Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen [6. Aufl., Reprint 2022] 9783112660805, 9783112660799


192 56 5MB

German Pages 49 [96] Year 1838

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück
Recommend Papers

Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück: Ein Lustspiel in fünf Aufzügen [6. Aufl., Reprint 2022]
 9783112660805, 9783112660799

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Minna van Darnhetnr, oder

das Soldatenglück.

Ein Lnstfpiel in fünf Auszügen

von

Gotthold Ephraim Letüng.

Sechste Auflage.

Berlin, Berlag der Voß'schen Buchhandlung.

1838.

von

Minna

BarnhelM/

oder

das Soldatenglück. Gin Lustspiel in fünf Aufzügen.

Verfertiget im Jahre 1763.®)

Personen. Major von Bellheim/

verab­

schiedet.

Paul Werner, gewesener Wacht­ meister des Majors.

Minna von Larnhelm.

Der Wirth.

Graf von Bruchsall, ihr Oheim.

Eine Dame in Trauer.

Franciöka, ihr Mädchen.

Ein Feldjäger.

Just, Bedienter des Majors.

Riccaut de la Marliniere.

Die Scene ist abwechselnd in dem Saale eines Wirthshauses, und einem daran stoßenden Zimmer.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Just. (sitzet kn einem Winkel, schlummert, und redet im Traume)

Schurke von einem Wirthe! Du, uns? — Frisch, Bruder! —

Schlage zu, Bruder!

(er hohlt aus, und erwacht durch die Bewegung)

He da! schon wieder?

Zch mache kein Auge zu, so schlage ich

mich mit ihm herum.

Hätte er mir erst die Hälfte von allen

den Schlägen! — — Doch sieh, es ist Tag! Zch muß nur *) Die Originalhandschrist, nach welcher die spielen

erste Ausgabe kn den Lust­

1767 gedruckt ist, besitzt Herr B. Friedländer und hat sie dem Her­

ausgeber freundschaftlich mitgetheilt. Ausgaben berichtigt worden.

Es sind daraus einige Druckfehler der

4

Minna von Barnhelm,

bald meinen armen Herrn aufsuchen.

Veit meinem Willen soll

er keinen Fuß mehr in das vcrmaledeyte Haus setzen. Wo wird er die Nacht zugebracht haben? Zweyter Auftritt.

Der Wirth. Just. Der Wirch.

Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen!

Ey, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf? Just.

Sage Er, was Er will.

Der Wirth.

Ich sage nichts, als guten Morgen; und das

verdient doch wohl, daß Herr Zust, großen Dank, darauf sagt? Just.

Großen Dank! Man ist verdrießlich, wenn man seine gehö­

Der Wirth.

Was gilts, der Herr Major ist

rige Ruhe nicht haben kann.

nicht nach Hause gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert? Just.

Was der Mann nicht alles errathen kann!

Der Wirth.

Just,

Der Wirth,

Just-

Zch vermuthe, ich vermuthe.

(kehrt sich um, und will gehen)

(halt Ihn)

Sein Diener!

Nicht doch, Herr Zust!

Nun gut; nicht Sein Diener!

Der Wirch.

Ey, Herr Zust!

ich will doch nicht hoffen,

Herr Zust, daß Er noch von gestern her böse ist?

Wer wird

seinen Zorn über Nacht behalten?

Just. Zch; und über alle folgende Nächte. Der Wirth. Just.

Zst das christlich?

Eben so christlich,

als einen ehrlichen Mann,

nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen,

der

auf die

Straße werfen.

Der Wirth. Just.

Pfuy, wer könnte so gottlos seyn?

Ein christlicher Gastwirth. — Meinen Herrn! so ei­

nen Mann! so einen Officier!

Der Wirch.

Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf

die Straße geworfen?

Dazu habe ich viel zu viel Achtung für

einen Officier, und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Zch habe ihm aus Noth ein ander Zimmer einräumen müssen. — Denke Er nicht mehr daran, Herr Zlist. (er ruft in die Scene)

Holla! —

Zch

wills auf andere Weise wieder gut machen.

(Ein Junge kömmt)

Minna von Barnhelm.

5

Bring ein Gläßchen;

Herr Zust will ein

Gläßchen haben; und was gutes! Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirth.

Just.

Der Tro­

pfen soll zu Gift werden, den — Doch ich will nicht schwören;

ich bin noch nüchtern. Der Wirth. Glaß bringt)

(zu dem Jungen, der eine Flasche Liqueur und ein

Gieb her; geh! — Nun, Herr Zust; was ganz vor­

treffliches; stark, lieblich, gesund.

(Er füllt, und reicht ihm zu)

Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!

Bald dürfte ich nicht!--------- Doch warum soll ich

Just.

meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten lasse»? — (Er nimmt und trinkt)

Der wirrh.

Wohl bekomms, Herr Zust!

Just, (indem er das Gläßchen wieder zurück giebt) Nicht Übel! —

Aber Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian!

Der Wirth.

Nicht doch, nicht doch! — Geschwind noch

eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen. Just,

(nachdem er getrunken)

Das muß ich sagen: gut, sehr

gut! — Selbst gemacht, Herr Wirth? —

Der Wirth.

Behüte! veritabler Danziger! echter, doppel­

ter Lachs! Just.

Sieht Er, Herr Wirth; wenn ich heucheln könnte,

so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß

raus — Er ist doch ein Grobian, Herr Wirth! Der Wirth. Zn meinem Leben hat mir das noch niemand

gesagt. — Noch eins, Herr Zust; aller guten Dinge sind drey!

Just.

Meinetwegen!

(Er trinkt)

Gut Ding, wahrlich gut

Ding! — Aber auch die Wahrheit ist gut Ding. — Herr Wirth, Er ist doch ein Grobian! Der Wirth.

Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so

mit anhören? Just.

O ja; denn selten hat ein Grobian Galle.

Der Wirth.

Nicht noch eins, Herr Zust?

Eine vierfache

Schnur hält desto besser. Just.

Wirth?

Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilfts Zhn, Herr

Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich

bey meiner Rede bleiben.

Pfuy, Herr Wirth; so guten Dan-

6

Minna von Barnhelm.

ziger zu haben, und so schlechte Mores! — Einem Manne, wie

meinem Herrn, der Zahr und Tag bey Zhm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Thaler gezogen, der in seinem Le­

ben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein Paar Mo­

nate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel auf­ gehen läßt, — in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen! Der Wirth. Da ich aber daS Zimmer nothwendig brauchte ? da ich voraus sahe, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurück­

kunft hätten warten können?

Sollte ich denn so eine fremde

Herrschaft wieder von meiner Thüre wcgfahren lassen? Sollte ich

einem andern Wirthe so einen Verdienst muthwillig in den Ra­ chen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonst wo un­ tergekommen wäre.

Die Wirthshäuser sind itzt alle stark besetzt.

Sollte eine so junge,

schöne,

liebenswürdige Dame auf der

Straße bleiben? Dazu ist sein Herr viel zu galant!

Und was

verliert er denn dabey? Habe ich ihm nicht rin anderes Zimmer

dafür eingcräumt?

Just.

Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen

des Nachbars Fcnermauren--------Der Wirth.

Die Aussicht war wohl sehr schön,

der verzweifelte Nachbar verbaute.

ehe sie

Das Zimmer ist doch sonst

galant, und tapeziert — Gewesen! Der Wirth. Nicht doch, die eine Wand ist es noch.

Juft.

Und

Sein Stübchen darneben, Herr Inst; was fehlt dem Stübchen?

Es hat einen Kamin; der zwar im Winter ein wenig raucht —

Iuft.

Aber doch im Sommer recht hübsch läßt. — Herr,

ich glaube gar, Er vexirt uns noch oben drein? — Der Wirth.

Iuft.

Mache

Nu, nu, Herr Zust, Herr Zust — Er Herr Znsten

den

Kopf

nicht

warm,

oder — Der Wirth. Ich macht ihn warm? der Danziger thnts! —

Iuft.

Einen Offner wie meinen Herrn!

Oder meint Er,

daß ein abgcdanktcr Officier nicht auch ein Officier ist, der Zhm

den Hals brechen kann? Warum wäret ihr denn im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirthe? Warum war denn da jeder

Minna von Barnhelm.

7

Ofsicier ein würdiger Mann, und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das Bißchen Friede schon so übermüthig? Der Wirch.

Just.

Was ereyfert Er sich nun, Herr Zust? —

Ich will mich ereyfem. — —

Dritter Auftritt.

v. Tellhrim. Der Wirth. Just. v. Tellheim. Just,

(im Hereintreten)

Zust!

(in der Meynung, daß ihn der Wirth nenne)

Zust? —e)

So bekannt sind wir? —

v Tellheim. Just.

Znst!

Zch dächte, ich wäre wohl Herr Zust für Zhn!

Der Wirth,

(der den Major gewahr wird) St! st! Herr, Herr,

Herr Znst — sch Er sich doch um; sein Herr — —

v. Lellhcim

Zust, ich glaubt, du zankst? Was habe ich

dir befohlen? Der Wirch. O, Zhro Gnaden! zanken?

Da sey Gott vor!

Zhr untcrthänigster Knecht sollte sich unterstehen,

mit einem,

der die Gnade hat, Zhnen anzugehören, zu zanken? Just.

Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel ge­

ben dürfte!-------- Der Wirth. Es

ist wahr, Herr Znst spricht für seinen

Herrn, und ein wenig hitzig. Aber daran thllt er recht; ich schätze

ihn nm so viel höher; ich liebe ihn darum. — Just.

Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!

Der Wirth.

Nur Schade,

daß er sich

umsonst erhitzet.

Denn ich bin gewiß versichert, daß Zhro Gnaden keine Un­

gnade deswegen auf mich geworfen haben, weil — die Noth — mich nothwendig **) — v. Tellheim.

Schon zu viel, mein Herr! Zch bin Zhnen

schuldig; Sie räumen Mir, in meiner Abwesenheit, das Zim­ mer aus; Sie müsse» bezahlt werden; ich muß wo auders nn-

tcrzukommen suchen. Der Wirth.

Sehr natürlich!

Wo anders? Sie wollen auszichen, gnädiger

•) „Just? —" fehlt den Ausgaben, steht aber in der Handschrift. ”) Das Wort „nothwendig" ist erst in der Ausgabe von 1770 hinzu gekommen.

8

Minna von Barnhelm.

Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! men.

lassen;

Eher muß die Dame das Quartier wieder räu­

Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht

helfen. — Zch gehe, gnädiger Herr--------v. Lellheim. nen!

Freund, nicht zwey dumme Streiche für ei­

Die Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben —

Der Wirch.

Und Zhro Gnaden sollten glauben, daß ich

aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung-------- ? Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Zhro Gnaden bezahlen kön­ nen, so bald Sie nur wollen.-------— Das versiegelte Beutel­

chen, — fünfhundert Thaler Louisdor, stehet drauf, — — wel­ ches Zhro Gnaden in dem Schreibepnlte stehen gehabt, — —

ist in guter Verwahrung. —

v. Tellheim.

Das will ich hoffen;

so wie meine übrige

Sachen. — Zust soll sie in Empfang nehmen, wenn er Zhnen

die Rechnung bezahlt hat.---------

Der Wirth.

Wahrhaftig, ich erschrack recht, als ich das

Beutelchen fand. — Zch habe immer Zhro Gnaden für einen

ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgiebt.--------- Aber dennoch,---------- wenn ich baar Geld

in dem Schreibepulte vermuthet hätte---------

v. Lellheim.

Würden Sie höflicher mit mir verfahren seyn.

Zch verstehe Sie. — Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen. — —

Der Wirth-

Aber gnädiger Herr---------

v. Lellheim.

Komm Zust, der Herr will nicht erlauben,

daß ich dir in feinem Hause sage, was du thun sollst.---------

Der Wirth.

Zch gehe ja schon, gnädiger Herr! — Mein

ganzes Haus ist zu Zhren Diensten.

Vierter Auftritt. v. Tellherm.

Just.

Just, (der mit dem Fuße stampft, und dem Wirthe nachspuckt) Pfuy!

v. Lellheim. Just.

Was giebts?

Zch ersticke vor Bosheit.

v. Lellheim.

Das wäre so viel, als an Vollblütigkeit.

Minna von Barnhelm. Und Sie,

Just.

Herr.



Sie

9

erkenne ich nicht mehr,

mein

Zch sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schlitz­

engel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Gal­

gen und Schwert und Rad, hätte ich ihn — hätte ich ihn mit

diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen. — v. Lellheim.

Bestie!

Lieber Bestie, als so ein Mensch!

Just.

v. Lellheim.

Was willst du aber?

Zch will,

Just.

daß Sie cs empfinden sollen,

wie sehr

man Sie beleidiget. v. Lellheim.

Und dann?

Daß Sie sich rächten, — Nein, der Kerl ist Zh-

Just.

nen zu gering. — ». Lellheim. Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu

rächen?

Das war von Anfang mein Gedanke.

Er hätte mich

nicht wieder mit Augen sehen, und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen.

Zch weiß, daß du eine Hand voll

Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene hinwerfen kannst. — Just.

So? eine vortreffliche Rache! —

v. Lellheim.

Aber die wir noch verschieben muffen.

habe keinen Heller baares Geld mehr!

ich weiß

auch

Zch keines

aufzutreiben.

Just.

Kein baares Geld?

Und was ist denn das für ein

Beutel, mit fünfhundert Thaler Louisdor, den der Wirth in

Ihrem Schreibpulte gefunden? v. Lellheim.

Das ist Geld, welches mir ausiuheben gege­

ben worden. Just.

Doch nicht die hundert Pistolen, die Zhnen Zhr al­

ter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte? v. Lellheim.

Die nehmlichen, von Paul Wernern.

Wa­

rum nicht?

Diese haben Sie noch nicht gebraucht?

Nkein Herr,

mit diesen können Sie machen was Sie wollen.

Auf meine

Just.

Verantwortung — v. Lellheim.

Just.

Wahrhaftig?

Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ih­

ren Foderungen an die Generalkriegeskaffe aufzieht.

Er hörte —

Minna von Barnhclm.

10

v. Tellheim. Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. — Ich bin dir sehr verbunden, Znst. — Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein Bißchen

Armuth mit mir zu theilen. — Es ist mir doch lieb, daß ich

es errathen habe. — Höre Zust, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.--------Just.

Wie? was?

v. Tellheim.

Kein Wort mehr; es kömmt jemand. —

Fünfter Allstritt. Eine Dame in Trauer,

Die Dame.

». Tellheim. Die Dame.

v. Tellheim.

Just.

Ich bitte nm Verzeihung, mein Herr! —

Wen suchen Sie, Madame? — Eben den würdigen Mann, mit welchem ich

die Ehre habe zu sprechen.

Sie kennen mich nicht mehr? Ich

bin die Wittwe Zhres ehemaligen Stabsrittmeisters — v. Tellheim.

des

Um

Himmels

willen,

gnädige Frau!

welche Veränderung! — Die Dame.

Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das

mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf.

muß Ihnen früh beschwerlich fallen, Herr Major.

Ich

Ich reise

auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht

glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten. — v. Tellheim.

(zu Zust)

Geh, laß uns allein. —

Sechster Auftritt. Die Dame.

v. Tellheim.

v. Tellheim.

Reden Sie frey,

gnädige Frau!

dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen.

Bor mir

Kann ich Ih­

nen worinn dienen? Die Dame- Mein Herr Major — v. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worinn kann

ich Ihnen dienen? Sic wissen, Ihr Gemahl war mcin Frcnild; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.

Die Dame.

Wer weiß cS besser, als ich, wie werth Sic

seiner Frcnndschaft waren, wie werth er der Ihrigen war? Sic würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner

11

Minus von Barnhelm.

sterbenden Lippen gewesen seyn, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine

unglückliche Gattin gcfodert —

v. Tellheim.

Hören Sic auf, Madame!

Weinen wollte

ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Thränen.

schonen Sie mich!

Ver­

Sie finden mich in einer Stunde, wo ich

leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren. — D mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was ha­

ben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen im Stande bin, wenn ich es bin — Die Dame.

Ich darf nicht abreiscn,

Willen zu vollziehen.

ohne seinen

letzten

Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende,

daß er als Ihr Schuldner sterbe,

und beschwor mich,

diese

Ich habe

seine

Schuld mit der ersten Baarschaft zu tilgen.

Equipage verkauft, und komme seine Handschrift einzulösen. —

v. Tellheim.

Die Dame-

Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie? Darum.

Erlauben Sie, daß ich das Geld

aufzähle.

v. Lellhsim.

Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig?

das kann schwerlich seyn.

Taschenbuch heraus, und sucht)

Die Dame.

Lassen Sie doch sehen,

(er ziehet sei»

Ich finde nichts.

Sie werden seine Handschrift verlegt

haben,

und die Handschrift thlit nichts zur Sache. — Erlauben Sie —

v. Tellhcim. verlegen.

Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu

Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß

ich nie eine gehabt habe, oder daß sie getilgt, und von mir schon zurück gegeben worden.

Die Damev. Teil heim.

Herr Major! — Ganz gewiß, gnädige Frau.

nichts schtlldig geblieben.

Marloff ist mir

Ich wüßte mich auch nicht zu erin­

nern, daß er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre,

blicht

anders, Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner

hinterlassen.

Ich habe nie etwas thun können, mich mit eincm

Manne abzufinden, der sechs Jahr Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir gcthcilct.

daß

ein Sohn von ihm da ist.

Ich werde es nicht vergessen, Er wird mein Sohn seyn,

Minna von Barnhelm.

12

so bald ich fein Vater seyn kann.

Die Verwirrung, in der ich

mich itzt selbst befinde — Edelmüthiger Mann!

Die Dame

von mir nicht zu klein.

Aber denken Sie auch

Nehmen Sie das Geld, Herr Major;

so bin ich wenigstens beruhiget. —

v. Tellheim.

Was

zu Ihrer Beruhigung

brauchen Sie

weiter, als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht ge­ höret ? Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Wayse meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das würde es in

dem eigentlichsten Verstände seyn.

Ihm gehört es; für ihn le­

gen Sie eS an. — Die Dame. Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohlthaten annehmen muß.

Woher wissen es denn aber auch Sie, daß eine Mutter mehr für ihren Sohn thut, als sie für ihr eigen Leben thun wurde? Ich gehe —

v. Lellheim.

Gehen Sie, Madame, gehen Sie!

Reisen

Sie glücklich! Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht von Ihnen zu

geben.

Sie möchte mir zu einer Zeit kommen, wo ich sie nicht

nutzen könnte.

Aber noch eines, gnädige Frau; bald hätte ich

das Wichtigste vergessen.

Marloff hat noch au der Kaffe un­

sers ehemaligen Regiments zu sodern.

so richtig, wie die meinigen.

auch die seinigeu bezahlt werden.

Die Dame-

Seine Foderungen sind

Werden meine bezahlt, so müssen Ich haste dafür. —

O! mein Herr — Aber ich schweige lieber. —

Künftige Wohlthaten so vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben.

lohnung, und meine Thränen!

Empfangen Sie seine Be­

(geht ab)

Siebender Austritt. v. Tellheim.

Armes, braves Weib!

zu vernichte»,

Ich muß nicht vergessen, den Bettel

(er nimmt au« seinem Taschenbuche Briefschaften, die er

zerreißt) Wer steht mir dafür, daß eigner Mangel mich nicht ein­

mal verleitet» könnte, Gebratich davon ztt machen?

M'lina von Barnhelm.

13

Achter Auftritt.

Just. v. Tellheim. v. Tellheim.

Bist du da?

Just, (indcm er sich die Augen wischt) Za!

v. Tellheim.

Just.

Du hast geweint?

Zch habe in der Ki'iche meine Rechnung geschrieben,

und die Küche ist voll Ranch. v. Tellheim. Just.

Hier ist sie, mein Herr!

Gieb her.

Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr.

Zch

weiß wohl, daß die Menschen mit Zhnen keine haben; aber — v. Tellheim. Just-

Was willst du?

Zch hätte mir eher den Tod, als meinen Abschied

vermuthet.

v. Tellheim.

Zch kann dich nicht länger brauchen; ich muß

mich ohne Bedienten behelfen lernen,

(schlägt die Rechnung auf

und liefet) „Was der Herr Major mir schuldig:

Drey und ei-

„nen halben Monat Lohn, den Monat 6 Thaler, macht 21 „Thaler.

Seit dem ersten dieses, an Kleinigkeiten ausgelegt,

„1 Thlr. 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum, 22 Thaler 7 Gr. „9 Pf." — Gut, und cs ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.

Just.

Die andere Seite, Herr Major —

v. Tellheim. „ich schuldig:

Noch mehr? (liefet) „Was dem Herrn Major

An den Feldscheer für mich bezahlt, 25 Thaler.

„Für Wartung und Pflege, während meiner Kur, für mich

„bezahlt, 39 Thlr.

Meinem abgebrannten und geplünderten

„Baker, auf meine Bitte, vorgeschossen, ohne die zwey Beutepferde „zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Thaler.

„marum, 114 Thaler.

Summa Sum-

Davon abgezogen vorstehende 22 Thlr.

„7 Gr. 9 Pf. Bleibe dem Herrn Major schuldig, 91 Thlr. „16 Gr. 3 Pf." — Kerl, du bist toll! — Just-

Zch glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste.

Aber es wäre verlorne Dinte, es dazu zu schreiben.

Zch kann

Zhnen das nicht bezahlen; und wenn Sie mir vollends die Livcrey nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe, — so wollte

ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarcthe krepircn lassen.

Minna von Barnhclni.

14 v. Lellheim.

Wofür sichst du mich an? Du bist mir nichts

schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfeh­

len, bey dem du cs besser haben sollst, als bey mir. Just-

Zch bin Zhnen nichts schuldig, und doch wollen Sie

mich verstoßen? v. Tellhcim.

Iust-

Weil ich dir nichts schuldig werden will.

Darum?

nur

darum?

So



gewiß

ich Zhnen

schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen. — Machen Sic,

was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bey Zhnen; ich muß bey Zhnen bleiben. —

v. Lellheim.

Und deine Hartnäckigkeit,

wildes ungestümes Wesen gegen alle, daß

sie

dir nichts zu sagen haben,

dein Trotz, dein

von denen du Meinest,

deine tückische Schaden-

frcllde, deine Rachsucht---------

Jusk.

Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich

will darum doch nicht schlechter von mir denken, als von mei­

nem Hunde.

Vorigen Winter ging ich in der Demmcrung an

dem Kanäle, und hörte etwas winseln.

Zch stieg herab, und

griff nach der Stimme, und glaubte ein Kind zil retten, und zog einen Bude! aus dem Wasser.

Auch gut; dachte ich.

Der

Budcl kam mir nach; aber ich bin kein Liebhaber von Budcln. Zch jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, tlmsonst. Zch ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor

der Thüre auf der Schwelle.

Wo er mir zu nahe kam, stieß

ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an, und wedelte mit dem Schwänze.

Noch hat er keinen Bissen Brod aus mei­

ner Hand bekommen; und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrührcn darf.

Er springt

macht mir seine Künste unbefohlcn vor. Budel, aber ein gar zu guter Hund.

vor mir

her,

und

Es ist ein häßlicher

Wenn er es länger treibt,

so höre ich endlich auf, den Budcln gram zu seyn.

v. Lellhcim.

(bey Seite)

So wie ich ihm! Nein, es giebt

keine völlige Unmenschen!--------- Zust, wir bleiben beysammen. Just.

behelfen?

Ganz gewiß!

— Sie wollten sich ohne Bedienten

Sie vergessen Zhrer Blessuren, und daß Sie nur' ei­

nes Armes mächtig sind.

Sie können sich ja nicht allein an-

Minna von Barnhelm.

kleiden.

15

Zch bin Zhncn unentbehrlich; und bin, — — ohne

mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Bedienter, der — wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt, — für

seinen Herrn betteln und stehlen kann. v. Tellheim. Zust, wir bleiben nicht beysammen.

Inst.

Schon gut!

Nelinter Auftritt.

Ein Bedienter,

v. Tellheim. Just.

Der Bediente. Bst! Kammerad! Inst. WaS gicbts? Der Bediente. Kann Er mir nicht den Offieier nachweisen, der gestern noch in diesem Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er hcrkommt) gewohnt hat? Just. Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm? Der Bediente- Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen; ein Kompliment. Meine Herrschaft hört, das; er durch sie verdrengt worden. Meine Herrschaft weiß zu leben, und ich soll ihn desfalls um Verzeihung bitten. Iust- Nun so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.

Der Bediente- Was ist er? Wie nennt man ihn? v. Lellheim. Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie ich soll. Macht ihr meinen Empfehl. — Wie heißt Eure Herrschaft? — Der Bediente- Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen. v. rLellheim. Und ihr Familienname? Der Bediente. Den habe ich noch nicht gehört, und dar­ nach zu fragen, ist meine Sache nicht. Zch richte mich so ein, daß ich meistentheils aller sechs Wochen eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen! — Just. Bravo, Kammerad! Der Bediente. Zn dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht, glaube ich, hier ihren Bräu­ tigam. —

Minna von Barnhclm.

16 v. Tellheim.

Gemlg,

mein Freund.

rer Herrschaft wollte ich wissen;

Den Namen

Eu­

aber nicht ihre Geheimnisse.

Geht nur! Der Bediente.

Kammerad, das wäre kein Herr für mich!

Zehnter Auftritt. Just,

v. Tellheim. v. Tellheim.

Mache, Zust,

mache, daß wir aus diesem

Hause kommen! Die Höflichkeit der fremden Dame ist mir em­ pfindlicher, als die Grobheit des Wirths.

Hier nimm diesen

Ring; die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist; von der ich

nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen! — Ver­ setze ihn! laß dir achtzig Friedrichdor darauf geben; die Rechnung deS Wirths kann keine dreyßig betragen.

Bezahle ihn,

rind räume meine Sachen — Za, wohin? — Wohin du willst.

Der wohlfeilste Gasthof, der beste.

Du sollst mich hier neben

an, auf dem Kaffehause, treffen. Zch gehe; mache deine Sache

gut. — Just.

Sorgen Sie nicht, Herr Major! —

v. Tellheim.

(kömmt wieder zurück) Vor allen Dingen, daß

meine Pistolen, die hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden. Just.

Zch will nichts vergessen.

V. Tellheim.

(kömmt nochmals zurück) Noch eins: nimm mir

auch deinen Budel mit; hörst du, Zust! —

Eilfter Auftritt. Iust.

Der Budel wird nicht zurück bleiben.

Dafür laß ich den

Budel sorgen. — Hm! auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn in der Tasche, anstatt am Finger?

— Glitcr Wirth, wir sind so kahl noch nicht, als wir scheinen. Bey ihm, bey ihm selbst will ich dich versetzen, schönes Ringclchen!

Zch weiß, er ärgert sich, daß du in seinem Hanse nicht

ganz sollst verzehrt werden! — Ah —

Minna von Barnhelm.

17

Zwölfter Zluftritt. Paul Werner.

Just.

Sich da, Werner! guten Tag, Werner! willkom­

Just.

men in der Stadt! Werner. Das verwünschte Dorf! 4vieder gewöhne werden.

sches Geld! Just.

Zch

kanns

unmöglich

Lustig, Kinder, lustig; ich bringe fri­

Wo ist der Major?

Er muß dir begegnet seyn; er ging eben die Treppe

herab. Werner.

gehts ihm?

Zch komme die Hintertreppe

herauf.

Nun wie

Zch wäre schon vorige Woche bei Euch gewesen;

aber — Just.

Nun? was hat dich abgehalten? —

Werner. — Zust, — hast du von dem Prinzen Heraktius

gehört?

Just.

Heraklius?

Werner.

Zch wüßte nicht.

Kennst bu den großen

Helden im Morgenlande

nicht? Just.

Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl,

die ums Neujahr mit dem Sterne herumlauffen.--------Werner.

Mensch, ich glaube, bu liesest eben so wenig die

Zeitungen, als die Bibel? — Du kennst den Prinz Heraklius nicht? den braven Mann nicht, der Persien weggenommen, und nächster Tage die ottomannische Pforte einsprengcii wird? Gott

sey Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt Krieg ist! Zch

habe lange genug gehest, es sollte hier wieder losgehen.

da sitzen sie, und heilen sich die Haut.

Aber

Nein, Soldat war ich,

Soldat muß ich wieder seyn! Kurz, — (indem er sich schüchtern umfleht, ob ihn jemand behorcht) im Bertranen, Zust; ich wandere nach Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen,

Heraklius, ein Paar Feldzuge wider den Türken zu machen.

Just.

Du?

Werner.

Zch, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren

zogen fleißig wider den Türken; und das sollten wir noch thun,

wenn wir ehrliche Kerls und gute Christen wären.

begreifst ich wohl,

Freylich

daß ein Feldzug wider den Türken

2

nicht

Minna von Barnhelw.

18

halb so lustig seyn kann, als einer wider den Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher seyn, in diesem und in

jenem Leben.

Die Türken haben

dir alle Säbels mit Dia­

manten besetzt —

I«st-

Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu

lassen, reise ich nicht eine Meile.

Du wirst doch nicht toll seyn,

lind dein schönes Schulzengerichte verlassen? — Werner.

O, das nehme ich mit! — Merkst du was? —

Das Gütchen ist verkauft---------

Just.

Verkauft?

Werner.

St! — hier sind hundert Dukaten, die ich ge­

stern auf den Kauf bekommen; die bring ich dem Major —

I»st-

Und was soll der damit?

Werner.

Was er damit soll?

Verzehren soll er sie; ver­

spielen, vertrinken, ver — wie er will.

Der Mann muß Geld

haben, und cs ist schlecht genug, daß man ihm das Seinige

so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich thäte, wenn ich an seiner Stelle wäre!

Ich dächte: hohl euch hier alle der

Henker; und ginge mit Paul Wernern nach Persien! — Blitz! — der Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben; wenn er auch schon seinen gewesenen Wachtmei­ ster, Pali! Wernerri, nicht kennt. Unsere Affaire bei den Katzen­ häusern —

Just.

Soll ich dir die erzehlen? —

Werner.

Du mir? — Ich merke wohl, daß eine schöne

Disposition über deinen Verstand geht.

Zch will meine Per­

len nicht vor die Säue werfen. — Da nimm die hundert Du­

katen; gieb sie dem Major.

aufheben.

Sage ihm: er soll mir auch die

Zch muß itzt auf den Markt; ich habe zwey Win-

spel Rocken herein geschickt; was ich daraus löse, kann er gleich­

falls haben. — Just.

Werner, du meynst es herzlich gut; aber wir mögen

dein Geld nicht.

Pistolen

Behalte deine Dukaten, lind deine hundert

kannst du auch unversehrt

wieder bekommen, sobald

als du willst. — Werner.

Just.

So? hat denn der Major noch Geld?

Nein.

Minna von Barnhelm.

Werner. Just.

Hat er sich wo welches geborgt? ”)

Nein.

Und wovon lebt ihr denn?

Werner. Just.

19

Mir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr

anschreiben will, und uns zum Hause herauSwirft, so versetzen

wir, was wir noch haben, und ziehen weiter. — Höre nur, Paul; dem Wirthe hier müssen wir einen Possen spielen.

Hat er dem Major was in den Weg gelegt? —

Werner.

Ich bin dabey! —

Inst.

Wie wärs, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus

der Tabagie kömmt, aufpaßten, und ihn brav dnrchprügelten? —

Werner.

Des Abends?

— aufpaßten? — ihrer Zwey,

einem? — Das ist nichts. —

Just.

Oder,

wenn wir ihm das Haus

über

dem Kopf

ansteckten? — Werner.

Sengen und brennen? — Kerl, man hörtS, daß

du Packknecht gewesen bist, und nicht Soldat; — pfuy!

Just.

Oder, wenn wir ihm seine Tochter zur Hure mach­

ten? Sie ist zwar verdammt häßlich---------

Werner.

O da wird sies lange schon seyn! Und allenfalls

bratlchst du auch hierzu keinen Gehülfen.

Aber was hast du

denn? Was giebts beim?

Just.

Komm nur, du sollst dein Wunder hören!

Werner.

Just.

So ist der Teufel wohl hier gar los?

Za wohl; komm nur!

Werner.

Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!

Zweiter Aufzug. . Erster Austritt. Minna von Barnhelm.

Franc, ska.

(Die Scene ist in dem Zimmer M Fräuleins.)

Das Fräulein,

(im Negligee, nach ihrer Uhr sehend)

wir sind allch sehr früh aufgestanden.

Franciska,

Die Zeit wird uns lang

werden. *) Diese Rede mit der Antwort fehlen den Drucken.

20

Minna von Barnhelm.

Franciska.

schlafen?

Wer kann in den verzweifelten großen Städten

Die Karossen, die Nachtwächter, die Trommeln, die

Katzen, die Korporals — das hört nicht auf zu rasseln, zu schreyen,*) zu wirbeln, zu mauen, zu fluchen; gerade, als ob

die Nacht zu nichts weniger wäre, als zur Ruhe. — Eine Lasse Thee, gnädiges Fräulein? —

Das Fräulein. Franciska.

Das Fräulein.

Franciska

Der Thee schmeckt mir nicht. —

Ich will von unserer Schokolate machen lassen.

Laß machen , für dich!

Für mich?

Ich wollte eben so gern für mich

allein plaudern, als für mich allein trinken. — Freilich wird

uns

die Zeit so

lang

werden. — Wir werden,

vor langer

Weile, uns putzen müssen, und das Kleid versuchen, in welchem wir den ersten Sturm geben wollen.

Was redest du von Stürmen, da ich bloß

Das Fräulein.

herkomme, die Haltung der Kapitulation zu fodern? Franciska.

Und

der Herr Officier,

den

wir

vertrieben,

und dem wir das Kompliment darüber machen lassen; er

muß

auch nicht die feinste Lebensart haben; sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lassen, uns seine Aufwartung machen

zu dürfen. — Das Fräulein.

Es sind nicht alle Officiere TellheimS.

Die

Wahrheit zu sagen, ich ließ ihm das Kompliment auch bloß machen, um Gelegenheit zu haben, mich nach diesem bey ihm

zu erkundigen. — Franciska, mein Herz sagt es mir, daß meine Reise glücklich seyn wird, daß ich ihn finden werde. — Franciska.

Das

Herz,

gnädiges

doch ja seinem Herzen nicht zu viel.

waltig gern nach dem Maule. neigt wäre,

Fräulein?

Man

traue

Das Herz redet uns ge­

Wenn das Maul eben so ge­

nach dem Herzen zu reden,

so wäre die Mode

längst anfgekommen, die Mäuler unterm Schlosse zu tragen.

Das Fräulein. Ha! ha! mit deinen Mäulern unterm Schlosse!

Die Mode wäre mir eben recht!

Franciska.

Lieber

die

schönsten Zähne

nicht gezeigt,

alle Augenblicke das Herz darüber springen lassen! ) zu blecken, in der Handschrift.

als

Minna von Barnhelm.

Was? bist du so zurückhaltend? —

Das Fräulein. Franciska.

21

Nein,

gnädiges Fräulein;

sondern ich wollte

Man spricht selten von der Tugend, die

es gern mehr seyn.

man hat; aber desto öftrer von der, die unS fehlt. Das Fräulein. Sichst

du,

Franciska?

da

hast

du

eine

sehr gute Anmerkung gemacht. —

Franciska.

Gemacht? Macht man das, was einem so ein­

fällt?

Das Fräulein.

Und weißt du, warum ich eigentlich diese

Anmerkung so gut finde? Tellheim. Franciska.

Was

Sie hat viel Beziehung auf meinen

hätte bey Ihnen

nicht auch Beziehung

auf ihn? Das Fraulein.

Freund und Feind sagen, daß er der tap­

ferste Mann von der Welt ist. keit jemals reden hören?

Aber wer hat ihn von Tapfer­

Er hat das rechtschaffenste Herz, aber

Rechtschaffenheit nnd Edelmuth sind Worte, die er nie ans die Zunge bringt.

Franciska.

Von was für Tugenden spricht er denn?

Das Fräulein. Franciska.

Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.

Das wollte ich nur hören.

Das Fraulein.

Warte, Franciska;

spricht sehr oft von Oekonomie.

ich besinne mich.

Er

Zm Vertrauen, Franciska; ich

glaube, der Mann ist ein Verschwender.

Franciska.

Noch eins, gnädiges Fräulein.

Ich habe ihn

auch sehr oft der Treue und Beständigkeit gegen Sie erwähnen

hören.

Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeist wäre?

Das Fräulein.

Du unglückliche! — Aber meinest du das

im Ernste, Franciska? Franciska-

Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht ge­

schrieben? Das Fräulein.

Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein

einzigesmal geschrieben.

Franciska.

Auch ein Senfter wider den Frieden! Wunder­

bar! der Friede sollte nur das Böse wieder gut Machen, daö

der Krieg gestiftet, und er zerüttet auch das Gute, was dieser sein Gegenpart etwa noch veranlasset hat.

Der Friede sollte

Minna von Barnhclm.

22

so eigensinnig nicht seyn! — Und wie lange haben wir schon

Friede? Die Zeit wird einem gewaltig laug, wenn es so we­ nig Neuigkeiten giebt. — Umsonst gehen die Posten wieder rich­

tig; niemand schreibt; den» niemand hat was zu schreiben.

.(*$ ist Friede, schrieb er mir, und ich nä­

Das Fräulein.

here mich der Erfüllung meiner Wünsche.

Aber, daß er mir

dieses nur einmal, nur ein einzigcsmal geschrieben —

Francieka. — Daß er uns zwingt,

dieser Erfüllung der

Wünsche selbst entgegen zu eilen: finden wir ihn nur; das soll

er uns entgelten! — Wenn indeß der Mann doch Wünsche

erfüllt hätte, und wir erführen hier — (ängstlich und hitzig) Daß er todt wäre?

Das Fräulein,

Franciska.

Für Sie, gnädiges Fräulein; in den Armen

einer andern. — Das Fräulein.

Du Quälgeist! Warte, Franciska, er soll

dir es gedenken! — Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wie­

der ein. — Sein Regiment ward nach dem Frieden zerrissen. Wer weiß, in welche Verwirrung von Rechnungen und Nach­

weisungen er dadurch gerathen? Wer weiß, zu welchem andern Regimente, in welche entlegne Provinz er versetzt worden? Wer

weiß, welche Umstände — Es pocht jemand. Francieka.

Herein!

Zweyter Auftritt. Der Wirth. Der Wirch,

Die Vorigen-

(den Kopf voranstcckend)

Zst es erlaubt,

meine

gnädige Herrschaft? —

Francieka.

Unser Herr Wirth? — Nur vollends herein.

Der Wirch, (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und Schreibezeug in der Hand) Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen

einen unterthänigen guten Morgen zu wünschen, — (zur Franciska)

und auch Ihr, mein schönes Kind, — Francieka.

Ein höflicher Mann!

Das Fräulein-

Francieka. Der Wirth.

Wir bedanken llns.

Und wünschen Ihm alich einen guten Morgen. Darf ich

mich

unterstehen 511 fragen,

wie

23

Minna von Barnhelm.

Zhro Gnaden die erste Nacht unter meinem schlechten Deiche geruhet? —

Franciska.

Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirch;

aber die Betten hätten können besser seyn. Der Wirch.

Was höre ich?

Nicht wohl geruht?

Viel­

leicht, daß die gar zu große Ermüdung von der Reise — Das Fräulein.

Der Wirch.

Es kann seyn.

Gewiß, gewiß!

denn

sonst



— Indeß,

sollte etwas nicht vollkommen nach Zhro Gnaden Bequemlichkeit

gewesen seyn, so genchen Zhro Gnaden nur zu befehlen. Franciska. blöde;

Gut, Herr Wirth, gut!

Wir sind auch nicht

und am wenigsten muß man im Gasthofe blöde seyn.

Wir wollen schon sagen, wie wir es gern hätten.

Der Wirch.

Hiernächst komme ich zugleich — (Indem er die

Zeder hinter dem Ohre hervorzieht)

Franciska. Der Wirth.

Nun? — Ohne Zweifel kennen Zhro Gnaden schon die

weisen Verordnungen unsrer Policey.

Das Fräulein-

Nicht im geringsten, Herr Wirth. —

Wir Wirthe sind angewiesen, keinen Frcm-

Der Wirch.

den, weS Standes und Geschlechts er auch sey, vier und zwan­

zig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen, Hcymath, Cha­

rakter, hiesige Geschäfte, vermuthliche Dauer des Aufenthalts, und so weiter, gehörigen Orts schriftlich einznrcichen. Das Fräulein.

Der Wirch.

Sehr wohl.

Zhro Gnaden werden also sich gefallen las­

sen — (indem er an einen Tisch tritt, und sich fertig wacht, zu schreiben) Das Fräulein.

Sehr gern. — Zch heiße —

Der Wirch. Einen kleinen Augenblick Geduld! — (er schreibt) „Dato, dm 22. August °) a. c. aUhtn zm» aromge wii vspa-

„nien angelangt" — Nun Dero Namen, gnädiges Fräulein?

Das Fräulein. Der Wirch,

Das Fräulein von Barnhelm.

(schreibt) „von Barnhelm" — Kommend? wo­

her, gnädiges Fräulein?

') Lessing hat erst geschrieben „September", dies aber nachher ausge-

sirichen.

Minna von Barnhelm.

24

Das Fräulein.

Von meinen Gütern ans Sachsen.

(schreibt) „Gütern aus Sachsen" — Aus Sach­

Der Wirttr

sen ! Ey, ey, aus Sachsen, gnädiges Fräulein? aus Sachsen? Franciska-

Nun?

warum nicht?

Es ist doch wohl hier

zu Lande keine Sünde, aus Sachsen zu seyn?

Der Wirth.

Eine

Sünde?

Behüte!

das

wäre

ja

eine

ganz neue Sünde! — Aus Sachsen also? Ey, ey! aus Sach­

sen! das liebe Sachsen! — Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein, und hat mehrere — wie soll

ich es nennen? — Districkte, Provinzen. — Unsere Police») ist sehr cxackt, gnädiges Fräulein. —

Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thü­

Das Fräulein. ringen also. Der Wirth.

Aus Thüringen! Za, das ist besser, gnädiges

Fräulein, das ist genauer. — (schreibt und lieft) „Das Fräulein

„von Barnhclm, kommend von ihren Gütern aus Thüringen,

„nebst einer Kammerfrau und zwey Bedienten" — Franciska.

Einer Kammerfrau?

Franciska.

das soll ich wohl seyn?

Za, mein schönes Kind. —

Der Wirth.

Nun, Herr Wirth, so setzen Sie anstatt Kam­

merfrau, Kammerjungfer. — Ich höre die Policcy ist sehr crackt;

es möchte ein Mißverständniß geben, tvrlcheS mir bey meinem

Aufgebote einmal Händel machen könnte.

Denn ich bin wirk­

lich noch Zungfer, und heiße Franciska; mit dem Geschlechtsna­

men, Willig; Franciska Willig.

Zch bin auch aus Thüringen.

Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnä­ digen Fräuleins.

Es heißt Klein-Rammsdorf.

hat itzt mein Bruder.

Die Mühle

Zch kam sehr jung auf den Hof, und

ward, mit dem gnädigen Fräulein -nogcn. Wir sind von ei­ nem Alter; künftige Lichtmeß ein und zwanzig Zahr. Zch habe

alles gelernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat.

Es soll

mir lieb seyn, wenn mich die Policey recht kennt. Der Wirth. Gut,

mein schönes Kind;

das will ich nur

auf weitere Nachfrage merken. — Aber nunmehr, gnädiges Fräu­ lein , Dero Verrichtungen allhicr? —

Das Fräulein.

Meine Verrichtungen.

Mtniia von Bariihelm.

25

Suchen Jhro Gnaden etwas bey des Königs

Der Wirth. Majestät? Das Fräulein.

O, nein! Oder bey unsern hohen Justitzkollegiis?

Der Wirth.

Auch nicht.

Das Fräulein.

Oder —

Der Wirth.

Zch bin lediglich in meinen

Nein, nein.

Das Fräulein.

eigenen Angelegenheiten hier. Der Wirch.

Ganz

wohl,

gnädiges

Fräulein;

aber

wie

nennen sich diese eigene Angelegenheiten?

Sie nennen sich — Franciska, ich glaube,

Das Fräulein.

wir werden vernommen. Franciska- Herr Wirth, die Policey wird doch nicht die

Geheimnisse eines Frauenzimmers zu wissen verlangen?

Der Wirch.

Allerdings, mein schönes Kind: die Policey

will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse.

Franciska.

Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu thun?

— So hören Sic nur, Herr Wirth; — aber daß es ja unter

uns und der Policey bleibt! — Das Fräulein. Franciska-

Was wird ihm die Närrinn sagen?

Wir kommen, dem Könige einen Ofstcier weg­

zukapern —

Der Wirth. Wie? was? Mein Kind! mein Kind!

Franciska-

Oder lins von dem Ofstciere kapern zu lassen.

Beydes ist eins.

Das Fräulein.

Franciska,

bist du toll? — Herr Wirth,

die Nasenweise hat Sie zum besten.

Der Wirth.

Ich will nicht hoffen! Zwar mit meiner We­

nigkeit kann sie scherzen so viel,

wie sie will; nur mit einer

hohen Policey — Das Fräulein.

Wissen Sie

was,

Herr Wirth? — Ich

weiß mich in dieser Sache nicht zu nehmen.

Ich dächte, Sie

ließen die ganze Schreibcrey bis auf die Anklinst meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er nicht mit mir zugleich angekommen.

Er verunglückte, zwey Meilen von hier,

mit seinem Wagen; lind wollte dlirchaus nicht, daß mich dieser Zufall eine Nacht mehr kosten sollte.

Ich mußte also voran.

Minna von Baruhelm.

26

Wenn er vier lind zwanzig Stunden nach mir eintrifft, so ist es das Längste.

Nun ja, gnädiges Fräulein, so wollen wir

Der Wirth.

ihn erwarten. Das Fräulein. können.

Er wird auf Zhre Frage besser antworten

Er wird wissen, wem, und wie weit er sich zu ent­

decken hat;

was er von seinen Geschäften anzeigen muß, und

was er davon verschweigen darf. Der Wirth.

Desto

besser!

Freylich, freylich

kann

man

von einem jrmgen Mädchen (die Franciska mit einer bedeutenden Miene ansehend) nicht verlangen, daß es

eine ernsthafte Sacht, mit

ernsthaften Leuten, ernsthaft tracktire —

Und die Zimmer für ihn, sind doch in Be­

Das Fräulein-

reitschaft, Herr Wirths Der Wirth. das eine — Franciska.

Völlig, gnädiges Fräulein,

völlig;

bis auf

Aus dem Sie vielleicht auch noch erst einen

ehrlichen Mann vertreiben müssen? Die Kammcrjuiigfcnl aus Sachsen, gnädiges

Der Wirth.

Fräulein, sind wohl sehr mitleidig. —

Doch, Herr Wirth; das habm Sie nicht

Das Fräulein. gut gemacht.

Lieber hätten Sie uns nicht einnehmen sollen.

Wie so, gnädiges Fräulein, wie so?

Der Wirth.

Ich höre, daß der Officier, welcher durch

Das Fräulein.

uns verdrengt worden —

Der Wirth.

Za nur ein abgcdanktcr Ofsicier ist,

gnädi­

ges Fräulein. — Das Fräulein. Der Wirth-

Wenn schon! —

Mit dem es zu Ende geht. —

Das Fräulein.

Desto schlimmer! Es soll ein sehr verdien­

ter Mann seyn.

Der Wirth.

Ich sage Zhncn ja, daß er abgedankt ist.

Das Fräulein.

Der König kann nicht alle verdiente Män­

ner kennen. Der Wirth-

Das Fräulein.

Der Wirth.

O gewiß, er keilnt sic, er kennt sie alle. — So kann er sie nicht alle belohnen. Sie wären

alle belohnt,

wenn sie darnach

Minna von Barnhelm.

gelebt hätten.

27

Aber so lebten die Herren, währendes Krieges,

als ob ewig Krieg bleiben würde; als ob das Dein »nd Mein

ewig anfgehoben seyn würde.

Jetzt liegen alle Wirthshänscr und

Gasthöfe von ihnen voll; und ein Wirth hat sich wohl mit ihneit

Zch bin mit diesem noch so ziemlich wcgge-

in Acht zu nehmen.

kommen. Hatte er gleich kein Geld mehr, so hatte er doch noch GeldcSwerth; und zwey, drey Monate hätte ich ihn freylich noch ruhig können sitzen lassen.

Doch besser ist besser. — A propos,

gnädiges Fräulein; Sie verstehen sich doch auf Juwelen? —

Nicht sonderlich.

Das Fräulein.

Der Wirth.

Was

sollte» Zhro

Gnaden

nichts

muß Ihnen einen Ring zeigen, einen kostbaren Ring.

— Zch

Zwar

gnädiges Fräulein haben da auch einen sehr schönen am Fin­

ger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich wun­ dern, daß er dem meinigen so ähnlich ist. — O! sehen Sie

doch, sehen Sie doch! (indem er ihn aus dem Futteral herausninuiit, und dem Fräulein hinrcicht) Welch ein Feuer! der mittelste Brillant

allein wiegt über fünf Karat. Das Fräulein,

(ihn betrachtend)

Wo bin ich? was seh ich?

Dieser Ring —

Der Wirth.

Ist seine fünfzehnhundert Thaler unter Brü­

dern werth. Franciska! — Sich doch! —

Das Fräulein.

Ich habe mich auch nicht einen Augenblick

Der Wirth.

bedacht, achtzig Pistolen darauf zu leihen. Erkennst du ihn nicht,'Franciska?

Das Fräulein.

Franciska.

Der Nehmliche!

— Herr Wirth,

wo

haben

Sie diesen Ring her? — Der Wirth.

Nun, mein Kind?

Sic hat doch wohl kein

Recht daran?

Franciska. werts

auf dem

Wir kein Recht an diesem Ringe? — Jini­

Kasten

muß

der

Fräulciit

verzogner Name

stehen. — Weisen Sie doch, Fräuleiii.

Das Fräulein.

Er ists, er ists! — Wie kommen Sie zu

diesem Ringe, Herr Wirth?

Der Wirth.

Zch? auf die ehrlichste Weise von der Welt. —

Gnädiges Fräulein, gnädiges Fräulein, Sie werden mich nicht

Minna von Barnhelm.

28

in Schaden und Unglück bringen wollen? sich der Ring eigentlich herschrcibt?

Was weiß ich, wo

Währendes Krieges hat

manches seinen Herrn, sehr oft, mit und ohne Vorbewußt des

Herrn, verändert.

Es werden mehr

Und Krieg war Krieg.

Ringe ans Sächselt über die Grenze gegangen seyn. — Geben Sie mir ihn wieder,

gnädiges Fräulein,

geben Sie mir ihn

wieder!

Franciska.

Erst geantwortet: von wem haben Sie ihn?

Der Wirch.

Von einem Manne,

dem ich so was nicht

zlttrauen kann; von einem sonst guten Manne — Von dem besten Manne unter der Sonne,

Das Fräulein.

wenn Sie ihn von seinem Eigenthümer haben. — Geschwind

bringen Sie mir den Mann!

Er ist es selbst, oder wenigstens

muß er ihn kennen. Der Wirch.

Franciska.

Wer denn? wenn denn, gnädiges Fräulein?

Hören Sie denn nicht? unsern Major. Major? Recht, er ist Major, der dieses Zim­

Der Wirch.

mer vor Zhnen bewohnt hat, lind von dem ich ihn habe.

Major von Tellhcim.

Das Fräulein.

Von Tcllheim; ja! Keimen Sie ihn?

Der Wirch.

Das Fräulein.

Ob ich ihn kenne?

Er ist hier?

Tellhcim

ist hier? Er? er hat in diesem Zimmer gewohnt? Er! er hat Zhnen diesen Ring versetzt?

Wie kömmt der Mann in diese

Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen schuldig? - --------Fran­

ciska, die Schatulle her! Schließ auf! (Indem sie Franciska auf den Tisch setzet, und öfnct)'Was ist er Ihnen schuldig?

mehr schuldig?

ist Geld.

Wem ist er

Bringen sie mir alle seine Schuldner.

Hier sind Wechsel.

Hier

Alles ist sein!

Was hör ich?

Der Wirch.

Das Fräulein.

Wo ist er? wo ist er?

Noch vor einer Stunde war er hier.

Der Wirch.

Das Fräulein.

Häßlicher Mann, wie konnten Sie gegen

ihn so unfreundlich, so hart, so grausam seyn? Der Wirch.

Das Fräulein. Der Wirth.

Zhro Gnaden verzeihen — Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle. Sein Bedienter ist vielleicht noch hier.

len Ihro Gnaden, daß er ihn aufsuchcn soll?

Wol­

Minna von Barnhelm.

29

Ob ich will? Eilen Sic, laufen Sie;

Das Fräulein.

für

diesen Dienst allein, will ich es vergessen, wie schlecht Sie mit

ihm umgegangen sind. — Fix, Herr Wirth, hurtig, fort, fort! (stößt ihn

Franciska-

heraus) Dritter Auftritt.

Das Fräulein. Franciska. Das Fräulein.

Nun

habe

ich

ihn

Siehst du, nun habe ich ihn wieder!

wieder,

Franciska!

Zch weiß nicht, wo ich

Freue dich doch mit, liebe Franciska.

vor Freuden bin!

Aber

freylich, warum du ? Doch du sollst dich, du mußt dich mit mir

freuen.

Komm, Liebe, ich will dich beschenken, damit du dich

mit mir freuen kairnst.

Sprich,

Franciska,

was soll ich dir

geben? Was steht dir von meinen Sachen an? Was hättest du gern?

Nimm, was du willst; aber freue dich nur.

wohl, dll wirst dir nichts nehmen.

Zch sehe

Warte! (sie faßt in die Scha­

tulle) da, liebe Franciska; (und giebt ihr Geld) kaufe dir, was du gern hättest.

Fordere mehr, wenn es nicht zulangt.

Aber freue

Es ist so traurig, sich allein zu freuen.

dich nur mit mir.

Ntiit,

so nimm doch —

Franciska.

Ich stehle es Zhnen, Fräulein; Sie sind trun­

ken, von Fröhlichkeit trunken. — Mädchen, ich habe einen zänkischen Rausch,

Das Fräulein.

nimm, oder — (sie zwingt ihr das Geld in die Hand) Und wenn du dich bedankest! — Warte; gut, daß ich daran denke, (sie greift nochmals in die Schatulle nach Geld) Das, liebe Franciska, stecke bey

Seite; für den ersten blessirten armen Soldaten, der uns an­

spricht. —

Vierter Auftritt.

Der Wirts,.

Das Fräulein.

Der IVirtl). Der Wirth.

Franciska.

Der widerwärtige, nngeschliffene Kerl!

Das Fräulein. zu gehen.

Das Fräulein.

Nun ? wird er kommen?

Wer?

Sein Bedienter.

Er weigert sich, nach ihm

Minna von Barnhelm.

30

Bringen Sie doch den Schurken her. — Des

Franciska.

Majors Bediente kenne ich ja wohl alle. Welcher wäre denn das?

Bringen Sie ihn geschwind her.

Das Fräulein.

Wenn

er uns sicht, wird er schon gehen. (Der Wirth geht ab.)

Fünfter Auftritt. Das Fräulein.

Franciska.

Ich kann den Augenblick nicht erwarten.

Das Fräulein.

Aber, Franciska, du bist noch immer so kalt? Du willst dich noch nicht mit mir freuen? Ich wollte von Herzen gern; wenn nur —

Franciska.

Das Fräulein.

Wenn nur?

Wir haben den Mann wiedergefunden;

Franciska.

aber

wie haben wir ihn wiedergefunden? Nach allem, was wir von ihm hören, mliß es ihm übel gehn.

Er muß unglücklich seyn.

Das jammert mich.

Das Fraulein.

Jammert dich? — Laß dich dafür umar­

men, meine liebste Gespielin!

Das will ich dir nie vergessen!

— 3ch bin nur verliebt, und du bist gut. —

Sechster Auftritt.

Der Wirth.

Die Vorigen.

Mit genauer Noth bring ich ihn.

Der Wirth.

Franciska.

Just.

Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht.

Das Fräulein.

Mein Freund, ist Er bei dem Major von

Tellhcim?

Inst-

Za.

Das Fräulein. Just.

Nicht hier.

Das Fräulein. I»st.

Will Er ihn nicht geschwind herhohlen?

Nein.

Das Fräulein. Iust.

Aber Er weiß ihn zu finden?

Ja.

Das Fraulein. Just.

Wo ist Sein Herr?

Er erweiset mir damit einen Gefallen. —

Ey!

Das Fräulein.

Und feinem Herrn einen Dienst.



31

Minna von Baruhtlm. Just.

Vielleicht auch nicht. —

Woher vermuthet Er das?

Das Fräulein.

Inst.

Sie sind doch die fremde Herrschaft, die ihn diesen

Morgen komplimentiren lassen?

Das Fräulein.

Just.

Za.

So bin ich schon recht.

Das Fräulein.

Just.

Weiß Sein Herr meinen Namen?

Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen eben

so wenig leiden, als die allzu groben Wirthe. Der Wirth.

Das soll wohl mit auf mich gehn?

Just. Za. Der Wirch.

So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein

nicht entgelten; und hole Er ihn geschwind her.

(zur Franciska) Franciska, gieb ihm etwas —

Das Fräulein, Franciska.

(die dem Zust Geld in die Hand drücken will)

Wir

verlangen Seine Dienste nicht umsonst. — Just.

Und ich Zhr Geld nicht ohne Dienste.

Franciska. Just.

zuraumen.

Eines für das andere. —

Zch kann nicht.

Mein Herr hat mir befohlen, aus-

Das thu ich jetzt, und daran, bitte ich, mich nicht

weiter zu verhindern.

Wenn ich fertig bin, so will ich es ihm

ja wohl sagen, daß er Herkommen kann.

Er ist neben an auf

und wenn er da nichts bcssers zu thun fin­

dem Kaffeehause;

det, wird er auch wohl kommen, (will fortgehn) Franciska.

So warte Er doch. — Das gnädige Frälllein

ist des Herrn Majors — Schwester. —

Das Fräulein. Just.

hat.

Za, ja, seine Schwester.

Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwester

Er hat mich in sechs Monaten zweymal an seine Familie

nach Enrland geschickt. — Zwar es giebt mancherley Schwe­

stern — Franciska.

Just.

Unverschämter!

Man muß es nicht seyn, wenn einen die Leute sol­

len gehn lassen?

Franciska. Der Wirth.

(geht ab.)

Das ist ein Schlingel!

Zch sagt cs ja.

Aber lassen Sie ihn nur!

Weiß ich doch nunmehr, wo sein Herr ist.

Zch will ihn gleich

Minna von Barnhelm.

32

selbst hohlen, — Nur, gnädiges Fräulein, bitte ich unterthä-

nigst, sodann ja mich bei dem Herrn Major zu entschuldigen,

daß ich so unglücklich gewesen,

wider meinen Willen,

Mann von seinen Verdiensten — Das Fräulein. Gehen Sie nur

geschwind,

Das will ich alles wieder gut machen,

einen

Herr Wirlh.

(der Wirth geht ab, und

hierauf) Franeiska, lauf ihm nach: er soll ihm meinen Namen

nicht nennen!

(Franeiska, dem Wirthe nach) Siebender Auftritt. Das Fräulein, und hierauf Franeiska.

Das Fräulein.

Ich habe ihn wieder! — Bin ich allein?

— Zch will nicht umsonst allein seyn, (sie faltet die Hände)

bin ich nicht allein!

(und blickt aufwärts)

Auch

Ein einziger dankbarer

Gedanke gen Himmel ist das vollkommenste Gebet! — Zch hab

ihn, ich hab ihn! (mit auSgebreiletcn Armen) Zch bin glücklich! und fröhlich!

Was kann der Schöpfer lieber sehen, als ein fröhli­

ches Geschöpf! — (Franeiska kämmt) ciska? — Er jammert dich? ist auch gut.

Bist du wieder da, Fran-

Mich jammert er nicht.

Unglück

Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, um

ihm in mir alles wieder zu geben!

Franeiska.

Er kann den Augenblick hier seyn. — Sie sind

noch in Zhrem Negligee, gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie sich geschwind ankleideten?

Das Fräulein.

Geh!

ich bitte dich.

Er wird mich von

nun an öftrer so, als geputzt sehen.

Franeiska.

O, Sie kennen sich, mein Fräulein.

Das Fräulein,

(nach eintin kurzen Nachdenken)

Wahrhaftig,

Mädchen, du hast es wiederum getroffen. Franeiska.

Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt am

schönsten.

Das Fräulein.

Müssen wir denn

schön seyn? — Aber,

daß wir uns schön glattben, war vielleicht nothwendig. — Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin! — Franeiska, wenn alle

Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so sind wir — son­

derbare Dinger. — Zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel, wollüstig und sromni — Du wirst mich nicht verstehen.

Zch

Minna von Barnhelm.

3.3

verstehe mich wohl selbst nicht. — Die Freude macht drehend, wirblicht. —

Franciska.

Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre kom­

men — Das Fraulein. Mich fassen? Zch sollte ihn ruhig empfangen?

Achter Auftritt.

v. Tellheim.

Die Vorigen.

Der Wirth.

X>. Tellheim. (tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf

fie zu) Ah! meine Minna! — .

Das

(ihm entgegen fliehend) Ah! mein Tellheim! —

Fräulein,

(stutzt auf einmal, und tritt wieder zurück) Verzei­

X). Tellheim.

hen Sie, gnädiges Fräulein, — das Fräulein von Barnhelm hier zll finden —

Kamt Ihnen doch so gar unerwartet nicht

Das Fraulein.

seyn? — l indem sie ihm näher tritt, und er mehr zurück weicht) Ich.

soll Ihnen verzeihen, daß ich noch Ihre Minna bin? Ihnen

der Himmel,

daß

ich

noch

das Fräulein

Verzeih

von Barn­

helm bin! — v. Tellheim.

Gnädiges

Fräulein



(sieht starr auf den

Wirth, und zuckt die Schultern) Das Fraulein, (wird den Wirth gewahr, und winkt der Franciska) Mein Herr, — v. Tellheim.

Francieka.

Wenn wir uns beiderseits nicht irren — Je, Herr Wirth, wen bringen Sie mts denn

da? Geschwind kommen Sie, lassen Sie uns den rechten silchen. Der Wirch.

Francieka.

Ist es nicht der rechte? Ey ja doch! Ey nicht doch!

Geschwind kommen Sie;

ich

habe Ihrer Jungfer Tochter noch keinen guten Morgen gesagt. Der Wirth.

zu gehen) Francieka.

£)!

(faßt ihn an)

Küchenzettel machen.

werden — Der Wirth.

Franciska.

viel Ehre



Kommen

— Lassen

Sie

(doch ohne von der Stelle Sie,

wir

wollen den

sehen,

was

wir

haben

Sie sollen haben; vors erste —

Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon

weiß, was sie zu Mittag speisen soll, so ist es um ihren Ap3

34

Minna von Barnhcim.

petit geschehe». sagen,

Kommen Sic,

das

müssen Sie

mir allein

(führet Ihn mit Gewalt ab)

Neunter Auftritt.

v. Tellheim. Das FräuleinNun? irren wir uns noch?

Das Fräulein. v. Teil heim-

Daß

der Himmel

cs

wollte! — Aber cs

giebt mir Eine, und Sie sind cs. — Das Fräulein. Welche Umstände! Was wir uns zu sagen haben, kann jedermann hören. Sie hier? Was suchen Sie hier, gnädiges

v. Tcllheim. Fräulein?

Nichts suche ich mehr, (mit offenen Armen auf

Das Fräulein. ihn zngehend)

Alles, was ich suchte, habe ich gefunden,

v- Lellheim-

(zurückweichcnd)

Ihrer

würdigen

einen

Liebe

Elenden. Das Fräulein.

Sie suchten

Mann;

und

glücklichen,

einen

finden

— einen

So lieben Sie mich nicht mehr? — Und

lieben eine andere?

x>. Tcllheim-

Ah! der hat Sic nie geliebt, mein Fräulein,

der eine andere nach Ihnen lieben kann.

Das Fräulein.

Sic reißen nur einen Stachel aus meiner

Seele. — Wenn ich Ihr Herz verloren habe, was liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder mächtigere Reitze darum gebracht?

— Sie lieben mich nicht mehr: und lieben auch keine andere? — Unglücklicher Mann, wenn Sie gar nichts lieben! —

v. Tellheim.

Recht,

muß gar nichts lieben.

gnädiges Fräulein;

der Unglückliche

Er verdient sein Unglück, wenn er die­

sen Sieg nicht über sich selbst zu erhalten weiß; sich gefallen lassen kann,

wenn er es

daß die, welche er liebt, an seinem

Unglück Antheil nehmen dürfen. — Wie schwer ist dieser Sieg!

— Seit dem mir Vernunft und Nothwendigkeit befehlen, Minna

von Barnhelm zu

vergessen:

was für Mühe habe ich ange­

wandt! Eben wollte ich aufangen zu hoffen, daß diese Mühe

nicht ewig vergebens seyn würde: — und Sie erscheinen, mein Fräulein! — Das Fräulein.

Versteh ich Sie recht? — Halten Sie, mein

35

Minna von Barnhelm.

Herr; lassen Sie sehen, wo wir sind, ehe wir uns weiter ver­ irren! — Wollen Sie mir die einzige Frage beantworten? v. Tellheim.

Jede, mein Fräulein —

Das Fraulein.

Wollen

ohne Winkelzug, antworten?

mir

Sie

ohne Wendung,

auch

Mit nichts, als einem trocknen

Za, oder Nein? v. Tellheim.

Ich will es, — wenn ich kann.

Sie können es. — Gut:

Das Fraulein.

ohngeachtet der

Mühe, die Sie angewendet, mich zu vergessen, — lieben Sie

mich »och, Tellheim?

v. Tellheim. Mein Fräulein, diese Frage — Das Fraulein. Sie haben versprochen, mit nichts, als Za

oder Nein zu antworten. v. Tellheim.

Und hinzugcsetzt: wenn ich kann.

Das Fräulein.

Sie können;

Sie müssen wissen, was in

Zhrcm Herzen vorgeht. — Lieben Sie mich noch, Tellheim? — Za, oder Nein.

v. Tellheim.

Wenn mein Herz —

Za, oder Nein!

Das Fraulein. v. Tellheim.

Nun, Za!

Das Fräulein. v. Tellheim.

Za? Za, ja! — Allein —

Geduld! — Sie lieben mich noch: genug

Das Fräulein.

für mich. — Zn was für einen Ton bin ich mit Zhnen gefal­ len!

Ein widriger,

melancholischer, ansteckender Ton. — Zch

nehme den meinigen wieder an. — Nun, mein lieber Unglück­ licher, Sie lieben mich noch, und haben Zhre Minna noch, und

sind unglücklich?

Hören Sie doch, was Zhre Minna für ein

eingebildetes, albernes Ding war, — ist.

Sie ließ, sie läßt

sich träumen, Zhr ganzes Glück sey sic. — Geschwind kramen Sic Zhr Unglück ans.

Sie mag versuchen, wie viel sie dessen

alifwiegt. — Nun? v. Tellheim.

klagen. Das Fraulein.

Mein

Sehr wohl.

mir an einem Soldaten, als das Klagen.

Fräulein,

ich bin

nicht gewohnt zu

Zch wüßte auch nicht, was

nach dem Prahlen, weniger gcsiclc,

Aber es giebt

eine

gewisse

kalte,

3 *

nachlä-

Minna von Barnhelm.

3G

ßige Art, von seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke zn sprechen — v. Tellheim.

Die im Grunde doch auch geprahlt und ge­

klagt ist. Das Fräulein.

O, mein Rechthaber, so hatten Sic sich

auch gar nicht unglücklich nennen sollen. — Ganz geschwiegen, oder ganz mit der Sprache heraus. — Eine Vernunft, eine

Nothwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen befiehlt? — Ich

bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe sehr viel

Ehrerbietung für die Nothwendigkeit. — Aber lassen Sic doch hören,

wie vernünftig diese Vernunft,

wie nothwendig diese

Nothwendigkeit ist.

Wohl denn; so hören Sic, mein Fräulein.

x>. Tellheim.

— Sie nennen mich Tellheim; der Name trift ein. — Aber Sie meinen, ich sey der Tellheim, den Sie in Zhrcm Vater­ lande gekannt haben;

voller Ruhmbegierde;

Seele mächtig war;

der blühende Mann, voller Ansprüche,

der seines ganzen Körpers, seiner ganzen vor dem die Schranken der Ehre und des

Glücks eröfnct standen;

der Ihres Herzens und Ihrer Hand,

wann er schon ihrer noch nicht würdig war, täglich würdiger

zu werden hoffen durfte. — Dieser Tellheim bin ich eben so

wenig, — als ich mein Vater bin.

Beide sind gewesen. —

Ich bin Tellheim, der verabschiedete,

der an seiner Ehre ge­

kränkte, der Krüppel, der Bettler. — Jenem, mein Fräulein,

versprachen Sie sich: wollen Sie diesem Wort halten? —

Das Fräulein.

Das klingt sehr tragisch! — Doch, mein

Herr, bis ich jenen wieder finde, — in die Tellhcims bin ich

nun einmal vernarret, — dieser wird mir schon aus der Noth helfen müssen. — Deine Hand, lieber Bettler! (indem sie ihn bey der Hand ergreift)

v. Tellheim.

(der die andere Hand mit dem Hule vor das Gesicht

schlägt, und sich von ihr abwendct)

Das ist zu viel! — Wo bin

ich? — Lassen Sie mich, Fräulein! Ihre Güte foltert mich;

— Lassen Sie mich.

Das Fräulein.

v. Tellheim.

Was ist Ihnen? wo wollen Sie hin?

Von Ihnen! —

Minna von Bariihclm.

Das Fräulein. zieht)

37

Von mir? (indem sie seine Hand an ihre Brust

Träumer!

Die Verzweiflung wird mich tob zu Ihren

v. Tcllheim. Füßen werfen.

Das Fräulein. v. Tellheim.

Von mir? Von Ihnen. — Sie nie, nie wieder zu se­

hen. — Oder doch so en'tschlosscn, so fest entschlossen, — keine

Niederträchtigkeit zu begehen, — Sie keine Unbesonnenheit be­

gehen lassen.— Lassen Sie mich, Minna! (reißt sich tos, und ab.) Das Fraulein,

(ihm nach)

Minna Sie lassen?

Tcllhcim!

Tellhcim!

Dritter Aufzug. Erster Austritt. ( die Scene, der Saal) Just,

(einen Brief in der Hand)

Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kom­ men! —

Ein Briefchen von meinem Herrn an das gnädige

Fräulein, das seilte Schwester seyn will. — Wenn sich nur da

nichts anspinnt! — Sonst wird

des Brieftragens kein Ende

werden. — Ich wäre cs gern los; aber ich möchte auch nicht

gern ins Zimmer hinein. — Das Frauenszcug fragt so viel;

und ich antworte so ungern! — Ha, die Thüre geht auf.

Wie

gewütischt! das Kammerkätzchen! Zweyter Auftritt. Franciska.

Franciska.

Just.

(zur Thüre herein, aus der sic kommt)

Sorgen Sic

nicht; ich will schon aufpasscn. — Sich! (indem sic Zustcn gewahr wird)

da stieße mir ja gleich was auf.

Aber mit dein Vieh

ist nichts anzufangcn.

Just. Ihr Diener — Franciska. Ich wollte so einen Diener nicht — Just.

Nu, int; verzeih Sic mir die Redensart! — Da

bring ich ein Briefchen von meinem Herrn an Ihre Herrschaft,

Minna von Barnhrlm.

38 das

gnädige

Fräulein



Schwester.



Wars

nicht

so?

Schwester.

Zranciska. Inst.

Geb Er her!

(reißt ihm dm Brief aus der Hand)

Sie soll so gut seyn, läßt mein Herr bitten, und

es übergeben.

Hernach soll Sie so gut seyn, läßt mein Herr

bitten — daß Sie nicht etwa denkt, ich bitte was! —

ZranciskaJust.

Nun denn?

Mein Herr versteht den Rummel.

,Crr weiß, daß

der Weg zu den Fräuleins durch die Kammermädchens geht: —

bild ich mir ein! — Die Jungfer soll also so gut seyn, —

läßt mein Herr bitten, — und ihm sagen lassen, ob er nicht

das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf ein Viertelstünd­ chen zu sprechen. Zranciska. Just.

Mich?

Verzeih Sie mir, wenn ich Zhr einen unrechten Ti­

tel gebe. — Za, Sie! — Nur auf ein Viertclstündchen; aber

allein, ganz allein, insgeheim, unter vier Augen.

Er hätte

Zhr was sehr nothwendiges zu'sagen. Zranciska-

Gnt! ich habe ihm auch viel zu sagen. — Er

kann nur kommen, ich werde zu seinem Befehle seyn. Just.

Aber, wenn kann er kommen? Wenn ist es Zhr am

gelegensten, Zungfcr? So in der Demmernng? —

Zranciska.

Wie meint Er das? — Sein Herr kann kom­

men, wenn er will; — und damit packe Er sich nur! Just.

Herzlich gern! (will fortgchm)

Zranciska.

Hör Er doch;

noch

auf

ein

Wort. — Wo

sind denn die andern Bedienten des Majors (

Just.

Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.

ZranciskaJust.

Zranciska-

Just.

Wo ist Willhelm?

Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen. So? Und Philipp, wo ist der?

Der Zäger? den hat der Herr auftuhcbc» gegeben.

Zranciska.

Weil er jetzt keine Zagd hat, ohne Zweifel. —

Aber Martin?

Just.

Der Kutscher? der ist weggerittcu.

Zranciska. Just.

Und Fritz?

Der Läuffcr? der ist avancirt.

Minna von Barnhelm.

39

Franciska. Wo war Er denn, als der Major bey uns in Thüringen im Winterquartiere stand? Er war wohl noch nicht bey ihm? Inst- O ja, ich war Reitknecht bey ihm; aber ich lag im

Lazareth. Franciska. Reitknecht? Und jetzt ist Er? Just. Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läuffcr und Reitknecht. Franciska- Das mliß ich gestehen! So viele gute, tüchtige Leute von sich zu lassen, und gerade den allcrschlechtestcn zu be­ halten! Zch möchte doch wissen, was Sein Herr an Zhm fände! Just. Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin. Franciska. O, man ist auch verzweifelt wenig, wenn man weiter nichts ist, als ehrlich. — Willhclm war ein andrer Mensch! — Reisen läßt ihn der Herr? Just. Ja, er läßt ihn; — da crs nicht hindern kann. Franciska- Wie? Just. O, Willhclm wird sich alle Ehre auf seinen Reisen machen. Er hat des Herrn ganze Garderobe mit. Franciska. Was? er ist doch nicht damit durchgegangen? Just. Das kann man nun eben nicht sagen; sondern, als wir von Nürnberg weggingen, ist er uns nur nicht damit nach­ gekommen. Franciska- O der Spitzbube! Just. Es war ein ganzer Mensch! er konnte frisiren, und rasircn, und parliren, — und scharmiren — Nicht wahr? Franciska. So nach hätte ich den Jäger nicht von mir gethan, wenn ich wie der Major gewesen wäre. Konnte er ihn schon nicht als Jäger nützen, so war es doch sonst ein tüch­ tiger Bursche. — Wem hat er ihn denn aufzuhebcn gegeben?

Just. Dem Kommcndanten von Spandau. Franciska. Der Vestung? Die Jagd alif den Wällen kann doch da auch nicht groß seyn. Just. O, Philipp jagt auch da nicht. Franciska. Was thut er denn? ^Just. Er karrt. Franciska. Er karrt?

Minna von Barnhelw.

40

Just.

Aber nur auf drey Zahr.

Er machte

ein kleines

Komplot unter des Herrn Kompagnie, und wollte sechs Mann

durch die Vorposten bringen. —

Zrancieka. Jost-

Zch erstaune; der Bösewicht!

O, es ist ein tüchtiger Kerl! Ein Zager, der sunf-

zig Meilen in der Runde, durch Wälder und Moräste, alle Fußsteige, alle Schlciswcgc kennt. Zrancieka.

Und schießen kann er!

daß der Major nur noch den braven

Gut,

Kutscher hat!^ Just.

Hat er ihn noch?

Zrancieka.

Zch denke, Er sagte, Martin wäre wcggcrittcn.

So wird er doch wohl wieder kommen?

Just.

Meynt Sie?

Zrancieka. Just.

Wo ist er denn hingeritten?

Es geht nun in die zehnte Woche, da ritt er mit

des Herrn einzigem und letztem Reitpferde — nach der Schwemme. Zrancieka.

Und ist noch nicht wieder da?

O, der Gal­

genstrick ! Just.

Die

Schwemme

kann

den

braven

Kutscher auch

wohl verschwcmmt haben! — Es war gar ein rechter Kutscher!

So einen kriegt der

Er hatte in Wien zehn Zähre gefahren.

Wenn die Pferde in vollem Rennen

Herr gar nicht wieder.

waren, so durfte er nur machen: Burr! lind auf einmal standen sie, wie die Mauern. Dabey war er ein ausgelcrntcr Roßarzt! Zranciska.

bange. Just.

Nun ist mir für das Avancement des Läuffcrs

Nein, nein;

damit hals seine Richtigkeit.

Er ist

Trommelschläger bey einem Garnisonregimente geworden. Zranciska. Just.

Dacht ichs doch.

Fritz hing sich an ein lüderliches Mensch,

kam des

Nachts niemals nach Hause, machte auf des Herrn Namen über­

all Schulden, und tausend infame Streiche.

Kurz, der Major

sahe, daß er mit aller Gewalt höher wollte: (das Hängen panto­

mimisch anzeigend) er brachte ihn also auf guten Weg, Zranciska. Just.

Aber

O der Bube! ein

perfekter Läuffcr

ist

er,

das ist gewiß.

Wenn ihm der Herr fünfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn

41

Minna von Barnhclm.

mit seinem besten Renner nicht einhohlcn.

Fritz hingegen kann

dem Galgen tausend Schritte vorgcbcn, und ich wette mein Le­

ben,

er hohlt ihn ein. — Es waren wohl alles Ihre guten

Freunde, Jungfer? Der Willhelm und der Philipp, der Martin und der Fritz? — Nun, Just empfiehlt sich! (geht ab)

Dritter Auftritt.

Franciska. und hernach der WirthFranciska.

(die ihm ernsthaft nachsicht) Ich verdiene den Biß?

Zch bedanke mich, Znst.

Ich fetzte die Ehrlichkeit zu tief herab.

Zch will die Lehre nicht vergessen. — Ah! der unglückliche Mann!

(kehrt sich um, und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem der Wirth kämmt) Der Wirth. Warte Sic doch, mein schönes Kind. Franciska. Der Wirth.

keine Nachricht

Zch habe Letzt nicht Zeit, Herr Wirth —

Nur weiter

ein

von

kleines

Augenblickchcn!

dem Herrn Major?



Noch

Das konnte

doch unmöglich sein Abschied seyn! —

Franciska. Der Wirth.

Was denn?

Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht er­

zählt? — Als ich Sic, mein schönes Kind, unten in der Küche verließ, so kam ich von ungefehr wieder hier in den Saal —

Franciöka.

Von ungefehr, in der Absicht,

ein wenig zll

horchen. Der Wirth. denken?

Ey, mein Kind, wie kann Sie das von mir

Einem Wirthe läßt nichts übler, als Neugierde. —

Ich war nicht lange hier, so prellte auf einmal die Thüre bey dem gnädigen Fräulein auf.

Der Major stürzte heraus; das

Fräulein ihm nach; beide in einer Bewegung, mit Blicken, in

einer Stellung — so was läßt sich mir sehen. er riß sich los; sie ergriff ihn wieder.

Sie ergriff ihn;

Tellhcim! — Fräulein!

lassen Sie mich! — Wohin? — So zog er sie bis an die

Treppe.

Mir war schon bange, er würde sic mit hcrabrcißen.

Aber er wand sich noch los.

DaS Fräulein blieb an der obersten

Schwelle stehn; sah ihm nach; rief ihm nach; rang die Hände.

Auf einmal wandte sie sich um, lief nach dem Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem Saale hin und

Minna von Earnhelm.

42 wieder.

Hier stand ich; hier ging sic dreymal bey mir vorbey,

Endlich war es, als ob sie mich sähe;

ohne mich zn sehen.

aber, Gott sey bei uns!

ich glaube, das Fräulein sahe mich

für Sie an, mein Kind.

„Franciska," rief sie, die Augen

auf mich gerichtet,

„bin ich nun glücklich?"

steif an die Decke,

und wiederum: „bin ich nun glücklich?"

Drauf sahe sie

Drauf wischte sic sich Thränen aus dem Auge, und lächelte, und fragte mich wiederum: „Franciska, bin ich nun glücklich?"

— Wahrhaftig, ich wußte nicht, wie mir war.

ihrer Thüre lief;

Bis sie nach

da kehrte sie sich nochmals nach mir um:

„So komm doch, Franciska; wer jammert dich nun?" — Und

damit hinein.

O, Herr Wirth, das hat Ihnen geträumt.

FranciskaDer Wirth.

Geträumt? Nein, mein schönes Kind; so um­

ständlich träumt man nicht. — Za,

ich wollte wie viel drum

geben, — ich bin nicht neugierig, — aber ich wollte wie viel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.

Den Schlüssel? zu unsrer Thüre, Herr Wirth,

Franciska.

der steckt innerhalb;

wir haben ihn zur Nacht herciiigezogcn;

wir sind furchtsam.

Der Wirth. Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, mein

schönes Kind, den Schlüssel; die Auslegung gleichsam; so den eigentlichen Zusammenhang von dem, was ich gesehen. —

Franciska.

Ja so! — Nun, Adieu, Herr Wirth.

Wer­

den wir bald essen, Herr Wirth? Der Wirth.

Mein schöncs Kind, nicht zu vergessen, was

ich eigentlich sagen wollte. Nun? aber nur kur; —

Franciska.

Der Wirth.

Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ring;

ich nenne ihn meinen — Er soll Ihnen uiivcrlorcn seyn.

Franciska.

Der Wirth. nur erinnern.

haben.

Ich trage darum auch keine Sorge; ich wills

Sicht Sie; ich will ihn gar nicht einmal wieder

Ich kann mir doch

wohl an

den Fingern abzählen,

woher sic den Ning kannte, und woher er dem ihrigen so ähn­

lich sah.

Er ist in ihren Händen am besten aufgehoben.

Ich

mag ihn gar nicht mehr, und will indeß die hmidert Pistolen,

43

Minim von Barnhelm.

die ich darauf gegeben habe, auf des gnädigen Fräuleins Rech­

nung setzen.

Nicht so recht, mein schönes Kind? Vierter Auftritt.

Paul Werner.

Werner.

Der Wirth.

Franeiska.

Da ist er ja!

Hundert Pistolen? Zch meinte, nur achtzig.

Franeiska.

Der Wirth.

Es ist wahr, mir neunzig, nur neunzig. Das

will ich thun, mein schönes Kind, das will ich thun.

Alles das wird sich finden, Herr Wirth.

Franeiska. Werner,

(der ibn en hinterwärts näher kämmt, und ans einmal der

Franeiska auf die Schulter klopft)

Frauenzimmerchen!

Frauenzim-

merchen!

(erschrickt) He!

FraneiskaWerner.

Erschreck Sie nicht! — Frauenzimmerchen, Frauen­

zimmerchen, ich seh, Sie ist hübsch, und ist wohl gar fremd —

Und hübsche fremde Leute müssen gewarnt werden — Frauen­

zimmerchen, Frauenzimmerchen, nehm Sie sich vor dem Manne in Acht! (ans de» Wirth zeigend)

Der Wirth.

Ze, unvermuthete Freude! Herr Paul Wer­

ner! Willkommen bey uns, willkommen! — Ah, cs ist doch im­ mer noch der lustige, spaßhafte, ehrliche Werner! — Sie soll

sich vor mir in Acht nehmen, mein schönes Kind! Ha, ha, ha! Werner.

Geh Sie ihm überall aus dem Wege!

Der Wirth.

Mir! mir! — Ein ich denn so gefährlich ? —

Ha, ha, ha! — Hör Sie doch, mein schönes Kind! Wie gefällt

Ihr der Spaß? Werner.

Daß cs doch immer Seines gleichen für Spaß

erklären, wenn man ihnen die Wahrheit sagt.

Der Wirth.

Die Wahrheit! ha, ha, ha! — Nicht wahr,

mein schönes Kind, immer besser! Der Mann kann spaßen! Zch gefährlich? — ich ? — So vor zwanzig Zähren war was dran.

Za, ja, mein schönes Kind, da war ich gefährlich;

da wußte

manche davon zu sagen; aber jetzt —

Werner.

O über den alten Narren!

Der Wirth.

Der stccktS eben! Wenn wir alt werden, ist

Minna von L'arnheliii.

44

es mit unsrer Gefährlichkeit aus.

Es wird Ihm auch nicht

kesser gehn, Herr Werner!

Werner. Potz Geck und kein Ende! — Frauenzinnncrchen, so viel Verstand wird Sic mir wohl zutraucn, daß ich von der

Gefährlichkeit nicht rede.

Der eine Teufel hat ihn verlassen,

aber cs sind dafür sieben andere in ihn gefahren —

Der Wirtb.

O hör Sic doch, hör Sie doch! Wie er das

nun wieder so herum zu bringen weiß! — Spaß über Spaß, und immer was Neues! O, cs ist ein vortrefflicher Mann, der Herr Paul Werner! — (zur Franciska, als ins Ohr) Ein wohlha­ bender Mann, und noch ledig.

Er hat drey Meilen von hier ein

schönes Frcyschulzcngcrichte. Der hat Beute gemacht im Kriege! — Und ist Wachtmeister bey

unserm Herrn Major

O, das ist ein Frenild von linserm Herrn Major!

gewesen.

das ist ein

Frctiud! der sich für ihn tod schlagen ließe! —

Werner. Za!

und das ist ein Freund von meinem Major!

das ist ein Frcnnd! — den der Major sollte tod schlagen lassen. Der Wirth.

Wie? was? — Nein, Herr Werner, das ist

nicht glitcr Spaß. — Ich kein Freund vom Herrn Major? — Nein, den Spaß versteh ich nicht.

Werner.

Zust hat mir schöne Dinge erzählt.

Der Wirth. spräche.

Zust? Zch dachts wohl, daß Znst durch Sie

Zust ist ein böser,

garstiger Mensch.

Aber hier ist

ein schönes Kind zur Stelle; das kann reden; das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major bin? keine Dienste erwiesen habe?

ob ich ihm

Und warum sollte ich nicht fein

Freund seyn? Zst er nicht ein verdienter Mann? Es ist wahr;

er hat das Unglück gehabt,

abgcdankt zn werden:

aber was

thut das? Der König kann nicht alle verdiente Männer ken­

nen;

und wenn er sie auch alle kennte, so kann er sie nicht

alle belohnen. Werner.

Das heißt Zhn Gott sprechen! — Aber Znst —

freylich ist an Znstcn ailch nicht viel Besonders; doch ein'Lüg­ ner ist Zust nicht; und wenn das wahr wäre, was er mir ge­

sagt hat — Der Wirth.

sagt:

Zch will von Zustcn nichts hören! Wie ge­

das schöne Kind hier mag sprechen! (zu ihr ins Ohr) Sic

Minna von Barnhelm.

weiß,

mein Kind;

Wcrncrn.

45

den Ring! — Erzähl Sic cs doch Herr

Da wird er mich besser kennen lernen.

Und damit

cs nicht heraus kömmt, als ob Sie mir nur zu gefallen rede; so

will ich nicht einmal dabey

ich will gehn;

seyn.

Ich will nicht dabey seyn;

aber Sic sollen mir cs wicdcrsagen, Herr Wer­

ner, Sic sollen mir cs wicdcrsagen, ob Zust nicht rin garstiger Vcrläumdcr ist.

Fünfter Auftritt. Paul Werner.

Franciska.

Werner. Frauenzimmerchcn, kennt Sie denn meinen Major? Den Major von Tellhcim? Ja wohl kenn ich

Franciska.

den braven Mann. Ist cs nicht ein braver Mann?

Werner.

Ist Sie dem

Manne wohl gut? —

Franeiska. Werner.

Vom Grunde meines Herzens.

Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchcn; nun

kömmt Sie mir noch einmal so schön vor. — Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirth unserm Major will er­ wiesen haben?

Ich wüßte eben nicht; es wäre denn, daß er

Franciska.

sich das Gute zuschrcibcn wollte, welches glücklicher Weise aus

seinem schurkischen Betragen entstanden.

Werner.

So wäre es ja wahr, was mir Just gesagt hat?

— (gegen die Seite, wo der Wirth abgegangen) Dein Glück, daß du

gegangen bist! — Er hat ihm wirklich die Zimmer ansgcräumt? — So einem Manne, so einen Streich zu spielen, weil sich

das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld mehr habe!

Der Major kein Geld? Franciska.

Werner.

So? hat der Major Geld? Wie Heu! Er weiß nicht, wie viel er hat.

weiß nicht, wer ihm schuldig ist.

und bringe ihm ein altes Rcstchcn.

Er

Ich bin ihm selber schuldig,

Sicht Sie, Fraucnzimmcr-

chen, hier in diesem Beutelchen (das er ans der einen Tasche zieht) sind hundert Louisdor; und in diesem Röllchen (das er ans der ander» zieht) hundert Dukaten.

Alles sein Geld!

Minna von Varnhclm.

46 Francieka.

Wahrhaftig?

Aber warum

versetzt denn der

Major? Er hat ja einen Ring versetzt — Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht.

Werner.

Viel­

leicht, daß er den Bettel hat gern wollen los seyn.

Es ist kein Bettel!

Franciska.

es ist ein sehr kostbarer

Ring, den er wohl noch dazu von lieben Handen hat. Das wirds auch seyn.

Werner.

Von lieben Händen!

ja,

ja! So was erinnert Einen manchmal, woran man nicht gern erinnert seyn will.

Dem Soldaten gchts in Winterquartieren wun­

Werner.

derlich.

Drum schafft mans aus den Augen.

Wie?

Francieka.

Da hat er nichts zu thun, und pflegt sich, und macht

vor langer Weile Bekanntschaften, die er nur aus den Winter meinet, und die das gute Herz, mit dem er sie macht, für Zeit Lebens annimmt.

Husch ist ihm denn ein Ringclchen an den

Finger prakticirt; er weiß selbst nicht, wie es dran kömmt. Und

nicht selten gab er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder los werden könnte.

Francieka.

Ey! und sollte es dem Major auch so gegan­

gen seyn? Werner.

Ganz gewiß.

Besonders in Sachsen;

wenn er

zehn Finger an jeder Hand gehabt hätte, er hätte sie alle zwan­

zig voller Ringe gekriegt. Francieka.

(bey Seite) Das klingt ja ganz besonders, und

verdient lintersucht zu

werden.--------- Herr Freyschütze, oder

Herr Wachtmeister — Werner.

Fraucnzimmerchen, wcnns Ihr nichts verschlägt: —

Herr Wachtmeister, höre ich am liebsten.

Francieka. Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Brief­ chen von dem Herrn Major an meine Herrschaft.

Ich will cs

nur geschwind herein tragen, rmd bin gleich wieder da.

Er wohl so gut seyn, und so lange hier warten?

Will

Ich möchte

gar zll gern mehr mit Ihm plaudern.

Werner.

Plaudert

Sic

gern,

Fraucnzimmerchen?

Nun

meinetwegen; geh Sie nur; ich plaudrc auch gern; ich will warten. Francieka.

O, warte Er doch ja! (geht ab.)

47

Minna von Barnhelm. Sechster Auftritt.

Paul Werner. Das ist kein unebnes Fralrenzimmcrchcn! — Aber ich hätte

sollen,

ihr doch nicht versprechen

zn

warten. — Denn das

Wichtigste wäre wohl, ich stichte den Major ans. — Er will mein Geld nicht, und versetzt lieber? — Daran kenn ich ihn.

— Es fällt mir ein Schneller ein. — Als ich vor vierzehn

Tagen in der Stadt war, besuchte ich die Rittmeisterin Marloff.

Das arme Weib lag krank, und jammerte, daß ihr Mann

dem Major vierhundert Thaler schuldig geblieben wäre, die sie

nicht wüßte, wie sie sie bezahlen sollte.

Heute wollte ich sie

wieder besuche»; — ich wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Gütchen ansgezahlt kriegte, daß ich ihr fünfhundert Thaler leihen könnte. — Denn ich muß ja wohl was davon

in Sicherheit bringen, wenns in Persien nicht geht. — Aber Und ganz gewiß wird sie dem Ma­

sie war über alle Berge.

jor nicht haben bezahlen können. — Ja, so will ichs machen; und das

je eher,

je lieber. — Das Fraucnzimmcrchcn mag

mirs nicht übel nehmen; ich kann nicht warten, (geht in Gedanken

ab, und stoßt fast auf den Major, der ihm entgegen kommt)

Siebender Auftritt.

v. Tellheim. Werner.

v. TeNheim. Paul Werner. So in Gedanken, Werner?

Da sind Sie ja; ich wollte eben geh», und Sic

in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major,

v. Tellheim.

voll zu fluchen. Werner.

Um mir auf den Wirth des alten die Ohren

Gedenke mir nicht dran.

Das hätte ich beyher gethan; ja.

Aber eigent­

lich wollte ich mich nur bey Ihnen bedanken, daß Sie so gut gewesen, und mir die hundert Louisdor aufgchobeu. mir sie wicdergegebcn.

Sie mir sic noch länger anfhcbcn könnten, ein neu Quartier gezogen,

Wer weiß, wies da ist.

Just hat

Es wäre mir wohl freylich lieb, wenn das weder Sie,

Aber Sie sind in noch ich kennen.

Sic könnten Ihnen da gestohlen wer­

den; und Sie müßten mir sic ersetzen;

da hülffe nichts davor.

Also kann ichs Ihnen freylich nicht zumnthen.

Minna von Barnhclm.

48

V. Lcllhcim.

(lächelnd)

Seit wenn bist dll so vorsichtig,

Werner? Werner.

Es lernt sich wohl.

Man kann, heute zn Tage,

mit seinem Gelde nicht vorsichtig genug seyn. — Darnach hatte

ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major; von der Ritt­ meisterin Marloff; ich kam eben von ihr her.

Ihr Manu ist

Zhncn ja vierhundert Thaler schuldig geblieben; hier schickt sie

Ihnen auf Abschlag hundert Dlikaten.

künftige Woche schicken.

Das Uebrige will sie

Ich möchte wohl selber Ursache seyn,

daß sic die Summe nicht ganz schickt.

ein Thaler achtzig schuldig;

Denn sie war mir auch

und weil sie dachte, ich wäre ge­

kommen, sic zu mahnen, — wies denn auch wohl wahr war;

— so gab sie mir sic, luid gab sie mir aus dem Röllchen, das sie für Sie schon zu rechte gelegt hatte. — Sie können

auch schon eher Ihre hundert Thaler ein Acht Tage noch missen, als ich meine Paar Groschen. — Da nehmen Sie doch! (reicht ihm die Rolle Dukaten)

v. Lellheim. Werner! Werner. Nun? warum sehen Sie mich so starr an? — So nehmen Sic doch, Herr Major! — v. Tcllheim.

Werner.

Werner!

Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?

V. Tellheim- (bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt, und mit dem Fuße auftritt) Daß cs — die vierhundert Thaler nicht ganz sind! Werner.

Nun, nun, Herr Major! Haben Sic mich denn

nicht verstanden ? v. Tcllheint.

Eben weil ich dich verstaitden habe! — Daß

mich doch die besten Menschen hclit am meisten quälen müssen!

Werner.

Was sagen Sic?

v. Lellheim.

Es geht dich nur zur Hälfte an! — Geh,

Werner! (indem er die Hand, mit der ihm Werner die Dukaten reicht, zurück stößt.) Werner.

Sobald ich das los bin!

v. Lcllhcim.

Werner, wenn du nun von mir hörst:

die Marlosfin, heute ganz früh, selbst bey mir gewesen ist? Werner.

So?

daß

Minna von Barnhelm.

v. Tellheim. Werner.

49

Daß sic mir nichts mehr schuldig ist?

Wahrhaftig?

v. Tellheim.

Daß

sie mich de» Heller und Pfennig be­

zahlt hat: was wirst du dann sagen? Werner,

(der sich einen Augenblick besinnt)

daß ich gelogen habe,

werde sagen,

Zch

und daß es eine hundsföttsche Sache

ums Lügen ist, weil man drüber ertappt werden kann. v. Tellheim. Werner.

Hub wirst dich schämen?

Aber der,

zu

der mich so

lügen zwingt,

was

sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr

Major; wenn ich sagte,

daß mich Zhr Verfahren nicht ver­

drösse, so hätte ich wieder gelogen,

und ich will nicht mehr

lügen. —

v. Tellheim.

Sey nicht vcrdrüßlich, Werner! Zch erkenne

dein Herz und deine Liebe zu

mir.

ich brauche

Aber

dein

Geld nicht.

Werner.

Sie brauchen cs nicht?

vcrkauffcn

Und

lieber,

und versetzen lieber, und bringen sich lieber in der Leute Mäuler?

v. Tellheim. nichts mehr habe.

. man ist. Werner.

Die Leute mögen eS immer wissen, daß ich Man muß nicht reicher scheinen wollen, als

9tbct warum ärmer? — Wir haben,

so lange

unser Freund hat. v. Tellheim.

Es ziemt sich nicht,

ich dein Schuld­

daß

ner bin. Werner.

Ziemt sich nicht? — Wenn

einem

an

heißen

Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte;

und Sic zu mir

kamen, und sagten: Werner hast du nichts zu trinken? und ich Zhncn meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? — Ziemte sich das? — Bey meiner armen Seele,

wenn ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr werth

war, als alle der Quark! (indem er auch de» Beutel mit dm Louis­

doren heraus zieht, und ihm bcvdes hinrcicht) Major!

Nehmen

Bilden Sie sich ein, cs ist Wasser.

Gott für alle geschaffen.

Sie,

lieber

Auch das hat

Minna von Barnhelm.

50

v. Lellherm.

Du marterst mich;

du hörst es ja, ich will

dein Schuldner nicht seyn. Werner.

Za,

das

ist

Erst ziemte cs sich nicht; nun wollen Sie nicht?

was

anders,

Herr Major?

(etwas Ärgerlich) Sie

wollen

mein

Wenn Sie es denn aber schon wären,

Schuldner nicht seyn?

Oder sind Sie dem Manne nrchts schuldig, der

einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf spalten sollte, und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben los­

drucken und Zhncn die Kugel durch die Brust jagen wollte? — Was können Sie diesem Manne mehr schuldig werden?

Oder

hat es mit meinem Halse weniger zu sagen, als mit meinem

Beutel? — Wenn das vornehm gedacht ist, bey meiner armen

Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht! v. Tellheim.

Mit wem sprichst du so, Werner? Wir sind

allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dritter hörte, so wäre es Windbcutelcy.

Ich bekenne cs mit Vergnügen, daß

ich dir zwcymal mein Leben zu danken habe.

Aber, Freund,

woran fehlte mir es, daß ich bey Gelegenheit nicht eben so viel für dich würde gethan haben? He!

Werner.

Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezwei­

felt, Herr Major? Habe ich Sie nicht hundertmal für den ge­

meinsten Soldaten, wenn er ins Gedrenge gekommen war, Zhr Leben wagen sehen? v. Lellheim.

Werner.

Also!

Aber —

v. Tellheim.

Warum verstehst du mich nicht recht?

sage: es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin; dein Schuldner nicht seyn.

Ich

ich will

Nehmlich in den Umständen nicht,

in welchen ich mich jetzt befinde.

Werner.

So, so! Sie wollen cs verspann, bis auf bcßre

Zeiten: Sie wollen ein andermal Geld von mir borgen, wenn Sie keines brauchen,

wenn Sie selbst welches haben, und ich

vielleicht keines. y>. Lellheim.

Man muß nicht borgen, wenn man nicht

wieder zu geben weiß.

Werner. mer fehlen.

Einem Mann,

wie Sic,

kann

cs

nicht im­

Miiwa von Barnhelm. v. Tellheim-

51

Du kennst die Welt! — Am wenigsten muß

man sodann von Einem borgen, der sein Geld selbst braucht. Werner.

O ja, so Einer bin ich! Wozu braucht ichs denn?

— Wo man einen Wachtmeister nöthig hat, giebt man ihm auch zu leben.

v. Lellheim.

Du brauchst cs,

mehr als Wachtmeister zu

werden; dich auf einer Bahn weiter zu bringen, auf der, ohne

Geld, auch der Würdigste zurück bleiben kann. Werner.

ich nicht.

Mehr als Wachtmeister zu werden? daran denke

Zch bin ein guter Wachtmeister;

und dürfte leicht

ein schlechter Rittmeister, und sicherlich noch ein schlechtrer Ge­

neral werden.

Die Erfahrung hat man.

v. Tellheim.

Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes von

dir denken muß, Werner! Zch habe es nicht gern gehört, was Du hast dein Gllt verkauft, und willst

mir Zust gesagt hat.

wieder herum schwärmen. Laß mich nicht von dir glauben, daß

du nicht so wohl das Metier, als die wilde, lüderliche Lebens­

art liebest, die unglücklicher Weise damit verbunden ist.

Ma»

muß Soldat seyn, für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird.

Ohne Absicht heute hier, morgen da

dienen: heißt wie ein Flcischerknccht reisen, weiter nichts.

Werner.

Nun ja doch, Herr Major; ich will Zhncn fol­

Sie wissen besser, was sich gehört.

gen.

bleiben. — Aber, weile mein Geld. seyn.

Zch will bey Zhncn

lieber Major, nehmen Sie doch auch der-

Heut

oder morgen muß Zhre Sache aus

Sie müssen Geld die Menge bekommen.

Sie sollen mir

Zch thll cs ja nur

cs sodann mit Interessen wieder geben. der Zntercsscir wegen.

v. Tellhcim. Werner.

Schweig davon!

Bey meiner armen Seele,

ich thu cs nur der

Zntcressen wegen! — Wenn ich manchmal dachte: wie wird cs

mit dir aufs Sliter werden ? wenn du zu Schanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst betteln gehen müs­ sen? So dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehn;

'du wirst zum Major Tcllheim gehn;

Pfennig mit dir theilen;

der wird seinen letzten

der wird dich zu Tode füttern;

dem wirst du als ein ehrlicher Kerl stxrben können.

4 °

bey

Minna von Barnhelm.

52 v. Tcllheim.

(intern er Werners Hand ergreift) Und, Kamme-

rad, das denkst du nicht noch? Nein,

Werner.

das denk ich nicht

mehr. — Wer von

mir nichts annchmcn will, wenn ers bedarf, und ichs habe; der will mir auch nichts geben, wenn ers hat, und ichs bedarf.

— Schon gut! (will gehen) v. Tellheim.

Mensch, mache mich nicht rasend! Wo willst

du hin? (hatt ibn zurück) Wenn ich dich nun auf meine Ehre ver­ sichere, daß ich noch Geld habe; wenn ich dir auf meine Ehre verspreche,

daß ich dir es sagen will,

wenn ich keines mehr

habe; daß btt der erste und einzige seyn sollst, bey dem ich mir

etwas borgen will: — bist du dann zufrieden?

Muß ich nicht? — Geben Sic mir die Hand

Werner.

darauf, Herr Major. v. Tellheim.

Da, Paul! — Und nun genug davon.

Zch

kam hiehcr, um ein gewisses Mädchen zu sprechen —

Achter Austritt.

Franciöka.

(ans dem Zimmer des Fräuleins)

v. Tellheim.

Paul Werner.

Franeiska.

(im Heraustreten)

Sind

Sie

noch

da,

Herr

Wachtmeister? — (indem sie den Tcllheim gewahr wird) Und Sie sind auch da, Herr Major? — Den Augenblick bin ich zu Ih­

ren Diensten, (geht geschwind wieder in das Zimmer)

mitunter Auftritt.

v. Tcllheim. Paul Werner. v. Tellheim.

Das war sic! — Aber ich höre ja, du kennst

sie, Werner?

Werner.

Ja, ich kenne das Fralienzimmcrchen. —

v. Tellheim.

als ich

Gleichwohl,

wenn

ich mich

in Thüringen Winterquartier hatte,

recht erinnere,

warst btt nicht

bey mir? Werner.

Nein, da besorgte ich in Leipzig Mundirungsstücke.

v. Tellheim.

Werner. von heute.

Woher kennst du sie denn also?

Unsere Bekanntschaft ist noch blutjung.

Aber junge Bekanntschaft ist warm.

Sie ist

Minna von Barnhelm.

v. Tellheim.

gesehen? Werner.

53

Also hast du ihr Fräulein wohl auch schon

Ist ihre Herrschaft ein Fräulein?

Sic hat mir

gesagt, Sie kennten ihre Herrschaft. v. Tellheim. Hörst du nicht? aus Thüringen her.

Werner. Ist das Fräulein jung? v. Tellheim. 2a. Werner. Schön? v. Tellheim. Sehr schön. Werner. Reich? v. Tellheim. Sehr reich. Werner. Ist Ihnen das Fräulein auch so gut, wie das Mädchen? Das wäre ja vortrefflich! v. Tellheim. Wie mcynst du?

Zehnter Auftritt. Franciska. lwieder heraus, mit einem Bries in der Hand) v. Tellhcim. Paul Werner.

Franciska- Herr Major — v. Tellheim. Liebe Franciska, ich habe

dich noch nicht

willkommen heißen können. Franciska. Zn Gedanken werden Sie es doch schon ge­ than haben. Ich weiß, Sie sind mir gut. Ich Ihnen auch. Aber das ist gar nicht artig, daß Sic Leute, die Ihnen gut sind, so ängstigen. Werner, (vor sich) Ha, nun merk ich.

v. Tellhcim.

Es ist richtig! Mein Schicksal, Franciska! — Hast du ihr

den Brief übergeben? Franciska. Za, und hier übergebe

ich Ihnen — (reicht

ihm teil Brief)

v. Tellheim. Eine Antwort? — Franciska. Nein, Ihren eignen Brief wieder. v. Tellheim. Was? Sie will ihn nicht lesen? Franciska. Sic wollte wohl; aber — wir können Ge­ schnobn cs nicht gut lesen. v. Tellheim. Schäckcrinn! Franciska- Und wir denken, daß das Briefschrcibcn für die

Minna von Barnhelm.

54

nicht erfunden ist, die sich mündlich mit einander unterhalten können, sobald sic wollen.

Welcher Vorwand? Sie muß ihn lesen.

v. Tellheirn.

Er

enthält meine Rechtfertigung, — alle die Gründe und Ursachen — Die will das Fräulein von Ihnen selbst hören,

Francieka. nicht lesen. v. Lellheim.

Von

mir

selbst hören?

Damit mich jedes

Wort, jede Miene von ihr verwirre; damit ich in jedem ihrer

Blicke die ganze Größe meines Verlustes empfinde? — Ohne

Francieka.

giebt ihm de» Brief)

Barmherzigkeit!



Nehmen Sie!

Sic erwartet Sie um drey Uhr.

ausfahren, und die Stadt besehen.

(sie

Sie will

Sie sollen mit ihr fahren,

Mit ihr fahren?

v. Tellheim.

Und was geben Sie mir, so laß ich Sie beide

Francieka.

ganz allein fahren? Ich will zu Hause bleiben.

v. Tellheini.

Ganz allein? Zn einem schönen verschloßnen Wagen.

Francieka.

v. Lellheim.

Unmöglich! Za, ja; im Wagen muß der Herr Major Katz

Francieka.

aushalten! da kann er uns nicht entwischen.

Darum geschieht

es eben. — Kurz, Sie kommen, Herr Major;

und Punkte

drey. — Nun? Sie wollten mich ja auch allein sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen? — Za so, wir sind nicht al­

lein. (indem sic Wernern ansteht)

v. Lelihcim.

Doch Franciska; wir wären allein. Aber da

das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, so habe ich dir noch

nichts zu sagen.

So

Franciska.

wären

wir doch allein? Sie haben vor

dem Herrn Wachtmeister keine Geheimnisse?

v. Tellheim-

Franciska.

Nein, keine. Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche vor

ihm haben.

v. Lcllheim. Werner. Franciska.

Wie das?

Warum das, Fraucnzimmcrchen? Besonders Geheimnisse von einer gewissen Art

— Alle zwanzig, Herr Wachtmeister? (indem sie beide Hände mit gcsprcitzten Fingern in die Hohe hält)

Minna von Barnhelm. St! st! Frallenzimmerchen, Frauenzimmerchen!

Werner.

v. Tellheim. Franciska.

Was heißt das? Husch

ists

Herr Wachtmeister?

am Finger,

(als ob sie einen Ring geschwind ansteckte) v. Lellhcim. Was habt ihr ?

Werner.

Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie wird

ja wohl Spaß verstehn? r>. Lellheim.

Werner, du hast doch nicht vergessen, was

ich dir mehrmal gesagt habe;

daß man über einen gewissen

Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen muß?

Werner. Bey meiner armen Seele, haben! — Frauenzimmerchen, ich bitte — Nun,

Franciska.

wenn

es Spaß

ich kanns vergessen gewesen

ist;

dasmak

will ich cs Zhm verzeihen.

Wenn

v. Tellherm. Franciska: vorher

ich

denn

durchaus

kommen

muß,

so mache doch mir, daß das Fräulein den Brief

noch

Das

liefet.

wird mir die

Peinigung

ersparen,

Dinge noch einmal zu denken, noch einmal zu sagen, die ich so

gern Vergessen möchte.

Da, gib ihr ihn! (indem er den Brief um­

kehrt, und ihr ihn zureichen will, wird er gewahr, daß er erbrochen ist)

Aber sehe ich recht? Der Brief, Franciska, ist ja erbrochen. Das kann wohl seyn,

Franciska.

er ist erbrochen.

gelesen haben wir

nicht.

(besteht ihn) Wahrhaftig

Wer muß ihn denn erbrochen haben?

ihn

wirklich nicht,

Herr Major,

Doch

wirklich

Wir wollen ihn auch nicht lesen, denn der Schreiber

kömmt selbst.

Kommen Sie ja;

und wissen Sie was,

Herr

Major? Kommen Sie nicht so, wie Sic da sind; in Stiefeln,

kaum frisirt.

Sie sind zu entschuldigen; Sie haben uns nicht

vermuthet. Kommen Sie in Schuen, und lassen Sie sich frisch

frisiren. — So

sehen Sie mir gar zu brav, gar zu Preus­

sisch aus!

v. Lcllheim.

Ich danke dir, Franciska.

Sic sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kam-

Franciska. pirt hätten. v. Lellheim. Franciska.

dann essen.

Du kannst es errathen haben.

Wir wollen uns gleich auch putzen Wir behielten Sie gern zum Essen,

und so­

aber Ihre

Minna von Barnhelm.

56

Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern; und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns nicht hungerte.

v. Tellheim.

Ich geh! Franciska, bereite sie indeß ein we­

nig vor; damit ich weder in ihren, noch in meinen Augen ver­ ächtlich werden darf. — Komm, Werner, du sollst mit mir essen.

Werner.

An der Wirthstasel, hier im Hause? Da wird

mir kein Bissen schmecken. v. Tellheim.

Werner.

Bey mir aus der Stube.

So folge ich Zhncn gleich.

Nur noch ein Wort

mit dem Franenzimmerchen. v. Tellheim. Das gefällt mir nicht übel! (geht ab) Eilfter Auftritt. Paul Werner-

Werner.

Franciska.

Nun, Herr Wachtmeister? —

Franciska.

Franenzimmerchen,

wenn ich wiedcrkommc,

soll

ich auch geputzter kommen?

Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister;

Franciska.

meine Augen werden nichts wider Ihn haben.

Aber meine Ohren

werden desto mehr auf ihrer Hut gegen Ihn seyn müssen. —

Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ey, ey, Herr Wachtmeister! Werner.

Nein, Fraucnzimmcrchen; eben das wollt ich Zhr

noch sagen: die Schnurre fuhr mir nun so heraus! Es ist nichts dran.

Man hat ja wohl an Einem Ring genug.

dert und aber hundertmal,

Und hun­

habe ich den Major sagen hören:

Das muß ein Schurke von einem Soldaten seyn, der ein Mäd­ chen anführen kann! — So denk ich auch, Frauenzimmcrchcn. Verlaß Sie sich drauf! — Zch muß machen, daß ich ihm nach­ komme. — Guten Appetit, Franenzimmerchen! (geht ab) Franciska.

Gleichfalls, Herr Wachtmeister! — Zch glaube,

der Mann gefällt mir! (intern sic herein gehe» will, kommt ihr bas

Fräulein entgegen)

Zwölfter Allftritt. Das Fräulein. Franciska-

Das Fräulein. Ist der Major schon wieder fort? — Fran­ ciska, ich glaube, ich wäre Letzt schon wieder ruhig genug, daß

ich ihn hätte hier behalten können.

Minna von Barnhelm. Franciska.

57

Und ich will Sie noch ruhiger machen.

Desto besser!

Das Fräulein.

o feilt Brief!

Sein Brief,

Jede Zeile sprach den ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung,

betheuerte mir seine Liebe. — Er wird

mich zu besitzen,

es

wohl gemerkt haben, daß wir den Brief gelesen. — Mag er

Er kömmt doch gewiß? — Bloß

doch; wenn er nur kömmt.

ein wenig zu viel Stolz, Franciska, scheint mir in seiner Auf­

Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht

führung zu seyn.

wollen zu danken haben, ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn

er mir diesen zu stark merken läßt, Fraiteiska — Franciska-

So wollen Sie seiner entsagen?

Das Fräulein.

Ey, sieh doch! Jammert er dich nicht schon

wieder? Nein, liebe Närrin, Eines Fehlers wegen entsagt man

Nein; aber ein Streich ist mir beygefallcn,

keinem Manne.*) ihn wegen

dieses

zu martern. Franciska.

Stolzes

mit

ähnlichem

Stolze ein wenig

Nun da müssen Sie ja recht sehr ruhig seyn,

mein Fräulein, wenn Ihnen schon wieder Streiche bcyfallcn. Ich bin es auch; komm nur.

Das Fräulein.

Du wirst

deine Rolle dabey jti spielen haben, (sic gehen herein)

Vierter Aufzug. Erster Auftritt. (Die Scene, das Zimmer des Frauleins.) reich, aber mit Geschmack gekleidet)

Das Fräulein,

Franciska.

(völlig, und

(Sie stehen vom Tische

auf, den ein Bedienter abräumt)

Franciska-

Sie

Fräulein. Das Fräulein.

können

unmöglich

satt

seyn,

gnädiges

Meynst du, Franciska? Vielleicht, daß ich

mich nicht hungrig nicdcrsctztc. Franciska.

Wir hatten ausgemacht, seiner währender Mahl­

zeit nicht zu erwähnen.

Aber wir hätten uns auch vornehmen

sollen, an ihn nicht zu denken. ") In der Handschrift stand erst „keines Mannes."

Minna von Barnhclw.

58 Das Fraulein.

Wirklich, ich habe an nichts, als an ihn

gedacht.

Franciska.

Das merkt ich wohl.

und Sie antworteten mir auf jedes

Dingen an zu sprechen,

verkehrt.

Zch fing von hundert

(Ein anderer Bedienter tragt Kaffee auf)

Hier kömmt

Nahrung, bei der man eher Grillen machen kann.

eine

Der liebe/

melancholische Kaffee!

Das Fräulein.

Grillen? Zch mache keine.

der Lection nach, die ich ihm geben will.

Zch denke bloß

Hast du mich recht

begriffen, Franciska?

Francieka.

O ja;

sie uns. Das Fräulein.

aus kenne.

am besten aber wäre cs,

er ersparte

Du wirst sehen, daß ich ihn von Grund

Der Mann, der mich jetzt mit allen Reichthümern

verweigert, wird mich der ganzen Welt streitig machen, sobald er hört, daß ich unglücklich und verlassen bin.

Francieka. (sehr ernst)

Und

so

was muß

die feinste Ei­

genliebe unendlich kützeln. Das Fräulein.

Sittenrichtcrin! Seht doch! vorhin ertappte

sie mich auf Eitelkeit; jetzt auf Eigenliebe. — Nun, laß mich nur, liebe Franciska.

Du sollst mit deinem Wachtmeister auch

machen können, was du willst. Francieka.

Mit meinem Wachtmeister?

Das Fraulein.

Za, wenn du cs vollends leugnest, so ist cs

richtig. — Zch habe ihn noch nicht gesehen; Worte,

das du mir von ihm gesagt hast,

aber aus jedem

prophczcye ich dir

deinen Mann. Zweyter Austritt. Riccaut de la Marliniere.

Riccaut.

le Major? Francieka. Thüre gehend) Riccaut.

Das Fräulein.

(noch innerhalb der Scene)

Was ist das?

Franciska.

Est-il permis, Monsieur

Will das zu uns? (gegen die

Parbleu! Zk bin unriktig. — Mais non — Zk

bin nit unriktig — C’esft la chambre —

Minna von Barnhelm.

59

Ganz gewiß, gnädiges Fräulein, glaubt dieser

Franciska.

Herr, den Major von Tcllhcim noch hier zu finden.

Iß so! — Le Major de Tellheim; juste, ma

Riccaut.

belle enfant, c’est lui que je cherche.

Oü eft-il?

Er wohnt nicht mehr hier.

Franciska.

Comment?

Riccaut.

nok

vor vier UN

swanzik

Stund

hier logier? Und logier nit mehr hier? Wo logier er denn?

Das Fräulein,

Ah,

Riccaut-

(die auf ihn zukömmt) Mein Herr, —

Madame,

— Mademoiselle,



Zhro

Gnad verzeih —

Das Fräulein.

Mein Herr, Ihre Zrrnng ist sehr zu ver­

geben, und Ihre Verwunderung sehr natürlich.

jor hat die Güte gehabt,

Der Herr Ma­

mir, als einer Fremden, die nicht

untcrzukommcn wußte, sein Zimmer zu überlassen.

Ah voilä de les politefses! C’est un tres-ga­

Riccaut.

lant-homme que ce Major!

Das Fraulein.

Wo er indeß hingezogcn, — wahrhaftig,

ich muß mich schämen, es nicht zu wissen. Zhro Gnad nit wiß?

Riccaut.

C’est dommage;

j’en

suis fache. *)

Das Fräulein.

Ich hätte mich allerdings darnach erkundi­

Freylich werden ihn seine Freunde noch hier suchen.

gen sollen. Riccaut.

Zk bin sehr von seine Freund, Zhro Gnad —

Das Fräulein. Franciska. ' Riccaut.

Franciska, weißt du es nicht?

Nein, gnädiges Fräulein. Jk hätt ihn zu sprck, sehr nothwendik.

Zk komm

ihm bringen eine Nouvelle, davon er sehr frölik seyn wird.

Das Fräulein. hoffe ich,

Zch belauere um so

vielleicht bald,

viel

ihn zu sprechen.

mehr. — Doch Zst es gleichviel,

aus wessen Munde er diese gute Nachricht erfährt, so erbiete ich mich, mein Herr —

Riccaut.

Zk versteh.

Mais sans doute;

teile

— que

Mademoiselle

parle frangois?

je la vois! — La demande

etoit bien impolie; Vous me pardonncres, Mademoiselle. — Das Fraulein.

Mein Herr —

■*) mortifie in der Handschrift.

60

Minna von Barnhelm.

Riccaut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Jhro Gnad? Das Fräulein. Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu

sprechen suchen. Aber warum hier? Ich höre ja, daß Sie mich verstehen, mein Herr. Und ich, mein Herr, werde Sie gewiß auch verstehen; sprechen Sie, wie es Ihnen beliebt. Riccaut. Gutt, gutt! Zk kann auk mik auf Deutsch explicier. — Sackes donc, Mademoiselle, — Jhro Gnad soll also wiß, daß Lk komm von die Tafel bey der Minister —

Minister von — Minister von — wie heiß der Minister da draus? — in der lange Straß? — ans die breite Platz? — Das Fräulein. Ich bin hier noch völlig unbekannt.

Riccaut. Nun, die Minister von der Kriegsdepartement. — Da haben ik zu Mittag gespeisen; — ik speisen a l’ordinaire bey ihm, — und da iß man gekommen reden auf der Major Tellheim; et le Miniftre ma dit en considence, car

Son Excellence est de mes amis, et il n’y a point de myftcres entre nous — Se. Excellenz, will ik sag, haben mir vertrau, daß die Sak von unserm Major sey auf den Point

zu enden, und gutt zu enden. Er habe gemakt ein Rapport an den Könik, und der Könik habe daraus resolvir, tout-äfait en faveur du Major. — Monsieur, m’a dit Son Excel­ lence, Vous comprenes bien, que tout depend de la maniere, dont on fait envifager les chofes au Roi, et Vous ine connofscs. Cela fait un tres-joli gar^on que ce Tell­ heim, et ne fais-je pas que Vous l’aimes? Les amis de mes amis fönt aussi les micns. II coute un peu eher au Roi ce Tellheim, mais est-ce que Ion sert les Rois pour

rien? II saut l’entr’aider en ce monde; et quand il l’agit de pertes, que ce foit le Roi, qui en fasse, et non pas un honnet-homme de nous autres.*) Voila le principe, dont

je ne me depars jamais. — Was sag Jhro Gnad hierzu? Nit wahr, das iß ein brav Mann? Ah que Son Excellence a le coeur bien place! Er hat mir au reite versiker, weiln der Major nit schon bekommell habe une Lcttre de la main

*) des notres in der Handschrift, die auch sonst im Französischen eini­ ges anders hat.

61

Minna von Barnhelm.

— eine Köniklikcn

Handbricf,

daß er hcnt infailliblement

müsse bekommen einen.

Das Fräulein.

Gewiß,

diese Nachricht wird

mein Herr,

dem Major von Tcllhcim höchst angenehm seyn.

Ich wünschte

nur, ihm den Freund zugleich mit Namen nennen zu können, der so viel Antheil an seinem Glücke nimmt —

Riccaut-

Mein Namen wünscht Zhro Gnad?



Vous

voyes en moi — Zhro Gnad seh in mik le Chevalier Ric­

caut

de

la Marliniere, Seigneur

de Pret-au-val,

de Ja

Branche de Prensd’or. — Zhro Gnad steh verwundert, mik

aus so ein groß, groß Familie zu hören, qui est verilablc-

ment du fang Royal. — 11 saut le dirc; je suis fans doute le Cadet le plus avantureux, que la maifon a jamais eu —

Zk dien von meiner elfte Zahl.

mik fliehen.

Ein Affaire d’honncur makte

Drauf haben ik gcdienet Sr. Pabstliken Eilikhcit,

der Republik St. Marino, der Kron Pohlen, und den Staa­

ten-General, bis ik endlik bin worden gezogen hierher.

Ab,

Mademoiselle, que je voudrois n’avoir jamais vü ce paisla! Hätte man mik gelaß im Dienst von den Staaten-Gene­

ral, so müßt ik nun seyn, aufs wcnikst Oberst.

Aber so hier

immer und ewik Capitaine geblieben, und nun gar seyn ein abgedankte Capitaine —

Das Fraulein. Riccaut.

Das ist viel Unglück.

Oui, Mademoiselle, me voilä reforme, et par-

lä mis für le pave!

Das Fraulein. Riccaut.

Vous

Ich beklage sehr. etes

bien

bonne,

Mademoiselle.

Nein, man kenn sik hier litt auf den Verdienst.



Einen Mann,

wie mik, su reformir! Einen Mann, der sich nok dasu in die­ sem Dienst hat rouinir! — Zk

als swansik tausend Livres.

haben

dabey sugcsctzt,

mehr

Was hab ik nun? Tranchons le

mot; je n’ai pas le fou, et rne voilä cxactcment vis-ä-

vis du rien. — Das Fräulein.

Riccaut.

Es thut mir ungemein leid.

Vous etes bien bonne, Mademoiselle.

Aber

wie man pfleg fit sagen: ein jeder Unglück schlepp nak sik seine Bruder;

qu’un malheur ne vicnt jamais fcul:

so mit mir

Minna von Barnhelm.

62

Was ein Rönnet - komme

arrivir.

von

mein Extraction

kann anders haben für Refource, als das Spiel ? Nun hab ik immer gespiclcn mit Glück, so lang ik hatte nit von nöthen

der Glück.

Nun ik ihr hätte von nöthen, Mademoiselle, je

joue avec un guignon, qui furpasse tonte croyance.

fnnfschn

Tag iß vergangen keine,

sprcnkt.

Nok gestern hab sie mik gesprenkt dreymal.

wo

Seit

sie mik nit hab ge-

Je sais

bien, qu’il y avoit quelque chofe de plus que le jeu. Car parmi mes pontes fe trouvoient will niks weiter sag.

certaines dames — Ik

Man muß seyn galant gegen die Da­

men. Sie haben auk mik heut invitir, mir fit geben revanche; mais — Vous m’entendes, Mademoiselle — Man muß erst

wiß, wovon leben; ehe man haben kann, wovon su spielen. —

Das Fräulein. Riccaut-

Ich will nicht hoffen, mein Herr —

Vous etes bien bonne, Mademoiselle —

Das Fraulein,

(nimmt die Franciska bei Seite)

Mann tattert mich im Ernste.

Franciska,

der

Ob er mir es wohl übel nehmen

würde, wenn ich ihm etwas entböthe?

Franciska.

Der sieht mir nicht darnach aus.

Das Fraulein.

Gut! — Mein Herr, ich höre, — daß

Sie spielen; daß Sie Bank machen; ohne Zweifel an Orten, wo etwas zu gewinnen ist.

Ich muß Ihnen bekennen, daß ich

— gleichfalls das Spiel sehr liebe, — Riccaut.

Tant mieux, Mademoiselle, tant mieux! Tous

les gens d’esprit aiment le jeu a la fureur. Das Fräulein.

Daß ich sehr gern gewinne; sehr gern nicht

Geld mit einem Manne wage, der — zu spielen weiß. — Wä­

ren Sie wohl geneigt, mein Herr, mich in Gesellschaft zu neh­

men? mir einen Antheil an Ihrer Bank zu gönnen? Riccaut.

Comment, Mademoiselle, Vous voules etre de

moitie avec moi? De tout mon coeur. Das Fräulein.

Bors erste,

nur mit einer Kleinigkeit —

(geht und langt Geld aus ihrer Schatulle)

Riccaut.

Ah, Mademoiselle, que Vous etes charmante! —

Das Fräulein.

Hier habe ich, was ich ohulängst gewonnen;

nur zehn Pistolen — ich muß mich zwar schämen, so wenig —

Minna von Barnhelm.

Riccaut.

Donnes

(nimmt cs) Das Fräulein.

toujours,

Mademoiselle,

63

donnes.

Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr,

sehr ansehnlich ist — Riccaut. Za wohl sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll seyn dafür inlereffir bey meiner Bank ans ein Drcy-

theil, pour le tiers. Swar ans ein Dreythcil sollen seyn — etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß man cs neh­ men nit so genau. Zk gratulir mik, su kommen dadurk in liaifon mit Jhro Gnad, et de ce moment je recommence a bien augurer de ma Fortune. Das Fräulein. Ich kann aber nicht dabey seyn, wenn Sie

spielen, mein Herr. Riccaut. Was brank Zhro Gnad dabey sn seyn? Wir andern Spieler sind ehrlike Leut unter einander. Das Fraulein. Wenn wir glücklich sind, mein Herr, so werden Sie mir meinen Antheil schon bringen. Sind wir aber ttnglücklich — Riccaut. So komm ik hohlen Rekruten. Nit wahr, Zhro Gnad? Das Fräulein. Auf die Länge dürften die Rekruten fehle». Vertheidigen Sie unser Geld daher ja wohl, mein Herr. Riccaut. Wofür seh mik Zhro Gnad an? Für ein Einfalspinse? für ein dumme Teuff? Das Fräulein. Verzeihen Sie mir — Riccaut. Je suis des Bones, Mademoiselle. Saves-vous ce que cela veut dire? Ik bin von die Ansgclernt — Das Fräulein. Aber doch wohl, mein Herr — Riccaut- Je fais monier un coup —

Das Fräulein, (verwundernd) Sollten Sie? Riccaut. Je sile la carte avec une ad re Ise — Das Fräulein. Nimmermehr! Riccaut. Je sais fauler la coupe avec une dexterite — Das Fräulein.

Sie werden doch nicht, mein Herr? —

Riccaut. Was nit? Zhro Gnade, was nit? moi un pigeonneau a plumer, et — Das Fräulein. Falsch spielen? betrügen? Riccaut.

Donnes-

Comment, Mademoiselle? Vous appelles cela

Minna von Barnhelm.

64 betrügen?

Corriger la Fortune, l’enchainer fous Fes doits,

clrc sür dc son fait, das nenn die Deutsch betrügen? Betrü­

O, was ist die deutsch Sprak für ein arm Sprak! für

gen!

ein plump Sprak! Das Fräulein.

Riccaut.

ruhik!

Nein, mein Herr, wenn Sie so denken —

LaiFFes-moi Faire, Mademoiselle, und seyn Sie

Was gehn Sie an, wie ik spiel? — Gnug, morgen

entweder sehn mik wieder Zhro Gnad mit hundert Pistol, oder

sch mik wieder gar nit — Votre tres-humble, Mademoiselle, volre tres-humble — (eilends ab)

Das Fräulein, (die ihm mit Erstaunen und Verdruß nachsicht) Ich wünsche das letzte, mein Herr, das letzte!

Dritter Auftritt.

Das Fräulein. Franciska. Francieka- (erbittert) Kann ich noch reden? O schön! o schön!

Das Fräulein.

Spotte nur; ich verdiene es. (nach einem klei­

nen Nachdenken, und gelassener) Spotte nicht, Franciska; ich verdicitk

cs nicht.

Franciska.

Vortrefflich!

da haben Sie etwas allerliebstes

gethan; einem Spitzbuben wieder auf die Beine geholfen. Das Fräulein.

Franciska.

Es war einem Unglücklichen zugedacht.

Und was das beste dabey ist:

der Kerl hält

Sie für seines gleichen. — O ich muß ihm nach, und ihm das Geld wieder abnchmcir. (will fort)

Das Fräulein.

Franciska, laß dcn Kaffee nicht

vollends

kalt werden; schenk ein.

Franciska.

Er muß es Ihnen wiedergeben; Sie haben sich

anders besonnen; Sie wollen mit ihm nicht in Gesellschaft spie­ len.

Zehn Pistolen! Sie hörten ja, Fräulein, daß es ein Bettler

war! (das Fräulein schenkt indeß selbst ein) Wer wird einem Bettler

so viel geben? Und ihm noch dazu die Erniedrigung, es erbet­ telt zu haben, zu ersparen stieben? Dcn Mildthätigen, der den Bettler

aus Großmuth verkennen

wieder.

Nun mögen Sie cs haben, Fräulein, wenn er Ihre

will,

verkennt der Bettler

Gabe, ich weiß nicht wofür, ansicht. — (und reicht dec Franciska

eine Tasse) Wollen Sie mir das Blltt noch mehr in Wallung

Minna von Barnhelm.

65

bringen? Zch mag nicht trinken, (das Fräulein setzt sie wieder weg) — „ Parbleu, Zhro Gnad, man

kenn sik hier nit ans den

Verdienst" (in dem Tone des Franzosen) Freylich nicht, wenn man

die Spitzbuben so ungehangen Herumlauffen läßt. Das Fräulein, (kalt und nachdcnkend, indem sie trinkt) Mädchen, du verstehst dich so trefflich auf die guten Menschen: aber, wenn

willst du die schlechten ertragen lernen? — Und sie sind doch auch Menschen. — Und öfters bey weitem so schlechte Men­ schen nicht, als sie scheinen. — Man muß ihre gute Seite nur

aufsnchen. — Zch bilde mir ein, dieser Franzose ist nichts, als Aus bloßer Eitelkeit macht er sich zum falschen Spieler;

eitel.

er will mir nicht verbunden scheinen; er will sich den Dank er­

sparen.

Vielleicht, daß »r nun hingeht, seine kleine Schulden

bezahlt, von dem Reste, so weit er reicht, still und sparsam

lebt, und an das Spiel nicht denkt. Wenn das ist, liebe Franciska, so laß ihn Rekrllten hohlen, wenn er will. — (giebt ihr die Tasse)

Da, setz weg! — Aber, sage mir, sollte Tellheim nicht

schon da seyn?

Franciska.

Nein, gnädiges Fräulein; ich kann beides nicht;

weder an einem schlechten Menschen die gute, noch an einem

guten Menschen die böse Seite anfsuchen. Das Fräulein.

Franciska.

Er kömmt doch ganz gewiß? —

Er sollte wegbleiben! — Sie bemerken an ihm,

an ihm, dem besten Manne, ein wenig Stolz, und darum wol­ len Sie ihn so grausam necken? Kömmst du da wieder hin? — Schweig,

Das Fräulein.

das will ich nun einmal so.

Wo du mir diese Lust verdirbst;

wo du nicht alles sagst und thnst, wie wir es abgeredet haben!

— Ich will dich schon allein mit ihm lassen; und dann--------Zctzt kömmt er wohl.

Vierter Auftritt. Paul Werner- (der In einer steifen Stellung, gleichsam Im Dienste, Her­ eintritt)

Franciska.

Franciska.

Nein, es ist nur sein lieber Wachtmeister.

Das Fräulein.

dieses Lieber?

Das Fräulein.

Lieber Wachtmeister? Auf wen bezieht sich

Minna von Barnheftn.

r>6 Franciska.

Gnädiges Fräulein, machen Sie mir den Mann

nicht verwirrt. — Ihre Dienerin, Herr Wachtmeister; was brin­ gen Sic uns? Werner, (gebt, ohne auf die Franciska zu achten, an das Fräulein)

Der Major von Tellheim läßt an das gnädige Frätllcin von

Barnhclm durch mich, den Wachtmeister Werner, seinen nntcrund sagen, daß er sogleich hier

thänigen Respekt vermelden,

seyn werde. Das Fräulein. Werner.

Wo bleibt er denn?

Zhro Gnaden werden verzeihen;

wir sind, noch

vor dem Schlage drey, ans dem Quartier gegangen;

aber da

hat ihn der Kricgszahlmeistcr unterwcgens angeredt; und weil

mit dergleichen Herrn des Redens immer kein Ende ist, so gab er mir einen Wink, dem gnädigen Fräulein den Vorfall zu rapportiren. Das Fräulein. Recht wohl, Herr Wachtmeister. Zch wünsche

nur, daß der Kricgszahlmeistcr dem Major etwas angenehmes möge zu sagen haben. Werner. Das haben

dergleichen

Herren

den

Offieiercn

selten. — Haben,Zhro Gnaden etwas zu befehlen? (im Begriffe wieder zu gehen) Franciska. Nun, wo denn schon wieder hin, Herr Wacht­ meister? Hätten wir denn nichts mit einander zu plaudern?

Werner., (sachte zur Franciska, und ernsthaft) Hier nicht, Francn-

zimmerchen. Es ist wider den Respekt, wider die Subordination. — Gnädiges Frätilein —

Das Fräulein.

Zch

danke

für

Seine

Bemühung,

Herr

Wachtmeister. — Es ist mir lieb gewesen, Zhn kennen zu ler­

nen.

Franciska hat mir viel gutes von Zhm gesagt. (Werner

macht eine steife Verbeugung, und geht ab) Fünfter Auftritt.

Das Fräulein. Franciska. Das Fraulein.

Franciska.

Das ist dein Wachmteistcr, Franciska?

Wegen

des

spöttischen Tones

habe

ich

nicht

Zeit, dieses Dein nochmals aufzumutzen. — — Za, gnädiges Fräulein, das ist mein Wachtmeister.

Sie finden ihn, ohne

Minna von Barnhelm.

Zweifel, ein wenig steif und hölzern.

67

Jetzt kam er mir fast

auch so vor. Aber ich merke wohl; er glaubte, vor Zhro Gna­ den, auf die Parade ziehen zu müssen.

Und wenn die Solda­

ten paradircn, — ja freylich scheinen sie da mehr Drechsler­

Sie sollten ihn hingegen nur sehn und

puppen, als Männer.

hören, wenn er sich selbst gelassen ist. Das Fräulein.

Franciska.

Das müßte ich denn wohl.

Er wird noch auf dem Saale seyn.

Darf ich

nicht gehn, und ein wenig mit ihm plaudern?

Das Fräulein.

Zch versage dir ungern dieses Vergnügen.

Du mußt hier bleiben, Franciska.

Du mußt bey unserer Un­

terredung gegenwärtig seyn. — Es fällt mir noch etwas bey. (Sie zieht ihren Ring vom Finger) Da, nimm meinen Ring, ver­ wahre ihn, rind gieb mir des Majors seinen dafür. Franciska.

Warum das?

Das Fräulein, (indem Franciska den andern Ning hohlt)

Recht

weiß ich es selbst nicht; aber mich dünkt, ich sehe so etwas vor­

aus, wo ich ihn brauchen könnte. — Man pocht. — Geschwind

gieb her! (sie steckt ihn an) Er ists! Sechster Auftritt.

v. Tellheim. (in dem nehmlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franciska verlangt) Das Fräulein. Franciska. v. Tcllheim.

Gnädiges Fräulein, Sie werden mein Ver­

weilen entschuldigen. —

Das Fräulein.

O, Herr Major, so gar militairisch wollen

wir cs mit einander nicht nehmen.

Sie sind ja da! Und ein

Vergnügen erwarten, ist auch ein Vergnügen. — Nun? (indem

sic ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber Tellheim, waren wir nicht vorhin Kinder? v. Lellheim.

Za wohl Kinder, gnädiges Fräulein; Kinder,

die sich sperren, wo sie gelassen folgen sollten.

Das Fräulein.

Wir wollen arisfahren, lieber Major, —

die Stadt ein wenig zu besehen, — und hernach, meinem Oheim entgegen. v. Lellheim. Das Fräulein.

Wie?

Sehen Sie; auch das Wichtigste haben wir

5 •

Minna von Barnhelm.

68

einander noch nicht sagen können.

Za, er trifft noch hente hier

Ein Zufall ist Schuld, daß ich, einen Tag früher, ohne

ein.

ihn angekommen bin. v. Tellheim.

Der Graf von Bruchsal? Ist er zurück ?

Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn

Das Fräulein.

nach Ztalien; der Friede hat ihn wieder zurückgebracht. — Ma­ chen Sie sich keine Gedanken, Tellheim.

Besorgten wir schon

ehemals das stärkste Hinderniß unserer Verbindung von seiner

Seite — v. Tellheim-

Unserer Verbindung? Er ist Zhr Freund.

Das Fraulein.

Er hat von zu vie­

len, zu viel Gutes von Zhnen gehört, um es nicht zu seyn.

Er

brennet, den Mann von Antlitz zu kennen, den seine einzige

Erbin gewählt hat.

Er kömmt als Oheim, als Vormund, als

Vater, mich Zhnen zu übergeben.

v. Tellheim.

Ah,

Fräulein,

warum haben Sie meinen

Brief nicht gelesen? Warum haben Sie ihn nicht lesen wollen? Das Fräulein-

Zhren Brief? Za, ich erinnere mich, Sie

schickten mir einen.

Wie war es denn mit diesem Briefe, Fran-

ciska? Haben wir ihn gelesen, oder haben wir ihn nicht gele­ sen? WaS schrieben Sie mir denn, lieber Tellheim? —

v. Tellheim. Das Fräulein.

Nichts, als was mir die Ehre befiehlt. Das ist, ein ehrliches Mädchen,

liebt, nicht sitzen zu lassen.

die Sie

Freylich befiehlt das die Ehre.

wiß ich hätte den Brief lesen sollen.

Ge­

Aber was ich nicht gele­

sen habe, das höre ich ja.

v. Tellheim. Das Fräulein.

hören.

Za, Sie sollen es hören —

Nein, ich brauch es auch nicht einmal zu

Es versteht sich von selbst.

Sie könnten eines so häß­

lichen Streiches fähig seyn, daß Sie mich nun nicht wollten? Wissen Sie, daß ich auf Zeit meines Lebens beschimpft wäre?

Meine Landsmänninnen würden mit Fingern auf mich weisen. — „Das ist sie," würde es heißen, „das ist das Fräulein

von Barnhelm, die sich einbildete, weil sie reich sey, den wackern Tellheim zu bekommen: als ob die wackern Männer für Geld

zu haben wären!"

So würde es heißen: denn meine Lands­

männinnen sind alle neidisch auf mich.

Daß

ich

reich

biir,

Minna von Barnhelm.

69

können sie nicht leugnen; aber davon wollen sie nichts wissen,

daß ich auch sonst noch ein ziemlich gutes Mädchen bin, das

seines Mannes werth ist.

v. Tellheim.

Za,

Nicht wahr, Tellheim?

gnädiges Fräulein,

ja,

ich Ihre Landsmänninnen.

daran erkenne

Sie werden Ihnen einen abgedank­

ten, an seiner Ehre gekränkten Officier, einen Krüppel, einen

Bettler, trefflich beneiden. Das Fräulein.

Und das alles wären Sie?

Zch hörte so

was, wenn ich mich nicht irrt, schon heute Vormittage.

ist Böses und Gutes

unter

einander.

Da

Lassen Sie uns doch

jedes näher beleuchten. — Verabschiedet sind Sie? So höre ich. Zch glaubte, Zhr Regiment sey blos untergesteckt worden.

Wie

ist eS gekommen, daß man einen Mann von Zhren Verdiensten

nicht beybchaltcn? v. Tellheim.

Es ist gekommen,

wie es kommen müssen.

Die Großen haben sich überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung

für sie ganz wenig; aus Pflicht nicht viel, mehr: aber alles sei­ ner eignen Ehre wegen thut.

Was können sie ihm also schuldig

zu seyn glauben? Der Friede hat ihnen mehrere meines glei­ chen entbehrlich gemacht; und am Ende ist ihnen niemand un­

entbehrlich. Das Fräulein.

Sie sprechen wie ein Mann sprechen muß,

dem die Großen hinwiederum sehr entbehrlich sind. mals waren sie es mehr, als itzt.

Und nie­

Zch sage den Großen mei­

nen großen Dank, daß sie ihre Ansprüche auf einen Mann ha­

ben fahren lassen,

den ich doch

nur sehr ungern mit ihnen

getheilct hätte. — Zch bin Ihre Gebietherin, Tellheim;

Sie

brauchen weiter keinen Herrn. — Sic verabschiedet zu finden, das Glück hätte ich mir kaum träumen lassen.' — Doch Sie

sind nicht bloß verabschiedet:

Sie sind noch mehr.

Was sind

Sie noch mehr? Ein Krüppel: sagten Sie? Nun, (indem sie ihn von oben bis unten betrachtet) der Krüppel ist doch noch ziemlich

ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund und stark.

— Lieber Tellheim, wenn Sie auf den Verlust Zhrer gesunden

Gliedmaaßen betteln zu gehen denken: so prophezeye ich Zhncn, daß Sie vor den wenigsten Thüren etwas bekommen werden; ausgenommen vor den Thüren der gutherzigen Mädchen, wie ich.

Minna von Barnhelm.

70

Jetzt höre ich nur das

t>. Tellheim.

muthwillige Mäd­

chen, liebe Minna. Das Fräulein. Und ich höre in Ihrem Verweise nur das Liebe Minna. — Ich will nicht mehr muthwillig seyn.

Denn

daß Sie allerdings ein kleiner Krüppel sind.

ich besinne mich,

Ein Schuß hat Ihnen den rechten Arm rin wenig gelähmt. —

Doch alles wohl überlegt: so ist auch das so schlimm nicht.

Um

so viel sichrer bin ich vor Ihren Schlägen. v. Tellheim.

Fräulein! Sic wollen sagen:

Das Fräulein.

weniger vor meinen.

Aber Sie mit so viel

Nun, nun, lieber Tellheim, ich hoffe,

Sie werden es nicht dazu kommen lassen. v. Tellheim. Sie wollen lachen, mein Fräulein.

Ich be­

klage'nur, daß ich nicht mit lachen kann.

Das Fräulein. 'Warum nicht? Was haben Sie denn ge­ gen das Lachen? Kann man denn auch nicht lachend sehr ernst­ haft seyn? Lieber Major, das Lachen erhält uns vernünftiger,

als der Verdruß.

Der Beweis liegt vor uns.

Ihre lachende

Freundin beurtheilt Ihre Umstände weit richtiger, als Sie selbst.

Weil Sie verabschiedet sind, nennen Sie sich an Ihrer Ehre gekränkt: weil Sie einen Schuß in dem Arme haben, machen

Sie sich zu einem Krüppel. Uebertreibung?

Ist das so recht?

Ist das keine

Und ist eö meine Einrichtung, daß alle Ueber­

treibungen des Lächerlichen so fähig sind? Ich wette, wenn ich Ihren Bettler nun vernehme, daß auch dieser eben so wenig Stich halten

wird.

Sie werden einmal, zwcymal,

dreymal

Ihre Equipage verloren haben; bey dem oder jenem Banquier werden einige Kapitale jetzt mit schwinden; Sie werden diesen

und jenen Vorschuß, den Sie im Dienste gethan, keine Hoff­

nung haben,

wieder zu erhalten:

aber sind Sie darum ein

Bettler? Wenn Ihnen auch nichts übrig geblieben ist, als was mein Oheim für Sie mitbringt —

v. Tellheim.

Ihr Oheim,

gnädiges Fräulein,

wird für

mich nichts niitbringcn. .

Das Fräulein.

Nichts, als die zwcytanscnd Pistolen, die

Sie unsern Ständen so großmüthig vorschosscn.

71

Minna vo» Banchclui.

Hätte» Sie doch nur meinen Brief gelesen,

v. Lellheim.

gnädiges Fräulein!

Nun ja, ich habe ihn gelesen.

Das Fräulein.

Aber was

ich über diesen Punkt darinn gelesen, ist mir ein wahres Räthsel. Unmöglich kann man Zhnen ans einer edlen Handlung ein Ber­

brechen machen wollen. — Erklären Sie mir doch, lieber Major —

v. Tellheim.

Sie erinnern

sich,

gnädiges Fräulein, daß

ich Ordre hatte, in den Aemtern Zhrer Gegend die Kontribution mit der äußerste» Strenge baar beyzutrcibcn.

Zch wollte mir

diese Strenge ersparen, lind schoß die fehlende Summe selbst vor. —

Za wohl erinnere ich mich. — Zch liebte

Das Fraulein.

Sie um dieser That willen, ohne Sie noch gesehen zu haben,

v. Tellhcim.

Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und

bey Zeichnung des Friedens,

diesen wollte ich,

unter die zu

ratihabircnde Schulden eintragcn lassen. Der Wechsel ward fük

gültig erkannt, aber mir ward das Eigenthum desselben streitig

gemacht.

Man zog spöttisch das Maul, als ich versicherte, die

Balute baar hcrgegebcn zu haben.

Man erklärte ihn für eine

Bestechung, für das Gratial der Stände, weil ich sobald mit ihnen auf die niedrigste Summe einig geworden war, mit der ich mich nur im äußersten Nothfalle zu begnügen, Vollmacht

hatte.

So kam der Wechsel aus meinen Händen, und wenn

er bezahlt wird,

wird er sicherlich nicht an mich bezahlt. —

Hierdurch, mein Fräulein, halte ich meine Ehre für gekränkt; nicht durch den Abschied, den ich gcfodert haben würde, wenn

ich ihn nicht bekommen hätte. — Sie sind ernsthaft, mein Fräulein? Warum lachen Sic nicht? Ha, ha, ha! Zch lache ja. Das Fräulein.

Zch beschwöre Sic!

schcnhasscs!

O, ersticken Sic dieses Lachen, Tellhcim!

Es

ist

das schreckliche Lachen des Men-

Nein, Sic sind der Mann nicht,

den eine gute

That reuen kann, weil sie üble Folgen für ihn hat. unmöglich

können diese üble

muß an den Tag kommen.

Folgen

dauren!

Nein,

Die Wahrheit

Das Zeugniß meines Oheims, al­

ler unsrer Stände — v. Tellhcim. Zhrcs Oheims! Zhrcr Stände! Ha, ha, ha! Das Fräulein. Zhr Lache» tödtet mich, Tellhcim! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht glauben, Tellheim, so lachen

Minna von Barnhelm.

72 Sie so nicht!

habe

Zch

nie fürchterlicher strichen hören, als

Sie lachen. — Und lassen Sie

uns

das Schlimmste setzen!

Wenn man Sie hier durchaus verkennen will: so kann man Sie bey uns nicht verkennen.

Nein, wir können, wir werden

Sie nicht verkennen, Tellhcim.

Und wenn unsere Stände die

geringste Empfindung von Ehre haben, thun müssen.

so weiß ich was sie

Doch ich bin nicht klug: was wäre das nöthig? ein,

Bilden Sie sich

Tellheim,

Sie hätten die zweytauscnd

Pistolen an einem wilden Abende verloren.

Der König war

eine unglückliche Karte für Sie: die Dame (auf sich weisend) wird Zhnen desto günstiger seyn. — Die Vorsicht, glauben Sie mir,

hält den ehrlichen Mann immer schadlos; und öfters schon im voraus.

Die That, die Sic einmal um zwcytausend Pistolen

bringen sollte, erwarb mich Zhnen.

Ohne diese That, würde

ich nie begierig genstssen seyn, Sie kennen zu lernen.

Sie wis­

sen, ich kam nneingeladen in die erste Gesellschaft, wo ich Sie

Zch kam blos Zhrentwegen.

zu finden glaubte.

Zch kam in

dem festen Vorsatze, Sie zu lieben, — ich liebte Sie schon! — in dem festen Vorsätze, Sie zu besitzen, wenn ich Sic auch so schwarz und häßlich finden sollte, als den Mohr von Venedig. Sie sind so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig wer­

den Sie nicht seyn.

Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch

noch viel ähnliches mit ihm! O, über die wilden, «»biegsamen Männer, die nur immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der

Ehre heften! für alles andere Gefühl sich verhärten! — Hierher Zhr Auge! auf mich, Tellheim! (der indeß verliest, und unbeweglich, mit starren Augen immer auf eine Stelle gesehen)

Woran denken Sic?

Sie hören mich nicht? x>. Tellheim.

mein Fräulein:

(zerstreut)

D ja! Aber sagen Sie mir doch,

wie kam der Mohr in Venetianische Dienste?

Hatte der Mohr kein Vaterland? Warum vermiethete er seinen

Arm und sein Blut einem fremden Staate? — Da« Fräulein, (erschrocken) Wo sind Sic, Tellheim? — Nun ist cs Zeit, daß wir abbrechen. — Kommen Sie! bey der Hand ergreift)

v. Tellheim. ciska nachgeht)

(indem sie ihn

— Franciska, laß den Wagen Vorfahre», (der sich von dem Fräulein los reißt, und der Fran-

Nein, Franciska; ich kann nicht die Ehre haben,

Minna von Barnhelm.

73

das Fräulein zu begleiten. — Mein Fräulein, lassen Sie mir heute meinen

noch

mich.

gesunden Verstand,

und beurlauben Sie

Sie sind auf dem besten Wege, mich darum zu bringen.

Ich stemme mich, so viel ich kann. — Aber weil ich noch bey

Verstände bin: so hören Sie, mein Fräulein, was ich fest be­ schlossen habe; wovon mich nichts in der Welt abbringcn soll. — Wenn nicht noch ein glücklicher Wurf für mich im Spiele

ist, wenn sich das Blatt nicht völlig wendet, wenn —

Das Fräulein.

Ich muß Zhncn ins Wort fallen, Herr

Major. — Das hätten wir ihm gleich sagen sollen, Franciska. Du erinnerst mich auch an gar nichts. — Unser Gespräch würde ganz anders gefallen seyn, Tcllhcim, wenn ich mit der guten

hätte,

Nachricht angefangcn

die Ihnen der Chevalier de la

Marlinicre nur eben zu bringen kam. Der Chevalier de la Marliniere? Wer ist das?

v. Tcllhcim.

Franciska.

Es

mag

ein

Major, bis auf — Das Fräulein. Schweig,

ganz guter Mann seyn, Franciska!



Herr

Gleichfalls

ein

verabschiedeter Officier, der aus Holländischen Diensten —

v. Tcllhcim. Das Fräulein. v. Tcllhcim.

Das Fräulein.

Ha! der Lieutenant Riecaut!

Er versicherte, daß er Ihr Freund sey.

Ich versichere, daß ich seiner nicht bin.

Und daß ihm,

ich weiß nicht welcher Mi­

nister, vertraut habe, Ihre Sache sey dem glücklichsten Ausgange nahe.

Es müsse ein Königliches Handschreiben an Sie unter-

wegens seyn. —

v. Tellheim.

Wie

kämen Riecaut

und

ein Minister zu­

sammen? — Etwas zwar muß in meiner Sache geschehen seyn. Denn nur itzt erklärte mir der Kricgszahlmcister,

daß der Kö­

nig alles niedergeschlagen habe, was wider mich urgirct worden; und daß ich mein schriftlich gegebnes Ehrenwort, nicht eher von

hier zu gehen, als bis man mich völlig entladen habe, wieder zurücknehmen könne. — DaS

wird

cs aber auch alles seyn.

Man wird mich wollen lauffen lassen. ich werde nicht lauffen.

Allein man irrt sich;

Eher soll mich hier das äußerste Elend,

vor den Augen meiner Verleumder, verzehren —

Das Fräulein.

Hartnäckiger Mann!

Minna von Barnhelm.

74

V. Lcllheim. tigkeit.

Ich brauche keine Gnade;

Das Fräulein.

Die Ehre eines Mannes, wie Sie —

v. Tellheim. (hitzig)

Nein,

von allen Dingen recht gut nicht.

ich will Gerech­

Meine Ehre — mein

Fräulein,

urtheilen

Sie

werden

nur hierüber

können,

Die Ehre ist nicht die Stimme unsers Gewissens, nicht

das Zeugniß weniger Rechtschaffnen —

Das Fräulein.

Nein, »ein, ich weiß wohl. — Die Ehre ist

— die Ehre.

Kurz, mein Fräulein, — Sic haben mich

v. Lellheim.

nicht ansrcdcn lassen. — Ich wollte sagen:

wenn man mir

das Meinige so schimpflich vorcnthält, wenn meiner Ehre nicht

die vollkommenste Genngthunng geschieht; Fräulein, der Ihrige nicht seyn.

so kann ich, mein

Denn ich bin es in den Au­

gen der Welt nicht werth, zn seyn.

Das Fräulein von Barn­

helm verdienet einen unbescholtenen Mann.

Es ist eine nichts­

würdige Liebe, die kein Bedenken trägt, ihren Gegenstand der

Verachtung anSznsetzen. sich nicht schämet,

Es ist ein nichtswürdiger Man», der

sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu

verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit — Das Fräulein.

Und das ist Ihr Ernst, Herr Major? —

(intern sic ihm plötzlich dm Rücken wendet) Fraiiciska!

v. Tellheim. Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein — Das Fräulein, (dcy Seite zur Franci-ka)

Jetzt

wäre

es Zeit!

Was rähtst du mir, Franciska? —

Franciska.

Ich rathe nichts.

Aber freylich macht er cs

Ihnen ein wenig zu bunt. — v. Tellheim.

(ter sie zu unterbrechen kömmt) Sic sind unge­

halten, mein Frälilein —

Das Fräulein,

(höhnisch) Ich? im geringsten nicht.

v. Tellheim. Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein — Das Fräulein. (»och in diesem Tone) O gewiß, cs wäre mein Unglück! — Und sehen Sic,

Herr Major, ich will Ihr

Unglück auch nicht. — Man muß ganz uneigennützig lieben. —

Eben so gut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleicht

würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebe versagt. — (indem sic den Ring langsam vom Finger zieht)

Minna von Barnhelm.

75

Was meinen Sie damit, Fräulein ?

v. Teil heim.

Das Fräulein-

Nein, keines muß das andere, weder glück­

licher noch unglücklicher machen.

So will es die wahre Liebe!

Zch glaube Zhnen Herr Major; und Sie haben zu viel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.

Spotten Sie, mein Fränlein?

v. Tellheim.

Das Fräulein.

Hier! Nehmen Sie den Ring wieder zurück,

mit dem Sie mir Ihre Treue verpflichtet, (überreicht ihm de» Ring)

Es sey drum! Wir wollen einander nicht gekannt haben. Was höre ich?

V. Tellheim. Das Fräulein.

Und das befremdet Sie? — Nehmen Sie,

mein Herr. — Sie haben sich doch wohl nicht bloß gezieret?

(inbem er den Ring aus ihrer Hand nimmt) Gott!

v. Tcllbcim.

So kann Minna sprechen! — Das Fräulein.

Sie können der Meinige in Einem Falle

nicht seyn: ich kann die Zhrige, in keinem seyn. Ihr Unglück ist

wahrscheinlich; meines ist gewiß. v. Tellheim.

Leben Sie wohl! (will fort)

Wohin, liebste Minna? —

Das Fräulein.

Mein Herr, Sie beschimpfen mich jetzt mit

dieser vertranlichen Benennung.

Was ist Ihnen mein Fränlein? Wohin?

v. Tellheim-

Das Fräulein.

Lassen Sie mich. — Meine Thränen vor

Ihnen zu verbergen, Nerräther! (geht ab) Siebender Auftritt.

v. Tellheim. Franciska. Ihre Thränen?

v. Tellheim.

(will ihr nach) Franciska.

Und

ich

sollte

sie lassen?

(die ihn zurückhalt) Nicht doch, Herr Major! Sie

werden ihr ja nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?

Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?

v. Tellheim. Franciska.

Nun freylich; das Unglück, Sie zn verlieren,

nachdem —

Nachdem? was nachdem? Hier hinter steckt

x>. Tellheim.

mehr.

Was ist es, Franciska? Rede, sprich —

Franciska.

Nachdem sie, wollte ich sagen, — Ihnen so

vieles aufgeopfert.

76

Minna von Barnhelm.

v. Tellheim.

Franciska.

Mir aufgeopfcrt?

Hören Sie nur kur;. — Es ist — für Sie

recht gut, Herr Major, daß Sic auf diese Art von ihr los ge­

kommen sind. — Warum soll ich es Zhncn nicht sagen? Es kann doch länger kein Geheimniß bleiben. — Wir sind entflo­ hen! — Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt,

weil sie feinen Mann von seiner Hand annchmcn wollte.

verließ, alles verachtete sie hierauf.

Alles

Was sollten wir thun?

Wir entschlossen uns, denjenigen anfzusiichen, dem wir — Ich habe genug. — Komm, ich muß mich

x>. Tellheim.

zu ihren Fußen wcrffen.

Franciska.

Was denken Sie?

Gehen Sie vielmehr, und

danken Ihrem guten Geschicke — v. Tellheim.

Elende! für wen hältst du mich? — Nein,

liebe Franciska, der Rath kam nicht ans deinem Herzen.

Ber-

gieb meinem Unwillen! Halten Sie mich nicht länger auf.

Franciska.

sehen, was sie macht.

Ich muß

Wie leicht könnte ihr etwas zugestoßen

seyn. — Gehen Sic! Kommen Sic lieber wieder, wenn Sie wieder kommen wollen, (gebt dem Fräulein nach)

Achter Auftritt. v. Tellheim. Aber Franciska! — O, ich erwarte euch hier! — Nein, das ist dringender! — Wenn sie Ernst sicht, kann mir ihre

Bcrgcbniig nicht entstehen. — Nun brauch ich dich, ehrlicher Werner! — Nein, Minna, ich bin kein Bcrräthcr! (eilends ab)

Fünfter Auszug. Erster Auftritt. (Die Scene, der Saal)

v. Tellheim von der einen und Werner von der andern Seite.

v. Tellheim. steckst du? Werner.

Ha, Werner!

ich

suche dich überall.

Wo

Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so gehts

mit dem Suchen. — Ich bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.

Minna von Barnhelm.

». Lellheim.

77

Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten:

ich brauche dein Geld.

Geschwind, Werner, gieb mir so viel

du hast; und dann suche so viel aufzubringen, als du kannst.

Werner.

Herr Major? — Nun, bey meiner armen Seele,

habe ichs doch gesagt: er wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

v. Lellheim.

Du suchst doch nicht Ausflüchte?

Werner. Damit ich ihm nichts vorznwcrfen habe, so nimmt

er mirs mit der Rechten, und giebt mirs mit der Linken wieder, Halte mich nicht auf, Werner! — Zch habe

v. Lellheim.

den guten Willen, dir es wieder zu geben; aber wenn und wie? — das weiß Gott!

Werner.

Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaats­

kasse Ordre hat, Zhncn Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bey —

Was plauderst du? Was lässest du dir weiß

v. Lellheim. machen?

Begreifst du denn nicht, daß, wenn es wahr wäre,

ich eS doch wohl am ersten wissen müßte? — Kurz, Werner, Geld! Geld! Werner.

Zc ntt, mit Freuden! hier ist was! — Das sind

die hundert Louisdor, und das die hundert Dukaten. — (giebt ihm beydes) v. Lellheim.

Die

hundert Louisdor,

Werner,

geh

und

Er soll sogleich den Ring wieder einlosen, den

bringe Zusten.

er heute früh versetzt hat. — Aber wo wirst bit mehr herneh­

men, Werner? — Zch brauche weit mehr. Werner.

Dafür lassen Sie mich sorgen. — Der Mann,

der mein Gut gckallfft hat, wohnt in der Stadt.

Der Zah­

lungstermin wäre zwar erst in vierzehn Tagen; aber das Geld liegt parat, und ein halb Proccntchen Abzug —

v. Lellheim.

Nun ja, lieber Werner! — Siehst du, daß

ich meine einzige Zuflucht zu dir nehme? — Zch muß dir auch alles vertrauen.

Das Fräulein hier, — du hast sie gesehn, —

ist unglücklich —

Werner. O Zammer! v. Lellheim- Aber morgen ist sie meine Frau — Werner.

O Freude!

Minna von Barnhclm.

78

Und übermorgen, geh ich mit ihr fort.

V. Lellheim.

darf fort; ich will fort.

Wer weiß, wo mir sonst eilt Glück aufgehoben ist.

willst,

Werner,

nehmen. Werner.

Zch

Lieber hier alles im Stiche gelassen!

so komm mit.

Wahrhaftig?

Wen» du

Wir wollen wieder Dienste

— Aber

doch

wos

Krieg giebt,

Herr Major? v. Lcllheim.

Wo sonst?



sprechen davon weiter. Werner. O Herzensmajor!

Geh,



lieber Werner,

Ucbcrmorgen?

wir

Warum

nicht lieber morgen? — Zch will schon alles zusammenbringen. — Zn Persien,

Herr Major,

giebts einen trefflichen Krieg;

was meinen Sie! v. Lellheim. Wir wollen das überlegen; geh mir, Werner! — Werner.

Zuchhc! es lebe der Prinz Heraklius! (geht ab) Zweyter Auftritt.

v. Tellheim.

Wie ist mir? — Meine ganze Seele hat neue Triebfedern

bekommen.

Mein eignes Unglück

schlug

mich nieder;

machte

mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lästig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frey nm mich, und fühle mich willig und

stark, alles für sie zu unternehmen — Was verweile ich? (will nach dem Zimmer de« Fräuleins, aus dem ihm Franciska entgegen kömmt.) Dritter Auftritt.

Franciska.

Franeieka.

v. Tellheim.

Sind Sie cs doch? — Es war mir, als ob

ich Zhre Stimme hörte. —Was wollen Sie, Herr Major? v. Tcllheim.

Was ich will? — Was macht dein Fräu­

lein ? — Komm! — Franciska.

V. Lellheim. Franciska. v. LeUheim.

Sie will den Augenblick ansfahrcn. Und allein? ohne mich? wohin?

Haben Sie vergessen, Herr Major? — Bist du nicht klug, Franciska? — Zch habe

sie gerecht, und sic ward empfindlich: ich werde sie nm Verge­

bung bitten, und sic wird mir vergeben.

Franciska.

Minna von Barnhelm.

79

Sic

den Ring zurückgc-

Wie? — Nachdem

riommen, Herr Major? v. Tcllheim.

Ha! — das that ich in der Betäubung. —

Jetzt denk ich erst wieder an den Ring. — Wo habe ich ihn hingestcckt? — (er sucht ibn) Hier ist er. Franciska.

Ist er das? (indem er ihn wieder eliistcekt, bey «Seite)

Wenn er ihn doch genauer besehen wollte! v. Tcllheim.

Sie drang mir ihn auf, mit einer Bitter­

keit — Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen.

Ein volles

Her; kann die Worte nicht wägen. — Aber sic wird sich auch

keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunchmen. —

Und habe ich nicht noch ihren? Franciska.

Den erwartet sie dafür zurück. — Wo haben

Sie ihn denn, Hcrr Major? Zeigen Sic mir ihn doch!

v. Tcllheim.

(etwas verlegen) Ich

habe — ihn anznsteckcit

vergessen. — Zust — Zust wird mir ihn gleich nachbringcn.

Franciska.

Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; las­

sen Sie mich doch diesen sehe»; ich sehe so was gar zu gern, v. Tcllheim.

Ein andermal, Franciska.

Jetzt komm —

Franciska. (bey Seite) Er will sich durchaus nicht ans sei­ nem Irrthume bringen lassen. v. Tcllheim.

Franciska. nen,

Was sagst du? Irrthume?

Es ist ein Irrthum, sag ich, wenn Sic mcv-

daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sey.

Ihr

eignes Vermögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig ei­

gennützige Rechnungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen.

Sie erwartete alles von dem Oheim;

aber

dieser grausame Oheim — v. Tcllheim.

Laß ihn doch! — Bin ich nicht Manns ge­

nug, ihr einmal alles zu ersetzen? — Franciska.

v. Tcllheim.

Franciska.

Hören Sie? Sic klingelt; ich muß herein. Ich gehe mit dir.

Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir

ausdrücklich verbothen, mit Ihnen zu sprechen.

wenigstens mir erst nach. —-- (geht herein)

Kommen Sie

80

Minna von Varnhelm. Vierter Auftritt.

v. Tellheim. (ihr nachrufend) Melde mich ihr! — Sprich für mich, Franciska! — Zch folge dir sogleich! — Was werde ich ihr sagen?

— Wo das Herz reden darf, braucht cs keiner Vorbereitung. —

Das einzige möchte eine sindierte Wendung bedürfen: ihre Zu­

rückhaltung, ihre Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspie-

gcln, daß sie durch mich verloren hat.

Dieses Mißtrauen in

meine Ehre, in ihren eignen Werth, vor ihr selbst zu entschul-

digcn, vor ihr selbst — Vor mir ist es schon entschuldiget! —

Ha! hier kömmt sie. — Fünfter Auftritt. Das Fräulein. Franciska. v. Tellheim. Das Fraulein, (im Heranstreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde) Der Wagen ist doch vor der Thüre, Franciska? — Mei­

nen Fächer! — v. Tcllheim. (auf sie zu) Wohin, mein Fräulein?

Das Fraulein,

(mit einer affektirten Kälte) Aus, Herr Major.

— Zch errathe, warum Sie sich nochmals her bemühet haben:

mir allch meinen Ring wieder zurück zu geben. — Wohl, Herr

Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franciska einznhändigen. — Franciska, nimm dem Herrn Major den Ring ab! — Zch habe keine Zeit zu verlieren, (will fort)

(der ihr Vortritt) Mein Fräulein! — Ah, was

x>. Tcllheim.

habe ich

erfahren, mein Fräulein!

nicht werth. Das Fräulein.

jor — Franciska. v. Lellheim.

Zch war so vieler Liebe

So, Franciska? Du hast dem Herrn Ma­

Alles entdeckt.

Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein.

Zch bin kein Vcrräther.

Sie haben um mich, in den Augen

der Welt, viel verloren, aber nicht in meinen. Zn meinen Au­ gen haben Sic unendlich durch diesen Verlust gewonnen.

Er

war Zhncn noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen allzu­

nachtheiligen Eindruck auf mich machen;

Sie wollten mir ihn

Minna von Barnhelm.

81

vors erste verbergen. Zch beschwere mich nicht über dieses Miß­ trauen.

Es entsprang ans dem Verlangen, mich zn erhalten.

Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie sanden mich selbst un­ glücklich; und Sic wollten Unglück nicht mit Unglück häuffen. Sie konnten nicht vermuthen, wie sehr mich Ihr Unglück über

das meinige hinaus setzen würde. Das Fräulein. Alles recht gut, Herr Major!

nun einmal geschehen.

Aber es ist

Zch habe Sie Ihrer Verbindlichkeit er­

lassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes — In nichts gewilliget! — Vielmehr halte ich

v. Lellheim.

mich ietzt für gebundener, als jemals. — Sie sind die Mei­ nige, Minna, auf ewig die Meinige, (zieht dm Ning heran«) Hier,

empfangen Sie es zum zweytenmale,

das Unterpfand meiner

Treue — Dao Fraulein. Ich diesen Ring wicdernehmcn? diesen Ring?

Za, liebste Minna, ja!

v. Tellheim. Das Fräulein.

Was muthen Sie mir zu? diesen Ring?

Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus

v. Tellheim.

meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich, und

glücklich waren.

Sie sind nicht mehr glücklich, aber wiederum

einander gleich.

Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe.

— Erlauben Sie, liebste Minna! — (ergreift ihre Hand, um ihr

den Ring anzustecken) Das Fräulein.

Wie? mit Gewalt, Herr Major? — Nein,

da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen

Ring wieder anzunehmen!--------- Meynen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt ? — O, Sie sehen ja wohl, (auf ih­

ren Ring zeigend) daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgicbt? — Franciska.

Wenn er es noch nicht merkt! —

v. Tellheim. (indem er die Hand de« Fraulein« fahren laßt) Was ist das? — Ich sehe das Fräulein von Barnhelm,

aber ich

höre eS nicht. — Sie zieren sich, mein Fräulein. — Vergeben

Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbraucht. Das Fraulein, (in ihrem wahren Ton) Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr Major? v. Lellheim.

Es hat mir weh gethan.

Minna von Barnhelm.

82

Das Fräulein. (gerührt) Das sollte es nicht, Tellheim. — Verzechen Sie mir, Tellheim.

Ha,

v. Tellheim.

dieser vertrauliche Ton sagt mir ,daß

Sie wieder zn sich kommen, mein Fräulein; daß Sie mich noch lieben, Minna. — Franciska.

(herausplatzend) Bald

weit gegangen. — Das Fraulein, (gebictherisch)

wäre

Ohne dich

der Spaß

in

auch zu

unser Spiel zu

mengen, Franciska, wenn ich bitten darf! — Franciska. (bey Seite und betroffen) Noch nicht genügt

Das Fräulein.

Za, mein Herr;

es wäre weibliche Eitel­

keit, mich kalt und höhnisch zu stellen.

dienen es,

Weg damit! Sie ver­

mich eben so wahrhaft zu finden, als Sie selbst

sind. — Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch; aber dem ohngeachtct —

Nicht weiter,

v. Tellheim.

liebste Minna, nicht weiter!

(ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken) Das Fräulein, (die ihre Hand zurückzieht) Dem ohngeachtct, —

um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr geschehen lassen;

nimmermehr! — Wo denken Sic hin, Herr Major? — Ich

meynte, Sie hätten an Zhrem eigenen Unglücke genug. — Sie müssen hier bleiben; Sie müssen sich die allervollständigste Ge­

Ich weiß in der Geschwindigkeit kein

nugthuung — ertrotzen.

ander Wort. — Ertrotzen, — und sollte Sie auch das äußerste

Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!

v. Tellheim.

So dacht ich,

so sprach ich,

wußte, was ich dachte und sprach.

als ich nicht

Aergerniß und verbissene

Wuth hatten meine ganze Seele umnebelt; die Liebe selbst, in dem vollesten

Glanze

Tag schaffen.

Aber

des

Glückes,

sie sendet ihre

konnte

sich

Tochter,

darin

das

nicht

Mitleid,

die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet

und alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet.

Der Trieb der Selbstcrhaltung erwacht, da

ich etwas Kostbarers zu erhalten habe, als mich, und cs durch mich zu erhalten habe.

Lassen Sie sich, mein Fräulein, das

Wort Mitleid nicht beleidigen. unsers Unglücks,

können

wir

Von der unschuldigen Ursache es

ohne

Erniedrigung

hören.

83

Minna von Barnhelm.

Zch bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland.

Durch mich, in

mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das

Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner

Lassen Sic mich keine Zukunft denken,

Seele.

wo ich mich

selbst hassen müßte. — Nein, nichts soll mich hier länger hal­

ten.

Von diesem Augenblicke an, will ich dem Unrechte,

das

mir hier wiedcrfährt, nichts als Verachtung entgegen setzen. Zst dieses Land die Welt?

Geht hier allein die Sonne auf? Wo

darf ich nicht hinkommcn?

weigern?

Welche Dienste wird man mir ver­

Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel

suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns

an nichts fehlen. — Zch habe einen Freund, der mich gern

unterstützet. — Sechster Auftritt.

v. Tellheim.

Ein Feldjäger,

Franciska-

Das Fräulein.

Franciska.

(indem sie den Feldjäger gewahr wird)

St!

Herr

Major —

v. Tellheim. (gegen den Feldjäger) Zu wem wollen Sie? Der Feldjäger. Zch suche den Herrn Major von Tellheim. —

Ah, Sie sind es ja selbst. Mein Herr Major, dieses Königliche Handschreiben (das er aus seiner Brieftasche nimmt) habe ich an Sie

zu übergeben. v. Tellheim.

An mich?

Der Feldjäger. Das Fräulein.

Zufolge der Aufschrift —

Franciska, hörst du? — Der Chevalier hat

doch wahr geredet! Der Feldjäger, (indem Tellheim den Brief nimmt) Zch bitte um

Verzeihung, Herr Major; Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen; aber es ist mir nicht möglich gewesen, Sie auszufragen.

Erst heute, auf der Parade, habe ich Ihre Wohnung von dem

Lieutenant Riccaut erfahren. Franciska.

Gnädiges Fräulein, hören Sie? — Das ist des

Chevaliers Minister. — „Wie heißen der Minister, da draus auf die breite Platz?" —

v. Tellheim.

Ich bin Zhnen für Zhre Mühe sehr verbunden.

6 *

Minna von Barnhelm.

84

Der Feldlager.

Es ist meine Schuldigkeit, Herr Major,

(geht ab)

Siedender Auftritt.

v. Dellheim. Das Fräulein. Franriska. Al), mein Fräulein, was habe ich hier? Was

x>. Lellheim.

enthält dieses Schreiben? Ich bin nicht befugt, meine Neugierde so

Das Fräulein.

weit zu erstrecken.

Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von

v. Tellheim.

dem Zhrigen? — Aber warum steh ich an, cs zu erbrechen? — Es kann mich nicht unglücklicher machen, als ich bin;

nein,

liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher machen; — wohl

aber glücklicher! — Erlauben Sie, mein Fräulein! (erbricht und liefet den Brief, indeß daß der Wirth an die Scene geschlichen kömmt.)

Achter Auftritt.

Der Wirth. Die Vorigen. Der Wirth, (gegen die Franciska)

Bst! mein

schönes Kind!

auf ein Wort!

Franciska (die sich Ihm nähert) Herr Wirth? — Gewiß, wir wissen selbst noch nicht, was in dem Briefe steht.

Der Wirth. Wer will vom Briefe wissen? — Ich komme des Ringes wegen.

wiedergeben.

Das gnädige Fräulein muß mir ihn gleich

Zust ist da, er soll ihn wieder einlösen.

Das Fräulein, (die sich indeß gleichfalls dem Wirthe genähert) Sa­

gen Sic Zusten nur, daß er schon eingelösct sey; und sagen Sie ihm nur von wem; von mir. Aber —

Der Wirth.

Das Fräulein.

Zch nehme alles auf mich ; gehen Sie doch!

(der Wirth geht ab)

Neunter Auftritt.

v. Dellheim. Franciska.

Das Fräulein. Franciska.

Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit

dem armen Major gut seyn. Das Fräulein.

O, über die Vorbitterinn! Als ob der Kno­

ten sich nicht von selbst bald lösen müßte.

Minna von Barnhelm. v Tellheim.

85

(nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung)

Ha! er hat sich auch hier nicht verleugnet! — O, mein Fräu­ lein, welche Gerechtigkeit! — welche Gnade! — Das ist mehr, als ich erwartet! — Mehr,

als ich verdiene! — Mein Glück,

meine Ehre, alles ist wiederhergestellt! — Zch träume doch nicht? lindem er wieder in den Brief sieht, al« um sich nochmal« zu überzeugen)

Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche! — Lesen Sie selbst,

mein Fräulein; lesen Sie selbst!

Zch bin nicht so unbescheiden, Herr Major,

Das Fräulein.

Unbescheiden?

v. Tellheim.

Der Brief ist

an mich;

an

Ihren Tellheim, Minna. Er enthält, — was-Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann.

Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch! Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht,

Das Fräulein.

Herr Major — (sie nimmt den Brief und liefet) „Mein lieber Major von Tellheim! „Ich thue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich um

„Elire Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Bortheil aufgeklä„ret hat.

Mein Bruder war des Nähern davon unterrichtet,

„und sein Zeugniß hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. „Die Hofstaatskaffe hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel

„wieder auszuliefern, und die gethanen Vorschüsse zri bezahlen;

„auch habe ich besohlen, daß alles, was die Feldkricgskaffen

„wider Eure Rechnungen urgiren, niederschlagen werde. Mel„det mir, ob Euch Eure Gesundheit erlaubet, wieder Dienste

„zu nehmen.

Zch möchte nicht gern einen Mann von Eurer

„Bravour und Denkungsart entbehren.

Zch bin Euer wohl-

„affektionirter König re." v. Tellheim.

Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein ?

Das Fräulein, (indem sie den Brief wieder znsammenschlägt und zurückgicbt)

Zch? nichts.

v. Tellheim.

Nichts? Doch ja: daß Zhr König, der ein großer

Das Fräulein.

Mann ist, auch wohl ein guter Mann seyn mag. — Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.

v. Tellheim.

Und sonst sagen Sie nichts? Nichts von Rück­

sicht auf uns selbst?

Das Fräulein.

Sie treten wieder

in

seine Dienste^

der

Minna von Barnhelm.

86

Herr Major wird Oberstlieutenant, Oberster vielleicht.

Zch gra-

tulire von Herzen. v. Lellheim.

Und Sie kennen mich nicht besser? — Nein,

da mir das Glück soviel zurückgiebt, als genug ist, die Wünsche

eines vernünftigen Mannes zu befriedigen, soll es einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst noch jemanden wieder zn-

gehören soll, als Ihr.

Ihrem Dienste allein sey mein ganzes

Leben gewidmet! Die Dienste der Großen sind gefährlich, und

lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie kosten.

Minna ist keine von den Eiteln, die in ihren Männern

nichts als den Titel und die Ehrenstelle lieben.

Sie wird mich

um mich selbst lieben; und ich werde um sie die ganze Welt ver­

gessen.

Zch ward Soldat, aus Partheylichkcit, ich weiß selbst

nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sey, sich in diesem Stande eine

Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt,

vertraulich zu machen, und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Noth hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäfti­

gung ein Handwerk zu machen.

Aber nun, da mich nichts mehr

zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeitz wiederum einzig und allein,

ein ruhiger und zufriedner Mensch zu seyn.

Der werde ich mit

Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Zhrer Gesellschaft unveränderlich bleiben. — Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen, und

wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, hei­

tersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt, als ein glückliches Paar.

Da wollen wir wohnen; da soll jeder

unsrer Tage — Was ist Ihnen, mein Fräulein? (die sich unru­ hig hin und her wendet, und ihre Rührung zu verbergen sucht)

Das Fräulein, (sich fassend) Sic sind sehr grausam, Tcllheim,

mir ein Glück so rcitzend darzustellen, dem ich entsagen muß. Mein Verlust —

v. Lellheim.

Ihr Verlust? — Was nennen Sie Ihren

Verlust? Alles, was Minna verlieren konnte, ist nicht Minna.

Sie sind noch das süßeste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne;

ganz Güte und Großmuth, ganz Unschuld

Minna von Baruhelm.

87

und Freude! — Dann lind wann ein kleiner Muthwille; hier und da ein wenig Eigensinn — Desto besser! desto besser! Minna

wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte,

den ich nicht lieben konnte, (ergreift ihre Hand, sie zu küssen)

Das Fräulein, (die ihre Hand zurück zieht) Nicht so, mein Herr! — Wie auf einmal so verändert? — Zst dieser schmeichelnde,

stürmische Liebhaber der kalte Tellheim? — Konnte nur sein wiederkehrcndes Glück ihn in dieses Feuer setzen? — Er er­ laube mir, daß ich, bey seiner fliegenden Hitze, für uns beide Ueberlegnng behalte. — Als er selbst überlegen konnte, hörte ich

ihn sagen;

es sey eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken

trage, ihren Gegenstand der Verachtung auszusctzen. — Recht,

aber ich bestrebe mich einer eben so reinen und edlen Liebe, als er. — Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer Monarch

um ihn bewirbt, sollte ich zugcben, daß er sich verliebten Träumereyen mit mir überließe? daß der ruhmvolle Krieger in einen

tändelnden Schäfer ausarte? — Nein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals — v. Tellheim.

Nun wohl!

Wenn Ihnen die große Welt

rcitzcndcr ist, Minna, — wohl! so behalte uns die große Welt!

— Wie klein, wie armselig ist diese große Welt! — Sie ken­

nen sie nur erst von ihrer Flitterscitc.

Aber gewiß, Minna,

Sie werden — Es sey! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren Voll­

kommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es nicht an Neidern gebrechen. Das Fräulein.

Nein, Tellheim, so ist es nicht gcmeynt!

Ich weise Sie in die große Welt, auf die Bahn der Ehre zurück,

ohne Ihnen dahin folgen $tt wollen. — Dort braucht Tellheim eine linbescholtene Gattin! Ein Sächsisches verlaufenes Fräulein,

das sich ihm an den Kopf geworfen — x>. Tellheim.

(auffahrend und wild um sich sehend) Wer darf so

sprechen? — Ah, Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle,

daß jemand anders dieses gesagt hätte, als Sie.

Meine Wuth gegen ihn würde ohne Grenzen seyn.

Das Fräulein.

Nun

da!

Das

eben

besorge

ich.

Sie

würden nicht die geringste Spötterey über mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten einzunehmen haben. — Kurz;

Minna von Barnhelm.

88

hören Sie also, Tcllheim, was ich fest beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll — v. Tcllheim.

Ehe Sie ausreden, Fräulein, — ich beschwöre

Sie, Minna! — überlegen Sie es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urtheil über Leben und Tod sprechen! —

Das Fraulein. Ohne weitere Ueberlegung! — So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben, mit welchem Sie mir ehe­ mals Ihre Treue verpflichtet,

so gewiß Sie diesen nehmlichen

Ring znrückgenommen: so gewiß soll die unglückliche Barnhrlm

die Gattin des glücklichern Tellheims nie werden! v. Tcllheim.

Das Fräulein.

Und hiermit brechen Sie den Stab, Fräulein? Gleichheit ist allein

das

feste Band

der

Liebe. — Die glückliche Barnhelm wünschte, nur für den glück­ lichen Tcllheim zu leben.

Auch die unglückliche Minna hätte

sich endlich überreden lassen, das Unglück ihres Freundes durch

sich, es sey zu vermehren, oder zu lindern. — Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief aukam, der alle Gleichheit zwischen uns wieder aufhrbt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.

v. Tcllheim.

Ist das wahr, mein Fräulein? — Ich danke

Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht gebrochen. — Sie wollen mir den unglücklichen Tcllheim? Er ist zu haben, (saft) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist, diese späte

Gerechtigkeit anzunehmen; daß es besser seyn wird, wenn ich das, was man durch einen schimpflichen Berdacht entehret hat,

gar

nicht wiedcrverlange. — Za; ich will den Brief nicht bekom­ men haben. Das sey alles, was ich darauf antworte und thue!

(im Begriffe, ihn zu zerreißen) Das Fraulein, (da- ihm in die Hände greift) Was wollen Sie, Tcllheim? v. Tcllheim.

Das Fraulein. v. Tcllheim.

Sie besitzen.

Halten Sic!

Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie

nicht bald sich anders erklären. — Alsdann wollen wir doch

sehen, was Sic noch wider mich einzuwendcn haben! Das Fräulein.

Wie? in diesem Tone? — So soll ich, so

muß ich in meinen eignen Angcn verächtlich werden? Nimmer­ mehr! Es ist eine nichtswürdige Kreatur, die sich nicht schämet,

89

Minna von Barnhelm.

ihr ganzes Glück der blinden Z- ..uchkeit eines Mannes zu ver­

danken !

v. Tellheim.

Falsch, grundfalsch!

Das Fräulein.

Wollen Sie es wagen, Ihre eigne Rede in

meinem Munde zu schelten? Sophistinn!

v. Tellheim.

So entehrt sich das schwächere

Geschlecht durch alles, was dem stärker» nicht anstcht? So soll

sich der Mann alles erlauben, was dem Weibe geziemet? Wel­ ches bestimmte die Natur zur Stütze des andern? Das Fräulein.

Beruhigen

Sie

sich,

Tellheim! — Ich

werde nicht ganz ohne Schutz seyn, wenn ich schon die Ehre

des Ihrigen ausschlagen muß.

werden, als die Noth erfodert.

So viel muß mir immer noch Zch

habe mich bey unserm

Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen. Hof­

fentlich wird er sich meiner annehmen. Die Zeit verfließt.

Er­

lauben Sie, Herr Major — v. Tellheim.

Zch werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein. —

Das Fräulein. Nicht doch, Herr Major; lassen Sie mich — v. Tellheim.

Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kom­

men Sie nur, mein Fräulein; wohin Sie wollen; zu wem Sie

wollen.

Ueberall, an Bekannte und Unbekannte, will ich es er-

zehlen,

in Ihrer Gegenwart des Tages hundertmal erzehlen,

welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus welchem grausamen Eigensinne Sie diese Bande trennen wollen —

Zehnter Auftritt. Just.

Die vorigen-

Just, (mit Ungestüm) Herr Major! Herr Major!

v. Tellheim.

Just.

Nun?

Kommen Sie doch geschwind, geschwind!

x>. Tellheim. Was soll ich? Zu mir her! Sprich, was ists? Just. Hören Sie nur — (redet ihm heimlich ins Ohr)

Das Fräulein, (indeß bey Seite zur Franciska) Merkst Du was, Franciska?

Franciska.

O, Sic Unbarmherzige! Zch habe hier gestan­

den, wie auf Kohlen!

Minna von Barnhelw.

90

v. Tellhcim. (zu Zusten) Was sagst btt? — Das ist nicht mög­

lich! — Sie? (indem er das Fräulein wild anblickt) — Sag es laut; sag es ihr ins Gesicht! — Hören Sie doch, mein Fräulein! — Just.

Der Wirth sagt, das Fräulein von Barnhelm habe

den Ring, welchen ich bey ihm versetzt, zu sich genommen;

sie

habe ihn für den ihrigen erkannt, und wolle ihn nicht wieder herausgeben. —

v. Tellheim.

Ist das wahr, mein Fräulein? — Nein, das

kann nicht wahr seyn!

Das Fräulein, (lächelnd) Und warum nicht,

Tellhcim? —

Warum kann es ,licht wahr seyn? v. Tellheim.

(heftig) Nun,

sey

so



wahr!

— Welch

schreckliches Licht, das mir auf einmal aufgegangen! — Nun erkenne ich Sie, die Falsche, die Ungetreue!

Das Fräulein, (erschrocken) Wer? wer ist diese Ungetreue?

x>. Tellheim.

Das Fräulein. x>. Tellheim.

Sie, die ich nicht mehr nennen will!

Tellhcim! Vergessen Sie meinen Namen! — Sie ka­

men hierher, mit mir zu brechen.

Es ist klar! — Daß der

Zufall so gern dem Treulosen zu Statten kömmt! Ihnen Ihren Ring in die Hände.

Er führte

Ihre Arglist wußte mir den

meiiligen zuzuschanzen.

Das Fräulein.

Tellhcim,

was für Gespenster sehen Sie!

Fassen Sie sich doch, und hören Sie mich.

Franciska- (vor sich) Ntin mag sie cs haben!

Eilfter Auftritt.

Werner (mit einem Beutel Gold) r>. Tellheim. Franciska.

Werner.

Hier bin ich schon, Herr Major —

x>. Tellhcim.

Werner.

(ohne ihn anzuschcn)

Wer verlangt dich? —

Hier ist Geld; tausend Pistolen!

v. Tellhcim. Werner.

Das Fräulein.

Just.

Ich will sie nicht!

Morgen können Sie,

einmal so viel befehlen.

v. Tellhcim.

Behalte dein Geld!

Herr Major,

über noch

91

Minna von Barnhelm.

Werner. Es ist ja Ihr Geld, Herr Major. — Ich glaube, Sie sehen nicht, mit wem Sie sprechen? v. Tellheim. Weg damit! sag ich. Werner. Was fehlt Ihnen? — Ich bin Werner.

v. Tellheim.

Alle Güte ist Verstellung; alle Dienstfcrtig-

keit Betrug. Werner. Gilt das mir? v. Tellheim. Wie Du willst! Werner. Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen. — v. Tellheim. So vollziehe auch den, und packe dich! Werner. Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch — v. Tellheim. Da bist du was rechts! Werner. Der auch Galle hat — x>. Tellheim. Gut! Galle ist noch das beste, was wir haben. Werner. Ich bitte Sie, Herr Major, — v. Tellheim. Wie vielmal soll ich dir es sagen? Ich brauche dein Geld nicht!

Werner, (zornig) Nun so brauch es,

wer da will! (indem

er ihm den Beutel vor die Füße wirft, und bey Seite geht)

Das Fräulein, (zur Franciska) Ah, liebe Franciska, ich hätte dir folgen sollen. Ich habe den Scherz zu weit getrieben. — Doch er darf mich ja nur hören — (auf ihn zugehcnd) Franciska. (die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert)

Herr Wachtmeister! — Werner, (mürrisch) Geh Sie! — Franciska. Hu! was sind das für Männer! Das Fräulein. Tellheim! — Tcllhcim! (der vor Wuth an den Fingern naget, da« Gesicht wegwcndet, und nichts höret) — Nein, das ist zu arg! — Hören Sie mich doch! — Sie betrügen sich! — Ein bloßes Mißverständniß, — Tellheim! — Sie wollen Ihre Minna nicht hören? — Können Sie einen solchen Verdacht fassen? — Ich mit Ihnen brechen wollen? — Ich darum her­

gekommen? — Tellheim!

92

Minna von Barnhelw.

Zwölfter Auftritt.

Zwey Bediente, nach einander, von verschiedenen Seiten über den Saal laufend.

Der eine Bediente.

Die vorigen.

Gnädiges Fräulein, Zhro

Excellenz,

der Graf! —

Der andere Bediente-

Er kömmt, gnädiges Fräulein! —

Franciska. (die ans Fenster gelaufen) Er ist es! er ist es! Das Fraulein. Ist ers? — O nun geschwind, Tellheim — V. Tellheimkömmt?

(auf einmal zu sich selbst kommend)

Wer?

wer

Ihr Oheim, Fräulein? dieser grausame Oheim? —

Lassen Sie ihn nur kommen, lassen Sie ihn nur kommen! —

Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit keinem Blicke beleidigen dürfen! Er hat es mit mir zu thun.--------- Zwar verdienen Sie es nm mich nicht — Das Fräulein.

Geschwind umarmen Sie mich,

Tellheim,

und vergessen Sie alles — v. Tellheim.

könnten! — Das Fraulein.

Ha, wenn ich wüßte, daß Sie es bereuen Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den

Anblick Ihres ganzen Herzens verschaft zu haben! — Ah, was sind Sie für ein Mann! — Umarmen Sie Ihre Minna, Ihre glückliche Minna! aber durch nichts glücklicher, als durch Sic! (sie fällt ihm In die Arme) Und nun, ihm entgegen! —

v. Tellheim.

Das Fräulein. v. Tellheim.

Das Fräulein.

Wem entgegen?

Dem besten Ihrer unbekannten Freunde, Wie?

Dem

Grafen,

meinem

Oheim,

meinem

Vater, Ihrem Vater.--------- Meine Flucht, fein Unwille, meine Enterbung; — hören Sie denn nicht, daß alles erdichtet ist? —

Leichtgläubiger Ritter!

v. Tellheim. Das Fräulein.

Erdichtet? — Aber der Ring? der Ring?

Wo haben Sie den Ring, den ich Ihnen

zurückgcgeben? v. Tellheim.

Sie nehmen ihn wieder? — O, so bin ich

glücklich! — Hier Minna! — (ihn herausziehend)

Minna von Barnhelm.

93

So besehen Sie ihn doch erst! — O über

Das Fräulein.

die Blinden, die nicht sehen wollen! — Welcher Ring ist es

denn? Den ich von Ihnen habe, oder den Sie von mir? — Ist es denn nicht eben der, den ich in den Händen des Wirths

nicht lassen wollen?

Gott! was seh ich? was hör ich?

v. Tellheim.

Das Fraulein.

Soll ich ihn nun wieder nehmen? soll ich?

— Geben Sie her, geben Sie her! (reißt ihn ihm au« der Hand, und steckt ihn ihm selbst an den Finger)

Nun? ist alles richtig?

Wo bin ich? — (ihre Hand küssend) O boshaf­

v. Lellheim.

ter Engel! — mich so zu quälen!

Das Fraulein.

Dieses

zur Probe, mein

lieber

Gemahl,

daß Sie mir nie einen Streich spielen sollen, ohne daß ich Ih­

nen nicht gleich darauf wieder einen spiele. — Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequält hatten?

O Komödiantinnen, ich hätte euch doch ken­

v. Lellheim.

nen sollen! Francieka.

verdorben.

Nein,

wahrhaftig;

ich bin zur Komödiantin

Ich habe gezittert und gebebt,

und mir mit der

Hand das Maul zuhalten müssen.

Das Fraulein.

Leicht ist mir meine Rolle auch nicht ge­

worden. — Aber so kommen Sie doch!

Noch kann ich mich nicht erhohlen. — Wie

v. Lellheim.

wohl, wie ängstlich ist mir! So erwacht man plötzlich aus ei­

nem schreckhaften Traume! Das Fraulein.

Wir zaudern. — Ich höre ihn schon.

Dreyzehnter Auftritt. Der Graf von Bruchsall, von verschiedenen Bedienten und dem Wirthe begleitet.

Die Vorigen.

Der Graf, (im Hereintreten) Sie ist doch glücklich angelangt?

Das Fraulein, (die ihm entgegen springt) Ah, mein Vater! —

Der Graf

Da bin ich, liebe Minna! (ste umarmend) Aber

was, Mädchen? (indem er den Tellheim gewahr wird) Vier und zwan­ zig Stunden erst hier, und schon Bekanntschaft, und schou Ge­ sellschaft?

Minna von Barnhelm.

94

Rathen Sic, wer cs ist? —

Das Fräulein.

Der Graf.

Doch nicht dein Tcllheim?

Das Fraulein. Wer sonst, als er? — Kommen Sie, Tcllhcim! (ihn dem Grafen zufiihrcnd) Der Graf.

Mein Herr, wir haben uns nie gesehen; aber

bey dem ersten Anblick glaubte ich, Sie zil erkennen. Ich wünschte,

daß Sic es seyn möchten. — Umarmen Sie mich. — Sie ha­ ben meine völlige Hochachtung.

Ich bitte um Ihre Freund­

schaft. — Meine Nichte, meine Tochter liebet Sie. —

Das wissen Sie, mein Vater! — Und ist

Das Fraulein.

sie blind, meine Liebe?

Der Graf. Nein, Minna; deine Liebe ist nicht blind; aber

dein Liebhaber — ist stumm. v. Tellheim.

(sich ihm in die Arme werfend)

Lassen Sie

mich

zu mir selbst kommen, mein Vater! — Der Graf.

So recht, mein Sohn!

Ich höre es; wenn

Dein Mund nicht plaudern kann, so kann Dein Herz doch re­ den. — Ich bin sonst den Officieren von dieser Farbe (auf Teil, heims Uniform weisend)

eben nicht gllt.

Doch Sie sind ein ehrli­

cher Mann, Tcllhcim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in

welchem Kleide er will, man muß ihn lieben. Das Fraulein.

Der Graf.

O, wenn Sie alles wüßten! —

Was hinderts, daß ich nicht alles erfahre? —

Wo sind meine Zimmer, Herr Wirth? Der Wirth.

Wollen Zhro Excellenz nur die Gnade haben,

hier herein zu treten. Der Graf. Komm, Minna! Kommen Sie, Herr Major! (geht mit dem Wirthe und den Bedienten ab)

Das Fraulein. v. Tellheim. lein.

Kommen Sie, Tellhcim!

Ich folge Ihnen den Augenblick, mein Fräu­

Nur noch ein Wort mit diesem Manne! (gegen Wernern

sich wendend)

Das Fraulein.

Und ja ein recht gutes;

mich dünkt, Sie

haben cs nöthig. — Franciska, nicht wahr? (dem Grafen nach)

Minna von Barnhelm.

95

Vierzehnter Austritt.

v. Tellheim. Werner. Just. Franciska. V. Tellheim.

(auf den Beutel weisend, den Werner weggeworfen)

Hier, Zust! — hebe den Beutel auf, und trage ihn nach Hause. Geh! — (Inst damit ab.)

Werner, (der noch immer mürrisch im Winkel gestanden, und an nichts Theil zu nehmen geschienen; indem er das hört) Za, nun!

v. Tellheim. (vertraulich, auf ihn zugehend) Werner, wann kann

ich die andern tausend Pistolen haben? Werner, (auf einmal wieder in seiner guten Laune) Morgen, Herr

Major, morgen. — v. Tellheim. Ich brauche dein Schuldner nicht zu werden; aber ich will dein Rentmeister seyn.

Euch gutherzigen Leuten

sollte man allen einen Vormund setzen. Ihr seyd eine Art Ver­ schwender. — Ich habe dich vorhin erzürnt, Werner! — Werner.

Bey meiner armen Seele, ja! — Ich hätte aber

doch so ein Tölpel nicht seyn sollen. verdiente hundert Fuchtel.

Nun seh ichs wohl.

Zch

Lassen Sie mir sie auch schon ge­

ben; nur weiter keinen Groll, lieber Major! —

v. Tellheim.

Groll? — (ihm die Hand drückend) Lies

es itt

meinen Augen, was ich dir nicht alles sagen kann. — Ha! wer ein besseres Mädchen, und einen redlichern Freund hat, als ich,

den will ich sehen — Franciska, nicht wahr? (geht ab)

Fünfzehnter Auftritt.

Werner. Franciska. Franciska. (vor sich) Za gewiß,

es

ist ein

gar zu

guter

Mann! — So einer kommt mir nicht wieder vor. — Es muß

heraus! (schüchtern und verschämt sich Wernern nähernd) Herr Wacht­ meister —

Werner,

Franeiska. Werner. Franciska.

(der sich die Augen wischt) Nll? —

Herr Wachtmeister —

Was will Sie denn, Frauenzimmerchen? Seh Er mich einmal an, Herr Wachtmeister. —

Minna von Barnhelm.



Werner. Ich kann noch nicht; in die Angen gekommen.

ich weiß nicht, was mir

Zranciska. So seh Er mich doch an! Werner. Zch fürchte, ich habe Sie schon zn viel angese­

hen, Frauenzimmerchcn! — Nun, da seh ich Sie ja! giebts denn? Zranciska.

Was

Herr Wachtmeister, — — braucht Er keine

Frau Wachtmeisterinn?

Werner.

Ist das Zhr Ernst, Fraucnzimmerchen?

Zranciska. Mein völliger! Werner. Zöge Sie wohl auch mit nach Persien?

Zranciska. Wohin Er will! Werner. Gewiß? — Holla! Herr Major! nicht groß ge­ than! Nun habe ich wenigstens ein eben so gutes Mädchen, und einen eben so redlichen Freund, als Sie! — Geb Sie mir Ihre Hand, Fraucnzimmerchen! Topp! — Ueber zehn Zahr ist Sie Frau Generalin, oder Wittwe!

Gedruckt bei Julius Sittenfcld in Berlin. Burg-Straße 9?v. 25.