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German Pages 126 [128] Year 1876
Minna non Larnhelm ober
das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen
von
Gotth. Ephr. Lesfing.
Statt,art.
G. I. Gdschen'fche BerlagShandlung.
1876.
Druck von Karl Kirn in Etnttgart.
Ein gute- Lustspiel gehört seiner Zeit und allen Zeiten. Wa- es seiner Zeit war, kann sich mit der Zeit schwächen, kann verblassen, unverständlich werden, aber e- muß, auch um für die Zeit, in welcher e- wurzelt, etwa- zu bedeuten, Eigenschaften haben, die es über den Moment erheben; e- muß im ver gänglichen Costüm die unvergänglichen Züge des Menschen, der an keine Ztit gebunden ist, zu treffen wissen: nicht allein die Laster, wie einst Lessing- Zugendtheorie forderte; nicht allein die Lächerlichkeiten, sondern die mit Schwäche gepaarten edlen Züge de- Menschen. Denn wie kein Mensch bloß lasterhaft oder lächer lich ist, gibt e- auch keinen, der bloß au- einer Schwäche oder einer Farbenmischung von Schwächen bestände. Die Posse kann sich an diesen groben Zügen genug sein lassen; da- Lustspiel hat feiner zu schattieren und in der Stufe seiner Charaktere, audenen die Handlung fließt, wie in den Charakteren an sich die Bestandtheile lebenswahr zu vereinigen, unbekümmert darum, ob es wirklich solche Charaktere gibt, nur daß die Möglichkeit derselben unleugbar sein muß. Ein solche- Lustspiel ist LessingMinna von Darnhelm, da- erste echt deutsche, au- deutschen Anlässen, mit deutschen Sitten, mit deutschem Gemüth gedichtete deutsche Lustspiel auf der deutschen Bühne, seit dem Untergange de- deutschen Volk-schauspiel-, wenigsten- seit den beiden Lust spielen de- schlesischen Dichter- Andrea- GryphiuS. Die Skizze zu seiner Minna schrieb Lessing in heitern Frühling-morgenstunden im Neldnerschen Garten im Bürger werder zu Breslau, als er Cecretär de- Generals Tauenzien war, und arbeitete dieselbe au-, al- er nach Berlin zurückgekehrt war, obwohl er schon im August 1764 «vor Begierde brannte, die letzte Hand daran zu legen.' Minna erschien im Jahr 1767 und wurde in demselben Jahre, nachdem sie Anfang- auf preußische Veranlassung beanstandet oder verboten war, zuerst am 28. Sept, in Hamburg mit Eckhos al- Tellheim, Ackermann
al- Wemer, der Hensel al- Minna gegebm, im März und April de- nächsten Zahre- auch in Berlin zehnmal ununterbrochm vor einem vollen Hause. Wo hätte da- Stück auch freudiger ausgenommen werden sollen, al- in der Hauptstadt Preußen-, ein Stück, da- zur Verherrlichung de- Soldaten stande- gedichtet war?
IV Wo sich bisher ein Militär auf dem deutschen Theater zn producieren hatte, erschien er, Dank dem plaulinischen ruhm redigen Ritter, kaum ander- als Carikatur, auch in Lessing'alter Jungfer' fast mehr als lächerlich: verächtlich. Bei seinem soldatischen Verkehr hatte Lessing den Stand, Officiere wie Soldaten, auch von der guten Seite, als brav, gutherzig, auf opferung-fähig und ehrenhaft kennen lernen. Den Anlaß, diese wackeren Seiten in- Licht zu rücken, bot ihm da- Schick sal der preußischen Freicorps, die nach dem siebenjährigen Kriege verabschiedet und zum Theil dem bittern Elende preiögegeben wurden. Als Repräsentanten der Edleren unter diesm Un glücklichen — es war freilich auch Gesindel genug darunter — schuf er seinen Tellheim, seinm Just und seinen Werner, alle drei so bis in die kleinsten Züge leben-wahr au-gearbeitet, daß man schwankt, welchem von ihnen man den Vorzug geben und ob man mehr die Arbeit oder da- fertige Product bewundern soll. Daneben den für seinen Verdienst besorgten, aber darüber hinaus auch zu nichts zu vermögenden neugierigen Wirth und den leichtsinnigen und doch Theilnahme erweckenden Riccaut, der erst zum Mitleid bewegt, mit guter Art nimmt und sich dann mit unbefangner Leichtfertigkeit um da- Bischen er schlichener Theilnahme bringt. Diesen Männern gegenüber die entschlossene Minna und ihre weniger sensitive Franziska, die au- der Rolle der bloß naseweisen Kammermädchen zu der einer Art von Freundin und Schwester erhoben ist, der man schon eher ein Wort mitzusprechen gestattet. Die Fabel de- Stück-, obwohl sie vortreffliche komische und rührende Situationen zu Wege bringt, ist gegen die Charaktere ein wenig schwach und dient eben nur dazu, um die letzteren in ihren schönen Lichtern spielen zu lassen. Auch der Dialog, obschon immerhin Lesfingisch gehalten, ist doch mehr al- in andern Stücken de- Dichter- den Individualitäten angepaßt und bewegt sich nicht in den kurzen epigrammatisch zugespitzten Sätzen, wie in dem nächsten drama tischen Erzeugnisse Lessings. Das Lustspiel -wurde, natürlich mit den erforderlichen 'Ver besserungen' in- Französische, zweimal in- Italienische und eben so oft in- Englische verarbeitet.
Karl Soedeke.
Minna von Larnhelm oder
das Soldatenglück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen. 1763.
Personen. Major von Tellheim, verabschiedet.
Minna von Varnhrlm. Graf von BruchsaU, ihr Oheim. FranciSka, ihr Mädchen.
Just, Bedienter des Majors. Paul Werner, gewesener Wachtmeister des Majors.
Der Wirth. Eine Dame in Trauer. Ein Feldjäger. Riccaut de la Marliniere. Die Ecene ist abwechselnd in dem Eaale eines Wirthshauses und einem daranstoßenden Zimmer.
Erster Aufzug. Erster Austritt. Just sitzt in einem Winkel, schlummert, und redet im Traume.
Schurke von einem Wirthe!
Du, unS? — Frisch,
Bruder! — Schlage zu, Bruder!
(Er holt au- und er
wacht durch die Bewegung.)
schon
He
da,
wieder?
Ich
mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum. Hätte er nur erst die Hälfte von allen den Schlägen! — — Doch sieh, eS ist Tag!
armen Herrn aufsuchen.
Ich muß nun bald
meinen
Mit meinem Willen soll er keinen
Fuß mehr in da- vermaledeite HauS fetzen.
Wo wird er
die Nacht zugebracht haben?
Zweiter Austritt. Der Wirth. Just. ver Wirth.
Guten Morgen, Herr Just, guten Mor-
gen! Ei, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spüt auf! Lessing, Minna von Barnhelm.
O
Sufjuj I.
Sage Er, was Er will,
3uJ.
ver Wirth. Ich sage nichts al- guten Morgen, und
das
wohl, daß Herr Just
verdient doch
großen Dank
darauf sagt?
Großen Dank!
Zu ft.
Der Wirth.
Man ist verdrießlich, wenn man seine
gehörige Ruhe nicht haben kann.
WaS gilt's, der Herr
Major ist nicht nach Haufe gekommen, und Er hat hier
auf ihn gelauert? WaS der Mann nicht alles errathen kann!
Zuft.
Der Wirth.
Ich vermuthe, ich vermuthe.
Z u st (kcbrt sich um und will gehen). Der Wirth
Zu ft.
(hält ihn).
Sein Diener!
Nicht doch, Herr Just!
Nun gut; nicht Sein Diener.
ver Wirth.
Ei, Herr
Just!
Ich will doch nicht
Hessen, Herr Just, daß Er noch von gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten?
Zu ft. Ich; und über alle folgende Nächte. Ver Wirth. der
Ist das christlich?
Ebm so christlich, als einen ehrlichen Mann,
Zu ft.
nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen,
auf die Straße werfen. ver Wirth. Pfui, wer könnte so gottlos seyn?'
Zu ft.
Ein christlicher Gastwirth. — Meinen Herrn!
so einen Mann! so einen Osficier! ver Wirth.
Den hätte ich au- dem Hause gestoßen?
auf die Straße geworfen?
Dazu habe ich viel zu viel
Achtung für einen Ossicicr, und viel zu viel Müleid mit einem abgedankten!
Ich habe ihm auö Noth ein ander
Zimmer einräumen müssen. — Denke Er nicht mehr daran, Herr Just.
(Er ruft in die Scene:)
auf andere Weise wieder gut machen.
Holla! — Ich will'S (Ein Junge kommt.)
3
«»stritt 2.
Bring' ein Gläschen; Herr Just will rin Gläschen hab«;
und was gute«!
3 uh.
Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirch.
Der
Tropfen soll zu Gift werden, dm — Doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern.
Der tvirih (zu dem Jung«, -ereineFlaschr Liqueurund ein Glas bringt).
Gieb
geh! —
her;
Nun, Herr
was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, gesund.
Just;
(6r füllt
und reicht ihm zu.) DaS kann einm überwacht« Magm
wieder in Ordnung bring«! Inst. Bald dürfte ich nicht!-------- Doch warum soll ich
Gesundheit seine Grobheit entgelt« laffm? —
meiner
(6r nimmt und trinkt.)
Ser Wirth.
3o|t
Wohl bekomm's, Herr Just!
(indem er das Gläschen wieder zuriickgiebt).
Nicht
übel! — Aber, Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian!
Der Wirth.
Nicht doch, nicht doch! —
Geschwind
neck eins; auf einem Bein ist nicht gut steh«. 3u|l (nachdem er getrunken).
Da- muß
ich
sag«:
gut, sehr gut! — Selbst gemacht, Herr Wirth? — Ser Wirth.
Behüte!
veritabler
Danziger!
ächter,
doppelter Lach«! 3uh.
Sieht
Er, Herr Wirth, wmn
ich
heucheln
konnte, so würde ich für so waS heucheln, aber ich kann nicht;
eS muß rau- — Er ist doch rin Grobian, Herr
Wirth! Her Wirth.
niemand
In meinem Leben hat mir da« noch
gesagt. — Noch
ein«, Herr Just;
Dinge sind drei! 3uh. Meinetwegen! (Ertrinkt.)
aller gut«
Gut Ding, wahrlich
gut Ding! — Aber auch die Wahrheit ist gut Ding. —
Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian!
Str Wirth. Wenn ich e- wirt, würde ich da- wohl so mit anhören? Just. £> ja, beim selten hat ein Grobian Galle. Ser Virlh. Nicht noch ein-, Herr Inst? Eine vier fache Schnur hält desto besser. 3»st. Nein, zu viel ist zu vielt Und wa- hilft'Jhn, Herr Wirth? Bi- auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich. bei meiner Rede bleiben. Pfui, Herr Wirth; so guten Danziger zu haben, und so schlechte More-! — Einem Manne, wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von dem er schon so manchen schönen Thaler gezogm, der in seinem Leben leinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her nickt prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt, — in der Abwesenheit da» Zimmer au-zuräumm! Ser Wirth. Da ich aber da- Zimmer nothwendig brauchte? da ich voran- sah, daß der Herr Major e« selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hättm warten lönnm? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft wieder von meiner Thüre weg« fahren lassen? Sollte ich einem andern Wirthe so einen Verdienst muthwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonst wo untergekommen Wäre. Die Wirthshäuser find jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge, schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein andere- Zimmer dafür emgeräumt? 3»ft. Hinten an dem Taubenschlag; die Aussicht zwischen de- Nachbar- Feuermauem-----Str Wirth. Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der verzweifelle Nachbar verbaute. Da» Zimmer ist doch sonst galant und tapeziert —
5
Austritt 3.
3n|t.
Gewesen!
ver Wirth.
Nicht doch, die eine Wand ist eS noch^
Und Sein Stübchm darneben, Herr Just; wa- fehlt dem Stübchen? E- hat einen Kamin, der zwar im Winter ein
wenig raucht —
Zaft. Aber doch im Sommer recht hübsch läßt. —
Herr, ich glaube gar, Er vexirt unS noch obendrein? —
ver Wirth.
Nu, nu, Herr Just, Herr Just —
3«-. Mache Er Herr Justm den Kopf nicht »atm,,
oder — ver Wirth.
Ich macht' ihn warm? der Danziger
thut'S! — 3aft.
Emm Officier, wie mrinm Herrn! Oder meint
Er, daß ein abgedankter Officier nicht auch ein Officier
ist, der Ihm dm Hals brechm kann? Warum wäret ihr
denn im Kriege so geschmeidig, ihr Herrm Wirthe? Warum war denn da jeder Officier tm
würdiger Mann, und
jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht mch da» biSchm Friede schon so übermüthig? ver Wirth. WaS ereifert Er sich nun, Herr Just? —
3 ist. Ich will mich ereifern.----------
Dritter Austritt.
v. Tellhei«. Der Wirth. Just. v. Leitheim (im Hereintreten).
Just!
3» ft (in der Meinung, daß ihn der Wirth nenne). Just? —
So bekannt sind wir? —
e. Urttheim. 2»ft
Just!
Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Jhnl
6
Auszug 1.
Der Wirth (der dm Major gewahr wird).
St! st! Herr,
Herr, Herr Just — seh' Er sich doch um; Sein Herr-------Just, ich glaube, du
v. Leitheim.
Was
zankst?
habe ich dir befohlm? Der Wirth. O, Ihre Gnaden! zanken? Da sey Gott
vor! Ihr unterthänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit
einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken? Lust.
Wmn ich ihm doch ein- auf den Kahmbuckel
gebm dürste!---------Der Wirth.
Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen
Herrn, und ein wenig hitzig.
Aber daran thut er recht;
ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe ihn darum. —
Daß ich ihm nicht die Zähne auStretm soll!
Laß.
Der Wirth.
Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt.
Denn ich bin gewiß versichert, daß Jhro Gnadm keine
Ungnade deßwegm auf mich geworfen haben, weil —- die Noth — mich nothwendig — Schon zu viel, mein Herr!
v. Leltheim.
Ich bin
Ihnen schuldig; Sie räumen mir in meiner Abwesenheit da- Zimmer au-;
Sie müssm bezahlt werden; ich muß
wo ander- unterzukommm suchen.
Der Wirth. diger Herr?
Mann!
Sehr natürlich!
Woanders? Sie wollen ausziehen, gnä
Ich unglücklicher Mann!
Nein, nimmermehr!
ich
geschlagener
Eher muß die Dame da-
Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lasien; da- Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht helfm. — Ich gehe, gnädiger
Herr--------v. LeUheim.
Freund, nicht zwei dumme Streiche
für einen! Die Dame muß in dem Besitze de- Zimmer bleiben — Der Wirth.
Und Jhro Gnaden sollten glauben, daß
7
Auftritt 4.
ick aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung--------- ?
Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Jhro Gnaden be
zahlen können, sobald Sie nur wollen.---------- Das ver siegelte Beutelchen — fünfhundert Thaler Louisd'or steht
darauf — — welches Jhro Gnaden in dem Schreibpulte
stehen gehabt,----------ist in guter Verwahrung. — v. Teilheim.
DaS
will ich hoffen;
so
wie meine
übrigen Sachen. — Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat — —
Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich
ver Wirth.
das Beutelchen fand. — Ich habe immer Jhro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz auögibt.--------- Aber dennoch, — — wenn ich baar Geld in dem Schreibpulte vermuthet hätte----------
v. Tellheim.
fahren seyn. Herr;
Würden Sie höflicher mit mir ver
Ich verstehe Sie. — Gehm Sie nur, mein
laffen Sie mich;
ich hgbe mit meinem Bedienten
zu sprechen.---------
Aber, gnädiger Herr — —
ver Wirth.
v. Tellheim.
Komm Just, der Herr
will nicht er
lauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du thun
sollst.---------
ver Wirth. Ich gehe ja schon, gnädiger Herr! — Mein ganzes HauS ist zu Ihren Diensten.
Vierter Austritt. v. Tellheim. Just. 3 u ß (der mit dem Fuße stampft und dem Wirthe nachspuckt). Pfui! v. Teil heim. WaS giebt'S?
8 Just.
Ich ersticke vor Bosheit.
v. Tellheim. Just.
Herr.
Lufzug 1.
DaS wäre so viel als an Vollblütigkeit.
Und Sie, — Sie erkenne ich nicht mehr, mein
Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der
Schutzengel diese- hämischen, unbarmherzigen Racker- find!
Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn —
hätte ich
ihn mit diesen Händen
erdrosseln, mit diesen
Zähnen zerreißen wollen.
v. Tellheim. Just.
Lieber Bestie, al- so ein Mensch!
v. Tellheim.
Just.
Bestie!
Wa- willst du aber?
Ich will, daß Sie e- empfinden sollen,
wie
sehr man Sie beleidigt. v. Tellheim.
Just.
Und dann?
Daß Sie sich rächten, — nein, der Kerl ist
Ihnen zu gering.
v. Tellheim.
zu rächen?
Sondern, daß ich e- dir aufttüge, mich
Da- war von Anfang mein Gedanke.
Er
hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine Be zahlung au- deinen Händen empfangen sollen.
Ich weiß,
daß du eine Hand voll Geld mit einer ziemlich verächt
lichen Miene hinwerfen kannst. — Just.
So? eine vortreffliche Rache! —
9. Tellheim.
Aber die wir noch verschieben müffen.
Ich habe keinen Heller baare- Geld mehr! ich weiß auch keine- aufzutreiben. Just.
ein
Kein baare- Geld? Und wa- ist denn da- für
Beutel mit fünfhundert
Thaler Loui-d'or, den der
Wirth in Ihrem Schreibpulte gefunden? v. Tellheim. gegeben worden.
Da- ist Geld, welche- mir aufzuheben
9
Austritt 5.
Just.
Ihr
nicht die hundert Pistolen, die Ihnen
Tech
Wachtmeister
alter
vor
vier
oder
fünf
Wochen
brachte?
v. Leithe im.
Tie nämlichen, von Paul Wernern.
Warum nicht? Just.
Herr,
Diese haben Sie noch nicht gebraucht?
Mein
mit diesen können Sie machen, wa- Sie wollen.
Auf meine Verantwortung —
v. Lellheim. Just.
Ihren
Wahrhaftig?
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit
Forderungen an
die
Generalkrieg-kasse aufzieht.
Er börte —
v. Lettheim.
Daß ich sicherlich zum Bettler werden
würde, wenn ich e- nicht schon wäre. — Ich bin dir sehr
verbunden. Just. — Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bischen Armuth mit mir zu theilen.
— Es ist mir
doch lieb, daß ich eS errathen habe. — Höre Just, mache mir
zugleich
auch deine Rechnung;
wir sind geschiedene
Leute.--------Just.
Wie? waS?
,. Lellheim.
Kein Wort mehr; eS kommt jemarkd. —
Fünfter Auftritt.
Eine Dame in Trauer, Die Dame.
Wen suchen Sie, Madame? —
Eben dm würdigen Mann, mit welchem
ich die Ehre habe, zu sprechen. mehr?
Just.
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! —
v. LeUheiw. Die Dame.
v. Tellheim.
Sie kennen mich nicht
Ich bin die Wittwe Ihre- ehemaligen StabS-
rittmeisterS —
10
Aufzug 1.
v. Tellheim. Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung! —
Vie vame.
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf
das mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes
aber
früh beschwerlich fallen, Herr
Ich muß Ihnen
warf.
Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige,
Major.
eben auch
nicht
glückliche
Freundin
eine Zuflucht
für- erste angebotcn. — v. Tellheiw (zu Just).
Geh', laß un- allein.—
Sechster Auftritt. Die Dame. v. Tellheim. v. Tellheim.
Reden Sie frei, gnädige Frau!
Lor
mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?
Vie vame.
v. Tellheim.
Mein Herr Major —
Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin
kann ich Ihnen dienen?
Sie wissen, Ihr Gemahl war
mein'Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.
Vie Vame.
Wer weiß eS besser als ich, wie werth
Sie seiner Freundschaft waren, wie werth er der Ihrigen
war?
Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der
letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesm seyn, hätte nicht die stärkere Natur dieses ttaurige Vorrecht für seinen
unglücklichen Sohn, für
seine
unglückliche Gattin
ge
fordert —
o.
Teil heim.
Hörm Sie auf, Madame!
Weinen
wollte ich
mit Ihnen
gern, aber ich habe heute keine
Thränen.
Verschonen
Sie mich!
Sie finden mich in
11
Auftritt 6.
einer
ich leicht zu
Stunde, wo
verleiten wäre,
wider
die Vorsicht zu murren. — O mein rechtschaffener Mar-
loff!
Geschwind, gnädige Frau, wa- haben Sie zu be
fehlen? Wenn ick Ihnen zu dienen im Stande bin, wenn
ich e- bin —
Die Dame.
Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten
Willen zu vollziehen.
Er erinnerte sich kurz vor seinem
Ende, daß er als Ihr
Schuldner sterbe, und beschwor
mich, diese Schuld mit der ersten Baarschast zu tilgen.
Ich habe seine Equipage verkauft, und komme seine Hand schrift einzulösen. — v. Celtheim.
Wie, gnädige Frau, darum kommen
Sie?
Die Dame.
Darum.
Erlauben
Sie, daß
ich
da-
Geld aufzähle. v. Le Uh etm.
Nicht doch, Madame!
schuldig? das kann schwerlich seyn.
(Er zieht sein Taschenbuch heraus und sucht.) Sie werden
Die Dame.
Marloff mir
Lasten Sie doch sehen.
Ich finde nichts.
seine Handschrift
verlegt
haben, und die Handschrift thut nichts zur Sache. — Er
lauben Sie — v. gell beim.
nicht zu verlegen.
Nein, Madamel
so etwa- pflege ich
Wenn ich sie nicht habe, so ist e- ein
Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder daß sie ge
tilgt und von mir schon zurückgegeben worden.
Die Dame.
Herr Major! —
v. Lellheim.
Ganz gewiß, gnädige Frau.
ist mir nichts schuldig geblieben.
Marloff
Ich wüßte mich auch
nicht zu erinnern, daß er mir jemals etwas schuldig ge
wesen wäre. als feinen
Nicht anders, Madame; er hat mich vielmehr
Schuldner hinterlassen.
Ich habe nie etwa
thun können, mich mit einem Manne abzufinden, der sech-
12
Xufjuj 1.
Jahre Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir ge
Ich werde eS nicht vergessen, daß ein Sohn von
theilt.
ihm da ist.
Er wird mein Sohn seyn, sobald ich sein
Vater seyn kann.
Die Verwirrung, in der ich mich jetzt
selbst befinde — Die Dame.
Edelmüthiger Mann!
von mir nicht zu
auch
Mer denken Sie
Nehmen Sie da- Geld,
klein.
Herr Major, so bin ich wenigsten- beruhigt. —
v. Lellheim. Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter, al- meine Versicherung, daß mir diese- Geld nicht
gehört?
Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Waise
meine- Freunde- bestehlen soll? Bestehlen, Madame; da
würde e- in dem eigentlichsten Verstände seyn.
Ihm ge
hört e-, für ihn legen Sie e- an. — Die Dame. Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn
ich noch nicht recht weiß, wie man Wohlthaten annehmen
muß.
denn aber auch Sie,' daß eine
Woher wiffen e-
Mutter mehr für ihren Sohn thut, als sie für ihr eigen
Leben thun würde? v. Ltilheim.
Ich gehe — Gehen
Sie,
Madame,
gehen Sie!
Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht
Reisen Sie glückliL!
von Ihnen zu geben.
Sie
möchte mir
kommen, wo ich sie nicht nutzen könnte.
zu einer Zeit
Aber noch ein-,
gnädige Frau; bald hätte ich da- Wichügste
vergeffen.
Marloff hat noch an die Kaffe unsere- ehemaligen Regi
ment-
zu fordern.
wie die meinigen.
Seine Forderungen find so richtig
Werden meine bezahlt, so müssen auch
die feinigen bezahlt werden. Vie Dame.
Ich haste dafür.
O! mein Herr — Aber ich schweige lieber.
— Künfttge Wohtthaten so vorbereiten, heißt fie in dm
Augm de- Himmel- schon erwiesm haben.
Sie seine Belohnung und meine Thränml
Empfangm (Geht ab.)
13
Austritt 7. H.
Siebenter Austritt. v. Tellheim. ArmeS, brave- Weib!
Ich muß nicht vergessen, dm
(Er nimmt au- seinem Taschmbuche
vernichten.
Bettel zu
Wer steht mir dafür, daß
Briefschaften, die er zerreißt.)
eigner Mangel mich nicht einmal verleiten könnte, Gebrauch davon zu machm?
Ächter Austritt. Zu st. v. Tellheim. v. Tellheim.
Bist du da?
Just (indem er sich die Auzm wischt).
v. Tellheim.
Zn st.
Ich
Ja!
Du hast geweint?
habe
in
der Küche meine Rechnung
schrieben, und die Küche ist
voll Rauch.
ge
Hier ist sie,
mein Herr!
v. Tellheim.
Gieb her.
Z u st. Habm Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr.
Ich weiß wohl, daß die Mmschm mit Ihnen keine habm;
aber — v. Tellheim.
WaS willst du?
Zu st. Ich hitte mir eher den Tod al- meinen Ab schied vermuthet. v. Tellheim. ich
Ich kann dich nicht länger brauchm;
muß mich obne Bedimten behelfen
die Rechnung auf und lie-t.)
lernen.
(Schlägt
„Was der Herr Major mir
schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat
14 6 Thaler, macht 21 Thaler.
Auszug 1.
Seit dem ersten diese- an
Kleinigkeiten au-gelegt 1 Thlr. 7 Gr. 9 Summarum 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf."
Pf. Summa
— Gut, und e-
ist billig, daß ich diesen laufenbat Monat ganz bezahle.
3nß. Die andere Seite, Herr Major —
o. Lellhei».
Noch mehr? (Liest.)
Major ich schuldig: 25 Thlr.
„Wa- dem Herrn
An den Feldscheer für mich bezahlt
Für Wartung und Pflege während meiner Kur,
für mich bezahlt, 39 Thlr.
Meinem abgebranntm und
geplündertm Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thlr. Summa Summarum 114 Thlr.
stehende 22 Thlr. 7 Gr. 9 Pf.
Davon abgezogen vorBleibe dem Herrn Major
schuldig 91 Thlr. 16 Gr. 3 Pf." — Kerl, du bist toll! —
3 nß. koste.
Jcb glaube eS gern, daß ich Jhnm weit mehr
Aber eS wäre verlorne Dinte, eS dazu zu schreiben.
Ich kann Ihnen daS nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollend- die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht ver dient habe, — so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarethe krepiren lasten.
v. Lellhctm.
Wofür siehst du mich an?
Du bist
mir nicht- schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es bester haben sollst, als bei mir.
3nß. Ich bin Ihnen nicht- schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen? v. Teil heim.
3 v st.
Weil ich dir nicht- schuldig werden will.
Darum? nur darum? — So gewiß ich Ihnen
schuldig bin, so
gewiß Sie mir nicht- schuldig werden
können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen Sie, wa- Sie wollen, Herr Major, ich bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben. —
15
Auftritt ti.
v. LeUheim.
Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz,
dein wilde- ungestümes Wesen gegm alle, von denen du
meinst, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht---------
3u|L Machen Sie mich so schlimm wie Sie wollen, ich will darum doch nicht schlechter von mir denken, als
von
meinem
Hunde.
Vorigen Winter ging ich in der
und hörte etwas winseln.
Dämmerung an dem Kanäle
Ich stieg herab und griff nach der Stimme, und glaubte
ein Kind zu retten und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich.
Der Pudel kam mir nach, aber ich
bin kein Liebhaber von Pudeln. sonst;
Ich jagte ihn fort, um
ich prügelte ihn von mir, ümsonst.
deS NachtS
nicht
in
meine Kammer, er
Ich ließ ihn blieb
vor der
Wo er mir zu nahe kam, stieß
Thüre auf der Schwelle.
ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sah mich an und wedelte
mit dem Schwänze.
Noch hat
er keinen Biffen Brod
au- meiner Hand bekommen, und doch bin ich der einzige, dem er hört und der ihn anrühren darf.
Er springt
vor mir her und macht mir seine Künste unbefohlen vor.
ES ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so böre ich endlich auf, den
Pudeln gram zu seyn.
v. Lellhetm (bei Seite).
So wie ich ihm!
Nein, eS
giebt keine völlige Unmenschen!--------- Just, wir bleiben
beisammen. Inst.
Ganz
gewiß!
— Sie wollten sich
ohne Be
dienten behelfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren und daß Sie nur eine- Arme- mächttg find.
nicht allein ankleiden.
Sie können sich ja
Ich bin Ihnen unentbehrlich, und
bin---------- ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major —
und
bin
ein Bedienter, der
— wenn da- Schlimmste
16
Auszug 1.
zum Schlimmen kommt — für seinen Herrn betteln und
stehlen kann. v. Leit heim.
2oft.
Just, wir bleiben nicht beisammen.
Schon gut!
Neunter Austritt. Ein Bedienter, Der Ledieute.
3u|L
v. Tellheim.
Just.
Bst! Kamerad!
WaS giebt'-?
Der Ledieute.
Kann Er mir nicht den Officier nach
weisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eine- an der Seite zeigend, von welcher er herkommt) gewohnt hat? 3uß.
DaS dürfte ich leicht können.
Was bringt Er
ihm? Der Le diente.
Was wir immer bringen, wenn wir
nichts bringen, ein Kompliment. daß er durch sie verdrängt worden.
Meine Herrschaft hört,
Meine Herrschaft weiß
zu leben, und ich soll ihn deßfallS um Verzeihung bitten. 3oft.
Nun so bitte Er ihn um Verzeihung, da stcht er.
Der Ledieute.
v. Lett heim. schon gchört.
WaS ist er? Wie nennt man ihn?
Mein Freund, ich habe Euern Aufttag
ES ist
eine
überfiüsiige Höflichkeit von
Eurer Herrschaft, die ich erkenne wie ich soll.
Macht ihr
meinen Empfehl. — Wie heißt Eure Herrschaft? — Der Ledieute.
Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädige-
Fräulein heißen.
v. LeUheim. Der Ledieute.
Und ihr Familienname?
Den habe ich noch nicht gehört, und
danach zu sragm, ist meine Sache nicht.
Ich richte mich
17
Auftritt 10.
so ein, daß ich meistentheil- alle sechs Wochen eine neue Der Henker behalte alle ihre Namm! —
Herrschaft habe.
Ja ft.
Bravo, Kamerad!
Zu
Der Srdieate.
dieser bin ich
Tagm in DreSdm gekommen.
erst vor wmig
Sie sucht, glaube ich, hier
ihrm Bräutigam. —
v. LeUheim.
Genug, mein Freund.
Dm Namen
Eurer Herrschaft wollte ich wissm, aber nicht ihre Geheim
nisse.
Geht nur!
-er Ledieate.
Kamerad, da- wirr kein Herr
für
mich!
Jehuter Austritt. v. Tellheim. v. LeUhrim.
Zust.
Mache, Just, mache,
daß
wir
au-
diesem Hause kommm! Dir Höflichkeit der fremdm Dame ist mir empfindlicher, al- die Grobheit de- Wirth-.
Hier
nimm diesen Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig
ist, von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machm! — Versetze ihn! laß dir achtzig Friedrich-d'or
darauf geben; die Rechnung de- Wirth- kann keine dreißig
betragm.
Bezahle ihn, und räum« meine Sachm — Ja,
wohin? — Wohin du willst. der beste.
Der wohlfeilste Gasthof,
Du sollst mich hier nebman auf dem Kaffee
hause treffen.
Ich gehe; mache deine Sache gut.
Ivft. Sorgm Sie nicht, Herr Major! — v. Lellheim (kommtwieder zurück).
Bor allen Dingm,
daß meine Pistolm, die hinter dem Bette gehangm, nicht vergeffm werdm. Ising, Minna ton Barnhclm.
2
3«|L Ich will nichts vergessen. 8. LrUhrim (kommt nochmals zurück). Roch ein-: nimm mir auch keinen Pudel mit; hörst du, Just! —
Lüfter Auftritt. 3«st. Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen. — Hm! auch ben kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, an statt am Finger? — Guter Wirth, wir sind so kahl noch nicht al- wir scheinen. Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich versetz m, schöne- Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt »erben! — Ah —
Iwiüstrr Auftritt.
Paul Werner. Just. Zaft. Sieh da, Werner! guten Tag! Werner! will kommen in der Stadt! Verner. Da- verwünschte Dorf! Ich kann'- un möglich wieder gewohnt werden. Lustig, Kinder, lustig! ich bringe frische- Geld! Wo ist der Major? Zaft. Er muß dir begegnet seyn, er ging eben die Treppe hinab. Werner. Ich komme die Hintertreppe herauf. Run, wie geht'- ihm? Ich wäre schon vorige Woche bei euch gewesen, aber —
19
«iftriil 12.
Nun? was hat dich abgehaltm? —
3« st.
»tritt. — Just — hast bu von btm Prinzen HerakliuS gehört?
Inst. Hrraklius? Ich wüßte nicht. Kennst du den großm Helden im Morgen-
Werner.
lande nicht? Zu st.
Die Weisen
auS dem Morgmland« kenn' ich
wohl, die «ms Neujahr mit dem Sterne herumlaufen.--------Werner.
Mensch, ich glaube, du liesest ebm so wenig
die Zeitungen, als die Bibel? — Du kennst den Prinzen
Hrraklius
nicht? dm bravm Mann
nicht, der Perfim
weggmommen und nächster Tage die ottomannische Pforte einsprmgm wird? Gott sey Dank, daß doch noch irgmdwo in der Wett Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft,
eS sollte hier wieder loSgehm. heilen sich die Haut.
Mer da fitzen fit und
Nein, Soldat war ich, Soldat muß
ich wieder seyn I Kurz — (indem er sich schüchtern umsteht, ob
ihn jemand behorcht) im Verträum, Just, ich wandere nach Perfim, um unter Sr. Königlichm Hoheit, dem Prinzm Hrraklius, ein paar Feldzüge wider dm Türkm zu machm.
Zup. Du? »tritt.
Ich, wie du mich hier flehst!
Unsere Vor
fahren zogen fleißig wider dm Türkm, und das solltm
wir noch thun, wmn wir ehrliche Kerls und gute Christen
wären.
Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug wider
dm Türkm nicht halb so lustig seyn kann, als einer wider
dm Franzosm; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher seyn, in diesem und in jenem Leben.
Dir Türkm
haben dir alle Säbels mit Diamantm besetzt — Inst.
Um mir von so einem Säbel dm Kopf spaltm
zu laffm, reffe ich nicht em« Meile.
Du wirst doch nicht
toll seyn, und dein schönes Schulzmgerichte verlaffm? —
20
Auszug 1.
Wttntr. O, da- nehme ich mit! — Merkst du waS?
— Da- Gütchen ist verkauft--------Zaft.
Verkauft?
Werner.
St! — hier
sind hundert
Ducaten, die
ich gestern auf dm Kauf bekommm; die bring' ich dem
Major — Just. Und was soll der damü?
Werner.
Was er damit soll? Berzehrm soll er sie;
verspielen, vertrinken, ver— wie
Der Mann
er »iß.
muß Geld habm, und e- ist schlecht gmug, daß man chm
Wer ich wüßte schon, was
da- Seinige so sauer macht!
ich thäte, wmn ich an seiner Stelle wäre!
Ich dächte:
hol' euch hier alle der Hmker, und ginge mit Paul Wernern «ach Persien! — Blitz! — der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört habm, wmn er
auch schon feinen gewesenen Wachtmeister nicht samt
Inst.
Paul Wemer
Unsere Affaire bei dm Katzmhäusem —
Soll ich dir dir erzählm? —
Werner.
Du mir? — Ich
merke wohl, daß eine
schöne Di-posttion über deinm Verstand geht.
Ich will
meine Perlen nicht vor die Säue werfen.
Da nimm die
hundert Dueatm; gieb sie dem Major.
Sage ihm: er
soll mir auch dir ausheben.
Ich muß jetzt auf dm Markt;
ich habe zwei Mispel Roggm Herrin geschickt; wa- ich
darau- löse, kann er gleichfall- habm. — Just. Wemer, du meinst e- herzlich gut, aber wir
mögen dein Geld nicht.
Behalte deine Ducaten, und deine
hundert Pistolm kannst du auch unversehrt wieder bekom
men, sobald al- du willst. — Werner. So? hat denn der Major noch Geld?
Just.
Nein.
Werner.
Hat er sich wo welche- geborgt?
21
Auftritt 12.
3 u ft.
Nein. Und wovon lebt ihr denn?
Verner.
Just.
Wir lassen anschreiben, und wenn man nicht
mehr anschreiben will, und un- zum Haust hmauSwirft, so versetzen wir, waS wir noch haben, und ziehen, weiter.
— Höre nur, Paul; dem Wirthe hier müssen wir einen Possen spielen.
Verner.
Hat er dem Major waö in den Weg ge
legt? — Ich bin dabei! — Znst. Wie wir'S, wenn wir ihm deS Wend-, wenn
er
au- der Tabagie kommt, aufpaßtm, und
ihn brav
durchprügelten? —
Verner.
De- Abend- — aufpaßten? — ihrer Zwei,
einem? — da- ist nicht-. —
Inst. Oder, wen» wir ihm da- Hau- über dem Kopf anstecktrn? —
Verner. Sengen und brennen? — Kerl, man hört'-,
daß du Packknecht gewesen bist und nicht Soldat; — pfui! Inst. Oder, wen» wir ihm sein« Tochter zur Hure
machtm? Sie ist zwar verdammt häßlich---------O da wird sie'- lange schon seyn!
Und
allenfalls brauchst du auch hierzu keinen Gehülfen.
Wer
Verner.
wa- hast du denn? Wa- giebt'- denn?
Inst. Komm nur, du sollst dein Wunder hörm l
Verner.
So ist der Teufel wohl hier gar lo-?
Inst. Ja wobl, komm nur!
Verner. Persim!
Desto
besser!
Nach
Persien
also, nach
Erster Austritt. Dir ©eene ist in dem Zimmer des Fräulein«.
Minna von Barahelm.
Fravciska.
Da» Fräulein (im Negligä, nach ihrer Uhr sehend).
ci-ka, wir sind auch sehr früh aufgestanden.
Fran-
Die Zeit
wird un- lang werden.
Wer kann in ben verzweifelten großen
Fra,cirka.
Die Aarrosien, die Nachtwächter, die
Städten schlafen?
Trommeln, die Katzen, die Korporal- — da» Hirt nicht auf zu rasseln, zu schreien, zu wirbeln, zu mauen, zu fluchen; gerade, al« ob die Nacht wäre, al« zur
Ruhe.
—
zu
Eine Taffe
nicht« weniger
Thee, gnädiges
Fräulein? —
Da, Fräulein.
Fra »cirka.
Der Thee schmeckt mir nicht. —
Ich will von unserer Chokolade machen
lassen. 8«» Fräulein.
Laß machen, für dich!
Ich wollte
eben so gern
für mich allein plaudern, al- für mich
allein trinken.
Frauciska.
Für mich?
— Freilich wird un« die Zeit so lang »erben. — Dir
23
Auftritt 1.
«erden vor langer Weile uns
putzen müssen, und das
Kleid versuchen, in welchrm wir bett ersten Sturm geben
wollen.
9a* Fräulein. ich
bloß
Was redest du von Stürmen, da
herkomme, die Haltung der Kapitulation zu
fordern? /ranricka.
Und der Herr Officier, dm
wir ver-
tricben, und dem wir da- Komplimmt darüber machm
lassen; er muß auch nicht die feinste LebmSart haben, sonst hätte er wohl um die Ehre sinnen bitten lassen, un
feine Aufwartung machm zu dürfm. — 9a* Fränlein. Es find nicht alle Officiere TellheimS.
Die Wahrheit zu fagm, ich ließ ihm das Kompliment
auch bloß machm, um Gelegenheit zu habm, mich nach diesem bet ihm zu erkundigm. — FranciSka, mein Herz
sagt eS mir, daß meine Reise glücklich seyn wird, daß ich
ihn findm werde. — /ra,cirka.
DaS Herz, gnädige- Fräulein?
Man
trau« doch ja seinem Herzm nicht zu viel.
DaS Herz
redet uns gewaltig gern nach dem Maule.
Wmn da-
Maul ebm so geneigt wäre, nach dem Herzen zu reben,
so wäre die Mode längst aufgekommm, die Mäuler unterm
Schlosse zu tragen. 9a« /rankte. Ha! ha! mit deinmMäulem unterm
Schlosse!
Die Mode wäre mir ebm recht!
/rancifka.
Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt,
al- alle Augenblicke da- Herz darüber springen lassen!
9a* /rankte. /rancbka.
WaS? bist du so zurückhallmd? —
Nein, gnädiges Fräulein, sondern ich
wollte es gern mehr seyn.
Man spricht seltm von der
Tugmd, die man hat; aber desto öfter von der, die uns fehlt.
24 Da» /rSaltin.
Sufjug r.
Siehst du, Franci-ka? da hast du
eine sehr gut« Anmerkung gemacht. — £i>n(i»ka.
Gemacht? Macht man da-, was einem
so einfällt? Da» /tinltin. Und weißt du, warum ich eigentlich
diese Anmerkung so gut finde?
Sie hat viel Beziehung
auf meinen Tellheim.
/tan(i»ka.
Was hätte bei Ihnen nicht auch Be
ziehung auf ihn?
Freund und Feind sagen, daß er
Da» /täulein.
der tapferste Mann von der Welt ist.
Mer wer hat ihn
von Tapferkeü jemals reden hären?
Er hat da- recht
schaffenste Herz, aber Rrchtschaffenhett und Edelmuth find Worte, die er nie auf die Zunge dringt.
ft
antiika.
Von was
für Tugenden
spricht er
denn?
Er spricht von
Da» Fräulein.
keiner,
baut ihm
fehlt keine.
Fr an cirka.
Da- wollt« ich nur hören.
Warte, Franci-ka; ich besinne mich.
Da» Fräulein.
Er spricht
sehr
oft von
Oekonomie.
Im Vertrauen,
Franci-ka, ich glaube, der Mann ist ein Verschwender. F r a n c i» k a. Noch eins, gnädige- Fräulein. Ich habe ihn auch sehr ost der Treue und Beständigkeit gegen Sie erwähnen
Wie, wenn der Herr auch ein Flatter
hören.
geist wärr?
Da» Fräulein.
Du
Unglückliche! — Aber meinst
du da« im Ernste, Franci-ka?
Fruucirka.
Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht
geschrieben?
Da» Fräulein.
Ach! seit dem Frieden hat er mir
nur ein rinzigr-mal geschrieben.
25
Auftritt 1.
/ranciikt.
Wunderbar!
den Frieden.
Seufzer wider
Auch ein
der Friede sollte nur da- Böse wieder gut
machen, da- der Krieg gestiftet, und er zerrüttet auch da-
Gute, was hat.
dieser sein
Gegenpart
etwa noch
veranlaßt
Der Friede sollte so eigenfinnig nicht seyn! — Und
wie lange haben wir schon Friede?
Die Zeit wird einem
gewalfig lang, wenn e- so wenig Neuigkeiten giebt. —
Umsonst gehen die Posten wieder richtig; niemand schreibt,
denn niemand hat was zu schreiben.
ich
La« Fritnteia.
ES ist Friede, schrieb er mir, und
nähere mich der
Erfüllung meiner Wünsche.
Wer
daß er mir dieses nur einmal, nur ein einzigeSmal ge
schrieben —
/reeci»ka. —
Daß
er
un-
zwingt,
dieser
Er
füllung der Wünsche selbst entgegen zu eilen: finden wir
ihn nur, das soll er unS entgelten! — Wenn indeß der Mann
doch
Wünsche
erfüllt
hätte,
und
wir
erführen
hier — Da« /räaleia (ängstlich und hitzig). Daß er todt wäre? Fraacirka.
Für
Sie,
gnädige- Fräulein; in de«
Armen einer andern. — Da» Fräulel».
er
soll
dir
schlafen wir
Du Quälgeist!
Warte, FranciSka,
schwatze
nur;
sonst
wieder ein. — Sein Regiment ward
nach
e-
gedenken! — Doch
dem Frieden zerrissen.
Wer weiß, in welche Verwirrung
von Rechnungen und Nachweisungen er dadurch gerathen? Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche ent legene Provinz er versetzt worden? Wer weiß, welche Um
stände — ES pocht jemand. Fra»cirka.
Herein!
26
$l«fsag *•
Iweiter Austritt.
Der Wirth.
Die Vorigen.
Der Wirth (den Kopf voransteckend).
Ist eS erlaubt,
meine gnidige Herrschaft? — Frankier«.
Unser Herr Wirth? — Nur Vollend
herein.
Der Wirth (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und Schreibzeug in der Hand).
Ich komme, gnLdige-
FrLulein, Ihnen einen untertänigen guten Morgen zu wünschen, — (zur Franri-ka) und auch Ihr, mein schöne-
Kind —
/reeciika. Ein höflicher Mann! Sa» Fräulein.
Wir bedankm uni.
Und wünschen Ihm auch einen guten
Fraucirda.
Morgm.
Der Wirth.
Darf ich
mich
unterstehen
zu fragen,
wie Jhro Gnaden die erste Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet? —
Frauriaka.
Da- Dach ist so schlecht nicht, Herr
Wirth; aber die Betten hätten sinnen besser seyn.
Der Wirth.
Wa- höre ich? Nicht wohl geruht? Viel
leicht, daß die gar zu große Ermüdung von der Reise —
Di« FrSutriu.
Der Wirth. deß, sollte etwaBequemlichkett
E- kann feen.
Gewiß, gewiß! denn sonst--------- In nicht vollkommm
gewesen
seyn, so
nach Jhro
Gnaden
geruhen Jhro
Gnaden
nur zu befehlen. /rantifk«. Gut, Herr Wirth, gut! Wir find auch nicht
blöde; und am wenigsten muß man
seyn.
Wir
im Gasthofe blöde
vollen schon sogen, wie wir e- gern hätten.
27
auftritt 2.
vrr Wirth.
Hiernächst komme ich zugleich — (indem
er die Feder hinter dem Ohre hervorzieht) Francirda.
Nun? —
Ser Wirth.
Ohne Zweifel
kennen
Ihrs
Gnaden
schon die weis« Verordnungen unserer Polizei. Da» /tänltin. Her Wirth.
Nicht im geringsten, Herr Wirth.—
Wir Wirthe sind
Fremden, weß Stande-
und
angewiesen,
Geschlechte-
er
keinm
auch
sey,
vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen,
Heimath, Charakter, hiesige Geschäfte, vermuthliche Dauer
de- Aufenthalt-, und so weiter, gehörigen Ort- schriftlich einzureichen.
/räaltie. vrr Wirth.
Sehr wohl.
Jhro Gnade» wrrdm also sich gefallen
lasten — (indem er an einen Lisch tritt und sich fertig macht
zu schreiben) La, Fräntri». vrr Wirth.
schreibt.)
Sehr gern. — Ich heiße —
Einen Beinen Augenblick Geduld! — (Er
»Dato, ben 22. August a. c. allhier zum König
von Spanim angelangt" — Nun Dero Namen, gnLdigeFräulein? La, /räateia.
Da- Fräulein von Barnhelm,
vrr Wirth (schreibt),
„von Barnhelm"—Kommend?
woher, gnädige- Friulein? La, FrSatria. Bon meinen Gütern au- Sachsen,
vrr Wirth (schreibt). Sachsm!
„Gütern au- Sachsen" — Au-
Ei, ei, au- Sachs«, gnädige- Friulein? au-
Sachs«?
Franci,ka.
Nun? warum nicht? E- ist doch wohl
hier zu Lande keine Sünde, au- Sachsm zu seyn? vrr Wirth.
Eine Sünde? Bchüte! da» wäre ja eine
ganz n«e Sünde! — Au- Sachsen also?
Ei, ei! au-
28 Sachsm!
da« liebe Sachsen!
Nujzug 2.
— Aber wo mir recht ist,
gnädige- Fräulein, Sachsm ist nicht klein, und hat mehrere
— wie soll ich es nennen? — Districte, Provinzen. — Unsere Polizei ist sehr exact, gnädige« Fräulein. —
Da» Fräulein.
verstehe:
von meinen Gütern
Au« Thüringm!
Ja, da« ist bester!
Ich
au- Thüringen also.
Der Virth.
gnädige- Fräulein, da- ist genauer. — (Schreibt und licet)
»Da« Fräulein von Barnhelm, kommend von ihren Gütern „au« Thüringm, nebst einer Kammerfrau und zwei Ve
rdienten" — Fr au cirka.
Einer Kammerfrau? da« soll ich wohl
seyn?
Der Wirth.
Ja, mein schöne« Kind. —
Frauciska.
Nun, Herr Wirth, so setzen Sie anstatt
Kammersrau Kammerjungfer. — Ich höre, die Polizei ist
sehr exact; e« möchte ein Mißverständniß geben, welchemir bei meinem Aufgebot einmal Händel machm könnte. Denn ich bin wirklich noch Jungfer und heiße Franci-ka;
mit dem Geschlecht-namen Willig; Franci-ka Willig. Ich
bin auch au- Thüringm.
Mein Vater war Müller auf
einem von den Gütern de« gnädigen Fräulein«.
Ich
kam
sehr jung
auf dm Hof und ward mit dem
gnädigen Fräulein erzogm. künftige Lichtmeß
E« heißt
Die Mühle hat jetzt mein Bruder.
Klein-Ramm«dorf.
Wir sind von einem Mter:
einundzwanzig Jahr.
Ich
habe alle«
gelernt, wa« da- gnädige Fräulein gelernt hat.
Es soll
mir lieb seyn, wmn mich die Polizei recht tarnt. Der Virth.
Gut, mein schöne- Kind; da- will ich
mir auf weitere Nachfrage merkm. — Aber nunmehr, gnädige- Fräulein, Dero Berrichtungm allhier? —
Da» Fräuteiu.
Meine Berrichtungm?
29
Auftritt 2.
Suchm Ihrs Gnadm etwa«
9tr Wirth.
bei bt«
König« Majestät?
Da« /tänltin. Der Wirth.
Da« Fräulein. Der Wirth.
O, nein!
Oder bei unsern hohen Justizcollegii«?
Auch nicht.
Oder —
Das Fräulein.
Nein, nein.
Ich bin lediglich in
meinen eigenen Angelegenheiten hier. Der Wirth.
Ganz wohl, gnädige- Fräulein; aber
wie nennen sich diese eigenen Angelegenheiten? Da« Fräulein.
Sie nennen sich — FranciSka, ich
glaube, wir »erben vernommen. Frauciska.
Herr Wirth, die Polizei wird doch nicht
die Geheimnisse eine« Frauenzimmer« zu wissen verlangen?
Der Wirth.
Allerding-, mein schöne« Kind: die Po
lizei will alle«, alle« wissen; und besonder« Geheimnisse. Franci«ha.
Ja nun, gnädige« Fräulein, waö ist zu
thun? — So hören Sie nur, Herr Wirth; — aber daß eo ja unter un« und der Polizei bleibt!
Wa« wird ihm die Närrin sagen?
Da» Fräulein.
Fraueisha.
Wir kommen, dem Könige einen Officier
wegzukapern — Der Wirth.
Wie? wa«? Mein Kind! mein Kind!
Fraueisha.
Oder un« von dem Osficier kapern zu
lasse«.
Beide« ist ein«.
Da» Fräulein.
FranciSka, bist du toll? — Herr
Wirth, die Naseweise hat Sie zum besten.
Der Wirth.
Ich will nicht hoffm! Zwar mit meiner
Wenigkeit kann sie scherzen so viel wie sie will, nur mit
einer hohen Polizei —
Da« Fräulein. Ich
weiß mich
Wissen Sie wa«, Herr Wirth? —
in dieser Sache nicht zu
nehm«.
Ich
30
Auszug S.
dichte, Sie ließe« die ganze Schreiberei bi- auf die An kunft meine» Oheim«.
Ich habe Ihnen schon gestern ge
sagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen. verunglückte zwei Mellen von hier
Er
mit seinem Wagen,
und wollte durchaus nicht, daß mich dieser Zufall eine
Nacht mehr kosten sollte.
Ich mußte also voran.
Wenn
er vierundzwanzig Stundm nach mir eintrifft, so ist e«
da« längste. Der Vieth.
Nun ja, gnädige« Fräulein, so wollen
wir ihn erwarten. Dar /räultin. antworten können.
Er
wird
auf Ihre Fragen besser
Er wird wissen, wem und wie weit
er stch zu entdeckm
hat; wa« er von seinen Geschäften
anzeigen muß, und wa- er davon verschweigen darf. Der Vieth.
Desto besser! Freilich, freilich kann man
von einem jungen Midchm (btt Franci«ka mit einer bedeu tenden Mene anseheud) nicht verlangen, daß e« eine ernst
hafte Sache, mit ernsthaften Leuten, ernsthaft traktire — Und die Zimmer für ihn find doch
Da» /länlti*.
in Bereitschaft, Herr Wirth?
Der Wirth.
Völlig, gnädige« Fräulein, völlig, bi«
auf da« eine —
Fra,cirka.
Au« dem Sir vielleicht auch noch erst
einen ehrlichen Mann vertreiben müssen? Der Wirth.
Die Kammerjungsern au- Sachsen, gnä
dige« Fräulein, find wohl sehr mitleidig. — Vas Fräatei».
nicht gut gemacht.
Doch, Herr Wirch, da« habm Sie
Lieber hätten Sie un« nicht etnnehmen
sollen.
Der Wirth.
Wie so, gnädige« Fräulein, wie so?
Da, Fr«,lei».
Ich höre, daß der Osficier, welcher
durch un- vrrdrängt worden —
31
ilaftritt 2.
Dir Wirth.
nur rin
Ja
abgedankter
Officirr ist,
gnädiges Fräulein. —
Wenn schon! —
Das /räulti«.
Drr Wirth.
Mit dem es zu Ende geht. —
Desto schlimmerI
Das /täaltis.
ES soll ei« sehr
verdienter Mann seyn. Der Wirth.
Ich sage Ihnen ja, daß er abgrdankt ist.
Das Fräuieiu.
Der König kann nicht alle verdiente
Männer kennen.
Der Wirth.
O gewiß, er kennt sie, er tarnt sie alle. —
Das Fräulein.
Drr Wirth. nach
So kann er sie nicht alle belohnen.
Sie wärm alle belohnt, wenn sie dar
gelebt hätten.
Aber so lebte» die Herren während
M Krieges, als ob ewig Krieg bleiben würde; al- ob da- Dein und Mei» ewig aufgehoben seyn würde.
liegm alle Wirthshäuser und
Gasthöse
von
Jetzt
chnen voll;
und ein Witth hat sich wohl mit ihnen in Acht zu nehmen.
Ich bin mit diesem noch so ziemlich weggekommen. er
Hatte
gleich kein Geld mehr, so hatte er doch »och Geldes
werth ; und zwei, drei Monate hätte ich chn freilich noch ruhig
können fitzen lassen.
Doch besser ist besser. — A propoS,
gnädige- Fräulein; Sie verstehen sich doch auf Juwelen? —
Das Fräulein. Der Wirth.
Nicht sonderlich.
Was solltm Ihrs Gnaden nicht? —
Ich muß Ihnen einen Ring zeigen, einen kostbaren Ring.
Zwar, gnädige- Fräulein haben da auch rinat sehr schönen am Finger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich wundern, daß er dem meinigen so ähnlich ist. — O! sehen
Sie doch, sehen Sie doch!
(Indem er ihn au«
dem Futteral herau««immt und dem Fräulein zureicht) ein Feuer! Karat.
Welch
der mittelste Brillant allein wiegt über fünf
32
Lufzug 2.
Das /tanltin (ihn betrachtend).
Wo bin ich? — Wa
sch' ich? Dieser Ring — Der Wirth.
Ist seine fünfzehnhundert Thaler unter
Brüdern werth.
Franc'i-ka! — Sich doch! —
Das /räaltiu.
Der Wirth.
Ich habe mich auch nicht einen Augen
blick bedacht, achtzig Pistolen darauf zu leihen. Das frinltta.
/taatiska.
Erkennst du ihn nicht, Franci-ka?
Der nämliche!
—
Herr
Wirth,
wo
hab« Sie dies« Ring her? — Der Wirth.
Run, mein Kind?
Sie hat doch wohl
kein Recht daran?
Francisku.
Wir kein Recht an diesem Ringe? —
Jnwiirt- auf dem Kasten muß der Fräulein verzogener
Name stehen. — Weisen Sie doch, Fräulein.
Er ist'-, er ist'-1 — Wie kommen
Das Fräulein.
Sie zu diesem Ring«, Herr Wirth?
Der Wirth.
Ich? auf die ehrlichste Weise von der
Welt. — Gnädige-
Fräulein, gnädige- Fräulein, Sie
werden mich nicht in Schaden und Unglück bring« woll«?
Wa- weiß ich, wo sich der Ring eigentlich herschreibt? Während de- Kriege- hat manche« seinen Herrn, sehr oft, mit und ohne Borbewußt de- Herrn, verändert.
Und
E- werd« mehr Ringe au- Sachsen
Krieg war Krieg.
über die Gränze gegangen seyn. — Geben Sie mir ihn wieder, gnädige- Fräulein, geben Sie mir ihn toitbtr l /taatiska. Sie ihn? Der Wirth.
Erst
geantwortet:
von
wem
haben
Von einem Manne, dem ich so wa- nicht
zutrauen kann; von einem sonst guten Manne —
Das Fräulein.
Bon dem best« Manne unter der
33
Auftritt 2.
Sonne, wenn Sie ihn von seinem Eigenthümer haben. —
Geschwind bringen Sie mir den Mann l Er ist es selbst, oder wenigstens muß er ihn kennen.
Wer denn? wm denn, gnädiges Fräu
vrr Wirth.
lein?
/tantiika.
Hören Sie denn nicht? unsern Major,
ver Wirth.
Major? Recht, er ist Major, der diese-
Zimmer vor Ihn« bewohnt hat, und von dem ich ihn habe. Vas /teeltin.
Der Wirth.
Major von Tellheim.
Bon Tellheim; ja! Kennen Sie ihn?
Vas /linltin.
Ob ich ihn kenne?
Er ist
hier?
Tellheim ist hier? Er? er hat in diesem Zimmer gewohnt? Er! er hat Ihnen diesen Ring versetzt? Wie kommt der
Mann in diese Verlegenheit?
Wo ist er?
Er ist Ihnen
schuldig?---------- Franciska, die Schatulle Herl
auf 1
Schließ
(Indem sie Francioka auf den Tisch setzt und öffnet.) Was
ist er Ihnen schuldig? Wem ist er mehr schuldig? Bringen
Sie
mir alle
sind Wechsel.
seine Schuldner.
Hier
ist Geld.
Hier
Alles ist sein!
ver Wirth.
Wa» hör' ich?
Vas FrSnleia.
vrr Wirth.
Wo ist er? wo ist er?
Noch vor einer Stunde war er hier.
Vas Fräulein.
Häßlicher Mann, wie konnten Sie
gegen ihn so unfreundlich, so hart, so grausam seyn?
ver Wirth.
Ihr» Gnaden verzeihen —
Vas Fräulein.
Geschwind, schaff« Sie mir ihn zur
Stelle, vrr Wirth.
Sein Bedimter ist vielleicht noch hier.
Woll« Ihrs Gnad«, daß er ihn auffuchm soll?
Vas /ränltin.
Ob ich will?
rcssing, Minna von Lnrnhelm.
Eil« Sie, lauf« 3
34 Sie;
Auszug 2.
für diesen Dienst allein will ich e- vergessen, wie
schlecht Sie mit ihm umgegangen sind, /rantiska.
Fix, Herr
Wirth,
hurtig, fort, fort!
(Stößt ihn hinan«.)
Dritter Austritt.
Das Fraulein. Franeiska. Da» Fräulein. Nun habe ich ihn wieder, Franeiska! Siehst du, nun habe ich ihn wieder!
ich vor Freuden bin! ciska.
Aber freilich,
warum du?
du mußt dich mit mir freuen.
dich beschenken, damit du dich
Sprich, Franeiska,
Ich weiß nicht, wo
Freue dich doch mit, liebe Fran-
Doch du sollst dich,
Komin, Liebe, ich will mit mir
freuen
was soll ich dir geben?
kannst.
Was steht
dir von meinen Sachen an? Was hättest du gern? Nimm, «aS du willst; aber freue dich nur.
Ich sehe wohl, du
wirst dir nichts nehmen. Warte! (Tie faßt in die Schatulle) da, liebe
Franeiska (und gibt ihr Geld); kaufe dir, waS
du gern hättest.
Fordere mehr, wenn eS nicht zulangt.
Aber freue dich nur mit mir. allein zu freuen.
ES ist so traurig, sich
Nun, so nimm doch —
Frauri,ka. Ich stehle eS Ihnen, Fräulein; Sie sind
trunken, von Fröhlichkeit trunken. —
Da» Fr inte in.
Mädchen, ich habe einen zänkischen
Rausch; nimm, oder — (Sie zwingt ihr das Geld in die
Hand) Und wenn du dich bedankst! — Warte;
gut, daß
ich daran denke. (Eie greift nochmals in die Schatulle nach Geld.)
Da»,
liebe Franeiska, stecke bei Seite, für den
ersten blrfflrten armen Soldaten, der un- anfpricht. —
Austritt 4
35
5.
Vierter Austritt.
Der Wirth. Das Fraulein. Franriska. Da» /räulein.
Der Wirth.
Nun? wird er kommm?
Der widerwärtige, ungeschliffene Kerl!
Da» /räulein. Der Wirth.
Wer?
Er weigert sich,
Sein Bedienter.
nach
ihm zu gehen. /tanci»ka.
Bringen Sie doch dm Schurkm her. —
De« Major- Bediente kenne ich ja wohl alle.
Welcher
wäre dmn da-?
Da» /rüttlet».
Bringen Sie
ihn
geschwind
her.
Wmn er un- sieht, wird er schon gehen.
(Der Wirth geht ab.)
Fünfter Austritt.
Das Fraulein. FrauciSka. Da» /ränteiu. warten.
Ich kann den Angmblick nicht er*
Aber, FranciSka, du bist noch immer so kalt?
Du willst dich noch nicht mit mir freuen? /ranci»ka.
Ich
nur — Da» /räulein.
/ranneka. aber wie
wollte
von
Herzen
gern;
wenn
Wmn nur?
Wir habm dm Mann wiedergesundm;
habm wir ihn wiedergefundm?
was wir von ihm hören,
muß unglücklich seyn.
Nach allem,
muß e- ihm Übel gehen.
Da- jammert mich.
Er
36 Var /röiltin.
Jammert dich? — Laß dich dafür
umarmen, meine liebste Gespielin! vergessen!
älufjuj 2.
Da- will ich dir nie
— Ich bin nur verliebt, und du bist gut. —
Sechster Austritt.
Der Wirth. Just. Die Stetigen. Der Wirth.
Mit genauer Noch bring' ich ihn.
Jreitiilta. Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht.
Da» Fräulein. von Tellheim?
Mein Freund, ist Er bei dem Major
3uH. Ja.
Bas Fräulein. 2uft.
Bas Fräulein. 3°st.
Wo ist Sein Herr?
Nicht hier. Aber Er weiß ihn zu finden?
Ja.
Bas Fräulein. Will Er ihn nicht geschwind herholen?
Zn st.
Nein.
Bas Fräulein. Er erweiset mir damit einen Gefallen. Zuft.
Ei!
Bas Fräulein.
Und Seinem Herrn einen Dienst. —
Zu st. Vielleicht auch nicht. — Bas Fräulein. Zus».
Woher vermuthet Er da-?
Sie sind doch die fremd« Herrschaft, die ihn
diesm Morgen romplimentiren lafsm?
Bas Fräulriu.
Zug.
Bas Fräulein. Zu st.
Ja.
So bin ich schon recht.
Weiß Sein Herr meinen Namen?
Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen
eben so wenig leiden, al- die allzu groben Wirthe.
37
Austritt 6.
Der Wirth.
Da- soll wohl mit auf mich gehen?
3eH. Ja.
So laß Er rS doch drm gnädigm FrLu-
Der Wirth.
lkin nicht entgrltcn; und hole Er ihn geschwind her.
Da« /iäalnn (zu Franriska).
Franci-ka, gieb
ihm
etwa- —
/r a n c i» k a (dir dem Just (gelb in die Hand drücken will). Wir verlangen Seine Dienste nicht umsonst. — Inst.
Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste,
/ranciik«.
Eines für das andere.
Inst. Ich kann nicht.
au-zuräumen.
Mein Herr hat mir befohlen,
Da- thu' ich jetzt, und daran bitte ich,
mich nicht weiter zu verhindern.
Wenn ich fertig bin, so
will ich es ihm ja wohl sagen, daß er Herkommen kann.
Er ist nebenan auf dem Kaffeehause; und
wenn er da
nicht- beffere- zu thun findet, wird er auch wohl kommen. (Will fvrtgehen.)
Franriska.
So warte
Er doch. — Da- gnädige
Fräulein ist de- Herrn Major- — Schwester. —
8a» /eänlein. Last.
Ta-
Schwester hat.
Ja, ja, seine Schwester.
weiß ich
bester, daß der Major keine
Er hat mich in sech- Monaten zweimal
an seine Familie nach Curland geschickt. — Zwar e- giebt mancherlei Schwestern —
/eanetfka.
Inst.
Unverschämter!
Muß man «- nicht seyn, wenn einen die Leute
(weht ad.)
sollen gehen lasten?
/raneieka.
Da- ist ein Schllngell
Der Wirth.
Ich sagt' e» ja.
nur!
Mer lassen Sie ihn
Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist.
Ich
will ihn gleich selbst holen. — Nur, gnädige- Fräulein,
bitte ich unterthänigst, sodann ja mich bei
dem Herrn
38
Aufzug r.
gewesen,
Major zu entschuldigen, daß ich so unglücklich
wider meinen Willen dncn Mann von seinen Verdiensten —
Dar Fräulein. Geben Sie nur geschwind, Herr Wirth. Da- will ich alle- wieder gut machen.
(Der Wirth geht
ab, und hierauf) Franci-ka, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen nicht nennen! (Franciska dem Wirthe nach.)
Siebenter Austritt. Das Fraulein und hierauf Franciska. Dar Fräulein.
Ich habe ihn wieder!
— Bin ich
allein? — Ich will nicht umsonst allein seyn. (Sie faltet die
Hände)
Auch bin ich nicht allein!
(und blickt aufwärts.)
Ein einziger dankbarer Gedanke gm Himmel ist da- voll
kommenste Gebet! — Ich hab' ihn, ich hab' ihn! ausgebreiteten Srmen.)
Ich bin
glücklich!
(Mit
und fröhlich!
Was kann der Schöpfer lieber sehen, als ein fröhliches
Geschöpf? — (Franci-ka kommt.) Bist 'du wieder da, Fran
ciska? — Er
jammert dich?
Unglück ist auch gut.
Mich
jammert
er nicht.
Vielleicht, daß ihm der Himmel
alleo nahm, um ihm in mir alle- wieder zu geben!
Franciska.
Er kann dm Augenblick hier seyn. — Sie
sind noch in Ihrem Neglige, gnädige- Fräulein.
Wie,
wmn Sie sich geschwind ankleideten?
Das Fraulein.
Geh! ich bitte dich.
Er wird mich
von nun an öfter so, al- geputzt sehen. Franciska.
O, Sie kennen sich, mein Fräulein.
Das Fräulein (nach einem kurzen Nachdenken). Wahrhafttg, Mädchm, du hast e- wiederum getroffen.
39
Auftritt 8.
Franciska.
Wenn wir schön sind, sind wir unge
putzt am schönsten. Müssen wir denn schön seyn? —
Das Fraulei«.
Aber, daß wir unS schön glauben, war vielleicht noth wendig. — Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin! —
FranciSka, wenn alle Mädchen so sind, wie ich mich jetzt wir — sonderbare Dinger. — Zärtlich
fühle, so sind
und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und fromm. —
Du wirst mich nicht verstehen.
Ich verstehe mich wohl
selbst nicht. — Die Freude macht drehend, wirblicht. — Franciska.
Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre
fommen —
Das Fraulein.
Mich
fassen?
Ick sollte ihn ruhig
empfangen?
Achter Austritt. v. Tellheim. Der Wirth. Die Vorigen. v. Lellheim stritt herein, und indem er sie erblickt, flieht
er auf sie zu).
Ah! meine Minna! —
Das Frauleia (ihm entgegen fliehend). Ah,meinTell heim I — v. Lellheim (stuht auf einmal, und tritt wieder zurück). Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein — das Fräulein von
Barnhelm hier zu finden — Das
Frauleia.
Kann Ihnen doch so gar unerwartet
nicht seyn? — (Indem sie ihm näher tritt, und er mehr zu rückweicht.)
Ich soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre
Minna bin?
Verzeih' Ihnen der Himmel, daß ich noch
da- Fräulein von Barnhelm bin! —
40 ». Cell heim.
Auszug 2.
Gnädige- FräuleinI — (Sieht starr auf
dm Wirth, und zuckt di« Schultern.) Da, /teeltin (wird den Wirth gewahr, und winkt der Frann«ka). Mein Herr —
v. Lellhelm.
/ranciod». denn da?
Wenn wir un- beiderseits nicht irren —
Je, Herr Wirth, wm bringen Sie uns
Geschwind kommen Sie, lassen Sie un- den
rechtm suchen. Der Wirth.
Ist es nicht der recht«? Ei ja doch!
Jtanciska.
Ei nicht doch! Geschwind kommm Sie;
ich habe Ihrer Jungfer Tochter noch fehlen guten Morgen gesagt.
ver Wirth.
O! viel Ehre — (doch ohne von der Stelle
zu gehm). /rancirka (faßt ihn an).
Kommm Sie, wir wollen
dm Küchenzettel machm. — Lassen Sie sehen, wa- wir haben werden — Der Wirth.
/tentiske.
Sie sollm haben, für- erste —
Still,
ja stille!
Wenn
da» Fräulein
jetzt schon weiß, wa- sie zu Mittag speisen soll, so ist e»
um ihrm Appetit geschehm.
Sie mir allein sagen.
Kommm Sie, da» müssen
(Führt ihn mit Gewalt ab.)
Nruuter Austritt.
v. Tellheim. DaS Fraulei«. Da» Fräulein. e. Tellhet«.
Nun? irrm wir un» noch?
Daß e» der Himmel wollte! — Aber
«» giebt nur Eine, und Sie sind e». —
41
Auftritt 9.
Vas Fraulein.
Welche Umstände!
WaS wir un-
zu sagen haben, kann Jederman hören,
Sie hier? Wa- suchen Sie hier, gnä
v. Lett heim. dige- Fräulein?
Nicht- suche ich mehr.
Vas Fräulein.
(Mit offenen
Alle-, was ich suchte, habe ich
Armen auf ihn -ugehend.) gefunden.
v. Lett heim (zurückweichend).
Sie suchtm einen glück
lichen, einen Ihrer Liebe würdigen Mann, und finden —
einen Elenden. Vas
Fraulein.
So lieben Sie mich nicht mehr? —
Und lieben eine andere?
v. Tellhei».
Ah!
der hat Sie
nie geliebt, mein
Fräulein, der eine andere nach Ihnen lieben kann.
Vas Frau lei».
Sie reißen nur einen Stachel au-
meiner Seele. — Wenn ich Ihr Herz verloren habe, was
liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reize darum
gebracht? — Sie lieben mich
nicht mehr, und
lieben auch keine andere? — Unglücklicher Mann, wenn
Sie gar nicht- lieben! — v. rellheim.
Recht, gnädige-Fräulein; der Unglück
liche muß gar nicht- lieben.
Er verdient fein Unglück,
wenn er diesen Sieg nicht über fich selbst zu erhalten weiß; wenn er e- sich gefallen lasten kann, daß die, welche er
liebt, an seinem Unglück Antheil nehmen dürfen. — Wie schwer
ist dieser Sieg! — Seitdem mir Vernunft und
Nothwendigkeit befehlen, Minna von Barnhelm
zu ver
gessen: wa- für Mühe habe ich angewandt! Eben wollte
ich
anfangen zu hoffen, daß diese Mühe nicht ewig ver
geben-
seyn würde: — und Sie erscheinen, mein Fräu
lein! —
Vas Fräoleiu.
Versteh' ich Sie recht? Halten Sie,
42
Aufzug L.
mein Herr; lassen Sie sehen, wo wir sind, ehe wir unS weiter verirren!
— Wollen Sie mir die einzige Frage
beantworten?
v. Tellheim.
Jede, mein Fräulein —
Lar Fräulein.
Wollen Sie mir auch ohne Wendung,
ohne Winkelzug antworten? Mit nicht-, als einem trockenen Ja, oder Nein? ». Tellheim.
Ich will rS — wenn ich kann.
La» FrSnlein. der
Sie können eS. — Gut: ungeachtet
Mühe, die Sie angewendet, mich
zu vergessen, —
lieben Sie mich noch, Tellheim? Mein Fräulein, diese Frage —
o. Tellheim.
Sie haben versprochen, mit nichts,
Var Fräulein.
als Ja oder Nein zu antworten.
Und hinzugesrtzt: wenn ich kann.
v. Tellheim.
Sie
va, Fräulein.
können; Sie
müssen
wissen,
waS in Ihrem Herzm vorgeht. — Lieben Sie mich noch,
Tellheim? — Ja, oder Nein.
v. Tellheim.
Wenn mein Herz — Ja, oder Nein!
va, Fräulein. v. Tellheim.
Nun, Ja!
va» FrSnlein. Ja? ». Tellheim.
va,
Ja, ja! — Allein —
Fräulein.
Geduld!
— Sie lieben mich noch:
genug für mich. — In was für einen Ton bin ich mit Ihnen gefallen! Ein widriger, melancholischer, ansteckender
Ton. — Ich nehme den meinigen wieder an. — Nun,
mein
lieber Unglückttcher,
Sie lieben
mich
noch,
haben Ihr« Minna noch, und sind unglücklich?
und
Hören
Sie doch, was Ihre Minna für rin eingebildetes, albernes Ding war, — ist.
ganzes Glück sey
Sie ließ, sie läßt sich träumen, Ihr sie. — Geschwind
kramm Sie Ihr
43
Austritt S.
Unglück aus.
Sir mag versuchen, wie viel sie dessen auf
wiegt. — Nun?
v. kellheiui.
Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt
zu klagen.
Da« Fräulein.
Sehr wohl.
Ich wüßte auch nicht,
was mir an einem Soldaten, nach dem Prahlen, weniger gefiele, als das Klagen. nachlässige
Art, von
Mer eS giebt eine gewiffe kalte,
seiner
Tapferkeit und
von
seinem
Unglück zu sprechen. —
o. Teil heim.
Die im
Grunde doch auch geprahlt
und geklagt Ist.
Da« Fräulein.
O, mein Rechthaber, so hätten Sie
sich auch gar nicht unglücklich nennen sollen. — Ganz ge
schwiegen, oder ganz mit der Sprache heraus. — Eine
Vernunft, eine Nothwendigkeit, die Ihnen mich zu vergesien befiehlt?
Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft,
ich habe sehr viel Ehrerbietung für die Nothwendigkeit. —
Aber lasten Sie doch hören, wie vernünftig diese Vernunft, wie nothwendig diese Nothwendigkeit ist.
v. kellh etm.
Wohl denn; so hören Sie, mein Fräu
lein. — Sie nennen mich Tellheim; der Name trifft ein. — Mer Sie meinen, ich sey der Tellheim, dm Sie in Ihrem
Vaterlande gekannt habm; der blühmde Mann, voller An
sprüche, voller Ruhmbegierde; der seines ganzm Körpers, seiner ganzm Seele mächfig war; vor dem die Schrankm
der Ehre und
de- Glücks eröffnet standm;
der Ihres
HrrzmS und Ihrer Hand, wmn er schon Ihrer noch nicht
würdig war, täglich würdiger zu wrrdm hoffen durste. — Dieser Tellheim bin
mein Vater bin.
ich
ebm so wmig, —
al- ich
Beide sind gewesm. — Ich bin Tell
heim, der verabschiedete, der an seiner Ehre gekränste, der
44
Auszug *.
Krüppel, der Bettler. — Jenem, mein Fräulein, versprachen Sie sich: wollen Sie diesem Wort halten?
Das Fräulein.
DaS klingt sehr tragisch! — Doch,
mein Herr, bis ich jmen wieder finde, — in
hcimS
schon
die Tell-
bin ich nun einmal vernarrt, — dieser wird mir
auS
der
Noth helfen
müssen.
—
Deine Hand,
lieber Bettler! (Indem sie ihn bei der Hand ergreift.) v. Tellheim (der die andere Hand mit dem Hute vor das
Gesicht schlägt und sich von ihr abwendet).
DaS ist zu viel!
— Wo bin ich? — Lassen Sie mich, Fräulein! Ihre Güte foltert mich. — Lassen Sie mich! Das Fräulein.
v. Tellheim.
Das Fraulein. ihre Brust zieht.)
o. Tellheim.
WaS ist Ihnen? wo wollen Sie hin?
Bon Ihnen! — Bon mir?
(Indem sie seine Hand an
Träumer! Die Verzweiflung wird
mich todt zu
Ihren Füßen werfen. Das
Fräulein. Bon mir?
n. Tellheim.
Bon Ihnen. — Sie nie, nie wieder
zu sehen. — Oder doch so entschlossen, so fest entschlossen, — keine Niederttächtigkeit zu begehen, — Sie keine Unbe
sonnenheit begehen zu lassen. — Lassen Sie mich, Minna! (Reißt sich los, und ab.) Das Fräulein (ihm nach).
heim! Tellheim!
Minna Sie lassen? Tell
Dritter Aufzug. Erster Austritt. Die Scene: Der Saal. Just, einen Brief in der Hand.
Muß ich doch noch einmal in da- verdammte Hau-
kommm!
— Ein Briefchen von meinem Herrn an da-
gnLdige Fräulein, da- feine Schwester seyn will. — Wenn
sich da nur nicht- anspinnt! — Sonst wird de- Brief wäre e- gern loS;
tragen- kein Ende werden. — Ich aber ich möchte
auch nicht gern in- Zimmer hinein. —
Da- Frauen-zeug fragt so viel; und ich antworte so un gern! — Ha, die Thüre geht auf.
Wie gewünscht! Da-
Kammerkätzchen!
Zweiter Auftritt. FrantiSka.
Just.
/rittbk« (zur Thür» hrrrin, au# btt sie kommt).
Sorgen
Sie nicht; ich will schon aufpaffen. — Sieh! (Indem fit Justtn gtwahr wird)
da
stieße
mir ja
gleich
Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.
wa#
auf.
46 3 nß.
Ihr Diener —
Fraiicirka. 3aß.
Auszug 3.
Ich wollte so einen Diener nicht —
Nu, nu, verzeih' Sie mir die Reden-art! —
Da bring' ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft, da« gnädige Fräulein — Schwester. — War'S
nicht so? Schwester.
/rändelta. Geb' Er her! (Reißt ihm den Brief au- der Hand.)
3 aß. und
Sie soll so gut seyn, läßt
eS übergeben.
mein Herr bitten,
Hernach soll Sie so gut seyn, läßt
mein Herr bitten — daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte waS! — /rencieka.
Nun denn?
3uß. Mein Herr versteht den Rummel.
Er weiß,
daß der Weg zu den Fräuleins durch die Kckmmermädchm«
grht: — bild' ich mir ein! — Die Jungfer soll also so gut seyn, — läßt mein Herr Bitten, — und ihm sagen
lasten, ob er nicht da- Vergnügen haben könnte, die Jungfer
auf ein Viertelstündchm zu sprechen. /rendska.
3 aß.
Mich?
Verzeih' Sie mir, wmn ich Ihr einen unrechten
Titel gebe. — Ja, Sie! — Rur auf ein Viertelstündchm;
aber allein, ganz allein, in-geheim, unter vier Augen.
Er hätte Ihr wa« sehr Nothwmdige« zu sagm. /randtka.
— Er
Gut!
ich habe ihm auch viel zu sagm.
kann nur kommm, ich werde zu seinem Befehle
seyn. 3uß. Aber, wann kann er kommm? Wann ist e« Ihr am gelegmsten, Jungfer? So in der Dämmerung? — /r«nri«ka, Wie meint Er da«? — Sein Herr kann
kommm, wann er will, — und damit packe Er sich nur!
3nß. Herzlich gern! («ill fortgehen.)
47
Auftritt 2.
Hör' Er doch! noch auf tin Wort. —
Fraucirka.
Wo sind denn die andern Bedienten des Major»?
Zu st.
Die andern?
Frauciitea.
Zu st.
Der Kammerdimer? den läßt der Major rtiftn.
So? Und Philipp, wo ist der?
Franc!,ka. Zu st.
Dahin, dorthin, überallhin.
Wo ist Wilhelm?
Der Jäger? den hat der Herr aufzuheben ge-
gebm. F r a u c i» k -.
Weil er jetzt keine Jagd hat, ohne Zweifel.
— Aber Martin? Zn st.
Der Kutscher? der ist weggeritten.
Fruuciida.
Zu st.
Und Fritz?
Der Läufer? der istavancirt.
Frauciida.
Wo war Er dmn, al» der Major bei
un» in Thüringen im Winterquartiere stand?
Er war
wohl noch nicht bei ihm?
Z u st.
O ja, ich war Reitknecht bei ihm; aber ich lag
im Lazareth.
Fraucirka.
Reitknecht? Und jetzt ist Er —?
Zust. Alles in allem; Kammerdimer und Jäger, Läufer und Reitknecht. So viele gute,
Fraucirka. Da» muß ich gestehm! tüchtige Leute von sich zu lasten, und
schlechtestm zu
behaltm!
gerade den aller-
Ich möchte doch wissen, was
Sein Herr an Ihm fände! Zust.
Vielleicht
findet
er,
daß
ich
ein
ehrlicher
Kerl bin. Fraucirka.
O, man ist auch verzweifelt wmig, wenn
man weiter nicht» ist, al» ehrlich. — Wilhelm war ein
anderer Mensch! — Reisen läßt ihn der Herr?
Zust.
Ja, er läßt ihn, — da er'» nicht hindern kann.
Fraucirka.
Wir?
48 3»st.
O, Wilhelm
Reisen machen. Fran cirka.
iluszuz .3
wird sich
alle
Ehre auf seinen
Er hat de- Herrn ganze Garderobe mit. WaS?
er
ist doch nicht kamst durch
gegangen ?
3 n f).
Da- kann man nun eben nicht sagen; sondern
al- wir von
Mrnberg weggingen, ist er un- nur nicht
damit nachgekommen. FraacirKa.
Just.
O, der Spitzbube!
E- war ein ganzer Mensch! Er konnte fristren,
und rafiren, und parlirm, —
und scharmirm — Nicht
wahr?
FrancirKa. mir gethan,
Sonach hätte ich den Jäger nicht von
wenn
ich
wie
der Major
gewesen wäre.
Konnte er ihn schon nicht al- Jäger nützen, so war edoch sonst ein tüchtiger Bursche. — Wem hat er ihn denn
aufzuheben gegeben?
3ast.
Dem Kommandanten von Spandau.
Frauctaka.
Der Festung? Die Jagd auf dm Wällen
kann doch da auch nicht groß seyn. 3u|l. O, Philipp jagt auch da nicht.
Franciika.
3«st.
Fr«»ci»ka.
3 »st.
Wa- thut er denn?
Er karrt.
Er karrt?
Aber nur auf drei Jahr.
Er machte ein kleine-
Complott unter de- Herrn Compagnie, und wollte sechMann durch die Borpostm bringen. —
/raattiMe.
Ich erstaune; der Bösewicht!
3 »st. O, es ist ein tüchtiger Kerl!
Ein Jäger, der
fünfzig Meilen in der Runde, durch Wälder und Moräste,
alle Fußsteige» alle Schleifwege tarnt. Und schießen kann er!
/rantiefca.
Kutscher hat!
Gut, daß der Major nur noch den braven
49
Austritt 2.
Zu ft. Hat er ihn noch?
Franciska.
Ich denke, Er sagte, Martin wäre weg-
geritten? So wird er doch wohl wieder kommen? Zu ft.
Meint Sie?
/tanciika.
Zu ft.
Wo ist er denn hingeritten?
ES geht nun in die zehnte Woche, da ritt er
mit de- Herrn der Schwemme. Frauciska.
einzigem und
letztem Reitpferde — nach
Und ist noch nicht wieder da?
t), der
Galgenstrick! Zu ft.
Die Schwemme kann den braven Kutscher auch
wohl verschwemmt haben! Kutscher!
—
Es war gar ein rechter
Er hatte in Wien zehn Jahre gefahren.
einen kriegt der Herr gar nicht wieder.
So
Wenn die Pferde
in vollem Rennen waren, so durste er nur machen: Burr!
und auf einmal standen sie, wie die Mauern.
Dabei war
er ein auSgelernter Roßarzt! /rauciska.
Nun ist mir für daS Avancement des
Läufer- bange.
Zu ft.
Nein, nein, damit hat'- seine Richtigkeit.
Er
ist Trommelschläger bei einem Garnisonregimente geworden.
Zrauciska.
Zu st.
Dacht' ich'- doch.
Fritz hing sich an ein liederliche- Mensch, kam
de- Nacht- niemals nach Hause, machte auf de- Herrn
Namen überall
Schulden, und tausend infame Streiche.
Kurz, der Major sah, daß er mit aller Gewalt höher
wellte: (da- Hängen pantomimisch anzeigend) er brachte ihn
also auf guten Weg. Frauciska. Zaft.
O der Bube!
Aber ein perfekter Läufer ist er, da- ist gewiß.
Wenn ihm der Herr fünfzig Schritte vorgab, er
so konnte
ihn mit seinem besten Renner nicht einholen. Lessing, Minna von Barnhelm.
4
Fritz
50
Aw«;uz 3.
hingegen kann dem Galgen tausend Schritte vorgeben, und ich wette mein Leben, er holt ihn ein. — ES waren wohl
alle- Ihre guten Freunde, Jungfer?
Der Wilhelm und
der Philipp, der Martin und der Fritz? — Nun, Just
(Geht . Lellhetm.
An mich?
ver Feldjäger. va« Fräulein.
Zufolge der Aufschrift — FranciSka, hörst du? — Der Che
valier hat doch wahr geredet!
Der Feldjäger (indem Tellheim dm Bries nimmt). Ich bitte um Verzeihung, Herr Major; Sie hättm eS bereits
gestern erhaltm sollen, aber eS ist mir nicht möglich ge
wesen, Sie auszufragen. Erst hmte auf der Parade habe ich Ihre Wohnung von dem Limtmant Riccaut erfahren. Fraacind«.
Gnädige» Fräulein, hörm Sie? — Da»
ist des Chevalier» Minister. — „Wie heißen der Minister,
da drauß auf die breite Platz?* — ». Lellheim.
Ich bin Jhnm für Ihre Mühe sehr
verbundm.
ver Feldjäger. Major.
Es
ist meine Schuldigkeit,
Herr
(Geht ab.)
107
Auftritt 7. «.
Liedeuter Austritt v. Tellheim. Das Fräulein. Franriska. v. Lcllhcim.
Ah! mein Fräulein, was habe ich hier?
WaS enthält dieses Schreiben?
Ich bin nicht befugt,
Da« Fräulein.
meine Neu
gierde so weit zu erstrecken.
v. Lellheim.
Wie? Sie trennen mein Schicksal noch
von dem Ihrigen? — Aber warum steh' ich an, e» zu
erbrechen? — Es kaun mich
nicht unglücklicher machen,
als ich bin; nein, liebste Minna, es kann un- nicht un
glücklicher machen; — wohl aber glücklicher! — Erlauben
Sie, mein Fräulein!
(@rbrittt und liest den Brief, indeß
daß der Wirtb an die Scene geschlichen kommt.)
Achter Austritt.
Der Wirth. Die Vorigen. Ver Wirth (gegen die Francisko).
Bst! mein schöne-
Kind l auf ein Wort! Francisko (die sich ihm nährn).
Herr Wirth? — Ge
wiß, wir wissen selbst noch nicht, waS in dem Briefe steht,
ver Wirth.
Wer will vom Briefe wissm? — Ich
komme des Ringes wegen.
Das gnädige Fräulein muß
mir ihn gleich wieder geben.
Just ist da, er soll ihn
wieder einlosen. Das Fräulein (die sich indeß gleichfalls dem Wirthe ge nähert).
Sagen Sie Justen nur,
daß er schon eingelöst
sey, und sagen Sie ibm nur von wem; von mir.
ver Wirth.
Aber —
108 Vas Fräuleiu.
Sie doch!
Auszug 5.
Ich nehme alle-
auf mich; gehen
(Der Wirth geht ab.)
Neunter Austritt.
v. Tellheim.
Das Fraulein. Franeiska.
Fra «cirka.
Und nun, gnädige- Fräulein, lasten Sie
e- mit dem armen Major gut seyn. Var Frauleia.
O, über die Borbitterin!
Al- ob
der Knoten sich nicht von selbst bald lösen müßte, o. Lellhetm (nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung).
Hal er hat sich
— O, mein
auch hier nicht verläugnet!
Fräulein, welche Gerechtigkeit! — welche
Gnade! — Da- ist mehr, al- ich erwartet! — Mehr,
al- ich verdiene! — Mein Glück, meine Ehre, alle- ist wieder hergestellt! — Ich träume doch nicht?
(Indem er
wieder in den Brief sieht, wie um sich nochmal- zu überzeugen.) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche!
Lesen Sie selbst;
mein Fräulein; lesen Sie selbst!
Vas Fraulei«.
Ich bin nicht so unbescheiden, Herr
Major. v. Lellheim.
Unbescheiden?
an Ihren Tellheim, Minna. Ihr Oheim
Ter Brief ist an mich;
Er enthält, — wa- Ihnen
nicht nehmen kann.
Sie müssen ihn lesen;
lesen Sie doch! Vas Frauleia.
Wenn Ihnen ein Gefallen
damit
geschieht, Herr Major — (Sie nimmt den Brief und liest.) „Stein lieber Major von Tellheim!
„Ich thue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich „um Eure Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Bor-
„ theil aufgeklärt hat. Mein Bruder war des Näheren
109
Äufuili 9.
»davon unterrichtet, und sein Zeugniß hat Euch für »mehr als unschuldig erklärt.
Die Hofstaat-rasse hat
»Ordre, Euch den bewußten Wechsel wieder au-zu-
„liefern,
und
die gethanen Vorschüsse zu bezahlen;
„auch habe ich befohlen, daß alle-, waS die FeldkriegS-
„cassen wider Eure Rechnungen urgiren, niedergeschlagen
„werde.
Meldet mir, ob Euch Eure Gesundheit er-
„laubt, wieder Dienste zu nehmen.
Ich möchte nicht
„gern einen Mann von Eurer Bravour und DenkungS„art entbehren.
„Ich bin Euer wohlaffectionirter König ic." v. Lellhkim.
Nun,
was sagen Sie hierzu,
mein
Fräulein?
Da» Fräaleia (indem sie den Brief wieder zusammen schlägt und zurückgiebt).
v. rellheim.
Ich? nichts.
Nichts?
8a» /räaUin.
Doch ja: daß Ihr König, der «in
großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann seyn mag. — Aber was geht mich das an? ». rellheim.
Er ist nicht mein König.
Und sonst sagen Sie nicht-?
Nicht-
von Rücksicht auf unS selbst? Da» /rinltia.
Sie treten wieder in seine Dienste;
der Herr Major wird Oberstlieutenant, Oberster vielleicht. — Ich gratulier von Herzen.
». rellheim.
Und Sie kennen mich nicht besser? —
Nein, da mir da- Glück so viel zurückgiebt, al- genug ist, die Wünsche eine- vernünftigen Manne- zu befriedigen, soll e- einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst
noch jemand wieder zugehören soll, al- ihr. Ihrem Dienst« allein sey mein ganze- Leben gewidmet!
Die Dienst« der
Großen sind gefährlich und lohnen der Mühe, de- Zwange-, der Erniedrigung nicht, die sie kosten.
Minna ist keine
110
Auszug 5.
von den ©teilt, die in ihren Männern nichts als den
Titel und die Ehrenstelle lieben.
Sie wird mich um mich
selbst lieben, und ich werde um sie die ganze Welt ver-
gessen. Ich ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst
nicht für welche politische Grundsätze, und au« der ©rille, daß e« für jeden ehrlichen Mann gut sey,
sich in diesem
Stande eine Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu inachen, und Kälte und
Entschlossenheit zu lernen. mich
zwingen können,
aus
Nur die äußerste Noth hätte
diesem Bersuche
eine Be
stimmung, au« dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Hand
Aber nun, da mich nicht« mehr zwingt,
werk zu machen.
nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Mensch zu seyn.
Der werde
ich mit Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. — Morgen
verbinde un« da« heiligste Band; und sodann wollen wir
um unS sehen und wollen in der ganzm weiten bewohnten Welt den Msten, heftersten, lachendsten Winkel suchen,
dem zum Paradiese nicht« fehlt, al« ein glückliche« Paar.
Da wollen wir wohnen; da soll jeder unsrer Tage — Wa« ist Ihnen, mein Fräulein? — (die sich unruhig hin und her wendet und ihre Rührung zu verbergen sucht.) La» /räulti* (sich fassend). Sie find sehr grausam,
Tellheim, mir ein Glück so rrizmd darzustellen, dem ich Mein Verlust —
entsagen muß.
». rellheiw. Ihren Verlust? nicht Minna.
Ihr Verlust? — Wa« nennen Sie Alle«, wa« Minna verlieren konnte, ist
Sie find noch da« süßeste, lieblichste, hold-
seligste, beste Geschöpf unter der Sonne; ganz Güte und
Großmuth, ganz Unschuld und Freudei — Dann und
wann ein kleiner Muthwille; hier und da ein wenig Eigen-
lll
Auftritt 9.
sinn — Desto besser! desto besser!
Minna wär« sonst ein
Engel, den ich mit Schaudern verehr« müßte, den ich
nicht lieben könnte.
(Ergreift jhre Hand, sie zu küssen.)
va» Fräulein (die ihre Hand znrüihieht).
Richt so,
mein Herr! — Wie auf einmal so vaändert? — Ist
dieser schmeichelnde,
stürmische Liebhaber der kalte Trll-
heim? — Konnte nur sein wiederkehrendrS Glück ihn in dieses Feuer setzen? — Er erlaube mir, daß ich bei seiner
fliegmden Hitze für uns beide Ueberlegung behalte. — Als er selbst überlegen konnte, hörte ich ihn sagen, eS sey
eine nicht-würdige Liebe, die kein Bedenken trage, ihren Gegenstand der Verachtung auSzusetzen. — Recht, aber
ich bestrebe mich einer eben so reinen und edlen Liebe,
al- er. — Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer
Monarch um ihn bewirbt, sollte ich zugeben, daß er sich verliebten Träumereim mit mir überließe? daß der ruhm
volle Krieger in einen tändelnden Schäfer au-arte? — Rein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ähre» beffern Schicksal» — g. rellhet».
Run wohl!
Wenn Ihnen die große
Welt reizender ist, Minna, — wohl!
so behalte uns dir
große Welt! — Wie klein, wie armselig ist diese große
Welt! — Sie kennen sie nur erst von ihrer Flitterseüe.
Aber gewiß, Minna, Sie werden — ES sey I wohl!
ES
Bis dahin,
soll Jhrm Vollkommenheüen nicht an Be
wunderern fehlen, und meinem Glücke wirb eS nicht an
Neidern gebrechen.
va« Fräulein.
Nein, Tellheim, so ist e- nicht ge
meint ! Ich weise Sie in die groß« Welt, auf die Bahn der Ehre zurück, ohne Ihnen dahin folgm zu wollen. — Dort
braucht Tellheim eine unbescholtene Gattin! Ein sächsische» verlaufenes Fräulein, da» sich ihm an den Kopf geworfen —
112
Auszug 5.
o. Lellheim (auffahrend und wild um sich sehend).
Wer
darf so sprechen? — Ah, Mnna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß jemand ander- diese-
gesagt hätte, al- Sie.
Meine Wuth gegrn ihn würde
ohne Gränzen seyn. va» /räukie. Nun da! Da- eben besorge ich.
Sie
würden nicht die geringst« Spötterei über -mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten «inzunehmen
haben. — Kurz; hören Sie also, Tellheim, wa- ich fest beschloffen, wovon mich nicht- in der Welt abbringen soll — v. rett heim.
Ehe Sie au-reden, Fräulein, — ich
beschwör« Sie, Minna! — überlegen Sie e- noch einen Augenblick, daß Sie mir da- Urtheil über Leben und Tod
sprechen! —
va» /tänkie.
Ohne weitere Ueberlegung! — So
gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben,
mit welchem
Sie mir ehemal- Ihre Treue verpflichtet, so gewiß Sie
diesen nämlichen Ring zurückgenommm: so gewiß soll die unglückliche Barnhelm dir Gattin de- glücklicheren Tell
heim nie werden!
o. Veltheim.
Und hiermit brechen Sie den Stab,
Fräulein?
va» /t änkin.
Gleichheit ist allein da- feste Band
der Liebe. — Die glückliche Barnhelm wünschte nur für
den glücklichen Tellheim zu leben.
Auch die unglückliche
Minna hätte sich endlich überreden lassen, da- Unglück
ihre- Freunde- durch sich, e- sey zu vermehren oder zu lindern. — Er bemerkte e- ja wohl, ehe dieser Brief an kam, der alle Gleichheit zwischen un- wieder aufhebt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.
». »eltheim.
Ist da- wahr, mein Fräulein? — Ich
danke Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht ge-
113
Auftritt ».
brochen. — Sir wollen nur ben unglücklichm Tcllhrim?
Er ist zu haben.
(Äalt) Ich empfinde eben, daß e- mir
unanständig ist, diese späte Gerechtigkeit anzunrhmen; daß
eS bester seyn wird, wenn ich da-, wa- man durch einen so schimpflichen Verdacht entehrt hat, gar nicht wiederverlange. — Ja; ich will den Brief nicht bekommm haben.
sey alle-, waS ich darauf antworte und thue 1
Da-
(Zm Begriff,
ihn zu zerreiben.) Var JrfiulHu (das ihm in die Hände greift).
Wa-
wollen Sie, Tellheim?
Sie besitzen.
v. Lellhei».
Da» /riultin.
o. Lett hei».
Halten Siel
Fräulein,
er
ist
unfehlbar zerriffm,
wenn Sie nicht bald sich ander- erklären. — Alsdann wollen wir doch sehen, wa- Sie noch wider mich einzuwcnden haben!
Wie? in diesem Tone? — So soll
Da» Jräuleia.
ich, so muß ich in meinen cigenm Augen verächtlich wer den?
Nimmermehr!
E- ist eine nichtswürdige Kreatur,
die sich nicht schämt, ihr ganze- Glück der blinden Zärtlich
keit eine- Manne- zu verdanken! o. Hell heim.
Falsch, grundfalsch!
Da» Fräulein.
Wollen Sie e- wagm, Ihre eigene
Rede in meinem Munde zu schelten?
u. rellhei». Sophistin! So entehrt sich da- schwächere
Geschlecht durch alle-, wa- dem stärkeren nicht ansteht? So soll sich der Mann alle- erlauben, wa- dem Weibe geziemt? Welche- bestimmte die Natur zur Stütze de- andern? Da» Fräulein.
Beruhigen
Sie sich, Tellheim!
—
Ich werde nicht ganz ohne Schutz seyn, wenn ich schon
die Ehre de- Ihrigen ausschlagen muß. mir
immer noch
So viel muß
werden, al- die Noth erfordert.
kossing, Minna von Barnholm.
8
Ich
114
Aufzug 5.
habe mich bei unserm Gesandten melden lassen.
Er will
mich noch heute sprechen. Hoffentlich wird er sich meiner an
nehmen. Die Zeit verfließt. Erlauben Sir, Herr Major — v. Setlheim.
Ich
werde
Sie
begleitm,
gnädiges
Fräulein. — Nicht doch, Herr Major; lassen Sie
Da« Fräulein.
mich — e. Lelthei».
Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen!
Kommen Sie nur, mein Fräulrin; wohin Sie wollen; zu wem Sie wollen.
will ich
es
Ueberall» an Brkannte und Unbekannte,
erzählen, in Ihrer Gegenwart
des Tages
hundertmal erzählen, welche Bande Sie an mich verknüpfen,
au-
welchem
grausamen
Eigensinne
Sie
diese
Bande
trennen wollen —
Zehpter Auftritt
Zust. Die Bsrigen. Iuß (mit Ungestüm).
v. Skllhrtm. Just.
Herr Major! Herr Major!
Nun?.
Kommen Sie doch geschwind, geschwind!
e. rellhei».
WaS soll ich?
Zu mir Herl
Sprich,
was ist's?
Just.
Hören Sie nur —(Redet ihm heimlich in« Ohr.)
Da« Fräulein (indeß bei Seite zur Franei-ka).
Merkst
du waS, FranciSka?
/taedeka.
O, Sie Unbarmherzige!
gestanden wie auf Kohlen! i. Sellhtim (,u Insten).
Ich habe hier
WaS sagst du? — DaS
ist nicht möglich! — Sie? (indem er da« Fräulein mild andlickt) — Sag' e« laut; sag' es ihr inS Gesicht! — Hören Sie doch, mein Fräulein! —
115
Suftrilt 11.
3n|L Drr Wirth sagt, das Fräulein von Barnhelm
habe den Ring, welchen ich bei ihm versetzt, zu sich genom men ; sie habe ihn für dm ihrigen erkannt, und wolle ihn
nicht wieder hrrauSgebm. — «. Letlhetm.
Ist das wahr, mein Fräulein? — Nein,
das kann nicht wahr seyn?
va» Fräulein (lächelnd).
Und
toanim nicht, Tell-
heim? — Warum kann es nicht wahr seyn?
». Bellheim (heftig).
Nun, so sey eS wahr! — Welch
schreckliches Licht, das mir auf
einmal aufgcgangen! —
Nun erkmne ich Sie, die Falsche, die Ungetreue! va» Fräulein (erschrecken).
treue? e. relthet».
Sie, die ich nicht mehr nmncn will!
8e» Fräulein.
v. Lett heim.
Wer? wer ist diese Unge
Tellhrim!
Vergessen Sie meinm Namen! — Sie
kamen hierher, mit mir zu brechm.
Es ist klar 1 — Daß
der Zufall so gern dem Treulosen zu Stattm kommt! Er
führte Jhnm Ihren Ring in die Hände.
Ihre Arglist
wußte mir dm meinigm zuzuschanzen.
va» Fräulein.
Tellhrim, was für Gespmster sehm
Sie! Faffm Sie sich doch und hören Sie mich. Frauciudu (für sich).
Nun mag sie eS haben!
Lilflrr Austritt.
Werner mit einem Beutel Sold. v. Tellhrim. Das FrLnleill. Franriska. Zu st. Verner.
Hier bin ich schon, Herr Major —
». rellhet» (ohne ihn anzusehm). Wer verlangt dich? —
Verner.
Hier ist Geld; tausmd Pistolm!
116 ». Lellheim.
Verner.
Aufzug 5.
Ich will sie nicht!
Morgm könnm Sie, Herr Major, über noch
einmal so viel befehlen.
o. Lett heim.
Verner.
Behalte dein Geld!
ES ist ja Ihr Geld, Herr Major. — Ich
glaube, Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen? ». rellheim. Verner.
Weg damit! sag' ich.
Was fehlt Ihnen? — Ich bin Werner,
v. rellheim.
Alle Güte ist Verstellung; alle Dienst
fertigkeit Bettug.
Verner. Gilt das mir? o. rellheim.
Verner.
Wie du willst!
Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. —
e. rellheim. So vollziehe auch den, und packe dich! Verner. Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch —
i. rellheim.
Verner.
Da bist du was rechts!
Der auch Galle hat —
,. rellheim.
Gut!
Galle ist noch das beste, was
wir haben.
Verner.
Ich bitte Sie, Herr Major —
e. rellheim.
Wie vielmal soll ich dir rS sagen? Ich
brauche drin Geld nicht!
Verner (rornig). Nun so brauch' rS wer da will! (In dem er ihm den Beutel vor dir Füße wirft, und bei Seite gehl.)
v a» /rSulein (zu Francitka). ich hätte dir folgm sollen.
Ah, liebe
FranciSka,
Ich habe dm Scherz zu weit
gettiebm. — Doch er darf mich ja nur hörm — (Auf ihn zugehend.)
/ranrirka (dir, ohne dem Fräulein zu antworten, sich
Wernenr nähert).
Herr Wachtmeister! —
Verner (mürrifch). FranrioKa.
Geh' Sie! —
Hul waS sind daS für Männer!
117
Suf tritt 12.
9a* / täultin. Trllhcim! — Trllhrim! (bttvor Wuth
an brn Kingern nagt, ba» Erficht wegwenbrt unb nicht» hört.) — Ncin, das ist zu arg! — Hörcn Sie mich doch! — Sie betrügen sich! — Ein
bloßes
Mißverständniß,
—
Tkllheim! — Sie wollen Ihre Minna nicht hören? — Können Sie einen solchen Verdacht fasten? — Ich mit
Ihnen breche» wollen? — Ich darum hrrgekommrn? — Tellheim!
Iwölstrr Austritt.
Zwei Bediente nach rinanber, von verfchicbcncnSeiten über brn Saal Iauftnb. Die Vorigen, ver eine Ledieate.
Gnädiges Fräulein, Jhro Ex
cellenz, der Graf! —
Der andere Lediente.
Er kcmmt, gnädige» Fräu
lein! —
/rancirka (die an» Fenster gelaufen).
Er ist es!
er
ist es! 9a* Fräulein.
Ist er'«? — O,
nun geschwind,
Trllheim —
*. Lelthrtm (auf einmal zu sich felbst kommend). wer kommt?
Wer?
Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame
Oheim? — Lasten Sie ihn nur kommen, lasten Sie ihn nur kommen! — Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit
keinem Blicke beleidigen dürfen!
Er hat es mit mir zu
thun.--------- Zwar verdienen Sie eS um mich nicht —
9a* Fräulein. Geschwind umarmen Sie mich, Tellheini, und vergessen Sie alle« —
v. rellheim.
rtutn könnten! —
Ha, wmn ich wüßte, daß Sie es be-
118
Aufzug 5.
Nein, ich kann cS nicht bereuen, mir
Da* /räultia.
dm Anblick Ihre» ganzen Herzens verschafft zu haben! — Ah, was sind Sie für ein Mann! — Umarmen Sie
Ihre Minna, Ihre glückliche Minna!
aber durch nichts
glücklicher, als durch Sie! (Sie fällt ihm in die Arme.) Und nun ihm entgegen! — b. kellheim.
Wem entgegen?
Da« Fräulein. Dem besten Ihrer unbekannten Freunde, e. Lellhei».
Wie?
Da« Fräulein.
Dem Grafen, meinem Oheim, mei
nem Baier, Ihrem Vater — — Meine Flucht, fein Un
wille, meine Enterbung; — hören Sie denn nicht, daß alles erdichtet ist? — Leichtgläubiger Ritter! v. Tellhelw. Erdichtet? — Aber der Ring? der Ring?
Da» Fräulein.
Wo haben Sie den Ring, ben ich
Ihnen zurückgegeben? e. Tellheim.
Sie nehmen ihn wieder?
—
O, so
bin ich glücklich! — Hier Minna! (ihn herausziehend.)
Da« Fränletn.
So
besehen Sie ihn doch erst! —
O über die Blinden, die nicht sehen wollen! — Welcher Ring ist eS denn? Den ich von Ihnen habe, oder den Sie
von mir? — Ist es denn nicht eben der, ben ich in den Händm des Wirths nicht lasten wollen? o. keil heim.
Gott! was seh' ich? was hör' ich?
Das Fräulein.
Soll ich ihn nun wieder nehmen?
soll ich? — Geben Sie her, geben Sie her! (Reißt ihn
ihm au- der Hand und steckt ihn ihm selbst an den Finger.) Run? ist alles richtig?
». Lellheim.
Wo bin ich? —
(Ihre Hand küssend.)
O boshafter Engel! — mich so zu quälen! Da» Fräulein.
Dieses zur Probe, mein lieber Ge
mahl, daß Sie mir nie einen Streich spielen sollen, ohne
119
Auftritt 13.
daß ich Ihnen nicht gleich darauf wieder einen spiele. — Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequält hatten?
v. Lellhetm.
O,
Komödiantinnen, ich hätte euch
doch kennen sollen!
Nein, wahrhaftig; ich bin zur Komö
Franrialra.
Ich habe gezittert und gebebt, und
diantin verdorben.
mir mit der Hand da- Maul zuhalten müssen.
De« Fräulein.
Leicht ist mir meine Rolle auch nicht
geworden. — Aber so kommen Sie doch! —
». keil hei».
Noch kann ich mich nicht erholen. —
Wie wohl, wie ängstlich ist mir! So erwacht man plötz lich au- einem schreckhaften Traume!
Da» /täilcin.
Wir zaudern. — Ich höre ihn schon.
Dreizehittkr Austritt.
Der Graf von Bruchsall, von verschiedenen Be dienten und dem Wirthe begleitet. Die Vorigen, ver Graf (im Hereintreten).
Sie ist
doch
glücklich
angelangt?
Da» /ränkltt (die ihm entgegrnlpringt). Ah, mein Vater!
ver »ras.
Da bin ich, liebe Minna! (Sie umarmend.)
Aber wa-, Mädchen? (Indem er den Telthrim gewahr wird.)
Bierundzwanzig Stünden erst hier, und schon Bekannt schaft, und schon Gesellschaft?
8a» Fräulein. ver Sraf. Da»
Rathen Sie, wer e- ist? —
Doch nicht dein Tellheim?
Fräulein.
Wer sonst, al- er? — Kommen
Sie, Tellheim! (Ihn dem Grasen zuführend.) ver «ras.
Mein Herr, wir haben un- nie gesehen;
aber bei dem ersten Anblick glaubte ich, Sie zu erkennen.
120
Aufzug 5.
Ich wünschte, daß Sie c- seyn möchten. —
Umarmen
Sie mich. — Sie haben meine völlige Hochachtung. bitte um
Ihre Freundschaft.
—
Meine
Ich
Nichte, meine
Tochter liebt Sie. —
Vas /ränlcin.
Das wissen Sie, mein Vater! —
Und ist sie blind, meine Liebe? ver Graf.
Nein, Minna, deine Liebe ist nicht blind;
aber dein Liebhaber — ist stumm.
0. Lellheim (sich ihm in die Arme werfend).
Lasten
Sie n ich zu mir selbst kommen, mein Vater! —
Ver Graf. dein
Herz
doch reden. — Ich
dieser
Farbe
gut. ein
mein Sohn!
So recht,
wenn
Mund nicht
bin
Ich höre eS;
kann, so kann dein
plaudern
sonst dm Osficierm von
(auf Tellheim- Uniform weisend) ebm
nicht
Doch Sie sind ein ehrlicher Mann, Tellheim; und
ehrlicher Mann mag stecken, in
welchem Kleide
er
will, man muß ihn liebm. O, wmn Sie alle- wüßten! —
Vas Franleia.
Ver Graf.
Wa- hindert'-, daß ich nicht alle- erfahre?
— Wo sind meine Zimmer, Herr Wirth? Wollen Jhro Excellenz nur die Gnade
Ver Vlrth.
habm, hier herein zu tretm. Ver Graf.
Komm, Minna!
Kommen Sie, Herr
Major! (Geht mit den, Wirthe und dm Bedienten ab.)
vas Fr aal eia.
v. rett heim. Fräulein.
Kommen Sie, Tellheim!
Ich folge Ihnen den Augmblick, mein
Nur noch ein Wort mit diesem Manne! (Gegen
Wernem sich wendend.) Vas Fräulein. Und ja ein recht gute-; mich dünkt, Sie haben c- nöthig. — FranciSka, nicht wahr?
Grafen nach.)
(Dem
121
«»stritt 14.
Vieyrhüter Auftritt.
v. Tellheim.
Werner.
Zu st.
FrauciSk«.
e. Ccll|) tim (auf btn Beult! weisend, den Weener weg
geworfen). Hier, Just l — hebe dm Beutel auf, und trage ihn nach Hause.
Geh!
— (Just damit ab.)
Verner (der noch immer mürrisch im Dinkel gestandm, und an nicht» Theil zu nehmm geschienen; indem er da« hört). Ja, nun!
(vertraulich auf ihn zugehend).
v. Tellheim
Werner,
wann kann ich die anbem tausend Pistolen haben?
Verner (auf einmal wieder in seiner
guten Laune).
Morgm, Herr Major, morgen. —
u. Tellheim.
Ich brauche dein Schuldner nicht zu
werben, aber ich will dein Rmtmeiper seyn. herzigm Stuten
sollte man
Euch gut-
allen einen Bormund setzm.
Ihr seyd eine Art Verschwender. — Ich habe dich vor
hin erzürnt, ® enter 1 — Werner.
Bei meiner armen Seele, ja! — Ich hätte
aber doch so ein Tölpel nicht seyn sollen. wohl.
Ich verdimte hundert Fuchtel.
Nun sch' ich's
Soffen Sie mir sie
auch schon geben; nur weiter keinen Groll, lieber Major! — e. Celiheirn.
Groll
—
(Ihm
die Hand drückend.)
Sies es in meisten Augen, was ich dir nicht alles sagen
kann. — Hal wer ein
bessere« Mädchm und einen red
lichern Freund hat als ich, den will ich sehm — Fran
cisko, nicht wahr?
Lessing
Minna von Varnhelm.
(Seht ab.)
9
122
Auszug 5
Mntzehntrr Auftritt. Franciska.
Werner. /teucislte (vor sich).
Ja gewiß, e« ist ein gar zu
guter Mann! — So einer kommt mir nicht wieder vor. — E- muß heraus! (Schüchtern und verschämt sich Wernern
nähernd.) Herr Wachtmeister — Werner (der sich die Augen wischt).
Werner.
Nu? —
Herr Wachtmeister —
/tentlsko.
WaS will Sie denn, Frauenzimmerchen? Seh' Er mich einmal an, Herr Wacht
/rentislt«. meister. —
Werner.
Ich
kann noch nicht; ich weiß nicht, was
mir in die Augen gekommen.
/ttadska. Werner.
So seh' Er mich doch an!
Ich fürchte, ich habe Sie schon zu viel an
gesehen, Frauenzimmerchen! — Nun, da seh' ich Sie ja!
WaS girbt'S denn? Jtentiski.
Herr Wachtmeister,--------- braucht Er
keine Frau Wachtmeisterin?
Werner. Ist das Ihr Ernst, Frauenzimmrrchen?
Jtenctske. Werner.
Francisko.
Werner.
Mein billiger 1
Zöge Sie wohl auch mit nach Persien? Wohin Er will!
Gewiß?
—
Holla! Herr
Major!
nicht
groß gethan! Nun habe ich wenigsten« ein eben so gute«
Mädchen und einen ebm so redlichen Freund, al« Sie! —
Geb' Sie mir Ihre Hand, Fraaenzimmerchen! Topp! —
Ueber zehn Jahr ist Sie Frau Generalin oder Wittwe!