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German Pages 62 [65] Year 1950
DEUTSCHE A K A D E M I E DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN VORTRÄGE UND
SCHRIFTEN
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MINNESINGER UND TROUBADOURS von Theodor Frings
1949 AKADEMIE-VERLAG BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7, Schiffbau:»'dämm 19 Lizenz Nr. 156 . 4900/49-3195/48 Gedruckt in der Buchdruckerei Oswald Schmidt GmbH., Leipzig M 118 Bestell- und Verlagsnummer 2003/34 Preis D M 3,—
Hat man Hundert und aber Hundert lyrische Verse des deutschen und romanischen Mittelalters gelesen, insbesondere provenzalische und französische, und ist'das alles einmal weggesunken, und läßt man dann in einer stillen Stunde die Erinnerung die Nebel lichten, so tauchen Gipfel auf von schroffem Gegensatz der Bildung. Hüben ertönt der Glückslaut eines einfachen Mädchens im Liede W a l t h e r s v o n d e r V o g e l w e i d e : 'Under der linden an der heide, da unser zweier bette was, da mugt ir vinden schöne beide gebrochen bluomen unde gras, vor dem walde in einem tal, tandaradei, schöne sanc diu nahtegal.' Ist es ein Tanzlied, so fügen sich ihm an in der Kette Waltherscher Meisterwerke reifer Zeit das Mailied Muget ir schouwen waz dem meiert Wunders ist beschert? und das Frühlings-Traumlied 'Nemt, frowe, disen kränz\ In dem ersten spricht das Mädchen aus übervollem Herzen, im zweiten der Dichter zum Mädchen, im dritten folgen Begegnung mit dem Mädchen und Erzählung des anschließenden Traumerlebens. Über allem liegt das heitere Glück von Frühling und Liebe. Wir sind im Deutschland nach 1200. Im Kunstlied wie im Volkslied hallen Walthers Lieder nach. 1*
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Von drüben, aus Südfrankreich, aus dem alten Kulturland der Provence, ertönt die Klage eines Schloßfräuleins. In dem Provenzalischen Liederbuch, das Erhard Lommatzsch mit Geschmack zusammengestellt hat, an die hundert ausgelesene Stücke der Zeit 1100-1300, fängt sich die Andacht immer wieder an dem einen Stück des M a r c a b r u , eines der ältesten der Troubadours, um 1150. Es ist die Klage einer Verlassenen um den Liebsten, der in den Kreuzzug gezogen ist. Sie hallt nach in französischer und italienischer Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts. Der letzte Bewunderer und Übersetzer, Karl Voßler, hat zugleich die seelische Mitte des Gedichtes bestimmt: die herbe, fast trotzige Klarheit und Bewußtheit des Schmerzes, der auf seinem Recht besteht, das irdisch-natürliche Verharren in einem zähen Gefühl, daher die vollendete, klassische Ruhe eine köstliche, seltene Perle in der Kunst des Mittelalters. Der Schmerz, die Klage ist gebettet in geläufig Lyrisch-Episches, das aber ursprünglich und neu benutzt ist: Mädchenklage und Begegnung mit dem Tröster in der freien Natur, an einem lieblichen Ort, Gespräch auf dem Hintergrund des Kreuzzugserlebens. Den König Ludwig VII. selbst, den Gebieter des Kreuzzugs, trifft die Verwünschung des Mädchens. Zur lyrischen Tiefe tritt die epische Schärfe. Man stellt das Stück unter die Romanzen. Aus dem frühen deutschen Minnesang läßt sich nichts vergleichen. Walthers zartestes'Gebilde ist dem festen Griff der Forschung nicht entgangen. Das vierstrophige Selbstgespräch des Mädchens, ein 'Frauenmonolog', 'Frauenlied' oder 'Mädchenlied', soll angeregt sein durch eine vereinzelte ältere Mannesstrophe des Österreichers Dietmar von Eist. Der Refrain tandaradei, Nachbildung des Sanges der Nachtigall, entstamme mittellateinischer Tanzstrophik. Näher als dem Frauenmonolog stehe das Lied als Ganzes der mittellateinischen 'Mädchenbeichte'. Jenseits der Carmina Burana soll gar Ovids Sapphoepistel Vorbild gewesen sein. Auch an die 'Pastourelle' wäre zu denken, das Lied von der Hirtin und einer Begegnung im Freien, an die mittel-
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lateinische wie provenzalisch-französische Blüte dieser Gattung. Endlich an das 'Tagelied', das Lied von verschwiegenem nächtlichem Genuß und schmerzlichem Abschied im anbrechenden Licht, ein Thema der Weltliteratur, zu aller Üppigkeit und Leidenschaft gesteigert bei Wolfram von Eschenbach und in Shakespeares Romeo und Julia. Natur, Erleben und Empfinden sind innig verwoben, anders als sonst in mittellateinischer, romanischer und deutscher Dichtung, wo die Natur gleichgestimmt oder gegensätzlich neben dem Menschen steht, romanischdeutsch gewöhnlich im Eingang eines Liedes. So sagt Frauenmund in Einzelstrophen des frühen, namenlosen Minnesangs um 1150: 'diu kleinen vogelline diu singent in dem walde: dest menegem herzen liep. mir'n kome min holder geselle, i'n hän der sumerwünne niet.' Oder: 'Diu linde ist an dem ende nu järlanc lieht unde blöz. mich vShet min geselle: nu engilte ich des ich nie genöz.' Ein Naturbild steht auch zu Eingang von Walthers Gedicht, und die Forschung fragt nach Sinn und Geschichte eines solchen Bildes, das schließlich zur Eingangsformel, zum Kunstgriff erstarrt. Fünffach ist die Antwort, und die Antworten führen zugleich zum Streit um die Entstehung des Minnesangs überhaupt. Das Naturbild des Minnesangs, von Hause ein Frühlingsbild, entstamme dem Volkslied, dem volkstümlichen Maitanzlied; oder: das Frühlingsbild entspringe den Frühlingsfesten der höfischen Gesellschaft. Andere nehmen es als literarische Entlehnung aus antiker lateinischer oder aus mittellateinischer Literatur. Endlich soll das Naturbild wie der Minnesang spanischarabischer Dichtung entstammen. An einer Stelle, bezüglich Walthers Entwicklung, hat die Forschung einen sicheren Stand erreicht. Als Walther Wien verließ und am Rhein um 1200 mit den Vaganten, den fahrenden Dichtern mittellateinischer Lyrik zusammentraf, da fand er den Weg von der vornehmen Herrin
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und Dame zum einfachen Mädchen, zum herzelieben vrouwelin der erwähnten Lieder, von der 'Hohen' zu der 'Niederen Minne', zugleich auch den Weg zum l e b e n d i g e n Naturbild. Das Naturbild als Einleitungsformel, als Kunstgriff aber, soll Findung eines bestimmten Dichters sein, der ebenfalls an mittellateinische Dichtung von Frühling und Liebe anknüpfe: Graf W i l h e l m IX. von P o i t o u , der erste Troubadour um n o o . Carl von Kraus hat die knappen Sätze geprägt: Wathers 'Mädchenlied', ein Lied der 'Niederen Minne', steht zur lateinischen Lyrik in demselben Verhältnis wie die Lieder der 'Hohen Minne' zu der romanischen Lyrik; was für 'volkstümlich' gehalten wurde, ist in Wirklichkeit mittellateinisch. Und doch zucken wir zurück. Uns ist, als habe man über der Ahnenforschung das lebende und lebendige Kind vergessen. Walthers 'Mädchenlied' erzählt von einer 'Begegnung' im Freien. Eine alte lyrische Form umfängt einen epischen Bericht, um den das Empfinden rankt. Begegnung, Bericht, Glückslaut, alles im Munde des plaudernden, sich erinnernden Mädchens, aber von einem Mann, dem Dichter hineingelegt. Im Lyrisch-Epischen ist der epische Kern das Erste, der Ansatz. Der epische Kern, die Begegnung der Liebenden, alt und schlicht und 'volkstümlich', hat in der Hand des Meisters die Kunst der Jahrhunderte angesogen, so meinen wir, trotz allem. Die Vaganten aber, so bedeutsam sie für Walther sind, haben selbst einen volkstümlichen Grund. Was aus Volkstümlichem, auch über die Vaganten, zu Walther emporstieg, konnte vom Gipfel zum Grunde, vom Kunstdichter zum Volke zurückkehren, ins spätere 'Volkslied' eingehen. R o m a n z e , wie man Marcabrus Gedicht vom klagenden Schloßfräulein nennt, ist vorzüglich eine nördliche französische, nicht südfranzösisch-provenzalische Kunstform. In den alten vielstrophigen französischen Stücken des 12. und 13. Jahrhunderts sitzt das Mädchen oder die Frau im Zimmer, am Fenster, im Turm, an der Zinne, im Garten am Quell, badet im Quell. Fest wie die Einkleidung ist die Wechselrede; Gesprächspartner
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sind der Liebste, die Mutter, die Vertraute. Was die Liebe hindert, wird überwunden; neben Glück aber auch Sehnsucht nach dem Entfernten, Klage, Seufzen, Tränen. Soweit wie die Romanzen abbiegen zur romanischen Gattung der 'Lieder von der unglücklich Verheirateten', stellen wir sie beiseite. Die szenische Einkleidung, das hingegebene Weib, die noch einfache ritterliche Welt, auch der epische Zehnsilbnervers, weisen zum Epos, Refrains auf den Tanz. Spielleute mögen die Verfasser sein. Diese oder jene Strophe des Verlangens im Munde des Mädchens aber könnte man aus dem epischen Rahmen lösen, wie eine nur eingesetzte Perle, und unter die schlichten Frauenstrophen des frühen deutschen Minnesangs der Zeit um 1150 stellen, so etwa: 'Bels douz amis, ne vos sai losengier, mais de fin euer vos aim et senz trechier. qant vos plaira, si me porrez baisier, entre voz braz me voil aler couchier.' 'Geliebter, Du trügst nicht, Dich liebe ich aus treuem Herzen. Willst Du mich umfangen, so bette ich mich in Deine Arme.' Das wäre, in alte deutsche Formeln übertragen: 'min vil liebez liep, du bist mir holt, ich bin mit rehter staetekeit dir undertän. Woldes du mich umbevän, so gelige ich an dinem arme.' Aber einen umschließenden ritterlich-epischen Rahmen, eine Romanze, kennt das frühe unepische Deutschland nicht. Für Marcabrus Gedicht ist mit Recht die Bezeichnung Romanze abgelehnt worden. Zu dieser Bezeichnung führte der epische Rahmen mit Begegnung und Gespräch. Aber der Rahmen stammt von der Pastourelle; hinter dem Tröster versteckt sich ein Wer-
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bender. Mittelpunkt des Gedichtes bleibt der Frauenmonolog der Verlassenen, eine 'Mädchenklage', in der Tat wie eine eingesetzte Perle: 'Jhesus', dis elha, 'reys del mon, Per vos mi creys ma grans dolors, Quar vostra anta mi cofon, Quar Ii mellor de tot est mon Vos van servir, mas a vos platz. Ab vos s'en vai lo meus amicx, Lo belhs e 1 gens e 1 pros e 1 ricx; Sai m'en reman lo grans destricx, Lo deziriers soven e 1 plors. Ay, mala fos reys Lozoicx ! Que fai los mans e los prezicx Per que 1 dois m'es en cor intratz.' Übersetzung von J. M. L. Dejeanne: 9
„Jésus, dit-elle, roi du monde, par vous s'accroît ma grande douleur, car l'outrage que vous subissez cause ma perte, puisque les meilleurs de tout cet univers vous vont servir, car tel est votre plaisir. „Avec vous s'en va mon ami, le beau, le gent, le preux et le puissant; ici, il ne me reste que grande détresse, le désir souvent et les pleurs. A la maie heure soit donc le roi Louis qui ordonne ces appels et ces prédications qui ont fait entrer le deuil dans mon cœur!" Übersetzung von K. Voßler: „Herr Jesus", sprach sie, „großer Gott, Von euch kommt all mein schweres Leid, Denn eure Schmach ist meine Not, Weil all die Besten euch zulieb Gegangen sind. So wolltet ihr's.
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Mit euch zieht auch mein Freund dahin, Der schöne, liebe, herrliche. Und ich bleib hier in meiner Pein Und wein' und sehn' mich Tag und Nacht; Verflucht der König Ludwig sei! Mit seinem'Ruf und Aufgebot Hat er das Herz mir wund gemacht." Das Epische ist bei W a l t h e r Kern in der lyrischen Form des Monologs, bei M a r c a b r u ist der Monolog, die Mädchenklage, Kern in der epischen Einkleidung. Der eine Monolog enthüllt ebenso leidenschaftlich das weiblich-mädchenhafte Glück wie der andere den Schmerz. Beide Dichter durchschichten lyrische Formen zu neuen Gebilden, 'Frauenmonolog' und 'Tagelied', 'Frauenmonolog' und Tastourelle' mit 'Gespräch', beide sind erzogen an vielstrophigen Gebilden hoher Kunst und doch sichtbar in geschichtlichem Zusammenhang mit den losen Frauenstrophen einfacher Gefühle und Sprache, die den frühen deutschen Minnesang beherrschen und wie sie noch in der französischen Romanze aufleuchten. Walther bleibt zeitlos, die westlichen Stücke sind an Zeit und Szene gebunden. Neben dem Frauenmonolog, der Alleinrede, aber deuten sich andere einfache Formen an: zunächst der Dialog, das Zwiegespräch, das Wechselgespräch oder schlechthin das 'Gespräch', dann, bei Einbezug der Szene, 'Begegnung mit Gespräch'. Solch einfache Formen liegen hinter 'Pastourelle' und 'Tagelied', die zur Zeit Marcabrus und Walthers schon zu hoher Kunst entwickelt waren. Beide Kunstformen sind umstritten. Die P a s t o u r e l l e schildert das Abenteuer eines Herrn, des Dichters, mit einem einfachen Mädchen: Begegnung im Freien, Werbung, Gespräch, Erhörung oder Ablehnung; in Nebenrolle ein Dritter, der Liebhaber des Mädchens. Die Pastourelle ist höfische, franzosisch-provenzaüsche Kunst, alle Stücke der übrigen Romania, auch Deutschlands, sind Nachahmung. Die Erklärer stehen wieder in schroffem Gegensatz; auf der einen
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Seite volkstümliche Herkunft, aus Maitanz, Lied der Hirtin, Hirtenspiel, anderseits das Mittellatein und Ovid; wesentlich sei das Gespräch, der Widerstreit, il contrasto, le débat, was im Romanischen auch als selbständige Kunstform erscheint. Nimmt man Pastourelle allgemeiner für Begegnung mit Liebesgespräch, so denkt man an Szenen des späteren deutschen Volksliedes. Nimmt man diese als Absenker der Pas tourelle, so wäre zu weisen auf die Pastourellen des russischen Volksliedes, z. B. Dans la plaine croît un obier; sous l'obier est une jeune fille qui cueille des fleurs. Un gentilhomme vient à passer et l'aborde : 'N'as-tu pas peur de moi, jeune fille?' - 'Non, car je n'ai pas à te craindre. T u es noble: va te chercher une belle à Lubline, et laisse-moi en paix; choisis une compagne à Varsovie et n'attente pas à mon honneur; prends une amie qui soit riche et laisse en repos la pauvre orpheline.' A u f dem weiten Feld steht ein Schneeballenbaum; ein junges Mädchen pflückt Blumen unter dem Baum. Ein Herr kommt vorbei und spricht sie an: „Fürchtest D u mich nicht, Mädchen?" - „Nein, denn ich brauch Dich nicht zu fürchten. D u bist ein vornehmer Mann: such Dir eine Schöne in Lublin, und laß mich in Frieden; such eine Gefährtin inWarschau und spanne nicht auf meine Ehre; nimm eine Liebste die reich ist und laß die arme Waise in Frieden." Wollte man auch die russischen Volkslieder als Ausstrahlungen der westlich-romanischen Pastourelle nehmen, so weisen wir auf zwei schlichte Stücke des kanonischen Liederbuches der Chinesen aus der Zeit vor 600 v. Chr. : 'There in the oozy ground by the Fên I was plucking the sorrel; There came a gentleman Lovely beyond compare, Lovely beyond compare, More beautiful than any that ride With the duke in his coach.'
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'Im feuchten Grund des Flusses Fen Pflückte ich Sauerampfer. Da kam ein Herr Schön ohnegleichen, Schön ohnegleichen, Schöner als die da fahren Mit dem Herzog in seinem Wagen.' Die zarte, verschwiegene Mädchenstrophe wiederholt sich, variierend, dreimal. In einem Parallelstück erzählt der Mann: Out in the bushlands a creeper grows. The falling dew lies thick upon it. There was a girl so lovely, Clear brow well rounded. By chance I came across her, And she let me have my will. Im Buschland schlingt sich eine Pflanze Dick mit fallendem Tau bedeckt. Da war ein minnigliches Mädchen, Die klare Braue schön gerundet. Zufällig traf ich sie, Und sie neigte sich meinem Willen. Die zweite Strophe ist wieder eine nur leichte Variation, wobei die letzte Zeile durch eine einzige, abschließende Redezeile ersetzt ist: 'To be with you is good', „Gut ist's, bei Dir zu sein." Das sind Monologe der Erinnerung, um den epischen Kern der Begegnung, wie in Walthers Mädchenlied, auch mit einleitendem Naturbild. Bei episch-szenischer Darstellung entwickelt sich ein Gespräch, einfach im Russischen, beredt im Romanischen. 'Gespräch' als selbständige einfache lyrische Form, ohne Szene, ist dem Portugiesischen wie dem Chinesischen eigen, begegnet auch im frühen deutschen Minnesang; als gegepflegte und geschliffene romanische Kunstform wirkte es in
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die Pastourelle. Aber ein Kunstgespräch ist nicht Grundlage der Gattung. Die Grundlage ist volkstümlich, monologisch-berichtend oder szenisch mit Gespräch. Wir sagen noch einmal, und nun aus weitem Felde, daß hinter Walther wie Marcabru einfache ursprüngliche Formen liegen, denen der Minnesinger näher, der Troubadour am fernsten steht. Die Pastourelle schildert zufällige Begegnung, ein Abenteuer, das T a g e l i e d verabredete Begegnung, nächtliches Glück und morgendliche Trennung versprochener Liebender, Willkommen und Abschied, Glück, Schmerz und Klage. Auch hier hat die französisch-provenzalische Kunstform die Romania wie Deutschland zur Nachahmung gereizt. Was aber auch in die Kunstform eingegangen sein mag, Höfisch-Provenzalisches, Arabisches, Klassisches, Mittellateinisches, ja Christlich-Kirchliches, so der Wächter und der Weckruf, der die Liebenden aufscheucht, als Nachhall des geistlichen Weckrufes der Bibel und des Morgenhymnus : unantastbar sei die volkstümliche Grundlage, die wiederum in Portugal wie in China, bei den slawischen Völkern, im Französischen eher als im Provenzalischen, gerade aber auch im frühen deutschen Minnesang durchscheint oder lebt. Nichts ist abzudingen dem ältesten deutschen Tagelied unter dem Namen des D i e t m a r von E i s t : 'Släfest du, friedel ziere? man wecket uns leider schiere: ein vogellin sö wol getan daz ist der linden an daz zwi gegän.' Eine allseitig gültige einfache Grundform freilich gibt es nicht. Aber es gibt gemeingültige Grundbestandteile: Vogelruf und aufbrechendes Licht, Ruhen im Freien, im Deutschen unter der Linde, Gespräch, dabei Schmerz, Sorge, Gewicht der Red?rbei der Frau, drum auch einseitige Rede der Frau in der Szene oder auf sich stehend, losgelöst von der Szene, schließlich auch Monolog der Frau aus Erinnerung an genossenes Glück, dann wieder rein lyrisch als Klage, auch Glückslaut, oder mit Nach-
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Zeichnung der Szene, wobei gar die gewechselten Worte aufleben können. Gespräch, Zögern des Mannes, Drängen der Frau verbindet Dietmar von Eist, Shakespeare und das alte China, ist für Frankreich zu erschließen. In einem russischen Tagelied spricht das Mädchen im Schein des Mondes und der Morgendämmerung, während der Kosak davonzieht. Eine provenzalische Alba stellt die vierstrophige Abschiedsrede der Frau in einen schmalen szenischen Rahmen. In serbischen Strophen von zehn oder acht Zeilen, die wieder an die losen Strophen des frühen deutschen Minnesangs erinnern, ist einmal nur die Szene gezeichnet, das in weißen Armen umschlungene Paar, auf der schwarzen Erde, unter dem Mandelbaum und dem besternten Himmel; ein andermal bittet das Mädchen die singende Nachtigall, den Liebsten nicht zu wecken, den sie selber wach streicheln will. Ein französisches Mädchen zeichnet aus der Erinnerung Wald, Mondschein und Lerchenschlag und fügt Wechselworte ein, wie sie Romeo und Julia und die Liebenden Chinas tauschen. Es spricht wie Walthers Mädchen schon in künstlichen Strophen und plaudert, wörtlich wie bei Walther, vom Küssen: bien trois fois me baisa il, ansifis je lui plus d'utie, Kainz ne m'anoia, 'dreimal küßte er mich und ich ihn mehr als einmal und in aller Lust', Walther: kuster mich? wol tüsentstunt, und vom Beilager: Adont se trait pres de mi, et je ne fui pas anfrune, 'dann preßt er sich an mich und ich lehnte nicht ab', bei Walther schamhaft Daz er bi mir leege, wessez iemen (nu enwelle got!), so schämt ich mich. In vereinsamter Nacht klagen serbische, deutsche, französische, portugiesische Frauenstrophen. In verwehten französischen Refrains und späten Tanz-Motets lebt Altes fort. An Stelle nächtlicher Begegnung und morgendlichen Abschiedsschmerzes erscheint auch glückliches Finden in Wald und Wiese, bei Frühling und Vogelsang, womit sich- Eigentümliches des serbischen Volksliedes, auch die Begegnung am Quell im Portugiesischen vergleicht. Es verschwimmt die Grenze zwischen den geprägten Gattungen und Formen der Pastourelle und des Tageliedes - wie
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bei Walther. Der monologische Frauensang eines altportugiesischen Tageliedes hebt an mit einer Symphonie der jubelnden Klänge: 'Levad', amigo, que dormides as manhanas frias, toda-las aves do mundo d'amor dizian. Leda mh-and' eu.' 'Steh auf Freund, Du schläfst in der Frische des Morgens, Alle Vögel der Welt sprachen von Liebe. Beglückt geh ich.' 'Alle Vögel der Welt sangen von Liebe, alle Vögel der Welt unterhielten sich, alle Vögel der Welt sangen von meiner und von Deiner Liebe.' 'Beglückt geh ich' kehrt es achtmal wieder im Refrain. Das ist der von Refrain und Nachtigallenschlag durchwirkte Jubel auch des deutschen Mädchens. Wir ziehen den Vorhang auf von China bis Portugal und stehen wieder vor dem einen alles umschließenden Wunderwerk in der Mitte vor Walthers Under der linden. Wir fassen zusammen und bestimmen unseren Stand. Die sich häufende Gelehrsamkeit, die auf die Lateiner, die Mittellateiner, die Araber weist, stellen wir zunächst einmal beiseite, ohne damit ihren Wert zu mindern. Wir schauen statt dessen über das weite Feld der westlichen und östlichen Völker überhaupt und begeben uns zurück auf Wege, die von Herder, Goethe, Jakob Grimm gebahnt, von den älteren Erforschern der Romania und Germania, von Karl Bartsch, Gustav Groeber, Gaston Paris und Alfred Jeanroy, von Wilhelm Scherer wie von John Meier nicht verlassen worden sind. Wie in den Fragen der Ursprünge des Epos biegen wir zurück auf den romantischen Pfad. Unter den verfeinerten Kunstgebilden westeuropäischer Hochkultur des 12. 13. Jahrhunderts, Walthers und Marcabrus, sehen wir einfache Formen, die anderswo reiner oder rein erhalten sind. Wir kennzeichnen noch einmal, dabei erweiternd, hervorragende Arten der Darbietung durch den Dichter: All einrede, Gespräch, Szene der Begegnung mit Gespräch, einseitige Rede auf szeni-
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schem Grunde, Rede mit eingebetteter Szene. Träger der Rede ist zunächst und vor allem die Frau. Das F r a u e n l i e d steht nicht allein im Deutschen am Anfang der Liebesdichtung. Einfach wie die Form sind die Themen und Gefühle der rund 25-30 ältesten deutschen Frauenstrophen: Liebesglück, glückliches Erinnern, Heimkehr und Wiedersehen in nur wenig Fällen; es herrschen die dunkeln und schweren Töne: Abschied und Trennungsschmerz, sehnsüchtiges Harren, Sehnsucht und Klage, Treue in Schwierigkeiten, Sorge um die Treue des Geliebten, um den Bestand der Liebe, Schmerz um den Verlust des Geliebten, Verlassenheit, Eifersucht, Triumph über die Gegnerin. Neben zartem Wünschen steht das offene Verlangen nach dem Mann, die Bereitschaft zu rückhaltloser Hingabe. Die eine oder andere Strophe steht dem Tagelied nahe. In Frankreich und Italien suchen wir vergebens nach gleich Schlichtem und gleich Altem dieser Fülle. Der Schmerz des Schloßfräuleins bei Marcabru ist, ganz abgesehen von der kunstvollen Einfassung, aus dem Allgemeinen ins Persönliche und Zeitliche vertieft und stilisiert. Die provenzalische Comtessa de Dia, die Zeitgenossin des ältesten deutschen Liebesdichters, des K ü r e n b e r g e r s um 1150, singt im hohen Stile der Troubadours von der Untreue des Geliebten, von eigener Treue, Sehnen, Hoffen auf Wiedervereinigung. Man könnte die LeitZeilen der fünf schweren Strophen zu einem Kern, einer deutschen Frauenstrophe zusammendichten und unter die Strophen des Kürenbergers oder Dietmars stellen, an die sie auch wörtlich anklingen. Erst das spätere Mittelalter bringt stilisierte nordfranzösische Frauenlieder. Man hat Fäden gezogen von der Provence nach Österreich, von W i l h e l m IX. von P o i t o u , dem ersten Troubadour um 1100, zum ältesten Minnesinger um 1150, und zwar auf dem Grunde der Kreuzzugsbewegung. Aber die eigen üiche Zeitgenossin des Kürenbergers ist die nordfranzösische Romanze. Auch die Romanze mischt, wie die älteren Minnesinger, Gröberes und Feineres, Älteres und Neueres; im wesentlichen aber,
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in der Haltung der Frau, stehen der frühe Minnesang und die altfranzösische Romanze zusammen. Nicht allein, daß man Frauenworte der Romanze ins Mittelhochdeutsche übertragen und unter die deutschen Frauenstrophen stellen kann; die deutschen Frauenstrophen, besonders die episch-lyrisch gefaßten, sind wie Keimzellen der Romanzen. Ihnen fehlt nur der epische Vorgang, daß etwa der Ritter zu der Seufzenden tritt, und die Schöne ihn umhalst und sich hingibt. Dieses Wachsen des Keimes zu einer epischen Form war nur dem epischen Geist der Nordfranzosen geschenkt. Die Romanze ist die Schwester des nordfranzösischen Heldenepos, der Chanson de geste. Der Krieger-Ritter, der die Frau verlockt und dann in die Rüstung flüchtet, die begehrliche Frau der Chanson de geste leben auch in Strophen des Kürenbergers. Ist es dann ein Zufall, daß der Spielmann die Romanze im epischen Vers des Rolandsliedes, der Kürenberger in der Strophe des Nibelungenliedes dichtet? Im viel bewunderten Falkenlied des Kürenbergers erblickt die ins Weite schauende Frau den flüchtigen schmucken Falken im Rückflug und formt wie im Gebet die rührende Schlußzeile 'got sende st zesamene die gerne geliep wellen sin!' "Gott sende die zusammen, die einander gern lieb sein möchten!" So ruft Bele Erembors vom Fenster den abtrünnigen Raynaut an, der an der Spitze der Krieger vorüberzieht, dann zu ihr hinaufstürmt und alles gut macht. Einen ähnlichen Seufzer schickt ein altportugiesisches Mädchen den königlichen Barken nach, die den Geliebten entführen. Das Falkenlied aber hätte man nicht aus Lateinischem holen sollen. Der .Falke als Symbol des geliebten Mannes zieht von der deutschen Donau über "die slawischen Völker bis nach China; im Altportugiesischen entspricht das Bild des Hirsches. Wörtlich anklingende serbische Falkenlieder sind wie epischere Vorstufen des monologischen deutschen Frauenliedes. Am nächsten aber stehen den zarteren deutschen Frauenstrophen die zeitlich und räumlich fernsten, die rund zweitausend Jahre älteren chinesischen Frauenlieder von der Glücklichen, Sehnsüchtigen, Verlassenen, Schmerzgebeugten,
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immer eingeleitet, wie älteste deutsche Strophen, durch ein Naturbild. Wir stehen wieder im weiten Felde der Völker, in einer gemeinsamen Schicht der natürlichen, einfachen Gefühle und Ausdrucksformen, und stellen noch einmal allzu gelehrte Erklärungen beiseite. Die schmale altitalienische Überlieferung enthält ein bezeichnendes Stück. In einer Kanzone des G i a c o m i n o P u g l i e s e , kurz nach Walther, liegt das Erinnern und das Berichten von Abschied und Abschiedsworten beim Mann. Das ist eine Verlagerung dessen, was eigentlich der Frau zukommt, und zwar greifbar unter dem Einfluß der höfisch-provenzalischen Kunstform der Kanzone, die vom Manne ausgeht. Die Grenze ist verrückt, Volkstümliches ist in eine andere, höhere gesellschaftliche Schicht und in einen neuen und anderen Kunststil gehoben. Es ist Durchschichtung wie bei W a l t h e # i n Deutschland, bei M a r c a b r u und der C o m t e s s a de Dia in der Provence. Wenn im frühen deutschen Minnesang Mannesstrophen sehnen, erinnern, klagen, so möchte man sie als Umbildung, Nachbildung von Frauenstrophen ansprechen. In einer Mannesstrophe des Dietmar von Eist sieht man den Keim zu Walthers Under der linden: Uf der linden obene da sanc ein kleines vogellin. vor dem walde wart ez lüt: d6 huop sich aber das herze min an eine stat da'z e da was. ich sach die rosebluomen stän: die manent mich der gedanke vil die ich hin zeiner frouwen hän. Wir sehen darin die Abwandlung einer volkstümlichen Frauenstrophe, die auch Walther aufgriff, und der er im Grunde näher blieb, trotz der Umformung zu einem Liede hoher Kunst. Eine frühe • klagende Mannesstrophe hebt an So al diu zoereit ruowe hat, so mag ich eine entsläfen niet. So klagen und sehnen die Mädchen von Portugal bis zu den Serben; wie der Minnesinger Dietmar von Eist aber die Troubadours von dem frühen Bernart von Ventadorn bis auf den letzten, Guiraut Riquier im 13. JahrFrings, Minnesinger
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hundert. Zu einer Frauenstrophe glücklichen Erinnerns stellt der B u r g g r a f von R e g e n s b u r g das Echo einer Mannesstrophe. Die Mannesstrophe ist nach der Frauenstrophe geformt. Das ist also kein Wechselgespräch, sondern nur ein Ausdruck gleicher Stimmung aus gleichem Erleben: zwei verwandte Stimmen hallen zusammen wie zwei ferne Abendglocken, hat Ludwig Uhland gesagt. 'Wechsel' nennt man diese Kunstform, in der man etwas eigentümlich Deutsches sieht. Sie ist auch altchinesisch, und braucht drum nicht aus alt- oder mittellateinischem Brieftausch gedeutet zu werden. Gewiß gibt es durchaus selbständige deutsche Mannesstrophen alten Gepräges, hochmütige Strophen des frauenbezwingenden Krieger-Ritters, auch eine Strophe, in der der Mann die Frau zur Lebensgemeinschaft an die Hand nimmt, wie in einem gleich edlen altchinesischen Manneslied: Be kind to me, love me, Take my hand and go with me. Die Mehrzahl der frühen Mannesstrophen kommt jedoch aus dran jüngeren Geiste des Frauen- und Hofritters, aus einer langsam werdenden neuen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts. An die Stelle der hingegebenen Frau tritt der dienende, seufzende Mann. Aus volkstümlicher Lyrik löst sich über sichtbare Stufen der zunächst einstrophige, dann erst mehrstrophige deutsche Minnesang, schwer erkennbar das vielstrophige Lied der Troubadours. So schwanken wir in der Zeit des Übergangs mitunter, ob eine Strophe von der Frau oder vom Manne gesprochen ist, und ob wir gleichgestimmte Strophen zu einem Wechsel zusammenfügen dürfen oder nicht. Einstrophig wie der älteste Minnesang ist das T a n z l i e d in Mädchenmund, das dem Minnesang vorausliegt und ihn begleitet. So überliefern uns die Carmina Burana die alte Reigenstrophe der Mädchen auf der Wiese: Gruonet der walt allenthalben. wä ist min geselle also lange ? der ist geriten hinnen. owi! wer sol mich minnen?
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Die mittellateinische Fassung: Floret silva nobilis floribus et foliis. ubi est antiquus meus amicus? hinc equitavit! eia! quis me amabit? hat ein fahrender Student nach heimischer Erinnerung gedichtet. Die altportugiesischen Mädchen singen im Tanze: Baylemos nos ja todas, todas ay amigas, so aquestas avelaneyra.s floridas, e quem for velida como nos velidas, se amigo amar, s6 aquestas avelaneyras floridas verrä baylar! 'Tanzen wir alle miteinander, Freundinnen, unter den blühenden Haselsträuchern, und die da hübsch ist wie wir, wenn sie einen Liebsten hat, komme zum Tanz unter die blühenden Haselsträucher.' Die altfranzösischen: Tuit eil qui sunt enamourat vignent danfar, Ii autre non. 'Die in Liebe sind, kommen zum Tanz, die anderen nicht.' Von diesen T a n z s t r o p h e n der Gemeinschaft geht der Weg zu den F r a u e n s t r o p h e n früher Liebesdichtung, von Stegreifdichtung zu einfachen, aber schon gepflegten Formen. Deren Träger sind Spielleute von Art der altfranzösischen Romanzendichter, natürlich auch andere begabte Einzelwesen. Strophen dieser frühen Liebesdichtung haben sich namenlos erhalten, stehen aber auch unter den Namen von Vertretern des frühen Rittertums oder sind von Rittern gedichtet; zu Frauenstrophen
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treten ansteigend M a n n e s s t r o p h e n . In diese frühen Liebesstrophen weht der Südwind in wachsender Stärke den Geist der neuen Gesellschaft und neuen Kunst, die an den Höfen der glücklichen Provence erblühte, den Geist höfisch-gesellschaftlicher Schicklichkeit und Sittlichkeit, eine Welt der Gedanken, Vorstellungen, Begriffe, verfeinerter, überfeinerter, gespaltener statt einfacher Gefühle. Sie stellen sich dar in kunstvollen Strophengebäuden, die die Musik bestimmt. Liebesdichtung wird zu Minnesang, einfache Formen werden kunstvoll stilisiert, gedehnt, ausgeprägt, verbindlich festgelegt. An Stelle der gemeinen Weltsprache natürlichen Liebeslebens entsteht eine kunstvolle Gesellschaftssprache, die im Umkreis der provenzalischen Mutter Europa überzieht vom portugiesischen bis zum Wiener Hof, vom Hofe Friedrichs II. auf Sizilien bis zu den kleinen Hofen des Niederrheins und Deutschlands überhaupt. Auch die deutschen Minnesinger bauen ihre Strophen um das Sprachgerüst der Troubadours, das ins Deutsche übertragen wird. Es formt sich der neue Wortschatz der Freude und des Schmerzes aller Abschattungen, des Wünschens und Wähnens, des Sehnens, Begehrens, Mühens und Gewährens, des Minnedienstes, des Minnelobes, der Gnade der Minne; und um die Wörter Amor-Minne legt sich ein sprachliches Feld, das sich vom feinsten Seelenadel bis zur verächtlichen Felonie erstreckt. Man faßt in Worte weibliche Schönheit, Anmut, ja Zauber, und vornehmes, kokettes, auch liebevolles weibliches Verhalten. Cortezia gleich hövescheit, onor gleich ere, pretz e valor gleich pris oder ere und tugent, beitat e bontat gleich schoene unde güete sind sprachliche Prägungen, die Äußeres und Inneres, Wertschätzung und Wert eines neuen Menschen umfangen; aller Ethik Mutter aber wird Amor, das deutsche Minne, das aus geneigtem Denken zur Losung einer Gesellschaft wird. An Hand der Provenzalen mehren sich im Deutschen wertende und auszeichnende Adjektiva und Substantiva. Amor stellt sich gesellschaftlich, geistig und geistreich-schillernd vor Hörern und Zuschauern dar; das Gesellschaftsspiel der Minne tritt an die Stelle
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der Stille und Verschwiegenheit der Liebe. Man hat gesagt, daß die Minnekanzonen von drei- bis vierhundert Troubadours sehr wohl das Werk eines einzigen Menschen sein könnten, daß in fünfzig Zeilen vielleicht fünf vom Dichter wären, in drei- bis viertausend Liedern nur zehn ursprüngliche Ausdrücke stünden. Solch allgemeine Urteile unterschätzen doch die Persönlichkeiten, wie wir sie im Deutschen aus provenzalischem Grunde ansteigen sehen, F r i e d r i c h von H a u s e n , H e i n r i c h v o n Veldeke, H e i n r i c h von M o r u n g e n , R e i n m a r der Alte und - W a l t h e r v o n d e r V o g e l w e i d e . Die Formung aus Provenzalischem und Eigenem erleben wir an Heinrich von Morungen, wohl weil er am besten, und doch nicht genügend durchforscht ist. Man hat über hundert Jahre Entsprechungen gesammelt und Gedanken, Anschauungen, sprachliche Prägungen verzeichnet und verglichen. Aber wir haben bis heute kein vergleichendes Bild der westeuropäischen Minnedichtung, sehen nicht einmal Walther breit und scharf zugleich in seiner besonderen deutsch-romanischen Mischung, als Erben der volkstümlichen deutschen Liebesdichtung, als Lehrling der Mittellateiner und Provenzalen, Bernarts von Ventadorn, des größten der Troubadours, des Sängers der firC amor, der rehten minne, und Marcabrus, des strengsten der Moralisten. Die Pfeiler der neuen Ethik, das provenzalische Sprachgerüst, tragen auch seine Strophengebilde der Hohen Minne. Walther singt etwa: Wol mich der stunde, daz ich sie erkande,. diu mir den lip und den muot hat betwungen, sit deich die sinne sö gar an sie wände, der si mich hat mit ir güete verdrungen. daz ich gescheiden von ir niht enkan, daz hat ir schoene und ir güete gemachet, und ir röter munt, der sö lieplichen lachet. Diese Strophe läßt sich Wort um Wort, Begriff um Begriff, Zeile um Zeile ins Provenzalische übertragen, so wie altfranzö-
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sische Romanzenstrophen in die Sprache der frühen deutschen Liebesdichtung. Für Thema, Wortwahl, Versform und Strophe war Vorbild die Kanzone des Troubadour Guilhem de Cabestanh: Lojorn qu'ie us vi, dompna, primeiramen „Als ich zuerst, o Herrin, Euch erblickt, Als mich umstrahlte Eurer Schönheit Glanz, Ward jeder andre Wunsch dem Sinn entrückt, Und nur nach Euch ging all' mein Sehnen ganz." Statt der fünf Strophen des Vorbildes formt Walther nur zwei. Er rundet im Refrain: daz hat ir schcene und ir güete gemachet, und ir roter munt, der so liepUchen lachet. Das ist das tragende provenzalische Begriffspaar für äußeren und inneren Wert, beitat e bontat, und die bela bocha rizens, der schöne lachende Mund des Bernart von Ventadorn. Und doch steht in dem wohlgeformten Rund, den Troubadours unbekannt, ein Brillantsplitter, der r o t e Mund des deutschen Mädchens. Walthers Wol mich der stunde daz ich sie erkande wird als Tanzlied angesprochen und in die Nähe der Lieder der Niederen Minne gestellt. Tanz aber ist in diesen Stücken höfischer Tanz, der vom alten Reigentanz so weit ab steht wie die Lieder der Niederen Minne von ihrem volkstümlichen Ausgang. Im Gesamt der Gruppe liegen Volkstümliches, Mittellateinisches und Provenzalisches in hoher Kunst vereint. Wenn der rote Mund in einem Liede aufblitzt, das im übrigen ein Troubadour hätte dichten können, so steht umgekehrt in dem Lied 'Nemt, frowe, disen kränz' die Traumliebe des Arnaut de Maroiii, und Walthers Mädchen ist im Mailied gar gewandelt zur grausamen Kokette des Bernart von Ventadorn, deren gabar e rire 'Spotten und Lachen' schalkhaft zweideutig doch alle Hoffnung läßt. Die losen Strophen des frühen deutschenMinnesangs, besser gesagt der frühen deutschen Liebesdichtung vor dem Minnesang provenzalischer Art, bilden eine kostbare Schicht, die in der Romania weithin verloren und überdeckt oder nur an späten Trümmern und im romanischen Volkslied erkennbar ist, mit einer bedeutsamen Ausnahme: P o r t u g a l . Wenn wir die Grundlagen und auch die ältesten deutschen Strophen als volkstümlich
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begreifen und einen ungebrochenen Anstieg bis zu den Gipfeln Walthers verfolgen, so sind wir auf Widerspruch gefaßt, so weit wir auch das Feld gezogen haben. Aber der Anstieg von der Stegreifdichtung der Tanzgemeinschaft, die im Volke steht, bis zur hohen Kunstdichtung höfisch-königlicher Gesellschaft, liegt klar in der altportugiesischen Lyrik des 13. Jahrhunderts. Was sich in der Provence und in Italien verhüllt, was in Nordfrankreich aufleuchtet, in Deutschland deutlich wird, so wie wir den Ablauf sehen, das lebt an dem europäischen Gegenpol der Donaulande und Walthers. A. W. Schlegel hat von der Dichtung der provenzalischen Troubadours gesagt, daß sie, als ganz subjektive Poesie, sich wiederholen und ausarten mußte, wenn der Kreis der Gefühle durchlaufen war. Die in Fruchtbarkeit erschöpfte Mutter konnte nur in Kindern fortblühen, die in anderen Ländern ihr Glück suchten. Nur in Italien aber, und im Jahrhundert Dantes, kam etwas Neues und Größeres zustande. „Die zarten Keime der minnefrohen Zuversicht, daß Amore e il cor gentil sono una cosa gedeihen nur dort zu ihrer vollen Dichterblüte." Das ist die hohe Straße über die Troubadours hinaus. Von Italien führt sie über Petrarca aufs neue in die europäische Weite. Aber darunter liegt die bei allem Anstieg doch niedere Straße, die, vereint mit Ältestem, ins Volkslied ausmündet, die Straße Nordfrankreichs, Deutschlands, und, in vollem Sonnenlicht: Portugals. Die portugiesisch-galizische Kunstdichtung erblüht mit dem Auftreten der Provenzalen an den benachbarten spanischen Höfen. Am Hofe Alfons' des Gelehrten treffen sich portugiesische und provenzalische Dichter. Natürlich leben die Cantigas d'amor, die eigentlichen Minnelieder, die Lieder um Herrin und Dame, aus dem Gemeingut der provenzalischen Vorstellungen und Formeln. Aber wichtige Dinge fehlen oder sind kaum entwickelt : das einleitende Naturbild, joi vröude als die minniglichhöfisch gesteigerte Lebensfreude, onor ere als Steigerung des menschlich-persönlichen Wertes, der Gegensatz von Ehe und Liebe. Man hat die Einförmigkeit, die Ideenarmut, die Wieder-
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holung desselben Gedankens getadelt, den Mangel an Schmuck, an Bildern und Gleichnissen aus Erotik und Mythologie der Alten, das Fehlen der Kenntnis Ovids beachtet. Gewiß, dem Liederbuch z. B. des Königs Denis von Portugal, um 1300, fehlt die Geistigkeit des Bernart von Ventadorn, die bewegte Tiefe und sinnlich-bildhafte Fülle des Heinrich von Morungen, die samtene Schwermut Reinmars des Alten, die Gestaltungskraft Walthers von der Vogelweide. Am Rande_der romanischen Welt entwickelt sich die Minnedichtung eben auf anderen gesellschaftlichen und geistigen Grundlagen als in der übrigen Romania, auch in Deutschland. Das provenzalische Vorbild verschmolz mit einheimischer portugiesisch-galizischer Volkslyrik von fester Prägung, ausgezeichnet durch Refrain und unveräußerliche Bindungen und Verkettungen im Strophengebäude, Wiederholung desselben Gedankens und Ausdrucks von Strophe zu Strophe. Schon das beschränkte im 'Minnelied', der Nachbildung der Kanzone, die fremden Vorstellungen und Prägungen. Aber neben den Minneliedern, den Cantigas d'amor, stehen Cantigas d'amigo, 'Lieder an den Freund', 'Frauenlieder', 'Mädchenlieder', Kunstdichtungen der gleichen Minnesinger, so auch im Liederbuch des Königs Denis. Diese Mädchenlieder blieben der alten Volkslyrik nahe, eine köstliche Fülle vorhöfischen Gutes von hohem geschichtlichem Wert, wenn sie auch den neuen Vorstellungen nicht ganz entgingen: das sehnsüchtige, hingegebene Mädchen kann sich zur grausamen höfischen Kokette wandeln - wie bei Walther. Doch diese Durchschichtung verrückt nicht den Grundbestand: das a l t r o m a n i s c h e ' F r a u e n l i e d ' in der Form der Alleinrede oder des Gesprächs, als Partner der Geliebte,' die Mutter, die vertraute Freundin in Botenrolle, immer aber das Mädchen im Mittelpunkt, leidenschaftlich und treu, im Streit zwischen Herz und Zwang, wünschend, beglückt, getrennt, verlassen, schmerzbewegt; in allem Hoffen, Sehnen, Klagen schweifend in Stimmungen, ins Unbestimmte, keusch, einfach, altertümlich wie die Sprache, oft in epischem Rahmen, auf dem Grund der Begegnung.
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'Eu velida non dormia, lelia doura, e meu amigo venia, edoi lelia doura. Non dormia e cuidava, lelia doura, e meu amigo chegava, edoi lelia doura. E meu lelia e d'amor edoi
amigo venia, doura, tan ben dizia, lelia doura.
E meu lelia e d'amor edoi
amigo chegava, doura, tan ben cantava, lelia doura.'
'Ich Schöne schlief nicht, und mein Freund kam. Ich schlief nicht und dachte nach, und mein Freund kam. Und mein Freund kam,und sprach so gut von Liebe. Und mein Freund kam, und sang so schön von Liebe.' Das ist das Lied eines bekannten galizisch-portugiesischen Spielmannes aus dem 13. Jahrhundert, ein 'Mädchenlied', ein Glückslaut mit symbolisierendem Refrain, Erinnerung an eine Begegnung wie bei Walther, aber ohne Walthers Kraft der Szene, des Umrisses, der Farbe. Das ist der volkstümliche Ansatz, der Kern, den wir bestimmten, und über dem sich der Schleier hebt, Begegnung und Erinnerung im 'Mädchenlied', im 'Frauenlied', das nicht allein altromanisch, sondern auch
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deutsch gelebt hat, in Portugal wie an Rhein und Donau. Dem Schüler aber der provenzalischen Troubadours und der rheinischen Vaganten, der um alle Elemente wußte, zumal um die geschauten Szenen von 'Tagelied' und 'Pastourelle', fiel die Gnade zu, den Kristall zu formen. Seine künstlerische Lage war dabei die gleiche wie die jedes Portugiesen, ob Spielmann oder König; er stand, abgesehen von dem besonderen mittellateinischen Zuschuß, gleichzeitig im Banne neuer Gesellschaftslyrik und alter Volkslyrik, die sich mannigfach durchschichteten. Lieder der 'Hohen' und Lieder der 'Niederen Minne', das ist im Grunde die Scheidung von Cantigas d'amor und Cantigas d'amigo. Wir nehmen Stellung zur gelehrten Forschung, die wir immer wieder einbezogen und doch wieder beiseite schoben. An das Gesamt des Minnesangs wie an einzelne Gattungen hat man Theorien herangetragen, die wir gleich zu Eingang einbezogen: Wirkung arabischer Dichtung über Spanien klassischer, mittellateinischer, kirchlicher Dichtung über die Schule, die Geistlichkeit und die fahrenden Schüler. Einflüsse, ja wesentliche Zuschüsse aus all diesen Bereichen sind zuzugeben. Aber weder die Erscheinung noch die Gattungen der Liebes- und Minnedichtung sind daraus hervorgegangen. Man hat, wie in der Epenforschung, Entstehung und Entwicklung verhängnisvoll verwechselt. Wir versuchten aufs neue den Weg von den einfachen Formen zu den Gipfeln hoher Kunst. In den besonderen geschichtlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Provence wurde Liebesdichtung der Spielleute zu Minnedichtung der Troubadours; erst die Wandlung des Minnedienstes zur bedingungslosen Hingabe des Mannes ist arabisch, wie der große Spanier Ramon Menendez Pidal gesagt hat. Der große Franzose Alfred Jeanroy hat die alte westeuropäische Schicht der volkstümlichen Liebesdichtung klar gesehen, vor allem die Bedeutung des Frauenliedes. Aber auch diese, in dem höfischen Frankreich nie ganz verlorene, in Deutschland und Portugal am ehesten erkennbare Schicht, hat er aus Frankreich herleiten wollen. Wir stellten sie zu der allgemeinen Liebesdichtung der
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Völker von Portugal bis China, ohne frühe französische Einschüsse in dem Überlieferten leugnen zu wollen. Ein einleitendes Naturbild gilt weithin in der Dichtung der Völker. Das schließt nicht aus, daß die Mittellateiner es entwickelten, die Troubadours zum Kunstgriff formten und gar in den Eingang moralisierender Lyrik stellten. Das natürlich Mehrsträngige wird im forschenden Geiste allzu leicht einsträngig genommen. Unter den zwanzig Dichtern in des Minnesangs Frühling, der Sammlung der Minnesinger vor Walther von der Vogelweide, steht in der Mitte Heinrich von Veldeke, der Vater der höfischen Dichtung. Er dichtet, weit ab von den frühen Strophen der Donau, in der sanften Landschaft der Maas, im Grenzfeld zwischen Paris und Köln, da wo sich französisch und deutsch lebenwirkend begegnen, um 1170. Die fünfundzwanzig Lieder zeigen eine merkwürdig weite Spannung der Formen. Unter ihnen steht ein Tanzlied: Der scßne somer geit uns ane, des is vele manech vogel bilde, want si vrouwen sich te stride den scönen tit vele wale te entfäne. recht is järlanc dar der hare wenke den vele süten winden: ich bin worden wale geware nouwes louves ane der linden. Der schöne Sommer naht, heiter singen die Vögel um die Wette, die schöne'Jahreszeit wohl zu empfangen. Nun muß der rauhe Nordost den lauen Winden weichen: ich hab' junges Laub an der Linde erblickt. Das ist eine volkstümliche Maitanzstrophe, ein -Reigenlied, das vom Anger unter die Gedichte des Minnesingers verweht worden ist. Das kostbare Stück stellt sich zu den Tanzstrophen der portugiesischen, französischen und deutschen Mädchen in den Carmina Burana. Der Minnesinger hat es gekannt. Denn er formt es nach in einer Minnestrophe, die, stilisierend, einleiten-
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des Naturbild und minnigliches Empfinden aufeinander abstimmt. Von dieser Strophe, immer noch einer Tanzstrophe, beobachten wir den Anstieg in drei Liederkreisen provenzalischer Prägung, Minne und Gesellschaft, Macht der Minne, Hohe Minne. Auf dem Gipfel streiten der hingegebene Minnediener und die hinhaltende Kokette bis zum beglückenden Sich-Finden in einem höfischen komplimentierenden Tanzduett. Diese klar übersehbare Entwicklung eines Einzelnen auf vorgeschobenem Posten, eines Kenners der Heimat, der Franzosen und der Provenzalen, spiegelt zugleich die Entwicklung der Gattung, der frühen Lyrik überhaupt: Aufstieg aus volkstümlicher Kleinkunst. Wir bekennen uns damit zu dem alten schönen Satz Wilhelm Scherers: „Die populären Liebesweisen flogen wie Sommerfäden von den grünen Wiesen, auf denen die Bauern tanzten, in die Schlösser des Adels. Aus den unbeachteten Gelegenheitsscherzen einer frühen Zeit wurden im 12. Jahrhundert kleine Lieder, welche das erwachte Selbstgefühl der aristokratischen Gesellschaft bewunderte und festhielt, um auch den edlen Lebensschmuck der Poesie nicht zu entbehren." Gelehrte Forschung entließ uns vielfach in der Bedrückung, als ob alles nur ein Echo sei. Wir haben versucht, unserer ältesten Liebesdichtung den vollen Ton zurückzugeben in den Stimmen der Völker in Liedern.
ANMERKUNGEN
ZUM
VORTRAG
Für alle Fragen, die an den frühen deutschen Minnesang und an Walther von der Vogelweide zu stellen sind, sei verwiesen auf die Neubearbeitung von Des Minnesangs Frühling durch Carl von Kraus 1940, dazu die Untersuchungen 1939, auf Wilmanns-Michels Leben und Dichten Walthers von der Vogelweide 1916, Walther von der Vogelweide 1924, auf die Untersuchungen zu Walther von der Vogelweide von Carl von Kraus 1935. Ich verdanke viel einer neuen Beschäftigung mit dem Buche von A. Jeanroy, Les origines de la poésie lyrique en France au moyen âge, 2. Auflage 1904; das Buch ist weder von der deutschen noch von der vergleichenden literarischen Forschung genügend ausgeschöpft. Das reife Alterswerk des gleichen Gelehrten, L a Poésie lyrique des Troubadours, 2 Bände 1934, sei den Germanisten empfohlen; in Bd. I u. a. Histoire externe, Diffusion à l'étranger, in Bd. I I Histoire interne, Les genres, leur évolution et leurs plus notables représentants. So wie die Europäische Heldendichtung, 1939, zu G . Paris, P. Raijna, G . Gröber zurückkehrt, so unser Vortrag zu K . Bartsch, G. Gröber, G. Paris, vgl. die kritische Übersicht über die Theorien bei K . Voretzsch, Einführung in das Studium der altfranzösischen Literatur, 3. Auflage 1925, S. 153ffi Was immer man abziehen will von E. Wechsslers Werk Das Kulturproblem des Minnesangs, 1909, unauslöschlich ist die Erinnerung an die brillanten Marburger Vorlesungen, in denen das Buch entstand, und die meine ersten Semester beglückten. Aus der Fülle der benutzten Einzelliteratur sei nur einiges hervorgehoben. K . Voßler, Der Trobador Marcabru, Sitzungsberichte der Bayer. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 1913, 1 1 ; Der Minnesang des Bernhard von Ventadorn 1918, 2 ; Die Dichtung der Trobadors und ihre europäische Wirkung, in Band I der Aufsätze Aus der romanischen Welt, 2. Auflage, S. 5ff.— Über den „Natureingang" hat neu und grundlegend gehandelt D. Scheludko, Zur Geschichte des Natureinganges bei den Trobadors, Zs. für franz. Sprache u. Literatur 60 (1936), 257fr.; dazu L . Schneider, Die Naturdichtung des deutschen Minnesangs, 1938. Zur arabischen Theorie nimmt Stellung R . Menéndez Pidal, Poesía árabe y poesía europea, Annales de la Faculté des Lettres de Bordeaux, L X e année, Bulletin Hispanique, X L (1938), 337 ff., dazu R. Hartmann, Orientalische Literaturzeitung 44 (1941), 4iff.
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Über Walther und die Mittellateiner haben Klarheit gegeben H. Brinkmann, Entstehungsgeschichte des Minnesangs, 1926, und C. v. Kraus, Walther von der Vogelweide als Liebesdichter, 1925, Münchener Universitätsreden Heft 3, wieder gedruckt in der Insel-Bücherei Nr. 105 ; vgl. auch in den Untersuchungen zu Walther die Bemerkungen bei 3% 1 1 , S. 133, Walthers Mädchenlied. — Für die Romanze sei gewiesen auf K . Bartsch, Altfranzösische Romanzen und Pastourellen, 1870, und auf die Einleitung zu seiner Sammlung Alte französische Volkslieder, 1882; vgl. auch H. Suchier in seiner Geschichte der französischen Literatur, 1900, S. 8 ff., und die schlichte, aber überlegene Zeichnimg bei G . Gröber im Grundriß der romanischen Philologie II, 1 B S. 475 f. 665. Über die Pastourelle handelt zusammenfassend A. Pillet, Zum Ursprung der altprovenzalischen Lyrik, 1928. — Lieder der Begegnung mit Gespräch stehen bei Erk-Böhme im Deutschen Liederhort, z. B. Nr. 72. 73, dazu die Jägerlieder ab 1436; es fällt schwer, darin Absenker der Pastourelle zu sehen. Über das 'Gespräch' s. Jeanroy S. 45 ff. I39f. 460fr., er weist auf Italien, Portugal und Deutschland (Walther) und übersetzt ein besonders graziöses portugiesisches Stück; wir verweisen auf Des Minnesangs Frühling 6, 26. 3 2 , 1 . Über das Gespräch im Deutschen, insbesondere bei Walther, vgl. Kraus, Unsere älteste Lyrik, Festrede München 1930, S. 15 ff. Chinesische Gespräche unten. Beim Tagelied sei wieder nachdrücklich erinnert an die Sammlungen aus fremden Literaturen bei W. de Gruyter, Das deutsche Tagelied, Diss. Leipzig 1887, S. 140ff., dazu G. Roethe im Anzeiger für deutsches Altertum 16 (1890), 85f.; s. auch unten, Texte. Frühe deutsche Strophen erwähnen das gemeinsame Ruhen oder setzen es voraus; Nachleben in den Refrains und sonst Jeanroy S. 68f. 77f. 109. Nächtliche Klage des Mädchens z. B. bei dem von Kürenberc 'Swenne ich stän aleine in mînem hemede' 8 , 1 7 , in dem unten nach Talvj abgedruckten serbischen Lied 'Der säumende Freund', mit Anklang an das Tagelied in der Chanson des Gaces Brûlez, K . Bartsch, Chrestomathie de l'ancien français, 8. Auflage 1904, S. 2 8 1 ; Tagelied und Klage mischen sich auch in portugiesischen Stücken der Vatikanischen Handschrift, gedruckt von E . Monaci, Halle 1875, Nr. 771. 772. 782, französische Übersetzung nach 7 7 1 . 7 7 2 , bei Jeanroy S. 144, s. unten.— Über glückliches Finden im Freien sagt L . K . Goetz, Volkslied und Volksleben der Kroaten und Serben, Bd. II, 1936, S. 208f.: „ D e r Wald und seine Bäume verschiedener Art sind nicht weniger oft Schauplatz des Liedes und Ort der Zusammenkünfte, mag es sich um den einzelnen oder um das Liebespaar handeln. Im Wald, unter Tannen oder anderen Bäumen sitzen die Liebenden, trinken, küssen, beschauen sich im Spiegel, sprechen miteinander über ihre Liebe. Sie schlafen unter dem Mandelbaum oder dem Ölbaum, sprechen nach dem Erwachen miteinander; manchmal weckt sie die Mutter. Der Wald ist oft
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die Stelle, wo das Mädchen schläft und von dem Burschen geweckt oder geküßt wird. Wenn der Jüngling die Jungfrau im Walde oder unter Blumen antrifft, entspinnt sich wohl ein Gespräch unter ihnen; es entwickelt sich das Liebesverhältnis, wofern sie nicht dem Störer davonläuft." I S. n 3 f . : „Das Lager der Liebenden ist bald auf den weichen Kissen des Zimmers, bald in der freien Natur, auf der Wiese, im Klee, im Garten, im Wald, unter Föhren, Ahorn, Mandelbaum, Ölzweig. Oft wird da geschildert, wie das Bett die Erde ist, Blumen, Klee und Gras ganz verwälzt, die Decke Gesträuche oder der Himmel und die Sterne, Kissen ihre Hände, Zeugen dieser Liebesvermählung die Engel vom Himmel, Hochzeitsmusik die Glocken des Dorfes. Aus Blumen und Rosen macht die Liebste das Lager, so daß der Bursch vor Blütenduft wie vor Schönheit des Mädchens nicht einschlafen kann." Aus Bartsch, Romanzen und Pastourellen I 32, S. 28, sei angeführt: Deus, con si ait biaus bois! Ii roisignors i chante, la mavis, la callandre, Ii orious,'tuit Ii oisel ki sont. ou bois sor la violete, ki tant est sadete, siet la pucelete. 'suis si pris, dous amins, reposon nous'. Gott, wie schön ist der Wald! Die Nachtigall singt da, die Rotdrossel, die Haubenlerche, der Pirol, alle Vögel die es gibt. Im Wald, auf dem Veilchenpolster, das so weich ist, sitzt das Mädchen. 'Ich bin so erschöpft, lieber Freund, wir wollen ruhen.' Dazu nehme man die vielen Motets bei Bartsch I I ab 88, S. 210, z. B. 88 den Schluß 'Und als die Drossel unter dem Gezweig laut gesungen hatte, ruhte sie sanft nach meinem Willen'; 102 die Begegnung im Wald, sie sieht ihn, hüpft ihm zu, er: 'Willkommen, Liebe, die ich unter dem Gezweig lieb halten will', ähnlich 1 1 2 ; 1 1 1 Umhalsung in der Kühle des Morgens. Wir erinnern an Goethes 'Zwischen Weizen und Korn' und drucken ab ein russisches Frauenlied nach A. Scholz, 50 russische Volkslieder, Leipzig, Nr. 39, S. 46: Bin ins Erntefeld gegangen, Sah die goldnen Saaten prangen — Ei, nun hurtig angefangen! Hab' gemüht mich viele Stunden, Korn geschnitten und gebunden, Bis mir alle Kraft geschwunden.
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Theodor Frings Immer müder, immer müder Wurden mir die matten Glieder — Sanken auf die Garben nieder. Kommt ein schmucker Bursch geschritten, Sieht mich schmunzelnd, tut schön bitten, Küßt mich — und ich hab's gelitten. Und mein Man ist sicher bange, Denkt bei sich: „ I m Arbeitsdrange Bleibt mir Mascha viel zu lange !" Bis zur Nacht ist sie geblieben. Wie sie sich die Zeit vertrieben ? Ei, davon steht nichts geschrieben.
A. D'Ancona, L a poesia popolare italiana, Livorno 1878, S. 2 5 1 : Bella, bellina, se vieni alla vigna, T i ce l'ho fatta una gentil capanna: Il letto te l'ho fatto di gramigna, E le lenzuola di foglia di canna: In questo letto tutto gentilezza, Vieni, riposerai con dolcezza. Schöne, Niedliche, wenn Du zum Weingarten kommst, ich habe Dir eine freundliche Hütte gebaut : Das Bett habe ich Dir aus Quecken zurechtgemacht, und die Laken aus Schilfblättern; komm, in diesem so lieben Bett wirst Du sanft ruhen. Das Lied der Comtessa de Dia steht bei Lommatzsch Nr. 29, dort auch eine Übersetzung S. 294. Französische Frauenlieder bei Jeanroy S. 77, dort das unten gedruckte Lied eines französischen Mädchens und die oben erwähnte Klage des Gaces Brûlez, S. 97fr. und im Anhang S. 480fr., Frauen als Dichterinnen S. 96. 299. 324. Ferner O. Schultz, Die provenzalischen Dichterinnen, 1888, Chanson d'une dame, Bartsch, Chrestomathie provençale, 3. Auflage 1875, S. 225, Wechssler (s. oben) S. 230, W. Wackernagel, Altfranzösische Lieder und Leiche, 1846, Nr. 4. 6. 33.— Über Wilhelm von Poitou und den Kürenberger s. F. Panzer, Dichtung und Volkstum, 4 0 , 1 3 3 f r . — Das Falkenlied des Kürenbergers hat schon W. Storck, Hundert altportugiesische Lieder, 1885, zu Nr. 33 verglichen, Original Monaci 758: Mete el rei barcas no rio forte, — Que amigo ha que Deus lho amostre — A là vai, madre, O de qu'ei suMsde 'Sehnsucht'.
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Mete el rei barcas na Estremadura, — Que amigo ha que Deus lho aduga— A lä vai, madre, O de qu'ei suidade. Die Romanze von Bele Erembors bei Bartsch I i , S. 3. Zu den serbischen Falkeriliedern vgl. Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 54 (1930), 144S. Ein chinesisches Lied bei Waley (s. unten) Nr. 80 S. 75, beginnt: Swoop flies that falcon; Dense ihat northern zuood. Not yet have 1 seen my lord; Sore grieves my heart. Aus A. Erman, Die Literatur der Ägypter, Gedichte, Erzählungen und Lehrbücher aus dem 3. und 2. Jahrtausend v. Chr., Leipzig 1923, führen wir an S. 303: „Während die Liebeslieder der älteren Zeit uns bisher noch unbekannt sind, sind uns aus dem neuen Reiche nicht weniger als fünf kleine Sammlungen erhalten. Mag dabei nun auch der Zufall seine Hand im Spiele haben, daran, daß diese Art der Lyrik damals in besonderer Blüte stand, möchte man doch nicht zweifeln, schon deshalb nicht, weil all diese Lieder wie Erzeugnisse einer gleichen Richtung anmuten. Zumeist sind es kurze Lieder ohne strengen Versbau, schlichte Reden, in denen bald die Geliebte, und bald der Liebende spricht. Auf jedes Lied folgte wohl, wie nach den Zeichen in den Handschriften zu vermuten ist, ein Spiel auf irgendeinem Instrument und daher kommt es wohl, daß. das folgende Lied kaum je auf das vorhergehende Bezug nimmt. Mit der Liebe verbindet sich in dieser Richtung die Freude an der Natur, an den Bäumen und Blumen im Garten und auf dem Wasser.... Daß diese Lieder dem Hohenliede ähnlich sind, wird jedem auffallen und auch ein äußerer Zug — die Liebenden nennen sich dort wie hier 'Bruder' und 'Schwester' — spricht für einen Zusammenhang." Erman unterscheidet 1. Reden der Liebenden, 2. Das Mädchen auf der Flur, Das Mädchen redet allein, z. B. S. 309: Du Schönster, mein Wunsch soll sein, daß ich dich liebe als deine Haus; frau, daß dein Arm auf meinem Arme liegt — Wenn mein älterer Bruder heute nacht nicht bei mir ist, so bin ich wie der Begrabene, denn bist du nicht Gesundheit und Leben ? S.304: Wenn der Wind kommt, will er zu Sykomore, wenn du kommst „willst du zu mir" wird man ergänzen dürfen. Unter den Überschriften 'Glücklich', 'Sehnsucht', 'Verlassen', 'Klage', 'Wechsel' ist unten Chinesisches geordnet, nach Beratung mit E. Erkes. Die ergreifende Witwenklage gehört zu den schönsten Stücken der chinesischen Lyrik. Die Kanzone des Giacomino Pugliese ist unten abgedruckt. Die Mannesstrophe des Dietmar von Eist steht in des Minnesangs Frühling 34, 3, die Frings, Minnesinger
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klagende Mannesstrophe 32, 9, die Strophen des Regensburgers 16, 23. 15, das chinesische Manneslied unten unter 'Sehnsucht', dazu die Strophe des Kürenbergers 9, 21. Chinesische 'Wechsel' sind ebenfalls unten abgedruckt. Zum Tanz s. E. Sievers über die mittelhochdeutsche Tanzdichtung, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 56 (1932), 181 ff., K . Voßler, Bernhard von Ventadorn (s. oben), S. 44f., J. Götlind, I lekstugan, Svenska Kulturbilder 5, Stockholm 1931, S. I43ff., Tanz u. a. in der Weihnachtszeit S. I54f., Aufforderung an die Mädchen zur Bildung einer lekstuga. Die Urteile über die Troubadours stehen bei Voßler in den Aufsätzen (s. oben) S. 27, bei Jeanroy S. 304. Der Abschnitt über das Portugiesische folgt der Einleitung von H. R. Lang zu seiner Ausgabe des Liederbuches des Königs Denis von Portugal, 1894. Längs Anschauungen pflichte ich bei. W. Krauß machte mich aufmerksam auf das Buch von Rodrigues Lapa, Das origens da poesia lirica em Portugal na idade-media, Lisboa 1930. Die ablehnenden Besprechungen von D . Scheludko, Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 52 (1931), 2i9ff. und S. Pellegrini, Zeitschrift für .romanische Philologie 54 (1934), 357ff. gehen zu weit, vgl. die berechtigte Selbstverteidigung von Lapa Literaturblatt 53 (1932), 77ff. Wichtig ist der Hinweis auf liturgische Einflüsse. Zu begrüßen ist Lapas Schlußsatz S. 80: „Nach der weiblich betonten Gefühlsrichtung und nach der frischen Ursprünglichkeit der behandelten Themen aber muß man gerade die galizisch-portugiesische Lyrik als die wesenstreueste Repräsentantin dieser urromanischen Lyrik betrachten." Reizvoll bleibt das Büchlein von F. Diez, Über die erste portugiesische Kunst- und Hofpoesie, 1863, besonders der Abschnitt Inhalt S. 72ff.—Die Worte von A. W. Schlegel bei Voßler, Bernart von Ventadorn, S. 1, Voßlers eigener Satz Aufsätze S. 41. — Die portugiesischen Mädchenlieder nehmen einen breiten Raum ein in der Sammlung von Pellegrini, s. unten. Über Veldekes Lyrik jetzt Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 69 (1947), i f f . , Festschrift Kluckhohn-Schneider, 1948, i o i f f . — Der Satz W. Scherers in der Literaturgeschichte, 3. Auflage 1880, S. 202; dazu die dauernd wertvolle Sammlung von Vergleichbarem aus der Weltliteratur in der Besprechung der zweiten Ausgabe von des Minnesangs Frühling, Anzeiger für deutsches Altertum 1 (1876), 197ff.
LIEDER
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MÄDCHENLIED WALTHERS VON DER VOGELWEIDE 'Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ mugt ir vinden schöne beide gebrochen bluomen unde gras, vor dem walde in einem tal, tandaradei, schöne sanc diu nahtegal. Ich kam gegangen zuo der ouwe: dö was mîn friedel komen ê. dâ wart ich empfangen, hère frouwe, daz ich bin saelic iemer mê. kuster mich? wol tûsentstunt: tandaradei, seht wie rôt mir ist der munt. Dö het er gemachet alsô riche von bluomen eine bettestat. des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. bî den rösen er wol mac, tandaradei, merken wâ mirz houbet lac.
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Daz er bi mir lsege, wessez iemen (nu enwelle got!), s6 schämt ich mich. wes er mit mir pflsege, niemer niemen bevinde daz, wan er unt ich, und ein kleinez vogellin: tandaradei, daz mac wol getriuwe sin.' BEGEGNUNG, CHINESISCH Out in the bushlands a creeper grows, The falling dew lies thick upon it. There was a girl so lovely, Clear brow well roufided. By chance I came across her, And she let me have my will. Out in the bushlands a creeper grows. The falling dew lies heavy on it. There was a girl so lovely, Well rounded her clear brow. By chance I came upon her: 'To be with you is good.' There in the oozy ground by the Fen I was plucking the sorrel; There came a gentleman Lovely beyond compare, Lovely beyond compare, More beautiful than any that ride With the duke in his coach. There on a stretch by the Fen I was plucking mulberry-leaves;
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There came a gentleman Lovely as the glint of jade, Lovely as the glint of jade, More splendid than any that attend The duke in his coach. There in the bend of the Fen I was plucking water-plantain; There came a gentleman Lovely as jade, Lovely as jade, More splendid than any that escort The duke in his coach. ZWEI GESPRÄCHE, CHINESISCH He: The gourd has bitter leaves; The ford is deep to wate. She: If a ford is deep, there are stepping-stones; If it is shallow, you can tuck up your skirts. He: The ford is in full flood, And baleful is the pheasant's cry. She: The ford is not deep enough to wet your axles; The pheasant cried to find her mate. The Lady: Heigh, the green coat, The green coat, yellow lined! The sorrow of my heart, Will it ever cease? Heigh, the green coat, Green coat and yellow skirt! The sorrow of my heart, Will it ever end?
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The Man: Heigh, the green threads! It was you who sewed them, I'll be true to my old love, If only she'll forgive me. ' Broad-stitch and openwork1) Are cold when the wind comes, I'll be true to my old love Who truly holds my heart. ÄLTESTES DEUTSCHES TAGELIED 'Slâfest du, friedel ziere ? man wecket uns leider schiere : ein vogellîn sô wol getân daz ist der linden an daz zwî gegân.' 'ich was vil sanfte entslâfen : nu rüefestu kint Wâfen. liep âne leit mac niht gesîn. swaz du gebiutest, daz leiste ich, friundin min.' Diu frouwe begunde weinen, 'du rîtest und lâst mich eine, wenne wilt du wider her zuo mir? owê du füerest min fröide sament dir!' ZWEI CHINESISCHE TAGELIEDER The lady says: 'The cock has crowed;' The knight says : 'Day has not dawned.1 'Rise, then, and look at the night ; The morning star is shining. You must be out and abroad, Must shoot the wild-duck and wild-geese. l
) Symbol of the new mistress.
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When you have shot them, you must bring them home And I will dress them for you, And when I have dressed them we will drink wine And I will be yours till we are old. I will set your zitherns before you; All shall be peaceful and good. Did I but know those who come to you, I have girdle-stones of many sorts to give them; Did I but know those that have followed you, I have girdle-stones of many sorts as presents for them. Did I know those that love you, I have girdle-stones of many sorts to requite them.' Anmerkung des Übersetzers : This song and the next could be paralleled by many 'albas', dawn-songs, in European traditional poetry.
The Lady: The cock has crowed; It is full daylight. The Lover: It was not the cock that crowed, It was the buzzing of those green flies. The Lady: The eastern sky glows; It is broad daylight. The Lover: That is not the glow of dawn, But the rising moon's light. The gnats fly drowsily; It would be sweet to share a dream with you. The Lady: Quick! Go home! Lest I have cause to hate you ! RUSSISCHES TAGELIED "O lune, chère lune, cache-toi, que je cause un instant avec pion ami. - O lune, chère lune, tu peux luire et ne pas te cacher; et toi, mon ami, si tu pars, reviens bien vite." La lune, la petite lune brille et l'aube commence à poindre; il fait clair dans la
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cour où est la jeune fille. Voici que les bruits du jour se font entendre; on va jaser sur la jeune fille aux sourcils noirs. Le coquelicot commence à fleurir; il s'épanouit. Lorsque le jour paraît, le cosaque se sépare de la jeune fille. La belle de jour fleurit d'une couleur blanchâtre ; à la lueur blanchâtre de l'aube, le cosaque se sépare de son amie. VIER SERBISCHE LIEDER N a c h t i g a l l , sing' n i c h t so f r ü h e ! Nachtigall, sing' nicht so frühe ! Wecke mir nicht meinen Herren ! Selbst hab' ich ihn eingeschläfert, Selbst will ich ihn auch erwecken ! Will ins Gärtchen draußen gehen, Und Basilienstauden pflücken, Will damit die Wang' ihm streicheln, Und der Liebste wird erwachen! U n t e r dem M a n d e l b a u m Wuchs ein liebes Mandelbäumchen Schlank in die Hohe; Unter ihm schläft Mehmed Aga Mit der Geliebten. Polster ist die schwarze Erde, Rasen so tauig, Deck' ist ihm der heit're Himmel, Glänzend besternet; Kissen ihre weißen Arme Einer dem Andern. Der s ä u m e n d e F r e u n d Finstre Nacht, wie bist du voll des Dunkels ! Voller noch, mein Herz, bist du des Kummers !
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Leid erleid' ich, Keinem kann ich's sagen! Keine Mutter hab' ich, ihr's zu sagen, Hab' kein Schwesterchen, es ihr zu klagen; Einen Freund nur, doch der ist nicht bei mir! Eh' er kommt, wird halb die Nacht vergehen. Eh' er aufwacht, schon die VÖglein singen, Eh' er küßt, ist da die Dämmerfrühe: „Geh' nur heim, Freund, nahet schon der Morgen!" Glückliches Finden Durch den Wald, durch einen zweiten, dritten, Ging ich bis zum vierten Kiefernwalde. Grün belaubt stand dorten eine Kiefer, Unter'm Baume war ein weiches Lager, Aber auf dem Lager schlief mein Liebchen. Allzu leid tat mir's, sie aufzuwecken, Allzu freudig war ich, sie zu küssen; Da begann zum Himmel ich zu beten: „Gott, gib einen Windstoß mir vom Meere, Der ein Zweiglein von der Kiefer schlage, Meinem Liebchen führe auf das Antlitz!" Gott gab einen Windstoß mir vom Meere, Und es fiel ein Zweiglein von der Kiefer, Meinem Liebchen fiel es auf das Antlitz. Da erwachte die Geliebt' und Teure! Herzten uns nun bis zur Morgenröte; Weder wüßt' es mein noch ihre Mutter, Über uns nur wußt's der helle Himmel, Und das weiche Lager unter uns. MÄDCHENKLAGE UND NÄCHTLICHES GLÜCK IM PORTUGIESISCHEN "Sans mon ami, je vais songeuse; je suis seule et mes yeux ne se ferment point; je demande ardemment ä Dieu que la
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lumière arrive, et il ne me la donne en aucune façon. Mais si j'étais avec mon ami, l'aurore aussitôt arriverait. "Et, selon ce qui me paraît, quand mon seigneur, ma lumière et mon bien est avec moi, aussitôt paraît l'aurore dont je n'ai nul désir, et aujourd'hui la nuit dure et se prolonge. Si j'étais, etc. "Père céleste, plus de cent fois je vous demande, par celui qui est mort sur la vraie croix, d'amener bientôt l'aurore, mais surtout de ramener les nuits d'autrefois. Si j'étais, etc." ... "Hier, je me couchai toute songeuse; et la nuit durait et se prolongeait; mais celle d'aujourd'hui ne lui ressemble guère, car je vis mon ami; et à peine commençait-il à me parler que déjà l'aurore avait paru." Levad', amigo, que dormides as manhanas frias, toda-las aves do mundo d'amor dizian. Leda mh-and' eu. Levad', amigo, que dormide-las frias manhanas, toda-las aves do mundo d'amor cantavan, Leda mh-and' eu. Toda-las aves do mundo d'amor dizian, do meu amor e do voss' enment' avian. Leda mh-and' eu. Toda-las aves do mundo d'amor cantavan, do meu amor e do voss' i enmentavan, Leda mh-and' eu. Do meu amor e do voss' en ment' avian, Vos lhi tolhestes os ramos en que siian. Leda mh-and' eu. Do meu amor e de voss' i enmentavan, Vos lhi tolhestes os ramos en que pousavan, Leda mh-and' eu.
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Vos lhi tolhestes os ramos en que siian, e lhis secastes as fontvs en que bevian. Leda mh-and' eu. Vos lhi tolhestes os ramos en que pousavan, e lhis secastes as fontes u se banhavan. Leda* mh-and' eu. Levez-vous, ami, qui dormez à la fraîcheur du matin : Tous les oiseaux du monde parlaient d'amour. Je vais joyeuse. Levez-vous, ami, qui dormez le matin à la fraîcheur; Tous les oiseaux du monde chantaient d'amour. Je vais... Tous les oiseaux du monde parlaient d'amour; C'est de mon amour et du vôtre qu'ils s'entretenaient. Je vais... Tous les oiseaux du monde chantaient d'amour; C'est de mon amour et du vôtre qu'ils parlaient. Je vais... C'est de mon amour et du vôtre qu'ils s'entretenaient; Vous avez coupé les branches où ils se perchaient. Je vais... C'est de mon amour et du vôtre qu'ils parlaient; Vous avez coupé les branches où ils se posaient. Je vais... Vous avez coupé les branches où ils se perchaient, Et desséché les sources où ils buvaient. Je vais... Vous avez coupé les branches où ils se posaient. Et desséché les sources où ils se baignaient. Je v a i s . . . .
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LIED EINES FRANZÖSISCHEN MÄDCHENS Entre moi et mon ami, en un bois k'est les Betune, alanmes juant mardi toute la nuit a la lune, tant k'il ajorna et ke l'aloue chanta, ke dis 'amis, alons an.' et il respont doucement 'il n'est mie jors, saverouze au cors gent, si m'ait amors, l'alouette nos mant.' Adont se trait près de mi et je ne fui pas anfrune : bien trois fois me baisa il, ansi fis je lui plus d'une, k'ainz ne m'anoia. adonc vosessiens nous la ke celle nuis durast sant, mais ke plus n'alast disant 'il n'est mie jors, saverouze au cors gent, si m'ait amors, l'alouette nos mant.' Ich und mein Liebster, in einem Wald bei Betune, spielten miteinander Dienstag die ganze Nacht im Mondenschein, bis es tagte und die Lerche sang und ich sagte 'Liebster, wir wollen gehn.' Und er antwortete sanft 'Es ist noch nicht Tag, Liebliche und Reizende, so wahr mir die Liebe helfe, die Lerche belügt uns.' , Da'preßt er sich an mich und ich war nicht ablehnend: wohl drei mal küßte er mich, und ich ihn mehr als einmal, daß es mich
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nicht verdroß. Da hätten wir uns gewünscht, daß die Nacht hundert Nächte dauerte, aber er nicht mehr zu sagen brauchte 'Es ist noch nicht Tag, Liebliche und Reizende, so wahr mir die Liebe helfe, die Lerche belügt uns.' GRIECHISCH Unter Sapphos N a m e n Der Mond ist untergegangen, versunken sind die Plejaden; schon Mitternacht ist's, die Stunde verrinnt - und alleine schlaf' ich. Theokrit Nun erschweigt das Meer, die Winde schweigen, Nur die Sehnsucht schweigt nicht meines Herzens. Ihn sucht heißes Sehnen, der mich Arme Aus der Jungfrau nicht zur Gattin machte. Nun allein ich bin, erklinge, Klage. Die V e r l a s s e n e Freundliche Sterne, hehre Nacht, mitfühlend meinem Leiden, Führt mich zu ihm, zu dem mich treibt die Übermacht der Liebe; Wie eine Fackel brennt das Feuer meiner Seele, Das kränket, das schmerzt. Er, der mich betrog, der stolz sich verschwur, Nicht Sinnenlust sei's, die ihn zu mir geführt Ihm ward die kleine Kränkung Grund zum Bruch. Der Wahnsinn packt mich! Die Verlassene brennt der Eifersucht Qual.
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Ich bitte nur eins: wirf die Kränze mir zu! Die press' ich ans Herz, Da ich dich nicht hab'. CHINESISCH Glücklich Gay the flower, Lush its leaves. I have seen my lord, And my heart is at rest, My heart is at rest. Small wonder that he is praised! Gay the flower, Gorgeous its yellow. I have seen my lord, And magnificent he is, Magnificent he is. Small wonder that he is blessed! Gay the flower, With its. yellow and white. I have seen my lord Driving white horses with black manes, Four white horses with black manes, And six reins all glossy. Tall is the pear tree That is on the left side of the road. Ah, that good lord At last has deigned to visit me. To the depths of my heart I love him. Had I but drink and food for him! Tall is the pear tree That is at the turn of the road.
Minnesinger und Troubadours A h , that good lord A t last is willing to come and play with 1 T o the depths of my heart I love him. Had I but drink and food for him! Sehnsucht Thick grow the rush leaves; Their white dew turns to frost. He whom I love M u s t be somewhere along this stream. I went up the river to look for him, But the way was difficult and long, I went down the stream to look for him, A n d there in mid-water Sure enough, it's he. Cold blows the northern wind, T h i c k falls the snow. Be kind to me, love me, Take my hand and go with me. Y e t she lingers, yet she havers! T h e r e is no time to lose. T h e north wind whistles, Whirls the falling snow. Be kind to me, love me, Take my hand and go home with me. Y e t she lingers, yet she havers! There is no time to lose. By that swamp's shore Grow reeds and lotus. There is a girl so fair O h , how can I cure my wound? D a y and night I can do nothing; A s a flood my tears flow. Frings, Minnesinger
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Verlassen In the midst of the valley is motherwort All withered and dry. A girl on her own, Bitterly she spbs, Bitterly she sobs, Faced with man's unkindness. In the midst of the valley is motherwort All withered and seared. A girl on her own, Long she sighs, Long she sighs, Faced with man's wickedness. In the midst of the valley is motherwort All withered and parched. A girl on her own, In anguish she weeps, In anguish she weeps, But what does grief avail. Klage Oh, the flowers of the biguonia, Gorgeous is their yellow! The sorrows of my heart, How they stab! Oh, the flowers of the biguonia, And its leaves so green! Had I known it would be like this, Better, that I should never have been born! Swoop flies that falcon; Dense that northern wood. Not yet have I seen my lord;
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Sore grieves my heart. What will it be like, what like? I am sure many will forget me. On the hill is a clump of oaks And in the lowlands, the piebald-tree. Not yet have I seen my lord; My grief I cannot cure, What will it be like, what like? I am sure many will forget me. On the hill is a clump of plump-trees; And on the lowlands, planted pear-trees. Not yet have I seen my lord; With grief I am dazed. What will it be like, what like? I am sure many will forget me. Tossed is that cypress boat, Wave-tossed it floats. My heart is in turmoil, I cannot sleep. But secret is my grief. Wine I have, all things needful For play, for sport. O sun, ah, moon, Why are you changed and dim? Sorrow clings to me Like an unwashed dress. In the still of night I brood upon it, Long to take wing and fly away. Witwenklage The cloth-plant grew till it covered the thorn bush; The bindweed spread over the wilds.
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My lovely one is here no more. With whom? No, I sit alone. The cloth-plant grew till it covered the brambles The bindweed spread across the tomb. My lovely one is here no more. With whom? No, I lie down alone. The horn-pillow so beautiful, The worked coverlet so bright! My lovely one is here no more. With whom? No, alone I watch till dawn. Summer days, winter nights Year after year of them must pass Till I go to him where he dwells. Winter nights, summer days Year after year of them must pass Till I go to his home. Zwei W e c h s e l Thick grows the cocklebur; But even a shallow basket I did not fill. Sighing for the man I love I laid it there on the road. 'I am climbing that rocky hill, My horses stagger, And I stop for a little to drink from that bronze ewer To still my heart's yearning. I am climbing that high ridge, My horses are sick and spent, And I stop for a little while to drink from that horn cup To still my heart's pain.
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I am climbing that shale; My horses founder, My groom is stricken, Oh, woe, oh, misery!' Bemerkung des Übersetzers: In the first verse it is a lady left at home who speaks; in the remaining verses it is the man away on a perilous journey.
She: That cock-pheasant in its flight Flaps feebly with its wings; By this passion of mine What have I brought myself but misery? That cock-pheasant in its flight Cries low, cries high; Ah, my lord, truly You have broken my heart. He: Look up at the sun, the moon. Not less enduring is my love. But the way is long; How could I possibly come ? W e c h s e l oder G e s p r ä c h She: Spray rises from those waters; The white rocks are rinsed. White coat with red lappet, I followed you to Wo; And now that I have seen my lord, Happy am I indeed. Spray rises from those waters; The white rocks are washed clean. White coat with red stitching, I followed you to Ku; And now that I have seen my lord, How can I be sad?
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He: Spray rises from those waters; The white rocks are dabbled. I hear that you are pledged; I dare not talk to your people. Anmerkung des Übersetzers: The places mentioned are all in CentralSouthern Shansi. In the first two verses, the white rocks are symbols of the man's fresh, clean appearance. In the third verse they symbolize his tears shed because he knows that the lady has been bidden by her parents to marry someone else and that it is hopeless for him to talk to her parents, ask for her hand.
CANZONE DES GIACOMINO PUGLIESE La dolcie ciera piagiente E gli amorosi sembianti Lo cor m'alegra e la mente, Quando mi pare dauanti. Sì uolontieri la ueio Quella chu' io amai; La boca ch'io basciai Ancor l'aspetto e disio. L'aulente boca e le menne E lo petto le ciercao : Fra le mie braza la tenne, Basciando mi dimandao : „Messer, se uenite a gire, Nom faccate adimoranza, Chè nonn è di bona usanza Lasciar l'amore e partire." Allotta ch'eo mi partiui E dissi : „A Dio u'acomando", La bella guardò uer meui,
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Sospiraua lagrimando. Tant'erano Ii sospire, C'apena mi rispondea: La dolze madonna mia Non mi lasciaua partire. Io nom fuiui si lontano Che '1 mio amore u'ubriasse, E non credo che Tristano Isaotta tanto amasse. Quando uegio l'auenente Infra le done aparire, Lo cor mi trae di martire, E ralegrami la mente. Das liebliche, entzückende Antlitz und die liebenswürdige Erscheinung erfreuen mir Herz und Sinn, wenn sie vor mir steht. So gern sehe ich sie, die ich liebte; den Mund, den ich küßte, erwarte und begehre ich noch jetzt. Den duftenden Mund und die Brüste und den Hals umarmte ich: in meinen Armen hielt ich sie, und mich küssend fragte sie mich: „Herr, wenn Ihr kommt, so zögert nicht, denn es ist kein guter Brauch, die Liebe zu lassen und wegzugehen." Dann, als ich wegging und sagte: „Ich befehle Euch Gott", blickte mich die Schöne an, seufzte weinend. So groß waren die Seufzer, daß sie mir kaum antwortete: Meine süße Herrin ließ mich nicht gehen. Ich ging nicht so weit weg, daß ich meine Liebe dort vergäße, und ich glaube nicht, daß Tristan Isolde so sehr geliebt hat. Wenn ich die Holde sehe erscheinen unter den Frauen, bringt es mir Qual ins Herz und erfreut mir den Sinn.
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DEUTSCH UND NORDISCH Schnaderhüpfel Heut scheint der mond so schön, thuen die lablen rauschn; geh her, mei liebs schatzl, thuen mr herzl tauschn. Isländisch Vel {»er, selia, stendr ]?ü vidi naer, laufguö harlavel;
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maör skekr af {>er morgindgggvar, en ek at t>egni f>rey nätt sem dag. Wohl dir Weide, am Meere stehst du, schön belaubt. Von dir schüttelt einer den Morgentau, aber ich sehne mich Nacht und Tag nach dem geliebten Mann. Schwedisch Linden stär med gröna blad, hon bär sä däjliga blommor; jag blir sä glader uti mitt sinn, fick se min käresta komma. Die belaubte Linde trägt schöne Blüten; ich bin so froh, meine Liebste kam. Näktergalen han sjunger väl, allt uti gröna hinden; ock den som har en järtlig kär, visst tar han hänne pä stunden. Schön singt die Nachtigall im grünen Hain; und wer eine Liebste hat, nimmt sie gleich zu sich.
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Det växer korn uti smä torp säväl som stora byar; väl fär jag den, som jag vill ha, när jag gär själv ästa ock friar. Allerorts wächst das Korn; wenn ich liebe, bekomme ich wen ich will. Ock hasselbuskar bade stora ock smä de äro fulla med nötter; dansa lätt, min unga brud, jag fryser om mina fötter. Alle Haselbüsche hängen voll Nüsse; tanze dahin, Mädchen, ich friere an den Füßen. Ock bokelöv ock lindelöv, ock nävar fulla med nötter; dansa fort, min lille vän, jag fryser om mina fötter. Buchenlaub und Lindenlaub, und die Hände voll Nüsse; tanze geschwind, lieber Freund, ich friere an den Füßen. Norwegisch Mänen blsengte o sjönnun tindra, o alli nuoko mitt jarta tvinga; dasn kvsellen laikandi leivi djekk, for djasntas duyrasti ja eg fekk. Der Mond schien und die Sterne glänzten, und nichts mein Herz bedrückte; den Abend ging das Leben spielend, denn des Mädchens Teuerstes bekam ich.
ANMERKUNGEN
ZU D E N
LIEDERN
Die folgenden Bemerkungen gelten für oben im Vortrag angeführte wie für die gesondert abgedruckten Lieder. Das Mädchenlied Walthers nach Lachmann-Kraus, Die Gedichte Walthers von der Vogelweide, 39, 1 1 , 10. Auflage 1936. — Die „ R o m a n z e " des Marcabru steht bei E . Lommatzsch, Provenzalisches Liederbuch, i 9 i 7 , N r . 1 1 , bei C . Appel, Provenzalische Chrestomathie, 6. Auflage 1930, N r . 6 1 , in der Ausgabe des Marcabru von Dejeanne, Bibliothèque Méridionale, 1, 1 2 , 1909, N r . 1 mit Übersetzung, in K . Voßlers Akademieabhandlung (s. oben) S . 55 mit Übersetzung. — Die Naturbilder des namenlosen Minnesangs sind ausgehoben aus Des Minnesangs Frühling 3 , 2 1 . 4, 1. — Die Verse einer französischen Romanze stehen bei Bartsch (s. oben) in T 7, S . 10. — Drei russische Pastourellen in zuverlässiger französischer Übersetzung bringt Jeanroy (s. oben) S. 454fr., darunter die oben angeführte. Die chinesischen Texte vermittelte E . Erkes nach der heute besten Übersetzung von A . Waley, T h e book of songs, London 1 9 3 7 ; an einigen Stellen hat Erkes gebessert. Die Einleitung handelt u. a. vom Naturbild in der Lyrik der Welt, „How can ye chant, y e little birds, And. I so füll of care? writes Burns, and it is this feeling of unendurable contrast that is expressed in many of the Chinese songs" S. 16. Die Lieder der Begegnung bei Waley unter N r . 1 S . 2 1 , N r . 7 S. 24. Sonstige Sammlungen: Viktor von Strauß, Shi-King, das kanonische Liederbuch der Chinesen, 1880; A . Forke, Blüten chinesischer Dichtung, 18895 M . Granet, Fêtes et Chansons de la Chine, Paris 1 9 1 9 . Die beiden chinesischen Gespräche bei Waley unter N r . 54 S. 54, N r . 60 S. 58. In den Altdeutschen Übungstexten herausgegeben von der Akademischen Gesellschaft Schweizerischer Germanisten, Band 6, veröffentlichten E . Scheunemann und F . Ranke Texte zur Geschichte des deutschen Tageliedes, 1 9 4 7 ; dort auch die wichtigste Literatur, die Stelle aus Shakespeare, Romeo and Juliet I I I 5, zwei romanische Beispiele. Das älteste deutsche Tagelied unter dem Namen des Dietmar von Eist in Des Minnesangs Frühling
39,18.
Schon W . Scherer, Anzeiger für deutsches Altertum I (1876), 203, und R . M . Meyer, Zeitschrift für deutsches Altertum 29 (1885), 2 3 3 , machten auf die beiden chinesischen Tagelieder aufmerksam, die wir wiedergeben nach Waley N r . 25 S. 36, Nr. 26 S. 37. Das russische Tagelied bei Jeanroy S. 456, die vier serbischen Lieder bei Talvj, Volkslieder der Serben, 1 8 5 3 ,
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I I S. 57. 1 1 3 . 215. 66, das erste und dritte schon bei de Gruyter (s. o.) S. 144f. Den oben erwähnten portugiesischen Stücken 771. 772 entnehmen wir Strophen nach der französischen Übersetzung von Jeanroy S. i44f. Die portugiesische Alba (Monaci Nr. 242) ist abgedruckt nach J. Huber, Altportugiesisches Elementarbuch, 1933, S. 319, französische Übersetzung bei Jeanroy S. 142. Das Lied eines französischen Mädchens, der Schwester des Waltherschen Mädchens, steht bei Bartsch, Romanzen und Pastourellen, s. oben, I 3 1 , S. 27. W. Schadewaldt machte mich aufmerksam auf die unter Sapphos Namen überlieferte Strophe, entnommen dem Büchlein von H. Rupe, Griechisch und deutsch, 1945, S. 40 4 1 ; die beiden anderen griechischen Stücke nach A. Körte, Hellenistische Dichtung, S. 259f. 289. 'Glücklich', zwei chinesische Frauenlieder, bei Waley Nr. 187 S. 196, abgedruckt 3 von 4 Strophen, Nr. 180 S. 190. 'Sehnsucht', Frauenlied, Nr. 34 S. 42 1 von 3 Strophen; es vergleicht sich ein portugiesisches Mädchenlied des Joam Zorro in der Auswahl altportugiesischer Lieder von Silvio Pellegrini, 1928, Nr. 42 S. 33, übersetzt bei Storck (s. oben) unter Nr. 98 S. 108, Strophe 3 Vi remar 0 navio; i vai o meu amigo, e sabor ei da ribeira 'Ich sah das Schiff rudern, dort kommt mein Freund, und ich bin froh am Ufer'. ' Sehnsucht', zwei Manneslieder, Nr. 28 S. 38, 2 von 3 Strophen, Nr. 37 S. 44, 1 von 3 Strophen. 'Verlassen' Nr. 61 S. 59. 'Klage', zwei Frauenklagen, Nr. 289 S. 324, 2 von 3 Strophen, Nr. 80 S.75; Mannesklage Nr. 75 S. 7 1 , 1. und 5. Strophe. Zum Bild vom schwankenden Schiff vgl. Bernart von Ventadorn, Ausgabe Appel, 44, 39 c'atressi m ten en balansa com la tiaus en l'onda, Giraut de Bornelh, Ausgabe Kolsen, 12, 37, Ovid bei W. Schrötter, Ovid und die Troubadours, 1908, S. 52, am. II, IV, 5—8, Dietmar von Eist in des Minnesangs Frühling 38, 35. Witwenklage Nr. 1 1 6 S. 108. Die 'Wechsel' stehn unter Nr. 40 S. 45, Nr. 67 S. 64, Nr. 74 S. 70. 'Wechsel oder Gespräch' ? E. Erkes denkt die Strophen Nr. 74 über das trennende Wasser gesprochen. Die Kanzone des Giacomino Pugliese s. B.Wiese, Altitalienisches Elementarbuch, 1904, S. 203. Die Tanzlieder aus den Carmina Burana jetzt bei O. Schumann, Carmina Burana, 1941, Nr. 149, das altportugiesische Tanzlied bei Jeanroy S. 164. 320, auch Auswahl altportugiesischer Lieder Nr. 37, das altfranzösische bei Jeanroy S. 320. Ivar Lindquist, Lund, machte mich aufmerksam auf die Liebesstrophe eines Mädchens, Heusler-Ranisch, Eddica minora, 1903, Nr. 19 S. 104, 'Ein Danz', aus der Änssaga Bogsveigis. Dazu Heusler-Ranisch S. *88: „Sie besteht inhaltlich aus Natureinleitung und schlichter Angabe der Empfindung und stellt sich somit zu jener einstrophigen Volkslyrik, die R. Steffen bei den deutschen und nordischen Stämmen nachgewiesen hat." Die beiden
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Theodor Frings: Minnesinger und Troubadours
grundlegenden Arbeiten und Sammlungen von Steifen sind: Enstrofig nordisk folklyrik i jämförande framställning, Bidrag til kännedom om de Svenska landsmalen 16 (1898), 1, Norska stev 15 (1899), 1. N . Tiberg, Uppsala, machte mich darauf aufmerksam. Ergebnisse der Untersuchung 16 S. 102ff.: Die lyrischen Reigen sind Musik und Poesie beim Tanz. Die einstrophigen Gedichte verlieren vielfach den Zusammenhang mit dem Tanz und zuweilen auch mit dem Gesang. S. 7: Die allgemeinste Form rein lyrischer Volkspoesie ist eine vierzeilige Tanzstrophe. In 15 steht S. 20ff. die Sammlung Natursinne: Naturskildringar, stämningar, natur ock genre, natur ock älskog; über den Natureingang 16 S. 2off. Aus Steffen drucken wir ab ein Schnaderhlipfl 16 S. 23, fünf schwedische Strophen S. Iii f., eine norwegische 15 S. 25 Nr. 69. Man möchte die schwedischen Strophen 4. 5 als Mannes- und Frauenstrophe zusammennehmen. Die letzte schwedische Strophe wird noch zu Mittsommer und auch sonst getanzt, Varianten askelöv 'Esche', aspelöv 'Espe', skogen 'Wald* statt nävar. — In einer feinsinnigen und gelehrten Studie von L . Fr. Läffler, En kärleksvisa, Studier i nordisk filologi 3 (1912), 1 ff., ist ein kritischer Text versucht: Vel {¡er, seljal Stendr ]?ü vlöi nser ok ert harla vel vaxin laufi. Mart skekr af ]o6r morgindoggvar. En ek at Jaegni f>rey nätt sem dag. Glücklich du, weibliche Weide, die du stehst neben der männlichen und schön mit Laub bewachsen bist! Morgentau rieselt von dir. Aber ich sehne mich nach einem Manne Nacht und Tag. Eine der schönsten Perlen altisländischer Gelegenheitsdichtungen, sagt Läffler. Walthers Wol mich der stunde, daz ich sie erkande Lachmann-Kraus 110,13, das Vorbild bei Lommatzsch Nr. 79, Übersetzung S. 391, die bela bocha rizens des Bernart von Ventadorn Appel 1 , 4 1 . Walthers Traumlied 74, 20, Arnaut de Maroiii bei Wilmanns-Michels (s. oben) IV 502, Walthers Mailied 51, 13, Bernart von Ventadorn Appel 4, 57, Voßler S. 51. Das portugiesische Mädchenlied steht bei Pellegrini Nr. 35 S. 28, Übersetzung von A . - M . Schieb, Jeanroy S. 146. Das unter Veldekes Namen überlieferte Tanzlied in Des Minnesangs Frühling 66, 1.
DIE „VORTRÄGE UND SCHRIFTEN" WENDEN SICH AN DIE WEITEN KREISE DERER, DIE AN WISSENSCHAFTLICHER FORSCHUNGSARBEIT ANTEIL NEHMEN Bisher sind erschienen: Die Maßstäbe des Kosmos Rede bei der Eröffnung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am i. August 1946, gehalten von Prof. Dr. H. Kienle. — 30 S. DM 1.50
Genuß und Betäubung durch chemische
Mittel
öffentlicher Vortrag, gehalten am 12. Juni 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. Wolfgang Heubner. — 40 S. DM 2.—
Über das Naturrecht öffentlicher Vortrag, gehalten am 10. Juli 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. H. Mitteis. — 48 S. DM 2.75
Ranke und Burckhardt Öffentlicher Vortrag, gehalten am 22. Mai 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. Friedrich Meinecke. — 36 S. DM 2.50
Pflanzenphysiologische
Bodenkunde
Öffentlicher Vortrag, geh. am 26. November 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vonProf. Dr. Eilh. Alfred Mitscherlich. — 24 S. DM 2.—
Uber physikalisch-chemische
Modelle von Lebensvorgängen
öffentlicher Vortrag, geh. am 11. Dezember 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. Karl Friedrich Bonhoeffer. — 20S. DM 2.—
Die
Ertragsgesetze
Von Prof. Dr. Eilh. Alfred Mitscherlich. — 42 S. DM
Leitmotiv der geotektonischen
2.7s
Erdentwicklung
öffentlicher Vortrag, gehalten am 13. Februar 1947 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. H. Stille. — 28 S. DM 2.50
Die Ausgestaltung der Organismen — ein chemisches Problem öffentlicher Vortrag, gehalten am 10. Juni 1948 an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Prof. Dr. Kurt Noack. — 38 S. DM 3.—
DIE HEFTE ERSCHEINEN IN ZWANGLOSER
FOLGE