibid., 107–115. 15 Gershevitch, The Avestan Hymn to Mithra with an introduction, translation and commentary by Ilya Gershevitch, 3–72; Hintze, „Mihr Yašt“. 16 Vgl. Datierungen: Robert Turcan: 6. Jh. v.Chr. (Turcan, The Cults of the Roman Empire, 197); Alvar: 5. Jh. v.Chr. (Alvar, Romanising oriental God, 80–81); Ilya Gershevitch: 2. Häfte 5. Jh v.Chr. (Gershevitch, The Avestan Hymn to Mithra with an introduction, translation and commentary, 3); Gnoli: 5. oder 4. Jh. v.Chr. (Gnoli, „Sol persice Mitra“, 725– 740). Richard Gordon meint, dass die heutige Gestalt des Hymnus im 5. oder 4. Jh. v.Chr. abgefasst wurde. Gordon ist sicher, dass der Text auch Materialien erhält, die aus einer früheren Zeit stammen (Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 967). 17 Kellens, „Avesta i. Survey of the history and contents of the book“. 18 Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 107. 19 Ibid. 20 Stausberg, Zarathustra und seine Religion, 23. 7

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Jahrhundert stammt.21 Diese Texte gehören nicht zum Avesta, aber stehen inhaltlich mit dem Avesta in Verbindung. Unter den Texten, die Mihr nennen, seien hier in erster Linie zwei Schriften genannt: Dādestān ī dēnīg („religiöse Urteile“)22 und Zand ī Wahman yasn (auch unter dem Namen Bahman Yašt bekannt).23 4.1.3 Inschriften der Achämeniden Zu den ältesten Quellen zu Mithra gehören auch die Inschriften der Achämeniden,24 in denen neben anderen Gottheiten auch Mithra vorkommt. Seit der Regierungszeit von Dareios I. (522–486 v.Chr.) kommt in den Inschriften am häufigsten Auramazdā (= aw. Ahura Mazdā) vor. Er wird als Schöpfer und als Gründer der Königsherrschaft des Dareios geschildert. Seit der Regierungszeit von Artaxerxes II. (458–404 v.Chr.) tauchen in den Inschriften auch andere Gottheiten auf; einer davon ist Mithra. Obwohl die Information der Inschriften sehr knapp ist, zeigen sie Mithra als einen populären Schutzgott der Achämeniden. Die antiken Autoren bestätigen diese Rolle des Mithra. Die Inschriften der Achämeniden hat man in unterschiedlichen Editionen veröffentlicht. Die bekanntesten davon sind die Editionen von Lecoq (Les inscriptions de la Perse achemenide, 1997) und Schmitt (Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 2009), denen auch im vorliegenden Buch gefolgt wird. 4.1.4 Münzen und Inschriften aus Kuschan Die Münzen der Kuschanen stammen aus dem Zeitraum vom 2. Jh. v.Chr. bis zum Ausgang des 4. nachchristlichen Jahrhunderts.25 Auf den Münzen der Kuschanen, die aus dem 1.–2. Jh. n.Chr. stammen, werden unterschiedliche Gottheiten dargestellt.26 Ein Gott darunter ist der Gott Mithra, der auf den Münzen als Μιθρο, Μιιρο, Μιορο oder Μιυρο bezeichnet wird. Dies sind die baktrisch-sprachigen Formen des Gottesnamens Mithra.27 Unter anderen Gottheiten wird Mithras außerdem in einer baktrisch-sprachigen Inschrift, die im Jahr 1993 aus Rabātak (heute Afghanistan, Provinz von Baghlān) gefunden wurde, genannt. Nicholas Sims-Williams hat die Inschrift ins 6. Jahr der Zeit von König Kanischka, d.h. ins

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Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 291–297. Ibid., 296–297. 23 Sundermann, „Bahman Yašt“. 24 Strausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 170 ff.; Humbach, „Epigraphy i. Old Persian and Middle Iranian epigraphy“. 25 Göbl, Münzprägung des Kušānreiches, 7. 26 MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 305– 316; MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kushana coinage“, 142– 150. Die Kataloge der Münzen s. Göbl, Münzprägung des Kušānreiches. 27 Humbach, „Mithra in the Kusana period“, 135. 22

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Jahr 132/33 n.Chr. datiert.28 Dieser Text (Z. 7–19) nennt die Götter, denen Kanischka gehuldigt hat. Neben Nana, Umma, Aurmuzd, Sroshard und Narasa wird dabei auch der Gott Mihir (d.h. Mithra) genannt.29 Das Vorhandensein von Mithras in der Inschrift, die im Jahr 1957 im Tempel von Surkh Kotal (Nord-Afghanistan) gefunden wurde, ist dagegen höchst problematisch.30 4.1.5 Die Reliquienkiste von König Kanischka I. Eine Darstellung des Mithras kommt auch auf der Wand der Reliquienkiste von König Kanischka I. vor.31 Diese Kiste wurde im Jahre 1908 in den Ruinen einer buddhistischen Stupa in Shah ji-ki-Dheri (in der Nähe von Peshawar) gefunden und liegt seit dem Ende der 1950er Jahre im British Museum.32 4.1.6 Kuschanisch-sassanidische Münzen Auch auf den kuschanisch-sassanidischen Münzen kommt die Gestalt des Mithras vor (s. z.B. Abb. 40). Die Mithras-Darstellungen auf diesen Münzen unterscheiden sich von den Darstellungen auf den früheren kuschanischen Münzen. 4.1.7 Die Münzen von Ohrmizd I. Der Gott Mithra wird auch auf den Münzen des Königs Ohrmizd I. (regierte 272– 273 n.Chr.) dargestellt (s. Abb. 41). Dies sind die einzigen Münzen von Sassaniden, die diesen Gott darstellen. 4.1.8 Das Felsrelief von Tāq-e Bostān Auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān, das sich in der Nähe des heutigen Kirmanšah (Iran)33 befindet und ins 4. Jahrhundert n.Chr. datiert ist,34 werden drei stehende Figuren dargestellt (4.3.11). Zwei Figuren hat man unterschiedlich identifiziert, aber bezüglich der dritten Figur besteht ein Konsens, dass sie den Gott Mithra darstelle. Hierbei handelt es sich um das einzige Felsrelief aus der sassanidischen Zeit, das diesen Gott darstellt.35

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Sims-Williams, „Bactrian Historical Inscriptions of the Kushan period“. Ibid., 78. 30 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites – uurimus võrdlevast mütoloogiast“, 131–132. 31 König Kanischka hat wahrscheinlich etwa 130–154 n.Chr. regiert. Zum Problem der Datierung der Regierungsdaten der kuschanischen Herrscher s. Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 161–191. 32 Adrych u.a., Images of Mithra, 110–111. Die Kiste trägt die Invenarsnummer 1880.270. 33 Zur Beschreibung des Ortes, wo das Relief liegt, ebenso zur Geschichte des Ortes s. Adrych u.a., Images of Mithra, 82–83. 34 Adrych u.a. datieren die Relief in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts (ibid., 81). 35 Frye, „Mithra in Iranian Archaeology“, 205–211. 29

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4.1.9 Ein Siegel aus der Zeit der Sassaniden Auf einem Siegel, das im British Museum liegt und vom Ende des 4. oder vom Anfang des 5. Jahrhunderts stammt, ist eine Darstellung von Mithra erhalten.36 Es bestätigt, wie auch die vorgenannten Quellen, dass Mithra auch in der Zeit der Sassaniden wichtig war. 4.1.10 Das Deckengemälde in Bāmīan Eine sehr bekannte Darstellung von Mithra gab es in Bāmīan (im heutigen Afghanistan) als Teil der gemalten Komposition, die früher die Decke der Nische geschmückt hat, in der eine 39 Meter hohe Buddha-Statue gestanden hat. Das Deckengemälde, das in die 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts n.Chr. datiert wird, wurde 1999 durch Taliban zerstört, aber wir kennen es dank der Fotos, die erhalten sind.37 4.2 Sekundärquellen 4.2.1 Griechisch-römische Autoren Seit den griechisch-persischen Kriegen (6.–5. Jh. v.Chr.), als die Griechen mit den iranischen Völkern in Kontakt traten,38 haben viele griechische und später auch römische Autoren uns wichtige Angaben zu den Religionen Irans überliefert und auch den Gott Mithra genannt. Solche Autoren sind Herodot (ca. 484 – ca. 425 v.Chr.), Xenophon (ca. 430–354 v.Chr.), Duris aus Samos (ca. 340 – 270 v.Chr.), Ailianos (geb. ca. 200 v.Chr.), Strabo (etwa 64/63 v.Chr. – ca. 20 n.Chr.), Plutarch (46–119 n.Chr.), Curtius Rufus (1. oder 2. Jh. n.Chr.), Cassius Dio (etwa 150 – ca. 235 n.Chr.), Pseudo-Kallisthenes (3. Jh. n.Chr.) und Claudian (ca. 370 – ca. 404 n.Chr.). Sie ergänzen das Bild, das auf den Originalquellen beruht. 4.3 Die Gestalt des Mithra in Quellen aus dem iranischen Kulturraum 4.3.1 Das Wort miθra und der Gottesname Miθra Das Wort miθra geht zurück auf ein indoiranisches Appellativum mitra (Neutr.), das wahrscheinlich schon in dieser Zeit personifiziert und in das maskuline Genus überführt wurde: also Mitra (maskulin).39 Im Avesta kommt das Wort miθra40 36

Grenet, „Mithra ii. Iconography in Iran and Central Asia.“ Ibid. 38 S. zu diesen Kontakten auf der kulturellen Ebene: Burkert, Die Griechen und der Orient, 105–133. 39 Schlerath, „Mithra“, 393. 40 Zur Etymologie des Wortes und des Namens s. Bailey, „The second stratum of the IndoIranian gods“, 15–16; Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 21–33; Schmidt, „Indo-Iranian Mitra Studies: The State of the Cental Problem“, 345–394; Puhvel, „Mithra as an Indo-European Divinity“, 17, 335–355; Bonfante, „The Name of Mithra“, 47–57; Mayrhofer, „Die bisher vorgeschlagenen Etymologien und die ältesten Bezeugungen des Mithra-Namens“, 55f.; Schlerath, „Mithra“, 393–398; Gonda, Die Religionen Indiens. I Veda und älterer Hinduismus, 82. S. auch Kap. 10. 37

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sowohl im Plural als auch im Singular vor; ebenso benutzt man es sowohl als Nomen als auch nomen proprium. Im letzteren Fall hat man es bei dem Namen mit einem Gottesnamen zu tun, der mit dem großen Anfangsbuchstaben markiert wird. Obwohl die Etymologie des Wortes umstritten bleibt (Kap. 9), hat sich seit Ch. Bartholomae und A. Meillet die Übersetzung Vertrag, Vereinbarung durchgesetzt. Nach Rose bedeutet mithra „contract – that which is binding in a legal sense – and also ally“41 – „bond is a translation that covers both concepts.“42 Nach Bartholomae, der das Wort miθra als Vertrag, Abmachung übersetzt, kommt dieses Wort im Avesta nur einmal in einer Bedeutung vor, die sich von dieser Hauptbedeutung unterscheidet und die Nebenbedeutung religiöse Bindung, Verpflichtung hat.43 Bartholomae erklärte aber nicht, in welchem Verhältnis das Nomen miθra zu dem Gottesnamen steht. Meillet hat beide gleichgesetzt und erklärt, dass man im Gott Miθra eine Personifikation des „Vertrages“ sehen muss.44 Diese Erklärung Meillets haben Paul Thieme,45 Ilya Gershevitch,46 Jaan Puhvel47 und Richard Foltz48 unterstützt und verteidigt. Auch Hermann Lommel meint, dass die Übersetzung von miθra als Vertrag ganz berechtigt sei, aber er bietet daneben eine zweite Übersetzung – Treue – und erklärt, dass miθra Vertragstreue bedeutet.49 In seiner Übersetzung des 10. Yašt verwendet er das Wort Treuebund.50 Paul Thieme hält es für wahrscheinlich, dass die Bedeutung des Wortes miθra eine historische Entwicklung durchgemacht hat, es anfänglich Vertrag, danach Vertragsbindung und zuletzt Freundschaft bedeutete.51 In Yašt 10, 116 setzt Thieme voraus, dass ein Vertrag zwischen zwei Brüdern ein wirklicher Vertrag sei und erklärt, dass diese Schriftstelle uns sagen will: falls zwei Brüder einen Freundschaftsvertrag gemacht haben, ist das neunundneunzigmal heiliger (also, verbindlicher), als es ein Vertrag zwischen Fremden wäre.52 Die Übersetzung von miθra als Vertrag haben Friedrich Wolfgang Lenz, Joel Peter Brereton, Ernst Herzfeld und Hanns-Peter Schmidt jedoch kritisiert. Nach 41

Rose, Zoroastrianism. An Introduction, 24. Ibid. 43 Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch, 1183. 44 Meillet, „Le dieu Indo-Iranien Mitra“, 143–159. 45 Thieme, Mitra and Aryama; Thieme, „Mithra in the Avesta“. 46 Gershevitch sagt: „The Avestan common noun miθra-, which is formally indistinguishable from the name of the god, means ‘contract’. It is repeatedly found in the Mithra Yašt, in which Mithra is primarily the god of contract“ (Gershevitch, The Avestan Hymn to Mithra, 26). 47 Puhvel, „Mithra as an Indo-European Divinity“, 335–355. 48 Foltz sagt, dass mithra „a covenant between two parties“ war (Foltz, Religions of Iran: From Prehistory to the Present, 16), und übersetzt „that which causes to bind“ (ibid., 19). 49 Lommel, Die Yäšt’s des Awesta, 61. 50 S. Lommels Übersetzung des Yašt. 51 Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 21–33. 52 Ibid., 25. 42

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Lenz ist die Hauptbedeutung des Wortes Respekt, Frömmigkeit (das bedeutet das Handeln, das mit der Religion in Einklang steht). Es war gerade das, was nach Bartholomae die nur einmal vorkommende Nebenbedeutung war. Für seine Übersetzung sprechen nach Lenz drei Tatsachen: 1) in der neupersischen Sprache bedeutet das Wort mihr Liebe, Freundschaft; 2) im klassischen Sanskrit bedeutet mitra Freund; 3) Yašt 10, 116–117 heißt es: „Zwanzigfach ist der Treuebund (miθra) zwischen Brüdern. [...] von hundertfältiger Dauer zwischen Eltern und Sohn ist der Treuebund (miθra) des mazdayasnischen Glaubens“, woraus Lenz schließt, dass hier die Übersetzung Vertrag nicht passend wäre, weil hier das Wort miθra für Verwandtschaftsbeziehungen verwendet wird.53 Das letzte ist das überzeugendste Argument gegen die Übersetzung von miθra als Vertrag, auch für J. P. Brereton, der als eine Alternative alliance anbietet. Er behauptet, dass diese Übersetzung die angemessene wäre, weil alliance auch Beziehungen umfassen kann, die nicht freiwillig, doch bindend sind.54 E. Herzfeld ist davon überzeugt, dass das Wort miθra im Avesta inhaltlich dasselbe bedeutet wie mitra im klassischen Sanskrit und mihr im Neupersischen. Er gibt zu, dass das Wort in einigen Kontexten Vertrag, Gelübde bedeuten kann, aber definiert miθra als „die moralische Verpflichtung, auf der die Gesellschaft gegründet sei“ und weist als Beleg dafür auf die vorgenannte Schriftstelle Yašt 10, 116–17 hin.55 H.-P. Schmidt hält die Bedeutung contract für miθra für zu eng und empfiehlt stattdessen die Entsprechung alliance: „The use of the term miθra for loyalty [...] is a special Iranian development. In India the clear distinction between blood-relative and mitra continued also in post-Vedic times (cf. Gonda 1973: 77, 101). The Iranian development would be difficult to account that ‘contract’ was the basic meaning of the word. It is, however, explicable on the basis of the meaning ‘alliance’. Taking into consideration that, in the Ṛgveda, mitra refers mostly to alliances between two tribes, be it for the purpose of establishing peaceful relations or of exploits against common enemies, the meaning ‘alliance’ can be considered as the starting point. An ‘alliance’ presupposes the mutual ‘allegiance’ or ‘loyalty’ of the partners, and this connotation was inherent in the Word mitra.“56 So kann man nach Schmidt den Terminus miθra bei allen Verhältnissen verwenden, die Loyalität und Treue verlangen, darunter zunächst Verwandtschaftsbeziehungen, ohne dass dabei zu vermuten wäre, wie Thieme meint, dass die Verwandten (z.B. Vater und Sohn) einen besonderen juridischen Vertrag abzumachen hätten. Die Bedeutung „Vertrag“ ist nach Schmidt sekundär und ist aus dem „Bund“ 53

Lenz, „The ‘Social Functions’ of the Old Iranian Mithra“, 245–255. Brereton, The Ṛgvedic Ādityas, 27. 55 Herzfeld, Zoroaster and his World, 467. 56 Schmidt, „Indo-Iranian Mitra Studies: The State of the Central Problem“, 385. 54

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abgeleitet.57 Der Autor des vorliegenden Buches ist der Meinung, dass ungeachtet der vorgenannten Kritik es berechtigt ist, das avestische Wort miθra als „Abmachung“ oder „Vertrag“ zu übersetzen. Nur an einigen Stellen, wie z.B. Yašt 10, 116–117 ist es berechtigt, dieses Wort etwas anders, etwa als „Treue“ oder „Zuverlässigkeit“ zu übersetzen. Meistens bedeutet miθra doch „Treue“ oder „Zuverlässigkeit“ dem abgemachten Vertrag oder abgelegtem Gelöbnis gegenüber, und Miθra ist der Gott, der die Gelöbnisse und Verträge überwacht. 4.3.2 Der Gott Miθra im Avesta Im Avesta wird Miθra als Gottesname insgesamt 170 Mal genannt, davon 120 Mal im Hymnus, der speziell ihm gewidmet ist, im 10. Yašt.58 Miθra, Anāhitā und viele andere populäre Gottheiten fehlen in den altavestischen Texten, tauchen aber in jungavestischen Texten auf.59 In den letzteren sind die Gesprächspartner Zarathustras nicht nur Ahura Mazdā, sondern auch andere Gottheiten, wie z.B. Vərəθraγna und Anāhitā.60 Das Fehlen von Miθra in älteren Teilen des Avesta, besonders in den Gāthās und in Yasna Haptaŋhāiti, deren Autorschaft dem Prophet Zarathustra selbst zugeschrieben werden,61 hat man mit Zarathustras Religionsreform erklärt – der Prophet hätte sich von früheren Göttern zugunsten von Ahura Mazdā losgesagt. Besonders weit geht in dieser Richtung H. Lommel, der behauptet, Zarathustra hätte eine besondere Antipathie gegenüber Miθra gehabt, weil er den Stier getötet hätte, aber Zarathustra gegen alle blutige Opfer gewesen wäre.62 Doch findet sich die Stiertötung von Miθra in keinem einzigen iranischen Text – als Stiertöter taucht erst Mithras in den kaiserzeitlichen Mysterien im Römerreich auf, deren Existenz nicht früher als Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. belegbar ist.63 Im eschatologischen Text Bundahišn, der aus der frühislamischen Zeit stammt, tötet den Urstier Gāw ī Ēwdād, den Ohrmazd geschaffen hat, der böse Geist Ahriman (Kap. 4). Im Bundahišn erzählt man auch von anderen Stieropfern – in der Endzeit wird der Stier Hadayan durch den Erlöser und seine Helfer geopfert. Also – auch hier ist Miθra kein Stiertöter. Lommel versuchte zu beweisen, dass das Stieropfer von Miθra aus der indoiranischen Zeit stammt, und weist, um es zu bestätigen, auf eine Überlieferung hin, die in einem brāhmaṇa vorkommt, nach der der Gott Soma (= av. Haoma) in Stier-Gestalt getötet wurde. Doch weist nichts

57

Ibid., 386. Jafarey, „Mithra, Lord of Lands“, 55. 59 Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1 115. 60 Ibid., 35. 61 Kellens, „Avesta“. 62 Lommel, „Mithra und das Stieropfer“, 207–218; Lommel, „Die Sonne das Schlechteste?“, 360–373; Lommel, „Kopfdämonen im alten Indien“, 161 ff. 63 Clauss, Mithras, 27–28. 58

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darauf hin, dass sein Töter Miθra gewesen wäre. Obwohl viele Mithraismus-Forscher Lommels kühne Hypothese sich zu eigen gemacht haben,64 hat I. Gershevitch gezeigt, dass diese Hypothese unbegründet ist.65 Sogar über die in der Forschung weitverbreitete Meinung, dass Zarathustra die Tieropfer untersagt hat,66 gibt es keinen Konsens. So meinen z.B. R. Zaehner,67 J. Duchesne-Guillemin68 und M. Boyce,69 dass Zarathustra nicht blutige Opfer als solche verboten hat, sondern den Tieren beim Opfern zu großes Leiden zuzufügen. Auch die Anschauung, dass der Prophet Zarathustra alle älteren Götter aufgegeben hat, ist kein Konsens. Viele Forscher sind der Ansicht, dass Zarathustra Mithra zu einem Gefolgsmann von Ahura Mazdā, nämlich zum Vohu Manah („Gutes Denken“) transformiert hat.70 Vohu Manah ist der Gott, der über die wohltätigen Tiere wacht. Er ist besonders eng mit dem Stier verbunden.71 Später taucht Mithra wieder unter seinem eigenen Namen auf. 4.3.3 Miθra im 10. Yašt Der 10. Yašt oder Mihr-Yašt beginnt mit der Bekanntmachung, dass Ahura Mazdā Miθra geschaffen hat und dass er ihn gleich anbetungswürdig und gleich preiswürdig machte, wie er selbst es ist (Yašt 10.1). Nach Mihr-Yašt ist Miθra „ein gewaltiger Gott, der stärkste unter den Geschöpfen“ (10.6). Er ist „der stärkste der Götter“, „der tapferste der Götter“ und „der siegreichste der Götter“ (Yašt 10.99). Wie Ahura Mazdā, so trägt auch Miθra den Titel ahura (‚Herr‘; Yašt 10.25; 69) und in vielen Fällen betrachtet man sie als gleichwertig.72 Ausgehend von der Bedeutung seines Namens (s. 4.3.1), ist Miθra mit den vertraglichen Verhältnissen verbunden oder ist, wie M. Boyce gesagt hat, die Hypostase der Vertragstreue.73 Im weiteren Sinne gehört er auch mit solchen sozialen Verbindungen zusammen wie Freundschaft, Ehe, Blutverwandtschaft (Yašt 10.116). Deswegen hat Henrik Samuel Nyberg Miθra als einen vor allem sozialen Gott charakterisiert.74 64

Vermaseren, Mithras, 17; Merkelbach, Mithras, 13 ff. Gershevitch, The Avestan Hymn to Mithra, 64; Gershevitch, „Die Sonne das Beste“, 68– 89. 66 Lommel, Die Religion Zarathustras nach dem Awesta dargestellt, 207–218; Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 51. 71; Widengren, Die Religionen Irans, 66; Merkelbach, Mithras, 10. 67 Zaehner, The Dawn and Twilight of Zoroastrianism, 84 ff. 68 Duchesne-Guillemin, La Religion de l’Iran Ancien, 99 ff. 69 Boyce, A History of Zoroastrianism. Vol. 1, 217. 70 Z.B. Dumézil, Naissance d’archanges; Widengren, Die Religionen Irans, 200; Boyce, Zoroastrians. Their Religious Beliefs and Practices, 21. Vohu Manah gehört zu „Wohltätigen Unsterblichen“. S. dazu: Stausberg, Zarathustra und seine Religion, 40–45. 71 Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 105; 107. 72 Thieme, „Mithra in the Avesta“, 502. 73 Boyce, Zoroastrians, 10. 74 Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 60; vgl. auch Alvar, Romanising oriental Gods, 65

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Schon am Anfang des Hymnus wird ermahnt: „Den Vertrag sollst du nicht zunichtemachen, weder den du mit dem Gottlosen, noch den du mit den Frommen deines eigenen Glaubens getroffen hast.“ (Yašt 10.2). Im Hymnus dominiert der Vertrag zwischen Ländern. Miθra wacht darüber, dass die Menschen ihre Verträge halten und straft Vertragsbrecher und Betrüger (Yašt 10.1–2.18): er vernichtet auf wunderbare Weise Häuser, Dörfer, Stämme und Völker (Yašt 10.18); er bringt Schrecken über die Mithra betrügenden Menschen. Er nimmt die Kraft von ihren Armen, die Schnelligkeit von ihren Füssen, die Sehkraft von ihren Augen und das Gehör von ihren Ohren (Yašt 10.23); ihre Pfeile, Speere, Dolche und Keulen erreichen nicht das Ziel (Yašt 10.39–40); sogar die Rosse der Mithra-Betrüger entkommen nicht im Lauf und kommen beim Reiten nicht voran (Yašt 10.20). Aber Miθra belohnt die Menschen, die ihre Verträge halten: er verleiht ihren Rossen Schnelligkeit (Yašt 10.3); er lässt für sie Regen fallen und Kräuter wachsen (Yašt 10.61); er gibt ihnen Scharen von Rindern und Männern, d.h. viele Nachkommen (Yašt 10.28) und weite Weideflächen, weil er der ist, der „breite Weiden (vouru.gaoiioiiti) hat“. Sowohl seine Bestrafungen als auch seine Belohnungen werden nach einem strengem Prinzip verteilt: Im Mihr-Yašt wird durch den ganzen Text wiederholt, dass Bestrafungen denen zuteilwerden, die ihre Verträge brechen, seine Belohnungen aber denen, die ihre Verträge halten. Um fähig zu sein, die Funktionen als Überwacher der Verträge auszuüben, braucht Miθra konkrete Fähigkeiten und Eigenschaften, die er auch nach dem Mihr-Yašt wirklich hat: Er ist „wachsam“ (jagauruuah-) oder genauer gesagt, „ohne Schlaf“ (axvafna-) (Yašt 10.7). Er ist „der Wächter aller Geschöpfe (Yašt 10.54), „der Wächter und Aufseher für das Gedeihen der ganzen Welt“ (Yašt 10.103). Er thront auf dem Gipfel des Bergs Harā und „von da aus blickt er über das ganze Land der Arier“ (Yašt 10.13). Er beschaut all das, „was zwischen Himmel und Erde ist“ (Yašt 10.95). Er ist „tausendohrig“ und „zehntausendäugig“ (Yašt 10.7). Er ist „allwissend“ (Yašt 10.35). Miθra ist auch ein Krieger, der gut ausgerüstet ist. Er hat unterschiedliche Waffen – Pfeile, Bogen, Speere (Yašt 10.128 ff.), aber seine Hauptwaffen sind Streitwagen (Yašt 10.128 ff.) und die Keule (vazra-) mit hundert Warzen und hundert Schärfen (Yašt 10.96). Er vernichtet alle, die ihre Verträge brechen („Mithra-Betrüger“; so schon in Yašt 10.2), aber er kämpft auch gegen Dämonen (daēuua, Yašt 10.26) – er zerstört ihre Köpfe und er ist der Gegner der Hexen (pairikā, Yašt 10.26). Im weitesten Sinne ist Miθra der Gott der Weltordnung, im Avesta aša (entspricht altpersisch arta und vedisch ṛta). Das ist die kosmische Ordnung, die sowohl die Natur als auch das soziale und religiöse Leben umfasst.75 Miθra führt

79. 75 Humbach übersetzt aša als „Wahrsein“, Lentz hingegen als „Wahrheit“. Eine andere Übersetzung ist „(kosmische) Ordnung“, die natürlich zugleich die „wahre“ Ordnung ist. Diese Ordnung umfasst verschiedene Seins-Bereiche: die natürliche und die soziale Welt. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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die Menschen auf den Pfad der aša (Yašt 10.86), aber gleichzeitig beschützt er „alle Geschöpfe“ (Yašt 10.54). Er herrscht über die ganze Erde – er ist „der Länderherr“ (Yašt 10.99). Besonders enge Verbindungen hat Miθra mit den Ländern der Arier (Yašt 10.13). Ein besonders wichtiger Aspekt von Miθra ist seine Verbindung mit dem militärischen Bereich.76 Im Mihr-Yašt wird darauf mehrmals hingewiesen. Über Miθra sagt man, dass ihn „die Herren der Völker verehren, die zum Kampf ziehen gegen blutige Heere, die in Schlachtreihen aufeinander treffen zwischen den kämpfenden Völkern“ (Yašt 10.8); „zu ihm beten die Krieger auf dem Rücken ihrer Rosse“ (Yašt 10.11); „denen verleiht er Sieg, welche ihn kundig und die Wahrheit kennend verehren“ (Yašt 10.16); er ist der, „der die Schlachtreihe vorrücken lässt, der in Schlacht feststehend die Heeresreihen zerbricht“ (Yašt 10.36). Von seinen Waffen und kriegerischen Tätigkeiten war schon oben die Rede. Als sein Gefolgsmann kommt der Siegesgott Verəθraγna vor (Yašt 10.70–72; vgl. 127). Geo Widengren vermutet, dass Miθra mit den kriegerischen Männerbünden der iranischen Stämme verbunden war.77 Schon früher hatte diese Hypothese Stig Wikander vertreten.78 Auch Paul Thiemes Meinung nach war Miθra nur der Gott der Männer; die Verträge, über die er wacht, scheinen im Avesta Thiemes Meinung nach ohne Ausnahme Verträge zwischen Männern oder zwischen Gruppen von Männern zu sein.79 Es ist bemerkenswert, dass auch der römische MithrasKult ein Männerkult war. Widengren80 und Merkelbach81 haben auch im römischen Mithras-Kult Züge gefunden, die an archaische Männerbünde der Naturvölker erinnern. Weiter ist Miθra im Mihr-Yašt mit dem Feuer und mit der Sonne verbunden. Weil es im Iran üblich war, die Bündnisse vor dem Feuer zu schließen und die Verträge am Feuer zu besiegeln, wurde Miθra mit Feuer assoziiert (Yašt 10.127). Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass der Feuergott Ātar zu den Gefolgsleuten von Miθra gehört (Yašt 10.3). Dessen Beziehung zum Feuer kann man auch aufgrund der in späteren iranischen und griechischen Quellen genannten Ordale annehmen, die man bei Gelübden genutzt hat, um die Wahrheit aufzuklären.82 Boyce vermutet, dass die Beziehung von Miθra zum Feuer aus seiner Beziehung zur

Zu letzterer gehören auch Moral, Politik und Ritual (Stausberg, Zarathustra und seine Religion, 38). 76 Viele Forscher haben seine kriegerische Natur betont (so z.B. Lommel, Die Yäšt’s des Awesta, 65; Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 61; Widengren, Die Religionen Irans, 15; Knäpper, Die Religion der frühen Achaimaniden, 67). 77 Widengren, Die Religionen Irans, 24. 78 Wikander, Der arische Männerbund. 79 Thieme, „Mithra in the Avesta“, 503–504. 80 Widengren, Die Religionen Irans, 224. 81 Merkelbach, Mithras, 4. 82 Boyce „Mithra, Lord of Fire“, 69–76; Boyce, A History of Zoroastrianism. Vol. 1, 35. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 4

Sonne als dem himmlischen Feuer stammt.83 Das flammende Feuer kann man auch als die Verkörperung des xvarenah ansehen.84 Später war xvarənah (altpersisch farnah, neupersisch farr), das „Glücksglanz“, bedeutet, das Kennzeichen des eingeweihten rechtgläubigen iranischen Herrschers, und sein Verlust wurde mit dem Verfall der Herrschaft gleichgesetzt.85 Auch xvarənah hat eine Beziehung zur Sonne gehabt – dieser Begriff ist nämlich aus dem Wort „Sonne“ (hvar-, ved. svar-, lat. sol) abgeleitet.86 Später, im Imperium der Kuschanen (aber vielleicht schon in Parthien), wird dem xvarənah als selbstständigem Gott des königlichen Glanzes mit dem Namen Pharro gehuldigt.87 Obwohl schon Ch. Bartholomae vermutete, dass Miθra der Sonnengott der Arier war,88 und auch L. Gray89 und H. Lommel90 davon überzeugt waren, dass Miθra im Avesta mit der Sonne identisch sei, hatte schon A. Meillet auf diese Gleichsetzung verzichtet91, und I. Gershevitch zeigte überzeugend, dass Lommels These unbegründet sei.92 Im 10. Yašt erzählt man, dass Miθra als erster geistiger Gott über die Harā herbeikommt und der unsterblichen Sonne mit ihren schnellen Rossen vorangeht, als erster die goldgeschmückten schönen Berggipfel erreicht (Yašt 10.13). Schon in 128 ist vom Wagen des Miθra die Rede, in 136 hört man vom goldenen Rad dieses Wagens, den weiße Rosse ziehen. Das ist, wie R. Merkelbach und M. Clauss mit Recht angemerkt haben, „ein klares Bild des Sonnenwagens“.93 Doch beweist dieses Bild nicht, dass Miθra mit der Sonne identisch ist – es beweist nur eine Beziehung zwischen Miθra und der Sonne. Sowohl M. Boyce94 als auch M. Stausberg95 lenken die Aufmerksamkeit darauf, dass im Avesta ein Sonnengott existiert, der nicht Miθra, sondern Hvar (altpersisch „die Sonne“) heißt. Der letztere wird häufig samt dem Mondgott Mao genannt. So werden die beiden im Götterkatalog Sīrōza genannt, in dem auch Miθra vorkommt. Auch in Yasna 2.11 werden Miθra und die Sonne als zwei unterschiedli-

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Ibid., 28. Schmidt, „Mithra I. Mitra in Old Indian and Mithra in Old Iranian“; Stausberg, Zarathustra und seine Religion, 60. Zur Konzeption des xvarenah’s s. ibid., 54–56. 85 Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 112; s. auch Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 211; Yarshater, „Iranian common beliefs and world-view“, 345–346. 86 Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 112. 87 Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 325. 88 Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch, 1183. 89 Gray, The Foundations of the Iranian Religions, 96 ff. 90 Lommel, „Die Sonne das Schlechteste?“, 360–373. 91 Meillet, „Le dieu Indo-Iranien Mitra“, 143–159. 92 Gerschevitsch, „Die Sonne das Beste“, 67–89. 93 Merkelbach, Mithras, 25; Clauss, Mithras, 14. 94 Boyce, Zoroastrians, 41. 95 Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 111. 84

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che Gottheiten dargestellt. Diese Angaben werden durch griechisch-römische Autoren gestützt, die zeigen, dass im Zeitalter der Achämeniden die Sonne und Miθra zwei unterschiedliche Götter waren. Zuletzt sei angemerkt, dass im 10. Yašt auch die Formel Miθra-Ahura vorkommt (Yašt 10.113,145), die man als einen Hinweis auf Miθra und Ahura Mazdā verstanden hat.96 Das ist eine Parallele zur Formel Mitra-Varuṇa, die in den Veden auftaucht,97 Diese Formel weist auf die Zusammengehörigkeit dieser zwei persischen Götter, auf die schon am Anfang des 10. Yašt hingewiesen wurde, und sie stammt sicherlich aus vorzarathustrischer Zeit. Auf diese zweiteilige Formel werden wir in den Kapiteln 9 und 10 zurückkommen. 4.3.4 Miθra in anderen avestischen Texten Auch in anderen avestischen Texten finden wir Stellen zu Miθra. Meistens ergänzen sie das Bild von Miθra, das in 10. Yašt entworfen wurde. Im 2. Nyayišn, der ihm gewidmet ist (deswegen nennt man ihn auch Mihr Nyayišn) sagt man über Miθra, dass er „der mächtige yazata, der mächtigste von aller Geschöpfen“ sei (15); in Xvaršet Nyayišn heißt er „der glänzendste von allen geistigen yazatas, die Ahura Mazdā geschaffen hat (7). Nach Yasna 17.2 und Nyayaišn 2.10 ist er der „tausendohrige“ und „zehntausendäugige“. In Yašt 19.35 sagt man, dass Miθra ein „scharfes Gehör hat“. In Yašt 19,5, in Yasna 2.11; 4.16; 6.10; 17.10; 22.13, in Xvaršet Nyayišn 5 und in Nyayaišn 2.12 ist er „der Landesherr aller Länder“. Nach Yasna 1.8; 17.2; 68.22, Visprad 17.2, Xvaršet Nyayišn 15, Nyayaišn 2.10; 13; 14; 17; Gah 1.7 (Havan Gah) und Yašt 2.4; 9 (Amahraspand Yašt) trägt er den Titel „der weite Grasländer hat“. In Yasna 2.11; 4.16; 7.13; 17.10; 22.13 und in Xvaršet Nyayišn 7 kommt wieder die alte Formel „Ahura (und) Miθra“ vor. Aber wir finden auch einige Ausdrücke und Berichte, die im 10. Yašt fehlen. Im 8. Yašt (Tištr Yašt) 7 sagt man, dass Miθra für Tištrya die Bahn geschaffen hat – wahrscheinlich die Bahn, entlang der dieser vergöttlichte Himmelskörper sich bewegen kann. In demselben Text heißt es an einer anderen Stelle (38), dass Miθra diese Bahn gemeinsam mit Ahura Mazdā geschaffen hat und dass sich beide Götter zu Tištrya bewegen, ihn begleitend. Vendīdād 19,27 ff kommt aber eine neue Idee vor. Hier beschreibt man Miθra als Richter über die Seelen. Er richtet sie gemeinsam mit Zurvan und Vohu Manah. 4.3.5 Mithra (Mihr) in der Pahlavi-Literatur In der Pahlavi-Literatur kommt Mithra in der Namensform Mihr vor. Hier werden Rolle und Funktionen weiterentwickelt, die ihm schon im Avesta zugeschrieben wurden. Im Avesta war Mithra der Wächter über die Gerechtigkeit (s. 10. Yašt). In Dādestān ī dēnīg 30.10 wird er zum Richter über die Seele des Verstorbenen. Das ist seine neue Funktion. Im Unterschied zum Werk Vendīdād treten neben 96 97

Schmidt, „Mithra I. Mitra in Old Indian and Mithra in Old Iranian“. Widengren, Die Religionen Irans, 14; Dumézil, Mitra-Varuna. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Mihr als Richter Ohmazd (= Ahura Mazdā), Wahman (= Vohu Manah), Srōs (= Sraoša) und Rašan (= Rašnu) auf. Die zwei letzteren waren schon im Mihr Yašt (10.41; 67; 70) Mithras Gefolgsmänner. In apokalyptischen Texten kommt Mihr in der Rolle des Kämpfers gegen die Mächte des Bösen vor.98 Als solchen treffen wir ihn in den Werken Bahman Yašt (7, 31–36) und Jāmāsp Nāmag an (77). Im Unterschied zu früheren Texten (wie 10. Yašt) findet aber sein Kampf gegen die Dämonen im Rahmen des apokalyptischen Weltbildes statt, das die Geschichte in unterschiedliche Perioden teilt. In den früheren Texten begegnet eine solche Anschauung zur Welt und Geschichte nicht. 4.3.6 Mithra in den Inschriften der Achämeniden In den ältesten Inschriften der Achämeniden nennt man Mithra nicht. Dort kommt nur Auramazdā (= av. Ahura Mazdā) als Schöpfer und Glücksbringer vor99; dieser wird dort auch als der Begründer der Macht des Königs genannt: Auramazdā hat Dareios I. zum König gemacht und ihm das große Reich gegeben.100 Erstmalig taucht Mithra in den Inschriften des Artaxerxes II. (404–359 v.Chr.) aus Susa und aus Ekbatana auf.101 Dort wird er gemeinsam mit Auramazdā und Anāhitā als Schützer des Königs genannt. So sagt Artaxerxes II. in A2Ha: „(P) Diesen Palast habe / (Q) nach dem Willen Ahuramazdās, Anāhitās und Mithras / (R) ich errichtet. / (S) Ahuramazdā, Anāhitā und Mithra / (T) sollen mich stützen.“ (Schmitt, Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 187). In A2Hb sagt er: „(A) Den Palast, / (B) den bezüglich der Säulen steinernen, / (C) hat Artaxerxes, der große König, errichtet, / (D) der Dareios, des Königs, Sohn

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Tomasso Gnoli, „Giuliano e Mitra“, 215–253. So schon in den Inschriften des Dareios I.; Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 166–167. 100 DEa: „(A) Der grosse Gott (ist) Ahuramazdā, / (B) der diese Erde erschaffen hat, / (C) der jenen Himmel erschaffen hat, / der den Menschen erschaffen hat, / (E) der das Clück erschaffen hat für den Menschen, / (F) der Dareios (zum) König gemacht hat, / (G) den einen (xum König über viele, / (H) den einen (zum) Gebieter über viele.“ (Schmitt, Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 96–97). Vgl. auch mit DNa A–H (ibid., 100) oder mit DSt A–F (ibid., 141). Ähnliche Formeln kommen auch in en Inschriften von Xerxes vor (s. z.B. XPa A–H (ibid., 153), XPb A–H (ibid., 155) oder XPc A–G (ibid., 156). Bei Xerxes kommen aber neben Ahuramazdā auch andere Götter vor; z.B. XPb F– I: „(F) Mich soll Ahuramazdā schützen / (G) zusammen mit den Göttern / (H) und mein Reich / (I) und, was von mir geschaffen hat.“ (ibid., 156). 101 S. die Inschriften A2Sd; A2Ha; A2Hb (Schmitt, Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 194–197). 99

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(ist), / (E) ein Achaimenide. / (F) Mithra soll mich schützen (?).“ (ibid., 188). In A2Sa § 2 sagt Artaxerxes: „(A) Diesen Palast / (B) hat Dareios, mein Ururgroßvater, errichtet; / (C) in späterer Zeit, / (D) unter Artaxerxes, meinem Großvater, hat er gebrannt; / (E) nach dem Willen Ahuramazdās, Anāhitās und Mithras / (F) habe ich angeordnet, / (G) diesen Palast (wieder) zu errichten.“ (ibid., 191–192). Und er setzt § 3 fort: „(A) Ahuramazdā, Anāhitā und Mithra / (B) sollen mich schützen / (C) vor allem Unheil; / (D) und das, / (E) was ich geschaffen habe, / (F) soll weder xxxx noch xxxx (zerstören).“ (ibid., 192). Und in A2Sd: „(A) Es kündet Artaxerxes, der König: / (B) Nach dem Willen Ahuramazdā, – / (C) dies (ist) der Palast, / (D) den ich noch zu Lebzeiten als Lust/Jagdschloss/errichtet habe. / (E) Ahuramazdā, Anāhitā und Mithra / (F) sollen mich schützen / (G) vor allem Unheil / (H) und mein Werk.“ (ibid., 194–195). M. Boyce geht davon aus, dass König Artaxerxes II., indem er sich an Anāhitā und Mithra wandte, mit der Tradition brach, nach der Auramazdā allein der anbetungswürdige Gott war.102 Auch für H. S. Nyberg ist der Kult des Mithra und der Anahita bei Artaxerxes II. „ein entscheidendes neues Moment in der Religion der Achämeniden“.103 Nach G. Widengren kann man diese Veränderung als Rückkehr zu alten Gottheiten im Zoroastrismus verstehen, die früher von Auramazdā verdrängt worden waren.104 Die Dreiheit Auramazdā, Anāhitā und Mithra kommt auch in den Inschriften des Nachfolgers von Artaxerxes II, Artaxerxes III. (359– 338 v.Chr.), vor. Die Götter können in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen: in einer Inschrift von Artaxerxes II. (A2Hb) nennt man Mithra allein,105 in einer Inschrift von Artaxerxes III. (A3Pa 24–26) kommen sowohl Auramazdā als auch Mithra vor.106 Mithra hat in diesen Inschriften vorwiegend die Funktion eines Schutzgottes – in der Inschrift A2Hb wendet sich der König Artaxerxes II. an 102

Boyce, Zoroastrians, 61. Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 368. 104 Widengren, Die Religionen Irans, 1965. 105 § 1 F: „Mitra soll mich schützen (?)“ (Schmitt, Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 188). 106 § 3: „(A) Es kündet Artaxerxes, der König: / (B) Diesen steinern Treppenaufgang / (C) habe ich, zu meiner Zeit, errichtet.“; § 4: „(A) Es kündet Artaxerxes, der König: / (B) Mich sollen Ahuramazdā / (C) und Gott Mithra schützen / (D) und dieses Land / (E) und, was von mir geschaffen (worden ist):“ (Schmitt, Die Altpersischen Inschriften der Achaimeniden, 197). 103

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Mithra („Mithra, beschütze mich!“); in der Inschrift A3Pa 24–26 bittet Artaxerxes III. Auramazdā und Mithra um Schutz für sich selbst, das von ihm Errichtete und das Land. Dass Mithra im Zeitalter der Achämeniden im Iran populär war, bestätigen auch die theophoren Eigennamen, die den Namen Mithra enthalten, und zwar auf unterschiedlichen Gebrauchsgegenständen aus Persepolis und auf den Tafeln aus Elam, die schon aus der Zeit von Dareios I. stammen.107 4.3.7 Mithra im Kuschan-Reich108 4.3.7.1 Münzen Zum iranischen Kulturraum gehörte auch das Reich der Kuschanen, dessen Kernland in Zentralasien (auf dem Territorium des heutigen Afghanistan, Tadschikistan und Usbekistan) lag, aber dessen Grenzen im 2. Jahrhundert n.Chr. bis Mittelindien reichten.109 Die ethnische Zugehörigkeit der Kuschanen, die dieses Reich gründeten, ist nicht klar. Sie gehörten zu Stämmen, die seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. aus der Nähe der nordwestlichen Grenzen Chinas auswanderten und in den chinesischen Quellen als ta-yue-zhi bezeichnet werden.110 Man hat sie mit türkischen Stämmen,111 aber auch mit den Skythen oder Tochariern gleichgesetzt.112 Für ihre Zugehörigkeit zu den indoeuropäischen Stämmen spricht die Tatsache, dass das iranische Erbe in ihrer Kultur eine hervorragende Rolle spielt. Vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n.Chr. war das Kuschan-Reich ein wirkliches Imperium, das sowohl mit dem römischen als auch mit dem chinesischen Imperium rege Diplomaten- und Handelskontakte hatte und eine lange Strecke der Seidenstraße kontrollierte, die von den östlichen Provinzen des Imperium Romanum bis nach China reichte.113 Das Kuschan-Reich war multikulturell und multireligiös. Neben unterschiedlichen iranischen und indischen Stämmen wohnten hier auch Griechen, deren Vorfahren während der Siegeszüge Alexanders des Großen nach Osten ausgewandert waren; und deswegen war die hellenistische Kultur auf dem Territorium der Kuschanen weit verbreitet. In der Religionsgeschichte des Kuschan-Reichs114 hat neben der griechischen und der iranischen Religion der Buddhismus eine hervorragende Rolle gespielt (besonders in der Regierungszeit 107

Frye, „Mithra in Iranian history“, 62–63. Das Unterkapitel basiert auf dem Artikel des Autors: „Mithra kultus Kušaani riigis ja iraani usundis“, 96–105. 109 Daniélou, India ajalugu, 136. 110 Enoki, Koshelenko, Haidary, „The Yüeh-chih and their Migrations“, 171. 111 Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 163, 112 Enoki, Koshelenko, Haidary, „The Yüeh-chih and their Migrations“, 173–174; Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 163. 113 Stawiski, Kunst der Kuschan, 14–15; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 306. Zur Bedeutung der Seidenstraße für die Wirtschaft des Kuschanreiches s. auch Mukhamedjanov, „Economy and social system in Central Asia“, 287–288. 114 Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 1994. 108

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des Königs Kanischka).115 Auch Jainismus und unterschiedliche indische Kulte gab es im Kuschan-Reich.116 Die Hauptquellen für die Religionsgeschichte des Kuschan-Reiches sind Münzen und Inschriften. Edward T. Newell hat unterschiedliche Attribute des Mithras (die phrygische Mütze, den Strahlenkranz um den Kopf eines Gottes) schon auf griechisch-baktrischen Münzen entdeckt, die die Vorgänger der kuschanischen Münzen waren.117 Es ist zu vermuten, dass die genannte Münzen unterschiedliche Gottheiten darstellen. Gleichzeitig ist es aber möglich, dass iranische Benutzer der Münzen einige Darstellungen – wie z.B. auf den Silbermünzen des baktrischen Königs Plato (2. Jh. v.Chr.) die Figur eines Lenkers des Sonnenwagens mit Strahlenkranz um den Kopf – als Mithras-Darstellungen verstanden haben, wie Bivar vermutet.118 Seiner Meinung nach kann man auch eine stehende Figur mit dem Zepter und mit Strahlen um den Kopf auf den Münzen desselben Königs mit Mithra gleichsetzen, der wiederum mit Zeus gleichgesetzt war.119 Ebenso hat man vermutet, dass die frühesten Darstellungen des Mithras schon auf den Vorderseiten der Münzen des kuschanischen Königs Vima Takto, alias Soter Megas (etwa 80–100 n.Chr.) vorkommen. Darauf wird der Kopf des Königs, der ein Diadem trägt, dargestellt. Um das Diadem kann man Sonnenstrahlen sehen. Grenet meint, dass diese Darstellung nicht den Gott Mithra, sondern den König Soter Megas darstellt, aber er betont, dass der König hier wie der Gott Mithra präsentiert wird, um die Verbindung zwischen dem König und dem Gott Mithra zu hervorzuheben. Nach Grenet hat man diese Darstellung des Königs nach einer Statue des Apollon, der einen Pfeil in der Hand hält, kopiert.120 Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Münzen von Soter Megas ihn als Sonnengott darstellen möchten,121 aber es ist nicht sicher, dass der König Soter Megas diesem Sonnengott unter dem Namen Mithra gehuldigt hat; es könnte auch Helios oder Apollon sein.

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Der König Kanischka ist als ein Patron des Buddhismus bekannt. Unter seiner Patronage fand etwa 100 n.Chr. die 4. buddhistische Großversammlung statt. Danach begannen sich die Lehren der Sarvāstivāda und der Mahayana weiter zu verbreiten (Mäll, Läänemets, Toome, Ida mõtteloo leksikon, 85; Skilton, Budismi lühiajalugu, 55. Zum Buddhismus im Kuschanreich s. auch: Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 177–183 (bes. 180–183). 116 Gafurov, „The Kushans and world Civilization“, 15; Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 166–167; 183. 117 Newell, „Micellanea Numismatica: Cyrene to India“, 89–91. 118 Bivar, „Mithraic images of Bactria: are they related to Roman Mithraism?“, 742. 119 Ibid., 742–743. 120 Grenet, „Mithra II. Iconography in Iran and Central Asia“. 121 Vgl. bei Clauss, Gott und Kaiser, 93–94 und 102–111 die späteren Münzen der römischen Kaiser Caligula (regierte 37–41 n.Chr.) und Nero (regierte 54–68 n.Chr.), der besonders sein Gleichsein mit dem Sonnengott betonte. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 4

Die ältesten nachweisbaren Darstellungen Mithras finden sich auf den Münzen des Königs Kanischka I.122 Darunter ragen die Goldmünzen hervor, die nun im British Museum liegen.123 Sie wurden nach dem Modell der griechischen und römischen Münzen geprägt und stammen aus der Provinz Baktrien, wahrscheinlich aus Balkh.124Auf den Obversen der Münzen wird König Kanischka dargestellt. Er trägt eine Schirmmütze, ein Diadem, eine Jacke, lange Hosen, einen schweren Mantel und schwere Stiefel.125 An seiner linken Seite hängt das Schwert, in seiner linken Hand hält er einen Speer und mit seiner rechten Hand opfert er an einem kleinen Altar (Abb. 37) Auf den Reversen steht dagegen ein Gott, der nach der Legende der Münze Miiro genannt wird (Abb. 38). Er wird als eine Standfigur eines bartlosen Mannes dargestellt. Er trägt eine enge Tunika, lange enge Hosen, Stiefel und auf den Schultern einen wehenden Mantel. Auf dem Kopf trägt er ein Diadem und an seiner Seite das Schwert. Um seinen Kopf ist der Nimbus mit den Strahlen sichtbar. Seine rechte Hand ist ausgestreckt, wobei seine Finger wie zum Segnen aufgerichtet sind. An seiner Seite hängt das Schwert und seine linke Hand liegt auf dessen Griff. Links von Miiro ist das tamga, das Symbol der kuschanischen Dynastie, dargestellt.126 Wie Adrych u.a. (s. ibid., 102–111) angemerkt haben, gibt es zwischen König Kanischka und Miiro eine Reihe Gemeinsamkeiten (einige Teile der Kleidung, Schwert usw.).127 Beide tragen Kleidung, die für zentralasiatische Nomaden typisch war.128 Die auf den Münzen Kanischkas dargestellte Gottheit hat man nicht nur nach dem Strahlenkranz um den Kopf, sondern auch nach der Münzlegende eindeutig als Mithra identifiziert. Es ist aber merkwürdig, dass die älteren Goldmünzen Kanischkas die Legende Helios, die späteren aber die Legende Miiro tragen.129 Diese Tendenz, griechisch-sprachige Namen mit baktrisch-sprachigen Namen auszutauschen, kann man als „sekundäre Iranisierung“ bezeichnen. Diese

122 König Kanischka hat wahrscheinlich etwa 130–154 n.Chr. regiert. Zum Problem der Datierung der Regierungsdaten der kuschanischen Herrscher s. Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 168–173. 123 Diese wenigstens 20 Münzen tragen die Inventarnummern 1894, 0506.16. Bild: Adrych u.a., Images of Mithra, 107 (Fig. 5.1) u. 109 (Fig. 5.10). 124 Ibid., 106. S. auch: MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 145; MacDowall, „Mithras planetary setting in the coinage of the Great Kushans“, 306–307. 125 Bild: Adrych, Images of Mithra, 109 (Fig. 5.10). 126 Beschreibung: Göbl, Münzprägung des Kušānreiches, 42; Bild: Adrych, Images of Mithra, 109 (Fig. 5.10) und Göbl, Münzprägung des Kušānreiches: Taf. 166: Mao-Miiro 1 (sie stehen einander gegenüber); Miiro 1 (stehend, mit Schwert); Miiro 2 (mit Stab mit Knauf); Taf. 167: Miiro 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11 (mit Speer). 127 Adrych, Images of Mithra, 107. 128 Ibid., 107–108. 129 MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 143. Bild:

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Tendenz, die eine Analogie in der hellenistischen Kommagene hatte (Kap. 2), drückt sich auch bei der königlichen Titulatur aus: Während die erste Serie der Goldmünzen von Kanischka den Titel ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΒΑΣΙΛΕΩΝ ΚΑΝΗϷΚΟΥ trägt, wurde er in der zweiten Serie zum Titel ϷΑΟΝΑΝΟ ϷΑΟ ΚΑΗϷΚΙ ΚΟϷΑΝΟ ausgetauscht.130 Die Position der Finger des Gottes hat Analogien in der hinduistischen Kunst.131 Grenet hat das Schwert als Symbol der königlichen Investitur oder spezifischer als das Symbol des königlichen xhvarənah interpretiert.132 So wie auf den Münzen Kanischkas wird Miiro auch auf den Münzen des Königs Huwischka133 abgebildet. Auf einigen Münzen Huwischkas wird Miiro zusammen mit dem Mondgott Mao dargestellt. Sie stehen vis-à-vis, wobei beide am Gürtel das Schwert tragen. 4.3.7.2 Mithra auf der Wand der Reliquienkiste von König Kanischka I. Auf dem Deckel der Reliquienkiste von König Kanischka I. werden drei Figuren dargestellt: Buddha und zwei Götter – Indra und Brahma (Abb. 39). Auf der Wand der Reliquienkiste findet sich dagegen eine Szene, deren zentrale Figur der König Kanischka ist. Der König wird wie auf seinen Münzen dargestellt – er trägt dieselbe nomadische Kleidung. Rechts und links vom König stehen zwei Gottheiten: Miiro, um dessen Kopf das Halo mit den Strahlen ist und der segnet, wie auf den Münzen, und der Mondgott Mao. Er trägt dieselbe Kleidung wie Miiro, aber hinter seinen Schultern kann man den Halbmond sehen, der sein wichtigstes ikonographisches Attribut ist. Beide Götter reichen dem König einen Halsschmuck, der in der Ikonographie der Kuschanen ein Substitut des Diadems sei.134 Diese Szene hat man als die Investitur des Königs Kanischka interpretiert.135 4.3.7.3 Mithra in den kuschanischen Inschriften Auf dem Territorium des Kuschan-Reiches hat man viele königliche Heiligtümer ausgegraben, die auf baktrisch als bagalaggos und auf indisch als devakulas bezeichnet werden. Die bestbekannten Heiligtümer liegen in Surkh Kotal und Rabatak in Afghanistan und in Mat in Indien.136 In den Heiligtümern von Surkh Kotal und Rabātak hat man Inschriften gefunden, die in der Forschung zur Religionsgeschichte des Kuschan-Reiches eine wichtige Rolle gespielt haben. Die erste Adrych u.a., Images of Mithra, 118 (Fig. 5.14). Diese Münzen liegen auch im British Museum und tragen die Inventarnummern 1888,1208.537. 130 MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 143. 131 Humbach, „Mithra in the Kusana period“, 136. 132 Grenet, „Mithra II. Iconography in Iran and Central Asia“. 133 König Huwischka hat wahrscheinlich etwa 158–166 n.Chr. regiert. 134 Adrych u.a., Images of Mithra, 111. 135 Widengren, Die Religionen Irans, 336. 136 Adrych u.a., Images of Mithra, 113. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 4

Inschrift wurde im Jahr 1957 im Heiligtum Surkh Kotal gefunden und als Inschrift SK4 bezeichnet. Sie gehört in den Anfang der Regierungszeit des Königs Huwischka I. Von der Inschrift gibt es drei Kopien, die mit den Buchstaben M, A und B bezeichnet und durch Andre Mariq und Émile Beneviste publiziert wurden. Die Inschriften berichten von der Gründung des Heiligtums in der Regierungszeit des Königs Kanischka und der Renovierung des Tempels in der Regierungszeit Huwischkas. Nach der Inschrift hieß das Heiligtum Kanēško oanindo bagolango, was man als „Das Heiligtum des Sieges von Kanischka“ übersetzt hat.137 Dieser Tempel war sowohl dem Siegesgott Oandindo als auch dem vergöttlichten König (resp. seiner Dynastie) gewidmet.138 Nach der Meinung von Helmut Humbach war diese Inschrift ein Hymnus an den Gott Mithra.139 Ohne hier länger über die unterschiedlichen Interpretationen zu diskutieren, genügt an dieser Stelle, dass der Autor des vorliegenden Buches der Interpretation von Nicholas Sims-Williams und János Harmatta zustimmt, nach der in der Inschrift der Name Miiro fehlt. In dem Text werden nur zwei Personen genannt, in deren theophoren Namen der Name Mithra (Mihr) enthalten ist – Buzmihr und Mihroman.140 Folglich kann man die Inschrift nicht als Quelle zu Mithra im Kuschan-Reich benutzen, oder genauer gesagt – sie zeigt uns nur, dass der Name Mithra im Kuschan-Reich verbreitet war.141 Die zweite Inschrift wurde im Jahr 1993 in Rabātak (heute Afghanistan, Provinz Baghlān) gefunden. Nicholas Sims-Williams hat die Inschrift ins 6. Jahr der Zeit von König Kanischka, d.h. ins Jahr 132/33 n.Chr. datiert.142 Dieser Text (Z. 7–19) nennt die Götter, denen Kanischka gehuldigt hat. Neben Nana, Umma, Aurmuzd, Sroshand und Narasa wird dabei auch der Gott Mihir (d.h. Mithra) genannt.143 In der Inschrift heißt es:

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Bivar, „Bağlān“. Ibid. und zur Vergöttlichung der Kuschanherrscher s. Widengren, Die Religionen Irans, 342–343. 139 Humbach, Die Kaniška-Inschrift von Surkh-Kotal. 140 Sims-Williams, „Bactrian Historical Inscriptions of the Kushan period“, 78–79. 141 Die „Mithra-phoren Personennamen“ waren auch im Parther-Reich verbreitet, aber von diesen Namen gilt, was Rüdiger Schmitt gesagt hat: „So umfasst beispielsweise die Mehrzahl der aus Nisa bekannten ‚Mithra-phoren Personennamen‘ solche Namen, die schon anderweitig und für frühere Zeit bezeugt sind, bei denen also immer mit der Nachbenennung nach einem früheren Namensträger in der Familie, der Geschichte oder Mythologie zu rechnen ist und aus denen also unter keinen Umständen auf eine besondere MithraVerehrung der Namen verleihenden Eltern geschlossen werden darf.“ (Schmitt, „Parthische Sprach- und Namenüberlieferung aus der arsakidischer Zeit“, 177). 142 Sims-Williams, „Bactrian Historical Inscriptions of the Kushan period“, 77. 143 Ibid., 78. 138

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„May these gods who are inscribed here (keep) the (king) of Kings, Kanishka the Kushan, forever healthy, fortunate (and) victorious.“144 Stausberg macht darauf aufmerksam, dass die Namen der Götter in dieser Inschrift unverkennbar ein avestisches Gepräge haben: Neben Ahura Mazdā (Aurmuzd) und Mithra (Mihr), die beide auch in achämenidischen Inschriften genannt werden, sind dies Sraoša (Srosard) und Nairiio.sanha- (Narasa; mp. Neryosang). Nach Stausberg ist unklar, ob Mozdooano hier als eigene Gottheit oder als Epithet (z.B. „der Barmherzige“) verstanden wird. Die Deutung des Namens Umma bereitet Schwierigkeiten: Auf einigen Münzen von Kanischkas Nachfolger Huwischka tritt sie als Begleiterin von Šiva in Erscheinung, so dass man Umma mit Šivas Gemahlin Uma identifiziert hat.145 Der Name der Göttin Nana steht wahrscheinlich deswegen an der ersten Stellen in der Inschrift von Rabātak, weil der Tempel ihr gewidmet war.146 Es ist aber sicher, dass alle in dieser Inschrift genannten Gottheiten als Schutzgötter des Königs galten. 4.3.8 Mithra in der Religionsgeschichte des Kuschan-Reiches Über Rolle und Funktionen von Mithra in der Religionsgeschichte des KuschanReiches hat man viel diskutiert. Das Pantheon, das auf den kuschanischen Münzen dargestellt wird, enthält insgesamt 33 unterschiedliche Gottheiten.147 Nach ihrer Herkunft kann man diese Götter in drei Gruppen unterteilen: 1) griechischhellenistische Gottheiten: Helios (Ηλιος), Hephaistos (Ηφαηστος), Selene (Σαληνη), Anemos (Ανημος), Herakles (erakilo), Sarapis (sarapo); 2) indische Gottheiten: Boddho (Βοδδο = Buddha)), Metrago boddo (Μετραγο Βοδδο = bodhisattva Maitreya), Maaseno (Mαασηνo = Mahasena), Skando komaro (Σκανδo κoμαρo = Skanda-Kumara (= Kartikeya)), Šakamano boddo (þακαμανο Βοδδο = Buddha Shakyamuni); 3) iranische Gottheiten: Ardoxšo (Αρδοχþο), Ašaeixšo (Aþαειχþo), Atšo (Αθþο), Pharro (Φαρρο), Lrooaspa (Λροοασπο), Manaobago (Μαναοβαγο), Mao (Μαο), Mithro (Μιθρο; andere Namensformen: Miiro (Μιιρο), Mioro (Μιορο), Miuro (Μιυρο)), Moodzoano (Μοζδοοανο), Oado (Οαδο), Oaxšo (Oαxþo), Ooromozdo (Ooρoμoζδο), Oralgno (Οραλαγνο), Tiero (Τιερο).148 Außer den genannten Göttern und Göttinnen hat man auf den Münzen noch eine mesopotamische Göttin dargestellt, deren Name in drei Formen vorkommt: Nana (Νανα), Nanaia (Ναναια), Nanašao (Ναναϸαο); die älteste darunter ist sicherlich die erste.149 Neben ihr kommt auf den Münzen auch eine männliche

144

Nach der Übersetzung von Sims-Williams. Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale, 195. 146 Adrych u.a., Images of Mithra, 114–115. 147 MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 308– 315. 148 Lahe, „Mithra kultus Kušaani riigis ja iraani usundis“, 98. 149 S. dazu: Azarpay, „Nanâ, the Sumero-Akkadian Goddess of Transoxiana“, 536–542. 145

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Gottheit vor, die den Namen Oešo (Οηϸο) trägt und meistens mit Šiva gleichgesetzt wird.150 Die iranischen Gottheiten sind teilweise avestisch-zoroastristische (so z.B. Αρδοχþο = Aw. Aši vaηuhī; Οαδο = Aw. Vāta; Αθþο = Aw. Âtar; Μαο = Aw. Māh), teilweise aber nicht-zoroastrische Gottheiten (so z.B. Λροοασπο;151 Φαρρο152). Obwohl Ahura Mazdā im Pantheon belegt ist, scheint es, dass seine Rolle im Kuschan-Reich ziemlich peripher war.153 Deswegen kann man vermuten, dass die dominierende Form der iranischen Religion im Kuschan-Reich nicht der Zoroastrismus war. Dass man Götter mit unterschiedlicher Herkunft zusammen auf den kuschanischen Münzen findet, hat man unterschiedlich erklärt. Nach der verbreitetsten Erklärung sind auf den Münzen die Götter der unterschiedlichen Völker und Religionen dargestellt, die im multiethnischen und multireligiösen Kuschan-Reich verbreitet waren.154 Sagar betont dabei, dass die kuschanischen Herrscher religiös tolerant waren – wenn ein Herrscher auch eine konkrete Religion oder einen konkreten Kult ausgeübt hat (z.B. den Buddhismus, den Kult des Šiva oder des Višnu), hat er nicht seine bevorzugte Religion zur Reichsreligion erhoben, und er hat keiner Religion in seinem Reich eine privilegierte Position gegeben.155 Auch nach der Meinung von Sircar spiegelt das Zusammensein der unterschiedlichen Gottheiten auf den Münzen die unterschiedlichen Gemeinden und Religionen des mehrsprachigen Kuschan-Reiches wider.156 Rosenfield dagegen stimmt dieser Ansicht nicht zu und macht auf die Tatsache aufmerksam, dass jainistische Gottheiten auf den Münzen fehlen und dass buddhistische Embleme sehr selten vorkommen, obwohl der Buddhismus in der Regierungszeit des Königs Kanischka sicherlich eine Blütezeit hatte. Deswegen meint Rosenfield, dass die Götter auf den Münzen nur eine Auswahl der Götter widerspiegeln. Die meisten Götter waren nach Rosenfield comes augustii – göttliche Begleiter und Unterstützer der Herrscher und folglich als ein Ausdruck der Ideologie der herrschenden Dynastie 150 MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 305– 315; Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 322; Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 180; MacDowall, „Mithra and the deities of the Kushana conage“, 148; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 311. Auch Sircar hält es für möglich, dass Οηϸο Šiva sei, aber das ist seiner Meinung nach nur eine Möglichkeit (Selected Inscriptions bearing on Indian History and Civilization, 147 Anmerkung 6). 151 Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 324. 152 Humbach, „Mithra in the Kushana period“, 137; Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 325. 153 Widengren, Die Religionen Irans, 334; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 310–311. 154 Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 180. 155 Ibid. 156 MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 309.

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zu verstehen.157 Auch Harmatta betrachtet einen Teil der Gottheiten als dynastische Gottheiten, aber er sieht sie im breiteren Kontext der Religionspolitik der kuschanischen Herrscher, deren Ziel es war, den existierenden Synkretismus zu stützen: „In spite of the scanty evidence, fragmentary in many respects, we can draw some general conclusions about religious life throughout the territory of the Kushans. It was highly developed and differentiated. The religious movements of India – Sivaism, Vishnuism, Jainism and Buddhism with their different schools – penetrated Central Asia, as did Indian merchants when Kushan rule facilitated long-distance international trade. In eastern Iran the Indian religions met the Greek divinities, Zoroastrianism and many local pre-Zoroastrian forms of worship, and encountered the ancient Iranian religious ideas of the northern Iranian equestrian nomads. The Kushan kings selected for themselves from this immense variety those religious elements, ideas and forms of cults which fitted their ancient religious traditions and strengthened the religious ideology of their royal power. So the ‘Kushan pantheon’ appearing on the coins represents only a selection of the religious cults of their empire.“158 Nach der Meinung von Harmatta, hat die Wende zur „Iranisierung“ der Religion der Kuschanen in der Regierungszeit des Königs Kanischka I. stattgefunden. Während Vima Kadphises wegen seines Interesses an der Eroberung Indiens in seiner Religionspolitik den Kult von Šiva bevorzugt hatte, stellte sein Nachfolger ins Zentrum seiner Religionspolitik baktrische und iranische Kulte. Während die erste Serie der Münzen von Kanischka noch griechisch-sprachige Legenden trug, wurden sie danach durch baktrische Legenden ersetzt und statt der griechischen Gottheiten erschienen die iranische Gottheiten Mioro, Mao, Atšo und Nana. Doch ist Harmatta davon überzeugt, dass wir keinen Grund haben, von einer Ersetzung des Kultes in der Dynastie der Kuschanen zu sprechen; seiner Meinung nach handelt es sich hier nur darum, dass die interpretatio graeca der dynastischen Gottheiten verlassen wird. Die Darstellungen von Mioro, Mao, Atšo und Nana unterschieden sich nicht von den früheren Formen des Helios, der Selene, des Hephaistos und Artemis-Nanaia. Bemerkenswerterweise wird die Ikonographie der griechischen Mondgöttin Selene für den männlichen iranischen Mondgott in Gebrauch genommen. Die kuschanischen Gottheiten Helios, Selene, Hephaistos und Nanaia sind nicht die griechischen Gottheiten Helios, Selene, Hephaistos und Artemis-Nanaia, sondern die iranischen Götter Mihro, Maho, Atšo und Nana, die göttlichen Patrone der kuschanischen Dynastie, die in Einklang mit der interpretatio graeca mit den Namen der griechischen Götter und mit der griechischen 157

Ibid. Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 321– 322.

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Ikonographie erscheinen.159 Bei den Götterdarstellungen auf den kuschanischen Münzen ist die Hauptfrage die Frage nach ihrer Verbindung zum Zoroastrismus gewesen. So meint H. Humbach, dass man die Götter des iranischen Pantheons bei Kanischka und Huwischka als zoroastrische Gottheiten ansehen kann und dass ihre Zahl mit der Zahl der yazatas im Avesta in der Einklang steht.160 Doch zeige ein Vergleich der zoroastrischen Gottheiten mit den Göttern auf den kuschanischen Münzen, dass es zwischen diesen beiden Gruppen auch Unterschiede gibt. So kommt Humbach zum Schluss, dass das kuschanische Pantheon auch vorzoroastrische iranische Gottheiten umfasst: „[...] it is most instructive that we have two moon gods in the Kusana pantheon. One of them is Mao, who might be considered as Zoroastrian; the other is Manao Bago, who is worthy of further discussion. Manao bago is depicted as a wealthy noble, sitting on a luxurious sofa. He has four arms, with a crescent moon attached to his shoulders. His name has been explained as ‘Lord of the Thought’ (< *Manahō Bagō), and has been equated with the Zoroastrian, Yazata Vohu Manah ‘Good Thought’. But Manao Bago and Vohu Manah are far from identical. With Manao Bago the dualistic concept, which is typical of Zoroastrianism, is missing [...] Besides this, a god with four arms would be unthinkable in Zoroastrianism. That is why he must be attributed to a non-Zoroastrian community, and there is evidence that he was a pre-Zoroastrian.“161 An der Peripherie kann man oft sehr alten Stoff bewahren – denken wir nur z.B. an die israelitische Religion in der Form, wie wir sie auf den Papyri von Elephantine (aus dem 5. Jahrhundert) sehen können – und wahrscheinlich war es so auch im Kuschan-Reich. Der auffallendste Unterschied der iranischen Religion im Kuschan-Reich zum Zoroastrismus besteht darin, dass hier die Spuren der Vorherrschaft des Ahura Mazdā fehlen.162 Im Nachbarstaat der Parther ist seine dominierende Position dagegen offensichtlich.163 Deswegen kann man fragen, ob die iranische Religion, die auf den kuschanischen Münzen erhalten ist, überhaupt Zoroastrismus ist. H. Humbach vermutet, dass die Götter auf den Münzen von Kanischka und Huwischka das lokale buddhistische Pantheon vertreten, das auch iranische Götter in sich integriert hatte.164 Eine Kombination der iranischen und 159

Ibid., 314. Humbach, „Mithra in the Kusana period“, 137. 161 Ibid., 138. 162 Er wird nur in einer Inschrift genannt und sein Name kommt nur auf einer Münze vor (Adrych u.a., Images of Mithra, 114–115). 163 MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 310– 311. 164 Humbach, „Mithra in the Kushana period“, 140. 160

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buddhistischen Elemente sehen wir später auch in Bāmīan (4.3.14). Aber kommen wir zurück zur Position und Funktionen von Miiro. Einerseits ist er der am häufigsten dargestellte Gott auf den Münzen der Kuschanen,165 was auf seine Popularität im Kuschan-Reich hinweist. Andererseits war aber seine Popularität regional begrenzt. Die Münzen, die Mithra darstellen, stammen meistens aus dem Gebiet von Baktrien oder aus anderen Gegenden Zentralasiens, aber in Indien sind solche Münzen ziemlich selten. Das kann man damit erklären, dass das Kuschan-Reich sowohl kulturell als auch religiös heterogen war.166 Der hervorragendste Wesenszug des kuschanischen Mithra scheint sein solarer Charakter zu schein. Das spiegelt wahrscheinlich die Veränderung der Gestalt des Mithra in der iranischen Religion im parthischen Zeitalter wider. Mithra, der auf den kuschanischen Münzen mit dem Strahlenkranz um den Kopf dargestellt wird, gehört als wichtiges Glied zur iranischen ikonographischen Tradition, die im parthischen Zeitalter begann und bis zur sassanidischen Periode reicht. Da der Strahlenkranz um Mithras Kopf erstmalig im hellenistischen Kleinasien auftaucht, kann man vermuten, dass dieses Motiv aus der griechischen Kunst entliehen wurde, in der es als Attribut von Helios schon im vorklassischen Zeitalter belegt ist. Nach Meinung von H. Humbach sind, obwohl der Gottesname Μιιρο etymologisch mit dem Namen Mithra im Avesta identisch sei, ihre Funktionen in beiden religiösen Systemen sehr unterschiedlich. Im kuschanischen Pantheon gibt es eine klare Korrelation zwischen Miiro („Sonne“) und Mao („Mond“). Das steht nicht in Einklang mit zoroastrischen Anschauungen, wie wir sie im Avesta finden, in dem eine Korrelation zwischen Hvar (oder Huuarexšaeta, „Sonne“) und Mao (= aw. Māh- „Mond“) besteht. Im kuschanischen Pantheon nimmt Ašaeixšo eine selbstständige Rolle wie Mithra im Avesta ein.167 Das kann Humbachs Hypothese bestätigen, dass die iranische Religion, die sich auf den Münzen spiegelt, kein Zoroastrismus war.168 Neben der Solarität ist für den kuschanischen Miiro der militärische Aspekt charakteristisch, auf den das Schwert hinweist. Obwohl das Schwert auch das Kennzeichen des Mondgottes Mao ist und es neben diesen beiden im kuschanischen Pantheon noch andere Gottheiten gibt, die militärische Züge tragen, ist es doch bemerkenswert, weil dieser Aspekt auch im Mihr-Yazd wichtig war. In der Pahlavi-Literatur verstärkte sich dieser Aspekt noch. Das steht gut mit der Tatsache in Einklang, dass das Imperium der Kuschanen sich durch militärische Eroberungen verbreitet hat.

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Ibid., 136. S. dazu Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 313–329; Lahe, „Mithra kultus Kušaani riigis ja iraani usundis“, 96–100. 167 Humbach, „Mithra in the Kusana period“, 137. 168 Ibid. 166

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Nicht zuletzt hat Miiro auch mit der Königsherrschaft zu tun. Adrych u.a., die die Darstellung des Königs mit der Darstellung von Miiro auf den Münzen des Königs Kanischka verglichen und auf ihre Gemeinsamkeiten aufmerksam gemacht haben, haben aus diesen Gemeinsamkeiten Folgerungen für die Beziehungen des Königs zu Gott gezogen: „There are a number of similarities between the images of Miiro and Kanishka. […] The most obvious connections, however, are the gaze and the gesture. While the emperor offers at an altar, the god makes a gesture of blessing above the tamga. The tamga symbolizes both the dynasty and the king. It was used as a seal for official business and each of the early kings commissioned a slightly different variation. Both the altar and tamga occupy the same position on the bottom left in the compositions on their respective sides, creating a mutual interdependence of authority that is hard to miss. That interdependence serves a mundane function – to lend authority to the coin. Even users unfamiliar with the script or the religious nuances of the god, and as we shall see that is lot of them, could have read this message. The emperor worships Miiro, Miiro blesses the emperor – trust this money as you would our worldly and divine power.“169 Nach Adrych u.a. zeigt aber die Tatsache, dass der König auf der Vorderseite und der Gott auf der Rückseite der Münzen dargestellt wird, dass ihre Beziehungen ungleich waren – die Stellung des Gottes auf der Reverse der Münzen zeige, dass Miiro im Vergleich zum König eine untergeordnete Position hatte.170 Diese Schlussfolgerung ist aber nicht überzeugend. Als Vorbilder für die kuschanischen Münzen haben griechisch-römische Münzen bedient. Auch auf griechisch-römischen Münzen kommt manchmal auf der Vorderseite ein Portrait eines Herrschers, auf der Rückseite dagegen ein Bildnis einer Gottheit vor, was aber nicht auf ihre Subordination hinweist. Die Interpretationen von Adrych u.a. schließen auch die kuschanischen Denkmäler aus, die die königliche Investitur durch Götter darstellen. Miiro ist auch bei der königlichen Investitur tätig. So ist er gemeinsam mit dem Mondgott Mao auf der Wand der Reliquienkiste des Königs Kanischka I. abgebildet. Sie verleihen hier dem Herrscher die Investitur. Die Namen der Gottheiten sind sehr deutlich geschrieben.171 Miiros Tätigkeit bei der königlichen Investitur ist bemerkenswert, weil Mithra schon in den Inschriften der Achämeniden mit der Königsherrschaft in Verbindung gestanden hat. Seine Rolle bei der königlichen Investitur dauert auch im sassanidischen Zeitalter fort. Auch die anderen

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Adrych u.a., Images of Mithra, 108–109. Ibid., 109. 171 Widengren, Die Religionen Irans, 336. 170

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Gottheiten, die auf den kuschanischen Münzen von Kanischka und Huwischka vorkommen, hat man als comes augustii verstanden.172 4.3.9 Mithra auf den kuschanisch-sassanidischen Münzen Im 3. Jh. n.Chr. begann der Untergang des Kuschan-Reiches. Es ist in unterschiedliche Teile zerfallen. Dazu hat auch das Auftauchen einer neuen politischen Macht, des Reiches der Sassaniden, beigetragen. Die Sassaniden eroberten 230 n.Chr. das Kernland des Kuschan-Reichs, Baktrien, und machten es zu einem untergeordneten Königreich, Kushanshar.173 Gleichzeitig haben die Kuschanen auch ihre Gebiete in Indien verloren.174 In dieser Zeit ist eine neue kuschanisch-sassanidische Dynastie entstanden, deren Münzen, die aus dem Ende des 3. und dem Anfang des 4. Jahrhunderts stammen, u.a. den Gott Mithras darstellen. Auf den kuschanisch-sassanidischen Münzen erscheint eine neue Darstellungsweise des Mithras: ein bärtiger Mithra, der an Zeus/Jupiter erinnert. Auf einer Münze von König Ohrmizd I. wird ein auf dem Thron sitzender Gott nach griechischer Art dargestellt, der auf seinem Kopf einen mit Bändern geschmückten Kranz trägt. Der Gott ist dank der baktrischen Inschrift Bago Miuro als Mithra identifizierbar. Auf einer späteren Ausgabe wird derselbe Gott so abgebildet, dass er manchmal auf dem Thron sitzt und einen Speer in der Hand hält und aus dem Feueraltar auftaucht. Auf der Münze steht die Legende burz’awand yazad, „der Gott, der die Höhen besitzt“, in mittelpersischer oder baktrischer Transkription (Abb. 40). Nach Grenet kann man dies als einen Versuch ansehen, die Kluft zwischen Mithra und einem indoiranischen Gott zu überwinden, der auf den kuschanischen Münzen aus dem 3. Jahrhundert dargestellt wird und den Namen Wēš (Oēšo) trägt. Der Name und das Konzept dieser Gottheit stammen aus dem Avesta (Vayuš [uparō.kairȳo-] „Vāyu, der in den Höhen handelt“), aber nach seinem Aussehen und Attributen hat man ihn bis zu dieser Zeit mit Šiva gleichgesetzt. Auch bei diesem Gott sind einige Wesenszüge von Mithra erhalten, wie die Strahlen oder Flammen um den Kopf oder die Tiara, über der ein Halbmond dargestellt wird (ein Detail, das auf den Exemplaren erkennbar ist, die man in Marw und Herāt benutzt hat). Gleichzeitig verraten einige Details der Darstellung (nackte Brust, die Haltung seiner Füße, die Gestalt des Thrones) griechische Vorbilder.175

172

Mac Dowall, „Mithra’s Planetery Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 309; Harmatta, Puri, Lekekov, Humayun, Sircar, „Religions in the Kushan Empire“, 322. Adrych u.a. ziehen hier Parallelen zwischen den kuschanischen und kommagenischen Göttern – beide waren die Schützer der Königsmacht und übten diese Funktion nicht einzeln, sondern gemeinsam aus (Images of Mithra, 140). 173 Adrych u.a., Images of Mithra, 108. 174 Daniélou, India ajalugu, 176; Sagar, Foreign Influence on Ancient India, 176. 175 Grenet, „Mithra II. Iconography in Iran and Central Asia“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 4

4.3.10 Mithra auf den Münzen von Ohrmizd I. Obwohl wir keine Ursache haben, daran zu zweifeln, dass Mithra auch im Zeitalter der Sassaniden wichtig war, begegnen wir seinen Darstellungen nur auf Münzen eines einzigen Königs der Sassaniden, Ohrmizd I. Dort wird Mithra mit dem Strahlenkranz dargestellt.176 Er reicht dem König über einem Feueraltar den Ring (Abb. 41). Es steht außer Zweifel, dass wir es hier, wie auf der Wand der Reliquienkiste von Kanischka I., mit der Szene der königlichen Investitur zu tun haben. Die Rolle von Mithra als Verleiher der Investitur zeigt auch das nächste Denkmal aus dem sassanidischen Zeitalter. 4.3.11 Mithra auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān Auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān (Abb. 42) werden drei Figuren dargestellt, die aber unterschiedlich identifiziert werden. Auch die Szene als Ganzes hat man unterschiedlich interpretiert.177 Nur in einem Punkt herrscht Konsens: wenigstens eine von drei Figuren stellt einen Herrscher aus der Dynastie der Sassaniden dar. Er wird aber unterschiedlich identifiziert: er sei Ardaxšir II.,178 Šabuhr II.179 oder Šabuhr III.180 Nach der Meinung von Callieri kann der dargestellte König sowohl Šabuhr II. als auch Ardaxšir II. sein.181 Der Herrscher steht zwischen zwei Figuren. Zu seiner Rechten steht eine männliche Figur, die dem König mit Bändern geschmückte Diademe reicht. Links vom König wird eine andere stehende männliche Figur dargestellt, die das lange Barsom-Bündel in der Hand hält und auf einer Lotosblume steht. Sein Kopf wird von einem Strahlenkranz umhüllt. Unter den Füßen der zentralen und der rechten Figur sehen wir einen Mann, der auf dem Boden liegt. 182 Die Identifizierung der Figuren ist durch die Tatsache erschwert, dass zum Relief keine Inschrift gehört.183 Dass die zentrale Figur ein König ist, kann man aus seinen Machtattributen (Diadem, Schwert) folgern. Obwohl Azarpay184 und

176

Ibid. Adrych u.a., Images of Mithra, 81. 178 Herzfeld, Sarre, Iranische Felsreliefs. Aufnahmen und Untersuchungen von Denkmälern aus alt- und mitteliranischer Zeit, 200 ff. Frye, „Mithra in Iranian Archaeology“, 205– 211; Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 214; Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 52; Adrych u.a., Images of Mithra, 85; Overlaet, „Ardashir II or Shapur III?“, 235–250; Overlaet, „And man created god?“, 321. 179 Azarpay, „The role of Mithra in the investiture and triumph of Šapur II“ , 181–187. 180 Grenet, „Mithra ii. Iconography in Iran and Central Asia“. 181 „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 83. 182 Herzfeld, Sarre, Iranische Felsreliefs, 199–200, Abb. 92/3. Für die Interpretation, dass diese Figuren zwei Götter darstellen, ist auch Mastrocinque (The Mysteries of Mithras, 52). Anders Adrych u.a. (Images of Mithra). 183 Adrych u.a., Images of Mithra, 85. 184 Azarpay, „The role of Mithra in the investiture and triumph of Šapur II“, 182. 177

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Mastrocinque185 meinen, dass die Figur, die rechts von der zentralen Figur steht, Ahura Mazdā sei, haben andere Forscher sie auf Grund des Vergleichs mit den Darstellungen auf den Münzen als Šabuhr II. identifiziert. Auch die Gleichsetzung der zentralen Figur mit Ardaxšir II. basiert auf dem Vergleich mit den Darstellungen auf seinen Münzen.186 Der Autor des vorliegenden Buches hält die Ansicht, dass die zentrale Figur Ardaxšir II. sei, für die überzeugendste.187 Stausberg meint, dass die stehende Figur rechts von der Figur des Ardaxšir Ohrmazd sei, dessen ikonographische Gestalt Züge von Šabuhr II. angenommen habe.188 Auch nach der Meinung von Overlaet sind in dieser Gestalt Ahura Mazdā und Šabuhr II. verschmolzen.189 Der Autor des vorliegendes Buches stimmt dieser Meinung zu. Nach der Meinung von Grenet190, Stausberg191 und Adrych u.a.192 ist der unter den Füßen liegende Mann der römische Kaiser Julian, der im Jahre 363 im Kampf mit Šabuhr II. sein Leben verloren hatte. Diese Identifizierung unterstützt auch Azarpay, der sagt: „The profile head of the prostrate figure in the Taq-i Bustan relief, shown with a pearl bordered imperial diadem and full beard, was compared by Trümpelmann with coin portraits of the Roman Emperor Julian the Apostate, evidenced on the gold solidi struck in the last year of Julian’s reign at Antioch. [...] If the investiture of Šapur II by the god Ahura Mazda over the body of the fallen enemy is seen as a direct allusion to the failure of Julian’s Persian expedition, then the inclusion in the Taq-i Bustan relief of the image of Mithra, the Iranian god of treaty, is surely a reference to the territorial concessions made to Šapur by Julian’s successor, Jovian. Mithra who is designated in the Avesta as ‘director of (boundary) lines’ and guardian of international treaties and contracts, is also called upon to punish violation of contractual relations and to reward their observance. [...] The image of Mithra in the Taq-i Bustan relief, unique in the monumental arts of the Sasanian dynasty, may be interpreted, therefore, as a reference to the function of Mithra as god of the international treaty concluded between Šapur II and Jovian in A.D. 363.“ Nach der Meinung von Herzfeld ist dieser Mann aber der besiegte Artaban,193 und allgemein ist der besiegte Feind unter den Füßen des Siegers in der persischen 185

Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 52. Adrych u.a., Images of Mithra, 85. 187 S. die Argumentaion Overlaets (Overlaet, „Ardashir II or Shapur III?“). 188 Strausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 214. 189 Overlaet, „Ahura Mazda and Shapur II?“, 133–151. 190 Grenet, „Mithra II. Iconography in Iran and Central Asia“. 191 Ibid. 192 Adrych u.a., Images of Mithra, 85. 193 Herzfeld, Sarre, Iranische Felsreliefs, 200. 186

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Kapitel 4

Kunst ein beliebtes Motiv gewesen.194 Auch die dritte Figur links von König hat man unterschiedlich identifiziert. Nach der Meinung von Herzfeld195 und Rawlinson196 sei sie Ahura Mazdā, weil der Strahlenkranz um seinen Kopf auf das Licht hinweise, das das Element von Ahura Mazdā sei. Die Zoroastrier haben sie dagegen seit dem Endes des 19. Jahrhunderts mit dem Prophet Zarathustra identifiziert und als Modell für seine Porträts benutzt.197 Sarre unterstützt diese letzte Interpretation.198 Die Identifizierung der dritten Figur mit Mithra, die erstmalig Justi vorgenommen hat,199 basiert auf der Tatsache, dass dieser Gott auch auf anderen Artefakten aus der sassanidischen Zeit mit dem Strahlenkranz dargestellt wird.200 Diese Artefakte sind zwar nur gering an Zahl, wir wissen aber auf Grund der Inschriften aus der achämenidischen und parthischen Zeit, dass Mithra in diesen Perioden in der iranischen Religion neben Ahura Mazdā und Anāhitā eine hervorragende Rolle gespielt hat.201 Seine Popularität bestätigen auch die theophoren Personennamen aus dem sassanidischen und dem parthischen Zeitalter.202 Unter den Personen, die Namen mit dem Bestandteil Mihr- tragen, sind auch solche, die eine sehr hohe soziale Position hatten, wie z.B. Mihršah, der Bruder Šabuhrs I., oder Mihr Narseh, der Herr des Mešun, der Premierminister des Königs Bahrām V. (regierte 420–438 n.Chr.).203 Bildliche Darstellungen zu Mithra aus dem parthischen Zeitalter gibt es nicht, und aus dem sassanidischen Zeitalter sind nur die in 4.3.9–4.3.14 genannten Darstellungen erhalten. Als Vergleichsmaterial kann man für die Darstellungen des Mihrs einige Passagen aus dem Mihr-Yašt benutzen (4.3.3). Sowohl den Strahlenkranz als auch die Lotosblume hat man als Hinweise auf Mithra als einen Sonnengott interpretiert.204 Justi sah in der Lotosblume das

194 S. z.B. das Investitur-Relief von Ardashir I. in Naqsh-i Rustam, das einen besiegten parthischen King unter den Hufen seines Pferdes darstellt (Bruno Overlaet, „And man created god?“, 313–314). 195 Herzfeld, Sarre, Iranische Felsreliefs, 200. 196 H. Rawlinson, The seventh great oriental monarchy, or the geography, history, and antiquities of the Sassanian or new Persian empire, 64–65. 197 Herzfeld, Sarre, Iranische Felsreliefs, 200. 198 Ibid. 199 Avesta, Pahlavi and Ancient Persian Studies in Honour of Dastur P. B. Sanjana, 157. 200 Adrych u.a., Images of Mithras, 95–97; „Since, despite his association with light, there are no identifiable images of Ahura Mazda/Ohrmazd as radiate, we may proceed with the assumption that, as far as we know, the radiate crown or radiate nimbus was the particular visual identifier of Mihr in Sasanian art“ (ibid., 97). 201 Ibid., 92–93. 202 Ibid., 94–95. 203 Ibid. S. auch Schmitt, „Die theophoren Eigennamen mit altiranisch *Miθra-“, 395–456; Frye, „Mithra in Iranian history“, 62–63. 204 Frye, „Mithra in Iranian Archaeology“, 205–211.

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Symbol der Sonne.205 A. Soudavar hat die Lotosblume dagegen als das Symbol des xvarənah verstanden,206 und sicherlich ist der Strahlenkranz mit dem xvarənah (mittelpersisch hvar) verbunden.207 Das Wort xvarənah ist mit dem persischen Wort hvar („Sonne“) verwandt und bezeichnet einen strahlenden Glanz vor dem Herrscher. Auf einer Münze von Bahram I. (273–276 n.Chr.) wird der König selbst mit dem Strahlenkranz dargestellt.208 Wir wissen nichts davon, dass die persischen Könige sich wie die ägyptischen für Sonnengötter oder überhaupt für Götter gehalten hätten.209 Folglich ist dieser Strahlenkranz um den Kopf Bahrams I. das Symbol des xvarənah („der königliche Glücksglanz“). Das xvarənah verschafft einem genealogisch legitimen Herrscher die Herrschaft, garantiert erfolgreiche Machtausübung und erzeugt charismatische Autorität. Die Anwesenheit oder das Fehlen des Glücksglanzes war u.a. am Erfolg des Herrschers messbar – und umgekehrt.210 Die Verbindung zwischen Mithra und hvar ist aber nicht zufällig, sondern wesenshaft: „Mihr had a role in the presentation and blessing of royal authority (in particular the bestowal of divine glory, kvareneh).“211 Schon im Avesta gibt es eine Verbindung zwischen Mithra und xvarənah. Nach dem Mihr Yašt geht xvarənah vor dem Wagen Mithras einher.212 Auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān kommen folglich unterschiedliche Aspekte von Mithra vor: Mithra als solare Gottheit; Mithra als Gott, der mit der Königsmacht verbunden ist; Mithra als Siegesgott. Auf diesen letzten Aspekt weist

205

Er erklärt diea aus der hinduistischen Kunst (Justi, „The life and legend of Zarathustra“, 157). 206 Soudavar, The Aura of Kings, 53–54. 207 Adrych u.a., Images of Mithra, 95. 208 Ibid. 209 Doch ist auch in der altpersischen Religion die Idee von der besonderen Götternähe des Königs nachweisbar. So sagt die Legende auf dem Avers der Münzen des Ardaxšir: „der mazdaverehrende Herr Ardaxšir, König der Könige der Iraner, dessen Natur von den Göttern ist.“ Nach Stausberg ist das ein klarer Hinweis auf die göttliche Natur des Königs. Obwohl in der Lehre des Zoroastrismus prinzipell alle Menschen von göttlicher Abstammung oder Natur sind, wollen die Könige nach der Meinung des Stausbergs hier offensichtlich ihre besondere Nähe zu den Göttern zum Ausdruck bringen. Anders als die Achämeniden begnügten sich die Sassaniden nicht mehr damit, dass ihnen ein Gott (Ahura Mazdā) die Herrschaft verleiht. Nach Stausberg ist diese Veränderung möglicherweise einerseits durch die Wirkung seleukidisch-arsakidischer Tradition und andererseits durch die Konkurrenz zu den römischen Kaisern und deren religiösen Ansprüchen zu erklären (Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 208–209). S. auch seine Beispiele zur göttlichen oder semi-göttlichen Stellung des Herrschers in der iranischen Religion (ibid. 209 ff.). 210 Ibid., 2011. 211 Adrych u.a., The images of Mithra, 97. 212 Gnoli, „Farr(ah)“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 4

die Darstellung des besiegten Feindes unter den Füßen der Könige. Nach M. Stausberg dürfte auf dem Felsrelief auch Mithras Aspekt als der Gott des Eides vorkommen, um auf den Eid von Ardaxšir II. hinzuweisen, den er als der Nachfolger von Šabuhr II. nach seiner Thronbesteigung geleistet hatte. Ardaxšir hatte versprochen, dass er seine Königsherrschaft dem Sohn von Šabuhr II. dann übergeben wird, wenn Šabuhrs Sohn mündig geworden ist, und das hat er auch getan.213 Das Barsom-Bündel in Mithras Hand weist darauf hin, dass auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān ein zoroastrisches Ritual stattfindet. Die Szene als ganze wird als die Krönung des Königs Ardaxšir oder als seine Investitur interpretiert.214 Diese Interpretation basiert auf dem Vergleich mit drei anderen Investiturszenen Ardaxširs, denen in Firuzabad, Naqš-e Rajab und Naqš-e Rostam.215 Auf diesen Reliefs kommen viele Motive vor, die auch für das Relief von Tāq-e Bostān charakteristisch sind, wie das Barsom-Bündel in Mithras Hand und das Überreichen eines Diadems als des Symbols der Herrschaft an den König.216 Für andere figuriert Mithra auf dem Relief von Tāq-e Bostān als „a witness to the oath of Ardashir II“.217 Nach der Meinung von Barbara Kaim wird Mithra auf diesem Relief hier in Verbindung mit dem Bündnis (mithra) zwischen zwei Königen, d.i. Ardaxšir II. und Šabuhr II, dargestellt218 – Mithra war ja seit langem mit den Bündnissen zwischen Menschen oder Menschengruppen verbunden. Das Ziel des Reliefs von Tāq-e Bostān (wie auch der anderen Reliefs Ardaxširs) war es folglich, die Königsherrschaft Ardaxširs religiös zu legitimieren.219

213

Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 214. Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 52; Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 214. 215 S. zu diesen drei Reliefs: ibid., 212–214. S. auch: Luschey, „Zum Problem der Stilentwicklung in der Achämenidischen und Sasanidischen Reliefkunst“, 124–132. Zum Relief von Naqsh-i Rustam s. Overlaet, „And man created god? Kings, priests and gods on Sasanian investiture Reliefs“. 216 Stausberg, Die Religion Zarathustra, 212. 217 Overlaet, „And man created god“, 321. 218 Kaim, „Investiture or Mithra. Towards a new interpretation of so called investiture scenes in Parthian and Sasanian art“, 410. 219 Stausberg: „Wie seinerzeit der Achaimenide Dareios I. scheint auch Ardaxšir I. unter erheblichem Legitimationsdruck gestanden zu haben, und wie Dareios ,argumentiert‘ auch Ardaxšir nicht zuletzt unter Rückgriff auf religiöse Muster. Der König hat sich verschiedener Medien bedient, um seine Herrschaft ideologisch zu untermauern. Archäologisch wird Ardaxširs propagandistische Kampagne besonders durch Felsreliefs, Inschriften und Münzen belegt. Die Sasaniden bedienten sich wieder verstärkt der Künste als einem wichtigen Instrument staatlicher Repräsentationen und Ausdrucksmittel politischer, sozialer und religiöser Konzepte“ (Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 206). 214

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4.3.12 Mithra auf Siegeln aus dem Zeitalter der Sassaniden Wir kennen vier Siegel aus dem Zeitalter der Sassaniden, auf denen der Gott Mithra dargestellt wird. Auf einem Siegel, das jetzt in Paris aufbewahrt wird und eine Büste mit dem Strahlenkranz dargestellt, steht die mittelpersische Legende Mihr Yazd („der Gott Mihr“).220 Das zweite Siegel, das in Berlin lag, aber jetzt verloren ist, trug eine Büste mit dem Strahlenkranz und die mittelpersische Legende hu-mihrīh ī pahlom („perfect friendship“).221 Auf diesem Siegel wird auch ein Wagen mit geflügelten Pferden dargestellt. Adrych u.a. lenken hier die Aufmerksamkeit auf das Gemälde aus Bāmīan (4.3.14).222 Es ist sicher, dass wir es hier mit dem Motiv des Wagens des Mithras zu tun haben, das aus dem Mihr Yašt (10.125) stammt.223 P. Callieri fügt diesen beiden Siegeln zwei andere Siegel hinzu, die ohne Legende sind, aber Wesen darstellen, auf deren Köpfen Strahlenkronen sitzen und die Lanzen in Händen halten.224 Wenn diese Wesen Mihr darstellen (und es ist sehr wahrscheinlich), betonen sie den militärischen Aspekt des Mithras, welcher schon im Avesta vorkommt. 4.3.13 Mithra auf einem kuschanisch-sassanidischen Siegel Das genannte Siegel, das im British Museum liegt und erstmalig durch P. Callieri im Jahre 1990 publiziert wurde,225 stammt aus dem Ende des 4. Jahrhunderts226 und stellt Mithra dar, der vom Nimbus umhüllt ist. Er wird wie aus dem Berggipfel Harā herausgewachsen dargestellt (Abb. 43). Es ist sicher, dass diese Darstellung durch Mihr Yašt inspiriert ist.227 Der Berggipfel ist dabei als ein Dreieck gestaltet, das aus dem kugelartigen Felsen besteht. Grenet hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Darstellung an einige Darstellungen von Mithra petrogenus aus dem römischen Mithras-Kult erinnert.228 Doch ist der Hintergrund dieser Darstellung nicht Mithras Geburt aus dem Fels, sondern sein Erscheinen hinter dem Berggipfel Harā.229 4.3.14 Mithra auf dem Deckengemälde in Bāmīan Obwohl das genannte Gemälde die Decke der Nische schmückte, in der eine Buddha-Statue stand, fehlten auf dem Gemälde buddhistische Motive. Dort wurde die tägliche Epiphanie des Mithras so dargestellt, wie es im Mihr Yašt beschrieben 220

Callieri, „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 87. Ibid., 86. 222 Adrych u.a., The images of Mithra, 96. 223 Ibid. 224 Callieri, „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 83–86. 225 Ibid., 79–98. 226 Adrych u.a., The images of Mithra, 96. 227 Callieri, „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 84. 228 Grenet, „Mithra II. Iconography in Iran and Central Asia“. 229 Adrych u.a., The images of Mithra, 96. 221

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wird. Den Rahmen der Komposition bildeten die in Rottönen gemalten Gipfel des Gebirges Harā. Der junge Gott stand im Wagen, der von vier weißen Ochsen gezogen wurde. Als Führer des Wagens wurde eine geflügelte Figur dargestellt, die am wahrscheinlichsten Aši war.230 Als Wagenführer von Mithra kommt diese Gottheit schon in Mihr Yašt (10.68) vor. Auf beiden Seiten des Wagens standen wiederum zwei Figuren. Die linke Figur ähnelte Athena, die das gorgoneion, das Medusenhaupt, in der Hand hielt. Die rechte Figur stellte einen Bogenschützen dar. Nach Grenet kann man sie als Sonnen- und Mondlicht interpretieren. Vāta, Wind, der gleichfalls im Mihr Yašt genannt wird, wurde durch zwei Figuren im oberen Teil des Gemäldes symbolisiert. Schwieriger sind die beiden mit priesterlichen Attributen (padām, Fackel, und der Löffel für Libationen, der am Gürtel hängt) ausgerüsteten halb vogelartigen, halb menschenartigen Figuren zu interpretieren, die auf derselben Ebene wie Mithras dargestellt sind. Ihre Zugehörigkeit zur zoroastrischen Ikonographie ist durch Darstellungen ersichtlich, die aus Samarkand (Bilder auf den Wänden von Ossuarien) und aus Nord-China (Darstellungen auf Grabdenkmälern der Sogdier, die außerhalb von Sogdiana wohnten) bekannt sind. Man hat sie als hahn-förmige Erscheinungsformen des Gottes Srōs interpretiert.231 4.4 Mithra in den Sekundärquellen 4.4.1 Mithra in der griechisch-römischen Literatur In Schriften der griechisch-römischen Autoren kommt der Name des iranischen Gottes in der Form Mithras oder Mithres vor. Der erste griechische Autor, der ihn nennt, ist Herodot, der im ersten Buch seines Werkes Historia den Glauben der Perser beschreibt. Er behauptet, dass die Perser keine Götterbilder kannten (aus dem Zeitalter der Achämeniden hat man sie wirklich nicht gefunden) und zieht daraus die Folgerung, dass die Perser nicht glaubten, dass die Götter eine menschliche Gestalt haben, wie es die Hellenen glaubten.232 Die Perser hätten Zeus mit dem gesamten Kreis des Himmels gleichgesetzt.233 Als andere persische Götter nennt Herodot die Sonne, den Mond, die Erde, das Feuer, das Wasser und die Winde.234 Von den Assyrern und Arabern hätten die Perser den Kult der Urania kennengelernt. Herodot sagt: „Es nennen die Assyrer die Aphrodite Mylitta, die Araber Alilat, die Perser Mitra.“235

230

Ibid. Ibid. 232 Hist. I 131. 233 Ibid. 234 Ibid. 235 Ibid. 231

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Es ist sicher, dass der mit dem Himmel identifizierte Zeus wirklich der Hauptgott Ahura Mazdā war.236 Der Bericht von Arrianus, dass der persische König Darius III. zu „Zeus König“ (Zeus Basileus) betet, der im Himmel die Schicksale der irdischen Könige bestimmt, er solle ihm seine Herrschaft über Perser und Meder beschirmen,237 passt gut zur Anschauung, die wir schon oben in den Inschriften der Achämeniden gesehen haben (4.3.6). Die Anschauung, dass Sonne und Mond zwei selbstständige Götter sind, steht in Einklang mit der avestischen Tradition (vgl. Hvar und Māh im Avesta). Erde, Sonne und Wasser kann man auch mit drei Göttern identifizieren, die zur Gefolgschaft von Ahura Mazdā gehören – mit Ārmaiti, Aša Vašista und Haurvatāt, mit drei Gliedern der Ameša Spenta („Heilige Unsterbliche“). Auch zwischen Mithra und der Sonne zu unterscheiden, steht in Einklang mit der avestischen Tradition (vgl. Mithra und Hvar im Avesta), und das bestätigen auch die späteren griechischen Autoren. Die Vorstellung von Mitra als einer Göttin ist aber ungewöhnlich. Am einfachsten wäre es, ein Missverständnis von Herodot anzunehmen, aber Richard Gordon meint, dass Herodots Fehler, Mitra als persisches Äquivalent zu Aphrodite zu deuten, als Inferenz nach einer gängigen Identifikation des Mitra mit dem vor der Sonne erscheinenden Morgenstern/Venus erklärt werden kann.238 Das ist durchaus möglich. Viele Forscher (Carl Clemen,239 Henrik Samuel Nyberg,240 O. G. v. Wesendonk,241 Ilya Gershevitch,242 Robert Turcan243) haben vermutet, dass Herodot eigentlich Anāhitā meinte, die mit Mithra ein Paar bildete, aber diese Erklärung ist für den Autor des vorliegenden Buches nicht überzeugend: Mithra kann mit vielen anderen Göttern genannt werden (Ahura Mazdā, Anāhitā, Verethragna usw.), aber Mithra und Anahita haben kein ständiges Paar gebildet; in der iranischen Religion hat Mithra überhaupt keinen paredros gehabt. Es ist daher sicher, dass wir es mit einem Irrtum Herodots zu tun haben. Viele griechische Autoren berichten, dass die Perser bei Mithra geschworen hätten. So berichtet Xenophon in seinem Werk Kyroupaideia, dass der persische Aristokrat Artabazos bei Mithra geschworen habe.244 Im Xenophons Werk Oikonomikos schwört auch König Kyros bei Mithra.245 Nach Plutarch hat dasselbe

236

Bei Plutarch kommt Ahura Mazdā auch mit seinem eigenen Namen vor (Oromazdes (Vitae Alexander XXX 7–8); Oromazes (Vitae Artoxerxes XXIX 12)). 237 Anabasis IV 20:3. 238 Gordon, „Mithras“, 287. 239 Clemen, Die griechischen und lateinischen Nachrichten über die persische Religion, 105. 240 Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 370. 241 Wesendonk, Das Weltbild der Iranier, 129. 242 Gershevitch, The Avestan Hymn to Mithra, 3. 243 Turcan, The Cults of the Roman Empire, 199. 244 Cyrop. VI 5, 53. 245 Oeconom. IV, 24. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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auch Artaxerxes II. getan.246 Plutarch erzählt in seinem Leben des Alexander, wie der letzte Achämeniden-König Dareios III. einen seiner Diener ermahnt, die Wahrheit zu sagen, und ihn daran erinnert, dass der Diener sich durch Handschlag und Eid bei Mithra zur Treue verpflichtet.247 In diesem Zusammenhang ist wichtig zu betonen, dass hier der Handschlag als wichtige Begleithandlung des Schwörens genannt wird. Noch Ende des 4. nachchristlichen Jahrhunderts, d.h. im Zeitalter der Sassaniden, kommt Mithra als Schwurgott vor. Der Dichter Claudian (ca. 370 – ca. 404 n.Chr.) beschreibt, wie der Perserkönig mit den Römern einen Vertrag abgeschlossen hat. Das geschah am Feuer, wobei der König Mithra als Eidzeugen anrief.248 Der römische Historiker Curtius Rufus bringt Mithra aber mit militärischer Tapferkeit und Mut in Zusammenhang. Er berichtet, Dareios III. habe vor der Schlacht von Gaugamela, die Truppen musternd, die Sonne, Mithra und das ewige Feuer (Mithres, Sol und Sacer et Aeternus Ignis) angerufen, diesen Mut zu verleihen.249 Dieser Bericht ist auch deswegen interessant, weil hier die Sonne und Mithra als zwei selbstständige Größen genannt werden. Das steht in Einklang mit der avestischen Tradition. Doch meinen Wolfram Nagel und Bruno Jacobs, dass sich die Verschmelzung von Sonne und Mithra schon zur Zeit der Achämeniden anzubahnen scheint. Sie versuchen ihre Ansicht mit dem Bericht Plutarchs (Alexander XXX 7–8) zu belegen, der Darius III. eine Aussage beim „großen Licht des Mithra“ erhärten lässt.250 Wie wir aber schon oben gesehen haben, gibt es schon im Avesta eine Verbindung des Mithras zur Sonne (4.3.3). Es ist auch sicher, dass die Sonne (= die Sonnengottheit) und Mithra schon im Zeitalter der Achämeniden mit dem Königtum verbunden war. Obwohl Herodot,251 Xenophon,252 Diogenes Laertios,253 Curtius Rufus254 und Plutarch255 berichteten, dass die Perser der Sonne gehuldigt haben, stammt der erste Bericht, dass sie die Sonne und Mithra gleichgesetzt hätten, vom Geographen Strabo, der etwa 64/63 v.Chr. – etwa 20 n.Chr. lebte: Strabo merkt an, dass die Perser die Sonne (Helios) Mithres nennen.256 Die nächsten Angaben, die eine

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Artaxerxes 4. Alexander 30. 248 De consulatu Stilichonis 1, 58–63. 249 Historia Alex. IV, 13, 12. 250 Nagel, Jacobs, „Königsgötter und Sonnengottheit bei altiranischen Dynastien“, 383. 251 Nicht nur Hist I 131, sondern auch Hist VII 54: Der persische König Xerxes I. betet zur aufgehenden Sonne (Helios). 252 Cyrop. VIII 7,3: Der persische König Cyrus opfert der Sonne (Helios), um daraufhin zur Sonne zu beten. 253 I 9: Nach Meinung der Magier im Achämeniden-Reich sind Sonne (Helios) und Meer (Thalassa) Gottheiten. 254 IV 14,24: Der persische König Darius III. fleht die Sonne (Sol) an. 255 Leben Artaxerxes XXIX 12: Der persische König Artaxerxes II. betet zur Sonne. 256 Geographica, XV, 3,13 p. 732 C. 247

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Der Gott Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum

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Gleichsetzung von Mithra mit der Sonne bestätigen, stammen aus kommagenischen Inschriften (1. Jh. v.Chr.) und danach von Münzen aus Kuschan (2. Jh. n.Chr.). Es scheint so, dass diese Gleichsetzung mit der Sonne in dem Zeitalter geschah, das mit der arsakidischen Epoche in der iranischen Geschichte (250 v.Chr. – 224 n.Chr.) zusammenfällt. Dafür spricht auch die Sprachgeschichte, denn das Wort mihr bekam die Bedeutung „Sonne“ gerade in dieser Periode.257 Obwohl man vermutet hat, dass diese Gleichsetzung durch die Identifizierung von Mithras mit dem mesopotamischen Sonnengott Šamaš stattgefunden hat, der als Richter und Herrscher der Gerechtigkeit verehrt wurde,258 ist es ebenfalls möglich, dass die Perser zu einer solchen Gleichsetzung ohne mesopotamische Einflüsse gekommen sind – dass man bei Mithra den solaren Charakter so betont, passt gut mit seiner Rolle als Wächter über alle Lebewesen („Die alles sehende Sonne“) zusammen, die schon im Mihr-Yašt belegbar ist. Die späteren Quellen bestätigen, dass diese Gleichsetzung bestehen blieb. So berichtet Claudian, dass Mithra im Iran im 4. Jahrhundert n.Chr. die Sonne war, die „die Planetenbahnen bestimmt.“259 Das bedeutet, dass Mithra als Sonne wichtige Rolle in der kosmischen Ordnung hatte. Griechisch-römische Autoren haben uns auch Berichte hinterlassen, die nichts Neues zum Verständnis der Gestalt von Mithra in der iranischen Religion hergeben, aber für seine Rezeption in der griechisch-römischen Kultur charakteristisch sind. Diese Berichte, die schon in der Einleitung genannt wurden (s. Einleitung), werden in Kap. 5 näher analysiert. 4.5 Zusammenfassung und Ergebnisse Wenn wir jetzt das Bild von Mithra im iranischen Kulturraum zusammenfassen, seien hier die folgenden charakteristischen Züge des Gottes genannt: 1) Mithra ist der Gott, der die rechte Ordnung in der Gesellschaft unterstützt. Diese Ordnung umfasst sowohl die Beziehungen zwischen einzelnen Menschen als auch zwischen Gruppen. 2) Mithra ist der Schutzgott – zuerst Schutzgott der Stammesgruppen und dann immer mehr der Schutzgott der Herrscher; er wurde mit dem „Glücksglanz des Herrschers“ (xvarenah) in Zusammenhang gebracht. 3) Mithra trägt militärische Züge – er verleiht den Sieg und tritt auch selbst als 257

Frye, „Mithra in Iranian History“, 66. Schmidt, „Mithra I. Mitra in Old Indian and Mithra in Old Iranian“. Auch Gnoli vermutet, dass diese Gleichsetzung unter dem Einfluss der mesopotamischen Religion entstanden sei (d.h. Mithra wurde mit mesopotamischen Sonnengott Šamaš gleichgesetzt); Gnoli, „Sol persice Mithra“, 733–736; Gnoli, „Mithra“, 579; Calieri, „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 85. Eigentlich geht diese Vermutung schon auf Cumont zurück (Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 134; Cumont, Die Mysterien des Mithra, 11). 259 De consulatu Stilichonis 1, 63. 258

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4) 5)

6) 7) 8)

Kapitel 4

Krieger hervor. Er kämpft gegen alle, die die rechte Ordnung schädigen, besonders gegen Lügner und Vertragsbrecher, ebenso gegen Hexen und Dämonen. Mithra ist Garant der Fruchtbarkeit – er gibt das Wasser, sorgt für das Wachsen der Pflanzen und der Viehherden und die menschlichen Nachkommen. Mithra ist kein Schöpfer der Welt, aber hat seine Rolle auch bei der Erschaffung der kosmischen Ordnung – er hat für den Stern Tištriya seine Bahn geschaffen; er ist auch Hüter der kosmischen Ordnung. Mithra ist eng mit der Sonne verbunden und wurde später mit ihr gleichgesetzt. Mithra ist Richter über die Seelen der Verstorbenen. Obwohl Mithra in unterschiedlichen Zusammenhängen zusammen mit anderen Gottheiten (Ahura Mazdā, Vohu Manah, Sraoša, Rašnu, Anāhitā, Verethragna, Ātar, Hvar, Mao) genannt wird, ist er ein singulärer Gott, der keine/n ständigen Partner / ständige Partnerin hat. Doch ist er am engsten mit Ahura Mazdā verbunden.

Die Mithra-Gestalt hat im Laufe der Zeit Veränderungen durchgemacht. Zuerst war er mit Stammesgruppen verbunden, aber im Laufe der Zeit wird seine Verbindung zum Herrscher und zur Königsherrschaft immer enger. Im Iran war Mithra anfänglich nicht mit der Sonne identisch, doch eng verbunden mit ihr. Im parthischen Zeitalter wird er mit der Sonne gleichgesetzt. Doch sind die Veränderungen der Mithra-Gestalt nicht gravierend. Viele Züge, die in der späteren Literatur für ihn kennzeichnend sind, sind schon im Avesta fassbar; doch werden diese Züge in der späteren Literatur detaillierter ausgeführt. So ist er schon im Mihr-Yašt Kämpfer gegen Dämonen, aber in der späteren Literatur kommen detaillierte Schilderungen vor, wie dieser Kampf aussieht. Eine gegenüber dem Avesta neue Vorstellung, die in der Pahlavi-Literatur auftaucht, ist seine Rolle als Seelenrichter. Doch steht diese Rolle gut mit seiner Funktion als Verteidiger der Wahrheit und der Gerechtigkeit in Einklang. Es ist sicher, dass Mithra ein Gott ist, dem schon im indoiranischen Zeitalter gehuldigt wurde. Er hat ein Pendant in Indien namens Mitra (Kap. 9). Zwischen dem iranischen Mithra und dem indischen Mitra gibt es viele gemeinsame Züge, aber auch eine Reihe Unterschiede, die im Kap. 10 thematisiert werden. Wie Walter Burkert gezeigt hat, hat die iranische Religion schon in der vorklassischen Zeit das griechische Denken beeinflusst. Deswegen ist es möglich, dass dieser Einfluss auch in den folgenden Zeiten fortdauerte. So muss man (ganz theoretisch) auch mit der Möglichkeit rechnen, dass die Gestalt des Mithra im kaiserzeitlichen Mithras-Kult unter dem Einfluss der iranischen Gottheit Mithra entstanden ist. Ob und wie viele Gemeinsamkeiten zwischen iranischem Mithra und römischem Mithras wirklich nachweisbar sind, wird im nächsten Kapitel näher betrachtet.

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Kapitel 5 Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr im iranischen Kulturraum 1

Dass die Hypothese von Beziehungen zwischen dem römischen Mithras und dem iranischen Mithra in der Forschungsgeschichte des römischen Mithras-Kultes eine wichtige Rolle gespielt hat, wurde schon im Vorwort erwähnt. Im folgenden Kapitel werden alle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Gottheiten näher betrachtet und analysiert. 5.1 Berührungspunkte zwischen dem römischen Mithras und dem iranischen Mithra 5.1.1 Der Name des Gottes Der Name Mithras taucht in der römischen Religion erstmalig am Ende des 1. Jh. n.Chr. auf.2 Doch war der Name Mithra durch griechische Autoren in der antiken Welt bekannt (Kap. 4). Sie reden über Mithra als einen fremden, persischen Gott. Es ist nicht schwer zu beweisen, dass der Name Mithras eine latinisierte Form von Mithra darstellt. Da der Name aus dem Iran kommt,3 ist der Name Mithra/Mithras ein wichtiges Bindeglied zwischen persischem Mithra und römischem Mithras. 5.1.2 Mithras und (Freundschafts-)Bund Wie schon im Kapitel 4 gezeigt, war Mithra im Iran schon wegen seines Namens mit Bünden und Verträgen verbunden. Die Perser haben bei Mithra geschworen, wobei man die Eide durch Handschlag bekräftigte. Auch auf den Reliefs des römischen Mithras-Kultes wird der Händedruck zwischen Mithras und dem Sonnengott Sol/Helios dargestellt, wobei es sicher ist, dass auch Mithras und Sol einen Bund schließen, den man als einen Freundschaftsbund verstehen kann, und dass der Vertrag zwischen den Göttern folglich ein Freundschaftsvertrag ist (Kap. 1). Also sind sowohl iranischer Mithra als auch römischer Mithras durch den Bund verbunden, wobei der Händedruck der Ausdruck dieses Bundes ist. 1

Das Kapitel basiert auf den folgenden Artikeln des Autors: „Hat der römische MithrasKult etwas mit dem Iran zu tun?“, und „Zu möglichen Verbindungen zwischen römischem Mithras und iranischem Mithra“. 2 Zu ältesten Belegen s. Clauss, Mithras, 31f. 3 Zur Etymologie und Bedeutung des Namens „Mithra“ s. Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 55f.; Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 21–39; Schlerath, „Mithra“, 393– 398; Gonda, Die Religionen Indiens, 82. Über die Beziehungen von Mithras zu Verträgen s. Lommel, Die Religion Zarathustras, 45. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 5

5.1.3 Mithras und die kosmische Ordnung Auf römischen Mithras-Denkmälern kommen viele Symbole vor, die mit der kosmischen Ordnung in Zusammenhang stehen. So finden wir bspw. auf Mithras’ Mantel manchmal Sterne.4 Überdies wird er als Atlas abgebildet, der das Himmelsgewölbe trägt.5 Manchmal hält Mithras auch eine Weltkugel in seiner Hand,6 oder er wird von Tierkreiszeichen umgeben.7 Auch in der religiösen Überlieferung des Iran ist Miθra/Mithra/Mihr der Behüter der kosmischen Ordnung (Kap. 4). 5.1.4 Mithras’ Solarität Der Sonnengott Helios/Sol steht an erster Stelle der Gottheiten, mit denen Mithras gleichgesetzt oder in eine Beziehung gebracht wurde. In zahlreichen Inschriften wird er als HELIOS MITHRA, SOL MITHRA oder DEUS SOL INVICTUS MITHRA angerufen. Auf Reliefs wird er häufig zusammen mit dem Sonnengott dargestellt (Kap. 4). Manchmal tragen Mithras und Helios/Sol dieselben Kleider. Weiterhin zeigen viele Monumente Sonnenstrahlen, die von Mithras’ Kopf ausgehen. Romy Heyner lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass auf einem Relief aus Rom unter der Kirche Santo Stefano Rotondo das Gesicht Mithras’ Spuren einer Vergoldung zeigt.8 Aus demselben Ort stammt auch ein vergoldeter Kopf des Mithras.9 Diese Funde kann man als Hinweise auf Mithras Solarität interpretieren. Zuletzt wird auch Mithras’ Geburt aus dem Felsen bisweilen als Hinweis auf ihn als Sonnengott verstanden und als das Erscheinen der aufgehenden Sonne am Himmel erklären. Es gibt folglich viele Belege zur Solarität des römischen Mithras. Auch der iranische Mithra wird seit dem arsakidischen Zeitalter mit der Sonne gleichgesetzt, wobei Mithra auch im iranischen Kulturraum seit den kommagenischen Reliefs und den kuschanischen Münzen den Strahlenkranz trägt. Die Solarität ist ein wichtiger gemeinsamer Wesenszug des römischen Mithras und des iranischen Mithra, wobei dies bei beiden Gottheiten mit demselben Attribut – mit dem Strahlenkranz um den Kopf – ausgedrückt wird.10 Es ist aber sicher, dass 4

S. die Wandgemälde aus Capua (Vermaseren, Mithriaca I: plate III) und aus Marino (Vermaseren, Mithriaca III: plate III). 5 So auf dem Relief aus Neuenheim (CIMRM, Vol. II, Fig. 337 – Mon. 1283) und auf einem Graffito im Palazzo Barberini (s. Lissi-Carrona, Il Mitreo dei ʻCastra Peregrinorum’ (S. Stephano Rotondo). 6 Z.B. CIMRM, Vol. I, Fig. 101 – Mon. 354. 7 Z.B. CIMRM, Vol. I, Fig. 218 – Mon. 810; Fig. 226 – Mon. 860; Fig. 237 – Mon 985. 8 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219–220. 9 Rom, Museo Nazionale Romano, Terme di Diocleziano Inv. 205826 (Imperium der Götter, 251, Abb. 159). 10 So wird Mithra auf einem Relief aus Carrawbrough (Northumberland), das im Museum of Antiquities in Newcastle-on-Tyne liegt, mit dem Strahlenkranz um den Kopf dargestellt (CIMRM, Vol. I, Fig. 193 – Mon. 690). Godwin betont dabei, dass „beyond the mention of his name in the inscription, ‘Deo invicto Mitrae’, there is nothing to distinquish this © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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dieses ikonographisches Attribut weder aus dem iranischen Kulturraum noch aus der römischen Religion stammt, sondern aus der griechischen Ikonographie. Von dort haben sowohl iranische Mithra-Anhänger als auch römische Mithras-Verehrer dieses Symbol entliehen. 5.1.5 Mithras’ Beziehung zu Wasser und Pflanzen Weiterhin macht man bisweilen eine Verbindung zwischen Mithras und Miθra/ Mithra an Mithras’ Wasserwunder aus, zumal auch Miθra/Mithra im Iran als Wasserspender verehrt wurde. Die thematische Ausgestaltung des mithräischen Wasserwunders treffen wir vorwiegend im Rhein- und Donaugebiet an.11 Eine gute Parallele dazu bietet zwar das mosaische Wasserwunder,12 aber die Überzeugung, dass Miθra der Regenspender sei, der für den Wuchs der Pflanzen sorgt, spielt schon im Avesta eine sehr wichtige Rolle (Kap. 4) und dann auf den Darstellungen von Mithras’ Stiertötung (Kap. 1). 5.1.6 Mithras’ militärische Konnotationen Auch an militärischen Motiven des Mithras-Kultes wird häufig eine Verbindung zur iranischen Mithra-Verehrung ausgemacht. Cumonts Ansicht, dass der römische Mithras-Kult vorwiegend ein Kult der Soldaten gewesen ist, wurde in der späteren Zeit geradezu wie ein wissenschaftliches Dogma tradiert13 und hat selbst heutzutage noch viele Anhänger.14 Doch bestätigt die empirische Forschung diese Vorstellung nicht.15 Das bedeutet aber keinesfalls, dass im römischen MithrasKult militärische Konnotationen fehlen. Umgekehrt – wie schon in 1.3. gezeigt, hat der römische Mithras viele Beziehungen mit dem Militärwesen gehabt. Im Iran war Miθra nicht in erster Linie Kriegsgott, aber er wurde schon im Avesta als Kämpfer dargestellt, der mit unterschiedlichen Waffen gerüstet war (4.3.3). Er wurde auch auf kuschanischen Münzen als Μιιρο oft mit einem Schwert abgebildet (4.3.7.1). In der iranischen Tradition kämpft Miθra mit den Feinden der

figure from Sol“ (Mystery Religions in the Ancient World, 102). Den Stahlenkranz trägt Mithra auch auf einem Relief aus Carnuntum (CIMRM, Vol. I, Fig. 430 – Mon. 1683; s. auch Vermaseren, Mithras, Abb. 9, S. 47) und auf einer Bronzebrosche in Oxford aus Ostia (Ashmolean Museum. 1927.187 = CIMRM, Vol. I, Fig. 87 – Mon. 318; s. auch Vollkommer, „Mithras Tauroctonus“, 281, Abb. 11). 11 Clauss, Mithras, 80. 12 Vermaseren, Mithras, 69. 13 Z.B. Vermaseren, Mithras, 23–26; C. M. Daniels, „The role of the Roman army in the spread and practice of Mithraism.“ – Mithraic Studies, Vol. II, 249–274. 14 Z.B. Kloft, Mysterienkulte der Antike. Götter, Menschen, Rituale, 69–81 u. Turcan, „Mithras – ein Gott der Soldaten, der Piraten und der Männerfreundschaft“, 23–27. 15 S. Vorwort. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 5

Arier,16 mit Vertragsbrechern,17 Hexen18 und Dämonen.19 5.1.7 Mithras’ Kampf gegen Dämonen Obwohl die Ansicht von Cumont, dass der Kern des Mithras-Kultes die zoroastrische Idee vom Kampf zwischen Gut und Böse gewesen sei, heutzutage fast keine Anhänger mehr hat, bezeugen insbesondere Funde aus Hawarte (1.2.10) dass die Idee vom Kampf zwischen Gut und Böse dem römischen Mithras-Kult nicht ganz fremd war. Somit war diese Vorstellung wenigstens an einem Ort von wichtiger Bedeutung. Die Idee, dass Miθra/Mihr u.a. gegen Dämonen kämpft, kommt, wie schon gesagt, im Avesta vor und spielt in späteren apokalyptischen Texten eine zentrale Rolle (4.3.5). Dieser Kampf wäre dann als Verbindung zwischen dem kaiserzeitlichen Mithraismus und der iranischen Miθra-Verehrung zu nennen. 5.2 Die Theorie über die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes Die Anschauung, dass der römische Mithras eine iranische Gottheit sei, hat eine lange Geschichte, deren Wurzeln schon in der Antike liegen. Weil diese Anschauung auch in der späteren Forschung eine wichtige Rolle gespielt hat, betrachten wir sie im Folgenden näher. 5.2.1 Mithras als iranischer Gott in kaiserzeitlichen Textquellen Es gibt viele Berichte zur iranischen Religion bei griechischen und römischen Autoren.20 Einige haben wir schon im Kap. 4 näher betrachtet. Darunter gibt es auch kaiserzeitliche Autoren, die über Mithras oder über seinen Kult berichten – 16

Die militärischen Aspekte von Miθra in 10. Yašt betont besonders Robert Turcan (The Cults of the Roman Empire, 197). Zu militärischen Aspekten von Miθra in der iranischen Religion s. sonst z.B. Lommel, Die Yäšt’s des Awesta, 65; Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 61–62; Widengren, Die Religionen Irans, 13; Boyce, Zoroastrians. Their Religious Beliefs and Practices, 10. S. 10. Yašt: „Zu ihm beten die Krieger auf dem Rücken ihrer Rosse und bitten um Schnelligkeit für ihre Gespanne und um Gesundheit für sich selber; die Feinde zuerst zu erspähen, die Gegner zurückzuschlagen, die hassenden feindlichen Widersacher mit einem Mal zu vernichten“ (11); „Der als erster geistiger Gott über die Harā herbeikommt der unsterblichen Sonne mit ihren schnellen Rossen voran, der als erster die goldgeschmückten schönen Berggipfel erreicht. Von da aus blickt er, der gewaltige, über das ganze Land der Arier, wo gewaltige Kriegsherren viele Angriffe lenken ...“ (13–14); „Den Miθra ... den wachsamen, den Schuldrächer, der das Heer auffindet, der tausend Zauberkräfte besitzt, den gebietenden, beherrschenden, allwissenden, der die Schlachtreihe vorrücken lässt, der fest steht in der Schlacht, der in der Schlacht feststehend die Heeresreihen zerbricht.“ (35–36). 17 Yašt 10, 1–2.18 18 Yašt 10, 26. 19 Ibid. 20 S. Clemen, Die griechischen und lateinischen Nachrichten über die persische Religion. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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Statius, Lactantius Placidus, Plutarch, Kelsos, Porphyrios, Lukian und Firmicus Maternus. Im Folgenden werden die restlichen drei Berichte referiert und analysiert; der Bericht von Plutarch wurde in Kap. 3 betrachtet. Der älteste Autor, der auf den römischen Mithras-Kult hinweist, ist der schon genannte Dichter Statius, der unter Domitian lebte (ca. 40–96 n.Chr.). In seinem Epos Thebais (80/90 n.Chr.) stehen die folgenden Zeilen: Adsis ... seu te roseum Titana vocari gentis Achaemeniae ritu, seu prestat Osirin frugiferum, seu Persei sub rupibus antri indignata sequi torquentem cornua Mithram.21 Sein Scholiast erklärt, dass die Perser die ersten waren, die dem Mithras-Sol gehuldigt haben und ihm die Höhlen gebaut haben, wo Mithras in der persischen Kleidung und mit der Tiara dargestellt wurde. Dort hat man dargestellt, wie Mithras nach den Hörnern des Stieres greift.22 Fast alle Forscher sind sich einig, dass diese Passage als Hinweis auf den römischen Mithras-Kult, konkreter: als Anspielung auf ein Mithras-Kultbild in einer stadtrömischen Grotte zu werten ist,23 wahrscheinlich auf die berühmte Episode aus dem mythischen Zyklus „Mithras und Stier“, den wir auf vielen Mithras-Monumenten dargestellt finden: Mithras hat den Stier gezähmt und ist auf ihm geritten.24 Die Thebais-Passage bestätigt, dass

21 Thebais I 716–720. Antonia Nevill übersetzt: „Whether thou wouldst rather bear the bright red name of Titan / In the tradition of the Achaemenid people, / Or of fruitful Osiris, or of him who beneath the rocks of the / Persian Cavern twists the horns of the stubborn bull: Mithras!“ (Turcan, The Cults of the Roman Empire, 2005); vgl. mit der Übersetzung von Richard Gordon: „or would you prefer to be invoked as (the Sun who) twists resisting horns beneath the rocks of a Persian cave – Mithras! – ?“ (Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 289). Turcan macht darauf aufmerksam, dass „the adjective Persei applied to the Mithraic cavern refers us as much to the Greek hero as to Persia (ibid.). So übersetzt Mastrocinque: „It is right to call you either rosy Titan, according to the Achaemenid ritual, or Osiris Bringer-of-the-Harvest, or Mithras, who beneath the rocky cave of Perseus strains at the reluctant-following horns“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 1), und erklärt: „Here the mention of Perseus evoked the origin of the Persians from Perseus’ son, Perses (Her. VII.61; 150), who was the alleged ancestor of the ancient Persian kings, who were also called, after him, the Perseidae (Her. I.125).“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 1). Nach der Theorie von Ulansey war der römische Mithras selbst eigentlich Perseus (Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults). 22 Lactantius Placidus, Comm. In Stat. Theb. 1, 719–20. p. 881.1982 (R. D. Sweeney (Hrsg.), Lactantius Placidus in Statii Thebaida commentum. Die Entstehungszeit des Kommentars des Lactantius Placidus ist nach Gordon unbekannt (s. Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 315); Clauss datiert ihn dagegen ins 6. Jh. n.Chr. (Clauss, Mithras, 82). 23 Ibid., 32; Merkelbach, Mithras, 126, 147; Vermaseren, Mithras, 22. 24 Merkelbach, Mithras, 147.

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Kapitel 5

wenigstens einige Elemente der Mithras-Legende zur Zeit Domitians in Rom bekannt waren.25 Für die Herkunft des römischen Mithras-Kults sagt der Bericht des Statius aber nichts aus. Sein Kommentator Lactanius Placidus arbeitet aber zur Verbreitung des Mithras-Kultes nach Rom ein Schema aus, dem auch Franz Cumont gefolgt ist. Placidus sagt: quae sacra primum Persae habuerunt, a Persis Phryges, a Phrygibus Romani.26 Placidus sieht in der Kampfszene des Mithras mit dem Stier eine astronomische Allegorie: „the bull-killing scene is ‘really’ a solar eclipse, with the Moon blocking the Sun’s light, while Mithras becomes the sun itself.“27 Der Philosoph Kelsos (2. Jh. n.Chr.), dessen Werk Alethes logos wir durch das Werk Contra Celsum kennen, spricht von „persischen Mysterien“, wobei er auf den römischen Mithras-Kult hinweist: „Etliche Christen, die platonischen Sätze missverstehend, prahlen mit dem überhimmlischen Gotte, indem sie den Himmel der Juden noch überschreiten (6, 19). Allerdings gibt es einen Weg der Seelen zur Erde und von der Erde hinweg, welcher durch die Planeten geht, wovon auch Platon redet (6, 21). Dieses deutet auch die Rede der Perser an und das Mysterium des Mithras, welches bei ihnen ist. Denn es ist darin ein Sinnbild der zwei Bewegungen am Himmel, der nicht planetarischen und wiederum der planetarischen und des Durchgangs der Seele durch dieselben. Das Sinnbild ist so beschaffen: eine Leiter mit hohen Thoren, darüber aber ein achtes Thor. Das erste der Thore ist von Blei, das zweite von Zinn, das dritte von Erz, das vierte von Eisen, das fünfte von gemischtem Metall, das sechste von Silber, von Gold aber das siebente. Das erste schreiben sie Kronos zu, durch das Blei anzeigend die Langsamkeit des Sterns; das zweite Aphrodite, indem sie mit ihr das Helle und Weiche des Zinns vergleichen; das dritte des Zeus, das ,mit eherner Schwelle‘ und starke; das vierte des Hermes, denn ertragend alle Werke und betriebsam und arbeitselig sei das Eisen sowohl als Hermes; das fünfte des Ares, das aus der Mischung ungleiche und mannigfaltige Thor; das sechste des Monds, das silberne; das siebente der Sonne, das goldene, indem sie nachahmen ihre Farben. Die Ursache aber der so eingetheilten Ordung der Sterne wird erklärt theils durch Sinnbilder in den Namen der übrigen Materie, theils durch musikalische

25

Clauss, Mithras, 32. Scholion zu Thebais I, 719. 27 P. 88 ll. 1994–2000 (nach Sweeney). Auch Porphyrios vertritt die Erklärung, dass der Stier Luna sei: „Der Stier ist Luna, und Luna erhält ihre grosse Kraft, wenn sie im Zeichen des Stieres steht“ (De antr. 18). 26

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Gesichtspunkte, welche die Theologie der Perser anfügt oder auseinandersetzt (6, 22).“28 Nach diesem Bericht glaubten die Mithras-Anhänger, dass die Seele nach dem Tod sieben Planetensphären durchlaufen muss.29 Eine solche Vorstellung war in der Antike weit verbreitet,30 doch ist bemerkenswert, dass Celsus sie nach Origenes mit der „Rede der Perser“ in Zusammenhang gebracht hat. Der Satiriker Lukian aus Samosata (ca. 125 – nach 180 n.Chr.) sagt in seinem Werk Deorum concilium, dass Mithra ein medischer Gott sei, der persische Kleidung und Tiara trägt und kein Griechisch versteht (Deor. conc. 9). Hier sprechen die alten Götter über die neuen Gottheiten, und eine sagt: „Well, you must allow me Attis, Corybas, and Sabazius: by what contrivance, now, did they get here? and that Mede there, Mithras, with the candys and tiara? why, the fellow cannot speak Greek; if you pledge him, he does not know what you mean. The consequence is, that Scythians and Goths, observing their success, snap their fingers at us, and distribute divinity and immortality right and left; that was how the slave Zamolxis’s name slipped into our register.“31 Diese Beschreibung passt gut mit der Mithras-Beschreibung des StatiusScholiasten (s. oben) zusammen. Auch dieser Bericht beweist nicht die iranische (= hier medische) Herkunft des römischen Mithras-Kultes – dass Mithra ein persischer Gott sei, war in der Antike schon seit Herodot allgemein bekannt. Doch kommt in Lukians Werk ein merkwürdiges Detail vor, das in der römischen Mithras-Ikonographie nicht nachweisbar ist: die persische Tiara, die Mithra trägt. Der römische Mithras trägt eine phrygische Mütze. Doch wird Mithra in Kleinasien mit der Tiara dargestellt (Kap. 2). Samosata, Lukians Heimatstadt, gehörte früher zum Königreich Kommagene, in dem man viele Darstellungen von Mithra mit der Tiara gefunden hat (s. ibid.). Diese Darstellungen waren auch in der Antike bekannt, und deswegen kann man vermuten, dass sie auch Lukian vor Augen standen. Das könnte für die Hypothese sprechen, dass die Information zum iranischen Mithra im Römerreich wenigstens teilweise über Kleinasien kam (Kap. 3).

28

Zitiert nach der Übersetzung von Keim (Celsus, Gegen die Christen, 144–145). Merkelbach, Mithras, 215; die sieben himmlischen Sphären standen mit den sieben Weihegraden des Mithras-Kultes in Zusammenhang (Schwertheim, Mithras, 68). 30 Clauss, Mithras, 20–21; Merkelbach, Mithras, 228 ff. Clauss sagt: „Die Vorstellung eines solchen Weges war allgemein verbreitet, wenngleich die Phantasie des Einzelnen in den jeweiligen Details einen weiten Spielraum besaß“ (Mithras, 21). 31 The Works of Lucian of Samosata, 168. 29

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Kapitel 5

Der Neuplatoniker Porphyrios (ca. 234–305 n.Chr.) berichtet: „The Persians too initiate candidates, giving a mystical account of the passage o f souls down and out again and they call the place where this initiation happens a cave. Zoroaster, as Euboulos tells us, was the first to dedicate a natural cave in the nearby mountains of Persia, a cave surrounded by flowers and furnished with springs, in honour or Mithras, the maker and father of alh The cave was for him an image of the cosmos which Mithras created, its interior symmetrically arranged with symbols of the elements and regions of that cosmos. After Zoroaster it became the custom among others to perform ceremonies of initiation in caverns and caves, either natural or artificial. Just as they consecrated temples, shrines and altars to the Olympian gods, sacrificial hearths to terrestrial deities and heroes, and ritual pits and trenches to the gods of the underworld, so they dedicated caverns and caves to the cosmos, and likewise to the nymphs too on account of the water that pours down in caves or bursts forth in rhem.“32 Das ist eine allegorische Interpretation Homers (s. Odyssee, XIII, 102–112), die sicherlich durch Platos (ca. 427–347 v.Chr.) „Höhlen-Gleichnis“ (Politeia, VII, 514a–521b) beeinflusst wurde.33 Als seine Quellen zu Mithras hat Porphyrios zwei Autoren benutzt: Eubulos und Pallas (Lebensdaten sind nicht bekannt; beide 2. Jahrhundert n.Chr.); aber von diesen Autoren wissen wir fast nichts und wir kennen sie nur durch ein paar Zitate bei Porphyrios.34 Bei den Berichten des Porpyhrios (und wahrscheinlich bei seinen Quellen) muss man damit rechnen, dass die mithraistischen Überlieferungen platonisch interpretiert sind,35 aber man kann nicht ausschließen, dass es platonische oder „platonisierende“ Interpretationen schon innerhalb des Kultes gab.36 Merkwürdig ist, dass Porphyrios den Mithras-Kult mit Zarathustra und damit direkt mit dem Iran in Verbindung setzt. Doch sagt der Bericht von Porphyrios nichts zur wirklichen Herkunft des römischen Mithras-Kultes aus. Eher ist dieser Bericht vor dem Hintergrund der Vorstellung von der „orientalischen Weisheit“ und der Überlieferung, nach der Zoroaster ein berühmter „orientalischer Weisheitslehrer“ war, zu verstehen.37

32

De antr 6, 90–91 (4.6) Merkelbach, Mithras,113; Merkelbach, Weihegrade und Seelenlehre der Mithrasmysterien, 27 ff. s. auch Turcan, Mithras Platonicus, 62–89. 34 Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 993. S. Eubulos: De abst 4, 16; Pallas 2, 56. 35 Burkert, Antike Mysterien, 73; zu diesem Problem im weiteren Sinn s. auch ibid., 56– 74; Dörrie, „Mysterien (in Kult und Religion) und Philosophie“, 341–362. 36 Merkelbach, Mithras, 113; Merkelbach, Weihegrade und Seelenlehre der Mithrasmysterien, 27 ff.; auch Turcan, Mithras Platonicus, 62–89. 37 S. dazu: Clemen, Die griechischen und lateinischen Nachrichten über die persische Religion, 11–53. 33

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Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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Auch Firmicus Maternus polemisiert gegen den Mithras-Kult, weil dieser den Römern persische Gesetze aufzwänge.38 Er versteht darunter jedoch nicht staatliche, sondern kultische Gesetze. Doch beweist auch die Polemik des Maternus nicht mehr, als wir schon wissen: man hat den römischen Mithras-Kult als einen iranischen Kult angesehen. Zusammenfassend kann man sagen, dass alle obengenannten Berichte der kaiserzeitlichen Autoren nur eines bestätigen: in der römischen Kaiserzeit hat man allgemein geglaubt, dass der Mysterien-Gott Mithras ein persischer/iranischer Gott war. Diese Meinung ist aber keineswegs eine Bestätigung des iranischen Ursprungs des römischen Mithras-Kults. 5.2.2 Die Diskussion über die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes in der neuzeitlichen Forschung Im 19. Jahrhundert, in dem die neuzeitliche wissenschaftliche Mithras-Forschung begann, gab es viele Forscher, die die Ansicht vertraten,39 dass der römische Mithras mit dem iranischen Mithra identisch sei; doch dass dies zur herrschenden Ansicht der Forschung wurde, ist in erster Linie das Verdienst von Franz Cumont, der als der Begründer der modernen Mithraismus-Forschung gilt. Cumont ging von einer Stelle in Plutarchs Leben des Pompeius aus, in dem der Autor berichtet, dass Pompeius im Jahre 67 v.Chr. auf dem Mittelmeer die kilikischen Piraten schlug und sie als Kriegsgefangene in Italien ansiedelte Nach diesem Bericht brachten die Piraten ihre Kulte aus Kleinasien nach Italien mit, darunter auch den Mithras-Kult (3.2.1). Wie Plutarch, so setzte auch Cumont voraus, dass dieser Mithras-Kult mit dem späteren kaiserzeitlichen Mithras-Kult gleich sei. Nach Cumonts Theorie stammt dieser Kult von den persischen Priestern („Magier“), die aus Babylon ausgewandert waren und deren Kolonien in Kleinasien lagen.40 Obwohl Cumont meint, dass der Mithras-Kult in Kleinasien unterschiedliche Einflüsse (semitisch-babylonische, der einheimischen Kulten Kleinasiens) aufgenommen hat41 und seine Glaubensvorstellungen mit hellenistischen Ideen verwob,42 bleibt er auch in Kleinasien wesentlich iranisch oder, wie Cumont sagt, „immer seinem Wesen nach ein chaldäisch imprägnierter Mazdaismus“.43 Deswegen verbreiteten sich Cumonts Meinung nach durch die Vermittlung der „Mithras-Religion“44 die ursprünglichen Lehren des Mazdaismus in allen lateinischen 38

Firm. Mat., De err. 4. So z.B. u.a. Ernest Renan (1823–1892) und Jean Réville (1854–1908). 40 Cumont, Die Mysterien des Mithra, VI. 41 Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 177 ff. 42 Cumont, Die Mysterien des Mithra, VI. 43 Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 174. 44 Cumont bezeichnet alle sog „orientalische Kulte“ im Römerreich als Religionen. Zum Problem s. „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“, 184–185. 39

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Provinzen des Römerreichs.45 Ein wichtiger Wesenszug des Mazdaismus ist der Dualismus zwischen Gut und Böse, und nach Cumont war das auch die Hauptlehre des kaiserzeitlichen Mithraismus.46 Er interpretierte alle Darstellungen auf den mithräischen Denkmälern von der Voraussetzung her, dass sie zoroastrische Vorstellungen und Lehren vermitteln. So meint er, dass die Schlange auf den mithräischen Reliefs ein Vertreter des Bösen, der Hund aber des Guten sei und dass sie einander bekämpfen.47 Cumont meinte, dass sogar die zoroastrische Eschatologie im römischen Mithraismus vorhanden war.48 Im 20. Jahrhundert haben sich viele Forscher die Ansichten Cumonts zu eigen gemacht. Für Alfred Loisy (1857–1940),49 Kurt Latte (1891–1964),50 Joscelyn Godwin51 und Karl Christ52 gelten der iranische Ursprung des römischen MithrasKultes sowie auch der zoroastrische Dualismus als seine Grundkonzeption, als Tatsache, die keiner Diskussion bedarf. Für Martin Persson Nilsson (1874–1967) war die Ursache, warum sich der Mithras-Kult auf dem Territorium Griechenlands wenig verbreitete, der Hass der Griechen auf die Perser.53 Anfangs hat auch 45

Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 165. Cumont, Die Mysterien des Mithra, 100–102. 47 Ibid., 122–123. 48 „Wenn nach dem Tode der Geist der Verwesung sich des Leichnams bemächtigt, so kämpfen die Geister der Finsternis und die Boten des Himmels um den Besitz der Seele, die ihrem fleischlichen Gefängnis entronnen ist. Sie wird vor ein Gericht gestellt, bei dem Mithra den Vorsitz führt, und wenn ihre Verdienste, auf die Waage des Gottes gelegt, ihre Sünden übertreffen, so verteidigt er sie gegen die Diener Ahrimans, die sie in den Abgrund der Hölle zu schleppen versuchen, und führt sie den himmlischen Räumen zu, wo JupiterOrmuzd in ewiger Klarheit thront. Die Mithraisten glaubten nicht, wie die Anhänger des Serapis, dass der Ort der Seligen in den Tiefen der Erde läge; dieses dunkle Reich ist für sie die Domäne der bösen Wesen: die Seelen der Gerechten wohnen in dem ewigen Lichte, das über den Sternen leuchtet, und auf der Reise durch die Planetensphären jeder Sinnlichkeit und jeder Begierde entkleidet, werden sie so rein wie die Götter, deren Genossen sie fortan bleiben. Am Ende der Welt sollen auch sogar die Körper jener Seligkeit teilhaftig werden, denn, wie bei den Ägyptern, ist es hier die ganze menschliche Persönlichkeit, welche zum Genuss des ewigen Lebens berufen ist. Wenn die Zeit vollendet ist, dann wird Mithra alle Menschen auferwecken und den Guten einen wunderbaren Trank reichen, der ihnen Unsterblichkeit verleiht, während die Bösen samt Ahriman selbst vernichtet werden“ (Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 186–187; zur Eschatologie des Mithraismus vgl. auch Cumont, Die Mysterien des Mithra, 128 ff.). 49 Loisy, Les mystères païens et le mystère chrétien, 157–163. 50 Latte, Römische Religionsgeschichte, 301. 51 Godwin, Mystery Religions in the Ancient World, 98–99; 105; 107. 52 Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, 573. 53 Nilsson, Geschichte der Griechischen Religion, 668–669. Diese Meinung hat Nilsson sicherlich direkt vom Cumont übergenommen, der sagt: „Der Griechen nahmen den Gott ihrer Erbfeinde nur widerstrebend und erst spät auf. [...] Mithras wanderte unmittelbar von Asien in die lateinische Welt ein“ (Cumont, Die Mysterien des Mithra 136). S. auch Kritik 46

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Vermaseren (1918–1985)54 Cumonts Ansichten einfach wiederholt: dass hinter der Gestalt Jupiters in Wahrheit Ahura Mazdā steht und dass dem kaiserzeitlichen Mithraismus auch der Dualismus zwischen Ahura Mazdā und Ahriman zugrunde lag.55 In der Gigantomachie, die auf den Kultreliefs und Wandmalereien der Mithräen häufig vorkommt, haben die Mithras-Anhänger laut Vermaseren den Kampf Ahura Mazdās gegen die Trabanten des Bösen gesehen;56 den löwenköpfigen Gott, der von der Schlange umwunden ist, verstand Vermaseren als den Zeitgott Zervan, der in den griechischen Texten mittels eines Wortspiels auf Chronos (Zeit) mit Kronos und im römischen Kulturkreis mit Saturn identifiziert wurde.57 Vermaseren versuchte sogar noch „Mithras größte Ruhmestat“, d.h. die Stiertötung, durch eine vermeintliche Parallele aus der altiranischen Mythologie zu erklären.58 Widengren fügte neue Argumente hinzu: Wenn Cumont bemerkte, dass der „Mazdaismus der kleinasiatischen Magier“ eine Sonderform des Mazdaismus darstellte“59 und dass die höchste Gottheit des römischen Mithras-Kultes „die unendliche Zeit war“,60 präzisierte Widengren, dass die Religion der kleinasiatischen Magier nicht der Mazdaismus, sondern der Zervanismus war.61 Nach Widengren heißt die höchste Gottheit der Mithras-Mysterien Aion oder Saeculum, die offenbar mit Zervan gleichzusetzen ist. Widengrens Meinung nach ist noch erkennbar, dass hinter Zeus-Jupiter sich Ohrmazd (Ahura Mazdā) verbirgt und dass Pluton mit Ahriman identisch ist. In bestimmten Fällen hat Ahriman sogar seinen eigentlichen Namen bewahrt, denn ihm wurden Altäre mit der Inschrift deo Arimanio gewidmet. Diese Tatsache ist für Widengren wichtig, denn sie besagt, dass Ahriman im Mithras-Kult wie im Zervanismus ein wirklicher Gott ist, der dazu: Clauss, Mithras, 17. 54 Später distanzierte Vermaseren sich von der iranischen These (s. Vermaseren, Der Kult des Mithras im römischen Germanien, 7; Vermaseren, „Mithras in der Römerzeit“, 96– 120). So sagt er in seinem Buch Der Kult des Mithras im römischen Germanien (S. 7): „Und immer wieder ist man auch der Versuchung erlegen, M i t h r a s mit Mithra einfach zu verbinden und die okzidentalische Eigenart des Gottes und seines Kultes geradlinig aus den orientalischen Verbindungen herzuleiten. Persönlich neige ich jedoch immer mehr dazu, die Mithrasverehrung des Westens – wohl unter Berücksichtigung ihrer Verwandtschaft mit dem Gott des Orients – als einen neuen Kult zu betrachten, der am Anfang des 1. Jahrhunderts n.Chr. in Rom unter starkem philosophischem Einfluss geschaffen wurde. Wer sich bemüht, in Geist und Gehalt der neuen Mysterienlehre tiefer einzudringen, sollte deshalb von jenem Ideenkreis ausgehen, der das geistige Leben Roms im 1. Jahrhundert n.Chr. beherrscht hat“. 55 Vermaseren, Mithras, 85–87. 56 Ibid., 89. 57 Ibid. 94–96, bes. 96. 58 Ibid. 54–55. 59 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 1–28. 60 Ibid., 95–96. 61 Widengren, Die Religionen des Irans, 224–225. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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rituell verehrt wird.62 Nach Widengren stammen aus dem Iran auch viele Motive in der Kultlegende des Mithras, wie z.B. die Geburt Mithras’ in der Höhle oder die Felsgeburt Mithras’, die in der ossetischen Volkstradition ein genaues Gegenstück besitzt: auf dieselbe Weise wie Mithra wird da Sozryko aus einem Felsen geboren. Der nordiranische Hintergrund ist hier nach Widengren jedenfalls klar belegt, und das Grenzgebiet zwischen dem nordwestlichen Iran, Armenien und Kaukasus schält sich als das mutmaßliche Heimatland der Mithras-Mysterien heraus.63 Leroy Campbell erklärt die ganze Symbolik und Ikonographie des Mithraismus aus dem Zoroastrismus64 – so ist der Rabe auf den Reliefs der Mithräen eine Inkarnation des Gottes Verethragna,65 die astralen Symbole, die in der Ikonographie des Mithras-Kultes eine hervorragende Rolle spielen, folgen den astronomischen Vorstellungen des Alten Iran66 usw. Wie Roger Beck gezeigt hat, haben die Ansichten von Cumont lange Zeit in der Forschung dominiert und sie sehr stark beeinflusst. Beck hat sicherlich recht, wenn er meint, dass die Hauptursache darin lag, dass Cumonts Werk Textes et monuments figurés relatifs aux Mystères de Mithra (1896–1899) das erste Gesamtwerk zum Mithras-Kult war, das auf einer systematischen Sammlung der Quellen basierte.67 Doch gab es schon Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts einige Forscher, die Cumonts Konzeption nicht teilten. So ging z.B. Georg Wissowa davon aus, dass wir über den „dogmatischen Inhalt der Mithrasreligion“ fast ausschließlich durch die Denkmäler der Mithräen Auskunft erhalten. Weil uns der Schlüssel zu der fremdartigen Symbolik dieser Darstellungen fehlt, ist diese Auskunft recht unsicher und vieldeutig. Selbst die Auffassung des Hauptbildes (d.h. das Bild von der Stiertötung durch Mithras) ist strittig – die einen sehen darin die Darstellung eines kosmogonischen Mythos der Perser, die anderen dagegen ein von Mithras zugunsten seiner Anhänger gebrachtes Entsühnungsopfer.68 In den Mithräen kann man nach Wissowa Gestalten finden, wie sie aus der persischen Religion stammen, z.B. den geflügelten und von einer Schlange umwundenen löwenköpfigen Gott mit seinen zahlreichen symbolischen Attributen,69 aber Wissowa sieht im Mithras-Kult Symbole und Figuren, die unterschiedlicher Herkunft sind: neben den aus dem persischen Mythos entnommenen Darstellungen enthalten die Mithräen auch zahlreiche Hinweise auf den chaldäischen Gestirndienst in 62

Ibid., 225. Ibid., 228. 64 Campbell, Mithraic iconography and ideology. 65 Ibid., 24. Dies belegt Campbell mit dem Hinweis auf Bahram Yašt (Yašt 14), wo der Rabe in dieser Funktion vorkommt (ibid.). 66 Ibid, 101 ff. 67 Beck, „Mithraism since Franz Cumont“, 83f. Zur Forschungsgeschichte des MithrasKults s. auch Gordon, „Von Cumont bis Clauss“, 237–242. 68 Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 310. 69 Ibid., 311. 63

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Bildern nicht nur von Sol und Luna, sondern auch den Planetengöttern und den Gottheiten des Tierkreises, symbolische Darstellungen der Elemente und auch Bilder griechischer und römischer Götter, die man nicht durchweg als Übersetzungen persischer Gottheiten in die Göttertypik der griechisch-römischen Kunst auffassen darf, sondern als einen Hinweis darauf, dass die „Mithras-Religion“ alle früheren griechischen und römischen Götterdienste sich unterwirft und in sich aufgehen lässt.70 Wissowa fasst kurz zusammen: „So rätselhaft und geheimnisvoll auch der gesamte römische Mithrasdienst ist und bleibt, so ist doch soviel klar, dass der hier verehrte Gott sowohl in seiner Identifikation mit der Sonne, die sich in dem Namen Sol invictus Mithras ausspricht, wie namentlich in der dominierenden Stellung, die er über allen andern Gottheiten einnimmt, von dem gleichnamigen Gotte des Avesta ganz beträchtlich verschieden ist, wie auch der ganze Kreis von Religionsvorstellungen, der im occidentalen Mithraskulte zum Ausdrucke kommt […].“71 Der schwedische Forscher Stig Wikander hat in seinem 1951 erschienenen Buch die Ansichten Cumonts scharf kritisiert und gezeigt, dass der iranische Ursprung des Mithras-Kultes schwach begründet ist.72 Im Jahre 1971 haben auf dem 1. Internationalen Kongress für Mithrasforschung an der Universität Manchester73 Richard L. Gordon und John R. Hinnells in ihren Vorträgen die gesamte Konzeption von Cumont in Frage gestellt. Für Gordon ist das ganze Modell des Mithras-Kultes von Cumont „eine Mystifikation“.74 Der römische Mithras-Kult hatte nach ihm keine dualistische Struktur75 und die „häretischen Magier“ spielten dort keine Rolle (die Ausnahme Dura Europos erklärt Gordon aus parthischem Einfluss).76 Im römischen Mithras-Kult ist Mithras nach Gordon kein Mittler zwischen Ohrmazd und Ahriman – er ist Mitte des himmlischen Äquators.77 Im römischen Mithras-Kult fehlte die iranische Eschatologie mit der Auferstehungslehre – dafür gibt es keinen ikonographischen Beleg.78 Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, eine Darstellung des so genannten löwenköpfigen Gottes, die oft in den Mithräen vorkommt. Cumont meinte (wie später Vermaseren), dass dieses Bild Zurvan, die iranische Gottheit

70

Ibid. Ibid. 72 Wikander, Études sur les mystères de Mithras, 5–46. 73 Die Kongress-Vorträge wurden von J. R. Hinnells in zwei Bänden publiziert (s. Vorwort). 74 Gordon, „The Sacred Geography of a Mithraeum: The Example of Sette Sfere“, 146. 75 Gordon, „Franz Cumont and the doctrines of Mithraism“, 222. 76 Ibid., 223, 243. 77 Ibid., 232. 78 Ibid., 233ff., 239. 71

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der unendlichen Zeit, darstelle. Gordon behauptet dagegen: „In Anbetracht der den Gott in zahlreichen Darstellungen umwindenden Schlange sowie des Stabes und der Schlüssel in seinen Händen, ferner seiner stehenden Position auf einer Weltkugel, stellte (Cumont) fest, dieses bedeute, dass der Gott mit Zeit und Macht in Verbindung gebracht werden müsse. Er zog aber sofort daraus den ungerechtfertigten Schluss, dieser Symbolismus weise auf unendliche Zeit und höchste oder ursprüngliche kosmische Macht hin. Danach war es einfach, als Beweis dafür darauf hinzuweisen, dass Perser und Magier an ein solches Wesen glaubten, das sie Zurvan nannten. Dieses Argument ist eine vollkommene petitio principii, weil es die spezielle Bedeutung der Symbole voraussetzt, während genau diese eines unabhängigen Beweises bedarf. [...] Cumont hat einfach bei jedem kritischen Punkt die (iranischen) Beweismittel als relevant vorausgesetzt und weiter so argumentiert, als seien das gesicherte Fakten, nicht nur Arbeitshypothesen.“79 Deswegen lehnt Gordon den iranischen Ursprung des Mithras-Kultes ab und sieht diesen Kult als ein „westliches“ Gewächs, das auf der Basis zoroastrischer Pseudepigraphie und „some knowledge of Anatolian beliefs“ entstanden sei. Es handelt sich nach Gordon um eine vom Zoroastrismus unabhängige synkretistische Religion, eine eigenständige Schöpfung aus der Suche nach orientalischer Weisheit.80 Die Frage nach der Entstehung des Mithras-Kultes bleibt bei Gordon ohne Antwort, weil er meint, dass das Material zur Lösung dieser Frage derzeit noch zu gering sei.81 In dieselbe Richtung geht auch die Kritik von Hinnells, der schreibt: „Der Möglichkeit, dass die Mithrasreligion eine Neuschöpfung war, die seltsame persische Namen und Details als exotische Farbtupfer benutzte, um einem Mysterienkult eine passende esoterische Aura zu verleihen, ist niemals nachgegangen worden. Selbst wenn sich eine derartige Theorie in ihrer ausgeprägtesten Form als unannehmbar herausstellen sollte, ist sie doch des Nachdenkens wert und könnte sich, abgemildert, als akzeptabelste Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen des römischen Kults herausstellen. Einfach ausgedrückt: Man muss sich fragen, ob der römische Mithras nur dem Namen nach der persische Mithra gewesen ist.“82 Um auf diese Frage eine Antwort zu geben, überprüft Hinnells Cumonts Deutungen der Figuren der Schlange, des Raben, des Hundes, des Skorpions, des Löwen und des Kelches auf den mithräischen Denkmälern und findet darin Denkfehler. 79

Ibid., 221. Ibid., 247. 81 Ibid., 246. 82 Hinnells, „Editor’s Introduction“, XIII. 80

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So sind Hund und Schlange für Cumont Stellvertreter von Gut und Böse, weil es iranische Texte gibt, in denen ein Hund mit dem guten Gott Ahura Mazdā und eine Schlange mit dem bösen Gott Ahriman verbündet ist. Für Cumont ist das ein Beweis für das Vorhandensein des Dualismus zwischen Gut und Böse im römischen Mithras-Kult, was wiederum dafür spreche, dass der Mithras-Kult auch im Römerreich iranisch sei. Hinnells dagegen behauptet, dass man auf den mithräischen Denkmälern keinen Kampf von Hund gegen Schlange dargestellt hat: „Der größte Teil der Reliefs stellt Hund und Schlange so dar, dass sie zwar das Blut der Ewigkeit zu erreichen und zu trinken suchen, sich gegenseitig aber nicht betrachten. Daher können Hund und Schlange nicht als Beweismittel für eine zoroastrische dualistische Theorie vom Urkampf herhalten.“83 Wie Gordon, so lehnt auch Hinnells die Theorie zum iranischen Ursprung des römischen Mithras-Kultes als Irrweg ab, verneint aber nicht, dass es in den Mithras-Mysterien doch iranische Elemente gibt, wie z.B. den Gottesnamen, den Titel des 5. Weihegrades Nabarzes oder den Begriff nama.84 Viele heutige Forscher haben der oben genannten Kritik hinzufügt, dass Cumonts Anschauung zum Mithraismus von seiner Konzeption der „orientalischen Religionen“ abhängig sei. Nach Cumont standen die „orientalischen Religionen“ im Gegensatz zur römischen Religion: Wenn die römische Religion nüchtern und kühl war, waren die „orientalischen Religionen“ emotional und befriedigten als solche in höherem Maße als die traditionelle römische Religion Sinne und Gefühl, Verstand und Gewissen.85 Außerdem versprachen sie für ihre Anhänger ein glückliches Leben im Jenseits, was für die römische Religion eine unbekannte Idee war.86 Corinne Bonnet, Jörg Rüpke, Christoph Auffarth u.v.a. heutige Forscher haben gezeigt, dass Cumonts Konzeption mit dem ambivalenten Bild vom „Orient“ in der Forschung des 19. Jahrhunderts in Zusammenhang steht. Sie meinen, dass der Begriff „orientalische Religionen“ mithin der heutigen Art, Quellen zu befragen, Funktionsweisen des Polytheismus zu entschlüsseln, Kulturen der hellenistischen und römischen Welt in ihrer Interaktion und Bewegung auf unterschiedlichen Ebenen zu erfassen, kaum entspreche.87 Sie empfehlen, auf den Begriff „orientalische Religionen“ zu verzichten und ihn durch andere deskriptive

83

Hinnells, „Reflections on the bull-slaying scene“, 290–312, 293, 298. S. auch Hinnells, „The Iranian background of Mithraic iconography“, 242–250. 84 Hinnells, „Editor’s Introduction“, XXf.; Hinnells, „Reflections on the bull-slaying scene“, 290–312. 85 Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 34. 86 Ibid., 10–52. 87 Bonnet u.a., Religions orientales – culti misterici, 11; Auffarth, „Religio migrans: Die Orientalischen Religionen im Kontext antiker Religion“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Begriffe zu ersetzen, wie „Importreligionen“, „Exotisierungen“ usw.88 Die Debatte um etwaige Verbindungen des Mithras-Kultes mit der iranischen Religion geht weiter, wobei sich drei Gruppen unterscheiden lassen: 1) Eine „starke iranische These“, die den römischen Mithras-Kult als eine „iranische Religion“ im Römerreich versteht. Erfreute sich diese These früher unter den Iranisten großer Beliebtheit, hat sie heute selbst unter diesen kaum noch Vertreter. 2) Eine „schwache iranische These“, die besagt, dass die Kernelemente des Mithras-Kultes genuin iranisch sind, allerdings durch Veränderungen im Westen stark modifiziert wurden. 3) Eine „radikale Position“, die etwaige Verbindungen des Kults mit dem Iran für nebensächlich hält und den kaiserzeitlichen Mithraismus als eine im Westen geschaffene „Bricolage” begreift.89 Zutreffend ist m.E. das wichtigste Forschungsproblem bei Christian Witschel formuliert: „Auf der einen Seite ist Mit(h)ra eine uralte, bereits im 2. Jahrtausend v.Chr. bezeugte indoiranische Gottheit; andererseits handelt es sich bei dem Mithras-Kult in der Form, wie sie sich im Imperium Romanum ab dem späten 1. nachchristlichen Jahrhundert verbreitete, um ein vergleichbar junges religiöses Phänomen. Der identische Name der Gottheit scheint auf den ersten Blick eine gewisse Kontinuität der Verehrungsformen über einen sehr langen Zeitraum zu garantieren, aber bei näherem Hinsehen ergeben sich hierbei nicht wenige Schwierigkeiten.“90 Man kann sagen, dass sich zurzeit die Diskussion zwischen der 2. und 3. Gruppe der Forscher abspielt. Da die Aufgabe dieses Buches nicht eine Darstellung der Forschungsgeschichte ist, sei das nur mit zwei Beispielen illustriert. So fragt z.B. Reinhold Merkelbach: „Waren die Mithrasmysterien eine Fortsetzung der alten persischen Religion? Oder richtiger gefragt: Inwieweit waren sie eine Fortsetzung des persischen Kultes?“ Und er antwortet darauf: „Der alte Grundgedanke der gegenseitigen Beziehung zwischen den Menschen, der Verpflichtung und der Treue, ist fast unveränderlich geblieben; er passte vorzüglich in das römische Gesellschaftssystem, in dem ebenfalls die persönlichen Beziehungen eine große Rolle gespielt haben. Ferner sind zahlreiche einzelne Elemente aus der persischen Religion in die römischen 88

Ibid. Zur Problematik zusammenfassend s. auch Lahe, „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“; Witschel, „ ‚Orientalische Kulte‘ im römischen Reich – neue Perspektiven der altertumswissenschaftlichen Forschung“, 13–38. 89 Gordon, „Mithras“, 288; s. auch Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 208. 90 Ibid, 201. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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Mysterien übernommen worden; bei so gut wie allen Mythen über Mithras, die wir auf den römischen Monumenten finden, können persische Ursprünge nachgewiesen werden. Auch das Stieropfer, welches in allen römischen Mithras-Heiligtümern im Kultbild dargestellt war und als die Heils-Tat des Gottes galt, geht auf persische Traditionen zurück.91 Andererseits sind die Unterschiede des römischen Mithras-Kultes zu der alten persischen Religion […:] Der persische Mithra war einer der Götter in einem polytheistischen System gewesen. Im Zoroastrismus war er ganz dem obersten Gott Ahura Mazda (Oromasdes) untergeordnet. [...] Dagegen ist der Mithras der römischen Mysterien der oberste Gott; von Ahura Mazda ist keine Spur. Alle anderen Götter – der Sonnengott, Luna, Jupiter, Mars, Venus, Mercur – sind in Rom dem Mithras untergeordnet. [...] Ferner waren die alten Kulte, in welchen Mithras einen Platz hatte, öffentlicher Kulte; dagegen sind die römischen Mysterien ein Geheimkult, eine ‚Mysterienreligion‘. Religionen dieses Typs kommen überhaupt erst in der römischen Kaiserzeit vor.“92 Wenn nach Merkelbach so eine gewisse Kontinuität besteht, aber es sich bei den Mysterien doch auch um ein neues Phänomen handelt, kann man nicht von einer Mithras-Religion sprechen, die sich von den Persern bis zu den Römern fortgepflanzt habe: „Man müsste dann zum Beispiel auch die christliche Religion als identisch mit dem Judentum bezeichnen, denn das Christentum ist aus dem Judentum hervorgegangen und hat sogar das heilige Buch der Juden, das Alte Testament, zur Gänze übernommen. Dennoch ist deutlich, dass zunächst Jesus und Paulus die überlieferten religiösen Lehren stark verändert haben und dass dann später alle aus dem Judentum übernommenen Traditionen mit 91 Merkelbach, Mithras, 75. Merkelbach lenkt z.B. die Aufmerksamkeit auf zwei Stiertötungsepisoden im iranischen Buch „Schöpfung“ (Bundahisn): die Stiertötung von Ahriman und die Stiertötung von Saoshyant. Im ersten Fall ist bezüglich der mithräischen Darstellungen aus dem Römerreich bedeutend, dass aus dem Rind 55 Sorten Getreide und 12 Arten Heilpflanzen geschaffen werden und dass in dieser Erzählung auch der Samen des Rindes wichtig ist – er erhält die Keime alles Lebens (Kap. 6 E, 1 u. 2, 10). Auf den Reliefs der Mithräen sind unter der Wunde am Hals Ähren oder Weintrauben abgebildet oder der Schwanz des Stieres läuft in eine Ähre oder ein Bündel Ähren aus (vgl. Clauss, Mithras, 89). Im zweiten Fall ist es der Heiland und nicht der Böse, der den Stier schlachtet. Das ist ein wirkliches Opfer, dessen Folge die Unsterblichkeit der Menschheit sei: von dem Fett dieses Stieres und vom weißen Hom (Hauma) bereitet man den Unsterblichkeitstrank, „den man allen Menschen gegeben hat und alle werden unsterblich werden“ (Kap. 34) (Merkelbach, Mithras, 12). Die Interpretation der Stiertötung als Opfer wird nach Clauss durch jene Kultreliefs untermauert, auf denen der Stier mit einer Binde geschmückt ist (Clauss, Mithras, 91). 92 Ibid., 75.

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griechischen, vor allem platonischen Elementen kombiniert und zu einem neuen Ganzen umgestaltet worden sind. Etwas Ähnliches gilt für die Mithrasmysterien: Die aus der persischen Religion übernommenen Elemente sind hier zu einem System organisiert, welches neu ist. Dies geschah in Anlehnung an griechische philosophische Vorstellungen, genauer gesagt, an platonische Lehren.“93 Eine radikale Position vertritt dagegen z.B. Manfred Clauss. Er verneint nicht, dass man im römischen Mithras-Kult einige persische Namen und technische Begriffe finden kann.94 Doch meint er, dass eine direkte Kontinuität vom persischhellenistischen Mithra-Kult zu den römischen Mithras-Mysterien sowohl generell wie in einzelnen Details nicht zu beweisen ist. Die häufig durchgeführten Untersuchungen, die den Mithras-Kult vom 2. Jahrtausend v.Chr. bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert verfolgen, taugen nach Clauss lediglich dazu, uns über die relative Stabilität beziehungsweise Flexibilität religiöser Vorstellungen im allgemeinen zu informieren, und sind ungeeignet, Erscheinungsformen des römischen Mithras aus denjenigen des persischen Mithra zu erklären.95 Nach Clauss sind weder die Herleitung des römischen Mithras-Kultes aus persischen Kultvorstellungen noch ihre Interpretation als Vorstufe des Christentums folgerichtig, weil beides „das Schöpferische der einmaligen Leistung und den Eigenwert dieses Mysterienkultes vor dem Hintergrund einer bestimmten, spezifisch römischen Situation verkennt.“96 Es gibt auch Forscher, die die Frage nach den Beziehungen zwischen iranischem Mithra und römischen Mithras offen lassen. So nennt z.B. Richard Foltz die Verbindungen zwischen diesen beiden Göttern „unclear“.97 5.2.3 Hinweise auf Persien in der Ikonographie und Terminologie des Kultes als Beweis für die iranische Herkunft des römischen Mithras-Kultes? Waren auch weder Statius noch Porphyrios Anhänger des Mithras-Kults, so gibt es doch einige ikonographische Details sowie diverse Anhaltspunkte im Vokabular, die jeweils auf mögliche Verbindungen mit dem Iran hinweisen (oder wenigstens hinweisen wollen). So wird Mithras üblicherweise mit persischer Hose und phrygischer Mütze dargestellt.98 Einerseits hat Romy Heyner Recht, wenn sie 93

Ibid., 76. Ibid., 18. 95 Ibid., 17. Vgl. auch Beck, „Mithraism since Franz Cumont“, 2063–2071 (bes. Anm. 20). 96 Clauss, Mithras, 17. 97 Foltz, Religions of Iran, 19. 98 Allerdings gibt es durchaus auch Abweichungen von diesem Stereotyp. So wird z.B. Mithras im Mithräum Terme di Mitra in Ostia ohne Mütze und in griechischer Kleidung abgebildet (CIMRM, Vol. 2, Fig. 69 – Mon. 230). Richard Gordon meint, dass es sich hierbei um eine von einem bekannten griechischen Bildhauer hergestellte Statue handelt, die später in einen stiertötenden Mithras umgewandelt wurde – Mithras als griechischer 94

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sagt, dass der mit langärmliger kurzer Tunika, langer Hose (anaxyrides), wehendem Mantel und phrygischer Kappe bekleidete Mithras in der Vorstellungswelt der Römer einen „Orientalen“ verkörperte und dass dasselbe Stereotyp bei Abbildungen der mythologischen Gestalten Orpheus, Attis, Ganymed und Paris, die nach römischer Auffassung ebenfalls aus dem Osten stammten, rezipiert wurde.99 Andererseits darf man nicht vergessen, dass diese Darstellungsweise von Mithra schon in der späthellenistischen, d.h. vorrömischen Zeit in Kleinasien (im Territorium des Königreichs Kommagene) vorkam.100 Auf den kommagenischen Reliefs trägt Mithra keine phrygische Kappe, sondern eine persische Tiara, aber wie Eleonore Dörner zeigen konnte, hat die phrygische Mütze ihr Vorbild in der persischen Tiara.101 Auf den Seitenwänden der Kultnische des Mithräums von Dura Europos (Syrien) sind zwei Magier in ihrem Priesterornat dargestellt. Sie sitzen feierlich auf dem Thron und tragen Mäntel, lange Hosen und phrygische Mützen. Der eine Magier hält in der rechten Hand einen hölzernen Stab und in der Linken eine Schriftrolle. Franz Cumont,102 Maarten J. Vermaseren103 und Geo Widengren104 machen darauf aufmerksam, dass im Werk „Acta Archelai“ Mani (216–276/77 n.Chr.) als ein Mithras-Priester (sacerdos Mithrae) angeredet wird und dass er genauso gekleidet und mit der Buchrolle versehen geschildert wird wie die beiden Magier auf den Wandmalereien in dem Mithraeum von Dura Europos.105 Obwohl auf diesen Wandmalereien der erklärende Text fehlt, setzten Cumont106 und Mastrocinque107 die beiden Magier mit Zoroaster und Ostanes gleich. In der griechisch-römischen Welt galten die Magier, zu denen auch Ostanes und Zarathustra (Zoroaster, Zoroastres) gehörten, als die Träger der „orientalischen Weisheit“.108 Dabei wurde Zoroastres zum Lehrer des Pythagoras gemacht.109 Vermaseren Kulturheros (Gordon, „Glücklich ist dieser Ort ...“, 215). 99 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 220–221; Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 300; vgl. auch Hensen, Mithras, 25. 100 Kap. 2. 101 Dörner, „Mithras in Kommagene“, 115–122. 102 Cumont, „The Dura Mithraeum“, 184. 103 Vermaseren, Mithras, 17. 104 Widengren, Die Religionen Irans, 177. 105 „Er trug einen bunten, bläulichen Mantel; in der Hand hielt er einen starken Ebenholzstab, unter seinem linken Arm ein babylonisches Buch“ (zitiert nach Vermaseren, Mithras, 17). 106 Cumont, „The Dura Mithraeum“, 184. 107 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 28. 108 Burkert, Die Griechen und der Orient, 107–133; Clemen, Die griechischen und lateinischen Nachrichten über die persische Religion, 11–53 (über Zoroastes) u. 205–223 (über die Magier). s. auch Bidez, Cumont, Les mages hellénisés; Albert De Jong, Traditions of the Magi; Hutter, „Ostanes“. 109 Clemen, Die griechischen und lateinischen Nachrichten über die persische Religion, © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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identifiziert sie dagegen als „patres of the Dura-community.“110 Aus Dura Europos wurde auch eine Inschrift mit dem Text „(N)ama Maximus magus“ gefunden,111 die beweist, dass man magus als Ehrentitel oder Namen eines Amtes bei den Mithras-Anhängern in dieser syrischen Stadt verwendet hat. Vermaseren sagt, dass man nach den Funden von Dura Europos den mächtigen Einfluss der kleinasiatischen Magier auf die Formung des Mithras-Kultes nicht mehr in Abrede stellen kann.112 Auch die Inschrift von Sagarios aus Arsameia (Kap. 2) hat man als eine Inschrift eines Magiers interpretiert,113 obwohl man das Verbum μαγεύω nicht unbedingt dem iranischen Priester („Magier“) vorbehalten sein muss.114 Wie schon oben gesagt, haben nach Cumont bei der Entstehung des Mithras-Kultes die iranischen Priester (μάγοι) eine hervorragende Rolle gespielt. Auch Colpe115 und Widengren116 rechnen mit der Möglichkeit, dass die kleinasiatischen Magier bei der Entstehung des Mithras-Kultes tätig gewesen sind. Die Tätigkeit der Magier in Kleinasien ist durch Strabon belegt.117 Doch ist Dura Europos ein Sonderfall – der Titel μάγος ist nirgends im Mithras-Kult bestätigt und Richard Gordon erklärt die o. g. Inschrift mit Recht als eine lokale Besonderheit,118 d.h. sie ist kein Beleg für die Rolle der Magier bei der Entstehung des römischen MithrasKultes. Des Weiteren trägt der fünfte Weihegrade des Mithras-Kultes den Namen PERSES („Perser“).119 Ferner kann man auf römischen Mithras-Monumenten

20. S. dazu: Plutarch, de anim. Procr. In Tim. 2. 1012E; Apuleius, Flor. 15; Clemens Alexandrinus, strom. I, 15, 69, 6f.; Hippolytos, ref. I, 2. VI, 23; Porphyrios, Pyth. 12; Kyrillos, c. Jul. III, 87. IV, 133. 110 CIMRM Vol. I, 44. 111 Francis, „Mithraic Graffiti from Dura-Europos“, pl. 25. 112 Vermaseren, Mithras, 17. 113 Vermaseren, Mithras, 16. 114 Kap. 2. 115 Colpe, „Mithra-Verehrung, Mithras-Kult und die Existenz iranischer Mysterien“, 378– 405. 116 Widengren, Die Religionen Irans, 177. 117 Geographica, XV, 3, 14. 118 Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 318– 320. 119 Die bedeutendsten Quellen zu den sieben Weihegraden im Mithras-Kult sind ein Brief des Kirchenvaters Hieronymus aus der Zeit um 400 (Brief an Laeta 107, 2), die Inschriften aus dem Mithräum Santa Prisca in Rom (CIMRM, Vol. I, Nr. 480) und das Mosaik im Mithreo di Felicissimo in Ostia (ca. 250 n.Chr.) (CIMRM, Vol. I, Nr. 299)). In den Inschriften, die mit konkreten Personen verbunden sind, kommen nur die Weihegrade LEO und PATER vor (Frackowiak, „Mithras ist mein Kranz“, 230–231; Rüpke, Die Religion der Römer, 206). Zum Weihegrade PERSES s. Vermaseren, Mithras, 122–123; Clauss, Mithras, 143–144; Merkelbach, Mithras, 109–118; Hans Schmeja hat die Verbindung des Initiationsgrads PERSES zum Iran sehr witzig kommentiert: „Der Myste der vierten Stufe © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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Wörter finden, deren iranische Herkunft außer Zweifel steht. Ein solches Wort ist das vielfach epigraphisch bezeugte NAMA.120 Clauss übersetzt NAMA mit „zum Heil des ...“, „Ehre dem ...“121, Richard Gordon mit „homage to!“.122 Hans Schmeja hingegen spricht von „Verehrung, Ehrerbietung, Huldigung, Ehrfurcht(sbezeugung)”.123 Es wurde aus der iranischen (oder sogar aus der indoiranischen) Huldigungsformel nemah (altp. namah) hergeleitet. Diese begegnet uns bereits im Avesta.124 Auch der Titel NABARZES, den Mithras in vielen Inschriften trägt,125 ist iranischer Herkunft, obwohl seine konkrete Bedeutung unklar ist.126 Darüber hinaus wurde aufgrund einer Äußerung bei Curtius Rufus127 vermutet, dass hier die gräzisierte Form eines altpersischen Wortes („Nabarzanes”) vorliegt.128 Eine Parallele zu diesem Namen bietet auch ein iranischer aristokratischer Name MITHROBARZANES.129 Außerdem gibt es Inschriften, dediziert von römischen

heißt leo ‚Löwe‘, der den fünften ‚Perser‘, Persa oder Perses, was letztlich wohl auf iranischen Ursprung hinweist, aber auch darauf, dass diese Mysterien im Iran nicht gefeiert wurden, da es doch absurd wäre, einen Perser in Persien zum ‚Perser‘ zu weihen“ (Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 16). Nach Mastrocinque kann man den Namen des Weihegrades unterschiedlich übersetzen und interpretieren – als Perser und als Perses, Sohn des Perseus (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 7). Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass das Symbol des Perses, der Dolch, „Perseus’ weapon“ war (ibid., 8), aber das ist noch kein Beleg für die zweite Interpretation – der Dolch ist in der kaiserzeitlichen Ikonographie auch Waffe (oder Opfergerät) des Mithras. 120 CIMRM, Vol. 1, Nr. 54; 56; 57; 58; 59; 60; 61; 62; 416; 480; 481; 482; 484; Vol. 2, Nr. 63 a und b. 121 Clauss, Mithras,116. 122 Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 308. Der Name kommt vor bei Diod. Sic. 15.91 als der Name eines Satrapen Kappadokiens in der Regierungszeit des Artaxerxes Memnon und bei Appian. Mithr. 84 = Lucull. 25 als der Name eines Generals des armenischen Königs Tigranes. 123 Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 18. 124 Mayrhofer, Kurzgefasstes Etymologisches Wörterbuch des Altindischen, Bd. 2, 136. 125 CIMRM, Vol. 1., Nr. 915; 1790; Vol. 2., Nr. 2153; 2197. 126 Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 308; Beard/North/Price übersetzen „victorious“ (Beard u.a., Religions of Rome. Vol. I: A History. Cambridge: Cambridge University Press, 279), aber sie erklären ihre Übersetzung nicht. 127 Quintus Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni, 3.7.12. 6.4.8. 128 Gordon, „From Mithra to Roman Mithras“, 453. Widengren übersetzt NABARZES „unüberwindlich“ und erklärt: „Die griechisch-lateinischen Entsprechungen aniketos, invictus, insuperabilis weisen deutlich auf das Negativpräfix na- hin, also na-barz-, wörtlich in-super-. Mithras ist der Gott, der niemanden über sich haben kann und den sonst niemand überwinden kann, er ist überwindlich, insuperabilis“ (Widengren, Die Religion Irans, 225). M. E. ist seine Übersetzung aber nicht überzeugend. S. auch die Kritik von Hans Schmeja (Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien, 16–17). 129 Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 308. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Mithras-Anhängern, die DEO ARIMANIO gewidmet sind.130 Der Name ist auch in den nicht-mithraistischen Quellen in der Antike bestätigt.131 Es wurde darüber diskutiert, ob Arimanius hier der böse Gott der altiranischen Religion (also Angra Mainyu oder Ahriman) sei132 oder der Gott Aryaman. Dessen avestische Namensform lautet „Airyaman”. Indische Texte präsentieren ihn als einen Begleiter des Mithra.133 Widengren bietet für den Namen ARIMANIUS eine alternative Erklärung: ihm zufolge ist Arimanius doch Ahriman, aber nicht ein zoroastrischer, sondern ein zurvanistischer Ahriman: „Die Stellung Ahrimans als eines Gottes, dem man opfern kann, ist natürlich im Zoroastrismus undenkbar. Die Fortführung dieses Opferbrauches im Mithrazismus macht die Kontinuität zwischen Mithrazismus und Zervanismus sichtbar.“134 Unabhängig davon, welcher der beiden Gottheiten die Inschriften geweiht sind, ist eines sicher: der Name Arimanius ist iranischer Herkunft und folglich ein sicherer Berührungspunkt des Mithras-Kultes mit der iranischen Tradition. Doch ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass es im kaiserzeitlichen Mithraismus nur wenige Wörter gibt, die iranischen Ursprungs sind. Somit lässt sich vom Vokabular keine unmittelbare Verbindung zwischen dem römischen Mithras-Kult und der iranischen Miθra-Verehrung ableiten. Zusammenfassend kann man konstatieren, dass auch die Hinweise auf Persien in der Ikonographie und Terminologie des Mithras-Kultes seine persische Herkunft nicht beweisen. Doch sprechen sie einheitlich dafür, dass die Anhänger dieses Kultes davon überzeugt waren, dass sie einem alten persischen Kult folgten.135 5.2.4 Die Stiertötungsszene und ihre mögliche Verbindung mit der iranischen Mythologie Über die vermeintlichen Beziehungen der Stiertötungsszene zur iranischen Religion und Mythologie wurde sehr heftig diskutiert, und das kann man gut verstehen. Da ja die Stiertötung im römischen Mithras-Kult auf Kultreliefs am häufigsten belegt ist,136 ist zu vermuten, dass diese Szene uns den Schlüssel zum Ver-

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CIMRM, Vol. 1, Nr. 369; 834; Vol. 2, Nr. 1773; 1775. Diogenes Laertius, VP 1.8 f; Plutarch, De Iside 46 f., 369d–370c. S. die Beispiele: Bidez, Cumont, Les mages hellénisés. Zoroastre, Ostanès et Hystaspe d’après la tradition grecque, Tom. 1–2. 132 So meinen z.B. Hans Schmeja (Schmeja, Iranisches und Griechisches in den Mithrasmysterien 14), Michael P. Speidel (Speidel 1980: 2) und Richard Gordon (Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 309–310). 133 So meint z.B. Reinhold Merkelbach (Mithras, 104). 134 Widengren, Die Religion Irans, 216. 135 So auch Alvar, Romanising oriental Gods, 101. 136 S. dazu: 1.1.1. Vermaseren sagt, dass es geradezu eine feste Regel gewesen zu sein 131

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ständnis des Kultes als Ganzes geben kann. Somit hängt viel von ihrer Interpretation ab. Forscher, die die Stiertötungsszene aus der altiranischen Mythologie ableiten wollen, weisen darauf hin, dass Beziehungen zwischen Miθra und dem Stier in der indischen und persischen Überlieferung schon in den Veden und im Avesta belegbar sind.137 Obwohl man vermutete, dass Zarathustra das Tieropfer untersagte,138 ist das überhaupt nicht sicher.139 Außerdem gibt es Belege dafür, dass das Stieropfer in der iranischen Religion später noch praktiziert wurde.140 Mary Boyce zufolge wurden noch im 19. Jahrhundert während des Mihragān-Fests der Parsen Rinder geopfert.141 Richard Foltz behauptet, dass den Höhepunkt des Mihragān-Festes im Zeitalter der Achämeniden das Stieropfer gebildet hat,142 gibt dafür aber keine Belege an. Die Forscher, welche die Stiertötungsszene aus der altiranischen Mythologie ableiten wollen, weisen besonders auf folgende drei Tatsachen hin: 1) Wandmalereien und farbige Reliefs zeigen den Stier manchmal mit weißer Fellfarbe (so in den Mithräen in Santa Maria Capua Vetere,143 im Palazzo Barberini144 und in der Castra Peregrinorum145 in Rom). Dieser weiße Stier besitzt nach Widengren in der iranischen Religion alte Ahnen, da der parthische Heros Freton (Faridun = av. Thraetaona) auf einem weißen Stier reitet, und zwar am Tage des Mihr (Mithra).146 Im Buch Bundahišn („Schöpfung“) steht, dass der Gott Ohrmazd das Rind erschuf, das „weiß und glänzend wie der Mond“ war (1,49). Auch auf einer zerstörten Wandmalerei aus Bāmīan (erste Hälfte des 6. Jh. n.Chr.) ziehen den Wagen des Mihr weiße Stiere.147 2) Unter der Wunde am Hals des Stieres, dem Mithras den Tod gibt, sind Ähren oder Weintrauben abgebildet oder sein Schwanz läuft in einer Ähre oder einem scheint, dass die Darstellung der Stiertötung in keinem Mithräum fehlen durfte (Vermaseren, Mithras, 53). Es gibt aber erwiesenermaßen eine Ausnahme von dieser Regel: das Mithräum in Dieburg. 137 Merkelbach, Mithras, 9–22. 138 S. dazu Lommel, Die Religion Zarathustras nach dem Awesta dargestellt, 207–218; Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 51, 71; Widengren, Die Religion Irans; Merkelbach, Mithras, 10. 139 Zaehner, The Dawn and Twilight of Zoroastrianism, 84 ff.; Duchesne-Guillemin, La Religion de l’Iran Ancien, 99 ff.; Boyce, A History of Zoroastrianism. Vol. 1, 217. 140 Merkelbach, Mithras, 9–22. Ein Beispiel dazu aus dem Zeitalter der Sassaniden ist eine Textpassage von Claudian (s. dazu Kap. 4). 141 Boyce, „Mihragān among the Irani Zoroastrians“, 108. 142 Foltz, Religions of Iran, 28. 143 Vermaseren, Mithriaca I: Plate III. 144 CIMRM, Vol. 1, Nr. 389. 145 Il Mitreo dei ‘Castra Peregrinorum’. 146 Widengren, Die Religion Irans, 228–229. 147 Grenet, „Mithra ii. Iconography in Iran and Central Asia“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Ährenbündel aus.148 Auch im Bundahišn wird berichtet, dass der gute Gott Ohrmazd das Rind erschuf (ebd., 1,49), das aber schließlich vom bösen (Ahriman) getötet wurde (ebd., Kap. 4). Aus dem getöteten Rind entstand dann alles Kleingetier, danach 55 Sorten Getreide und 12 Arten Heilpflanzen (ebd., Kap. 6 E, 1). Dasselbe Motiv begegnet uns auch in der mittelpersischen Apokalypse Ayatkar i Zamaspik.149 In demselben Buch kommt noch ein zweites Stieropfer vor. Kapitel 34 behauptet, dass am letzten Tag der Heiland (Saošyant) kommt und die Toten wiedererweckt werden. Der Heiland „wird mit seinen Helfern für die Wiederherstellung der Toten ein Opfer vollziehen, und bei diesem Opfer werden sie den Stier Hadayan schlachten. Von dem Fett dieses Stieres und vom weißen Hom (Hauma) bereiten sie den Unsterblichkeitstrank und geben ihn allen Menschen; und alle werden unsterblich werden“. 3) Bei den heutigen iranisch-sprachigen religiösen Gruppen, Jesiden und Ahl-e Ḥaqq, sind mündliche kosmogonische Überlieferungen erhalten. Hierin wird erzählt, dass der höchste Gott mit den anderen präexistenten Urgöttern einen Vertrag schloss. Zu diesem Anlass wurde ein Stier geopfert.150 Vereinzelt verband man diese Überlieferung mit Miθra.151 Betrachten wir diese Tatsachen etwas näher. Was die weiße Farbe des Stieres betrifft, so bietet die iranische Überlieferung dazu eine wirkliche Parallele. Doch ist die weiße Farbe des Opferstieres nicht etwa spezifisch iranisch, sondern auch in der griechisch-römischen Religion bekannt.152 Deswegen kann man Romy Heyner nur zustimmen, wenn sie sagt, dass sich aus der weißen Farbe die Bedeutung des Tieres als geweihtes Opfer ableiten lässt.153 Dass die Stiertötung des Mithras ein Opfer darstellt, darin herrscht unter dem größten Teil der Forscher heute fast Konsens.154 Vor der Stiertötung findet auf den Mithras-Reliefs üblicherweise ein Kampf zwischen Mithras und dem Stier statt. Iranische Quellen wissen nichts von einem Kampf zwischen einem Gott und einem Stier zu berichten, wohl aber die griechische Mythologie (erinnern wir nur uns an Herakles oder Theseus).155 Auch viele 148

Clauss, Mithras, 89. Messina, Libro apocalitico Persiano. Ayatkar i Zamaspik: I. 150 Kreyenbroek, „Mithra and Ahreman, Binyamin and Malak Tawus. Traces of an ancient myth in the cosmogonies of two modern sects“, 57–79; Kreyenbroek, „Mithra and Ahreman in Iranian Cosmogonies“, 173–182. 151 Ibid. 152 Muth, Einführung in die griechische und römische Religion, 307. 153 Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219. 154 S. z.B. Clauss, Mithras, 91; Merkelbach, Mithras, 193–227; Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 219. 155 Clauss, Mithras, 87; Schwertheim, „Mithras“, 37. Dieses Motiv war im Altertum weit verbreitet und so kommt es auch in Mesopotamien vor. So kämpfen z.B. Gilgameš und sein Freund Enkidu im Gilgameš-Epos gegen einen himmlischen Stier. Man kann aber nur 149

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andere Motive, die man früher als typisch iranisch betrachtete, wie z.B. die Gigantomachie, die Cumont als Ahura Mazdās Kampf gegen Dämonen verstand, oder die Phaethon-Szene auf dem Relief von Dieburg, die man als einen Beleg für die Lehre von der Ekpyrosis im Mithras-Kult interpretierte,156 sind leicht aus der griechischen Mythologie ableitbar. Somit ist ein iranischer Hintergrund nicht zwangsläufig zu postulieren. Was die Stiertötungen im Bundahišn betrifft, so wies nachdrücklich vor allem John Hinnells darauf hin, dass hier der Stier nicht von Mihr, sondern von dem bösen Geist getötet wurde. Obwohl Wesendonk mit der Möglichkeit rechnet, dass im iranischen Mythos anfänglich nicht der böse Geist, sondern Mithra als Stiertöter auftauchte (und dass im römischen Mythos folglich die ältere Vorstellung erhalten sei),157 ist seine Ansicht nicht belegbar. Im zweiten Bericht des Bundahišn wurde das Tier jedoch durch Saošyant getötet. Allerdings ist dieser nicht ohne weiteres mit Mithras gleichzusetzen. Ebenso fehlen in den Quellen zum römischen Mithras-Kult jegliche Spuren der iranischen Eschatologie. Die Überlieferungen von Jesiden und Ahl-e Ḥaqq, auf die Kreyenbroek hinweist, können nicht direkt mit dem römischen Mithras-Kult in Verbindung gebracht werden. Sie zeigen nur, dass die Verbindung zwischen dem Stieropfer und dem Vertrag in der iranischen Mythologie sehr tiefe Wurzeln hat. Fazit: die Stiertötungsszene im kaiserzeitlichen Mithraismus ist nicht spezifisch iranisch. Sie hat in den iranischen Quellen einen anderen Kontext als im römischen Mithraismus. Überdies ist die Tatsache, dass Miθra schon im alten Iran mit Viehherden verbunden war,158 für die Erklärung der Stiertötungsszene auf den römischen Denkmälern ungenügend. Nichtsdestotrotz gibt es ein Motiv, das man tatsächlich mit der iranischen Mythologie in einen direkten Zusammenhang bringen kann. Es handelt sich hierbei um das Wachstum der Pflanzen aus dem getöteten Stier. Zwar bietet insbesondere der Bundahišn für das Entstehen von Tieren und Pflanzen aus dem

Heyner zustimmen, wenn sie unterstreicht: „Ikonographische Vorbilder des Bildschemas der Tauroktonie waren mit hoher Wahrscheinlichkeit die stiertötende Nike und andere Szenen der klassischen Kunst, die den Triumph eines ordnungsstiftenden Kulturheros (v.a. Herakles und Theseus = über ein wildes Tier thematisieren, wie bereits Fritz Saxl 1931 bemerkte (Heyner, „Aus dem Felsen geboren“, 222; s. auch Turcan, The Cults of the Roman Empire, 229). 156 S. dazu Hensen, Mithras, 75–78. 157 Wesendonk, Das Weltbild der Iranier, 66–67. 158 Im Avesta ist Miθra eng mit den Herden verbunden. Nach Yašt 10, 64 ist es Mithra, dem man die Herden zu verdanken hat. Zur Beziehung zwischen Miθra und dem Stier in der indoiranischen Religion s. Merkelbach, Mithras, 9 ff. Vgl. auch Frye, Persien, 49: „Für die Arier scheint das Rind genauso lebenswichtig gewesen zu sein wie das Kamel für die Araber. Sowohl in den Gathas wie in den Veden erscheint das Rind als Urquell der Ernährung und des Reichtums und bedeutungsvoll innerhalb des Glaubens“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 5

Kadaver prima facie konkrete Anknüpfungspunkte,159 doch kann man aus chronologischen Gründen nicht beweisen, dass dieses Motiv direkt dem Bundahišn entlehnt wurde, da die Endgestalt des Texts, dem eine ältere Überlieferung zugrunde liegt, erst auf das 9. Jh. n.Chr. zu datieren ist.160 Der Glaube, dass Mithra der Schöpfer des vegetativen Lebens ist, ist spezifisch iranisch und ist als solcher schon im Mihr-Yašt belegt.161 Richard Gordon ist der Ansicht, dass die Bedeutung des Opfers als Mittel zur Bewahrung der kosmischen Ordnung, die, wie wir gesehen haben, sehr charakteristisch für indoiranische Überlegungen ist, der Grund dafür war, dass Mithra mit dem lebensspendenden Opfer verbunden wurde.162 Jedoch sind laut Gordon Vorstellungen, die von einer Beziehung zwischen einer Opferung und der kosmischen Ordnung ausgehen, in der Religion der Antike einerseits weithin unbekannt; andererseits begegnen sie uns, wie gezeigt werden konnte, durchaus in der indoiranischen Mythologie.163 Demnach ließe sich hieran eine weitere Verbindung zwischen dem kaiserzeitlichen Mithraismus und der iranischen Mithra-Verehrung ausmachen. 5.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Die bislang referierten Indizien sind natürlich keine untrüglichen Belege für einen iranischen Ursprung des römischen Mithras-Kultes. Nichtsdestotrotz zeigen sie, wie Jaime Alvar mit Recht festhält, dass die Anhänger des römischen MithrasKultes selbst von der iranischen Herkunft ihres Kultes überzeugt waren.164 Darüber hinaus scheint es so, dass nicht nur die Mithras-Anhänger, sondern auch die Außenstehenden den Mithras-Kult als einen persischen betrachteten. Es ist nicht schwer zu beweisen, dass der römische Mithras-Kult und der iranische Miθra-Kult zwei unterschiedliche Kulte sind, die sich jeweils als spezifische Kontingenzbewältigungssysteme in einem konkreten zeitlichen wie geographischen Rahmen verorten lasen. Allerdings fehlen im iranischen Kult viele Aspekte, die geradezu konstitutiv waren für den römischen: die Initiation,165 das 159

Wie jüngst insbesondere Daniel Mielke zu Recht anmerkte, war im Altertum die Überzeugung, dass Neues aus Vergehendem entsteht, nicht nur weit verbreitet, sondern sie begegnet uns auch in verschiedenen Kontexten (s. Mielke, „Mysterienwesen“, 99, Anm. 76). Somit ist ihm vollends zuzustimmen, wenn er das hier thematisierte Paradoxon in einem Vortrag („Die Initiation im Mysterienwesen – Bekanntes, Grundsätzliches und revidierende Perspektiven“, gehalten im Juni 2016) bezeichnet als „eine klar konnotierte Vorstellung, fest verankert im antiken Denken“. Allerdings stellen die Darstellungen auf den Mithras-Denkmälern nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches eine Sonderform dieses Topos dar. 160 Widengren, Die Religionen Irans, 4–5; Stausberg Die Religion Zarathustras, 291–297. 161 Yašt 10, 61. 162 Gordon, „From Mithra to Roman Mithras“, 454. 163 Ibid. 164 Alvar, Romanising oriental Gods, 101. 165 Auch Beard, North und Price haben diesen Unterschied gegenüber der iranischen © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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gemeinsame Mahl der Kultanhänger, die spezifischen Heiligtümer und nicht zuletzt die Idee von der Stiertötung als zentraler Akt in der kosmischen Geschichte. Der iranische Gott ist im Unterschied zum römischen kein Schöpfer der Welt. Aufgrund der soweit referierten Verbindungen zwischen Miθra und Mithras ist es aber ebenso sicher, dass diese beiden Gottheiten viele gemeinsame Züge aufweisen. Diese seien zuletzt kurz zusammengefasst: 1) Die beiden Götter sind durch den Namen verbunden, dessen indoiranische Herkunft außer Zweifel steht. 2) Sowohl iranischer Mithra als auch römischer Mithras sind durch den Bund verbunden, wobei der Händedruck Ausdruck dieses Bundes ist. 3) Beide Götter stehen mit der kosmischen Ordnung in Verbindung. 4) Beide Götter haben einen solaren Charakter, der manchmal mit demselben ikonographischen Symbol – mit den Strahlen um den Kopf – ausgedrückt wird. 5) Beide Götter sind mit Wasser und Pflanzen verbunden. 6) Beide Götter tragen kriegerische Züge, obwohl sie beim iranischen Mithra auffallender sind. 7) Beide Götter kämpfen gegen Dämonen, obwohl dieser Wesenszug beim römischen Mithras nur an einem Ort (Hawarte) belegt ist. Einerseits können etwaige Parallelen nicht unbesehen als Belege dafür gelten, dass der Mithras-Kult der Römer ein Importkult aus dem Iran war – dazu waren der Kult von Mithra in der iranischen Religion und der kaiserzeitliche Mysterienkult des Mithras zu verschieden – und man kann mit Attilio Mastrocinque einverstanden sein, wenn er sagt: „The Iranian origin of Roman Mithraic iconography and rituals proved a misleading hypothesis.“166 Vielmehr spricht einiges dafür, dass der Mithras-Kult ein neues, in der römischen Kaiserzeit entstandenes Phänomen ist. Lässt sich dessen räumliche Verbreitung auch relativ gut nachvollziehen, so bleibt dessen genauer Entstehungsort indes unklar. Aber andererseits, weil die gemeinsamen Züge der beiden Götter vorliegen, kann man hier nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches nicht von „zufälligen Parallelen“ sprechen. Eine einleuchtende Erklärung hierfür besteht wohl darin, dass der iranische Miθra/Mithra Hauptprototyp des neuen kaiserzeitlichen Gottes war. Obgleich es wohl nur um die Gestalt des Mithras (oder seine Persönlichkeit) ging, und nicht um seinen Kult als Gesamtheit von Mythen, Ritualen, Handlungsvorschriften usw., die sich um seine Gestalt konzentriert haben. Mehr noch – sie gehen bei dem iranischen Miθra/Mithra und dem römischen Mithras stark auseinander. Aber auch die Gestalt eines Gottes oder seine Persönlichkeit gehört zu seinem Religion betont: „However, the form of the cult most familiar to us, the initiatory cult, does not seem to derive from Persia at all“ (Beard, North, Price, Religions of Rome. Vol. I: A History, 279). 166 Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 3. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 5

Kult, oder besser gesagt: sie ist das zentrale Teil eines Kultes. Folglich besteht zwischen Miθra/Mithra und Mithras eine enge innige Verwandtschaft. Gleichwohl ist es keine Identität. Und die „radikale These“ zur Entstehung des MithrasKultes, die behauptet, dass der römische Mithras und der iranische Mithra gar nichts miteinander zu tun hätten, ist genauso unbegründet wie die „starke iranische These“ es einst war. Es ist sicher, dass die Römer den iranischen Gott Mithra durch die Vermittlung der griechisch-hellenistischen Tradition (teilweise durch die Literatur, teilweise wahrscheinlich auch durch die bildende Kunst) kannten. Der heutige Iran war für die griechisch-römische Welt keine terra incognita, sondern ein Gebiet, das, berücksichtigt man diverse Textquellen (z.B. Herodots Historien und Xenophons Werke), schon spätestens seit dem 5. Jh. v.Chr. bekannt war.167 Wie der vor kurzem verstorbene Zürcher Althistoriker Walter Burkert sowohl anhand religiöser als auch philosophischer Vorstellungen zeigen konnte, war der Einfluss der iranischen Kultur auf die griechisch-römische Welt äußerst groß.168 Überhaupt war der iranische Kulturraum damals um einiges größer als heute, und so umfasste er Regionen, die schließlich zum Imperium Romanum (besonders Kleinasien, Syrien) gehören sollten. Folglich ist es sehr wahrscheinlich, dass die Römer den iranischen Miθra nicht nur durch etwaige Berichte, sondern auch vermittels einschlägiger Abbildungen kennengelernt hatten. Der Strahlenkranz über dem Kopf des römischen Mithras und die Dexiosis-Szene können tatsächlich von Kleinasien aus zu den Römern gelangt sein. Auch Lukians Bericht, dass Mithra die Tiara trägt, scheint auf Kleinasien hinzuweisen. Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass einige Züge der Gestalt des römischen Mithras, besonders einige seiner ikonographischen Symbole, durch kleinasiatische Vermittlung zu den Römern gelangt sind. Sicherlich spielte bei der Entstehung und der Verbreitung des römischen Mithras-Kults die vorgenannte Faszination für den Orient eine herausragende Rolle. Gleiches gilt für die Verbreitung anderer sog. „orientalischer Kulte“. Aber dabei ist zu betonen, dass die o. g. „iranischen Elemente“ im römischen MithrasKult nur teilweise „pseudoiranische“ sind, d.h. sie wurden benutzt, um diesem römischen Kult ein iranisches Kolorit zu verleihen. Viele Elemente, besonders was Mithras’ Persönlichkeit anbelangt, zeigen eine große Nähe zur authentischen iranischen Tradition.169 Diese reicht nachweislich von der vorchristlichen Zeit,

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Tuplin, Achaemenid Studies, 132–177. Burkert, Die Griechen und der Orient, 107–133. 169 Das meint auch Merkelbach, der sagt; „sein Erfinder (d.h. der Erfinder des MithrasKultes – J. L.) hat gute Kentnisse der persischen Religion gehabt“ (Mithras, 77). Dieselbe Meinung hat neuerlich auch Mastrocinque geäußert: „The founder of Mithraism was a worshipper of Mithras and acquainted with Iranian theology. He was fairly accustomed with the identification of Mithras with Apollo. Therefore, he was hardly an Iranian, but 168

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Der römische Mithras und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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d.h. vom 5. Jahrhundert v.Chr. bis zur römischen Kaiserzeit. Allerdings sind etwaige Verbindungen zwischen dem römischen Mithras-Kult und der iranischen Miθra-Verehrung kein Beispiel dafür, wie ausgeprägt der „Synkretismus“170 in der kaiserzeitlichen Religion war. Vielmehr demonstrieren sie, wie integrationsfähig und assimilationskräftig diese prinzipiell war und schon immer gewesen ist.171

rather an Anatolian. He was not an Iranian because he created a pantheon in which Mercurius, Venus, Mars, Iuppiter, Luna, Sol, and Saturn were worshipped, who were simply planets for people of the Iranian highlands. Moreover he did not place Ahura Mazda-Zeus Horomazes directly at the head of the Mithraic pantheon“ (Mastrocinque, The Mysteries of Mithras, 84). 170 S. kritische Anmerkung zum Begriff „Synkretismus“ zuvor in 2.3. 171 Die Aufnahme neuer und fremder Götter ist kein für die kaiserzeitlichen Religion charakteristisches Phänomen („kaiserzeitlicher Synkretismus), wie man früher überzeugt war (Lahe, „Die ‚orientalischen Religionen‘ im Römerreich als ein Problem der Religionsgeschichte“, 88), sondern ein Prozess, der durch die gesamte römische Religionsgeschichte beweisbar ist. Schon früh haben die Römer Gottheiten aus den anderen latinischen Stämmen aufgenommen, ebenso etruskische und griechische Gottheiten (s. Radke, Die Götter Altitaliens). Auch kleinasiatische Gottheiten wurden bereits zu Zeiten der römischen Republik bekannt (Dörner, „Kleinasien. Herkunftsland orientalischer Gottheiten“, 73–89). Die „orientalisierende Epoche“, über die Walter Burkert bei den Griechen schrieb (Burkert, Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur; Burkert, The Orientalizing Revolution: Near Eastern influence on Greek culture in the Early Archaic Age), ließ auch den römischen Kulturraum nicht unberührt (Rüpke, Die Religion der Römer, 52 ff.). Beim „Synkretismus“ als Phänomen muss man auch mit den „Interpretationen“ (besonders mit der interpretatio Romana) rechnen (zum Phänomen „Interpretationen“ s. Günther, Morstadt (Hrsg.), Phönizische, griechische und römische Gottheiten im historischen Wandel). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 6 Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien

Wie schon in 2.1. gezeigt, bezeugen die Inschriften, Reliefs und Skulpturen, die aus dem hellenistischen Zeitalter und aus dem kleinasiatischen Raum stammen, dass der Gott Mithra in dieser Region bekannt war. Es ist auch kein Wunder, wenn wir bedenken, dass Kleinasien zum westlichen Teil des iranischen Kulturraums gehörte und dass Mithra in den iranischen Religionen im Laufe der Zeit eine wichtige Rolle spielte und dies auch noch im Zeitalter der Arsakiden (3. Jh. v.Chr. – 3. Jh. n.Chr.). Man kann nicht daran zweifeln, dass der Gott Mithra mit den iranischen Religionen nach Kleinasien gekommen ist. Doch hatte er in diesem Kulturraum eine regionsspezifische Prägung, weswegen wir ihm ein eigenständiges Kapitel gewidmet haben (Kap. 2). Im Folgenden betrachten wir die Beziehungen zwischen kleinasiatischem Mithra/Mithres und iranischem Mithra/Mihr und beobachten auch ihr jeweiliges Verhältnis zur griechisch-hellenistischen Kultur, weil Kleinasien schon seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. auch zum griechischen Kulturraum gehörte und seit den Eroberungen von Alexander dem Großen (4. Jahrhundert v.Chr.) zur hellenistischen Welt (Kap. 2). 6.1 Der Name des Gottes Wie schon in 2.2 gesagt, ist es sicher, dass die Namensformen Mithras und Mithres, die beide in Kleinasien belegt sind, gräzisierte Formen des indoeuropäischen Gottesnamen Mithra darstellen. Obwohl die Namensform Mithras-Apollon-Helios-Hermes, die in den kommagenischen Inschriften auf dem Nemrud Daği (in der Kultinschrift N) und aus Arsameia am Nymphaios (in der Kultinschrift A) belegt ist, hellenistisch ist und nicht zu iranischen Religionen, sondern zum hellenistischen „Synkretismus“ („Theokrasie“1) gehört, steht es außer Zweifel, dass hinter der Gleichsetzung von Mithras, Apollon und Helios die Identifizierung von Mithra mit der Sonne steht, die seit dem parthischen Zeitalter in der iranischen Religion üblich war (4.4.1). Auch manche anderen Gottheiten, die zum kommagenischen Pantheon gehörten und mit Mithras genannt werden,2 wie Oromazdes (= Ahura Mazdā) und Artagnes (= Verethragna), waren im arsakidischen

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Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 102. In der Inschrift N (224 f.) nennt man sie „väterliche Götter aus Persien und Makedonien“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 6

und sassanidischen Zeitalter in Iran sehr populär.3 Zu den populärsten Gottheiten dieser Zeit gehörte auch die Göttin Anāhitā.4 Deswegen ist es auffällig, dass diese Göttin im kommagenischen Pantheon fehlt und statt ihres Namens rein hellenistisch klingenden Göttinnen, wie der Göttin „allnährende Kommagene“, Hera Teleia und Artemis Diktynna gehuldigt wurde. Das spricht dafür, dass der kommagenische Mithras-Kult nicht nur aus der iranischen Religion erklärbar sein dürfte, sondern daneben auch einen griechisch-hellenistischen Hintergrund hat. Das gilt für den kommagenischen Götter- und Herrscherkult als ganzen (Kap. 2). 6.2 Die Darstellungsweise des Gottes Obwohl der Gott Mithras in Kommagene orientalische Kleidung und Kopfbedeckung trägt (s. 2.2.2.),5 gehört seine Darstellungsweise zur hellenistischen Kunst. Wie schon Herodot berichtet, stellten die Perser ihre Götter nicht bildlich dar (s. 4.4.1), und die kommagenischen Götter-Skulpturen und -Reliefs, die überhaupt die ältesten Abbildungen der iranischen Götter darstellen, sind sicherlich nach den hellenistischen Vorbildern geschaffen. Doch weisen einige ikonographische Symbole bei ihnen auf Beziehungen zu Mithra in der iranischen Religion hin. So ist ein Motiv, das Mithra auf dem Relief von Nemrud Daği mit dem Mithra auf dem Relief von Tāq-e Bostān verbindet, das Barsom-Bündel, das er in der Hand hält.6 Mithras Kleidung auf demselben Relief weist auf seine persische Herkunft allgemein hin, aber der Sonnenkranz um den Kopf des Gottes betont seine Solarität, die, wie gesagt, seit dem arsakidischen Zeitalter ein wichtiger Wesenszug des iranischen Mithras war. Das Motiv der Dexiosis betont Mithras Beziehung zum Freundschaftsbund, der mit der Bedeutung seines Namens in Einklang steht und bei ihm im Iran und später auch im Imperium Romanum eine wichtige Rolle gespielt hat (Kap. 5). Die Tatsache, dass Mithras dieselbe Kleidung trägt wie König Antiochos I. selbst,7 weist auf seine innige Verbindung zum Herrscher und seinem Herrschaftsgebiet.

3

Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 198. Ibid. 5 Auch Zeus-Oromasdes und Apollon-Mithras-Helios-Hermes tragen auf den DexiosisReliefs die Tiara. 6 Adrych u.a., Images of Mithra, 130; Callieri, „On the Diffusion of the Mithra Images in Sasanian Iran“, 84. 7 Jacobs, „Das Heiligtum auf dem Nemrud Daği“: „In der Begegnung von König Antiochos mit Apollon-Mithras-Helios-Hermes erscheinen Gott und König bis auf die Kopfbedeckung gleich gekleidet, wodurch die Götternähe des Herrschers besonders unterstrichen wird“ (ibid., 79). 4

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Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres

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6.3 Mithras Stellung und Funktion im kommagenischen Pantheon Obwohl ziemlich sicher ist, dass Mithras dem König Antiochos besonders nahe stand, war er doch im kommagenischen Pantheon ein Gott unter anderen Gottheiten (Kap. 2). Als ein königlicher Schutzgott neben anderen kommt Mithra im iranischen Kulturraum zu vielen Zeiten und an vielen Orten vor – eine solche Rolle hatte er sowohl in den achämenidischen Inschriften als auf den kuschanischen Münzen und auf dem Felsrelief von Tāq-e Bostān (Kap. 4). Wie in der Kommagene, so hatte er seine Rolle als Schutzgott neben Ahura Mazdā (und gemeinsam mit ihm) auch in einigen achämendischen Inschriften (Kap. 4). So kann man für das Königreich von Kommagene von einer alten Tradition mit Wurzeln in der iranischen religiösen Überlieferung sprechen. Doch ist nicht alles im kommagenischen Kult aus der iranischen Tradition erklärbar. 6.4 Erklärungsmodelle des kommagenischen Pantheons Um die Beziehungen des kommagenischen Pantheons zur iranischen Religion zu erklären, hat man in der Forschung unterschiedliche Erklärungsmodelle entworfen. Im Folgenden gehen wir die wichtigsten von ihnen durch. 6.4.1 Das kommagenische Pantheon als Ausdruck des Zurvanismus Die Hypothese, dass der kommagenische Kult der Zurvanismus war, hat Eduard Meyer aufgestellt. Er geht vom Ausdruck εἰς τὸν ἄπειρον αἰῶνα in der großen Inschrift auf dem Nemrud Daği (N 43) aus und erklärt: „Der König weiß, dass seine Seele nach der Trennung vom Leibe zum himmlischen Thron des Zeus Oromasdes in die unendliche Ewigkeit (d.i. Zervan) eingehen wird.“8 Auch Junker, der sich bei seiner Interpretation der Inschrift auf die Ausdrücke ἄπειρος αἰῶν und χρόνος ἄπειρος beruft, meint, dass „die kommagenische Religion“ der Zurvanismus war und sieht in der Inschrift eine Gegenüberstellung einer „kosmischen, gleichsam empirischen und einer außerkosmischen, metaphysischen Zeit“, die seiner Meinung nach für den Zurvanismus charakteristisch war.9 Auch Geo Widengren interpretiert die Ausdrücke χρόνος αἰώνιος, ὁ ἄπειρος αἰῶν und χρόνος ἄπειρος in der vorgenannten Inschrift zurvanistisch.10 Seiner Meinung nach ist an der Tatsache nicht zu zweifeln, dass es sich hier um einen iranischen Glauben an eine Schicksalsgottheit handelt, die das Los der Menschen bestimmt. Widengrens Meinung nach bestätigt sich dieser Eindruck, wenn wir das Ende der Inschrift betrachten, wo der König es seinen Nachfolgern, „welche die Unendliche Zeit durch das besondere Los jedes Einzelnen zur Nachfolge in diesem Lande bestimmt“, zur Pflicht macht, das von ihm gestiftete Kultgesetz zu beachten. Wi-

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Meyer, Ursprünge und Anfänge des Christentums, Bd. I, 89. Junker, „Über iranische Quellen der hellenistischen Aion-Vorstellung“, 152. 10 Widengren, Die Religionen Irans, 219. 9

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Kapitel 6

dengren weist auf den Text OCI I, 383 Z. 105 ff. hin und betont, dass die Unendliche Zeit hier wiederum χρόνος ἄπειρος ist.11 Auch Hans Heinrich Schaeder12 und Henrik Samuel Nyberg13 vertreten die Zurvanismus-Hypothese, nach der man in den Gottheiten Zeus/Oromasdes, Apollon-Mithras-Helios-Hermes, ArtagnesHerakles-Ares und „alles nährende Kommagene“ vier Aspekte des Gottes Zurvan sehen muss. Arthur Darby Nock hat dagegen gezeigt, dass dies Interpretation auf Grund der Fehlübersetzung der vorgenannten Inschrift entstanden ist.14 Jaques Duchesne-Guillemin15 und Michael Waldmann16 unterstützen die Kritik von Nock und zeigen, dass die zurvanistische Interpretation der Denkmäler von Kommagene unbegründet ist. So ist der Ausdruck „unendliche Zeit“ leicht als Verstärkung dessen, was der König Antiochos sonst in dieser Inschrift sagt, interpretierbar. Er sagt nämlich, dass diese Grabanlage unzerstörbar (ἀπόρϑητος χρόνου λύμαις), sein Körper bis ins hohe Alter wohlerhalten (μακαριστὸν ἄχρι γήρως … σῶμα μορφῆς ἐμῆς) und die ganze Anlage samt dem in ihr verkündeten Gesetz so errichtet ist, dass sie in den kommenden Jahrzehnten und Generationen fortbestehen wird.17 Zurvanistisches Gedankengut steht also von daher gesehen keineswegs hinter diesen Ausdrücken.18 Nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches ist die Kritik von Nock, Duchesne-Guillemin und Waldmann an der Zurvanismus-Hypothese genügend fundiert, um auf diese Hypothese zu verzichten. 6.4.2 Das kommagenische Pantheon als mazdaistisches Pantheon Als eine Alternative hat man die Hypothese aufgestellt, dass man das kommagenische Pantheon als zoroastristisch-mazdaistisches Pantheon verstehen kann. Obwohl auf Grund der in Kapitel 2 dargestellten Argumenten ziemlich sicher ist, dass im Kult von Kommagene Mithra eine Sonderstellung gehabt hat, zeigt die Stellung des Zeus-Oromasdes auf den Terrassen des Heiligtums auf dem Nemrud Daği (er sitzt im Zentrum der jeweils fünfköpfigen Gruppen und überragt die übrigen Gottheiten an Größe19), dass er und nicht Mithras der Hauptgott des kommagenischen Pantheons war. Auch die Götternamen, die in den kommagenischen Inschriften vorkommen, sind dieselben, denen im Mazdaismus im arsakidischen Zeitalter in Iran/Parthien gehuldigt wurde (Ahura Mazdā, Mithra, Verethragna).

11

Ibid. Schaeder, Urform und Fortbildungen des manichäischen Systems, 135. 13 Nyberg, Die Religionen des Alten Iran, 390: „[…] das Denkmal als Ganzheit bildet den χρόνος ἄπειρος, die Grenzenlose Zeit, Zrvan akarana ab; diese Gottheit wird ausdrücklich in der Inschrift genannt […]“. 14 Nock, „A Vision of Mandulis Aion“, 81. 15 Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 193. 16 Waldmann, Der kommagenische Mazdaismus, 185. 17 Ibid. 18 Ibid. 19 Ibid., 28. 12

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Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres

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Das alles scheint dafür zu sprechen, dass „die kommagenische Religion“ nicht der Zurvanismus, sondern die gewöhnliche iranische Religion, d.h. der Mazdaismus, gewesen ist. Dieser Ansicht ist z.B. Helmut Waldmann20, der sagt: „Über die Herkunft dieses Namens (d.h. Mithras-Helios Apollon-Hermes – J. L.) aus dem Versuch, die astraltheologische Konzeption des Antiochos mit der synkretistischen seines Vaters zu verbinden, haben wir bereits kurz gesprochen. Es liegt auf As also eine Vorstellung über den zu verehrenden Gott vor, die [...] den Gott Mithras durch die Gleichsetzung mit Helios zwar aus seiner Funktion, die er in der dualistischen iranischen Götterwelt einnahm, herausführt und einen wesentlichen Schritt näher an die Funktion heranbringt, die er in den Mithras-Mysterien einnehmen wird.“21 Außer den mazdaistischen Göttern kommt im kommagenischen Götter- und Herrscherkult auch eine Vorstellung vor, die nicht spezifisch zurvanistisch, aber für den Mazdaismus sehr charakteristisch war. So schreibt König Antiochos I. in seiner Inschrift auf dem Nemrud Daği: „Als ich die Vorkehrung traf, das Fundament dieses Hierothesion ganz nahe bei den himmlischen Thronen so zu errichten, dass es durch die Schädigungen der Zeit nicht zerstört werden kann, in welchem (40) der Leib meiner Gestalt – in gepriesenem Zustand bis ins Greisenalter –, nachdem er die gottgeliebte Seele zu den himmlischen Thronen Zeus-Oromasdes gesandt hat, für die grenzenlose Ewigkeit ruhen wird, (44) da beschloss ich, auch diesen Platz als heiligen gemeinsamen Thronsitz aller Götter zu weihen, damit nicht nur diese (48) Schar meiner verstorbenen Vorfahren, die du siehst, (hier) durch meine Fürsorge errichtet steht, sondern damit auch der sich manifestierenden Gottheiten göttliche Skulptur, auf heiligem Hügel geweiht, auch diesen (52) Ort nicht ohne (Zeichen) meiner Frömmigkeit lasse, vielmehr ein Zeuge für sie sei.“22 Obwohl die Jenseitsreise der Seele nach dem Tod in der Religion der Antike eine wichtige Rolle gespielt hat,23 ist die Reise der Seele zum himmlischen GottesThron ein Topos, der in der griechisch-römischen Antike nicht verbreitet war. Sie war aber wichtig in den zoroastrischen Texten, in denen die Seele gerade zum Thron von Ahura Mazdā (wie auf Nemrud Daği) gelangen muss.24 Wir begegnen 20

S. den Titel des Buches von Helmut Waldmann: Der kommagenische Mazdaismus. Waldmann, Die kommagenischen Kultreformen, 111. 22 Übersetzung von Petzl (Petzl, „Die Königsinschriften von Kommagene“, 65). Vgl. mit der Übersetzung von Waldmann (Waldmann, Der kommagenische Mazdaismus, 204). 23 Lahe, „Das Motiv der Himmelsreise der Seele in der Gnosis“, 119−140. 24 Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 190. Auch Bruno Jacobs weist auf diese Vorstellung als „gemein-iranisch“ hin (Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 103). 21

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dieser Vorstellung z.B. im Avesta (Vd. 19:31–32), wo geschildert wird, wie die Seele des Gerechten nach dem Tode zum Thron von Vohu Manah gelangt und dann von Vohu Manah zu Ahura Mazdā, zu den Ameša Spentas und zum goldenen Thron geführt wird –, in einer Inschrift von Xerxes I. aus Persepolis (XPf 32– 43) und in einer Inschrift an der sog. Zarathuštra-Ka‘ba in Naqš-e Rostam aus der sassanidischen Zeit, in der der Hohepriester Kerdir seine Jenseitsreise beschreibt.25 Aber „die kommagenische Religion“ als ganze ist nicht nur aus der iranischen Religion erklärbar – das „griechische Element“ spielt daneben eine zu große Rolle. 6.4.3 Das neue Erklärungsmodell – das kommagenische Pantheon als schwach und sekundär iranisiertes hellenistisches Pantheon Wie schon in 2.5 gesagt, hat man „die Religion von Kommagene“ als griechischpersischen Synkretismus charakterisiert. Der Hauptmangel dieses Begriffes, der an sich nicht falsch ist, besteht darin, dass der Begriff „Synkretismus“ und sogar eine Bezeichnung „griechisch-iranischer Synkretismus“ nichts über Umfang und Art der gegenseitigen Einflüsse im kommagenischen Götter- und Herrscherkult aussagt. Aus der Erforschung der unterschiedlichen kommagenischen Denkmäler ist ein neues, drittes Erklärungsmodell erwachsen, das im kommagenischen Pantheon ein schwach und sekundär iranisiertes hellenistisches Pantheon sieht. Zuerst sei hier genannt, dass drei der vier Götter, die auf dem Nemrud Daği präsentiert werden – Zeus, Apollon und Herakles – auch im hellenistischen Pantheon der Seleukiden sehr wichtig waren.26 Das passt gut mit der Tatsache zusammen, dass die Könige von Kommagene sich als Nachfolger der Seleukiden verstanden haben (Kap. 2). Die Kultstätten von Kommagene stammen aus unterschiedlichen Zeiten. Obwohl eine allgemein anerkannte Chronologie fehlt,27 ist dennoch sicher, dass das Hierothesion in Arsameia am Nymphaios älter als das Hierothesion auf dem Nemrud Daği ist. Wenn wir die Götterliste von Nemrud Daği und die Götterliste von Arsameia vergleichen, wird eine überraschende Tatsache zu Tage kommen: die Namen der Gottheiten sind an den beiden Kultstätten nicht gleich. In Arsameia fehlt die Gottheit „allesnährende Kommagene“ und stattdessen kommt Hera Teleia vor. Der Kriegsgott von Arsameia heißt Herakles und nicht Artagnes-Herakles-Ares, wie auf dem Nemrud Daği.28 Auch im Temenos von Sofraz Köy fehlen die griechisch-persischen Doppelnamen für die Götter. Dort tragen die Götter, denen Antiochos I. den Temenos weihte, die Namen Apol-

25

Stausberg, Die Religion Zarathustras: Geschichte, Gegenwart, Rituale. Bd. 1, 226–233. Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 192. 27 Vgl. die unterschiedlichen Chronologien: Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 48 und 56. 28 Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 194–195. 26

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Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres

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lon Epekoos und Artemis Diktynna, d.h. sie begegnen uns in ihrer rein griechischen Form.29 Auch zwei andere Tatsachen können bestätigen, dass das kommagenische Pantheon erst sekundär iranisiert ist. So werden in diesem Pantheon alle weiblichen Gottheiten nur mit ihren griechischen Namen bezeichnet ohne orientalisches Pendant (Hera Theleia; Artemis Diktynna; „allnährende Kommagene“). Auch bei den anderen Gottheiten kommen die iranischen Namensbestandteile nur dort vor, wo die Götter dem Besucher des Heiligtums gleichsam vorgestellt werden, während sie an anderer Stelle, wo sie als Rächer für etwaige Übertretungen Erwähnung finden (Npo 40), nur mit griechischen Namen bezeichnet werden. Die iranische Komponente scheint also Ergänzung zu bleiben.30 Deswegen scheint das dritte Erklärungsmodel des kommagenischen Kultes dem Autor des vorliegenden Buches am besten begründet zu sein.31 Auf Grund der vorgenannten Beobachtungen unterscheiden Jörg Wagner und Bruno Jacobs zwischen zwei Phasen im kommagenischen Kult – eine rein griechisch-hellenistische, die der makedonisch-seleukidischen Tradition folgt, und eine synkretistische Phase.32 Nach Wagner und Jacobs erstreckt sich die frühe Kultphase über die ersten Regierungsjahre von Antiochos I., der spätestens im Sommer 69 v.Chr. die Herrschaft antrat. Den Wendepunkt vom hellenistischen Herrscher- und Götterkult seleukidischer Prägung zu einem griechisch-persischen Religionssynkretismus bezeichnet nach Wagner das auf den 7. Juli 62 v.Chr. datierte Löwenhoroskop auf dem Nemrud Daği.33 Dieses Horoskop stellt eine

29 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 49. S. die Inschrift SO 6–7: „[…] (ich) habe diesen Ort dem Erhörenden Apollon und der Artemis Diktynna geweiht […] “ (s. Petzl, „Die Königsinschriften von Kommagene“, 62). 30 Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene,“ 103. Auch Adrych u.a. (Images of Mithra, 148–149), Rose („A new relief of Antiochus I of Commagene“) und Ellerbrock („Religiöse Ikonographie auf Parthischen Münzen: der Einfluss politischgesellschaftlicher Veränderungen auf das Bild der Göttin Tyche im Parthischen Reich“, 295–298) haben auf diese sekundäre „Iranisierung“ der kommagenischen Götter aufmerksam gemacht. 31 Auch Addrych u.a. kommen zum Ergebnis, dass die Götter auf Nemrud Daği mehr hellenistisch als iranisch sei: „At Nemrud Daği there are many visual features from which one might extract cultural traits of one culture or another. The barsom and the dress of the god point to Persia, but it could be argued that the overall rendering of the image in a ‘Greek’ manner, with only ‘Persian motifs’, placed the god more in the Hellenic tradition. The texts too are rendered in Greek and avoid Aramaic or another Semitic language. Similarly, the name Apollo-Mithras-Helios-Hermes uses three Greek gods and only one Persian, perhaps suggesting that the god was 75 per cent Greek and 25 per cent Persian“ (Images of Mithra, 144). 32 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 49; Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 103. 33 Wagner, „Die Könige von Kommagene und ihr Herrscherkult“, 50; Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 103.

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Konstellation dar, in der sich die Planeten Jupiter, Merkur, Mars und der Mond am Königsstern Regulus begegneten. Jacobs meint, dass man die vier Götter, die auf dem Nemrud Daği auf den Thronen sitzend dargestellt werden, mit diesen Planeten gleichsetzen kann (d.h. Jupiter = Zeus-Oromasdes; Merkur = MithrasApollon-Helios-Hermes; Mars = Artagnes-Herakles-Ares; der Mond = Göttin Kommagene).34 Es bleibt noch die Frage, warum König Antiochos I. sein Pantheon mit den iranischen Komponenten ergänzt hat. Jacobs erklärt das aus innenpolitischen Gründen. Das Reich von Antiochos I. befand sich im Schnittpunkt der Interessen einer östlichen und einer westlichen Großmacht, Parthiens und Roms. Ein analoger Gegensatz bestand im Lande selbst zwischen Iranern und Makedonen, die gewiss jeweils für sich eine Führungsrolle beanspruchten. Es galt so, die Untertanen aus diesem Antagonismus zu lösen und unter bestimmten Vorzeichen zu einigen. Dabei sollten gemeinsame religiöse Begehungen helfen, die vorhandenen Gegensätze zu verwischen und, wenn möglich, aufzuheben.35 6.5 Zusammenfassung und Ergebnisse Die wichtigsten Mithras-Inschriften, -Skulpturen und -Reliefs in Kleinasien gehören zum Herrscher- und Götterkult des Königs Antiochos I. von Kommagene. Dieser Kult enthält sowohl iranische als auch griechisch-hellenistische Bestandteile. Der kommagenische Mithras trägt Züge, die in Verbindung mit der älteren iranischen Tradition stehen – als solche seien hier sein Name, seine Rolle als Schutzgott des Herrschers, seine Solarität und seine Beziehung zum Freundschaftsvertrag, dessen symbolische Ausdruck die Dexiosis ist, genannt. Gleichzeitig kann man aber darlegen, dass die iranischen Namen der kommagenischen Götter sekundär sind und der Tradition der interpretatio Graeca folgen, die bis zu Herodot zurückreicht. Außer durch orientalische Tracht werden sie durch Mittel der griechisch-hellenistischen Kunst ausgedrückt und man kann sagen, dass das Pantheon von Kommagene eigentlich ein griechisch-hellenistisches Pantheon ist, das nur sekundär und oberflächlich iranisiert wurde. Abgesehen davon kann man aber bei dem kommagenischen Pantheon (und damit beim kommagenischen Mithra) von Beziehungen zur iranischen Tradition sprechen. Dass ist verständlich, wenn wir daran denken, dass das Königreich Kommagene an Parthien grenzte und zum iranischen Kulturraum gehörte. Zuletzt sei hier noch auf eine merkwürdige Parallele hingewiesen. Es gibt eine Reihe bemerkenswerter Ähnlichkeiten zwischen der kommagenischen und der kuschanischen Religion, die ebenso aus dem iranischen Kulturraum stammt. Auch im Pantheon des Kuschan-Reiches existieren griechische und iranische Götter nebeneinander (4.3.7.1 u. 4.3.8). Auch die Kuschan-Könige werden wie die

34 35

Jacobs, „Nemrud Daği“; Jacobs, „Das Heiligtum auf dem Nemrud Daği“, 80. Jacobs, „Die Religionspolitik des Antiochos I. von Kommagene“, 108. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der iranische Miθra/Mihr und seine Beziehungen zu Mithra/Mithras/Mithres

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Könige von Kommagene durch Handschlag vereint mit den Göttern dargestellt.36 Einer dieser Götter war Miiro (= Mithra), der auch auf den kuschanischen Münzen mit dem Strahlenkranz um den Kopf dargestellt wird. Auch im Kuschan-Reich wird er mit Helios gleichgesetzt, wobei er sekundär iranisiert wurde – auf den früheren Münzen wird er mit dem Namen Helios, auf den späteren aber mit Miiro bezeichnet.37 So werden auch die andere Götternamen iranisiert – Nana wurde durch den Namen Nanaia ersetzt usw.38 Das ist eine merkwürdige Parallele zur Iranisierung des kommagenischen Pantheons und zeigt uns, dass an beiden Rändern desselben Kulturraums eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat.

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Metzler, „Kommagene von Osten her gesehen“, 111. MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 143; MacDowall, „Mithra’s Planetary Setting in the Coinage of the Great Kushans“, 305. 38 MacDowall, „The role of Mithra among the deities of the Kusana coinage“, 143. 37

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Kapitel 7 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus 1 Den Gottheiten, zu denen der römische Mithras, der hellenistische Mitthra/Mithras/Mithres, der iranische Mithra und der indische Mitra gehören, muss man auch den Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus zuordnen. Diese Gottheit kommt im Manichäismus nicht in allen Gegenden, sondern nur im persischen, parthischen und sogdischen Manichäismus vor. Da er im iranischen Kulturraum hervortritt, ist selbstverständlich vorauszusetzten, dass der Gott Mihryazd/Miši βaγi irgendeine Beziehung zum iranischen Gott Mithra (Mihr) hat. Im Folgenden betrachten wir zuerst dieses göttliche Wesen in unterschiedlichen manichäischen Traditionen und analysieren danach seine Beziehungen zur iranischen Religion (Kap. 8). 7.1 Quellen Beim Gott Mihryazd/Miši βaγi unterscheidet sich die Quellenlage von der für den Gott Mithra/Mihr in Formen der iranischen Religion völlig. Während wir seit den Königen von Kommagene und den Kaisern Kaniška und Huwiška von Kuschan viele bildliche Darstellungen des Gottes Mithra kennen (2.1.2; 4.3.7; 4.3.9– 4.3.14), gibt es keine einzige Darstellung, die man mit Sicherheit mit dem manichäischen Mihryazd/Miši βaγi identifizieren kann. Nur bei dem Wandgemälde von Hawarte (1.2.10) hat man manichäische Einflüsse vermutet (8.2). Der Gott Mihryazd/Miši βaγi wird nur in schriftlichen Quellen beschrieben. Die wichtigsten darunter sind die Texte, die man 1898–1916 in der Oase Turfan im Nordwesten Chinas gefunden hat.2 Diese Texte, die aus dem 6.–10. Jh. stammen und teils in iranischen Sprachen (Parthisch, Mittelpersisch, Sogdisch), teils in uigurischer Sprache verfasst sind, enthalten sehr mannigfaltige Materialien: Lehrtexte, Hymnen, Gebete, Rituale, Beichtspiegel, Katechismen, Mahn- und Sendschreiben, Kommentare, Erzählungen historischen und mythisch-legendären Inhalts. Die Schriften sind meist sehr beschädigt und bruchstückhaft.3 Die Turfan-Texte

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Die Kapitel 7 und 8 basieren auf den folgenden Beiträgen des Autors: „Jumal Mihr(jazd) manihheismis ja tema seosed jumal Mithraga iraani usundis“, „Zoroastristlikud ja zurvaniitlikud motiivid maniluses“ und „The deity Mihryazd in Manichaeism and his relation with god Mithra in Zoroastrianism“ (noch nicht veröffentlicht). 2 Zu den Turfan-Expeditionen s. Zaturpanskij, „Reisewege und Ergebnisse der deutschen Turfanexpeditionen“ 116.127; von Le Coq, Auf Hellas Spuren in Ostturkistan; Gordula Gumbrecht, Acta Turfanica: die deutschen Turfan-Expeditionen gesehen in den Archiven von Urumchi und Berlin. S. auch Sundermann, „Turfan Expeditions“. 3 Rudolph, Die Gnosis, 359. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 7

wurden durch F. C. Andreas, W. B. Henning, J. P. Asmussen, M. Boyce, H. J. Klimkeit und W. Sundermann publiziert.4 7.2 Der Name des Gottes und seine Titel Der Gottesname kommt in mittelpersischen und parthischen Texten als Mihr (myhr) und in soghdischen Texten als Miši (myšyy) vor.5 In mittelpersischen und parthischen Texten trägt er immer den Titel yazad („Gottheit“)6, wobei sein Name und sein Titel sehr oft so in eins verschmolzen sind, dass sein Name in der Form mihryazd als Eigenname fungiert.7 Dass hinter seinem Namen der iranische Gottesname Mihr steht, ist sicher. Dass Mithra als yazad bezeichnet wird, steht nicht in Einklang mit der gewöhnlichen iranischen Verwendung des Begriffs, nach der Mithra immer als baga bezeichnet wird.8 Nur im sogdischsprachigen Manichäismus nennt man ihn Miši βaγi.9 Es steht aber in Einklang mit dem Avesta, in dem Mithra immer als yazata bezeichnet wird.10 So steht die Verwendung des Titels in der mittelpersischen und parthischen Sprache der avestischen, in der sogdischen Sprache aber der allgemeinen zoroastrischen Tradition näher. 7.3 Die unterschiedlichen Funktionen des Gottes im Manichäismus In den manichäischen Texten kommt der Gott Mihryazd/Miši βaγi in unterschiedlichen Funktionen vor. Inw mittelpersischen Texten (darunter in Šābuhragān) wird er mit dem spiritus vivens („ der Lebendige Geist“), in parthischen und sogdischen Texten dagegen mit dem tertius legatus („der Dritte Gesandte“) gleichgesetzt.11 Im Folgenden betrachten wir diese manichäische Gottheit in ihren beiden Hauptfunktionen.

4 Die wichtigsten Editionen sind: Andreas, Henning, Mitteliranische Manichaica aus Chinesisch-Turkestan I–III; Asmussen, Manichaean Literature; Boyce, Reader in Manichaean Middle Persian and Parthian. Acta Iranica; Boyce, The Manichaean Hymn-Cycles in Parthian; Klimkeit, Hymnen und Gebete der Religion des Lichts. Iranische und türkische liturgische Texte der Manichäer Zentralasiens; Müller, Handschriftenreste in Estrangeloschrift aus Turfan I und II; Sundermann, Mittelpersische und parthische kosmogonische und Parabeltexte der Manichäer. 5 Sundermann „Namen von Göttern, Dämonen und Menschen in iranischenVersionen des manichäischen Mythos“, 10.3/11.2; Sundermann, „Mithra. iii. in Manicheism“. 6 Ibid. 7 Vgl. mit dem Namen Jesus Christus im Neuen Testament, bes. bei Paulus. 8 Zur Gottesnennung Baga s. Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 57. 9 Sundermann, „Mithra. iii. in Manicheism“. 10 Ibid. Im Avesta wird Mithra nur einmal als baga bezeichnet (ibid.). 11 In den parthischen und sogdischen Texten kommt der dritte Gesandte daneben auch als Narisaf-yazd vor. Er wird hier mit dem zoroastrischen Gott Nairiyōsaŋha gleichgesetzt (Sundermann, „Mithra. iii. in Manicheism“).

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Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus

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7.3.1 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Lebendige Geist (spiritus vivens) Der Lebendige Geist ist eine Hypostase des höchsten Gottes, die zur Befreiung des Ersten Menschen geschaffen wird. Er entsteht aus dem „Großen Baumeister“, der wiederum aus dem „Freund der Lichter“ emaniert. Wie der „Erste Mensch“ fünf Söhne hatte, so hat auch der Lebendige Geist fünf Söhne, die als seine Gefolgsleute handeln.12 Nach der Befreiung des Ersten Menschen beauftragt der Lebendige Geist seine Söhne, die Dämonen zu töten, um das Licht (= die fünf Söhne des Ersten Menschen), das in der Hand der Dämonen geblieben ist, zu retten. Seine Söhne töten die Dämonen, und der Lebendige Geist erschafft aus ihren Körpern die materielle Welt. Zur Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung treten die fünf Söhne des „Lebendigen Geistes“ nochmals in Aktion, die jeweils einen Teil des Kosmos behüten.13 Das Geschöpf des Lebendigen Geistes (= des Gottes Mihr) wird in den Texten detailliert beschrieben. So heißt es in einem mittelpersischen Text: „Und als (Gott) Mihr jene vier Schichten, das Gefängnis der Dämonen, und vier Erden mit Säulen und Anordnungen und Toren und Mauern und Gräben und Höllen und den Kanälen, die im Inneren der Erde sind, und Bergen und Tälern und Quellen, Flüssen und Meeren, und zehn Himmel mit Weltteilen und Thronen, Schwellen, Umdrehungen und Doppelstunden und Mauern, und ein Himmelsrund mit Zodiakus und Sternen, und zwei Waagen, der der Sonne und der des Mondes, mit Häusern und Thronen und Toren und Torwächterführern, und den Gefängnisherren und der Grenzwächtern, den Hausherrn, den Dorfherrn, den Stammesherren und Landesherren, und aller Art Dinge des Gesamtkosmos gemacht und wohlgeordnet hatte, da wurden dieser Botschafter- und der Kundenbringer-Gott, welcher von Gott Mihr und der weiblich gestalteten (Gottheit), die des Gottes Ohrmizd Mutter (ist), über sie […], dort vor den (Gott) hingestellt, der über jenem Himmel steht und den Kopf jener Götter hält.“14 Nach der Schöpfung des Weltalls wurde Gott Mihr hinauf zum Paradies erhoben und trat vor den Herrscher des Paradieses. Er bekam den Befehl von ihm, wieder herabzusteigen, Umlauf und Schutzgeleit für Sonne und Mond einzuteilen und

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Asmussen, „Manihheism“, 389. Über die fünf Söhne des Lebendigen Geistes s. auch Böhlig, Die Gnosis III: Der Manichäismus, 33. 13 Rudolph, Die Gnosis, 363–364. 14 Aus einer manichäischen Kosmogonie nach M 7983 (= T III 260e II) (mittelpersisch): ed. Andreas, Henning, Mitteliranische Manichaica I, 177–181; Boyce, Reader in Manichaean Middle Persian and Parthian, 63–64; Asmussen, Manichaean Literature, 122– 124. Zitiert nach Böhlig (Die Gnosis III: Der Manichäismus, 108–109). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 7

dem Wind, dem Wasser und dem Feuer Weg und Pfad zum Höchsten zu bereiten.15 Seine neue Aufgabe ist es, zum Zweck der endgültigen Erlösung der Lichtteile den Kosmos in Bewegung zu setzen. Die Schöpfung der Welt wird auch in Manis Werk Šābuhragān geschildert. So beschreibt der kosmogonische Text M 98 I und M 99 I, wie Mihryazd die Sonne und Mond schuf: (Z. 1–6) (Und sie ...) befestigten die sieben Planeten und hängten die zwei Drachen auf und banden die fest; und an jenem untersten Himmel hängten sie (sie) auf und – um sie auf den Ruf hin unaufhörlich drehen zu lassen – setzten sie zwei Engel, einen männlichen und einen weiblichen, ein. (Z. 7– 17) Und dann leiteten sie (es) empor zur Grenze und zum Lichtreich. Und aus Wind und Licht, Wasser und Feuer, die aus der Vermischung gereinigt worden waren, machte und bereitete er zwei Lichtwagen: jenen der Sonne aus Feuer und Licht, mit fünf Mauern – ätherisch, luftig, licht, wässrig und feurig –, zwölf Toren, fünf Häusern, drei Thronen und fünf seelensammelnden Engeln in der feurigen Mauer, (Z. 17–30) und jenen des Mondgottes aus Wind und Wasser, mit fünf Mauern – ätherisch, luftig, licht, feurig und wässerig –, vierzehn Toren, fünf Häusern, drei Thronen und fünf seelensammelnden Engeln in der wässrigen Mauer. Und sie kleideten sich in [...]. Und danach zog Mihryazd aus derselben Ausläuterung drei Kleider aus Wind, Wasser und Feuer an, und er stieg hinunter zur Erde der Finsternis.“16 „Der Lebendige Geist“ wird auch als der Kämpfer gegen Dämonen geschildert. In einem mittelpersischen Fragment erzählt man, wie die Pflanzen aus dem Samen der Dämonen entstanden. Ein Teil von diesem Samen fiel ins Meer und daraus entstand ein hässliches und fürchterliches Ungeheuer, das aus dem Meer taumelte und in der Welt Sünde zu verbreiten begann. Mihr schickte gegen ihn einen von seinen fünf Söhnen („fünf Götter“), den Licht-Adamas.17 Weiteres wird hier nicht genannt, aber wir wissen aus den anderen Quellen, dass der Licht-Adamas dieses Ungeheuer besiegte und tötete. Auch hier tritt Mihr als Kämpfer gegen Böses auf. Als Leiter des Kampfes gegen Dämonen begegnet uns Mihr auch in den Texten, in denen die endzeitlichen Ereignisse geschildert werden. In einem Fragment aus Manis Werk Šābuhragān18 wird berichtet, wie Finsternis Himmel und Erde bedeckte. Dann stieg der Gott Mihr im Sonnenwagen in die materielle Welt hinab 15

Ibid., 109. Zitiert nach der Übersetzung von Hutter (Manis kosmogonische Šābuhragān-Texte, 10– 13). 17 M 7981 I (= T III 260 b I) (mittelpersisch): ed. Andreas, W. Henning, Mitteliranische Manichaica I, 181–185; Boyce, Reader, 64–66; Asmussen, Manichaean Literature, 124– 125; Böhlig, Die Gnosis III, 110. 18 Müller, Handschriftenreste II, 19–22. 16

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Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus

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und brachte einen Ruf hervor.19 Danach begannen die Götter, die über die unterschiedlichen Teile des Weltalls herrschten, die widergöttlichen Wesen Az, Ahrmen und Dämonen zu attackieren, und sie besiegten sie. Nach dem Sieg gingen die göttlichen Wesen mitsamt ihren „Freunden“ (wahrscheinlich mit den befreiten Lichtteilen) ins Paradies ein. Die materielle Welt stürzte ein, und so hatte die Vernichtung des Bösen ihre Vollendung erreicht. Im Fragment M 3845, das Teil eines manichäischen Hymnus ist, den W. Sundermann publiziert hat,20 heißt es: „And also the Dark ἐνθύμησις, the producer of every sin, (who, by way) of that (terrib)le(?) shape, produces her (ter)rible gang, [...] And they will throw her Into that furnace and prison, and into eternal bonds, which are made by the Light Architect in the rea(lm) of the (Light) Nou(s), i.e. the New Para(dise), the resting-place of the warlike powers. And Mihr-yazd will bind her with those fast bonds.“ Ohne die Vorstellungen zum Aufbau des Alls im Manichäismus näher zu analysieren,21 sind hier zwei wichtige Wesenszüge des Gottes Mihr(yazd) in der Funktion des Lebendigen Geistes hervorzuheben: Mihr(yazd) als der Lebendige Geist ist Kämpfer gegen Dämonen und als Vater seiner fünf Söhne der Leiter dieses Kampfes; er ist eine Gottheit, die als Demiurg handelt22 – er erschafft den materiellen Kosmos und setzt ihn ins Bewegung. 19

Hier begegnen wir dem Motiv vom eschatologischen Schlachtruf, das auch in der christlichen apokalyptischen Literatur wichtig ist. S. z.B. 1Thess 4,16. Die Einflüsse der christlichen Apokalyptik auf die manichäische Apokalyptik stehen außer Zweifel (Widengren, Die Religionen Irans, 306). 20 Sundermann, „Some more Remarks on Mithra in the Manichaean Pantheon“, 487–489. 21 S. dazu Sundermann, „Cosmogony and Cosmology. iii. In Manicheism“. 22 Alexander von Lykopolis hat den Lebendigen Geist geradezu als δημιουργός bezeichnet (6,8). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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7.3.2 Der Gott Mihryazd/Miši βaγi als der Dritte Gesandte (tertius legatus) Der dritte Gesandte ist ein Lichtwesen, das zur endgültigen Befreiung des Lichtes in die materielle Welt gesandt wurde. Nach der manichäischen Anschauung nahm er Platz auf der Sonne, auf der er bis zum Ende der Welt residiert. Wie Werner Sundermann angemerkt hat, ist der Beitrag des Dritten Gesandten zur manichäischen Kosmogonie eigenartig geringer und indirekter Art. Er beauftragt den Großen Baumeister, das Neue Paradies und das Gefängnis für die Finsternismächte zu errichten. Ebenso setzt er Sonne und Mond in Bewegung, desgleichen die kosmischen Räder des Feuers, Wassers und Windes, die aber alle bereits erschaffen sind.23 Zur Aufnahme der geläuterten Lichtteile erschafft er die „Säule der Herrlichkeit“, auch „vollkommener Mensch“ genannt, die in der Milchstraße sichtbar wird. Auf ihr steigen die befreiten Lichtteile zum Mond empor, von dort weiter zur Sonne, bis sie in den inzwischen vom „Großen Baumeister“ entworfenen „Neuen Äon“ gelangen.24 Man kann sagen, dass der dritte Gesandte das Erlösungs- und Schöpfungswerk des Lebendigen Geistes fortführt. In den parthischen und sogdischen Texten ist Mihryazd/Miši βaγi eng mit der Sonne gebunden. Obwohl sein Name mit „der Sonnengott“ übersetzt wird, ist er nicht mit der Sonne identisch, sondern residiert auf der Sonne.25 In den Texten preist man sein Erleuchtungskraft. So sagt man in einem parthischen Hymnus: „(a) Oh gerechter und gütiger Gott (bay), vorausschauende Gottheit (yazd), hilf mir und sei mir stets Helfer. Sei gesegnet, erhellender Sonnengott (mihr-yazd), großes Licht. (b) Der Glanz bist Du und die Helligkeit der sieben Gegenden der Welt, Dein Licht strahlt in alle Reiche und Gebiete.“26 Im iranischen Kulturraum wird Mihryazd als der dritte Gesandte mit Nairiyōsaŋha gleichgesetzt und er trägt den Namen Narisah (so im Mittelpersischen) oder Narisaf (so im Parthischen). So sagt man in einem anderen parthischen Hymnus: „Deinem Licht (rōšn) will ich Lobpreis darbringen, (b) Zweite Größe, Gott Narisaf, (g) Schöne Gestalt (didan), Glanz (bām), ... (d) Richter und Zeuge aller ... (h) Tausendäugiges Licht …“27

23

Sundermann, „Namen von Göttern, Dämonen und Menschen in iranischenVersionen des manichäischen Mythos“, 105. 24 Rudolph, Die Gnosis, 364. 25 Geshevtisch, „Die Sonne das Beste“, 67–89. 26 Übersetzung von Henning (Klimkeit, Hymnen und Gebete der Religion des Lichts, 91). 27 Übersetzt von Hans-Joachim Klimkeit (ibid., 93). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der Gott Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus

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Wie Mihryazd, so residiert auch der Gott Narisah auf der Sonne und man ruft ihn „Rōšnšahryazd“ – „der Gott, dessen Königreich das Licht ist.“28 7.4 Zusammenfassung und Ergebnisse Das göttliche Wesen Mihryazd/Miši βaγi, das im mittelpersischen, parthischen und sogdischen Manichäismus vorkommt, ist ein Lichtwesen, das im Manichäismus die folgenden Funktionen hat: 1) Als der Lebendige Geist ist er Kämpfer gegen Dämonen. Er leitet den Kampf gegen das Böse, der durch seine fünf Söhne realisiert wird. Seine fünf Söhne töten die Dämonen auf seinen Befehl. 2) Er ist der Demiurg und gleichzeitig der Befreier des Lichtes. Er erschafft die materielle Welt aus den Körpern der getöteten Dämonen zur Befreiung des Lichtes. 3) Nach der Schöpfung ist er für die kosmische Ordnung verantwortlich; wie er gegen Dämonen mit der Hilfe seiner fünf Söhne kämpft, so setzt er sie auch als Regenten über die unterschiedlichen Teile des Weltalls ein. Man kann auch sagen, dass er die Welt durch seine fünf Söhne regiert. 4) Als der Dritte Gesandte ist er eng mit der Sonne verbunden, doch nicht mit ihr identisch – die Sonne ist sein Aufenthaltsort. 5) Auch als der Dritte Gesandte spielt Mihr eine wichtige Rolle bei der Befreiung des Lichtes – er setzt die „drei Räder“ des Weltalls in Gang; dadurch hilft er, das erlöste Licht in die Lichtwelt zurückzubringen. 6) Auch als der Dritte Gesandte leitet er den Kampf gegen Dämonen und bringt ihn erfolgreich zu Ende. Die Beziehungen zwischen dem manichäischen Mihryazd/Miši βaγi und dem Gott Mithra/Mihr in der iranischen Religion werden im folgenden Kapitel Thema sein.

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Böhlig, Die Gnosis, 59. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 8 Der manichäische Mihryazd/Miši βaγi und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr im Zoroastrismus

Bei der Entstehung des Manichäismus rechnet die Forschung mit dem Beitrag unterschiedlicher Religionen: der altbabylonischen Religion,1 der iranischen Religion sowohl in ihrer zoroastrischen als auch in ihrer zurvanistischen Prägung,2 gnostischen Strömungen und dem Christentum. Die überwiegende Mehrzahl der heutigen Forscher sieht die Wurzel des Manichäismus primär in der Gnosis3 oder im Christentum,4 wobei besonders der Beitrag des syrischen Christentums hervorgehoben wird.5 Das ist auch verständlich, wenn wir daran erinnern, dass die Gruppe der Elchesaiten, in der Mani aufwuchs, eine (juden)christliche Gruppe war.6 Der Beitrag der anderen Religionen und religiösen Strömungen ist leicht mit der Multireligiosität des sassanidischen Imperiums erklärbar,7 ebenso mit Manis Vorhaben, eine Universalreligion zu gründen, oder auch als eine bewusste Anpassungsstrategie der manichäische Mission.8 8.1 Iranische Motive im Manichäismus Die Motive, die aus der iranischen Religion stammen oder stark durch sie beeinflusst sind, sind im Manichäismus mannigfaltig und beschränken sich nicht auf

1 Kessler, Mani; zu vermeintlichen Einflüssen der altbabylonischen Religion im Manichäismus s. auch Sundermann, „Manicheism“. 2 Wesendonk, Das Weltbild der Iranier, 278; Widengren, Die Religionen Irans, 299–308; Widengren, „Manichaeism and its Iranian Background“, 965–990, Widengren, „Einleitung“, IX–XXXII. 3 Puech, „Der Begriff der Erlösung im Manichäismus“, 145–213; Rudolph, Die Gnosis, 352–379; Klimkeit, „Mani ja manilus“, 795–832; Asmussen, „Manihheism“, 366–399; Gnoli, „Manichaeism“, 161–170. 4 Böhlig, „Christliche Wurzeln im Manichäismus“, 225–246; Markschies, Die Gnosis, 101–107; Lieu, Manichaeism in the later Roman Empire and Medieval China, 69. 5 Hutter, „Die Bedeutung des syrischen Christentums für die gnostische Religion Manis“, 261–272. 6 Zur Lehre der Elchesaiten: Luttikhuizen, The Revelation of Elchsai. 7 Zu religiösen Lage des Imperiums der Sassaniden s. Klimkeit, „Mani ja manilus“, 798; Rudolph, Die Gnosis, 352–253; Böhlig, „Zur religionsgeschichtlichen Einordnung des Manichäismus“, 464–468; Widengren, Die Religionen Irans, 274–283. 8 Zur manichäischen Missionsstrategien s. Rudolph, Die Gnosis, 358 u. 360; Asmussen, „Manihheism“, 375–376.

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Kapitel 8

einige Begriffe und Namen, sondern betreffen auch manichäische Grundkonzeptionen. So ist die Konzeption von zwei Prinzipien stark vom zoroastrischen Dualismus abhängig.9 Auch die manichäische Individualeschatologie hängt sehr stark von iranischen Vorstellungen ab. Aus der iranischen Religion stammen im Manichäismus z.B. solche Motive wie die postmortale Himmelsreise der Seele, die Vorstellung von der himmlischen Welt als Lichtwelt, die Vorstellung von der Brücke, über die die Seelen nach dem Tod gehen müssen, und Lichtkleid, Thron, Kranz und Diadem, die der Seele in der Lichtwelt überreicht werden.10 Aus der zoroastrischen Apokalyptik stammt die Vorstellung vom „großen Krieg“ (ardīg ī wuzurg) in der manichäischen kollektiven Eschatologie.11 Auch viele mythologische Gestalten des Manichäismus stammen aus dem Zoroastrismus oder tragen wenigsten Namen, die aus dem Zoroastrismus entliehen sind.12 8.2 Der manichäische Gott Mihryazd und sein Verhältnis zum Gott Mithra (Mihr) im Zoroastrismus Wie schon in 7.2 gesagt, ist es sicher, dass hinter dem Namen Mihryazd der iranische Gottesname Mihr steht. Das ist schon aus sprachgeschichtlichen Gründen klar, da die Namensform Mihr in der mittelpersischen Sprache dieselbe Gottheit bezeichnet, die in der altpersischen Sprache Mithra und in der avestischen Sprache Miθra heißt. Aber welche inhaltliche Beziehung hat er zum Gott Mithra der altiranischen Religion und Mythologie? Wenn wir noch einmal zum Gott Mihryazd zurückkommen und seine Gestalt mit der Gestalt Mithras (Mihr) in der altiranischen Religion vergleichen (Kap. 4), können wir gleichzeitig eine Reihe Unterschiede und Gemeinsamkeiten konstatieren. Abgesehen vom gnostischen Hintergrundsystem (in dem der manichäische Gott Mihryazd hervortritt und wirkt), das sich prinzipiell vom zoroastrischen Hintergrundsystem unterscheidet,13 besteht der erste und größte Unterschied zwischen diesen beiden Gottheiten darin, dass Mihryazd als der Lebendige Geist der Schöpfer der materiellen Welt ist, Mithra (Mihr) im Zoroastrismus aber nicht. Im Zoroastrismus ist Ahura Mazdā allein der Schöpfer aller Dinge. Doch kommt 9

Hutter, Das Erlösungsgeschehen im manichäisch-iranischen Mythos, 153–236; Rudolph, „Mani und der Iran“, 307–321; Sundermann, „How Zoroastrian is Mani’s Dualism?“, 343– 360. 10 Lahe, „Zoroastristlikud ja zurvaniitlikud motiivid maniluses“, 83–85; Widengren, Der Manichäismus, XX; Widengren, Die Religionen Irans, 306; Klimkeit, „Mani ja manilus“, 819. 11 Ibid., 816; Hutter, „Manichaeism in Iran“, 484. 12 Sundermann, „Namen von Göttern, Dämonen und Menschen in iranischen Versionen des manichäischen Mythos“, 95–133; Colditz, „Zur Adaption zoroastrischer Terminologie in Manis Šābuhragān“, 20–21. S. auch die vergleichende Tabelle: Böhlig, „Einleitung“, 61–63. 13 Diesen Unterschied haben sowohl Kurt Rudolph als auch Manfred Hutter betont (Rudolph, Die Gnosis, 68 ff.; Hutter, „Manichaeism in Iran“, 476 ff.). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Der manichäische Mihryazd/Miši βaγi und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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die Anschauung, dass Mithra der Schöpfer der Welt ist, im römischen MithrasKult vor. Sie ist dort epigraphisch bestätigt (1.2.1., Anm. 96), und auch der Neuplatoniker Porphyrios behauptet, dass Mithra der δημιουργός ist (s. ibid.). Er meint damit den persischen Mithra, spricht aber in Wirklichkeit vom römischen Mithras, weil diese beiden Gottheiten für ihn eine sind. Dass der römische Mithras-Kult sich die neuplatonische Interpretation zu Eigen gemacht hat, ist sicher.14 Ebenso sicher haben die Manichäer die platonischen Ideen gekannt und benutzt.15 Deswegen kann man vermuten, dass hinter der Gestalt des Mithras als Schöpfergott im römischen Mithras-Kult und der Gestalt des Mihryazd als Schöpfer der Welt im Manichäismus ein gemeinsamer platonischer/neuplatonischer Hintergrund gestanden hat. Das zweite Unterschied zwischen manichäischem Mihryazd und dem iranischen Mithra besteht darin, dass Mihryazd fünf Söhne hat – der iranische Mithra hat keine Söhne.16 Das zeigt, dass Mihryazd nicht die Anleihe aus dem Zoroastrismus, sondern eine manichäische Neuschöpfung ist. Und doch hat er Gemeinsamkeiten mit dem zoroastristischen Mithra (= Mihr). Die erste wichtige Gemeinsamkeit zwischen dem iranischen Mithra und dem manichäischen Mihryazd außer den Namen der Götter könnte ihre Beziehung zur kosmischen Ordnung sein. Obgleich Mithra im Zoroastrismus kein Schöpfer der Welt ist, ist er für die kosmische Ordnung verantwortlich (Kap. 4). Auch Mihryazd ist gemeinsam mit seinen fünf Söhnen dafür zuständig, dass das Weltall als Maschine funktioniert. Das Ziel des Weltalls im Zoroastrismus ist natürlich nicht die Befreiung des Lichtes aus der Materie, wie im Manichäismus, aber das ändert nichts an Mihryazds Funktion als Behüter des Weltalls. Der zweite Berührungspunkt zwischen Zoroastrismus und Manichäismus besteht in der Solarität von Mithra/Mihryazd. Aber mit dem Begriff „Solarität“ muss man hier sehr sorgfältig umgehen. Denn man hat Mihryazd häufig „Sonnengott“ genannt.17 Nach einer weitverbreiteten Hypothese war der Gott Mihryazd unter den Sogdiern schon in der vormanichäischen Zeit (d.h. vor dem 3. Jh. n.Chr.) als Sonnengott bekannt. Ilya Gershevitch hat jedoch gezeigt, dass diese Hypothese völlig unbegründet ist. Die Sogdier haben die Sonne nicht mit Mithra

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Das haben besonders Turcan (Mithras Platonicus) und Merkelbach (Mithras) betont. Zu Beziehungen zwischen Mysterienkulten und Platonismus allgemein Dörrie, „Mysterien (in Kult und Religion) und Philosophie, 341–362; Burkert, Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt, 56–74. 15 Böhlig, „Denkformen hellenistischer Philosophie im Manichäismus“, 551–585; Böhlig, „Die griechische Schule und die Bibliothek von Nag Hammadi“, 251–288; Böhlig, „Zum griechischen Hintergrund der manichäischen Nus-Metaphysik“, 243–264. 16 Sundermann, „The five sons of the Manichaean god Mithra“, 778, 17 Manchmal hat man auch seinen Namen so übersetzt (z.B. Müller, Handschriftenreste, II). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 8

gleichgesetzt und haben zwischen diesen beiden Göttern unterschieden.18 Das steht in Einklang mit der älteren iranischen Tradition, die auch das Avesta vertritt, nach der die Sonne und Mithra zwei verschiedene Götter sind (Kap. 4.). Auch sonst ist es sehr problematisch, den manichäischen Gott Mihryazd als „Sonnengott“ zu bezeichnen. Denn obwohl Mihryazd mit der Sonne eng verbunden ist, ist er nicht mit ihr gleich – die Sonne ist nur sein Aufenthaltsort bis zum Ende der Welt. Folglich ist Mihryazd Sonnengott nur in einem sehr weiten Sinn.19 Es ist aber bemerkenswert, dass der Manichäismus in Iran und Zentralasien durch die Unterscheidung zwischen Mithra und der Sonne die Avesta-Tradition bewahrt hat. Auch hinter dem Motiv des Sonnenwagens, in dem Mihryazd als spiritus vivens in die materielle Well hinabsteigen wird (7.3.1), steht sicherlich die Vorstellung vom Wagen Mithras, die schon im Avesta vorhanden ist (4.3.3). Der dritte Wesenszug von Mithra, der ihn mit dem manichäischen Mihryazd verbindet, ist seine Rolle als Kämpfer gegen Dämonen. Schon im Mihr-Yašt liest man, wie Mithra die Köpfe der Dämonen zerstört (Mihr-Yašt 10.26). Die späteren Apokalypsen Bahman Yašt und Jāmāsp Nāmag beschreiben näher, wie Mithras Kampf gegen die Dämonen aussieht. Wie in Kap. 7 gezeigt, tritt Mihryazd im Manichäismus sowohl in der Funktion des Lebendigen Geistes als auch in der Funktion des Dritten Gesandten als Besieger der Dämonen hervor. Lucinda Dirven vermutet, dass auch Wandgemälde im Mithräum von Hathra (Syrien) Dämonen darstellen und den Kampf des Lebendigen Geistes gegen die Dämonen zeigen und folglich unter dem Einfluss des Manichäismus entstanden sein können.20 Richard Gordons Meinung nach ist solche Interpretation nicht unmöglich.21 Alexander Böhlig meint, dass der Lebendige Geist im Manichäismus durch Mihr zum Ausdruck gebracht wurde, weil dieser der Siegesgott war und insofern geeignet, die Mächte der Finsternis zu unterwerfen.22 Es ist kein Zufall, dass im Manichäismus Mihryazd als der dritte Gesandte mit Nairiyōsaŋha gleichgesetzt wird. Im Avesta kommt Nairiyōsaŋha als der Bote Ahura Mazdās vor.23 8.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Es ist sicher, dass der Hauptprototypus des Lichtwesens Mihryazd im Manichäismus der Gott Mithra gewesen ist. Er hat viele bemerkenswerte Züge, die für den zoroastrischen Mithra charakteristisch sind: sein Kampf gegen Dämonen, seine Verantwortung für die Weltordnung und zuletzt auch seine Beziehung zur Sonne. Es bleibt nur unklar, warum die Manichäer die unterschiedlichen Funktionen von 18

Gershevitch, „Die Sonne das Beste“, 71. Ibid., 70. 20 Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 322. 21 Ibid. 22 Böhlig, „Einleitung“, 59. 23 Foltz, Religions of Iran, 23. 19

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Der manichäische Mihryazd/Miši βaγi und seine Beziehungen zu Miθra/Mihr

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Mithras auf zwei göttliche Wesen aufgeteilt haben. Es ist aber verständlich, warum die Manichäer den Gott Mithra, wie viele andere Wesen aus der altiranischen Mythologie in ihr Lehrsystem integriert haben. Dessen Ziel war es, die manichäische Botschaft den Menschen, die in der zoroastrischen Tradition aufgewachsen waren, verständlich zu machen. Manis Selbst- und Religionsverständnis (Mani als letzter Offenbarungsträger und maßgeblicher Interpret aller früheren Religionen)24 hatte für solche Integrierung eine gute Voraussetzung geboten, und es ist unbedeutend, ob Mani selbst oder erst seine Missionare das Gottwesen Mihryazd ins manichäische System eingeführt haben.

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Dazu: Tröger, Die Gnosis. Heilslehre und Ketzerglaube, 176–177; Asmussen, „Manihheism“, 375–377; Klimkeit, „Mani ja manilus“, 804. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 9 Mitra in Indien 1

Im 2. Jahrtausend v.Chr. begannen die indoeuropäischen Stämme, in Asien und Europa neue Territorien zu besiedeln.2 Nachdem ein Zweig dieser Stämme im Zeitraum von ca. 2000–1750 v.Chr. in Indien ankam und hier die Zivilisation begründete, die man als „Hindu-Zivilisation“ bezeichnet,3 traf der zweite Zweig in der zweiten Hälfte des 2. oder Anfang des 1. Jahrtausends in der iranischen Hochebene ein. Diese Stämme werden in der Forschung als „indoiranische Stämme“ bezeichnet, und ihre Sprachen werden als unterschiedliche Dialekte eines Zweiges der proto-indoeuropäischen Sprachen betrachtet.4 Die Religion und Mythologie der alten indoeuropäischen Stämme ist schon seit dem bahnbrechenden Werk Max Müllers (1823–1900) ein wichtiges Forschungsgebiet gewesen. Als wichtige Forscher im 20. Jahrhundert und am Anfang des 21. Jahrhunderts seien hier Friedrich Christian Leonhard Bartholomae (1855– 1925), Paul Jules Antoine Meillet (1866–1936), Herman Lommel (1885–1968), Harold Bailey (1899–1996), Georges Dumézil (1898–1986), Paul Thieme (1905– 2001), Jaan Puhvel (geb. 1932) und Hanns-Peter Schmidt (1930–2017) genannt. Als wichtigste Quellen zur Rekonstruierung der Mythologie der alten indoeuropäischen Stämme hat man schon seit Max Müller die indischen Veden, das iranische Avesta, die Werke Homers und Hesiods, die mythologischen Erzählungen der Römer, die meist in ihrer Geschichtsliteratur zu finden sind, und die altskandinavischen Epen benutzt. Nach der Entzifferung der hethitischen Sprache durch Bedřich Hrozný (1879–1952) kamen auch hethitische Texte dazu. Die älteste Götterliste der frühen indoiranischen Stämme, die erhalten ist, stammt weder aus Indien noch aus dem Iran, sondern aus einem Vertrag zwischen dem Hethiter-Reich mit den Mitanni (Kap. 10). Auch den Gott Mitra hat man mit diesem Vertragstext verbunden.

1

Die Kapitel 9 und 10 basieren auf dem folgenden Artikel des Autors: „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites – uurimus võrdlevast mütoloogiast“. 2 Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 42–50; Ghirshman, Iran, 73–74; Diakonoff, „Media“, 41– 57. 3 Zu dieser Epoche in der Geschichte Indiens s. Daniélou, India ajalugu, 40–63; Kulke, Rothermund, Geschichte Indiens, 44–65. 4 Diakonoff 1985: 41; Harmatta, „The Emergence of the Indo-Iranians: the Indo-Iranian Languages“, 357–358; gründlicher jetzt: E. Kuz`mina, The Origin of the Indo-Iranians. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 9

Die Religion der indoiranischen Stämme kennen wir durch die vedische Literatur und durch das Avesta (Kap. 4). Die vedischen Gottheiten5 bilden unterschiedliche Gruppen von Göttern. Eine solche Gruppe sind die Adityas (die Kinder der Urgöttin Aditi6), die in unterschiedlichen Listen 6 bis 8 Götter umfassen.7 In RV 1.27.1 sind ihre Namen Mitra-, Aryaman-, Bhaga-, Varuṇa-, Daksa-, Amsa-. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Mitra und beachten die anderen Gottheiten nur, insoweit sie mit dem Gott Mitra verbunden sind. 9.1 Quellen Anders als in der römischen Religion, deren Kult des Mithras vorwiegend durch Inschriften, Reliefs und Skulpturen bekannt ist (1.1), und anders als im iranischen Kulturraum, in dem neben schriftlichen Quellen auch bildliche Darstellungen von Mithra vorliegen (4.1.), kommt der Gott Mitra in der hinduistischen Tradition nur in schriftlichen Quellen vor, die zur sogenannten vedischen Literatur des Hinduismus gehören. Man hat sein Bild auf Grund der Einzelaussagen zu entwerfen, die man zuerst aus den Quellen eruieren muss. Erst danach können wir nach der Einheitlichkeit dieses Bildes fragen, ebenso danach, welche Veränderungen das Bild von Mitra im Lauf der Zeiten durchgemacht hat. 9.1.1 Vedische Literatur Die unterschiedlichen Schichten und Genres der vedischen Literatur8 (ca 1500/ 1200–600/500 v.Chr.) werden in vier Gruppen aufgeteilt: (1) Ṛg-, Atharva-, Sāma- und Yajurveda ca. 1500/1200–1000/800 v.Chr.); (2) brāhmaṇas und āraṇyakas (ca. 1000–800 v.Chr.); (3) Upanischaden (ca. 1000/800–600/500 v.Chr.); (4) Sutren (ca. 600/500–400/300 v.Chr.).9 9.1.2 Ṛgveda Der Ṛgveda-Text enthält in seiner heutigen Form 1028 Hymnen (Skr. sūkta) und 10462 Verse oder Strophen (Skr. ṛc). Er wurde in zehn Bücher (Skr. maṇḍala) unterteilt; jedes Buch enthält eine unterschiedliche Anzahl Hymnen.10 Im Ṛgveda kommt Mitra fast immer mit seinem Paargenossen Varuṇa vor (Skr. Du. mitrāvaruṇā). Sie werden in fünfundzwanzig Hymnen gelobt (RV I,136; I,137; I,151; I,152; I,153; V,62; V,63; V,64; V,65; V,66; V,67; V,68; V,69; 5

Witzel, „Vedic Gods“, 765–780. Zur Gestalt Aditi s. Gonda, Die Religionen Indiens, 84. 7 In RV 9, 114, 3 spricht man von sieben Adityas, aber ihre Zahl steht nicht fest. Nirgends finden wir im RV mehr als sechs, in jüngeren vedischen Schriften sind es dagegen zwölf (Gonda, Die Religionen Indiens, 74). Zu Adityas s. Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 54–58. 8 S. dazu auch Proferes, „Vedas and Brahmanas“, 27–40. 9 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites – uurimus võrdlevast mütoloogiast“, 118. 10 Ibid., 119. 6

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Mitra in Indien

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V,70; V,71; V,72; VI,67; VII,60; VII,61; VII,62; VII,63; VII,64; VII,65; VII,66; VIII,25) und auch in einigen Strophen von anderen Hymnen (z.B. RV I,2,7–9; I,15,6; I,23,4–6; I,41,7–9; I,43,3; I,122,6–15; I,139,2; II,41,4–6; III,62,16–18; VII,50,1; VIII,101,1–5; X,132,2–7). Die Funktionen von Mitra und Varuṇa und ebenso ihre Charaktere sind fast immer untrennbar;11 Mitras Selbstständigkeit ist nur in einem Hymnus belegt (RV III, 59)12 – im Unterschied zu Varuṇa, dem im Ṛgveda 8 Hymnen gewidmet sind (RV I, 25; II,28; V,85; VII,86; VII,87; VII,88; VII,89; VIII,41).13 9.1.3 Atharvaveda Der Atharvaveda enthält 20 Bücher (Skr. kaṇḍa) und 731 Hymnen (Skr. sūkta). Die ältesten Bücher sind I–XIII; in den späteren Büchern sind auch Anleihen aus Ṛgveda enthalten. Im Atharvaveda ist die Rolle von Mitra und Varuṇa nicht mehr so groß wie im Ṛgveda. Den Göttern Mitra-Varuṇa sind nur ein Hymnus (IV,29) und einige Strophen in anderen Hymnen (z.B. I,3; I,9; I,18; I,20; II,28; III,4; III,6; III,8; III,25; V,19; V,24; V,25; VI,32; VI,85; VI,89; VI,97; VI,103; VI,125; VI,132; VII,30; IX,3; IX,4; IX,9–10; X,4; XI,6; XI,9; XII,4; XIII,1–3; XIV,1; XVI,4; XVI,8; XVIII,1; XIX,9–10; XIX,44; XX,107; XX,123) gewidmet. Mitras Paargenosse Varuṇa findet im Atharvaveda dagegen mehr Aufmerksamkeit. Ihm wurde I, 10, IV, 16 und V,11 allein gehuldigt, und in IV,29 galt ihm gemeinsam mit Mitra, V,1 gemeinsam mit Trita, VII,25 gemeinsam mit Viṣṇu und VII,58. gemeinsam mit Indra der Lobpreis.14 9.1.4 Yajurveda Der Yajurveda ist in fünf Redaktionen erhalten; vier davon (Kāṭhaka, Kapiṣṭhalakaṭha, Maitrāyaṇi und Taittirīya saṃhitā) bilden den sog. Schwarzen (Skr. kṛṣṇa) Yajurveda, die fünfte – Vājasaneyi saṃhitā – wird als Weißer (Skr. śukla) Yajurveda bezeichnet. Im Vergleich mit Ṛg- und Atharvaveda bieten die Texte von Yajurveda nichts Neues zur Mitra-Gestalt, sondern unterstützen das Bild des Gottes, das in Ṛg- und Atharvaveda entworfen wurde.15 9.1.5 Śatapatha brāhmaṇa Der Śatapatha brāhmaṇa ist ein älterer und umfangreicher Text unter den brāhmaṇas. Das Werk besteht aus hundert Kapiteln (daher auch der Name), die man

11

Gonda, „Mitra in India“, 18–36. S. den Text in den Ausgaben: Geldner, Der Rigveda. Erster Teil, 366–367; Griffith, The Hymns of the Rgveda, Vol. I. S. dazu: Gonda, The Vedic God Mitra, 91–101. 13 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites – uurimus võrdlevast mütoloogiast,“ 119. 14 Ibid. 15 Ibid., 120. 12

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Kapitel 9

ins 8.–6. Jahrhundert v.Chr. datiert. Als Kommentartext gehört Śatapatha brāhmaṇa zum Śukla Yajurveda; weil der Weiße Yajurveda in zwei Redaktionen (Kāṇva und Mādhyaṃdina) erhalten ist, ist auch Śatapatha brāhmaṇa in zwei Redaktionen erhalten (eine Redaktion aus der Schule von Kāṇva und eine aus der Schule Mādhyaṃdina).16 9.2 Die Gestalt des Gottes Mitra in der vedischen Literatur 9.2.1 Der Name des Gottes Wie das avestische Wort miθra, so geht auch das Wort mitra, das sich in den Veden findet, auf ein indoiranisches Appellativum mitra (Neutr.) zurück.17 Das neutrale Abstraktum mitra bedeutet in den Veden „Vertrag, Abkommen, Vereinbarung“, aber auch „Freundschaft“ („friendship“)18, das maskuline Nomen mitra aber „Freund“. Paul Thieme betont, dass es in den Veden noch ein anderes Wort für „Freund“ („friend“) gibt – sakha, aber im Unterschied zu Letzterem –, das Freund durch Wahl oder auf Grund von gegenseitigem Verstehen oder Sympathie bezeichnet, einen „Freund“ bezeichnet, zu dem man durch einen Vertrag gekommen ist: „Bundesfreund“ (Oldenberg; Geldner), „Verbündeter“ (Geldner), „verbündeter Freund“, „Bundesgenosse“ (Geldner).19 Im klassischen Sanskrit ist die Bedeutung des Wortes nicht so eng; es bedeutet sowohl „Freund“,20 „Gefährte“ als auch (im politisch-militärischen und geschäftlichen Bereich) „Alliierter“ oder „Geschäftspartner“.21 Aber mitra (fem.) bedeutet auch „die Sonne“.22 Diese letztgenannte Bedeutung ist aber eine sekundäre, die erst im Mittelalter belegt ist und in der Poesie vorkommt (in der Form: Mihira).23 Aus dem Wort mitra mit dem 16

Ibid. Schlerath, „Mithra“, 393. S. 4.3.1. 18 Schlerath, „Mithra“, 393; Turner, „mitra“, 582. 19 Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, , 23. 20 Vannucci, The Vedic God Mitra, 8: „The originaal meaning of the Sanskrit Word mitra is „friend“, a beloved companion, with the full implication of truthfulness, faithfulness, reliability, honesty, friendliness an love.“ 21 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 120. 22 Mylius, „mitra“, 370. Gonda vermutet, dass Mitras Identifizierung mit der Sonne unter iranischem Einfluss entstanden sei. Er lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass es nach Brhatsamhita von Vaharahamihira 60, 19 Magas (Magier) waren, die als persische Priester den Kult des Sonnengottes einführten, der wie ein Mann aus dem Norden gekleidet war (58, 46) (Gonda, Die Religionen Indiens, 231; s. auch Gonda, The Vedic God Mitra, 133). Nach Meinung Moellers ist Mitras Gleichsetzung mit der Sonne unter dem Einfluss der Kuschanen entstanden (Moeller, „Mitra“, 137). Dieser Ansicht sind auch Helmut Humbach („Mithra in India and the Hinduized Magi“, 229–254) und Heinrich von Stietencron (Indische Sonnenpriester Sāmba und die Sākadvīpīya-Brāhmaṇa). S. dazu auch: Gershevitch, „Die Sonne das Beste“, 81–83. 23 Sir Monier Monier-Williams, Sanskrit-English Dictionary (Oxford: Clarendon Press, 1899/1992), 816, Spalte 1. 17

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Mitra in Indien

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Sufix -tā und -tva gebildete abstrakte Begriffe (mitra-tā; mitra-tva) bezeichnen solche Erscheinungen wie „Freundlichkeit“, „Freundschaft“, „Brüderlichkeit“ und „Gleichwertigkeit“. Das Adjektiv aus dem Wort mitra entsteht durch die Verlängerung der ersten Silbe: maitra- „freundlich“ (gleichbedeutend ist auch maitra-tā). So ist auch der Name Maitreya, den im Buddhismus der kommende Buddha trägt und der ein barmherziges und freundliches Wesen bedeutet, indirekt ein Derivat aus dem Wort mitra.24 Die Etymologie des Namens Mitra ist unklar. Ohne hier zu tief in dieses Thema einzudringen,25 seien hier nur die Erklärungen genannt, die in der Forschung am meisten Anerkennung gefunden haben. Es gibt vier alternative Erklärungen: Das Wort mitra kommt vom Verbalstamm *m(e)i-, „aufstellen, befestigen, festlegen, ordnen“ (1),26 vom Verbalstamm *m(e)i-, „binden“ (2), vom Verbalstamm *m(e)i-, „austauschen“ (3)27 oder vom Stamm *mē-, „messen“, nachdem Mitra die „Sonne“ als „Zumesser des Tages“ sei (4).28 Die letzte Vermutung hat fast keine Anhänger gefunden. In allen Erklärungen ist dem Verbalstamm das instrumentale Suffix -tra hinzugefügt.29 Mit diesen Suffixen werden meist Mittel benannt, mit deren Hilfe etwas getan werden kann (vgl. z.B. aratrum, „der Pflug“ = das Mittel zum Pflügen)30 oder man hat Verben mit diesen Suffixen kausativ 24

Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 120. S. dazu: Mayrhofer, „Die bisher vorgeschlagenen Etymologien und die ältesten Bezeugungen des Mithra-Namens“, 317–325. 26 Nach der Meinung von Puhvel sind sowohl die erste als auch die zweite Bedeutung des Stammes möglich (Võrdlev mütoloogia, 56). So auch für Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 967. 27 So schon Meillet („Le dieu Indo-Iranien Mitra“, 143–59); aber s. auch: Turcan (die Wurzel *m(e)i- „implies the idea of exchange“; The Cults of the Roman Empire, 196), Dumézil, Mithra-Varuna, 69: „It becomes apparent that this word, formed with an instrumental suffix or an agent-suffix on the root : *mei- (‘to exchange’), this word to which we find so many others related throughout the Indo-European territory – words with nuances of meaning as diverse as Sanskrit mayate (‘he exchanges’), Latin munus (‘gift, service performed, obligation, duty’) and communis, Old Slavonic mena (‘change, exchange, contract’) and midi (‘peace, cosmos’and so on – this word : *mitra must have originally denoted the means or the agent of operations of the potlatch type – in other words, of ‘obligatory exchanges of gifts.’ Evolving from customs in general, and doubtless as a result of contact with very early civilizations which possessed codes, the meaning of the word naturally narrowed to the more precise one of “contract,” as occurred in Iran. On the other hand, however, the state the potlatch inevitably creates between its participants, of peace, of order, of collaboration, with alternating rights and duties, is indeed a beginning of ‘friendship, ” particularly among the semi-civilized, where a simple absence of relations is already equivalent to hostility: India merely developed this germ of meaning in terms of human feelings, without losing sight of its ancient economic and social origins“. 28 Gray, The Foundations of the Iranian Religions, 96 ff. 29 Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 22; Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 56. 30 Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 22. 25

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verstanden (Mitra als jemand, der das Binden verursacht, d.h. bindet31). Jan Gondas Meinung nach hängt Mitras Name am wahrscheinlichsten mit lateinisch communis, „gemeinsam“, und munus, „Leistung als Aufgabe“, litauisch mainas, „Tausch“, deutsch gemein(sam) und anderen Worten zusammen, denen die allgemeine Bedeutung „in einem wechselseitigen Tausch- und Leistungsverhältnis stehen“ zugrunde liegt.32 9.2.2 Mitra im Ṛgveda Im Ṛgveda33 kommt Mitra meistens im Paar mit dem Gott Varuṇa vor.34 Diese „duale Einheit“ (Gonda35) findet Ausdruck schon allein in der Formel mitrāvaruṇā („Mithra und Varuṇa“), die in Ṛgveda mehrmals vorkommt. Die individuellen Eigenschaften und Funktionen Mitras und Varuṇas sind sehr schwer zu trennen.36 Die beide Götter haben auch dieselben Epitheta, wie z.B. carsanidhrt (RV 4, 1, 2; 3, 59, 6), das Gonda mit „supporter of cultivating people“ übersetzt37 und dhartara carsaninam (RV 5, 67, 2), deren Übersetzung nach Gonda „supporters of cultivators“ lautet.38 Mitra und Varuṇa sind Wächter und Aufseher über die Welt (RV I,136,3; V,62,8 u. 9; V,66,6; VI,67,1, 5 u. 7; VIII,25,1,7 u. 9). Ihre Spione (RV VI,67,5; VII,61,3) und die Sonne beobachten in ihrem Auftrag (RV VII,60,2 u. 3; VII,61,1; VII,63,1) die ganze Menschheit. Deswegen wissen Mitra und Varuṇa alles (RV I, 151,9; VII,61,5). Die Sonne ist das Auge von Mitra und Varuṇa, ihr Bote und Beobachter (RV I,50,6; I,115,1; VI,51,1; VII,60,1 u. 3; VII,61,1; VII,63,1; X,37,1).39 Das Götterpaar unterstützt die Weltordnung – sie stützen, schützen und fördern die Gesetze (RV I,2,8; I,23,5; V,63,1 u. 7; V,65,2; V,67,4; V,68,4; V,69,1; VII,64,2; VII,66,10, 12, 13 u. 19) und sie beobachten sie (RV VIII,25,4 u. 8). Mitras und Varuṇas Gesetze sind beständig (RV V,69,4; VIII,25,2, 8 u. 17) und stark durch die Weltordnung (RV I,2,8; V,68,4; VII,60,5). Die Götter bestrafen die Schuldigen und Lügner (RV I,152,1; I,167,8; VII,60,5; VII,61,5; VII,66,13; VII,65,3), aber andererseits verzeihen sie dem Schuldigen (RV II,27,2 u. 14; VII,60,10): In Ṛgveda X, 36,12. befreit Agni die Menschen von Schuld vor Mitra

31

Mayrhofer 1996: 354–355. Gonda, Die Religionen Indiens, 82. 33 S. den Text: Aufrecht (Hrsg.), Die Hymnen des Rigveda, Erster Teil; Zweiter Teil. S. die Übersetzungen: Geldner, Der Rigveda. Erster Teil; Zweiter Teil; Dritter Teil. Griffith, The Hymns of the Rgveda. Vol. I–II. 34 Gonda, The Vedic God Mitra, 1 ff.; Gonda, „Mitra in India“, 40. 35 Ibid. 36 Ibid. 37 Gonda, The Vedic God Mitra, 11. 38 Ibid. 39 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 123. 32

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und Varuṇa. Indra aber bestraft die Menschen, die die Gesetze von Mitra-Varuṇa (RV X,89,8) bzw. von Mitra, Varuṇa und Aryaman brechen (RV X,89,9).40 Mitra und Varuṇa beherrschen zusammen (RV V,63,2 u. 3; V,66,6; V,71,2; VII,60,10) oder gemeinsam mit Aryaman (RV VII,64,1) die Welt, durch Gesetzgebung und mit Hilfe der Gesetze (RV III,62,17; V,63,7). Mitra und Varuṇa sind Machthaber (Skr. rājan), Großkönige (Skr. samrāj) und Fürsten (Skr. kṣatriya), die die Herrschaft (Skr. kṣatra) haben (RV I,24,6; I,25,5; I,41,3; I,71,9; I,136,1 u. 4; I,137,1; II,41,5; V,62,3 u. 6; V,63,2, 3 u. 5; V,65,2; V,66,2; V,67,1; V,68,1 u. 2; VI,49,1; VI,51,10; VI,67,5 u. 6; VII,34,11; VII,64,2 u. 4; VII,66,6 u. 11; VIII,23,30; VIII,25,4, 7 u. 8; VIII,101,2 u. 5; X,65,5). Mitra und Varuṇa benutzen gemeinsam auch die Zauberkraft (Skr. māyā) (RV III,61,7; V,63,3, 4 u. 7). Nach Ṛgveda X, 36,13. herrscht Mitra-Varuṇa zusammen mit Savitṛi über die Götter.41 Mitra und Varuṇa haben auch kosmogonische Funktionen. Mitra und Varuṇa haben den Himmel von der Erde getrennt (RV V, 67,1; VII,61,4) und haben die beiden Welten auf ihren Platz gestellt (RV V,62,3). Sie stützten den Himmel (RV V, 69,4; VI,67,6) und die Erde (RV V, 69,4) und kümmern sich um sie (RV VII,60,7). Sie haben den Himmel und die Erde für den Menschen mit Nahrung gefüllt (RV VI,67,6). Mitra und Varuṇa haben die Welt fruchtbar gemacht (RV VII, 65,2). Nach Ṛgveda V, 62,3 haben Mitra und Varuṇa verursacht, dass die Kühe Milch geben und dass die Pflanzen wachsen. Die beide Götter gemeinsam geben auch den Regen (RV I,152,7; III,62,16; V,62,3; V,63,1–6; V,68,5; V,69,2; VI,67,7; VII,62,5; VII,64,2; VII,65,4; VIII,25,5 u. 6).42 Mitra und Varuṇa haben auch zur Sonne und zum Licht Beziehungen.43 Sie haben zusammen für die Sonne den Weg am Himmel bereitet (RV VII,60,4; VII,63,5) und haben sie zu ihrem Lauf an den Himmel gesetzt (RV IV,13,2; V,62,1; V,63,7; VI,67,6). Sie verteilen das Licht (RV III, 61,7; VII, 66,9) und im Ṛgveda VII, 66,10 teilen Mitra, Varuṇa und Aryaman ein gemeinsames Epitheton: sie sind „sonnenäugig“. Sie tragen glänzende Kleider (RV I,25,13; I,152,1; VII,64,1), und ihr Wagen sieht wie die Sonne aus (RV I,25,18; I,122,15; V,62,8; VIII,101,2).44 An einer Stelle, RV V, 81, 4, wird Mitra geradezu mit dem Sonnengott Savitr gleichgesetzt, aber dies ist die einzige Stelle im RV, an der diese Gleichsetzung vorkommt. Mitra und Varuṇa helfen in der Schlacht (RV I,152,7; V,62,9; VIII,25,24): sie töten die Feinde (RV V,64,1; V,66,1; V,67,2; V,71,1; VI,24,5; VI,67,4; X,132,2) 40

Ibid. Ibid., 123–124. 42 Ibid., 124. 43 S. zur Mitras Beziehungen zum Licht: Gonda, The Vedic God Mitra, 37–44. Auf diese Beziehungen haben auch die andere Forscher die Aufmerksamkeit gelenkt (s. z.B. Vermaseren, Mithras, 12: „Er steht in enger Verbindung mit dem Licht und der Sonne, die das ,Auge von Mitra und Varuna‘ genannt wird.“). 44 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 124. 41

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und vernichten dasyus (RV V,70,3). Mitra und Varuṇa beschützen vor jeglichen Gefahren (RV I,23,6; I,41,1 u. 2; I,71,9; I,122,10; I,136,7; I,167,8; II,27,6 u. 7; IV,55,1; V,41,1; V,65,5; V,66,2 u. 6; V,67,3; V,69,3; V,70,3; VI,21,9; VI,67,2; VII,50,1; VII,52,2; VII,64,3; VII,66,5; VIII,25,11 u. 13; VIII,101,4) und helfen in der Not (RV I,41,3; II,27,5; VII,60,6 u. 12; VII,61,7; VII,66,5). Sie retten auch aus der Bedrückung (RV I,41,3; I,106,1; I,136,5; V,67,4) und beschützen vor giftigen Insekten (RV VII,50,1). Nach Ṛgveda I, 152,2 tötet Mitra-Varuṇa den Feind mit dem Blitzstrahl, der sonst Indras Waffe ist.45 Mitra-Varuṇa verleiht Reichtümer (RV I,23,6; I,41,2; I,122,8; I,151,5; V,41,1; V,51,14; V,63,2; V,64,6; V,68,3 u. 5; V,69,3; VI,67,11; VII,60,11; VII,62,3; VII,66,8; IX,97,58; X,63,9; X,132,3), schenkt Kraft (RV I,2,9; I,122,12; I,136,2; I,151,2; V,64,6; V,65,3; VII,60,11; VII,61,2), Nahrung (RV V,68,5; V,70,2; VII,66,9) und Nachkommen (RV V,69,3; VII,60,8). Die, die opfern, bekommen Rinder (RV I,151,5; V,41,1; VI,67,11) (in Ṛgveda I,122,7: hundert Kühe) und Pferde (RV I,122,8; IV,39,2 u. 5; VI,67,11; VIII,25,23). Die Götter lassen das Gras auf den Wiesen für die Rinder üppig wachsen (RV III, 62,16; VII, 62,5).46 Mitra ist der Gott, der die Menschen zusammenbringt (RV VII, 362) und sie einander verbindet (RV VIII, 102, 12). Damit hat man sicherlich auf seine Rolle als Friedensvermittler und als Überwacher der Verträge hingewiesen. Varuṇa und Mitra führen die Menschen (RV I,136,3; V,66,3; V,67,4; VII,64,3), leiten sie auf guten Wegen (RV VII,62,6; VII,63,6) und helfen ihnen über den Fluss (RV VII,60,7). In Ṛgveda VIII, 25,9 nennt man die Götter Wegbereiter. Dem, der ihnen Loblieder singt, wird ein fester und guter Wohnort (RV VI,67,2; VII,64,4; VII,66,3), Wohlergehen (RV IV,39,4; VII,60,11), langes Leben (RV VII,62,5) oder sogar die Unsterblichkeit geschenkt (RV V,63,2).47 Aber Mitra ist ein Vermittler auch in einem mehr breiteren Sinne. Der Bestand und die Ordnung des Kosmos zeigen sich im Bestehen von Dualitäten: Tag und Nacht, Morgen und Abend, Sommer und Winter usw. Zwischen solchen „mittelt“ Mitra – er ist für die Übergänge zuständig: Er führt die Sonne herauf und beendet die Nacht (RV III 61,7), et trennt Himmel und Erde (RV VI 8,3) usw.48 Oft handeln Mitra und Varuṇa gemeinsam mit Aryaman. Diese Dreiheit tötet die Feinde (RV I, 26,4) und befreit von ihnen (RV I, 41,3; X, 126,1–7). Mitra, Varuṇa und Aryaman folgen den Gesetzen (RV II, 38,9) und fördern sie (RV VI, 51,3; VIII, 19,35; VIII,83,3). Sie bestrafen die Gesetzesbrecher (RV I,167,8; VII,60,5; VII,66,13) und befreien von Schuld (RV II,27,2; VII,62,2). Sie wohnen im Himmel (RV I,40,5) und wachen über die ganze Welt (RV VII,51,2; VIII,31,13), leiten (RV I,90,1; I,136,3) und behüten die Menschen (RV I,41,1 u. 2; I,136,5; V,46,5; V,67,3; VI,50,1; VII,40,2; VII,51,2; VII,59,1; VII,82,10; 45

Ibid. Ibid., 124–125. 47 Ibid., 125. 48 Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 134 46

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VII,83,10; VIII,18,3 u. 21; VIII,25,13; VIII,27,17; VIII,67,4; X,61,17; X,126,2, 4 u. 7). Die göttliche Dreiheit befreit aus Bedrückung (RV VIII,67,2; X,126,2) und aus Not (RV I,41,3; V,67,4; VII,40,4; VII,59,1; VIII,67,2; VIII,83,3) und verleiht Reichtümer (RV I,41,2 u. 6; IV,55,10; VI,50,1; VIII,27,17; VIII,28,2; VIII,83,2 u. 4), Licht (RV VIII,19,16; X,185,3), Raum (RV VII,62,6; VII,63,6), Kinder (RV I,41,6) und Wohlergehen (RV I,186,2).49 In RV gibt es sehr wenig Aussagen, die nur für Varuṇa und nicht gleichzeitig auch für Mitra gelten. So sind beide Götter mit dem Wasser verbunden, aber nur von Varuṇa sagt man, dass er im Wasser wohnt.50 Ebenso sagt man nur von Varuṇa, dass die Übertretung seiner Befehle seinen Zorn erweckt (RV 1, 24, 11 ff.; 2, 28, 9; 7, 86, 4).51 In RV I, 115,5 sagt man, dass Mitra hell, Varuṇa aber dunkel sei. Bei Varuṇa und Mitra tritt häufig die Benennung Asura auf (s. z.B. RV I, 151,4; VII,36,2; VII,65,2; VIII,25,4), die im RV auch anderen Göttern, z.B. Indra und Agni, beigelegt wird. Nach Gonda scheint Asura der altarische Name für „mächtiger Herr oder Gott“ gewesen zu sein, von asu hergeleitet, das etwa „Lebensgeist, gesteigerte Lebenskraft“ bedeutet. Mit besonderer Vorliebe wird diese Bezeichnung denjenigen Göttern beigelegt, denen Maya zugeschrieben wird, d.h. ein menschliche Begriffe übersteigendes Vermögen, Wunderbares zu schaffen oder herbeizuführen.52 Später werden „Asuras“ und „Devas“ im Ṛgveda als zwei Klassen von Göttern dargestellt, die sich feindlich gegenüberstehen.53 In der früheren Forschung hat man viele Versuche unternommen, um Mitra mit einer konkreten Naturerscheinung zu identifizieren. Im Besonderen hat man in ihm die Personifikation des Lichtes54 oder des Tages,55 des Mondes,56 der Sonne57 usw. gesehen. Da es z.B. im RV I, 115, 5 heißt, dass Mitra hell, Varuṇa aber dunkel sei, meint R. von Rot, dass Mitra mit dem Tag, Varuṇa aber mit der Nacht gleich sei.58 Martti Kalda hat gezeigt, dass der Text des RV für solche Interpretation keinen Anhaltspunkt bietet, doch TS I,7,10,1; I,8,16,1; II,1,7,4; 49

Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 125. Gonda, The Vedic God Mitra, 15. 51 Ibid. 52 Gonda, Die Religionen Indiens, 75. 53 Schlensog, Der Hinduismus, 37–38. 54 Eggers, Der arische Gott Mitra (Diss. Dorpat, 1894). 55 Mackenzie, India, 28; Macdonell, Vedic Mythology, 29–30. 56 Hillebrandt, Vedic Mythology, 22–24, 29–30; Lommel, Die alten Arier, 55. 57 So schon Macdonell (Vedic Mythology, 29–30), Oldenberg (Die Religion des Veda, 40; 46–48) und Lommel (Die alten Arier, 55). Auch Schwertheim meint zum vedischen Mitra: „Und wenn er seine Augen nicht schließt, so heißt das nichts anderes, als dass er die lebenspendende Kraft der Sonne nie versiegen lässt. Mitra ist also auch Sonnengott“ (Schwertheim, „Mithras“, 8). Gonda identifiziert Mitra nicht mit der Sonne, aber er lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre Beziehungen zu ihr (Gonda, The Vedic God Mitra, 54–61). 58 Muir, Original Sanskrit Texts on the Origin and Progress of the Religion and Institutions 50

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VI,4,8,3.59 Auch die anderen obengenannten vedischen Aussagen zu Mitra erlauben solche Identifizierungen nicht – die Gestalt Mitras im RV ist zu vielseitig oder „polyfunktional“, um sie auf eine Naturerscheinung zu reduzieren. Andere Forscher haben den vedischen Mitra dagegen als „Vertragsgott“ oder als Personifizierung und Hypostasierung des Vertrages gesehen.60 Thomas Oberlies, für den Mitra ebenso vorwiegend „der indoiranische Gott des Vertrags“ ist, meint, er könnte eine Verselbstständigung einer Funktion des alten indogermanischen Himmelsgottes sein. Nach Oberlies deute darauf hin, dass er Vertragstreue mit Regen und dadurch mit Fruchtbarkeit des Landes und Wohlergehen der Menschen belohnt.61 Unabhängig von Mitras Verhältnis zum Himmelsgott meint der Autor des vorliegenden Buches, dass die Ansicht, die in Mitra die Personifizierung und Hypostasierung des Vertrages sieht, der Wahrheit ziemlich nahe kommt, aber er möchte ihn stattdessen lieber als „Gott der sozialen- und kosmischen Ordnung“ bezeichnen, so wie ihn Oberlies kennzeichnet: „Durch eine Ineinanderschau, eine Parallelinterpretation von kosmischer und gesellschaftlicher Ordnung sind Mitra und die anderen Adityas nicht nur für die Herrschafts- und Sozialordnung des Stammes und der menschlichen Gesellschaft zuständig, sondern auch für die Ordnung der ganzen Welt, die ebenfalls auf Verträgen und Geboten beruht (vgl. RV IV 13,2; V 69,1).“62 Jeder menschliche Vertrag wird nach Oberlies im Weltbild des Ṛgveda als Replik des kosmischen Vertrages, der etwa den Wechsel von Tag und Nacht regelt, angesehen.63 Weil Mitra nur ein Sukta gewidmet ist, hat Gonda recht, wenn er sagt, dass Mitra allein im Veda keine bedeutende Rolle spielt.64 Aber zusammen mit Varuṇa spielt er eine herausragende Rolle. Doch ist Oldenbergs Ansicht, dass Mitra bedeutsamer als Varuṇa gewesen sei, weil er fast immer an ersten Stelle genannt wird, nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches unbegründet, weil in derartigen Verbindungen gewöhnlich das kürzeste Glied voransteht.65 Ziehen wir ein Fazit. Was von den obengenannten Aussagen her für die Gestalt des Mitra im RV konstitutiv sein scheint, ist seine enge Zusammengehörigkeit mit of India, 58, 69–70. 59 Kalda, RgVeeda mütoloogia II, 30. 60 So z.B. Meillet („Le dieu Indo-Iranien Mitra“, 143–159), Thieme (Mitra and Aryaman; „Mithra in the Avesta“, 501–510), Gershevitch (The Avestan Hymn to Mithra, 26), Puhvel („Mithra as an Indo-European Divinity“, 335–355), Gonda (The Vedic God Mitra, 102 ff.), Bonfante („The Name of Mithra“, 57) und Turcan (The Cults of the Roman Empire, 196). 61 Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 70. 62 Ibid., 134. 63 Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 134. 64 Ibid. 65 So meint auch Gonda (Die Religionen Indiens, 74–75). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Varuṇa und seine Verbindung zur kosmischen und moralischen Weltordnung (rta).66 Besonders hervorgehoben werden im Ṛgveda auch Mitras Freundlichkeit und Friedfertigkeit.67 Diese beiden Wesenszüge des Mitra passen auch gut mit den Bedeutungen seines Namens zusammen (9. 2. 1). 9.2.3 Mitra im Atharvaveda Der Atharvaveda68 enthält unterschiedliche Aussagen zu Mitra. Auch hier handelt er meistens gemeinsam mit Varuṇa. So segnen Mitra und Varuṇa den König bei seinem Herrschaftsantritt (AV III,4,4; III,22,2; VI,97,2; XIII,1,20); Mitra und Varuṇa schützen die Gesetze und sprechen Recht (AV IV, 29,1–2; XVIII, 1,7; 33; 36). Mitra hat die Erde auf ihren Platz gestellt (AV XIX, 19,1). Mitra und Varuṇa lassen den Regen aus dem Himmel fallen (AV V, 19,15; V,24,5; VI, 132,5). Am Morgen öffnet Mitra die Tür für die Sonne, am Abend schließt sie Varuṇa (AV IX, 3,18). Die Sonne ist Mitras und Varuṇas Auge, der Spion am Himmel (AV XIII, 2,35; XIII, 3,13; XX, 107,14; XX, 123,2).69 Außer neben Varuṇa wird Mitra im AV auch neben anderen Gottheiten (Bhaga, Aryaman, Aditi, Maruts) genannt (6, 4, 2; 6, 103, 1).70 An erster Stelle stehen im Atharvaveda aber Aussagen darüber, dass Mitra hilft. So schützen Mitra und Varuṇa vor Feinden und helfen sie zu töten (AV I,20,2; II,28,2; III,6,2; IV,29,1–2; VI,103,1; VI,125,3; XI,6,2; XI,9,25; XIII,1,31). Mitra und Varuṇa retten aus Not (AV XIX, 44,10). Mitra behütet die Menschen vor Streit (AV II,28,1; III,8,1). Mitra und Varuṇa verleihen Reichtümer (AV I,9,1), behüten vor Giftschlangen (AV X,4,16), wehren böse Geister ab (AV I,18,2; VI,32,3) und heilen viele unterschiedliche Krankheiten (AV VI,85,2; VII,30,1). Mitra und Varuṇa helfen auch dem Knaben, reif zu werden (AV II, 28,5), helfen dem Mann, die Liebe der Frau zu gewinnen (AV III,25,6; VI,89,3), und schenken der Frau Nachkommen (AV XIV,1,54).71 Im AV gibt es mehr Passagen als im RV, in denen man die Unterschiede zwischen Mitra und Varuṇa betont hat. Nach AV IX,3,18 öffnet Mitra am Morgen die Tür für die Sonne und Varuṇa schließt sie am Abend. In AV 9, 3, 18 heißt es:

66

Zur rta-Konzeption s. Gonda 1979: 79–80. Nach der Definition von Gonda ist rta „die auf Gesetzmäßigkeit und Regelmäßigkeit beruhende normale und deshalb richtige, natürliche und deshalb wiederum wahre Struktur des kosmischen, weltlichen, menschlichen, rituellen Geschehens. Seine Existenz und sein Walten werden zugleich als Norm für alles, was in der Welt recht und richtig ist, als rechte Ordnung und wahre, richtige Wirklichkeit empfunden“ (Gonda, Die Religionen Indiens, 78). 67 Gonda, Die Religionen Indiens, 82. 68 S. den Text: Roth, Whitney, Atharva Veda Sanhita; s. die Übersetzungen: Bloomfield, Hymns of the Arharva-Veda; Whitney, Atharva-Veda Samhita. 69 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 125–126. 70 Gonda, The Vedic God Mitra, 88 ff. 71 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 126. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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„Was Varuṇa zusammengedrückt hat, soll Mitra am Morgen auseinanderbringen.“72 In AV 13, 3, 13 wird der Sonnenuntergang als zu Mitra gehörig dem Abend Varuṇas gegenübergestellt.73 Einem ähnlichen Gedanken folgt die Ritualliteratur, wenn sie Mitra als den Empfänger des weißen, Varuṇa als den des dunklen Opfers nennt (Taittiriya-S. 2. 1, 7. 9; Maitrayani-S. 2, 5).74 Für Oldenberg war das ein Beweis dafür, dass Mitra Sonnen- und Tagesgott, Varuṇa dagegen der Mond- und Nachtgott sei.75 Für solche Identifizierungen gilt aber dasselbe wie in 9.2.2 zum Mitra im Ṛgveda: die Gestalt Mitras ist zu vielseitig oder „polyfunktional“, um sie auf eine Naturerscheinung zu reduzieren. In Vergleich mit dem Ṛgveda ist die Gegenüberstellung einiger Eigenschaften und Funktionen des Mitra und des Varuṇa im Atharvaveda ein neuer Zug, die in der nachvedischen Zeit noch stärker wird.76 Die Unterschiede zwischen Mitra und Varuṇa hat besonders Georg Dumézil betont, der in beiden Gottheiten zwei unterschiedliche Aspekte sieht: den juridischen (Mitra) und den magischen (Varuṇa) Aspekt von souveraineté.77 Doch schließen diese Aspekte nach Dumézil einander nicht aus, sondern sind komplementär, d.h. sie ergänzen sich gegenseitig.78 Dumézils Auffassung vom gegensätzlichen Charakter Mitras und Varuṇas79 beruft sich dabei mehr auf den Atharvaveda und die nachvedische Literatur als auf den Ṛgveda. Im Atharvaveda ist Mitra auch mehr Helfer des Menschen in konkreten Situationen als, wie im Ṛgveda, Hüter der Weltordnung allgemein. Wenn er auch im RV die Menschen heilt (RV III, 59, 3) oder ihnen Medikamente gibt (RV I, 24, 9), wird doch seine Tätigkeit als Arzt im Atharvaveda detaillierter geschildert. Im Atharvaveda heilt er die konkrete Krankheit (wie z.B. Verstopfung und Harninkontinenz in AV I,3,2 oder Lungenkrankheit in AV VI,85,2) und ist Helfer im Bereich der Sexualität (AV III,25,6; VI,89,3). 9.2.4 Mitra im Yajurveda Im Yajurveda wird Mitra als Gott der Ordnung und der Harmonie geschildert, der die Menschen verbindet und die Freundschaft fördert (s. Taittīriya saṃhitā

72

Zitiert nach der Übersetzung von Oldenberg (Die Religion des Veda, 183). Moeller, „Mitra“, 136. 74 Moeller, „Mitra“, 136–137. Hier kann man Parallelen ziehen zur weißen Farbe des Stieres, der durch den römischen Mithras getötet wird (s. 1.2.4.). 75 Oldenberg, Die Religion des Veda, 182 ff. Vgl. auch Dumézil, Mitra-Varuna, 76–78. 76 Gonda, „Mitra in India“, 41 ff. 77 Dumézil, Mitra-Varuna. 78 Dumézil, Indoeurooplaste müüdid ja jumalad, 109. 79 Mitra ist menschenfreundlich, wohlgesinnt, mild,, maßhaltend, beruhigend, Veruna dagegen unbarmherzig, gewalttätig, aufbrausend und ein wenig „dämonisch“ (Indoeurooplaste müüdid ja jumalad, 139, s. auch: ibid., 190). 73

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Mitra in Indien

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I,8,16,2). Mitra ist der Gott der Wahrheit (Taittīriya saṃhitā I,8,10,2–5; Maitrāyaṇi saṃhitā II,6,6) und Hüter von Dharma (Maitrāyaṇi saṃhitā I,2,11; 20,18; Kāṭhaka saṃhitā II,12; XVII,16; XXV,10; CXVIII,10). Wie im Ṛg- und Atharvaveda, so handeln Mitra, Varuṇa und Aryaman auch im Yajurveda als Behüter und Helfer der Menschen (Taittīriya saṃhitā II,4,8; Kāṭhaka saṃhitā XI,9; CLV,17; Maitrāyaṇi saṃhitā II,4,7; II,44,10; 12).80 Rainer Vollkommer meint, dass im Yajurveda erstmals Mitras Stiertötung vorkommt.81 Er weist dabei hin auf The Veda of the Black Yajus School entitled Taittiriya Sanhita. Part. II: Kandas IV–VII, translated by A. B. Keith (Harvard Oriental Series 19, 1914, S. 534–535). Dieselbe Szene kommt nach Vollkommer auch im Śatapatha brāhmaṇa vor (The Satapatha Brahmana, translated by J. Eggeling, Part II, Books III and IV (Sacred Books of the East XXVI, Oxford 1998, S. 271).82 Nach Vollkommer lautet die Geschichte wie folgt: Der zuerst widerstrebende Mitra war nur auf besonderes Drängen der anderen Götter bereit, Soma, den Mond, der in der Gestalt eines Stieres auftrat, zu töten, um den lebenspendenden Rauschtrank Soma aus diesem Opfer zu gewinnen.83 Doch ist diese Interpretation nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches unbegründet. Im Taittiriya samhita VI,4,8 erzählt man wirklich davon, wie sich die Götter mit einem Aufruf an Mitra wenden, den Gott Soma zu töten, aber es heißt hier nicht, dass Soma die Form eines Stieres angenommen habe. Später (V,6,11–13; VI,1,11) wurde Mitra auch mit dem Tieropfer verbunden, aber nicht mit dem Stieropfer speziell. Auch im Śatapatha brāhmaṇa gibt es keine Hinweise auf Mitras Stiertötung. Hier heißt es, dass Mitra und Varuṇa die beiden Hände des Opfernden seien (V,3,5,28; V,4,1,15; V,4,3,27), und der Opfernde selbst wird mit dem Töter des Vrtra (d.h. mit Indra) gleichgesetzt. 9.2.5 Mitra im Śatapatha brāhmaṇa Im Śatapatha brāhmaṇa84 gibt es viele unterschiedliche Aussagen zu Mitra. Teilweise wiederholen sie Aussagen, die schon uns aus den Veden bekannt sind, teilweise sind sie aber neu. So heißt es im Śatapatha brāhmaṇa, dass die Sonne Mitras und Varuṇas Auge am Himmel ist (ŚB III,3,4,24; IV,3,4,10; V,2,4,5–6; VII,5,2,27) und dass die beiden Götter die Männer sowohl in der Schlacht als auch im Zivilleben beschützen (ŚB I,3,4,4; II,3,4,37; V,4,1,15–16; VI,5,4,10; 14; XII,6,1,11). Außer den traditionellen Aussagen, dass Mitra und Varuṇa an Opfer teilnehmen (ŚB II,4,4,10; 14; 18–19; III,1,4,19; III,9,2,15; IV,2,1,27; IV,2,3,12–13; 15; IV,2,5,22; IV,6,6,8; V,3,4,3; V,5,1,1; 6; 11; V,5,2,7; VI,2,2,39; VII,2,2,12; IX,5,1,54–56; XI,4,3,5–7;

80

Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 126. Vollkommer, „Mithras“, 584. 82 Ibid. 83 Ibid. 84 S. die Übersetzung: Eggeling, The Satapatha-Brahmana. 81

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Kapitel 9

XII,1,3,16; XIII,5,4,25; 28; XIII,6,2,16), sind beide Götter in Śatapatha brāhmaṇa mit dem Ein- und Ausatmen verbunden (ŚB III,2,2,13; III,6,1,16; III,8,4,14; V,3,5,34; VIII,4,2,6; XII,4,1,9; XII,9,2,12). Der längste Abschnitt (ŚB IV, 1,4) beschreibt Mitra als die Verkörperung der Weisheit, der Wahrheit (s. auch ŚB V, 3,3,8 u. 11) und des Priesteramtes (s. auch ŚB V,3,2,4–8); Varuṇa ist die Verkörperung des Willens, der Lebenskraft und der Macht des Adels. Nach ŚB XI,4,3,3 u. 11 ist Mitra dagegen die Verkörperung der kriegerischen Macht (Skr. kṣatra), Varuṇa aber verkörpert die Königsherrschaft (Skr. rājatā; rājatva).85 Diese Verbindung zur Standesordnung ist im Vergleich zu den Veden etwas ganz Neues. 9.2.6 Mitra in der nachvedischen Literatur Mitra bleibt auch in nachavestischer Zeit Teil des hinduistischen Pantheons.86 Sein Name kommt sowohl in der epischen Literatur (4./3. Jh. v.Chr. – 3./4. Jh. n.Chr.) als auch in der klassischen Sanskrit-Literatur (5.–15. Jh.) vor, aber meistens nur als ein Name in Götterlisten (so Mahābhārata II,7,19; IX,44,5; XIII,1,48; 86,16; XIV,21,4). Die einzige Geschichte von ihm ist die berühmte Legende von Purūravase und Urvaśī (Rāmāyaṇa VII,56,9–57,5; Matsya purāṇa CCI,23; Viṣṇu purāṇa I,118; Bhāgavata purāṇa VI,18,5; IX,13,6),87 aber aus zeitlichen Gründen gehört ihre nähere Betrachtung nicht mehr in den Rahmen des vorliegenden Buches.88 9.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Dem vedischen Gott Mitra, der meistens gemeinsam mit dem Gott Varuṇa genannt und beschrieben wird, werden unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Wie Varuṇa, so ist auch er in erster Linie mit der kosmischen und moralischen Weltordnung verbunden. Er nimmt mit Varuṇa an der Schöpfung dieser Weltordnung teil und fungiert danach als deren Hüter. Er wacht über dem moralischen Handeln der Menschen, besonders darüber, dass die Menschen die Gesetze befolgen und sich nicht gegenseitig betrügen. Als Friedensvermittler bringt er Menschen zusammen. Gleichzeitig ist er der Gott, der Regen, Nachkommen u.a. Reichtümer verleiht. Außerdem ist er Schutzgott, der die Menschen aus unterschiedlichen Nöten rettet und Krankheiten heilt, zuletzt auch Verkörperung des Priesteramtes. Man hat versucht, zwischen Mitras und Varuṇas Funktionen zu unterscheiden,89 aber das ist faktisch unmöglich – diese beiden Götter bilden eine untrenn-

85

Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 127. Gonda, The Vedic God Mitra, 116–148. 87 Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 127–128. 88 S. aber dazu: Gonda, The Vedic God Mitra, 116–138. 89 Dumézil, Mitra-Varuna. 86

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bare Einheit. Ebenso hat man versucht, Mitra mit einer konkreteren Naturerscheinung (Licht, Sonne, Mond) zu identifizieren, aber auch diese Identifikationen sind schwach begründet und berücksichtigen nicht genügend Mitras Vielseitigkeit. Der wichtigste Wesenszug von Mitra ist wahrscheinlich seine Beziehung zur kosmischen und moralischen Weltordnung, die gleichzeitig mit Sicherheit auch der wichtigste Wesenszug von Varuṇa ist. Mitra hat viele Gemeinsamkeiten mit dem iranischen Miθra (Kap. 4), und es ist sicher, dass zwischen diesen beiden Gottheiten eine sehr enge Verwandtschaft herrscht. Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra thematisiert das nächste Kapitel.

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Kapitel 10 Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra/Mihr

Die Verwandtschaft der indischen und iranischen Stämme findet ihren Ausdruck nicht nur in der Sprache der Veden und des Avesta, sondern auch in ihrer Mythologie. Im Folgenden betrachten wir die Beziehungen zwischen vedischen und avestischen Göttern und danach die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra. 10.1 Beziehungen zwischen vedischem und avestischem Pantheon Dass vedische Gottheiten im iranischen Pantheon ihre Analogien haben, ist schon seit den Werken der sog. mythologischen Schule bekannt und in der Forschung anerkannt. Als wichtigste Parallelen in der iranischen und vedischen Mythologie seien hier die folgenden Gottheiten genannt: die dämonischen Naŋhaitya (Skr. Nāsatya, der duale Beiname der Aśvins); die Windgötter Vayu (Skr. Vāyu) und Vata (Skr. Vāta); das göttliche Getränk Haoma (Skr. Soma); der Bote des Hauptgottes Apam Napāt (Skr. Apāṃ Napāt); Vīvaŋhvat, der Haoma bereitet (Skr. Vivasvat); Vīvaŋhvatis Sohn und der Herrscher des goldenen Zeitalters Yima (Skr. Yama); der Dämon Gandar∂wa (Skr. Gandharva); der Kriegsgott V∂r∂thragna (Skr. Vṛtrahan, Beiname des Indras); der Feuergott Ātar (Skr. Agni) und Thrita und Āthwya (Skr. Trita Āptya), die wiederum Haoma bereiten.1 Bei allen diesen Gottheiten ist sicher, dass zwischen ihren Namen eine etymologische Verwandtschaft herrscht. Das Problem besteht aber darin, was ihre inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede einerseits in den Veden und andererseits im Avesta sind. 10.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra Wir beginnen mit den Gemeinsamkeiten. Die Namensverwandtschaft zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra steht außer Zweifel (Kap. 4 und 9.2.1.) und geht in die indoiranische Zeit zurück, d.h. in die Zeit, als indische und iranische Stämme noch nicht getrennt waren. Aber es gibt auch eine lange Reihe inhaltlicher Berührungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra, die hier 1

Kalda, Rgveeda mütoloogia, I, CXXVI ff.; Lahe, Kalda, „Mitra kuju Indias ja Mithra kuju Iraani usundites“, 151, Anmerkung 2; s. auch: Oldenberg, Die Religion des Veda, 24– 31; Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 61–86; Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 102– 130. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 10

vergleichend dargestellt werden. Beginnen wir mit gemeinsamen Ausdrücken für Miθra im Avesta und zu Mitra im Ṛgveda: Miθra/Mitra ist verehrungswürdig (yesnya, Yašt 10.5; yajñiyá, RV 9.77.5); Miθra/Mitra wird mit Verbeugungen gehuldigt (nəmah, Yašt 10.6; namasyà, RV 3.59.4); Miθra kommt nach Sonnenuntergang in der Breite der Erde (zəm.fraqå, Yašt 10.95); er berührt beide Ränder der Erde und wacht über alle Dinge, die zwischen Himmel und Erde liegen (Yašt 10.36; 10.76; 10.107). Mitra hat große räumliche Ausdehnung (sapráthas, RV 3.59.7) und reicht um Himmel und Erde. Er ist wach (jagauruuah, Yašt 10.7; jāgṛvás, RV 1.136.3), ohne Schlaf (axvafna, Yašt 10.7), wie auch die anderen Ādityas (ásvapnaj, RV 2.27.9). Er vernichtet (frazinte, 10.38) die Häuser der Vertragsbrecher; den, der sich anstrengt in seiner Dankbarkeit gegenüber Mitra, vernichtet er dagegen nicht (ná jiyate, RV 3.59.2, vgl. 10.152.1). Miθra wird angerufen, sich zu erbarmen (Yašt marždikā, 10.5), und es heißt von ihm, dass er sehr barmherzig ist (huuāmarždika, Jt 10.140); Mitra und Varuṇa werden als verzeihende Gottheiten genannt (mṛḍáyant, RV 1.136.1), aber öfter wird um das Erbarmen Varuṇas allein gebetet. Miθra kann zornig sein (zarəmna, Yašt 10.47), und das kann auch Mitra sein (jujurāṇá, RV 10.12.5). Miθra verhängt Strafen (acaētar) über Bundbrüchige (Yašt 10.26); Mitra, Varuṇa und Aryaman verhängen Strafe (cetár) für Lüge (RV 7.60.5). Miθra schützt das Land, das Sorge trägt für seine Anerkennung und einen guten Zustand des von ihm überwachten Vertrages (yātayeiti, Yašt 10.78); Mitra bestärkt das Volk, den Vertrag zu halten (RV 3.59.1). Von Miθra sagt man, dass er nicht betrügen kann (aδaoyəmna, Yašt 10.24); auch die Ādityas werden häufig als solche angerufen (ádabdha, RV 1.24.13, 2.27.3 u. 9, 7.60.5). Miθra hat Spione und er selbst ist ein Spion (spas, Yašt 10.45, 46); auch Varuṇa hat Spione (spaś, RV 7.87.3; 9.73.4).2 Es gibt aber noch mehr Gemeinsamkeiten. Wenn Varuṇa im Ṛgveda tausend Augen hat, hat Miθra im Avesta zehntausend Augen (vgl. Yašt 10.7; 10.41; 10.82; 10,91 – RV VII, 34,10). Miθra/Mitra schützt alle Wesen, ist Lebensspender und Helfer in der Not (vgl. Yašt 10,4; 10.5; 10.16; 10.30; 10.54; 10.65; 10.75 – RV III,59,2 u. 8; IV,55,1; V,65,5; VII,82,5). So wie Mitra und Varuṇa im Ṛgveda, ist auch Miθra im Avesta Schützer von Himmel und Erde (Yašt 10.95), Inhaber magischer Kraft (Yašt 10.25), zorniger Gott und Gott, der den Regen fallen lässt (Yašt 10.61). Wie Mitra im Ṛgveda, so hat auch Miθra im Avesta Verbindung zur Sonne (Yašt 10.7; 10.12; 10.44; 10.103; 10.142; 10.143; Vendīdād 19.28) und zum Feuer (Yašt 10.3); wie Mitra und Varuṇa einen Wagen haben, der wie die Sonne aussieht (RV I,25,18; I,122,15; V,62,8; VIII,101,2), so hat auch Miθra nach Yašt 10.128 einen Wagen; in 10.136 wird ein goldenes Rad dieses Wagens beschrieben, den weiße Rosse ziehen und der Miθras vaša aeuua.caxra („der Einrad-Wagen des Miθra“) genannt wird. Die indoiranische Herkunft dieses Ausdruckes ist daraus sichtbar, dass in RV I,164, 2 der Wagen des Sonnengottes Suryas ratha ekacakra

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Schmidt, „Mithra I. Mitra in old Indian and Mithra in old Iranian“. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra/Mihr

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(„der Einrad-Wagen des Surya“) genannt wird.3 Der wichtigste gemeinsame Wesenszug der beiden Götter besteht aber sicherlich in ihrer Verbindung mit der kosmischen und ethischen Weltordnung, die in Indien rta und im Iran aša heißt. Miθra/Mitra wacht über diese Ordnung und schützt sie vor Gesetzesbrechern.4 Erst danach kommen seine anderen Aspekte hinzu (Mitra/Miθra als Geber der Fruchtbarkeit; ihre militärischen Züge und Verbindungen mit der Sonne und dem Feuer usw.), wobei diese Aspekte mit der Hauptfunktion von Mitras/Miθra als Gott der kosmisch-sozialen Ordnung verbunden sind – er gibt die Fruchtbarkeit und den Sieg über die Gegner als Lohn für die Treue gegenüber Verträgen und Vereinbarungen und schlägt die Vertrags- und Bundbrüchigen mit seinen Waffen.5 Sein solarer Aspekt steht dabei in Einklang mit seiner Rolle als Garant der Gerechtigkeit. Zwischen avestischem Miθra und vedischem Mitra gibt es auch eine Reihe Unterschiede. Zunächst ist der avestische Miθra ein selbstständiger Gott, der vedische Mitra aber ist eng mit Varuṇa verbunden und bildet mit ihm eine Einheit. Aber auch dabei gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen beiden: in Entsprechung zum Ausdruck Mitra-Varuṇa im Ṛgveda findet sich im Avesta die Formel MithraAhura (Yašt 10.113. 145). Auf die Parallelität und die indoiranische Herkunft dieser Formeln haben viele Forscher schon seit langem aufmerksam gemacht.6 Oldenburg meint, dass Varuṇa, der von allen andern vedischen Gottheiten die Bezeichnung Asura (= iranisch Ahura) trägt, die Entsprechung des Großen Ahura der Zarathustra-Anhänger, d.h. des Ahura Mazdā, sei.7 Für seine These lenkt Oldenberg die Aufmerksamkeit auf die Ähnlichkeiten zwischen Ahura Mazdā und Varuṇa im Avesta und in den Veden: beide sind als Herren höchste Vertreter der Weltordnung (rta/aša); sie haben die Welt geordnet, allen Wesen ihre Stellen angewiesen und ihre Wege vorgezeichnet.8 Nach der Meinung von Thomas Oberlies sind sowohl der vedische Varuṇa als auch der avestische Ahura Mazdā Derivate des Himmelsgottes der alten indoiranischen Volksgruppen.9 Jaan Puhvel macht darauf aufmerksam, dass Varuṇa in RV I,25,20 das Epitheton medhira (= auf Sanskrit medhira „weiser“) trägt, das dem avestischen Wort mandzra entspricht, das wiederum Synonym des Wortes madza („weiser“) sei.10 Obwohl wir zu wenig Tatsachen haben, um die alte indoiranische Religion zu rekonstruieren, hat man die Co-Existenz der Götter Mitra und Varuṇa schon in einem hethitischen 3

Humbach, „Mithra in the Kushana period“, 137. Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 28–33. 5 Ibid. 6 Oldenberg, Die Religion des Veda, 28; Widengren, Die Religionen Irans, 14; Dumézil, Mitra-Varuna. 7 Oldenberg, Die Religion des Veda, 184. 8 Ibid., 185. 9 Oberlies, Der Rigveda und seine Religion, 64–65. 10 Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 106. 4

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Kapitel 10

Vertragstext gesehen, in dem die Namen der alten indoiranischen Gottheiten vorkommen. Doch ist der Text dieses Vertrages nicht ohne Problem: Exkurs: Mitras Erstnennung in der indoarischen Götterliste im Vertrag von Hattuša?11 Als im Jahre 1907 in Hattuša (heute Boğazköy in der Türkei) das königliche Archiv der Hethiter entdeckt wurde, wurde neben anderen Texten auch ein Vertragstext gefunden, der heute als CTH 51 bekannt ist12 und jetzt im British Museum in London liegt. Dieser Vertrag wurde zwischen dem hethitischen König Šuppiluliuma I. (regierte etwa 1355–1320 v.Chr) und dem Mitanni-Herrscher Šatiwaza13 geschlossen. Unabhängig von den genauen Regierungsjahren des Königs Šuppiluliuma wird dieser Vertrag nach übereinstimmender Ansicht der Forscher ins 14. Jahrhundert v.Chr. datiert14. Im Vertrag verspricht Šuppiluliuma dem Mitanni-König, der bei ihm Zuflucht gefunden hatte, ihn auf den Thron seines Vaters zurückzuführen, und gibt ihm als Unterpfand dieses Versprechens seine Tochter zur Frau. Als Zeugen werden am Ende des Vertrages eine Reihe von Göttern angerufen. Während die Gottheiten, die im Vertag genannt werden, meistens hethitischer und mesopotamischer (assyrischer, babylonischer, hurritischer) oder syrischer Herkunft sind, ragen vier Namen dadurch hervor, dass sie deutlich indoiranischer Herkunft sind. Da diese Namen unterschiedlich transkribiert wurden, werden hier sechs unterschiedliche und divergierende Transkriptionen dargeboten: Kuzmina: Mitraššil, Uruwanaššil, Indara, Našatianna15; Oldenberg: Mi-it-ra, U-ru-w-na, In-dar, Na-sa-at-ti-ia16;

11

Dieses Exkurs basiert auf dem Beitrag: Lahe, Sazonov, „Some Notes On the First Mention of Mitra in CTH 51“, 22−25. 12 Janowski, Wilhelm (Hrsg.). Staatsverträge, Herrscherinschriften und andere Dokumente zur politischen Geschichte: 113–121. Zu dem geschichtlichen Hintergrund des Vertrages s. ibid., 113–114; Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 301–317; Mayrhofer, Die Arier im Vorderen Orient; Wilhelm, Grundzüge der Geschichte und Kultur der Hurriter; der Vertragstext wurde sowohl in der akkadischen als auch in der hethitischen Sprache abgefasst. Die akkadische Fassung ist besser erhalten (Beckman, Hittite Diplomatic Texts, 41). 13 Früher hat man seinen Namen auch als Matiwaza oder Kurtiwaza gelesen. 14 Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 301; Vermaseren, Mithras, 9; Merkelbach, Mithras, 4; Clauss, Mithras, 14; Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 8; Turcan, Mithra et le mithriacisme, 7; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 196; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 287; Duchesne-Guillemin, „Iran and Greece in Commagene“, 187; Witschel, „ ,Orientalische Kulte‘ im römischen Reich“, 201; Vollkommer, „Mithras“, 583. 15 Kuz`mina, The Origin of the Indo-Iranians, 133. 16 Oldenberg, Die Religion des Veda, 24. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra/Mihr

Thieme: Dumézil: Beckman: Wilhelm:

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mi-it-ra, u-ru-ua-na, in-dar, na-ša-a(t-ti-ia)17; mi-id-ra-aš-šil, u-ru-wa-na-as-ši-el18; the Mitra-gods, the Varuṇa-gods, Indra, the Nasatya-gods19; Mitraššil-Götter, Uruwanaššil-Götter, Indar, NašatijannaGötter20.

Die Forscher haben die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass diese Namen in den Veden Äquivalente haben: Mitra-, Varuṇa-, Indra- und Nasatya-21. Dies ist an und für sich genommen keine Überraschung, wenn wir von der Hypothese ausgehen, dass das Mitanni-Reich von Königen beherrscht wurde, die indoiranischer Herkunft waren. Diese Hypothese stützen die folgenden Argumente: Manche Herrschernamen der Mitanni (wie z.B. Artatama, Tušratta), die Fachterminologie der Pferdezucht in Texten aus dem Mitanni-Reich und die Bezeichnung mairya-, die man dort für Mitglieder der kriegerischen Aristokratie benutzt hat, sind indoiranischer Herkunft22. Sie werden von den Historikern als „Para-Inder“ oder „ProtoArier“ bezeichnet23. Die Philologen bezeichnen sie als Stämme, die indoarische oder proto-arische Sprachen gesprochen haben24. Die oben genannten Götternamen hat man als die älteste Götterliste der frühen indoiranischen Stämme charakterisiert. Seit dem „Vater“ der neuzeitlichen Mithras-Forschung, Franz Cumont, herrscht unter den Forschern der Konsens, dass der Vertrag zwischen Šuppiluliuma I. mit Šatiwaza von Mitanni die älteste Quelle ist, die den Gott Mitra erwähnt25. Schwertheim meint, dass das Vorhandensein von Mitra im Vertragstext kein Zufall sei, sondern mit der Bedeutung seines Namens (das altindische Appellativum „mitram“ bedeutet als Neutrum „Vertrag“ oder „Freundschaft“, als 17

Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 303. Dumézil, Mitra-Varuna, 66. 19 Beckman, Hittite Diplomatic Texts, 47; 53. 20 Janowski, Wilhelm, Staatsverträge, 120. 21 Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 303; Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 49; Vannucci, The Vedic God Mitra, 42; Nissen, Geschichte Alt-Vorderasiens, 111; Janowski, Wilhelm, Staatsverträge, 120, Anmerkung 45. 22 Nissen, Geschichte Alt-Vorderasiens, 110–111; Kalda, RgVeeda mütoloogia, VI–VII; Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 301; Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 49; Kalda, RgVeeda mütoloogia, VIII; Widengren, Die Religionen Irans, 23. 23 Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 301. 24 Thieme, „The ‘Aryan’ gods of the Mitanni treaties“, 301; Puhvel, Võrdlev mütoloogia, 49. 25 Cumont, Die Mysterien des Mithra, 2–3; Vermaseren, Mithras, 9; Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 8; Merkelbach, Mithras. Ein persisch-römischer Mysterienkult, 4; Clauss, Mithras, 14; Turcan, The Cults of the Roman Empire, 196; Vollkommer, „Mithras“, 583; Gordon, „Mithras (Mithraskult)“, 966; Hensen, Mithras. Der Mysterienkult an Limes, Rhein und Donau, 7; Vannucci, The Vedic God Mitra, 42– 43; Witschel, „Die Ursprünge des Mithras-Kults“, 201. 18

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Kapitel 10

Maskulinum „mitrah“ „Vertragspartner“ oder „Freund“) in Einklang stehe26. Auch Rainer Vollkommer meint, dass man das Vorhandensein von Mitra im Vertrag dadurch erklären kann, dass er „Gott des Bundes“ war27. Für Stephan Schlensog, der sich auf die Theorie von Georges Dumézil beruft, die sich auf eine Dreiteilung der indogermanischen Gesellschaft und eine „dreiteilige Ideologie“ („idéologie tripartite“) der Indoeuropäer beruft,28 stehen die im Vertrag genannten indoarischen Gottheiten mit einer funktionalen Dreiteilung des indoeuropäischen Pantheons im Einklang. Es sei für das indoeuropäische Weltbild charakteristisch, dass man hier drei unterschiedliche Göttertypen vertreten finden kann: die Götter mit der Funktion der magischen und juristischen Herrschaft; die Götter mit der Funktion der kriegerischen Kraft; und die Götter der Fruchtbarkeit und des wirtschaftlichen Gedeihens. Danach vertreten Varuṇa und Mitra die magische und richterliche Herrschaft, Indra die kriegerische Macht und die Nasatyas die nährende Funktion.29 Allerdings kommen nach Meinung von Christensen die vorher genannten Gottheiten im Vertrag nicht als jene Gottheiten vor, die mit den unterschiedlichen Bereichen, die im Vertragstext behandelt wurden, in Verbindung stehen, sondern einfach als die Hauptgötter der „Parainder“ im Mitanni-Reich.30 Doch gibt es eine Tatsache, auf die bisher kein Forscher aufmerksam gemacht hat: Zwar sprechen alle Forscher vom Vorhandensein des Gottesnamens in der Singularform „Mitra“, aber tatsächlich findet sich der Name im Text in der Form des Plurals, den nur die Übersetzungen Wilhelms und Beckmans wiedergegeben haben („Mitraššil-Götter / the Mitra-gods“). Der Name des Gottes ist im akkadischsprachigen Vertragstext aus vier Komponenten zusammengestellt: 1) Determinativ DINGIR („Gott“, „Gottheit“); 2) der Pluralendung MEŠ; 3) dem nichtakkadischen Wort „Mitra“ und 4) der hethitischen Namensendung -šil. Doch auch Wilhelm hat das in seinem Kommentar nicht erklärt, sondern verweist nur auf den Gottesnamen „Mitra“ (im Singular). Die Namensform „Mitra“ im Vertrag ist also eigentlich ein philologisches Rätsel, das noch nicht gelöst ist, aber einer Erklärung bedarf. „Die Mitraššil-Götter“ oder „the Mitra-gods“ sind sicherlich eine Göttergruppe. Ohne hier einen Überblick zur Etymologie des Gottesnamens Mitra und ihre unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten zu bieten,31 bieten der Autor 26

Schwertheim, „Mithras. Seine Denkmäler und sein Kult“, 8. Vollkommer, „Mithras“, 583. 28 S. dazu: Dumézil, Mitra-Varuna, 13–14; Dumézil, Indoeurooplaste müüdid ja jumalad, 2001. 29 Schlensog, Der Hinduismus, 30. Auch Widengren meint, dass „Mitra und Varuna die Herrschermacht vertreten, wobei Varuna die magische zukommt, Mitra die juristischpriesterliche Tätigkeit vertritt“ (Widengren, „Stand und Aufgaben der iranischen Religionsgeschichte“, 23). Dem kann man aber nicht zustimmen, weil beide Götter die Inhaber des Maya (magische Kraft) sind (s. z.B. RV III, 61,7; V, 63,3, 4 u. 7). 30 Dumézil, Indoeurooplaste müüdid ja jumalad, 108. 31 4.3.1 und 9.2.1. S. auch: Puhvel, „Mithra as an Indo-European Divinity“, 335–355; Schmidt, „Indo-Iranian Mitra Studies“, 345–394; Bonfante, „The Name of Mithra“, 47– 27

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Die Beziehungen zwischen indischem Mitra und iranischem Miθra/Mihr

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des vorliegenden Buches und Vladimir Sazonov eine neue Übersetzung und Erklärung des akkadischen Ausdrucks DINGIR.MEŠ Mi-it-ra-aš-ši-il. Sie gehen davon aus, dass das Wort Mitra sowohl in der vedischen als auch in der avestischen Sprache „Vertrag“ oder „Bund“ bedeutet. Sie schlagen vor, dass der Ausdruck DINGIR.MEŠ Mi-it-ra-aš-ši-il nicht als Eigenname, sondern als „Vertragsgötter“ zu übersetzen ist. In diesem Fall wäre das Audruck nicht die erste Nennung des Gottes Mitra, sondern ein Hinweis auf eine Gruppe unbekannter Götter, deren Funktion die Beschützung der Verträge oder der Bünde war. Man hat angenommen, dass der vedische Mitra im Unterschied zum iranischen Miθra keine militärischen Züge hat und dass Indra in den Veden diese Züge in sich aufgenommen hat. Auf Grund der Passagen aus dem Ṛgveda, die in 9.2.2 behandelt wurden, kann man dieser Ansicht nicht zustimmen. Doch kommen bei Mitra kriegerische Züge nur dann vor, wenn er zusammen mit Varuṇa handelt. Wie Paul Thieme mit Recht betont hat, dienen die kriegerischen Züge bei Mithra seiner Funktion als Siegbringer für die, die ihren Verträgen und Bünden treu sind, und seiner Funktion als Rächer für die, die sie übertreten.32 Thiemes Meinung nach besteht der Unterschied zwischen avestischem Mithra und vedischem Mitra darin, dass das Avesta Mithras Funktion als Rächer betont, im RV fehlen dagegen alle Spuren von Mitra als Rächer; dagegen wird im RV seine Funktion als Schützer der Gerechten geschildert.33 Die Funktion als Rächer ist nach der Meinung von Schmidt im RV von Indra übernommen.34 Es gibt in den Veden bei Mitra Züge, die im Avesta fehlen. So ist Mitra im AV der Arzt für unterschiedliche Krankheiten (Kap. 9); der avestische Mithra ist dagegen kein Heilungsgott. Die größten Unterschiede der beiden Götter zeigen sich in der nachvedischen und nachavestischen Zeit. Während die Entwicklung der Gestalt des Mitra in Indien im Śatapatha brāhmaṇa, das in den Zeitraum 8.– 6. Jh. v.Chr. datiert wird, zu Ende kam, begann die Bedeutung von Miθra im Iran des 5. Jh. v.Chr. (achämenidische Inschriften; Mihr-Yašt) zu wachsen. Während Mitra in Indien immer mit der Sonne verbunden gewesen ist, aber diese Beziehung nicht dominant ist (Mitra ist kein Sonnengott im vedischen Pantheon), wächst im Iran Miθras Solarität durch die Zeiten stark an, bis er im 1. Jh. v.Chr. völlig mit der Sonne identifiziert wurde. Schon im Zeitalter der Achämeniden wurde Miθra im iranischen Kulturraum zum besonderen Schutzpatron der Könige, und diese seine Funktion dauert an bis zum Ende der Zeit der Sassaniden; in Indien erhielt er eine solche Rolle nicht. Auch zwei andere Funktionen, die im Iran eine wichtige Rolle spielen, fehlen in Indien. Im Iran ist Miθra Kämpfer gegen Dämonen und Richter über die Seelen der Verstorbenen. In Indien hat Mitra 57; Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 21–33. 32 Thieme, „The concept of Mitra in Aryan belief“, 28–33. 33 Ibid., 29. 34 Schmidt, „Indo-Iranian Mitra Studies: the State of the Central Problem“, 371 © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 10

solche Funktionen nicht. Obwohl man zeigen kann, dass Mitra in Indien mit vielen anderen Göttern, die in den Veden eine große Bedeutung hatten, im Laufe der Zeiten seine hervorragende Stelle verloren hat (im heutigen Hinduismus ist seine Rolle ganz peripher), kann man ganz allgemein sagen, dass Mithra in der Religionsgeschichte des Iran eine größere Rolle gespielt hat als Mitra in der Religionsgeschichte Indiens. Dafür spricht die Tatsache, dass Mithra im Iran noch im Zeitalter der Sassaniden eine wichtige Gottheit war und man Spuren von ihm nicht nur im Iran, sondern im iranischen kulturellen Raum überhaupt finden kann. 10.3 Zusammenfassung und Ergebnisse Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Götter, Mitra und Miθra, für die kosmische und moralische Weltordnung zuständig sind; beide Götter sind auch mit der Sonne verbunden und sind Verleiher solcher Reichtümer wie Wasser, Herden und Nachkommen. Gleichzeitig gibt es zwischen Mitra und Miθra eine Reihe Unterschiede: Mitra bildet eine Einheit mit Varuṇa, Miθra ist meistens ein selbstständiger Gott. Im Laufe der Zeit wuchsen diese Unterschiede: Miθra wurde zum Sonnengott, der gleichzeitig mit der Königsherrschaft und mit dem Kampf gegen Dämonen verbunden war. Er war ebenso Richter über die Verstorbenen. Solche Funktionen hat Mitra in Indien nie gehabt. Die gemeinsamen Züge von Mitra und Miθra kann man damit erklären, dass beide Götter aus der indoarischen Zeit stammen, als sich die indischen und iranischen Stämme noch nicht voneinander getrennt hatten.35 Die Unterschiede der beiden Götter, die schon im Ṛgveda und im Avesta vorhanden sind und die man mit den unterschiedlichen religiösen Entwicklungen der indischen und iranischen Stämme erklären kann, sind im Laufe der Zeit größer geworden, aber ungeachtet der Unterschiede bleibt ihre enge Beziehung bestehen. Die Sonderentwicklungen im Iran kann man vom gemeinsamen indoiranischen Hintergrund her als Weiterentwicklungen einiger wichtiger Wesenszüge des Gottes Mitra/Miθra verstehen. So ist Miθras Kampf gegen Dämonen von seiner Rolle als Hüter der Weltordnung her sowie seine Rolle als Richter über die Seele der Verstorbenen von seiner Rolle als Hüter der Wahrheit und Gerechtigkeit her erklärbar.

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Kapitel 11

Zusammenfassender Vergleich und Ergebnisse: römischer Mithras, hellenistischer Mithra/Mithras/ Mithres, iranischer Miθra/Mihr, manichäischer Mihryazd/Miši βaγi und indischer Mitra Wir haben in diesem Buch unterschiedliche Gottheiten betrachtet – römischen Mithras, kleinasiatischen Mithra/Mithras/Mithres, iranischen Miθra/Mithra/Mihr (und Miiro im Reich der Kuschanen), manichäischen Mihryazd/Miši βaγi und indischen Mitra. Sie gehören zu unterschiedlichen Religionen und Kulten, die unter unterschiedlichen geographischen, sozialen, kulturellen und historischen Bedingungen entstanden und sich entwickelten. Es wurde ihnen in unterschiedlichen geographischen Gegenden gehuldigt, und sie tauchen in Quellen auf, die aus einem sehr langen Zeitraum, nämlich vom 2. Jahrtausend v.Chr. (die Veden) bis zum 8./.9. Jahrhundert n.Chr. (die Pahlavi-Literatur), stammen. Jede dieser Gottheiten ist eine Persönlichkeit für sich mit einem individuellen, unverwechselbaren Charakter, der in der Mythologie, in der Ikonographie und im Kult Ausdruck gefunden hat. Doch zeigt die vorliegende Studie, dass diese Gottheiten außer ihren Namen, die alle auf ein indoiranisches Appellativum mitra (Neutr.) zurückgehen (9.2.1), auch eine ganze Reihe andere, inhaltliche Gemeinsamkeiten haben. Bevor wir diese Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede der Gottheiten näher betrachten, fassen wir noch einmal die Wesenszüge kurz zusammen, die bei jeder der Gottheiten am charakteristischsten sind. 11.1 Die wichtigsten Wesenszüge der Götter 11.1.1 Mithras im Römerreich Der Gott Mithras, der im Zentrum der nach seinem Namen genannten Mysterienkulte im Rahmen der römischen Religion stand, ist in ersten Linie der Gott, der durch seine Stiertötung (1.2.4) und durch seine Beziehungen zum Sonnengott Sol/Helios bekannt ist (1.2.5). Mithras ist ein solarer Gott, der in paradoxer Weise sowohl mit der Sonne identisch (1.2.1, 1.2.2) als auch mit ihr sehr eng verbunden, aber von ihr unterschieden sein soll (1.2.1, 1.2.5). Er steht in einem Freundschaftsbündnis mit der/m Sonne(ngott), und auch seine Anhänger, die eine Bruderschaft bildeten, waren miteinander durch ein Freundschaftsbündnis verbunden, dessen sichtbarer Ausdruck der Händedruck mit der rechten Hand war (1.2.7). Mithras ist auch der Initiator der heiligen Mahlzeit seiner Bruderschaft, die eine Nachahmung seines Mahls mit der/m Sonne(ngott) war (1.2.8).

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Kapitel 11

Mithras ist Hüter und Herrscher über die kosmische Ordnung und sehr wahrscheinlich auch ihr Erneuerer durch das Stieropfer (1.2.4); es ist sehr wahrscheinlich, dass er auch der Schöpfer dieser Ordnung war (durch dasselbe Opfer). Darauf kann sein Titel „Schöpfer“ (genitor; demiourgos) verweisen (1.2.1), obwohl unklar bleibt, wie umfangreich der Bereich seines Schaffens ist. Es gibt jedenfalls zwei Dinge, die von ihm geschaffen wurden: das Licht und die Kulturpflanzen (1.2.1, 1.2.4). Das erlaubt es uns, ihn auch als einen Heros der Kultur zu bezeichnen. Er ist Spender der Kulturpflanzen, des Wassers und wahrscheinlich auch der Unsterblichkeit (1.2.3). Mithras trägt auch militärische Züge, und wenigsten in einem Ort (Hawarte) ist er auch als Kämpfer gegen die bösen Wesen (Dämonen) bekannt (1.2.10). Doch kann man von diesen letztgenannten Wesenszügen des Gottes nicht behaupten, dass sie bei seiner Persönlichkeit dominierend gewesen wären. In erster Linie ist Mithras der Gott der Mysterien und der Schutzgott von Einzelnen und von Gruppen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. 11.1.2 Mithra/Mithras/Mithres im hellenistischen Kleinasien Im hellenistischen Kleinasien ist Mithra/Mithras/Mithres an unterschiedlichen Orten belegt (2.1), aber seine wichtigsten Denkmäler liegen im Territorium des Königreichs von Kommagene (2.1.2). Mithra/Mithras/Mithres ist ein solarer Gott, der mit der Sonne gleichgesetzt und mit Helios und Apollon identifiziert wird (2.1.2 u. 2.2). Er ist „der gerechte Gott“ (so in einer Inschrift aus Tyana (2.1.1), d.h. der Gott, dessen wichtiger Wesenszug die Gerechtigkeit ist, die sich in seiner Rolle als gerechter Richter über die Verstorbenen oder als gerechter Herrscher und Lenker der Weltordnung ausdrücken kann. Es ist möglich, dass die Gerechtigkeit von Mithra auch mit seiner Rolle als Sonnengott verbunden ist (die gerechte Sonne, die über allen scheint und wacht) (2.1.1 und 2.2). Auch der kleinasiatische Mithra ist mit Bündnissen verbunden, deren sichtbarer Ausdruck der Händedruck (dexiosis) ist (2.1.2), aber er hat eine sehr innige Beziehung zu den Königen – als ihr Beschützer und vielleicht auch als Spender ihrer Königsmacht (2.2.3). 11.1.3 Miθra/Mithra/Mihr im iranischen Kulturraum 11.1.3.1 Miθra im Avesta Im Avesta ist Miθra in erster Linie der Beschützer der kosmischen und gesellschaftlichen Ordnung (aša). Er ist der Gott, der über Verträgen und Bündnissen wacht und der alle belohnt, die ihren Bündnissen und Verträgen treu sind, und alle bestraft, die ihre Bündnisse und Verträge brechen. Er schenkt den Treuen Herden, Weiden, viele Kinder, Wasser und das Wachstum der Pflanzen. Mithra trägt auch starke militärische Züge – er hilft den Treuen im Kampf und schenkt ihnen den Sieg über ihre Feinde. Mithra kämpft auch mit den bösen Wesen (Dämonen und Hexen) und vernichtet sie. Er ist mit der Sonne verbunden, aber nicht mit ihr

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gleich, und der solare Aspekt steht im Vergleich mit vorgenannten Aspekten bei ihm im Hintergrund (4.3.2–4.3.4). Obwohl seine Beziehung zur Königsherrschaft im Avesta nicht direkt genannt wird, ist sie dennoch mit seiner Beziehung zu xvarenah gegeben (4.3.3). 11.1.3.2 Mithra in achämenidischen Inschriften In den achämenidischen Inschriften, in denen Mithra manchmal mit anderen Gottheiten, manchmal aber allein vorkommt, hat er nur eine einzige Funktion – er ist Beschützer des Königs und seiner Einrichtungen (4.3.6). Das schließt natürlich nicht aus, dass daneben auch seine anderen Funktionen, die wir aus dem Avesta kennen, den Achämeniden bekannt waren (so bezeugen die Berichte der verschiedenen griechisch-römischen Autoren, die die achämenidische Zeit behandeln, seine Rolle als Schwurgott (4.4.1), aber sie finden in den vorgenannten Inschriften keinen Ausdruck. 11.1.3.3 Miiro in kuschanischen Quellen In den kuschanischen Quellen kommt Miiro, dessen Name ein baktrisches Äquivalent für Mithra ist, als Schutzgott der Könige vor, wobei unklar bleibt, welche Position er unter den anderen iranischen Göttern im Kuschanreich gespielt hat (4.3.7). Er ist der Sonnengott, der wie Mithras im Römerreich und wie Mithra/ Mithres in Kleinasien mit Helios gleichgesetzt wird. Er war mit der königlichen Investitur verbunden, und wie ein Schwert als Attribut vermuten lässt, hat er auch militärische Konnotationen gehabt (4.3.7.1). 11.1.3.4 Mihr auf sassanidischen Reliefs, Münzen und Siegeln In den sassanidischen Quellen (4.3.9–4.3.14) ist der Gott Mihr in erster Linie der Schutzgott der Könige, der mit der königlichen Investitur verbunden ist. Er ist Sonnengott und trägt starke militärische Züge (er schenkt Königen den Sieg). 11.1.3.5 Mihr in der Pahlavi-Literatur In der Pahlavi-Literatur hat Mihr vorwiegend zwei Funktionen: Er ist Richter über die Verstorbenen und Kämpfer gegen die Dämonen (4.3.5). Man kann voraussetzen, dass auch im Zeitalter, in dem die Pahlavi-Literatur entstand, neben diesen auch seine anderen, aus dem Avesta bekannten Wesenszüge weiterbestehen, aber in der Pahlavi-Literatur werden diese beiden Züge von Mihr besonders hervorgehoben. 11.1.3.6 Der iranische Mithra in den griechisch-römischen Quellen In den griechisch-römischen Quellen zu Mithra in der achämenidischen Zeit (4.4.1) betont man, dass Mithra im Iran der Zeuge der Verträge und der Gelübde ist. Er trägt militärische Züge (er gibt den Soldaten Mut in der Schlacht) und ist ein selbstständiger Gott neben der Sonne, d.h. er ist nicht mit ihr gleich. Im 1. Jh.

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Kapitel 11

v.Chr. verändert sich die Lage: Seit dem 1. Jh. ist Mithra mit der Sonne identisch und er kommt als Gott vor, der die kosmische Ordnung begründet hat. 11.1.3.7 Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus Obwohl dem Gott Mihryazd/Miši βaγi im vorliegenden Buch besondere Kapitel gewidmet wurden, gehört auch seine Gestalt zum iranischen Kulturraum. Er ist zwar eine Gottheit des Manichäismus, kommt aber nur im iranischen Manichäismus (in Persien, Parthien und Sogdien) vor. Der manichäische Gott Mihryazd/ Miši βaγi, dessen Name aus dem Zoroastrismus entliehen ist (7.2), hat in der manichäischen Mythologie unterschiedliche Funktionen (7.3). Er ist der Schöpfer der materiellen Welt, der die Welt als ein Werkzeug zur Befreiung des göttlichen Lichtes in Gang setzt und sie auch in Gang hält (d.h. er ist der Hüter der Weltordnung). Wie Mihr im Zoroastrismus (besonders in der späteren Pahlavi-Literatur), so ist auch Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus mit dem Kampf gegen das Böse verbunden – er ruft zu diesem Kampf auf und kämpft auch selbst gegen die Dämonen. Mit der Sonne ist er verbunden, aber nicht mit ihr identisch – vielmehr ist die Sonne sein Aufenthaltsort oder Fahrzeug. Hinter dem letzten Motiv steht sicherlich die Vorstellung vom Sonnenwagen, die sowohl in der iranischen als auch in der griechischen Mythologie gut bekannt ist. 11.1.4 Mitra in den indischen Quellen 11.1.4.1 Mitra im Ṛgveda Im Ṛgveda (9.2.2) ist Mitra durchgängig mit der Gottheit Varuṇa verbunden. Er trägt einige Schöpfer-Züge – so sagt man, dass er den Himmel von der Erde getrennt und den Weg zur Sonne geschaffen hat. Doch stehen diese Aspekte bei ihm nicht im Vordergrund. In erster Linie ist Mitra der Wächter und Überwacher der Welt, der zu diesem Zweck auch Spione benutzt. Er ist der Beschützer der Weltordnung und der Gesetze, der die Vertragsbrecher und Lügner bestraft. Er ist der Spender der Nahrung und der Reichtümer, ebenso der Spender der Vegetation und der Fruchtbarkeit. Mitra ist auch der Spender des Lichtes, dessen Augen und Kleider wie die Sonne strahlen. Sein Wagen hat das Aussehen der Sonne. Mitra ist der Beschützer und Helfer des Menschen in der Not und der Gott, der die Menschen und auch die Gegensätze (Tag und Nacht usw.) in der Natur verbindet. 11.1.4.2 Mitra im Atharvaveda Im Atharvaveda (9.2.3) hat Mitra dieselben Funktionen wie im Ṛgveda. Daneben tauchen auch neue Züge auf. Im Atharvaveda werden die Funktionen von Mitra und von Varuṇa eher unterschieden als im Ṛgveda. So ist z.B. Mitra mit dem Morgen und mit dem Sonnenaufgang verbunden, Varuṇa dagegen mit dem Abend und mit dem Sonnenuntergang. Mitra ist Helfer in konkreten Nöten, wie z.B. bei Krankheiten und Problemen des Sexuallebens.

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11.1.4.3 Mitra im Yajurveda Im Yajurveda (9.2.4) sind die Funktionen von Mitra das Schaffen von Ordnung und Harmonie, das Verbinden der Menschen und das Fördern des Friedens. Er ist der Gott der Wahrheit und des Dharma. Mitra ist Helfer und Beschützer der Menschen. Die Ansicht, dass Mitra im Yajurveda erstmalig als Stiertöter vorkommt, ist unbegründet. 11.1.4.4 Mitra im Śatapatha brāhmaṇa Im Śatapatha brāhmaṇa (9.2.5) ist Mitra der Gott, der den Männern sowohl im Krieg als auch im Zivilleben hilft. Er ist die Verkörperung der Weisheit, der Wahrheit und des priesterlichen Amtes, ebenso die Verkörperung der militärischen Macht. Die Sonne ist das Auge von Mitra. 11.2 Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Götter Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten der obengenannten Götter. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich ist, sind die meistverbreiteten gemeinsamen Züge zwischen dem römischen Mithras, hellenistischen Mithra/Mithras/Mithres in Kleinasien, iranischen Miθra/Mithra/Mihr (und kuschanischen Miiro), manichäischen Mihryazd/Miši βaγi und indischen Mitra (nach ihrem Häufigkeitsvorkommen) die folgenden: Platz 1: ihre Funktion als Schutzgott von Einzelnen und von Gruppen (römische Quellen, hellenistische Quellen aus Kleinasien, Avesta, achämenidische Quellen, kuschanische Quellen, sassanidische Quellen, Ṛgveda, Atharvaveda, Yajurveda, Śatapatha brāhmaṇa); Platz 2: ihre Verbindung mit der Sonne (römische Quellen, hellenistische Quellen aus Kleinasien, Avesta, kuschanische Quellen, griechisch-römischen Quellen zum iranischen Mithra, manichäische Quellen, Ṛgveda und Śatapatha brāhmaṇa); Platz 3: ihre militärischen Züge (römische Quellen, Avesta, kuschanische Quellen, Pahlavi-Literatur, sassanidische Quellen, griechisch-römischen Quellen zum iranischen Mithra, manichäische Quellen und Śatapatha brāhmaṇa – er kämpft gegen die Feinde, darunter die Dämonen und die Hexen, und ist der Spender des Sieges); Platz 4: ihre Beziehungen zur kosmischen Ordnung (römische Quellen, Avesta, griechisch-römischen Quellen zum iranischen Mithra, manichäische Quellen und RV); Platz 5: ihre Beziehungen zu Verträgen, Bündnissen und Gelübden (römische Quellen, hellenistische Quellen, Avesta, griechisch-römischen Quellen zum iranischen Mithra, RV).

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Śatapatha brāhmaṇa

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Kuschanische Quellen

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Achämenidische Inschriften

Avesta

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Griechisch-römische Quellen

Er ist Schöpfer / trägt einige Schöpfer-Züge Spender der Kulturpflanzen Spender des Lichtes Hüter und Herrscher über die kosmische Ordnung Er ist mit der Sonne verbunden Er ist mit der Sonne gleich Mit Freundschaftsbündnissen verbunden Initiator der heiligen Mahlzeit Trägt militärische Züge Spender des Wassers Spender der Unsterblichkeit Schutzgott von Einzelnen u. Gruppen Trägt den Titel gerechter Gott Beschützer/Spender der Königsherrschaft Spender der Herden u. Weiden Spender des Sieges Richter über die Verstorbenen

Hellenistisches Kleinasien

Kapitel 11

Römische Quellen

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Śatapatha brāhmaṇa

Yajurveda

Atharvaveda

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Manichäismus

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Griechisch-römische Quellen

Kuschanische Quellen

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Pahlavi Literatur

Sassanidische Quellen

Avesta

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Achämenidische Inschriften

Beschützer des Königs Mit Verträgen u. Gelöbnissen verbunden Er ist Heiler konkreter Krankheiten

Hellenistisches Kleinasien

Römische Quellen

Zusammenfassender Vergleich und Ergebnisse

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Platz 6: ihre Beziehungen zum König und zur Königsherrschaft – er ist Beschützer des Königs und seiner Einrichtungen und der Königsherrschaft, ebenso der Spender der Königsherrschaft (hellenistische, achämenidische, kuschanische und sassanidische Quellen). Alle anderen Züge kommen weniger oft vor, so die Rolle als Spender des Wassers (römische Quellen, Avesta, Ṛgveda) und des Lichtes (römische Quellen, manichäische Quellen, Ṛgveda), als Schöpfer (römische Quellen, manichäische Quellen, teilweise im Atharvaveda, aber in keiner der iranischen Quellen und auch in den hellenistischen Quellen nicht nachweisbar) und als Richter über die Verstorbenen (Pahlavi-Literatur; vielleicht auch im hellenistischen Kleinasien). Die Gemeinsamkeiten der obengenannten Götter sind zu auffallend, um sie als zufällige Parallelen zu erklären. Vielmehr gehören alle diese Gottheiten eng zusammen und man kann sie als nahe Verwandte verstehen. Um die Gemeinsamkeiten der obengenannten Gottheiten zu erklären, muss man sich nicht unbedingt der Theorie der Archetypen des Kollektiven Unbewussten von Carl Gustav Jung oder der Theorie der Universalen im Denken der Menschheit von Claude LéviStrauss zuwenden. Der Autor des vorliegenden Buches will diese Gemeinsamkeiten lieber durch interkulturelle Kontakte erklären. Alle vorgenannten Gottheiten gehören nämlich zu kulturellen Räumen, zwischen denen in Zeit und Raum, d.h. in der Geschichte, viele Kontakte stattgefunden haben. Zwischen der griechisch-römischen Welt, dem kulturellen Raum der iranischen Völker und Stämme und Indien gab es enge geschichtliche Beziehungen. Die indoeuropäischen Stämme in Indien und im Iran gehören eng zusammen und die Gemeinsamkeiten ihrer Mythologie sind von ihrem gemeinsamen indoiranischen Hintergrund her erklärbar (Kap. 10). Die antike Welt hatte Kontakte mit © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 11

den Persern und dadurch mit dem iranischen Kulturraum schon seit dem 5. Jahrhundert v.Chr., und seit den Eroberungen Alexanders des Großen (4. Jh. v.Chr) sind diese Kontakte besonders eng gewesen. Im Zeitalter des Hellenismus beginnen auch die Kontakte zwischen Griechen und Indien. In Indien entstanden viele griechische Staaten, die teilweise bis in unsere Zeitrechnung existierten. Der iranische Kulturraum reichte im Westen bis Asia Minor, wo er sich mit dem hellenistischen Kulturraum traf. Dieselbe Begegnung fand im Osten auf dem Territorium der Kuschanen statt. Die Römer hatten mit Kleinasien schon im Zeitalter der Republik Beziehungen und mit Parthien/Persien nicht nur Grenzkonflikte, sondern auch kommerzielle und kulturelle Kontakte. Alle diese Beziehungen, in deren Rahmen eine rege Interaktion zwischen den unterschiedlichen Kulturen, Völkern und Stämmen stattgefunden hat, bilden ein interkulturelles Netz, in dessen Rahmen man auch die Gemeinsamkeiten der obengenannten Gottheiten betrachten muss. Die Beziehungen dieser Gottheiten kann man als eine Genealogie beschreiben. Alle vorgenannten Gottheiten hatten einen gemeinsamen Urahn. Das war der indoiranische Gott Mitra.1 Obwohl seine Gestalt uns nicht unmittelbar zugänglich ist, sondern sich nur mithilfe des Vergleichs der ältesten vedischen und avestischen Texte in groben Zügen rekonstruieren lässt, weisen sowohl die gemeinsamen Züge des vedischen Mitra und des iranischen Mithra als auch die Etymologie ihrer Namen (4.3.1 und 9.2.1) darauf hin, dass hinter deren Gestalt eine gemeinsame Konzeption gestanden hat. Bei ihrer Gestalt ist die Idee einer Ordnung konstitutiv gewesen ist. Diese Ordnung war kosmisch und fand in zwischenmenschlichen Beziehungen ihren sozialen Ausdruck. Jeden Aspekt, der in den Veden oder im Avesta in Zusammenhang mit den Göttern Mitra und Miθra auftaucht, sei es ihre Funktion als Spender der Fruchtbarkeit oder des Wassers oder auch ihre ethischen Züge, kann man als Modifikation oder genauer als Konkretion dieser Idee betrachten. Die Genealogie der obengenannten Gottheiten verlief weiter so, dass sich seit dem 1. Jahrtausend v.Chr. die Gestalt des Gottes Miθra/Mithra im iranischen Kulturraum verbreitete, der von Kleinasien bis Zentralasien und Indien reichte. Durch die Kontakte mit den Persern hat auch die antike Welt den iranischen Mithra kennengelernt, aber der Einfluss der Kontakte zwischen iranischen Völkern und Griechen war gegenseitig – die Griechen lernten einen neuen Gott kennen, aber die iranischen Völker bekamen von den Griechen die künstlerischen Mittel zur visuellen Darstellung ihres Gottes. Es ist anzunehmen, dass auch die Römer den iranischen Gott Mithra durch die Vermittlung der griechischen Literatur und hellenistischen Kunst kennenlernten. Wahrscheinlich sahen sie Darstellungen des Gottes im Kleinasien, was nicht bedeutet, dass die Mysterien des Mithras auch da 1

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Zusammenfassender Vergleich und Ergebnisse

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entstanden wären. Obwohl der Gott Mithras mit seinen besonderen Zügen zur römischen Religion gehört und folglich nicht länger „ein iranischer Gott“ ist, ist der Autor des vorliegenden Buches davon überzeugt, dass Hauptprototyp des römischen Mithras doch der iranische Mithra gewesen ist. Die uns unbekannten Gründer des neuen Kultes haben viele wichtige Züge des iranischen Gottes (Solarität; Beziehung zur Idee des Bundes, deren sichtbare Ausdrucksform die Dexiosis war; seine Rolle als Hüter der kosmischen Ordnung; seine Rolle als Wasser- und Fruchtbarkeitsspender) übernommen und sie auf die Gestalt ihres neuen Gottes übertragen. Es ist sicher, dass ohne interkulturelle Kontakte der Römer der neue römische Gott Mithras nicht entstanden wäre oder wenigstens nicht in der Form, in der wir ihn kennen. Deswegen ist es wichtig, neben seinem unmittelbaren römischen Kontext auch seinen breiteren interkulturellen Kontext kennenzulernen. Obwohl die Quellenlage bei den unterschiedlichen Göttern nicht gleich ist und wir immer damit rechnen müssen, dass die Quellen uns nie alle Informationen bieten und dass man die Angaben der Quellen manchmal sehr vieldeutig interpretieren kann, sind die Unterschiede zwischen den vorgenannten Göttern genauso wichtig wie ihre Gemeinsamkeiten. Beginnen wir mit dem römischen Mithras. Es ist merkwürdig, dass er sehr viele singuläre Wesenszüge trägt, d.h. Wesenszüge, die nur bei ihm belegt sind. Als die wichtigsten seien hier seine Rolle als Stiertöter und als Initiator der heiligen Mahlzeit genannt. Sie sind die Hauptursache, warum der Autor des vorliegenden Buches nicht der Anschauung zustimmen kann, dass der römische Mithras mit dem iranischen Mithra gleich sei. Manche Wesenszüge, die Mithras mit dem iranischen Mithra verbinden, spielen bei ihm keine so wichtige Rolle wie bei dem iranischen Mithra. So ist seine Rolle als Kämpfer gegen die Dämonen auf den Funden aus Hawarte zwar belegt, aber man kann nicht nachweisen, dass er in dieser Funktion an allen Kultorten im Imperium Romanum bekannt gewesen wäre. Eigentlich ist dieses Motiv so einzigartig, dass die Hypothese berechtigt scheint, dass man diese lokale Eigenart als Einfluss des Manichäismus erklären kann.2 Obwohl die kleinasiatischen Quellen zur Gestalt von Mithra/Mithres nur ziemlich spärliche Information geben, scheint der wichtigste Wesenszug dieses Gottes seine starke Verbindung zur Königsherrschaft zu sein. Dieser Wesenszug hat eine wichtige Rolle bei Miθra/Mithra/Mihr/Miiro im iranischen kulturellen Raum gespielt. Doch er fehlt völlig bei Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus und wird bei Mitra in indischen Quellen nur im Athravaveda unter vielen anderen Aspekten genannt (AV III,4,4; III,22,2; VI,97,2; XII,1,20; dazu 9.2.3). Der römische Mithras war für seine Anhänger u.a. auch der Schutzgott des römischen Kaisers (1.1.1), aber man kann nicht beweisen, dass seine Gestalt in der kaiserlichen Ideologie irgendeine Rolle gespielt hätte so wie sie die Gestalt von Miθra/Mithra/ Mihr im Iran spielte. Es fehlt auch jegliches Zeugnis für die Rolle des kleinasiatischen Mithra/Mithres als Schöpfer, die bei Mithras im Römerreich und bei 2

Gordon, „Persae in spelaeis solem colunt. Mithra(s) between Persia and Rome“, 321–323. © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Kapitel 11

Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus klar ausgedrückt ist. Auch Mitra im Ṛgveda hat kosmogonische Funktionen (9.2.2). Obwohl der kleinasiatische Mithra/Mithras/Mithres mit dem römischen Mithras gemeinsame Züge trägt (Solarität, Beziehung zur Idee des Bundes, die im Dexiosis-Motiv Ausdruck findet, teilweise auch die Kleidung; Kap. 5), steht er dem iranischen Mithra näher als dem römischen Mithras. Man kann behaupten, dass unter den obengenannten Gottheiten der iranische Miθra/Mithra/Mihr und der indische Mitra die polyfunktionalsten Gestalten sind. Obwohl sie gemeinsame Züge tragen, haben beide Götter auch besondere Züge. So ist Mithra im Iran zwar der Hüter der kosmischen Ordnung, aber nicht der Schöpfer der Welt. Im Athravaveda gibt es dagegen Wendungen, die Mitra als Schöpfer erklären lassen (9.2.3). In der iranischen Tradition ist Mithra der Richter über die Verstorbenen, in der indischen Tradition nicht. Im Iran fehlt die Rolle von Mithra als Heiler konkreter Krankheiten, die aber im Athravaveda belegt ist (9.2.3). Auch gemeinsame Züge können eine unterschiedliche Rolle spielen. So tragen sowohl der indische Mitra (schon im Ṛgveda) als auch der iranische Mithra solare Züge (9.2.3 und Kap. 5). Doch wurden sie beim iranischen Mithra im Laufe der Zeit immer wichtiger, bis Mithra in der parthischen Zeit mit der Sonne identifiziert wurde. Der indische Mitra wurde erst im Mittelalter mit der Sonne identifiziert. Das ist als Einfluss der iranischen Religion erklärbar, und auch seitdem wurde Mitra nicht in erster Linie als Sonnengottheit verehrt (9.2.1, Anm. 22). Oder ein zweites Beispiel: Obwohl auch Mitra in Indien böse Geister abwehrt (so in AV I,18,2; VI,32,3), spielt seine Rolle als Kämpfer gegen das Böse keine so wichtige Rolle wie im Iran. Beim iranischen Mithra hat dieser Wesenszug aber seit dem Avesta eine hervorragende Rolle gespielt und spielt sie auch besonders in der Pahlavi-Literatur (4.3.5). Die Gestalt des Gottes Mihryazd/Miši βaγi im Manichäismus (Kap. 7), der nur im iranischen Kulturraum, nicht überall im Manichäismus bekannt war, hat sicher im iranischen Mithra/Mihr seinen Prototyp, denn er hat keine Züge, die dem iranischen Mithra fehlen. Die Gestalt von Mithra wurde im Manichäismus nur „gnostisiert“, d.h. in die gnostische Mythologie der Manichäer übertragen, wobei ihm die Funktionen des spiritus vivens oder des tertius legatus verliehen wurde. Die Unterschiede der Götter, die wir oben skizziert haben, zeigen uns überzeugend, dass die Konzeption von Franz Cumont zu einer Mithras-Religion, die sowohl in Kleinasien, im Iran als auch im römischen Staat verbreitet war, unbegründet ist. Jede Gottheit, die wir im vorliegenden Buch betrachtet haben, hat ihren individuellen und unverwechselbaren Charakter sowie auch einen konkreten religiösen und mythologischen Kontext – unabhängig davon können wir sie nicht sachgemäß verstehen. Der Autor des vorliegenden Buches ist davon überzeugt, dass man zu einem tieferen Verständnis der vorgenannten Gottheiten einen weiteren interkulturellen Kontext berücksichtigen muss, und das vorliegende Buch ist ein Versuch, diesen Kontext darzustellen und zu analysieren.

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Zusammenfassung

Der römische Mithras-Kult gehört zu den sog. „orientalischen Kulten“, die sich im Imperium Romanum verbreiteten. Obwohl die antike Überlieferung ihn als einen persischen Kult betrachtet und auch viele Forscher seit dem „Vater der modernen Mithras-Forschung“, Franz Cumont, von seinem iranischen Ursprung überzeugt gewesen sind, sprechen alle Angaben, die uns zur Verfügung stehen, gegen dieser Ansicht und bestätigen, dass der römische Mithras-Kult kein Importkult aus dem Iran war, sondern ein Kult, der innerhalb der Grenzen des römischen Imperiums entstand und sich hier seit dem Ende des 1. Jahrhunderts verbreitete. Doch ist sicher, dass dieser Kult unter den Römern nicht entstanden wäre, wenn der iranische Gott Mithra ihnen unbekannt gewesen wäre. Wir wissen, dass griechisch-römische Autoren zum Gott Mithra Information gaben. Und weil die Gegenden im Osten, in denen der Gottheit Mithra schon vor dem kaiserzeitlichen Mithras-Kult gehuldigt wurde (besonders in Kleinasien) zum Imperium Romanum gehörten, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Römer auch bildliche Darstellungen dieses Gottes gesehen und dadurch seine Ikonographie kennengelernt hatten. Der Autor des vorliegenden Buches geht von der Anschauung aus, dass der römische Mithras-Kult nicht mit dem Kult von Mithra im hellenistischen Osten oder sogar in der iranischen Religion identisch ist, sondern man ihn als einen eigenständigen Kult im Rahmen der römischen Religion betrachten muss. Gleichzeitig ist aber der Autor davon überzeugt, dass zwischen den drei genannten Kulten ein wichtiges Bindeglied existierte. Es ist nicht nur der Name des Gottes, der auf ein indoiranisches Appellativum mitra (Neutr.) zurückgeht, sondern die Gestalt oder Persönlichkeit des Gottes, der im römischen Reich den Namen Mithras, im hellenistischen Orient Mithra oder Mithres und im Iran Mithra/Miθra (später Mihr) trägt. Der Autor vergleicht auf der Basis der literarischen, epigraphischen und numismatischen Quellen und Darstellungen des Gottes die Persönlichkeit des „Mithras“ (hier als der zusammenfassende Meta-Name für unterschiedliche Gottheiten benutzt) und zeigt, dass auch die Gestalt oder Persönlichkeit des Gottes in vorgenannten Gegenden nicht gleich ist und in jeder Religion oder im jedem kulturellen Raum seinen „individuellen Charakter“ hat, der ihn von seinen Namensgenossen unterscheidet. So ist z.B. nur der römische Mithras Stiertöter, kein anderer unter seinen Namensgenossen. Diese Beobachtung ist nach der Meinung des Autors des vorliegenden Buches ein hinreichender Grund, um den römischen Mithras, den hellenistischen Mithra/Mithras/Mithres und den iranischen Mithra als unterschiedliche Gottheiten zu betrachten. Aber der Autor zeigt gleichzeitig anhand umfangreicher Materialien, dass diese drei Gottheiten auch wichtige gemeinsame Züge tragen und folglich auch inhaltlich zusammengehören. Ebenso

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Zusammenfassung

meint der Autor, dass der iranische Mithra (und wahrscheinlich auch der hellenistische Mithra/Mithras/Mithres in Kleinasien) der Hauptprototyp des römischen Gottes Mithras gewesen ist. Als Götter, die mit ihnen verwandt sind, betrachtet der Autor des vorliegenden Buches auch den kuschanischen Miiro, den manichäischen Mihryazd und den indischen Mitra und vergleicht auch sie. Das Ziel des Autors ist es, alle Unterschiede und Gemeinsamkeiten der vorgenannten Gottheiten zu „kartographieren“ und sie vor einem breiteren religionsgeschichtlichen Hintergrund zu betrachten, der auch zu einem tieferen Verständnis der Persönlichkeit des römischen Mithras wichtig ist. Der Autor dieses Buches erklärt die Gemeinsamkeiten aller vorgenannten Gottheiten durch interkulturelle Kontakte und Begegnungen. Heute wissen wir, dass die Welt für die Römer größer war, als man früher annahm. Die Römer haben nicht nur mit dem Nahen Osten, sondern auch mit weiteren Gegenden im Osten, darunter Zentralasien und Indien, Kontakte gehabt und standen mit diesen Gegenden in kommerziellen und kulturellen Beziehungen. Wie die Gesellschaft der Römer mit den anderen Gesellschaften in Interaktion stand, so war auch die Religion der Römer für fremde Einflüsse offen und hat sie im Laufe ihrer Geschichte integriert. Der Autor des vorliegenden Buches behauptet nicht die Herkunft des römischen Mithras aus den weiten Gegenden im Osten, aber er ist davon überzeugt, dass ohne die interkulturellen Kontakte, besonders ohne Kontakte mit dem Osten (zu dem auch das hellenistische Kleinasien gehörte) ein neuer Gott der Römer, Mithras, nicht entstanden wäre oder wenigstens nicht in der Form, in der wir ihn kennen.

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Summary

The Roman Mithras cult is one of the so-called “oriental cults” that spread throughout the Roman Empire. Although ancient tradition regards it as a Persian cult, Franz Cumont (the “father of modern Mithraic-study”), and many scholars have been convinced of it’s Iranian origin. All the information presently available to us opposes this view and suggests that the Roman Mithras cult was not an imported cult from Iran, but a cult that developed within the borders of the Roman Empire and grew there after the end of the first century A.D. It is certain that this cult would not have originated among the Romans if the Iranian god Mithra had been unknown to them. We know that Graeco-Roman authors diseminated information about the god Mithra. – Since the regions of the East, where the deity Mithra was worshiped prior to the Roman Mithraic cult (especially in Asia Minor), belonged to the Roman Empire, it is very likely that the Romans saw visual representations of this god and thus became familiar with Mithraic iconography. The author of the present book assumes that the Roman cult of Mithras is not identical with the cult of Mithra/Mithras/Mithres in the Hellenistic East or even in Iranian religion, but must be regarded as an independent cult in the context of Roman religion. At the same time, the author is convinced that an important link existed between the three cults mentioned above. It is not only the name of the god, which goes back to an Indo-Iranian appellative mitra (Neutr.), but also the figure or personality of the god, who in the Roman Empirewas called Mithras, in the Hellenistic Orient Mithra or Mithres and in Iran Miθra/Mithra (later Mihr). The author, on the basis of the literary, epigraphic and numismatic sources and ohter representations of the god, compares the personality of “Mithra” (used here as the summary meta-name for different deities). The author shows that the figure or personality of the god in the aforementioned regions is not identical and has in each religion or in each cultural space its “individual character”, which distinguishes him from his namesake. For example, only the Roman Mithras was a bullslayer, no other is numbered among his namesakes. This observation, in the opinion of the author of the present book, is sufficient reason to regard the Roman Mithras, the Hellenistic Mithra/Mithras/Mithres, and the Iranian Mithra as distinct deities. However, the author also demonstrates, based on extensive material, that these three deities carry important common features grouping them together in content. Likewise, the author suggests that the Iranian Mithra (and probably also the Hellenistic Mithra/Mithras/Mithres in Asia Minor) was the main prototype of the Roman god Mithras. As gods related to theirs, the author of the present book also looks at and compares the Kushan Miiro, the Manichaean Mihryazd, and the Indian Mitra. The author's aim is to “map” all the differences and similarities of

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Summary

the aforementioned deities, and to view them within the wider background of religious history, which is also important for a deeper understanding of the personality of the Roman Mithras. The author of this book explains the similarities of all the above deities through intercultural connections and encounters. Today we know that the world was bigger for the Romans than previously thought. Not only did the Romans have contacts with the Middle East, but also with other areas in the East, including Central Asia and India, and they had commercial and cultural ties with these areas. Just as Roman society interacted with other societies, Roman religion was open to foreign influences and integrated them throughout its history. The author of the present book does not assert the Roman Mithras originates from the vast region of the East, but is convinced that without these intercultural contacts, especially without contacts with the East (which included Hellenistic Asia Minor), the new god, the Roman Mithras, would not have come into existence or at least not in the form in which we presently know him.

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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1 Götter und andere mythische Wesen Aditi 192, 201 Adityas, Ādityas 192, 200, 208 Adonis 58 Agdistis 49 Agdos 49 Agni 196, 199, 207, s. auch Ātar Ahriman 17 (Anm. 26), 51, 58, 96, 106, 146 (Anm. 48), 147, 149, 151, 153 (Anm. 91), 158, 160 Ahrmen 181 Ahura Mazdā, Ahuramazdā, Auramazdā, Aurmuzd 17 (Anm. 26), 58, 101–102, 106–107, 111–114, 118– 120, 122, 127–128, 129 (Anm. 209), 133, 136, 147, 151, 153, 161, 165 (Anm. 169), 169–172, 186, 188, 209 Ahura Mazda-Zeus Horomazes 165 (Anm. 169) Ahura (und) Miθra 111 Aion, Aion-Zurwan 96–97, 147 Alilat 132, s. auch Mitra (iranisch) Ameša Spenta 133, 172 Amsa 192 Anāhitā 106, 112–113, 128, 133, 136, 168 Anemos (Ανημος) 119 Angra Mainyu 158, s. auch Ahriman Apam Napāt 207 Apāṃ Napāt 207, s. auch Apam Napāt Aphrodite 133, 142 Aphrodite-Isis 18 (Anm. 38) Aphrodite Mylitta 132, s. auch Mitra (iranisch) Apollo 45, 67, 164 (Anm. 169) Apollo-Mithras 82 (Anm. 90), s. auch Mithras-Apollon Apollo-Mithras-Helios-Hermes 173 (Anm. 31)

Apollo(n) 88 Apollon 26, 55, 67, 74–75, 77, 79, 84, 88, 115, 167, 172, 216 Apollon Epekoos 173 Apollon-Mithras-Helios-Hermes 73, 76–79, 81–83, 88, 168 (Anm. 7), 170 Ardoxšo (Αρδοχþο) 119 Ares 142 Arimanius 96–97, 158 Ārmaiti 133 Artagnes 167 Artagnes Herakles 74 (Anm. 31) Artagnes-Herakles-Ares 73 (Anm. 28), 170, 172, 174 Artemis Diktynna 168, 173 Artemis-Nanaia 121 Aryaman 158, 192, 197–198, 201, 203, 208 Asura 199 Aśvins 207, s. auch Naŋhaitya Aša Vašista 133 Ašaeixšo (Aþαειχþo) 119, 123 Aši 132 Aši vaηuhī 120, s. auch Ardoxšo Ātar 109, 120, 136, 207, s. auch Atšo Athena 132 Athena Nike 95 Āthwya 207 Atlas 50, 138 Atšo (Αθþο) 119, 121 Attis 28, 38, 49, 52, 58, 67–68, 143, 155 Az 181 Bago Miuro 125, s. auch Mithra (iranisch) Bhaga 192, 201 Boddho (Βοδδο) 119 Brahma 117 Buddha 103, 117, 119, 131, 195, s. auch Boddho

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Buddha Shakayamuni 119, s. auch Šakamano boddo Buzmihr 118, s. auch Mithra (iranisch) Cautes 39, 47, 51, 53, 59–60, 63 Cautopates 39, 47, 51, 53, 59–60, 63 Chronos 17 (Anm. 26), 147 Corybas 143 Daksa 192 Demeter 65, 68 Demeter/Ceres 58, s. auch Demeter Deus Sol Invictus, Deus Sol Incivtus Mithra, Deus Sol Mithra 43, 138, s. auch Mithras (römisch) Deva 199 Dionysos 68 Dionysos/Bacchus 58, s. auch Dionysos Eber, Erymantischer Eber 55 Erde (Göttin) 132 Feuer (Gott) 132 Freton, Faridun 159 Freund der Lichter 179 Gandar∂wa 207 Gandharva 207, s. auch Gandar∂wa Ganymed 52, 155 Gāw ī Ēwdād 106 Geist, der Lebendige Geist 179–180, 183, 186, 188 Gesandte, der Dritte Gesandte 178, 182–183, 188 Großer Baumeister 179, 182 Hadayan 106, 160 Haoma 106, s. auch Soma Haurvatāt 133 Helios (Ηλιος) 40, 43, 65, 67–68, 74– 77, 79, 84, 88, 115–116, 119, 121, 123, 134, 167, 171, 175, 216–217 Helios-Hermes 75 Helios Mithra, Helios Mithra ἀνίκητο, Helios Mithras 39–40, 43, 138, s. auch Mithras (römisch) Helios/Sol 39, 60, 65–67, 89, 138 Hephaistos (Ηφαηστος) 119, 121 Hera Teleia, Hera Theleia 74 (Anm. 31), 168, 172–173

Herakles (erakilo) 55, 68, 78, 97, 119, 160, 161 (Anm. 155), 172 Herakles-Artagnes-Ares 73, s. auch Artagnes-Herakles-Ares Hercules 45, 67 Hermes 74–77, 84, 88, 142 Huuarexšaeta 123, s. auch Hvar Hvar 110, 123, 133, 136 Indra, Indara, In-dar, in-dar, Indar 117, 193, 197–199, 203, 207, 211– 213 Isis 38, 45 Iuppiter, Jupiter 17 (Anm. 26), 45, 55 (Anm. 185), 67, 147, 153, 165 (Anm. 169), 174 Jupiter Dolichenus 16 (Anm. 20), 68, 80 Jupiter Heliopolitanus 68 Jupiter-Ormuzd 146 (Anm. 48) Kartikeya 119, s. auch Skando komaro Kommagene (Göttin) 168, 170, 172– 173, 174 Kronos 17 (Anm. 26), 142, 147 Kronos-Mithras 18 (Anm. 38) Kybele 38, 80 Licht-Adamas 180 Lrooaspa (Λροοασπο) 119, 120 Luna 53, 57, 142 (Anm. 27), 149, 153, 165 (Anm. 169) Maaseno (Mαασηνo) 119 Māh 120, 123, 133, s. auch Mao Mahasena 119, s. auch Maaseno Maho 121 Maitreya 119, 195, s. auch Metrago boddo Manahō Bagō, Manao Bago, Manaobago (Μαναοβαγο) 119, 122 Mao (Μαο) 110, 117, 119, 121–124, 136 Marathoniser Stier 55 Mars (Gott) 45, 67, 153, 165 (Anm. 169) Maruts 201 Mensch, der Erste Mensch 179 Mercur, Mercurius 37, 64, 88, 153, 165 (Anm. 169)

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Methra 42, s. auch Mithras (römisch) Metrago boddo (Μετραγο Βοδδο) 119 Mihir 102, s. auch Mithra (iranisch) Mihira 194, s. auch Mitra (indisch) Mihr (manichäisch) 180, 183, 188, s. auch Mihryazd Mihr (iranisch) 29, 32, 99–101, 111– 112, 118–119, 128–129, 131, 159, 161, 177–179, 186, 217–218, 225, 227, s. auch Miθra (iranisch) Mihr (zoroastristisch) 186–187, 217, 218 Mihr Nyayišn 111, s. auch Miθra (iranisch) Mihryazd, Mihr(yazd), Mihr-yazd, Mihr-Yazd, Mihryazd/Miši βaγi 29, 32, 123, 177–183, 185–189, 215, 218–219, 223–224, 226 Mihro 121 Mihroman 118, s. auch Mithra (iranisch) Miiro (Μιιρο) 18 (Anm. 38), 29, 32– 33, 101, 116–119, 123, 124, 139, 175, 215, 217, 219, 226, s. auch Mithro (Μιθρο), Mithra Mioro (Μιορο) 101, 119, 121, s. auch Mithro (Μιθρο) Mirro 18 (Anm. 38), 29, s. auch Miiro Miši 178, s. auch Mihryazd Miši βaγi 178, s. auch Mihryazd Mit(h)ra 152 Mithra 15, 31–33, 70, 77, 93, 95, 167, 177, 187–188, 217, 225, s. auch Mithras Mithra (hellenistisch) 19, 29–31, 42, 71, 77–78, 82, 84, 216, 225, 227, s. auch Mithras (hellenistisch) Mithra (iranisch) 15–16, 17 (Anm. 26), 19, 29, 31–32, 54, 99–103, 104 (Anm. 46), 107–108, 111–119, 123, 124–138, 143, 145, 148, 150, 154, 158–159, 161, 164, 168–170, 175, 177–178, 186–189, 192, 213– 214, 216–219, 222–227, s. auch Mithras (iranisch)

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Mithra-Ahura 209 Mithra/Mihr 167, 177, 183, 224, s. auch Mithras (iranisch) Mithra/Mithras 137 Mithra/Mithras/Mithres 69–70, 77, 87, 98, 167, 177, 215–216, 219, 224– 227, s. auch Mithras (hellenistisch) Mithra/Mithres 42, 70, 167, 217, 223, s. auch Mithras (hellenistisch) Mithra(s) 18, 33, 42 Miθra 99–100, 103–104, 106–111, 137, 139, 140 (Anm. 16), 159–161, 163–164, 186, 205, 207–209, 213– 214, 216, 222 s. auch Mithras (iranisch) Miθra-Ahura 111 Miθra/Mihr 99, 137, 140, 167, 185, 207, 215, s. auch Mithras (iranisch) Miθra/Mithra 139, 163, 164, 222, 225, 227, s. auch Mithras (iranisch) Miθra/Mithra/Mihr 138, 215–216, 219, 223–224, s. auch Mithras (iranisch) Miθra/Mithra/Mihr/Miiro 223, s. auch Mithras (iranisch) Miθra/Mitra 208–209 Mithras 18 (Anm. 38), 95, 98, 167, 174, 211, 224–225 Mithras (hellenistisch) 19, 29–30, 42, 54, 71–72, 74–79, 82–83, 87–89, 91, 93, 98, 167–171, 174 Mithras (iranisch) 101, 125, 132, 135, 139–148, 156, 158–164 Mithras (römisch) 15–17, 19–20, 29– 30, 32–33, 35, 37–68, 70, 80, 87– 89, 91–95, 98, 106, 136–143, 145, 149–150, 153–155, 157, 163–164, 187, 192, 215, 217, 219, 223–228 Mithras Apollon 74 (Anm. 31), 75, 82 Mithras-Apollon-Helios-Hermes 167, 174 Mithras-Apollon-Hermes 77 Mithras-Helios-Apollon-Hermes 74 (Anm. 32), 75, 82 (Anm. 92), 171 Mithras/Mithres 71, s. auch Mithras (hellenistisch) Mithras-Sol 141, s. auch Sol-Mithra

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Mithras Tauroctonos 39 Mithres (hellenistisch) 19, 29–30, 42, 77, 167, 225, 227, s. auch Mithras (hellenistisch) Mithres (iranisch) 132, 134, s. auch Mithras (iranisch) Mithro (Μιθρο) 101, 119 Mithta 42, s. auch Mithras Mitra 210–212, 222 Mitra (indisch) 19, 29, 32, 54, 136, 177, 191–205, 207–215, 218–219, 222–224, 226–227 Mitra (hellenistisch) 79 (Anm. 67), s. auch Mithras (hellenistisch) Mitra (iranisch) 132–133, s. auch Mithras (iranisch) Mitra (römisch) 42, s. auch Mithras (römisch) Mitra-Varuṇa 111, 193, 197–198, 209 Mitra/Miθra 209, 214, s. auch Miθra (iranisch) Mitras/Miθra 209, s. auch Miθra (iranisch) Mitraššil, Mi-it-ra, mi-it-ra, mi-id-raaš-šil, Mitra 210–211, 213 Mitrha 42, s. auch Mithras Miuro (Μιυρο) 101, 119, s. auch Mithro (Μιθρο) Mond (Gott) 132–133, 203 Moodzoano (Μοζδοοανο) 119 Mythra 42, s. auch Mithras Mytra 42, s. auch Mithras Nairiio.sanha 119 Nairiyōsaŋha 182, 188 Nana (Νανα), Nanaia (Ναναια), Nanašao (Ναναϸαο) 102, 118–119, 121, 175 Naŋhaitya 207 Narasa 102, 118–119, s. auch Nairiio.sanha Narisaf, Narisah 182–183, s. auch Nairiyōsaŋha Nasatya, Nāsatya 207, 211–212, s. auch Naŋhaitya Našatianna, Na-sa-at-ti-ia, na-ša-a(t-tiia), Nasatya, Našatijanna 210–211

Nemeischer Löwe 55 Neptunus 48 (Anm. 116) Nergal 96–97 Neryosang 119, s. auch Nairiio.sanha Nike 55, 56 (Anm. 187), 91, 95, 161 (Anm. 155) Oado (Οαδο) 119 Oandindo 118 Oaxšo (Oαxþo) 119 Oceanus 64 Oešo (Οηϸο) 120, 125, s. auch Šiva, Weš Ohrmazd, Oromasdes, Oromazdes 106, 112, 127, 128 (Anm. 200), 133 (Anm. 236), 147, 149, 153, 159, 160, 167, s. auch Ahura Mazdā Ohrmizd 179 Ooromozdo (Ooρoμoζδο) 119 Oralgno (Οραλαγνο) 119 Orpheus 52, 155 Osiris 28, 58, 141 (Anm. 21) Pan 28 Papas 49 Paris 52, 155 Perseus 92–93, 141 (Anm. 21), 157 (Anm. 119) Perses 141 (Anm. 21), 157 (Anm. 119) Phaethon 161 Phanes Protogonus 46 (Anm. 98) Pharro (Φαρρο) 110, 119–120 Pluton 147 Purūravase 204 Puruša 54 Rašan 112 Rašnu 112, 136, s. auch Rašan Rōšnšahryazd 183, s. auch Narisah Sabazios, Sabazius 67, 143 Saeculum 147, s. auch Aion Sandas 95, 97–98 Saošyant, Saoshyant 153 (Anm. 91), 161 Sarapis (sarapo) 80, 119 Saturn (Gott) 165 (Anm. 169) Savitṛi 197 Selene (Σαληνη) 119, 121 Serapis 146 (Anm. 48)

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Silvanus 37, 45, 67 Skanda-Kumara 119, s. auch Skando komaro Skando komaro (Σκανδo κoμαρo) 119 Sol 43–45, 53, 57, 60–65, 67, 80, 137, 139 (Anm. 10), 149, 165 (Anm. 169) Sol Indiges 43 Sol Invictus 43–44, 61 Sol Invictus Mithra, Sol invictus Mithras 43, 149, s. auch Mithras (römisch) Sol Mithra 43, 138, s. auch Mithras (römisch) Soli socius 43, s. auch Mithras (römisch) Sol/Helios 88, 137, 215, s. auch Helios/Sol Soma 106, 203 Sonne (Gott) 44, 132–134, 153, 187, 215 Sozryko 148 Sraoša 112, 119, 136, s. auch Srōs Srosand, Srosard, Sroshard 102, 118– 119, s. auch Sraoša Srōs 112, 132 Stier, Kretischer Stier 55 Suryas 208 Šakamano boddo (þακαμανο Βοδδο) 119 Šamaš 49, 135 Šiva 119–121, 125 Theseus 55, 68, 160, 161 (Anm. 155) Thraetaona 159, s. auch Freton Thrita 207 Tiamat 54 Tiero (Τιερο) 119 Tištriya, Tištrya 111, 136 Titan 141 (Anm. 21) Trita 193 Trita Āptya 207, s. auch Āthwya, Thrita Tyche-Kommagene 81

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Umma 102, 118–119 Uma 119, s. auch Umma Urania 132 Uruwanaššil, U-r-uw-na, u-ru-ua-na, u-ru-wa-na-as-ši-el, Uruwanaššil 210–211 Urvaśī 204 Varuṇa 192, 193, 196–205, 208–209, 211–214, 218 Vata 207 Vāta 120, 132, 207, s. auch Οαδο, Vata Vayu 207 Vāyu 207, s. auch Vayu Venus (Göttin) 37, 165 (Anm. 169) Verethragna, Vərəθraγna 106, 109,133, 136, 148, 167, 170, s. auch Artagnes Victoria 48 (Anm. 116), 55 (Anm. 187), 56 (Anm. 188) Višnu, Viṣṇu 120, 193 Vīvaŋhvat 207 Vivasvat 207, s. auch Vīvaŋhvat Vohu Manah 107, 111–112, 136, 172, s. auch Mithra (iranisch) Vrtra 203 Vṛtrahan 207, s. auch V∂r∂thragna Vulcanus 37 V∂r∂thragna 207 Wahman 112, s. auch Vohu Manah Wasser (Gott) 132 Wēš 125 Wind (Gott) 132 Yama 207, s. auch Yima Yazata 92 Yazata Vohu Manah 122, s. auch Vohu Manah Yima 207 Ymir 54 Zervan 17 (Anm. 26) Zeus 74 (Anm. 31) Zeus Oromasdes 73 (Anm. 29), 74 (Anm. 31)

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Index

2 Personen Adrych, Ph. 16 (Anm. 23), 56 (Anm. 188), 74 (Anm. 36), 78 (Anm. 58), 80, 82 (Anm. 90), 84, 102 (Anm. 34), 116, 124, 125 (Anm. 173), 127, 128 (Anm. 200), 131, 173 (Anm. 30) Ailianos 103 Alexander der Große 14, 69, 72, 114, 167, 222 Alexander von Lykopolis 181 (Anm. 22) Alvar, J. 35 (Anm. 2), 57 (Anm. 197), 107 (Anm. 74), 162 Andreas, F. C. 178 Antiochos, Antiochos I, Antiochos I. Theos 72–85, 88–89, 97, 168–174 Antiochos IV 36 (Anm. 8) Ardaxšir II, 126–127, 129 (Anm. 209), 130 Arnobius 49, 68 Aroandes 72 Arrianus 133 Artaban 127 Artabazos 133 Artatama 211 Artaxerxes 113 Artaxerxes II 101, 112–113, 134 Artaxerxes III 113–114 Asmussen, J. P. 178 Auffarth, Ch. 151 Augustus 48 (Anm. 116), 56 (Anm. 188), 80 Aurelian 44 Azarpay, G. 126–127 Bahram I 129 Bahrām V 128 Bailey, H. 191 Barth, K. 26 Bartholomae, F. Ch. L. 104–105, 110, 191, Beard, M. 35 (Anm. 4), 57, 157 (Anm. 126), 162 (Anm. 165) Beck, R. 35 (Anm. 2), 36 (Anm. 8), 54, 89, 91, 148 Beckman, G. 211–212

Beneviste, É. 118 Bergmann, M. 43 (Anm. 69) Betz, H.-D. 40 Bianchi, U. 96 Bivar, A. D. H. 49, 96, 115 Bonnet, C. 151 Bowden, H. 54, 89 Boyce, M. 107, 109–110, 113, 159, 178 Bracey 16 (Anm. 20) Brashear, W. 39 Brereton, J. P. 104–105 Burkert, W. 13–14, 25, 27 (Anm. 14), 32, 51–52, 65, 70, 84 (Anm. 106), 136, 164, 165 (Anm. 171) Böhlig, A. 188 Callieri, P. 126, 131 Campbell, L. A. 39, 52 (Anm. 152), 58, 148 Cassius Dio 103 Celsus 96 (Anm. 76), 143 Christ, K. 146 Christensen, A. 212 Cicero, M. T. 26 (Anm. 11), 28 (Anm. 21) Claudian 40 (Anm. 35), 103, 134, 135 Claudius Tiberius Balbillus 36 (Anm. 8) Clauss, M. 17 (Anm. 27), 36 (Anm. 5), 38–40, 45–47 (Anm. 113), 53 (Anm. 160), 54, 55 (Anm. 185), 56 (Anm. 188), 57 (Anm. 197), 60, 62, 64, 67 (Anm. 275), 79 (Anm. 67), 88, 93, 95–96, 110, 141 (Anm. 22), 143 (Anm. 30), 153 (Anm. 91), 154 Clemen, C. 133 Colpe, C. 90, 156 Commodus 45, 50 (Anm. 135) Cumont, F. 15, 17–19, 30–31, 33, 36, 47 (Anm. 113), 51, 54, 55 (Anm. 187), 58, 61, 66, 70, 90–92, 95–96, 139–140, 142, 145–151, 155–156, 161, 211, 224, 225, 227 Curtius Rufus 103, 134, 157

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Dalglish, D. 16 (Anm. 20) Dareios, Dareios I 72, 101, 112–114, 130 (Anm. 219) Darius III 133–134 Dieterich, A. 39–40 Diogenes Laertios 134 Dirven, L. 188 Domitian 93, 141, 142 Duchesne-Guillemin, J. 107, 170 Dumézil, G. 191, 195 (Anm. 27), 202, 211–212 Duris aus Samos 103 Dörner, E. 155 Dörner, F. K. 70, 78 (Anm. 62) Eggeling, J. 203 Elagabal 43–44 Eliade, M. 49 Ellerbrock, U. 173 (Anm. 30) Eubulos 41, 144 Fauth, W. 44 Felicissimus 60 Ferguson, J. 48 Firmicus Maternus 41, 141, 145 Foltz, R. 90, 104, 154, 159 Frye, R. N. 161 (Anm. 158) Gawlikowski, M. 66 Geldner, K. 194 Gershevitsch, I. 104, 107, 110, 133, 187 Ginzburg, C. 13 Gladigow, B. 25, 33 (Anm. 36) Gnoli, T. 135 (Anm. 258) Godwin, J. 46 (Anm. 98), 55 (Anm. 185), 96, 138 (Anm. 10), 146 Gonda, J. 194 (Anm. 22), 196, 199– 200, 201 (Anm. 66) Gordianus III 50 (Anm. 135), 94 Gordon, R. 40, 52 (Anm. 153), 54, 58, 60, 66, 71, 77, 90, 96, 100 (Anm. 16), 133, 141 (Anm. 21), 149, 150–151, 154 (Anm. 98), 156, 158 (Anm. 132), 162, 188 Gray, L. 110 Grenet, F. 115, 117, 125, 127, 131, 132 Hadrian 50 (Anm. 135) Halsberghe, G. 44

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Harmatta, J. 118, 121 Heider, P. W. 80 Henning, W. B. 178 Hensen, A. 17 (Anm. 27), 93 Herodot 31, 42, 103, 132–134, 143, 164, 168, 174 Herzfeld, E. 104–105, 127, 128 Hesiod 29, 191 Heyner, R. 46 (Anm. 100), 54, 56, 60–61, 95, 138, 154, 160, 161 (Anm. 155) Hinnells, J. 58–59, 66, 149–151, 161 Hipparch 92 Hoepfner, W. 83 (Anm. 104) Homer 13, 29, 65, 144, 191 Hornung, E. 28 Hrozný, B. 191 Humbach, H. 108 (Anm. 75), 118, 122–123, 194 (Anm. 22) Hutter, M. 186 (Anm. 13) Huwischka, Huwischka I 117–119, 122, 125, 177 Jacobs, B. 54, 81, 93– 94, 134, 168 (Anm. 7), 171 (Anm. 24), 173–174 Jovian 127 Julia Mamaea 50 (Anm. 135) Julian 127 Jung, C. G. 221 Junker, H. 169 Justin der Märtyrer 41 Kaim, B. 130 Kanischka I, Kaniška 101–102, 115, 116–122, 124–177 Kalda, M. 199 Keil, J. 70 Keith, A.B 203 Kelsos 41, 141–142 Kerdir 172 Klimkeit, H. J. 178 Knäpper, K. 109 (Anm. 76) Konstantin der Große 50 (Anm. 135) Kreyenbroek, Ph. 161 Kuzmina, E. 210 Kyros 133 Lactantius Placidus 41, 55 (Anm. 185), 141–142 Laodike 72

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Latte, K. 146 Lenk, S. 16 (Anm. 20) Lenz, F. W. 104–105 Lévi-Strauss, C. 221 Loisy, A. 54, 146 Lommel, H. 104, 106–107, 109 (Anm. 76), 110, 191 Lukian aus Samosata 41–42, 141, 143, 164 Löwis of Menar, A. von 49 Maipharnes, Megapharnes 70 (Anm. 10), 71 Mani 155, 180, 185 Manilius 59 Mariq, A. 118 Martin, L. H. 54, 65 Mastrocinque, A. 35 (Anm. 4), 40, 43 (Anm. 69), 45 (Anm. 92), 47 (Anm. 116), 50 (Anm. 135), 56 (Anm. 188), 78, 91, 95, 97, 126 (Anm. 182), 127, 141 (Anm. 21), 155, 157 (Anm. 119), 163, 164 (Anm. 169) Meillet, P. J. A. 104, 110, 191 Melito von Sardes 25 Merkelbach, R. 45 (Anm. 95), 47, 49 (Anm. 134), 51, 54, 57 (Anm. 197), 61, 64 (Anm. 253), 65, 70 (Anm. 10), 71, 77, 94 (Anm. 55), 96, 109– 110, 152,–153, 164 (Anm. 169), 187 (Anm. 14) Meyer, E. 169 Meyer, M. 40 Mielke, D. 162 (Anm. 159) Mihr Narseh 128 Mihršah 128 Mithridates 84 Mithridates Eupator 93 Mithridates Kallinikos, Mithridates I Kallinikos 72, 73 (Anm. 29), 75, 77 (Anm. 57), 78, 81, 82 (Anm. 92), 84 (Anm. 110) Moeller 194 (Anm. 22) Müller, M. 191 Nagel, W. 134 Nevill, A. 141 (Anm. 21) Newell, E. T. 115

Nilsson, M. P. 36 (Anm. 8), 146 Nock, A. D. 170 North, J. 19 (Anm. 40), 35 (Anm. 4), 57, 157 (Anm. 126), 162 (Anm. 165) Nyberg H.S. 107, 109 (Anm. 76), 113, 133, 170 Oberlies, T. 200, 209 Ohrmizd I 102, 125–126 Oldenberg, H. 194, 200, 202, 209– 210 Origenes 25, 41, 143 Ostanes 155 Otto, W. F. 26 Overlaet, B. 127 Pallas 41, 144 Paulus 153 Petzl, G. 82 (Anm. 92) Phanes Protogonus 46 (Anm. 98) Phidias 80 Philippus Arabus 50 (Anm. 135) Plato (König) 115 Platon 25, 29, 45 (Anm. 95), 142, 144 Plutarch 27, 41–42, 77, 91–94, 103, 133–134, 141, 145 Pompeius 91–92, 145 Porphyrios 41, 45 (Anm. 95), 65, 141, 142 (Anm. 27), 144, 154, 187 Poseidonius aus Apameia 91 Price, S. 19 (Anm. 40), 35 (Anm. 4), 57, 157 (Anm. 126), 162 (Anm. 165) Pseudo-Kallisthenes 103 Ptolemaios 18 (Anm. 38) Puchstein, O. 81 Puhvel, J. 104, 191, 195 (Anm. 26), 209 Pythagoras 155 Rawlinson, H. 128 Réville, J 17 Rives, J. B. 16 (Anm. 20), 67 Rose, J. 78 (Anm. 58), 89–90, 104, 173 (Anm. 30) Rosenberger, V. 26 Rosenfield, J. M. 120 Rudolph, K. 186 (Anm. 13)

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Rüpke, J. 13, 27 (Anm. 14), 35 (Anm. 3), 91, 151 Sagarios 70 (Anm. 10), 71, 156 Sarre, F. 128 Saxl, F. 48, 52 (Anm. 152), 95, 161 (Anm. 155) Sazonov, V. 213 Schaeder, H. H. 170 Schlensog, S. 212 Schlumberger, D. 80 Schmeja, H. 90, 156 (Anm. 119), 157, 158 (Anm. 132) Schmidt, H.-P. 104–105, 191, 213 Schmitt, R. 101, 112, 118 (Anm. 141) Schwertheim, E. 16 (Anm. 20), 48, 55 (Anm. 187), 61, 82 (Anm. 92), 89–90, 92, 95, 199 (Anm. 57), 211 Severus Alexander 50 (Anm. 135) Sims-Williams, N. 101, 118 Sircar, S. 120 Soudavar, A. 129 Speidel, M. P. 54, 59 (Anm. 214), 90, 158 (Anm. 132) Stark, K. B. 59 (Anm. 214) Statius 41, 141–143, 154 Stausberg, M. 110, 119, 127, 129 (Anm. 209), 130 Stietencron, H. von 194 (Anm. 22) Strabon 42, 77, 103, 134, 156 Sundermann, W. 178, 181–182 Swerdlow, N. 93 Šabuhr I 128 Šabuhr II 126–127, 130 Šabuhr III 126 Šatiwaza 210– 211 Šuppiluliuma I 210–211 Tacitus 50 (Anm. 135) Tertullian 41, 67 Thieme, P. 104–105, 109, 191, 194, 211, 213 Tiberius 35 (Anm. 4), 80

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Titus Tatius 43 Trajan 50 (Anm. 135), 56 (Anm. 188) Turcan, R. 18 (Anm. 38), 45 (Anm. 95), 54, 71, 92, 133, 140 (Anm. 16), 141 (Anm. 21), 187 (Anm. 14) Tušratta 211 Ulansey, D. 54, 90, 92–93, 97, 141 (Anm. 21) Vannucci, M. 194 (Anm. 20) Vermaseren, M. 17, 38, 51, 54, 55 (Anm. 187), 57 (Anm. 198), 59 (Anm. 218), 60–61, 70–71, 90, 92, 96, 147, 149, 155–156, 158 (Anm. 136), 197 (Anm. 43) Vespasian 93 Veyne, P. 26–27, 30 Vima Kadphises 121 Vima Takto, Soter Megas 115 Vollkommer, R. 39, 52 (Anm. 152), 55 (Anm. 185), 62, 203, 212 Wagner, J. 80, 85, 173 Waldmann, H. 75, 81–82, 84 (Anm. 110), 89, 171 Waldmann, M. 170 Wallraff, M. 44 Wesendonk, O. G. von 92, 133, 161 Widengren, G. 90, 109, 113, 147– 148, 155–159, 169, 212 (Anm. 29) Wikander, S. 109, 149 Wilhelm, G. 211–212 Will, E. 85 Wissowa, G. 148–149 Witschel, Ch. 93, 152 Wood, R. 16 (Anm. 20) Young, J. F. 78 (Anm. 62), 79, 81 Xenophon 42, 103, 133–134, 164 Zarathustra 99–100, 106–107, 128, 144, 155, 159, 209 Zaehner, R. 96, 107 Zinser, H. 26

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3 Orte Achaia (Achijawa) 69 Afghanistan 101–103, 114, 117, 118 Alut 76 Anatolien 150 Ancoz 76 Apulum 47 Armenien 97, 148 Arsameia am Euphrat 74, 76 Arsameia am Nymphaios (Eski Kale) 74, 76–79, 82 (Anm. 92), 87, 156, 167, 172 Asien 14, 146 (Anm. 53), 191 Athen 55 Atlantischer Ozean 18 Babylon 145 Baghlān 101, 118 Baktrien (Kushanshar) 116, 123, 125 Balkh 116 Barberini 47, 57, 159 Bāmīan 103, 123, 131, 159 Benevento 56 (Anm. 188) Bologna 53 Bosnien und Herzegowina 56 Britannien 46 Budapest 60 Castra Peregrinorum 53, 57, 159 China 49, 114, 132, 177 Dieburg 56, 161 Doliche (Dülük) 80 Dura Europos 48, 63, 149, 155–156 Ekbatana 112 Elam 114 Elephantine 122 Eleusis 58 Europa 92, 191 Faraša (Ariaramneia) 70–71, 77 Firuzabad 130 Galatien 90 Gaugamela 134 Gerger 74 Griechenland 29, 146 Harā 108, 110, 131–132, 140 (Anm. 16) Hathra 188 Hattuša (Boğazköy) 210

Hawarte 16, 65–66, 140, 163, 177, 216, 223 Heddernheim 61, 63 Herāt 125 Hethiter-Reich 69, 191 Housesteads Fort 46 Indien 14–15, 18–19, 33, 37, 54, 105, 114, 117, 121, 123, 125, 136, 191, 195 (Anm. 27) 209, 213–214, 221– 222, 224, 226–228 Indus 18 (Anm. 38) Iran (Parthien, Perserreich, Persien) 15, 17 (Anm. 26), 18–19, 32–33, 57, 66, 69–70, 80, 84, 96, 99, 102– 103, 105, 109–110, 114, 121–122, 127, 135–139, 144, 148, 152, 154, 156 (Anm. 119), 173 (Anm. 31), 158, 161, 163–164, 167 (Anm. 2), 168, 170, 174, 188, 191, 195 (Anm. 27), 209, 213–214, 217–218, 221– 225, 227 Israel 27 (Anm. 14) Italien 21, 36, 46, 90–91, 93, 98, 145 Jajce 56 Jerusalem 92 Kappadokien 70, 77, 97 Karakuş 76 Kaukasus 99, 148 Kilikien 97 Kilisesi-Hissar (Bori) 71 Kirmanšah 102 Klagenfurt 64 Kleinasien 14, 30, 33, 49, 56 (Anm. 187), 69–71, 77, 82, 84, 87, 90–92, 94–95, 98, 123, 143, 145, 155–156, 164, 167, 174, 216–217, 219, 221– 222, 224–226 Kommagene (Reich) 36 (Anm. 8), 71– 73, 74 (Anm. 36), 76–85, 87–91, 97, 99, 117, 143, 155, 168–170, 172, 174–175, 177, 216 Konjic 64 Kuschan (Reich) 14, 18, 32, 37, 101, 110, 114–115, 117–123, 125, 135, 174, 177, 215, 217

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Ladenburg 63 London 210 Lydien 70, 90 Makedonien 80, 167 (Anm. 167) Manchester 17, 149 (Anm. 149) Marino 57 Marw 125 Mat 117 Mašu 49 Mesopotamien 15, 54, 90 Mešun 128 Mitanni (Reich) 18, 191, 210–212 München 56 (Anm. 188) Naqš-e Rajab 130 Naqš-e Rostam 130, 172 Nemrud Daği (Nemrut Daği) 72, 75– 79, 82–84, 87–89, 167–174 Nersae 47 Nisa 118 (Anm. 141) Northumberland 46 Olympia 80, 144 Olympos 91 Ostia 60–61, 67 Osterburken 60–61 Peshawar 102 Pergamon 55 (Anm. 187), 91, 95 Persepolis 114, 172 Pettau (Poetovio, Ptuj) 47, 50–51, 62 Phrygien 90 Pontos (Reich) 84 Rabatak (Rabātak) 101, 117, 118, 119 Riegel 67 Rom 14, 17, 18, 27 (Anm. 14), 35 (Anm. 3), 43–44, 50, 53, 55 (Anm. 187), 57, 59, 84, 89–90, 93, 138, 142, 147 (Anm. 54) 153, 159, 174 Rumänien 54 Römerreich (Imperium Romanum) 15, 20, 31, 33, 35–37, 68, 70, 88, 91, 97, 106, 114, 143, 145 (Anm. 44),

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146, 151–153, 164, 168, 215, 217, 223, 224–225 Sahara 18 (Anm. 38) Samarkand 132 Samizegetusa 54 Samosata 73, 76, 143 Santa Maria Capua Vetere 40 (Anm. 35), 56, 67, 159 Santa Prisca 51 Sarihüyük 77 Sassanidisches Imperium (Reich der Sassaniden, Sassanidischer Reich) 32, 125, 185 Scotland 18 (Anm. 38) Shah ji-ki-Dheri 102 Seleukiden-Reich 72 Sesönk 76 Sogdien 218 Slowenien 62 Surkh Kotal 102, 117–118 Susa 112 Syrien 46 (Anm. 100), 63, 65, 155, 164, 188 Tadschikistan 114 Tāq-e Bostān (Taq-i-Bustan) 102, 126, 127, 129–130, 168–169 Tarsus (Tarsos) 92–94, 97 Teheran 17 Trapezunt 95 Trier 46 (Anm. 100), 47 Turfan 177 Türkei 210 Tyana 71, 77, 216 Usbekistan 114 Virunum 61 Ägypten 15, 29, 39–40 Österreich 64 Zentralasien 14, 32–33, 99, 114, 121, 123, 188, 222, 226 Zeugma (Seleukeia am Euphrat) 74

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Abb. 1: Felsgeburt des Mithras aus einem Mithräum in Köln. Römisch-Germanisches Museum, Köln (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 2: Felsgeburt des Mithras aus einem Mithräum in Rom. Thermen des Diokletian, Rom (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 3: Inschrift FONTI PERENNI auf einem Altar aus Ptuj (Poetovio). Kopie des Altars im Isis-Museum, Savaria (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 4: Stiertötungszene aus Heidelberg-Neuenheim. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe (Photo: Jaan Lahe). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

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Abb. 5: Stiertötungszene aus Pisa (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 6: Stiertötungszsene aus einem Mithräum in Köln. Römisch-Germanisches Museum, Köln (Photo: Jaan Lahe). © 2019, Zaphon, Münster ISBN 978-3-96327-044-4 (Buch) / ISBN 978-3-96327-045-1 (E-Book)

Abbildungen

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Abb. 7: Stiertötungszene aus einem Mithräum in Rom. Thermen des Diokletian, Rom (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 8: Stiertötungszene aus dem Mithräum unter S. Stefano Rotondo (Castra Peregrinorum) in Rom. Thermen des Diokletian, Rom (Photo: Jaan Lahe).

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Abbildungen

Abb. 9: Stiertötungszene aus Osterburken. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 10: Stiertötungszene aus einem Mithräum in Rom. Vatikanische Museen, Vatikanstadt (Photo: Ursula Vent).

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Abb. 11: Stiertötungszene aus dem Mithräum von Marino (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 12: Stiertötungszene aus Vulci. Archäologisches Nationalmuseum, Vulci (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 13: Stiertötungszene aus Ostia. Archäologisches Museum von Ostia Antica (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 14: Stiertötungszene aus Sárkeszi (Ungarn) (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 15: Stiertötungszene aus Nersae (Italien). Thermen des Diokletian, Rom (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 16: Stiertötungszene aus Rom. Britisches Museum, London (Photo: Britishes Museum).

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Abb. 17: Stiertötungszene aus dem Mithräum von Santa Maria Capua Vetere (Photo: Wikipedia, Miguel Hermoso Guesta).

Abb. 18: Stiertötunszene aus einem Mithräum in Sidon (Syrien). Louvre, Paris (Photo: Wikipedia, Carole Radotto).

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Abb. 19: Kniender Barbar. Teil der Sammlung von Farnese. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 20: Anbetung der Magier. Mosaik in Basilica Sant’Apollinare Nuovo, Ravenna (Photo: public domain, https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:0109_Journey_of_the_Magi.jpg).

Abb. 21: Attis. Archäologisches Museum von Ostia Antica, Ostia (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 22: Mithras. Teil der Stiertötungsszene aus dem Mithräum unter S. Stefano Rotondo (Castra Peregrinorum) in Rom. Thermen des Diokletian, Rom (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 23: Stiertötungszene. Bologna, Museo Civico (Photo: Franz Cumont, Les Mystères de Mithra).

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Abb. 24: Sonnengott Helios/ Sol kniet vor Mithras (Zeichnung: Maarten J. Vermaseren, Mithras. Geschichte eines Kultes, Abb. 30, S. 77).

Abb. 25: Das Symbol des dritten Weihegrades (miles) auf dem Bodenmosaik aus dem Mithräum des Felicissimus (Ostia) (Photo: Darius Frackowiak).

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Abbildungen

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Abb. 26: Mithras und Sol im Handschlag auf einem Altar aus Ptuj (Poetovio). Regionlamuseum Ptuj – Ormož (Photo: Boris Farič).

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Abb. 27: Relief von Malakbêl und Aglibôl. Kapitolinische Museen, Rom (Photo: Jaan Lahe).

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Abb. 28: Mithras und Sol beim Mahl. Archäologisches Museum, Ladenburg (Photo: Jaan Lahe).

Abb. 29: Mithras Himmelfahrt auf dem Sonnenwagen (Zeichnung: Maarten J. Vermaseren, Mithras. Geschichte eines Kultes, Abb. 37, S. 84).

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Abb. 30: Dämonenköpfe in einer Wandmalerei im Mithräum von Hawarte (Syrien). (Photo: Imperium der Götter. Isis, Mithras, Christus. Kulte und Religionen im römischen Reich, S. 241).

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Abb. 31: Mithras, sein Pferd und ein gefesellter Dämon. Wandmalerei aus dem Mithräum von Hawarte (Syrien) (Photo: https://www.roger-pearse.com/ weblog/2014/02/19/a-ray-of-light-for-mithras-at-hawarte-on-the-25thdecember/).

Abb. 32: Fünf sitzende Götterfiguren auf der Westterrasse des Heiligtums von Nemrud Dağı (Photo: Jörg Wagner (Hrsg.): Gottkönige am Euphrat. S. 46).

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Abb. 33: Mithras (im Strahlenkranz) und König Antiochos von Kommagene im Handschlag. Nemrud Dağı, Westterasse (Zeichnung: Franz Cumont, Textes et monuments figurés relatifs aux Mystères de Mithra. Tome 2. Bruxelles: Lamertin, 1896, S. 188, Abb. 10).

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Abb. 34: Kopf des jugendlichen Gottes Apollon-Mithras. Nemrud Dağı (Photo: https://www.pinterest.com/pin/404409241523607764/).

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Abb. 35: Sonnengott Helios auf einem Krater. Britishes Museum, London (Photo: Britisches Museum).

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Abb. 36: Sitzende Kybele mit Portraitkopf ihrer Priesterin (Photo: J. Paul Getty Museum). https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Unknown__Statue_of_a_Seated_Cybele_with_the_Portrait_Head_of_her_Priestess__57.AA.19.jpg

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Abb. 37: König Kanischka auf der Rückseite seiner Goldmünze. Britisches Museum, London (BM 1894,0506.16) (Photo: Britisches Museum).

Abb. 38: Gott Miiro auf der Vorderseite der Goldmünze von König Kanischka. Britisches Museum, London (BM 1894,0506.16) (Photo: Britisches Museum).

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Abb. 39: Reliquienkiste von König Kanischka I. Britisches Museum, London (Photo: Britisches Museum).

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Abb. 40: Der Gott Mithra auf einer Münze von König Ohrmizd I. Der Gott ist dank der baktrischen Inschrift Bago Miuro als Mithra identifizierbar (Photo: Britisches Museum).

Abb. 41: Die Investitursezene des Königs Ohrmizd I. Mithra mit dem Strahlenkranz reicht dem König über einem Feueraltar den Ring (Photo: https://www.cngcoins.com/Coin.aspx?CoinID=208470).

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Abb. 42: Mithra (links) nimmt an der Investitur von Ardaschir II (Mitte) teil. Tāq-e Bostān I, Relief von Ardaschir II (Photo: Wikipedia, Philippe Chavin).

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Abb. 43: Mithra auf einem kuschano-sassanidischen Siegel. Britisches Museum, London (BM 1932, 0517.1.) (Photo: Britisches Museum).

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