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German Pages 49 [96] Year 1838
Minna van Darnhetnr, oder
das Soldatenglück.
Ein Lnstfpiel in fünf Auszügen
von
Gotthold Ephraim Letüng.
Sechste Auflage.
Berlin, Berlag der Voß'schen Buchhandlung.
1838.
von
Minna
BarnhelM/
oder
das Soldatenglück. Gin Lustspiel in fünf Aufzügen.
Verfertiget im Jahre 1763.®)
Personen. Major von Bellheim/
verab
schiedet.
Paul Werner, gewesener Wacht meister des Majors.
Minna von Larnhelm.
Der Wirth.
Graf von Bruchsall, ihr Oheim.
Eine Dame in Trauer.
Franciöka, ihr Mädchen.
Ein Feldjäger.
Just, Bedienter des Majors.
Riccaut de la Marliniere.
Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses, und einem daran stoßenden Zimmer.
Erster Aufzug. Erster Auftritt. Just. (sitzet kn einem Winkel, schlummert, und redet im Traume)
Schurke von einem Wirthe! Du, uns? — Frisch, Bruder! —
Schlage zu, Bruder!
(er hohlt aus, und erwacht durch die Bewegung)
He da! schon wieder?
Zch mache kein Auge zu, so schlage ich
mich mit ihm herum.
Hätte er mir erst die Hälfte von allen
den Schlägen! — — Doch sieh, es ist Tag! Zch muß nur *) Die Originalhandschrist, nach welcher die spielen
erste Ausgabe kn den Lust
1767 gedruckt ist, besitzt Herr B. Friedländer und hat sie dem Her
ausgeber freundschaftlich mitgetheilt. Ausgaben berichtigt worden.
Es sind daraus einige Druckfehler der
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Minna von Barnhelm,
bald meinen armen Herrn aufsuchen.
Veit meinem Willen soll
er keinen Fuß mehr in das vcrmaledeyte Haus setzen. Wo wird er die Nacht zugebracht haben? Zweyter Auftritt.
Der Wirth. Just. Der Wirch.
Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen!
Ey, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf? Just.
Sage Er, was Er will.
Der Wirth.
Ich sage nichts, als guten Morgen; und das
verdient doch wohl, daß Herr Zust, großen Dank, darauf sagt? Just.
Großen Dank! Man ist verdrießlich, wenn man seine gehö
Der Wirth.
Was gilts, der Herr Major ist
rige Ruhe nicht haben kann.
nicht nach Hause gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert? Just.
Was der Mann nicht alles errathen kann!
Der Wirth.
Just,
Der Wirth,
Just-
Zch vermuthe, ich vermuthe.
(kehrt sich um, und will gehen)
(halt Ihn)
Sein Diener!
Nicht doch, Herr Zust!
Nun gut; nicht Sein Diener!
Der Wirch.
Ey, Herr Zust!
ich will doch nicht hoffen,
Herr Zust, daß Er noch von gestern her böse ist?
Wer wird
seinen Zorn über Nacht behalten?
Just. Zch; und über alle folgende Nächte. Der Wirth. Just.
Zst das christlich?
Eben so christlich,
als einen ehrlichen Mann,
nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen,
der
auf die
Straße werfen.
Der Wirth. Just.
Pfuy, wer könnte so gottlos seyn?
Ein christlicher Gastwirth. — Meinen Herrn! so ei
nen Mann! so einen Officier!
Der Wirch.
Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf
die Straße geworfen?
Dazu habe ich viel zu viel Achtung für
einen Officier, und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Zch habe ihm aus Noth ein ander Zimmer einräumen müssen. — Denke Er nicht mehr daran, Herr Zlist. (er ruft in die Scene)
Holla! —
Zch
wills auf andere Weise wieder gut machen.
(Ein Junge kömmt)
Minna von Barnhelm.
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Bring ein Gläßchen;
Herr Zust will ein
Gläßchen haben; und was gutes! Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirth.
Just.
Der Tro
pfen soll zu Gift werden, den — Doch ich will nicht schwören;
ich bin noch nüchtern. Der Wirth. Glaß bringt)
(zu dem Jungen, der eine Flasche Liqueur und ein
Gieb her; geh! — Nun, Herr Zust; was ganz vor
treffliches; stark, lieblich, gesund.
(Er füllt, und reicht ihm zu)
Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!
Bald dürfte ich nicht!--------- Doch warum soll ich
Just.
meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten lasse»? — (Er nimmt und trinkt)
Der wirrh.
Wohl bekomms, Herr Zust!
Just, (indem er das Gläßchen wieder zurück giebt) Nicht Übel! —
Aber Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian!
Der Wirth.
Nicht doch, nicht doch! — Geschwind noch
eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen. Just,
(nachdem er getrunken)
Das muß ich sagen: gut, sehr
gut! — Selbst gemacht, Herr Wirth? —
Der Wirth.
Behüte! veritabler Danziger! echter, doppel
ter Lachs! Just.
Sieht Er, Herr Wirth; wenn ich heucheln könnte,
so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß
raus — Er ist doch ein Grobian, Herr Wirth! Der Wirth. Zn meinem Leben hat mir das noch niemand
gesagt. — Noch eins, Herr Zust; aller guten Dinge sind drey!
Just.
Meinetwegen!
(Er trinkt)
Gut Ding, wahrlich gut
Ding! — Aber auch die Wahrheit ist gut Ding. — Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth.
Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so
mit anhören? Just.
O ja; denn selten hat ein Grobian Galle.
Der Wirth.
Nicht noch eins, Herr Zust?
Eine vierfache
Schnur hält desto besser. Just.
Wirth?
Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilfts Zhn, Herr
Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich
bey meiner Rede bleiben.
Pfuy, Herr Wirth; so guten Dan-
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Minna von Barnhelm.
ziger zu haben, und so schlechte Mores! — Einem Manne, wie
meinem Herrn, der Zahr und Tag bey Zhm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Thaler gezogen, der in seinem Le
ben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein Paar Mo
nate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel auf gehen läßt, — in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen! Der Wirth. Da ich aber daS Zimmer nothwendig brauchte ? da ich voraus sahe, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurück
kunft hätten warten können?
Sollte ich denn so eine fremde
Herrschaft wieder von meiner Thüre wcgfahren lassen? Sollte ich
einem andern Wirthe so einen Verdienst muthwillig in den Ra chen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonst wo un tergekommen wäre.
Die Wirthshäuser sind itzt alle stark besetzt.
Sollte eine so junge,
schöne,
liebenswürdige Dame auf der
Straße bleiben? Dazu ist sein Herr viel zu galant!
Und was
verliert er denn dabey? Habe ich ihm nicht rin anderes Zimmer
dafür eingcräumt?
Just.
Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen
des Nachbars Fcnermauren--------Der Wirth.
Die Aussicht war wohl sehr schön,
der verzweifelte Nachbar verbaute.
ehe sie
Das Zimmer ist doch sonst
galant, und tapeziert — Gewesen! Der Wirth. Nicht doch, die eine Wand ist es noch.
Juft.
Und
Sein Stübchen darneben, Herr Inst; was fehlt dem Stübchen?
Es hat einen Kamin; der zwar im Winter ein wenig raucht —
Iuft.
Aber doch im Sommer recht hübsch läßt. — Herr,
ich glaube gar, Er vexirt uns noch oben drein? — Der Wirth.
Iuft.
Mache
Nu, nu, Herr Zust, Herr Zust — Er Herr Znsten
den
Kopf
nicht
warm,
oder — Der Wirth. Ich macht ihn warm? der Danziger thnts! —
Iuft.
Einen Offner wie meinen Herrn!
Oder meint Er,
daß ein abgcdanktcr Officier nicht auch ein Officier ist, der Zhm
den Hals brechen kann? Warum wäret ihr denn im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirthe? Warum war denn da jeder
Minna von Barnhelm.
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Ofsicier ein würdiger Mann, und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das Bißchen Friede schon so übermüthig? Der Wirch.
Just.
Was ereyfert Er sich nun, Herr Zust? —
Ich will mich ereyfem. — —
Dritter Auftritt.
v. Tellhrim. Der Wirth. Just. v. Tellheim. Just,
(im Hereintreten)
Zust!
(in der Meynung, daß ihn der Wirth nenne)
Zust? —e)
So bekannt sind wir? —
v Tellheim. Just.
Znst!
Zch dächte, ich wäre wohl Herr Zust für Zhn!
Der Wirth,
(der den Major gewahr wird) St! st! Herr, Herr,
Herr Znst — sch Er sich doch um; sein Herr — —
v. Lellhcim
Zust, ich glaubt, du zankst? Was habe ich
dir befohlen? Der Wirch. O, Zhro Gnaden! zanken?
Da sey Gott vor!
Zhr untcrthänigster Knecht sollte sich unterstehen,
mit einem,
der die Gnade hat, Zhnen anzugehören, zu zanken? Just.
Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel ge
ben dürfte!-------- Der Wirth. Es
ist wahr, Herr Znst spricht für seinen
Herrn, und ein wenig hitzig. Aber daran thllt er recht; ich schätze
ihn nm so viel höher; ich liebe ihn darum. — Just.
Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!
Der Wirth.
Nur Schade,
daß er sich
umsonst erhitzet.
Denn ich bin gewiß versichert, daß Zhro Gnaden keine Un
gnade deswegen auf mich geworfen haben, weil — die Noth — mich nothwendig **) — v. Tellheim.
Schon zu viel, mein Herr! Zch bin Zhnen
schuldig; Sie räumen Mir, in meiner Abwesenheit, das Zim mer aus; Sie müsse» bezahlt werden; ich muß wo auders nn-
tcrzukommen suchen. Der Wirth.
Sehr natürlich!
Wo anders? Sie wollen auszichen, gnädiger
•) „Just? —" fehlt den Ausgaben, steht aber in der Handschrift. ”) Das Wort „nothwendig" ist erst in der Ausgabe von 1770 hinzu gekommen.
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Minna von Barnhelm.
Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! men.
lassen;
Eher muß die Dame das Quartier wieder räu
Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht
helfen. — Zch gehe, gnädiger Herr--------v. Lellheim. nen!
Freund, nicht zwey dumme Streiche für ei
Die Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben —
Der Wirch.
Und Zhro Gnaden sollten glauben, daß ich
aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung-------- ? Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Zhro Gnaden bezahlen kön nen, so bald Sie nur wollen.-------— Das versiegelte Beutel
chen, — fünfhundert Thaler Louisdor, stehet drauf, — — wel ches Zhro Gnaden in dem Schreibepnlte stehen gehabt, — —
ist in guter Verwahrung. —
v. Tellheim.
Das will ich hoffen;
so wie meine übrige
Sachen. — Zust soll sie in Empfang nehmen, wenn er Zhnen
die Rechnung bezahlt hat.---------
Der Wirth.
Wahrhaftig, ich erschrack recht, als ich das
Beutelchen fand. — Zch habe immer Zhro Gnaden für einen
ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgiebt.--------- Aber dennoch,---------- wenn ich baar Geld
in dem Schreibepulte vermuthet hätte---------
v. Lellheim.
Würden Sie höflicher mit mir verfahren seyn.
Zch verstehe Sie. — Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen. — —
Der Wirth-
Aber gnädiger Herr---------
v. Lellheim.
Komm Zust, der Herr will nicht erlauben,
daß ich dir in feinem Hause sage, was du thun sollst.---------
Der Wirth.
Zch gehe ja schon, gnädiger Herr! — Mein
ganzes Haus ist zu Zhren Diensten.
Vierter Auftritt. v. Tellherm.
Just.
Just, (der mit dem Fuße stampft, und dem Wirthe nachspuckt) Pfuy!
v. Lellheim. Just.
Was giebts?
Zch ersticke vor Bosheit.
v. Lellheim.
Das wäre so viel, als an Vollblütigkeit.
Minna von Barnhelm. Und Sie,
Just.
Herr.
—
Sie
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erkenne ich nicht mehr,
mein
Zch sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schlitz
engel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Gal
gen und Schwert und Rad, hätte ich ihn — hätte ich ihn mit
diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen. — v. Lellheim.
Bestie!
Lieber Bestie, als so ein Mensch!
Just.
v. Lellheim.
Was willst du aber?
Zch will,
Just.
daß Sie cs empfinden sollen,
wie sehr
man Sie beleidiget. v. Lellheim.
Und dann?
Daß Sie sich rächten, — Nein, der Kerl ist Zh-
Just.
nen zu gering. — ». Lellheim. Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu
rächen?
Das war von Anfang mein Gedanke.
Er hätte mich
nicht wieder mit Augen sehen, und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen.
Zch weiß, daß du eine Hand voll
Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene hinwerfen kannst. — Just.
So? eine vortreffliche Rache! —
v. Lellheim.
Aber die wir noch verschieben muffen.
habe keinen Heller baares Geld mehr!
ich weiß
auch
Zch keines
aufzutreiben.
Just.
Kein baares Geld?
Und was ist denn das für ein
Beutel, mit fünfhundert Thaler Louisdor, den der Wirth in
Ihrem Schreibpulte gefunden? v. Lellheim.
Das ist Geld, welches mir ausiuheben gege
ben worden. Just.
Doch nicht die hundert Pistolen, die Zhnen Zhr al
ter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte? v. Lellheim.
Die nehmlichen, von Paul Wernern.
Wa
rum nicht?
Diese haben Sie noch nicht gebraucht?
Nkein Herr,
mit diesen können Sie machen was Sie wollen.
Auf meine
Just.
Verantwortung — v. Lellheim.
Just.
Wahrhaftig?
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ih
ren Foderungen an die Generalkriegeskaffe aufzieht.
Er hörte —
Minna von Barnhclm.
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v. Tellheim. Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. — Ich bin dir sehr verbunden, Znst. — Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein Bißchen
Armuth mit mir zu theilen. — Es ist mir doch lieb, daß ich
es errathen habe. — Höre Zust, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.--------Just.
Wie? was?
v. Tellheim.
Kein Wort mehr; es kömmt jemand. —
Fünfter Allstritt. Eine Dame in Trauer,
Die Dame.
». Tellheim. Die Dame.
v. Tellheim.
Just.
Ich bitte nm Verzeihung, mein Herr! —
Wen suchen Sie, Madame? — Eben den würdigen Mann, mit welchem ich
die Ehre habe zu sprechen.
Sie kennen mich nicht mehr? Ich
bin die Wittwe Zhres ehemaligen Stabsrittmeisters — v. Tellheim.
des
Um
Himmels
willen,
gnädige Frau!
welche Veränderung! — Die Dame.
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das
mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf.
muß Ihnen früh beschwerlich fallen, Herr Major.
Ich
Ich reise
auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht
glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten. — v. Tellheim.
(zu Zust)
Geh, laß uns allein. —
Sechster Auftritt. Die Dame.
v. Tellheim.
v. Tellheim.
Reden Sie frey,
gnädige Frau!
dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen.
Bor mir
Kann ich Ih
nen worinn dienen? Die Dame- Mein Herr Major — v. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worinn kann
ich Ihnen dienen? Sic wissen, Ihr Gemahl war mcin Frcnild; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.
Die Dame.
Wer weiß cS besser, als ich, wie werth Sic
seiner Frcnndschaft waren, wie werth er der Ihrigen war? Sic würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner
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Minus von Barnhelm.
sterbenden Lippen gewesen seyn, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine
unglückliche Gattin gcfodert —
v. Tellheim.
Hören Sic auf, Madame!
Weinen wollte
ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Thränen.
schonen Sie mich!
Ver
Sie finden mich in einer Stunde, wo ich
leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. — D mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was ha
ben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen im Stande bin, wenn ich es bin — Die Dame.
Ich darf nicht abreiscn,
Willen zu vollziehen.
ohne seinen
letzten
Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende,
daß er als Ihr Schuldner sterbe,
und beschwor mich,
diese
Ich habe
seine
Schuld mit der ersten Baarschaft zu tilgen.
Equipage verkauft, und komme seine Handschrift einzulösen. —
v. Tellheim.
Die Dame-
Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie? Darum.
Erlauben Sie, daß ich das Geld
aufzähle.
v. Lellhsim.
Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig?
das kann schwerlich seyn.
Taschenbuch heraus, und sucht)
Die Dame.
Lassen Sie doch sehen,
(er ziehet sei»
Ich finde nichts.
Sie werden seine Handschrift verlegt
haben,
und die Handschrift thlit nichts zur Sache. — Erlauben Sie —
v. Tellhcim. verlegen.
Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu
Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß
ich nie eine gehabt habe, oder daß sie getilgt, und von mir schon zurück gegeben worden.
Die Damev. Teil heim.
Herr Major! — Ganz gewiß, gnädige Frau.
nichts schtlldig geblieben.
Marloff ist mir
Ich wüßte mich auch nicht zu erin
nern, daß er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre,
blicht
anders, Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner
hinterlassen.
Ich habe nie etwas thun können, mich mit eincm
Manne abzufinden, der sechs Jahr Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir gcthcilct.
daß
ein Sohn von ihm da ist.
Ich werde es nicht vergessen, Er wird mein Sohn seyn,
Minna von Barnhelm.
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so bald ich fein Vater seyn kann.
Die Verwirrung, in der ich
mich itzt selbst befinde — Edelmüthiger Mann!
Die Dame
von mir nicht zu klein.
Aber denken Sie auch
Nehmen Sie das Geld, Herr Major;
so bin ich wenigstens beruhiget. —
v. Tellheim.
Was
zu Ihrer Beruhigung
brauchen Sie
weiter, als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht ge höret ? Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Wayse meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das würde es in
dem eigentlichsten Verstände seyn.
Ihm gehört es; für ihn le
gen Sie eS an. — Die Dame. Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohlthaten annehmen muß.
Woher wissen es denn aber auch Sie, daß eine Mutter mehr für ihren Sohn thut, als sie für ihr eigen Leben thun wurde? Ich gehe —
v. Lellheim.
Gehen Sie, Madame, gehen Sie!
Reisen
Sie glücklich! Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht von Ihnen zu
geben.
Sie möchte mir zu einer Zeit kommen, wo ich sie nicht
nutzen könnte.
Aber noch eines, gnädige Frau; bald hätte ich
das Wichtigste vergessen.
Marloff hat noch au der Kaffe un
sers ehemaligen Regiments zu sodern.
so richtig, wie die meinigen.
auch die seinigeu bezahlt werden.
Die Dame-
Seine Foderungen sind
Werden meine bezahlt, so müssen Ich haste dafür. —
O! mein Herr — Aber ich schweige lieber. —
Künftige Wohlthaten so vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben.
lohnung, und meine Thränen!
Empfangen Sie seine Be
(geht ab)
Siebender Austritt. v. Tellheim.
Armes, braves Weib!
zu vernichte»,
Ich muß nicht vergessen, den Bettel
(er nimmt au« seinem Taschenbuche Briefschaften, die er
zerreißt) Wer steht mir dafür, daß eigner Mangel mich nicht ein
mal verleitet» könnte, Gebratich davon ztt machen?
M'lina von Barnhelm.
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Achter Auftritt.
Just. v. Tellheim. v. Tellheim.
Bist du da?
Just, (indcm er sich die Augen wischt) Za!
v. Tellheim.
Just.
Du hast geweint?
Zch habe in der Ki'iche meine Rechnung geschrieben,
und die Küche ist voll Ranch. v. Tellheim. Just.
Hier ist sie, mein Herr!
Gieb her.
Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr.
Zch
weiß wohl, daß die Menschen mit Zhnen keine haben; aber — v. Tellheim. Just-
Was willst du?
Zch hätte mir eher den Tod, als meinen Abschied
vermuthet.
v. Tellheim.
Zch kann dich nicht länger brauchen; ich muß
mich ohne Bedienten behelfen lernen,
(schlägt die Rechnung auf
und liefet) „Was der Herr Major mir schuldig:
Drey und ei-
„nen halben Monat Lohn, den Monat 6 Thaler, macht 21 „Thaler.
Seit dem ersten dieses, an Kleinigkeiten ausgelegt,
„1 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum, 22 Thaler 7 Gr. „9 Pf." — Gut, und cs ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.
Just.
Die andere Seite, Herr Major —
v. Tellheim. „ich schuldig:
Noch mehr? (liefet) „Was dem Herrn Major
An den Feldscheer für mich bezahlt, 25 Thaler.
„Für Wartung und Pflege, während meiner Kur, für mich
„bezahlt, 39 Thlr.
Meinem abgebrannten und geplünderten
„Baker, auf meine Bitte, vorgeschossen, ohne die zwey Beutepferde „zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thaler.
„marum, 114 Thaler.
Summa Sum-
Davon abgezogen vorstehende 22 Thlr.
„7 Gr. 9 Pf. Bleibe dem Herrn Major schuldig, 91 Thlr. „16 Gr. 3 Pf." — Kerl, du bist toll! — Just-
Zch glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste.
Aber es wäre verlorne Dinte, es dazu zu schreiben.
Zch kann
Zhnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends die Livcrey nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe, — so wollte
ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarcthe krepircn lassen.
Minna von Barnhclni.
14 v. Lellheim.
Wofür sichst du mich an? Du bist mir nichts
schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfeh
len, bey dem du cs besser haben sollst, als bey mir. Just-
Zch bin Zhnen nichts schuldig, und doch wollen Sie
mich verstoßen? v. Tellhcim.
Iust-
Weil ich dir nichts schuldig werden will.
Darum?
nur
darum?
So
—
gewiß
ich Zhnen
schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen Sic,
was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bey Zhnen; ich muß bey Zhnen bleiben. —
v. Lellheim.
Und deine Hartnäckigkeit,
wildes ungestümes Wesen gegen alle, daß
sie
dir nichts zu sagen haben,
dein Trotz, dein
von denen du Meinest,
deine tückische Schaden-
frcllde, deine Rachsucht---------
Jusk.
Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich
will darum doch nicht schlechter von mir denken, als von mei
nem Hunde.
Vorigen Winter ging ich in der Demmcrung an
dem Kanäle, und hörte etwas winseln.
Zch stieg herab, und
griff nach der Stimme, und glaubte ein Kind zil retten, und zog einen Bude! aus dem Wasser.
Auch gut; dachte ich.
Der
Budcl kam mir nach; aber ich bin kein Liebhaber von Budcln. Zch jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, tlmsonst. Zch ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor
der Thüre auf der Schwelle.
Wo er mir zu nahe kam, stieß
ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an, und wedelte mit dem Schwänze.
Noch hat er keinen Bissen Brod aus mei
ner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrührcn darf.
Er springt
macht mir seine Künste unbefohlcn vor. Budel, aber ein gar zu guter Hund.
vor mir
her,
und
Es ist ein häßlicher
Wenn er es länger treibt,
so höre ich endlich auf, den Budcln gram zu seyn.
v. Lellhcim.
(bey Seite)
So wie ich ihm! Nein, es giebt
keine völlige Unmenschen!--------- Zust, wir bleiben beysammen. Just.
behelfen?
Ganz gewiß!
— Sie wollten sich ohne Bedienten
Sie vergessen Zhrer Blessuren, und daß Sie nur' ei
nes Armes mächtig sind.
Sie können sich ja nicht allein an-
Minna von Barnhelm.
kleiden.
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Zch bin Zhncn unentbehrlich; und bin, — — ohne
mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Bedienter, der — wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt, — für
seinen Herrn betteln und stehlen kann. v. Tellheim. Zust, wir bleiben nicht beysammen.
Inst.
Schon gut!
Nelinter Auftritt.
Ein Bedienter,
v. Tellheim. Just.
Der Bediente. Bst! Kammerad! Inst. WaS gicbts? Der Bediente. Kann Er mir nicht den Offieier nachweisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er hcrkommt) gewohnt hat? Just. Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm? Der Bediente- Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen; ein Kompliment. Meine Herrschaft hört, das; er durch sie verdrengt worden. Meine Herrschaft weiß zu leben, und ich soll ihn desfalls um Verzeihung bitten. Iust- Nun so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.
Der Bediente- Was ist er? Wie nennt man ihn? v. Lellheim. Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen Empfehl. — Wie heißt Eure Herrschaft? — Der Bediente- Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen. v. rLellheim. Und ihr Familienname? Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und dar nach zu fragen, ist meine Sache nicht. Zch richte mich so ein, daß ich meistentheils aller sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen! — Just. Bravo, Kammerad! Der Bediente. Zn dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräu tigam. —
Minna von Barnhclm.
16 v. Tellheim.
Gemlg,
mein Freund.
rer Herrschaft wollte ich wissen;
Den Namen
Eu
aber nicht ihre Geheimnisse.
Geht nur! Der Bediente.
Kammerad, das wäre kein Herr für mich!
Zehnter Auftritt. Just,
v. Tellheim. v. Tellheim.
Mache, Zust,
mache, daß wir aus diesem
Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir em pfindlicher, als die Grobheit des Wirths.
Hier nimm diesen
Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist; von der ich
nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen! — Ver setze ihn! laß dir achtzig Friedrichdor darauf geben; die Rechnung deS Wirths kann keine dreyßig betragen.
Bezahle ihn,
rind räume meine Sachen — Za, wohin? — Wohin du willst.
Der wohlfeilste Gasthof, der beste.
Du sollst mich hier neben
an, auf dem Kaffehause, treffen. Zch gehe; mache deine Sache
gut. — Just.
Sorgen Sie nicht, Herr Major! —
v. Tellheim.
(kömmt wieder zurück) Vor allen Dingen, daß
meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden. Just.
Zch will nichts vergessen.
V. Tellheim.
(kömmt nochmals zurück) Noch eins: nimm mir
auch deinen Budel mit; hörst du, Zust! —
Eilfter Auftritt. Iust.
Der Budel wird nicht zurück bleiben.
Dafür laß ich den
Budel sorgen. — Hm! auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger?
— Glitcr Wirth, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bey ihm, bey ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringclchen!
Zch weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hanse nicht
ganz sollst verzehrt werden! — Ah —
Minna von Barnhelm.
17
Zwölfter Zluftritt. Paul Werner.
Just.
Sich da, Werner! guten Tag, Werner! willkom
Just.
men in der Stadt! Werner. Das verwünschte Dorf! 4vieder gewöhne werden.
sches Geld! Just.
Zch
kanns
unmöglich
Lustig, Kinder, lustig; ich bringe fri
Wo ist der Major?
Er muß dir begegnet seyn; er ging eben die Treppe
herab. Werner.
gehts ihm?
Zch komme die Hintertreppe
herauf.
Nun wie
Zch wäre schon vorige Woche bei Euch gewesen;
aber — Just.
Nun? was hat dich abgehalten? —
Werner. — Zust, — hast du von dem Prinzen Heraktius
gehört?
Just.
Heraklius?
Werner.
Zch wüßte nicht.
Kennst bu den großen
Helden im Morgenlande
nicht? Just.
Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl,
die ums Neujahr mit dem Sterne herumlauffen.--------Werner.
Mensch, ich glaube, bu liesest eben so wenig die
Zeitungen, als die Bibel? — Du kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage die ottomannische Pforte einsprengcii wird? Gott
sey Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Zch
habe lange genug gehest, es sollte hier wieder losgehen.
da sitzen sie, und heilen sich die Haut.
Aber
Nein, Soldat war ich,
Soldat muß ich wieder seyn! Kurz, — (indem er sich schüchtern umfleht, ob ihn jemand behorcht) im Bertranen, Zust; ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen,
Heraklius, ein Paar Feldzuge wider den Türken zu machen.
Just.
Du?
Werner.
Zch, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren
zogen fleißig wider den Türken; und das sollten wir noch thun,
wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären.
begreifst ich wohl,
Freylich
daß ein Feldzug wider den Türken
2
nicht
Minna von Barnhelw.
18
halb so lustig seyn kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher seyn, in diesem und in
jenem Leben.
Die Türken haben
dir alle Säbels mit Dia
manten besetzt —
I«st-
Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu
lassen, reise ich nicht eine Meile.
Du wirst doch nicht toll seyn,
lind dein schönes Schulzengerichte verlassen? — Werner.
O, das nehme ich mit! — Merkst du was? —
Das Gütchen ist verkauft---------
Just.
Verkauft?
Werner.
St! — hier sind hundert Dukaten, die ich ge
stern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major —
I»st-
Und was soll der damit?
Werner.
Was er damit soll?
Verzehren soll er sie; ver
spielen, vertrinken, ver — wie er will.
Der Mann muß Geld
haben, und cs ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige
so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich thäte, wenn ich an seiner Stelle wäre!
Ich dächte: hohl euch hier alle der
Henker; und ginge mit Paul Wernern nach Persien! — Blitz! — der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben; wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmei ster, Pali! Wernerri, nicht kennt. Unsere Affaire bei den Katzen häusern —
Just.
Soll ich dir die erzehlen? —
Werner.
Du mir? — Ich merke wohl, daß eine schöne
Disposition über deinen Verstand geht.
Zch will meine Per
len nicht vor die Säue werfen. — Da nimm die hundert Du
katen; gieb sie dem Major.
aufheben.
Sage ihm: er soll mir auch die
Zch muß itzt auf den Markt; ich habe zwey Win-
spel Rocken herein geschickt; was ich daraus löse, kann er gleich
falls haben. — Just.
Werner, du meynst es herzlich gut; aber wir mögen
dein Geld nicht.
Pistolen
Behalte deine Dukaten, lind deine hundert
kannst du auch unversehrt
wieder bekommen, sobald
als du willst. — Werner.
Just.
So? hat denn der Major noch Geld?
Nein.
Minna von Barnhelm.
Werner. Just.
Hat er sich wo welches geborgt? ”)
Nein.
Und wovon lebt ihr denn?
Werner. Just.
19
Mir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr
anschreiben will, und uns zum Hause herauSwirft, so versetzen
wir, was wir noch haben, und ziehen weiter. — Höre nur, Paul; dem Wirthe hier müssen wir einen Possen spielen.
Hat er dem Major was in den Weg gelegt? —
Werner.
Ich bin dabey! —
Inst.
Wie wärs, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus
der Tabagie kömmt, aufpaßten, und ihn brav dnrchprügelten? —
Werner.
Des Abends?
— aufpaßten? — ihrer Zwey,
einem? — Das ist nichts. —
Just.
Oder,
wenn wir ihm das Haus
über
dem Kopf
ansteckten? — Werner.
Sengen und brennen? — Kerl, man hörtS, daß
du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; — pfuy!
Just.
Oder, wenn wir ihm seine Tochter zur Hure mach
ten? Sie ist zwar verdammt häßlich---------
Werner.
O da wird sies lange schon seyn! Und allenfalls
bratlchst du auch hierzu keinen Gehülfen.
Aber was hast du
denn? Was giebts beim?
Just.
Komm nur, du sollst dein Wunder hören!
Werner.
Just.
So ist der Teufel wohl hier gar los?
Za wohl; komm nur!
Werner.
Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!
Zweiter Aufzug. . Erster Austritt. Minna von Barnhelm.
Franc, ska.
(Die Scene ist in dem Zimmer M Fräuleins.)
Das Fräulein,
(im Negligee, nach ihrer Uhr sehend)
wir sind allch sehr früh aufgestanden.
Franciska,
Die Zeit wird uns lang
werden. *) Diese Rede mit der Antwort fehlen den Drucken.
20
Minna von Barnhelm.
Franciska.
schlafen?
Wer kann in den verzweifelten großen Städten
Die Karossen, die Nachtwächter, die Trommeln, die
Katzen, die Korporals — das hört nicht auf zu rasseln, zu schreyen,*) zu wirbeln, zu mauen, zu fluchen; gerade, als ob
die Nacht zu nichts weniger wäre, als zur Ruhe. — Eine Lasse Thee, gnädiges Fräulein? —
Das Fräulein. Franciska.
Das Fräulein.
Franciska
Der Thee schmeckt mir nicht. —
Ich will von unserer Schokolate machen lassen.
Laß machen , für dich!
Für mich?
Ich wollte eben so gern für mich
allein plaudern, als für mich allein trinken. — Freilich wird
uns
die Zeit so
lang
werden. — Wir werden,
vor langer
Weile, uns putzen müssen, und das Kleid versuchen, in welchem wir den ersten Sturm geben wollen.
Was redest du von Stürmen, da ich bloß
Das Fräulein.
herkomme, die Haltung der Kapitulation zu fodern? Franciska.
Und
der Herr Officier,
den
wir
vertrieben,
und dem wir das Kompliment darüber machen lassen; er
muß
auch nicht die feinste Lebensart haben; sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lassen, uns seine Aufwartung machen
zu dürfen. — Das Fräulein.
Es sind nicht alle Officiere TellheimS.
Die
Wahrheit zu sagen, ich ließ ihm das Kompliment auch bloß machen, um Gelegenheit zu haben, mich nach diesem bey ihm
zu erkundigen. — Franciska, mein Herz sagt es mir, daß meine Reise glücklich seyn wird, daß ich ihn finden werde. — Franciska.
Das
Herz,
gnädiges
doch ja seinem Herzen nicht zu viel.
waltig gern nach dem Maule. neigt wäre,
Fräulein?
Man
traue
Das Herz redet uns ge
Wenn das Maul eben so ge
nach dem Herzen zu reden,
so wäre die Mode
längst anfgekommen, die Mäuler unterm Schlosse zu tragen.
Das Fräulein. Ha! ha! mit deinen Mäulern unterm Schlosse!
Die Mode wäre mir eben recht!
Franciska.
Lieber
die
schönsten Zähne
nicht gezeigt,
alle Augenblicke das Herz darüber springen lassen! ) zu blecken, in der Handschrift.
als
Minna von Barnhelm.
Was? bist du so zurückhaltend? —
Das Fräulein. Franciska.
21
Nein,
gnädiges Fräulein;
sondern ich wollte
Man spricht selten von der Tugend, die
es gern mehr seyn.
man hat; aber desto öftrer von der, die unS fehlt. Das Fräulein. Sichst
du,
Franciska?
da
hast
du
eine
sehr gute Anmerkung gemacht. —
Franciska.
Gemacht? Macht man das, was einem so ein
fällt?
Das Fräulein.
Und weißt du, warum ich eigentlich diese
Anmerkung so gut finde? Tellheim. Franciska.
Was
Sie hat viel Beziehung auf meinen
hätte bey Ihnen
nicht auch Beziehung
auf ihn? Das Fraulein.
Freund und Feind sagen, daß er der tap
ferste Mann von der Welt ist. keit jemals reden hören?
Aber wer hat ihn von Tapfer
Er hat das rechtschaffenste Herz, aber
Rechtschaffenheit nnd Edelmuth sind Worte, die er nie ans die Zunge bringt.
Franciska.
Von was für Tugenden spricht er denn?
Das Fräulein. Franciska.
Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.
Das wollte ich nur hören.
Das Fraulein.
Warte, Franciska;
spricht sehr oft von Oekonomie.
ich besinne mich.
Er
Zm Vertrauen, Franciska; ich
glaube, der Mann ist ein Verschwender.
Franciska.
Noch eins, gnädiges Fräulein.
Ich habe ihn
auch sehr oft der Treue und Beständigkeit gegen Sie erwähnen
hören.
Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeist wäre?
Das Fräulein.
Du unglückliche! — Aber meinest du das
im Ernste, Franciska? Franciska-
Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht ge
schrieben? Das Fräulein.
Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein
einzigesmal geschrieben.
Franciska.
Auch ein Senfter wider den Frieden! Wunder
bar! der Friede sollte nur das Böse wieder gut Machen, daö
der Krieg gestiftet, und er zerüttet auch das Gute, was dieser sein Gegenpart etwa noch veranlasset hat.
Der Friede sollte
Minna von Barnhclm.
22
so eigensinnig nicht seyn! — Und wie lange haben wir schon
Friede? Die Zeit wird einem gewaltig laug, wenn es so we nig Neuigkeiten giebt. — Umsonst gehen die Posten wieder rich
tig; niemand schreibt; den» niemand hat was zu schreiben.
.(*$ ist Friede, schrieb er mir, und ich nä
Das Fräulein.
here mich der Erfüllung meiner Wünsche.
Aber, daß er mir
dieses nur einmal, nur ein einzigcsmal geschrieben —
Francieka. — Daß er uns zwingt,
dieser Erfüllung der
Wünsche selbst entgegen zu eilen: finden wir ihn nur; das soll
er uns entgelten! — Wenn indeß der Mann doch Wünsche
erfüllt hätte, und wir erführen hier — (ängstlich und hitzig) Daß er todt wäre?
Das Fräulein,
Franciska.
Für Sie, gnädiges Fräulein; in den Armen
einer andern. — Das Fräulein.
Du Quälgeist! Warte, Franciska, er soll
dir es gedenken! — Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wie
der ein. — Sein Regiment ward nach dem Frieden zerrissen. Wer weiß, in welche Verwirrung von Rechnungen und Nach
weisungen er dadurch gerathen? Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche entlegne Provinz er versetzt worden? Wer
weiß, welche Umstände — Es pocht jemand. Francieka.
Herein!
Zweyter Auftritt. Der Wirth. Der Wirch,
Die Vorigen-
(den Kopf voranstcckend)
Zst es erlaubt,
meine
gnädige Herrschaft? —
Francieka.
Unser Herr Wirth? — Nur vollends herein.
Der Wirch, (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und Schreibezeug in der Hand) Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen
einen unterthänigen guten Morgen zu wünschen, — (zur Franciska)
und auch Ihr, mein schönes Kind, — Francieka.
Ein höflicher Mann!
Das Fräulein-
Francieka. Der Wirth.
Wir bedanken llns.
Und wünschen Ihm alich einen guten Morgen. Darf ich
mich
unterstehen 511 fragen,
wie
23
Minna von Barnhelm.
Zhro Gnaden die erste Nacht unter meinem schlechten Deiche geruhet? —
Franciska.
Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirch;
aber die Betten hätten können besser seyn. Der Wirch.
Was höre ich?
Nicht wohl geruht?
Viel
leicht, daß die gar zu große Ermüdung von der Reise — Das Fräulein.
Der Wirch.
Es kann seyn.
Gewiß, gewiß!
denn
sonst
—
— Indeß,
sollte etwas nicht vollkommen nach Zhro Gnaden Bequemlichkeit
gewesen seyn, so genchen Zhro Gnaden nur zu befehlen. Franciska. blöde;
Gut, Herr Wirth, gut!
Wir sind auch nicht
und am wenigsten muß man im Gasthofe blöde seyn.
Wir wollen schon sagen, wie wir es gern hätten.
Der Wirch.
Hiernächst komme ich zugleich — (Indem er die
Zeder hinter dem Ohre hervorzieht)
Franciska. Der Wirth.
Nun? — Ohne Zweifel kennen Zhro Gnaden schon die
weisen Verordnungen unsrer Policey.
Das Fräulein-
Nicht im geringsten, Herr Wirth. —
Wir Wirthe sind angewiesen, keinen Frcm-
Der Wirch.
den, weS Standes und Geschlechts er auch sey, vier und zwan
zig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen, Hcymath, Cha
rakter, hiesige Geschäfte, vermuthliche Dauer des Aufenthalts, und so weiter, gehörigen Orts schriftlich einznrcichen. Das Fräulein.
Der Wirch.
Sehr wohl.
Zhro Gnaden werden also sich gefallen las
sen — (indem er an einen Tisch tritt, und sich fertig wacht, zu schreiben) Das Fräulein.
Sehr gern. — Zch heiße —
Der Wirch. Einen kleinen Augenblick Geduld! — (er schreibt) „Dato, dm 22. August °) a. c. aUhtn zm» aromge wii vspa-
„nien angelangt" — Nun Dero Namen, gnädiges Fräulein?
Das Fräulein. Der Wirch,
Das Fräulein von Barnhelm.
(schreibt) „von Barnhelm" — Kommend? wo
her, gnädiges Fräulein?
') Lessing hat erst geschrieben „September", dies aber nachher ausge-
sirichen.
Minna von Barnhelm.
24
Das Fräulein.
Von meinen Gütern ans Sachsen.
(schreibt) „Gütern aus Sachsen" — Aus Sach
Der Wirttr
sen ! Ey, ey, aus Sachsen, gnädiges Fräulein? aus Sachsen? Franciska-
Nun?
warum nicht?
Es ist doch wohl hier
zu Lande keine Sünde, aus Sachsen zu seyn?
Der Wirth.
Eine
Sünde?
Behüte!
das
wäre
ja
eine
ganz neue Sünde! — Aus Sachsen also? Ey, ey! aus Sach
sen! das liebe Sachsen! — Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein, und hat mehrere — wie soll
ich es nennen? — Districkte, Provinzen. — Unsere Police») ist sehr cxackt, gnädiges Fräulein. —
Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thü
Das Fräulein. ringen also. Der Wirth.
Aus Thüringen! Za, das ist besser, gnädiges
Fräulein, das ist genauer. — (schreibt und lieft) „Das Fräulein
„von Barnhclm, kommend von ihren Gütern aus Thüringen,
„nebst einer Kammerfrau und zwey Bedienten" — Franciska.
Einer Kammerfrau?
Franciska.
das soll ich wohl seyn?
Za, mein schönes Kind. —
Der Wirth.
Nun, Herr Wirth, so setzen Sie anstatt Kam
merfrau, Kammerjungfer. — Ich höre die Policcy ist sehr crackt;
es möchte ein Mißverständniß geben, tvrlcheS mir bey meinem
Aufgebote einmal Händel machen könnte.
Denn ich bin wirk
lich noch Zungfer, und heiße Franciska; mit dem Geschlechtsna
men, Willig; Franciska Willig.
Zch bin auch aus Thüringen.
Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnä digen Fräuleins.
Es heißt Klein-Rammsdorf.
hat itzt mein Bruder.
Die Mühle
Zch kam sehr jung auf den Hof, und
ward, mit dem gnädigen Fräulein -nogcn. Wir sind von ei nem Alter; künftige Lichtmeß ein und zwanzig Zahr. Zch habe
alles gelernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat.
Es soll
mir lieb seyn, wenn mich die Policey recht kennt. Der Wirth. Gut,
mein schönes Kind;
das will ich nur
auf weitere Nachfrage merken. — Aber nunmehr, gnädiges Fräu lein , Dero Verrichtungen allhicr? —
Das Fräulein.
Meine Verrichtungen.
Mtniia von Bariihelm.
25
Suchen Jhro Gnaden etwas bey des Königs
Der Wirth. Majestät? Das Fräulein.
O, nein! Oder bey unsern hohen Justitzkollegiis?
Der Wirth.
Auch nicht.
Das Fräulein.
Oder —
Der Wirth.
Zch bin lediglich in meinen
Nein, nein.
Das Fräulein.
eigenen Angelegenheiten hier. Der Wirch.
Ganz
wohl,
gnädiges
Fräulein;
aber
wie
nennen sich diese eigene Angelegenheiten?
Sie nennen sich — Franciska, ich glaube,
Das Fräulein.
wir werden vernommen. Franciska- Herr Wirth, die Policey wird doch nicht die
Geheimnisse eines Frauenzimmers zu wissen verlangen?
Der Wirch.
Allerdings, mein schönes Kind: die Policey
will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse.
Franciska.
Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu thun?
— So hören Sic nur, Herr Wirth; — aber daß es ja unter
uns und der Policey bleibt! — Das Fräulein. Franciska-
Was wird ihm die Närrinn sagen?
Wir kommen, dem Könige einen Ofstcier weg
zukapern —
Der Wirth. Wie? was? Mein Kind! mein Kind!
Franciska-
Oder lins von dem Ofstciere kapern zu lassen.
Beydes ist eins.
Das Fräulein.
Franciska,
bist du toll? — Herr Wirth,
die Nasenweise hat Sie zum besten.
Der Wirth.
Ich will nicht hoffen! Zwar mit meiner We
nigkeit kann sie scherzen so viel,
wie sie will; nur mit einer
hohen Policey — Das Fräulein.
Wissen Sie
was,
Herr Wirth? — Ich
weiß mich in dieser Sache nicht zu nehmen.
Ich dächte, Sie
ließen die ganze Schreibcrey bis auf die Anklinst meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen.
Er verunglückte, zwey Meilen von hier,
mit seinem Wagen; lind wollte dlirchaus nicht, daß mich dieser Zufall eine Nacht mehr kosten sollte.
Ich mußte also voran.
Minna von Baruhelm.
26
Wenn er vier lind zwanzig Stunden nach mir eintrifft, so ist es das Längste.
Nun ja, gnädiges Fräulein, so wollen wir
Der Wirth.
ihn erwarten. Das Fräulein. können.
Er wird auf Zhre Frage besser antworten
Er wird wissen, wem, und wie weit er sich zu ent
decken hat;
was er von seinen Geschäften anzeigen muß, und
was er davon verschweigen darf. Der Wirth.
Desto
besser!
Freylich, freylich
kann
man
von einem jrmgen Mädchen (die Franciska mit einer bedeutenden Miene ansehend) nicht verlangen, daß es
eine ernsthafte Sacht, mit
ernsthaften Leuten, ernsthaft tracktire —
Und die Zimmer für ihn, sind doch in Be
Das Fräulein-
reitschaft, Herr Wirths Der Wirth. das eine — Franciska.
Völlig, gnädiges Fräulein,
völlig;
bis auf
Aus dem Sie vielleicht auch noch erst einen
ehrlichen Mann vertreiben müssen? Die Kammcrjuiigfcnl aus Sachsen, gnädiges
Der Wirth.
Fräulein, sind wohl sehr mitleidig. —
Doch, Herr Wirth; das habm Sie nicht
Das Fräulein. gut gemacht.
Lieber hätten Sie uns nicht einnehmen sollen.
Wie so, gnädiges Fräulein, wie so?
Der Wirth.
Ich höre, daß der Officier, welcher durch
Das Fräulein.
uns verdrengt worden —
Der Wirth.
Za nur ein abgcdanktcr Ofsicier ist,
gnädi
ges Fräulein. — Das Fräulein. Der Wirth-
Wenn schon! —
Mit dem es zu Ende geht. —
Das Fräulein.
Desto schlimmer! Es soll ein sehr verdien
ter Mann seyn.
Der Wirth.
Ich sage Zhncn ja, daß er abgedankt ist.
Das Fräulein.
Der König kann nicht alle verdiente Män
ner kennen. Der Wirth-
Das Fräulein.
Der Wirth.
O gewiß, er keilnt sic, er kennt sie alle. — So kann er sie nicht alle belohnen. Sie wären
alle belohnt,
wenn sie darnach
Minna von Barnhelm.
gelebt hätten.
27
Aber so lebten die Herren, währendes Krieges,
als ob ewig Krieg bleiben würde; als ob das Dein »nd Mein
ewig anfgehoben seyn würde.
Jetzt liegen alle Wirthshänscr und
Gasthöfe von ihnen voll; und ein Wirth hat sich wohl mit ihneit
Zch bin mit diesem noch so ziemlich wcgge-
in Acht zu nehmen.
kommen. Hatte er gleich kein Geld mehr, so hatte er doch noch GeldcSwerth; und zwey, drey Monate hätte ich ihn freylich noch ruhig können sitzen lassen.
Doch besser ist besser. — A propos,
gnädiges Fräulein; Sie verstehen sich doch auf Juwelen? —
Nicht sonderlich.
Das Fräulein.
Der Wirth.
Was
sollte» Zhro
Gnaden
nichts
muß Ihnen einen Ring zeigen, einen kostbaren Ring.
— Zch
Zwar
gnädiges Fräulein haben da auch einen sehr schönen am Fin
ger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich wun dern, daß er dem meinigen so ähnlich ist. — O! sehen Sie
doch, sehen Sie doch! (indem er ihn aus dem Futteral herausninuiit, und dem Fräulein hinrcicht) Welch ein Feuer! der mittelste Brillant
allein wiegt über fünf Karat. Das Fräulein,
(ihn betrachtend)
Wo bin ich? was seh ich?
Dieser Ring —
Der Wirth.
Ist seine fünfzehnhundert Thaler unter Brü
dern werth. Franciska! — Sich doch! —
Das Fräulein.
Ich habe mich auch nicht einen Augenblick
Der Wirth.
bedacht, achtzig Pistolen darauf zu leihen. Erkennst du ihn nicht,'Franciska?
Das Fräulein.
Franciska.
Der Nehmliche!
— Herr Wirth,
wo
haben
Sie diesen Ring her? — Der Wirth.
Nun, mein Kind?
Sic hat doch wohl kein
Recht daran?
Franciska. werts
auf dem
Wir kein Recht an diesem Ringe? — Jini
Kasten
muß
der
Fräulciit
verzogner Name
stehen. — Weisen Sie doch, Fräuleiii.
Das Fräulein.
Er ists, er ists! — Wie kommen Sie zu
diesem Ringe, Herr Wirth?
Der Wirth.
Zch? auf die ehrlichste Weise von der Welt. —
Gnädiges Fräulein, gnädiges Fräulein, Sie werden mich nicht
Minna von Barnhelm.
28
in Schaden und Unglück bringen wollen? sich der Ring eigentlich herschrcibt?
Was weiß ich, wo
Währendes Krieges hat
manches seinen Herrn, sehr oft, mit und ohne Vorbewußt des
Herrn, verändert.
Es werden mehr
Und Krieg war Krieg.
Ringe ans Sächselt über die Grenze gegangen seyn. — Geben Sie mir ihn wieder,
gnädiges Fräulein,
geben Sie mir ihn
wieder!
Franciska.
Erst geantwortet: von wem haben Sie ihn?
Der Wirch.
Von einem Manne,
dem ich so was nicht
zlttrauen kann; von einem sonst guten Manne — Von dem besten Manne unter der Sonne,
Das Fräulein.
wenn Sie ihn von seinem Eigenthümer haben. — Geschwind
bringen Sie mir den Mann!
Er ist es selbst, oder wenigstens
muß er ihn kennen. Der Wirch.
Franciska.
Wer denn? wenn denn, gnädiges Fräulein?
Hören Sie denn nicht? unsern Major. Major? Recht, er ist Major, der dieses Zim
Der Wirch.
mer vor Zhnen bewohnt hat, lind von dem ich ihn habe.
Major von Tellhcim.
Das Fräulein.
Von Tcllheim; ja! Keimen Sie ihn?
Der Wirch.
Das Fräulein.
Ob ich ihn kenne?
Er ist hier?
Tellhcim
ist hier? Er? er hat in diesem Zimmer gewohnt? Er! er hat Zhnen diesen Ring versetzt?
Wie kömmt der Mann in diese
Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen schuldig? - --------Fran
ciska, die Schatulle her! Schließ auf! (Indem sie Franciska auf den Tisch setzet, und öfnct)'Was ist er Ihnen schuldig?
mehr schuldig?
ist Geld.
Wem ist er
Bringen sie mir alle seine Schuldner.
Hier sind Wechsel.
Hier
Alles ist sein!
Was hör ich?
Der Wirch.
Das Fräulein.
Wo ist er? wo ist er?
Noch vor einer Stunde war er hier.
Der Wirch.
Das Fräulein.
Häßlicher Mann, wie konnten Sie gegen
ihn so unfreundlich, so hart, so grausam seyn? Der Wirch.
Das Fräulein. Der Wirth.
Zhro Gnaden verzeihen — Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle. Sein Bedienter ist vielleicht noch hier.
len Ihro Gnaden, daß er ihn aufsuchcn soll?
Wol
Minna von Barnhelm.
29
Ob ich will? Eilen Sic, laufen Sie;
Das Fräulein.
für
diesen Dienst allein, will ich es vergessen, wie schlecht Sie mit
ihm umgegangen sind. — Fix, Herr Wirth, hurtig, fort, fort! (stößt ihn
Franciska-
heraus) Dritter Auftritt.
Das Fräulein. Franciska. Das Fräulein.
Nun
habe
ich
ihn
Siehst du, nun habe ich ihn wieder!
wieder,
Franciska!
Zch weiß nicht, wo ich
Freue dich doch mit, liebe Franciska.
vor Freuden bin!
Aber
freylich, warum du ? Doch du sollst dich, du mußt dich mit mir
freuen.
Komm, Liebe, ich will dich beschenken, damit du dich
mit mir freuen kairnst.
Sprich,
Franciska,
was soll ich dir
geben? Was steht dir von meinen Sachen an? Was hättest du gern?
Nimm, was du willst; aber freue dich nur.
wohl, dll wirst dir nichts nehmen.
Zch sehe
Warte! (sie faßt in die Scha
tulle) da, liebe Franciska; (und giebt ihr Geld) kaufe dir, was du gern hättest.
Fordere mehr, wenn es nicht zulangt.
Aber freue
Es ist so traurig, sich allein zu freuen.
dich nur mit mir.
Ntiit,
so nimm doch —
Franciska.
Ich stehle es Zhnen, Fräulein; Sie sind trun
ken, von Fröhlichkeit trunken. — Mädchen, ich habe einen zänkischen Rausch,
Das Fräulein.
nimm, oder — (sie zwingt ihr das Geld in die Hand) Und wenn du dich bedankest! — Warte; gut, daß ich daran denke, (sie greift nochmals in die Schatulle nach Geld) Das, liebe Franciska, stecke bey
Seite; für den ersten blessirten armen Soldaten, der uns an
spricht. —
Vierter Auftritt.
Der Wirts,.
Das Fräulein.
Der IVirtl). Der Wirth.
Franciska.
Der widerwärtige, nngeschliffene Kerl!
Das Fräulein. zu gehen.
Das Fräulein.
Nun ? wird er kommen?
Wer?
Sein Bedienter.
Er weigert sich, nach ihm
Minna von Barnhelm.
30
Bringen Sie doch den Schurken her. — Des
Franciska.
Majors Bediente kenne ich ja wohl alle. Welcher wäre denn das?
Bringen Sie ihn geschwind her.
Das Fräulein.
Wenn
er uns sicht, wird er schon gehen. (Der Wirth geht ab.)
Fünfter Auftritt. Das Fräulein.
Franciska.
Ich kann den Augenblick nicht erwarten.
Das Fräulein.
Aber, Franciska, du bist noch immer so kalt? Du willst dich noch nicht mit mir freuen? Ich wollte von Herzen gern; wenn nur —
Franciska.
Das Fräulein.
Wenn nur?
Wir haben den Mann wiedergefunden;
Franciska.
aber
wie haben wir ihn wiedergefunden? Nach allem, was wir von ihm hören, mliß es ihm übel gehn.
Er muß unglücklich seyn.
Das jammert mich.
Das Fraulein.
Jammert dich? — Laß dich dafür umar
men, meine liebste Gespielin!
Das will ich dir nie vergessen!
— 3ch bin nur verliebt, und du bist gut. —
Sechster Auftritt.
Der Wirth.
Die Vorigen.
Mit genauer Noth bring ich ihn.
Der Wirth.
Franciska.
Just.
Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht.
Das Fräulein.
Mein Freund, ist Er bei dem Major von
Tellhcim?
Inst-
Za.
Das Fräulein. Just.
Nicht hier.
Das Fräulein. I»st.
Will Er ihn nicht geschwind herhohlen?
Nein.
Das Fräulein. Iust.
Aber Er weiß ihn zu finden?
Ja.
Das Fraulein. Just.
Wo ist Sein Herr?
Er erweiset mir damit einen Gefallen. —
Ey!
Das Fräulein.
Und feinem Herrn einen Dienst.
—
31
Minna von Baruhtlm. Just.
Vielleicht auch nicht. —
Woher vermuthet Er das?
Das Fräulein.
Inst.
Sie sind doch die fremde Herrschaft, die ihn diesen
Morgen komplimentiren lassen?
Das Fräulein.
Just.
Za.
So bin ich schon recht.
Das Fräulein.
Just.
Weiß Sein Herr meinen Namen?
Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen eben
so wenig leiden, als die allzu groben Wirthe. Der Wirth.
Das soll wohl mit auf mich gehn?
Just. Za. Der Wirch.
So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein
nicht entgelten; und hole Er ihn geschwind her.
(zur Franciska) Franciska, gieb ihm etwas —
Das Fräulein, Franciska.
(die dem Zust Geld in die Hand drücken will)
Wir
verlangen Seine Dienste nicht umsonst. — Just.
Und ich Zhr Geld nicht ohne Dienste.
Franciska. Just.
zuraumen.
Eines für das andere. —
Zch kann nicht.
Mein Herr hat mir befohlen, aus-
Das thu ich jetzt, und daran, bitte ich, mich nicht
weiter zu verhindern.
Wenn ich fertig bin, so will ich es ihm
ja wohl sagen, daß er Herkommen kann.
Er ist neben an auf
und wenn er da nichts bcssers zu thun fin
dem Kaffeehause;
det, wird er auch wohl kommen, (will fortgehn) Franciska.
So warte Er doch. — Das gnädige Frälllein
ist des Herrn Majors — Schwester. —
Das Fräulein. Just.
hat.
Za, ja, seine Schwester.
Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwester
Er hat mich in sechs Monaten zweymal an seine Familie
nach Enrland geschickt. — Zwar es giebt mancherley Schwe
stern — Franciska.
Just.
Unverschämter!
Man muß es nicht seyn, wenn einen die Leute sol
len gehn lassen?
Franciska. Der Wirth.
(geht ab.)
Das ist ein Schlingel!
Zch sagt cs ja.
Aber lassen Sie ihn nur!
Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist.
Zch will ihn gleich
Minna von Barnhelm.
32
selbst hohlen, — Nur, gnädiges Fräulein, bitte ich unterthä-
nigst, sodann ja mich bei dem Herrn Major zu entschuldigen,
daß ich so unglücklich gewesen,
wider meinen Willen,
Mann von seinen Verdiensten — Das Fräulein. Gehen Sie nur
geschwind,
Das will ich alles wieder gut machen,
einen
Herr Wirlh.
(der Wirth geht ab, und
hierauf) Franeiska, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen
nicht nennen!
(Franeiska, dem Wirthe nach) Siebender Auftritt. Das Fräulein, und hierauf Franeiska.
Das Fräulein.
Ich habe ihn wieder! — Bin ich allein?
— Zch will nicht umsonst allein seyn, (sie faltet die Hände)
bin ich nicht allein!
(und blickt aufwärts)
Auch
Ein einziger dankbarer
Gedanke gen Himmel ist das vollkommenste Gebet! — Zch hab
ihn, ich hab ihn! (mit auSgebreiletcn Armen) Zch bin glücklich! und fröhlich!
Was kann der Schöpfer lieber sehen, als ein fröhli
ches Geschöpf! — (Franeiska kämmt) ciska? — Er jammert dich? ist auch gut.
Bist du wieder da, Fran-
Mich jammert er nicht.
Unglück
Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, um
ihm in mir alles wieder zu geben!
Franeiska.
Er kann den Augenblick hier seyn. — Sie sind
noch in Zhrem Negligee, gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie sich geschwind ankleideten?
Das Fräulein.
Geh!
ich bitte dich.
Er wird mich von
nun an öftrer so, als geputzt sehen.
Franeiska.
O, Sie kennen sich, mein Fräulein.
Das Fräulein,
(nach eintin kurzen Nachdenken)
Wahrhaftig,
Mädchen, du hast es wiederum getroffen. Franeiska.
Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt am
schönsten.
Das Fräulein.
Müssen wir denn
schön seyn? — Aber,
daß wir uns schön glattben, war vielleicht nothwendig. — Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin! — Franeiska, wenn alle
Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so sind wir — son
derbare Dinger. — Zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und sromni — Du wirst mich nicht verstehen.
Zch
Minna von Barnhelm.
3.3
verstehe mich wohl selbst nicht. — Die Freude macht drehend, wirblicht. —
Franciska.
Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre kom
men — Das Fraulein. Mich fassen? Zch sollte ihn ruhig empfangen?
Achter Auftritt.
v. Tellheim.
Die Vorigen.
Der Wirth.
X>. Tellheim. (tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf
fie zu) Ah! meine Minna! — .
Das
(ihm entgegen fliehend) Ah! mein Tellheim! —
Fräulein,
(stutzt auf einmal, und tritt wieder zurück) Verzei
X). Tellheim.
hen Sie, gnädiges Fräulein, — das Fräulein von Barnhelm hier zll finden —
Kamt Ihnen doch so gar unerwartet nicht
Das Fraulein.
seyn? — l indem sie ihm näher tritt, und er mehr zurück weicht) Ich.
soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre Minna bin? Ihnen
der Himmel,
daß
ich
noch
das Fräulein
Verzeih
von Barn
helm bin! — v. Tellheim.
Gnädiges
Fräulein
—
(sieht starr auf den
Wirth, und zuckt die Schultern) Das Fraulein, (wird den Wirth gewahr, und winkt der Franciska) Mein Herr, — v. Tellheim.
Francieka.
Wenn wir uns beiderseits nicht irren — Je, Herr Wirth, wen bringen Sie mts denn
da? Geschwind kommen Sie, lassen Sie uns den rechten silchen. Der Wirch.
Francieka.
Ist es nicht der rechte? Ey ja doch! Ey nicht doch!
Geschwind kommen Sie;
ich
habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt. Der Wirth.
zu gehen) Francieka.
£)!
(faßt ihn an)
Küchenzettel machen.
werden — Der Wirth.
Franciska.
viel Ehre
—
Kommen
— Lassen
Sie
(doch ohne von der Stelle Sie,
wir
wollen den
sehen,
was
wir
haben
Sie sollen haben; vors erste —
Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon
weiß, was sie zu Mittag speisen soll, so ist es um ihren Ap3
34
Minna von Barnhcim.
petit geschehe». sagen,
Kommen Sic,
das
müssen Sie
mir allein
(führet Ihn mit Gewalt ab)
Neunter Auftritt.
v. Tellheim. Das FräuleinNun? irren wir uns noch?
Das Fräulein. v. Teil heim-
Daß
der Himmel
cs
wollte! — Aber cs
giebt mir Eine, und Sie sind cs. — Das Fräulein. Welche Umstände! Was wir uns zu sagen haben, kann jedermann hören. Sie hier? Was suchen Sie hier, gnädiges
v. Tcllheim. Fräulein?
Nichts suche ich mehr, (mit offenen Armen auf
Das Fräulein. ihn zngehend)
Alles, was ich suchte, habe ich gefunden,
v- Lellheim-
(zurückweichcnd)
Ihrer
würdigen
einen
Liebe
Elenden. Das Fräulein.
Sie suchten
Mann;
und
glücklichen,
einen
finden
— einen
So lieben Sie mich nicht mehr? — Und
lieben eine andere?
x>. Tcllheim-
Ah! der hat Sic nie geliebt, mein Fräulein,
der eine andere nach Ihnen lieben kann.
Das Fräulein.
Sic reißen nur einen Stachel aus meiner
Seele. — Wenn ich Ihr Herz verloren habe, was liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reitze darum gebracht?
— Sie lieben mich nicht mehr: und lieben auch keine andere? — Unglücklicher Mann, wenn Sie gar nichts lieben! —
v. Tellheim.
Recht,
muß gar nichts lieben.
gnädiges Fräulein;
der Unglückliche
Er verdient sein Unglück, wenn er die
sen Sieg nicht über sich selbst zu erhalten weiß; sich gefallen lassen kann,
wenn er es
daß die, welche er liebt, an seinem
Unglück Antheil nehmen dürfen. — Wie schwer ist dieser Sieg!
— Seit dem mir Vernunft und Nothwendigkeit befehlen, Minna
von Barnhelm zu
vergessen:
was für Mühe habe ich ange
wandt! Eben wollte ich aufangen zu hoffen, daß diese Mühe
nicht ewig vergebens seyn würde: — und Sie erscheinen, mein Fräulein! — Das Fräulein.
Versteh ich Sie recht? — Halten Sie, mein
35
Minna von Barnhelm.
Herr; lassen Sie sehen, wo wir sind, ehe wir uns weiter ver irren! — Wollen Sie mir die einzige Frage beantworten? v. Tellheim.
Jede, mein Fräulein —
Das Fraulein.
Wollen
ohne Winkelzug, antworten?
mir
Sie
ohne Wendung,
auch
Mit nichts, als einem trocknen
Za, oder Nein? v. Tellheim.
Ich will es, — wenn ich kann.
Sie können es. — Gut:
Das Fraulein.
ohngeachtet der
Mühe, die Sie angewendet, mich zu vergessen, — lieben Sie
mich »och, Tellheim?
v. Tellheim. Mein Fräulein, diese Frage — Das Fraulein. Sie haben versprochen, mit nichts, als Za
oder Nein zu antworten. v. Tellheim.
Und hinzugcsetzt: wenn ich kann.
Das Fräulein.
Sie können;
Sie müssen wissen, was in
Zhrcm Herzen vorgeht. — Lieben Sie mich noch, Tellheim? — Za, oder Nein.
v. Tellheim.
Wenn mein Herz —
Za, oder Nein!
Das Fraulein. v. Tellheim.
Nun, Za!
Das Fräulein. v. Tellheim.
Za? Za, ja! — Allein —
Geduld! — Sie lieben mich noch: genug
Das Fräulein.
für mich. — Zn was für einen Ton bin ich mit Zhnen gefal len!
Ein widriger,
melancholischer, ansteckender Ton. — Zch
nehme den meinigen wieder an. — Nun, mein lieber Unglück licher, Sie lieben mich noch, und haben Zhre Minna noch, und
sind unglücklich?
Hören Sie doch, was Zhre Minna für ein
eingebildetes, albernes Ding war, — ist.
Sie ließ, sie läßt
sich träumen, Zhr ganzes Glück sey sic. — Geschwind kramen Sic Zhr Unglück ans.
Sie mag versuchen, wie viel sie dessen
alifwiegt. — Nun? v. Tellheim.
klagen. Das Fraulein.
Mein
Sehr wohl.
mir an einem Soldaten, als das Klagen.
Fräulein,
ich bin
nicht gewohnt zu
Zch wüßte auch nicht, was
nach dem Prahlen, weniger gcsiclc,
Aber es giebt
eine
gewisse
kalte,
3 *
nachlä-
Minna von Barnhelm.
3G
ßige Art, von seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke zn sprechen — v. Tellheim.
Die im Grunde doch auch geprahlt und ge
klagt ist. Das Fräulein.
O, mein Rechthaber, so hatten Sic sich
auch gar nicht unglücklich nennen sollen. — Ganz geschwiegen, oder ganz mit der Sprache heraus. — Eine Vernunft, eine
Nothwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt? — Ich
bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe sehr viel
Ehrerbietung für die Nothwendigkeit. — Aber lassen Sic doch hören,
wie vernünftig diese Vernunft,
wie nothwendig diese
Nothwendigkeit ist.
Wohl denn; so hören Sic, mein Fräulein.
x>. Tellheim.
— Sie nennen mich Tellheim; der Name trift ein. — Aber Sie meinen, ich sey der Tellheim, den Sie in Zhrcm Vater lande gekannt haben;
voller Ruhmbegierde;
Seele mächtig war;
der blühende Mann, voller Ansprüche,
der seines ganzen Körpers, seiner ganzen vor dem die Schranken der Ehre und des
Glücks eröfnct standen;
der Ihres Herzens und Ihrer Hand,
wann er schon ihrer noch nicht würdig war, täglich würdiger
zu werden hoffen durfte. — Dieser Tellheim bin ich eben so
wenig, — als ich mein Vater bin.
Beide sind gewesen. —
Ich bin Tellheim, der verabschiedete,
der an seiner Ehre ge
kränkte, der Krüppel, der Bettler. — Jenem, mein Fräulein,
versprachen Sie sich: wollen Sie diesem Wort halten? —
Das Fräulein.
Das klingt sehr tragisch! — Doch, mein
Herr, bis ich jenen wieder finde, — in die Tellhcims bin ich
nun einmal vernarret, — dieser wird mir schon aus der Noth helfen müssen. — Deine Hand, lieber Bettler! (indem sie ihn bey der Hand ergreift)
v. Tellheim.
(der die andere Hand mit dem Hule vor das Gesicht
schlägt, und sich von ihr abwendct)
Das ist zu viel! — Wo bin
ich? — Lassen Sie mich, Fräulein! Ihre Güte foltert mich;
— Lassen Sie mich.
Das Fräulein.
v. Tellheim.
Was ist Ihnen? wo wollen Sie hin?
Von Ihnen! —
Minna von Bariihclm.
Das Fräulein. zieht)
37
Von mir? (indem sie seine Hand an ihre Brust
Träumer!
Die Verzweiflung wird mich tob zu Ihren
v. Tcllheim. Füßen werfen.
Das Fräulein. v. Tellheim.
Von mir? Von Ihnen. — Sie nie, nie wieder zu se
hen. — Oder doch so en'tschlosscn, so fest entschlossen, — keine
Niederträchtigkeit zu begehen, — Sie keine Unbesonnenheit be
gehen lassen.— Lassen Sie mich, Minna! (reißt sich tos, und ab.) Das Fraulein,
(ihm nach)
Minna Sie lassen?
Tcllhcim!
Tellhcim!
Dritter Aufzug. Erster Austritt. ( die Scene, der Saal) Just,
(einen Brief in der Hand)
Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kom men! —
Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige
Fräulein, das seilte Schwester seyn will. — Wenn sich nur da
nichts anspinnt! — Sonst wird
des Brieftragens kein Ende
werden. — Ich wäre cs gern los; aber ich möchte auch nicht
gern ins Zimmer hinein. — Das Frauenszcug fragt so viel;
und ich antworte so ungern! — Ha, die Thüre geht auf.
Wie
gewütischt! das Kammerkätzchen! Zweyter Auftritt. Franciska.
Franciska.
Just.
(zur Thüre herein, aus der sic kommt)
Sorgen Sic
nicht; ich will schon aufpasscn. — Sich! (indem sic Zustcn gewahr wird)
da stieße mir ja gleich was auf.
Aber mit dein Vieh
ist nichts anzufangcn.
Just. Ihr Diener — Franciska. Ich wollte so einen Diener nicht — Just.
Nu, int; verzeih Sic mir die Redensart! — Da
bring ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft,
Minna von Barnhrlm.
38 das
gnädige
Fräulein
—
Schwester.
—
Wars
nicht
so?
Schwester.
Zranciska. Inst.
Geb Er her!
(reißt ihm dm Brief aus der Hand)
Sie soll so gut seyn, läßt mein Herr bitten, und
es übergeben.
Hernach soll Sie so gut seyn, läßt mein Herr
bitten — daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte was! —
ZranciskaJust.
Nun denn?
Mein Herr versteht den Rummel.
,Crr weiß, daß
der Weg zu den Fräuleins durch die Kammermädchens geht: —
bild ich mir ein! — Die Jungfer soll also so gut seyn, —
läßt mein Herr bitten, — und ihm sagen lassen, ob er nicht
das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf ein Viertelstünd chen zu sprechen. Zranciska. Just.
Mich?
Verzeih Sie mir, wenn ich Zhr einen unrechten Ti
tel gebe. — Za, Sie! — Nur auf ein Viertclstündchen; aber
allein, ganz allein, insgeheim, unter vier Augen.
Er hätte
Zhr was sehr nothwendiges zu'sagen. Zranciska-
Gnt! ich habe ihm auch viel zu sagen. — Er
kann nur kommen, ich werde zu seinem Befehle seyn. Just.
Aber, wenn kann er kommen? Wenn ist es Zhr am
gelegensten, Zungfcr? So in der Demmernng? —
Zranciska.
Wie meint Er das? — Sein Herr kann kom
men, wenn er will; — und damit packe Er sich nur! Just.
Herzlich gern! (will fortgchm)
Zranciska.
Hör Er doch;
noch
auf
ein
Wort. — Wo
sind denn die andern Bedienten des Majors (
Just.
Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.
ZranciskaJust.
Zranciska-
Just.
Wo ist Willhelm?
Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen. So? Und Philipp, wo ist der?
Der Zäger? den hat der Herr auftuhcbc» gegeben.
Zranciska.
Weil er jetzt keine Zagd hat, ohne Zweifel. —
Aber Martin?
Just.
Der Kutscher? der ist weggerittcu.
Zranciska. Just.
Und Fritz?
Der Läuffcr? der ist avancirt.
Minna von Barnhelm.
39
Franciska. Wo war Er denn, als der Major bey uns in Thüringen im Winterquartiere stand? Er war wohl noch nicht bey ihm? Inst- O ja, ich war Reitknecht bey ihm; aber ich lag im
Lazareth. Franciska. Reitknecht? Und jetzt ist Er? Just. Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läuffcr und Reitknecht. Franciska- Das mliß ich gestehen! So viele gute, tüchtige Leute von sich zu lassen, und gerade den allcrschlechtestcn zu be halten! Zch möchte doch wissen, was Sein Herr an Zhm fände! Just. Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin. Franciska. O, man ist auch verzweifelt wenig, wenn man weiter nichts ist, als ehrlich. — Willhclm war ein andrer Mensch! — Reisen läßt ihn der Herr? Just. Ja, er läßt ihn; — da crs nicht hindern kann. Franciska- Wie? Just. O, Willhclm wird sich alle Ehre auf seinen Reisen machen. Er hat des Herrn ganze Garderobe mit. Franciska. Was? er ist doch nicht damit durchgegangen? Just. Das kann man nun eben nicht sagen; sondern, als wir von Nürnberg weggingen, ist er uns nur nicht damit nach gekommen. Franciska- O der Spitzbube! Just. Es war ein ganzer Mensch! er konnte frisiren, und rasircn, und parliren, — und scharmiren — Nicht wahr? Franciska. So nach hätte ich den Jäger nicht von mir gethan, wenn ich wie der Major gewesen wäre. Konnte er ihn schon nicht als Jäger nützen, so war es doch sonst ein tüch tiger Bursche. — Wem hat er ihn denn aufzuhebcn gegeben?
Just. Dem Kommcndanten von Spandau. Franciska. Der Vestung? Die Jagd alif den Wällen kann doch da auch nicht groß seyn. Just. O, Philipp jagt auch da nicht. Franciska. Was thut er denn? ^Just. Er karrt. Franciska. Er karrt?
Minna von Barnhelw.
40
Just.
Aber nur auf drey Zahr.
Er machte
ein kleines
Komplot unter des Herrn Kompagnie, und wollte sechs Mann
durch die Vorposten bringen. —
Zrancieka. Jost-
Zch erstaune; der Bösewicht!
O, es ist ein tüchtiger Kerl! Ein Zager, der sunf-
zig Meilen in der Runde, durch Wälder und Moräste, alle Fußsteige, alle Schlciswcgc kennt. Zrancieka.
Und schießen kann er!
daß der Major nur noch den braven
Gut,
Kutscher hat!^ Just.
Hat er ihn noch?
Zrancieka.
Zch denke, Er sagte, Martin wäre wcggcrittcn.
So wird er doch wohl wieder kommen?
Just.
Meynt Sie?
Zrancieka. Just.
Wo ist er denn hingeritten?
Es geht nun in die zehnte Woche, da ritt er mit
des Herrn einzigem und letztem Reitpferde — nach der Schwemme. Zrancieka.
Und ist noch nicht wieder da?
O, der Gal
genstrick ! Just.
Die
Schwemme
kann
den
braven
Kutscher auch
wohl verschwcmmt haben! — Es war gar ein rechter Kutscher!
So einen kriegt der
Er hatte in Wien zehn Zähre gefahren.
Wenn die Pferde in vollem Rennen
Herr gar nicht wieder.
waren, so durfte er nur machen: Burr! lind auf einmal standen sie, wie die Mauern. Dabey war er ein ausgelcrntcr Roßarzt! Zranciska.
bange. Just.
Nun ist mir für das Avancement des Läuffcrs
Nein, nein;
damit hals seine Richtigkeit.
Er ist
Trommelschläger bey einem Garnisonregimente geworden. Zranciska. Just.
Dacht ichs doch.
Fritz hing sich an ein lüderliches Mensch,
kam des
Nachts niemals nach Hause, machte auf des Herrn Namen über
all Schulden, und tausend infame Streiche.
Kurz, der Major
sahe, daß er mit aller Gewalt höher wollte: (das Hängen panto
mimisch anzeigend) er brachte ihn also auf guten Weg, Zranciska. Just.
Aber
O der Bube! ein
perfekter Läuffcr
ist
er,
das ist gewiß.
Wenn ihm der Herr fünfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn
41
Minna von Barnhclm.
mit seinem besten Renner nicht einhohlcn.
Fritz hingegen kann
dem Galgen tausend Schritte vorgcbcn, und ich wette mein Le
ben,
er hohlt ihn ein. — Es waren wohl alles Ihre guten
Freunde, Jungfer? Der Willhelm und der Philipp, der Martin und der Fritz? — Nun, Just empfiehlt sich! (geht ab)
Dritter Auftritt.
Franciska. und hernach der WirthFranciska.
(die ihm ernsthaft nachsicht) Ich verdiene den Biß?
Zch bedanke mich, Znst.
Ich fetzte die Ehrlichkeit zu tief herab.
Zch will die Lehre nicht vergessen. — Ah! der unglückliche Mann!
(kehrt sich um, und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem der Wirth kämmt) Der Wirth. Warte Sic doch, mein schönes Kind. Franciska. Der Wirth.
keine Nachricht
Zch habe Letzt nicht Zeit, Herr Wirth —
Nur weiter
ein
von
kleines
Augenblickchcn!
dem Herrn Major?
—
Noch
Das konnte
doch unmöglich sein Abschied seyn! —
Franciska. Der Wirth.
Was denn?
Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht er
zählt? — Als ich Sic, mein schönes Kind, unten in der Küche verließ, so kam ich von ungefehr wieder hier in den Saal —
Franciöka.
Von ungefehr, in der Absicht,
ein wenig zll
horchen. Der Wirth. denken?
Ey, mein Kind, wie kann Sie das von mir
Einem Wirthe läßt nichts übler, als Neugierde. —
Ich war nicht lange hier, so prellte auf einmal die Thüre bey dem gnädigen Fräulein auf.
Der Major stürzte heraus; das
Fräulein ihm nach; beide in einer Bewegung, mit Blicken, in
einer Stellung — so was läßt sich mir sehen. er riß sich los; sie ergriff ihn wieder.
Sie ergriff ihn;
Tellhcim! — Fräulein!
lassen Sie mich! — Wohin? — So zog er sie bis an die
Treppe.
Mir war schon bange, er würde sic mit hcrabrcißen.
Aber er wand sich noch los.
DaS Fräulein blieb an der obersten
Schwelle stehn; sah ihm nach; rief ihm nach; rang die Hände.
Auf einmal wandte sie sich um, lief nach dem Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem Saale hin und
Minna von Earnhelm.
42 wieder.
Hier stand ich; hier ging sic dreymal bey mir vorbey,
Endlich war es, als ob sie mich sähe;
ohne mich zn sehen.
aber, Gott sey bei uns!
ich glaube, das Fräulein sahe mich
für Sie an, mein Kind.
„Franciska," rief sie, die Augen
auf mich gerichtet,
„bin ich nun glücklich?"
steif an die Decke,
und wiederum: „bin ich nun glücklich?"
Drauf sahe sie
Drauf wischte sic sich Thränen aus dem Auge, und lächelte, und fragte mich wiederum: „Franciska, bin ich nun glücklich?"
— Wahrhaftig, ich wußte nicht, wie mir war.
ihrer Thüre lief;
Bis sie nach
da kehrte sie sich nochmals nach mir um:
„So komm doch, Franciska; wer jammert dich nun?" — Und
damit hinein.
O, Herr Wirth, das hat Ihnen geträumt.
FranciskaDer Wirth.
Geträumt? Nein, mein schönes Kind; so um
ständlich träumt man nicht. — Za,
ich wollte wie viel drum
geben, — ich bin nicht neugierig, — aber ich wollte wie viel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.
Den Schlüssel? zu unsrer Thüre, Herr Wirth,
Franciska.
der steckt innerhalb;
wir haben ihn zur Nacht herciiigezogcn;
wir sind furchtsam.
Der Wirth. Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, mein
schönes Kind, den Schlüssel; die Auslegung gleichsam; so den eigentlichen Zusammenhang von dem, was ich gesehen. —
Franciska.
Ja so! — Nun, Adieu, Herr Wirth.
Wer
den wir bald essen, Herr Wirth? Der Wirth.
Mein schöncs Kind, nicht zu vergessen, was
ich eigentlich sagen wollte. Nun? aber nur kur; —
Franciska.
Der Wirth.
Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ring;
ich nenne ihn meinen — Er soll Ihnen uiivcrlorcn seyn.
Franciska.
Der Wirth. nur erinnern.
haben.
Ich trage darum auch keine Sorge; ich wills
Sicht Sie; ich will ihn gar nicht einmal wieder
Ich kann mir doch
wohl an
den Fingern abzählen,
woher sic den Ning kannte, und woher er dem ihrigen so ähn
lich sah.
Er ist in ihren Händen am besten aufgehoben.
Ich
mag ihn gar nicht mehr, und will indeß die hmidert Pistolen,
43
Minim von Barnhelm.
die ich darauf gegeben habe, auf des gnädigen Fräuleins Rech
nung setzen.
Nicht so recht, mein schönes Kind? Vierter Auftritt.
Paul Werner.
Werner.
Der Wirth.
Franeiska.
Da ist er ja!
Hundert Pistolen? Zch meinte, nur achtzig.
Franeiska.
Der Wirth.
Es ist wahr, mir neunzig, nur neunzig. Das
will ich thun, mein schönes Kind, das will ich thun.
Alles das wird sich finden, Herr Wirth.
Franeiska. Werner,
(der ibn en hinterwärts näher kämmt, und ans einmal der
Franeiska auf die Schulter klopft)
Frauenzimmerchen!
Frauenzim-
merchen!
(erschrickt) He!
FraneiskaWerner.
Erschreck Sie nicht! — Frauenzimmerchen, Frauen
zimmerchen, ich seh, Sie ist hübsch, und ist wohl gar fremd —
Und hübsche fremde Leute müssen gewarnt werden — Frauen
zimmerchen, Frauenzimmerchen, nehm Sie sich vor dem Manne in Acht! (ans de» Wirth zeigend)
Der Wirth.
Ze, unvermuthete Freude! Herr Paul Wer
ner! Willkommen bey uns, willkommen! — Ah, cs ist doch im mer noch der lustige, spaßhafte, ehrliche Werner! — Sie soll
sich vor mir in Acht nehmen, mein schönes Kind! Ha, ha, ha! Werner.
Geh Sie ihm überall aus dem Wege!
Der Wirth.
Mir! mir! — Ein ich denn so gefährlich ? —
Ha, ha, ha! — Hör Sie doch, mein schönes Kind! Wie gefällt
Ihr der Spaß? Werner.
Daß cs doch immer Seines gleichen für Spaß
erklären, wenn man ihnen die Wahrheit sagt.
Der Wirth.
Die Wahrheit! ha, ha, ha! — Nicht wahr,
mein schönes Kind, immer besser! Der Mann kann spaßen! Zch gefährlich? — ich ? — So vor zwanzig Zähren war was dran.
Za, ja, mein schönes Kind, da war ich gefährlich;
da wußte
manche davon zu sagen; aber jetzt —
Werner.
O über den alten Narren!
Der Wirth.
Der stccktS eben! Wenn wir alt werden, ist
Minna von L'arnheliii.
44
es mit unsrer Gefährlichkeit aus.
Es wird Ihm auch nicht
kesser gehn, Herr Werner!
Werner. Potz Geck und kein Ende! — Frauenzinnncrchen, so viel Verstand wird Sic mir wohl zutraucn, daß ich von der
Gefährlichkeit nicht rede.
Der eine Teufel hat ihn verlassen,
aber cs sind dafür sieben andere in ihn gefahren —
Der Wirtb.
O hör Sic doch, hör Sie doch! Wie er das
nun wieder so herum zu bringen weiß! — Spaß über Spaß, und immer was Neues! O, cs ist ein vortrefflicher Mann, der Herr Paul Werner! — (zur Franciska, als ins Ohr) Ein wohlha bender Mann, und noch ledig.
Er hat drey Meilen von hier ein
schönes Frcyschulzcngcrichte. Der hat Beute gemacht im Kriege! — Und ist Wachtmeister bey
unserm Herrn Major
O, das ist ein Frenild von linserm Herrn Major!
gewesen.
das ist ein
Frctiud! der sich für ihn tod schlagen ließe! —
Werner. Za!
und das ist ein Freund von meinem Major!
das ist ein Frcnnd! — den der Major sollte tod schlagen lassen. Der Wirth.
Wie? was? — Nein, Herr Werner, das ist
nicht glitcr Spaß. — Ich kein Freund vom Herrn Major? — Nein, den Spaß versteh ich nicht.
Werner.
Zust hat mir schöne Dinge erzählt.
Der Wirth. spräche.
Zust? Zch dachts wohl, daß Znst durch Sie
Zust ist ein böser,
garstiger Mensch.
Aber hier ist
ein schönes Kind zur Stelle; das kann reden; das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major bin? keine Dienste erwiesen habe?
ob ich ihm
Und warum sollte ich nicht fein
Freund seyn? Zst er nicht ein verdienter Mann? Es ist wahr;
er hat das Unglück gehabt,
abgcdankt zn werden:
aber was
thut das? Der König kann nicht alle verdiente Männer ken
nen;
und wenn er sie auch alle kennte, so kann er sie nicht
alle belohnen. Werner.
Das heißt Zhn Gott sprechen! — Aber Znst —
freylich ist an Znstcn ailch nicht viel Besonders; doch ein'Lüg ner ist Zust nicht; und wenn das wahr wäre, was er mir ge
sagt hat — Der Wirth.
sagt:
Zch will von Zustcn nichts hören! Wie ge
das schöne Kind hier mag sprechen! (zu ihr ins Ohr) Sic
Minna von Barnhelm.
weiß,
mein Kind;
Wcrncrn.
45
den Ring! — Erzähl Sic cs doch Herr
Da wird er mich besser kennen lernen.
Und damit
cs nicht heraus kömmt, als ob Sie mir nur zu gefallen rede; so
will ich nicht einmal dabey
ich will gehn;
seyn.
Ich will nicht dabey seyn;
aber Sic sollen mir cs wicdcrsagen, Herr Wer
ner, Sic sollen mir cs wicdcrsagen, ob Zust nicht rin garstiger Vcrläumdcr ist.
Fünfter Auftritt. Paul Werner.
Franciska.
Werner. Frauenzimmerchcn, kennt Sie denn meinen Major? Den Major von Tellhcim? Ja wohl kenn ich
Franciska.
den braven Mann. Ist cs nicht ein braver Mann?
Werner.
Ist Sie dem
Manne wohl gut? —
Franeiska. Werner.
Vom Grunde meines Herzens.
Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchcn; nun
kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. — Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirth unserm Major will er wiesen haben?
Ich wüßte eben nicht; es wäre denn, daß er
Franciska.
sich das Gute zuschrcibcn wollte, welches glücklicher Weise aus
seinem schurkischen Betragen entstanden.
Werner.
So wäre es ja wahr, was mir Just gesagt hat?
— (gegen die Seite, wo der Wirth abgegangen) Dein Glück, daß du
gegangen bist! — Er hat ihm wirklich die Zimmer ansgcräumt? — So einem Manne, so einen Streich zu spielen, weil sich
das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe!
Der Major kein Geld? Franciska.
Werner.
So? hat der Major Geld? Wie Heu! Er weiß nicht, wie viel er hat.
weiß nicht, wer ihm schuldig ist.
und bringe ihm ein altes Rcstchcn.
Er
Ich bin ihm selber schuldig,
Sicht Sie, Fraucnzimmcr-
chen, hier in diesem Beutelchen (das er ans der einen Tasche zieht) sind hundert Louisdor; und in diesem Röllchen (das er ans der ander» zieht) hundert Dukaten.
Alles sein Geld!
Minna von Varnhclm.
46 Francieka.
Wahrhaftig?
Aber warum
versetzt denn der
Major? Er hat ja einen Ring versetzt — Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht.
Werner.
Viel
leicht, daß er den Bettel hat gern wollen los seyn.
Es ist kein Bettel!
Franciska.
es ist ein sehr kostbarer
Ring, den er wohl noch dazu von lieben Handen hat. Das wirds auch seyn.
Werner.
Von lieben Händen!
ja,
ja! So was erinnert Einen manchmal, woran man nicht gern erinnert seyn will.
Dem Soldaten gchts in Winterquartieren wun
Werner.
derlich.
Drum schafft mans aus den Augen.
Wie?
Francieka.
Da hat er nichts zu thun, und pflegt sich, und macht
vor langer Weile Bekanntschaften, die er nur aus den Winter meinet, und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für Zeit Lebens annimmt.
Husch ist ihm denn ein Ringclchen an den
Finger prakticirt; er weiß selbst nicht, wie es dran kömmt. Und
nicht selten gab er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder los werden könnte.
Francieka.
Ey! und sollte es dem Major auch so gegan
gen seyn? Werner.
Ganz gewiß.
Besonders in Sachsen;
wenn er
zehn Finger an jeder Hand gehabt hätte, er hätte sie alle zwan
zig voller Ringe gekriegt. Francieka.
(bey Seite) Das klingt ja ganz besonders, und
verdient lintersucht zu
werden.--------- Herr Freyschütze, oder
Herr Wachtmeister — Werner.
Fraucnzimmerchen, wcnns Ihr nichts verschlägt: —
Herr Wachtmeister, höre ich am liebsten.
Francieka. Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Brief chen von dem Herrn Major an meine Herrschaft.
Ich will cs
nur geschwind herein tragen, rmd bin gleich wieder da.
Er wohl so gut seyn, und so lange hier warten?
Will
Ich möchte
gar zll gern mehr mit Ihm plaudern.
Werner.
Plaudert
Sic
gern,
Fraucnzimmerchen?
Nun
meinetwegen; geh Sie nur; ich plaudrc auch gern; ich will warten. Francieka.
O, warte Er doch ja! (geht ab.)
47
Minna von Barnhelm. Sechster Auftritt.
Paul Werner. Das ist kein unebnes Fralrenzimmcrchcn! — Aber ich hätte
sollen,
ihr doch nicht versprechen
zn
warten. — Denn das
Wichtigste wäre wohl, ich stichte den Major ans. — Er will mein Geld nicht, und versetzt lieber? — Daran kenn ich ihn.
— Es fällt mir ein Schneller ein. — Als ich vor vierzehn
Tagen in der Stadt war, besuchte ich die Rittmeisterin Marloff.
Das arme Weib lag krank, und jammerte, daß ihr Mann
dem Major vierhundert Thaler schuldig geblieben wäre, die sie
nicht wüßte, wie sie sie bezahlen sollte.
Heute wollte ich sie
wieder besuche»; — ich wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Gütchen ansgezahlt kriegte, daß ich ihr fünfhundert Thaler leihen könnte. — Denn ich muß ja wohl was davon
in Sicherheit bringen, wenns in Persien nicht geht. — Aber Und ganz gewiß wird sie dem Ma
sie war über alle Berge.
jor nicht haben bezahlen können. — Ja, so will ichs machen; und das
je eher,
je lieber. — Das Fraucnzimmcrchcn mag
mirs nicht übel nehmen; ich kann nicht warten, (geht in Gedanken
ab, und stoßt fast auf den Major, der ihm entgegen kommt)
Siebender Auftritt.
v. Tellheim. Werner.
v. TeNheim. Paul Werner. So in Gedanken, Werner?
Da sind Sie ja; ich wollte eben geh», und Sic
in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major,
v. Tellheim.
voll zu fluchen. Werner.
Um mir auf den Wirth des alten die Ohren
Gedenke mir nicht dran.
Das hätte ich beyher gethan; ja.
Aber eigent
lich wollte ich mich nur bey Ihnen bedanken, daß Sie so gut gewesen, und mir die hundert Louisdor aufgchobeu. mir sie wicdergegebcn.
Sie mir sic noch länger anfhcbcn könnten, ein neu Quartier gezogen,
Wer weiß, wies da ist.
Just hat
Es wäre mir wohl freylich lieb, wenn das weder Sie,
Aber Sie sind in noch ich kennen.
Sic könnten Ihnen da gestohlen wer
den; und Sie müßten mir sic ersetzen;
da hülffe nichts davor.
Also kann ichs Ihnen freylich nicht zumnthen.
Minna von Barnhclm.
48
V. Lcllhcim.
(lächelnd)
Seit wenn bist dll so vorsichtig,
Werner? Werner.
Es lernt sich wohl.
Man kann, heute zn Tage,
mit seinem Gelde nicht vorsichtig genug seyn. — Darnach hatte
ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major; von der Ritt meisterin Marloff; ich kam eben von ihr her.
Ihr Manu ist
Zhncn ja vierhundert Thaler schuldig geblieben; hier schickt sie
Ihnen auf Abschlag hundert Dlikaten.
künftige Woche schicken.
Das Uebrige will sie
Ich möchte wohl selber Ursache seyn,
daß sic die Summe nicht ganz schickt.
ein Thaler achtzig schuldig;
Denn sie war mir auch
und weil sie dachte, ich wäre ge
kommen, sic zu mahnen, — wies denn auch wohl wahr war;
— so gab sie mir sic, luid gab sie mir aus dem Röllchen, das sie für Sie schon zu rechte gelegt hatte. — Sie können
auch schon eher Ihre hundert Thaler ein Acht Tage noch missen, als ich meine Paar Groschen. — Da nehmen Sie doch! (reicht ihm die Rolle Dukaten)
v. Lellheim. Werner! Werner. Nun? warum sehen Sie mich so starr an? — So nehmen Sic doch, Herr Major! — v. Tcllheim.
Werner.
Werner!
Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?
V. Tellheim- (bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt, und mit dem Fuße auftritt) Daß cs — die vierhundert Thaler nicht ganz sind! Werner.
Nun, nun, Herr Major! Haben Sic mich denn
nicht verstanden ? v. Tcllheint.
Eben weil ich dich verstaitden habe! — Daß
mich doch die besten Menschen hclit am meisten quälen müssen!
Werner.
Was sagen Sic?
v. Lellheim.
Es geht dich nur zur Hälfte an! — Geh,
Werner! (indem er die Hand, mit der ihm Werner die Dukaten reicht, zurück stößt.) Werner.
Sobald ich das los bin!
v. Lcllhcim.
Werner, wenn du nun von mir hörst:
die Marlosfin, heute ganz früh, selbst bey mir gewesen ist? Werner.
So?
daß
Minna von Barnhelm.
v. Tellheim. Werner.
49
Daß sic mir nichts mehr schuldig ist?
Wahrhaftig?
v. Tellheim.
Daß
sie mich de» Heller und Pfennig be
zahlt hat: was wirst du dann sagen? Werner,
(der sich einen Augenblick besinnt)
daß ich gelogen habe,
werde sagen,
Zch
und daß es eine hundsföttsche Sache
ums Lügen ist, weil man drüber ertappt werden kann. v. Tellheim. Werner.
Hub wirst dich schämen?
Aber der,
zu
der mich so
lügen zwingt,
was
sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr
Major; wenn ich sagte,
daß mich Zhr Verfahren nicht ver
drösse, so hätte ich wieder gelogen,
und ich will nicht mehr
lügen. —
v. Tellheim.
Sey nicht vcrdrüßlich, Werner! Zch erkenne
dein Herz und deine Liebe zu
mir.
ich brauche
Aber
dein
Geld nicht.
Werner.
Sie brauchen cs nicht?
vcrkauffcn
Und
lieber,
und versetzen lieber, und bringen sich lieber in der Leute Mäuler?
v. Tellheim. nichts mehr habe.
. man ist. Werner.
Die Leute mögen eS immer wissen, daß ich Man muß nicht reicher scheinen wollen, als
9tbct warum ärmer? — Wir haben,
so lange
unser Freund hat. v. Tellheim.
Es ziemt sich nicht,
ich dein Schuld
daß
ner bin. Werner.
Ziemt sich nicht? — Wenn
einem
an
heißen
Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte;
und Sic zu mir
kamen, und sagten: Werner hast du nichts zu trinken? und ich Zhncn meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? — Ziemte sich das? — Bey meiner armen Seele,
wenn ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr werth
war, als alle der Quark! (indem er auch de» Beutel mit dm Louis
doren heraus zieht, und ihm bcvdes hinrcicht) Major!
Nehmen
Bilden Sie sich ein, cs ist Wasser.
Gott für alle geschaffen.
Sie,
lieber
Auch das hat
Minna von Barnhelm.
50
v. Lellherm.
Du marterst mich;
du hörst es ja, ich will
dein Schuldner nicht seyn. Werner.
Za,
das
ist
Erst ziemte cs sich nicht; nun wollen Sie nicht?
was
anders,
Herr Major?
(etwas Ärgerlich) Sie
wollen
mein
Wenn Sie es denn aber schon wären,
Schuldner nicht seyn?
Oder sind Sie dem Manne nrchts schuldig, der
einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte, und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben los
drucken und Zhncn die Kugel durch die Brust jagen wollte? — Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden?
Oder
hat es mit meinem Halse weniger zu sagen, als mit meinem
Beutel? — Wenn das vornehm gedacht ist, bey meiner armen
Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht! v. Tellheim.
Mit wem sprichst du so, Werner? Wir sind
allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dritter hörte, so wäre es Windbcutelcy.
Ich bekenne cs mit Vergnügen, daß
ich dir zwcymal mein Leben zu danken habe.
Aber, Freund,
woran fehlte mir es, daß ich bey Gelegenheit nicht eben so viel für dich würde gethan haben? He!
Werner.
Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezwei
felt, Herr Major? Habe ich Sie nicht hundertmal für den ge
meinsten Soldaten, wenn er ins Gedrenge gekommen war, Zhr Leben wagen sehen? v. Lellheim.
Werner.
Also!
Aber —
v. Tellheim.
Warum verstehst du mich nicht recht?
sage: es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin; dein Schuldner nicht seyn.
Ich
ich will
Nehmlich in den Umständen nicht,
in welchen ich mich jetzt befinde.
Werner.
So, so! Sie wollen cs verspann, bis auf bcßre
Zeiten: Sie wollen ein andermal Geld von mir borgen, wenn Sie keines brauchen,
wenn Sie selbst welches haben, und ich
vielleicht keines. y>. Lellheim.
Man muß nicht borgen, wenn man nicht
wieder zu geben weiß.
Werner. mer fehlen.
Einem Mann,
wie Sic,
kann
cs
nicht im
Miiwa von Barnhelm. v. Tellheim-
51
Du kennst die Welt! — Am wenigsten muß
man sodann von Einem borgen, der sein Geld selbst braucht. Werner.
O ja, so Einer bin ich! Wozu braucht ichs denn?
— Wo man einen Wachtmeister nöthig hat, giebt man ihm auch zu leben.
v. Lellheim.
Du brauchst cs,
mehr als Wachtmeister zu
werden; dich auf einer Bahn weiter zu bringen, auf der, ohne
Geld, auch der Würdigste zurück bleiben kann. Werner.
ich nicht.
Mehr als Wachtmeister zu werden? daran denke
Zch bin ein guter Wachtmeister;
und dürfte leicht
ein schlechter Rittmeister, und sicherlich noch ein schlechtrer Ge
neral werden.
Die Erfahrung hat man.
v. Tellheim.
Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes von
dir denken muß, Werner! Zch habe es nicht gern gehört, was Du hast dein Gllt verkauft, und willst
mir Zust gesagt hat.
wieder herum schwärmen. Laß mich nicht von dir glauben, daß
du nicht so wohl das Metier, als die wilde, lüderliche Lebens
art liebest, die unglücklicher Weise damit verbunden ist.
Ma»
muß Soldat seyn, für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird.
Ohne Absicht heute hier, morgen da
dienen: heißt wie ein Flcischerknccht reisen, weiter nichts.
Werner.
Nun ja doch, Herr Major; ich will Zhncn fol
Sie wissen besser, was sich gehört.
gen.
bleiben. — Aber, weile mein Geld. seyn.
Zch will bey Zhncn
lieber Major, nehmen Sie doch auch der-
Heut
oder morgen muß Zhre Sache aus
Sie müssen Geld die Menge bekommen.
Sie sollen mir
Zch thll cs ja nur
cs sodann mit Interessen wieder geben. der Zntercsscir wegen.
v. Tellhcim. Werner.
Schweig davon!
Bey meiner armen Seele,
ich thu cs nur der
Zntcressen wegen! — Wenn ich manchmal dachte: wie wird cs
mit dir aufs Sliter werden ? wenn du zu Schanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst betteln gehen müs sen? So dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehn;
'du wirst zum Major Tcllheim gehn;
Pfennig mit dir theilen;
der wird seinen letzten
der wird dich zu Tode füttern;
dem wirst du als ein ehrlicher Kerl stxrben können.
4 °
bey
Minna von Barnhelm.
52 v. Tcllheim.
(intern er Werners Hand ergreift) Und, Kamme-
rad, das denkst du nicht noch? Nein,
Werner.
das denk ich nicht
mehr. — Wer von
mir nichts annchmcn will, wenn ers bedarf, und ichs habe; der will mir auch nichts geben, wenn ers hat, und ichs bedarf.
— Schon gut! (will gehen) v. Tellheim.
Mensch, mache mich nicht rasend! Wo willst
du hin? (hatt ibn zurück) Wenn ich dich nun auf meine Ehre ver sichere, daß ich noch Geld habe; wenn ich dir auf meine Ehre verspreche,
daß ich dir es sagen will,
wenn ich keines mehr
habe; daß btt der erste und einzige seyn sollst, bey dem ich mir
etwas borgen will: — bist du dann zufrieden?
Muß ich nicht? — Geben Sic mir die Hand
Werner.
darauf, Herr Major. v. Tellheim.
Da, Paul! — Und nun genug davon.
Zch
kam hiehcr, um ein gewisses Mädchen zu sprechen —
Achter Austritt.
Franciöka.
(ans dem Zimmer des Fräuleins)
v. Tellheim.
Paul Werner.
Franeiska.
(im Heraustreten)
Sind
Sie
noch
da,
Herr
Wachtmeister? — (indem sie den Tcllheim gewahr wird) Und Sie sind auch da, Herr Major? — Den Augenblick bin ich zu Ih
ren Diensten, (geht geschwind wieder in das Zimmer)
mitunter Auftritt.
v. Tcllheim. Paul Werner. v. Tellheim.
Das war sic! — Aber ich höre ja, du kennst
sie, Werner?
Werner.
Ja, ich kenne das Fralienzimmcrchen. —
v. Tellheim.
als ich
Gleichwohl,
wenn
ich mich
in Thüringen Winterquartier hatte,
recht erinnere,
warst btt nicht
bey mir? Werner.
Nein, da besorgte ich in Leipzig Mundirungsstücke.
v. Tellheim.
Werner. von heute.
Woher kennst du sie denn also?
Unsere Bekanntschaft ist noch blutjung.
Aber junge Bekanntschaft ist warm.
Sie ist
Minna von Barnhelm.
v. Tellheim.
gesehen? Werner.
53
Also hast du ihr Fräulein wohl auch schon
Ist ihre Herrschaft ein Fräulein?
Sic hat mir
gesagt, Sie kennten ihre Herrschaft. v. Tellheim. Hörst du nicht? aus Thüringen her.
Werner. Ist das Fräulein jung? v. Tellheim. 2a. Werner. Schön? v. Tellheim. Sehr schön. Werner. Reich? v. Tellheim. Sehr reich. Werner. Ist Ihnen das Fräulein auch so gut, wie das Mädchen? Das wäre ja vortrefflich! v. Tellheim. Wie mcynst du?
Zehnter Auftritt. Franciska. lwieder heraus, mit einem Bries in der Hand) v. Tellhcim. Paul Werner.
Franciska- Herr Major — v. Tellheim. Liebe Franciska, ich habe
dich noch nicht
willkommen heißen können. Franciska. Zn Gedanken werden Sie es doch schon ge than haben. Ich weiß, Sie sind mir gut. Ich Ihnen auch. Aber das ist gar nicht artig, daß Sic Leute, die Ihnen gut sind, so ängstigen. Werner, (vor sich) Ha, nun merk ich.
v. Tellhcim.
Es ist richtig! Mein Schicksal, Franciska! — Hast du ihr
den Brief übergeben? Franciska. Za, und hier übergebe
ich Ihnen — (reicht
ihm teil Brief)
v. Tellheim. Eine Antwort? — Franciska. Nein, Ihren eignen Brief wieder. v. Tellheim. Was? Sie will ihn nicht lesen? Franciska. Sic wollte wohl; aber — wir können Ge schnobn cs nicht gut lesen. v. Tellheim. Schäckcrinn! Franciska- Und wir denken, daß das Briefschrcibcn für die
Minna von Barnhelm.
54
nicht erfunden ist, die sich mündlich mit einander unterhalten können, sobald sic wollen.
Welcher Vorwand? Sie muß ihn lesen.
v. Tellheirn.
Er
enthält meine Rechtfertigung, — alle die Gründe und Ursachen — Die will das Fräulein von Ihnen selbst hören,
Francieka. nicht lesen. v. Lellheim.
Von
mir
selbst hören?
Damit mich jedes
Wort, jede Miene von ihr verwirre; damit ich in jedem ihrer
Blicke die ganze Größe meines Verlustes empfinde? — Ohne
Francieka.
giebt ihm de» Brief)
Barmherzigkeit!
—
Nehmen Sie!
Sic erwartet Sie um drey Uhr.
ausfahren, und die Stadt besehen.
(sie
Sie will
Sie sollen mit ihr fahren,
Mit ihr fahren?
v. Tellheim.
Und was geben Sie mir, so laß ich Sie beide
Francieka.
ganz allein fahren? Ich will zu Hause bleiben.
v. Tellheini.
Ganz allein? Zn einem schönen verschloßnen Wagen.
Francieka.
v. Lellheim.
Unmöglich! Za, ja; im Wagen muß der Herr Major Katz
Francieka.
aushalten! da kann er uns nicht entwischen.
Darum geschieht
es eben. — Kurz, Sie kommen, Herr Major;
und Punkte
drey. — Nun? Sie wollten mich ja auch allein sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen? — Za so, wir sind nicht al
lein. (indem sic Wernern ansteht)
v. Lelihcim.
Doch Franciska; wir wären allein. Aber da
das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, so habe ich dir noch
nichts zu sagen.
So
Franciska.
wären
wir doch allein? Sie haben vor
dem Herrn Wachtmeister keine Geheimnisse?
v. Tellheim-
Franciska.
Nein, keine. Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche vor
ihm haben.
v. Lcllheim. Werner. Franciska.
Wie das?
Warum das, Fraucnzimmcrchen? Besonders Geheimnisse von einer gewissen Art
— Alle zwanzig, Herr Wachtmeister? (indem sie beide Hände mit gcsprcitzten Fingern in die Hohe hält)
Minna von Barnhelm. St! st! Frallenzimmerchen, Frauenzimmerchen!
Werner.
v. Tellheim. Franciska.
Was heißt das? Husch
ists
Herr Wachtmeister?
am Finger,
(als ob sie einen Ring geschwind ansteckte) v. Lellhcim. Was habt ihr ?
Werner.
Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie wird
ja wohl Spaß verstehn? r>. Lellheim.
Werner, du hast doch nicht vergessen, was
ich dir mehrmal gesagt habe;
daß man über einen gewissen
Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen muß?
Werner. Bey meiner armen Seele, haben! — Frauenzimmerchen, ich bitte — Nun,
Franciska.
wenn
es Spaß
ich kanns vergessen gewesen
ist;
dasmak
will ich cs Zhm verzeihen.
Wenn
v. Tellherm. Franciska: vorher
ich
denn
durchaus
kommen
muß,
so mache doch mir, daß das Fräulein den Brief
noch
Das
liefet.
wird mir die
Peinigung
ersparen,
Dinge noch einmal zu denken, noch einmal zu sagen, die ich so
gern Vergessen möchte.
Da, gib ihr ihn! (indem er den Brief um
kehrt, und ihr ihn zureichen will, wird er gewahr, daß er erbrochen ist)
Aber sehe ich recht? Der Brief, Franciska, ist ja erbrochen. Das kann wohl seyn,
Franciska.
er ist erbrochen.
gelesen haben wir
nicht.
(besteht ihn) Wahrhaftig
Wer muß ihn denn erbrochen haben?
ihn
wirklich nicht,
Herr Major,
Doch
wirklich
Wir wollen ihn auch nicht lesen, denn der Schreiber
kömmt selbst.
Kommen Sie ja;
und wissen Sie was,
Herr
Major? Kommen Sie nicht so, wie Sic da sind; in Stiefeln,
kaum frisirt.
Sie sind zu entschuldigen; Sie haben uns nicht
vermuthet. Kommen Sie in Schuen, und lassen Sie sich frisch
frisiren. — So
sehen Sie mir gar zu brav, gar zu Preus
sisch aus!
v. Lcllheim.
Ich danke dir, Franciska.
Sic sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kam-
Franciska. pirt hätten. v. Lellheim. Franciska.
dann essen.
Du kannst es errathen haben.
Wir wollen uns gleich auch putzen Wir behielten Sie gern zum Essen,
und so
aber Ihre
Minna von Barnhelm.
56
Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern; und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns nicht hungerte.
v. Tellheim.
Ich geh! Franciska, bereite sie indeß ein we
nig vor; damit ich weder in ihren, noch in meinen Augen ver ächtlich werden darf. — Komm, Werner, du sollst mit mir essen.
Werner.
An der Wirthstasel, hier im Hause? Da wird
mir kein Bissen schmecken. v. Tellheim.
Werner.
Bey mir aus der Stube.
So folge ich Zhncn gleich.
Nur noch ein Wort
mit dem Franenzimmerchen. v. Tellheim. Das gefällt mir nicht übel! (geht ab) Eilfter Auftritt. Paul Werner-
Werner.
Franciska.
Nun, Herr Wachtmeister? —
Franciska.
Franenzimmerchen,
wenn ich wiedcrkommc,
soll
ich auch geputzter kommen?
Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister;
Franciska.
meine Augen werden nichts wider Ihn haben.
Aber meine Ohren
werden desto mehr auf ihrer Hut gegen Ihn seyn müssen. —
Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ey, ey, Herr Wachtmeister! Werner.
Nein, Fraucnzimmcrchen; eben das wollt ich Zhr
noch sagen: die Schnurre fuhr mir nun so heraus! Es ist nichts dran.
Man hat ja wohl an Einem Ring genug.
dert und aber hundertmal,
Und hun
habe ich den Major sagen hören:
Das muß ein Schurke von einem Soldaten seyn, der ein Mäd chen anführen kann! — So denk ich auch, Frauenzimmcrchcn. Verlaß Sie sich drauf! — Zch muß machen, daß ich ihm nach komme. — Guten Appetit, Franenzimmerchen! (geht ab) Franciska.
Gleichfalls, Herr Wachtmeister! — Zch glaube,
der Mann gefällt mir! (intern sic herein gehe» will, kommt ihr bas
Fräulein entgegen)
Zwölfter Allftritt. Das Fräulein. Franciska-
Das Fräulein. Ist der Major schon wieder fort? — Fran ciska, ich glaube, ich wäre Letzt schon wieder ruhig genug, daß
ich ihn hätte hier behalten können.
Minna von Barnhelm. Franciska.
57
Und ich will Sie noch ruhiger machen.
Desto besser!
Das Fräulein.
o feilt Brief!
Sein Brief,
Jede Zeile sprach den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung,
betheuerte mir seine Liebe. — Er wird
mich zu besitzen,
es
wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. — Mag er
Er kömmt doch gewiß? — Bloß
doch; wenn er nur kömmt.
ein wenig zu viel Stolz, Franciska, scheint mir in seiner Auf
Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht
führung zu seyn.
wollen zu danken haben, ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn
er mir diesen zu stark merken läßt, Fraiteiska — Franciska-
So wollen Sie seiner entsagen?
Das Fräulein.
Ey, sieh doch! Jammert er dich nicht schon
wieder? Nein, liebe Närrin, Eines Fehlers wegen entsagt man
Nein; aber ein Streich ist mir beygefallcn,
keinem Manne.*) ihn wegen
dieses
zu martern. Franciska.
Stolzes
mit
ähnlichem
Stolze ein wenig
Nun da müssen Sie ja recht sehr ruhig seyn,
mein Fräulein, wenn Ihnen schon wieder Streiche bcyfallcn. Ich bin es auch; komm nur.
Das Fräulein.
Du wirst
deine Rolle dabey jti spielen haben, (sic gehen herein)
Vierter Aufzug. Erster Auftritt. (Die Scene, das Zimmer des Frauleins.) reich, aber mit Geschmack gekleidet)
Das Fräulein,
Franciska.
(völlig, und
(Sie stehen vom Tische
auf, den ein Bedienter abräumt)
Franciska-
Sie
Fräulein. Das Fräulein.
können
unmöglich
satt
seyn,
gnädiges
Meynst du, Franciska? Vielleicht, daß ich
mich nicht hungrig nicdcrsctztc. Franciska.
Wir hatten ausgemacht, seiner währender Mahl
zeit nicht zu erwähnen.
Aber wir hätten uns auch vornehmen
sollen, an ihn nicht zu denken. ") In der Handschrift stand erst „keines Mannes."
Minna von Barnhclw.
58 Das Fraulein.
Wirklich, ich habe an nichts, als an ihn
gedacht.
Franciska.
Das merkt ich wohl.
und Sie antworteten mir auf jedes
Dingen an zu sprechen,
verkehrt.
Zch fing von hundert
(Ein anderer Bedienter tragt Kaffee auf)
Hier kömmt
Nahrung, bei der man eher Grillen machen kann.
eine
Der liebe/
melancholische Kaffee!
Das Fräulein.
Grillen? Zch mache keine.
der Lection nach, die ich ihm geben will.
Zch denke bloß
Hast du mich recht
begriffen, Franciska?
Francieka.
O ja;
sie uns. Das Fräulein.
aus kenne.
am besten aber wäre cs,
er ersparte
Du wirst sehen, daß ich ihn von Grund
Der Mann, der mich jetzt mit allen Reichthümern
verweigert, wird mich der ganzen Welt streitig machen, sobald er hört, daß ich unglücklich und verlassen bin.
Francieka. (sehr ernst)
Und
so
was muß
die feinste Ei
genliebe unendlich kützeln. Das Fräulein.
Sittenrichtcrin! Seht doch! vorhin ertappte
sie mich auf Eitelkeit; jetzt auf Eigenliebe. — Nun, laß mich nur, liebe Franciska.
Du sollst mit deinem Wachtmeister auch
machen können, was du willst. Francieka.
Mit meinem Wachtmeister?
Das Fraulein.
Za, wenn du cs vollends leugnest, so ist cs
richtig. — Zch habe ihn noch nicht gesehen; Worte,
das du mir von ihm gesagt hast,
aber aus jedem
prophczcye ich dir
deinen Mann. Zweyter Austritt. Riccaut de la Marliniere.
Riccaut.
le Major? Francieka. Thüre gehend) Riccaut.
Das Fräulein.
(noch innerhalb der Scene)
Was ist das?
Franciska.
Est-il permis, Monsieur
Will das zu uns? (gegen die
Parbleu! Zk bin unriktig. — Mais non — Zk
bin nit unriktig — C’esft la chambre —
Minna von Barnhelm.
59
Ganz gewiß, gnädiges Fräulein, glaubt dieser
Franciska.
Herr, den Major von Tcllhcim noch hier zu finden.
Iß so! — Le Major de Tellheim; juste, ma
Riccaut.
belle enfant, c’est lui que je cherche.
Oü eft-il?
Er wohnt nicht mehr hier.
Franciska.
Comment?
Riccaut.
nok
vor vier UN
swanzik
Stund
hier logier? Und logier nit mehr hier? Wo logier er denn?
Das Fräulein,
Ah,
Riccaut-
(die auf ihn zukömmt) Mein Herr, —
Madame,
— Mademoiselle,
—
Zhro
Gnad verzeih —
Das Fräulein.
Mein Herr, Ihre Zrrnng ist sehr zu ver
geben, und Ihre Verwunderung sehr natürlich.
jor hat die Güte gehabt,
Der Herr Ma
mir, als einer Fremden, die nicht
untcrzukommcn wußte, sein Zimmer zu überlassen.
Ah voilä de les politefses! C’est un tres-ga
Riccaut.
lant-homme que ce Major!
Das Fraulein.
Wo er indeß hingezogcn, — wahrhaftig,
ich muß mich schämen, es nicht zu wissen. Zhro Gnad nit wiß?
Riccaut.
C’est dommage;
j’en
suis fache. *)
Das Fräulein.
Ich hätte mich allerdings darnach erkundi
Freylich werden ihn seine Freunde noch hier suchen.
gen sollen. Riccaut.
Zk bin sehr von seine Freund, Zhro Gnad —
Das Fräulein. Franciska. ' Riccaut.
Franciska, weißt du es nicht?
Nein, gnädiges Fräulein. Jk hätt ihn zu sprck, sehr nothwendik.
Zk komm
ihm bringen eine Nouvelle, davon er sehr frölik seyn wird.
Das Fräulein. hoffe ich,
Zch belauere um so
vielleicht bald,
viel
ihn zu sprechen.
mehr. — Doch Zst es gleichviel,
aus wessen Munde er diese gute Nachricht erfährt, so erbiete ich mich, mein Herr —
Riccaut.
Zk versteh.
Mais sans doute;
teile
— que
Mademoiselle
parle frangois?
je la vois! — La demande
etoit bien impolie; Vous me pardonncres, Mademoiselle. — Das Fraulein.
Mein Herr —
■*) mortifie in der Handschrift.
60
Minna von Barnhelm.
Riccaut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Jhro Gnad? Das Fräulein. Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu
sprechen suchen. Aber warum hier? Ich höre ja, daß Sie mich verstehen, mein Herr. Und ich, mein Herr, werde Sie gewiß auch verstehen; sprechen Sie, wie es Ihnen beliebt. Riccaut. Gutt, gutt! Zk kann auk mik auf Deutsch explicier. — Sackes donc, Mademoiselle, — Jhro Gnad soll also wiß, daß Lk komm von die Tafel bey der Minister —
Minister von — Minister von — wie heiß der Minister da draus? — in der lange Straß? — ans die breite Platz? — Das Fräulein. Ich bin hier noch völlig unbekannt.
Riccaut. Nun, die Minister von der Kriegsdepartement. — Da haben ik zu Mittag gespeisen; — ik speisen a l’ordinaire bey ihm, — und da iß man gekommen reden auf der Major Tellheim; et le Miniftre ma dit en considence, car
Son Excellence est de mes amis, et il n’y a point de myftcres entre nous — Se. Excellenz, will ik sag, haben mir vertrau, daß die Sak von unserm Major sey auf den Point
zu enden, und gutt zu enden. Er habe gemakt ein Rapport an den Könik, und der Könik habe daraus resolvir, tout-äfait en faveur du Major. — Monsieur, m’a dit Son Excel lence, Vous comprenes bien, que tout depend de la maniere, dont on fait envifager les chofes au Roi, et Vous ine connofscs. Cela fait un tres-joli gar^on que ce Tell heim, et ne fais-je pas que Vous l’aimes? Les amis de mes amis fönt aussi les micns. II coute un peu eher au Roi ce Tellheim, mais est-ce que Ion sert les Rois pour
rien? II saut l’entr’aider en ce monde; et quand il l’agit de pertes, que ce foit le Roi, qui en fasse, et non pas un honnet-homme de nous autres.*) Voila le principe, dont
je ne me depars jamais. — Was sag Jhro Gnad hierzu? Nit wahr, das iß ein brav Mann? Ah que Son Excellence a le coeur bien place! Er hat mir au reite versiker, weiln der Major nit schon bekommell habe une Lcttre de la main
*) des notres in der Handschrift, die auch sonst im Französischen eini ges anders hat.
61
Minna von Barnhelm.
— eine Köniklikcn
Handbricf,
daß er hcnt infailliblement
müsse bekommen einen.
Das Fräulein.
Gewiß,
diese Nachricht wird
mein Herr,
dem Major von Tcllhcim höchst angenehm seyn.
Ich wünschte
nur, ihm den Freund zugleich mit Namen nennen zu können, der so viel Antheil an seinem Glücke nimmt —
Riccaut-
Mein Namen wünscht Zhro Gnad?
—
Vous
voyes en moi — Zhro Gnad seh in mik le Chevalier Ric
caut
de
la Marliniere, Seigneur
de Pret-au-val,
de Ja
Branche de Prensd’or. — Zhro Gnad steh verwundert, mik
aus so ein groß, groß Familie zu hören, qui est verilablc-
ment du fang Royal. — 11 saut le dirc; je suis fans doute le Cadet le plus avantureux, que la maifon a jamais eu —
Zk dien von meiner elfte Zahl.
mik fliehen.
Ein Affaire d’honncur makte
Drauf haben ik gcdienet Sr. Pabstliken Eilikhcit,
der Republik St. Marino, der Kron Pohlen, und den Staa
ten-General, bis ik endlik bin worden gezogen hierher.
Ab,
Mademoiselle, que je voudrois n’avoir jamais vü ce paisla! Hätte man mik gelaß im Dienst von den Staaten-Gene
ral, so müßt ik nun seyn, aufs wcnikst Oberst.
Aber so hier
immer und ewik Capitaine geblieben, und nun gar seyn ein abgedankte Capitaine —
Das Fraulein. Riccaut.
Das ist viel Unglück.
Oui, Mademoiselle, me voilä reforme, et par-
lä mis für le pave!
Das Fraulein. Riccaut.
Vous
Ich beklage sehr. etes
bien
bonne,
Mademoiselle.
Nein, man kenn sik hier litt auf den Verdienst.
—
Einen Mann,
wie mik, su reformir! Einen Mann, der sich nok dasu in die sem Dienst hat rouinir! — Zk
als swansik tausend Livres.
haben
dabey sugcsctzt,
mehr
Was hab ik nun? Tranchons le
mot; je n’ai pas le fou, et rne voilä cxactcment vis-ä-
vis du rien. — Das Fräulein.
Riccaut.
Es thut mir ungemein leid.
Vous etes bien bonne, Mademoiselle.
Aber
wie man pfleg fit sagen: ein jeder Unglück schlepp nak sik seine Bruder;
qu’un malheur ne vicnt jamais fcul:
so mit mir
Minna von Barnhelm.
62
Was ein Rönnet - komme
arrivir.
von
mein Extraction
kann anders haben für Refource, als das Spiel ? Nun hab ik immer gespiclcn mit Glück, so lang ik hatte nit von nöthen
der Glück.
Nun ik ihr hätte von nöthen, Mademoiselle, je
joue avec un guignon, qui furpasse tonte croyance.
fnnfschn
Tag iß vergangen keine,
sprcnkt.
Nok gestern hab sie mik gesprenkt dreymal.
wo
Seit
sie mik nit hab ge-
Je sais
bien, qu’il y avoit quelque chofe de plus que le jeu. Car parmi mes pontes fe trouvoient will niks weiter sag.
certaines dames — Ik
Man muß seyn galant gegen die Da
men. Sie haben auk mik heut invitir, mir fit geben revanche; mais — Vous m’entendes, Mademoiselle — Man muß erst
wiß, wovon leben; ehe man haben kann, wovon su spielen. —
Das Fräulein. Riccaut-
Ich will nicht hoffen, mein Herr —
Vous etes bien bonne, Mademoiselle —
Das Fraulein,
(nimmt die Franciska bei Seite)
Mann tattert mich im Ernste.
Franciska,
der
Ob er mir es wohl übel nehmen
würde, wenn ich ihm etwas entböthe?
Franciska.
Der sieht mir nicht darnach aus.
Das Fraulein.
Gut! — Mein Herr, ich höre, — daß
Sie spielen; daß Sie Bank machen; ohne Zweifel an Orten, wo etwas zu gewinnen ist.
Ich muß Ihnen bekennen, daß ich
— gleichfalls das Spiel sehr liebe, — Riccaut.
Tant mieux, Mademoiselle, tant mieux! Tous
les gens d’esprit aiment le jeu a la fureur. Das Fräulein.
Daß ich sehr gern gewinne; sehr gern nicht
Geld mit einem Manne wage, der — zu spielen weiß. — Wä
ren Sie wohl geneigt, mein Herr, mich in Gesellschaft zu neh
men? mir einen Antheil an Ihrer Bank zu gönnen? Riccaut.
Comment, Mademoiselle, Vous voules etre de
moitie avec moi? De tout mon coeur. Das Fräulein.
Bors erste,
nur mit einer Kleinigkeit —
(geht und langt Geld aus ihrer Schatulle)
Riccaut.
Ah, Mademoiselle, que Vous etes charmante! —
Das Fräulein.
Hier habe ich, was ich ohulängst gewonnen;
nur zehn Pistolen — ich muß mich zwar schämen, so wenig —
Minna von Barnhelm.
Riccaut.
Donnes
(nimmt cs) Das Fräulein.
toujours,
Mademoiselle,
63
donnes.
Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr,
sehr ansehnlich ist — Riccaut. Za wohl sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll seyn dafür inlereffir bey meiner Bank ans ein Drcy-
theil, pour le tiers. Swar ans ein Dreythcil sollen seyn — etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß man cs neh men nit so genau. Zk gratulir mik, su kommen dadurk in liaifon mit Jhro Gnad, et de ce moment je recommence a bien augurer de ma Fortune. Das Fräulein. Ich kann aber nicht dabey seyn, wenn Sie
spielen, mein Herr. Riccaut. Was brank Zhro Gnad dabey sn seyn? Wir andern Spieler sind ehrlike Leut unter einander. Das Fraulein. Wenn wir glücklich sind, mein Herr, so werden Sie mir meinen Antheil schon bringen. Sind wir aber ttnglücklich — Riccaut. So komm ik hohlen Rekruten. Nit wahr, Zhro Gnad? Das Fräulein. Auf die Länge dürften die Rekruten fehle». Vertheidigen Sie unser Geld daher ja wohl, mein Herr. Riccaut. Wofür seh mik Zhro Gnad an? Für ein Einfalspinse? für ein dumme Teuff? Das Fräulein. Verzeihen Sie mir — Riccaut. Je suis des Bones, Mademoiselle. Saves-vous ce que cela veut dire? Ik bin von die Ansgclernt — Das Fräulein. Aber doch wohl, mein Herr — Riccaut- Je fais monier un coup —
Das Fräulein, (verwundernd) Sollten Sie? Riccaut. Je sile la carte avec une ad re Ise — Das Fräulein. Nimmermehr! Riccaut. Je sais fauler la coupe avec une dexterite — Das Fräulein.
Sie werden doch nicht, mein Herr? —
Riccaut. Was nit? Zhro Gnade, was nit? moi un pigeonneau a plumer, et — Das Fräulein. Falsch spielen? betrügen? Riccaut.
Donnes-
Comment, Mademoiselle? Vous appelles cela
Minna von Barnhelm.
64 betrügen?
Corriger la Fortune, l’enchainer fous Fes doits,
clrc sür dc son fait, das nenn die Deutsch betrügen? Betrü
O, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für
gen!
ein plump Sprak! Das Fräulein.
Riccaut.
ruhik!
Nein, mein Herr, wenn Sie so denken —
LaiFFes-moi Faire, Mademoiselle, und seyn Sie
Was gehn Sie an, wie ik spiel? — Gnug, morgen
entweder sehn mik wieder Zhro Gnad mit hundert Pistol, oder
sch mik wieder gar nit — Votre tres-humble, Mademoiselle, volre tres-humble — (eilends ab)
Das Fräulein, (die ihm mit Erstaunen und Verdruß nachsicht) Ich wünsche das letzte, mein Herr, das letzte!
Dritter Auftritt.
Das Fräulein. Franciska. Francieka- (erbittert) Kann ich noch reden? O schön! o schön!
Das Fräulein.
Spotte nur; ich verdiene es. (nach einem klei
nen Nachdenken, und gelassener) Spotte nicht, Franciska; ich verdicitk
cs nicht.
Franciska.
Vortrefflich!
da haben Sie etwas allerliebstes
gethan; einem Spitzbuben wieder auf die Beine geholfen. Das Fräulein.
Franciska.
Es war einem Unglücklichen zugedacht.
Und was das beste dabey ist:
der Kerl hält
Sie für seines gleichen. — O ich muß ihm nach, und ihm das Geld wieder abnchmcir. (will fort)
Das Fräulein.
Franciska, laß dcn Kaffee nicht
vollends
kalt werden; schenk ein.
Franciska.
Er muß es Ihnen wiedergeben; Sie haben sich
anders besonnen; Sie wollen mit ihm nicht in Gesellschaft spie len.
Zehn Pistolen! Sie hörten ja, Fräulein, daß es ein Bettler
war! (das Fräulein schenkt indeß selbst ein) Wer wird einem Bettler
so viel geben? Und ihm noch dazu die Erniedrigung, es erbet telt zu haben, zu ersparen stieben? Dcn Mildthätigen, der den Bettler
aus Großmuth verkennen
wieder.
Nun mögen Sie cs haben, Fräulein, wenn er Ihre
will,
verkennt der Bettler
Gabe, ich weiß nicht wofür, ansicht. — (und reicht dec Franciska
eine Tasse) Wollen Sie mir das Blltt noch mehr in Wallung
Minna von Barnhelm.
65
bringen? Zch mag nicht trinken, (das Fräulein setzt sie wieder weg) — „ Parbleu, Zhro Gnad, man
kenn sik hier nit ans den
Verdienst" (in dem Tone des Franzosen) Freylich nicht, wenn man
die Spitzbuben so ungehangen Herumlauffen läßt. Das Fräulein, (kalt und nachdcnkend, indem sie trinkt) Mädchen, du verstehst dich so trefflich auf die guten Menschen: aber, wenn
willst du die schlechten ertragen lernen? — Und sie sind doch auch Menschen. — Und öfters bey weitem so schlechte Men schen nicht, als sie scheinen. — Man muß ihre gute Seite nur
aufsnchen. — Zch bilde mir ein, dieser Franzose ist nichts, als Aus bloßer Eitelkeit macht er sich zum falschen Spieler;
eitel.
er will mir nicht verbunden scheinen; er will sich den Dank er
sparen.
Vielleicht, daß »r nun hingeht, seine kleine Schulden
bezahlt, von dem Reste, so weit er reicht, still und sparsam
lebt, und an das Spiel nicht denkt. Wenn das ist, liebe Franciska, so laß ihn Rekrllten hohlen, wenn er will. — (giebt ihr die Tasse)
Da, setz weg! — Aber, sage mir, sollte Tellheim nicht
schon da seyn?
Franciska.
Nein, gnädiges Fräulein; ich kann beides nicht;
weder an einem schlechten Menschen die gute, noch an einem
guten Menschen die böse Seite anfsuchen. Das Fräulein.
Franciska.
Er kömmt doch ganz gewiß? —
Er sollte wegbleiben! — Sie bemerken an ihm,
an ihm, dem besten Manne, ein wenig Stolz, und darum wol len Sie ihn so grausam necken? Kömmst du da wieder hin? — Schweig,
Das Fräulein.
das will ich nun einmal so.
Wo du mir diese Lust verdirbst;
wo du nicht alles sagst und thnst, wie wir es abgeredet haben!
— Ich will dich schon allein mit ihm lassen; und dann--------Zctzt kömmt er wohl.
Vierter Auftritt. Paul Werner- (der In einer steifen Stellung, gleichsam Im Dienste, Her eintritt)
Franciska.
Franciska.
Nein, es ist nur sein lieber Wachtmeister.
Das Fräulein.
dieses Lieber?
Das Fräulein.
Lieber Wachtmeister? Auf wen bezieht sich
Minna von Barnheftn.
r>6 Franciska.
Gnädiges Fräulein, machen Sie mir den Mann
nicht verwirrt. — Ihre Dienerin, Herr Wachtmeister; was brin gen Sic uns? Werner, (gebt, ohne auf die Franciska zu achten, an das Fräulein)
Der Major von Tellheim läßt an das gnädige Frätllcin von
Barnhclm durch mich, den Wachtmeister Werner, seinen nntcrund sagen, daß er sogleich hier
thänigen Respekt vermelden,
seyn werde. Das Fräulein. Werner.
Wo bleibt er denn?
Zhro Gnaden werden verzeihen;
wir sind, noch
vor dem Schlage drey, ans dem Quartier gegangen;
aber da
hat ihn der Kricgszahlmeistcr unterwcgens angeredt; und weil
mit dergleichen Herrn des Redens immer kein Ende ist, so gab er mir einen Wink, dem gnädigen Fräulein den Vorfall zu rapportiren. Das Fräulein. Recht wohl, Herr Wachtmeister. Zch wünsche
nur, daß der Kricgszahlmeistcr dem Major etwas angenehmes möge zu sagen haben. Werner. Das haben
dergleichen
Herren
den
Offieiercn
selten. — Haben,Zhro Gnaden etwas zu befehlen? (im Begriffe wieder zu gehen) Franciska. Nun, wo denn schon wieder hin, Herr Wacht meister? Hätten wir denn nichts mit einander zu plaudern?
Werner., (sachte zur Franciska, und ernsthaft) Hier nicht, Francn-
zimmerchen. Es ist wider den Respekt, wider die Subordination. — Gnädiges Frätilein —
Das Fräulein.
Zch
danke
für
Seine
Bemühung,
Herr
Wachtmeister. — Es ist mir lieb gewesen, Zhn kennen zu ler
nen.
Franciska hat mir viel gutes von Zhm gesagt. (Werner
macht eine steife Verbeugung, und geht ab) Fünfter Auftritt.
Das Fräulein. Franciska. Das Fraulein.
Franciska.
Das ist dein Wachmteistcr, Franciska?
Wegen
des
spöttischen Tones
habe
ich
nicht
Zeit, dieses Dein nochmals aufzumutzen. — — Za, gnädiges Fräulein, das ist mein Wachtmeister.
Sie finden ihn, ohne
Minna von Barnhelm.
Zweifel, ein wenig steif und hölzern.
67
Jetzt kam er mir fast
auch so vor. Aber ich merke wohl; er glaubte, vor Zhro Gna den, auf die Parade ziehen zu müssen.
Und wenn die Solda
ten paradircn, — ja freylich scheinen sie da mehr Drechsler
Sie sollten ihn hingegen nur sehn und
puppen, als Männer.
hören, wenn er sich selbst gelassen ist. Das Fräulein.
Franciska.
Das müßte ich denn wohl.
Er wird noch auf dem Saale seyn.
Darf ich
nicht gehn, und ein wenig mit ihm plaudern?
Das Fräulein.
Zch versage dir ungern dieses Vergnügen.
Du mußt hier bleiben, Franciska.
Du mußt bey unserer Un
terredung gegenwärtig seyn. — Es fällt mir noch etwas bey. (Sie zieht ihren Ring vom Finger) Da, nimm meinen Ring, ver wahre ihn, rind gieb mir des Majors seinen dafür. Franciska.
Warum das?
Das Fräulein, (indem Franciska den andern Ning hohlt)
Recht
weiß ich es selbst nicht; aber mich dünkt, ich sehe so etwas vor
aus, wo ich ihn brauchen könnte. — Man pocht. — Geschwind
gieb her! (sie steckt ihn an) Er ists! Sechster Auftritt.
v. Tellheim. (in dem nehmlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franciska verlangt) Das Fräulein. Franciska. v. Tcllheim.
Gnädiges Fräulein, Sie werden mein Ver
weilen entschuldigen. —
Das Fräulein.
O, Herr Major, so gar militairisch wollen
wir cs mit einander nicht nehmen.
Sie sind ja da! Und ein
Vergnügen erwarten, ist auch ein Vergnügen. — Nun? (indem
sic ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber Tellheim, waren wir nicht vorhin Kinder? v. Lellheim.
Za wohl Kinder, gnädiges Fräulein; Kinder,
die sich sperren, wo sie gelassen folgen sollten.
Das Fräulein.
Wir wollen arisfahren, lieber Major, —
die Stadt ein wenig zu besehen, — und hernach, meinem Oheim entgegen. v. Lellheim. Das Fräulein.
Wie?
Sehen Sie; auch das Wichtigste haben wir
5 •
Minna von Barnhelm.
68
einander noch nicht sagen können.
Za, er trifft noch hente hier
Ein Zufall ist Schuld, daß ich, einen Tag früher, ohne
ein.
ihn angekommen bin. v. Tellheim.
Der Graf von Bruchsal? Ist er zurück ?
Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn
Das Fräulein.
nach Ztalien; der Friede hat ihn wieder zurückgebracht. — Ma chen Sie sich keine Gedanken, Tellheim.
Besorgten wir schon
ehemals das stärkste Hinderniß unserer Verbindung von seiner
Seite — v. Tellheim-
Unserer Verbindung? Er ist Zhr Freund.
Das Fraulein.
Er hat von zu vie
len, zu viel Gutes von Zhnen gehört, um es nicht zu seyn.
Er
brennet, den Mann von Antlitz zu kennen, den seine einzige
Erbin gewählt hat.
Er kömmt als Oheim, als Vormund, als
Vater, mich Zhnen zu übergeben.
v. Tellheim.
Ah,
Fräulein,
warum haben Sie meinen
Brief nicht gelesen? Warum haben Sie ihn nicht lesen wollen? Das Fräulein-
Zhren Brief? Za, ich erinnere mich, Sie
schickten mir einen.
Wie war es denn mit diesem Briefe, Fran-
ciska? Haben wir ihn gelesen, oder haben wir ihn nicht gele sen? WaS schrieben Sie mir denn, lieber Tellheim? —
v. Tellheim. Das Fräulein.
Nichts, als was mir die Ehre befiehlt. Das ist, ein ehrliches Mädchen,
liebt, nicht sitzen zu lassen.
die Sie
Freylich befiehlt das die Ehre.
wiß ich hätte den Brief lesen sollen.
Ge
Aber was ich nicht gele
sen habe, das höre ich ja.
v. Tellheim. Das Fräulein.
hören.
Za, Sie sollen es hören —
Nein, ich brauch es auch nicht einmal zu
Es versteht sich von selbst.
Sie könnten eines so häß
lichen Streiches fähig seyn, daß Sie mich nun nicht wollten? Wissen Sie, daß ich auf Zeit meines Lebens beschimpft wäre?
Meine Landsmänninnen würden mit Fingern auf mich weisen. — „Das ist sie," würde es heißen, „das ist das Fräulein
von Barnhelm, die sich einbildete, weil sie reich sey, den wackern Tellheim zu bekommen: als ob die wackern Männer für Geld
zu haben wären!"
So würde es heißen: denn meine Lands
männinnen sind alle neidisch auf mich.
Daß
ich
reich
biir,
Minna von Barnhelm.
69
können sie nicht leugnen; aber davon wollen sie nichts wissen,
daß ich auch sonst noch ein ziemlich gutes Mädchen bin, das
seines Mannes werth ist.
v. Tellheim.
Za,
Nicht wahr, Tellheim?
gnädiges Fräulein,
ja,
ich Ihre Landsmänninnen.
daran erkenne
Sie werden Ihnen einen abgedank
ten, an seiner Ehre gekränkten Officier, einen Krüppel, einen
Bettler, trefflich beneiden. Das Fräulein.
Und das alles wären Sie?
Zch hörte so
was, wenn ich mich nicht irrt, schon heute Vormittage.
ist Böses und Gutes
unter
einander.
Da
Lassen Sie uns doch
jedes näher beleuchten. — Verabschiedet sind Sie? So höre ich. Zch glaubte, Zhr Regiment sey blos untergesteckt worden.
Wie
ist eS gekommen, daß man einen Mann von Zhren Verdiensten
nicht beybchaltcn? v. Tellheim.
Es ist gekommen,
wie es kommen müssen.
Die Großen haben sich überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung
für sie ganz wenig; aus Pflicht nicht viel, mehr: aber alles sei ner eignen Ehre wegen thut.
Was können sie ihm also schuldig
zu seyn glauben? Der Friede hat ihnen mehrere meines glei chen entbehrlich gemacht; und am Ende ist ihnen niemand un
entbehrlich. Das Fräulein.
Sie sprechen wie ein Mann sprechen muß,
dem die Großen hinwiederum sehr entbehrlich sind. mals waren sie es mehr, als itzt.
Und nie
Zch sage den Großen mei
nen großen Dank, daß sie ihre Ansprüche auf einen Mann ha
ben fahren lassen,
den ich doch
nur sehr ungern mit ihnen
getheilct hätte. — Zch bin Ihre Gebietherin, Tellheim;
Sie
brauchen weiter keinen Herrn. — Sic verabschiedet zu finden, das Glück hätte ich mir kaum träumen lassen.' — Doch Sie
sind nicht bloß verabschiedet:
Sie sind noch mehr.
Was sind
Sie noch mehr? Ein Krüppel: sagten Sie? Nun, (indem sie ihn von oben bis unten betrachtet) der Krüppel ist doch noch ziemlich
ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund und stark.
— Lieber Tellheim, wenn Sie auf den Verlust Zhrer gesunden
Gliedmaaßen betteln zu gehen denken: so prophezeye ich Zhncn, daß Sie vor den wenigsten Thüren etwas bekommen werden; ausgenommen vor den Thüren der gutherzigen Mädchen, wie ich.
Minna von Barnhelm.
70
Jetzt höre ich nur das
t>. Tellheim.
muthwillige Mäd
chen, liebe Minna. Das Fräulein. Und ich höre in Ihrem Verweise nur das Liebe Minna. — Ich will nicht mehr muthwillig seyn.
Denn
daß Sie allerdings ein kleiner Krüppel sind.
ich besinne mich,
Ein Schuß hat Ihnen den rechten Arm rin wenig gelähmt. —
Doch alles wohl überlegt: so ist auch das so schlimm nicht.
Um
so viel sichrer bin ich vor Ihren Schlägen. v. Tellheim.
Fräulein! Sic wollen sagen:
Das Fräulein.
weniger vor meinen.
Aber Sie mit so viel
Nun, nun, lieber Tellheim, ich hoffe,
Sie werden es nicht dazu kommen lassen. v. Tellheim. Sie wollen lachen, mein Fräulein.
Ich be
klage'nur, daß ich nicht mit lachen kann.
Das Fräulein. 'Warum nicht? Was haben Sie denn ge gen das Lachen? Kann man denn auch nicht lachend sehr ernst haft seyn? Lieber Major, das Lachen erhält uns vernünftiger,
als der Verdruß.
Der Beweis liegt vor uns.
Ihre lachende
Freundin beurtheilt Ihre Umstände weit richtiger, als Sie selbst.
Weil Sie verabschiedet sind, nennen Sie sich an Ihrer Ehre gekränkt: weil Sie einen Schuß in dem Arme haben, machen
Sie sich zu einem Krüppel. Uebertreibung?
Ist das so recht?
Ist das keine
Und ist eö meine Einrichtung, daß alle Ueber
treibungen des Lächerlichen so fähig sind? Ich wette, wenn ich Ihren Bettler nun vernehme, daß auch dieser eben so wenig Stich halten
wird.
Sie werden einmal, zwcymal,
dreymal
Ihre Equipage verloren haben; bey dem oder jenem Banquier werden einige Kapitale jetzt mit schwinden; Sie werden diesen
und jenen Vorschuß, den Sie im Dienste gethan, keine Hoff
nung haben,
wieder zu erhalten:
aber sind Sie darum ein
Bettler? Wenn Ihnen auch nichts übrig geblieben ist, als was mein Oheim für Sie mitbringt —
v. Tellheim.
Ihr Oheim,
gnädiges Fräulein,
wird für
mich nichts niitbringcn. .
Das Fräulein.
Nichts, als die zwcytanscnd Pistolen, die
Sie unsern Ständen so großmüthig vorschosscn.
71
Minna vo» Banchclui.
Hätte» Sie doch nur meinen Brief gelesen,
v. Lellheim.
gnädiges Fräulein!
Nun ja, ich habe ihn gelesen.
Das Fräulein.
Aber was
ich über diesen Punkt darinn gelesen, ist mir ein wahres Räthsel. Unmöglich kann man Zhnen ans einer edlen Handlung ein Ber
brechen machen wollen. — Erklären Sie mir doch, lieber Major —
v. Tellheim.
Sie erinnern
sich,
gnädiges Fräulein, daß
ich Ordre hatte, in den Aemtern Zhrer Gegend die Kontribution mit der äußerste» Strenge baar beyzutrcibcn.
Zch wollte mir
diese Strenge ersparen, lind schoß die fehlende Summe selbst vor. —
Za wohl erinnere ich mich. — Zch liebte
Das Fraulein.
Sie um dieser That willen, ohne Sie noch gesehen zu haben,
v. Tellhcim.
Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und
bey Zeichnung des Friedens,
diesen wollte ich,
unter die zu
ratihabircnde Schulden eintragcn lassen. Der Wechsel ward fük
gültig erkannt, aber mir ward das Eigenthum desselben streitig
gemacht.
Man zog spöttisch das Maul, als ich versicherte, die
Balute baar hcrgegebcn zu haben.
Man erklärte ihn für eine
Bestechung, für das Gratial der Stände, weil ich sobald mit ihnen auf die niedrigste Summe einig geworden war, mit der ich mich nur im äußersten Nothfalle zu begnügen, Vollmacht
hatte.
So kam der Wechsel aus meinen Händen, und wenn
er bezahlt wird,
wird er sicherlich nicht an mich bezahlt. —
Hierdurch, mein Fräulein, halte ich meine Ehre für gekränkt; nicht durch den Abschied, den ich gcfodert haben würde, wenn
ich ihn nicht bekommen hätte. — Sie sind ernsthaft, mein Fräulein? Warum lachen Sic nicht? Ha, ha, ha! Zch lache ja. Das Fräulein.
Zch beschwöre Sic!
schcnhasscs!
O, ersticken Sic dieses Lachen, Tellhcim!
Es
ist
das schreckliche Lachen des Men-
Nein, Sic sind der Mann nicht,
den eine gute
That reuen kann, weil sie üble Folgen für ihn hat. unmöglich
können diese üble
muß an den Tag kommen.
Folgen
dauren!
Nein,
Die Wahrheit
Das Zeugniß meines Oheims, al
ler unsrer Stände — v. Tellhcim. Zhrcs Oheims! Zhrcr Stände! Ha, ha, ha! Das Fräulein. Zhr Lache» tödtet mich, Tellhcim! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht glauben, Tellheim, so lachen
Minna von Barnhelm.
72 Sie so nicht!
habe
Zch
nie fürchterlicher strichen hören, als
Sie lachen. — Und lassen Sie
uns
das Schlimmste setzen!
Wenn man Sie hier durchaus verkennen will: so kann man Sie bey uns nicht verkennen.
Nein, wir können, wir werden
Sie nicht verkennen, Tellhcim.
Und wenn unsere Stände die
geringste Empfindung von Ehre haben, thun müssen.
so weiß ich was sie
Doch ich bin nicht klug: was wäre das nöthig? ein,
Bilden Sie sich
Tellheim,
Sie hätten die zweytauscnd
Pistolen an einem wilden Abende verloren.
Der König war
eine unglückliche Karte für Sie: die Dame (auf sich weisend) wird Zhnen desto günstiger seyn. — Die Vorsicht, glauben Sie mir,
hält den ehrlichen Mann immer schadlos; und öfters schon im voraus.
Die That, die Sic einmal um zwcytausend Pistolen
bringen sollte, erwarb mich Zhnen.
Ohne diese That, würde
ich nie begierig genstssen seyn, Sie kennen zu lernen.
Sie wis
sen, ich kam nneingeladen in die erste Gesellschaft, wo ich Sie
Zch kam blos Zhrentwegen.
zu finden glaubte.
Zch kam in
dem festen Vorsatze, Sie zu lieben, — ich liebte Sie schon! — in dem festen Vorsätze, Sie zu besitzen, wenn ich Sic auch so schwarz und häßlich finden sollte, als den Mohr von Venedig. Sie sind so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig wer
den Sie nicht seyn.
Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch
noch viel ähnliches mit ihm! O, über die wilden, «»biegsamen Männer, die nur immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der
Ehre heften! für alles andere Gefühl sich verhärten! — Hierher Zhr Auge! auf mich, Tellheim! (der indeß verliest, und unbeweglich, mit starren Augen immer auf eine Stelle gesehen)
Woran denken Sic?
Sie hören mich nicht? x>. Tellheim.
mein Fräulein:
(zerstreut)
D ja! Aber sagen Sie mir doch,
wie kam der Mohr in Venetianische Dienste?
Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermiethete er seinen
Arm und sein Blut einem fremden Staate? — Da« Fräulein, (erschrocken) Wo sind Sic, Tellheim? — Nun ist cs Zeit, daß wir abbrechen. — Kommen Sie! bey der Hand ergreift)
v. Tellheim. ciska nachgeht)
(indem sie ihn
— Franciska, laß den Wagen Vorfahre», (der sich von dem Fräulein los reißt, und der Fran-
Nein, Franciska; ich kann nicht die Ehre haben,
Minna von Barnhelm.
73
das Fräulein zu begleiten. — Mein Fräulein, lassen Sie mir heute meinen
noch
mich.
gesunden Verstand,
und beurlauben Sie
Sie sind auf dem besten Wege, mich darum zu bringen.
Ich stemme mich, so viel ich kann. — Aber weil ich noch bey
Verstände bin: so hören Sie, mein Fräulein, was ich fest be schlossen habe; wovon mich nichts in der Welt abbringcn soll. — Wenn nicht noch ein glücklicher Wurf für mich im Spiele
ist, wenn sich das Blatt nicht völlig wendet, wenn —
Das Fräulein.
Ich muß Zhncn ins Wort fallen, Herr
Major. — Das hätten wir ihm gleich sagen sollen, Franciska. Du erinnerst mich auch an gar nichts. — Unser Gespräch würde ganz anders gefallen seyn, Tcllhcim, wenn ich mit der guten
hätte,
Nachricht angefangcn
die Ihnen der Chevalier de la
Marlinicre nur eben zu bringen kam. Der Chevalier de la Marliniere? Wer ist das?
v. Tcllhcim.
Franciska.
Es
mag
ein
Major, bis auf — Das Fräulein. Schweig,
ganz guter Mann seyn, Franciska!
—
Herr
Gleichfalls
ein
verabschiedeter Officier, der aus Holländischen Diensten —
v. Tcllhcim. Das Fräulein. v. Tcllhcim.
Das Fräulein.
Ha! der Lieutenant Riecaut!
Er versicherte, daß er Ihr Freund sey.
Ich versichere, daß ich seiner nicht bin.
Und daß ihm,
ich weiß nicht welcher Mi
nister, vertraut habe, Ihre Sache sey dem glücklichsten Ausgange nahe.
Es müsse ein Königliches Handschreiben an Sie unter-
wegens seyn. —
v. Tellheim.
Wie
kämen Riecaut
und
ein Minister zu
sammen? — Etwas zwar muß in meiner Sache geschehen seyn. Denn nur itzt erklärte mir der Kricgszahlmcister,
daß der Kö
nig alles niedergeschlagen habe, was wider mich urgirct worden; und daß ich mein schriftlich gegebnes Ehrenwort, nicht eher von
hier zu gehen, als bis man mich völlig entladen habe, wieder zurücknehmen könne. — DaS
wird
cs aber auch alles seyn.
Man wird mich wollen lauffen lassen. ich werde nicht lauffen.
Allein man irrt sich;
Eher soll mich hier das äußerste Elend,
vor den Augen meiner Verleumder, verzehren —
Das Fräulein.
Hartnäckiger Mann!
Minna von Barnhelm.
74
V. Lcllheim. tigkeit.
Ich brauche keine Gnade;
Das Fräulein.
Die Ehre eines Mannes, wie Sie —
v. Tellheim. (hitzig)
Nein,
von allen Dingen recht gut nicht.
ich will Gerech
Meine Ehre — mein
Fräulein,
urtheilen
Sie
werden
nur hierüber
können,
Die Ehre ist nicht die Stimme unsers Gewissens, nicht
das Zeugniß weniger Rechtschaffnen —
Das Fräulein.
Nein, »ein, ich weiß wohl. — Die Ehre ist
— die Ehre.
Kurz, mein Fräulein, — Sic haben mich
v. Lellheim.
nicht ansrcdcn lassen. — Ich wollte sagen:
wenn man mir
das Meinige so schimpflich vorcnthält, wenn meiner Ehre nicht
die vollkommenste Genngthunng geschieht; Fräulein, der Ihrige nicht seyn.
so kann ich, mein
Denn ich bin es in den Au
gen der Welt nicht werth, zn seyn.
Das Fräulein von Barn
helm verdienet einen unbescholtenen Mann.
Es ist eine nichts
würdige Liebe, die kein Bedenken trägt, ihren Gegenstand der
Verachtung anSznsetzen. sich nicht schämet,
Es ist ein nichtswürdiger Man», der
sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu
verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit — Das Fräulein.
Und das ist Ihr Ernst, Herr Major? —
(intern sic ihm plötzlich dm Rücken wendet) Fraiiciska!
v. Tellheim. Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein — Das Fräulein, (dcy Seite zur Franci-ka)
Jetzt
wäre
es Zeit!
Was rähtst du mir, Franciska? —
Franciska.
Ich rathe nichts.
Aber freylich macht er cs
Ihnen ein wenig zu bunt. — v. Tellheim.
(ter sie zu unterbrechen kömmt) Sic sind unge
halten, mein Frälilein —
Das Fräulein,
(höhnisch) Ich? im geringsten nicht.
v. Tellheim. Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein — Das Fräulein. (»och in diesem Tone) O gewiß, cs wäre mein Unglück! — Und sehen Sic,
Herr Major, ich will Ihr
Unglück auch nicht. — Man muß ganz uneigennützig lieben. —
Eben so gut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleicht
würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebe versagt. — (indem sic den Ring langsam vom Finger zieht)
Minna von Barnhelm.
75
Was meinen Sie damit, Fräulein ?
v. Teil heim.
Das Fräulein-
Nein, keines muß das andere, weder glück
licher noch unglücklicher machen.
So will es die wahre Liebe!
Zch glaube Zhnen Herr Major; und Sie haben zu viel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.
Spotten Sie, mein Fränlein?
v. Tellheim.
Das Fräulein.
Hier! Nehmen Sie den Ring wieder zurück,
mit dem Sie mir Ihre Treue verpflichtet, (überreicht ihm de» Ring)
Es sey drum! Wir wollen einander nicht gekannt haben. Was höre ich?
V. Tellheim. Das Fräulein.
Und das befremdet Sie? — Nehmen Sie,
mein Herr. — Sie haben sich doch wohl nicht bloß gezieret?
(inbem er den Ring aus ihrer Hand nimmt) Gott!
v. Tcllbcim.
So kann Minna sprechen! — Das Fräulein.
Sie können der Meinige in Einem Falle
nicht seyn: ich kann die Zhrige, in keinem seyn. Ihr Unglück ist
wahrscheinlich; meines ist gewiß. v. Tellheim.
Leben Sie wohl! (will fort)
Wohin, liebste Minna? —
Das Fräulein.
Mein Herr, Sie beschimpfen mich jetzt mit
dieser vertranlichen Benennung.
Was ist Ihnen mein Fränlein? Wohin?
v. Tellheim-
Das Fräulein.
Lassen Sie mich. — Meine Thränen vor
Ihnen zu verbergen, Nerräther! (geht ab) Siebender Auftritt.
v. Tellheim. Franciska. Ihre Thränen?
v. Tellheim.
(will ihr nach) Franciska.
Und
ich
sollte
sie lassen?
(die ihn zurückhalt) Nicht doch, Herr Major! Sie
werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?
Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?
v. Tellheim. Franciska.
Nun freylich; das Unglück, Sie zn verlieren,
nachdem —
Nachdem? was nachdem? Hier hinter steckt
x>. Tellheim.
mehr.
Was ist es, Franciska? Rede, sprich —
Franciska.
Nachdem sie, wollte ich sagen, — Ihnen so
vieles aufgeopfert.
76
Minna von Barnhelm.
v. Tellheim.
Franciska.
Mir aufgeopfcrt?
Hören Sie nur kur;. — Es ist — für Sie
recht gut, Herr Major, daß Sic auf diese Art von ihr los ge
kommen sind. — Warum soll ich es Zhncn nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimniß bleiben. — Wir sind entflo hen! — Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt,
weil sie feinen Mann von seiner Hand annchmcn wollte.
verließ, alles verachtete sie hierauf.
Alles
Was sollten wir thun?
Wir entschlossen uns, denjenigen anfzusiichen, dem wir — Ich habe genug. — Komm, ich muß mich
x>. Tellheim.
zu ihren Fußen wcrffen.
Franciska.
Was denken Sie?
Gehen Sie vielmehr, und
danken Ihrem guten Geschicke — v. Tellheim.
Elende! für wen hältst du mich? — Nein,
liebe Franciska, der Rath kam nicht ans deinem Herzen.
Ber-
gieb meinem Unwillen! Halten Sie mich nicht länger auf.
Franciska.
sehen, was sie macht.
Ich muß
Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen
seyn. — Gehen Sic! Kommen Sic lieber wieder, wenn Sie wieder kommen wollen, (gebt dem Fräulein nach)
Achter Auftritt. v. Tellheim. Aber Franciska! — O, ich erwarte euch hier! — Nein, das ist dringender! — Wenn sie Ernst sicht, kann mir ihre
Bcrgcbniig nicht entstehen. — Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner! — Nein, Minna, ich bin kein Bcrräthcr! (eilends ab)
Fünfter Auszug. Erster Auftritt. (Die Scene, der Saal)
v. Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.
v. Tellheim. steckst du? Werner.
Ha, Werner!
ich
suche dich überall.
Wo
Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so gehts
mit dem Suchen. — Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.
Minna von Barnhelm.
». Lellheim.
77
Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten:
ich brauche dein Geld.
Geschwind, Werner, gieb mir so viel
du hast; und dann suche so viel aufzubringen, als du kannst.
Werner.
Herr Major? — Nun, bey meiner armen Seele,
habe ichs doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.
v. Lellheim.
Du suchst doch nicht Ausflüchte?
Werner. Damit ich ihm nichts vorznwcrfen habe, so nimmt
er mirs mit der Rechten, und giebt mirs mit der Linken wieder, Halte mich nicht auf, Werner! — Zch habe
v. Lellheim.
den guten Willen, dir es wieder zu geben; aber wenn und wie? — das weiß Gott!
Werner.
Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaats
kasse Ordre hat, Zhncn Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bey —
Was plauderst du? Was lässest du dir weiß
v. Lellheim. machen?
Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre,
ich eS doch wohl am ersten wissen müßte? — Kurz, Werner, Geld! Geld! Werner.
Zc ntt, mit Freuden! hier ist was! — Das sind
die hundert Louisdor, und das die hundert Dukaten. — (giebt ihm beydes) v. Lellheim.
Die
hundert Louisdor,
Werner,
geh
und
Er soll sogleich den Ring wieder einlosen, den
bringe Zusten.
er heute früh versetzt hat. — Aber wo wirst bit mehr herneh
men, Werner? — Zch brauche weit mehr. Werner.
Dafür lassen Sie mich sorgen. — Der Mann,
der mein Gut gckallfft hat, wohnt in der Stadt.
Der Zah
lungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen; aber das Geld liegt parat, und ein halb Proccntchen Abzug —
v. Lellheim.
Nun ja, lieber Werner! — Siehst du, daß
ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? — Zch muß dir auch alles vertrauen.
Das Fräulein hier, — du hast sie gesehn, —
ist unglücklich —
Werner. O Zammer! v. Lellheim- Aber morgen ist sie meine Frau — Werner.
O Freude!
Minna von Barnhclm.
78
Und übermorgen, geh ich mit ihr fort.
V. Lellheim.
darf fort; ich will fort.
Wer weiß, wo mir sonst eilt Glück aufgehoben ist.
willst,
Werner,
nehmen. Werner.
Zch
Lieber hier alles im Stiche gelassen!
so komm mit.
Wahrhaftig?
Wen» du
Wir wollen wieder Dienste
— Aber
doch
wos
Krieg giebt,
Herr Major? v. Lcllheim.
Wo sonst?
—
sprechen davon weiter. Werner. O Herzensmajor!
Geh,
—
lieber Werner,
Ucbcrmorgen?
wir
Warum
nicht lieber morgen? — Zch will schon alles zusammenbringen. — Zn Persien,
Herr Major,
giebts einen trefflichen Krieg;
was meinen Sie! v. Lellheim. Wir wollen das überlegen; geh mir, Werner! — Werner.
Zuchhc! es lebe der Prinz Heraklius! (geht ab) Zweyter Auftritt.
v. Tellheim.
Wie ist mir? — Meine ganze Seele hat neue Triebfedern
bekommen.
Mein eignes Unglück
schlug
mich nieder;
machte
mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lästig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frey nm mich, und fühle mich willig und
stark, alles für sie zu unternehmen — Was verweile ich? (will nach dem Zimmer de« Fräuleins, aus dem ihm Franciska entgegen kömmt.) Dritter Auftritt.
Franciska.
Franeieka.
v. Tellheim.
Sind Sie cs doch? — Es war mir, als ob
ich Zhre Stimme hörte. —Was wollen Sie, Herr Major? v. Tcllheim.
Was ich will? — Was macht dein Fräu
lein ? — Komm! — Franciska.
V. Lellheim. Franciska. v. LeUheim.
Sie will den Augenblick ansfahrcn. Und allein? ohne mich? wohin?
Haben Sie vergessen, Herr Major? — Bist du nicht klug, Franciska? — Zch habe
sie gerecht, und sic ward empfindlich: ich werde sie nm Verge
bung bitten, und sic wird mir vergeben.
Franciska.
Minna von Barnhelm.
79
Sic
den Ring zurückgc-
Wie? — Nachdem
riommen, Herr Major? v. Tcllheim.
Ha! — das that ich in der Betäubung. —
Jetzt denk ich erst wieder an den Ring. — Wo habe ich ihn hingestcckt? — (er sucht ibn) Hier ist er. Franciska.
Ist er das? (indem er ihn wieder eliistcekt, bey «Seite)
Wenn er ihn doch genauer besehen wollte! v. Tcllheim.
Sie drang mir ihn auf, mit einer Bitter
keit — Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen.
Ein volles
Her; kann die Worte nicht wägen. — Aber sic wird sich auch
keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunchmen. —
Und habe ich nicht noch ihren? Franciska.
Den erwartet sie dafür zurück. — Wo haben
Sie ihn denn, Hcrr Major? Zeigen Sic mir ihn doch!
v. Tcllheim.
(etwas verlegen) Ich
habe — ihn anznsteckcit
vergessen. — Zust — Zust wird mir ihn gleich nachbringcn.
Franciska.
Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; las
sen Sie mich doch diesen sehe»; ich sehe so was gar zu gern, v. Tcllheim.
Ein andermal, Franciska.
Jetzt komm —
Franciska. (bey Seite) Er will sich durchaus nicht ans sei nem Irrthume bringen lassen. v. Tcllheim.
Franciska. nen,
Was sagst du? Irrthume?
Es ist ein Irrthum, sag ich, wenn Sic mcv-
daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sey.
Ihr
eignes Vermögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig ei
gennützige Rechnungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen.
Sie erwartete alles von dem Oheim;
aber
dieser grausame Oheim — v. Tcllheim.
Laß ihn doch! — Bin ich nicht Manns ge
nug, ihr einmal alles zu ersetzen? — Franciska.
v. Tcllheim.
Franciska.
Hören Sie? Sic klingelt; ich muß herein. Ich gehe mit dir.
Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir
ausdrücklich verbothen, mit Ihnen zu sprechen.
wenigstens mir erst nach. —-- (geht herein)
Kommen Sie
80
Minna von Varnhelm. Vierter Auftritt.
v. Tellheim. (ihr nachrufend) Melde mich ihr! — Sprich für mich, Franciska! — Zch folge dir sogleich! — Was werde ich ihr sagen?
— Wo das Herz reden darf, braucht cs keiner Vorbereitung. —
Das einzige möchte eine sindierte Wendung bedürfen: ihre Zu
rückhaltung, ihre Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspie-
gcln, daß sie durch mich verloren hat.
Dieses Mißtrauen in
meine Ehre, in ihren eignen Werth, vor ihr selbst zu entschul-
digcn, vor ihr selbst — Vor mir ist es schon entschuldiget! —
Ha! hier kömmt sie. — Fünfter Auftritt. Das Fräulein. Franciska. v. Tellheim. Das Fraulein, (im Heranstreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde) Der Wagen ist doch vor der Thüre, Franciska? — Mei
nen Fächer! — v. Tcllheim. (auf sie zu) Wohin, mein Fräulein?
Das Fraulein,
(mit einer affektirten Kälte) Aus, Herr Major.
— Zch errathe, warum Sie sich nochmals her bemühet haben:
mir allch meinen Ring wieder zurück zu geben. — Wohl, Herr
Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franciska einznhändigen. — Franciska, nimm dem Herrn Major den Ring ab! — Zch habe keine Zeit zu verlieren, (will fort)
(der ihr Vortritt) Mein Fräulein! — Ah, was
x>. Tcllheim.
habe ich
erfahren, mein Fräulein!
nicht werth. Das Fräulein.
jor — Franciska. v. Lellheim.
Zch war so vieler Liebe
So, Franciska? Du hast dem Herrn Ma
Alles entdeckt.
Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein.
Zch bin kein Vcrräther.
Sie haben um mich, in den Augen
der Welt, viel verloren, aber nicht in meinen. Zn meinen Au gen haben Sic unendlich durch diesen Verlust gewonnen.
Er
war Zhncn noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen allzu
nachtheiligen Eindruck auf mich machen;
Sie wollten mir ihn
Minna von Barnhelm.
81
vors erste verbergen. Zch beschwere mich nicht über dieses Miß trauen.
Es entsprang ans dem Verlangen, mich zn erhalten.
Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie sanden mich selbst un glücklich; und Sic wollten Unglück nicht mit Unglück häuffen. Sie konnten nicht vermuthen, wie sehr mich Ihr Unglück über
das meinige hinaus setzen würde. Das Fräulein. Alles recht gut, Herr Major!
nun einmal geschehen.
Aber es ist
Zch habe Sie Ihrer Verbindlichkeit er
lassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes — In nichts gewilliget! — Vielmehr halte ich
v. Lellheim.
mich ietzt für gebundener, als jemals. — Sie sind die Mei nige, Minna, auf ewig die Meinige, (zieht dm Ning heran«) Hier,
empfangen Sie es zum zweytenmale,
das Unterpfand meiner
Treue — Dao Fraulein. Ich diesen Ring wicdernehmcn? diesen Ring?
Za, liebste Minna, ja!
v. Tellheim. Das Fräulein.
Was muthen Sie mir zu? diesen Ring?
Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus
v. Tellheim.
meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich, und
glücklich waren.
Sie sind nicht mehr glücklich, aber wiederum
einander gleich.
Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe.
— Erlauben Sie, liebste Minna! — (ergreift ihre Hand, um ihr
den Ring anzustecken) Das Fräulein.
Wie? mit Gewalt, Herr Major? — Nein,
da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen
Ring wieder anzunehmen!--------- Meynen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt ? — O, Sie sehen ja wohl, (auf ih
ren Ring zeigend) daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgicbt? — Franciska.
Wenn er es noch nicht merkt! —
v. Tellheim. (indem er die Hand de« Fraulein« fahren laßt) Was ist das? — Ich sehe das Fräulein von Barnhelm,
aber ich
höre eS nicht. — Sie zieren sich, mein Fräulein. — Vergeben
Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbraucht. Das Fraulein, (in ihrem wahren Ton) Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr Major? v. Lellheim.
Es hat mir weh gethan.
Minna von Barnhelm.
82
Das Fräulein. (gerührt) Das sollte es nicht, Tellheim. — Verzechen Sie mir, Tellheim.
Ha,
v. Tellheim.
dieser vertrauliche Ton sagt mir ,daß
Sie wieder zn sich kommen, mein Fräulein; daß Sie mich noch lieben, Minna. — Franciska.
(herausplatzend) Bald
weit gegangen. — Das Fraulein, (gebictherisch)
wäre
Ohne dich
der Spaß
in
auch zu
unser Spiel zu
mengen, Franciska, wenn ich bitten darf! — Franciska. (bey Seite und betroffen) Noch nicht genügt
Das Fräulein.
Za, mein Herr;
es wäre weibliche Eitel
keit, mich kalt und höhnisch zu stellen.
dienen es,
Weg damit! Sie ver
mich eben so wahrhaft zu finden, als Sie selbst
sind. — Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch; aber dem ohngeachtct —
Nicht weiter,
v. Tellheim.
liebste Minna, nicht weiter!
(ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken) Das Fräulein, (die ihre Hand zurückzieht) Dem ohngeachtct, —
um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr geschehen lassen;
nimmermehr! — Wo denken Sic hin, Herr Major? — Ich
meynte, Sie hätten an Zhrem eigenen Unglücke genug. — Sie müssen hier bleiben; Sie müssen sich die allervollständigste Ge
Ich weiß in der Geschwindigkeit kein
nugthuung — ertrotzen.
ander Wort. — Ertrotzen, — und sollte Sie auch das äußerste
Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!
v. Tellheim.
So dacht ich,
so sprach ich,
wußte, was ich dachte und sprach.
als ich nicht
Aergerniß und verbissene
Wuth hatten meine ganze Seele umnebelt; die Liebe selbst, in dem vollesten
Glanze
Tag schaffen.
Aber
des
Glückes,
sie sendet ihre
konnte
sich
Tochter,
darin
das
nicht
Mitleid,
die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet
und alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet.
Der Trieb der Selbstcrhaltung erwacht, da
ich etwas Kostbarers zu erhalten habe, als mich, und cs durch mich zu erhalten habe.
Lassen Sie sich, mein Fräulein, das
Wort Mitleid nicht beleidigen. unsers Unglücks,
können
wir
Von der unschuldigen Ursache es
ohne
Erniedrigung
hören.
83
Minna von Barnhelm.
Zch bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland.
Durch mich, in
mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das
Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner
Lassen Sic mich keine Zukunft denken,
Seele.
wo ich mich
selbst hassen müßte. — Nein, nichts soll mich hier länger hal
ten.
Von diesem Augenblicke an, will ich dem Unrechte,
das
mir hier wiedcrfährt, nichts als Verachtung entgegen setzen. Zst dieses Land die Welt?
Geht hier allein die Sonne auf? Wo
darf ich nicht hinkommcn?
weigern?
Welche Dienste wird man mir ver
Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel
suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns
an nichts fehlen. — Zch habe einen Freund, der mich gern
unterstützet. — Sechster Auftritt.
v. Tellheim.
Ein Feldjäger,
Franciska-
Das Fräulein.
Franciska.
(indem sie den Feldjäger gewahr wird)
St!
Herr
Major —
v. Tellheim. (gegen den Feldjäger) Zu wem wollen Sie? Der Feldjäger. Zch suche den Herrn Major von Tellheim. —
Ah, Sie sind es ja selbst. Mein Herr Major, dieses Königliche Handschreiben (das er aus seiner Brieftasche nimmt) habe ich an Sie
zu übergeben. v. Tellheim.
An mich?
Der Feldjäger. Das Fräulein.
Zufolge der Aufschrift —
Franciska, hörst du? — Der Chevalier hat
doch wahr geredet! Der Feldjäger, (indem Tellheim den Brief nimmt) Zch bitte um
Verzeihung, Herr Major; Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen; aber es ist mir nicht möglich gewesen, Sie auszufragen.
Erst heute, auf der Parade, habe ich Ihre Wohnung von dem
Lieutenant Riccaut erfahren. Franciska.
Gnädiges Fräulein, hören Sie? — Das ist des
Chevaliers Minister. — „Wie heißen der Minister, da draus auf die breite Platz?" —
v. Tellheim.
Ich bin Zhnen für Zhre Mühe sehr verbunden.
6 *
Minna von Barnhelm.
84
Der Feldlager.
Es ist meine Schuldigkeit, Herr Major,
(geht ab)
Siedender Auftritt.
v. Dellheim. Das Fräulein. Franriska. Al), mein Fräulein, was habe ich hier? Was
x>. Lellheim.
enthält dieses Schreiben? Ich bin nicht befugt, meine Neugierde so
Das Fräulein.
weit zu erstrecken.
Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von
v. Tellheim.
dem Zhrigen? — Aber warum steh ich an, cs zu erbrechen? — Es kann mich nicht unglücklicher machen, als ich bin;
nein,
liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher machen; — wohl
aber glücklicher! — Erlauben Sie, mein Fräulein! (erbricht und liefet den Brief, indeß daß der Wirth an die Scene geschlichen kömmt.)
Achter Auftritt.
Der Wirth. Die Vorigen. Der Wirth, (gegen die Franciska)
Bst! mein
schönes Kind!
auf ein Wort!
Franciska (die sich Ihm nähert) Herr Wirth? — Gewiß, wir wissen selbst noch nicht, was in dem Briefe steht.
Der Wirth. Wer will vom Briefe wissen? — Ich komme des Ringes wegen.
wiedergeben.
Das gnädige Fräulein muß mir ihn gleich
Zust ist da, er soll ihn wieder einlösen.
Das Fräulein, (die sich indeß gleichfalls dem Wirthe genähert) Sa
gen Sic Zusten nur, daß er schon eingelösct sey; und sagen Sie ihm nur von wem; von mir. Aber —
Der Wirth.
Das Fräulein.
Zch nehme alles auf mich ; gehen Sie doch!
(der Wirth geht ab)
Neunter Auftritt.
v. Dellheim. Franciska.
Das Fräulein. Franciska.
Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit
dem armen Major gut seyn. Das Fräulein.
O, über die Vorbitterinn! Als ob der Kno
ten sich nicht von selbst bald lösen müßte.
Minna von Barnhelm. v Tellheim.
85
(nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung)
Ha! er hat sich auch hier nicht verleugnet! — O, mein Fräu lein, welche Gerechtigkeit! — welche Gnade! — Das ist mehr, als ich erwartet! — Mehr,
als ich verdiene! — Mein Glück,
meine Ehre, alles ist wiederhergestellt! — Zch träume doch nicht? lindem er wieder in den Brief sieht, al« um sich nochmal« zu überzeugen)
Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche! — Lesen Sie selbst,
mein Fräulein; lesen Sie selbst!
Zch bin nicht so unbescheiden, Herr Major,
Das Fräulein.
Unbescheiden?
v. Tellheim.
Der Brief ist
an mich;
an
Ihren Tellheim, Minna. Er enthält, — was-Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann.
Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch! Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht,
Das Fräulein.
Herr Major — (sie nimmt den Brief und liefet) „Mein lieber Major von Tellheim! „Ich thue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich um
„Elire Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Bortheil aufgeklä„ret hat.
Mein Bruder war des Nähern davon unterrichtet,
„und sein Zeugniß hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. „Die Hofstaatskaffe hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel
„wieder auszuliefern, und die gethanen Vorschüsse zri bezahlen;
„auch habe ich besohlen, daß alles, was die Feldkricgskaffen
„wider Eure Rechnungen urgiren, niederschlagen werde. Mel„det mir, ob Euch Eure Gesundheit erlaubet, wieder Dienste
„zu nehmen.
Zch möchte nicht gern einen Mann von Eurer
„Bravour und Denkungsart entbehren.
Zch bin Euer wohl-
„affektionirter König re." v. Tellheim.
Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein ?
Das Fräulein, (indem sie den Brief wieder znsammenschlägt und zurückgicbt)
Zch? nichts.
v. Tellheim.
Nichts? Doch ja: daß Zhr König, der ein großer
Das Fräulein.
Mann ist, auch wohl ein guter Mann seyn mag. — Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.
v. Tellheim.
Und sonst sagen Sie nichts? Nichts von Rück
sicht auf uns selbst?
Das Fräulein.
Sie treten wieder
in
seine Dienste^
der
Minna von Barnhelm.
86
Herr Major wird Oberstlieutenant, Oberster vielleicht.
Zch gra-
tulire von Herzen. v. Lellheim.
Und Sie kennen mich nicht besser? — Nein,
da mir das Glück soviel zurückgiebt, als genug ist, die Wünsche
eines vernünftigen Mannes zu befriedigen, soll es einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst noch jemanden wieder zn-
gehören soll, als Ihr.
Ihrem Dienste allein sey mein ganzes
Leben gewidmet! Die Dienste der Großen sind gefährlich, und
lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie kosten.
Minna ist keine von den Eiteln, die in ihren Männern
nichts als den Titel und die Ehrenstelle lieben.
Sie wird mich
um mich selbst lieben; und ich werde um sie die ganze Welt ver
gessen.
Zch ward Soldat, aus Partheylichkcit, ich weiß selbst
nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sey, sich in diesem Stande eine
Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt,
vertraulich zu machen, und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Noth hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäfti
gung ein Handwerk zu machen.
Aber nun, da mich nichts mehr
zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeitz wiederum einzig und allein,
ein ruhiger und zufriedner Mensch zu seyn.
Der werde ich mit
Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Zhrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. — Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen, und
wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, hei
tersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt, als ein glückliches Paar.
Da wollen wir wohnen; da soll jeder
unsrer Tage — Was ist Ihnen, mein Fräulein? (die sich unru hig hin und her wendet, und ihre Rührung zu verbergen sucht)
Das Fräulein, (sich fassend) Sic sind sehr grausam, Tcllheim,
mir ein Glück so rcitzend darzustellen, dem ich entsagen muß. Mein Verlust —
v. Lellheim.
Ihr Verlust? — Was nennen Sie Ihren
Verlust? Alles, was Minna verlieren konnte, ist nicht Minna.
Sie sind noch das süßeste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne;
ganz Güte und Großmuth, ganz Unschuld
Minna von Baruhelm.
87
und Freude! — Dann lind wann ein kleiner Muthwille; hier und da ein wenig Eigensinn — Desto besser! desto besser! Minna
wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte,
den ich nicht lieben konnte, (ergreift ihre Hand, sie zu küssen)
Das Fräulein, (die ihre Hand zurück zieht) Nicht so, mein Herr! — Wie auf einmal so verändert? — Zst dieser schmeichelnde,
stürmische Liebhaber der kalte Tellheim? — Konnte nur sein wiederkehrcndes Glück ihn in dieses Feuer setzen? — Er er laube mir, daß ich, bey seiner fliegenden Hitze, für uns beide Ueberlegnng behalte. — Als er selbst überlegen konnte, hörte ich
ihn sagen;
es sey eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken
trage, ihren Gegenstand der Verachtung auszusctzen. — Recht,
aber ich bestrebe mich einer eben so reinen und edlen Liebe, als er. — Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer Monarch
um ihn bewirbt, sollte ich zugcben, daß er sich verliebten Träumereyen mit mir überließe? daß der ruhmvolle Krieger in einen
tändelnden Schäfer ausarte? — Nein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals — v. Tellheim.
Nun wohl!
Wenn Ihnen die große Welt
rcitzcndcr ist, Minna, — wohl! so behalte uns die große Welt!
— Wie klein, wie armselig ist diese große Welt! — Sie ken
nen sie nur erst von ihrer Flitterscitc.
Aber gewiß, Minna,
Sie werden — Es sey! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren Voll
kommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es nicht an Neidern gebrechen. Das Fräulein.
Nein, Tellheim, so ist es nicht gcmeynt!
Ich weise Sie in die große Welt, auf die Bahn der Ehre zurück,
ohne Ihnen dahin folgen $tt wollen. — Dort braucht Tellheim eine linbescholtene Gattin! Ein Sächsisches verlaufenes Fräulein,
das sich ihm an den Kopf geworfen — x>. Tellheim.
(auffahrend und wild um sich sehend) Wer darf so
sprechen? — Ah, Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle,
daß jemand anders dieses gesagt hätte, als Sie.
Meine Wuth gegen ihn würde ohne Grenzen seyn.
Das Fräulein.
Nun
da!
Das
eben
besorge
ich.
Sie
würden nicht die geringste Spötterey über mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten einzunehmen haben. — Kurz;
Minna von Barnhelm.
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hören Sie also, Tcllheim, was ich fest beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll — v. Tcllheim.
Ehe Sie ausreden, Fräulein, — ich beschwöre
Sie, Minna! — überlegen Sie es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urtheil über Leben und Tod sprechen! —
Das Fraulein. Ohne weitere Ueberlegung! — So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben, mit welchem Sie mir ehe mals Ihre Treue verpflichtet,
so gewiß Sie diesen nehmlichen
Ring znrückgenommen: so gewiß soll die unglückliche Barnhrlm
die Gattin des glücklichern Tellheims nie werden! v. Tcllheim.
Das Fräulein.
Und hiermit brechen Sie den Stab, Fräulein? Gleichheit ist allein
das
feste Band
der
Liebe. — Die glückliche Barnhelm wünschte, nur für den glück lichen Tcllheim zu leben.
Auch die unglückliche Minna hätte
sich endlich überreden lassen, das Unglück ihres Freundes durch
sich, es sey zu vermehren, oder zu lindern. — Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief aukam, der alle Gleichheit zwischen uns wieder aufhrbt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.
v. Tcllheim.
Ist das wahr, mein Fräulein? — Ich danke
Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht gebrochen. — Sie wollen mir den unglücklichen Tcllheim? Er ist zu haben, (saft) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist, diese späte
Gerechtigkeit anzunehmen; daß es besser seyn wird, wenn ich das, was man durch einen schimpflichen Berdacht entehret hat,
gar
nicht wiedcrverlange. — Za; ich will den Brief nicht bekom men haben. Das sey alles, was ich darauf antworte und thue!
(im Begriffe, ihn zu zerreißen) Das Fraulein, (da- ihm in die Hände greift) Was wollen Sie, Tcllheim? v. Tcllheim.
Das Fraulein. v. Tcllheim.
Sie besitzen.
Halten Sic!
Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie
nicht bald sich anders erklären. — Alsdann wollen wir doch
sehen, was Sic noch wider mich einzuwendcn haben! Das Fräulein.
Wie? in diesem Tone? — So soll ich, so
muß ich in meinen eignen Angcn verächtlich werden? Nimmer mehr! Es ist eine nichtswürdige Kreatur, die sich nicht schämet,
89
Minna von Barnhelm.
ihr ganzes Glück der blinden Z- ..uchkeit eines Mannes zu ver
danken !
v. Tellheim.
Falsch, grundfalsch!
Das Fräulein.
Wollen Sie es wagen, Ihre eigne Rede in
meinem Munde zu schelten? Sophistinn!
v. Tellheim.
So entehrt sich das schwächere
Geschlecht durch alles, was dem stärker» nicht anstcht? So soll
sich der Mann alles erlauben, was dem Weibe geziemet? Wel ches bestimmte die Natur zur Stütze des andern? Das Fräulein.
Beruhigen
Sie
sich,
Tellheim! — Ich
werde nicht ganz ohne Schutz seyn, wenn ich schon die Ehre
des Ihrigen ausschlagen muß.
werden, als die Noth erfodert.
So viel muß mir immer noch Zch
habe mich bey unserm
Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen. Hof
fentlich wird er sich meiner annehmen. Die Zeit verfließt.
Er
lauben Sie, Herr Major — v. Tellheim.
Zch werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein. —
Das Fräulein. Nicht doch, Herr Major; lassen Sie mich — v. Tellheim.
Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kom
men Sie nur, mein Fräulein; wohin Sie wollen; zu wem Sie
wollen.
Ueberall, an Bekannte und Unbekannte, will ich es er-
zehlen,
in Ihrer Gegenwart des Tages hundertmal erzehlen,
welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus welchem grausamen Eigensinne Sie diese Bande trennen wollen —
Zehnter Auftritt. Just.
Die vorigen-
Just, (mit Ungestüm) Herr Major! Herr Major!
v. Tellheim.
Just.
Nun?
Kommen Sie doch geschwind, geschwind!
x>. Tellheim. Was soll ich? Zu mir her! Sprich, was ists? Just. Hören Sie nur — (redet ihm heimlich ins Ohr)
Das Fräulein, (indeß bey Seite zur Franciska) Merkst Du was, Franciska?
Franciska.
O, Sic Unbarmherzige! Zch habe hier gestan
den, wie auf Kohlen!
Minna von Barnhelw.
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v. Tellhcim. (zu Zusten) Was sagst btt? — Das ist nicht mög
lich! — Sie? (indem er das Fräulein wild anblickt) — Sag es laut; sag es ihr ins Gesicht! — Hören Sie doch, mein Fräulein! — Just.
Der Wirth sagt, das Fräulein von Barnhelm habe
den Ring, welchen ich bey ihm versetzt, zu sich genommen;
sie
habe ihn für den ihrigen erkannt, und wolle ihn nicht wieder herausgeben. —
v. Tellheim.
Ist das wahr, mein Fräulein? — Nein, das
kann nicht wahr seyn!
Das Fräulein, (lächelnd) Und warum nicht,
Tellhcim? —
Warum kann es ,licht wahr seyn? v. Tellheim.
(heftig) Nun,
sey
so
eß
wahr!
— Welch
schreckliches Licht, das mir auf einmal aufgegangen! — Nun erkenne ich Sie, die Falsche, die Ungetreue!
Das Fräulein, (erschrocken) Wer? wer ist diese Ungetreue?
x>. Tellheim.
Das Fräulein. x>. Tellheim.
Sie, die ich nicht mehr nennen will!
Tellhcim! Vergessen Sie meinen Namen! — Sie ka
men hierher, mit mir zu brechen.
Es ist klar! — Daß der
Zufall so gern dem Treulosen zu Statten kömmt! Ihnen Ihren Ring in die Hände.
Er führte
Ihre Arglist wußte mir den
meiiligen zuzuschanzen.
Das Fräulein.
Tellhcim,
was für Gespenster sehen Sie!
Fassen Sie sich doch, und hören Sie mich.
Franciska- (vor sich) Ntin mag sie cs haben!
Eilfter Auftritt.
Werner (mit einem Beutel Gold) r>. Tellheim. Franciska.
Werner.
Hier bin ich schon, Herr Major —
x>. Tellhcim.
Werner.
(ohne ihn anzuschcn)
Wer verlangt dich? —
Hier ist Geld; tausend Pistolen!
v. Tellhcim. Werner.
Das Fräulein.
Just.
Ich will sie nicht!
Morgen können Sie,
einmal so viel befehlen.
v. Tellhcim.
Behalte dein Geld!
Herr Major,
über noch
91
Minna von Barnhelm.
Werner. Es ist ja Ihr Geld, Herr Major. — Ich glaube, Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen? v. Tellheim. Weg damit! sag ich. Werner. Was fehlt Ihnen? — Ich bin Werner.
v. Tellheim.
Alle Güte ist Verstellung; alle Dienstfcrtig-
keit Betrug. Werner. Gilt das mir? v. Tellheim. Wie Du willst! Werner. Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. — v. Tellheim. So vollziehe auch den, und packe dich! Werner. Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch — v. Tellheim. Da bist du was rechts! Werner. Der auch Galle hat — x>. Tellheim. Gut! Galle ist noch das beste, was wir haben. Werner. Ich bitte Sie, Herr Major, — v. Tellheim. Wie vielmal soll ich dir es sagen? Ich brauche dein Geld nicht!
Werner, (zornig) Nun so brauch es,
wer da will! (indem
er ihm den Beutel vor die Füße wirft, und bey Seite geht)
Das Fräulein, (zur Franciska) Ah, liebe Franciska, ich hätte dir folgen sollen. Ich habe den Scherz zu weit getrieben. — Doch er darf mich ja nur hören — (auf ihn zugehcnd) Franciska. (die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert)
Herr Wachtmeister! — Werner, (mürrisch) Geh Sie! — Franciska. Hu! was sind das für Männer! Das Fräulein. Tellheim! — Tcllhcim! (der vor Wuth an den Fingern naget, da« Gesicht wegwcndet, und nichts höret) — Nein, das ist zu arg! — Hören Sie mich doch! — Sie betrügen sich! — Ein bloßes Mißverständniß, — Tellheim! — Sie wollen Ihre Minna nicht hören? — Können Sie einen solchen Verdacht fassen? — Ich mit Ihnen brechen wollen? — Ich darum her
gekommen? — Tellheim!
92
Minna von Barnhelw.
Zwölfter Auftritt.
Zwey Bediente, nach einander, von verschiedenen Seiten über den Saal laufend.
Der eine Bediente.
Die vorigen.
Gnädiges Fräulein, Zhro
Excellenz,
der Graf! —
Der andere Bediente-
Er kömmt, gnädiges Fräulein! —
Franciska. (die ans Fenster gelaufen) Er ist es! er ist es! Das Fraulein. Ist ers? — O nun geschwind, Tellheim — V. Tellheimkömmt?
(auf einmal zu sich selbst kommend)
Wer?
wer
Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame Oheim? —
Lassen Sie ihn nur kommen, lassen Sie ihn nur kommen! —
Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit keinem Blicke beleidigen dürfen! Er hat es mit mir zu thun.--------- Zwar verdienen Sie es nm mich nicht — Das Fräulein.
Geschwind umarmen Sie mich,
Tellheim,
und vergessen Sie alles — v. Tellheim.
könnten! — Das Fraulein.
Ha, wenn ich wüßte, daß Sie es bereuen Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den
Anblick Ihres ganzen Herzens verschaft zu haben! — Ah, was sind Sie für ein Mann! — Umarmen Sie Ihre Minna, Ihre glückliche Minna! aber durch nichts glücklicher, als durch Sic! (sie fällt ihm In die Arme) Und nun, ihm entgegen! —
v. Tellheim.
Das Fräulein. v. Tellheim.
Das Fräulein.
Wem entgegen?
Dem besten Ihrer unbekannten Freunde, Wie?
Dem
Grafen,
meinem
Oheim,
meinem
Vater, Ihrem Vater.--------- Meine Flucht, fein Unwille, meine Enterbung; — hören Sie denn nicht, daß alles erdichtet ist? —
Leichtgläubiger Ritter!
v. Tellheim. Das Fräulein.
Erdichtet? — Aber der Ring? der Ring?
Wo haben Sie den Ring, den ich Ihnen
zurückgcgeben? v. Tellheim.
Sie nehmen ihn wieder? — O, so bin ich
glücklich! — Hier Minna! — (ihn herausziehend)
Minna von Barnhelm.
93
So besehen Sie ihn doch erst! — O über
Das Fräulein.
die Blinden, die nicht sehen wollen! — Welcher Ring ist es
denn? Den ich von Ihnen habe, oder den Sie von mir? — Ist es denn nicht eben der, den ich in den Händen des Wirths
nicht lassen wollen?
Gott! was seh ich? was hör ich?
v. Tellheim.
Das Fraulein.
Soll ich ihn nun wieder nehmen? soll ich?
— Geben Sie her, geben Sie her! (reißt ihn ihm au« der Hand, und steckt ihn ihm selbst an den Finger)
Nun? ist alles richtig?
Wo bin ich? — (ihre Hand küssend) O boshaf
v. Lellheim.
ter Engel! — mich so zu quälen!
Das Fraulein.
Dieses
zur Probe, mein
lieber
Gemahl,
daß Sie mir nie einen Streich spielen sollen, ohne daß ich Ih
nen nicht gleich darauf wieder einen spiele. — Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequält hatten?
O Komödiantinnen, ich hätte euch doch ken
v. Lellheim.
nen sollen! Francieka.
verdorben.
Nein,
wahrhaftig;
ich bin zur Komödiantin
Ich habe gezittert und gebebt,
und mir mit der
Hand das Maul zuhalten müssen.
Das Fraulein.
Leicht ist mir meine Rolle auch nicht ge
worden. — Aber so kommen Sie doch!
Noch kann ich mich nicht erhohlen. — Wie
v. Lellheim.
wohl, wie ängstlich ist mir! So erwacht man plötzlich aus ei
nem schreckhaften Traume! Das Fraulein.
Wir zaudern. — Ich höre ihn schon.
Dreyzehnter Auftritt. Der Graf von Bruchsall, von verschiedenen Bedienten und dem Wirthe begleitet.
Die Vorigen.
Der Graf, (im Hereintreten) Sie ist doch glücklich angelangt?
Das Fraulein, (die ihm entgegen springt) Ah, mein Vater! —
Der Graf
Da bin ich, liebe Minna! (ste umarmend) Aber
was, Mädchen? (indem er den Tellheim gewahr wird) Vier und zwan zig Stunden erst hier, und schon Bekanntschaft, und schou Ge sellschaft?
Minna von Barnhelm.
94
Rathen Sic, wer cs ist? —
Das Fräulein.
Der Graf.
Doch nicht dein Tcllheim?
Das Fraulein. Wer sonst, als er? — Kommen Sie, Tcllhcim! (ihn dem Grafen zufiihrcnd) Der Graf.
Mein Herr, wir haben uns nie gesehen; aber
bey dem ersten Anblick glaubte ich, Sie zil erkennen. Ich wünschte,
daß Sic es seyn möchten. — Umarmen Sie mich. — Sie ha ben meine völlige Hochachtung.
Ich bitte um Ihre Freund
schaft. — Meine Nichte, meine Tochter liebet Sie. —
Das wissen Sie, mein Vater! — Und ist
Das Fraulein.
sie blind, meine Liebe?
Der Graf. Nein, Minna; deine Liebe ist nicht blind; aber
dein Liebhaber — ist stumm. v. Tellheim.
(sich ihm in die Arme werfend)
Lassen Sie
mich
zu mir selbst kommen, mein Vater! — Der Graf.
So recht, mein Sohn!
Ich höre es; wenn
Dein Mund nicht plaudern kann, so kann Dein Herz doch re den. — Ich bin sonst den Officieren von dieser Farbe (auf Teil, heims Uniform weisend)
eben nicht gllt.
Doch Sie sind ein ehrli
cher Mann, Tcllhcim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in
welchem Kleide er will, man muß ihn lieben. Das Fraulein.
Der Graf.
O, wenn Sie alles wüßten! —
Was hinderts, daß ich nicht alles erfahre? —
Wo sind meine Zimmer, Herr Wirth? Der Wirth.
Wollen Zhro Excellenz nur die Gnade haben,
hier herein zu treten. Der Graf. Komm, Minna! Kommen Sie, Herr Major! (geht mit dem Wirthe und den Bedienten ab)
Das Fraulein. v. Tellheim. lein.
Kommen Sie, Tellhcim!
Ich folge Ihnen den Augenblick, mein Fräu
Nur noch ein Wort mit diesem Manne! (gegen Wernern
sich wendend)
Das Fraulein.
Und ja ein recht gutes;
mich dünkt, Sie
haben cs nöthig. — Franciska, nicht wahr? (dem Grafen nach)
Minna von Barnhelm.
95
Vierzehnter Austritt.
v. Tellheim. Werner. Just. Franciska. V. Tellheim.
(auf den Beutel weisend, den Werner weggeworfen)
Hier, Zust! — hebe den Beutel auf, und trage ihn nach Hause. Geh! — (Inst damit ab.)
Werner, (der noch immer mürrisch im Winkel gestanden, und an nichts Theil zu nehmen geschienen; indem er das hört) Za, nun!
v. Tellheim. (vertraulich, auf ihn zugehend) Werner, wann kann
ich die andern tausend Pistolen haben? Werner, (auf einmal wieder in seiner guten Laune) Morgen, Herr
Major, morgen. — v. Tellheim. Ich brauche dein Schuldner nicht zu werden; aber ich will dein Rentmeister seyn.
Euch gutherzigen Leuten
sollte man allen einen Vormund setzen. Ihr seyd eine Art Ver schwender. — Ich habe dich vorhin erzürnt, Werner! — Werner.
Bey meiner armen Seele, ja! — Ich hätte aber
doch so ein Tölpel nicht seyn sollen. verdiente hundert Fuchtel.
Nun seh ichs wohl.
Zch
Lassen Sie mir sie auch schon ge
ben; nur weiter keinen Groll, lieber Major! —
v. Tellheim.
Groll? — (ihm die Hand drückend) Lies
es itt
meinen Augen, was ich dir nicht alles sagen kann. — Ha! wer ein besseres Mädchen, und einen redlichern Freund hat, als ich,
den will ich sehen — Franciska, nicht wahr? (geht ab)
Fünfzehnter Auftritt.
Werner. Franciska. Franciska. (vor sich) Za gewiß,
es
ist ein
gar zu
guter
Mann! — So einer kommt mir nicht wieder vor. — Es muß
heraus! (schüchtern und verschämt sich Wernern nähernd) Herr Wacht meister —
Werner,
Franeiska. Werner. Franciska.
(der sich die Augen wischt) Nll? —
Herr Wachtmeister —
Was will Sie denn, Frauenzimmerchen? Seh Er mich einmal an, Herr Wachtmeister. —
Minna von Barnhelm.
9ß
Werner. Ich kann noch nicht; in die Angen gekommen.
ich weiß nicht, was mir
Zranciska. So seh Er mich doch an! Werner. Zch fürchte, ich habe Sie schon zn viel angese
hen, Frauenzimmerchcn! — Nun, da seh ich Sie ja! giebts denn? Zranciska.
Was
Herr Wachtmeister, — — braucht Er keine
Frau Wachtmeisterinn?
Werner.
Ist das Zhr Ernst, Fraucnzimmerchen?
Zranciska. Mein völliger! Werner. Zöge Sie wohl auch mit nach Persien?
Zranciska. Wohin Er will! Werner. Gewiß? — Holla! Herr Major! nicht groß ge than! Nun habe ich wenigstens ein eben so gutes Mädchen, und einen eben so redlichen Freund, als Sie! — Geb Sie mir Ihre Hand, Fraucnzimmerchen! Topp! — Ueber zehn Zahr ist Sie Frau Generalin, oder Wittwe!
Gedruckt bei Julius Sittenfcld in Berlin. Burg-Straße 9?v. 25.