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German Pages 367 Year 2006
Schriften zum Internationalen Recht Band 161
Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA
Von
Claudia Hailer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CLAUDIA HAILER
Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA
Schriften zum Internationalen Recht Band 161
Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA
Von
Claudia Hailer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11989-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde während eines zweijährigen Forschungsaufenthaltes als Visiting Scholar an der University of California in Berkeley erstellt und im Wintersemester 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Hannover als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum Juni 2005 berücksichtigt. Für finanzielle Unterstützung bedanke ich mich bei der Graduiertenförderung des Landes Niedersachsen, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie dem Auswärtigen Amt, das einen großzügigen Druckkostenzuschuss gewährte. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Christian Wolf, der die Arbeit anregte und betreute, sowie Herrn Prof. Dr. Volker Epping, der das Zweitgutachten zügig und kenntnisreich erstellte. Für wertvolle Hinweise bedanke ich mich bei Prof. Richard Buxbaum von der University of California in Berkeley. Für zahlreiche Diskussionen und wichtige Erläuterungen bedanke ich mich darüber hinaus und in ganz besonderem Maße bei Prof. Beth Stephens von der Rutgers University in Camden. Ich bedanke mich außerdem bei Elke und Philippe, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Berlin, im März 2006
Claudia Hailer
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Teil I Die Grundlagen der Human Rights Litigation
24
1. Kapitel Die dogmatische Einordnung der Human Rights Litigation
24
Die Human Rights Litigation als hybrides Gebilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
II. Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des US-Rechts . . . . . . . .
25
III. Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des Völkerrechts . . . . . .
28
I.
2. Kapitel
I.
Die gesetzlichen Pfeiler der Human Rights Litigation
29
Der Alien Tort Claims Act (ATCA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschichtliche Hintergründe des ATCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für den Erlass des ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die anfängliche Bedeutungslosigkeit des ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wiederentdeckung des ATCA im Fall Filártiga v. Peña-Irala. . . . 2. Die heutige Auslegung des ATCA durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . a) Die rechtliche Natur des ATCA und das materielle Recht eines Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die völkergewohnheitsrechtliche Alternative des ATCA . . . . . . . . (2) Die völkervertragliche Alternative des ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Begrenzung auf ausländische Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Begrenzung auf Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Verletzung des Völkerrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Verletzung des Völkergewohnheitsrechts . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Verletzung des Völkervertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Kreis der möglichen Beklagten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Staatliche und private Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Täter und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 31 31 35 44 47 47 47 54 58 58 59 61 61 67 69 69 72
8
Inhaltsverzeichnis (3) Natürliche und juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 d) Der Vorbehalt richterlicher Vorsicht bei Anwendung des ATCA . . . . . 75
II. Der Torture Victim Protection Act (TVPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Der Tatbestand des TVPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Das Verhältnis des TVPA zum ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Der Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausnahmen vom Grundsatz der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inlandsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommerzielles Handeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abschluss völkerrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verletzung einer Norm des ius cogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Antiterrorism and Effective Death Penalty Act (AEDPA) . . . . . . . 2. Das materielle Recht einer Klage über den FSIA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis des FSIA zu ATCA und TVPA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Anwendbarkeit des FSIA auf individuelle Hoheitsträger. . . . . . . . . . . . 5. Die Außenseiterstellung des FSIA im System der HRL . . . . . . . . . . . . . . . .
85 85 85 87 89 89 90 91 95 96 96 100
IV. Die general federal question jurisdiction in Verbindung mit Völkerrecht . . . . 101 3. Kapitel
I.
Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts
106
Zulässigkeitsspezifische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zuständigkeit über den Streitgegenstand (subject matter jurisdiction) 2. Das standing des Klägers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die personelle Zuständigkeit (personal jurisdiction). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106 106 108 111
II. Materiellrechtliche Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Das anwendbare Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Teil II Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
125
1. Kapitel Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte I.
125
Internationale Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Das Immunitätsrecht der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Inhaltsverzeichnis
9
(1) Ausländische Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Amtierende ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ehemalige ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister sowie sonstige Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Diplomaten und Gesandte zu den Vereinten Nationen . . . . . . . . . . b) Die act of state-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Personal- und Gebietshoheit des ausländischen Staates . . . . . . . . . . . . a) Die Doktrin der comity. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Doktrin des forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erschöpfung lokaler Rechtsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126
130 131 132 135 135 140 143 144
II. Nationale Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Zuständigkeitsbereich der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klagen gegen US-amerikanische Beklagte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Immunitäten der USA und ihrer Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . (2) Die political questions-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen gegen ausländische Beklagte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Zuständigkeitsbereich der Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entnahme einer Primärnorm aus dem Völkergewohnheitsrecht . . b) Die Schaffung einer innerstaatlichen Sekundärnorm . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145 145 145 146 150 152 154 154 160 161
127
III. Intranationale Kompetenzkonflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Kapitel Die Vereinbarkeit der Human Rights Litigation mit dem Völkerrecht I.
Das Immunitätsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit der US-amerikanischen Immunitätspraxis mit dem Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der AEDPA und die Staatenimmunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der AEDPA und die personelle Immunität amtierender ausländischer Staatsoberhäupter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die funktionelle Immunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Deduktion aus etabliertem Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 166 166 169 170 170 176 177 182 183 192
10
Inhaltsverzeichnis b) Immunitätsverweigerung als Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
II. Die extraterritorial orientierte Jurisdiktionsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrechtliche Grenzen zivilrechtlicher Jurisdiktionsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsetzungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begrenzung zivilrechtlicher Jurisdiktionsgewalt mittels Deduktion aus völkerrechtlichen Strukturprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Existenz eines zivilrechtlichen Universalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198 199 200 202 204 205 205
III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
3. Kapitel Die Human Rights Litigation im Schnittbereich von nationalem Recht und Völkerrecht I.
Die Einwirkung des Völkerrechts in den nationalen Rechtsraum . . . . . . . . . . . 1. Die verschiedenen Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der unmittelbare Vollzug des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die ergänzende Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die verändernde Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die inhaltliche Anknüpfung an das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Unterscheidung in verschiedene Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Die Bezugnahme auf das Völkerrecht im Rahmen der Human Rights Litigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. TVPA und AEDPA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der ATCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der ATCA und das Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Ansatz der ATCA-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Konzept der ATCA-Rechtsprechung auf dem Prüfstein . . . . . (a) Die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung der natürlichen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung der juristischen Person des Privatrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der ATCA und das Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der ATCA als Ermächtigung zur Schaffung bundesrechtlicher Primärnormen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 211 211 212 213 213 214 214 216 216 216 217 217 218 219 223 226 227 228
Inhaltsverzeichnis
11
d) Warum wird die Adressatenproblematik in Literatur und Rechtsprechung nicht beachtet?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Teil III Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
236
1. Kapitel Neuere internationale Dokumente mit Bezug zur Human Rights Litigation I.
Der Entwurf zu einer Haager Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergrundinformation zum Konventionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die potentiellen Auswirkungen der geplanten Konvention auf die Human Rights Litigation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Anerkennung US-amerikanischer Menschenrechtsurteile im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung eines zivilrechtlichen Universalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . .
236
236 236 239 239 243 245
II. Die Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Serious Violations of International Humanitarian Law der UN-Menschenrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
2. Kapitel Gründe für Existenz und Erfolg eines Systems des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes in den USA I.
251
Gründe für die Existenz eines Systems des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes in den USA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
II. Gründe für den Erfolg der Human Rights Litigation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Umgang mit transnationalen Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Präsenz von Tätern und Opfern in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Attraktivität der USA als Forum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rechtskultur der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das US-amerikanische Verständnis vom Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . 6. Die fehlende Opferbezogenheit des US-amerikanischen Strafverfahrens .
262 262 266 267 271 274 275
III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
12
Inhaltsverzeichnis
Teil IV Neuere Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
278
1. Kapitel
I.
Neuere Entwicklungen der Human Rights Litigation
278
Die Ausdehnung des ATCA auf neuartige Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Etablierte Delikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spezifisch umwelt-, arbeits- oder frauenrechtliche Delikte. . . . . . . . . . . (1) Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Arbeitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Frauenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Völkerrechtliche Rechte als Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278 278 280 280 280 281 283 283
II. Die Ausdehnung des ATCA auf neuartige Beklagte: die Klage gegen multinationale Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Wichtige bisher entschiedene Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Rechtliche Konstruktion der Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Rechtliche Rahmenbedingungen und Perspektiven der neueren ATCA-Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Kapitel
I.
Bewertung der Human Rights Litigation
291
Nutzen der Human Rights Litigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Chancen für die Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Finanzielle Entschädigung des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Immaterielle Nutzen der Human Rights Litigation . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzen für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einbeziehung der Human Rights Litigation unter die Nutzensanalyse herkömmlicher Modelle zur Durchsetzung der Menschenrechte. . . (1) Die Abschreckung und Bestrafung der Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Aufklärung eines historischen Ereignisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die spezifischen Nutzen der Human Rights Litigation . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsfortbildende Funktion der HRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Innerstaatliche Akzeptanz des Völkergewohnheitsrechts . . . . . . . . .
291 291 291 293 293 297 298 298 298 299 302 305 305 307
Inhaltsverzeichnis
13
(3) Einbindung der multinationalen Konzerne in die internationale Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Nachteile der Human Rights Litigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachteile für die USA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Außenpolitische Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Negative Auswirkungen auf die Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schäden für das Ansehen der US-amerikanischen Gerichtsbarkeit? . . 2. Nachteile für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einwände speziell gegen die US-amerikanische Praxis des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der US-amerikanische Unilateralismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Human Rights Litigation als zweifelhafter Beitrag zur Fortentwicklung des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konzentration auf Befehlsempfänger und Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Beachtung der Menschenrechte des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Durchsetzung der Menschenrechte durch die ideologische Brille der Nichtregierungsorganisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Vergleich mit anderen Formen der Durchsetzung der Menschenrechte . 1. Nationale und internationale Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafrechtliche und zivilrechtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewöhnliche Deliktsklage und Human Rights Litigation. . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312 312 312 314 316 316 323 323 323 324 326 327 329 330 330 330 334 335 338
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
Abkürzungsverzeichnis a. A. Add. AdG AEDPA AEMR AG A.G. AGMR AILC Alb. L. Rev. Am. J. Comp. L. Am. J. Int’l L. Anglo-Am. L. Rev. Ariz. J. Int’l & Comp. L. Art. ATCA Austl. Y.B. Int’l L. AVR Bd. Berkeley J. Int’l L. BGBl. BGH BGHZ Boston College Int’l & Comp. L.R. BRAO Brook. J. Int’l L. Brook. L. Rev. B.U. Int’l L.J. B.U.L. Rev. BVerfG BVerfGE B.Y.I.L. bzw.
andere Ansicht Addendum Archiv der Gegenwart Antiterrorism and Effective Death Penalty Act Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Die Aktiengesellschaft Aktiengesellschaft Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte American International Law Cases Albany Law Review American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Anglo-American Law Review Arizona Journal of International and Comparative Law Artikel Alien Tort Claims Act Australian Yearbook of International Law Archiv des Völkerrechts Band Berkeley Journal of International Law Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Boston College International and Comparative Law Review Bundesrechtsanwaltsordnung Brooklyn Journal of International Law Brooklyn Law Review Boston University International Law Journal Boston University Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts British Yearbook of International Law beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis C.D. Cal. C.F.R. Chi. J. Int’l L. Cir. CLA Co. Colo. J. Envtl. L. & Pol’y Colum. Hum. Rts. L. Rev. Colum. J.L. & Soc. Probs. Colum. J. Transnat’l L. Colum. L. Rev. Cong. Rec. Conn. L. Rev. Cornell Int’l L.J. Corp. D.C. Cir. D.C. Pa.
15
United States District Court for the Central District of California Code of Federal Regulations Chicago Journal of International Law Circuit Civil Liability for Acts of State Sponsored Terrorism Act Company Colorado Journal of Environmental Law and Policy Columbia Human Rights Law Review Columbia Journal of Law & Social Problems
Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Congressional Record Connecticut Law Review Cornell International Law Journal Corporation District of Columbia Circuit Court of Appeals United States District Court for the District of Pennsylvania D.D.C. United States District Court for the District of Columbia De Paul Bus. L.J. De Paul Business Law Journal ders. derselbe d.h. das heißt Dick. J. Int’l L. Dickinson Journal of International Law dies. dieselbe/dieselben Diss. Dissertation D. Mass. United States District Court for the District of Massachusetts D. Md. United States District Court for the District of Maryland D.N.J. United States District Court for the District of New Jersey Doc. Document DÖV Die Öffentliche Verwaltung D.P.R. United States District Court for the District of Puerto Rico D.S.C. United States District Court for the District of South Carolina Duke J. Comp. & Int’l L. Duke Journal of Comparative and International Law ebd. ebenda Ecology L.Q. Ecology Law Quarterly ed. editor
16 E.D. Ark.
Abkürzungsverzeichnis
United States District Court for the Eastern District of Arkansas E.D. La. United States District Court for the Eastern District of Louisiana E.D.N.Y. United States District Court for the Eastern District of New York E.D. Wash. United States District Court for the Eastern District of Washington EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EJIL European Journal of International Law Emory Int’l L. Rev. Emory International Law Review Emory L.J. Emory Law Journal EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EuVVO Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen f. folgende F.2d West’s Federal Reporter, Second Series F.3d West’s Federal Reporter, Third Series F. Cas. Federal Cases Fed. R. Civ. P. Federal Rules of Civil Procedure ff. fortfolgende Fletcher F. World Aff. Fletcher Forum of World Affairs Fn. Fußnote Fordham Int’l L.J. Fordham International Law Journal Fordham L. Rev. Fordham Law Review F.R.D. Federal Rules Decisions FS Festschrift FSIA Foreign Sovereign Immunities Act F. Supp. Federal Supplement FTCA Federal Tort Claims Act G.A. General Assembly Ga. J. Int’l & Comp. L. Georgia Journal of International and Comparative Law gem. gemäß Geo. Int’l Envtl. L. Georgetown International Environmental Law Review Rev. Geo. L.J. Georgetown Law Journal Geo. Wash. Int’l L. George Washington International Law Review Rev. Harv. Hum. Rts. J. Harvard Human Rights Journal Harv. Int’l L.J. Harvard International Law Journal
Abkürzungsverzeichnis Harv. L. Rev. Hastings Int’l & Comp. L. Rev. Hofstra L. & Pol’y Symp. Hous. L. Rev. HRL H.R. Rep. Hrsg. HS Hum. Rts. Q. IAO ICCPR ICJ ICTR IGH ILC I.L.M. I.L.R. ILSA. J. Int’l & Comp. L. Inc. INS IPBPR IPRax IPWSKR IStGH IStGHJ IStGHR J. Bl. J. Cont. Cong. J. Contemp. Legal Issues J. Int’l Legal Studies JIR JöR Jur.
17
Harvard Law Review Hastings International and Comparative Law Review Hofstra Law & Policy Symposium Houston Law Review Human Rights Litigation House of Representatives Report Herausgeber Halbsatz Human Rights Quarterly Internationale Arbeitsorganisation International Covenant on Civil and Political Rights (Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte) International Court of Justice (Internationaler Gerichtshof) International Criminal Tribunal for Rwanda (Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda) Internationaler Gerichtshof International Law Commission (Völkerrechtskommission) International Legal Materials International Law Reports ILSA Journal of International & Comparative Law Incorporated Immigration and Naturalization Service Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte Internationaler Strafgerichtshof Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda Juristische Blätter Journal of the Continental Congress Journal of Contemporary Legal Issues Journal of International Legal Studies Jahrbuch für internationales Recht (seit 1976: German Yearbook of International Law) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristisch
18 JZ KE Law & Contemp. Probs. Miami Inter-Am. L. Rev. Mich. J. Int’l. L. Mich. L. Rev. Minn. L. Rev. MOGE m. w. N. N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. N.D. Cal.
Abkürzungsverzeichnis Juristenzeitung Konventionsentwurf Law and Contemporary Problems Miami Inter-American Law Review
Michigan Journal of International Law Michigan Law Review Minnesota Law Review Myanmar Oil and Gas Enterprise mit weiteren Nachweisen North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation United States District Court for the Northern District of California N.D. Ill. United States District Court for the Northern District of Illinois Neb. L. Rev. Nebraska Law Review NILR Netherlands International Law Review NJW Neue Juristische Wochenschrift No. Number N.Y.U. Envt’l L.J. New York University Environmental Law Journal N.Y.U. J. Int’l L. & New York University Journal of International Law and Pol. Politics N.Y.U. Rev. L. & Soc. New York University Review of Law and Social Change Change OAS Organisation Amerikanischer Staaten OECD Organization for Economic Cooperation and Development PLO Palestine Liberation Organization (Palästinensische Befreiungsorganisation) Pub. L. Public Law RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RdC Recueil des Cours Res. Resolution R.I.D.M. Revue Internationale du Droit Maritime RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer S. Seite San Diego Int’l L.J. San Diego International Law Journal S.C.R.A. Republic of the Philippines Supreme Court Reports Annotated S.Ct. Supreme Court
Abkürzungsverzeichnis S.D. Fla. S.D. Ga. S.D.N.Y. S.D. Tex. S. Exec. Rep. SLORC S. Rep. Stan. Envtl. L.J. Stat. St. John’s L. Rev. StPO Suffolk Transnat’l L. Rev. Temp. Int’l & Comp. L.J. Tex. Int’l L.J. Tex. L. Rev. Theoretical Inquiries L. TS Tul. J. Int’l & Comp. L. Tul. L. Rev. TVPA U. Chi. Legal F. UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. UCLA L. Rev. UN UNTS U. Pa. L. Rev. U. Penn. L. Rev. U. Rich. L. Rev. U.S. USA U.S.C. v. Va. J. Int’l L. vgl. vs. Wake Forest L. Rev.
United States District Court for the Southern Florida United States District Court for the Southern Georgia United States District Court for the Southern New York United States District Court for the Southern Texas Senate Executive Report State Law and Order Restoration Council Senate Report Stanford Environmental Law Journal United States Statutes at Large St. John’s Law Review Strafprozessordnung Suffolk Transnational Law Review
19 District of District of District of District of
Temple International and Comparative Law Journal Texas International Law Journal Texas Law Review Theoretical Inquiries in Law United States Treaty Series Tulane Journal of International and Comparative Law Tulane Law Review Torture Victim Protection Act University of Chicago Legal Forum University of California at Los Angeles Journal of International Law & Foreign Affairs University of California at Los Angeles Law Review United Nations United Nations Treaty Series University of Pennsylvania Law Review University of Pennsylvania Law Review University of Richmond Law Review United States Supreme Court Reports United States of America United States Code versus Virginia Journal of International Law vergleiche versus Wake Forest Law Review
20 Wayne L. Rev. WDRK W.D. Wash.
Abkürzungsverzeichnis
Wayne Law Review Wiener Konvention zum Diplomatenrecht United States District Court for the Western District of Washington WL Westlaw Yale Hum. Rts. & Dev. Yale Human Rights and Development Law Journal L.J. Yale J. Int’l L. Yale Journal of International Law Yale L.J. Yale Law Journal YBILC Yearbook of the International Law Commission ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung Menschenrechtsverletzungen verlangen nach einer Verfolgung des Täters ebenso wie nach einer Entschädigung des Opfers. Neuere internationale Dokumente greifen diesen Ansatz in zunehmendem Maße auf.1 Die faktische Durchsetzung der Menschenrechte auf internationaler und nationaler Ebene konzentriert sich indes bislang auf das Strafverfahren und somit auf den Täter. Das Opfer wird meist nicht oder nur am Rande2 beachtet. Die USA hingegen vollziehen die Menschenrechte vornehmlich in ihrer opferbezogenen Dimension. Seinen Anfang nahm diese Praxis zu Beginn der 80er Jahre. Im Fall Filártiga v. Peña-Irala3 wurde ein in Vergessenheit geratenes Gesetz aus dem Jahre 1789, der Alien Tort Claims Act (ATCA)4, wieder entdeckt. Dieses Gesetz ermöglicht es ausländischen Opfern von Menschenrechtsverletzungen ein zivilrechtliches Verfahren gegen ihre Peiniger in Gang zu setzten. Unerheblich ist hierbei, wo die Tat vorgefallen ist und ob es sich bei dem Täter um einen Ausländer oder einen US-Bürger handelt. Im Jahre 1992 wurden die Möglichkeiten des ATCA mit Erlass des Torture Victim Protection Act (TVPA)5 auch den US-amerikanischen Opfern von Folter und außergerichtlicher Tötung zugestanden. Eine weitere Ergänzung erfolgte 1996 mit dem Anti-Terrorism and Effective Death Penality Act (AEDPA),6 der den US-amerikanischen Opfern terroristischer 1
So z. B. die Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Serious Violations of International Humanitarian Law, E/CN.4/2005/L.10/Add.11 sowie die Erklärung der UN-Generalversammlung zu den Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuses of Power, G.A. Res. 40/34 (29.11.1985). Eine Auflistung und Erläuterung unzähliger weiterer internationaler Dokumente, die sich mit der Schutzwürdigkeit des Opfers befassen, findet sich unter Rn. 6 bei Bassiouni, Report of the Independent Expert on the Right to Restitution, Compensation and Rehabilitation for Victims of Grave Violations of Human Rights and Fundamental Freedoms, vom 8.2.1999, E/CN.4/1999/65. 2 Siehe z. B. die Bestimmungen zur Entschädigung des Opfers in den Statuten der internationalen Gerichtshöfe, Art. 24 Abs. 3 IStGHJ-Statut (32 I.L.M. 1163 (1993)), Art. 23 Abs. 3 IStGHR-Statut (33 I.L.M. 1598 (1994)) und Art. 77 Abs. 2 i. V. m. Art. 79 IStGH-Statut (37 I.L.M. 999 (1998)). 3 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2d Cir. 1980). 4 28 U.S.C. § 1350 (1988). 5 Pub. L. No. 102–256, kodifiziert als Anmerkung zu 28 U.S.C. § 1350. 6 Pub. L. No. 104–132, kodifiziert in 28 U.S.C. §§ 1605 (a)(7), 1610 (f).
22
Einleitung
Anschläge in bestimmten Fällen die Klage gegen einen ausländischen Staat erlaubte. Der AEDPA ergänzte das US-amerikanische Gesetz zur Immunität ausländischer Staaten, den Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA)7, welches zuvor Menschenrechtsklagen gegen ausländische Staaten nur unter sehr engen Voraussetzungen zugelassen hatte. Ein weiterer bedeutender Schritt vollzog sich Ende der 90er Jahre, als gerichtlich anerkannt wurde, dass über den ATCA auch multinationale Konzerne für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können. Aus einem in Vergessenheit geratenen Gesetz hat sich so im Laufe der Zeit in den USA ein umfassendes System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes entwickelt, das mit dem Begriff der Human Rights Litigation (HRL) umschrieben wird. Abstrakt betrachtet handelt es sich bei der HRL um ein Klagesystem, in dem völkerrechtliche Verbrechen vor innerstaatlichen Gerichten zivilrechtlich aufgearbeitet werden. Erfasst sind nur solche Verfahren, in denen eine Verletzung der Menschenrechte (Human Rights) eingeklagt wird. Der USamerikanische Menschenrechtsbegriff umfasst nicht nur die Menschenrechte im engeren Sinne, wie sie zum Beispiel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind, sondern auch sonstige Normen des Völkerrechts, die zumindest entfernt individualschützend wirken. Neben Delikten, die den Schutz des Individuums bezwecken (so zum Beispiel Folter und außergerichtliche Tötung), fallen daher auch solche Delikte unter die HRL, die vor allem dem Schutz eines Kollektivs und der internationalen Rechtsordnung und nur mittelbar dem Schutz des Individuums dienen (so zum Beispiel Genozid und Kriegsverbrechen). Den nachfolgenden Ausführungen ist dieser weite Menschenrechtsbegriff des US-Rechts zugrunde gelegt. Eine nähere Betrachtung der HRL ist aus mehreren Gründen interessant. Es handelt sich bei ihr um eine in dieser Form ausschließlich in den USA existierende Klagemöglichkeit, deren Untersuchung bereits aus einem grundsätzlichen rechtsvergleichenden Interesse heraus wichtig erscheint. Es ist ferner ein Wesensmerkmal der HRL, dass sie mit den Zuständigkeiten anderer Staaten interferiert und in diesem Sinne die Grenzen der USA überschreitet. Ein Staat kann sich beispielsweise der Situation gegenüber sehen, dass eigene Hoheitsträger in den USA für Völkerrechtsverletzungen, die auf eigenem Staatsgebiet begangen wurden, verklagt werden. Ebenso kann er von Klägern, die in den USA ein HRL-Urteil erstritten haben, mit dem Antrag angegangen werden, dieses Urteil im eigenen Hoheitsraum anzuerkennen und zu vollstrecken, um so eine Befriedigung aus den sich oft außerhalb der USA befindlichen Mitteln des Beklagten zu ermöglichen. In diesen Konstellationen ist es wichtig zu wissen, was genau in der HRL geschieht 7
28 U.S.C. §§ 1602 ff.
Einleitung
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und inwieweit die entsprechenden Urteile im Einklang mit dem Völkerrecht stehen. Internationale Forderungen nach einer verbesserten Berücksichtigung des Opfers einer Menschenrechtsverletzung geben der Thematik zusätzliches Gewicht und könnten zukünftig die Frage aufkommen lassen, ob ein System der HRL auch in anderen Ländern vorstellbar bzw. erstrebenswert ist. Eine Untersuchung der Vor- und Nachteile der HRL sowie der Gründe für ihren Erfolg gerade in den USA kann einen ersten Grundstein für die Beantwortung dieser Fragestellungen liefern. Vor diesem Hintergrund werden zunächst die Grundlagen der HRL rechtlich und historisch erläutert und in ihren US-rechtlichen und völkerrechtlichen Kontext eingeordnet (Teil I). Es werden sodann die Probleme herausgearbeitet, die sich im Rahmen der HRL ergeben. Eingegangen wird auf internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte sowie auf Ansätze, über die das US-Recht diese Konflikte zu lösen versucht. Es wird gesondert untersucht, inwieweit diejenigen Lösungsansätze, die im Bereich der internationalen Kompetenzkonflikte verfolgt werden, mit dem Völkerrecht im Einklang stehen. Es wird ferner geklärt, wie die US-amerikanischen Gerichte jene Grenzen überwinden, die der HRL angesichts der Staatenzentriertheit des durch sie zu vollziehenden Völkerrechts vorgegeben sind (Teil II). Dem nachfolgend wird das System der HRL in einen internationalen Kontext gestellt. Es wird untersucht, inwiefern Interferenzen zwischen der HRL und thematisch verwandten internationalen Dokumenten bestehen. Eingegangen wird dabei auf den Entwurf zu einer Haager Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung sowie auf die Prinzipien zur Entschädigung der Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen und schwerer Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die jüngst im Rahmen der UN-Menschenrechtskommission angenommen wurden. Es wird ferner untersucht, warum ein System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes gerade in den USA existiert und inwiefern die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der USA den Erfolg der HRL unterstützen (Teil III). Abschließend werden neueste Entwicklungen der HRL dargestellt, namentlich, die Ausweitung des ATCA auf Fälle mit umwelt-, arbeits- und frauenrechtlichen Fragestellungen sowie seine Anwendung auf multinationale Konzerne. Ferner werden die Vor- und Nachteile der HRL aufgezeigt und es wird darauf eingegangen, inwiefern ein System der HRL neben anderen Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte gewinnbringend ist (Teil IV).
Teil I
Die Grundlagen der Human Rights Litigation 1. Kapitel
Die dogmatische Einordnung der Human Rights Litigation I. Die Human Rights Litigation als hybrides Gebilde Die HRL lässt sich nur schwer in klassische Kategorien der Rechtssystematik einordnen. Sie bewegt sich in den Spannungsfeldern von Völkerrecht und nationalem Recht, von Privatrecht, öffentlichem Recht und Strafrecht sowie von Recht und Politik. Zunächst sei auf die Stellung der HRL zwischen Völkerrecht und nationalem Recht eingegangen. Zu diesem Zweck seien die spezifischen Eigenschaften dieser beiden Rechtssysteme kurz angerissen. Das Völkerrecht behandelt klassischerweise Konflikte zwischen Staaten und wird vor internationalen Gerichten durchgesetzt. Das nationale Recht wendet sich an Private und Staaten gleichermaßen und kann von eben diesen vor nationalen Gerichten durchgesetzt werden. Die HRL übernimmt vom nationalen Recht den Spruchkörper, die offene Parteistruktur und das Verfahrensrecht. Die Einflüsse des Völkerrechts beschränken sich auf den Bereich des materiellen Rechts. Das Völkerrecht ist die offizielle Entscheidungsgrundlage der HRL. Diese Entscheidungsgrundlage wird jedoch durch das nationale Recht vielfältig ergänzt und verändert. So wird auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen, um lückenhaftes Völkerrecht zu ergänzen. Die „Lückenhaftigkeit“ des Völkerrechts rührt daher, dass die völkerrechtlichen Normen meist durchsetzungsneutral verfasst sind. Dem Völkerrecht fehlen die Aussagen, die für seine Durchsetzung durch das innerstaatliche Zivilverfahren erforderlich sind. Die völkerrechtliche Norm muss bei ihrer Verwendung im innerstaatlichen Zivilverfahren deshalb in aller Regel mit dem rechtlichen Rahmen eines einklagbaren Anspruchs versehen werden.1 Ist eine individuell verpflichtende Primärnorm völkerrechtlich nicht begründet, greift die 1
Siehe hierzu ausführlich unten, 2. Kapitel, I. 2. a) (1).
1. Kap.: Die dogmatische Einordnung
25
HRL darüber hinaus modifizierend ein und verändert den völkerrechtlichen Normadressaten gemäß der Bedürfnisse des nationalen Zivilrechts.2 Das völkerrechtliche Element der HRL beschränkt sich also auf einen materiellrechtlichen Kern, der vielfältig ergänzt und bisweilen auch verändert wird. Auch im Hinblick auf die nationale Rechtsordnung zeigt sich die HRL als Hybrid. Sie verbindet Elemente, die typischerweise unterschiedlichen innerstaatlichen Rechtskategorien angehören. Die HRL vermengt Elemente des Privatrechts mit solchen des öffentlichen Rechts. Anspruch und Klage werden nach identischen rechtlichen Grundsätzen vor identischen Gerichten behandelt, unabhängig davon, ob eine Privatperson oder ein Hoheitsträger (in seiner Funktion als solcher) in Anspruch genommen werden. Einzuräumen ist freilich, dass hierin nur bedingt eine Besonderheit der HRL zu erblicken ist. Das US-Recht nämlich trennte lange Zeit nicht zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht. Es beginnt diese Unterscheidung erst in neuerer Zeit aufzugreifen.3 Ähnlich stellt sich die Situation im Hinblick auf die klassische Unterscheidung in Zivilrecht und Strafrecht dar. Auch insoweit enthält die HRL Elemente beider Rechtsgebiete. In ihrem Rahmen nämlich werden typischerweise hohe Strafschadensersatzsummen zugesprochen. Diese dienen der Bestrafung des Täters. Auch bei dieser Verbindung innerstaatlicher Rechtskategorien handelt es sich jedoch nicht um eine HRL-spezifische Besonderheit, sondern um ein auch in anderen Bereichen des USamerikanischen Rechts verbreitetes Phänomen.4 Schließlich fällt auf, dass die Gerichte im Rahmen der HRL oft in den Bereich der Politik hineingezogen werden. Sie sind Adressaten eines politischen Aktivismus, der sich an sich an die Exekutive und die Legislative wenden müsste: Jene sind von Verfassungs wegen auf eine Beeinflussung durch den Einzelnen angelegt; an jene sollten sich Bestrebungen nach politischer oder sozialer Reform wenden.5 Die Gerichte sollten sodann lediglich die in der Politik durch öffentlichen Druck bewirkten Veränderungen in ihre Rechtsprechung aufnehmen. Im Rahmen der HRL wird dieser Prozess umgekehrt. Die Kläger wenden sich zunächst an die Gerichte, in der Hoffnung diese zum Ausspruch neuer rechtlicher Grundsätze zu bewegen. Werden durch die Gerichte neue Standards geschaffen, können die politischen Gewalten möglicherweise in einem zweiten Schritt zu einer Anpassung der Regierungstätigkeit und des Gesetzesrechts bewogen werden.
2
Näher hierzu unten Teil II, 3. Kapitel, II. 2. Blumenwitz, Einführung in das angloamerikanische Recht, S. 15. 4 Heriot, An Essay on the Civil-Criminal Distinction With Special Reference to Punitive Damages, 7 J. Contemp. Legal Issues 43 (1996). 5 Garry, A Nation of Adversaries, S. 89. 3
26
Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
Die Vermengung von Privatrecht, öffentlichem Recht und Strafrecht prägt – wie bereits dargelegt – das gesamte US-amerikanische Recht. Es handelt sich nicht um eine Besonderheit der HRL. Die Verbindung von nationalem Recht und Völkerrecht hingegen, sowie die Verbindung von Recht und Politik, sind auch innerhalb des US-amerikanischen Rechtssystems nicht selbstverständlich. Auf sie sei im Folgenden näher eingegangen.
II. Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des US-Rechts In den USA wird die HRL in ihrer Stellung zwischen Völkerrecht und nationalem Recht sowie zwischen Recht und Politik der von Koh geprägten transnational public law litigation zugeordnet.6 Diese setzt sich zusammen aus den Konzepten des transnational law und der public law litigation. Während der Begriff des transnational law auf die Stellung der HRL zwischen Völkerrecht und nationalem Recht Bezug nimmt, wird die stark politische Einfärbung der HRL über den Terminus der public law litigation erfasst. Zunächst sei auf den Begriff des transnational law eingegangen. Dieser wird auf den US-amerikanischen Völkerrechtler Phillip Jessup zurückgeführt. Jessup definierte das transnational law im Jahr 1956 folgendermaßen: „[T]he term ‚transnational law‘ [shall] include all law which regulates actions or events that transcend national frontiers. Both public and private international law are included, as are other rules which do not wholly fit into such standard categories.“7 Das transnational law ist demnach zu verstehen als hybrider Rechtskörper, frei schwebend zwischen den traditionellen Polen des nationalen Rechts und des Völkerrechts, des privaten und des öffentlichen Rechtes, verbunden und begrenzt allein durch ein Element der Grenzüberschreitung.8 Erfasst sind neben dem Völkerrecht die Regeln des internationalen Privat-, Prozess-, Straf- und Verwaltungsrechts9 sowie andere Erscheinungen des Rechts, die ein gewisses Maß an Grenzüberschreitung aufweisen. Das materielle Recht der HRL bewegt sich just in diesem Spannungsfeld. Es beinhaltet ehemals völkerrechtliche Normen, die über einen Prozess der rechtlichen Vermengung „nationalisiert“ wurden. Das transnational law ist kein Novum. Bereits das ius gentium der Römer folgte einem vergleichbaren Konzept. Es war zunächst römisches Recht, 6
Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L.J. 2347 (1991). Jessup, Transnational Law, S. 2. 8 Slaughter, International Law and International Relations Theory: A Dual Agenda, 87 Am. J. Int’l L. 205, 230, 234 (1993). 9 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 7. 7
1. Kap.: Die dogmatische Einordnung
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welches den Rechtsverkehr mit und zwischen Nichtrömern regelte.10 Später wurde ihm ein universeller Geltungsanspruch beigemessen.11 Grundlage hierfür war die Vorstellung, dass das ius gentium Ausdruck der natürlichen Vernunft sei und daher überall Geltung besitzen müsse.12 Die Rechtslehre des Mittelalters ergänzte das ius gentium sodann um die heutigen Materien des Völkerrechts.13 Das mittelalterliche ius gentium umfasste somit neben dem Völkerrecht vielfältige anderweitige Regelungsgegenstände und richtete sich an den Staat ebenso wie an das Individuum und die juristische Person.14 In dieser materiellen und subjektiven Offenheit ähnelte es dem transnational law heutigen Zuschnitts. Das zweite Element der transnational public law litigation, die als public law litigation bezeichnete Verbindung von Recht und Politik, wird auf Abram Chayes zurückgeführt.15 Chayes beschreibt mit diesem Begriff eine prozessuale Erscheinung, die mit der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre begann. Bahnbrechend war der Fall Brown v. Board of Education,16 in dem sich afroamerikanische Schüler erfolgreich dagegen wehrten, getrennt von weißen Schülern unterrichtet zu werden.17 In diesem und in nachfolgenden Fällen der Bürgerrechtsbewegung war der subjektive Rechtsschutz nur Vorwand für die Klarstellung objektiven Rechts und für die Herbeiführung einer politischer Reform im Interesse der Allgemeinheit. Mit dem Urteil sollte nicht nur eine Rechtsverletzung für die Vergangenheit kompensiert werden. Es sollte zugleich das für rechtmäßig befundene Alternativverhalten für die Zukunft sichergestellt werden. Zu diesem Zweck entwarf das Gericht in quasi-legislativer Manier einen Aktionsplan, den die Parteien umzusetzen hatten. Die Richter überwachten im Folgenden die Umsetzung des Aktionsplanes und blieben so auch nach Erlass des Urteils in quasi-administrativer Funktion in den Fall involviert.18 Die public law litigation und die HRL ähneln sich in weiten Teilen. Auch im Rahmen der HRL erstreben die Kläger eine Art der institutionellen Reform. In den seltenen Fällen gegen US-amerikanische Hoheitsträger erstreben sie eine Veränderung der US-amerikanischen Politik. In den übri10
Ipsen (ders.), Völkerrecht, 1. Kapitel, § 1, Rn. 4. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 45. 12 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 1. Kapitel, § 1, Rn. 4. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Chayes, The Role of the Judge in Public Law Litigation, 89 Harv. L. Rev. 1281 (1976). 16 Brown v. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954). 17 Fallon/Meltzer/David, Federal Courts and the Federal System, S. 79. 18 Chayes, The Role of the Judge in Public Law Litigation, 89 Harv. L. Rev. 1281, 1298 ff. (1976). 11
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
gen Fällen hoffen sie darauf, eine bestimmte richterliche Normfortbildung (insbesondere eine Stellungnahme zum Stand des Völkerrechts) provozieren zu können.19 Entsprechend schreibt Koh: „By filing the Bhopal case in American Court, India was no more seeking a traditional tort judgment than Linda Brown was seeking to just walk fewer blocks to a school bus [. . .]. Both were seeking judicial declarations of systematic wrongfulness, declarations that they could then use to convert principle to political power.“20 Insofern als das Gericht im Rahmen der HRL neue Normen des Völkergewohnheitsrechts „erkennt“ und korrespondierende Anspruchsgrundlagen im innerstaatlichen Recht bereitstellt, werden auch hier quasilegislative Funktionen ausgeübt. Ein quasi-adminstratives Nachspiel, wie es viele Fälle der public law litigation erkennen lassen, ist für die HRL hingegen nicht denkbar. Angesichts der regelmäßig transnationalen Parteistruktur eines HRL-Falles wäre die Bereitstellung und Überwachung eines Reformmodells als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des betroffenen ausländischen Staates zu verstehen und völkerrechtlich nicht vertretbar.
III. Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des Völkerrechts Vor dem Hintergrund des Völkerrechts kann die HRL in Teilbereichen als die Erfüllung völkervertraglicher Verfolgungs- und Entschädigungsverpflichtungen verstanden werden. Regelmäßig überlässt das Völkerrecht es den Staaten, ob sie das Völkerrecht innerstaatlich vollziehen. Zum Teil aber auferlegen völkerrechtliche Verträge den Staaten auch Vollzugsverpflichtungen. Generell handelt es sich um völkerrechtliche Zielvorgaben, die in ihrer Verwirklichung dem Belieben der Staaten anheim gestellt sind.21 Bisweilen schreibt das Völkerrecht aber auch konkrete Schritte vor, so vor allem die Verfolgung und Bestrafung völkerrechtlicher Delinquenten.22 Vereinzelt 19
Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L.J. 2347, 2369 f. (1991). Ebd., S. 2396. Vgl. hierzu auch In re Union Carbide Corporation Gas Plant Disaster at Bhopal, India, 634 F. Supp. 842 (S.D.N.Y. 1986), ATCA-Klage der indischen Regierung in Reaktion auf den Unfall in einer Chemiefabrik in Bhopal, Indien, sowie Brown v. Board of Education, 347 U.S. 483 (1954). 21 So z. B. Art. 2 Abs. 1 des Internationalen Pakts über Politische und Bürgerliche Rechte (IPBPR), BGBl. 1973 II, 1534: Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten, und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen . . . zu gewährleisten. 22 So z. B. Art. V der Genozidkonvention, BGBl. 1954 II, 729: Die Vertragschließenden Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Verfassungen die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung der Bestimmungen dieser Konvention sicherzustellen und insbesondere 20
2. Kap.: Die gesetzlichen Pfeiler
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wird zusätzlich die zivilrechtliche Kompensation der Opfer verlangt.23 Über die HRL können diese völkervertraglichen Pflichten zumindest teilweise erfüllt werden. Die Opfer von Menschenrechtsverletzungen können entschädigt werden. In begrenztem Umfang findet auch eine Bestrafung der Täter statt. Auch wenn die USA sich hinsichtlich der Erfüllung ihrer völkervertraglichen Verpflichtungen zum Teil auf die HRL berufen,24 ist zu betonen, dass die HRL nicht auf die Erfüllung derartiger Verpflichtung ausgerichtet ist. Es handelt sich hierbei lediglich um den Nebeneffekt eines Systems, welches sich autonom dem Schutz der Menschenrechte verschrieben hat.
2. Kapitel
Die gesetzlichen Pfeiler der Human Rights Litigation Die HRL beruht im Wesentlichen auf drei bundesgesetzlichen Grundlagen: dem Alien Tort Claims Act25 (ATCA26), dem Torture Victim Protection Act (TVPA)27 und dem Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA)28. Diese drei Gesetze sind ihrer Natur nach unterschiedlich. Der ATCA weist den Bundesgerichten die Zuständigkeit über den Streitgegenstand zu. Er enthält keine Anspruchsgrundlage. Der TVPA hingegen begründet eine Anspruchsgrundlage, enthält jedoch keine Zuständigkeitsnorm. Die Zuständigkeit der Bundesgerichte wird über die general federal question jurisdiction begründet.29 Nach ihr sind die Bundesgerichte für Klagen zuständig, die auf einer bundesrechtlichen Anspruchsgrundlage, wie zum Beispiel dem TVPA, beruhen. Der FSIA schließlich ist die exklusive Sondervorschrift für Klagen gegen ausländische Staaten. Er regelt die Immuniwirksame Strafen für Personen vorzusehen, die sich des Völkermords oder einer sonstigen in Artikel III aufgeführten Handlung schuldig machen. 23 Siehe Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Folterkonvention, BGBl. 1990 II, 246: Jeder Vertragsstaat stellt in seiner Rechtsordnung sicher, dass das Opfer einer Folterhandlung Wiedergutmachung erhält und ein einklagbares Recht auf gerechte und angemessene Entschädigung einschließlich der Mittel für eine möglichst vollständige Rehabilitation hat. 24 Siehe z. B. den Bericht der USA zu Art. 40 IPBPR, U.N. Doc. E/CN.4/1996/ 29/Add. 2, Rn. 13–18, 28 U.S.C. 25 § 1350 (1988). Zum Teil wird das Gesetz auch als Alien Tort Claim Act, Alien Tort Act und Alien Tort Statute bezeichnet. 26 Zum Teil findet sich auch die Abkürzung ATS, so insbesondere im Urteil des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). Sie beruht auf der Bezeichnung des Gesetzes als Alien Tort Statute. 27 Pub. L. No. 102–256, kodifiziert als Anmerkung zu 28 U.S.C. § 1350. 28 28 U.S.C. §§ 1602 ff. 29 28 U.S.C. § 1331.
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
tät des ausländischen Staates und begründet die Zuständigkeit der Bundesgerichte, enthält jedoch (abgesehen von einer Sonderbestimmung für den Bereich terroristischen Handelns) keine Anspruchsgrundlage. Neben dem Weg über ATCA, TVPA und FSIA wird vereinzelt versucht, eine bundesgerichtliche Zuständigkeit über die soeben erwähnte general federal question jurisdiction in Verbindung mit Völkerrecht zu begründen. Hierbei wird eine Norm des Völkerrechts als die für eine Zuständigkeitsbegründung erforderliche bundesrechtliche Anspruchsgrundlage angeführt. Nachfolgend werden ATCA, TVPA und FSIA sowie die Möglichkeit eines Rückgriffs auf die allgemeine general federal question jurisdiction dargestellt.
I. Der Alien Tort Claims Act (ATCA) Der ATCA ist das Kernstück der HRL. Er stammt aus dem Jahr 1789 und ist in Kapitel 28 Section 1350 (nachfolgend § 1350) des United States Code30 kodifiziert. Es heißt dort: „The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“
Dies lässt sich grob damit übersetzen, dass die Bezirksgerichte (district courts)31 für zivilrechtliche Klagen zuständig sind, in denen ein Ausländer eine Verletzung des Völkergewohnheitsrechts (law of nations) oder des Völkervertragsrechts geltend macht.
30 Bei dem United States Code handelt es sich um eine umfassende, thematisch geordnete Kompilation des US-amerikanischen Gesetzesrechts. Der Code ist in 50 Titel aufgeteilt. Titel 28 des Code trägt die Überschrift: Judiciary and Judicial Proceedings. Er enthält also Gesetze zur Gerichtsbarkeit und zum Verfahren vor Gericht. 31 Zum Begriff der Bezirksgerichte ist zu sagen, dass die US-amerikanische Gerichtsbarkeit zweigeteilt ist. Es gibt die Gerichtsbarkeit des Bundes und die Gerichtsbarkeit der Staaten. Bei den Bezirksgerichten handelt es sich um die erstinstanzlichen Gerichte der Gerichtsbarkeit des Bundes. Den Bezirksgerichten folgen als allgemeine Rechtsmittelinstanz die Courts of Appeal (Appellationsgerichte), wobei die Appellationsgerichtsbarkeit territorial in elf Bezirke (Circuits) aufgeteilt ist. Den Appellationsgerichten folgt als Revisionsinstanz der Supreme Court, Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, S. 2.
2. Kap.: Die gesetzlichen Pfeiler
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1. Geschichtliche Hintergründe des ATCA a) Gründe für den Erlass des ATCA Der ATCA ist das älteste und wichtigste der drei Gesetze, auf die sich die HRL stützt. Der Wortlaut des ATCA lässt viele Fragen ungeklärt. Soll der ATCA in zutreffender Weise in unsere Zeit übertragen werden, ist eine Analyse seiner historischen Ursprünge erforderlich. Der ATCA wurde seinerzeit als Teil des Federal Judiciary Act32 erlassen.33 Der Federal Judiciary Act war der erste Gesetzesentwurf, der in den 1787 gegründeten Kongress eingebracht wurde. Er beschäftigte sich mit der Gründung von Bundesgerichten und der Verleihung von Kompetenzen an diese.34 Er konkretisierte hierdurch Art. III Section 2 [1] der US-Verfassung35, der der Legislative just diese Funktion zuweist. Hinter dem Erlass des ATCA standen zuvörderst nationale Sicherheitsinteressen.36 Die USA waren nach der Loslösung von Großbritannien militärisch schwach. Zudem waren sie als demokratischer Staat ein Fremdkörper 32
1 Stat. 73, 77. Der ursprüngliche Wortlaut des ATCA wurde im Laufe der Zeit mehrfach verändert (zu Einzelheiten siehe Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, Fn. 1 (1989)). Diese Veränderungen sind für Inhalt und Tragweite des Gesetzes ohne Bedeutung, Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 468, Fn. 4 (1986). 34 Randall, Federal Jurisdiction over International Law Claims: Inquiries into the Alien Tort Statute, 18 N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 1, 3, Fn. 7 (1985); allgemein zum Judiciary Act: Warren, New Light on the History of the Federal Judiciary Act of 1789, 37 Harv. L. Rev. 49 (1923). 35 Es heißt dort: The judicial Power shall extend to all Cases, in Law and Equity, arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties made, or which shall be made, under their Authority; – to all Cases affecting Ambassadors, other public Ministers and Consuls; – to all Cases of admiralty and maritime Jurisdiction; – to Controversies to which the United States shall be a Party; – to Controversies between two or more States; – between a State and Citizens of another State; – between Citizens of different States; – between Citizens of the same State claiming Lands under Grants of different States, and between a State or the Citizens thereof, and foreign States, Citizens and Subjects. 36 Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467 (1986); D’Amato, The Alien Tort Statute and the Founding of the Constitution, 82 Am. J. Int’l L. 62 (1988). Siehe aber auch Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, 475 ff. (1989), die ausführt, die Beachtung und die Durchsetzung des Völkerrechts seien für die neue Nation Ausdruck eines nationalen Selbstverständnisses von Ehre und Tugendhaftigkeit und somit bereits ein Wert an sich gewesen. 33
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im damaligen, weitestgehend absolutistischen Weltgefüge.37 Sie waren deshalb auf das Wohlwollen der europäischen Mächte angewiesen. Internationale Konflikte sollten wenn möglich vermieden werden. Zur Zeit der Entstehung des ATCA war die schlechte Behandlung von Ausländern, insbesondere die Verweigerung angemessenen gerichtlichen Rechtsschutzes, einer der geläufigsten Vorwände für einen Krieg.38 Die jungen USA hatten insoweit durchaus Grund zur Sorge: Ausländer fanden in jener Zeit vor US-amerikanischen Gerichten ein feindliches Klima vor. Für Klagen von und gegen Ausländer waren die Gerichte der Staaten der USA39 zuständig. Deren Urteile zeichneten sich durch provinzielle Voreingenommenheit und außenpolitische Unsensibilität aus.40 Dies zeigte sich unter anderem im Zusammenhang mit den für internationales Aufsehen sorgenden Diplomaten-Affairen. Insbesondere der Fall Marbois gelangte zu großer Berühmtheit. Der französische Diplomat Marbois war von einem französischen Adeligen in den USA verletzt worden.41 Frankreich bedrängte daraufhin die US-Regierung, zum Schutze des Diplomaten tätig zu werden. Deren Mittel waren jedoch darauf beschränkt, eine Belohnung für das Ergreifen des Täters auszuloben und das zuständige Staatengericht zu einem Einschreiten aufzufordern. Die bis zur tatsächlichen Verurteilung durch den Pennsylvania Supreme Court verstrichene Zeit genügte, um die USA international negativ in die Schlagzeilen zu bringen.42 Durch den ATCA sollten derartige Vorkommnisse für die Zukunft vermieden werden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich die Bundesgerichte gegenüber den Staatengerichten durch ein Mehr an außenpolitischer Sensibilität auszeichnen würden und wies ihnen deshalb durch den ATCA jene Fälle zu, die er für außenpolitisch heikel erachtete, Fälle, in denen ausländische Kläger eine Verletzung internationalen Rechts geltend machten.43 Über die Zuweisung der entsprechenden Fälle an die 37 Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 128. 38 D’Amato, The Alien Tort Statute and the Founding of the Constitution, 82 Am. J. Int’l L. 62, 64 (1988). 39 Diese sind, wie bereits ausgeführt, zu unterscheiden von den Gerichten des Bundes, siehe oben Fn. 31. 40 Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, 465 (1989); Dodge, The Historical Origins of the Alien Tort Statute: A Response to the ‚Originalists‘, 19 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 221, 236 (1996). 41 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 14. 42 Vergleichbares wiederholte sich in der Van Berckel Affaire, in der ein niederländischer Botschafter verletzt wurde, Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 494 (1986). 43 Eine bundesgerichtliche Zuständigkeit für Fälle mit ausländischer Beteiligung wurde daneben durch die diversity jurisdiction geschaffen. Diese war in Section 11
2. Kap.: Die gesetzlichen Pfeiler
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Bundesgerichte sollte darüber hinaus eine gewisse Einheitlichkeit in der Rechtsprechung zu außenpolitisch relevanten Fragen (wie der Behandlung ausländischer Kläger oder der Anwendung des Völkerrechts) erzielt und so ein nach außen hin einheitliches Auftreten der Nation ermöglicht werden.44 Nationale Sicherheitsinteressen wurden durch den ATCA zugleich insoweit gewahrt, als man seinerzeit davon ausging, dass es die Pflicht des Staates sei, zu verhindern, dass eigene Staatsangehörige Völkerrechtsverletzungen begehen. Sollte es gleichwohl zu einer Verletzung kommen, oblag dem Staat die Pflicht, diese Verletzung zu ahnden.45 Abgeleitet wurde dieser Grundsatz in den USA aus den Schriften des englischen Juristen Blackstone46, der das US-amerikanische Völkerrechtsverständnis jener Zeit prägte.47 Blackstone schreibt in seinen Commentaries on the Laws of England Folgendes: „[O]ffences against the law of nations can rarely be the object of the criminal law of any particular state. For offences against this law are principally incident to whole states or nations; in which case recourse can only be had to war [. . .]. But where the individuals of any state violate this general law, it is then the interest as well as the duty of the des Federal Judiciary Act verankert und begründete eine bundesgerichtliche Zuständigkeit für Fälle, in denen sich Bürger verschiedener US-Staaten oder ein Bürger eines US-Staates und ein Bürger eines ausländischen Staates gegenüber standen. Der Streit zwischen zwei Ausländern war nicht erfasst. Die diversity jurisdiction bestand ferner nur für Fälle, deren Streitwert $ 500 überstieg. Es handelte sich hierbei um einen Betrag, der fast nie erreicht wurde (Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 497, Fn. 168 (1986)). Wegen des hohen Streitwerts und des Ausschlusses von Fällen mit rein ausländischer Beteiligung erfasste die diversity jurisdiction nur einen Bruchteil der außenpolitisch sensiblen Fälle. ATCA und diversity jurisdiction sind vor diesem Hintergrund als komplementäre Zuständigkeitsgrundlagen zu verstehen, die durch ihr Zusammenspiel gewährleisten sollten, dass außenpolitisch sensible Fälle möglichst umfassend dem Zuständigkeitsbereich der Bundesgerichte unterfielen (Casto, ebd., S. 496). Heute ist die diversity jurisdiction in 28 U.S.C. § 1332 kodifiziert. Der erforderliche Streitwert liegt mittlerweile bei $ 75.000. 44 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 887 (2d Cir. 1980); siehe auch Randall, Federal Jurisdiction over International Law Claims: Inquiries into the Alien Tort Statute, 18 N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 1, 19 f. (1985). 45 Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, 475 ff. (1989); Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 489 ff. (1986). 46 Blackstone (1723–1780) ist Verfasser der Commentaries on the Laws of England, eines vierbändigen Werks, das eine Darstellung des gesamten englischen Rechts enthält. Die Commentaries hatten bereits bei ihrem ersten Erscheinen großen Erfolg und werden seither in allen common law-Ländern als Standardwerk veröffentlicht, Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 234. 47 Janis, Individuals as Subjects of International Law, 17 Cornell Int’l L.J. 61 (1984).
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government, under which they live, to animadvert upon them with a becoming severity that the peace of the world may be maintained.“48 Diese Pflicht des Staates zur Ahndung der Völkerrechtsverletzungen eigener Staatsangehöriger sollte unter anderem durch den ATCA erfüllt werden. Dies ergibt sich aus der Vorgeschichte des Gesetzes. Der Kontinentalkongress49 hatte im Jahre 1781 eine Resolution erlassen, die die 13 Staaten Neu Englands „im Interesse der Sicherheit des Landes“ („public faith and safety requiring“) dazu aufforderte, eine schnelle und effektive Bestrafung von Verstößen gegen das Völkerrecht zu gewährleisten.50 Als Beispiele für individuelle Verstöße gegen das Völkerrecht nannte die Resolution die Verletzung von Geleitbriefen und diplomatischen Immunitäten. Zugleich wurde betont, es handle sich hierbei nur um die offensichtlichsten Verletzungshandlungen und dass die Staaten auch sonstige Völkerrechtsverletzungen ahnden sollten. Die Resolution schließt mit den Worten, „[t]hat it be farther recommended to authorise suits to be instituted for damages by the party injured [. . .] for damage sustained by them from an injury done to a foreign power or a foreign citizen.“ Diese Klausel wird als die unmittelbare Vorgängerin des ATCA angesehen. Man geht davon aus, dass durch den ATCA die Aufforderung aus der Resolution umgesetzt wurde und versteht den ATCA daher auch als Beitrag zur Erfüllung einer völkerrechtlichen Pflicht zur Ahndung individueller Verstöße gegen das Völkerrecht.51 Der ATCA erfüllt freilich in seiner heutigen Anwendungspraxis die ursprüngliche sicherheitspolitische Intention des Gesetzgebers nicht. Die Gerichte behandeln mehrheitlich Fälle, die keinen Bezug zu den USA haben. Zugleich sparen sie Klagen gegen US-amerikanische Beklagte systematisch aus.52 Die internationale Erwartungsenthaltung an die USA jedoch verläuft entgegengesetzt: Sie verlangt die Behandlung von Fällen gegen US-ame48
Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 56. Der Kontinentalkongress war der Vorgänger des späteren, 1787 in der Verfassung begründeten Kongresses. Er setzte sich zusammen aus den Delegierten der 13 Staaten Neu Englands. 50 21 J. Cont. Cong. 1136 f. (1781); Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 490 f., 495, 499 (1986); die Resolution ist abgedruckt bei Dodge, The Historical Origins of the Alien Tort Statute: A Response to the ‚Originalists‘, 19 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 221 (1996), Anhang, S. 257 f. 51 Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, 475 ff. (1989); Casto, The Federal Courts’ Protective Jurisdiction over Torts Committed in Violation of the Law of Nations, 18 Conn. L. Rev. 467, 489 ff. (1986); Dodge, The Historical Origins of the Alien Tort Statute: A Response to the ‚Originalists‘, 19 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 221, 228 (1996). 52 Siehe unten Teil II, 1. Kapitel, II. 1. a). 49
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rikanische Beklagte und lehnt die Beurteilung von Fällen ohne Bezug zu den USA ab. Die heutige ATCA-Rechtsprechung ist deshalb nicht als Beitrag zur außenpolitischen Stabilität der USA einzuordnen. Sie ist ganz im Gegenteil geeignet, internationale Spannungen hervorzurufen und Ressentiments gegen die USA zu fördern.53 Die Gerichte setzen sich mit diesem Problem nicht auseinander. Stattdessen gehen sie auf Erwägungen der materiellen Gerechtigkeit und auf die Bedürfnisse des Menschenrechtsschutzes ein. Aufschlussreich ist insoweit die Erklärung des Appellationsgerichts für den 2. Circuit im Fall Filártiga: „In the modern age, humanitarian and practical considerations have combined to lead the nations of the world to recognize that respect for fundamental human rights is their individual and collective interest [. . .]. [G]iving effect to a jurisdictional provision enacted by our first Congress, is a small but important step in the fulfilment of the ageless dream to free all people from brutal violence.“54 Die hierin zu erblickende Abkehr vom ursprünglichen Zweck des ATCA ist indes nicht unbedingt als Fehlinterpretation zu werten. Sie kann ebenso als die zeitgemäße Anpassung eines alten Gesetzes an veränderte internationale Rahmenbedingungen verstanden werden. Mit dem Wandel der USA von der jungen, auf internationale Anerkennung bedachten Nation hin zur unumstritten Weltmacht wurden die Sicherheitserwägungen, die dem Erlass des ATCA zugrunde lagen, obsolet, und es entstand Raum für eine neue, an Vorstellungen von Moral und Gerechtigkeit orientierte Auslegung. b) Die anfängliche Bedeutungslosigkeit des ATCA Nach seinem Erlass im Jahre 1789 geriet der ATCA weitestgehend in Vergessenheit. Zwischen 1789 und 1980 gab es gerade einmal 21 Entscheidungen, die sich auf ihn beriefen.55 Nur zwei Klagen waren erfolgreich.56 Das spärliche Auftreten des ATCA wird gemeinhin auf einen Wandel des 53
Marshall, Re-Framing the Alien Tort Act After Kadic v. Karadzic, 21 N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 591, 615 (1996). Siehe auch die concurring opinion von Richter Bork in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 821 (D.C. Cir. 1984): „For a young weak nation, one anxious to avoid foreign entanglements and embroilment in Europe’s disputes, to undertake casually and without debate to regulate the conduct of other nations and individuals abroad, conduct without an effect upon the interests of the United States, would be a piece of breathtaking folly – so breathtaking as to render incredible any reading of the statute that produces such results.“ 54 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2d Cir. 1980). 55 Randall, Federal Jurisdiction over International Law Claims: Inquiries into the Alien Tort Claims Statute, 18 N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 1, 15 ff. (1985). 56 Bolchos v. Darrell, 3 F. Cas. 810 (D.S.C. 1795); Adra v. Clift, 195 F. Supp. 857 (D. Md. 1961).
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US-amerikanischen Völkerrechtsverständnisses im 19. Jahrhundert zurückgeführt. Dieser Wandel vollzog sich im Rahmen der Diskussion um den Geltungsbereich des law of nations. Blackstone definierte das law of nations zur Zeit des Erlasses des ATCA als ein universelles, überall geltendes Recht, dessen Quellen im Naturrecht und der Praxis der Staaten liegen.57 Dieses law of nations wandte sich an Staaten und Individuen gleichermaßen. Es regelte Beziehungen zwischen Individuen, zwischen Individuen und Staaten und zwischen Staaten.58 Eine Unterscheidung in private und öffentliche Rechte gab es nicht.59 In einem berühmten Zitat schreibt Blackstone: „The law of nations is a system of rules, deducible by natural reason, and established by universal consent among the civilized inhabitants of the world; in order to decide all disputes, to regulate all ceremonies and civilities, and to insure the observance of justice and good faith, in that intercourse which must frequently occur between two or more independent states, and the individuals belonging to each“.60 Inhaltlich erfasste das law of nations im Wesentlichen drei Bereiche: das internationale Handelsrecht (law of merchants), das Seehandelsrecht (law maritime) und einen weitestgehend amorphen Bereich, den Dickinson als das „law of states“ bezeichnet.61 Das internationale Handelsrecht und das Seehandelsrecht regelten privatwirtschaftliche Rechtsfragen mit transnationalem Charakter. Das „law of states“ befasste sich primär mit den Beziehungen zwischen Staaten (regelte also den Bereich, der heute dem Völkerrecht zugeordnet wird62), wandte sich zum Teil aber auch an das Individuum.63 Bezüge zum Individuum ergaben sich insofern, als das „law of states“ bestimmte Straftatbestände und Delikte beinhaltete, die individuell begehbar waren.64 Es waren dies gemäß Blackstone Piraterie, Angriffe auf ausländische Diplomaten, Missachtung von Geleitbriefen und Sklavenhandel.65 57
Janis, Individuals as Subjects of International Law, Cornell Int’l L.J. 61, 62 (1984). 58 Dickinson, The Law of Nations as Part of the National Law of the United States, 101 U. Penn. L. Rev. 26, 27 (1952). Insoweit als das law of nations naturrechtlich fundiert war und verschiedenartige Rechtsgebiete und Rechtsbeziehungen regelte, ähnelte es dem ius gentium der Römer, siehe zu diesem oben 1. Kapitel, II. Vgl. insoweit auch Dickinson, ebd., S. 29. 59 Dickinson, ebd., S. 27. 60 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 55. 61 Dickinson, The Law of Nations as Part of the National Law of the United States, 101 U. Penn. L. Rev. 26, 27 (1952). 62 Ebd., S. 29. 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Blackstone, Commentaries on the Laws of England, S. 56 f.; Dickinson, The Law of Nations as Part of the National Law of the United States, 101 U. Penn. L.
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Seinem Wortlaut nach bezieht sich der ATCA auf das gesamte law of nations. Die bereits dargestellte Vorgeschichte des ATCA, namentlich seine Entwicklung aus der Resolution des Kontinentalkongresses, deutet aber darauf hin, dass über ihn Verstöße von Individuen gegen das law of nations geahndet werden sollten.66 Aus der Vorgeschichte des ATCA ergibt sich ferner, dass der ATCA solche Delikte erfassen sollte, deren Begehung zugleich die Rechte bzw. Interessen ausländischer Staaten beeinträchtigen und so außenpolitische Spannungen hervorrufen würde. Diese zwischenstaatliche Relevanz individuell begehbarer Delikte sieht der Supreme Court unter Verweis auf Blackstone lediglich in drei Fällen gegeben, namentlich hinsichtlich von Piraterie, von Angriffen auf ausländische Diplomaten und der Missachtung von Geleitbriefen. Es sind dies die Delikte, die aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich vom ATCA erfasst sein sollten.67 Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den ATCA änderten sich im 19. Jahrhundert. Die naturrechtlich inspirierte Völkerrechtskonzeption Blackstones wurde durch einen positivistischen Ansatz ersetzt. Dem Völkerrecht gehörten nach dieser (noch heute vorherrschenden68) Ansicht nur noch jene Normen an, die von einem generellen Konsens der Staatengemeinschaft getragen waren. Dies bedeutet, dass insoweit als keine Übereinstimmung zwischen den Staaten bestand, keine Norm des Völkerrechts existierte und die Völkerrechtsubjekte in ihrem Handeln nicht durch das Völkerrecht gebunden waren.69 Der Ständige Internationale Gerichtshof beschreibt dieses Konzept in seiner Entscheidung im Fall Lotus. Er führt dort aus: „International law governs relations between independent States. The rules of law binding upon States therefore emanate from their own freed will as expressed in conventions or by usages generally accepted [. . .]. Restrictions upon the independence of States cannot therefore be presumed.“70 Eine Begleiterscheinung der Ableitung des Völkerrechts vom staatlichen Willen lag darin, dass das Recht fortan als objektive Realität verstanden wurde: Der Rev. 26, 29 (1952). Siehe z. B. United States v. Smith, 18 U.S. (5 Wheat.) 153 (1820) (Piraterie verletzt law of nations, Individuum ist verantwortlich) und Respublica v. DeLongchamps, 1 U.S. (1 Dall.) 111 (1784) (Anschlag auf französischen Generalkonsul verletzt law of nations, Individuum ist verantwortlich). 66 Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honor, 83 Am. J. Int’l L. 461, 475 ff. (1989). 67 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2756 (2004). 68 Simma/Paulus, The Responsibility of Individuals for Human Rights Abuses in Internal Conflicts: A Positivist View, 93 Am. J. Int’l L. 302, 316 (1999). 69 Ratner/Slaughter, Appraising The Methods of International Law: A Prospectus for Readers, 93 Am. J. Int’l L. 291, 293 (1999). 70 Permanent Court of International Justice Publications, Judgments, Series A, Vol. 2, Nos. 9–16, 1927–1928, No. 9, The case of the S.S. „Lotus“ (1927), S. 18.
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rechtlichen Analyse sollten existente, aus staatlichem Willen deduzierbare Normen und nicht extralegale Faktoren wie naturrechtliche, moralische, ideologische oder politische Erwägungen zugrunde gelegt werden.71 Hintergrund dieser Entwicklung war der Wunsch, die Regierungen, die in den Revolutionen des 18. Jahrhunderts geschaffen worden waren, zu stabilisieren.72 Die Naturrechtslehre wurde insoweit als Hindernis angesehen. Sie galt als die Waffe derjenigen, die mit dem gesetzten Recht unzufrieden waren, es im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem Naturrecht infrage stellen und seine Veränderung herbeiführen wollten.73 Man verneinte deshalb die Relevanz des Naturrechts und gestand den Individuen nur jene Rechte zu, die ihnen durch das gesetzte Recht zugesprochen wurden.74 Von Bedeutung für die Fortentwicklung der ATCA-Rechtsprechung war, dass sich mit dem Positivismus die Ansicht durchsetzte, dass nur die Staaten, nicht aber die Individuen Rechtssubjekte des Völkerrechts sind. Es ist nicht ganz klar, ob es sich hierbei um einen unabhängigen Ansatz des Positivismus handelt75 oder – und so die logischerer Variante – ob sich diese Überzeugung daraus ergab, dass in der Zeit der Entstehung des Positivismus ein staatlicher Konsens, der dem Individuum Völkerrechtssubjektivität zugestanden hätte, nicht bestand.76 In den USA wird der Ausschluss des Individuums vom Geltungsbereich des Völkerrechts an Jeremy Bentham geknüpft. Bentham veröffentlichte im Jahre 1789 die Introduction to the Principles of Morals and Legislation.77 In diesem Werk verwandte er zum ersten Mal den Begriff des international law, der im Englischen heutzutage dem deutschen Begriff des Völkerrechts entspricht. Er behauptete, der Begriff des international law sei besser geeignet, den bislang von Blackstone als law of nations umschriebenen Rechtsbereich zu bezeichnen. Was als bloße Umbenennung dargestellt wurde, war in Wirklichkeit eine inhaltliche Veränderung.78 Bentham stellte fest, dass sich das von ihm lediglich neu bezeichnete „internatio71 Simma/Paulus, The Responsibility of Individuals for Human Rights Abuses in Internal Conflicts: A Positivist View, 93 Am. J. Int’l L. 302, 304 (1999). 72 Crotty, Law of Nations in the District Courts: Federal Jurisdiction Over Tort Claims by Aliens Under 28 U.S.C. § 1350, 1 Boston College Int’l & Comp. L.R., 70, 77 (1977). 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Ratner/Slaughter, Appraising The Methods of International Law: A Prospectus for Readers, 93 Am. J. Int’l L. 291, 293 (1999). 76 Crotty, The Law of Nations in the District Courts: Federal Jurisdiction Over Tort Claims by Aliens Under 28 U.S.C. § 1350, 1 Boston College Int’l & Comp. L.R., 70, 77 (1977). 77 Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. 78 Janis, Jeremy Bentham and the Fashioning of ‚International Law‘, 78 Am. J. Int’l L. 405, 410 (1984).
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nale Recht“ ausschließlich mit den Rechten und Pflichten der Staaten befasse und schloss die Individuen vom Geltungsbereich des „internationalen Rechts“ aus: „Now as to any transactions which may take place between individuals who are subjects of different states, these are regulated by the internal laws, and decided upon by the internal tribunals, of the one or the other of these states: the case is the same where the sovereign of the one has any immediate transactions with a private member of the other: the sovereign reducing himself, pro re nata, to the condition of a private person [. . .]. There remain then the mutual transactions between sovereigns as such, for the subject of that branch of jurisprudence which may be properly and exclusively termed international.“79 Nach und nach setzte sich die Ansicht Benthams in den USA durch.80 Der Mensch wurde als bloßes Objekt des Völkerrechts verstanden. Man sprach ihm die Eigenschaft ab, Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein.81 Eine völkerrechtliche Norm bedurfte der Transformation durch den Staat, um Bedeutung für das Individuum zu entfalten. Das Individuum war somit nur über das Medium des Staates mit dem Völkerrecht verbunden (so genannte Mediatisierung des Individuums durch den Staat).82 Eine Handlung, durch die ein Individuum den Tatbestand einer völkerrechtlichen Norm erfüllte, stellte nicht eine Völkerrechtsverletzung des Individuums dar. Sie war vielmehr (vorbehaltlich der Zurechenbarkeit des individuellen Verhaltens an den Staat) eine Völkerrechtsverletzung seines Heimatstaates. Dem entsprechend griff das Völkerrecht nicht unmittelbar auf den individuellen Täter zu. Dieser stand vielmehr hinter der Barriere der staatlichen Souveränität, die das Völkerrecht nicht überwinden konnte, und war so vor einer eigenen völkerrechtlichen Verant79
Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 296. Crotty, Law of Nations in the District Courts: Federal Jurisdiction Over Tort Claims by Aliens Under 28 U.S.C. § 1350, 1 Boston College Int’l & Comp. L.R., 70, 78 (1977); Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 794 (D.C. Cir. 1984). Janis hingegen betont, dass die positivistische Theorie Benthams zu keinem Zeitpunkt die praktische Wirklichkeit der US-amerikanischen Rechtsprechung adäquat beschrieben habe (Janis, Individuals as Subjects of International Law, Cornell Int’l L.J. 61, 64 (1984)). Für das 19. Jahrhundert und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts liefert er aber nur einen Beispielsfall, in dem ein US-Gericht eine Entscheidung fällte, die sich mit einer positivistischen Völkerrechtskonzeption nicht vereinbaren lies. Es handelt sich um den Fall The Paquete Habana, in dem der Supreme Court (ohne Begründung im Hinblick auf die zugrunde liegende Völkerrechtstheorie) entschied, dass die klagenden kubanischen Fischer sich auf eine Norm des Prisenrechts berufen konnten (175 U.S. 677 (1900)). Es ist kaum möglich, allein auf Grundlage dieser einen Entscheidung zu schließen, dass sich die US-amerikanische Praxis nicht an der positivistischen Völkerrechtskonzeption orientiere. 81 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 2. Kapitel, § 7, Rn. 1. 82 Ebd. 80
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wortlichkeit geschützt. Lediglich im Bereich von Piraterie und Sklavenhandel wurde individuelles Handeln aus einem Bewusstsein der Tradition heraus nach wie vor als völkerrechtlich relevant angesehen.83 Auch die faktische Verletzung, die auf der anderen Seite, bei dem individuellen Opfer einer Völkerrechtsverletzung eintrat, war von Völkerrechts wegen nicht als eine Verletzung der Rechte des Opfers zu verstehen. Völkerrechtlich relevant war sie ausschließlich insofern, als sie als Verletzung der Rechte des Heimatstaates des Opfers angesehen werden konnte. Dies war nur dann der Fall, wenn die Staatsangehörigen eines anderen Staates verletzt wurden. Völkerrechtlich irrelevant hingegen war es, wenn ein Staat seine eigenen Staatsangehörigen verletzte.84 Dies bedeutet nicht, dass dem Einzelnen nicht bereits damals kraft seines Menschseins bestimmte Rechte zugestanden hätten. Die Idee von Menschenrechten, die jedem Menschen bereits von Natur aus zustehen, hatte sich bereits im 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung entwickelt. Sie wurde zum Gegenstand philosophischer Diskussion und zu einem politischen Konzept.85 Man ging jedoch davon aus, dass die Rechte des Einzelnen hinreichend innerhalb der souveränen Staaten garantiert seien und eine darüber hinausgehende universelle Schutzebene nicht erforderlich sei.86 Das Völkerrecht beschäftigte sich daher nicht mit den Rechten des einzelnen Menschen, sondern ausschließlich mit den Rechten und Pflichten souveräner Staaten im Verhältnis zueinander. Bezogen auf den ATCA war es für den Kläger folglich in der Regel schwer darzulegen, warum er berechtigt sein sollte, in einem Verfahren zwischen Individuen einen Verstoß gegen einen Rechtskörper geltend zu machen, der vornehmlich die Rechte und Pflichten souveräner Staaten behandelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserten sich die Rahmenbedingungen einer ATCA-Klage. Das Völkerrecht beschäftigte sich in zunehmendem Maße mit dem Individuum.87 Dies äußerte sich darin, dass die lange Zeit bestehende Beschränkung der individuellen völkerrechtlichen Verpflichtung auf den Bereich von Sklaverei und Piraterie überwunden wurde. Konfrontiert mit der Aufgabe, die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges zu bestrafen, begründeten die Siegermächte des Krieges das internationale Militärtribunal von Nürnberg.88 Die Zuständigkeit des Tribunals war gemäß Art. 6 seines Statutes für Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbre83
Vgl. Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 794 (D.C. Cir. 1984). Vgl. Ipsen (ders.), Völkerrecht, 11. Kapitel, § 50, Rn. 10 f.; Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 794 (D.C. Cir. 1984). 85 Preuss, The Force, Frailty, and Future of Human Rights Under Globalization, 1 Theoretical Inquiries L. 283, 295 (2000). 86 Ebd., S. 297 f. 87 Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 794 (D.C. Cir. 1984). 88 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 13. 84
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chen gegen die Menschlichkeit gegeben.89 Gestützt auf diese Kompetenz stellte das Tribunal klar, dass bestimmte völkerrechtliche Delikte, namentlich jene, die seiner Zuständigkeit unterlagen, auch durch das Individuum begangen werden können. Die Angeklagten wehrten sich mit dem Argument, sie hätten lediglich im Auftrag des Staates gehandelt. Der Staat und nicht sie selbst sei deshalb verantwortlich. Die Richter wandten hiergegen ein, dass völkerrechtliche Verbrechen durch Menschen und nicht durch abstrakte Einheiten begangen würden und dass nur durch die Bestrafung der Menschen, die diese Verbrechen begingen, das Völkerrecht durchgesetzt werden könne („Crimes against international law are committed by men, not by abstract entities, and only by punishing individuals who commit such crimes can the provisions of international law be enforced“).90 Es verwehrte den Tätern den Einwand, lediglich als Agenten ihres Staates gehandelt zu haben und durchbrach so die Barriere der staatlichen Souveränität, die die Individuen zuvor noch vor einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit geschützt hatte. Das Individuum wurde also wieder verstärkt durch das Völkerrecht unmittelbar verpflichtet. Die Völkerrechtskonzeption näherte sich derjenigen an, vor deren Hintergrund der ATCA erlassen worden war. Neben der zunehmenden völkerrechtlichen Verpflichtung des Individuums veränderte sich die völkerrechtliche Einstellung zum Schutz des Individuums. Die Gräuel des Zweiten Weltkrieges hatten gezeigt, dass die Rechte des Einzelnen innerhalb des souveränen Staates nicht hinreichend geschützt sind. Ein auf universeller Ebene angesiedelter Schutz wurde deshalb für erforderlich befunden.91 Auf der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1946 in San Francisco wurden die Menschenrechte als ein Belang von internationaler Bedeutung in der Charta der Vereinten Nationen (nachfolgend UN-Charta) verankert. In Art. 1 der UN-Charta heißt es, es sei das Ziel der Vereinten Nationen, „eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um [. . .] die Achtung von den Menschenrechten und die Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“. Ähnlich ist der Wortlaut von Art. 55 c) der UN-Charta, in dem es heißt, die Vereinten Nationen förderten „die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion“. In Art. 56 der Charta verpflichten sich die Mit89 Das Statut ist dem Londoner Abkommen über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achsenmächte als Anhang beigefügt. Das Abkommen ist abgedruckt in 39 Am. J. Int’l L. 257 (Suppl.) (1945). 90 Urteil des Nürnberger Kriegsverbrecher Tribunals vom 1.10.1946, abgedruckt in 41 Am. J. Int’l L. 172, 223 (1947). 91 Preuss, The Force, Frailty, and Future of Human Rights Under Globalization, 1 Theoretical Inquiries L. 283, 299 (2000).
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gliedstaaten zu der Verwirklichung der in Art. 55 dargelegten Ziele beizutragen. Diese noch relativ vagen Aussagen wurden im Jahr 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte92 zu einem Menschenrechtskatalog konkretisiert. Auch wenn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ein rechtlich unverbindliches Dokument war, wurde auf diesem Weg doch die internationale Relevanz der Menschenrechtsproblematik klargestellt. Die Beachtung oder Missachtung der Menschenrechte war fortan nicht mehr eine nationale Angelegenheit der Staaten. Der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte folgten rechtlich verbindliche internationale Menschenrechtspakte (von Bedeutung sind vor allem der IPBPR93 und der IPWSKR94), in denen sich die Staaten zur Beachtung bestimmter Menschenrechte völkerrechtlich verpflichteten. Nach wie vor blieb es aber bei der positivistischen Ausrichtung des Völkerrechts. Das Individuum war nur dann Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, wenn sich die Staatengemeinschaft hierauf einigte. Trotz der vermehrten völkerrechtlichen Thematisierung der Rechtsstellung des Menschen blieb es dabei, dass dem Einzelnen völkerrechtliche Rechte nicht zustanden. Die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach abgeschlossen wurden, verpflichteten lediglich die Staaten zu einem bestimmten Verhalten gegenüber den Menschen.95 Ein generelles korrelierendes völkerrechtliches Recht der Menschen auf ein staatliches Verhalten im Einklang mit den völkerrechtlich verbürgten Menschenrechtsgarantien wurde nicht begründet. Von einem völkerrechtlichen Recht, im Gegensatz zu einer bloßen völkerrechtlichen Begünstigung, kann erst die Rede sein, wenn die Durchsetzbarkeit des Rechts völkerrechtlich garantiert ist, wenn also dem Individuum die Möglichkeit eingeräumt wird, über ein völkerrechtliches Verfahren vom Staat ein bestimmtes Verhalten zu verlangen.96 Dies ist bislang nur in Teilbereichen der Fall. Wichtigstes Beispiel ist insoweit die regionale Lösung der EMRK97, die dem Individuum die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erlaubt.98 Es blieb folglich für das Individuum 92
U.N. G.A. Res. 217 [III]. BGBl. 1973 II, 1534. 94 BGBl. 1973 II, 1570. 95 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 11. Kapitel, Rn. 2 f. 96 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 2. Kapitel, § 7, Rn. 5 f., m. w. N. Dies ist im Einzelnen jedoch umstritten. Zunehmend wird vertreten, dass die Existenz eines Rechts und die Möglichkeit seiner prozessualen Durchsetzung zu unterscheiden seien, siehe insoweit insbesondere Randelzhofer, The Legal Position of the Individual Under Present International Law, in: Randelzhofer/Tomuschat (Hrsg.), State Responsibility and the Individual, S. 232. 97 BGBl. 1952 II, 685, 953; 1968 II, 1111, 1120; 1989 II, 546. 93
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problematisch darzulegen, warum es im Rahmen des ATCA berechtigt sein sollte, die jeweilige Verletzung des Völkerrechts geltend zu machen. Entsprechend wies zum Beispiel das Gericht im Fall Dreyfus v. Von Finck eine Berufung auf den ATCA mit der Begründung zurück, „[l]ike a general treaty, the law of nations has been held not to be self-executing so as to vest a plaintiff with individual legal rights.“99 Zusätzlich erschwert wurde eine Berufung auf den ATCA in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durch die generelle völkerrechtliche Zurückhaltung der US-amerikanischen Gerichte. Sie fühlten sich inkompetent, auf dem Gebiet des Völkerrechts Recht zu sprechen100 und benutzten jeden zur Verfügung stehenden Vorwand, um eine Anwendung des Völkerrechts zu umgehen. Möglichkeiten hierzu ergaben sich über die Theorie von den selfexecuting treaties101 sowie die political questions-102 und die act of stateDoktrin103. Erst im Laufe der 70er Jahre wurde diese richterliche Zurückhaltung nach und nach überwunden. Mit der fortschreitenden internationalen Verflechtung der Märkte sahen sich die US-amerikanischen Gerichte zunehmend verpflichtet, über privatrechtliche Fälle mit Bezug zum internationalen Recht zu entscheiden und sich dem Völkerrecht zu öffnen.104 98
Ipsen (Epping), Völkerrecht, 2. Kapitel, § 7, Rn. 8. Dreyfus v. Von Finck, 534 F.2d 24, 31 (2d Cir. 1976). Im Fall Adra v. Clift (195 F. Supp. 857 (D. Md. 1961)) hingegen, einem von zwei ATCA-Fällen, die in der Zeit zwischen 1789 und 1980 erfolgreich waren, umging das Gericht diese Problematik über eine ungewöhnliche Auslegung des ATCA. Ein libanesischer Diplomat hatte gegen seine irakische Ex-Ehefrau auf Herausgabe der gemeinsamen Tochter geklagt. Nach libanesischem Recht besaß er die elterliche Gewalt über die Tochter. Die Beklagte hatte die Tochter in ihren irakischen Pass aufnehmen lassen. Dies war ihr durch falsche Angaben zu deren Person gelungen. Mit dem so manipulierten Pass war die Beklagte in die USA eingereist. Das Gericht gab der Klage statt. Seine Zuständigkeit begründete es über den ATCA. Die erforderliche Völkerrechtsverletzung sah es in der Manipulation des Passes. Es erachtete das abstrakte Vorliegen eines Völkerrechtsverstoßes für hinreichend. Unerheblich war, ob dem Kläger aus diesem Verstoß ein Recht erwachsen konnte. Die Anspruchsgrundlage des Falles nämlich entnahm das Gericht, ohne eine irgendwie geartete Bezugnahme auf das Völkerrecht, dem gewöhnlichen nationalen Deliktsrecht. Dieses sah es durch die sorgerechtswidrige Vorenthaltung der Tochter verletzt. Der Ansatz des Gerichtes lässt sich indes nicht mit dem Wortlaut des ATCA in Einklang bringen. Dort ist die Rede von einem „tort in violation of the law of nations“, nicht jedoch von einem „tort and a violation of the law of nations“ [Kursivierungen hinzugefügt]. Die Rechtsprechung aus Adra v. Clift wurde denn auch von keinem Gericht aufgegriffen. 100 Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L. J. 2347, 2366 (1991). 101 Siehe unten 2. a) (1). 102 Siehe unten Teil II, 1. Kapitel, II. 1. a) (2). 103 Siehe unten Teil II, 1. Kapitel, I. 1. b). 104 Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L. J. 2347, 2366 (1991). 99
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c) Die Wiederentdeckung des ATCA im Fall Filártiga v. Peña-Irala Der Fall Filártiga v. Peña-Irala wird gemeinhin als Wendepunkt in der Geschichte des ATCA betrachtet. Mit ihm etablierte das Appellationsgericht für den 2. Circuit im Jahr 1980 eine Völkerrechtskonzeption, die dem ATCA einen weiten Anwendungsbereich eröffnete. Der aus Paraguay stammende Joelito Filártiga war von dem ebenfalls paraguayischen Polizisten Peña-Irala in Paraguay zu Tode gefoltert worden. Gerichtliche Verfahren der Familie des Verstorbenen in Paraguay waren erfolglos geblieben. Nachdem Peña-Irala sich in die USA abgesetzt hatte, verklagte ihn die Familie des Opfers unter Berufung auf den ATCA nunmehr dort. Die Kläger beriefen sich darauf, dass die von offizieller Hand ausgeführte Folter ein gegen Völkerrecht verstoßendes Delikt sei. Das zunächst mit dem Fall befasste Bezirksgericht befand sich für unzuständig und wies die Klage ab.105 In Anlehnung an frühere Urteile des ihm übergeordneten Appellationsgerichtes begründete es seine Entscheidung damit, dass das Völkerrecht lediglich zwischenstaatliche Beziehungen erfasse, nicht jedoch das Verhalten eines Staates gegenüber eigenen Staatsangehörigen.106 Eine Völkerrechtsverletzung, die seine Zuständigkeit begründen würde, liege folglich nicht vor. Das Appellationsgericht für den 2. Circuit folgte den Ausführungen des Bezirksgerichts nicht. Es erklärte sein bisheriges Völkerrechtsverständnis für obsolet und legte seiner Entscheidung ein neues Völkerrechtskonzept zugrunde. Dieses zeichnete sich im Wesentlichen durch vier Neuerungen aus: 1. Das Verhalten eines Staates gegenüber eigenen Staatsangehörigen könne nicht länger als völkerrechtlich neutrale innere Angelegenheit behandelt werden.107 Unter Berufung auf Art. 55 c) und Art. 56 der UN-Charta108 stellte das Gericht klar, dass die menschenrechtswidrige Behandlung eigener Staatsangehöriger heutzutage ein Belang von völkerrechtlicher Bedeutung sei. Im Hinblick auf das im Fall geltend gemachte Verbot der Folter erwähnte es zahlreiche internationale Dokumente, die die Folter verböten.109 Es betonte, dass die Dokumente nicht hinsichtlich der Be105
Filártiga v. Peña-Irala, No. 79 C 917 (E.D.N.Y. 1979). Das Bezirksgericht verwies auf die Entscheidungen des Appellationsgerichts in den Fällen Dreyfus v. von Finck, 534 F.2d 24, 31 (2d Cir. 1976) und ITT v. Vencap. Ltd., 519 F.2d 1001, 1015 (2d Cir. 1975). 107 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 884 f. (2d Cir. 1980). 108 BGBl. 1973 II, 431. 109 Angeführt werden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (U.N. GA Res. 217 [III]); die Resolution 3452 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Verbot der Folter (U.N. Doc. A/1034 (1975)); die Amerikanische Menschenrechtskonvention (OAS TS No. 36; Text in Brown/Harris (Hrsg.), Multina106
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handlung eigener und ausländischer Staatsangehöriger unterschieden. Es verwies ferner auf eine Erklärung des US-amerikanischen Außenministeriums, in der es heißt: „There now exists an international consensus that recognizes basic human rights and obligations owed by all governments to their citizens [. . .].“110 2. Aus den von ihm angeführten Quellen folgerte das Gericht, dass das Völkerrecht dem Einzelnen völkerrechtliche Rechte gegenüber seinem Heimatstaat (und somit erst recht gegenüber jedem anderen Staat) zugestehe („The treaties and accords cited above [. . .] all make it clear that international law confers fundamental rights upon all people vis-a-vis their own governments“).111 Es ging also davon aus, dass das Individuum durch das Völkerrecht unmittelbar berechtigt werde.112 3. Neben der unmittelbaren völkerrechtlichen Berechtigung des Opfers konstatierte das Gericht – ohne nähere Begründung – auch die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung des individuellen Täters. Das Gericht ging davon aus, dass das völkerrechtliche Folterverbot sich nicht nur an den Staat als solchen, sondern auch an den individuellen staatlichen Akteur wende. Dies bedeutete, dass nicht nur der Staat, sondern auch der individuelle staatliche Akteur gegen das völkerrechtliche Folterverbot verstoßen konnte.113
tional Treaties, S. 331, der IPBPR (BGBl. 1973 II, 1534) und die EMRK (BGBl. 1952 II, 685, 953; 1968 II, 1111, 1120; 1989 II, 546). 110 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 884 (2d Cir. 1980). 111 Ebd., S. 885 f. 112 Dieser Ansatz erscheint problematisch. Zwar ist es zutreffend, dass mit der vertraglichen Integration der Menschenrechte in den Funktionskatalog der Vereinten Nationen die Menschenrechte zu einem Belang von internationaler Relevanz erhoben wurden. Die Menschenrechtsverletzung, die ein Staat an eigenen Staatsangehörigen begeht, stellt nicht länger eine innere Angelegenheit dar. Hieraus wird auf internationaler Ebene derzeit jedoch mehrheitlich nicht der Schluss gezogen, dass das Individuum zum unmittelbaren Adressaten völkerrechtlicher Rechte geworden wäre. Nach wie vor spielt sich der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz im zwischenstaatlichen Verhältnis ab. Rechtsverletzungen eines Staats an eigenen Staatsangehörigen werden hierbei primär insoweit relevant, als sich ein Staat aufgrund völkerrechtlicher Verträge gegenüber anderen Staaten zu einer bestimmten Behandlung seiner Staatsangehörigen verpflichtet hat. Auch aus dem Völkergewohnheitsrecht ergibt sich nichts anderes. Zwar besteht mittlerweile auch eine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur menschenrechtsgemäßen Behandlung eigener Staatsangehöriger. Es handelt sich jedoch auch hierbei um eine Pflicht, die gegenüber anderen Staaten (nicht jedoch gegenüber dem eigenen Bürger) besteht, Ipsen (ders.), Völkerrecht, 11. Kapitel, § 50, Rn. 10 f. 113 Auch die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung des Individuums erscheint völkerrechtlich problematisch, näher hierzu unten Teil II, 3. Kapitel, II. 2.
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4. Schließlich stellte das Gericht klar, dass Menschenrechtsverletzungen, die so schwerwiegend sind, dass sie den Täter zum „hostis humani generis“,114 zum Feind der Menschheit machen, vor US-Gerichten auch dann verhandelt werden könnten, wenn die Tat keine Bezüge zum Forumstaat aufweise. Es wandte so das an sich strafrechtlich ausgerichtete völkerrechtliche Universalitätsprinzip115 auf den Bereich des Zivilrechts an.116 Indem es seine Zuständigkeit von jeder territorialen Begrenzung befreite, eröffnete es dem ATCA einen weltweiten Anwendungsbereich. Diese Neuerungen des Appellationsgerichts verbesserten die Rahmenbedingungen der ATCA-Klage. Die Gerichte verallgemeinerten im Folgenden die Ausführungen des Appellationsgerichts, die sich mehrheitlich auf den Tatbestand der Folter bezogen hatten, und machten sie zur generellen völkerrechtlichen Grundlage der ATCA-Rechtsprechung. Der ATCA erfasste fortan grundsätzlich sämtliche Menschenrechtsverletzungen. Egal war, wo auf der Welt diese vorgefallen waren (vgl. 4.), und ob sie durch einen Staat an eigenen oder an fremden Staatsangehörigen begangen worden waren (vgl. 1.). Da das neuerliche Völkerrechtskonzept ferner verstärkt Bezüge zum Individuum aufwies (vgl. 2. und 3.), verlor auch der bisherige Einwand, wonach zwischen Individuen eine Verletzung des Völkerrechts nicht geltend gemacht werden könne, zunehmend an Bedeutung. Die derart verbesserten Rahmenbedingungen der ATCA-Klage schlugen sich in der Folgezeit in einem sprunghaften Anstieg der ATCA-Fälle nieder. Während für die 191 Jahre (1789 bis 1980) bis zum Erlass der FilártigaEntscheidung gerade einmal 21 ATCA-Fälle berichtet werden, ergibt eine Westlaw117-Anfrage zu den Suchbegriffen Alien Tort Claims Act, Alien Tort Claim Act, Alien Tort Statute und 28 U.S.C. § 1350 für den Zeitraum von 1980 bis 1990 bereits 34 Ergebnisse, für den Zeitraum von 1991 bis Ende 2002 sind es 152.118 114
Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2d Cir. 1980). Das Universalitätsprinzip, auch Weltrechtsprinzip, stellt einen Grundsatz von mehreren dar, nach dem der Staat seinen hoheitlichen Strafanspruch ausgestaltet. Von den sonstigen Grundsätzen unterscheidet es sich insofern, als hier der Staat ein Vergehen auch dann ahnden kann, wenn es keinerlei Bezug zu seinem Hoheitsgebiet aufweist. Grundlage der Jurisdiktionsausübung ist hier die Verletzung eines international für schützenswert befundenen Rechtsgutes, Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 5 ff. 116 Auf die völkerrechtliche Zulässigkeit dieser Ausweitung des Universalitätsprinzips sei an anderem Ort näher eingegangen, siehe unten Teil II, 2. Kapitel, II. 4. 117 Bei Westlaw handelt es sich um eine der großen juristischen Datenbanken der USA. 118 Diese Ergebnisse können lediglich eine ungefähre Vorstellung von der Zahl der HRL-Fälle geben. So ist zu bedenken, dass ein derartiges Suchergebnis auch jene Fälle enthält, die lediglich auf den ATCA verweisen, ohne aber auf ihn gestützt 115
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2. Die heutige Auslegung des ATCA durch die Rechtsprechung a) Die rechtliche Natur des ATCA und das materielle Recht eines Falles Der ATCA hat seinem Wortlaut nach eine rein prozessuale Funktion: die Zuweisung der Zuständigkeit an die Bundesgerichte. Aussagen zum materiellen Recht werden nicht getroffen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob das materielle Recht eines Falles dem ATCA zu entnehmen oder anderweitig bereitzustellen ist. Zur völkergewohnheitsrechtlichen und zur völkervertraglichen Alternative des ATCA werden insoweit unterschiedliche Ansätze vertreten. (1) Die völkergewohnheitsrechtliche Alternative des ATCA In Filártiga vertrat das Appellationsgericht hinsichtlich der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative des ATCA die Ansicht, die Anspruchsgrundlage des Falles sei über eine gewöhnliche kollisionsrechtliche Analyse zu ermitteln.119 Andere Gerichte sprachen sich direkt für die Anwendung des Deliktsrechts der Staaten der USA aus.120 Diese Konzeption wurde in der Folgezeit aufgegeben. Die Gerichte meinten, dass die Anwendung staatlichen Rechts dem besonderen Charakter der über den ATCA thematisierten Verbrechen nicht gerecht werde.121 Es sollte deshalb das Völkerrecht die materiellrechtliche Grundlage des Falles sein.122 Die Durchführung dieses zu sein. Ebenso wird ein auf den ATCA gestützter Fall, zu dem mehrere Entscheidungen ergehen, mehrfach aufgeführt. Auf der anderen Seite wird nicht jeder Fall, der vor einem US-Gericht verhandelt wird, auch veröffentlicht. 119 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 889 (2d Cir. 1980). 120 So z. B. Richter Edwards in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 782 (D.C. Cir. 1984) und In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 503 (9th Cir. 1992). 121 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 183 (D. Mass. 1995): „[L]ooking to domestic tort law to provide the cause of action mutes the grave international law aspect of the tort, reducing it to no more (or less) than a garden-variety municipal tort.“ Vgl. auch bereits die Entscheidung des Bezirksgerichts in Filártiga v. PeñaIrala, nach der Rückverweisung durch das Appellationsgericht, 577 F. Supp. 860, 862 ff. (E.D.N.Y. 1984). 122 Als Grundlage für diese Ansicht wird fälschlicherweise oft die Entscheidung des Appellationsgerichts im Fall Filártiga angeführt, Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 889 (2d Cir. 1980), siehe z. B. Stephens, ‚The Door is Still Ajar‘ for Human Rights Litigation in U.S. Courts, 70 Brook. L. Rev. 533, 542 (2005). Verwiesen wird insoweit auf die Ausführung: „[W]e believe it is sufficient here to construe the Alien Tort Statute, not as granting new rights to aliens, but simply as opening the federal courts for adjudication of the rights already recognized by international
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
Ansatzes erwies sich indes als problematisch. Das Völkergewohnheitsrecht begründet lediglich Verhaltensgebote, das heißt Primärnormen. Vorschriften für deren Durchsetzung, das heißt Sekundärnormen, enthält es nicht. Es überlässt es vielmehr den Staaten, festzulegen, ob und inwiefern der völkerrechtlichen Primärnorm eine individuell einklagbare Anspruchsgrundlage korrespondiert.123 Die Gerichte überwanden dieses Dilemma, indem sie das materielle Recht eines Falles stückelten. Sie entnahmen die Primärnorm dem Völkerrecht und versahen diese über den ATCA mit dem Rahmen einer innerstaatlichen Anspruchsgrundlage. Sie maßen hierdurch dem ATCA in seiner völkergewohnheitsrechtlichen Alternative neben einer prozessualen Funktion als Zuständigkeitsgesetz eine materiellrechtliche Funktion bei. In der dogmatischen Konstruktion dieses Ansatzes vertraten die Gerichte zwei Positionen. Mehrheitlich leiteten sie eine Anspruchsgrundlage schlicht aus dem ATCA ab.124 Begründungen erfolgten regelmäßig nicht. Vereinzelt wurde versucht, diesen Ansatz über den Wortlaut des ATCA zu rechtfertigen. Die Anspruchsgrundlage sollte sich aus der Textpassage „committed in violation of the law of nations“ ergeben.125 Zumindest ein Gericht hingegen verstand den ATCA in der Tradition des Urteils des Supreme Court law“, ebd. S. 887. Diese Auslegung der Entscheidung des Appellationsgerichts geht jedoch fehl. Die zitierte Ausführung erging im Zusammenhang mit der Frage nach der Zuständigkeit der Bundesgerichte. Sie hat keine Bedeutung für das materielle Recht. Das Gericht betonte an späterer Stelle in seinem Urteil, dass es nur über die Zuständigkeit entscheide und das anwendbare Recht seitens des Bezirksgerichts über eine kollisionsrechtliche Analyse festzulegen sei. Es führt aus: „[T]he district court may well decide that fairness requires it to apply Praguayan law to the instant case [. . .]. Such a decision would not retroactively oust the federal court of subject matter jurisdiction, even though plaintiff’s cause of action would no longer properly be ‚created‘ by a law of the United States“. Hieraus ergibt sich, dass sich die Aufforderung zur kollisionsrechtlichen Analyse auf die Anspruchsgrundlage (cause of action) des Falles bezieht, und letztere sich auch aus dem Recht Paraguays ergeben kann. Das Bezirksgericht, an das der Fall zurückverwiesen wurde, folgte den Vorgaben des Appellationsgerichts jedoch nur zum Teil. Es entschied, dass die Anspruchsgrundlage des Falles dem Völkerrecht zu entnehmen sei. Eine kollisionsrechtliche Analyse erfolgte nur hinsichtlich der Rechtsschutzziele (Filártiga v. Peña-Irala, 577 F. Supp. 860, 862 ff. (E.D.N.Y. 1984)). 123 Henkin, Foreign Affairs and the Constitution, S. 224; Richter Edwards in TelOren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 777, Fn. 2 (D.C. Cir. 1984). 124 In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467, 1475 (9th Cir. 1994): „We thus join the Second Circuit in concluding that the [ATCA] creates a cause of action [. . .].“ 125 Siehe z. B. Handel v. Artukovic, 601 F. Supp. 1421, 1427 (C.D. Cal. 1985): „[T]he ‚violation‘ language of section 1350 may be interpreted as explicitly granting a cause of action [. . .]“; Paul v. Avril, 812 F. Supp. 207, 212 (S.D. Fla. 1993): „The plain language of the statute and the use of the words ‚committed in violation‘ strongly implies that a well pled tort if committed in violation of the law of nations, would be sufficient [to give rise to a cause of action].“
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im Fall Lincoln Mills126.127 Nach diesem Urteil, kann ein Zuständigkeitsgesetz, ein Gericht implizit zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen ermächtigen, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Von letzterem ging das Gericht aus. Im Fall Sosa v. Alvarez-Machain128 reformierte der Supreme Court den Ansatz der Gerichte. Es handelt sich um die erste Entscheidung, in der der Supreme Court umfassend zur Dogmatik des ATCA Stellung nimmt. Eine frühere Entscheidung des Supreme Court betreffend den ATCA behandelte allein dessen Verhältnis zum FSIA.129 Hintergrund des Falles Sosa v. Alvarez-Machain war, dass der Mexikaner Alvarez-Machain 1990 von den USA wegen Folter und Mordes strafrechtlich verfolgt wurde. Es erging ein USamerikanischer Haftbefehl gegen Alvarez, der sich in jener Zeit in Mexiko aufhielt. Die mexikanischen Behörden verweigerten jedoch die Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Verfolgungsbehörde. Letztere beauftragte daraufhin eine Gruppe Mexikaner mit der Entführung von Alvarez. Diese entführte Alvarez und hielt ihn über Nacht in einem Motel fest. Am nächsten Tag brachten die Entführer Alvarez nach Texas, wo Bundesbeamte ihn offiziell festnahmen. Alvarez klagte im Folgenden gegen die USA, die zuständige US-Behörde und Sosa, einen der Mexikaner, die die Entführung vorgenommen hatten. Für Belange der vorliegenden Untersuchung interessiert die Klage gegen den Mexikaner Sosa, da sich Alvarez insoweit auf den ATCA stützte. Als Völkerrechtsverletzung machte er das Delikt des „arbitrary arrest“, der willkürlichen Festnahme, geltend. Der Supreme Court kommt in seinen dogmatischen Ausführungen zu dem Schluss, dass der ATCA lediglich eine prozessuale Funktion habe.130 Eine materiellrechtliche Funktion, wie sie in der Vergangenheit von den Gerichten angenommen wurde, soll ihm nicht zukommen. Der Supreme Court begründet dies mit dem Wortlaut und der systematischen Stellung des ATCA. Der Wortlaut des ATCA erwähne lediglich die „jurisdiction“, die Zuständigkeit also. Eine Anspruchsgrundlage sei weder erwähnt noch angedeutet.131 Daneben spreche die systematische Stellung des ATCA im Norm126
Textile Workers Union v. Lincoln Mills, 353 U.S. 448 (1957). Abebe-Jira v. Negewo, 72 F. 3d 844, 848 (11th Cir. 1996): „[T]he Alien Tort Claims Act establishes a federal forum where courts may fashion domestic common law remedies to give effect to violations of customary international law [. . .]. Congress, of course, may enact a statute that confers on the federal courts jurisdiction over a particular class of cases while delegating to the courts the task of fashioning remedies that give effect to the federal policies underlying the statute. See e. g. Textile Workers of America v. Lincoln Mills [. . .].“ 128 124 S.Ct. 2739 (2004). 129 Argentine Republic v. Amerada Hess, 488 U.S. 428 (1988). 130 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2755 (2004). 127
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gefüge der USA für dessen rein prozessuale Funktion. Der ATCA sei als Teil des Judiciary Act ergangen. Dieser beschäftige sich mit rein prozessualen Fragen.132 Dem entspreche es, dass auch der ATCA sich nur mit Zuständigkeitsfragen befasse. Als Gesetz mit zugleich materiellrechtlicher Funktion wäre er im Normgefüge des Judiciary Act ein Fremdköper.133 Der Supreme Court bewegt sich mit dieser Einsicht in der Tradition von HRL-Kritikern, die bereits bisher den ATCA als rein prozessuales Gesetz verstanden.134 Sie folgerten hieraus, dass sich das materielle Recht einer ATCA-Klage nur aus der richterrechtlichen Schaffung völkergewohnheitsrechtlich basierter Anspruchsgrundlagen ergeben könne. Ein derartiges Vorgehen bedürfe jedoch einer legislativen Ermächtigung. Eine solche liege bislang indes nur in Teilbereichen vor.135 Außerhalb dieser Teilbereiche sei der ATCA vorbehaltlich der legislativen Schaffung korrespondierender Anspruchsgrundlagen bzw. der legislativen Autorisierung entsprechender bundesrichterlicher Rechtschaffung eine bedeutungslose prozessuale Hülle.136 Diesen Schluss zieht der Supreme Court indes nicht. Er verwehrt sich dagegen, dass das materielle Recht eines Falles nur durch den Gesetzgeber bzw. vermittelt über eine legislative Autorisierung durch die Gerichte geschaffen werden könne. Das materielle Recht eines Falles könne vielmehr 131
Ebd. Zum Judiciary Act siehe oben 1. a). 133 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2755 (2004). 134 Bradley/Goldsmith, The Current Illegitimacy of International Human Rights Litigation, 66 Fordham L. Rev. 319, 356 ff. (1997). Vgl. auch Richter Bork in TelOren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774 (D.C. Cir. 1984): „The lack of clarity [. . .] together with the political context [. . .] lead to the conclusion that appellants’ case is not the sort that is appropriate for federal-court adjudication, at least not without an express grant of a cause of action“ (S. 808). „A different question might be presented if section 1350 had been adopted by a modern Congress that made clear its desire that federal courts police the behaviour of foreign individuals and governments. But section 1350 does not embody a legislative judgment that is either current or clear and the statute must be read with that in mind“ (S. 813). 135 Eine partielle Autorisierung erkennen Bradley und Goldsmith (ebd., S. 363), die ihr Autorisationserfordernis wesentlich auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern stützen (näher hierzu unten Teil II, 1. Kapitel, III.), im Erlass des TVPA. Indem der Gesetzgeber in diesem bundesrechtliche Anspruchsgrundlagen für die Delikte der Folter und der außergerichtlichen Tötung schaffe, autorisiere er im Bereich dieser beiden Delikte, dass Völkergewohnheitsrecht als Bundesrecht, und nicht als Recht der Staaten in den nationalen Rechtsraum inkorporiert werde. Vgl. auch Pryor, Does the Torture Victim Protection Act Signal the Imminent Demise of the Alien Tort Claims Act?, 29 Va. J. Int’l L. 969, 1022 ff. (1989). Einen ähnlichen Ansatz vertreten die Richter Scalia, Rehnquist und Thomas in ihrer concurring opinion zu Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2769 ff. (2004). 136 Vgl. die Stellungnahme Sosas in Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2755 (2004). 132
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von den Richtern ohne spezifische legislative Autorisierung dem Richterrecht des Bundes „entnommen“137 werden. Der Kongress nämlich sei bei Erlass des ATCA davon ausgegangen, dass sich das materielle Recht eines ATCA-Falles aus dem Richterrecht des Bundes ergeben würde.138 Die parallele Schaffung einer korrespondierenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage wäre vor diesem Hintergrund überflüssig gewesen. Der Supreme Court begründet seinen Ansatz mit der frühen Rezeptionsgeschichte des ATCA. Er beruft sich insoweit darauf, dass Entscheidungen der Bundesgerichte aus der Zeit unmittelbar nach Erlass des ATCA im Jahr 1789 den ATCA anwendeten, ohne sich mit dem Erfordernis einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage zu befassen.139 Zur Begründung seines Ansatzes rekurriert der Supreme Court ferner auf die historischen Hintergründe für den Erlass des ATCA. Er führt insoweit die außenpolitische Notsituation an, vor deren Hintergrund der ATCA erging.140 Diese spreche dagegen, dass der ATCA rein vorsorglich verabschiedet worden sei, lediglich als Grundlage für eine mögliche spätere Aktivierung durch ein materielles Gesetz des Kongresses.141 Will man den Ansatz des Supreme Court, die Entnahme einer Anspruchsgrundlage aus dem Richterrecht, dogmatisch einordnen, scheint sich dieser auf den ersten Blick in der Tradition des bisherigen Lincoln Mills-Ansatzes zu bewegen. Dieser erste Schluss hält jedoch einer genaueren Überprüfung nicht stand. Zwar wird in beiden Fällen die Anspruchsgrundlage des Falles dem Richterrecht entnommen. Der Lincoln Mills-Ansatz jedoch geht davon aus, dass der ATCA die Gerichte implizit ermächtige, Anspruchsgrundlagen für den ATCA zu schaffen. Dem Ansatz des Supreme Court hingegen liegt die Idee einer ermächtigungsunabhängigen Schaffung materiellen Rechts zugrunde. Die Bedeutung der Unterscheidung in die „implizite Ermächtigung“ zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen und die bloße legislative „Zugrundele137 Unter „Entnahme“ ist hierbei die Anwendung existenten Richterrechts sowie dessen Fortentwicklung zu verstehen. 138 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2761 (2004): „The jurisdictional grant is best read as having been enacted on the understanding that the common law would provide a cause of action for the modest number of international law violations with a potential for personal liability at the time. We think it is correct, then, to assume that the First Congress understood that the district courts would recognize private causes of action for certain torts in violation of the law of nations, though we have found no basis to suspect Congress had any examples in mind beyond those torts corresponding to Blackstone’s three primary offenses: violation of safe conducts, infringement of the rights of ambassadors, and piracy.“ 139 Ebd., S. 2759. 140 Siehe oben 1. a). 141 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2758 (2004).
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gung“ eines entsprechenden Verhaltens der Richterschaft erschließt sich vor dem Hintergrund der Entwicklung des US-amerikanischen Verständnisses vom Richterrecht. Zur Zeit des Erlasses des ATCA existierte das Richterrecht als so genanntes general common law.142 Man ging davon aus, dass es einen präexistenten Rechtskörper darstellt, eine so genannte „omnipresence in the sky“, die von den Richtern lediglich entdeckt zu werden brauchte.143 Einen rechtschaffenden Akt sah man in diesem Vorgang nicht involviert. Entsprechend hielt man eine legislative Autorisierung der richterlichen Tätigkeit für entbehrlich.144 Der so entstehende Rechtskörper war weder Bundesrecht noch Staatenrecht.145 Es schwebte undefiniert zwischen den Polen des föderalen Kompetenzmodells. Das general common law missfiel insbesondere den Staaten der USA. Da die richterliche Rechtsetzung eine legislative Ermächtigung nicht benötigte, besaßen die Bundesgerichte die Möglichkeit, auch in solchen Bereichen Recht zu setzen, die an sich der Zuständigkeit der Staaten unterfielen. Erst im Laufe der Zeit wich das naturrechtliche Rechtsverständnis einem mehr und mehr positivistischen Ansatz. Es setzte sich die Einsicht durch, dass die Richterschaft auch im Bereich des common law rechtschaffende Funktionen ausübe.146 In Erie Railroad v. Tompkins verabschiedete sich der Supreme Court dann endgültig von einem transzendentalen Verständnis des Richterrechts und erklärte, dass ein general common law nicht existiere.147 Aufbauend auf Erie Railroad unterschied man fortan das Richterrecht des Bundes und jenes der Staaten. Während die Gerichte der Staaten generell zur Schaffung von Richterrecht befugt sein sollten, existierte eine entsprechende Befugnis für die Bundesgerichte nur noch vorbehaltlich einer diesbezüglichen legislativen Ermächtigung.148 Vor diesem Hintergrund erklärt sich der bereits dargestellte Ansatz der HRL-Kritiker, wonach Bundesrichterrecht im Rahmen 142 Bradley/Goldsmith, Customary International Law as Federal Common Law: A Critique of the Modern Position, 110 Harv. L.R. 815, 823 (1997). 143 Stephens, The Law of Our Land: Customary International Law as Federal Law After Erie, 66 Fordham L. Rev. 393, 434 (1997). 144 Bradley/Goldsmith, Customary International Law as Federal Common Law: A Critique of the Modern Position, 110 Harv. L.R. 815, 823 (1997). 145 Bradley/Goldsmith, ebd., S. 824. Der Bund und die Staaten konnten jeweils ihr eigenes general common law schaffen. Da das general common law weder Bundesrecht noch Staatenrecht war, war das general common law des Bundes nicht gegenüber dem der Staaten höherrangig. Beide existierten nebeneinander. Das heutige federal common law hingegen ist Bundesrecht und ist gegenüber Staatenrecht höherrangig. 146 Ebd., S. 852. 147 Erie Railroad v. Tompkins, 304 U.S. 64, 78 (1938). 148 Milwaukee v. Illinois, 451 U.S. 304, 312 (1981); Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2771 (2004) (Scalia, Rehnquist und Thomas concurring).
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der ATCA-Rechtsprechung nicht ohne eine entsprechende legislative Ermächtigung geschaffen werden dürfe.149 Fraglich ist, wie das seitens des Supreme Court nun in Sosa v. AlverezMachain vertretene Konzept der autorisationslosen Schaffung von Bundesrichterrecht mit diesem Grundsatz vereinbar ist. Der Supreme Court führt insoweit aus, der Wandel im Verständnis vom Richterrecht sei für die dogmatische Konstruktion des ATCA unerheblich. Er könne nicht die Kompetenzen, welche der Richterschaft im Rahmen des ATCA traditionell zukamen, beschneiden: „We think it would be unreasonable to assume that the First Congress would have expected federal courts to lose all capacity to recognize enforceable international norms simply because the common law might lose some metaphysical cachet on the road to modern realism.“150 Eine entsprechende Beschneidung könne nur durch den Kongress erfolgen.151 Dieser aber habe den ATCA trotz der zwischenzeitlichen Veränderungen in der Konzeption des Richterrechts unverändert belassen. Er habe auch kein Gesetz verabschiedet, welches die grundsätzlichen richterrechtlichen Befugnisse der Gerichte beschränke.152 Er habe noch nicht einmal seine fehlende Übereinstimmung mit der derzeitigen gerichtlichen Praxis zum Ausdruck gebracht.153 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der ATCA in seiner völkergewohnheitsrechtlichen Alternative lediglich über eine prozessuale Funktion ver149
Siehe bereits oben Text zu Fn. 134 ff. Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2765 (2004) 151 Vgl. ebd., S. 2765: „[N]othing Congress has done is a reason for us to shut the door to the law of nations entirely. It is enough to say that Congress may do that at any time (explicitly, or implicitly by treaties or statutes that occupy the field) just as it may modify or cancel any judicial decision so far as it rests on recognizing an international norm as such.“ Grundlage dieser Argumentation ist wohl die Normenhierarchie des US-Rechts. Dort ist das Richterrecht unterhalb des Gesetzesrechts angesiedelt, Clark, The Sources of Law, in: Clark/Ansay (Hrsg.), Introduction to the Law of the United States, 35, 37. Das Richterrecht kann folglich Kompetenzen, die durch die Legislative gewährt wurden, nicht zurücknehmen. 152 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2761 (2004): „[N]o development in the two centuries from the enactment of § 1350 to the birth of the modern line of cases beginning with Filártiga v. Pena-Irala [sic] [. . .], has categorically precluded federal courts from recognizing a claim under the law of nations as an element of common law; Congress has not in any relevant way amended § 1350 or limited civil common law power by another statute.“ 153 Diesem Argument liegt wohl die Erwägung zugrunde, der moderne Gesetzgeber habe die Befugnis zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen im Rahmen des ATCA durch sein Untätigbleiben implizit an die Gerichte delegiert. Es handelt sich hierbei um ein Argumentationsmodell, welches in den USA generell zur Rechtfertigung richterlicher Normsetzung verwendet wird, siehe unten, Teil II, 1. Kapitel, II. 2. 150
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
fügt. Eine materiellrechtliche Funktion kommt ihm nicht zu. Ihm ist insbesondere keine Anspruchsgrundlage zu entnehmen. Letztere wird im konkreten Fall seitens der Richter dem Richterrecht entnommen. (2) Die völkervertragliche Alternative des ATCA Im Hinblick auf die völkervertragliche Alternative des ATCA ist die Situation eine andere. Die Mehrheit der Gerichte lehnte es insoweit bislang ab, dem ATCA selbst eine Anspruchsgrundlage zu entnehmen bzw. ein solche über das Richterrecht zu ergänzen.154 Die Gerichte stellten darauf ab, dass das Völkervertragsrecht – anders als das Völkergewohnheitsrecht – grundsätzlich Anspruchsgrundlagen enthalten könne.155 Eine Anspruchsgrundlage sollte daher im Rahmen der ATCA-Klage nur bestehen, wenn sie sich unmittelbar aus dem völkerrechtlichen Vertrag ergab. Die Gerichte verstanden den ATCA mithin bereits bislang als rein prozessuales Gesetz. Eine materiellrechtliche Funktion wurde ihm nicht beigemessen. Nur vereinzelt fanden sich gegenläufige Entscheidungen. Es handelte sich insoweit mehrheitlich um Stellungnahmen dahingehend, dass der ATCA als Ganzer sowohl ein bundesgerichtliches Forum als auch eine Anspruchsgrundlage bereitstelle.156 Der Präzedenzwert dieser Entscheidungen ist jedoch gering, da nicht ausdrücklich auf die völkervertragliche Alternative Bezug genommen wurde. Nur vereinzelt setzten sich die Gerichte mit der völkervertraglichen Alternative des ATCA auseinander. In Xuncax v. Gramajo heißt es: „I find that § 1350 yields both a jurisdictional grant and a private right to sue for tortuous violations of international law (or a treaty of the United States), without recourse to other law as a source of the cause of action.“157 In Cabello v. Fernández-Larios vertrat das Gericht die These, der ATCA selbst sei die Implementierungsgesetzgebung, die den völkerrechtlichen Vertrag 154 Siehe z. B. Dreyfus v. Von Finck, 534 F.2d 24 (2d Cir. 1976): „While these provisions [§ 1331 und § 1350] do not create a cause of action for a plaintiff seeking recovery under a treaty, they do give the District Court power to determine whether [. . .] a cause of action exists.“ Ebenso Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 810 (Richter Bork), 777, Fn. 2 (Richter Edwards) (D.C. Cir. 1984). 155 Richter Edwards in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 777, Fn. 2 (D.C. Cir. 1984): „Unlike the law of nations, which enables each state to make an independent judgment as to the extent and method of enforcing internationally recognized norms, treaties establish both obligations and the extent to which they shall be enforceable.“ Siehe auch Henkin, Foreign Affairs and the Constitution, S. 224. 156 Siehe z. B. Handel v. Artukovic, 601 F. Supp. 1421, 1427 (C.D. Cal. 1985); Forti v. Suarez Mason, 672 F. Supp. 1531, 1539 (N.D. Cal. 1987); Paul v. Avril, 812 F. Supp. 207, 212 (S.D. Fla. 1993); Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 236 (2d Cir. 1995); Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 179 (D. Mass 1995); Hilao v. Estate of Marcos, 25 F.3d 1467, 1474 f. (9th Cir. 1996). 157 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 179 (D. Mass. 1995).
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innerstaatlich vollziehbar mache.158 Der ATCA wäre demnach eine antizipierte Implementierung, die jedweden völkerrechtlichen Vertrag bereits mit seiner Inkorporation in das nationale Recht individuell einklagbar macht. Unstimmigkeiten in der Entscheidung lassen den Präzedenzwert des Urteils jedoch fragwürdig erscheinen. So werden die völkergewohnheitsrechtliche und die völkervertragsrechtliche Alternative des ATCA vermengt.159 Es lässt sich darüber hinaus den Präzedenzfällen, auf die sich das Gericht bei seinen Ausführungen beruft,160 nicht entnehmen, dass der ATCA als die erforderliche Implementierungsgesetzgebung zu verstehen sei.161 Im Ergebnis können der bloße Klammerzusatz in Xuncax v. Gramajo sowie die unsystematischen Ausführungen in Cabello v. Fernández-Larios nicht zu dem Schluss führen, dass die Gerichte bzw. zumindest ein Teil der Gericht bislang willens gewesen wären, auch in der völkervertraglichen Alternative des ATCA eine fehlende cause of action zu ergänzen bzw. in den ATCA hineinzulesen. Fraglich ist, ob vor dem Hintergrund der Entscheidung des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain eine Umorientierung der Rechtsprechung geboten ist. Dies wäre der Fall, wenn die Aussagen des Supreme Court zur Entnahme einer Anspruchsgrundlage aus dem Richterrecht auch für die völkervertragliche Alternative des ATCA Geltung besäßen. Der Supreme Court nimmt insoweit nicht ausdrücklich Stellung. Es ist daher zu untersuchen, ob die Argumentation, mit der der Supreme Court die richterrechtliche Schaffung von Anspruchsgrundlagen im Zusammenhang mit der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative des ATCA rechtfertigt, auf dessen völkerver158 Cabello v. Fernandez-Larios, 157 F. Supp. 2d 1345, 1360 (S.D. Fla. 2001): „This Court thus finds the ATCA is the appropriate piece of implementation legislation to enforce the rights . . . under Article 6 of the ICCPR.“ 159 Das Gericht prüft zunächst, ob die im konkreten Fall einschlägige Bestimmung des Art. 6 IPBPR bereits den Stand von Völkergewohnheitsrecht erreicht hat, ebd., S. 1359. Im unmittelbaren Anschluss daran überprüft es scheinbar zusammenhangslos die innerstaatliche Einklagbarkeit des IPBPR selbst. 160 Ebd. 161 Die Entscheidung im Fall Abebe-Jira v. Negewo (72 F.3d 844 (11th Cir. 1996)) beschränkte sich darauf, die vorangegangene Entscheidung des Bezirksgerichts zu bestätigen. Dieses hatte seine Entscheidung auf Völkergewohnheitsrecht und nicht auf Völkervertragsrecht gestützt. Völkerrechtliche Verträge werden lediglich als Indizien für den Stand des Völkergewohnheitsrechts angeführt („The prohibition against such treatment is found in all of the major international human rights treaties, including the International Covenant on Civil and Political Rights“, Abebe-Jiri v. Negewo, 1993 WL 814304 (N.D. Ga. 1993)). Die in Cabello v. Fernandez-Larios ferner angeführte Entscheidung in Ralk v. Lincoln County (81 F. Supp. 2d 1372, 1380 f. (S.D. Ga. 2000)) stützt sich gleichermaßen auf das Völkergewohnheitsrecht. Sie weist lediglich darauf hin, dass die Kläger Ausführungen, die belegen würden, dass der ATCA die erforderliche Implementierungsgesetzgebung sei, nicht gemacht hätten.
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tragliche Alternative übertragen werden kann. Ausgangspunkt einer solchen Untersuchung ist die Frage, ob der seinerzeitige Gesetzgeber auch hinsichtlich der völkervertraglichen Alternative des ATCA davon ausging, dass die Gerichte dem Richterrecht korrespondierende Anspruchsgrundlagen entnehmen würden. Für eine entsprechende Annahme des seinerzeitigen Gesetzgebers spricht es, dass der ATCA bei einer Begrenzung auf völkerrechtliche Verträge, die bereits von sich aus eine cause of action enthalten, nichts gewähren würde, was nicht bereits über die general federal question jurisdiction162 verbürgt wäre.163 Andererseits greift das Argument, welches die richterliche Schaffung von Anspruchsgrundlagen im Bereich des Völkergewohnheitsrecht legitimiert – die widrigenfalls bestehende Bedeutungslosigkeit des ATCA und deren Unvereinbarkeit mit der sicherheitspolitischen Intention des Gesetzes – im Zusammenhang mit der völkervertraglichen Alternative des ATCA nicht. Anders als im Bereich der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative nämlich, ist es an sich möglich, dass der völkerrechtliche Vertrag eine innerstaatlich durchsetzbare Anspruchsgrundlage vorsieht.164 Letztlich kann dahinstehen, ob der seinerzeitige Gesetzgeber die richterrechtliche Schaffung einer Anspruchsgrundlage auch im Hinblick auf das Völkervertragsrecht befürwortete. Anders als hinsichtlich der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative wird eine entsprechende Befugnis jedenfalls durch die heutige Legislative aufgehoben. Eine Leitlinie der aktuellen US-amerikanischen Politik nämlich ist es, unmittelbar völkerrechtlich bedingte Änderungen des nationalen Rechts nicht zu dulden.165 Diese Leitlinie wirkt sich vor allem im völkervertraglichen Bereich aus. Zwar besteht bislang keine generell-abstrakte Regelung, die die innerstaatliche Wirkung völkerrechtlicher Verträge pauschal beschränken würde. Die dargestellte Leitlinie äußert sich jedoch dahingehend, dass in jedem Einzelfall zu erkennen gegeben wird, dass sich aus einem völkerrechtlichen Vertrag innerstaatliche Anspruchsgrundlagen nicht ergeben dürfen. Der entsprechende Wille kann sowohl auf quasi-völkerrechtlicher als auch auf rein nationaler Ebene zum Ausdruck kommen. Auf quasi-völkerrechtlicher Ebene drückt die Legislative 162
Über die general federal question jurisdiction kann die Zuständigkeit eines Bundesgerichtes begründet werden, wenn sich die Anspruchsgrundlage des Falles aus einer bundesrechtlichen Rechtsquelle ergibt. Der völkerrechtliche Vertrag wird hierbei als bundesrechtliche Rechtsquelle angesehen. Siehe ausführlich zur general federal question jurisdiction unten IV. 163 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 59 f. 164 Henkin, Foreign Affairs and the Constitution, S. 224; siehe auch Richter Edwards in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 777, Fn. 2 (D.C. Cir. 1984). 165 Henkin, ebd., S. 202, Fn. 101.
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ihren Willen gegen eine innerstaatliche Einklagbarkeit des völkerrechtlichen Vertrages dadurch aus, dass sie einem völkerrechtlichen Vertrag zustimmt, der bereits von sich aus die Einklagbarkeit der durch ihn gewährten Rechte unter den Vorbehalt einer legislativen Implementierung stellt. Die Legislative ist hierbei insoweit involviert, als völkerrechtliche Verträge gemäß Art. II Section 2 [2] der Verfassung seitens des Präsidenten mit Zustimmung von zwei Dritteln des Senates abgeschlossen werden. Der Wille des Senates ist in rechtlicher Hinsicht mit dem Willen der Legislative gleichzustellen, da eine Beteiligung des Repräsentantenhauses am Ratifizierungsprozess verfassungsrechtlich nicht vorgesehen ist. Neben dieser quasi-völkerrechtlichen Ebene kann sich der Wille gegen eine innerstaatliche Wirkung des völkerrechtlichen Vertrages auch auf rein nationaler Ebene äußern. Zu verweisen ist insoweit auf die etablierte Praxis, völkerrechtliche Verträge bei ihrer Ratifikation um so genannte non self executing-Erklärungen zu ergänzen. Präsident und Senat fügen dem völkerrechtlichen Vertrag eine solche Erklärung bei, wann immer sie die Möglichkeit sehen, dass dieser die innerstaatliche Rechtsordnung unmittelbar beeinflussen könnte.166 Die Erklärungen des Präsidenten und des Senats binden die Gerichte167 und setzen fest, dass das fragliche Vertragswerk in den USA keine unmittelbare innerstaatliche Wirkung entfaltet bzw. zumindest keine individuell einklagbaren Anspruchsgrundlagen schafft.168 Die richterrechtliche Bereitstellung einer Anspruchsgrundlage im Rahmen der völkervertraglichen Alternative 166
Ebd. Sloss, The Domestication of International Human Rights: Non-self-executing Declaration and Human Rights Treaties, 24 Yale J. Int’l L. 129, 133 (1999). 168 Paust, Self-Executing Treaties, 82 Am. J. Int’l L. 760 (1988). Die inhaltliche Ausgestaltung der Erklärungen ist im Einzelnen uneinheitlich. Die non self executing-Erklärung zur Folterkonvention versagt dieser bereits jede innerstaatliche Wirkung: „The following declaration is therefore recommended, to clarify that the provisions of the Convention would not of themselves become effective as domestic law“, S. Exec. Rep. No. 102-23 (1990), S. 12. Die Erklärungen zum IPBPR sowie zum Übereinkommen zur Abschaffung der Diskriminierung aus Gründen der Rassenzugehörigkeit hingegen begrenzen sich darauf festzulegen, dass durch den Vertrag neue einklagbare Anspruchsgrundlagen nicht geschaffen werden. Siehe die non self executing-Erklärung zum IPBPR: „[T]he provisions of Articles 1 through 27 of the Covenant are not self-executing“, S. Exec. Rep. No. 102-23 (1992), S. 19, präzisiert durch die Stellungnahme, Zweck der Erklärung sei es „to clarify that the Covenant will not create a private cause of action in U.S. Courts“. Entsprechend auch die Erläuterung zur wortgleichen non self executing-Erklärung zum Übereinkommen zur Abschaffung der Diskriminierung aus Gründen der Rassenzugehörigkeit: „The intent is to clarify that the treaty will not create a new or independently enforceable private cause of action in U.S. courts [. . .] Given the extensive provisions already present in U.S. law, there is no discernible need for the establishment of additional causes of action or new avenues of litigation in order to enforce the essential requirements of the Convention“, S. Exec. Rep. No. 103-29 (1994), S. 25 f. 167
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des ATCA würde sich in Widerspruch zu diesem Willen des Senats und des Präsidenten setzen. Vorbehaltlich einer Änderung der Leitlinien der USamerikanischen Politik ist die richterrechtliche Schaffung einer Anspruchsgrundlage im Hinblick auf die völkervertragliche Alternative des ATCA daher derzeit abzulehnen. b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des ATCA Die mithin rein prozessuale Funktion des ATCA wird aktiviert, wenn drei Voraussetzungen169 erfüllt sind: (1) Der Kläger muss ein Ausländer sein. (2) Der Streitgegenstand muss deliktischer Natur sein. (3) Das Delikt muss sich aus einer Verletzung des Völkerrechts ergeben. (1) Die Begrenzung auf ausländische Kläger Der Kreis potentieller Kläger wird durch die Beschränkung auf ausländische Kläger begrenzt. Im Hinblick auf natürliche Personen bedeutet dies, dass all jene klageberechtigt sind, die nicht US-Bürger sind.170 Weniger klar ist die Rechtslage hinsichtlich juristischer Personen des Privatrechts. Hier kennt das US-amerikanische Recht zwei Anknüpfungspunkte: den Ort, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde (place of incorporation-Test)171 und den Ort, an dem sich diejenigen Personen befinden, welche die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben (control-Test).172 Die HRL-Rechtsprechung hat sich bislang weder für den einen, noch für den anderen Test ausgesprochen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sie dem place of incorporation-Test folgen wird.173 Das US-Recht nämlich stellt in der Mehrzahl der Fälle auf den place of incorporation-Test ab.174 Dies gilt ins169 Das dreistufige Prüfungsschema wird gemeinhin auf Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 238 (2d Cir. 1995), zurückgeführt, siehe z. B. Doe v. Islamic Salvation Front, 993 F. Supp. 3, 7 (D.D.C. 1998) und Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 439 (D.N.J. 1999). Tatsächlich wurde dieser dreistufige Prüfungsaufbau bereits in Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping, 488 U.S. 428 (1989) eingeführt. 170 So die Definition des Immigration and Nationality Act, 8 U.S.C. § 1101 (a) (3). Zur Frage, ob auch die indianischen Ureinwohner der USA als Ausländer im Sinne des ATCA angesehen werden können, Carpenter, The International Covenant on Civil and Political Rights: A Toothless Tiger?, 26 N.C. J. Int’l L. & Com. Reg. 1, 50 Fn. 166 (2000). 171 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 136. 172 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 213, note 5. 173 Vgl. Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 25.
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besondere in Bereichen, die – wie der ATCA – einen Bezug zum Recht der prozessualen Zuständigkeiten aufweisen.175 (2) Die Begrenzung auf Delikte Die Zuständigkeit der Bundesgerichte ist nur für solche Klagen begründet, die deliktische Ansprüche („a tort only“) zum Gegenstand haben. Vertragliche176 und dingliche Ansprüche177 sind vom Regelungsbereich des ATCA nicht erfasst. Problematisch ist die redundante Verwendung des Wortes only. Genügt hätte auch die Forumlierung „for a tort“.178 Dies hätte bereits zum Ausdruck gebracht, dass andere als deliktische Ansprüche nicht Streitgegenstand sein können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Wort only lediglich sicherstellen sollte, dass vertragliche und dingliche Ansprüche ausgeschlossen sein würden. Für diese Interpretation spricht, dass der ATCA das Ergebnis eines hart umkämpften Kompromisses war.179 Durch die Verwendung des Wortes only sollte möglicherweise der Veränderung dieses Kompromisses durch nachträgliche interpretative Korrekturen der unterlegenen Seite vorgebeugt werden.180 Neuerdings wird vereinzelt auch die Ansicht vertreten, das Wort only erkläre, dass der Anwendungsbereich des ATCA auf den Bereich des Prisenrechts beschränkt gewesen sei. Da dieses zwischenzeitlich obsolet geworden sei, besitze auch der ATCA heutzutage keine Bedeutung mehr.181 Das Prisenrecht umfasst Rechtsnormen, die die Be174
Ebd. Ebd. 176 Insbesondere die Ansprüche der Engländer aus dem Definitive Treaty of Peace and Independence (8 Stat. 80, TS No. 109), der im Jahre 1785 zwischen England und den USA geschlossen wurde, sollten nicht über den ATCA geltend gemacht werden, siehe hierzu ausführlich Randall, Federal Jurisdiction over International Law Claims: Inquiries into the Alien Tort Statute, 18 N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 1, 24 ff. (1985). 177 Vgl. Moxon v. The Fanny (17 F. Cas. 942, 948 (D.C. Pa. 1793) (No. 9895)). 178 Sweeney, A Tort only in Violation of the Law of Nations, 18 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 445, 446 (1995). 179 Warren, New Light on the History of the Federal Judiciary Act of 1789, 37 Harv. L. Rev. 49, 53 (1923); Dodge, The Historical Origins of the Alien Tort Statute: A Response to the ‚Originalists‘, 19 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 221, 254 f. (1996). 180 Vgl. Dodge, ebd., S. 255. 181 McGinley, Of Pirates and Privateers – The Historical Background of the Alien Tort Claims Act with some Suggestions for its Future Use, 21 Anglo-Am. L. Rev. 138 (1992); Sweeney, A Tort only in Violation of the Law of Nations, 18 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 445 (1995). Dieser Ansatz erlangte einen gewissen Bekanntheitsgrad, da er von Seiten des Beklagten in Kadic v. Karadzic (74 F.3d 377 (2d 175
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schlagnahme und Einziehung von Prisen regeln. Unter Prisen versteht man im Seekriegsrecht Schiffe und Waren, die von den Kriegführenden beschlagnahmt werden.182 In der Zeit vor Erlass des ATCA war es üblich, privat agierende, professionelle Kaperer in das kriegerische Geschehen einzuschalten. Diese plünderten mit Genehmigung der Regierung und auf eigene Rechnung feindliche Schiffe. Rechtliche Probleme ergaben sich, wenn entgegen kriegsrechtlicher Vorgaben neutrale Schiffe angegriffen wurden. Für die Streitigkeiten, die sich dann ergeben konnten, waren Prisengerichte zuständig, die in Kriegszeiten eigens begründet wurden. Die Prisengerichte behandelten sowohl die Frage, ob das betroffene Schiff als Kriegsbeute gekapert werden durfte, sowie alle mit der Kaperung zusammenhängenden rechtlichen Probleme. Vor 1789 verfügten die Staaten der USA über eigene Prisengerichte. Durch die Verfassung von 1789 wurde den Bundesgerichten die ausschließliche Zuständigkeit in Seerechtssachen und somit auch im Bereich des Prisenrechts zugesprochen.183 Die Funktion des ATCA sei es gewesen, dieses Regime für einen engen Bereich von Klagen zu modifizieren. In Fällen, in denen ein Ausländer geklagt habe und nicht die Rechtmäßigkeit der Prise, sondern deren deliktische Begleiterscheinungen in Rede gestanden hätten (bei Klagen also, die „for a tort only“ waren), habe der Gesetzgeber keine ausschließliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte gewollt. Die Staatengerichte sollten vielmehr konkurrierend zuständig sein, was dem ATCA insofern zu entnehmen sei, als dort kein Hinweis auf eine ausschließliche Zuständigkeit der Bundesgerichte enthalten sei.184 Dieser Ansatz überzeugt nicht. Zwar ist es zutreffend, dass der ATCA lediglich eine konkurrierende Zuständigkeit der Bundesgerichte begründet; ein paralleles Tätigwerden der Staatengerichte ist möglich.185 Auch mag es sein, dass der ATCA auch prisenrechtliche Konstellationen umfassen sollte. Cir. 1996)) als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht wurde. Das Gericht folgte der Ansicht Sweeneys jedoch nicht. Die US-Regierung scheint dem Ansatz Sweeney’s in Teilen zu folgen, anerkennt aber die zwischenzeitliche Ausweitung des ATCA vom Bereich des Prisenrechts auf andere völkerrechtliche Delikte, siehe den Bericht der USA zur Umsetzung im IPBPR geforderter Rechtsschutzmechanismen, U.N. Doc. E/C.N.4/1996/29/Add.2. 182 Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 1026. 183 Sweeney, A Tort only in Violation of the Law of Nations, 18 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 445, 447 (1995). 184 Ebd. 185 Nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sind die Staatengerichte grundsätzlich zuständig. Die Bundesgerichte sind nur zuständig, wenn ihnen eine Zuständigkeit zugewiesen wird. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Bundesgerichte besteht nur, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht, was im Rahmen des ATCA nicht geschieht, vgl. Sweeney, ebd., S. 450. Siehe hierzu auch unten, 3. Kapitel, I. 1.
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Den Verfechtern der prisenrechtlichen Konzeption des ATCA gelingt es jedoch nicht, darzulegen, warum der ATCA nur Fälle des Prisenrechts behandeln sollte. Die Darlegungslast ist hier ein sehr hohe, da kein Gericht der prisenrechtlichen Auslegung des ATCA je gefolgt ist.186 Selbst Urteile, die kurz nach Erlass des ATCA ergingen und einen seerechtlichen Bezug aufweisen, erwähnen diese Möglichkeit nicht.187 Auch der Wortlaut des ATCA („all cases where an alien sues“ [Kursivierung hinzugefügt]) indiziert gerade einen umfassenden Anwendungsbereich.188 Eine Begrenzung des ATCA auf den Bereich des Prisenrechts ist daher im Ergebnis abzulehnen. (3) Die Verletzung des Völkerrechts Der zentrale Prüfungspunkt einer ATCA-Klage ist das Vorliegen einer Völkerrechtsverletzung. Es kann sowohl eine Verletzung des Völkergewohnheitsrechts (§ 1350, 1. Alt.) als auch eine Verletzung des Völkervertragsrechts (§ 1350, 2. Alt.) geltend gemacht werden. (a) Die Verletzung des Völkergewohnheitsrechts Dem ATCA ist ein evolutiver Völkergewohnheitsrechtsbegriff zugrunde zu legen. Dies bedeutet, dass nicht nur jene Verhaltensweisen unter den ATCA fallen können, die bereits zur Zeit des Erlasses des ATCA dem Völkergewohnheitsrecht angehörten. Es genügt vielmehr, dass die fragliche Norm zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung völkergewohnheitsrechtlich verankert ist. Zwar vertrat noch Richter Bork im Fall Tel-Oren189 einen starren Völkerrechtsbegriff und befand den ATCA nur auf jene Völkerrechtsverletzungen für anwendbar, die zur Zeit seines Erlasses anerkannt waren.190 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Die Entstehungsgeschichte des ATCA spricht gegen sie. Ein Entwurf zum ATCA hatte die Zuständigkeit der Bezirksgerichte noch auf solche Vergehen beschränkt, „that shall be cognizable under the authority of the United States and defined by the laws of the same“ [Kursivierung hinzugefügt].191 Im endgültigen Gesetz 186
Dies anerkennt auch Sweeney, ebd., S. 483. Moxon v. The Fanny, 17 F. Cas. 942 (D.C. Pa. 1793) (No. 9895); Bolchos v. Darrel, 3 F. Cas. 810 (D.S.C. 1795) (No. 1607). 188 Dodge, The Historical Origins of the Alien Tort Statute: A Response to the ‚Originalists‘, 19 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 221, 254 ff. (1996). 189 Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 812 ff. (D.C. Cir. 1984). 190 Zum Kreis der originär über den ATCA einklagbaren Rechtsverletzungen siehe oben 1. b). 191 Warren, New Light on the History of the Federal Judiciary Act of 1789, 37 Harv. L. Rev. 49, 73 f. (1923). 187
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wurde der letzte Halbsatz weggelassen und so der Gleichlauf von internationalem und „ATCA-internem“ Völkergewohnheitsrecht ermöglicht.192 Mittlerweile ist denn auch der evolutive Charakter des Völkergewohnheitsrechtsbegriffes des ATCA nahezu unumstritten.193 Er wurde seitens des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain bestätigt.194 In der 1. Alternative des ATCA stellt sich vor diesem Hintergrund regelmäßig die Frage, ob eine Norm bereits dem Völkergewohnheitsrecht angehört oder es sich bei ihr bislang lediglich um unverbindliches soft-law195 handelt. Nach traditionellem Völkerrecht setzt sich das Völkergewohnheitsrecht aus zwei Elementen zusammen: einem objektiven Element, der allgemeinen Übung (longu consuetudo), und einem subjektiven Element, der allgemeinen Anerkennung der Übung als Recht (opinio iuris).196 Die an die „Allgemeinheit“ der Übung zu stellenden Anforderungen variieren von Fall zu Fall. Es ist jedenfalls nicht zwingend die übereinstimmende Praxis aller Völkerrechtssubjekte zu verlangen. Eine allgemeine Übung liegt vielmehr bereits vor, wenn sich jene Völkerrechtssubjekte an ihr beteiligen, die sich an ihr beteiligen können und/oder deren Interessen berührt sind.197 In neuerer Zeit wird international zunehmend ein Ansatz verfolgt, der das Element der Staatenpraxis vernachlässigt und staatliche Stellungnahmen zum Stand des Völkergewohnheitsrechts doppelfunktional als opinio iuris und Staatenpraxis wertet.198 Jedenfalls für den Bereich der Menschenrechte schließt sich das US-amerikanische Restatement of the Law199 diesem Trend an.200 Auf der Grundlage des US-amerikanischen Ansatzes ist es des192 Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789: A Badge of Honour, 83 Am. J. Int’l L. 461, 472, Fn. 56 (1989); Warren, ebd., S. 73. 193 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 52 ff. 194 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2761(2004): „[W]e think courts should require any claim based on the present-day law of nations to rest on a norm of international character accepted by the civilized world [. . .].“ [Kursivierung hinzugefügt]. 195 Zum Begriff siehe Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 19, Rn. 20. 196 Ebd., § 16, Rn. 2 ff. 197 Ebd., § 16, Rn. 11. 198 Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law: Custom, Jus Cogens, and General Principles, 12 Austl. Y.B. Int’l L. 83, 92 f. (1998/99). 199 Das Restatement of the Law ist eine vom American Law Institute herausgegebene Kommentarserie zum Stand des common law. Das American Law Institute ist besetzt mit hochkarätigen Wissenschaftlern, die vor Gericht hohes Ansehen genießen. Das Restatement ist die bedeutendste sekundäre Rechtsquelle des US-amerikanischen Rechts, vgl. Blumenwitz, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, S. 58. 200 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 701, reporters’ note 2.
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halb vergleichsweise leicht, eine menschenrechtliche Norm dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen. Die ATCA-Rechtsprechung hat mittlerweile aus sich heraus, ohne entsprechende Hinweise in Wortlaut oder Entstehungsgeschichte des ATCA, einen eigenen Völkergewohnheitsrechtsbegriff entwickelt.201 Demnach gehört eine Norm für Belange des ATCA dem Völkergewohnheitsrecht an, wenn sie „universal, definable and obligatory“ ist.202 Diese Definition ist dahingehend zu verstehen, dass ein universeller Konsens sowohl im Hinblick auf den rechtlich bindenden Charakter einer Norm als auch hinsichtlich ihres konkreten Inhalts bestehen muss.203 Bislang war unumstritten, dass der Kläger im Hinblick auf den „universalen“ Charakter der geltend gemachten Norm nicht aufzeigen muss, dass buchstäblich alle Völkerrechtssubjekte die entsprechende Norm unterstützen. Es genügte vielmehr, die „general recognition“ der entsprechenden Norm darzulegen.204 Der Supreme Court hat diesen Ansatz in Sosa v. Alvarez-Machain grundsätzlich bestätigt.205 Er präzisiert die bisherige Rechtsprechung jedoch dahingehend, dass nur solche Normen als hinreichend definiert zu erachten seien, die ebenso stark konkretisiert und akzeptiert seien, wie jene Normen, die zur Zeit des Erlasses des ATCA nach Ansicht des Gesetzgebers von diesem erfasst gewesen seien.206 Ergänzend führt er aus, dass bei Bestimmung der hinreichenden Definiertheit einer Norm zugleich zu berücksichtigen sei, welches die praktischen Konsequenzen aus ihrer Verfügbarkeit als nationale Anspruchsgrundlage wären.207 Der Supreme Court erläutert dieses Kriterium nicht. Aus seiner Subsumtion des konkreten Falles ergeben sich jedoch Hinweise auf seine diesbezüglichen Vorstellungen. Im konkreten Fall nämlich lehnte er es ab, bereits jede nach lokalem Recht rechtswidrige Festnahme als „arbitrary“ im Sinne des Delikts der „arbitrary detention“ anzusehen. Als Grund hierfür führte er an, dass sich sonst „atemberaubende“ Auswirkungen ergäben. Über den ATCA und das korrespondierende Richterrecht würde sonst in den USA für jede rechtswidrige Festnahme, die irgendwo in der Welt erfolge, ein Forum und eine Anspruchsgrundlage bereitgestellt.208 201 Dodge, Which Torts in Violation of the Law of Nations?, 24 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 351 (2001). 202 Forti v. Suarez Mason (Forti I), 672 F. Supp. 1531, 1539 f. (N.D. Cal. 1987). 203 Forti v. Suarez Mason (Forti II), 694 F. Supp. 707, 712 (N.D. Cal. 1988). 204 Ebd., S. 709. 205 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2765 f. (2004). 206 Ebd., S.2765. 207 Ebd., S. 2766. 208 Ebd., S. 2768.
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Zum Teil wird in der Rechtsprechung209 und der Literatur210 der Ansatz vertreten, dass nur jene Normen „universal“ im Sinne der ATCA-Rechtsprechung sind, die dem ius cogens angehören, die also von allen Völkerrechtsubjekten als verbindlich akzeptiert sind und von denen eine Abkehr nicht möglich ist.211 Die genaue Reichweite des ius cogens ist unklar. In einer Studie aus dem Jahr 1992 ordnet Kadelbach von den Normen mit Bezug zum Schutz des Individuums Völkermord, Folter, Sklaverei, Piraterie und Terrorismus inklusive Angriffe auf international geschützte Personen dem ius cogens zu.212 Lüke sieht ferner im Verbot der außergerichtlichen Tötung sowie im Verbot der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ius cogensNormen.213 Im vorliegenden Zusammenhang ist es letztlich nicht erforderlich, den Kreis der ius cogens-Normen exakt festzulegen, da eine Begrenzung des ATCA auf ius cogens-Normen abzulehnen ist. Für eine derartige Begrenzung spricht lediglich die Beobachtung, dass die bislang erfolgreichen ATCA-Fälle vornehmlich die Verletzung von ius cogens zum Gegenstand hatten.214 Rechtlich lässt sich eine entsprechende Begrenzung hingegen nicht rechtfertigen. Das Konzept des ius cogens wurde erst im 20. Jahrhundert und somit nach Erlass des ATCA völkerrechtlich etabliert.215 Der 209 So z. B. Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 184 (D. Mass. 1995); Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F. Supp. 362, 369 (E.D. La. 1997). Einen dahingehenden Ansatz verfolgten auch die ersten Entscheidungen in der ATCA-Klage gegen Unocal, siehe Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880, 889 (C.D. Cal. 1997) und Doe v. Unocal Corp., 110 F. Supp. 2d 1294 (C.D. Cal. 2000); das Appellationsgericht sprach sich jedoch ausdrücklich gegen eine derartige Beschränkung des ATCA aus, siehe Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 945, Fn. 15 (9th Cir. 2002). 210 So z. B. Holwick, Transnational Corporate Behavior and its Disparate and Unjust Effects in the Indigenous Cultures and the Environment of Developing Nations: Jota v. Texaco, A Case Study, 11 Colo. J. Int’l Envtl. L. & Pol’y 183, 212 (2000); Ridenour, Doe v. Unocal Corp., Apples and Oranges: Why Courts Should Use International Standards to Determine Liability for Violation of the Law of Nations Under the Alien Tort Claims Act, 9 Tul. J. Int’l & Comp. L. 581, 601 (2001); Wu, Pursuing International Environmental Tort Claims Under the ATCA: Beanal v. Freeport-McMoRan, 28 Ecology L.Q. 487, 500 (2001). 211 Zum Begriff des ius cogens siehe Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht; Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law. 212 Kadelbach, ebd., Völkermord (S. 275), Folter (S. 291 ff.), Sklaverei (S. 296), Piraterie (S. 308), Terrorismus (S. 308 ff.), Angriffe auf international geschützte Personen (S. 310 ff.). 213 Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 335 ff., S. 341 f. 214 Vgl. Ridenour, Doe v. Unocal Corp., Apples and Oranges: Why Courts Should Use International Standards to Determine Liability for Violation of the Law of Nations Under the Alien Tort Claims Act, 9 Tul. J. Int’l & Comp. L. 581, 601 (2001); Unger, Brandishing the Precautionary Principle Through the Alien Torts Claims Act, 9 N.Y.U. Envt’l L.J. 638, 676 (2001).
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Wille des ATCA-Gesetzgebers kann daher nicht auf eine derartige Beschränkung gerichtet gewesen sein. Auch der TVPA-Gesetzgeber, der bei Erlass des TVPA im Jahre 1992 zum ATCA Stellung nahm,216 hat nicht zu erkennen gegeben, dass dieses zwischenzeitlich etablierte Konzept des Völkerrechts in den ATCA zu integrieren sei.217 Das Argument, nur durch eine Beschränkung auf ius cogens-Normen könne vermieden werden, dass eine Partei für etwas rechtlich zur Verantwortung gezogen werde, an das sie völkerrechtlich nicht gebunden sei,218 kann nicht überzeugen, da dieses Ergebnis auch anderweitig, über die Doktrin des persistent objector, erreicht werden kann. Nach dieser wird ein Staat nicht an eine Norm des Völkergewohnheitsrechts gebunden, wenn er kontinuierlich gegen ihre Entstehung protestiert.219 Der Supreme Court bestätigt die Einschätzung, dass der ATCA nicht auf ius cogens-Normen zu beschränken ist, in Sosa v. Alvarez-Machain zumindest implizit. Obwohl er dort eine enge und vorsichtige Anwendung des ATCA propagiert, hält er an der herkömmlichen Definition des law of nations fest und nimmt zu einer Beschränkung auf ius cogens-Normen nicht Stellung.220 Selbst wenn die Gerichte gleichwohl an einer Begrenzung des ATCA auf ius cogens-Normen festhalten sollten, wären die Auswirkungen auf die etablierte HRL gering. Dies liegt zum einen daran, dass viele Gerichte zwar eingangs auf die engen Kriterien der ATCA-Rechtsprechung Bezug nehmen, diese in der Subsumtion jedoch nicht näher berücksichtigen.221 Zum anderen wird in den USA der Kreis der ius cogens-Normen oft sehr weit gezogen. So wurden zum Beispiel im Urteil Princz alle Menschenrechte, die nach Ansicht des Restatement of the Law dem Völkergewohnheitsrecht angehören, dem Bereich des ius cogens zugeordnet.222 215
Hannikainen, Peremptory Norms (Jus Cogens) in International Law, 17 ff. Siehe unten d). 217 Ratner, Back to the Future: Why a Return to the Approach of the Filártiga Court is Essential to Preserve the Legitimacy and Potential of the Alien Tort Claims Act, 35 Colum. J.L. & Soc. Probs. 83, 120 (2002). 218 Ridenour, Doe v. Unocal Corp., Apples and Oranges: Why Courts Should Use International Standards to Determine Liability for Violation of the Law of Nations Under the Alien Tort Claims Act, 9 Tul. J. Int’l & Comp. L. 581, 601 (2001); Unger, Brandishing the Precautionary Principle Through the Alien Tort Claims Act, 9 N.Y.U. Envt’l L.J. 638, 676 (2001). 219 Zum Begriff siehe Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 26 f. 220 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2765 f. (2004). 221 So z. B. in Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 2002 WL 319887 (S.D.N.Y. 2002). 222 Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F.3d 1166, 1173 (D.D.C. 1994); aufgegriffen in Hwang v. Japan, 172 F. Supp. 2d 52, 60 (D.D.C. 2001). 216
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In der Praxis erscheinen Anwälte und Richter häufig überfordert, wenn es darum geht, die Existenz einer Norm des Völkergewohnheitsrechts zu beweisen.223 Regelmäßig enthalten Klageschriften lediglich die unerläuterte Aneinanderreihung völkerrechtlicher Verträge der USA, die sowohl im Hinblick auf die Vertragsalternative des ATCA als auch als Beweis für die gewohnheitsrechtliche Lage dargebracht werden.224 Die Gerichte wiederum orientieren sich bei der Entscheidung über den völkergewohnheitsrechtlichen Charakter einer Norm stark an der in § 702 des Restatement of the Law enthaltenen Liste, die jene Menschenrechte aufzählen soll, die derzeit dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen sind. In der Liste enthalten sind: – Völkermord, – Sklaverei oder Sklavenhandel, – die willkürliche Tötung von Personen, – das Verschwindenlassen von Personen, – Folter, – grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, – länger andauernde willkürliche Inhaftierung, – systematische Diskriminierung aus Gründen der Rassenzugehörigkeit, – systematische anderweitige Menschenrechtverletzungen. Nicht in der Liste enthalten, aber gleichwohl anerkanntermaßen über den ATCA einklagbar, sind Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Piraterie. Vereinzelt wurden von den Gerichten auch Verstöße gegen ein Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religionszugehörigkeit225 und gegen ein Verbot der rechtswidrigen Enteignung226 berücksichtigt. Ebenso wurden vereinzelt ein Recht der friedlichen Versammlung und Meinungsäußerung227 sowie ein Recht auf Vereinigungsfreiheit228 als einklagbare Normen des Völkergewohnheitsrechts anerkannt. Die Literatur geht davon aus, dass mittlerweile auch die Delikte der Geiselnahme und der Flugzeugentführung über die 1. Alternative des ATCA geltend gemacht werden können.229 Seit Ende der 90er Jahre versuchen Kläger und Anwälte 223 Hoffmann, The ‚Blank Stare Phenomenon‘: Proving Customary International Law in U.S. Courts, 25 Ga. J. Int’l & Comp. L. 181, 182 f. (1995/1996). 224 So z. B. in Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353, 362 (D.N.J. 1998). 225 Bigio v. Coca-Cola, 239 F.3d 440, 448 (2d Cir. 2001). 226 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 310 (S.D.N.Y. 2001); Tachiona v. Mugabe, 261 F. Supp. 2d 262 (S.D.N.Y. 2002). 227 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 2002 WL 319887, *10 ff. (S.D.N.Y.). 228 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 310 (S.D.N.Y. 2001); Tachiona v. Mugabe, 261 F. Supp. 2d 262 (S.D.N.Y. 2002).
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umwelt-, arbeits- und frauenrechtliche Delikte über den ATCA einzuklagen. Bislang blieben diese Versuche jedoch weitestgehend erfolglos.230 (b) Die Verletzung des Völkervertragsrechts Die zweite Alternative des ATCA, die Verletzung eines Vertrages der USA, ist bislang bedeutungslos geblieben. Es sind kaum Fälle bekannt, in denen die völkervertragliche Alternative des ATCA erfolgreich geltend gemacht wurde.231 In den allermeisten Fällen wurden völkerrechtliche Verträge lediglich pauschal als Beweismaterial zur Darlegung völkergewohnheitsrechtlicher Normen angeführt.232 Zurückzuführen ist die Erfolglosigkeit der Vertragsalternative des ATCA zum einen darauf, dass ein Vertrag im Rahmen des ATCA nur geltend gemacht werden kann, wenn die USA Vertragspartei sind. Die USA aber haben von den wichtigeren Menschenrechtsverträgen derzeit lediglich den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (IPBPR),233 die Folterkonvention,234 die Völkermordkonvention235 und das Übereinkommen 229
Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S.
92 ff. 230
Ausführlich hierzu unten Teil IV, 1. Kapitel, I. Verwiesen sei insoweit auf den Fall Bolchos v. Darell aus dem Jahre 1795 (3 F. Cas. 810 (D.S.C. 1795)). Hier hatte ein Franzose ein spanisches Schiff beschlagnahmt. Auf dem Schiff befanden sich Sklaven, die an einen britischen Pfandgläubiger verpfändet worden waren. Der Vertreter des britischen Pfandgläubigers verkaufte die Sklaven bei Ankunft des Schiffes in den USA. Der Franzose verlangte die Herausgabe desjenigen, was der Vertreter des Pfandgläubigers aus dem Verkauf der Sklaven erlangt hatte. Das Gericht erkannte auf eine Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten, da der Verkauf der Sklaven gegen einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den USA und Frankreich verstoßen habe. Nach diesem nämlich müsse neutrales Eigentum, das auf einem feindlichen Schiff beschlagnahmt werde, an den Berechtigten herausgegeben werden. In neuerer Zeit wurde die Möglichkeit einer Berufung auf den IPBPR in Ralk v. Lincoln County zumindest nicht pauschal abgelehnt, 81 F. Supp. 2d 1372, 1380 f. (S.D. Ga. 2000). Eine völkervertragliche Klagemöglichkeit über ATCA und IPBPR wurde darüber hinaus in Cabello v. FernándezLarios (157 F. Supp. 2d 1345, 1358 ff. (S.D. Fla. 2001)) angesprochen. 232 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 59, Fn. 48; Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 238, Fn. 1 (2d Cir. 1995); Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353, 362 (D.N.J. 1998): „Plaintiffs recognize that these treaties do not per se provide a basis for suit under the ATCA. Rather, they are submitted for another purpose – to support a claim under the ‚law of nations‘ “; Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 439 (D.N.J. 1999). 233 Ratifiziert am 8.6.1992 (siehe Multilateral Treaties Deposited with the Secretary General, United Nations (Hrsg.), Bd. I, S. 182), BGBl. 1973 II, 1533. 234 Ratifiziert am 21.10.1994 (siehe ebd., S. 272), BGBl. 1990 II, 246. 235 Ratifiziert am 25.11.1988 (siehe ebd., S. 138), BGBl. 1954 II, 729. 231
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung236 ratifiziert.237 Grund für die bisherige Bedeutungslosigkeit der völkervertraglichen Alternative des ATCA ist zum anderen, dass selbst dann, wenn die USA einen völkerrechtlichen Vertrag ratifizieren, dieser Vertrag innerstaatlich nur geltend gemacht werden kann, wenn er „self executing“ ist. Dies ist er nach der Rechtsprechung, wenn Thematik238 und Definiertheit239 des Vertragswerkes sowie der Wille der Vertragsparteien240 (bzw. der USA241) erkennen lassen, dass der Vertrag auch ohne vorangehende Implementierungsgesetzgebung vor den innerstaatlichen Gerichten im Einzelfall anwendbar ist und dem Einzelnen einklagbare Rechte verleiht.242 Viele völkerrechtliche Ver236
Ratifiziert am 21.10.1994 (siehe ebd., S. 148), BGBl. 1969 II, 961. Unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, sind das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unterzeichnet am 16.2.1995, siehe Multilateral Treaties Deposited with the Secretary General, United Nations (Hrsg.), Bd. I, S. 294; BGBl. 1992 II, 121), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (unterzeichnet am 17.7.1980, siehe ebd., S. 241; BGBl. 1985 II, 647), die Amerikanische Menschenrechtskonvention (unterzeichnet am 1.6.1977, Text in: Brown/Harris (Hrsg.), Multinational Treaties, S. 331) sowie der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (unterzeichnet am 5.10.1977, siehe Multilateral Treaties Deposited with the Secretary General, United Nations (Hrsg.), Bd. I, S. 168; BGBl. 1973 II, 1569). 238 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 111, comment i. 239 Vgl. Vazquez, The Four Doctrines of Self-Executing Treaties, 89 Am. J. Int’l L. 695 (1995). Die Ansätze der Gerichte variieren hier im Detail, siehe z. B. White v. Paulsen, 997 F. Supp. 1380, 1385 f. (E.D. Wash. 1998) sowie Frovola v. Union of Soviet Socialist Republics, 761 F.2d 370, 372 (7th Cir. 1985). 240 Vgl. Foster v. Neilson, 26 U.S. 253 (1829). 241 In letzter Zeit wird vor allem auf den Willen der USA abgestellt, siehe Vazquez, The Four Doctrines of Self-Executing Treaties, 89 Am. J. Int’l L. 695, 705 (1995). 242 Vgl. Bedermen, Article and Response, International Law Advocacy and its Discontents, 2 Chi. J. Int’l L. 475, 481 (2001). Mehrheitlich wird in diesen Fällen gesagt, dem Kläger fehle die erforderliche Anspruchgrundlage (cause of action). Zum Teil wird die individuelle Einklagbarkeit des Vertrages aber auch unter dem Stichwort des standing behandelt. Kein standing: Dickens v. Lewis, 750 F.2d 1251, 1254 (5th Cir. 1984); United States v. Thompson, 928 F.2d 1060, 1066 (11th Cir. 1991); Ralk v. Lincoln County, 81 F. Supp. 2d 1372, 1380 (S.D. Ga. 2000). Keine cause of action: Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353, 362 (D.N.J. 1998); Hawkins v. Comparet-Cassani, 33 F. Supp. 2d 1244 (C.D. Cal. 1999). Zum Kriterium des standing siehe unten, 3. Kapitel, I. 2. Der Begriff des self executing wird jedoch nicht einheitlich verwendet. Zum Teil wird die individuelle Einklagbarkeit eines Vertrages auch ausdrücklich vom Begriff des self executing ausgenommen, siehe Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 111, comment h: „Whether a treaty is self executing is a question distinct from whether the treaty creates private rights or remedies.“ In jedem Fall jedoch muss der Vertrag, ob unter dem Stichwort des self executing oder anderweitig, ein einklagbares Recht für den Einzelnen schaffen, soll er im individuellen Klageverfahren geltend gemacht werden. 237
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träge werden diesen Anforderungen bereits von Hause aus nicht gerecht. Regelmäßig nämlich wird die innerstaatliche Einklagbarkeit eines völkerrechtlichen Vertrags an seine vorangehende Implementierung geknüpft. Sofern ein völkerrechtlicher Vertrag ausnahmsweise doch eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung vorsieht, wird diese innerstaatlich in den USA dadurch neutralisiert, dass Präsident und Senat dem Vertrag bei Ratifizierung eine so genannte non self executing-Erklärung beifügen, die dessen innerstaatliche Wirkung unterbindet oder beschränkt.243 Zwar wird zum Teil über die non self executing-Erklärung lediglich die Existenz innerstaatlicher Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen.244 Dies jedoch genügt, um eine erfolgreiche Berufung auf den ATCA auszuschließen. Im Rahmen der völkervertraglichen Alternative des ATCA nämlich lehnen es die Gerichte ab, den ATCA um eine korrespondierende innerstaatliche Anspruchsgrundlage zu ergänzen.245 c) Der Kreis der möglichen Beklagten (1) Staatliche und private Akteure Ursprünglich ging man davon aus, dass über den ATCA nur staatliche Akteure verklagt werden könnten. Hintergrund hierfür war die Annahme, dass das Völkerrecht nur durch staatliches Verhalten verletzt werden könne.246 Die Klage gegen den staatlichen Akteur ist auch heute noch von großer Bedeutung. Die Frage, wer staatlicher Akteur im Sinne des ATCA ist, wird nach den richterrechtlichen Grundsätzen zum under color of law-Kriterium des 42 U.S.C. § 1983 (nachfolgend § 1983) bestimmt. Dort heißt es: [E]very person who, under color of any statute, ordinance, regulation, custom or usage, of any state or territory or the District of Columbia, subjects (any) other person . . . to the deprivation of any rights, privileges or immunities secured by the Constitution and laws shall be liable to the party injured.
Die Vorschrift bestimmt also, dass eine Person, die in Ausübung hoheitlicher Funktionen eines Bundesstaates der USA (under color of any statute, ordinance, regulation, custom or usage, of any state or territory or the District of Columbia) die Rechtsgüter einer anderen Person verletzt, persönlich haftet. Wer under color of law im Sinne des § 1983 handelt, ist staatlicher Akteur für Belange des ATCA. Als genereller Grundsatz hat sich in der 243
Siehe oben a) (2). Siehe oben Fn. 168. 245 Siehe oben a) (2). 246 In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 501 f. (9th Cir. 1992); Doe v. Karadzic, 866 F. Supp. 734, 739 (S.D.N.Y. 1994). 244
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
Rechtsprechung zu § 1983 durchgesetzt, dass ein Handeln under color of law vorliegt, wenn das Verhalten des Täters dem Staat „fairly attributable“ ist.247 Wenig problematisch erweist sich insoweit das Handeln von staatlichen Bediensteten, welches, soweit es in Amtsausübung begangen wurde, ohne weiteres den Anforderungen des color of law-Kriteriums gerecht wird. Staatliche Bedienstete handeln demnach „staatlich“ für Belange der ATCARechtsprechung und können all jene Völkerrechtsnormen verletzen, die sich an sich nur an die Staaten als solche wenden. Die Tatsache, dass bei Begehung der Tat in aller Regel die offiziellen Befugnisse der Hoheitsträger überschritten werden, kann hierbei keine Rolle spielen, da sonst ein „staatliches“ Handeln in den allermeisten Fällen nicht vorläge.248 Problematischer sind die Fälle, in denen Privatleute, ohne vom Staat angestellt oder zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben vertraglich verpflichtet zu sein, in einem besonderen Näheverhältnis zum Staat stehen. Zur Konkretisierung des color of law-Kriteriums hat der Supreme Court in diesem Bereich vier Fallgruppen herausgearbeitet, in welchen die Beziehung des Staates zur rechtswidrigen Handlung (nexus-Test und joint action-Test) oder seine Beziehung zur handelnden Person (symbiotic relationship-Test) oder die Natur der infrage stehenden Tätigkeit (public function-Test) den Anknüpfungspunkt bilden.249 Nach dem nexus-Test handelt ein Privater under color of law, wenn er sich auf spezifische staatliche Vorgaben beruft oder wenn staatliche Beamte aktiv an der Handlung teilnehmen. Nicht hinreichend ist die generelle staatliche Regulierung eines bestimmten Bereiches sowie das bloße Beobachten oder Billigen eines bestimmten Verhaltens durch staatliche Bedienstete. Ebenso wenig genügen die staatliche Finanzierung oder die vertragliche Beziehung des Staats zur handelnden Privatperson. Nur schwer vom NexusTest abgrenzbar ist der joint action-Test. Hier führen Staat und Privater die entsprechende Handlung gemeinsam aus. Jede Seite muss einen nicht unwesentlichen Tatbeitrag leisten. Einen anderen Ansatzpunkt wählt der symbiotic relationship-Test. Hier wird nicht an das Verhältnis des Staates zur rechtswidrigen Handlung, sondern an sein Verhältnis zur handelnden Partei angeknüpft. Stehen hinter der fraglichen Handlung Rahmenbedingungen, die den Staat in erheblichem Maße funktional und finanziell mit der han247 Gallagher v. Neil Young Freedom Concert, 49 F.3d 1442, 1447 (10th Cir. 1995). 248 Zu diesem ultra vires/color of law paradox, Fitzpatrick, The Future of the Alien Tort Claims Act of 1789: Lessons from in re Marcos Human Rights Litigation, 67 St. John’s L. Rev. 491, 492, 507 f. (1993). 249 Die Rechtsprechung des Supreme Court ist zusammenfassend dargestellt in Gallagher v. Neil Young Freedom Concert, 49 F. 3d 1442, 1447 ff. (10th Cir. 1995).
2. Kap.: Die gesetzlichen Pfeiler
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delnden Person verwoben erscheinen lassen, rechtfertigt dies die Einordnung des privat vorgenommenen Handelns als staatlich.250 Für Belange des ATCA vorstellbar wäre zum Beispiel die vertragliche Einbeziehung eines privaten Investors in ein staatliches Joint Venture, dessen Existenz und Funktionieren sodann wesentlich vom Beitrag des Privaten abhängen. Schließlich soll staatliches Handeln auch dann vorliegen, wenn Private eine Aufgabe erfüllen, die traditionell dem ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Staates unterfällt (public function-Test).251 Dieser Test war bislang nur selten erfüllt, da zwar viele Aufgaben dem Staat traditionell zugewiesen sind, nur wenige aber zugleich in seinen ausschließlichen Zuständigkeitsbereich fallen.252 Positiv entschied der Supreme Court insoweit für die Organisation einer öffentlichen Wahl,253 für die Verwaltung einer in Betriebseigentum stehenden Kleinstadt254 sowie für die Verwaltung eines Stadtparks.255 Für den Bereich des ATCA könnte diese Fallgruppe in den Fällen relevant werden, in denen private Investoren in entlegenen Gebieten eines Landes Rohstoffe fördern. In diesen Fällen sind sie diejenigen, die essentielle Infrastruktur schaffen, Dörfer und Städte entstehen lassen und mit verwalten und folglich Aufgaben wahrnehmen, die zumindest in Teilen als traditionelle und exklusive Staatsaufgabe begriffen werden können.256 Die ursprüngliche Auffassung, wonach über den ATCA nur staatliche Akteure verklagt werden können, wurde mit der Entscheidung in Kadic v. Karadzic257 im Jahre 1995 aufgegeben. Die Richter stellten klar, dass das „moderne Völkerrecht“ („the law of nations, as understood in the modern era“258) sich in bestimmten Fällen auch an die Privatperson wende und dass in diesen Fällen eine ATCA-Klage auch gegen den privaten Akteur möglich sei.259 Das Gericht umschrieb den Kreis der privat begehbaren Delikte unter Rückgriff auf § 404 des Restatement of the Law, welcher den Kreis der Delikte beschreibt, die nach US-amerikanischer Ansicht dem Universalitätsprinzip unterfallen.260 Jedenfalls die dort genannten Delikte, na250
Ebd., S. 1453. Ebd., S. 1456. 252 Flagg Bros., 436 U.S. 149, 158 (1978). 253 Terry v. Adams, 345 U.S. 461, 468 ff. (1953). 254 Marsh v. Alabama, 326 U.S. 501, 505 ff. (1946). 255 Evans v. Newton, 382 U.S. 296, 298 ff. (1966). 256 Tzeutschler, Corporate Violators: The Alien Tort Liability of Transnational Corporations for Human Rights Abuses Abroad, 30 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 359, 392 (1999). 257 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232 (2d Cir. 1995). 258 Ebd., S. 239. 259 Ebd. 260 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 404. 251
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mentlich Piraterie, Sklavenhandel, Flugzeugentführung, Völkermord und Kriegsverbrechen, seien durch Privatpersonen begehbar.261 In der nachfolgenden Rechtsprechung wurde dieser Ansatz bisweilen dahingehend verallgemeinert, dass ein Delikt immer dann privat begehbar sei, wenn es „of universal concern“ ist, wenn es also dem Universalitätsprinzip unterliegt.262 Diese Gleichstellung ist jedoch abzulehnen. Die private Begehbarkeit eines Deliktes ist von seiner universellen Verfolgbarkeit zu trennen. Die Problematik des Ansatzes zeigt sich zum Beispiel im Fall der Folter, die in Filártiga dem Bereich des Universalitätsprinzips zugeordnet263 und gleichzeitig in mehreren Fällen als einer staatlichen Begehung vorbehalten qualifiziert wurde.264 Vorzugswürdig ist es deshalb, direkt auf den Inhalt der völkerrechtlichen Norm abzustellen, das heißt auf die Frage, ob sich diese an die Privatperson wendet oder nicht. (2) Täter und Teilnehmer Staatliche sowie private Akteure können über den ATCA in Anspruch genommen werden, wenn sie das fragliche Delikt selbst begangen haben. Daneben sind sie haftbar, wenn sie die Tatbegehung angeordnet haben. Die Rede ist insoweit von „command responsibility“. Eine entsprechende Verantwortung wird von den Gerichten mehrheitlich ohne diesbezügliche Ausführungen als selbstverständlich zugrunde gelegt.265 Daneben ist es möglich, eine Person für die Unterstützung der Tat eines anderen zu Verantwortung zu ziehen. Es wird insoweit der Begriff der „third party liability“ verwendet. Die grundsätzliche Möglichkeit einer derartigen Gehilfenhaftung ist in der Rechtsprechung ebenfalls weitestgehend anerkannt.266 Es erfolgt insoweit jedoch – anders als für Belange der „command responsibility“ – eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Problematik. Umstritten ist insbesondere, nach welchen Grundsätzen sich die Gehilfenhaftung zu orientieren hat. Vorherrschend erscheint derzeit der Ansatz, wonach auf 261
Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 240 (2d Cir. 1995). Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F. Supp. 362, 370 (E.D. La. 1997); Doe v. Islamic Salvation Front, 993 F. Supp. 3, 7 (D.D.C. 1998); Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 444 (D.N.J. 1999); Bigio v. Coca-Cola, 239 F.3d 440, 448 (2d Cir. 2001); anders Bao Ge v. Li Peng, 201 F. Supp. 2d 14 (D.D.C. 2000): Schwere des Verbrechens als Anknüpfungspunkt für die private Begehbarkeit. 263 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2d Cir. 1980). 264 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 239 (2d Cir. 1995). 265 Siehe z. B. Hilao v. Estate of Marcos, 103 F.3d 789, 795 (9th Cir. 1996); Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 187 ff. (D. Mass. 1995). 266 In re ‚Agent Orange‘ Product Liability Litigation, 2005 WL 729177, *37 ff. (E.D.N.Y.), m. w. N. 262
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die völkerstrafrechtlichen Regeln zur Gehilfenhaftung, die Prinzipien des „aiding and abetting“, zurückzugreifen sei.267 Daneben wird vertreten, es müsse nationales Strafrecht angewendet werden. Vereinzelt wird auch die Anwendung nationalen Deliktsrechts befürwortet.268 Vorzugswürdig erscheint die Anwendung von Völkerstrafrecht. Typischerweise wird insoweit als Argument angeführt, dass das Völkerrecht gegenüber dem nationalen Recht vorzuziehen sei, da nur letzteres die besondere Schwere der Tat angemessen zum Ausdruck bringe.269 Dieses Argument überzeugt nicht. Das Argument der „Schwere der Tat“ wird der Diskussion um die Frage entnommen, ob die Anspruchsgrundlage einer ATCA-Klage aus dem Völkerrecht abzuleiten oder dem gewöhnlichen innerstaatlichen Deliktsrecht zu entnehmen ist.270 Das Argument überzeugt in seinem ursprünglichen Zusammenhang, scheint jedoch für die Rechtswahl im Bereich der Gehilfenhaftung unerheblich. Die besondere Schwere der Menschenrechtsverletzung kommt ebenso zum Ausdruck, wenn die Vorschriften über die Voraussetzungen einer Gehilfenhaftung dem nationalen Rechts entnommen werden. Die Tat nämlich wird nach wie vor durch das völkerrechtliche Delikt, zu dem Beihilfe geleistet wird, charakterisiert. Für eine Anwendung von völkerstrafrechtlichen Prinzipien spricht indes die Dogmatik der ATCA-Rechtsprechung. Nach ihr ist die Primärnorm eines Falles dem Völkerrecht zu entnehmen.271 Das Problem der third party liability ist dem Bereich der Primärnormen zuzuordnen. Die Primärnorm nämlich bestimmt, welches Verhalten verboten ist, wohingegen die Sekundärnorm die Konsequenzen eines Verstoßes gegen das Verbot festlegt. Die Modalitäten einer Gehilfenhaftung bewegen sich in dem Bereich der Primärnorm, da es darum geht, in welchem Umfang eine Unterstützung des Täters verboten ist. Sie sollten deshalb ebenso wie die sonstigen Elemente der Primärnorm dem Völkerstrafrecht entnommen werden. Nach dem mithin vorzugswürdigen völkerstrafrechtlichen Ansatz wird von einer Gehilfenstellung ausgegangen, wenn die dritte Person den Haupttäter wissentlich tatsächlich oder psychisch unterstützt hat und ihre Unterstützung sich wesentlich auf die Tatbegehung ausgewirkt hat.272 267
Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 949 f. (9th Cir. 2002). Ebd., S. 965, concurring opinion des Richters Reinhardt. Er beruft sich insoweit auf eine Entscheidung des Supreme Court, nach der die Lücken eines Bundesgesetzes grundsätzlich durch das Richterrecht des Bundes zu ergänzen sind. Ebenso Doe v. Unocal, 110 F. Supp. 2d 1294, 1307 (C.D. Cal. 2000). 269 Ebd., S. 948 f. 270 Siehe oben a) (1). 271 Ebd. 272 Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 947 (9th Cir. 2002): „We hold that the standard for aiding and abetting under the ATCA is [. . .] knowing practical assistance or encouragement that has a substantial effect on the perpetration of the crime.“ 268
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
Zum Teil wird vertreten, dass der under color of law-Test (siehe oben (1)) die grundsätzliche Zurechnungsregel sei, die bei privat begehbaren Delikten durch die Sondervorschriften zum „aiding and abetting“ verdrängt werde273. Dieser Ansatz ist jedoch ungenau. Der under color of law-Test und der aiding and abetting-Test behandeln jeweils unterschiedliche Fragestellungen. Ersterer soll bestimmen, ob eine Privatperson so eng mit dem Staat verbunden ist, dass sie als staatlicher Akteur bezeichnet werden kann. Er ist daher auch dann anzuwenden, wenn die jeweilige Tat vollumfänglich seitens der Privatperson ausgeführt wurde. Er hat mit Fragen der Beihilfe nichts zu tun. Der aiding and abetting-Test hingegen soll überprüfen, ob eine Person, die nicht unmittelbare Täterin ist, so eng mit der Tat verbunden ist, dass hieraus ein Unrechtsvorwurf resultiert. Er kann bei privat begehbaren Delikten ebenso wie bei staatlich begehbaren Delikten relevant werden. Für den Fall, dass ein staatlicher Akteur Beihilfe zu einem staatlich begehbaren Delikt leistet, sind die Grundsätze des „aiding and abetting“ anzuwenden. Soweit es um die Frage geht, ob eine Privatperson bei der Begehung eines nur staatlich begehbaren Delikts Beihilfe geleistet hat, sind der under color of law- und der aiding and abetting-Test einschlägig. Eine gewisse Stütze erfährt der zuvor dargelegte Ansatz freilich durch die Rechtsprechung. Diese behandelte Fälle, in denen es um die Haftung privater Gehilfen für nur staatlich begehbare Delikte ging, bislang lediglich nach den Grundsätzen der under color of law-Rechtsprechung.274 Seinen Grund hat dies wohl darin, dass in den konkreten Fällen bezüglich der Eigenschaft als staatlicher Akteur der joint action-Test angewendet wurde. Dessen Anforderungen sind sehr weitgehend. Er verlangt ein gemeinsames Handeln. Liegt ein solches vor, sind in der Regel auch die Anforderungen des aiding and abetting-Tests erfüllt. Es ist davon auszugehen, dass den Gerichten vor diesem Hintergrund eine separate Behandlung der Beihilfeproblematik entbehrlich erschien. (3) Natürliche und juristische Personen Traditionell wurde die ATCA-Klage vornehmlich als Klage gegen natürliche Personen wahrgenommen. Dies änderte sich im Jahre 1997 mit der Entscheidung im Fall Doe v. Unocal. Dort wandte das Gericht den ATCA erstmals auf einen multinationalen Konzern an.275 Von Bedeutung ist Doe 273
So für den Bereich von Klagen gegen multinationale Unternehmen Gaedtke, Der US-amerikanische Alien Tort Claims Act und der Fall Doe v. Unocal, ArchVölkR 42 (2004), S. 240, 252 ff. 274 National Coalition Government of Burma v. Unocal, 176 F.R.D. 329, 345 ff. (C.D. Cal. 1997); Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Company, 2002 WL 319887 (S.D.N.Y.), *12 ff.
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v. Unocal insofern als er die Möglichkeit einer Klage gegen multinationale Unternehmen ins Bewusstsein der Anwälte und Kläger rief. Er löste eine Klagewelle gegen multinationale Konzerne aus276 und führte zu der Ausdehnung des ATCA auf den Bereich der internationalen Wirtschaft. In rein rechtlicher Hinsicht ist Doe v. Unocal als Anwendung des ATCA auf eine juristische Person des Privatrechts zu qualifizieren und als solches keine Neuheit. Bereits frühere Entscheidungen hatten den ATCA in dieser Weise angewendet. Beispiele sind insoweit die Fälle Benjamins v. British European Airways277 und Amlon Metals, Inc. v. FMC Corp.278 In beiden Fällen wurde die Anwendbarkeit des ATCA auf juristische Personen des Privatrechts als selbstverständlich zugrunde gelegt. Die Gerichte gingen auf die völkerrechtlichen Grundlagen einer solchen Ausdehnung des ATCA nicht ein.279 d) Der Vorbehalt richterlicher Vorsicht bei Anwendung des ATCA Gemäß der Entscheidung des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain steht die Anwendung des ATCA unter einem umfassenden Vorbehalt richterlicher Vorsicht (judicial caution).280 Der Supreme Court begründet dies mit Argumenten der Gewaltenteilung. Er verweist insoweit zum einen auf die Vorrechte der Exekutive und der Legislative im Bereich der Außenpolitik.281 Die HRL sei angesichts ihrer extraterritorialen Ausrichtung geeignet, außenpolitische Komplikationen hervorzurufen. Sie könne so den Gestaltungsspielraum der in diesem Bereich primär zuständigen Gewalten einschränken. Dies müsse durch ein vorsichtiges Verhalten der Gerichte möglichst verhindert werden. 275 Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880 (C.D. Cal. 1997); National Coalition Government of the Union of Burma v. Unocal Inc., 176 F.R.D. 329, 349 (C.D. Cal. 1997). 276 Siehe z. B. Jota v. Texaco Inc., 157 F.3d 153 (2d Cir. 1998); Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 197 F.3d 161 (5th Cir. 1999); Burger-Fischer v. Degussa, 57 F. Supp. 2d 248 (D.N.J. 1999); Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424 (D.N.J. 1999); Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2d Cir. 2000). 277 Benjamins v. British European Airways, 572 F.2d 913 (2d Cir. 1978). 278 Amlon Metals, Inc. v. FMC Corp, 775 F. Supp. 668 (S.D.N.Y. 1991). 279 Wie noch darzustellen sein wird, finden sich keine völkergewohnheitsrechtlichen Normen, die sich unmittelbar an die juristische Person des Privatrechts wenden. Zu erklären ist die Anwendung des ATCA auf juristische Personen des Privatrechts daher nur über die Vermengung völkerrechtlicher Vorgaben mit nationalen Rechtsstrukturen, ausführlich hierzu unten Teil II, 3. Kapitel, II. 2. 280 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2762 (2004). 281 Ebd., S. 2763.
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
Als Aspekt der Gewaltenteilung führt der der Supreme Court zum anderen die seit der Erie-Rechtsprechung offiziell veränderte Konzeption vom Richterrecht (die wohlgemerkt für die dogmatische Konstruktion des ATCA unerheblich war282) an. Nach ihr dürfe Richterrecht nunmehr grundsätzlich nicht ohne legislative Autorisierung geschaffen werden.283 Eine solche Autorisierung besitze das Gericht hinsichtlich des ATCA aber nicht. Insbesondere der TVPA, das Gesetz welches 1992 in Anlehnung an den ATCA erlassen wurde,284 könne diese nicht liefern. Der TVPA befasse sich lediglich mit Folter und außergerichtlicher Tötung. Er könne den ATCA mithin nur insoweit, nicht jedoch generell legitimieren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des TVPA. Zwar existiere eine Stellungnahme des Repräsentantenhauses, in der es heiße: „[S]ection 1350 has other important uses and should not be replaced.“285 Hieraus lasse sich jedoch keine generelle legislative Autorisierung des ATCA ableiten. Der Bericht des Repräsentantenhauses könne für sich genommen die Auslegung des ATCA nicht entscheidend bestimmen. Es handle sich lediglich um die Stellungnahme einer der beiden Kammern der US-amerikanischen Legislative. Der Senat bzw. der Kongress als Ganzer habe sich insoweit nicht affirmativ ausgesprochen.286 Insbesondere der Senat lasse vielmehr im Gegenteil durchgehend erkennen, dass er eine Anwendung internationaler Menschenrechte durch die US-Gerichte nicht befürworte. Dies zeige sich zum Beispiel daran, dass er den IPBPR als nicht „self executing“ deklariert und somit einer richterlichen Anwendung vorenthalten habe.287 Diese Argumente des Supreme Court überzeugen nicht. Zum einen betrifft die angeführte Vorgehensweise des Senats das Völkervertrags- und nicht das Völkergewohnheitsrecht. Mit diesem Unterschied setzt sich der Supreme Court indes nicht auseinander. Zum anderen hätte es dem Senat bzw. dem Kongress anheim gestanden, der Aussage des Repräsentantenhauses zu widersprechen. Dies hätte bei Ablehnung des Ansatzes des Repräsentantenhauses nahe gelegen, da der ATCA und seine moderne Auslegung bereits zur Zeit des Erlasses des TVPA umstritten waren und dem Erlass des TVPA jahrelange Debatten vorausgegangen waren.288 Ein solcher Widerspruch erfolgte jedoch nicht. Ganz im Gegenteil enthält auch der Bericht des Senats zum TVPA Stellungnahmen, die auf eine Unterstüt282
Vgl. oben a) (1). Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2762 (2004). 284 Näher hierzu unten II. 285 H.R. Rep. No. 367, S. 3 (1992). 286 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2763 (2004). 287 Ebd. 288 Vgl. Bradley/Goldsmith, The Current Illegitimacy of International Human Rights Litigation, 66 Fordham L. Rev. 319, 367 (1997). 283
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zung der ATCA-Rechtsprechung hindeuten. So findet sich insbesondere die vorgenannte Aussage („[S]ection 1350 has other important uses and should not be replaced“) auch in den Berichten des Senats.289 Worin konkret sich die nach Ansicht des Supreme Court gebotene richterliche Vorsicht äußern solle, lässt dieser nur ansatzweise erkennen. Hierher gehören die bereits in anderem Zusammenhang erwähnten qualifizierten Anforderungen an die hinreichende Definiertheit einer Norm des Völkergewohnheitsrechts: das Vorliegen eines Definitionsgrades, der zumindest dem der ursprünglich vom ATCA erfassten Normen entspricht, sowie die Beachtung der praktischen Konsequenzen der Einordnung einer Norm als Völkergewohnheitsrecht.290 Ferner sollen die Gerichte bei ihren Entscheidungen Hinweise des Gesetzgebers („legislative guidance“) beachten.291 Das Gericht gibt im Folgenden jedoch nicht zu erkennen, inwiefern dies geschehen soll.292 Losgelöst vom Erfordernis der Berücksichtung der Hinweise des Gesetzgebers führt der Supreme Court weiter aus, Fälle seien nur anzunehmen, nachdem sämtliche verfügbaren Rechtsmittel im Heimatstaat des Opfers bzw. am Ort des Geschehens erfolglos erschöpft worden seien.293 Unter Umständen sollten auch andere Fora, wie zum Beispiel internationale claims tribunals, vorrangig angerufen werden. Schließlich solle den Stellungnahmen der Exekutive zur außenpolitischen Relevanz eines konkreten Falles ernsthaftes Gewicht, „serious weight“, gegeben werden.294 Noch offen ist, wie sich der Aufruf zu „richterlicher Vorsicht“ in der Praxis niederschlagen wird. Grundlegende Veränderungen sind insoweit nicht zu erwarten. Zwar stellt die Supreme Court qualifizierte Anforderungen an 289
S. Rep. No. 249, S. 4 (1991). Siehe oben b) (3) (a). 291 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2762 (2004). 292 Vorstellbar wäre es insoweit, dass die Gerichte solche Rechtsverletzungen vom Bereich des ATCA ausnehmen sollen, die zugleich in völkerrechtlichen Verträgen enthalten sind, die der Senat für „not self executing“ erklärt hat, um so deren innerstaatliche Relevanz für den individuellen Rechtsschutz zu verhindern. Ein entsprechendes Verständnis entspräche der Auffassung des Supreme Court, wonach ein Rückschluss vom legislativen Willen betreffend völkerrechtliche Verträge auf den legislativen Willen im Hinblick auf das Völkergewohnheitsrecht möglich sein soll (vgl. oben bei Fn. 287). Gegen eine derartige Auslegung des Aufrufs zur Beachtung von „legislative guidance“ spricht jedoch, dass der Supreme Court sich in Sosa v. Alvarez-Machain ausführlich mit dem Delikt der willkürlichen Festnahme befasst (ebd., S. 2768 f.). Dieses ist in Art. 9 Abs. 1 S. 2 des IPBPR enthalten, welcher vom Senat für „not self executing“ erklärt wurde. Die ausführliche Auseinandersetzung des Supreme Court mit den völkergewohnheitsrechtlichen Quellen bezüglich des Delikts der willkürlichen Festnahme wäre entbehrlich, würde dessen Einklagbarkeit bereits an der Einstellung des Senates hinsichtlich des IPBPR scheitern. 293 Ebd., S. 2766, Fn. 21. 294 Ebd. 290
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die hinreichende Definiertheit einer Norm des law of nations. Dessen grundlegende Definition bleibt jedoch identisch. Es erscheint freilich möglich, dass die Gerichte angesichts des höchstrichterlichen Aufrufes zu besonderer Vorsicht die Subsumtion unter die dreigliedrige Definition des law of nations zukünftig mit größerer Sorgfalt vornehmen werden. Bisher waren die diesbezüglichen Darstellungen der Gerichte, wie bereits ausgeführt, regelmäßig unzureichend.295 Abzuwarten ist ferner, inwieweit sich der Zusatz, man müsse die praktischen Folgen bedenken, die sich aus der individuellen Einklagbarkeit einer völkerrechtlichen Norm ergeben könnten, auswirken wird. Der gleichzeitige Aufruf, man müsse darauf drängen, dass zunächst die Rechtsmittel im Tatortstaat erschöpft worden seien, bringt ebenfalls wenig Neues. Der Supreme Court bezieht sich bei Bezugnahme auf das Gebot zur vorherigen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel auf völkerrechtliche Prinzipien. Nach diesen besteht ein entsprechendes Gebot aber nur, sofern in dem fraglichen Staat wirksame Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen.296 Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Oft ist im Heimatstaat von Täter und Verletztem eine Klage explizit ausgeschlossen (zum Beispiel durch ein Amnestie-Gesetz297) oder de facto unmöglich, da die Täter unter dem Schutz der Regierung stehen und diese in der Lage ist, Einfluss auf die Gerichte auszuüben. Viele Kläger befinden sich ferner nur deshalb in den USA, weil die Situation in ihrem Heimatland sie dazu zwang, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr zwecks Klageerhebung sähen sie sich oft lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt.298 Zu berücksichtigen ist außerdem – wie seitens des Supreme Court in anderem Zusammenhang vorgegeben – die zumindest insoweit existierende „legislative guidance“. Im Senatsbericht zum Erlass des TVPA heißt es hinsichtlich des dort vorgesehenen Erfordernisses der vorherigen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel: „[T]he committee recognizes that in most instances the initiation of litigation under this legislation will be virtually prima facie evidence that the claimant has exhausted his or her remedies in the jurisdiction in which the torture occured.“299 Es ist nicht ersichtlich, warum diese legislative Wertung nur im Bereich des TVPA und nicht auch für den ATCA gelten sollte. Soweit der Supreme 295
Siehe oben b) (3) (a). Ipsen (Epping/Gloria), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 24, Rn. 40. 297 So z. B. in Chile, siehe Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 217 (2001). 298 Cleveland, Global Labor Rights and the Alien Tort Claims Act, 76 Tex. L. Rev. 1533, 1577 (1998); Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 153. 299 S. Rep. No. 249, S. 9 f. (1991). 296
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Court gleichzeitig auf andere Fora, wie zum Beispiel internationale claims tribunals, hinweist, erscheint die praktische Relevanz dieses noch dazu recht vagen Verweises, gering. Es bleibt der Aufruf, den Stellungnahmen der Exekutive erhebliche Bedeutung beizumessen. Auch hieraus ergibt sich nichts grundlegend Neues. Im US-Recht existieren richterrechtliche Lehren, wie zum Beispiel die political questions-Doktrin, die es den Gerichten nahe legen, in Fällen mit erheblicher politischer Bedeutung von einer Entscheidung abzusehen.300 Die Gerichte fordern die Exekutive in diesen Fällen auf, eine Stellungnahme abzugeben; die Exekutive ist daneben gleichfalls berechtigt, aus eigenen Stücken Stellung zu beziehen. Die Erklärungen der Exekutive werden als statement of interest oder amicus curiae bezeichnet.301 Sie dienen dem Zweck, den Gerichten in den fraglichen Fällen die faktischen Grundlagen für die Beurteilung der politischen Relevanz des konkreten Falles zu liefern. Den Vorgaben der Exekutive kommt erhebliches Gewicht zu, sie sind aber nicht bindend.302 Bereits frühere Entscheidungen des Supreme Court befassten sich mit der Bedeutung exekutiver Stellungnahmen. Sie hoben hervor, dass diese Stellungnahmen die Justiz nicht zum bloßen Handlanger der Exekutive machen dürften303 und dass der Exekutive jedenfalls im Falle einer offensichtlich konträren Beweislage nicht gefolgt werden dürfe.304 Dieser Ansatz gilt auch nach Alvarez-Machain fort. Der Aufruf des Supreme Court zu besonderer Vorsicht könnte sich – innerhalb des dargelegten Rahmens – in einer nunmehr verstärkten Rücksichtnahme auf exekutive Vorgaben niederschlagen. Dies könnte für die unmittelbare Zukunft zu einer Einschränkung der HRL führen, da die Regierung unter George W. Bush bislang HRL-Klagen ablehnend gegenüber stand.305 Dies gilt insbesondere für Klagen gegen multinationale Unternehmen, gegen die sich die derzeitige USRegierung in besonderem Maße wendet. Auf lange Sicht könnte eine verstärkte Rücksichtnahme auf exekutive Vorgaben die Konstanz der HRL verringern und ihre Abhängigkeit von den politischen Rahmenbedingungen des 300
Näher hierzu unten, Teil II, 1. Kapitel, II. 1. a) (2). Vgl. hierzu allgemein Hirte, Der amicus-curiae – das amerikanische Modell und die deutschen Parallelen, ZZP, 104. Bd., S. 11, 14 (1991). 302 Hirte, ebd., S. 30. 303 First National City Bank v. Banco Nacional de Cuba, 406 U.S. 759, 773 (Justice Douglas, concurring): „Otherwise, the Court becomes a mere errand boy for the Executive Branch [. . .].“ 304 Washington Post Co. v. U.S. Dept. of State, 840 F.2d 26, 36 f. (1988): „[W]hatever weight the Department as a presumed expert in the foreign relations field is able to garner, deference cannot extend to blatant disregard of countervailing evidence.“ 305 Siehe hierzu Stephens, Upsetting Checks and Balances: The Bush Administration’s Effort to Limit Human Rights Litigation, 17 Harv. Hum. Rts. J. 169 (2004). 301
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Landes erhöhen. Die Bereitschaft des Außenministeriums, zugunsten der HRL außenpolitische oder wirtschaftliche Risiken in Kauf zu nehmen, variierte nämlich bislang von Regierung zu Regierung. Eine Analyse der Stellungnahmen der Exekutive im Zeitraum zwischen 1980 und heute lässt erkennen, dass demokratische Regierungen der HRL tendenziell offener gegenüber stehen als republikanische.306 So hatte sich die demokratische Regierung unter Carter im Fall Filártiga ausdrücklich hinter ein Tätigwerden des Gerichtes gestellt.307 Die republikanische Regierung unter Reagan plädierte im Fall Trajano v. Marcos308 hingegen für eine Beschränkung des ATCA auf Fälle, in denen die USA in irgendeiner Weise für die streitgegenständliche Völkerrechtsverletzung zur Verantwortung gezogen werden könnten.309 Unter dem Demokraten Clinton wurde im Fall gegen Karadzic der Standpunkt der Carter-Regierung aufgegriffen.310 Auch im Fall National Coalition Government of the Union of Burma v. Unocal Inc. stand die Clinton-Regierung einer Klage nicht entgegen.311 In den NS-Zwangsarbeiter Fällen gegen deutsche Unternehmen hingegen wurde für eine Abweisung der Klagen plädiert.312 Angesichts der außerordentlichen außenpolitischen Relevanz der Fälle sollte hieraus jedoch noch nicht auf eine grundsätzlich geringe menschenrechtliche Risikobereitschaft der Clinton-Regierung geschlossen werden. Die jetzige Bush-Regierung hat sich unter anderem in den Fällen Doe v. Liu Qi313 und Doe v. ExxonMobil314 für eine Klageabweisung ausgesprochen. Auch im Fall Doe v. Unocal wirkte sie auf eine Klageabweisung hin.315 306 Vgl. Tolley, Interest Group Litigation to Enforce Human Rights: Confronting Judicial Restraint, in: Lopez/Stohl (Hrsg.), World Justice? U.S. Courts and International Human Rights, S. 123, 138 f. 307 Siehe Memorandum for the United States Submitted to the Court of Appeals for the Second Circuit in Filártiga v. Peña-Irala, 19 I.L.M. 585 (1980). 308 Trajano v. Marcos, 878 F.2d 1439 (9th Cir. 1989). 309 Memorandum for the United States as Amicus Curiae, Text in Westlaw, 1989 WL 76894. 310 Siehe Statement of Interest for the United States, in Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232 (2d Cir. 1995) sowie Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 19 f. 311 National Coalition Government of the Union of Burma v. Unocal Inc., 176 F.R.D. 329, 362 (C.D. Cal. 1997). 312 Näher hierzu unten Teil IV, 1. Kapitel, II. 1. 313 Hier verklagen Anhänger der Falun Gong-Sekte den Bürgermeister der Stadt Peking für Menschenrechtsverletzungen, die angeblich unter seiner Aufsicht begangen wurden, siehe 2004 WL 2901626 (N.D. Cal.). 314 Im Fall verklagen elf Indonesier ExxonMobil für Menschenrechtsverletzungen des indonesischen Militärs, welches von ExxonMobil zur Sicherung eigener Projekte in Indonesien angestellt worden war. Die Stellungnahme des Außenministeriums ist einsehbar unter http://www.laborrights.org/.
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Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass jedenfalls die klassischen ATCA-Klagen nach wie vor Erfolg haben werden. Als klassische ATCAKlagen sind jene Fälle anzusehen, in denen natürliche Personen für Delikte wie zum Beispiel Folter, außergerichtliche Tötung oder das Verschwindenlassen von Personen zur Verantwortung gezogen werden. Der Supreme Court bezieht insoweit zwar nicht ausdrücklich Stellung. Er erwähnt jedoch billigend Entscheidungen, die Sklaverei, Piraterie, Folter, außergerichtliche Tötung und das Verschwindenlassen von Personen dem Völkergewohnheitsrecht zuordneten. Andererseits ist anzunehmen, dass Klagen, die umwelt-, frauen- und arbeitsrechtsspezifische Delikte geltend machen, weitestgehend erfolglos bleiben werden. Diese Klagen waren bereits in der bisherigen ATCA-Rechtsprechung erfolglos. Eine fundierte Analyse des Völkerrechts würde ihre Erfolgsaussichten zusätzlich schmälern.
II. Der Torture Victim Protection Act (TVPA) Der TVPA316 schafft eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für die Tatbestände der Folter und der außergerichtliche Tötung. Er enthält keine Vorschrift, die die Zuständigkeit der Bundesgerichte begründen würde. Die Gerichte greifen insoweit auf die general federal question jurisdiction317 oder den ATCA318 zurück. Anders als der ATCA kann der TVPA nicht nur von Ausländern, sondern gleichermaßen von Staatsangehörigen der USA geltend gemacht werden. Der TVPA wurde im März 1992 erlassen. Der Bericht des Senatsausschusses führte zunächst aus, der TVPA solle die Intention der 1984 verabschiedeten Folterkonvention verwirklichen, welche die Vertragsstaaten in Art. 14 zur Entschädigung von Folteropfern verpflichte.319 Der Senat selbst relativierte diesen Standpunkt jedoch in einer späteren Erklärung, nach welcher das Gesetz nicht als Ausführung der Folterkonvention zu verstehen sei, da letztere die Vertragsstaaten nur zur Entschädigung solcher Verletzungen verpflichte, die auf eigenem Staatsgebiet vorgenommen wurden,320 der TVPA aber vornehmlich solche Taten behandle, die außerhalb US-amerikanischen Territoriums stattfänden. Der TVPA ist mithin vor dem generel315 Die Stellungnahmen der US-Regierung sind einsehbar unter http://earth rights.org/unocal/index.shtml. 316 Pub. L. No. 102-256, kodifiziert als Anmerkung zu 28 U.S.C. § 1350. 317 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 178 (D. Mass. 1995). Zur general federal question jurisdiction siehe unten IV. 318 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 246 (2d Cir. 1995), Zuständigkeitsbegründung über 28 U.S.C. § 1331 oder den ATCA. 319 S. Rep. No. 249, S. 3 (1991). 320 Siehe 136 Cong. Rec. S17486, S17492 (1990).
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len Hintergrund der Folterkonvention, nicht jedoch als deren Ausführung zu verstehen. Über ihn sollte der zivilrechtliche Menschenrechtsschutz, der unter dem ATCA nur Ausländern zuteil wurde, auf US-Bürger ausgedehnt werden.321 Zum Teil wird auch gemutmaßt, der TVPA sollte einen Grundbestand der HRL für den Fall absichern, dass der Supreme Court den ATCA in seiner modernen Auslegung für verfassungswidrig befinden sollte. 1. Der Tatbestand des TVPA Die wesentlichen Bestimmungen des TVPA lassen sich seinem § 2 entnehmen. Dort heißt es: Sec. 2. Establishment of civil action. (a) Liability. – An individual who, under actual or apparent authority, or color of law, of any foreign nation – (1) subjects an individual to torture shall, in a civil action, be liable for damages to that individual; or (2) subjects an individual to extrajudicial killing shall, in a civil action, be liable for damages to the individual’s legal representative, or to any person who may be a claimant in an action for wrongful death. (b) Exhaustion of remedies. – A court shall decline to hear a claim under this section if the claimant has not exhausted adequate and available remedies in the place in which the conduct giving rise to the claim occurred. (c) Statute of limitations. – No action shall be maintained under this section unless it is commenced within 10 years after the cause of action arose.
Der individuelle Täter, der einen anderen mit der Autorisierung eines ausländischen Staates foltert oder tötet, kann demnach binnen einer Frist von 10 Jahren in den USA auf Schadensersatz verklagt werden. Der Kläger muss zuvor den Rechtsweg am Ort der Tatbegehung erschöpft haben. Die Beschränkung des TVPA auf individuelle Beklagte bringt es mit sich, dass ausländische Staaten, deren selbständige Unterteilungen sowie andere politische Einheiten staatlichen Zuschnitts nicht über ihn verklagt werden können. Im Fall Beanal v. Freeport-McMoRan wurde auch die juristische Person des Privatrechts vom Anwendungsbereich des TVPA ausgeschlossen. Das Gericht berief sich insoweit auf den natürlichen Wortsinn des Wortes „individual“.322 Das über den TVPA verklagte Individuum muss mit der Autorisierung eines ausländischen Staates gehandelt haben.323 US-amerikanische Hoheits321
H.R. Rep. No. 367, S. 4 (1991). Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F. Supp. 362, 382 (E.D. La. 1997). 323 Der ausländische Staat muss nicht von den USA anerkannt sein, Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 245 (2d Cir. 1995). Es genügt, dass er die völkerrechtlichen 322
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akte können folglich nicht Gegenstand einer auf den TVPA gestützten Klage sein. Der TVPA spezifiziert in § 2 (a) das Verhältnis, welches zwischen ausländischem Staat und handelndem Individuum bestehen muss. Erfasst ist demnach ein Handeln „under actual or apparent authority“ sowie ein Handeln „under color of law“. Hinsichtlich des Handelns „under actual or apparent authority“ verweist der Bericht des Repräsentantenhauses auf die Grundsätze des US-amerikanischen Rechts der Stellvertretung.324 Ein Handeln „under actual authority“ verlangt demnach die Willensübereinstimmung zwischen Geschäftsherr und Stellvertreter, ein Handeln im Namen des Geschäftsherrn sowie die Kontrolle des Geschäftsherrn über das Handeln des Stellvertreters.325 Im Fall der „apparent authority“ kann der Stellvertreter den Geschäftsherrn auch ohne dessen Willen binden, wenn ein vernünftiger Geschäftspartner annehmen konnte und auch im Fall tatsächlich annahm, sein Gegenüber handle mit Billigung des Geschäftsherrn.326 Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen der Rechtsschein einer wirksamen Vertretung vom Geschäftsherrn zurechenbar gesetzt wurde.327 Zur Auslegung des under color of law-Kriteriums ist nach den Gesetzgebungsmaterialien auf das nationale Recht zur Haftung staatlicher Akteure, konkret auf die Rechtsprechung zu 42 U.S.C. § 1983, zurückzugreifen.328 Es ist insoweit auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen zu verweisen.329 2. Das Verhältnis des TVPA zum ATCA Zum Verhältnis des TVPA zum ATCA werden verschiedene Meinungen vertreten. Zum Teil wird behauptet, ATCA und TVPA stünden in einem Verhältnis der Exklusivität. Seit Erlass des TVPA seien Klagen wegen Folter oder außergerichtlicher Tötung exklusiv auf den TVPA zu stützen. Der ATCA besitze Relevanz nur noch hinsichtlich anderweitiger Delikte. Begründet wird dies damit, dass widrigenfalls die einschränkenden Merkmale des TVPA, das Verjährungsregime sowie das Erfordernis vorangehender Rechtswegerschöpfung, über den ATCA umgangen werden könnten.330 Anforderungen an die Staatlichkeit (Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt) erfüllt, ebd. Zu den Voraussetzungen der Staatlichkeit siehe Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987), § 201. 324 H.R. Rep. No. 367, S. 5 (1992). 325 Restatement (Second) of the Law of Agency (1958) § 1. 326 Ebd., § 8. 327 Ebd., § 27. 328 H.R. Rep. No. 367, S. 5 (1992); S. Rep. No. 249, S. 8 (1991). 329 Siehe oben I. 2. c) (1). 330 Haffke, The Torture Protection Act: More Symbol Than Substance, 43 Emory L.J. 1468, 1482 (1991).
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Mehrheitlich wird diese Ansicht zu Recht abgelehnt. So wenden insbesondere die Gerichte ATCA und TVPA durchgängig nebeneinander an.331 Bereits die Materialien zur Entstehung des TVPA deuten auf ein Nebeneinander von ATCA und TVPA. So heißt es im Bericht des Repräsentantenhauses sowie im Bericht des Senats: „[S]ection 1350 has other important uses and should not be replaced.“332 Im Übrigen stützt bereits die Grundregel des US-amerikanischen Rechts, wonach ein späteres Gesetz im Zweifel nicht als Beschränkung eines früheren Gesetzes zu verstehen ist, die Ansicht von der Parallelität von ATCA und TVPA.333 Dieser Zweifelssatz muss hier Anwendung finden, da weder ausdrückliche noch implizite Hinweise auf eine Exklusivität von ATCA und TVPA vorliegen. Auch der Supreme Court ging in Sosa v. Alvarez-Machain334 implizit davon aus, dass der ATCA uneingeschränkt neben dem TVPA anwendbar sei. ATCA und TVPA sind mithin parallel anwendbar. Die rein rechtliche Relevanz des TVPA beschränkt sich vor diesem Hintergrund auf die Ermöglichung von Klagen von US-Bürgern. Bei Klagen von Ausländern ist der ATCA, der weniger strenge Voraussetzungen aufstellt, vorzuziehen. Gleichwohl werden auch in Klagen von Ausländern ATCA und TVPA regelmäßig nebeneinander geltend gemacht. Dies hat seinen Grund darin, dass der TVPA den Gerichten durch seine klaren Definitionen im Bereich von Folter und außergerichtlicher Tötung den Zugang zum Völkerrecht erleichtert. Er nimmt ihnen die Aufgabe ab, aus dem formlosen Rechtskörper des Völkergewohnheitsrechts eine im konkreten Fall anwendbare Norm herauszukristallisieren. Es ist deshalb vorstellbar, dass ein Gericht einer Klage über den TVPA eher als einer Klage über den ATCA stattgibt. Darüber hinaus können gerichtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der FilártigaRechtsprechung abgeschwächt werden, indem durch die parallele Geltendmachung des TVPA ins Gedächtnis gerufen wird, dass der TVPA-Gesetzgeber – nach hier vertretener Auffassung – die moderne Auslegung des ATCA durch den Erlass des TVPA legitimiert hat.335
331 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 2002 WL 319887, *4 (S.D.N.Y.) m. w. N. 332 H.R. Rep. No. 367, S. 3 (1991); S. Rep. No. 249, S. 4 (1991). 333 Eskridge/Frickey, Cases and Materials on Legislation: Statutes and the Creation of Public Policy, S. 801 f. 334 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). 335 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 159. Dies freilich ist umstritten, siehe oben I. d).
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III. Der Foreign Sovereign Immunities Act (FSIA) Der FSIA336 aus dem Jahre 1976 enthält das US-amerikanische Recht der Staatenimmunität. Der Kongress bezweckte mit dieser umfassenden Kodifizierung die gesetzliche Festlegung der USA auf das Model der restriktiven Immunität.337 Gemäß dem Grundsatz der restriktiven Immunität unterliegen Hoheitsakte (acta iure imperii), nicht aber nicht-hoheitliche, erwerbswirtschaftliche Akte (acta iure gestionis) der Staatenimmunität.338 Zugleich sollte durch den FSIA die bis dahin vorherrschende Praxis beendet werden, nach der die Gerichte hinsichtlich der Staatenimmunität an die Vorgaben der Exekutive gebunden waren. Die Immunitätsentscheidung sollte auf eine rechtliche Grundlage gestellt und von Erwägungen der außenpolitischen Zweckmäßigkeit befreit werden. Ausländische Staaten sollten so größere Rechtssicherheit erhalten.339 Der FSIA legt fest, dass ausländische Staaten vor US-amerikanischen Gerichten grundsätzlich immun sind.340 Von dieser grundsätzlichen Immunität sind innerhalb des FSIA zahlreiche Ausnahmen vorgesehen.341 Diese Ausnahmen sind doppelfunktional angelegt. Sie heben die Immunität des ausländischen Staates auf und begründen die Zuständigkeit der Bundesgerichte.342 1. Die Ausnahmen vom Grundsatz der Staatenimmunität a) Inlandsdelikte Nach § 1605 (a) (5)343 steht ein ausländischer Staat immer dann nicht unter dem Schutz der Immunität, wenn ihm ein Inlandsdelikt angelastet wird. 336
28 U.S.C. §§ 1602 ff. H.R. Rep. No. 1487, S. 7 (1976). 338 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 26, Rn. 18. 339 H.R. Rep. No. 1487, S. 8 (1976). 340 28 U.S.C. § 1604. 341 28 U.S.C. §§ 1604, 1605 ff. 342 28 U.S.C. § 1330 (a). 343 § 1605 (a) (5): (a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – (5) not otherwise encompassed in paragraph (2) above, in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death, or damage to or loss of property, occurring in the United States and caused by the tortious act or omission of that foreign state or of any official or employee of that foreign state while acting within the scope of his office or employment; except this paragraph shall not apply to – (A) any claim based upon the exercise or performance or the failure to exercise or perform a discretionary function regardless of whether the discretion be abused, or 337
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Sowohl die Handlung als auch der Verletzungserfolg müssen hierbei in den USA erfolgt sein.344 Verlangt wird zusätzlich, dass der ausführende Täter „within the scope of his office or employment“ gehandelt hat. § 1605 (a) (5) sollte vor allem das Problem der durch Diplomatenfahrzeuge verursachten Autounfälle erfassen.345 Die Relevanz des § 1605 (a) (5) für den Bereich der HRL ist gering. Typischerweise begeht der ausländische Staat Menschenrechtsverletzungen auf eigenem Staatsgebiet. Nur in den seltenen Fällen, in denen der Staat sein Opfer in die USA verfolgt und dort die Menschenrechtsverletzung vornimmt, kann § 1605 (a) (5) greifen. So wurde zum Beispiel in Letelier v. Republic of Chile346 der Staat Chile für die in Washington D.C. vorgenommene Ermordung eines ehemaligen chilenischen Diplomaten durch den chilenischen Geheimdienst zur Verantwortung gezogen. In Liu v. Republic of China347 ging es um die in Kalifornien ausgeführte Tötung eines chinesischen Journalisten im Auftrag des chinesischen Geheimdienstes.348 Erfolglos waren hingegen Fälle, in denen versucht wurde, Delikte, die auf dem Gebiet der im Iran befindlichen US-Botschaft vorgefallen waren, unter § 1605 (a) (5) zu subsumieren. Dies lag nahe, da die USA für Belange des § 1605 (a) (5) in § 1603 (c) als „all territory [. . .] subject to the jurisdiction of the United States“ definiert sind. Die Gerichte gaben dem klägerischen Vortrag insoweit Recht, als sie eingestanden, dass die USA auf dem Gebiet ihrer Botschaften Hoheitsgewalt ausübten und somit der Wortlaut des § 1603 erfüllt sei. Zugleich betonten sie aber, dass sich eine derartige Interpretation des Gesetzes in Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers setzen würde. Dieser habe mit Erlass des FSIA das Immunitätsrecht der USA mit den Vorgaben des Völkerrechts in Einklang bringen wollen. Das Völkerrecht anerkenne eine Immunitätsausnahme aber nur für jene Delikte, die auf eigenem Staatsgebiet vorgenommen würden; Staatsgebiet aber sei das Botschaftsgelände nicht.349 (B) any claim arising out of malicious prosecution, abuse of process, libel, slander, misrepresentation, deceit, or interference with contract rights. 344 Mackusick, Human Rights Vs. Sovereign Rights: The State Sponsored Terrorism Exception to the Foreign Sovereign Immunities Act, 10 Emory Int’l L. Rev. 741, 754 (1996). 345 H.R. Rep. No. 1487, S. 7, 20 f. (1976). 346 Letelier v. Republic of Chile, 488 F. Supp. 665 (D.D.C. 1980). 347 Liu v. Republic of China, 892 F.2d 1419, 1434 (9th Cir. 1989). 348 Siehe hierzu ausführlich Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 63 ff. 349 McKeel v. Islamic Republic of Iran, 772 F.2d 582, 587 f. (9th Cir. 1983); Persinger v. Islamic Republic of Iran, 729 F.2d 835 (D.C. Cir. 1984). Siehe auch Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 886 F. Supp. 306, 313 (E.D.N.Y. 1995) – US-amerikanisches Flugzeug ist nicht US-Territorium für Belange des FSIA.
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b) Kommerzielles Handeln Die in § 1605 (a) (2)350 kodifizierte Immunitätsausnahme für kommerzielles Handeln unterscheidet drei Fälle, in denen eine Klage gegen einen ausländischen Staat möglich ist. In Fall eins beruht die Klage auf einer in den USA vorgenommenen kommerziellen Tätigkeit. In den Fällen zwei und drei ist Anknüpfungspunkt der Klage ein nicht-kommerzielles Verhalten, das in Verbindung zu einer extraterritorialen kommerziellen Tätigkeit steht. Während in Fall zwei der nicht-kommerzielle Akt in den USA vorgefallen sein muss, genügt in Fall drei auch eine außerhalb der USA vorgenommene Handlung, die direkte Auswirkungen („direct effect“) in den USA entfaltet.351 Ein kommerzielles Handeln im Sinne des § 1605 (a) (2) liegt vor, wenn der ausländische Staat sich auf die Ebene des Privaten begibt, er also solche Handlungen vornimmt, die auch von Privaten vorgenommen werden können.352 Da Menschenrechtsverletzungen typischerweise in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis begangen werden, fehlt insoweit, als in § 1605 (a)(2) allein an ein kommerzielles Handeln angeknüpft wird (siehe Fall eins), die Relevanz für den Bereich des Menschenrechtsschutzes. Für die HRL kommen deshalb allein die kombinierten Tatbestände des § 1605 (a) (2) infrage (Fälle zwei und drei), nach denen eine Ausnahme vom Gebot der Immunität auch dann gegeben ist, wenn eine nicht-kommerzielle Handlung, zum Beispiel die Menschenrechtsverletzung, in hinreichend enger Beziehung zu einer kommerziellen Tätigkeit steht. Es wurde insoweit richterrechtlich festgestellt, dass zwischen dem eingeklagtem Akt und der extraterritorialen kommerziellen Tätigkeit eine wesentliche oder eine kausale Verbindung bestehen müsse.353 In Fall zwei des § 1605 (a) (2) muss die nicht-kommerzielle Handlung in den USA vorgefallen sein. Nur die wenigsten Staaten nehmen jedoch Menschenrechtsverletzungen auf fremdem 350
§ 1605 (a) (2): (a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – (2) in which the action is based upon a commercial activity carried on in the United States by the foreign state; or upon an act performed in the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere; or upon an act outside the territory of the United States in connection with a commercial activity of the foreign state elsewhere and that act causes a direct effect in the United States. 351 Ausführlich Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 69 ff. 352 Saudi Arabia v. Nelson, 507 U.S. 349, 360 (1993); Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880, 888 (C.D. Cal. 1987); Bao Ge v. Li Peng, 201 F. Supp. 2d 14 (D.D.C. 2000). 353 Adler v. Federal Republic of Nigeria, 107 F.3d 720, 725 ff. (9th Cir. 1997); aufgegriffen in Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880, 888, Fn. 5 (C.D. Cal. 1997).
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Staatsgebiet vor.354 Auch Fall zwei des § 1605 (a) (2) ist daher von nur geringer Bedeutung für die HRL. Es bleibt der dritte Fall der Vorschrift, welcher nicht-kommerzielles Handeln, das sich außerhalb der USA zugetragen hat, erfasst, wenn es direkte Auswirkungen („direct effects“) in den USA entfaltet. „Direkt“ soll eine Auswirkung nach Ansicht des Supreme Court sein, wenn sie die unmittelbare Folge (immediate consequence) des Verhaltens des Beklagten ist.355 Unzufrieden mit dieser vagen Vorgabe des Supreme Court haben zehn der elf US-amerikanischen Gerichtsbezirke ein neues Kriterium etabliert, nach welchem ein direkter Effekt dann gegeben ist, wenn das nicht-kommerzielle Verhalten in den USA rechtlich bedeutsame (legally significant) Wirkungen entfaltet.356 Dies ist der Fall, wenn die Auswirkungen in den USA einen einklagbaren Anspruch begründen könnten.357 Zur Anwendung kam der vorgenannte Test im Bereich der HRL im Fall Doe v. Unocal.358 Hier wandten sich die Kläger unter anderem gegen die Regierung des Staates Myanmar (das State Law and Order Restoration Council (SLORC)) sowie gegen ein myanmarisches Staatsunternehmen (das Myanmar Oil and Gas Enterprise (MOGE)). Die Klage stütze sich auf ein außerhalb der USA vorgenommenes nicht-kommerzielles Verhalten (die von MOGE und SLORC begangenen Menschenrechtsverletzungen), das im Zusammenhang mit einer ebenfalls außerhalb der USA getätigten kommerziellen Tätigkeit (der Bau einer Pipeline von Myanmar nach Thailand) stand. Die Menschenrechtsverletzungen führten nach klägerischer Vorstellung insofern zu US-internen direct effects, als die eingeklagten Praktiken die Produktionskosten der Pipeline reduzierten und so SLORC und MOGE in den USA einen Wettbewerbsvorteil verschafften. Das Gericht wandte sich gegen diese Argumentation und betonte, der bloße finanzielle Nachteil einer Person stelle noch keinen direct effect dar.359 Es verwies auf die verbreitete Gerichtspraxis, die insoweit an das Vorliegen eines legally signifi354
Siehe hierzu bereits oben a). Republic of Argentina v. Weltover, Inc., 504 U.S. 607 (1992). 356 Unger, Brandishing the Precautionary Principle Through the Alien Tort Claims Act, 9 N.Y.U. Envt’l L.J. 638, 686 f. (2001). Allein der 5. Circuit verfolgt einen anderen Ansatz, vgl. Voest-Alpine Trading USA Corp. v. Bank of China, 142 F.3d 887 (5th Cir. 1998). 357 Adler v. Federal Republic of Nigeria, 107 F.3d 720, 727 (9th Cir. 1997). 358 Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880 (C.D. Cal. 1997). 359 So die ganz herrschende Meinung. Zum Meinungsstand im Einzelnen Unger, Brandishing the Precautionary Principle Through the Alien Tort Claims Act, 9 N.Y.U. Envt’l L.J. 638, 686, Fn. 244 (2001) und Bensen, The All New (International) ‚People’s Court‘: The Future of the Direct Effect Clause After Voest-Alpine Trading USA Corp. v. Bank of China, 83 Minn. L. Rev. 997 (1999). 355
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cant act anknüpfe. In diesem Sinne rechtlich erhebliche Ereignisse aber seien im Fall nur in Myanmar vorgefallen.360 c) Immunitätsverzicht Gemäß § 1605 (a) (1)361 kann ein Land auf seine Immunität verzichten. Dies kann entweder ausdrücklich oder konkludent geschehen. Ein ausdrücklicher Immunitätsverzicht ist im Bereich von Menschenrechtsverletzungen selten.362 An einen konkludenten Immunitätsverzicht werden sehr hohe Anforderungen gestellt.363 Es wird verlangt, dass sich der entsprechende Staat der US-amerikanischen Gerichtsbarkeit bewusst unterwirft oder sich ihrer bewusst bedient.364 Interessant ist insoweit der Fall Siderman de Blake v. Argentina.365 Siderman hatte den Staat Argentinien wegen Folter und willkürlicher Festnahme vor einem US-Bezirksgericht verklagt. Der argentinische Staat hatte zeitgleich in der Sache ein Strafverfahren gegen Siderman in Argentinien eingeleitet und erbat nun in einem Rechtshilfeersuchen den Superior Court von Los Angeles um die Zustellung der Anklageschrift an Siderman. Das Bezirksgericht entschied, dass Argentinien dadurch, dass es in eigener Sache und im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der FSIA-Klage ein US-amerikanisches Gericht um Hilfe gebeten habe, implizit auf seine Immunität verzichtet habe. d) Abschluss völkerrechtlicher Verträge Gemäß § 1604 gilt der Grundsatz der Immunität nur insoweit, als nicht völkerrechtliche Verträge der USA etwas anderes besagen.366 Verschiedent360
Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880, 888 (C.D. Cal. 1997). § 1605 (a) (1): (a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – (1) in which the foreign state has waived its immunity either explicitly or by implication, notwithstanding any withdrawal of the waiver which the foreign state may purport to effect except in accordance with the terms of the waiver. 362 Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 77. 363 Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 720 (9th Cir. 1992); Micco, Putting the Terrorist-Sponsoring State in the Dock: Recent Changes in the Foreign Sovereign Immunities Act and the Individual’s Recourse Against Foreign Powers, 14 Temp. Int’l & Comp. L.J. 109, 126 (2000); Scheffler, ebd. 364 Frovola v. Union of Soviet Socialist Republics, 761 F.2d 370, 377 (7th Cir. 1985); Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 721 (9th Cir. 1992); Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 886 F. Supp. 306, 315 (E.D.N.Y. 1995). 365 Siderman de Blake v. Argentina, 965 F.2d 699 (9th Cir. 1992). 361
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lich wurde versucht aus dieser Regelung einen konkludenten Immunitätsverzicht für all jene Fälle abzuleiten, in denen der beklagte Staat einem von den USA ratifizierten Menschenrechtsvertrag beigetreten war.367 Im Fall Amerada Hess stellte der Supreme Court jedoch klar, dass nur ein Vertragswerk, das sich ausdrücklich in Widerspruch zum FSIA setze, den Schutz der Immunität überwinden könne. Einen derartigen ausdrücklichen Widerspruch sieht der Supreme Court gegeben, wenn der entsprechende Vertrag Fragen der Immunität ausdrücklich behandelt. Dies soll bereits dann der Fall sein, wenn der Vertrag ein privates Klagerecht begründet.368 e) Verletzung einer Norm des ius cogens Angesichts der sehr engen ausdrücklichen Immunitätsausnahmen des FSIA, die insbesondere im Bereich des Menschenrechtsschutzes nur selten greifen, versuchen Kläger immer wieder auf Umwegen eine Ausnahme zur staatlichen Immunität zu konstruieren. Wohl am geläufigsten ist die These, die Verletzung von ius cogens stelle einen impliziten Immunitätsverzicht dar. Gestützt wird dieser Ansatz auf die Annahme, dass sich im Konfliktfalle das ius cogens als das stärkere Recht gegenüber dem Immunitätsrecht durchsetze.369 Ebenso wird angeführt, Handeln, das im Widerspruch zu ius cogens stehe, könne nicht als hoheitlich angesehen werden und komme deshalb nicht in den Schutz des FSIA.370 Bislang ist die Rechtsprechung dieser Argumentation nicht gefolgt. Begründet wurde dies weniger mit Argumenten des Völkerrechts, als mit den Rahmenvorgaben des nationalen Rechts. Der Verstoß gegen eine Norm des ius cogens stelle noch nicht die bewusste und 366 28 U.S.C. § 1604: Subject to existing international agreements to which the United States is a party at the time of enactment of this Act a foreign state shall be immune from the jurisdiction of the courts of the United States and of the States [. . .]. 367 Argentine Republic v Amerada Hess, 488 U.S. 428, 441 (1989); Siderman de Blake v. Argentina, 965 F.2d 699, 719 (9th Cir. 1992); Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F.3d 1166, 1175 (D.C. Cir. 1994). 368 „This exception applies when international agreements ‚expressly conflict‘ with the immunity provision of the FSIA [. . .]. These conventions however, only set forth substantive rules of conduct and state that compensation shall be paid for certain wrongs. They do not create private rights of action [. . .]“, Argentine Republic v. Amerada Hess, 488 U.S. 428, 442 (1989); ebenso Van Dardel v. USSR, 736 F. Supp. 1, 5 (D.D.C. 1990); beschränkend auf den Fall einer expliziten Bezugnahme des Vertrages auf Fragen der Immunität, Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 79. 369 Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 718 (9th Cir. 1992). 370 Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F.3d 1166, 1181 (D.C. Cir. 1994), abweichendes Votum der Richterin Wald.
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gewollte Unterwerfung unter ein US-Forum dar, die erforderlich sei, um von einem Immunitätsverzicht ausgehen zu können.371 Außerdem habe der Supreme Court in Amerada Hess372 klargestellt, dass die staatliche Immunität angesichts des abschließenden Charakters des FSIA allein in den dort ausdrücklich vorgesehenen Fallkonstellationen verwehrt werden könne.373 f) Der Antiterrorism and Effective Death Penalty Act (AEDPA)374 Die Häufung terroristischer Taten, insbesondere die Explosion eines Pan Am Flugzeugs über Lockerbie im Jahre 1988,375 veranlasste den US-amerikanischen Kongress, sich umfassend mit der Problematik des Terrorismus zu beschäftigen.376 Das Ergebnis dieser Bemühungen war im Jahre 1996 371 Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F.3d 1166, 1174 (D.C. Cir. 1994): „[T]he [. . .] jus cogens theory of implied waiver is incompatible with the intentionality requirement implicit in § 1605 (a) (1) [. . .].“ Zum subjektiven Element des Immunitätsverzichts siehe bereits oben c). 372 Argentine Republic v. Amerada Hess, 488 U.S. 428, 437 (1988). 373 Vgl. Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 718 (9th Cir. 1992): „As a matter of international law, the Siderman’s argument carries much force [. . .]. Unfortunately, we do not write on a clean slate. We deal not only with customary international law, but with an affirmative Act of Congress, the FSIA. We must interpret the FSIA through the prism of Amerada Hess.“ 374 Pub. L. 104-132, § 221, kodifiziert in 28 U.S.C. §§ 1605 (a) (7), 1610 (f). 1605 (a) (7): (a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case – (7) not otherwise covered by paragraph (2), in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death that was caused by an act of torture, extrajudicial killing, aircraft sabotage, hostage taking, or the provision of material support or resources (as defined in section 2339A of title 18) for such an act if such act or provision of material support is engaged in by an official, employee, or agent of such foreign state while acting within the scope of his or her office, employment, or agency, except that the court shall decline to hear a claim under this paragraph – (A) if the foreign state was not designated as a state sponsor of terrorism under section 6(j) of the Export Administration Act of 1979 (50 U.S.C. App. 2405(j)) or section 620A of the Foreign Assistance Act of 1961 (22 U.S.C. 2371) at the time the act occurred, unless later so designated as a result of such act or the act is related to Case Number 1:00CV03110(EGS) in the United States District Court for the District of Columbia; and (B) even if the foreign state is or was so designated, if – (i) the act occurred in the foreign state against which the claim has been brought and the claimant has not afforded the foreign state a reasonable opportunity to arbitrate the claim in accordance with accepted international rules of arbitration; or (ii) neither the claimant nor the victim was a national of the United States (as that term is defined in section 101(a)(22) of the Immigration and Nationality Act) when the act upon which the claim is based occurred. 375 Micco, Putting the Terrorist-Sponsoring State in the Dock: Recent Changes in the Foreign Sovereign Immunities Act and the Individual’s Recourse Against Foreign Powers, 14 Temp. Int’l & Comp. L.J. 109, 128, Fn. 167 (2000).
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der AEDPA, der den FSIA um eine Immunitätsausnahme für den Bereich terroristischer Handlungen ergänzte. Der FSIA, der bis dahin vornehmlich klassische zivilrechtliche Konflikte behandelte, ermöglicht nun auch in bestimmten Menschenrechtsfällen eine Klage.377 Die Immunitätsausnahme des AEDPA greift indes nur unter sehr engen Voraussetzungen: (1) Dem Staat muss vorzuwerfen sein, durch Folter, außergerichtliche Tötung, Flugzeugsabotage oder Geiselnahme oder einen Akt, der diese Handlungen unterstützt378, eine Körperverletzung oder eine Tötung herbeigeführt zu haben. Der Nachweis der Unterstützung konkret des streitgegenständlichen Verhaltens ist hierbei nicht erforderlich. Es genügt, dass die terroristische Gruppe, die den Anschlag ausgeführt hat, generelle Unterstützung von staatlicher Seite erfahren hat.379 (2) Die eingeklagte Handlung (die terroristische Tat selbst oder die Unterstützung einer eben solchen Tat) muss durch einen staatlichen Agenten „within the scope of his or her office, employment, or agency“ ausgeführt worden sein. (3) Zumindest das Opfer oder der Kläger müssen US-Bürger sein.380 (4) Der Kläger muss für den Fall, dass der eingeklagte Akt auf dem Staatsgebiet des verklagten Staates vorgenommen wurde, diesem zunächst die Möglichkeit zu einem Schiedsgerichtsverfahren gegeben haben. (5) Er muss die Klage innerhalb einer Frist von 10 Jahren einreichen.381
376 Zuvor waren Verfahren gegen staatliche Sponsoren des Terrorismus erfolglos geblieben. Die Versuche, derartige Klagen auf die commercial exception-clause (siehe oben b)) zu stützen, anknüpfend an die finanzielle Unterstützung seitens eines staatlichen Sponsors oder an das Lösegeld einer Geiselnahme, scheiterten, siehe Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 886 F. Supp. 306, 309 (E.D.N.Y. 1995) und Cicippio v. Islamic Republic of Iran (Cicippio I), 30 F.3d 164 (D.C. Cir. 1994). 377 Micco, Putting the Terrorist-Sponsoring State in the Dock: Recent Changes in the Foreign Sovereign Immunities Act and the Individual’s Recourse Against Foreign Powers, 14 Temp. Int’l & Comp. L.J. 109, 127 (2000). 378 Der Begriff der „erheblichen Unterstützung“ (material support) ist in 18 U.S.C. § 2339 A (b), auf den der AEDPA verweist, definiert als: [C]urrency or other financial securities, financial services, lodging, training, safe houses, false documentation or identification, communications equipment, facilities, weapons, lethal substances, explosives, personnel, transportation, and other physical assets, except medicine or religious materials. 379 Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 18 (D.D.C. 1998). 380 28 U.S.C. §§ 1605 (a) (7) (b) (ii). 381 28 U.S.C. § 1605 (f).
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(6) Es können nur diejenigen Staaten verklagt werden, die einer durch das Außenministerium festgelegten Gruppe der „state sponsors of terrorism“ angehören.382 Traditionell gehören zur Liste der Terroristenstaaten Kuba, Irak, Iran, Libyen, Nordkorea, Sudan und Syrien.383 Die Liste kann jedoch anlässlich eines konkreten Verfahrens ad hoc erweitert werden.384 Die Koppelung des AEDPA an die Liste des Außenministeriums ist als Zugeständnis an die Exekutive zu verstehen, die dem Erlass des AEDPA skeptisch gegenüber stand. Durch die Beschränkung auf die Listenstaaten sollte die Einmischung der Judikative in Belange der Außenpolitik vermieden werden. Man ging davon aus, dass die Exekutive sich durch die Aufnahme eines Staates in die Liste der den Terrorismus fördernden Staaten bereits zu einem außenpolitisch unfreundlichen Akt entschließe. Durch die daran anknüpfende gerichtliche Verweigerung der Immunität könne daher im konkreten Fall nicht viel zerstört werden.385 Durch den AEDPA soll den Staaten ein Anreiz gegeben werden, zukünftig von einer Unterstützung des Terrorismus abzusehen, um so von der mit negativen Folgen verknüpften Liste gestrichen zu werden.386 Die Entschädigung des individuellen Opfers hingegen ist nicht vorrangiges Ziel des AEDPA. Ginge es primär um die Bedürfnisse des Opfers, dürfte die Identität des Verletzerstaates, namentlich seine Zugehörigkeit zur Liste der den Terrorismus fördernden Staaten, keine Rolle spielen. Es müsste stattdessen die Schwere der Verletzung des Opfers entscheidend sein.387 Die individuelle Klage ist folglich vornehmlich Mittel zum Zweck. Sie soll dem Terrorismus zugewandte Staaten abschrecken, auf dass diese ihr Verhalten überdenken und so auf lange Sicht die Bedrohung der Bevölkerung als ganzer reduziert wird. Trotz dieser engen Vorgaben konnten sich in nur kurzer Zeit zahlreiche Kläger erfolgreich auf den AEDPA berufen und Schadensersatzurteile in enormer Höhe erstreiten. Im ersten Fall, der auf den AEDPA gestützt 382
Die Kategorie der state sponsors of terrorism wurde nicht für den AEDPA neu ins Leben gerufen. Eine derartige Einordnung seitens des Außenministeriums dient vielmehr bereits dem Export Administration Act von 1979 (50 U.S.C. App. 2405 (j)) sowie dem Foreign Assistance Act aus dem Jahre 1961 (22 U.S.C. § 2371) als Anknüpfungspunkt. 383 22 C.F.R. § 126.1 (d). 384 28 U.S.C. § 1605 (a) (7) (A), 2. HS. 385 Murphy, Civil Liability for the Commission of International Crimes as an Alternative to Criminal Prosecution, 12 Harv. Hum. Rts. J. 1, 49 (1999); Diaz, A Critique of Proposals to Amend the Foreign Sovereign Immunities Act to Allow Suits Against Foreign Sovereigns for Human Rights Violations, 32 Miami Inter-Am. L. Rev. 137, 151 (2001). 386 Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 25 (D.D.C. 1998). 387 H.R. Rep. No. 1487, S. 12 (1976).
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wurde, Alejandre v. Republic of Cuba,388 konnten Kuba und die kubanische Luftwaffe erfolgreich für den Tod zweier Piloten zur Verantwortung gezogen werden, die von der kubanischen Luftwaffe ohne Vorwarnung in internationalem Lauftraum abgeschossen worden waren. Das Gericht sprach den Klägern eine Schadensersatzsumme in Höhe von 187 Millionen Dollar zu.389 In Cicippio v. Islamic Republic of Iran ging es um die Geiselnahme Joseph Cicippios durch Hisbollah-Milizen, die ihn gefoltert und misshandelt hatten.390 Es wurde Schadensersatz in Höhe von 65 Millionen Dollar zugesprochen. Im Fall Rein konnten die Angehörigen der Lockerbie-Opfer, deren Klage gegen Libyen noch im Jahre 1994 aus Gründen der Immunität abgewiesen worden war,391 nunmehr mit einer im Wesentlichen identischen Klage obsiegen.392 In Flatow v. Islamic Republic of Iran schließlich verklagten die Hinterbliebenen einer in einem Attentat auf einen israelischen Bus umgekommenen US-Amerikanerin den Iran.393 Das Urteil lautete auf Schadensersatz in Höhe von 247 Millionen Dollar. Der AEDPA ist Gegenstand vielfältiger Kritik. Insbesondere die Beschränkung auf deklarierte „state sponsors of terrorism“ wird von vielen Seiten abgelehnt. Es wird angeführt, das Gesetz schaffe zwei Klassen von Opfern, die nicht an Hand der Schwere ihrer Verletzung, sondern anhand einer grundsätzlichen Bewertung des handelnden Staates durch das Außenministerium unterschieden würden.394 Darüber hinaus bringe die Klausel das Immunitätsrecht zurück in den Einflussbereich der Exekutive, ein Zustand, der durch den Erlass des FSIA gerade beseitigt werden sollte.395 Im Übrigen lasse auch die praktische Handhabung der Klausel durch die US388
Alejandre v. Republic of Cuba, 996 F. Supp. 1239 (S.D. Fla. 1997). Ebd., S. 1249 ff. 390 Cicippio v. Islamic Republic of Iran (Cicippio II), 18 F. Supp. 2d 62 (D.D.C. 1998). 391 Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 886 F. Supp. 306 (E.D.N.Y. 1995). 392 Rein v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 995 F. Supp. 325 (E.D.N.Y. 1998); die Schadensersatzsumme ist soweit ersichtlich noch nicht endgültig festgelegt. Angeboten wurden 2,7 Milliarden Dollar, was einem Betrag von 10 Millionen Dollar pro Kläger entspricht. Die Zahlung des Betrages wurde von Libyen an bestimmte Bedingungen geknüpft, siehe Blood Money, in: The Economist, Ausgabe vom 1.6.2002, S. 46. 393 Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1 (D.D.C. 1998). 394 Von den Kritikern wird in diesem Zusammenhang der Fall Saudi Arabia v. Nelson (507 U.S. 349, 361 (1993)) angeführt. Nelson war US-amerikanischer Angestellter in einem saudi-arabischen Krankenhaus. Er verklagte den Staat Saudi-Arabien wegen Folterungen, die ihm im Zusammenhang mit seinem Anstellungsverhältnis zugefügt worden waren. Seine Klage war (im Jahre 1993) erfolglos, wäre aber auch heute nach Erlass des AEDPA nicht erfolgreich, da Saudi-Arabien nicht der Liste der „state sponsors of terrorism“ angehört. 389
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Exekutive Unzulänglichkeiten erkennen. So seien Länder wie Kuba, Nordkorea und Syrien nach wie vor auf der Liste, wenngleich sie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr mit dem internationalen Terrorismus in Verbindung gebracht werden könnten.396 Die USA stellten sich so in den Verdacht, den AEDPA zur Bestrafung unliebsamer Schurkenstaaten zu missbrauchen, was den US-amerikanischen Menschenrechtsschutz in Misskredit bringe.397 2. Das materielle Recht einer Klage über den FSIA Der FSIA enthält keine Anspruchsgrundlage und regelt auch nicht, nach welchem materiellen Recht sich die Haftung des ausländischen Staates bestimmt. Das materielle Recht einer FSIA-Klage muss daher über eine kollisionsrechtliche Prüfung ermittelt werden.398 Etwas anderes gilt nur für den AEDPA. In seinem Rahmen wird auf den Civil Liability for Acts of State Sponsored Terrorism Act (CLA) zurückgegriffen. Dieser wurde im Jahre 1996 in Ergänzung des AEDPA geschaffen.399 Er wird häufig auch als Flatow-Amendment bezeichnet.400 Für sich genommen begründet er lediglich 395 Damrosch, Enforcing International Law Through Non-Forcible Measures, 269 RdC 13, 175 (1977). Siehe auch oben vor 1. 396 Schnably, Foreign Sovereign Immunities Act, 92 Am. J. Int’l L. 768, 771, Fn. 31 (1998); Micco, Putting the Terrorist-Sponsoring State in the Dock: Recent Changes in the Foreign Sovereign Immunities Act and the Individual’s Recourse Against Foreign Powers, 14 Temp. Int’l & Comp. L.J. 109, Fn. 2 (2000); a. A.: The Seven Deadly Sinners, in: The Economist, Ausgabe vom 25.5.2002, S. 30 (Liste des Außenministeriums ist zutreffend). 397 Bucci, Breaking Through the Immunity Wall? Implications of the Terrorism Exception to the Foreign Sovereign Immunities Act, 3 J. Int’l Legal Stud. 293, 317 (1997). 398 Siehe unten 3. Kapitel, III. 399 Pub. L. 104-208, § 589, 110 Stat. 3009, kodifiziert als Anmerkung zu § 1605 (§ 1605 note): (a) An official, employee, or agent of a foreign state designated as a state sponsor of terrorism . . . while acting within the scope of his or her office, or agency shall be liable to a United States national or the national’s legal representative for personal injury or death caused by acts of that official, employee, or agent for which the courts of the United States may maintain jurisdiction under section 1605 (a) (7) of title 28, United States Code . . . for money damages which may include economic damages, solatium, pain, and suffering, and punitive damages if the acts were among those described in section 1605 (a) (7) [. . .]. (b) Provisions related to statute of limitations and limitations on discovery that would apply to an action brought under 28 U.S.C. 1605 (f) and (g) shall also apply to actions brought under this section. No action shall be maintained under this action . . . if an official, employee, or agent of the United States, while acting within the scope of his or her office, employment, or agency would not be liable for such acts if carried out within the United States. 400 Siehe z. B. Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1 (D.D.C. 1998).
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eine Anspruchsgrundlage gegen den staatlichen Bediensteten. Er dient den Gerichten jedoch vermittelt über die Grundsätze zur Haftung für den Verrichtungsgehilfen (respondeat superior)401 auch als Anspruchsgrundlage gegen den Staat.402 3. Das Verhältnis des FSIA zu ATCA und TVPA Der FSIA ist das lex specialis für Klagen gegen ausländische Staaten im Sinne des FSIA. Außerhalb seines Anwendungsbereiches lässt er den ATCA und den TVPA jedoch unberührt. Grundlegend ist insoweit die Entscheidung des Supreme Court im Fall Argentine Republic v. Amerada Hess.403 Dort entschied der Supreme Court, dass Klagen gegen ausländische Staaten nur auf den FSIA gestützt werden könnten. Dieser regle die Fälle, in denen derartige Klagen ausnahmsweise möglich seien, abschließend.404 Zugleich entschied der Supreme Court, dass der ATCA (der TVPA war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassen) in Fällen, die sich nicht gegen einen ausländischen Staat richteten, durch den FSIA nicht beschränkt werde.405 4. Die Anwendbarkeit des FSIA auf individuelle Hoheitsträger Problematisch ist, inwiefern der FSIA auch auf das hoheitlich handelnde Individuum Anwendung findet. Der Wortlaut des FSIA nämlich erwähnt den individuellen Hoheitsträger nicht ausdrücklich. Es finden sich auch keine impliziten Hinweise auf das Individuum. Zur personellen Reichweite des FSIA findet sich lediglich die Ausführung in § 1603 (a), wonach der Begriff des Staates neben dem Staat als solchen dessen Organe und Gebietskörperschaften (political subdivisions) sowie seine Dienststellen oder Einrichtungen (agencies or instrumentalities) umfasst.406 Die Ansichten zum personellen Anwendungsbereich des FSIA gehen vor diesem Hintergrund auseinander. Einigkeit besteht nur insofern, als amtierende Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister vom Anwen401
Allgemein hierzu Wicke, Respondeat Superior. Alejandre v. Republic of Cuba, 996 F. Supp. 1239, 1249 (S.D. Fla. 1997); Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 26 f. (D.D.C. 1998). 403 Argentine Republic v. Amerada Hess, 488 U.S. 428 (1988). 404 Ebd., S. 437 f. 405 „[The ATCA] of course has the same effect after the passage of the FSIA as before with respect to defendants other than foreign states“, Argentine Republic v. Amerada Hess, 488 U.S. 428, 438 (1988). 406 Schreuer, Das US-Gesetz über die Immunität ausländischer Staaten in der Praxis der Gerichte, RIW 1985, S. 173, 174. 402
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dungsbereich des FSIA ausgenommen werden.407 Es wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber diesen Bereich mit dem FSIA nicht habe regeln wollen. Zum einen fänden sich keine dahingehenden Hinweise in der Entstehungsgesichte des FSIA. Zum anderen sei die Gewähr oder Verweigerung der Immunität im Einzelfall eine hochpolitische Frage. Es könne in Ermangelung klarer legislativer Vorgaben nicht vermutet werden, dass der Gesetzgeber den Gerichten deren Lösung habe auferlegen wollen.408 Etwas anderes gilt im Hinblick auf ehemalige Staatsoberhäupter und Regierungschefs sowie sonstige individuelle Hoheitsträger. Die US-Regierung409 und Teile der Literatur410 sprechen sich gestützt auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte des FSIA dafür aus, letzteren nicht auf Individuen anzuwenden und stattdessen hinsichtlich der Immunitätsfrage auf das vor Erlass des FSIA geltende Richterrecht zurückzugreifen. Der Staatsbegriff des FSIA nämlich umfasse das Individuum nicht. Erfasst seien neben dem Staat als solchen lediglich dessen agencies und instrumentalities, worunter gemäß § 1603 (b)411 separate juristische Personen zu verstehen seien, die ein Organ oder eine politische Unterteilung des Staates sind oder mehrheitlich im Eigentum des Staates stehen. Der individuelle Hoheitsträger sei keine juristische Person und bereits aus diesem Grund von der Definition des § 1603 (b) nicht erfasst.412 Die Entstehungsgeschichte des FSIA decke diese Wortlautinterpretation. Bei Erörterung des § 1603 (b) seien als Beispiele lediglich Begriffe wie state trading corporation, mining enterprise, transport organization, steel company, central bank, export association, governmental procurement agency, department oder ministry gefallen.413 Das Individuum sei nicht erwähnt worden. 407 Working Group of the American Bar Association, Reforming the Foreign Sovereign Immunities Act, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489, 535 (2002). 408 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 289 (S.D.N.Y. 2001). 409 Vgl. deren Stellungnahme in Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1100 (9th Cir. 1990). 410 Fitzpatrick, The Future of the Alien Tort Claims Act of 1789: Lessons from in re Marcos Human Rights Litigation, 67 St. John’s L. Rev. 491 (1993); Working Group of the American Bar Association, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489 (2002). 411 28 U.S.C. § 1603 (b): An ‚agency or instrumentality of a foreign state‘ means any entity – (1) which is a separate legal person, corporate or otherwise, and (2) which is an organ of a foreign state or political subdivision thereof, or a majority of whose shares or other ownership interests is owned by a foreign state or political subdivision thereof [. . .]. 412 Working Group of the American Bar Association, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489, 532 (2002). 413 Ebd. Vgl. H.R. Rep. No. 1487, S. 15 f. (1976): „As a general matter, entities which meet the definition of an ‚agency or instrumentality of a foreign state‘ could assume a variety of forms, including a state trading corporation, a mining enterprise,
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Die Rechtsprechung jedoch geht trotz dieser Hinweise in Wortlaut und Entstehungsgeschichte des FSIA bislang nahezu ausnahmslos414 davon aus, dass der FSIA auch auf den individuellen Hoheitsträger anzuwenden sei, sofern dieser für hoheitliches Handeln belangt werde.415 In einem solchen Fall soll sich die gerichtliche Zuständigkeit mithin (gem. Amerada Hess, siehe oben 3.) ausschließlich nach dem FSIA bestimmen und der jeweilige Hoheitsträger Immunität genießen. Handelt es sich hingegen um einen Fall, in dem privates Handeln des Hoheitsträgers Streitgegenstand ist, ist der FSIA nicht Grundlage für die gerichtliche Zuständigkeit und es besteht kein Immunitätsschutz. Andere Vorschriften, wie zum Beispiel der ATCA, können angewendet werden.416 a transport organization such as a shipping line or airline, a steel company, a central bank, an export association, a governmental procurement agency or a department or ministry [. . .].“ 414 Vgl. Tomonori, The Individual as Beneficiary of State Immunity: Problems of the Attribution of Ultra Vires Conduct, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 261, 273. 415 Eindeutige Stellungnahmen liegen bislang soweit ersichtlich nur seitens der Appellationsgerichte für den 5., den 9. und den D.C. Circuit vor, siehe Byrd v. Corporacion Forestal y Industrial de Olancho, S.A., 182 F.3d 380, 388 (5th Cir. 1999), Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1101 (9th Cir. 1990), In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 497 f. (9th Cir. 1992); In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467, 1469 ff. (9th Cir. 1994); Jungquist v. Sheikh Sultan Bin Khalifa Al Nahyan, 115 F.3d 1020, 1027 (D.C. Cir. 1997); El-Fadl v. Central Bank of Jordan, 75 F.3d 668, 671 (D.C. Cir. 1997). Zahlreiche Bezirksgerichte haben ebenso entschieden, siehe z. B. Rios v. Marshall, 530 F. Supp. 351, 371 (S.D.N.Y. 1981); American Bonded Warehouse Co. v. Compagnie Nationale Air France, 653 F. Supp. 861, 863 (N.D. Ill. 1987); Kline v. Kalenko, 685 F. Supp. 386 (S.D.N.Y. 1988); Herbage v. Meese, 747 F. Supp. 60 (D.D.C. 1990); Granville Gold Trust-Switzerland v. Commissione Del Fallimento/Interchange Bank, 928 F. Supp. 241, 243 (E.D.N.Y. 1996). Die Appellationsgerichte der übrigen circuits haben soweit ersichtlich noch nicht Stellung bezogen. Zu bedenken ist insbesondere, dass die meisten HRL-Klagen gegen einfache Beamte die Frage nach der Anwendbarkeit des FSIA nicht ansprechen. Dies mag seinen Grund darin haben, dass der FSIA, selbst wenn er grundsätzlich auf Individuen anwendbar ist, jedenfalls bei den Menschenrechtsverletzungen, um die es in der HRL geht, nicht greifen würde (siehe hierzu sogleich, In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467 (9th Cir. 1994)) und die Gerichte die Frage deshalb offen lassen, vgl. insoweit Xuncax v. Gramajo (886 F. Supp. 162, 175 f. (D. Mass. 1995)). Gegen eine Anwendbarkeit des FSIA auf Individuen wandte sich bislang soweit ersichtlich lediglich das Bezirksgericht für NordKalifornien in Republic of Philippines by Cent. Bank of Philippines v. Marcos, 665 F. Supp. 793 (N.D. Cal. 1987). Die Bedeutung dieser Entscheidung ist jedoch gering, da das dem Bezirksgericht übergeordnete Appellationsgericht für den 9. Circuit unter anderem in Chuidian v. Philippine National Bank (912 F.2d 1095 (9th Cir. 1990)) entgegen gesetzt entschied. 416 Vgl. insoweit In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 497 f. (9th Cir. 1992).
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Grundlegende Präzedenzfälle sind insoweit die Entscheidungen des 9. Circuit in Chuidian v. Philippine National Bank417 und In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation.418 In Chuidian entschied das Gericht, dass der einfache individuelle Hoheitsträger für sein hoheitliches Handeln in den Schutz des FSIA kommen könne. Zwar erwähne der FSIA Individuen nicht ausdrücklich. Er schließe sie aber von seinem Anwendungsbereich auch nicht ausdrücklich aus. In Ermangelung konkreter Vorgaben aus dem Wortlaut des FSIA spreche es für eine Anwendung des FSIA auf individuelle Hoheitsträger, dass die Klage gegen den Beamten, der in Ausführung seines Amtes handle, an sich eine Klage gegen den Staat sei und folglich die gleiche Behandlung wie eine Klage gegen den Staat erfahren müsse, wolle man nicht eine Umgehung des FSIA provozieren.419 Ebenso sei zu berücksichtigen, dass der FSIA das damalige common law zum Immunitätsrecht habe kodifizieren wollen.420 Nach Ansicht des Restatement jener Zeit421 aber sei der staatliche Beamte für im Amt begangene Handlungen immun gewesen.422 Im Fall In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation423 wandte der 9. Circuit die Grundsätze aus Chuidian auf ein ehemaliges Staatsoberhaupt und den Kontext der Menschenrechte an. Das Gericht entschied, dass der FSIA grundsätzlich auch auf ehemalige Staatsoberhäupter Anwendung finden könne. Im konkreten Fall aber verwehrte es dem Beklagten Marcos den Immunitätsschutz. Grund hierfür war die Prämisse, dass Immunitätsschutz nur hinsichtlich hoheitlichen Handelns gewährt werden könne.424 Das Gericht entschied, dass die streitgegenständlichen Menschenrechtsverletzungen nicht als hoheitliches Handeln qualifizierbar seien. Hieraus lässt sich verallgemeinernd schließen, dass der FSIA in HRL-Fällen gegen individuelle Hoheitsträger nicht anwendbar ist. Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095 (9th Cir. 1990). 418 In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467 (9th Cir. 1994). 419 Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1101 (9th Cir. 1990). 420 Ebd. 421 Restatement (Second) of Foreign Relations Law (1965) § 69. 422 Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1101 (9th Cir. 1990). 423 In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467, 1469 ff. (9th Cir. 1994). 424 Nicht entscheidend war hingegen der Umstand, dass sich die philippinische Regierung mit der Klage einverstanden erklärt hatte. Es herrschte insoweit Streit zwischen den Parteien, ob hierin ein Immunitätsverzicht zu sehen sei. Das Gericht ließ diese Frage dahinstehen, da unabhängig vom Vorliegen eines Immunitätsverzichts der FSIA hinsichtlich der streitgegenständlichen Handlung keine Immunität gewähre: „It is unnecessary to reach this issue, in view of the conclusion that FSIA does not immunize the illegal conduct of government officials“, ebd., Fn. 7. 417
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5. Die Außenseiterstellung des FSIA im System der HRL Das System der HRL ist geprägt durch den ATCA und den TVPA. Beide sind sowohl der innerstaatlichen Durchsetzung der Menschenrechte als auch dem Individualschutz verschrieben. Gerade die Kombination dieser beiden Elemente macht die HRL aus. Der FSIA (der AEDPA sei an dieser Stelle ausgeklammert) dient zwar dem Schutz individueller Interessen, namentlich der Möglichkeit, den ausländischen Staat für seine Rechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, speziell der Schutz der Menschenrechte wurde in ihn jedoch nicht aufgenommen.425 Eine dahingehende richterrechtliche Ergänzung wurde bereits mehrfach abgelehnt. Nur insoweit, als ein menschenrechtliches Anliegen zufällig unter einen der anderweitig orientierten Ausnahmetatbestände des FSIA subsumierbar ist, treffen Individualschutz und Menschenrechte aufeinander. Der AEDPA scheint sich besser in das System der HRL einzufügen. Hier werden die Menschenrechte unmittelbar angesprochen. Zu bedenken ist aber, dass das Gesetz in erster Linie auf die Verfolgung eines politischen Ziels, die Bekämpfung des Terrorismus, ausgerichtet ist. Der Individualschutz ist lediglich ein Nebeneffekt. Das Individuum steht nicht im Zentrum, sondern am Rande des AEDPA. Weder der FSIA allgemein, noch der AEDPA sind folglich auf einen zivilrechtlichen Menschenrechtsschutz ausgerichtet. Sie erlauben (so der FSIA) bzw. bezwecken (so der AEDPA) lediglich in bestimmten Fällen eine Instrumentalisierung ihrer Strukturen durch das Individuum zu Zwecken des Menschenrechtsschutzes. Die menschenrechtliche Klage gegen den ausländischen Staat und seine Organe steht somit auf schwachen Beinen. Es ist nicht erstaunlich, dass die Forderungen nach einer umfassenden Menschenrechtsausnahme zum FSIA nicht verstummen.426 Eine derartige Regelung ist jedoch in weiter Ferne. Die US-Regierung hat zu erkennen gegeben, dass bereits der FSIA jetzigen Zuschnitts gefährlich weit in diplomatisch sensible Bereiche vordringe und Aversionen gegen die USA hervorrufen oder verstärken könne.427 Vor diesem Hintergrund ist die Zukunft der HRL weniger im Bereich des FSIA und mehr, wie auch schon bisher, im Bereich von ATCA und TVPA zu sehen.428 425
Schnably, Foreign Sovereign Immunities Act, 92 Am. J. Int’l L. 768, 770 (1998). 426 Roht-Arriaza, The Foreign Sovereign Immunities Act and Human Rights Violations. One Step Forward, Two Steps Back, 16 Berkeley J. Int’l L. 71, 84 (1998). 427 Mackusick, Human Rights vs. Sovereign Rights: The State Sponsored Terrorism Exception to the Foreign Sovereign Immunities Act, 10 Emory Int’l L. Rev. 741, 773 (1996). 428 Heß, Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen, in FS Schütze, S. 269, 275.
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IV. Die general federal question jurisdiction in Verbindung mit Völkerrecht Die general federal question jurisdiction ist kodifiziert in 28 U.S.C. § 1331 (nachfolgend § 1331). Dort heißt es: The district courts shall have original jurisdiction of all civil actions arising under the Constitution, laws, or treaties of the United States.
Gemäß § 1331 ist die Zuständigkeit der Bundesgerichte also begründet, wenn ein Fall vorliegt, der aus der Verfassung, dem Bundesrecht oder einem Vertrag der USA heraus entsteht („arising under“). Von einem arising under ist für Belange des § 1331 auszugehen, wenn sich der geltend gemachte Anspruch aus einer der in § 1331 erwähnten Rechtsquellen ergibt.429 Es muss insoweit jedoch keine umfassende materiellrechtliche Prüfung vorgenommen werden. Es genügt bereits, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht „wholly insubstantial and frivolous“ ist, er also nicht schon offensichtlich nicht besteht.430 Der für die HRL wichtigste Anwendungsfall des § 1331 ergibt sich im Zusammenhang mit dem TVPA: In Fällen über den TVPA begründet § 1331 die Zuständigkeit des Bundesgerichtes. Der TVPA ist hierbei das „Bundesrecht“ im Sinne des § 1331, aus welchem sich die Anspruchsgrundlage des Falles ergibt.431 Es wird versucht, auch über § 1331 in Verbindung mit Völkerrecht eine bundesgerichtliche Zuständigkeit zu begründen.432 Dieser Weg ist insoweit von Bedeutung, als er – anders als der ATCA – auch US-amerikanischen Staatsbürgern eine Klagemöglichkeit eröffnen kann, die zugleich – anders als der US-Bürgern offen stehende TVPA – nicht auf bestimmte Völkerrechtsverletzungen beschränkt ist. Eine Zuständigkeitsbegründung über § 1331 in Verbindung mit Völkerrecht erscheint auf den ersten Blick jedoch schon deshalb fraglich, weil in § 1331 nur der völkerrechtliche Vertrag, nicht jedoch das Völkergewohnheitsrecht erwähnt ist. Bei genauerer Analyse erweist sich dieser Umstand indes als unproblematisch. Nach ganz herrschender Meinung wird das Völkergewohnheitsrecht in den USA dem Bundesrichterrecht und das Bundesrichterrecht dem „Bundesrecht“ zugeordnet.433 Das Völkergewohnheitsrecht ist folglich Teil des „Bundesrechts“, einer der in § 1331 erwähnten Rechtsquellen.434 429 American Well Workers Co. v. Layne & Bowler Co., 241 U.S. 257, 258 (1916): „A suit arises under the law that creates the cause of action.“ 430 Bell v. Hood, 327 U.S. 678, 682 f. (1946). 431 Siehe oben II. 432 Allgemein hierzu Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 31 ff. 433 Dies ist neuerdings umstritten, näher hierzu unten Teil II, 1. Kapitel, III.
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Eine weitere Hürde ergibt sich aus dem Erfordernis des „arising under“. Wie bereits erwähnt, ist dieses Kriterium erfüllt, wenn das Bundesrecht, welches die Zuständigkeit des Bundesgerichtes begründen soll, die Anspruchsgrundlage des Falles liefert. Das Völkerrecht liefert grundsätzlich keine innerstaatlich einklagbaren Anspruchsgrundlagen. Als ein Recht zwischen Staaten beschäftigt es sich nicht mit der innerstaatlichen Durchsetzung seiner Bestimmungen – es überlässt diese den Staaten, die grundsätzlich frei darüber entscheiden können, auf welche Weise sie das Völkerrecht innerstaatlich durchführen.435 Nur im Bereich des Völkervertragsrechts ist dieser Grundsatz punktuell durchbrochen. Hier kann es vorkommen, dass ein Vertrag festlegt, dass seine Bestimmungen innerstaatlich einklagbar sein sollen.436 Ein derartiger Vertrag kann in den USA jedoch nur dann Ausgangspunkt einer Anspruchsgrundlage sein, wenn er „self executing“ ist.437 Wie bereits ausgeführt, sind Menschenrechtsverträge in den USA typischerweise nicht „self executing“.438 Sie können in der Regel daher nicht Grundlage einer Klage über § 1331 sein. Komplizierter stellt sich die Lage für den Bereich des Völkergewohnheitsrechts dar. Dieses begründet seiner Natur nach keine innerstaatlich einklagbaren Anspruchsgrundlagen. Es liefert eine Primärnorm, ohne zugleich eine Sekundärnorm bereitzustellen. Eine individuelle Berufung auf das Völkergewohnheitsrecht ist daher nur möglich, wenn der Staat dieses in eine einklagbare Anspruchsgrundlage umgesetzt hat bzw. ad hoc umsetzt. Dies kann in den USA durch den Gesetzgeber oder die Richterschaft erfolgen. Der Gesetzgeber der USA setzt das Völkergewohnheitsrecht jedoch nur zögerlich um. Es hindern ihn dieselben Erwägungen, die auch einer Umsetzung bzw. einer innerstaatlichen Anwendung des Völkervertragsrechts entgegenstehen.439 Besonders bedeutsam ist daher die Umsetzung durch die Richterschaft. Die Richterschaft jedoch kann eine derart rechtschaffende Funktion nicht ohne weiteres ausüben. Sie bedarf hierfür vielmehr einer Legitimationsgrundlage. Eine solche Legitimation könnte sich aus einer Ermächtigung seitens des Gesetzgebers ergeben. Allein die Zuweisung einer gerichtlichen Zuständigkeit – wie sie durch § 1331 erfolgt ist – beinhaltet jedoch keine Kompetenz zur Schaffung von Richterrecht. Etwas anderes gilt nur, wenn zugleich ersichtlich ist, dass eine entsprechende Vorgehensweise vom Gesetzgeber gewollt war.440 Hierfür finden sich hinsichtlich des § 1331 jedoch keine Hin434 435 436 437 438 439 440
Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 702, comment c. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 539. Ebd., Fn. 2. Zum Begriff des „self executing“ siehe oben I. 2. c) (2). Ebd. Ebd. Vgl. Textile Workers Union v. Lincoln Mills, 353 U.S. 448 (1957).
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weise. In Ermangelung einer konkreten Ermächtigung seitens des Gesetzgebers stellt sich die Frage, ob die Argumentation, die die rechtschaffende Funktion der Gerichte im Rahmen des § 1350 legitimiert, auf den Bereich des § 1331 übertragen werden kann. Wie bereits ausgeführt, wird bezüglich § 1350 argumentiert, dass die Legislative bei Erlass des ATCA davon ausging, dass die Gerichte korrespondiere Anspruchsgrundlagen dem Richterrecht entnehmen würden, und keine zwischenzeitliche Entwicklung diese Kompetenz wieder aufgehoben habe.441 Dieses Legitimationsmodell kann für Belange des § 1331 indes nicht herangezogen werden. Es fehlen Hinweise aus der Gesetzgebungsgeschichte des § 1331, aus denen sich ergäbe, dass der Gesetzgeber bei dessen Erlass in vergleichbarer Weise davon ausgegangen wäre, dass sich korrespondierende Anspruchsgrundlagen aus dem Richterrecht ergeben würden.442 Der im Rahmen des ATCA relevante Gedanke, wonach das Zuständigkeitsgesetz nicht auf Vorrat, für eine spätere Aktivierung durch eine legislative Anspruchsgrundlage, geschaffen worden sein könne, da seinem Erlass eine außenpolitischen Notlage zugrunde gelegen habe, ist nicht auf § 1331 übertragbar. Seinem Erlass lagen nicht diplomatische Verwicklungen zugrunde, sondern das Bedürfnis nach einer grundsätzlichen Regelung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundesgerichten und Staatengerichten. Die Richterschaft könnte eine Kompetenz zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen daneben aus einer etablierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten. Zu denken ist zunächst an die Rechtsprechung des Supreme Court im Fall Bivens.443 Die dort behandelte Konstellation ist jener der HRL am ehesten vergleichbar. Im Fall Bivens nämlich schuf der Supreme Court eine Anspruchsgrundlage für den Fall einer Verletzung des 4. Amendments zur US-Verfassung444 durch Bundesbeamte. Eine Ausdehnung dieser Entscheidung auf die HRL ist indes nicht möglich. In mehreren späteren Entscheidungen wurde betont, dass die Bivens-Entscheidung auf einen anderen Kontext nicht übertragen werden könne.445 Daneben könnten die 441
Siehe oben I. 2. a). Vgl. Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2765, Fn. 19 (2004): „Section 1350 was enacted on the congressional understanding that courts would exercise jurisdiction by entertaining some common law claims derived from the law of nations; and we know of no reason to think that federal-question jurisdiction was extended subject to any comparable congressional assumption.“ 443 Bivens v. Six Unknown Named Agents of Federal Bureau of Narcotics, 403 U.S. 388 (1971). 444 Dort heißt es: „The right of the people to be secure in their persons, houses, papers, and effects, against unreasonable searches and seizures, shall not be violated.“ 445 Correctional Services Corp. v. Malesko, 534 U.S. 61, 68 (2001); Alexander v. Sandoval, 532 U.S. 275, 286 f. (2001). 442
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Gerichte versuchen, sich auf das frühere, allgemeinere Urteil des Supreme Court im Fall Bell v. Hood zu stützen.446 Dort heißt es: „[W]here federally protected rights have been invaded, it has been the rule from the beginning that courts will be alert to adjust their remedies so as to grant the necessary relief.“447 Über den Grundsatz aus Bell v. Hood wird sichergestellt, dass individuelle Rechte nicht nur als theoretische Grundsätze, sondern als durchsetzbare Rechtsposition existieren. Die Regel aus Bell v. Hood erlangt Bedeutung, wenn Primärnormen bestehen, die Aussagen zur Ahndung ihrer Nichtbeachtung nicht enthalten. In diesem Fall muss das Gericht die Primärnorm mit einer Sekundärnorm verknüpfen, die Primärnorm also in eine einklagbare Anspruchsgrundlage verwandeln. Wie bereits dargelegt, liefert das Völkergewohnheitsrecht Primärnormen, ohne Sekundärnormen bereit zu stellen. Da das Völkergewohnheitsrecht gemeinhin dem Bundesrichterrecht zugeordnet wird,448 kann der Grundsatz aus Bell v. Hood grundsätzlich auch bei Normen des Völkergewohnheitsrechts Anwendung finden.449 Einige Gerichte bejahten vor diesem Hintergrund eine Zuständigkeit über § 1331 in Verbindung mit Völkergewohnheitsrecht.450 Zum Erfordernis der richterrechtlichen Ableitung einer Anspruchsgrundlage aus dem Völkergewohnheitsrecht bezogen sie hierbei nicht Stellung. Diese Entscheidungen erscheinen indes nicht vertretbar. Sie vernachlässigen, dass die Kompetenz aus Bell v. Hood in späteren Entscheidungen eingeschränkt wurde. Demnach soll eine Kompetenz zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen insbesondere dann nicht bestehen, wenn „special factors counselling hesitation“ vorliegen.451 Solche sollen unter anderem dann vorliegen, wenn die Bereitstellung von Rechtsschutz in den Kompetenzbereich von Legislative oder Exekutive eingreifen würde.452 Dies ist im Bereich der HRL der Fall.453 Die Schaffung eines innerstaatlichen Klagerechts beschneidet die 446
327 U.S. 678 (1946). Ebd., S. 684. Die Begriffe relief und remedy werden weitestgehend deckungsgleich verwendet (Black’s Law Dictionary, S. 1296). Sie beschreiben die Art des Rechtsschutzes, die das Gericht gewährt bzw. die der Kläger beantragt (ebd., S. 1293 (relief) und S. 1296 (remedy)). Gängige Rechtsschutzziele sind das Schadensersatzurteil oder die richterliche Verfügung, näher hierzu unten 4. Kapitel, II. 2. 448 Siehe bereits oben Fn. 433 und dazu gehörender Text. 449 Vgl. Randall, Federal Questions and the Human Rights Paradigm, 73 Minn. L. Rev. 349, 410 (1988); Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 31 ff.; Handel v. Artukovic, 601 F. Supp. 1421 (C.D. Cal. 1985); White v. Paulsen, 997 F. Supp. 1380, 1384 (E.D. Wash. 1998), begrenzt auf ius cogens. 450 Forti v. Suarez-Mason, 672 F. Supp. 1531, 1544 (N.D. Cal. 1987); Bodner v. Banque Paribas, 114 F. Supp. 2d 117, 127 (E.D.N.Y. 2000); Doe v. Unocal Corp., 110 F. Supp. 2d 1294, 1311 (C.D. Cal. 2000), in dicta. 451 Angedeutet in Bivens v. Six Unknown Named Agents of Federal Bureau of Narcotics, 403 U.S. 388, 396 (1971). 447
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Autonomie der außenpolitischen Entscheidungsträger, Exekutive und Legislative.454 Sie führt dazu, dass der Völkerrechtsverstoß eines anderen Staates auch in dem Fall, in dem dies außenpolitisch inopportun ist, vor einem innerstaatlichen Gericht zur Sprache gebracht werden kann.455 Der Supreme Court bestätigte diese Einschätzung in Sosa v. Alvarez-Machain456. Er wies dort im Zusammenhang mit dem ATCA auf die außenpolitischen Risiken der HRL hin und ermahnte die Gerichte bezüglich der Schaffung richterrechtlicher Anspruchsgrundlagen zu erhöhter Vorsicht.457 Diese Aufforderung zu erhöhter Vorsicht muss im Zusammenhang mit § 1331 die Möglichkeit zur richterrechtlichen Schaffung völkerrechtsbezogener Anspruchsgrundlagen ausschließen. Die Erwägungen nämlich, die im Rahmen des § 1350 zu Vorsicht Anlass bieten, greifen im Rahmen des § 1331 in verstärktem Maße. Im Zusammenhang mit dem ATCA nämlich existieren zumindest Hinweise darauf, dass der seinerzeitige Gesetzgeber eine entsprechende Tätigkeit der Gerichte befürwortete. Außerdem hat der heutige Gesetzgeber die damalige Billigung nicht aufgehoben.458 Hinsichtlich des § 1331 hingegen fehlen entsprechende Hinweise des seinerzeitigen Gesetzgebers. Ferner hat der heutige Gesetzgeber durch Erlass des TVPA zu erkennen gegeben, dass er auch heute eine entsprechende Möglichkeit der Gerichte nicht anerkennt. Widrigenfalls hätte der TVPA, welcher eine Anspruchsgrundlage für die Delikte der Folter und der außergerichtlichen Tötung schafft, nicht erlassen werden müssen. Das gleiche Ergebnis hätte über § 1331 in Verbindung mit richterrechtlich geschaffenen Anspruchsgrundlagen erreicht werden können. Auch über die allgemeine Regel aus Bell v. Hood lässt sich eine richterrechtliche Schaffung einer Anspruchsgrundlage im Rahmen des § 1331 mithin nicht legitimieren. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Begründung einer bundesgerichtlichen Zuständigkeit über § 1331 in Verbindung mit Völkerrecht im Bereich der Menschenrechte nicht möglich ist.
452 U.S. v. Stanley, 483 U.S. 669, 683 f. (1987); Chapell v. Wallace, 462 U.S. 296, 301 ff. (1983). 453 So auch White v. Paulson, 997 F. Supp. 1380, 1385 (E.D. Wash. 1998), Hawkins v. Comparet-Casani, 33 F. Supp. 2d 1244, 1256 (C.D. Cal. 1999). 454 Oetjen v. Central Leather Co., 246 U.S. 297, 302 (1918). 455 Richter Bork in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 818 (D.C. Cir. 1984). 456 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). 457 Ebd., S. 2763 f. 458 Vgl. ebd., S. 2761.
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
3. Kapitel
Die Human Rights Litigation vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts Eine Klage, die vor einem US-amerikanischen Gericht eingereicht wird, muss eine Reihe von teils prozessualen, teils materiellrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, um erfolgreich zu sein. Das US-amerikanische Recht unterscheidet hierbei nicht streng in die Zulässigkeit und die Begründetheit einer Klage. Auch hier lassen sich jedoch zulässigkeitsspezifische Fragen von solchen des materiellen Rechts unterscheiden.
I. Zulässigkeitsspezifische Fragen Die klassischen drei zulässigkeitsspezifische Prüfungspunkte sind die Zuständigkeit über den Streitgegenstand (subject matter jurisdiction), die Zuständigkeit über den Beklagten (personelle Zuständigkeit/personal jurisdiction) sowie die Berechtigung des Klägers, den Anspruch vor Gericht geltend zu machen (standing). Während die Zuständigkeit über den Streitgegenstand und die Klageberechtigung von Amts wegen zu prüfen sind,459 erfolgt eine Prüfung der personellen Zuständigkeit nur auf Antrag des Beklagten.460 1. Die Zuständigkeit über den Streitgegenstand (subject matter jurisdiction) Die subject matter jurisdiction betrifft die Zuständigkeit des Gerichts über den Streitgegenstand. Zum einen erfasst sie die sachliche Zuständigkeit der Gerichte innerhalb des Rechtswegs vor den Staatengerichten. Zum anderen betrifft sie die Abgrenzung des Rechtswegs vor die Staatengerichte von jenem vor die Bundesgerichte. Im Rahmen der HRL interessiert vornehmlich letztere Funktion, da sich die HRL mehrheitlich vor Bundesgerichten abspielt.
459
Regel 12 (h) (3) Fed. R. Civ. P. Das standing wird dort nicht ausdrücklich als von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung angeführt. Es wird gleichwohl davon ausgegangen, dass das Gericht nur dann tätig werden darf, wenn der Kläger ein hinreichendes Interesse an der Aburteilung seines Falles darlegen kann, Friedenthal/ Kane/Miller, Civil Procedure, S. 335 f. 460 Vgl. Regel 12 (h) (1) Fed. R. Civ. P.
3. Kap.: Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts 107
Zur Abgrenzung des Rechtswegs vor die Staatengerichte von jenem vor die Bundesgerichte ist zu sagen, dass grundsätzlich der Rechtsweg vor die Staatengerichte eröffnet ist. Die subject matter jurisdiction der Bundesgerichte ist daneben nur begründet, wenn ein Bundesgesetz dies so festlegt.461 Bereiche, in denen derartige Bundesgesetze ergehen können, sind in Art. III Section 2 [1] der Verfassung vorgegeben. Von Bedeutung für die HRL ist vor allem die federal question jurisdiction aus Art. III Section 2 [1] 1. Fall. Es heißt dort: „The judicial Power shall extend to all cases, in Law and Equity, arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties made, or which shall be made, under their Authority.“
Der Kongress schuf vor diesem Hintergrund zum einen die so genannte general federal question jurisdiction. Sie ist kodifiziert in 28 U.S.C. § 1331 und weist den Bundesgerichten in den Fällen eine Zuständigkeit zu, in denen sich die Anspruchsgrundlage des Falles aus einer Norm des Bundesrechts ergibt.462 Der Kongress nutzt seine Befugnisse aus Art. III. Section 2 [1] 1. Fall zum anderen immer wieder dazu, den Gerichten durch Bundesgesetze spezifische Zuständigkeiten zuzuweisen (so genannte specific federal question jurisdiction). Von Relevanz für die HRL sind der ATCA und der FSIA. Sie weisen den Bundesgerichten die Zuständigkeit speziell für völkerrechtliche Klagen bzw. für Klagen gegen ausländische Staaten zu. Es wird nicht spezifiziert, dass es sich hierbei um eine ausschließliche Zuständigkeit der Bundesgerichte handle. Angesichts der generellen Zuständigkeit der Staatengerichte ist jede Zuständigkeit eines Bundesgerichtes, die nicht ausdrücklich als ausschließliche ausgewiesen ist, eine konkurrierende. Die bundesgerichtliche Zuständigkeit, die durch ATCA und FSIA begründet wird, ist daher lediglich eine konkurrierende. Völkerrechtliche Klagen bzw. Klagen gegen ausländische Staaten können also auch bei Staatengerichten eingereicht werden.463 Diese Möglichkeit wird jedoch relativ selten wahrgenommen. Dies liegt daran, dass die Bundesgerichte von den Klägern als kompetenter und völkerrechtsfreundlicher eingestuft werden. 461
Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S. 11. Zur Bedeutung der general federal question jurisdiction im Rahmen der HRL siehe oben 2. Kapitel, IV. 463 Das Ziel des ATCA, die Zuweisung außenpolitisch heikler Klagen an die Bundesgerichte [siehe oben 2. Kapitel, I. 1. a)], wurde also nur teilweise erreicht. Diese Unvollkommenheit ist wahrscheinlich darauf zurückführen, dass der Federal Judiciary Act (und mit diesem der ATCA, siehe oben ebd.) das Ergebnis eines umkämpften Kompromisses zwischen Föderalisten und Befürwortern einer zentralistischen Ausrichtung des Bundesstaates war. Siehe hierzu Randall, Federal Jurisdiction over International Law Claims: Inquiries into the Alien Tort Statute, 18 N.Y.U.J. Int’l L. & Pol. 1, 23 (1985) sowie Warren, New Light on the History of the Federal Judiciary Act of 1789, 37 Harv. L. Rev. 49, 53 (1923). 462
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
2. Das standing des Klägers Das standing behandelt die Berechtigung des Einzelnen, das Gericht mit seiner Sache zu befassen. Vor den Staatengerichten und den Bundesgerichten gelten insoweit unterschiedliche Regelungen. Da sich die Mehrzahl der HRL-Fälle vor Bundesgerichten abspielt,464 beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf das standing vor den Bundesgerichten. Das bundesrechtliche Institut des standing ist zusammengesetzt aus dem „Art. IIIstanding“ und den so genannten „prudential principles“ der Richterschaft. Das Art. III-standing wird aus Art. III Section 2 [1] der US-Verfassung abgeleitet. Wie soeben ausgeführt, werden dort jene Bereiche festgelegt, in denen der Kongress der Bundesgerichtsbarkeit Zuständigkeiten zuweisen darf.465 Der Verfassungsgeber lässt es in dieser Vorschrift nicht dabei bewenden, die jeweiligen Rechtsgebiete aufzuzählen. Jeder Fallgruppe ist vielmehr das Wort „case“ oder „controversy“ vorangestellt.466 Aus der Verwendung dieser Worte leitet der Supreme Court eine eigenständige Beschränkung der bundesgerichtlichen Zuständigkeit ab. Auf den entsprechenden Rechtsgebieten sollen die Bundesgerichte nur tätig werden dürfen, wenn ein „case“ oder eine „controversy“ vorliegt. Eine Definition dieser Begriffe wird in der Verfassung nicht geliefert, wurde aber im Laufe der Zeit durch den Supreme Court herausgearbeitet. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1952 führt der Supreme Court aus, Fälle im Sinne des verfassungsrechtlichen case or controversy-Kriteriums seien jene, die „ ‚consonant with the exercise of the judicial function‘ and ‚appropriate for judicial determination‘ “ seien. Es heißt weiter: „Each must present a ‚justiciable controversy‘ as distinguished from ‚a difference or dispute of a hypothetical or abstract character. The controversy must be definite and concrete, touching the legal relations of parties having adverse legal interests. It must be a real and substantial controversy admitting of specific relief through a decree of 464
Siehe oben 1. Art. III, Section 2 [1]: The judicial Power shall extend to all Cases, in Law and Equity, arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties made, or which shall be made, under their Authority; – to all Cases affecting Ambassadors, other public Ministers and Consuls; – to all Cases of admiralty and maritime Jurisdiction; – to Controversies to which the United States shall be a Party; – to Controversies between two or more States; – between a State and Citizens of another State; – between Citizens of different States; – between Citizens of the same State claiming Lands under Grants of different States, and between a State, or the Citizens thereof, and foreign States, Citizens or Subjects. 466 Die Begriffe „case“ und „controversy“ sind weitestgehend deckungsgleich. Ein Unterschied besteht nur insofern, als das Wort „case“ der engere Begriff ist und lediglich zivilrechtliche Fälle umfasst, Aetna Life Insurance Co. of Hartford, Conn. v. Haworth, 300 U.S. 227, 239 (1937). 465
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a conclusive character, as distinguished from an opinion advising what the law would be upon a hypothetical state of facts.‘ The relief is available only for a ‚concrete case admitting of an immediate and definite determination of the legal rights of the parties.‘ “467 Zweck des case or controversyKriteriums ist es also, den Kompetenzbereich der Judikative gegenüber jenem der politischen Gewalten (Exekutive und Legislative) abzugrenzen und sicherzustellen, dass sich die Richterschaft auf ihren eigentlichen Aufgabenbereich beschränkt, welcher es ist, das Individuum vor einer Beeinträchtigung seiner Rechte zu beschützen bzw. eine Beeinträchtigung dieser Rechte auszugleichen.468 Abstrakte Rechtsfragen, die von Bedeutung für die Allgemeinheit sind, ohne ein Individuum in besonderer Weise zu betreffen, sollen durch die politischen Gewalten gelöst werden.469 Das case or controversy-Kriterium des Art. III Section 2 [1] wird durch eine Reihe richterrechtlicher Doktrinen konkretisiert. Es sind dies das Verbot der Beurteilung hypothetischer Fälle (Erfordernis der ripeness), das Verbot der Behandlung erledigter Fälle (Verbot der mootness) sowie das Verbot gutachterlicher Stellungnahmen (Verbot der advisory opinions).470 Verboten ist ebenso die Behandlung vorgetäuschter Fälle (Verbot der feigned cases), in denen sich Kläger und Beklagter nicht antagonistisch gegenüber stehen, sondern gleichgerichtete Interessen verfolgen.471 Die wohl wichtigste richterrechtliche Doktrin, die in Konkretisierung des case or controversy-Kriteriums entwickelt wurde, ist die hier zu erörternde Doktrin des standing. Sie ist komplex, vielschichtig und hinsichtlich ihres Inhalts in weiten Bereichen ungeklärt.472 Justice Harlan bezeichnete das standing als ein „word game played by secret rules“.473 Das standing unterscheidet sich von den anderen aus Art. III abgeleiteten Doktrinen dadurch, dass es die Ziele des case or controversy-Kriteriums nicht über eine Anknüpfung an den Streitgegenstand, sondern anknüpfend an die Parteien des Rechtsstreites verwirk467
Public Service Commission of Utah v. Wycoff Co., 344 U.S. 237, 242 (1952). Vgl. Radcliffe, The Case-or-Controversy Provision, S. 2 ff. 469 Warth v. Seldin, 422 U.S. 490, 499 (1975). 470 Fletcher, Federal Courts, S. 10 ff. 471 Ebd., S. 14 ff. Als Beispiel kann der Fall Chicago & Grand Trunk Railway v. Wellman dienen. Nachdem ein Gesetz zur Regulierung der Bahnfahrpreise in Kraft getreten war, weigerte sich der Reisende Wellman, den nicht angepassten Tarif der Bahngesellschaft zu bezahlen. Diese verklagte ihn. Die Parteien gaben zu, dass sie sich untereinander einig waren und es ihnen nur um die gerichtliche Überprüfung des Gesetzes ging. Der Supreme Court wies den Fall mit der Begründung ab, ein Bundesgericht könne nur solche Fälle hören, die „in pursuance of an honest and actual antagonistic assertion of rights by one individual against another“ vorgebracht würden, 143 U.S. 339 (1892). 472 Wright/Kane, Law of Federal Courts, S. 61. 473 Flast v. Cohen, 392 U.S. 83, 129 (1968). 468
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licht.474 Zur Frage, wann eine Person über das erforderliche standing verfügt, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Ansichten vertreten.475 In dem Maße, in dem eine gewisse politische Funktion der Gerichte akzeptiert wurde, wurden die Anforderungen an das standing geschwächt.476 Die heutige, stark fallbezogene Rechtsprechung zur Thematik lässt sich wie folgt zusammenfassen:477 (1) Der Kläger muss in einem rechtlich geschützten Interesse konkret und persönlich verletzt worden sein. Eine hypothetische Verletzung ist ebenso ausgeschlossen wie eine Verletzung, die zugleich einer unbestimmten Zahl von Personen widerfahren ist.478 Rechtlich geschützt sind materielle ebenso wie immaterielle Interessen, wie zum Beispiel das ästhetische Interesse an einer intakten Umwelt.479 (2) Es muss eine kausale Verbindung zwischen der Verletzung und dem streitgegenständlichen Handeln bestehen. (3) Die erstrebte Entscheidung des Gerichtes muss geeignet sein, der Beschwer des Klägers Abhilfe zu schaffen (vgl. das Rechtsschutzbedürfnis im deutschen Recht). Neben dem verfassungsrechtlich fundierten Art. III-standing hat die Richterschaft zur Frage des standing so genannte prudential principles (Prinzipien der Vernunft) entwickelt, die nicht in der Verfassung, sondern in einem Bedürfnis nach richterlicher Zurückhaltung begründet sind. Sie überlappen sich zum Teil mit den Kriterien aus Art. III und gehen zum Teil über diese hinaus. Die Übergänge sind fließend.480 Die insoweit entwickelten Kriterien müssen neben jenen des Art. III-standing erfüllt sein. Die prudential principles verlangen, dass (1) der Kläger bzw. die von ihm geltend gemachte Verletzung dem Schutzbereich der angeführten Norm unterfallen, (2) dass die Verletzung des Klägers individuell und nicht generell ist sowie, (3) dass der Kläger grundsätzlich nur eigene Interessen und nicht die Interessen Dritter geltend macht.481 474
Ebd., S. 99. Siehe Radcliffe, The Case-or-Controversy Provision, S. 186 ff. 476 Ebd., S. 216. 477 Lujan v. Defenders of Wildlife, 504 U.S. 555, 560 f. (1992); Fletcher, Federal Courts, S. 23; Wright/Kane, Law of Federal Courts, S. 80. 478 Fletcher, ebd., S. 23 f. 479 Sierra Club v. Morton, 405 U.S. 727 (1972). 480 Fletcher, Federal Courts, S. 23. 481 Wright/Kane, Law of Federal Courts, S. 81. 475
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Anders als die verfassungsrechtlich fundierten Kriterien des Art. III-standing können die prudential principles der Richterschaft durch einfaches Gesetzesrecht abbedungen werden.482 Dies hat seinen Grund in der Normenhierarchie des US-Rechts, welche das Fallrecht unterhalb des Gesetzesrechts ansiedelt.483 Eine teilweise Ersetzung der Prinzipien der Richterschaft ist im Bereich der HRL hinsichtlich des dritten Prinzips, nach dem der Kläger grundsätzlich nur eine Verletzung in eigenen Interessen geltend machen kann, geschehen. Der TVPA legt fest, dass in dem Fall, in dem das Opfer der Verletzung verstorben ist, deren gesetzliche Vertreter sowie Personen, die einen Anspruch wegen rechtswidriger Tötung geltend machen können, über das erforderliche standing verfügen.484 Die Richterschaft wendet diese Regelung des TVPA entsprechend auf den ATCA an.485 Probleme hinsichtlich des standing ergeben sich im Bereich der HRL in Fällen, in denen nicht individualschützende Normen des Völkerrechts geltend gemacht werden. Hier ist fraglich, ob der Kläger darlegen kann, in einem rechtlich geschützten Interesse konkret und persönlich verletzt worden zu sein (vgl. oben Voraussetzung (1) des Art. III-standing) bzw. in den Schutzbereich der von ihm angeführten Norm zu fallen (vgl. oben Prinzip (3) der prudential principles). So entschied zum Beispiel das Gericht des Falles Alvarez-Machain v. United States, dass der Kläger eine Verletzung der territorialen Souveränität des Staates Mexiko nicht geltend machen könne, da ihm insoweit das erforderliche standing fehle.486 Ein ähnliches Problem könnte sich in Fällen ergeben, die Verstöße gegen das bislang nicht individualschützend ausgerichtete Umweltvölkerrecht geltend machen. Die Haltung der Gerichte ist insoweit ungewiss. Bislang lehnte noch jedes Gericht bereits das Vorliegen einer Verletzung des Umweltvölkerrechts ab, so dass auf die Frage, ob der Einzelne, sich auf die entsprechende Norm berufen könnte, nicht eingegangen werden brauchte. 3. Die personelle Zuständigkeit (personal jurisdiction) Während die subject matter jurisdiction sich mit der Abgrenzung der Bundes- von der Staatengerichtsbarkeit befasst, behandelt das Institut der personellen Zuständigkeit die Frage, in welchem Staat der USA ein Verfah482
Ebd., S. 84 f. Clark, The Sources of Law, in: Clark/Ansay (Hrsg.), Introduction to the Law of the United States, S. 35, 37. 484 Siehe § 2 (a) (2) des TVPA. 485 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 189 (D. Mass. 1995); Cabello v. Fernandez-Larios, 157 F. Supp. 2d 1345, 1354 f. (S.D. Fla. 2001), m. w. N. 486 Alvarez-Machain v. United States, 266 F.3d 1045, 1050 (9th Cir. 2001). 483
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
ren stattfinden soll.487 Es geht also um eine interlokale, das heißt zwischenstaatliche Zuständigkeitsabgrenzung. Anknüpfungspunkt dieser Zuständigkeitsabgrenzung ist die Person des Beklagten – deshalb auch der Begriff personal jurisdiction. Die prinzipiell interlokal orientierten Vorschriften der personal jurisdiction werden weitestgehend unterschiedslos auf die Frage nach der internationalen Zuständigkeit eines Gerichtes angewendet.488 Sie sind also auch dann relevant, wenn unklar ist, ob ein Gericht der USA oder ein ausländisches Gericht über einen bestimmten Fall entscheiden soll und sind deshalb im Zusammenhang mit der HRL von besonderer Bedeutung. Klassischer Ausgangspunkt des US-amerikanischen Rechts der personellen Zuständigkeit ist das dem common law entstammende Territorialitätsprinzip.489 Im Fall Pennoyer v. Neff 490 aus dem Jahre 1875 benötigte der Supreme Court eine Regel, anhand derer er die Zuständigkeit zwischen den „souveränen“ Staaten der US-amerikanischen Föderation verteilen konnte. Er griff zu diesem Zweck auf völkerrechtliche Regeln zur Abgrenzung staatlicher Souveränitätssphären zurück.491 Er ging davon aus, dass ein Staat auf seinem Staatsgebiet unbeschränkte Hoheitsgewalt ausüben dürfe, umgekehrt aber außerhalb seines Staatsgebietes von jeglicher hoheitlicher Tätigkeit absehen müsse. Die Jurisdiktionsgewalt eines Staates war demnach auf das seiner territorialen Souveränität unterliegende Gebiet begrenzt. Sie lag in der faktischen Gewalt begründet, die er über Personen ausübt, 487 Vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 42 f. In der Regel gibt es in den Staaten der USA freilich mehrere erstinstanzliche Gerichte der Staaten- bzw. Bundesgerichtsbarkeit. Allein aus der Festlegung auf einen bestimmten Staat, in dem das Verfahren stattzufinden hat, ergibt sich daher meist noch kein konkret zuständiges Gericht. Eine letzte Präzisierung erfolgt vor diesem Hintergrund über die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit, auf die an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden soll. 488 Siehe Strauss, Beyond National Law: The Neglected Role of the International Law of Personal Jurisdiction in Domestic Courts, 36 Harv. Int’l L.J. 373, 383 (1995). In der Literatur wird dieser egalisierende Ansatz kritisiert. Zum Teil wird die Anwendung völkerrechtlicher Vorschriften über die internationale Zuständigkeit propagiert, so Strauss, ebd. Nach anderer Ansicht sind die staatlichen Vorschriften in internationalen Fällen dahingehend zu verändern, dass nicht mehr die Kontakte zum jeweiligen Staat der USA, sondern jene zu den USA als Gesamtstaat entscheidend sind, Born, Reflections on Judicial Jurisdiction in International Cases, 17 Ga. J. Int’l & Comp. L. 1 (1987). Bislang greift die ganz überwiegende Mehrheit USamerikanischer Gerichte diese Ansätze jedoch nicht auf. Zu vereinzelten abweichenden Entscheidungen, siehe Born, ebd., S. 7 ff. 489 Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 43. 490 Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714 (1877). 491 Strauss, Where America Ends and the International Order Begins: Interpreting the Jurisdictional Reach of the U.S. Constitution in Light of a Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Satisfaction of Judgments, 61 Alb. L. Rev. 1237, 1253 (1998).
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die sich auf seinem Staatsgebiet befinden.492 Die Anwesenheit des Beklagten im Forumstaat war deshalb zwingende und zugleich hinreichende Voraussetzung der personellen Zuständigkeit. Die Möglichkeit einer Zuständigkeitsbegründung in Anknüpfung an die Anwesenheit des Beklagten im Forumstaat existiert auch heute noch: Die personelle Zuständigkeit des Forumstaates kann dadurch begründet werden, dass Klageschrift und Ladung dem Beklagten im Forumstaat persönlich ausgehändigt werden. Unerheblich ist hierbei, ob sich der Beklagte nur vorübergehend im Forumstaat aufhält. Hinreichend ist es bereits, dass er den Forumstaat überfliegt.493 Unschädlich ist es gleichfalls, wenn der Beklagte keinerlei anderweitige Kontakte zum Forumstaat unterhält. Diese Art der Zuständigkeitsbegründung wird als tag oder transient jurisdiction (nachfolgend tag jurisdiction) bezeichnet. Mit der stetig wachsenden Zahl rechtlich verselbständigter Gesellschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde der Ansatz aus Pennoyer v. Neff zunehmend unpraktikabel. Es erschien unmöglich, den „Aufenthaltsort“ einer juristischen Fiktion festzulegen.494 Die Gerichte lösten dieses Problem zunächst, indem sie davon ausgingen, die Beklagten hätten durch ihre Kontakte zum Forumstaat stillschweigend in eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Forumstaates eingewilligt.495 In der Entscheidung in International Shoe v. Washington aus dem Jahre 1945 wurde die Problematik dann vom Supreme Court aufgegriffen. Das Gericht diversifizierte den Ansatz aus Pennoyer v. Neff und stellte fest, dass neben der Anwesenheit des Beklagten auch dessen Kontakte zum Forumstaat (die so genannten „minimum contacts“) die personelle Zuständigkeit begründen könnten. Voraussetzung sei, dass diese Kontakte so eng seien, dass eine Ausübung der personellen Zuständigkeit das due process-Gebot der Verfassung nicht verletzen würde. Das due process-Gebot der Verfassung ist für die Bundesgerichte496 im 5. Zusatzartikel zur Verfassung (5. Amendment) geregelt. Dort heißt es: „No person shall [. . .] be deprived of life, liberty or property, without due process of law.“ Präzisierend führte der Supreme Court aus, das Gebot des due process verlange, dass die Begründung der personellen Zuständigkeit nicht im 492
International Shoe v. Washington, 326 U.S. 310, 316 (1945). Grace v. MacArthur, 170 F. Supp. 442 (E.D. Ark. 1959). 494 Strauss, Where America Ends and the International Order Begins: Interpreting the Jurisdictional Reach of the U.S. Constitution in Light of a Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Satisfaction of Judgments, 61 Alb. L. Rev. 1237, 1255 f. (1998). 495 Hay, US-amerikanisches Recht, S. 44; Schack, Einführung in das US-amerikanische Recht, S. 26. 496 Für die Staatengerichte ist das due process-Gebot in § 1 des 14. Zusatzartikels zur Verfassung verankert. Dort heißt es: „[N]or shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law.“ 493
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Widerspruch zu traditionellen Vorstellungen von Fairness und Gerechtigkeit stünde („[D]ue process requires only that in order to subject a defendant to a judgment in personam497, if he be not present in the territory of the forum, he have certain minimum contacts with it such that the maintenance of the suit does not offend ‚traditional notions of fair play and substantial justice‘498). Zur Frage, was den traditionellen Vorstellungen von Fairness und Gerechtigkeit entspreche, betonte das Gericht, dass schematische Konzepte verfehlt seien und stattdessen von Fall zu Fall zu entscheiden sei.499 Es sei darauf abzustellen, ob es im konkreten Fall „unvernünftig“ (unreasonble) wäre, dem Beklagten anknüpfend an dessen Kontakte zum Forumstaat eine Verteidigung in dem entsprechenden Forum aufzuerlegen. Hierbei spiele die Intensität der Kontakte, welche der Beklagte zum Forumstaat unterhalte, eine entscheidende Rolle. Es sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Intensität der Kontakte divergierten, je nach dem, ob sich der Streitgegenstand aus dem Kontakt des Beklagten zum Forumstaat oder von diesem Kontakt unabhängig ergebe. In dem letzteren Fall seien stärkere Kontakte zum Forumstaat zu verlangen.500 Eine Begründung für diese Unterscheidung wird in International Shoe nicht geliefert, ergibt sich aber aus späteren Entscheidungen. In diesen legt der Supreme Court fest, dass nur solche Kontakte des Beklagten zu beachten sind, die von diesem bewusst und willentlich eingegangen wurden und lässt so erkennen, dass es (wie schon in der Zeit vor International Shoe) eine implizite Zustimmung des Beklagten ist, die die Wahl des Forums legitimiert.501 Gerechtfertigt wird die Implizierung einer Zustimmung mit dem Argument, der Beklagte könne aus seiner Betätigung im Forumstaat nicht nur Vorteile ziehen: Wer sich im Forumstaat betätige und in den Schutz dessen Rechtssystems komme, müsse die Unterwerfung unter dieses Rechtssystem akzeptieren.502 Hinsichtlich der Reichweite der impli497
Für Belange der personellen Zuständigkeit werden Klagen in rem, quasi in rem und in personam unterschieden. Bei Klagen in rem wird um die dingliche Berechtigung an einem Gegenstand gestritten. Die personelle Zuständigkeit besteht dort, wo der Gegenstand belegen ist. Die quasi in rem jurisdiction ermöglicht eine Klage an dem Ort, an dem ein beschlagnahmter Vermögensgegenstand des Beklagten belegen ist. Ein Bezug zwischen Vermögensgegenstand und Klage ist nicht erforderlich. Im Bereich der HRL waren bislang weder in rem noch quasi in rem jurisdiction von Bedeutung. Relevant ist lediglich die hier dargestellte in personam jurisdiction. Sie gilt für alle Klagen ohne einen vorgegebenen territorialen Bezug. Schack, Einführung in das US-amerikanische Prozessrecht, S. 25. 498 International Shoe v. Washington, 326 U.S. 310, 316 (1945). 499 Ebd., S. 319. 500 Ebd. 501 Hanson v. Deckla, 357 U.S. 235, 253 (1958); Kulko v. California Superior Court, 436 U.S. 84, 94 (1978). 502 International Shoe v. Washington, 326 U.S. 310, 319 (1945).
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ziten Zustimmung wird auf die Grenzen des Vorhersehbaren abgestellt: Die Begründung der personellen Zuständigkeit stünde nur dann im Einklang mit traditionellen Vorstellungen von Fairness und Gerechtigkeit, wenn der Beklagte damit habe rechnen können, aufgrund seiner Kontakte zum Forumstaat, in diesem verklagt zu werden.503 Vor dem Hintergrund dieses Argumentationsmodells wird die Unterscheidung in streitbezogene und nichtstreitbezogene Kontakte verständlich. Der Beklagte stimmt durch seine Aktivität im Forumstaat zu, hinsichtlich von Ansprüchen, die sich aus dieser Aktivität ergeben, dort verklagt zu werden. Eine derartige Zustimmung kann dem Beklagten nicht ohne weiteres unterstellt werden, wenn die Ansprüche, die eingeklagt werden, keinen Bezug zu seinen Aktivitäten im Forumstaat aufweisen. In einem solchen Fall kann von einer impliziten Zustimmung des Beklagten nur ausgegangen werden, wenn seine Beziehungen zum Forumstaat so eng sind, dass er ganz allgemein damit rechnen muss, dort verklagt zu werden. Strittig ist, ob auch ausländische Staaten in den Schutz des due processGebotes der Verfassung kommen. Ist dies der Fall, dann können sie verfassungskonform in den USA nur verklagt werden, wenn sie zu diesen minimum contacts unterhalten. Diese Frage konnte lange Zeit dahinstehen, da in alle Immunitätsausnahmen des FSIA bereits ein Bezug zu den USA integriert war, der den Anforderungen des due process-Gebotes gerecht wurde.504 Im explizit extraterritorial orientierten AEDPA505 wurde diese Praxis des integrierten Inlandsbezuges jedoch nicht in vollem Umfang fortgesetzt. Umstritten ist, ob dessen einziger Inlandsbezug, die Staatsangehörigkeit des Opfers, genügt, um dem due process-Gebot gerecht zu werden.506 Sinnvoll erscheint insoweit eine differenzierende Betrachtungsweise: Während die Staatsangehörigkeit des Opfers im Fall eines explizit gegen 503
World-Wide Volkswagen Corporation v. Woodson, 444 U.S. 286 (1980). H.R. Rep. No. 94-1487, S. 13 (1976): „The requirements of minimum jurisdictional contacts and adequate notice are embodied in the provision [§ 1330 (b)] [. . .]. Significantly, each of the immunity provisions in the bill, sections 1605–1607, requires some connection between the lawsuit and the United States, or an express or implied waiver by the foreign state of its immunity from jurisdiction. These immunity provisions, therefore, prescribe the necessary contacts which must exist before our courts can exercise personal jurisdiction.“ 505 Zum AEDPA siehe oben 2. Kapitel, III. 1. f). 506 Baletsa, The Cost of Closure: A Reexamination of the Theory and Practice of the 1996 Amendments to the Foreign Sovereign Immunities Act, 148 U. Pa. L. Rev. 1247, 1277 (2000), minimum contacts-Kriterien nicht erfüllt; Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 21 ff. (D.D.C. 1998), minimum contacts-Kriterien erfüllt; Glannon/Atik, Politics and Personal Jurisdiction: Suing State Sponsors of Terrorism Under the 1996 Amendments to the Foreign Sovereign Immunities Act, 87 Geo. L.J. 675, 689 (1999), differenzierende Betrachtungsweise. 504
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US-Bürger gerichteten terroristischen Attentates wohl einen hinreichenden Bezug zu den USA herstellt,507 ist dies im Falle eines nur zufällig US-amerikanische Opfer treffenden Anschlags nicht der Fall,508 da hier die Kontakte zum US-Forum nicht bewusst und willentlich begründet werden.509 Die erforderlichen Kontakte zu den USA bestehen also nur in manchen AEDPA-Fällen. Die Frage, ob auch der ausländische Staat in den Schutz des due process-Gebotes kommt, kann daher nicht länger dahinstehen. Der Supreme Court hat zur Frage, ob sich das due process-Gebot auf den ausländischen Staat erstreckt, noch nicht klar Stellung bezogen. Am Rande wurde das Problem im Fall Republic of Argentina v. Weltover behandelt.510 Das Gericht lies die Frage nach dem due process-Schutz des ausländischen Staates zwar in der Sache offen, verwies aber kommentarlos auf den Fall Katzenbach, in dem es betont hatte, dass bereits der Wortsinn des 5. Amendments, welches sich nur auf die Person („person“) beziehe, ausschlösse, dass auch die Staaten des Bundes in seinen Schutzbereich einbezogen würden („The word ‚person‘ in the context of the Due Process Clause of the Fifth Amendment cannot, by any reasonable mode of interpretation, be expanded to encompass the States of the Union [. . .]“511). Dieses Argument muss gleichermaßen für ausländische Staaten gelten. Ebenso wie die Staaten der USA kommen jene daher nicht in den Schutz des due process-Gebotes der Verfassung.512 Die minimum contacts des Beklagten sind zwingende, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Begründung der personellen Zuständigkeit. In der Entscheidung World Wide Volkswagen wurde dem minimum contactsTest ein reasonableness-Test beigefügt.513 Obgleich der Beklagte des Falles „minimum contacts“ zum Forumstaat unterhielt, lehnte das Gericht seine Zuständigkeit unter dem Stichwort der „reasonableness“ ab. Hieraus hat sich im Laufe der Zeit ein von der minimum contacts-Prüfung losgekoppelter reasonableness-Test entwickelt, in dessen Rahmen die konkurrierenden Interessen, die für bzw. gegen eine Zuständigkeitsausübung sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Berücksichtigt werden die Mehrbelastung, 507
So z. B. in Rein v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 995 F. Supp. 325 (E.D.N.Y. 1998). 508 So z. B. Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1 (D.D.C. 1998). 509 Vgl. oben Fn. 501 und dazu gehörender Text. 510 Republic of Argentina v. Weltover, 504 U.S. 607, 619 (1992). 511 Carolina v. Katzenbach, 383 U.S. 301, 323 (1966). 512 So auch die Rechtsprechung, siehe z. B.: Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 19 ff. (D.D.C. 1998); Altmann v. Republic of Austria, 142 F. Supp. 2d 1187, 1206 (C.D. Cal. 2001); Price v. Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya, 2002 WL 1393591, *12 ff. (D.C. Cir.). 513 World Wide Volkswagen Corporation v. Woodson, 444 U.S. 286, 292 (1980).
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die einem Beklagten daraus entsteht, dass er sich an einem fremden Forum verteidigen muss514 sowie das Interesse, welches ein Staat daran haben kann, seinen Bürgern ein Forum bereitzustellen.515 Beachtet werden ferner das Interesse des Klägers, für die Durchsetzung seines Rechtsschutzbegehrens nicht erhebliche Belastungen in Kauf nehmen zu müssen516 sowie das Interesse an einer effektiven Rechtspflege.517 Schließlich sollen durch die Regelung der personellen Zuständigkeit nicht staatenübergreifende politische Ziele vereitelt werden, wie zum Beispiel das Interesse an der Förderung harmonischer Familienbeziehungen.518 De facto wird der minimum contacts-Test hierdurch von Fall zu Fall einem Billigkeitskorrektiv unterstellt.519 Der Begriff der „reasonableness“ wird also an zwei verschiedenen Stellen mit je unterschiedlichem Inhalt verwendet: einmal im Rahmen der minimum contacts-Prüfung zur Präzisierung des due process-Gebotes und einmal als Korrektiv der minimum contacts-Analyse. Wie bereits angedeutet, werden die Vorschriften zur personellen Zuständigkeit auf interlokale und internationale Streitigkeiten gleichermaßen angewendet. Die Prüfungspunkte des reasonableness-Tests werden hierbei auf den internationalen Kontext übertragen.520 Es wird die besondere Mehrbelastung berücksichtigt, die sich daraus ergibt, dass sich der Beklagte nicht nur vor dem Gericht eines anderen Staates der USA, sondern vor einem gänzlich fremden, ausländischen Forum verteidigen muss. Es wird statt auf das interlokale, auf das internationale Interesse an einer effektiven Streitbeilegung Rücksicht genommen. Ebenso werden die politischen Zielvorgaben nicht der anderen Staaten der USA, sondern der involvierten Nationalstaaten beachtet. Als eigener, spezifisch internationaler Gesichtspunkt wird das Interesse der politischen Gewalten an einer ungestörten Führung der Außenpolitik berücksichtigt. Mit Blick auf die konkrete rechtliche Umsetzung dieser höchstrichterlichen Vorgaben ist zunächst zu betonen, dass der Bund und die Staaten der USA grundsätzlich frei sind, ihr Recht zur personellen Zuständigkeit nach eigenem Ermessen zu regeln. Begrenzt sind sie insoweit nur durch die verfassungsrechtlich basierten Vorgaben des Supreme Court, dem die Gesetze 514
International Shoe v. Washington, 326 U.S. 310, 317 (1945). McGee v. International Life Insurance, 355 U.S. 220, 223 (1957); Kulko v. California Superior Court, 436 U.S. 84, 93 (1978). 516 Kulko v. California Superior Court, 436 U.S. 84, 92 (1978). 517 World-Wide Volkswagen Corporation v. Woodson, 444 U.S. 286, 292 (1980). 518 Kulko v. California Superior Court, 436 U.S. 84, 93 (1978). 519 Heiser, A ‚Minimum Interest‘ Approach to Personal Jurisdiction, 35 Wake Forest L. Rev. 915, 923 f. (2000). 520 Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S. 102, 114 (1987). 515
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
zur personellen Zuständigkeit sowie ihre Anwendung im Einzelfall gerecht werden müssen. Zunächst sei auf die Rechtslage in den Staaten der USA eingegangen. Alle Staaten der USA verfügen über die so genannte „tag jurisdiction“; sie erachten es also für die Begründung der personal jurisdiction für hinreichend, wenn die Klageschrift im Forumstaat zugestellt wurde.521 Daneben gibt es in allen Staaten Gesetze, die lediglich an die Kontakte des Beklagten zum Forumstaat anknüpfen und seine Anwesenheit im Forumstaat nicht verlangen. Solche Gesetze werden als long-arm statutes bezeichnet. Zum Teil erlauben die Staaten generalklauselartig die Begründung der personellen Zuständigkeit in allen Fällen, die den Vorgaben der Verfassung gerecht werden.522 So gilt zum Beispiel in Kalifornien die Blankettformel des § 410.10 des Code of Civil Procedure, in dem es heißt: A court of this state may exercise jurisdiction on any basis not inconsistent with the Constitution of this state or the United States. Andere Staaten verfügen über spezifischere Vorschriften. In Anlehnung an die Differenzierung aus International Shoe v. Washington wird in der Literatur insoweit zwischen streitbezogenen (specific contacts) und sonstigen (general contacts) Kontakten unterschieden.523 Die streitbezogenen Kontakte können sich zum Beispiel aus im Forumstaat begangenen deliktischen Handlungen sowie aus dort unterhaltenen, streitbezüglichen Geschäftbeziehung (doing business) ergeben.524 Gängige general contacts auf der anderen Seite sind der Lebensmittelpunkt (domicile)525 oder der gewöhnliche Aufenthaltsort (residence)526 des Beklagten sowie bei Unternehmen die Gründung im Forumstaat.527 Ferner kann auch im Rahmen der general contacts an die Geschäftskontakte des Beklagten angeknüpft werden.528 Während im Bereich der specific contacts aber bereits ein einmaliger geschäftlicher Kontakt genügen kann, um die personelle Zuständigkeit über den Beklagten zu begründen,529 wird für die Belange der general contacts eine Geschäftsbeziehung verlangt, die „systematic and continuous“ ist.530 521 Burnham v. Superior Court of California, County of Marin, 495 U.S. 604, 615 (1990). 522 Hay, US-amerikanisches Recht, S. 45. 523 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozeßrecht, S. 27 f. 524 Ebd., S. 28. 525 Der Begriff des domicile ist nicht mit dem „Wohnsitz“ des deutschen Rechts vergleichbar. Das domicile einer Person befindet sich an einem Ort, wenn dort ihr derzeitiger Lebensmittelpunkt liegt und sie zugleich die Absicht hat, an diesem Ort für unbestimmte Zeit zu bleiben, Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S. 108. 526 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozeßrecht, S. 27, Fn. 203. 527 Ebd., S. 25. 528 Ebd. 529 Burger King v. Rudzewicz, 471 U.S. 462, 478 f. (1985). 530 Perkins v. Benguet Consolidated Mining Co., 342 U.S. 437 (1952).
3. Kap.: Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts 119
Wie bereits erwähnt, sind Menschenrechtsklagen vor Staatengerichten selten.531 Für die HRL interessiert daher vor allem die rechtliche Situation vor den Bundesgerichten. Auf Bundesebene ist die Frage nach der personellen Zuständigkeit in Regel 4 (k) der Federal Rules of Civil Procedure geregelt. Gemäß dieser ist zunächst zu prüfen, ob ein einschlägiges Bundesgesetz ausdrückliche Bestimmungen zur personellen Zuständigkeit enthält.532 So wird zum Beispiel in 28 U.S.C. § 1303 (b) für Belange des FSIA geregelt, dass die personelle Zuständigkeit über einen ausländischen Staat besteht, wenn das Gericht über die subject matter jurisdiction verfügt und die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt wurde.533 28 U.S.C. § 1332 (c) (1) legt fest, dass ein Unternehmen in Fällen der federal question jurisdiction nicht nur an seinem Gründungsort, sondern daneben am Ort seines „principal place of business“ verklagt werden kann.534 Soweit spezifische bundesrechtliche Vorschriften fehlen, orientiert sich das Bundesgericht hinsichtlich des Rechts der personellen Zuständigkeit am Recht seines Sitzstaates.535 Nach diesem kann die personelle Zuständigkeit über die tag jurisdiction sowie entsprechend dessen jeweiliger long-arm statutes begründet werden. Vor Bundesgerichten gilt hinsichtlich der long-arm jurisdiction die Besonderheit, dass es möglich ist, die Kontakte zu einzelnen Staaten der USA zu kumulieren und den minimum contacts-Test des Supreme Court am gesamten Staatsgebiet der USA zu orientieren.536
II. Materiellrechtliche Fragen Im materiellrechtlicher Hinsicht prüft das Gericht, ob der Kläger über eine Anspruchsgrundlage verfügt, die seinen Antrag deckt, eine cause of action upon which relief can be granted, und ob er Tatsachen darlegt bzw. beweist, die deren Tatbestandvoraussetzungen erfüllen. Wie bereits erörtert, enthält nur der TVPA eine Anspruchsgrundlage. Im Rahmen des ATCA ergibt sich die Anspruchsgrundlage aus dem Richterrecht. Für Belange des FSIA ist die Anspruchsgrundlage je nach kollisionsrechtlichem Ansatz einer ausländischen Rechtsordnung, dem Recht des Forumstaates oder dem Bundesrecht zu entnehmen. Etwas anderes gilt nur 531
Siehe oben 1. Regel 4 (k) (1) (D) Fed. R. Civ. P. 533 28 U.S.C. § 1330 (b): Personal jurisdiction over a foreign state shall exist as to every claim for relief over which the district courts have jurisdiction under [1130 (a) and] where service has been made under section 1608 [. . .]. 534 Näher hierzu Hay, US-Amerikanisches Privatrecht, S. 44. 535 Regel 4 (k) (1) (A) Fed. R. Civ. P. 536 Regel 4 (k) (2) Fed. R. Civ. P. 532
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
hinsichtlich des AEDPA. Für diesen ergibt sich aus dem CLA eine eigenständige Anspruchsgrundlage. Diese Anspruchsgrundlagen sind daraufhin zu untersuchen, ob sie das seitens des Klägers verfolgte Rechtsschutzziel gewähren. Das wichtigste Rechtsschutzziel im Bereich der HRL ist der Antrag auf Schadensersatz. Zu unterscheiden sind compensatory und punitive damages. Während die compensatory damages den Geschädigten entschädigen sollen, dienen punitive damages dem Zweck, den Täter zu bestrafen und potentielle Täter abzuschrecken.537 Neben dem Antrag auf Schadensersatz kann im Rahmen der HRL bisweilen auch der Antrag auf eine richterliche Verfügung oder Feststellung538 eine Rolle spielen. Denkbar ist beispielsweise eine Unterlassungsverfügung, wenn Gegenstand des Verfahrens eine noch andauernde Menschenrechtsverletzung ist.539 Vorstellbar ist auch eine einstweilige Verfügung, die zum Beispiel ein Einfrieren der Vermögenswerte des Beklagten anordnet.540 Die Gesetze der HRL erlauben die Geltendmachung dieser Rechtsschutzziele in unterschiedlichem Umfang. Der ATCA enthält keine Aussage zu möglichen Rechtsschutzzielen. Schadensersatz (compensatory und punitive damages) und gerichtliche Verfügungen werden aber seitens der Gerichte für möglich befunden.541 Dem TVPA ist nur zu entnehmen, dass der Täter dem Opfer zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Die Rechtsprechung sieht hiervon auch punitive damages erfasst.542 Noch unklar ist, ob im Gegenschluss zu der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Zahlung von Schadensersatz zu folgern ist, dass andere Rechtsschutzziele, wie zum Beispiel richterliche Verfügungen, über den TVPA nicht verfolgt werden können.543 Im Rahmen des FSIA sind Schadensersatz und richterliche Verfügungen möglich.544 Hinsichtlich des einklagbaren Schadensersatzes enthält der FSIA die begrenzende Regelung des § 1606 (2. HS), nach welcher punitive damages gegen eine agency oder instrumentality des Staates, nicht jedoch gegen den Staat selbst verhängt werden dürfen. Es war lange Zeit unklar, wie sich der CLA, der punitive damages in den von ihm erfassten 537
Dobbs, Law of Remedies, S. 310, 318 ff., 322 ff. So z. B. in Doe v. Qi, 2004 WL 2901626 (N.D. Cal.). 539 So z. B. geltend gemacht in Doe v. Karadzic, 886 F. Supp. 734 (S.D.N.Y. 1994). 540 So geschehen in Republic of the Philippines v. Marcos, 862 F.2d 1355 (9th Cir. 1988). 541 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 211. 542 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 199 (D. Mass. 1995). 543 Angedeutet bei Haffke, The Torture Protection Act: More Symbol Than Substance, 43 Emory L.J. 1468, 1482 (1991). 544 Dellapenna, Suing Foreign Governments and Their Corporations, S. 363 ff. 538
3. Kap.: Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts 121
Fällen ausdrücklich ermöglicht,545 zu dieser Vorschrift verhält. Zwischenzeitlich wurde per Gesetz klargestellt, dass die Regel des § 1606 (2. HS) durch den CLA nicht verändert wird.546 Gegen den ausländischen Staat darf also auch in Klagen über den AEDPA und den CLA kein Strafschadensersatz verhängt werden. Zu überprüfen ist im konkreten Fall außerdem, ob die besonderen Anforderungen erfüllt sind, die an die Gewähr bestimmter Rechtsschutzziele gestellt werden. So können punitive damages nur zugesprochen werden, wenn dem Beklagten ein vorsätzliches, „bösartiges“ (malicious) Verhalten vorzuwerfen ist.547 Im Übrigen ist strittig, ob punitive damages nur als Annex eines anderweitigen Schadensersatzes oder auch isoliert verhängt werden können.548 Im Hinblick auf die richterliche Verfügung ist zu bedenken, dass sie dem Bereich der equitable remedies angehört. Die equitable remedies sind den legal remedies (wichtigstes Beispiel ist der Schadensersatz) gegenüberzustellen. Die Unterscheidung in equitable und legal remedies ist vor dem Hintergrund der historischen Zweiteilung des angloamerikanischen Rechts in law und equity zu verstehen. Im Mittelalter hatten sich in England parallel zur gesetzlichen Gerichtsbarkeit die Courts of Equity entwickelt. Diese unterstanden direkt der Krone, waren meist mit hohen Geistlichen besetzt und urteilten nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach allgemeinen Grundsätzen von Fairness und Gerechtigkeit. Beschwerden wurden nur angenommen, wenn die Situation keine befriedigende Lösung vor einem gesetzlichen Gericht finden konnte. Die traditionelle Subsidiarität der equitable remedies hat die mittlerweile vollzogene dogmatische Fusion von law und equity überlebt. Equitable remedies dürfen deshalb nur gewährt werden, wenn legal remedies nicht existent oder unzureichend sind.549 Die im Bereich der HRL vorstellbaren Verfügungen betreffen überdies typischerweise ein Verhalten, das auf fremdem Staatsgebiet vorzunehmen ist. Dies ist für sich allein noch nicht schädlich, da eine Verfügung grundsätzlich auch ein im Ausland vorzunehmendes Verhalten zum Gegenstand haben kann.550 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Verfügung nur dann gewährt wird, wenn ihre Durchsetzbarkeit sicher gestellt ist.551 Eine extraterritorial orientierte Verfügung birgt die Gefahr in sich, gar nicht 545
Siehe oben 2. Kapitel, III. 2. Siehe den Victims Trafficking and Violence Protection Act of 2000, Pub. L. 106-386, § 2002 (f) (2). 547 Smith v. Wade, 461 U.S. 30, 51 (1983). 548 Dobbs, Law of Remedies, S. 341 ff. 549 Dobbs, Law of Remedies (Practioner Treatise Series), Bd. I, S. 55 ff. 550 U.S. v. First Nat. City Bank, 379 U.S. 378 (1965). 551 Vanity Fair Mills, Inc. v. T. Eaton Co., 234 F.2d 633, 647 (2d Cir. 1956); Ramirez de Arellano v. Weinberger, 724 F.2d 143 (D.C. Cir. 1983). 546
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
oder nur in einer Weise, die unangemessen in die Souveränität des anderen Staates eingreifen würde, durchsetzbar zu sein. Sie wird deshalb von den Gerichten in der Regel nur zögerlich erteilt.552 Schließlich ist zu bestimmten, in welchem Umfang bzw. auf welche Weise dem beantragten Rechtsschutzziel stattzugeben ist. Während der konkrete Inhalt einer Verfügung von Fall zu Fall variieren wird, lassen sich hinsichtlich des Umfangs des zu gewährenden Schadensersatzes verallgemeinerbare Aussagen treffen. Im Bereich der compensatory damages werden wirtschaftliche Schäden ebenso wie immaterielle Schäden, die durch körperliche oder seelische Schmerzen hervorgerufen wurden, berücksichtigt. Auch ein Verlust an Lebensqualität kann geltend gemacht werden.553 Erwähnung verdient darüber hinaus der Komplex des loss of consortium, unter den materielle und immaterielle Einbußen gefasst werden, die einer Person durch den Tod eines nahen Familienangehörigen entstehen.554 Der CLA erwähnt ferner das solatium, welches zu definieren ist als „damages allowed for injury to feelings“.555 Für die Höhe der punitive damages gibt es keine festen Bezugsgrößen. Als grobe Leitlinie gilt, dass ein vernünftiger Bezug zur Schwere des Vergehens, zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Beklagten und zu den compensatory damages bestehen sollte.556
III. Das anwendbare Recht Die dargestellten Grundsätze interferieren zum Teil mit kollisionsrechtlichen Bestimmungen. Dies liegt daran, dass die HRL-Fälle mehrheitlich Bezüge zum Ausland haben. Das Kollisionsrecht wird in derartigen Konstellationen relevant, wenn es zu klären gilt, welches Recht im konkreten Fall anzuwenden ist. Einer derartigen Klärung bedarf es nicht, wenn ein nationales Gesetz bereits den extraterritorialen Sachverhalt regelt. Regelt ein nationales Gesetz den Sachverhalt lückenhaft, ergeben sich für das US-amerikanische Gericht zwei Möglichkeiten. Es kann hinsichtlich der Lücken Kollisionsrecht anwenden oder auf die Auslegungsregel des Bundesrechts zurückgreifen, nach der ein lückenhaftes Bundesgesetz durch das am ehesten vergleichbare Gesetz des Forumstaates557 bzw. ausnahmsweise durch 552
Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 217. Dobbs, Law of Remedies, S. 653. 554 Ebd., S. 660 f. 555 Black’s Law Dictionary, S. 1397. 556 Dobbs, Law of Remedies, S. 343 ff. 557 Siehe die Vorschrift des Rules of Decision Act, 28 U.S.C. § 1652: The laws of the several states, except where the Constitution or treaties of the United States or Acts of Congress otherwise require or provide, shall be regarded as rules of deci553
3. Kap.: Hintergrund des US-amerikanischen Zivil- und Zivilprozessrechts 123
ein ungleich besser geeignetes Bundesgesetz zu ergänzen ist558. Die Gerichte verfolgen im kollisionsrechtlichen Bereich keinen einheitlichen Lösungsansatz. Ihre Vorgehensweise ist stark auf den einzelnen Fall und das einzelne Problem bezogen und entzieht sich einer dogmatischen Analyse. Im Folgenden seien daher nur die wichtigsten Lösungsansätze bezüglich der einzelnen Gesetze der HRL beschrieben. Der TVPA enthält detaillierte, extraterritorial anzuwendende Vorschriften zur Haftung des ausländischen Hoheitsträgers und macht eine kollisionsrechtliche Prüfung weitestgehend entbehrlich. Hinsichtlich des FSIA wird die in ihm nicht enthaltene Anspruchsgrundlage über das Kollisionsrecht ermittelt. Unklar ist insoweit aber bereits, ob dem Kollisionsrecht des Bundes oder jenem der Staaten zu folgen ist. Auch hinsichtlich der jeweils anzuwendenden Grundsätze ergibt sich ein uneinheitliches Bild.559 Im Zusammenhang mit dem ATCA fehlt es an einer Regelung der Anspruchsgrundlage, der Verjährung, des standing sowie der verfolgbaren Rechtsschutzziele. Im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage wird eine kollisionsrechtliche Prüfung augenscheinlich nicht für erforderlich gehalten. Jedenfalls der Supreme Court entnahm in Sosa v. Alvarez-Machain die Anspruchsgrundlage des Falles ohne jegliche Stellungnahme zu kollisionsrechtlichen Fragestellungen dem Richterrecht des Bundes.560 Im Hinblick auf die Verjährung verzichten die Gerichte gleichfalls auf eine kollisionsrechtliche Analyse und greifen auf die Vorschriften des TVPA, als dem am ehesten vergleichbaren Bundesgesetz zurück.561 Ähnlich verhält es sich hinsichtlich des standing. Hier wenden die Gerichte grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze des Bundesrichterrechts an,562 greifen jedoch auch auf die Regelungen des TVPA zurück, soweit dieser spezielle Vorschriften zum standing enthält.563 Die Frage nach den einklagbaren Rechtsschutzzielen hingegen lösen die Gerichte über das Kollisionsrecht. Die Gerichte greifen sion in civil actions in the courts of the United States, in cases where they apply. Siehe auch die Entscheidung des Supreme Court in Agency Holding Corp. v. Malley-Duff & Associates, 483 U.S. 143, 147 (1987): „Given our longstanding practice of borrowing state law, and the congressional awareness of this practice, we can generally assume that Congress intends by its silence that we borrow state law.“ 558 Bell v. City of Milwaukee, 746 F. 2d 1205, 1236 ff. (7th Cir. 1984); Agency Holding Corp. v. Malley-Duff & Associates, 483 U.S. 143, 149 f. (1987). 559 Ausführlich Dellapenna, Suing Foreign Governments and Their Corporations, S. 214 ff. 560 Siehe oben 2. Kapitel, I. 2. a). 561 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 192 (D. Mass. 1995); Cabello v. Fernandez-Larios, 157 F. Supp. 2d 1345, 1363 (S.D. Fla. 2001), m. w. N. 562 The Herero People’s Reparations Corporation v. Deutsche Bank, Civ. No. 01-01868 (CKK), Entscheidung des District Court for the District of Columbia vom 3.7.2003, S. 10 ff.
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Teil I: Die Grundlagen der Human Rights Litigation
hierbei nicht auf etabliertes Kollisionsrecht564 zurück, sondern schaffen eigene HRL-spezifische Kollisionsregeln. Das anwendbare Schadensrecht wird in einer zweistufigen Prüfung ermittelt. Es wird zunächst auf die Vorschriften des Ortes mit der engsten Beziehung zum Streitgegenstand, regelmäßig dem Tatort, abgestellt. Sollten die Vorschriften dieses Ortes punitive damages nicht enthalten oder aus anderen Gründen ungenügend sein, um die besondere Schwere des völkerrechtlichen Verbrechens zu erfassen, wird ergänzend auf US-amerikanisches Bundesrecht zurückgegriffen.565 Kollisionsrechtliche Fragestellungen werden schließlich auch im Hinblick auf die Vorschriften zur Haftung von Gehilfen diskutiert. Es ist insoweit auf die obigen Ausführungen zu verweisen.566
563 Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 189 (D. Mass. 1995); Cabello v. Fernandez-Larios, 157 F. Supp. 2d 1345, 1354 f. (S.D. Fla. 2001). 564 Siehe hierzu Restatement of the Law (Second), Law of Conflicts (1971). 565 Filártiga v. Peña-Irala, 577 F. Supp. 860 (E.D.N.Y. 1984). Ausführlich hierzu Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 211 ff. 566 Siehe oben 2. Kapitel, I. 2. c) (2).
Teil II
Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation 1. Kapitel
Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte In den Fällen der HRL steht die Kompetenz des Gerichts typischerweise auf schwachen Beinen. Die meisten Klagen werden abgewiesen, weil das Gericht sich für inkompetent befindet. Es drohen internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte. Als „internationale Konflikte“ seien hierbei solche mit anderen Nationalstaaten, als „nationale Konflikte“ solche zwischen den Bundesgerichten und der US-amerikanischen Exekutive und Legislative und als „intranationale Konflikte“ solche zwischen dem Bund und den Staaten der USA verstanden. Nachfolgend wird untersucht, ob bzw. inwieweit sich im internationalen, nationalen und intranationalen Bereich Kompetenzkonflikte ergeben und wie Gesetzgeber und Richterschaft mit diesen Problemen umgehen. Dies soll Aufschluss darüber geben, auf welche Weise und mit welchen Gewichtungen die USA den Ausgleich zwischen kompetenzspezifischen Problemen und menschenrechtlichen Bestrebungen vollziehen.
I. Internationale Kompetenzkonflikte Internationale Kompetenzkonflikte entstehen, wenn US-amerikanische Gerichte über ausländische Staaten, Hoheitsträger oder Hoheitsakte zu Gericht sitzen. Sie setzen sich dann in Konflikt zum Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, welches das Verhältnis der Staaten zueinander bestimmt. Daneben ist problematisch, dass die HRL sowohl im Hinblick auf die Streitparteien als auch hinsichtlich der behandelten Sachverhalte typischerweise über die Grenzen der USA hinausgreift. Dabei gerät sie notwendigerweise in Konflikt mit den Zuständigkeitsspähren anderer Staaten, namentlich mit deren Personal- und Gebietshoheit.
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
1. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten Der völkerrechtliche Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ist eines der ältesten Prinzipien des Völkerrechts. Er wurde seit Grotius immer wieder neu bestätigt und ist mittlerweile in Art. 2 Nr. 1 der UN-Charta kodifiziert. Er besagt, dass alle Staaten vor dem Recht gleich sind und impliziert, dass kein Staat es sich von Rechts wegen erlauben darf, einen anderen Staat seiner Hoheitsgewalt zu unterwerfen.1 Eine grundlegende Ausprägung erfährt er in der Regel, dass ein Staat und seine Hoheitsträger nicht ohne die Zustimmung des Staates vor den Gerichten eines anderen Staates verklagt werden können.2 Im Völkerrecht hat dies zur Entstehung der Regeln zur Staatenimmunität geführt. Die entsprechenden völkerrechtlichen Vorgaben haben auch im Recht der USA Niederschlag gefunden. Es finden sich dort spezifisch US-amerikanische Regeln zur Immunität des ausländischen Staates und seiner Hoheitsträger. Daneben hat der Grundsatz der souveränen Gleichheit speziell in den USA zur Entstehung der act of stateDoktrin geführt. Auf ihrer Grundlage sehen die US-Gerichte unabhängig von der Person des Beklagten in bestimmten Fällen davon ab, ein Urteil über die Wirksamkeit oder die Rechtmäßigkeit ausländischer Hoheitsakte zu fällen. a) Das Immunitätsrecht der USA (1) Ausländische Staaten Die Immunität ausländischer Staaten ist im FSIA abschließend geregelt. Dieser kodifiziert die grundsätzliche Immunität ausländischer Staaten, schafft aber zugleich eine Reihe von Ausnahmetatbeständen. Ein genereller Ausnahmetatbestand für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen ist nicht vorgesehen. Lediglich im Bereich terroristischer Aktivitäten erlaubt der AEDPA zumindest US-Bürgern eine Klage und entscheidet sich somit gegen den Respekt der souveränen Gleichheit des betroffenen Staates und für die Sanktionierung terroristischer Aktivitäten.3
1
Ipsen (Epping), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 26, Rn. 7 ff. Ebd., Rn. 8. Zu weiteren Konzeptionen, die als Grundlagen für das Recht der völkerrechtlichen Immunität angeführt werden, siehe Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 190 ff. 3 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 1. f). 2
1. Kap.: Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte
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(2) Amtierende ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister Hinsichtlich von Klagen gegen amtierende Staatsoberhäupter findet die richterrechtliche Doktrin der head-of-state immunity Anwendung. Der FSIA ist nicht anwendbar.4 Etwas anderes gilt nur insoweit, als augenscheinlich die Immunitätsausnahme des AEDPA auch auf amtierende Staatsoberhäupter Anwendung finden soll. Diese Ansicht wurde bislang jedenfalls auf der Ebene von Bezirksgerichten vertreten. So verweigerte das Gericht im Fall Flatow v. Islamic Republic of Iran5 dem beklagten Staatsoberhaupt unter Berufung auf den Wortlaut des AEDPA, welcher das Handeln individueller Hoheitsträger erwähne, die Immunität.6 Im Fall Smith v. Afghanistan7 legte das Gericht die Anwendbarkeit des AEDPA auf den Beklagten des Falles, Saddam Hussein, sogar ohne diesbezügliche Ausführungen als selbstverständlich zugrunde.8 Die aber jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des AEDPA einschlägige Doktrin der head-of-state immunity besagt im Wesentlichen, dass die Immunität ausländischer Staatsoberhäupter gemäß einzelfallbezogener 4 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d, 259, 288 (S.D.N.Y. 2001). Siehe bereits oben Teil I, 2. Kapitel, III. 4. 5 Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 24 (D.D.C. 1998). 6 Ebd. Dem Wortlaut des AEDPA ist indes keine Immunitätsausnahme für amtierende Staatsoberhäupter zu entnehmen. Es heißt dort lediglich: (a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case [. . .] in which money damages are sought against a foreign state for personal injury or death [. . .] if such act or provision of material support is engaged in by an official, employee, or agent of such foreign state while acting within the scope of his or her office, employment, or agency [. . .] [Kursivierung hinzugefügt]. Das Flatow-Gericht zitiert allein die kursiv gesetzte Passage und leitet aus ihr ab, dass der AEDPA eine Immunitätsausnahme für individuelle Hoheitsträger vorsehe, von der Staatsoberhäupter nicht ausgenommen seien. Diese Argumentation überzeugt nicht. Die Bezugnahme auf individuelle Hoheitsträger erfolgt im Rahmen des AEDPA mit dem Zweck festzulegen, in welchen Fällen das Verhalten einer natürlichen Person dem Staat zuzurechnen ist. Es wird nicht die Immunität der natürlichen Person selbst, geschweige denn der politisch problematische Fall der Immunität eines ausländischen Staatsoberhauptes, geregelt. 7 262 F. Supp. 2d 217 (S.D.N.Y. 2003). 8 Im Ergebnis lehnte das Gericht die Verantwortlichkeit von Saddam Hussein jedoch ab. Grund hierfür war jedoch nicht dessen Immunität. Entscheidend war vielmehr, dass gegen Hussein keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung stand. Der grundsätzlich insoweit einschlägige Civil Liability for Acts of State Sponsored Terrorism Act (siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 2.) griff nicht. Nach diesem nämlich besteht ein Anspruch gegen den ausländischen Hoheitsträger nur, wenn ein US-Beamter in einer vergleichbaren Situation haftbar wäre. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Der US-Präsident nämlich wäre nach Ansicht des Gerichts in einer vergleichbaren Situation immun gewesen.
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
exekutiver Vorgaben zu bestimmen ist.9 Die Exekutive10 und die ganz herrschende Meinung unter den Gerichten erachtet die entsprechenden exekutiven Vorgaben als verbindlich.11 Die Stellungnahmen der Exekutive im Zusammenhang mit Immunitätsfragen sind mithin grundsätzlich von allgemeinen statements of interest der Regierung zu unterscheiden, da letztere für die Gerichte nicht verbindlich sind.12 Zu beachten ist jedoch, dass es der Exekutive anheim steht, ihr Einflusspotential im Bereich des Immunitätsrechts nicht voll auszuschöpfen und auch hier gewöhnliche, unverbindliche statements of interest abzugeben.13 Die Exekutive plädierte bislang in Fällen gegen amtierende Staatsoberhäupter durchgängig für deren Immunität. Etwas anderes galt nur in Konstellationen, in denen die USA die Eigenschaft des Beklagten als Staatsoberhaupt nicht anerkannten. Eine derartige Anerkennungsverweigerung kann ihren Grund in der Person des Funktionsträgers haben14 oder daher rühren, dass die Körperschaft, der die jeweilige Person vorsteht, von den USA nicht als Staat anerkannt ist.15 Sofern die Exekutive einem Beklagten 9
Working Group of the American Bar Association, Reforming the Foreign Sovereign Immunities Act, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489, 535 (2002); Mallory, Resolving the Confusion over Head of State Immunity: The Defined Rights of Kings, 86 Colum. L. Rev. 169, 171 (1986). 10 Siehe Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d, 259, 282, Fn. 91 (S.D.N.Y. 2001). 11 Siehe die Analyse der Rechtsprechung in Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d, 259, 294 f. (S.D.N.Y. 2001). So auch die Working Group of the American Bar Association, Reforming the Foreign Sovereign Immunities Act, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489, 534 (2002). Eine Abweichung von einer exekutiven Vorgabe erfolgte soweit ersichtlich nur in Republic of Philippines by Cent. Bank of Philippines v. Marcos, 665 F. Supp. 793, 796 f. (N.D. Cal. 1987). Hier ging das Gericht davon aus, dass die Exekutive mit Erlass des FSIA ihr Entscheidungsrecht in Immunitätsfragen umfassend verloren habe. Dies gelte sogar in Bereichen, die der FSIA nicht regle, wie z. B. die Immunität amtierender Staatberoberhäupter. Von der Nichtbeachtung exekutiver Vorgaben zu unterscheiden sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Gerichten und Exekutive betreffend die Reichweite der head-of-state immunity. Die Gerichte verweigern der Exekutive in den entsprechenden Fällen die Gefolgschaft nicht mit dem Argument, die Vorgaben der Exekutive im Bereich der head-of-state immunity seien nicht verbindlich. Sie führen vielmehr an, es handle sich nicht um eine eben solche Vorgabe, da im konkreten Fall die Reichweite der head-of-state immunity überschritten sei, so z. B. in El-Hadad v. Embassy of the United Arab Emirates, 69 F. Supp. 2d 69, 82, Fn. 10 (D.D.C. 1999), wo das Gericht sich weigerte, die head-of-state immunity auf Botschaftsangehörige zu erstrecken. 12 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d). 13 Siehe Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d, 259, 282, Fn. 91 (S.D.N.Y. 2001). 14 United States v. Noriega, 746 F. Supp. 1506, 1519 (S.D. Fla. 1990). 15 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232 (2d Cir. 1995).
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die Eigenschaft als Staatsoberhaupt verweigert, ist das Gericht auch an diese Einschätzung gebunden.16 Die Regeln zur Immunität ausländischer Staatsoberhäupter werden mehrheitlich auf den Regierungschef und den Außenminister erstreckt.17 Auch insoweit ist mithin auf die Vorgaben der Exekutive abzustellen. Diese erachtet ausländische Regierungschefs, Außenminister und deren Delegationsmitglieder vor US-Gerichten als immun und gibt in der Regel entsprechende Hinweise an die Gerichte.18 Etliche Gerichtsentscheidungen bestätigen diesen Ansatz. So gewährte zum Beispiel das Gericht im Fall Saltany v. Reagan Frau Thatcher als amtierender Regierungschefin Großbritanniens auf Vorschlag der Exekutive Immunität.19 In Tachiona v. Mugabe wurde dem Außenminister Mudenge von Simbabwe auf Vorschlag der Exekutive Immunität gewährt.20 Im Übrigen ist davon auszugehen, dass jedenfalls jene Gerichte, die den AEDPA bislang auf amtierende Staatsoberhäupter anwandten, auch Regierungschefs und Außenministern im Bereich des AEDPA die Immunität verweigern würden. Die Exekutive versucht daneben, auch andere Regierungsmitglieder sowie sonstige hochrangige Hoheitsträger (high officials) dem Schutz der head-of-state immunity zu unterstellen. Das Restatement of the Law deckt diese Aussage. Es stellt fest, dass auch „high officials and special missions“ immun seien. Der Begriff der „high officials“ wird hierbei nicht erläutert. Es wird lediglich ausgeführt, dass Immunität jedenfalls dann zu gewähren sei, wenn eine Jurisdiktionsausübung die Immunität des ausländischen Staates verletzen würde.21 Dieser Hinweis ist freilich wenig hilfreich, da die Frage, ob die Immunität des Staates im konkreten Fall verletzt wird, gerade davon abhängt, ob sich die Immunität des Staates auf den konkreten Hoheitsträger erstreckt. Die Position der Gerichte ist insoweit unklar. In Kline v. Cordera de la Madrid22 wurde dem Kabinettschef Mexikos Immunität gewährt. In Republic of the Philippines v. Marcos23 hingegen lehnte es das 16
United States v. Noriega, 746 F. Supp. 1506, 1520 (S.D. Fla. 1990). Vgl. Working Group of the American Bar Association, Reforming the Foreign Sovereign Immunities Act, 40 Colum. J. Transnat’l L. 489, 535 (2002); Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987), § 464, reporters’ note 14, S. 471; Republic of Philippines by Cent. Bank of Philippines v. Marcos, 665 F. Supp. 793, 797 (N.D. Cal. 1987), m. w. N. 18 Siehe Lüke, Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 104, Fn. 296. 19 702 F. Supp. 319, 320 (D.D.C. 1988), bestätigt in 886 F.2d 438 (D.C. Cor. 1989). 20 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d, 259 (S.D.N.Y. 2001). 21 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 464, comment i, S. 461. 22 546 N.Y.S. 2d 506 (App. Div. 1989). 17
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Gericht ab, die head-of-state immunity auf den philippinischen solicitor general24 zu erstrecken. Ebenso verweigerte in First American Corp. v. AlNahyan25 das Gericht dem Verteidigungsminister der Vereinigten Arabischen Emirate die head-of-state immunity. (3) Ehemalige ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister sowie sonstige Hoheitsträger Ehemaligen Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern sowie sonstigen (amtierenden oder ehemaligen) Hoheitsträgern wird im Rahmen der HRL keine Immunität gewährt. Soweit die Gerichte zur dogmatischen Grundlage dieses Ergebnisses Stellung nehmen, führen sie aus, dass individuelle Hoheitsträger zwar grundsätzlich am Immunitätsschutz des FSIA teilhaben könnten, diese Möglichkeit jedoch auf hoheitliches Handeln beschränkt sei und Menschenrechtsverletzungen kein hoheitliches Handeln darstellten.26 In den meisten HRL-Fällen freilich, insbesondere jenen gegen einfache ausländische Beamte, wird die Immunitätsfrage überhaupt nicht angesprochen. Es ist daher unklar, ob die Gerichte die Immunitätsfrage schlichtweg übersehen bzw., sofern dem nicht so ist, auf welcher dogmatischen Grundlage sie entscheiden.27 23
665 F. Supp. 793 (N.D. Cal. 1987). Der solicitor general berät die Regierung in rechtlichen Fragen und vertritt sie vor Gericht, vgl. Black’s Law Dictionnary, S. 124 (zum vergleichbar verwandten Begriff des Attorney General). 25 948 F. Supp. 1107 (D.D.C. 1996). 26 Vgl. oben Teil I, 2. Kapitel, III. 4. 27 Es könnte sein, dass die Gerichte gleichfalls den vorgenannten dogmatischen Ansatz zugrunde legen. Ebenso ist vorstellbar, dass sie eine Anwendbarkeit des FSIA auf Individuen ablehnen und stattdessen das Richterrecht anwenden, das vor Erlass des FSIA galt (siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 4.). Bei Anwendung des Richterrechts wären sie zunächst an die Immunitätsvorgaben der Exekutive gebunden (siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. vor a)). Sofern solche Vorgaben nicht erfolgten, könnten sie unter Anwendung der bisherigen Präzedenzfälle entscheiden. Nach diesen genießt grundsätzlich auch der individuelle Hoheitsträger Immunitätsschutz. Dieser Immunitätsschutz ist jedoch in zweifacher Hinsicht begrenzt (vgl. insoweit Lyders v. Lund, 32 F.2d 308 (N.D. Cal. 1929)). Zum einen kann sich nicht schon der einfache Beamte auf ihn berufen. Nur der Staat bzw. ausgewählte Repräsentanten des Staates können ihn geltend machen. Zum anderen erstreckt sich der Immunitätsschutz lediglich auf hoheitliches Handeln, wobei eben solches nicht vorliegen soll, wenn der Hoheitsträger seinen Kompetenzbereich überschreitet. Ob Menschenrechtsverletzungen dabei – parallel zur Rechtsprechung zum FSIA – pauschal vom Bereich hoheitlichen Handelns auszunehmen sind, ist nicht geklärt. Die Gerichte könnten die Immunitätsverweigerung vor diesem Hintergrund darauf stützen, dass die Immunität nicht von zuständiger Stelle geltend gemacht wurde bzw. dass Menschenrechtsverletzungen kein hoheitliches Handeln darstellen. Theoretisch ist auch 24
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(4) Diplomaten und Gesandte zu den Vereinten Nationen Im Bereich der diplomatischen Immunität orientieren sich die USA am Recht der Wiener Konvention zum Diplomatenrecht (WDRK)28.29 Diese gesteht in Art. 31 Abs. 1 im Amt befindlichen Diplomaten eine nahezu absolute Immunität von der ausländischen Zivilgerichtsbarkeit zu. Eine Menschenrechtsklage gegen einen Diplomaten ist deshalb nur möglich, wenn dessen Entsendestaat auf die Immunität verzichtet. Nach Ende der diplomatischen Amtszeit besteht die Immunität des Diplomaten gemäß Art. 39 Abs. 2 WDRK nur noch im Hinblick auf solche Taten fort, die in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit des Diplomaten begangen wurden. Soweit es gelingt darzulegen, dass eine Menschenrechtsverletzung nicht in Amtsausübung begangen wurde, ist eine Klage gegen den ehemaligen Diplomaten dann möglich.30 Auch hinsichtlich der staatlichen Gesandten zu den Vereinten Nationen sehen sich die USA an die Vorgaben des Völkerrechts gebunden.31 Die Vertreter der Mitgliedstaaten genießen gemäß Art. 105 Abs. 2 der UN-Charta die Vorrechte und Immunitäten, derer sie bedürfen um ihren Aufgaben in voller Unabhängigkeit nachzukommen. Ergänzt wird diese Regelung durch die Konvention über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen.32 Nach § 11g) der Konvention genießen die Vertreter der Mitgliedstaaten bei Ausübung ihrer Funktionen sowie auf funktionsbezogenen Reisen die Immunitäten, die Diplomaten zustehen.33 In den USA ist ferner das zwischen den USA und den Vereinten Nationen abgeschlossene Sitzübereinkommen34 zu berücksichtigen. In dessen Art. III § 9 wird die Klagezustelvorstellbar, dass die Gerichte in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung einfache Hoheitsträger generell nicht mehr vom staatlichen Immunitätsschutz erfasst sehen. Angesichts des Fehlens jedweder Auseinandersetzung mit der Immunitätsproblematik erscheint dies jedoch unwahrscheinlich. 28 500 UNTS 95; BGBl. 1964 II, 957. 29 Vgl. S. Rep. No. 249, S. 5 (1992). 30 Es liegt nahe, insoweit auf die Argumentation des Gerichtes im Falle In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467 (9th Cir. 1994) zurückzugreifen, siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 4. 31 Vgl. z. B. Klinghoffer v. S.N.C. Achille Lauro, 739 F. Supp. 854 (S.D.N.Y. 1990); Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232 (2d Cir. 1995) und Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259 (S.D.N.Y. 2001). 32 1 UNTS 15; BGBl. 1980 II, 941. 33 Die Vorschrift war einschlägig in Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259 (S.D.N.Y. 2001). Mugabe war die Klageschrift bei einer UN-externen fundraisingVeranstaltung zugestellt worden. Das Gericht sah diesen Fall von § 11 g) erfasst. Dieser betreffe auch solche Tätigkeiten, die von den Vertretern der Staaten typischerweise im Zusammenhang mit Veranstaltungen der Vereinten Nationen ausgeführt würden, ebd., S. 299.
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lung im Distrikt der Vereinten Nationen grundsätzlich untersagt. Darüber hinaus verbietet es Art. III § 11, Vertreter der Mitgliedstaaten oder Gäste der Vereinten Nationen auf ihrem Weg zum oder vom Sitz der Vereinten Nationen zu behindern.35 Art. V § 15 des Sitzübereinkommens gewährt den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten den Immunitätsstatus diplomatischer Gesandter.36 b) Die act of state-Doktrin Gemäß der act of state-Doktrin ist in bestimmten Fällen von der rechtlichen Beurteilung eines Hoheitsaktes, den ein ausländischer Staat auf seinem Hoheitsgebiet gesetzt hat, abzusehen.37 Das Gericht muss in diesen Fällen den Hoheitsakt seiner Entscheidung als rechtmäßig zugrunde legen.38 Die act of state-Doktrin beschränkt also die materiellrechtliche Prüfungskompetenz des Gerichtes.39 Anknüpfungspunkt dieser richterlichen Zurückhaltung ist allein der hoheitliche Charakter der streitgegenständlichen Handlung. Unerheblich hingegen ist es, ob ein ausländischer Hoheitsträger oder eine Privatperson Beklagter des Verfahrens ist. Die Doktrin ist nicht Bestandteil des Völkerrechts.40 Es handelt sich bei ihr um einen spezifisch US-rechtlichen Grundsatz. Ursprünglich fußte die Doktrin auf dem völkerrechtlichen Prinzip der souveränen Gleichheit und diente der völkerrechtlichen Courtoisie.41 Beginnend 34
UN Headquarters Agreement vom 26.6.1947, 11 UNTS 11. Karadzic war die Klageschrift zu Kadic v. Karadzic (70 F.3d 232 (2d Cir. 1995)) anlässlich eines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York zugestellt worden. Im Verfahren berief er sich auf Art. III § 11 des Sitzübereinkommens. Er machte geltend, allein das Drohen einer Klagezustellung beeinträchtige die freie Fortbewegung zwischen seinem Aufenthaltsort und dem Sitz der Vereinten Nationen. Das Gericht befand eine derartige Auslegung des § 11 für zu weitgehend und deutete an, dass höchstens eine Klagezustellung direkt auf dem Weg zwischen Flughafen und Sitz der Vereinten Nationen unter die Vorschrift fallen könnte, ebd., S. 247. 36 Im Falle Klinghoffer v. S.N.C. Achille Lauro (739 F. Supp. 854 (S.D.N.Y. 1990)) war der PLO die Klageschrift in ihrem New Yorker Büro zugestellt worden, dessen Funktion unter anderem in der Repräsentation der Organisation bei den Vereinten Nationen bestand. Die PLO berief sich auf Art. V § 15 des Sitzübereinkommens. Das Gericht lehnte dieses Argument mit der Begründung ab, es handle sich bei der PLO nicht um die Vertreterin eines Mitgliedstaates (ebd., S. 864). 37 Ausführlich zur act of State-Doktrin: Folz, Die Geltungskraft fremder Hoheitsakte. 38 Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 428 (1964); Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 443, note 1. 39 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 57. 40 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 26, Rn. 10. 35
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mit der Entscheidung im Fall Sabbatino v. Banco Nacional de Cuba42 veränderte der Supreme Court die Ratio der Doktrin und legte ihr Erwägungen der Gewaltenteilung zugrunde. Die Doktrin sollte fortan vermeiden, dass eine richterliche Beurteilung ausländischer Hoheitsakte den außenpolitischen Spielraum der politischen Gewalten, das heißt der Exekutive und der Legislative,43 in kompetenzwidriger Weise einengen würde. Die Doktrin hat dennoch viel von ihrer ursprünglichen Verankerung im Bereich der völkerrechtlichen Courtoisie bewahrt. Während die Doktrin zuvor die Achtung des ausländischen Staates sicherstellen sollte, steht nun die Freiheit der politischen Gewalten zur autonomen Entscheidung über diese Achtung im Mittelpunkt. Die völkerrechtlichen Bezüge der act of state-Doktrin wurden lediglich mit dem außenpolitischen Autonomieanspruch der politischen Gewalten „verkleidet“. Angesichts dieser mittelbaren Auswirkung auf die Achtung der Souveränität des ausländischen Staates, sei die Doktrin bereits an dieser Stelle, bei den internationalen Kompetenzkonflikten, näher erläutert. Die Doktrin greift nach heutiger Dogmatik ein, wenn ein ausländischer Hoheitsakt zu beurteilen ist und diese Beurteilung in den außenpolitischen Zuständigkeitsbereich der politischen Gewalten eingreifen würde. Für die Frage, wann ein derartiger Eingriff vorliegt, gibt der Supreme Court zwei Kriterien zur Hand. Es sei zu beachten, ob das Gericht einen völkerrechtlich etablierten Rechtsgrundsatz oder eine völkerrechtlich umstrittene Rechtsmaterie anzuwenden hat.44 Es sei des Weiteren zu bedenken, dass nicht jeder Fall in gleichem Maße die Interessen der politischen Gewalten betreffe. Es müsse von Fall zu Fall die außenpolitische Bedeutsamkeit einer Klage analysiert und auf dieser Grundlage über ein Eingreifen der Doktrin entschieden werden.45 Oft verfügen die Gerichte nicht über die Informationen, die erforderlich wären, um die außenpolitische Bedeutung eines Falles zutreffend einzuschätzen. Sie rekurrieren in dieser Konstellation regelmäßig auf Stellungnahmen der Exekutive, die so genannten amici curiae oder statements of interest. Wie bereits erwähnt, wird den entsprechenden Erklärungen des Außenministeriums große Bedeutung zugemessen, verbindlich sind sie jedoch nicht.46 Die act of state-Doktrin wird in der Mehrzahl der HRL-Fälle angesprochen. Zumeist befinden die Gerichte sie jedoch nicht für einschlägig. Dies 41 Oetjen v. Central Leather Co., 246 U.S. 297, 303 (1918); Ricaud v. American Metal Co., 246 U.S. 304, 308 f. (1918). 42 Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398 (1964). 43 Vgl. Oetjen v. Central Leather Co., 246 U.S. 297, 302 (1918). 44 Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 428 (1964). 45 Ebd. 46 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d).
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liegt daran, dass meistens bereits ein Hoheitsakt im Sinne der Doktrin fehlt und ihr Anwendungsbereich folglich gar nicht erst eröffnet ist. Wie schon im Bereich des Immunitätsrechts wird ein Handeln, welches die Befugnisse des Hoheitsträgers überschreitet, nicht mehr als Hoheitsakt angesehen.47 Grob völkerrechtswidrige Akte, wie zum Beispiel Folter und außergerichtliche Tötung, werden grundsätzlich nicht dem Aufgabenbereich eines staatlichen Akteurs zugerechnet; sie stellen keine Hoheitsakte dar und liegen folglich außerhalb des Anwendungsbereiches der act of state-Doktrin. Etwas anderes gilt nur in den seltenen Fällen, in denen die Annahme, die Menschenrechtsverletzung liege außerhalb des Aufgabenbereiches des staatlichen Akteurs, durch eine Stellungnahme des fraglichen Staates explizit widerlegt wird48 oder die infrage stehende Menschenrechtsverletzung der offiziellen Politik des betroffenen Staates entspricht. Im Fall Doe v. Liu Qi zum Beispiel stufte das Gericht die Menschenrechtsverletzungen, die seitens des beklagten Bürgermeisters der Stadt Peking an Mitgliedern der Falun GongSekte begangen worden waren, als „acts of state“ ein, da sie seitens der chinesischen Regierung zumindest nicht „wholly unratified“ gewesen seien.49 In den wenigen Fällen, in denen ein Hoheitsakt im Sinne der Doktrin vorliegt und die Doktrin folglich anwendbar ist, ist anhand der Vorgaben des Supreme Court zu entscheiden, ob die Doktrin im konkreten Fall verlangt, dass der fragliche Hoheitsakt der Entscheidung als rechtmäßig zugrunde gelegt wird. Wie bereits ausgeführt, kommt es hierbei darauf an, ob umstrittene Normen des Völkerrechts angewendet werden oder der Fall eine besondere außenpolitische Relevanz aufweist. In den meisten HRLFällen werden klassische Menschenrechte geltend gemacht. Es sind dies Normen, die zumindest nach Ansicht der USA völkerrechtlich unumstritten sind. Die Doktrin greift daher zumeist nur dann, wenn der konkrete Fall eine besondere außenpolitische Brisanz aufweist. Dies kann beispielweise der Fall sein, wenn ein hochrangiger Hoheitsträger verklagt ist50 oder ein Land von der Klage betroffen ist, auf dessen politische Kooperation die USA (zum Beispiel im Kampf gegen den Terrorismus) angewiesen sind51 47 Jimenez v. Aristeguieta, 311 F.2d 447, 558 (5th Cir. 1962); Filártiga v. PeñaIrala, 630 F.2d 876, 889 (2d Cir. 1980.) Die Einordnung der Tat als nicht-hoheitlich erstreckt sich nicht auf die Prüfung des Völkerrechts, Forti v. Suarez-Mason, 672 F. Supp. 860, 862 (E.D.N.Y. 1984). 48 Vgl. Forti v. Suarez-Mason, 672 F. Supp. 1531 (N.D. Cal. 1987). 49 Doe v. Liu Qi, 2004 WL 2901626 (N.D. Cal.). 50 S. 7 des Briefes von William Taft, rechtlicher Berater des Außenministeriums, an Robert McCallum, Assistant Attorney General (25.9.2002) im Fall Doe v. Liu Qi, einsehbar unter http://www.cja.org/cases/Liuqi_Docs/Liuqi_StateDept.pdf. 51 S. 3 des Briefes von William Taft, rechtlicher Berater des Außenministeriums, an Louis Oberdorfer, Bundesrichter im District of Columbia (29.7.2002) im Fall
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oder das einen wichtigen Investitionsstandort für US-amerikanische Unternehmen darstellt.52 2. Die Personal- und Gebietshoheit des ausländischen Staates Im Hinblick auf mögliche internationale Kompetenzkonflikte müssen die Gerichte im Rahmen der HRL neben der souveränen Gleichheit des vorrangig betroffenen Staates auch dessen Personal- und Gebietshoheit berücksichtigen. Unter Personal- und Gebietshoheit versteht man das Recht, die Hoheits- und somit auch die Gerichtsgewalt über eigene Staatsangehörige und Vorgänge auf eigenem Staatsgebiet auszuüben.53 Da die HRL typischerweise ausländische Taten und ausländische Täter behandelt, ist sie geeignet, dieses Recht des ausländischen Staates zu beeinträchtigen. Das Völkerrecht stellt in diesem Bereich kaum Schranken auf. Diskutiert wird lediglich, ob sich Grenzen aus dem Erfordernis einer sinnvollen Beziehung zwischen Staat und Regelungsgegenstand ergeben.54 Die entsprechenden Fragestellungen seien an anderem Ort näher erörtert. In vorliegenden Zusammenhang können sie dahinstehen, da außenpolitische Probleme bereits jenseits eines völkerrechtswidrigen Eingriffs in die Kompetenzen des ausländischen Staates entstehen können.55 Die außenpolitische Brisanz einer Einmischung in den Hoheitsbereich eines anderen Staates wird im USamerikanischen Recht über die richterrechtliche Doktrin der comity berücksichtigt. Von Relevanz für die Achtung der Personal- und Gebietshoheit des ausländischen Staates ist ferner die richterrechtliche Doktrin des forum non conveniens, in deren Rahmen die nationale Kompetenzausübung unter den Vorbehalt einer umfassenden Interessenabwägung gestellt wird. Ebenso zu berücksichtigen ist das Gebot der vorherigen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel. a) Die Doktrin der comity Der Begriff der comity wird in den USA in einer völkerrechtsbezogenen und in einer US-rechtlichen Konzeption verwendet. In seiner völkerrechtsbezogenen Konzeption wird er dem verbindlichen Völkerrecht als unverbindlicher, völkerrechtlich fundierter Verhaltenskodex gegenübergestellt. Doe v. ExxonMobil, einsehbar unter http:// www.laborrights.org/projects/corporate/ exxon/stateexxonmobile.pdf. 52 Ebd., S. 5. 53 Ipsen (Epping/Gloria), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 24, Rn. 1. 54 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1167 ff. Näher hierzu unten 2. Kapitel, II. 55 Vgl. Schwarzer, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, S. 77.
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In dieser Funktion entspricht er dem deutschen Begriff der Völkercourtoisie.56 Daneben gibt es die hier interessierende spezifisch US-rechtliche Konzeption der comity. Es handelt sich bei ihr um einen Grundsatz des USamerikanischen Richterrechts, über den die USA die eigene Souveränitätssphäre gegenüber der eines anderen Staates abgrenzen. Die Doktrin kann dazu führen, dass die USA eigene Souveränitätsrechte nicht wahrnehmen, obwohl sie völkerrechtlich hierzu berechtigt wären. Der Zweck der Doktrin ist es, freundschaftliche Beziehungen im zwischenstaatlichen Verhältnis zu bewahren.57 Sie wird wie folgt definiert: „ ‚Comity‘, in the legal sense, is neither a matter of absolute obligation, on the one hand, nor of mere courtesy and good will, on the other. But it is the recognition which one nation allows within its territory to the legislative, executive, or judicial acts of another nation, having due regard both to international duty and convenience, and to the rights of its own citizens, or of other persons who are under the protection of its laws.“58 Die Doktrin behandelt demnach grundsätzlich das Ausmaß, in dem die Akte einer ausländischen Exekutive, Legislative oder Judikative im nationalen Rechtsraum berücksichtigt werden. In der Praxis findet die Doktrin auf die Akte einer ausländischen Exekutive jedoch keine Anwendung. Hier wird vorrangig die act of state-Doktrin angewendet.59 Die Doktrin der comity ist von Bedeutung, wenn es vor einem nationalen Gericht um die Frage geht, ob in einer transnationalen Fallkonstellation US-amerikanische Gerichte oder ausländische Gerichte tätig werden sollen, ob auf eine transnationale Fallkonstellation nationales oder ausländisches Recht angewendet werden soll und inwiefern ein ausländisches Urteil vor US-amerikanischen Gerichten Wirkung entfaltet. Mehrheitlich – und so auch im Bereich der HRL – wird die Doktrin im Zusammenhang mit der Frage nach der internationalen Zuständigkeit der US-Gerichte angesprochen.60 Ist die Doktrin in diesem Bereich einschlägig, sieht das Gericht von der Ausübung einer Zuständigkeit ab, die es nach nationalem Recht an sich besäße.61 Die Doktrin der comity überlagert insoweit die nationalen Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit und stellt sie unter den Vorbehalt einer umfassenden Interessenabwägung. 56 Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 B.Y.I.L., S. 145, 214 (1972/73). Nur ganz vereinzelt wird der Begriff der „comity“ auch im Sinne von rechtsverbindlichem Völkerrecht verwendet, ebd., S. 215 f. 57 Maier, Extraterritorial Jurisdiction at a Crossroads: An Intersection Between Public and Private International Law, 76 Am. J. Int’l L. 280, 283 (1982). 58 Hilton v. Guyot, 159 U.S. 113, 163 f. (1895). 59 Tyshow, Informal Foreign Affairs Formalism: The Act of State Doctrine and the Reinterpretation of International Comity, 43 Va. J. Int’l L. 275, 289 (2002). 60 Ebd. 61 Bigio v. Coca-Cola, 239 F.3d 440, 453 (2d Cir. 2001), m. w. N.
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Es ist unklar, in welchen Fällen die Doktrin einschlägig ist. Es liegt im Ermessen der Gerichte, ob sie einen Fall auf Grundlage der comity abweisen.62 Die Vorgehensweisen der Gerichte divergieren hierbei. Häufig orientieren sich die Gerichte bei der Ausübung ihres Ermessens an § 403 des Restatement of the Law of Foreign Relations.63 § 403 umschreibt die Kriterien, nach denen sich ein Staat bei der extraterritorialen Ausgestaltung seiner Rechtsetzungskompetenz richten soll. Es heißt dort: (1) [A] state may not exercise jurisdiction to prescribe law with respect to a person or activity having connections with another state when the exercise of such jurisdiction is unreasonable. (2) Whether exercise of jurisdiction over a person or activity is unreasonable is determined by evaluating all relevant factors, including, where appropriate: (a) the link of the activity to the territory of the regulating state, i. e., the extent to which the activity takes place within the territory, or has substantial, direct, and foreseeable effect upon or in the territory; (b) the connections, such as nationality, residence, or economic activity, between the regulating state and the person principally responsible for the activity to be regulated, or between that state and those whom the regulation is designed to protect; (c) the character of the activity to be regulated, the importance of regulation to the regulating state, the extent to which other states regulate such activities, and the degree to which the desirability of such regulation is generally accepted. (d) the existence of justified expectations that might be protected or hurt by the regulation; (e) the importance of the regulation to the international political, legal, or economic system; (f) the extent to which the regulation is consistent with the traditions of the international system; (g) the extent to which another state may have an interest in regulating the activity; and (h) the likelihood of conflict with regulation by another state. (3) When it would not be unreasonable for each of two states to exercise jurisdiction over a person or activity, but the prescriptions by the two states are in conflict, each state has an obligation to evaluate its own as well as the other state’s interest in exercising jurisdiction, in light of all the relevant factors, including those set out in Subsection (2); a state should defer to the other state if that state’s interest is clearly greater. 62
Ebd. Sequihua v. Texaco, Inc., 847 F. Supp. 61, 63 (S.D. Tex. 1994); Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002). 63
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Diese Liste ist nicht abschließend. Die Natur der comity bringt es mit sich, dass neben diesen Kriterien der Haltung des betroffenen Staates besondere Bedeutung beizumessen ist. Für den Fall, dass dieser mit der Jurisdiktionsausübung US-amerikanischer Gerichte einverstanden ist, ist eine Abweisung des Falles entbehrlich, auch wenn die Kriterien des § 403 in diese Richtung deuten. Umgekehrt kann der energische Protest des ausländischen Staates die Abweisung eines Falles auch dann nahe legen, wenn die USA an sich ein legitimes Interesse an seiner Aburteilung hätten. So war zum Beispiel im Fall Sequihua v. Texaco, Inc. der energische Protest der ecuadorianischen Regierung gegen ein Verfahren in den USA mit ausschlaggebend für eine Klageabweisung aus Gründen der comity.64 Ein abrupter Wechsel in der Haltung der ecuadorianischen Regierung machte zu einem späteren Zeitpunkt ein erneutes Verfahren und eine erneute Abwägungsentscheidung erforderlich.65 Derzeit ist strittig, ob sich die Prüfung der comity einstufig oder zweitstufig zu vollziehen hat.66 Der einstufige Ansatz beschränkt sich auf die Prüfung und Abwägung der soeben dargestellten Kriterien. Der zweistufige Ansatz stellt diesem Abwägungsvorgang eine Vorprüfung voran. Er wurde vom Supreme Court im Jahre 1993 in Hartford Fire Insurance Co. v. California verwendet.67 Auf einer ersten Stufe wird hierbei überprüft, ob inländisches und ausländisches Recht zueinander in Widerspruch stehen. In Hartford Fire Insurance Co. v. California wurde definiert, in welchen Fällen von einem derartigen Normenkonflikt auszugehen ist. Demnach ist es nicht hinreichend, dass ein Verhalten im Einklang mit dem Recht des einen Staa64
Sequihua v. Texaco, Inc., 847 F. Supp. 61, 62 (S.D. Tex. 1994). Aguinda v. Texaco, Inc., 945 F. Supp. 625, 627 (S.D.N.Y. 1996). 66 Herz, Litigating Environmental Abuses under the Alien Tort Claims Act: A Practical Assessment, 40 Va. J. Int’l L. 545, 571 (2000). 67 Hartford Fire Ins. Co. v. California, 509 U.S. 764, 798 (1993). Bereits zuvor angedeutet in Societé Nationale Industrielle Aerospatiale v. U.S. District Court of the Southern District of Iowa, 482 U.S. 522, 555 (1987), Sondervotum der Richter Blackmun, Brennan, Marshall und O’Connor. Dem zweistufigen Ansatz folgten im Bereich der HRL: Bodner v. Banque Paribas, 114 F. Supp. 2d 117, 129 f. (E.D.N.Y. 2000); In re Nazi Era Cases Against German Defendants Litigation, 129 F. Supp. 2d 370, 387 (D.N.J. 2001); Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002). Begründet wird dieser zweistufige Ansatz mit der Nähe der comity zu den Regeln des internationalen Privatrechts, welche gleichfalls nur im Fall eines Normenkonfliktes griffen. Diese Nähe ergebe sich daraus, dass im Rahmen der comity und des internationalen Privatrechts die Interessen der USA, die Interessen des ausländischen Staates und die Interessen des internationalen Rechtssystems in gleicher Weise gegeneinander abgewogen würden, Societé Nationale Industrielle Aerospatiale v. U.S. District Court of the Southern District of Iowa, 482 U.S. 522, 555, Fn. 11 (1987), Sondervotum der Richter Blackmun, Brennan, Marshall und O’Connor. 65
1. Kap.: Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte
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tes steht und dem Recht des anderen Staates widerspricht. Erforderlich ist vielmehr, dass eine Person nach dem Recht des einen Staates zu einem Verhalten verpflichtet ist, welches nach dem Recht des anderen Staates verboten ist.68 Nur wenn ein derartiger Normenkonflikt vorliegt, kommt es in einem zweiten Schritt zu einer Analyse der Interessenlage. Liegt kein Normenkonflikt vor, kommt eine Abweisung aus Gründen der comity nicht in Betracht.69 Trotz dieser höchstrichterlichen Vorgabe vertreten zahlreiche Gerichte nach wie vor einen einstufigen Ansatz, nach dem alle Kriterien einer comity-Analyse zusammen gegeneinander abgewogen werden.70 Sie begründen nicht, warum sie dem zweistufigen Ansatz des Supreme Court nicht Folge leisten. Die Ergebnisse im Bereich der HRL unterscheiden sich je nach gewähltem Ansatz erheblich. Folgt das Gericht dem einstufigen Ansatz, so kann es leicht zu dem Schluss kommen, dass die streitgegenständliche Handlung und der Täter eine engere Beziehung zu einem ausländischen Staat als zu den USA aufweisen und kann die Klage auf dieser Grundlage aus Gründen der comity abweisen.71 Der zweistufige Ansatz hingegen bevorzugt den Kläger. Das Gericht wird nur selten die Schwelle des erforderlichen Normenkonfliktes überwinden, da kaum vorstellbar ist, dass ein Handeln in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards in einem Staat offiziell für illegal erklärt würde bzw. eine Person offiziell zum Verstoß gegen internationale Menschenrechtsstandards verpflichtet würde.72 Die wenigen HRL-Urteile, die bislang auf Grundlage eines zweistufigen Ansatzes die erste Stufe der comity-Prüfung überwinden konnten, ignorieren die Definition des Normenkonfliktes, die vom Supreme Court im Fall Hartford Fire Insurance Co. v. California geliefert wurde. Sie verlangen nicht, dass eine Person die Normen des einen Staates verletzen muss, um den Normen des anderen Staates gerecht zu werden. So ging das Gericht im Fall Sarei v. Rio Tinto PLC von einem Normenkonflikt aus, da das Recht PapuaNeuguineas es untersagte, vor ausländischen Gerichten Verfahren in Gang zu setzen, die einen Bezug zu Projekten des nationalen Rohstoffabbaus auf68
Hartford Fire Insurance Co. v. California, 509 U.S. 764, 798 (1993). So z. B. in Bodner v. Banque Paribas, 114 F. Supp. 2d 117, 129 f. (E.D.N.Y. 2000). 70 Sequihua v. Texaco, Inc., 847 F. Supp. 61 (S.D. Tex. 1994); Aguinda v. Texaco, Inc., 945 F. Supp. 625, 627 (S.D.N.Y. 1996); Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 489 ff. (D.N.J. 1999); Bigio v. Coca-Cola Company, 239 F.3d 440, 453 ff. (2d Cir. 2001). Siehe auch das abweichende Sondervotum des Richters Scalia in Hartford Fire Insurance Co. v. California, 509 U.S. 764, 800 ff., 818 f. (1993). 71 Herz, Litigating Environmental Abuses under the Alien Tort Claims Act: A Practical Assessment, 40 Va. J. Int’l L. 545, 572 (2000). 72 Ebd., S. 571. 69
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
wiesen. Das Gericht sah hierin einen Widerspruch zur Regelung des ATCA.73 Nach der Definition des Supreme Court liegt ein Normenkonflikt in diesem Fall jedoch nicht vor, da eine Person beiden Rechtsordnungen gerecht werden kann, indem sie von einer Klage absieht: der ATCA ermöglicht eine Klage vor US-Gerichten, verpflichtet hierzu aber nicht. In ähnlicher Weise ging das Gericht in dem ATCA-Fall In re Nazi Era Cases Against German Defendants Litigation von einem Normenkonflikt aus, da nach deutschem Recht die klagenden Opfer des Nazi-Regimes darauf beschränkt waren, sich mit Forderungen an die zu diesem Zweck errichtete Stiftung zu wenden und ihnen dahingehende Klagen untersagt waren.74 b) Die Doktrin des forum non conveniens Die Doktrin des forum non conveniens stellt es in das Ermessen des Gerichtes, sich für unzuständig zu befinden, wenn es dem Beklagten gelingt, die Existenz eines adäquaten Alternativforums darzulegen, welches zur Aburteilung des Falles besser geeignet ist.75 Sie überlagert die Vorschriften zur nationalen und internationalen Zuständigkeit des Gerichts und stellt sie unter den Vorbehalt einer umfassenden Interessenabwägung. Über die Doktrin soll verhindert werden, dass der Beklagte durch eine Klage übermäßig beschwert wird. Ebenso soll vermieden werden, dass das US-amerikanische Rechtssystem mit Fällen belastet wird, die besser an einem anderen Ort verhandelt würden. Die Interessen des ausländischen Staates, der ein vorrangiges Interesse an der Behandlung des Falles hat, werden über die Doktrin nicht gesondert berücksichtigt. Die Doktrin führt jedoch zu einer Aussonderung solcher Fälle, die keine hinreichenden Bezüge zu den USA aufweisen. Sie bewirkt so im Ergebnis, dass die Personal- und Gebietshoheit des primär betroffenen Staates nur dann beeinträchtigt werden, wenn bedeutende Interessen des Klägers oder der USA dies rechtfertigen. Ein anderes Forum existiert für Belange des forum non conveniens nur, wenn es zuständig und zur Übernahme des Falles bereit ist. Adäquat ist dieses Forum, wenn dort angemessener Rechtsschutz gewährt würde. Eine mögliche Voreingenommenheit der Gerichte, nicht hinreichende Rechtsansprüche des Klägers oder Gefahren, die ihm bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat drohen, spielen hierbei eine Rolle. Nicht hinreichend ist es hingegen, wenn das ausländische Forum immaterielle Schäden nicht erstattet, punitive damages nicht kennt oder generell weniger Schadensersatz zu73
Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002). In re Nazi Era Cases Against German Defendants Litigation, 129 F. Supp. 2d 370, 387 (D.N.J.). 75 Piper Aircraft Company v. Reyno, 454 U.S. 235 (1981). 74
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spricht. Irrelevant ist es auch, wenn das ausländische System ein Jury-Verfahren oder Sammelklagen nicht vorsieht. Ferner spielt es keine Rolle, wenn das ausländische Recht Erfolgshonorare nicht erlaubt oder dem Verlierer eines Falles die Prozesskosten aufbürdet.76 Neben der Existenz eines Alternativforums muss in einem zweiten Schritt gezeigt werden, warum dieses Forum zur Behandlung des jeweiligen Falles besser geeignet ist. Hierbei ist eine schwere Hürde zu nehmen, da sich das Gericht grundsätzlich veranlasst sieht, das vom Kläger gewählte Forum zu respektieren.77 Zu einer Abweisung des Falles kommt es nur, wenn ein Alternativforum zur Behandlung des Falles wesentlich besser geeignet ist. Das Gericht wägt in seiner Entscheidung die Interessen von Kläger und Beklagtem sowie die Interessen der Allgemeinheit gegeneinander ab. Auf Seiten der Parteien zu berücksichtigende Interessen betreffen in aller Regel die Zugänglichkeit von Beweismaterial. Hinsichtlich der Interessen der Allgemeinheit ist unter anderem zu untersuchen, ob die Inanspruchnahme von Gerichtskapazitäten und der Verbrauch öffentlicher Mittel angesichts enger Verbindungen des Falles zum Forumstaat gerechtfertigt werden kann.78 Die Doktrin wird auf interlokale und internationale Fallkonstellationen gleichermaßen angewandt.79 Sie kann also auch im Rahmen der HRL geltend gemacht werden. Ein Unterschied ergibt sich für die internationale Klagekonstellation nur insoweit, als der Forumwahl eines ausländischen Klägers weniger Respekt gezollt wird als der Forumwahl des US-Bürgers.80 Da der Kläger einer ATCA-Klage notwendigerweise Ausländer ist, ist die Hürde, die der Beklagte in diesen Fällen überwinden muss, um eine Verweisung nach forum non conveniens-Kriterien zu erreichen, vergleichsweise niedrig. Gleichwohl konnte die Doktrin im Bereich der klassischen HRL bislang keine große Bedeutung erlangen. Dies liegt zum einen daran, dass die Beklagten häufig säumig sind und so auf die Möglichkeit verzichten, sich auf die Doktrin zu berufen.81 Zum anderen scheitern entsprechende Anträge in vielen Fällen daran, dass kein adäquates Alternativforum aufgezeigt 76 Siehe hierzu sowie zu weiteren irrelevanten Unterschieden Blumberg, Asserting Human Rights Against Multinational Corporations Under United States Law: Conceptual and Procedural Problems, 50 Am. J. Comp. L. 493, 508 (2002). 77 Piper Aircraft Company v. Reyno, 454 U.S. 255 (1981). 78 Die klassische Liste der zu berücksichtigenden privaten und öffentlichen Interessen findet sich im Fall Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501 (1947). Siehe auch Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, S. 262. 79 Strauss, Beyond National Law: The Neglected Role of the International Law of Personal Jurisdiction in Domestic Courts, 36 Harv. Int’l L J. 373, 385 (1995). 80 Piper Aircaft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235, 255 f. (1981). 81 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 151.
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wird. Hinsichtlich der diesbezüglichen Gründe ist auf die obigen Ausführungen zu verwiesen.82 In Fällen gegen multinationale Unternehmen hingegen ist der Einwand des forum non conveniens von entscheidender Bedeutung. Die beklagten Unternehmen sind, anders als die klassischen Beklagten einer HRL-Klage, typischerweise nicht säumig und machen die Doktrin in nahezu jedem Fall geltend. Ferner fällt es vergleichsweise leicht, ein Alternativforum darzulegen. Einige der ATCA-Klagen spielen sich ohne staatliche Beteiligung, auf rein privater Ebene ab. In diesen Fällen kann nicht schon quasi automatisch – qua negativer Menschenrechtsbilanz des handelnden Staates – davon ausgegangen werden, dass in dem Land, in dem die Tat begangen wurde, adäquater Rechtsschutz nicht zu finden ist.83 Außerdem verfügen die beklagten Unternehmen über zahlreiche internationale Verflechtungen und können in vielen Fällen mehrere Alternativforen aufzeigen. Sollte das Land, in dem die fragliche Handlung vorgenommen wurde, als Alternativforum nicht infrage kommen, verbleibt dem Unternehmen die Möglichkeit, ein drittes Land, zum Beispiel das Land, in dem es seinen Hauptsitz hat, unter Hinweis auf die dort besser verfügbaren Zeugen und Dokumente als geeigneteren Verhandlungsort herauszustellen. So argumentierte z. B. die Beklagte im Fall Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co.84 In dieser in New York eingereichten Klage beschuldigten Hinterbliebene des nigerianischen Bürgerrechtlers Ken Saro Wiwa die Gesellschaft Royal Dutch Shell, an dessen Ermordung in Nigeria beteiligt gewesen zu sein. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Falles mit der Begründung, in den Niederlanden oder in Großbritannien existiere ein besser geeignetes Forum, da dort wichtige Zeugen sowie einschlägige Dokumente vorlägen. Neueste Tendenzen in der Rechtsprechung könnten die Erfolgsaussichten eines forum non conveniens-Einwands jedoch auch im Bereich der Klagen gegen multinationale Unternehmen verringern. Es wird vermehrt davon ausgegangen, dass sich der Erlass des TVPA zugunsten des Klägers auf die forum non conveniens-Analyse auswirkt.85 Zum ersten Mal wurde dieser Ansatz in Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Company vorgebracht. Die Klä82
Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d). Cleveland, Global Labor Rights and The Alien Tort Claims Act, 76 Tex. L. Rev. 1533, 1577 (1998); Boyd, The Inconvenience of Victims: Abolishing Forum Non Conveniens in U.S. Human Rights Litigation, 39 Va. J. Int’l L. 41, 64 (1998). 84 Vgl. Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2d Cir. 2000). 85 Siehe Fellmeth, Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co.: A New Standard for the Enforcement of International Law in U.S. Courts?, 5 Yale Human Rts. & Dev. L.J. 241 (2002) sowie allgemein zum Zusammenspiel von HRL und forum non conveniens, Short, Is the Alien Tort Statute Sacrosanct? Retaining Forum Non Conveniens in Human Rights Litigation, 33 N.Y.U. J. Int’l L. & Pol. 1001 (2001). 83
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ger machten geltend, im Bereich des ATCA müsse berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber durch Erlass des TVPA das besondere Interesse der USA an einer Aburteilung derartiger Fälle vor eigenen Gerichten habe erkennen lassen, und so in diesem Bereich ein bedeutsamer Faktor hinzukomme, welcher bei einer Abwägung der konkurrierenden Interessen gegen eine Verweisung des Falles ins Gewicht fallen müsse.86 Das Gericht griff diesen Ansatz auf, stellte aber klar, dass die Verabschiedung des TVPA die Doktrin des forum non conveniens für den Bereich der HRL nicht obsolet gemacht habe. Obsolet sei lediglich das Argument geworden, derartige Fälle involvierten angesichts ihrer extraterritorialen Ausrichtung keinerlei US-Interessen und erfüllten bereits aus diesem Grund die Standards eines forum non conveniens-Tests.87 Im Fall Aguinda v. Texaco betonte das Gericht, mögliche Auswirkungen der TVPA-Gesetzgebung seien auf den TVPA bzw. auf solche ATCA-Klagen beschränkt, die TVPA-spezifische Delikte, das heißt Folter und außergerichtliche Tötung, geltend machten.88 Im Fall Bowoto v. Chevron ging das Gericht weiter und deutete in dicta an, die Existenz des ATCA ließe ein generelles öffentliches Interesse an der US-internen Behandlung derartiger Fälle erkennen, welches im Rahmen einer forum non conveniens-Abwägung zu berücksichtigen sei.89 In Flores v. Southern Peru Copper Corporation wurde entschieden, die Existenz von TVPA und ATCA wirke sich lediglich insofern aus, als der Forumwahl des ausländischen Klägers entgegen der Regel aus Piper Aircraft90 ebenso viel Respekt zu zollen sei, wie der Forumwahl eines USAmerikaners.91 c) Erschöpfung lokaler Rechtsmittel Zu berücksichtigen ist schließlich das Gebot der vorrangigen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel. Bislang fand sich ein entsprechendes Gebot lediglich im TVPA. In seiner Entscheidung in Sosa v. Alvarez-Machain stellte der Supreme Court aber fest, dass Entsprechendes auch im Rahmen 86 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88, 105 (2d Cir. 2000); noch weitergehend Boyd, The Inconvenience of Victims: Abolishing Forum Non Conveniens in U.S. Human Rights Litigation, 39 Va. J. Int’l L. 41 (1998), die verlangt, für den Bereich der HRL müsse die Doktrin des forum non conveniens gänzlich abgeschafft werden. 87 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88, 106 (2d Cir. 2000). Ähnlich: Cabiri v. Assasie-Gyimah, 921 F. Supp. 1189, 1199 (S.D.N.Y. 1996). 88 Aguinda v. Texaco, Inc., 142 F. Supp. 2d 534 (S.D.N.Y. 2001). 89 Bowoto v. Chevron Corp., No. C 99-2506 CAL, N.D. Cal., amtliches Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.4.2000, S. 11 f. 90 Siehe oben bei Fn. 80. 91 Flores v. Southern Peru Copper Corp., 253 F. Supp. 2d 510 (S.D.N.Y. 2002).
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des ATCA gelten solle.92 Das Gebot der vorrangigen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel ähnelt der Doktrin des forum non conveniens. Es unterscheidet sich von ihr jedoch insofern, als ausländische Foren nicht alternativ, sondern vorrangig erschöpft werden müssen. Ferner beruht das Gebot, anders als die Doktrin des forum non conveniens, auf dem Respekt vor der Personal- und Gebietshoheit des ausländischen Staates. Das Gebot ist indes für die Praxis der HRL von nur geringer Bedeutung. Es ist insoweit auf die obigen Ausführungen zu verweisen.93 3. Ergebnis Auf internationaler Ebene droht die HRL die souveräne Gleichheit des betroffenen ausländischen Staates zu beeinträchtigen und mit dessen Personal- und Gebietshoheit zu interferieren. Die HLR zollt der souveränen Gleichheit des betroffenen ausländischen Staates viel Respekt und räumt dieser gegenüber den Zielen der HRL in weiten Bereichen Vorrang ein. Sie rekurriert insoweit auf das nationale Immunitätsrecht sowie die act of state-Doktrin. Der Kernbereich der souveränen Gleichheit ausländischer Staaten wird durch die HRL nicht bzw. nur ausnahmsweise (verwiesen sei auf den AEDPA) angetastet. Insbesondere Klagen gegen ausländische Staaten, amtierende Staatsoberhäupter und vergleichbare Funktionsträger werden regelmäßig unter Verweis auf deren Immunität nicht zugelassen. In Randbereichen, in denen die souveräne Gleichheit des anderen Staates weniger stark betroffen ist, wird Erwägungen des Menschenrechtsschutzes indes in der Regel der Vorrang erteilt. Diesem Randbereich zuzuordnen sind Klagen gegen ehemalige Staatsoberhäupter, Regierungschefs oder Minister und individuelle Hoheitsträger ohne besonderen völkerrechtlichen Status. Gleichfalls hierher gehören Klagen, in denen sich der Bezug zum ausländischen Staat allein daraus ergibt, dass ein ausländischer Hoheitsakt Streitgegenstand ist. Methodisch vollzieht sich die Präferenz für die Menschenrechte in diesen Fällen dadurch, dass der Souveränitätsschutz, das heißt das Immunitätsrecht bzw. die act of state-Doktrin, an einen Hoheitsakt anknüpft und davon ausgegangen wird, dass eine Menschenrechtsverletzung grundsätzlich keinen Hoheitsakt darstellt. Die Personal- und Gebietshoheit des ausländischen Staates hingegen wirkt weniger stark als Schranke der HRL. Sie wird über die Doktrin der comity sowie mittelbar über die Doktrin des forum non conveniens berücksichtigt. Die geringe Wertschätzung der ausländischen Personal- und Ge92 93
Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2766, Fn. 21 (2004). Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d).
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bietshoheit ist indes nicht Korrelat einer spezifischen Präferenz zugunsten der Menschenrechte. Ausschlaggebend sind derzeit Faktoren wie die selbstbewusste Einstellung der US-Gerichte zum nationalen Rechtssystem und das Fehlen angemessener Alternativfora in den Heimatstaaten ausländischer HRL-Kläger.
II. Nationale Kompetenzkonflikte Auf nationaler Ebene müssen die Gerichte ihre Kompetenz gegenüber Legislative und Exekutive behaupten. 1. Der Zuständigkeitsbereich der Exekutive Die HRL kann zu Eingriffen in den Zuständigkeitsbereich der Exekutive führen. Die Art des Eingriffs variiert je nach dem, ob sich die Klage gegen einen US-amerikanischen oder einen ausländischen Beklagten richtet. a) Klagen gegen US-amerikanische Beklagte Klagen gegen die USA und deren Bedienstete berühren den Kompetenzbereich der Exekutive insofern, als sie deren Handeln einer gerichtlichen Überprüfung unterwerfen. Gegenstand des Verfahrens können ein außenpolitisches94 ebenso wie ein innenpolitisches95 Handeln sein. Grundsätzlich ist die gerichtliche Überprüfung des Handelns der Exekutive nicht als Eingriff in deren Kompetenzbereich zu verstehen. In einem Rechtssystem, das wie das US-amerikanische nach dem Prinzip der „checks and balances“ ausgerichtet ist,96 ist es vielmehr gerade die Aufgabe der Judikative, über die Rechtsmäßigkeit des Verhaltens der Exekutive zu richten. Diese Aufgabe der Judikative wird jedoch eingeschränkt, da davon ausgegangen wird, dass Regierung und Verwaltung ihren Aufgaben nur dann effektiv nachkommen können, wenn ihnen gewisse Entscheidungsspielräume bleiben, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich sind.97 Die kontrollierende Funktion der Judikative wird deshalb durch die Immunitäten der Hoheitsträ94 Z. B. die Intervention in den Nicaragua-Konflikt, vgl. Sanchez-Espinoza v. Reagan, 568 F. Supp. 596 (D.D.C. 1983). 95 Z. B. die Schlechtbehandlung ausländischer Gefängnisinsassen, vgl. Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353 (D.N.J. 1998) sowie Ralk v. Lincoln County, 81 F. Supp. 2d 1372 (S.D. Ga. 2000). 96 Siehe z. B. Morrison v. Olson, 487 U.S. 654, 693 f. (1988). 97 Gregoire v. Biddle, 177 F.2d 579, 581 (2d Cir. 1949). Siehe auch Fallon/Meltzer/Shapiro, The Federal Courts and the Federal System, S. 1165.
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ger begrenzt.98 Eine weitere Einschränkung erfolgt über die political questions-Doktrin. Sie fordert die Gerichte auf, die Lösung politischer Fragen den politischen Gewalten zu überlassen und entsprechend Fälle mit politischen Fragestellungen als nicht justiziabel abzuweisen. (1) Die Immunitäten der USA und ihrer Hoheitsträger Die USA sind nach den Vorgaben des common law grundsätzlich vor allen innerstaatlichen Gerichten immun.99 Für den Bereich deliktischer Handlungen haben sie auf ihre Immunität durch den Federal Tort Claims Act (FTCA)100 verzichtet. Dieser begründet zugleich die exklusive Zuständigkeit der Bundesgerichte. Die USA können also nur auf Grundlage des FTCA verklagt werden. Der FTCA enthält zahlreiche Ausnahmetatbestände, in denen der in ihm enthaltene Immunitätsverzicht für bestimmte Fallgruppen wieder aufgehoben wird.101 Von Bedeutung für die Menschenrechtsklage sind die Ausnahmen für Ermessensentscheidungen (§ 2680 a), für bestimmte vorsätzliche Delikte (assault, battery, false imprisonment und false arrest (§ 2680 h) sowie für im Ausland entstandene Ansprüche (§ 2680 k)102. Sie machen eine Menschenrechtsklage gegen die USA in aller Regel unmöglich. Von Seiten der Kläger wurde deshalb versucht, in den ATCA bzw. in die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge einen Immunitätsverzicht hineinzulesen, der neben dem FTCA eine Klage gegen die USA ermöglichen würde.103 Die Gerichte haben diese Möglichkeit stets abgelehnt. Ein Immunitätsverzicht müsse klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht werden. Weder der ATCA noch von den USA ratifizierte völkerrechtliche Verträge würden diesen Anforderungen gerecht.104 Die Menschenrechtsklage gegen die USA ist deshalb nur unter den engen Vorgaben des FTCA möglich. Auch den Bediensteten der USA wird Immunitätsschutz gewährt. Das Maß des Immunitätsschutzes variiert je nach dem, ob sie in ihrer Eigenschaft als Amtsperson oder in ihrer Eigenschaft als Privatperson verklagt 98
Fallon/Meltzer/Shapiro, ebd. Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 106. 100 Dieser ist kodifiziert in 28 U.S.C. §§ 1346, 2671–2680. 101 28 U.S.C. § 2680. 102 Zur umstrittenen Auslegung des § 2680 k siehe Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2742 ff. (2004). 103 Canadian Transport Co. v. United States, 663 F.2d 1081, 1092 (D.C. Cir. 1980); Sanchez-Espinoza v. Reagan, 770 F.2d 202, 207 (D.C. Cir. 1985); Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353, 365 (D.N.J. 1998). 104 Jama v. INS, ebd., S. 356; Rosner v. United States, 231 F. Supp. 2d 1202, 1210 (S.D. Fla. 2002). 99
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werden. Grundsätzlich kann der Kläger wählen, ob er den Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Amtperson oder als Privatperson verklagt. Der Hoheitsträger kann hierbei auch für Amtshandlungen als Privatperson verklagt werden.105 Dies gilt grundsätzlich sogar dann, wenn das geltend gemachte Delikt nur durch staatliches Handeln begangen werden kann. Unklar ist, ob dieser Grundsatz auch im Rahmen der HRL gilt. In Sanchez-Espinoza v. Reagan entschied das Appellationsgericht des D.C. Circuit, dass in dem Fall, in dem die geltend gemachte Völkerrechtsverletzung staatliches Handeln verlange, der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger verklagt werden könne.106 Da die meisten völkerrechtlichen Delikte staatliches Handeln voraussetzen, ist es auf dieser Grundlage in der Regel nicht möglich, den Bediensteten in seiner Eigenschaft als Privatperson zu verklagen. Im Fall Jama v. INS107 befand das Bezirksgericht für den Bezirk New Jersey diesen Präzedenzfall jedoch (ohne Begründung) für unanwendbar.108 In diesem Fall verklagten ausländische Asylbewerber Bedienstete des INS wegen Menschenrechtsverletzungen, die ihnen in einem Gefängnis des INS zugefügt worden waren. Das Gericht weigerte sich, die Argumentation des D.C. Circuit zu übernehmen und entschied, dass die Beamten für die im Fall geltend gemachte, staatliches Handeln verlangende grausame und unmenschliche Behandlung auch in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen verklagt werden könnten. Soweit der Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Amtsperson verklagt wird, hat er an der Immunität der USA teil. Man spricht insoweit von „sovereign immunity“.109 Soweit der Hoheitsträger als Privatperson verklagt wird, greift seine persönliche Immunität. Diese ist in der Regel weniger weitreichend als die „sovereign immunity“. Richter, Staatsanwälte und Mitglieder der Legislative besitzen im Bereich von Schadensersatzklagen eine absolute persönliche Immunität.110 Der Präsident der USA ist für Handlungen immun, die er im weitesten Sinne („outer perimeter“) im Amt begangenen hat.111 Sonstige Bedienstete kommen lediglich in den Genuss einer eingeschränkten persönlichen Immunität, die nur schuldloses Handeln umfasst.112 Schuldlos ist ein Handeln, wenn ein vernünftiger Beamter das 105
Melo v. Hafer, 912 F.2d 628, 636 (3rd Cir. 1990). Sanchez-Espinoza v. Reagan, 770 F.2d 202, 207 (D.C. Cir. 1985). 107 Jama v. INS (Immigration and Naturalization Service), 22 F. Supp. 2d 353 (D.N.J. 1998). 108 Ebd., S. 365. 109 Ebd. 110 Pierson v. Ray, 386 U.S. 547 (1967). 111 Nixon v. Fitzgerald, 457 U.S. 731 (1982). 112 Harlow v. Fitzgerald, 457 U.S. 800, 818 f. (1982). 106
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Verhalten als rechtmäßig eingestuft hätte und der Bedienstete im guten Glauben an die Rechtsmäßigkeit seines Tuns handelte.113 Immunitätslücken, die sich vor diesem Hintergrund im Bereich der persönlichen Immunität ergeben, wurden im Jahre 1988 durch den Westfall Act114 weitestgehend geschlossen. Sofern der Attorney General115 feststellt, dass das fragliche Handeln in Ausübung des Amtes begangen wurde, treten die USA von Gesetzes wegen anstelle des beklagten Bediensteten in den Prozess ein.116 Der Anspruchsinhaber erhält auf diesem Weg einerseits einen finanzkräftigen Klagegegner, ist andererseits aber an die engen Immunitätsschranken des FTCA gebunden. Noch ist unklar, ob der Attorney General auch eine Menschenrechtsverletzung als Amtsausübung qualifizieren würde. Bislang wurden dahingehende Stellungnahmen vermieden. Es wurde stattdessen versucht, die entsprechenden Fälle auf anderer Grundlage zum Scheitern zu bringen. Von Interesse für Belange der HRL ist ferner, dass vom Anwendungsbereich des Westfall Act jene Klagen ausgenommen sind, die eine Verletzung der Verfassung oder eines Bundesgesetzes zum Gegenstand haben.117 Für den Bereich des ATCA könnte die ursprünglich weitere Haftung des nur eingeschränkt persönlich immunisierten Bundesbeamten also fortbestehen, wenn im ATCA ein Bundesgesetz im Sinne des Westfall Act zu sehen wäre. Eine derartige Argumentation wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der ATCA selbst keine Verhaltensgebote oder Verbote aufstelle, sondern lediglich an die entsprechenden Vorschriften des Völkerrechts anknüpfe. Es sei deshalb lediglich eine Verletzung des Völkerrechts, nicht jedoch eine Verletzung des ATCA möglich.118 Der TVPA hingegen begründet nach dieser Ansicht eigenständige Normen, die vom Täter „verletzt“ werden können. Der Schnittbereich von TVPA und Westfall Act ist jedoch denkbar gering. Der TVPA umfasst nur ein Handeln, welches im Auftrag eines ausländischen Staates begangen wird.119 Der Westfall Act be113
Pierson v. Ray, 386 U.S. 547 (1967). 28 U.S.C. § 2679. 115 Zum Begriff des Attorney General siehe oben Teil I, Fn. 53. 116 28 U.S.C. § 2679 (d): Upon certification by the Attorney General that the defendant employee was acting within the scope of his office or employment [. . .] any civil action or proceeding commenced [. . .] shall be deemed an action against the United States under the provisions of this title [. . .] and the United States shall be substituted as the party defendant. 117 28 U.S.C. § 2679 (b) (2): Paragraph (1) does not extend or apply to a civil action [. . .] (A) which is brought for a violation of the Constitution of the United States or (B) [. . .] for a violation of a statute of the United States under which such action against an individual is otherwise authorized. 118 Alvarez-Machain v. United States, 266 F.3d 1045, 1053 (9th Cir. 2001). Vgl. hierzu aber unten 3. Kapitel, II. 2. 119 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, II. 1. 114
1. Kap.: Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte
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trifft nur Bedienstete des Bundes. Zu einer Überschneidung der beiden Gesetze kommt es also nur in den seltenen Konstellationen, in denen ein USBediensteter mit der Autorisierung eines ausländischen Staates handelt.120 Anderweitige Hoheitsträger, namentlich die Staaten der USA und deren Bedienstete sowie Beliehene, Städte und Kommunen, spielten bislang im Rahmen der HRL keine bedeutende Rolle. Der Vollständigkeit halber sei gleichwohl kurz auf deren immunitätsrechtlichen Status eingegangen. Die Staaten der USA sind gemäß dem 11. Zusatzartikel zur US-Verfassung (11. Amendment) vor den Bundesgerichten immun.121 Ihre Immunität vor Staatengerichten richtet sich nach Staatenrecht.122 Eine HRL-Klage gegen sie ist regelmäßig aus Gründen der Immunität ausgeschlossen. Die Immunität der Bediensteten der Staaten entspricht jener der US-Bediensteten.123 Der Beliehene kann einerseits als staatlicher Akteur auftreten, kommt andererseits jedoch nicht in den Schutz von Immunitäten.124 Eine HRL-Klage gegen ihn ist also möglich.125 Erfolgversprechend sind auch Klagen gegen Kommunen und Städte (municipalities).126 Zwar kommen auch sie in den Schutz der staatlichen Immunität, ausgenommen sind sie jedoch bei Rechtsverletzungen, die in Verfolgung offizieller Leitlinien oder Gebräuche (policy or customs) der municipality verursacht wurden.127 Eine offizielle Leitlinie entsteht in dem Moment, in dem sich ein insoweit befugter Hoheitsträger zwischen mehreren Handlungsalternativen entscheidet.128 Als „policy or custom“ gilt ferner die unzureichende Unterweisung eines An120 In diesen Fällen kann die Vorschrift des § 2679 (b) (2) (b) greifen. Siehe Alvarez-Machain v. USA, No. CV 93-4072, Entscheidung vom 30.8.1994 (unveröffentlicht), S. 15, 45 f. 121 Das 11. Amendment lautet: The Judicial power of the United States shall not be construed to extend to any suit in law or equity, commenced or prosecuted against one of the United States by Citizens of another State or by Citizens or subjects of any Foreign State. 122 Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 107. 123 Butz v. Economou, 438 U.S. 478, 504 (1978). 124 Jama v. INS, 22 F. Supp. 2d 353, 371 f. (D.N.J. 1998). 125 Ebd. 126 Ausdrücklich wurde die zivilrechtliche Haftung einer municipality über den ATCA bislang lediglich in Ralk v. Lincoln County festgestellt (Ralk v. Lincoln County, CV198-231, Entscheidung vom 4.6.1999 (unveröffentlicht)). Die Entscheidung Martinez v. City of Los Angeles (141 F.3d 1373 (9th Cir. 1998)) scheint aber gleichfalls von einer derartigen Möglichkeit auszugehen, so Stephens, Human Rights Accountability: Congress, Federalism and International Law, 6 ILSA J. Int’l & Comp. L. 277, 286 (2000). 127 Monell v. Department of Social Services of New York, 436 U.S. 658, 690 f. (1978). 128 Pembaur v. City of Cincinnati, 475 U.S. 469, 470 (1986).
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gestellten, wenn sie aus einer Einstellung der Gleichgültigkeit zu den verfassungsrechtlichen Rechten der Rechtsunterworfenen heraus geschieht.129 Unklar ist, wie insoweit die gleichgültige Vernachlässigung völkerrechtlicher Rechte einzustufen ist. (2) Die political questions-Doktrin Fälle gegen US-amerikanische Beklagte, die nicht bereits an deren Immunität scheitern, müssen zusätzlich die Hürde der political questions-Doktrin überwinden. Bei ihr handelt es sich um einen Grundsatz des US-amerikanischen Richterrechts, über den verhindert werden soll, dass die Judikative in den Zuständigkeitsbereich der politischen Gewalten eingreift. Klagen, die eine „political question“ enthalten, sind als nicht justiziabel abzuweisen. Hierbei ist umstritten, ob es sich um eine Abweisung wegen fehlender subject matter jurisdiction oder aus materiellrechtlichen Gründen handelt.130 Der Supreme Court führt in Baker v. Carr131 und Goldwater v. Carter132 eine Reihe von Faktoren an, bei deren Vorliegen von einer „political question“ auszugehen sei. Die richterliche Anwendung dieser Faktoren divergiert von Fall zu Fall. Vereinfachend dargestellt, lassen sich die folgenden Fallgruppen unterscheiden: Eine „political question“ liegt vor, wenn die in Rede stehende Problematik von der Verfassung ausdrücklich einer anderen Gewalt zugewiesen wurde. Der pauschale Verweis zum Beispiel auf die generelle Zuständigkeit der politischen Gewalten im Bereich der Außenpolitik ist insoweit unzureichend. Der konkrete Streitgegenstand muss vielmehr einer anderen Gewalt explizit zugewiesen sein.133 So war zum Beispiel das Gericht im Fall Nejad v. United States der Ansicht, die Funktion als Oberbefehlshaber der Armee sei dem Präsidenten in der Verfassung ausdrücklich zugewiesen. Die Entscheidungen, die dieser in seiner Funktion als Oberbefehlshaber fälle, könnten deshalb nicht gerichtlich überprüft werden.134 Eine weitere Fallgruppe betrifft die Konstellation, in der die Gerichte zur Beurteilung des Falles außerstande sind.135 Dies kann zum einen daran lie129
City of Canton v. Harris, 489 U.S. 378, 388 ff. (1989). Siehe The Herero People’s Reparations Corporation v. Deutsche Bank, Civ. No. 01-01868 (CKK), Entscheidung des District Court for the District of Columbia vom 3.7.2003. 131 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 217 (1979). 132 Goldwater v. Carter, 444 U.S. 969, 989 f. (1979). 133 Ebd. 134 Nejad v. United States, 724 F. Supp. 753, 755 (1989). 135 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 217 (1979). 130
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gen, dass rechtliche Entscheidungsgrundlagen fehlen.136 Würden die Gerichte in einem derartigen Fall entscheiden, sähen sie sich in rechtschaffende und somit politische Entscheidungen verwickelt. Entsprechend vertrat ein Teil der Richterschaft im Fall Tel-Oren v. Libyan Arab Republic die Meinung, die formlose Regelungsstruktur des Völkergewohnheitsrechts verbiete eine richterliche Lösung des Falles.137 Zum anderen kann es ein, dass es dem Gericht faktisch unmöglich ist, bestehende rechtliche Vorschriften auf einen Fall anzuwenden.138 In Iwanowa v. Ford Motor Company war das Gericht beispielsweise der Ansicht, die Durchführung eines Verfahrens, das Tausende über die Welt verstreute Kläger involviere und dessen Streitgegenstand an Geschehnisse anknüpfe, die sich vor über fünfzig Jahren zugetragen hätten, übersteige seine Kapazitäten.139 Schließlich sollen die Gerichte vermeiden, dass die Außenpolitik des Bundes beeinträchtigt wird, insbesondere dass das Land in Fragen der Außenpolitik uneinheitlich auftritt.140 Sie sollen insoweit das grundsätzliche außenpolitische Vorrecht der Exekutive141 beachten. Dies soll jedoch nicht zu einer pauschalen Ablehnung außenpolitisch relevanter Fälle führen. Berühmt ist insoweit das Zitat des Supreme Court aus Baker v. Carr: „[I]t is error to suppose that every case or controversy which touches foreign relations lies beyond judicial cognizance.“142 Die Gerichte sollen vielmehr im Einzelfall anhand der konkreten außenpolitischen Relevanz des Falles entscheiden. Ebenso soll, in Überschneidung mit dem zuvor genannten Kriterium, von Entscheidungen abgesehen werden, die den anderen Gewalten nicht den ihnen gebührenden Respekt zukommen lassen.143 So sah sich zum Beispiel das Gericht im Fall Iwanowa v. Ford Motor Company ge136
Ebd. Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 827 (D.C. Cir. 1984). 138 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 217 (1979). 139 Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 489 (D.N.J. 1999). Zum Tatbestand des Falles siehe unten Teil IV, 1. Kapitel, II. 1. 140 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 217 (1979). 141 Die Außenpolitik wird gemeinhin als Vorrecht der Exekutive betrachtet. Diese Einschätzung ist dahingehend zu erläutern, dass Fragen mit Bezug zur Außenpolitik von Verfassungs wegen Exekutive und Legislative zugewiesen sind (vgl. die außenpolitischen Kompetenzen des Präsidenten in Art. II, Section 2 [1] und [2] sowie Section 3 und die außenpolitischen Kompetenzen des Kongresses in Art. I, Section 8 [1], [3], [10], [11]-[13] und Art. II, Section 2, [2] der Verfassung. Der Verfassung lässt sich jedoch der grundsätzliche Ansatz entnehmen, nach dem der Exekutive das alltägliche diplomatische Geschäft und der Legislative die Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen, die Kontrolle der Exekutive und die Vorgabe der groben Leitlinien der Außenpolitik übertragen ist, vgl. Cheney, Congressional Overreaching in Foreign Policy, in: Goldwin/Licht (Hrsg.): Foreign Policy and the Constitution, S. 101, 102 f. 142 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 211 (1979). 143 Ebd. 137
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zwungen, ein Urteil über die diplomatischen Verhandlungsergebnisse der Exekutive zu fällen. Es empfand dies als Respektlosigkeit und sah sich deshalb zur Abweisung des Falles veranlasst.144 In Sanchez-Espinoza v. Reagan empfand es das Gericht als respektlos, die zahlreichen Beteuerungen des Präsidenten, sein Verhalten in Nicaragua sei rechtmäßig, zu hinterfragen.145 Wie schon bei der act of state-Doktrin spielen auch im Rahmen der political questions-Doktrin Stellungnahmen des Außenministeriums zur außenpolitischen Relevanz eines Falles eine wichtige Rolle. In den HRL-Fällen gegen US-amerikanische Hoheitsträger stellt die political questions-Doktrin ein entscheidendes Hindernis dar. Dies gilt vor allem für Klagen, die ein außenpolitisches Handeln (im Gegensatz zu einem innenpolitischen Handeln) der Exekutive betreffen. Die Gerichte sehen ihren Kompetenzbereich hier angesichts des grundsätzlichen außenpolitischen Vorrechts der Exekutive stark eingeschränkt und weisen die meisten Fälle, die nicht bereits an der Immunität des Beklagten scheitern, über die political questions-Doktrin ab.146 b) Klagen gegen ausländische Beklagte Das kompetenzspezifische Konfliktpotential der HRL-Klage gegen ausländische Beklagte resultiert aus deren Berührungspunkten zur Außenpolitik. Drei Gesichtspunkte sind insoweit maßgeblich. Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Verurteilung eines ausländischen Beklagten zu außenpolitischen Spannungen im Verhältnis zu dessen Heimatstaat führen kann, der ein gerichtliches Verfahren gegen seinen Staatsangehörigen als Eingriff in die eigene Souveränität versteht. Die HRL kann sich ferner negativ auf diplomatische Verhandlungen auswirken, die bereits seitens der Exekutive in der Sache unternommen werden. Schließlich ergeben sich Berührungspunkte zur Außenpolitik insofern, als die Gerichte im Rahmen der HRL Normen des Völkerrechts anwenden und außenpolitisch bedeutsame Stellungnahmen zum Stand des Völkerrechts abgeben. Sie können sich hierbei in Widerspruch zum völkerrechtlichen Standpunkt der Exekutive stellen und so das außenpolitisch einheitliche Auftreten des Landes gefährden. Der Supreme Court schreibt in diesem Zusammenhang: „[S]erious and far144
Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 487 (D.N.J. 1999). Sanchez-Espinoza v. Reagan, 568 F. Supp. 596, 600 (D.D.C. 1983). 146 Siehe z. B. Sanchez-Espinoza v. Reagan, ebd; Nejad v. United States, 724 F. Supp. 753 (C.D. Cal. 1989); McFarland v. Cheney, 971 F.2d 766 (D.C. Cir. 1992); anders Ramirez de Arellano v. Weinberger, 745 F.2d 1500, 1515 (D.C. Cir. 1984): „The executive’s power to conduct foreign relations free from unwarranted supervision of the Judiciary cannot give the Executive carte blanche to trample the most fundamental liberty and property rights of this country’s citizenry.“ 145
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reaching consequences would flow from a judicial finding that international law standards had been met if that determination flew in the face of a State Department proclamation to the contrary. When articulating principles of international law in its relations with other states, the Executive Branch speaks not only as an interpreter of generally accepted and traditional rules, as would the courts, but also as an advocate of standards it believes desirable for the community of nations and protective of national concerns.“147 Die Gerichte berücksichtigen diese Problematik über die act of stateDoktrin und die political questions-Doktrin. Hinsichtlich ersterer ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.148 Bezüglich der political questionsDoktrin sind die Ausführungen zu den Klagen gegen US-amerikanische Beklagte zu ergänzen. Die political questions-Doktrin spielt nämlich bei ausländischen Beklagten, anders als bei US-amerikanischen Beklagten, keine wesentliche Rolle. HRL-Klagen gegen ausländische Beklagte wurden bislang nur vereinzelt unter Berufung auf die political questions-Doktrin abgewiesen.149 Meist handelte es sich um hochpolitische Fälle, zum Beispiel im Bereich der Aufarbeitung von Unrecht, das im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg begangen wurde.150 Die vergleichsweise geringe Bedeutung der Doktrin bei Klagen gegen ausländische Beklagte ist darauf zurückzuführen, dass das außenpolitische Prärogativ der Exekutive in diesen Fällen weniger stark, da nur mittelbar, in Form der Einengung diplomatischen Handlungsspielraumes, und nicht unmittelbar, in Form einer gerichtlichen Überprüfung außenpolitischer Aktionen, herausgefordert wird. Ein weiterer Grund für die vergleichsweise geringe Bedeutung der Doktrin liegt darin, dass sich ihr Anwendungsbereich bei Klagen gegen ausländische Beklagte zum Teil mit dem der act of state-Doktrin151 überschneidet. Insoweit als Klagen gegen einen ausländischen Beklagten die Beurteilung eines ausländischen Hoheitsaktes involvieren, kann das außenpolitische Vorrecht der Exekutive auch bereits über die act of state-Doktrin berücksichtigt werden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die act of state-Doktrin in diesen Fällen als der speziellere Grundsatz grundsätzlich vorgezogen würde.152 147
Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 433 (1964) Siehe oben I. 1. b). 149 Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 827 (D.C. Cir. 1984); Belgrade v. Sidex International Furniture Corporation, 2 F. Supp. 2d 407, 415 (S.D.N.Y. 1998); Burger-Fischer v. Degussa, 57 F. Supp. 2d 248, 262 (D.N.J. 1999); Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 487, 489 (D.N.J. 1999); Hwang Geum Joo v. Japan, 172 F. Supp. 2d 52, 64 (D.D.C. 2001); Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002). 150 Burger-Fischer v. Degussa, ebd; Iwanowa v. Ford Motor Company, ebd; Hwang Geum Joo v. Japan, ebd. 151 Siehe oben I. 1. b). 148
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2. Der Zuständigkeitsbereich der Legislative Kompetenzprobleme bezüglich der Legislative können sich insoweit ergeben, als die Gerichte im Rahmen der HRL Recht schaffen, ohne hierzu ausdrücklich seitens der Legislative autorisiert zu sein. Das Argument der illegitimen Rechtsetzung spielt in zwei Bereichen eine Rolle: bei der Entnahme einer Primärnorm aus dem Völkergewohnheitsrecht und bei deren Ergänzung um eine nationale Sekundärnorm.153 a) Die Entnahme einer Primärnorm aus dem Völkergewohnheitsrecht Der Umstand, dass im Rahmen der HRL Primärnormen aus dem Völkergewohnheitsrecht entnommen werden, wird vielfältig als illegitime Rechtsetzung kritisiert. Es wird angeführt, die Gerichte verstießen insoweit gegen die Verfassung. In deren Art. I Section 8 [10] sei dem Kongress die Befugnis übertragen, Verletzungen des Völkergewohnheitsrechts zu definieren und zu bestrafen („define and punish“). Hieraus sei abzuleiten, dass das Völkergewohnheitsrecht in den nationalen Rechtsraum nur durch Gesetzgebung, nicht aber über die Judikative inkorporiert werden könne.154 Dieser Ansatz ist abzulehnen. Die Kompetenzzuweisung an den Kongress sollte nicht ein gleichzeitiges Tätigwerden der Judikative verhindern. Dies ergibt sich aus der frühen Rechtsprechung des Supreme Court, der trotz Art. I Section 8 [10] den Gerichten eine umfassende Zuständigkeit zur Anwendung von Völkergewohnheitsrecht zuwies. In der Entscheidung The Paquete Habana entschied er, dass das Völkergewohnheitsrecht Teil des nationalen Rechts und von den Gerichten anzuwenden sei („International law is part of our law, and must be ascertained and administered by the courts of justice of appropriate jurisdiction, as often as questions of right depending upon it are duly presented“155).156 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des 152 In Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002) z. B. wandte das Gericht die beiden Doktrinen nebeneinander an. 153 Rechtschaffende Funktionen üben die Gerichte im Rahmen der HRL auch aus, wenn sie völkerrechtliche Primärnormen in nationale Delikte transformieren, indem sie den Normadressaten der völkerrechtlichen Vorschrift verändern. Auf diese Erscheinungsform der richterlichen Rechtsetzung sei hier nicht näher eingegangen, da die entsprechende Tätigkeit der Gerichte bislang kompetenztechnisch nicht relevant wurde. Seinen Grund hat dies darin, dass in den USA dieser Aspekt der HRL weitestgehend unbeachtet blieb, da mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass bereits das Völkergewohnheitsrecht die natürliche bzw. die juristische Person unmittelbar adressierte (näher hierzu unten, 3. Kapitel). 154 Siehe z. B. die concurring opinion des Richters Randolph in Al Odah v. United States of America, 321 F.3d 1134, 1147 (D.C. Cir. 2003). 155 The Paquete Habana, 175 U.S. 677, 700 (1900).
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Supreme Court kann Art. I Section 8 [10] nicht dahingehend verstanden werden, dass allein die Legislative den Inhalt von Völkergewohnheitsrecht innerstaatlich festlegen dürfte. Art. I Section 8 [10] der Verfassung ist vielmehr eng auszulegen. Die legislative Kompetenz zur Definition von Völkergewohnheitsrecht bezieht sich auf die „Bestrafung“ von Verstößen gegen das Völkergewohnheitsrecht. Die „Bestrafung“ ist hierbei im engeren, strafrechtlichen Sinne zu verstehen und umfasst nicht bereits jede Ahndung des Völkerrechtsverstoßes, habe sie auch, wie zum Beispiel die HRL, strafähnlichen Charakter. Die Definitionskompetenz des Kongresses ist vielmehr Korrelat zu rechtsstaatlichen Anforderungen betreffend die Bestimmtheit strafrechtlicher Normen. Kritisiert wird daneben, dass die Vorgehensweise der Gerichte gegen den Willen der Legislative verstoße. Diese nämlich versehe völkerrechtliche Verträge stets mit so genannten non self executing-Erklärungen. Sie lasse dadurch erkennen, dass sie eine innerstaatliche Anwendung von Völkerrecht nicht wünsche.157 Auch dieser Ansatz überzeugt nicht. Aus dem Verhalten der Legislative hinsichtlich der innerstaatlichen Wirkung völkerrechtlicher Verträge kann nicht auf das Völkergewohnheitsrecht geschlossen werden. Bei letzterem handelt es sich um einen konzeptionell vom Völkervertragsrecht verschiedenen Rechtskörper. Ferner wird vertreten, dass die gerichtliche Praxis, wenn schon nicht gegen, so doch jedenfalls ohne den Willen des Gesetzgebers erfolge, was zutiefst undemokratisch sei.158 Zu verlangen sei deshalb von Norm zu Norm 156 Der Supreme Court begründete seine Stellungnahme nicht. Er legte sie vielmehr als selbstverständlich zugrunde. Eine Erklärung für den Ansatz des Gerichtes wird gemeinhin aus der Geschichte der USA abgeleitet. Die englischen Kolonien, die später die USA gründeten, wandten das common law Englands an. Dort war das Völkergewohnheitsrecht automatisch Teil des nationalen Rechts, namentlich des common law, Henkin, International Law as Law in the United States, 82 Mich. L. Rev. 1555 (1983–84). Mit der Unabhängigkeit der USA im Jahre 1776 wurde das Recht Englands in weiten Teilen als Recht der USA übernommen. Die Überzeugung, das Völkerrecht sei automatisch Teil des nationalen Rechts, wird vor diesem Hintergrund als Fortführung der englischen Völkerrechtskonzeption erklärt, Henkin, ebd., S. 1555 f. 157 Vgl. die concurring opinion des Richters Randolph in Al Odah v. United States of America, 321 F.3d 1134, 1148 (D.C. Cir. 2003). 158 Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665 (1986). Die Anwendung von Völkervertragsrecht hingegen wird für unproblematisch befunden. Hier garantiere die Beteiligung des Präsidenten an der Verhandlung und am Abschluss des Vertrages sowie die nachfolgend erforderliche Ratifizierung durch den Senat ein Mindestmaß an demokratischer Legitimation, ebd., S. 718 ff. Siehe auch Bradley/Goldsmith, Customary International Law as Federal Common Law: A Critique of the Modern Position, 110 Harv. L. Rev. 815, 857 (1997). Kritik äußert auch Richter Randolph in Al Odah v. United States of Ame-
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eine ausdrückliche Autorisierung der Anwendung von Völkergewohnheitsrecht durch die politischen Gewalten.159 Auch diese Kritik greift nicht. Zwar bedarf der Vorgang des richterlichen „Erkennens“ völkergewohnheitsrechtlicher Normen in der Tat einer demokratischen Legitimierung, da es sich um einen Vorgang der Rechtschaffung handelt. Anderweitige Ansichten sind abzulehnen. Sie vertreten, dass die Gerichte lediglich bereits existente völkerrechtliche Normen heraus kristallisierten. Henkin schreibt insoweit: „[F]ederal Courts find international law rather than make it [. . .]. [T]he courts interpret law that exists independently of them.“160 Gegen diesen Ansatz spricht, dass eine rein objektive Erkenntnis nicht möglich ist. Jede Erkenntnis ist vielmehr zugleich das Ergebnis subjektiver Vorstellungen. Cardozo schreibt hierzu: „The perception of objective rights takes the color of the subjective mind. The conclusions of the subjective mind take the color of the customary practices and objectified beliefs. There is constant and subtle interaction between what is without and what is within [. . .].“161 Jede Suche nach einer völkerrechtlichen Norm ist geprägt durch die individuellen Vorstellungen des Richters. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass in den USA der demokratischen Partei nahe stehende Richter eher als republikanisch gesinnte Richter bereit sind, Normen des Völkerrechts „zu entdecken“.162 Die mithin erforderliche demokratische Legitimation ist jedoch gegeben. Zwar ist sie nicht sehr weitreichend. Sie bewegt sich aber auf einem Nirica, 321 F.3d 1134, 1148 (D.C.Cir. 2003). In seiner concurring opinion stellt er fest, die Praxis der Gerichte sei „anti-democratic and at odds with principles of separation of powers“. Justice Scalia, Chief Justice Rehnquist und Justice Thomas schreiben insoweit in ihrer concurring opinion zu Sosa v. Alvarez-Machain drastisch: „We Americans have a method for making the laws that are over us. We elect representatives to two Houses of Congress, each of which must enact the new law and present it for approval of a President, whom we also elect. For over two decades now, unelected federal judges have been usurping this lawmaking power by concerting what they regard as norms of international law into American law“, Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2776 (2004). 159 Vgl. Bradley/Goldsmith, Customary International Law as Federal Common Law: A Critique of the Modern Position, 110 Harv. L. Rev. 815 (1997); diess., The Current Illegitimacy of International Human Rights Litigation, 66 Fordham L. Rev. 319 (1997); Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 716 (1986). Siehe hierzu auch Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 800 f. 160 Henkin, International Law as Law in the United States, 82 Mich. L. Rev. 1555, 1561 f. (1983–84). 161 Cardozo, The Nature of the Judicial Process, S. 110 f. 162 Vgl. hierzu Tolley, Interest Group Litigation to Enforce Human Rights: Confronting Judicial Restraint, in: Lopez/Stohl (Hrsg.), World Justice? U.S. Courts and International Human Rights, S. 123, 138 f.
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veau, dass zumindest bei Betrachtung von innerhalb des US-amerikanischen Systems als hinreichend anzusehen ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Argumente, die im US-Recht allgemein zur Legitimierung richterlicher Rechtschaffung angeführt werden, in ebensolcher Weise für die richterliche Anwendung des Völkergewohnheitsrechts gelten. In den USA werden unterschiedliche Ansätze zur Legitimation der richterlichen Rechtsfindung vertreten.163 Dominierend ist die Argumentation, die richterliche Rechtsfindung orientiere sich am Willen der Bevölkerung und sei aus diesem Grund demokratisch legitimiert.164 Dem zugrunde liegt eine Diversifizierung des Demokratiebegriffes. Demokratie sei nicht nur die „statistische Demokratie“, in der das Handeln der staatlichen Organe unmittelbar oder mittelbar durch periodisch stattfindende Wahlen legitimiert werde. Es existiere daneben eine „kollektive Demokratie“.165 Anders als die „statistische Demokratie“ setze sie sich nicht aus einer Summe individueller Akte zusammen, sondern werde auf einer anderen Ebene, aus einem Gemeinschaftsbewusstsein heraus begründet. Der „gemeinschaftliche Wille“ sei Ausdruck der Werte und Überzeugungen, die eine Gesellschaft unabhängig von den konkreten einzelfallbezogenen Vorstellungen der sie konstituierenden Untergruppen prägten.166 Als Beispiel für ein die Gemeinschaft übergreifendes Prinzip wird der Grundsatz angeführt, dass Versprechen gehalten werden müssen.167 Ein anderer gemeinschaftsbezogener Wert soll die moralische Verurteilung der Lüge sein.168 Zum Teil wird behauptet, die gemeinschaftsbezogene Ausrichtung des so veränderten Demokratiebegriffes erlaube es, auch solche Ansichten als Gemeinschaftswille zu deklarieren, die im Moment ihres Ausspruches nicht von einer statistischen Mehrheit getragen sind.169 Addis beschreibt diesen Umstand wie folgt: „[D]emocracy, in its deepest sense, is the considered judgment of the people over time, not the majoritarian preferences at a given point in time. When courts engage in judicial lawmaking, they express this deeper democratic virtue because their decisions constitute the people acting in an intertemporal and historical, not merely statistical, sense of collectivity.“170 Die Legitimation 163
Vgl. Calabresi, A Common Law for the Age of Statutes, S. 92 ff. Vgl. Wellington, Common Law Rules and Constitutional Double Standards: Some Notes on Adjudication, 83 Yale L.J. 221, 235 ff. (1973); zur Einordnung dieses Ansatzes als dominierend siehe Addis, Adjudication and Institutional Legitimacy, 71 B.U.L. Rev. 161, 164 f. (1991) und Calabresi, A Common Law for the Age of Statutes, S. 96. 165 Addis, ebd., S. 164 f. 166 Eisenberg, The Nature of Common Law, S. 21. 167 Ebd. 168 Ebd. 169 Ebd., S. 166. 164
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des Richters ergibt sich vor diesem Hintergrund nicht aus seiner Berufung durch die Gemeinschaft, sondern dadurch, dass er einem übergeordneten Willen der Gemeinschaft gerecht wird. Dieser Ansatz ist problematisch. Allgemeingültige, offensichtliche Prinzipien wie das Verbot der Lüge oder der Grundsatz, dass Versprechen gehalten werden müssen, sind so allgemein, dass sie einen konkreten Gang der Rechtsfindung nicht vorschreiben.171 Dem Richter bleibt bei der Entscheidungsfindung ein Maß an Ermessen, welches es nicht rechtfertigt, insoweit von einer demokratischen Legitimierung zu sprechen. Versucht man dieses Problem zu vermeiden und legt der richterlichen Entscheidung enger gefasste, konkretere Prinzipien zugrunde, so stellt sich die Frage, wie es dem Richter gelingen kann, diese gesellschaftlichen Prinzipien zu erkennen, ohne insoweit lediglich die eigenen Vorstellungen mit dem Etikett des „gemeinschaftlichen Willens“ zu versehen.172 Überzeugender erscheinen deshalb andere, vergleichsweise technische Ansätze zur Rechtfertigung richterlicher Rechtschaffung. So wird geltend gemacht, die Legislative habe bestimmte rechtschöpfende Funktionen implizit an die Richterschaft delegiert. Die implizite Delegation liege darin, dass der Gesetzgeber nie Bedenken hinsichtlich der rechtschöpfenden Tätigkeit der Gerichte geäußert habe.173 Von Bedeutung ist daneben das Argument, die Gerichte würden nur vorübergehendes Recht schaffen. Eine hinreichende demokratische Legitimation ergebe sich daraus, dass die Rechtschöpfung der Gerichte jeder Zeit durch den Gesetzgeber revidiert werden könne.174 Es gehe im Ergebnis nur darum, dass dem Gesetzgeber die Last auferlegt werde, tätig werden zu müssen, um eine unerwünschte Norm aus der Welt zu schaffen. Dies sei nicht grundsätzlich undemokratisch.175 Zum Teil decken diese Argumente auch die richterliche Anwendung des Völkerrechts. So akzeptiert die Legislative die unautorisierte Anwendung des Völkergewohnheitsrechts durch die Gerichte. Es ist folglich auch hier von einer impliziten Delegation legislativer Kompetenzen auszugehen. Auch das Argument, die Gerichte schüfen nur vorübergehendes Recht, kann für den Bereich der richterlichen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts 170 Addis, Adjudication and Institutional Legitimacy, 71 B.U.L. Rev. 161, 166, Fn. 15 (1991), Bezug nehmend auf Ackerman, The Storrs Lectures: Discovering the Constitution, 93 Yale L.J. 1023 (1984). 171 Ely, Democracy and Distrust, S. 63 ff. 172 Addis, Adjudication and Institutional Legitimacy, 71 B.U.L. Rev. 161, 184 (1991). 173 Calabresi, A Common Law for the Age of Statutes, S. 92. 174 Auerbach, A Revival of Some Ancient Learning: A Critique of Eisenberg’s The Nature of the Common Law, 75 Minn. L. Rev. 539, 557 (1991). 175 Calabresi, A Common Law for the Age of Statutes, S. 92 f.
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Geltung beanspruchen. Das Völkergewohnheitsrecht wird dem Bereich des common law zugeordnet176 und steht daher in der Normenhierarchie der USA unter dem Gesetzesrecht.177 Die gerichtliche Feststellung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts ist deshalb nur so lange bindend, wie der Gesetzgeber nicht ein anders lautendes Gesetz erlässt. Schwieriger scheint es, die richterliche Anwendung des Völkerrechts über ein Handeln in Entsprechung mit dem übergeordneten Willen der nationalen Bevölkerung zu rechtfertigen. Die Norm des Völkergewohnheitsrechts, die zur Anwendung berufen wird, hat keinen Bezug zur nationalen Bevölkerung und kommt stattdessen von außen.178 So schreiben denn auch Justice Scalia, Chief Justice Rehnquist und Justice Thomas in ihrer concurring opinion in Sosa v. Alvarez-Machain drastisch: „The Framers would [. . .] be appalled by the proposition that, for example, the American peoples’ democratic adoption of the death penalty [. . .] could be judicially nullified because of disapproving views of foreigners.“179 Dieser Mangel in der richterlichen Legitimation wiegt jedoch wenig schwer. Zum einen sei auf die bereits dargelegten Schwächen dieses Legitimationsansatzes hingewiesen. Zum anderen kann im Bereich des Völkergewohnheitsrechts bereits auf anderem Wege sichergestellt werden kann, dass die USA nicht an völkerrechtliche Normen gebunden werden, die von der Bevölkerung nicht akzeptiert sind. So können die statistisch-demokratisch legitimierten außenpolitischen Entscheidungsträger des Staates, Legislative und Exekutive, im Bereich des Völkergewohnheitsrechts durch fortlaufende Proteste gegen eine Norm des Völkergewohnheitsrechts verhindern, dass der Staat an eine Norm gebunden wird, die nicht dem Willen der Bevölkerung entspricht (Theorie des persistent objector180).181 Im Ganzen lässt sich die rechtsschöpfende Funktion, welche die Richterschaft bei Anwendung des Völkergewohnheitsrechts ausübt, ähnlich stark demokratisch legitimieren wie die allgemeine rechtschöpfende Funktion der Richterschaft im Bereich des common law. Insoweit als letztere akzeptiert wird, sollte auch an der Legitimität der richterlichen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts nicht gezweifelt werden. Trimble hingegen will zwi176 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 702, comment c. Siehe bereits oben Teil I, 2. Kapitel, IV. 177 Clark, The Sources of Law, in: Clark/Ansay (Hrsg.), Introduction to the Law of the United States, 35, 37. 178 Vgl. die Kritik von Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 718 f. (1986). 179 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2776 (2004). 180 Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 26. 181 Stephens, The Law of Our Land: Customary International Law as Federal Law After Erie, 66 Fordham L. Rev. 393, 458 (1997).
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
schen dem allgemeinen common law und der richterlichen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts differenzieren. Er stellt fest, dass die richterliche Expertise im Bereich des nationalen Rechts es rechtfertige, dem Richter im Hinblick auf das nationale Recht die verantwortungsvolle Aufgabe der Rechtsschöpfung anzuvertrauen. Im Hinblick auf das Völkerrecht aber fehle dem Richter die Expertise, die ein ähnliches Vertrauen rechtfertigen würde.182 Dieses Argument überzeugt nicht. Es mag zutreffen, dass die Richterschaft im Bereich des Völkerrechts weniger qualifiziert ist. Die geringe Qualifikation wirkt sich jedoch lediglich dahingehend aus, dass die Richterschaft den Inhalt des Völkerrechts bisweilen unrichtig wiedergibt und sich übermäßig stark an den Vorstellungen des nationalen Rechts orientiert. Dies ist unerfreulich für die internationale Gemeinschaft und für einen Beklagten, der vor einem US-amerikanischen Gericht nach vermeintlichem Völkerrecht verurteilt wird. Es ist indes nicht ersichtlich, dass die Qualität der völkerrechtlichen Rechtsprechung Einfluss auf die hier für einschlägig befundenen Grundlagen ihrer demokratischen Legitimation (implizite Delegation und Derogierbarkeit der Entscheidungen) hätte. Ebenso wie die besondere Kompetenz eines Organs dieses noch nicht zur Rechtsetzung legitimieren kann, kann die fehlende Kompetenz dessen rechtliche Legitimierung nicht beseitigen. Solange die Legislative nicht Bedenken hinsichtlich der richterlichen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts äußert und dieser so Teile ihrer Legitimationsgrundlage entzieht, ist die richterliche Anwendung des Völkergewohnheitsrechts unabhängig von ihrer Qualität nicht als illegitime Rechtsetzung in Umgehung der Legislative zu verstehen. Ein Eingriff in deren Kompetenzbereich liegt daher nicht vor.183 b) Die Schaffung einer innerstaatlichen Sekundärnorm Daneben wird im Rahmen der HRL die Schaffung innerstaatlicher Anspruchsgrundlagen als illegitime Rechtsetzung kritisiert.184 Der Supreme Court jedoch hat in Sosa v. Alvarez-Machain dahingehende Zweifel entkräftet und die entsprechende Tätigkeit der Gerichte für rechtmäßig er182 Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 713 f. (1986). 183 An diesem Ergebnis ändert auch die Entscheidung des Supreme Court im Fall Sosa v. Alvarez-Machain (124 S.Ct. 2739 (2004)) nichts. Das Mehrheitsvotum des Supreme Court befasste sich vornehmlich mit der Schaffung innerstaatlicher Sekundärnormen durch die Gerichte. Die Problematik der autorisationslosen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts durch die Gerichte problematisierte es vor allem mit Blick auf die Kompetenzen der Staaten der USA, nicht jedoch als Problem der Gewaltenteilung zwischen Judikative und Legislative, siehe unten III. 184 Vgl. z. B. Justice Scalia, Chief Justice Rehnquist und Justice Thomas in ihrer concurring opinion zu Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2774 (2004).
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klärt.185 Er bemühte insofern vornehmlich das Legitimationsmodell der impliziten Delegation durch legislatives Nichteinschreiten.186 Der Gesetzgeber habe die seinerzeitige, autorisationsunabhängige Möglichkeit zur richterlichen Bereitstellung völkerrechtsspezifischer Anspruchsgrundlagen über das Richterrecht trotz zwischenzeitlicher konzeptioneller Veränderungen im Rechtsverständnis nicht aufgehoben. Das Fehlen eines Eingriffs in legislative Kompetenzen ist freilich nicht mit dem Fehlen von Kompetenzkonflikten gleichzusetzen. Jene können jenseits von Kompetenzüberschreitungen bereits im Spannungsfeld verschiedener Gewalten auftreten. Entsprechend wies der Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain darauf hin, dass die Gerichte bei der Schaffung völkerrechtsspezifischer Anspruchsgrundlagen mit Vorsicht vorgehen sollten.187 Speziell die Schaffung einer Anspruchsgrundlage nämlich sei grundsätzlich besser der Legislative überlassen.188 Dieser Grundsatz, der im Hinblick auf nationale Primärnormen entwickelt worden sei, müsse umso mehr für völkerrechtliche Primärnormen gelten, da deren Ergänzung um eine Anspruchsgrundlage in verstärktem Maße unerwünschte Begleiterscheinungen hervorrufen könnte. Es ist abzuwarten, ob bzw. inwiefern die Gerichte dem Aufruf des Supreme Court zu besonderer Vorsicht folgen werden. 3. Ergebnis Nationale Kompetenzkonflikte drohen sowohl im Hinblick auf den Zuständigkeitsbereich der Exekutive als auch hinsichtlich der Legislative. Im Hinblick auf die Exekutive ist zwischen Klagen gegen US-amerikanische und ausländische Beklagte zu unterscheiden. Die HRL-Klage gegen USamerikanische Hoheitsträger droht insofern in den Kompetenzbereich der Exekutive einzugreifen, als Gerichte ein Urteil über die Rechtmäßigkeit exekutiven Handelns fällen. Die Gerichte tragen dem Bedürfnis der Exekutive nach überprüfungsfreien politischen Entscheidungsspielräumen über das nationale Immunitätsrecht und die political questions-Doktrin Rechnung. Hierbei wird fast ausnahmslos dem Respekt vor der Exekutive gegenüber den Zielsetzungen der HRL der Vorrang eingeräumt. Insbesondere am Immunitätsrecht scheitert die große Mehrzahl der Fälle. Menschenrechtrechtsverletzungen werden hierbei (anders als bei ausländischen Hoheitsträgern) nicht vom Immunitätsschutz ausgenommen. 185
Ebd., S. 2761 (2004). Ebd., zum Modell der impliziten Legitimierung durch Nichteinschreiten der Legislative siehe unten Teil II, II. 2. a). 187 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d). 188 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2762 f. (2004). 186
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Die HRL-Klage gegen ausländische Beklagte kann zu Kompetenzeingriffen führen, da sie den außenpolitischen Handlungsspielraum der Exekutive einzuengen droht. Die Gerichte adressieren dieses Konfliktpotential im Rahmen der act of state- und der political questions-Doktrin, erachten es in der Regel jedoch als gering und geben den Erwägungen des Menschenrechtsschutzes gegenüber jenen der Gewaltenteilung den Vorrang. Auch das Verhältnis der Gerichte zur Legislative ist kompetenziell problematisch. Zwar können die rechtschaffenden Tätigkeiten der Gerichte im Rahmen der HRL über etablierte Modelle zur Legitimation richterlicher Rechtschaffung gerechtfertigt werden. Entsprechend führte der Kompetenzkonflikt zwischen Judikative und Legislative bislang nicht zu Einschränkungen der HRL. Dies könnte sich jedoch für die Zukunft ändern. Jedenfalls hinsichtlich der richterlichen Schaffung von völkerrechtsspezifischen Anspruchsgrundlagen sah sich der Supreme Court neuerdings veranlasst, die Gerichte zu besondere Vorsicht aufzurufen. Noch unklar ist, wie bzw. ob die Gerichte diesem Aufruf folgen werden.
III. Intranationale Kompetenzkonflikte Die nicht unmittelbar autorisierte Anwendung völkergewohnheitsrechtlicher Primärnormen, in der manche (wie soeben dargestellt) einen Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Legislative sehen, wird ferner im Hinblick auf die intranationale Zuständigkeitsverteilung der USA diskutiert. Es wird angeführt, die unautorisierte Anwendung von Völkergewohnheitsrecht durch die Bundesgerichte greife in den Zuständigkeitsbereich der Staaten ein. Es sei nicht ersichtlich, warum das Völkergewohnheitsrecht in jedem Fall durch eine Entscheidung der Bundesgerichte zur Anwendung berufen und zu Bundesrecht werde. Ebenso könne es als Staatenrecht in den nationalen Rechtsraum integriert werden.189 Derartige intranationale Kompetenzfragen hatten bislang keine Auswirkung auf die Reichweite der HRL. Die Gerichte erachteten die Bedenken 189 Bradley/Goldsmith, Customary International Law as Federal Common Law: A Critique of the Modern Position, 110 Harv. L. R. 815 (1997); dies., The Current Illegitimacy of International Human Rights Litigation, 66 Fordham L. Rev. 319 (1997). Aufbauend auf Bradley/Goldsmith: Young, Sorting out the Debate over Customary International Law, 42 Va. J. Int’l L. 365 (2002); Meltzer, Customary International Law, Foreign Affairs, and Federal Common Law, 42 Va. J. Int’l L. 513 (2002); Ramsey, International Law as Non-Preemptive Federal Law, 42 Va. J. Int’l L. 555 (2002); Ku, Customary International Law in State Courts, 42 Va. J. Int’l L. 265 (2002). Vgl. auch Justice Scalia, Chief Justice Rehnquist und Justice Thomas in ihrer concurring opinion zu Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2773 ff. (2004).
1. Kap.: Internationale, nationale und intranationale Kompetenzkonflikte
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der Staaten mehrheitlich als unbegründet. Sie stützten sich insoweit auf die ganz herrschende Meinung. Diese geht davon aus, dass es sich bei dem Völkergewohnheitsrecht um eine Materie handelt, die in jedem Fall als Bundesrecht in den nationalen Rechtsraum zu inkorporieren sei (sog. modern approach).190 Sie begründet dies vor allem historisch. So sei einer der Hauptgründe für den Zusammenschluss zur Nation der Wunsch gewesen, dem Staat nach außen hin ein einheitliches Erscheinen zu ermöglichen.191 Zahlreiche Hinweise in der Verfassung und in den Bundesgesetzen zeigen, dass dieses Ziel durch die Zuweisung außenpolitisch relevanter Bereiche an die Bundesgerichte erreicht werden sollte.192 Könnte das Völkergewohnheitsrecht auch durch die Staaten als Staatenrecht in den nationalen Rechtsraum übernommen werden, hätte dies zur Folge, dass das zu beachtende Völkerrecht von Staat zu Staat divergieren würde; ein nach außen hin einheitliches Auftreten des Bundes wäre nicht möglich. Neuerdings wird dieser Ansatz zunehmend infrage gestellt. Es wird angeführt, die Idee einer Rechtsmaterie, die bereits aus sich heraus, wegen ihres besonderen Inhalts, bundesrechtlicher Natur sei, könne mit der Entscheidung des Supreme Court in Erie Railroad v. Tompkins193 nicht vereinbart werden (sog. revisionist approach). In dieser Entscheidung befasste sich der Supreme Court mit dem föderalen Kompetenzmodell der Verfassung und entschied, dass Bundesgerichte nur dann Richterrecht schaffen dürften, wenn sie hierzu durch den Bundesgesetzgeber autorisiert seien. In allen übrigen Fällen müssten sie Staatenrecht anwenden.194 Nach Ansicht der Kritiker wurde der Ansatz des Supreme Court aus La Paquete Habana,195 wonach die Gerichte das Völkergewohnheitsrecht anwenden können, ohne dass eine vorangehende Autorisierung durch den Gesetzgeber erforderlich wäre,196 mit der Entscheidung in Erie Railroad obsolet.197 Die nach Ansicht der HRL-Kritiker mithin für eine bundesrichterliche Anwendung von Völkergewohnheitsrecht erforderliche legislative Autorisierung soll jedoch nur in Teilbereichen existieren. Lediglich im Rahmen des TVPA habe der Kon190 Stephens, The Law of Our Land: Customary International Law as Federal Law After Erie, 66 Fordham L. Rev. 393 (1997); Koh, Is International Law Really State Law?, 111 Harv. L. Rev. 815 (1997). 191 Stephens, ebd., S. 404. 192 Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 427, Fn. 25 (1964). 193 Erie Railroad v. Tompkins, 304 U.S. 64 (1938). 194 Ebd., S. 78. 195 Siehe oben II. 2. a). 196 Henkin, The Constitution and the United States Sovereignty: A Century of Chinese Exclusion and its Progeny, 100 Harv. L. Rev. 853, 868 (1987). 197 Bradley/Goldsmith, Federal Courts and the Incorporation of International Law, 111 Harv. L. Rev. 2260, 2262 ff. (1998).
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gress völkergewohnheitsrechtliche Normen aufgegriffen und so als bundesrechtliche Normen in das nationale Recht eingegliedert.198 Entsprechend könne das Völkergewohnheitsrecht derzeit nur partiell, nicht aber generell dem Bundesrecht zugeordnet werden. Der Ansatz der HRL-Kritiker ist indes abzulehnen. Er verkennt, dass bestimmte Bereiche von jeher vom Autorisierungsrigorismus der Erie-Entscheidung ausgenommen waren. Noch am Tag der Erie-Entscheidung deutete der Supreme Court im Fall Hinterlider199 eine Kategorie eines bereits seiner Natur nach bundesrechtlichen Richterrechts an, indem er klarstellte, dass die Zuteilung von grenzüberschreitenden Wasservorräten sowie Grenzstreitigkeiten zwischen zwei Staaten eine federal question darstellten, die bereits aufgrund ihrer bundespolitischen Natur über das Bundesrecht gelöst werden müsste.200 Im späteren Fall Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino führte der Supreme Court diesen Gedanken fort und entschied, dass das Gericht in Erie nicht an Konstellationen mit Berührung zur Außenpolitik gedacht habe.201 Die Erie-Entscheidung ist daher nicht auf den Bereich des Völkergewohnheitsrechts anzuwenden. In Sosa v. Alvarez-Machain bestätigt der Supreme Court diesen Ansatz und ordnet die ATCA-Rechtsprechung ausdrücklich dem fraglichen Bereich der außenpolitisch relevanten Fragestellungen zu.202 Gleichwohl könnte sich zukünftig bei den Gerichten eine verstärkte Sensibilität hinsichtlich intranationaler Kompetenzfragen zeigen. Wie schon hinsichtlich des Kompetenzbereichs der Legislative muss auch hier zwischen Kompetenzeingriff und Kompetenzkonflikt unterschieden werden. Hierauf wies auch der Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain hin, indem er mit Blick auf die Erie-Rechtsprechung feststellte: „[T]he judicial power should be exercised on the understanding that the door [to Human Rights Litigation] is still ajar subject to vigilant doorkeeping [. . .].“203 Die Bundesgerichte sollen sich vor diesem Hintergrund bei Wahrnehmung ihrer 198 Bradley/Goldsmith, The Current Illegitimacy of International Human Rights Litigation, 66 Fordham L. Rev. 319, 356 ff. (1997). 199 Hinterlider v. La Plata River, 304 U.S. 92 (1938). 200 Ebd., S. 110. 201 Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 939 (1964). Entsprechend hatte bereits Richter Jessup in einem berühmten, schon bald nach der ErieEntscheidung veröffentlichten Aufsatz geschrieben: „Mr. Justice Brandeis was surely not thinking of international law when he wrote his dictum [. . .]. It would be as unsound as it would be unwise to make our state courts our ultimate authority for pronouncing the rules of international law“, Jessup, The Doctrine of Erie Railroad v. Tompkins Applied to International Law, 33 Am. J. Int’l L. 740, 741 ff. (1939). 202 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2762 (2004). 203 Ebd., S. 2764.
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Kompetenzen im Rahmen der HRL vorsichtig verhalten. In den Bereichen mit Bezug zur Außenpolitik, die auch nach Erie dem originären Kompetenzbereich der Bundesgerichte unterfallen, hätten sich die Gerichte bereits bisher traditionell an Vorgaben der Legislative (legislative guidance) orientiert. Dies müsse erst Recht für den Bereich des ATCA gelten, wo Grundlage für das richterliche Handeln ein Gesetz sei, dessen Ursprünge weitestgehend im Dunkeln lägen.204 Der Supreme Court gibt jedoch nicht zu erkennen, wie die Rücksichtnahme auf Vorgaben der Legislative verwirklicht werden soll. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob bzw. wie die Gerichte den Aufruf des Supreme Court umsetzen werden.
IV. Ergebnis Die HRL erzeugt Kompetenzkonflikte auf internationaler, nationaler und intranationaler Ebene. Diese führen in unterschiedlichem Maße zu Begrenzungen der HRL. Im internationalen Bereich ergaben sich Einschränkungen bislang vornehmlich im Hinblick auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten und das hieraus abgeleitete Immunitätsrecht. Seine Berücksichtigung führte zur Abweisung von Klagen gegen ausländische Staaten, deren amtierende Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister sowie deren Diplomaten und Gesandte zu den Vereinten Nationen. In noch stärkerem Umfang bewirkten nationale Kompetenzkonflikte in Verfahren gegen US-amerikanische Hoheitsträger die Abweisung der jeweiligen Klagen. Für die Zukunft ist eine Ausweitung der kompetenzbedingten Beschränkungen der HRL nicht auszuschließen. Die Rechtsprechung des Supreme Court im Fall Sosa v. Alvarez-Machain legt nunmehr das Augenmerk verstärkt auch auf Kompetenzkonflikte, die im Hinblick auf die nationale Legislative sowie im intranationalen Bereich bestehen. Er ruft die Gerichte insoweit zu vorsichtigem Verhalten auf, ohne jedoch methodisch klare Verhaltenshinweise zu geben. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie die Gerichte die Vorgaben des Supreme Court umsetzen werden.
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Ebd., S. 2762.
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2. Kapitel
Die Vereinbarkeit der Human Rights Litigation mit dem Völkerrecht Die US-amerikanische Literatur überprüft die HLR vor allem im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der US-amerikanischen Verfassung.205 Ihre Übereinstimmung mit dem Völkerrecht wird nicht ernsthaft angezweifelt. Für gewöhnlich werden dahingehende Bedenken pauschal mit dem Verweis auf den universellen Charakter der eingeklagten Normen abgewiesen. Auch der Supreme Court, der sich in Sosa v. Alvarez-Machain ausführlich mit dem ATCA auseinandersetzte, nahm auf völkerrechtliche Fragestellungen nicht Bezug.206 Er thematisierte die extraterritoriale Ausrichtung des ATCA lediglich als Aspekt des innerstaatlichen Kompetenzausgleichs. Eine auch völkerrechtliche Betrachtung der Problematik wäre jedoch angezeigt gewesen. Bei genauerer Betrachtung nämlich erweisen sich sowohl die US-amerikanische Immunitätspraxis als auch die im Rahmen der HRL vorgenommene extraterritoriale Jurisdiktionsausübung als völkerrechtlich problematisch.
I. Das Immunitätsrecht 1. Völkerrechtliche Grundlagen Die Regeln des völkerrechtlichen Immunitätsrechts wurzeln im Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, wonach es sich grundsätzlich kein Staat erlauben darf, einen anderen Staat seiner Hoheitsgewalt zu unterwerfen.207 Die sachliche Reichweite der Immunität des Staates ist durch den Grundsatz der restriktiven Immunität bestimmt. Nach diesem ist zwischen hoheitlichem Handeln (acta iure imperii) und privatwirtschaftlichem Handeln (acta iure gestionis) zu unterscheiden. Letzteres ist zumindest im Erkenntnisverfahren von der staatlichen Immunität auszunehmen.208 In personeller Hinsicht erstreckt sich die staatliche Immunität auf das Handeln der staatlichen Organe. Grundsätzlich kommen diese nur in den Schutz einer funktionellen Immunität (Immunität ratione materiae). Von 205 Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1122 (1999). 206 Lediglich Justice Breyer machte in seinem Sondervotum insoweit Ausführungen, 124 S.Ct. 2739, 2782 f. (2004). 207 Siehe oben 1. Kapitel, I. 1. 208 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1169.
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dieser ist nur offizielles Verhalten, nicht aber privates Handeln umfasst. Allerdings wird Organen, die in den internationalen Beziehungen eines Staates besonders exponiert sind, wie das Staatsoberhaupt, der Regierungschef und der Außenminister, zusätzlich eine personelle Immunität (Immunität ratione personae) gewährt.209 Diese umfasst amtliche und private Handlungen. Sie ist jedoch auf die Dauer der Amtszeit begrenzt. Die funktionelle Immunität hingegen überlebt die amtliche Eigenschaft der betreffenden Person und schützt diese auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt.210 Fraglich ist, ob sich die funktionelle Immunität auf sämtliche Hoheitsträger, also auch auf einfache Beamte, erstreckt. Dahingehende Urteile finden sich unter anderem in der deutschen211, der französischen212, der britischen213, der kanadischen214, der philippinischen215, der australischen und 209 Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, ICJ Reports 2002, Rn. 51. Die Immunität dieses Kreises exponierter Vertreter des Staates sei im Folgenden vereinfachend als die Immunität von Staatsoberhäuptern bezeichnet. 210 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 26, Rn. 35 sowie 8. Kapitel (Fischer), § 35, Rn. 42; Bröhmer, State Sovereignty and the Violations of Human Rights, S. 37 f. 211 Siehe z. B. BGH in NJW 1979, 1101. Im Fall hatte ein deutscher Ableger der Scientology Kirche einen Beamten des New Scotland Yard auf Widerruf eines negativen Berichts verklagt. Der Senat führte aus: „Es bedeutete eine Aushöhlung der uneingeschränkten Immunität souveräner Staaten im Bereich hoheitlicher Betätigung, wollte man staatliches Handeln durch Zugriff auf das handelnde ausländische Organ der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen.“ 212 Siehe die Entscheidung des Tribunal de commerce im so genannten Avensdaw-Fall, R.I.D.M. 34 (1922), 1074: „[I]l est jurisprudence qu’un Etat étranger ne peut pas être assigné devant un Tribunal français, même en la personne de ses agents.“ Weitere Beispiele aus der französischen Gerichtspraxis bei Tomonori, The Individual as Beneficiary of State Immunity, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 101, 109 (2001). 213 Propend Finance Pty Ltd. v. Sing, 111 ILR 611 (CA) (1997). Die Argumentation des Gerichts bezog sich auf das britische Immunitätsgesetz, den State Immunity Act 1978. Dort findet sich ähnlich wie im FSIA kein ausdrücklicher Hinweis auf den individuellen Hoheitsträger. Das Gericht schloss jedoch, dass auch letzterer vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sein müsse, da sonst der Schutz, der dem Staat über den State Immunity Act gewährt werde, unterlaufen würde. Ebenso entschied das House of Lords (per Lord Browne-Wilkinson) in Regina and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others ex Parte Pinochet (Pinochet III), 38 I.L.M. 581, 594 (1999): „Immunity ratione materiae applies not only to ex-heads of state and ex-ambassadors but to all state officials who have been involved in carrying out the functions of the state. Such immunity is necessary in order to prevent the state immunity being circumvented by prosecuting or suing the official who, for example, actually carried out the torture when a claim against a head of state would be precluded by the doctrine of immunity.“ 214 Jaffe v. Miller, 95 I.L.R. 446 (1993). Der kanadische Court of Appeal urteilte auf Grundlage des kanadischen Immunitätsgesetzes, des State Immunity Act. Seine Argumentation entsprach weitestgehend der des britischen Gerichts in Propend
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der irischen216 Rechtsprechung. Auch aus den USA kommen Urteile, die den funktionellen Immunitätsschutz auf den einfachen Hoheitsträger erstrecken. Zu verweisen ist zum einen auf jene Urteile, die den FSIA auf einfache Hoheitsträger hinsichtlich hoheitlichen Handelns anwenden.217 Zum anderen ist auf das Urteil Lyders v. Lund218 hinzuweisen, welches vor Erlass des FSIA erging. Zwar war Beklagter des konkreten Falles ein Konsul. Dies jedoch mindert den Präzedenzwert des Urteils nicht.219 Die Argumentation des Gerichts nämlich erfolgte losgelöst von der Stellung des Beklagten. Das Gericht führte aus, dass der ausländische Staat ein Recht auf Immunität besitze und Klagen, die gegen dessen Funktionsträger gerichtet seien und deren hoheitliches Handeln zum Gegenstand hätten, im Grunde als Klagen gegen den Staat selbst anzusehen und deshalb von dessen Immunität umfasst seien.220 Gegenläufige Staatenpraxis ist nicht ersichtlich. Auf jene HRL-Urteile, die die Frage nach der Imunität schlichtweg übergehen, kann insoweit nicht verwiesen werden.221 Angesichts des Fehlens jedweder Auseinandersetzung mit der Immunitätsproblematik kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die herkömmlichen Prinzipien zum Immunitätsrecht reformieren wollen. Plausibler erscheint ist vielmehr, dass sie – im Gleichlauf mit der sonstigen US-Rechtsprechung – lediglich die Erstreckung des funktionellen Immunitätsschutzes auf den Bereich von Menschenrechtsverletzungen ablehnen. Finance Pty Ltd. v. Sing, siehe vorherige Fußnote. Weitere Beispiele zur kanadischen Rechtsprechung bei Tomonori, The Individual as Beneficiary of State Immunity, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 101, 109 (2001). 215 Siehe z. B. Bear v. Tizon, 57 S.C.R.A. 1 (1974), Sanders v. Veridiano II, 162 S.C. R.A. 88 (1988). 216 Näher hierzu Tomonori, The Individual as Beneficiary of State Immunity, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 101, 109 ff. (2001). 217 Rios v. Marshall, 530 F. Supp. 351, 371 (S.D.N.Y. 1981); Kline v. Kalenko, 685 F. Supp. 386 (S.D.N.Y. 1988); Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1101 (9th Cir. 1990), Herbage v. Meese, 747 F. Supp. 60 (D.D.C. 1990), siehe auch oben Teil I, 2. Kapitel, III. 4. 218 32 F.2d 308 (N.D. Cal. 1929). 219 So aber Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 151. 220 Lyders v. Lund, 32 F.2d 308, 309 (N.D. Cal. 1929): „[I]n actions against the officials of a foreign state not clothed with diplomatic immunity, it can be said that suits based on official, authorized acts, performed within the scope of their duties on behalf of the foreign state, and for which the foreign state will have to respond directly or indirectly in the event of judgment, are actions against the foreign state. Acts of such officials beyond the scope of their authority or in connection with their private business, cannot be regarded as acts of the foreign state, and the official may be sued on account of any such acts.“ 221 Siehe oben 1. Kapitel. I. 1. a) (3).
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Als gegenläufige Entscheidung kann auch nicht das Urteil des Supreme Court des Staates New York im Fall People v. McLeod222 aus dem Jahre 1841 fungieren. Zwar wurde dort ein britischer Hoheitsträger wegen eines Todesfalls im Zusammenhang mit einem Überfall auf das US-amerikanische Schiff Caroline verurteilt.223 Die aktuelle Rechtsprechung der USA lässt diese Entscheidung jedoch als obsolet erscheinen. Gleiches gilt für das Urteil des irischen Supreme Court im Jahr 1944 im Fall De las Morenas,224 welches gleichfalls nicht mehr als Ausdruck der aktuellen irischen Rechtspraxis verstanden werden kann. Im Ergebnis ist daher von einer funktionellen Immunität auch des einfachen Hoheitsträgers auszugehen.225 Bestätigt wird diese Einschätzung durch die neuerliche United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property226, die zwar noch nicht in Kraft ist, gleichwohl aber bereits jetzt als Indiz für den Stand des Völkergewohnheitsrechts zu werten ist.227 Nach deren Art. 2 (b) (iv) nämlich erstreckt sich die staatliche Immunität auf den Repräsentanten des Staates, sofern dieser als solcher, das heißt hoheitlich, tätig wird. Zum Kreis der Repräsentanten des Staates wird dabei auch der einfache Hoheitsträger gerechnet.228 2. Vereinbarkeit der US-amerikanischen Immunitätspraxis mit dem Völkerrecht Fraglich ist, ob die immunitätsrechtliche Praxis der USA, die bereits in anderem Zusammenhang dargestellt wurde229, diese völkerrechtlichen Vorgaben erfüllt. Probleme ergeben sich insofern, als ausländischen Staaten 222 18 ALIC 263; Hintergrundinformationen zum Fall finden sich bei Moore, Digest of International Law, Bd. II, S. 25 f. 223 Näher hierzu Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 150 f. sowie Tomonori, The Individual as Beneficiary of State Immunity, 29 Denv. J. Int’l L. & Pol’y 101, 102 (2001). 224 Näher hierzu Tomonori, ebd. S. 107. 225 Ebenso Tomonori, ebd. S. 114. Anders Epping, der den funktionalen Immunitätsschutz lediglich auf bestimmte staatliche Organe, namentlich die Luftwaffe, staatliche Presseorgane, Kulturinstitute, staatliche Fluggesellschaften, zivile Luftfahrtbehörden, Industrieentwicklungsorganisationen und Zentralbanken erstreckt, diese Auswahl jedoch nicht erläutert, siehe Ipsen (Epping), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 26, Rn. 43. Kritisch insofern auch Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, S. 149 ff. 226 A/59/38. 227 Heß, The International Law Commission’s Draft Convention on the Jurisdictional Immunities of States and Their Property, 4 EJIL (1993) 269, 282. 228 Ebd., S. 280. 229 Siehe oben 1. Kapitel, I. 1.
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und amtierenden ausländischen Staatsoberhäuptern im Rahmen des AEDPA die Immunität verweigert wird, sowie daraus, dass ausländische Hoheitsträger im Bereich von Menschenrechtsverletzungen keinen funktionellen Immunitätsschutz erhalten. Es stellt sich die Frage, ob diese Praxis der USA durch eine Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen230 bzw. durch einen völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrund legitimiert ist. a) Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen (1) Völkerrechtliche Verträge Eine allgemeine völkervertragliche Regelung, die eine Immunitätsausnahme für Menschenrechtsverletzungen ausdrücklich vorsähe, existiert nicht. Die neuerliche United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property231 kann insoweit nicht herangezogen werden. Sie ist noch nicht in Kraft und enthält im Übrigen keine entsprechende Vorschrift. Auch eine allgemeine völkervertragliche Regelung, aus der sich eine solche Ausnahme zumindest implizit ergäbe, gibt es nicht. Insbesondere auf den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPBPR kann insoweit nicht rekurriert werden.232 Dieser nämlich wird gemeinhin nicht dahingehend ausgelegt, dass die Gerichte eines Staates ein Forum auch hinsichtlich extraterritorialen Verhaltens bereitstellen müssten.233 Ein Konflikt zum Recht der Immunität ergibt sich typischerweise also nicht. Auch aus dem Justizgewährleistungsanspruch des Art. 6 Abs. 1 EMRK234 resultiert keine implizite Immunitätsausnahme. Zwar wird die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass grundsätzlich auch hinsichtlich extraterritorialer 230
Vernachlässigt sei vorliegend die Frage, ob eine Immunitätsausnahme für Inlandsdelikte besteht, das heißt für Delikte, die im Forumstaat begangen wurden (siehe hierzu Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 143 ff; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, AVR 41 (2003), S. 201, 207 ff.). Bislang nämlich gab es nur vereinzelt HRL-Fälle, die Menschenrechtsverletzungen innerhalb der USA betrafen (siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 1. a)). Typischerweise behandelt die HRL Menschenrechtsverletzungen, die außerhalb der USA vorfallen. 231 A/59/22. 232 BGBl. 1973 II, 1534. In Art. 14 Abs. 1 S. 2 heißt es: Jeder Mensch hat Anspruch darauf, dass über [. . .] seine zivilrechtlichen Ansprüche [. . .] durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches [. . .] Gericht in billiger Weise öffentlich verhandelt wird. 233 Urteil des Court of Appeal for Ontario vom 30.6.2004, Rn. 83., einsehbar unter http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.htm; näher hierzu Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 391.
2. Kap.: Vereinbarkeit der Human Rights Litigation mit dem Völkerrecht 171
Sachverhalte Rechtsschutz zu gewähren ist. Die in Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechte gelten jedoch nicht schrankenlos. Sie können vielmehr zur Verfolgung legitimer Ziele in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden.235 Hierbei werden jedenfalls solche Maßnahmen als verhältnismäßig angesehen, die dem etablierten Völkergewohnheitsrecht entsprechen.236 Art. 6 EMRK enthält mithin keine eigenständige Regelung zur Immunität. Er verleiht dem Einzelnen lediglich das Recht, auf internationaler Ebene einzuklagen, dass nationale Gerichte ihre Zuständigkeit nicht stärker einschränken, als dies die völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsvorschriften verlangen. Eine implizite vertragliche Immunitätsausnahme könnte jedoch zumindest in Teilbereichen, namentlich im Zusammenhang mit der Folterkonvention237, existieren. Relevant ist insoweit deren Art. 14 Abs. 1 S. 1. Dort heißt es: Jeder Vertragsstaat stellt in seiner Rechtsordnung sicher, dass das Opfer einer Folterhandlung Wiedergutmachung erhält und ein einklagbares Recht auf gerechte und angemessene Entschädigung einschließlich der Mittel für eine möglichst vollständige Rehabilitation hat.
Fraglich ist, ob Art. 14 Abs. 1 S. 1 in seinem Anwendungsbereich Vorschriften des Immunitätsrechts derogiert. Grundvoraussetzung dafür ist, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 auch hinsichtlich von Taten greift, die ein ausländischer Staat verursacht hat.238 In diesem Fall nämlich würde der Vertragsstaat aus 234 BGBl. 1952 II, 685. In Art. 6 Abs. 1 S. 1 heißt es: Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche [. . .] von einem unabhängigen und unparteiischen [. . .] Gericht verhandelt wird. 235 Al Adsani v. United Kingdom, Urteil des EGMR vom 21.11.2001, Rn. 53, abgedruckt in EuGRZ 2002, 403 ff. 236 Ebd., Rn. 56. 237 BGBl. 1990 II, 246. 238 Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 163 ff. Zum Teil wird auch danach unterschieden, ob die Folterhandlung im Forumstaat oder im Ausland vorgenommen wurde (siehe z. B. die Entscheidung des Ontario Superior Court of Justice in Bouzari v. Islamic Republic of Iran, 124 I.L.R. 427, 440 (2003), bestätigt durch das Urteil des Court of Appeal for Ontario, Entscheidung vom 28. Oktober 2004, Rn. 73 ff., einsehbar unter http://www.ontario courts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.htm.). Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass die Hoheitsträger eines Staates lediglich auf eigenem Staatsgebiet tätig werden. Dies wird in der Regel, jedoch nicht in jedem Fall zutreffen. Es kann vielmehr vorkommen, dass eigene Hoheitsträger im Ausland Folterhandlungen vornehmen bzw. ausländische Hoheitsträger im Forumstaat foltern. In einem solchen Fall ergeben sich in der ersten Konstellation keine immunitätsrechtlichen Probleme, wenngleich die Folterhandlung im Ausland stattfand. Im zweiten Fall hingegen ergeben sich immunitätsrechtliche Probleme, obwohl die Folter im Forumstaat statt-
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Art. 14 Abs. 1 S. 1 verpflichtet, ein Forum für den Entschädigungsanspruch des Opfers gegen den Verantwortlichen bereitzustellen. Es ergäbe sich hierbei ein Konflikt zum Immunitätsrecht, da die Gerichte des Vertragsstaats über die Folterhandlung des anderen Vertragsstaats zu urteilen hätten. Diese nämlich ist qua Definition der Folterkonvention als hoheitliches Handeln einzustufen,239 welches seinerseits grundsätzlich vom Immunitätsschutz erfasst ist. Zu untersuchen ist mithin, ob Art. 14 Abs. 1 S. 1 die Vertragsstaaten auch dann zur Bereitstellung eines Forums verpflichtet, wenn ein Verhalten in Rede steht, das ein ausländischer Staat verursacht hat.240 Cremer bejaht dies (vorbehaltlich der vorangegangenen Erschöpfung lokaler Rechtsmittel) und leitet auf dieser Grundlage aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 eine Immunitätsausnahme ab, wobei die Normen der Folterkonvention jenen des Immunitätsrechts als die spezielleren vorgehen sollen.241 Dieser Ansatz ist abzulehnen.242 Art. 14 Abs. 1 S. 1 kann nicht entnommen werden, dass die Staaten zur zivilrechtlichen Aufarbeitung auch bei Folterhandlungen eines ausländischen Staates verpflichtet wären. Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift insoweit unergiebig. Gemäß Art. 31 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvenfand. Insoweit freilich überschneiden sich Erwägungen zu einer menschenrechtsbezogenen Immunitätsausnahme mit solchen zu einer Immunitätsausnahme für Inlandsdelikte. 239 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Folterkonvention: „Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck „Folter“ jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, [. . .], wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.“ [Kursivierung hinzugefügt]. 240 Nur wenn diese Frage bejaht wird, stellt sich die Folgefrage nach der personellen Reichweite des Art. 14 Abs. 1 S. 1, die Frage also, ob letzterer auch hinsichtlich von Verfahren gegen den ausländischen Staat als solchen bzw. dessen amtierendes Staatsoberhaupt greift und folglich auch in diesem Bereich über Art. 14 Abs. 1 S. 1 eine Immunitätsausnahme begründet wird oder ob – wie in den Entscheidungen des House of Lords mit Blick auf die Art. 5 und 7 der Folterkonvention vertreten – die Vorschriften der Folterkonvention jedenfalls die personelle Immunität amtierender Staatsoberhäupter unangetastet lassen, vgl. die Darstellung der Rechtsprechung des House of Lords in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 113 ff. (erste Entscheidung) und Rn. 117 ff. (dritte Entscheidung). 241 Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 163 ff. 242 So im Ergebnis auch Jones v. Saudi Arabia, Entscheidung vom 28. Oktober 2004, 2004 WL 23877139, Rn. 20 ff. und Bouzari v. Islamic Republic of Iran, 124 I.L.R. 427, 440 f. (2003), bestätigt durch das Urteil des Court of Appeal for Ontario, Entscheidung vom 30. Juni 2004, Rn. 69 ff., einsehbar unter http://www.onta riocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295.htm.
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tion (WVRK)243 sind bei Auslegung einer vertraglichen Bestimmung neben dem Wortlaut jedoch zugleich das Ziel des Vertrages sowie der Zusammenhang, in dem die fragliche Bestimmung steht, zu berücksichtigen. Das Ziel der Konvention ist es gemäß Erwägung sechs der Präambel, dem Kampf gegen die Folter größere Wirksamkeit zu verleihen. Zu diesem Kampf gegen die Folter kann man auch den zivilrechtlichen Rechtsschutz für Folteropfer zählen. Eine Auslegung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Konvention, die auf Inlandsbezüge verzichtet, würde zur Verwirklichung dieses Zieles beitragen.244 Die Berücksichtigung des Zusammenhangs des Art. 14 Abs. 1 S. 1 liefert indes gegenläufige Ergebnisse. Hinsichtlich des Zusammenhangs einer Vorschrift nämlich ist zum einen deren systematische Stellung zu berücksichtigen. Die dem Art. 14 vorangestellten Art. 12 und Art. 13 der Konvention behandeln ausschließlich Verpflichtungen, die keine extraterritoriale Ausrichtung besitzen. Dies deutet darauf hin, dass auch Art. 14 entsprechend zu verstehen ist.245 Hinsichtlich des Zusammenhangs einer Norm ist zum anderen gemäß Art. 31 Abs. 3 b) WVRK jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages zu berücksichtigen, aus der die Übereinstimmung der Parteien über seine Auslegung hervorgeht. Hieraus ergibt sich für Belange des Art. 14 Abs. 1. S. 1, dass die Parteien nicht von dessen Anwendung auf Folterhandlungen ausländischer Staaten ausgehen. Die wenigsten Staaten gingen in ihren Berichten an das Folterkomitee darauf ein, inwiefern Art. 14 Abs. 1 S. 1 dahingehende Verpflichtungen begründe.246 Sofern Staaten hierzu Stellung nahmen, sprachen sie sich gegen eine entsprechende Wirkung aus.247 Die Praxis der HRL kann insoweit nicht als gegenläufige Übung gewertet werden. Auch die USA nämlich betonen, dass nach ihrer Ansicht die Folterkonvention Verpflichtungen hinsichtlich von Opfern, die im Auftrag anderer Staaten gefoltert wurden, nicht begründe.248 Die HRL, und insbesondere der TVPA, gehe insoweit über die Verpflichtungen aus der Folterkonvention hinaus.249 Auch aus den Stellungnahmen des Folterkomitees ergibt sich kein anderer Schluss. Sofern die Staaten im Rahmen der Folterkonvention in Berichten darlegten, inwiefern sie sich auch der Opfer ausländischer Folterhandlungen annahmen, lobte das Folter243
BGBl. 1985 II, 926. Vgl. Byrnes, Civil Remedies for Torture Committed Abroad: An Obligation Under the Convention Against Torture?, in: Scott (Hrsg.), Torture as Tort, S. 537, 545. 245 Vgl. ebd., S. 543. 246 Ebd., S. 544. 247 Siehe z. B. die Stellungnahme Neu Seelands, U.N. Doc. CAT/C/29/Add. 4 (1997), Rn. 35 ff. sowie der Bundesrepublik Deutschland, U.N. Doc. CAT/ C/29/Add.2 (1997), Rn. 39. 248 Siehe U.N. Doc. CAT/C/28/Add.5, Rn. 268 (2000). 249 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, II. 244
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komitee zwar diese Bemühungen.250 Es gab jedoch nicht zu erkennen, dass es sie als Pflicht unter Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Konvention erachtete. Der Zusammenhang des Art. 14 Abs. 1 S. 1 deutet mithin daraufhin, dass die Verpflichtungen aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 sich nicht auf die Folterhandlungen eines ausländischen Staates beziehen. Diesen Schlussfolgerungen aus dem Zusammenhang des Art. 14 Abs. 1 S. 1 ist gegenüber jenen aus der Zielsetzung der Konvention Vorrang einzuräumen. Die Zielvorgabe der Konvention nämlich ist zu allgemein, als dass sie geeignet wäre, die vergleichsweise konkreten Anhaltspunkte, die sich aus dem Zusammenhang des Art. 14 Abs. 1 S. 1 ergeben, auszuhebeln. Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Konvention keine Pflicht zur juristischen Aufarbeitung ausländischer Folterhandlungen begründet. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte der Konvention. Gemäß Art. 32 WVRK (1. Alt.) kann die Entstehungsgeschichte eines völkerrechtlichen Vertrages herangezogen werden, um ein Auslegungsergebnis, das unter Anwendung des Art. 31 WVRK erzielt wurde, zu bestätigen. Ein früherer Entwurf zu Art. 14 Abs. 1 S. 1 enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass nur solche Folterhandlungen erfasst seien, die im Hoheitsbereich des Forumstaates vorgefallen seien.251 Dieser Hinweis wurde letztlich in den endgültigen Konventionstext nicht aufgenommen.252 Hieraus ließe sich grundsätzlich schließen, dass eine territoriale Begrenzung des Art. 14 Abs.1 S. 1 nicht gewollt war. Im konkreten Fall ist dieser Schluss jedoch nicht zutreffend. Die Entfernung des entsprechenden Hinweises nämlich erfolgte ohne diesbezügliche Diskussion. Eine solche Diskussion aber wäre angesichts des innovativen Charakters einer derart unbegrenzten Verpflichtung der Staaten zu erwarten gewesen.253 Die Entfernung des entsprechenden Hinweises ist daher als versehentlich einzuordnen.254 Andere Hinweise aus der Entstehungsgeschichte der Konvention deuten in dieselbe Richtung. So hätten nach Aussage eines Beamten des US-Außenministeriums einige Staaten während der Verhandlungen zur Folterkonvention die Möglichkeit einer zivilen Jurisdiktion hinsichtlich extraterritorialer Handlungen erörtert. Sie hätten diese Möglichkeit im Ergebnis jedoch abgelehnt.255 250
U.N. Doc. A/52/44, Rn. 177 (1997). Byrnes, Civil Remedies for Torture Committed Abroad: An Obligation Under the Convention Against Torture?, in: Scott (Hrsg.), Torture as Tort, S. 537, 545. 252 Ebd., S. 546. 253 Ebd. 254 Murphy, Civil Liability for the Commission of International Crimes as an Alternative to Criminal Prosecution, 12 Harv. Hum. Rts. J. 1, 36 (1999); Haffke, The Torture Protection Act: More Symbol Than Substance, 43 Emory L.J. 1468, 1494 (1991). 251
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Zu betonen ist, dass sich eine anderweitige Auslegung der Folterkonvention insbesondere nicht aus dem dritten Urteil des House of Lords im Fall Pinochet ergibt.256 Zwar begründete die Mehrheitsmeinung des Gerichts die partielle Immunitätsverweigerung für Pinochet über die Folterkonvention. Konkret berief sich das Gericht auf einen Normenkonflikt zwischen Art. 5 und 7 der Folterkonvention und dem Immunitätsrecht. Art. 5 und 7 der Folterkonvention nämlich auferlegten den Vertragsstaaten die Pflicht, Verstöße gegen die Folterkonvention strafrechtlich zu sanktionieren. Hieraus ergebe sich zwangsläufig ein Konflikt zur funktionellen Immunität von Hoheitsträgern. Folter nämlich liege definitionsgemäß nur bei amtlichem Handeln vor. Letzteres aber sei gerade von der funktionellen Immunität umfasst. Dieser Konflikt sei dahingehend zu lösen, dass Hoheitsträger von Vertragsstaaten in anderen Vertragsstaaten hinsichtlich von Foltervorwürfen nicht immun seien. Von dem Zeitpunkt an, in dem die Folterkonvention für Chile und Großbritannien in Kraft gewesen sei, sei Pinochet daher die Immunität zu verweigern.257 Diese Entscheidung des House of Lords kann jedoch nicht auf den zivilrechtlichen Bereich übertragen werden. Sie stützt sich wesentlich darauf, dass die Verfolgungsverpflichtungen aus Art. 5 und Art. 7 der Folterkonvention mit einem Immunitätsanspruch nicht vereinbar wären. Die Entscheidung lässt jedoch nicht erkennen, dass eine ähnliche Verfolgungsverpflichtung mit ähnlichen Konsequenzen für das Immunitätsrecht auch im Hinblick auf zivilrechtliche Verfahren bestünde. Im Übrigen weist Lord Hutton ausdrücklich darauf hin, dass die Immunität in strafrechtlichen Verfahren von jener in zivilrechtlichen Verfahren zu trennen sei.258
255 TVPA of 1989, Hearing before the Subcommittee on Immigration and Refugee Affairs of the Senate Committee on the Judiciary, 101st Congress, 2d Sess. (1990), S. 31. 256 Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999). 257 Siehe hierzu ebd. Lord Brown Willkinson, S. 594, Lord Hope, S. 623; Lord Hutton, S. 638; Lord Saville, S. 642. 258 Ebd., S. 640: „[I] consider that under international law Chile is responsible for acts of torture carried out by Senator Pinochet, but could claim state immunity if sued for damages for such acts in a court in the United Kingdom. Senator Pinochet could also claim immunity if sued in civil proceedings for damages under the principle in Jaffe v. Miller. But I am of the opinion that there is no inconsistency between Chile and Senator Pinochet’s entitlement to claim immunity if sued in civil proceedings for damages and Senator Pinochet’s lack of entitlement to claim immunity in criminal proceedings for torture brought against him personally.“ Auch die Lords Millet (ebd., S. 647, 651) und Phillips (ebd., S. 658) sprechen sich gegen eine Übertragung ihrer Stellungnahmen auf den zivilrechtlichen Bereich aus. Diese Ausführungen besitzen vorliegend jedoch keine unmittelbare Bedeutung, da Millet und Phillips auf Grundlage des Völkergewohnheitsrechts und nicht auf Grundlage der Folterkonvention argumentieren.
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(2) Völkergewohnheitsrecht Da mithin das Völkervertragsrecht im Hinblick auf zivilrechtliche Verfahren keine Immunitätsausnahme für Menschenrechtsverletzungen vorsieht, ist zu untersuchen, ob dem Völkergewohnheitsrecht entsprechende Regeln zu entnehmen sind. Traditionellerweise war dies nicht so. Es könnte freilich zwischenzeitlich eine neue Norm des Völkergewohnheitsrechts entstanden sein, die eine entsprechende Immunitätsausnahme vorsieht. Voraussetzung hierfür ist, dass eine entsprechende internationale Übung existiert und diese von der Rechtsüberzeugung getragen ist, dass ein entsprechendes Verhalten im Verhältnis zwischen den Völkern rechtens ist oder zumindest rechtens sein sollte (opinio iuris sive necessitatis).259 Bei der Suche nach einer entsprechenden Staatenpraxis sind die hier interessierenden Erscheinungsformen der staatlichen Immunität (Staatenimmunität, personelle Immunität amtierender Staatoberhäupter und funktionelle Immunität) gesondert zu untersuchen. Staatenpraxis hinsichtlich einer Form der Immunität kann nicht als Staatenpraxis hinsichtlich einer anderen Form der Immunität gewertet werden. Die Staatenpraxis nämlich unterschied bislang klar zwischen den einzelnen Erscheinungsformen der Immunität und will die jeweilige Rechtspraxis nicht auf den jeweils anderen Bereich erstreckt sehen.260 Diese Trennung hat ihren Hintergrund in der unterschied259 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. U.S.A.), Merits, ICJ Rep. 1986, S. 98 f.; Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 12, 14. 260 Vgl. die Aussage des britischen Court of Appeal in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 23: „There are important distinctions between the considerations governing (a) a claim of immunity by a state in respect of itself and its serving head of state and diplomats and (b) a state’s claim for immunity in respect of its ordinary officials or agents generally (including former heads of state and former diplomats).“ Siehe auch die Differenzierung zwischen ehemaligen und amtierenden Staatoberhäuptern in den Entscheidungen des House of Lords, vgl. hierzu die Darstellung in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 113 ff. (erste Entscheidung) und Rn. 117 ff. (dritte Entscheidung). Vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 21.11.2001 in Al Adsani v. United Kingdom, Rn. 65, abgedruckt in EuGRZ 2002, 403 ff.: „[T]hat case [Pinochet III] concerned the immunity ratione materiae form criminal jurisdiction of a former head of State [. . .]. As the judgments in the case made clear, the conclusion of the House of Lords did not in any way affect the immunity ratione personae of foreign sovereign States form the civil jurisdiction [. . .].“ Insoweit wird freilich nicht ganz klar, ob der Schwerpunkt in den Unterschieden zwischen zivilrechtlichem und strafrechtlichem Verfahren oder zwischen Staatenimmunität und funktioneller Immunität des ehemaligen Staatsoberhauptes liegt. Gleiches gilt für die Ausführungen der Lords Nichols und Phillips in den PinochetEntscheidungen des House of Lords. Siehe Regina and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others ex Parte Pinochet (Pinochet I), per Lord Nichols, 37 I.L.M. 1302, 1331 (1998): „These decisions [Al-Adsani v. Government of Kuwait
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lichen Konzeption der einzelnen Erscheinungsformen der Immunität. Die Immunität des Staates sowie jene des Staatsoberhauptes sind als personelle Immunität ausgestaltet. Sie sind in der Person des Beklagten begründet und umfassen grundsätzlich jedes Verhalten. Je nach der betroffenen Person (Staat oder Staatsoberhaupt) variieren die einschlägigen Rechtsgrundsätze, was innerhalb des Rechts der personellen Immunität eine weitere Differenzierung erforderlich macht. Die Immunität ehemaliger Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister sowie sonstiger amtierender und ehemaliger Hoheitsträger hingegen ist eine funktionelle Immunität. Sie ist in der Natur des streitgegenständlichen Verhaltens begründet und greift nur hinsichtlich hoheitlichen Handelns.261 (a) Der AEDPA und die Staatenimmunität Fraglich ist, ob im Bereich der Staatenimmunität eine Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen existiert. Zwar wird ein derart weitgehender Ansatz im Rahmen der HRL nicht vertreten. Der AEDPA begründet eine Immunitätsausnahme lediglich bei bestimmten Menschenrechtsverletzungen, namentlich Folter und außergerichtlicher Tötung. Versuche, in den FSIA davon losgelöst eine umfassende Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen hineinzulesen, waren bislang erfolglos. Verwiesen sei insoweit auf die Fälle Siderman de Blake v. Republic of Argentina262 und Princz v. Federal Republic of Germany263, in denen sich die Gerichte mit einer entsprechenden Möglichkeit auseinandersetzten. Für die Völkerrechtsmäßigkeit der HRL ist die Frage nach einer Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen gleichwohl insofern relevant, als von einer solchen Ausnahme jedenfalls auch die Regelung des AEDPA gedeckt wäre. Im Hinblick auf Staatenpraxis betreffend eine menschenrechtsspezifische Ausnahme vom Recht der Staatenimmunität ist zunächst auf den Fall Al-Adund Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Corporation] are not relevant in the present case, which does not concern civil proceedings against the state.“ Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999), per Lord Millet, S. 651: „I see nothing illogical or contrary to public policy in denying the victims of state sponsored torture the right to sue the offending state in a foreign court while at the same time permitting (and indeed requiring) other states to convict and punish the individuals responsible if the offending state declines to take action.“ 261 Jones v. Saudi Arabia, ebd. Die personelle Immunität des Staates nähert sich freilich im Ergebnis einer funktionellen Immunität an, da von ihr zwischenzeitlich nicht-hoheitliches Handeln, acta iure gestionis, ausgenommen wurde. 262 965 F.2d 699 (9th Cir. 1992). 263 26 F. 3d 1166, 1181 (D.C. Cir 1994).
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sani v. Kuwait zu verweisen264. Dort ging es um eine zivilrechtliche Klage gegen den Staat Kuwait, dem Folter vorgeworfen wurde. In einem Verfahren über die Zulässigkeit der Klagezustellung an den Staat Kuwait entschied der englische Court of Appeal zunächst, dass der Staat Kuwait vorliegend nicht in den Schutz der Staatenimmunität komme. Zweck des einschlägigen britischen Immunitätsgesetzes, des State Immunity Act, sei es gewesen, das britische Immunitätsrecht in Einklang mit dem Völkerrecht zu bringen. Vor diesem Hintergrund müsse der State Immunity Act, der grundsätzlich ausländischen Staaten Immunität gewähre, im Einklang mit geltendem Völkerrecht ausgelegt werden. Letzteres enthalte ein vorbehaltloses Folterverbot. Zu diesem würde sich der State Immunity Act in Widerspruch setzen, gewährte er Immunität auch in Fällen, in denen ein Verstoß gegen das Folterverbot schlüssig dargelegt werde.265 Im eigentlichen Klageverfahren dann rückte der Court of Appeal jedoch von dieser Entscheidung ab. Das britische Immunitätsgesetz regle die Ausnahmen von der Immunität abschließend. Diese abschließende Regelung dürfe nicht durch Deduktion einer impliziten menschenrechtlichen Immunitätsausnahme unterwandert werden.266 In Jones v. Saudi Arabia267 bestätigte ein britischer Court of Appeal diesen Ansatz. Ferner ist die Entscheidung des griechischen Bezirksgerichts im Fall Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany von Relevanz.268 Das Gericht verurteilte die Bundesrepublik wegen eines Massakers der SS in dem griechischen Dorf Distomo im Jahre 1944 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 30.000.000 DM. Das Gericht argumentierte, eine Verletzung von ius cogens könne nicht als hoheitliches Handeln qualifiziert werden. Überdies stelle ein Verstoß gegen ius cogens einen impliziten Immunitätsverzicht dar.269 Der Präzedenzwert dieser Entscheidung ist im Hinblick auf die Existenz einer menschenrechtsbezogenen Immunitätsausnahme jedoch verhältnismäßig gering. Zum einen stützte das Gericht seine Entscheidung parallel auf eine Immunitätsausnahme für Inlandsdelikte.270 Außerdem lehnte das Oberste Sondergericht in Athen in seiner Entscheidung vom 17. September 2002 in einem Rechtsstreit wegen gleich gelagerter Ansprüche eine Immunitätsausnahme für den Bereich von schweren Menschenrechtsverletzungen ab.271 264
Al Adsani v. Government of Kuwait, 100 I.L.R. 465 (1995). Ebd., S. 470 f. 266 Al Adsani v. Government of Kuwait, 107 I.L.R. 536, 542 ff. (1997). 267 Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 13 ff. 268 Case No. 137/1997, siehe hierzu Bantekas, Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, 92 Am. J. Int’l L. 765 (1998). 269 Ebd., S. 766. 270 Vgl. De Sena/De Vittor, State Immunity and Human Rights: The Italian Supreme Court Decision on the Ferrini Case, 16 EJIL (No. 1) 89, 96 f. (2005). 265
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Ähnlich dem griechischen Bezirksgericht im Fall Distomo entschied der italienische Corte de Cassazione in Ferrini v. Federal Republic of Germany.272 Auch in diesem Fall ging es um eine Schadensersatzklage wegen Unrechtstaten, die deutsche Besatzungstruppen während des Zweiten Weltkriegs in Italien begangen hatten. Der Gerichtshof verwehrte in seiner Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland die Immunität. Er berief sich darauf, dass die Vorschriften zur Staatenimmunität so auszulegen seien, dass sich keine Wertungswidersprüche zu anderen Normen des internationalen Rechts ergeben.273 Höherrangigen Normen müsse deshalb Vorrang eingeräumt werden. Als höherrangig stufte das Gericht jene Normen ein, die ein internationales Verbrechen betreffen274 bzw. ius cogens275 darstellen. Das streitgegenständliche Verhalten der Bundesrepublik verletze Werte, die dem ius cogens zuzurechnen und deren Verletzung als internationale Verbrechen anzusehen seien. Die Immunität sei daher zu verweigern. Auch hinsichtlich des Ferrini-Urteils ist jedoch anzumerken, dass die Entscheidung parallel auf eine Immunitätsausnahme für Inlandsdelikte gestützt wurde. Zwar mag das Gewicht, welches das Gericht dieser Ausnahme einräumte, geringer gewesen sein, als dies im Distomo-Urteil des griechischen Bezirksgerichts der Fall war.276 Gleichwohl stützte sich der Corte de Cassazione wesentlich auf den Umstand, dass das streitgegenständliche Verhalten in Italien vorgefallen war. Er setzte sich namentlich mit eigener und ausländischer Rechtsprechung auseinander, die ausländischen Staaten Immunität gewährte, und erachtete diese als nicht entscheidungserheblich, da in ihr das jeweils streitgegenständliche Verhalten nicht im Forumstaat vorgefallen war.277 Als Staatenpraxis zu berücksichtigen ist daneben die Haltung der USA, wie sie im AEDPA zum Ausdruck kommt. Der AEDPA sollte indes als Beitrag zur Staatenpraxis nicht überbewertet werden. Zwar handelt es sich bei den USA zweifelsfrei um einen Staat, dessen Verhalten im internationalen Kontext großes Gewicht zukommt. Auch ist der Einschätzung des EGMR nicht zu folgen, wonach „the very fact that the amendment was needed would seem to confirm that the general rule of international law remain271
Zitiert in dem Urteil des BGH vom 26.6.2003 – III ZR 245/98, NJW 2003,
3488. 272 Urteil Nr. 5044 vom 6. November 2003, registriert am 11. März 2004, abgedruckt in 87 Rivista diritto internazionale 539 (2004). 273 De Sena/De Vittor, State Immunity and Human Rights: The Italian Supreme Court Decision on the Ferrini Case, 16 EJIL (No. 1) 89, 102 (2005). 274 Ebd., S. 98 f. 275 Ebd., S. 100 ff. 276 Ebd., S. 97. 277 Ebd., S. 94.
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ed that immunity attached even in respect of claims of official acts of torture“278. In Abwesenheit des AEDPA wäre die rechtliche Situation auch bei Bestehen einer völkerrechtlichen Immunitätsausnahme für Folterhandlungen eine andere gewesen. Der AEDPA nämlich greift aus diesem hypothetischen, immunitätsfreien Bereich nur einige eng umgrenzte Konstellationen heraus, in denen die USA den Immunitätsschutz verwehren. So wird die Reichweite des AEDPA namentlich auf die so genannten state sponsors of terrorism beschränkt. Die nur begrenzte Relevanz des AEDPA als Beitrag zur Fortentwicklung des Völkerrechts ergibt sich jedoch daraus, dass sein Erlass nicht von der Überzeugung getragen war, dass eine entsprechende Regelung völkerrechtlich geboten oder notwendig sei (vgl. oben bei Fn. 283 zum Erfordernis einer opinio iuris). Der AEDPA wurde vielmehr gerade losgelöst von völkerrechtlichen Erwägungen, aus sicherheitspolitischen Überlegungen der Terrorabwehr heraus, erlassen. Im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des AEDPA wies das US-Außenministerium ausdrücklich daraufhin, dass der AEDPA nach seiner Ansicht gegen etabliertes Völkerrecht verstoße, konnte mit diesem Einwand den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens jedoch nicht beeinflussen.279 Im Übrigen zeigt bereits der Inhalt des AEDPA, dass ihm sicherheitspolitische und nicht völkerrechtliche Erwägungen zugrunde lagen. Hätte der AEDPA seine Grundlage in der Überzeugung gehabt, die zivilrechtliche Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen sei gegenüber dem Recht der Staatenimmunität vorrangig, hätte die Immunitätsausnahme nicht auf Klagen von US-Bürgern gegen bestimmte Staaten beschränkt werden dürfen.280 Neben der angeführten Staatenpraxis, die im Bereich schwerer Menschenrechtsverletzungen die Staatenimmunität verweigert, darf nicht ver278 Al Adsani v. United Kingdom, Urteil vom 21.11.2001, Rn. 64, abgedruckt in EuGRZ 2002, 403 ff. 279 Hearing on S. 825 Before the Subcommittee on Courts and Administrative Practice of the Senate Committee on the Judiciary, 103rd Cong., 12 (1994), S. 14: „If we deviate from that practice and assert jurisdiction over foreign states for acts that are generally perceived by the international community as falling within the scope of immunity, this would tend to erode the credibility of the FSIA [. . .].“ 280 Vgl. De Sena/De Vittor, State Immunitiy and Human Rights: The Italian Supreme Court Decision on the Ferrini Case, 16 EJIL (No. 1) 89, 103 (2005). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass bei US-Gerichten die Ansicht verbreitet ist, wonach es sich bei der Immunität des ausländischen Staates nicht um ein nationales „Recht“ (erst recht nicht um ein solches des Völkerrechts) handle, sondern um ein Privileg, dessen Gewähr oder Verweigerung von Fall zu Fall im Belieben der Exekutive stehe. Siehe z. B. Flatow v. Islamic Republic of Iran, 999 F. Supp. 1, 21 (D.D.C. 1998): „Foreign sovereign immunity, both under common law and now under the FSIA, has always been a matter of grace and comity rather than a matter of right under United States law“. Vgl. auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 463.
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nachlässigt werden, dass parallel eine „konservative“ Tendenz in der internationalen Praxis existiert, die an der traditionellen Immunitätskonzeption festhält. So lehnte der BGH in einem Fall, der ähnlich wie die griechischen Distomo-Fälle gelagert war, die Argumentation des griechischen Bezirksgerichts zur Frage der Immunität als methodisch nicht überzeugend ab und stellte fest, dass eine Menschenrechtsausnahme zum Recht der Staatenimmunität jedenfalls noch nicht den Stand von Völkergewohnheitsrecht erlangt habe.281 Zu verweisen ist ferner auf die Entscheidung des Ontario Superior Court of Justice in Bouzari v. Islamic Republic of Iran.282 Im Fall war unter anderem der Iran wegen Folterhandlungen, die in dessen Auftrag im Iran vorgenommen worden waren, in Kanada verklagt worden. Das Gericht zeigte sich zwar der Idee gegenüber aufgeschlossen, dass sich eine völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme aus einer Norm ergeben könne, die gegenüber dem Recht der Staatenimmunität höherrangig sei. Hierzu zählte das Gericht die Normen des ius cogens. Ein Konflikt zur Staatenimmunität könne sich aber nur ergeben, wenn dem ius cogens neben dem Verbot der Folter auch eine Pflicht des Staates zu entnehmen sei, Verstöße eines anderen Staates gegen das Folterverbot zivilrechtlich zu ahnden. Das Gericht ging davon aus, dass derzeit lediglich das Verbot der Folter dem ius cogens zuzurechnen sei. Es erkannte hingegen keine internationale Übereinstimmung dahingehend, dass auch eine Pflicht zur zivilrechtlichen Ahndung von ausländischen Folterhandlungen bestehe, die dem ius cogens zuzurechen sei.283 Auch die internationalen Gerichte konnten sich bisher nicht dazu durchringen, von einer menschenrechtsbezogenen Immunitätsausnahme auszugehen. Der EGMR urteilte im Jahr 2001 im Fall Al-Adsani v. United Kingdom, dass eine entsprechende Ausnahme nicht bestehe, wobei freilich die Entscheidung des Gerichtshofes denkbar knapp, mit neun zu acht Stimmen, erging.284 Im Jahr 2002 entschied der EGMR im Fall Kalogeropoulu v. Greece and Germany, in dem er sich mit den griechischen Distomo-Urteilen befasste, dass eine ius cogens-Ausnahme von der völkerrechtlichen Staatenimmunität jedenfalls noch nicht bestehe.285 Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property aus dem Jahr 2004286 die The281
Urt. vom 26.6.2003 – III ZR 245/98, NJW 2003, 3488, 3489. 124 I.L.R. 427 (2003), bestätigt durch das Urteil des Court of Appeal for Ontario, Entscheidung vom 30.6.2004, einsehbar unter http://www.ontariocourts.on.ca/ decisions/2004/june/bouzariC38295.htm. 283 Ebd., S. 442 f. (Superior Court) bzw. Rn. 87 ff. (Court of Appeal). 284 Al Adsani v. United Kingdom, Urteil vom 21.11.2001, abgedruckt in EuGRZ 2002, 403 ff. 285 Kalogeropoulu v. Greece, Urteil vom 12.12.2002. 286 A/59/22. 282
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matik einer menschenrechtsbezogenen Immunitätsausnahme nicht behandelt, obgleich die International Law Commission, die Urheberin der Konvention ist, die Frage in früheren Berichten als neue Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts klassifiziert hatte.287 Dies indiziert, dass derzeit internationale Übereinstimmung bezüglich einer Immunitätsausnahme für den Bereich schwerer Menschenrechtsverletzungen nicht besteht. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Ausnahme vom Recht der Staatenimmunität im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen, die – wie die im Rahmen des AEDPA behandelten Verbote der Folter und der außergerichtlichen Tötung – dem Bereich des ius cogens angehören, in der Staatenpraxis zunehmend diskutiert wird. Die Beispiele aus der Staatenpraxis sind im Ergebnis jedoch nicht hinreichend, um insoweit bereits eine Ausnahme von der Staatenimmunität zu erkennen. Zwar ist im Einzelnen unklar, welche Verbreitung eine internationale Übung haben muss, bevor von der Existenz einer neuen Norm des Völkerrechts ausgegangen werden kann. Insofern ist in der Tat nicht die übereinstimmende Praxis aller Völkerrechtssubjekte erforderlich. Das Erfordernis einer internationalen Übung stellt vielmehr ein relatives Erfordernis dar. Es muss jedenfalls das Verhalten derjenigen Völkerrechtsubjekte übereinstimmen, deren Interessen von der Regel betroffen sind.288 Diese Voraussetzung ist indes nicht erfüllt. Soweit Staatenpraxis existiert, ist sie mehrheitlich von nur begrenztem Präzedenzwert. Im Übrigen steht ihr eine nicht unerhebliche gegenläufige Staatenpraxis gegenüber, die an den etablierten Immunitätskonzepten festhält. (b) Der AEDPA und die personelle Immunität amtierender ausländischer Staatsoberhäupter Der AEDPA wurde zumindest auf Ebene von Bezirksgerichten auf amtierende ausländische Staatsoberhäupter angewandt. Dieser Ansatz der USRechtsprechung lässt sich nicht über eine entsprechende Staatenpraxis völkergewohnheitsrechtlich legitimieren. Die USA sind soweit ersichtlich das einzige Land, welches amtierenden Staatsoberhäuptern in zivilrechtlichen Verfahren die Immunität verweigert. Nach der Rechtsprechung des IGH im so genannten Haftbefehlsfall steht dieser Ansatz im Widerspruch zu geltendem Völkergewohnheitsrecht. Zwar ging es im konkreten Fall um eine strafrechtliche Verfolgung, namentlich den belgischen Haftbefehl gegen den amtierenden kongolesischen Außenminister.289 Die Stellungnahme des Ge287
Siehe Bericht der ILC aus dem Jahr 1999, Working Group on Jurisdictional Immunities of States and Their Property, Appendix, einsehbar unter http://www.un. org/law/ilc/reports/1999/english/annex.htm. 288 Ipsen (Heintschel von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 11.
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richtshofs bezog sich jedoch auf den Bereich von Straf- und Zivilrecht gleichermaßen. So führte das Gericht aus: „The Court would observe at the outset that in international law it is firmly established that, as also diplomatic and consular agents, certain holders of high-ranking office in a State, such as the Head of State, Head of Government and Minister of Foreign Affairs, enjoy immunities, from jurisdiction in other States, both civil and criminal [Kursivierung hinzugefügt].“290 Das Gericht betonte, dass diese Grundregel auch dann gelte, wenn der fraglichen Person internationale Verbrechen vorzuwerfen seien. Es existiere keine internationale Staatenpraxis, die in dieser Konstellation eine Ausnahme vom Grundsatz der Staatenimmunität mache.291 Auch sei es nicht möglich, die Immunitätsausnahme die insoweit vor internationalen Strafgerichtshöfen bestünde, auf Verfahren vor nationalen Gerichten zu übertragen.292 (c) Die funktionelle Immunität Der Umstand, dass die Gerichte im Rahmen der HRL ehemaligen Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern sowie amtierenden und 289 Grundlage für den belgischen Haftbefehl war das belgische Loi relative à la répression des infractions graves du droit international humanitaire (Moniteur belge vom 23.3.1999) aus dem Jahr 1999. Das Gesetz ermöglicht die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die sich möglicherweise des Völkermordes, der Kriegsverbrechen oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar gemacht haben und verwehrt den Tätern eine Berufung auf die Immunität. In Art. 5 c des Gesetzes heißt es: L’immunité attachée à la qualité officielle d’une personne n’empêche pas l’application de la présente loi. Der belgische Cour de Cassation entschied am 12.2.2003 (und somit nach der IGH-Entscheidung im Haftbefehlsfall) in einem Verfahren gegen den amtierenden israelischen Regierungschef Ariel Scharon, dass mit Blick auf den Stand des Völkergewohnheitsrechts eine Strafverfolgung gegen amtierende Staatoberhäupter und Regierungschefs nicht möglich sei, Cour de Cassation, Section Française, 2 E Chambre, Numéro de rôle P.02.1139.F, einsehbar unter http://www.ulb.ac.be/droit/cdi/fichiers/arret-CC-sharon.pdf. 290 Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, Entscheidung vom 14.2.2002, ICJ Reports 2002, Rn. 51. 291 Vgl. z. B. die Ausführungen des House of Lords in Pinochet I und III, zusammenfassend dargestellt in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 113 ff. (erste Entscheidung) und Rn. 117 ff. (dritte Entscheidung). Die Lords wiesen sämtlich darauf hin, dass an der Immunität Pinochets keine Zweifel bestünden, befände sich dieser noch im Amt. Dies gelte unabhängig von der Natur der ihm vorgeworfenen Taten. Auch der französische Cour de Cassation lehnte in seiner Entscheidung vom 13.3.2001 im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Beteiligung an einem Terroranschlag ein Strafverfahren gegen Gaddafi, den Staatschef Libyens, unter Verweis auf dessen Immunität ab, 125 I.L.R. 490, 508 (2004). 292 Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, Entscheidung vom 14.2.2002, ICJ Reports 2002, Rn. 58.
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ehemaligen sonstigen Hoheitsträgern die Immunität verweigern, könnte einen Verstoß gegen die völkerrechtlichen Prinzipien zum funktionellen Immunitätsschutz darstellen. Bei der mit Blick auf eine völkergewohnheitsrechtliche Legitimierung der HRL mithin angezeigten Untersuchung der Staatenpraxis ist die funktionelle Immunität der ausländischen Hoheitsträger einheitlich zu beurteilen. Es ist nicht zwischen der Immunität ehemaliger Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister und jener sonstiger Hoheitsträger zu unterscheiden. Zwar ist die staatliche Souveränität bei einem Verfahren gegen ein ehemaliges Staatsoberhaupt womöglich stärker betroffen als bei einem Verfahren gegen einen einfachen Hoheitsträger. Die Staatenpraxis zum Recht der funktionellen Immunität bietet jedoch keine Ansatzpunkte, um diesen Umstand zu berücksichtigen. Sie knüpft in beiden Fällen lediglich an die streitgegenständliche Handlung an. Sofern letztere hoheitlicher Natur ist, soll Immunität gewährt werden. Für den hoheitlichen Charakter der Handlung soll es dabei keine Rolle spielen, ob ein ehemaliges Staatsoberhaupt oder ein sonstiger Hoheitsträger tätig wurde.293 Es ist mithin zu untersuchen, ob eine hinreichende Staatenpraxis nachgewiesen werden kann, die im Bereich von Menschenrechtsverletzungen den funktionellen Immunitätsschutz verweigert. Als Staatenpraxis fungiert insoweit zunächst die Position der USA im Rahmen der HRL.294 Daneben findet sich Staatenpraxis aus Großbritannien. Im Fall Jones v. Saudi-Arabia erklärte der britische Court of Appeal, dass die saudischen Beklagten für die Folterhandlungen, die ihnen vorgeworfen wurden, nicht in den Schutz der Immunität kämen. Grundlage für die Entscheidung des Gerichts war die Annahme, dass ein Verhalten, wie das der Folter, welches völkerrechtlich uneingeschränkt verdammt sei, nicht als hoheitliches Handeln eingestuft 293 Siehe z. B. das House of Lords (per Lord Browne-Wilkinson) in Pinochet III, 38 I.L.M. 581, 594 (1999), das von einem Gleichlauf der funktionellen Immunität ausging, unabhängig davon, ob es sich um ein ehemaliges Staatsoberhaupt oder einen einfachen Funktionsträger handelt. Ebenso der britische Court of Appeal in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139. 294 Auch in diesem Zusammenhang sollte die Praxis der USA hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts nicht überschätzt werden. Die entsprechende Praxis der USA ist auch insoweit (vgl. bereits oben bei Fn. 280) nicht von von einer opinio iuris gedeckt, wie sie für die Begründung einer neuen Norm des Völkergewohnheitsrechts erforderlich wäre. Oft wird die Immunität einfacher Hoheitsträger schlicht unter Verweis auf Grundsätze des nationalen Rechts zur Haftung staatlicher Akteure verweigert. So wird zum Beispiel in Chuidian v. Philippine National Bank der immunitätsrechtliche Ansatz allein über Präzedenzfälle des nationalen Rechts begründet, Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095, 1106 (9th Cir. 1990). In Lyders v. Lund (siehe oben 1.) wandte das Gericht zur Beurteilung der Reichweite des Immunitätsschutzes die Maßstäbe der Rechtsprechung zum 11. Zusatzartikel zur Verfassung (11. Amendment) an, Lyders v. Lund, 32 F.2d 308 (N.D. Cal. 1929).
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werden könne.295 In dieselbe Richtung geht zumindest im Ergebnis die Rechtsprechung des philippinischen Supreme Court.296 Dieser verwehrt unter Berufung auf Gerechtigkeitsgesichtspunkte dem individuellen Hoheitsträger die Immunität bereits bei jedem rechtswidrigem Handeln.297 Er müsste entsprechend bei einem internationalen Verbrechen erst recht zu einer Immunitätsverweigerung kommen. Sonstige Staatenpraxis existiert soweit ersichtlich lediglich hinsichtlich strafrechtlicher Verfahren. Zu verweisen ist insoweit zuvörderst auf das erste Pinochet-Urteil des House of Lords.298 Dort entschied das Gericht im Hinblick auf ein Strafverfahren gegen Pinochet, dass die Begehung einer schweren Völkerrechtsverletzung nicht als Staatsfunktion anzuerkennen sei und mithin nicht dem Schutz der funktionellen Immunität unterfalle. Der Präzedenzwert des Urteils sollte jedoch nicht überschätzt werden. Zum einen erging die Entscheidung mit lediglich drei zu zwei Stimmen. Hierbei vertraten fünf Richter vier verschiedene Ansichten. Zum anderen gab das House of Lords den dargestellten Ansatz in seiner dritten Pinochet-Entscheidung auf und stützte seine Immunitätsverweigerung mehrheitlich auf Völkervertragsrecht, namentlich auf die Verpflichtungen aus der Folterkonvention.299 Relevant ist insofern ferner die Entscheidung des niederländischen Gerechtshof im Fall Desi Bouterse.300 Das Gericht verweigerte dem ehemaligen Staatsoberhaupt des Staates Surinam die Immunität und begründete dies damit, dass internationale Verbrechen keine hoheitlichen Handlungen im Sinne des Immunitätsrechts seien. Ebenfalls im strafrechtlichen Bereich bewegte sich eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1998, die sich gleichfalls gegen Pinochet richtete. Es ging bei dem Beschluss des BGH um eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 13 a StPO. Nach diesem bestimmt der BGH das zuständige Gericht, wenn eine örtliche Zuständigkeit nach den §§ 7–11 der StPO nicht gegeben ist. Bei Gewährung der Immunität hätte bereits eine 295
Jones v. Saudi-Arabia, 2004 WL 23877139. So z. B. Sanders v. Veridiano, 162 S.C.R.A. 88 (1988); Shauf v. Court of Appeals, 191 S.C.R.A. 713 (1990); Wylie v. Rarang, 209 S.C.R.A. 357 (1992). 297 Shauf v. Court of Appeals, 191 S.C.R.A. 713 (1990): „The rule that a state may not be sued without its consent [. . .] is one of the generally accepted principles of international law that we have adopted as part of the law of our land [. . .]. It must be noted, however, that the rule is not so all-encompassing as to be applicable under all circumstances. It is a different matter where the public official is made to account in his capacity as such for acts contrary to law and injurious to the rights of plaintiff. [. . .] The rationale for this ruling is that the doctrinaire of state immunity cannot be used as an instrument for perpetrating an injustice.“ 298 Pinochet I, 37 I.L.M. 1302 (1998). 299 Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999), siehe oben (1). 300 Entscheidung vom 20. November 2000, Az.: R 97/163/12 Sv und R 97/176/ 12 Sv, einsehbar unter http://www.rechtspraak.nl/gerechtshof/amsterdam/. 296
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Entscheidung nach § 13 a StPO nicht ergehen dürfen, da die Immunität ein Verfahrenshindernis dargestellt hätte. Gleichwohl wurde dem Antrag nach § 13 a StPO stattgegeben und so die Immunität Pinochets zumindest infrage gestellt. In seiner Begründung führte der BGH aus: „Von der Zuständigkeitsbestimmung wäre nur dann abzusehen gewesen, wenn unbezweifelbar feststünde, dass Pinochet als ehemaliges Staatsoberhaupt [. . .] völkerrechtliche Immunität genießt [. . .]. So verhält es sich hier aber nicht. Vielmehr ist fraglich, ob sich seine völkerrechtliche Immunität auf die angezeigten Verfahren erstreckt.“301 Als weiteres Beispiel aus der deutschen Rechtspraxis fungiert der Mykonos-Prozess. Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf das Berliner Restauarant „Mykonos“ erließt der Ermittlungsrichter am BGH einen Haftbefehl gegen den iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian. Er sah sich hierbei nicht durch Erwägungen des Immunitätsrechts gehindert.302 Ein berühmtes strafrechtliches Verfahren gegen einen ehemaligen Hoheitsträger ist daneben das Eichmann-Urteil303 des israelischen Obersten Gerichtshofes. In der Entscheidung freilich wurden Immunitätsgesichtspunkte nicht angesprochen. Der „hoheitliche“ Charakter des angeklagten Verhaltens wurde über den Einwand thematisiert, es handle sich um nicht justiziable „acts of state“. Das Gericht lehnte eine entsprechende Qualifizierung des angeklagten Verhaltens unter Verweis auf Art. 7 des Statuts des Militärtribunals von Nürnberg304 ab.305 Weitere gleichfalls strafrechtliche Verfahren wurden in Frankreich306, Italien307, Spanien308, Argentinien und dem Senegal309 eingeleitet. 301 Beschlüsse des BGH vom 17.6.1998 und vom 18.11.1998, abgedruckt bei Ahlbrecht/Ambos, Der Fall Pinochet, S. 100. 302 Siehe AdG 1996, 40912. 303 Attorney General of the Government of Israel v. Adolf Eichmann, 36 I.L.R. 5 (1968). 304 Das Statut ist dem Londoner Abkommen über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achsenmächte als Anhang beigefügt. Das Abkommen ist abgedruckt in 39 Am. J. Int’l L. 257 (Suppl.) (1945). Art. 7 lautet: The official position of defendants, whether as head of state or responsible officials in Government Departments shall not be considered as freeing from responsibility or mitigating punishment. 305 Attorney General of the Government of Israel v. Adolf Eichmann, 36 I.L.R. 5, 311 f. (1968). 306 Verfahren gegen den Innenminister des Kongo wegen des Vorwurfs von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Folter. Die Republik Kongo reichte in Reaktion hierauf Klage beim IGH ein. Siehe hierzu die Pressemitteilung des IGH vom 9.12.2002, einsehbar unter http://www.icj-cij.org/icjwww/ipresscom/ipress2002/ ipresscom2002-37_xx_20021209.htm. Das Verfahren ist derzeit (Juni 2005) noch rechtshängig. 307 Siehe die Urteile des Römischen Militärgerichts gegen Erich Priebke und Karl Hass vom 22.7.1997, vgl. hierzu De Sena/De Vittor, State Immunity and Hu-
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Fraglich ist, ob die dargestellte strafrechtliche Praxis von Relevanz für die hier interessierende Immunität in zivilrechtlichen Verfahren ist oder ob es sich insoweit um zwei separate Kategorien handelt, wobei die jeweilige Staatenpraxis nur für die jeweilige Kategorie von Bedeutung ist. Die Position des EGMR ist insoweit unklar. In seiner Al Adsani-Entscheidung verneinte er die Relevanz der 3. Pinochet-Entscheidung für die Urteilsfindung, indem er ausführte: „[T]hat case [Pinochet III] concerned the immunity ratione materiae form criminal jurisdiction of a former head of State [. . .]. As the judgments in the case made clear, the conclusion of the House of Lords did not in any way affect the immunity ratione personae of foreign sovereign States from the civil jurisdiction [. . .].310 Es lässt sich insoweit nicht sagen, ob Grundlage für die Differenzierung der Umstand ist, dass das Pinochet-Urteil vor strafrechtlichem im Gegensatz zu zivilrechtlichem Hintergrund erging, oder ob entscheidend ist, dass der Fall Pinochet Fragen der funktionellen Immunität und nicht solche der personellen Immunität betraf. Ähnlich unklar hatten auch die Lords Nichols und Millet in der ersten bzw. dritten Pinochet-Entscheidung argumentiert. Beide stellten lediglich das zivilrechtliche Verfahren gegen den Staat und das strafrechtliche Verfahren gegen den individuellen Hoheitsträger gegenüber.311 Konkretere Aussagen man Rights: The Italian Supreme Court Decision on the Ferrini Case, 16 EJIL (No. 1) 89, 91, Fn. 7 (2005). 308 Der frühere argentinische Offizier Adolfo Scilingo muss sich vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid wegen Völkermords, Terrorismus und Folter verantworten, siehe hierzu: Argentinische Morde in Madrid vor Gericht, in: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 15./16.1.2005, S. 7. 309 Siehe hierzu Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, AVR 41 (2003), S. 201, 213. 310 Al Adsani v. United Kingdom, Urteil des EGMR vom 21.11.2001, Rn. 65, abgedruckt in EuGRZ 2002, 403 ff. 311 Pinochet I, per Lord Nichols, 37 I.L.M. 1302, 1331 (1998): „These decisions [Al-Adsani v. Government of Kuwait und Argentine Republic v. Amerada Hess Shipping Corporation] are not relevant in the present case, which does not concern civil proceedings against the state.“ Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999), per Lord Millet, S. 647: „The very official or governmental character of the acts which is necessary to found a claim to immunity ratione materiae, and which still operates as a bar to the civil jurisdiction of national courts, was not to be the essential element which made the acts an international crime.“ Siehe auch S. 651: „I see nothing illogical or contrary to public policy in denying the victims of state sponsored torture the right to sue the offending state in a foreign court while at the same time permitting (and indeed requiring) other states to convict and punish the individuals responsible if the offending state declines to take action.“ Die Stellungnahme von Lord Millet erfolgte zwar im Rahmen der 3. Pinochet-Entscheidung, in der das Mehrheitsvotum auf Grundlage des Völkervertragsrechts argumentierte. Sie ist in vorliegendem Zusammenhang gleichwohl relevant, da Lord Millet entgegen dem Mehrheitsvotum auf Grundlage des Völkergewohnheitsrechts argumentierte.
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traf allein Lord Phillips. Er gab in der dritten Pinochet-Entscheidung zu erkennen, dass die Grundsätze zum strafrechtlichen Verfahren gegen den individuellen Hoheitsträger im Hinblick auf ein zivilrechtliches Verfahren gegen ebendiesen keine Bedeutung besäßen.312 Lord Phillips jedoch widerrief diese Einschätzung im Rahmen einer Entscheidung des britischen Court of Appeal im Fall Jones v. Saudi-Arabia. Dort führte das Gericht aus, dass der Standpunkt zur funktionellen Immunität hinsichtlich zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren ein einheitlicher sein müsse.313 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Es erscheint widersinnig, ein Verhalten für Belange des zivilrechtlichen Verfahrens als hoheitlich, für Belange des strafrechtlichen Verfahrens jedoch als nicht-hoheitlich einzuordnen.314 Bei Bejahung einer entsprechenden Differenzierung ergäbe sich das sinnwidrige Ergebnis, dass in einem Land, das zum Beispiel Vorwürfe der Folter strafrechtlich verfolgt, die Opfer der fraglichen Folterhandlungen den Täter zivilrechtlich nicht zur Verantwortung ziehen könnten. Die Absurdität einer derartigen Differenzierung zeigt sich besonders deutlich im Falle eines hypothetischen Adhäsionsverfahrens, welches nach erfolgter strafrechtlicher Verurteilung aus Gründen des Immunitätsschutzes scheitern müsste.315 Nichts anderes ergibt sich bei Betrachtung der Erwägungen, die dem Immunitätsrecht zugrunde liegen, namentlich der Achtung der souveränen Gleichheit des anderen Staates. Diese wird durch das zivilrechtliche Verfahren nicht stärker betroffen als durch das strafrechtliche.316 Ganz im Gegenteil erscheint die strafrechtliche Verurteilung als die weiterreichende Hoheitsausübung und somit zugleich als der weiterreichende Eingriff in die Souveränitätssphäre des ausländischen Staates. Sofern man überhaupt eine Differenzierung mit Blick auf die Ratio des Immunitätsrechts vollziehen wollte, erschiene es naheliegender, strengere Immunitätsvorschriften im Bereich der 312 Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999), per Lord Phillips, S. 653: „Principles of the law of immunity that apply in relation to civil litigation will not necessarily apply to a criminal prosecution. [. . .]. Were these civil proceedings in which damages were claimed in respect of acts committed by Senator Pinochet in the government of Chile, Chile could argue that it was itself indirectly impleaded. That argument does not run where the proceedings are criminal and where the issue is Senator Pinochet’s personal responsibility, not that of Chile.“ Wie schon die Stellungnahme von Lord Millet, erging auch jene von Lord Phillips auf Grundlage des Völkergewohnheitsrechts und ist mithin in vorliegendem Zusammenhang grundsätzlich zu berücksichtigen (siehe bereits die vorangegangene Fußnote). 313 Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139. Speziell die Ausführungen von Lord Phillips, der ein Sondervotum verfasste, finden sich bei Rn. 125. 314 Ebd., Rn. 127. Ebenso Bianchi, Immunity Versus Human Rights: The Pinochet Case, EJIL 1999, S. 237, 264. 315 Ebd., Rn. 79. 316 Ebd., Rn. 75.
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strafrechtlichen Verantwortlichkeit anzuwenden. Gegen einen Gleichlauf zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren spricht auch nicht das Argument, nationale Gerichte seien mit zivilrechtlichen Verfahren, sofern sie in großem Maßstab begangene völkerrechtliche Verbrechen beträfen, überfordert.317 Die praktische Durchführbarkeit eines Verfahrens kann kein Argument für dessen grundsätzliche Zulässigkeit sein. Schließlich steht auch das Argument, die Ermöglichung eines zivilrechtlichen Verfahrens führe im Ergebnis zu einer Umgehung der Staatenimmunität318, einem Gleichlauf von straf- und zivilrechtlichen Verfahren nicht entgegen. Zwar ist zuzugeben, dass eine Umgehung der Staatenimmunität im zivilrechtlichen Bereich anders als im strafrechtlichen Bereich möglich ist, da gegen den Staat als solchen ein zivilrechtliches Verfahren, nicht aber ein strafrechtliches Verfahren möglich ist. Bei genauerer Betrachtung ist die Gefahr einer Aushöhlung der Staatenimmunität in der vorliegend zu untersuchenden Konstellation jedoch als unerheblich einzustufen. Hinsichtlich der Auswirkungen einer Klage ist zwischen den immateriellen und den materiellen Auswirkungen zu unterscheiden. Die immateriellen Auswirkungen einer Klage für den ausländischen Staat liegen im Ansehensverlust. Diese Auswirkungen können für das Umgehungsargument nicht entscheidend sein. Sie nämlich drohen bei einem Strafverfahren in eben solchem bzw. in stärkerem Maße. Lägen sie der Umgehungsproblematik zugrunde, müsste diese neben dem zivilrechtlichen auch dem strafrechtlichen Verfahren entgegenstehen. Die materiellen Auswirkungen einer Klage gegen den Hoheitsträger sind mittelbarer Natur319. Sie liegen vornehmlich darin, dass der belangte Beamte womöglich nach den Vorschriften des nationalen Beamtenrechts von seinem Anstellungsstaat für die Belastungen, die aus der Klage resultieren, Regress fordern kann. Es erscheint indes unwahrscheinlich, dass entsprechende Regressmöglichkeiten auch im Fall von schweren Menschenrechtsverletzungen bestünden.320 Im Übrigen ist jedenfalls nach einem Regimewechsel davon auszugehen, dass 317
Rensmann, Internationale Verbrechen und Befreiung von staatlicher Gerichtsbarkeit, IPRax 1999, 268, 273. 318 So z. B. Lord Phillips in Pinochet III, 38 I.L.M. 581 (1999), S. 653: „Were these civil proceedings in which damages were claimed in respect of acts committed by Senator Pinochet in the government of Chile, Chile could argue that it was itself indirectly impleaded. That argument does not run where the proceedings are criminal and where the issue is Senator Pinochet’s personal responsibility, not that of Chile.“ Lord Phillips widerrief diesen Standpunkt allerdings in Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 125. Siehe hierzu auch das Vorbringen der Beklagtenseite in Jones v. Saudi Arabia, ebd., Rn. 72. 319 Unmittelbare Auswirkungen ergeben sich für den Staat nicht. Die Klage richtet sich gegen den einzelnen Hoheitsträger und nicht gegen den Staat. Eine Vollstreckung in das Vermögen des Staates ist aus einem Urteil gegen den Hoheitsträger nicht möglich, vgl. Jones v. Saudi Arabia, ebd., Rn. 77. 320 Ebd., Rn. 76.
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der fragliche Hoheitsträger eher versucht, in seinem Heimatstaat einer strafrechtlichen Verurteilung zu entgehen, als dort Regressansprüche geltend zu machen.321 Losgelöst vom Szenario einer Regressforderung ist nicht auszuschließen, dass ein Staat seinen Beamten freiwillig, unabhängig von diesbezüglichen rechtlichen Verpflichtungen, entschädigt. Es ist indes davon auszugehen, dass entsprechende Zuwendungen nur in wenigen Fällen erfolgen würden. Überdies ist anzunehmen, dass dahingehende Zahlungen regelmäßig informell erfolgen würden, da sich der Staat auf offizieller Ebene typischerweise von den völkerrechtlichen Verbrechen distanzieren würde.322 Insofern ist fraglich, ob bzw. in welchem Umfang eine derart informelle Zuwendung, die im Widerspruch zum offiziellen Auftreten des Staates steht, immunitätsrechtlich überhaupt Berücksichtigung finden kann. Bei wertender Betrachtung sind daher die materiellen Auswirkungen einer Klage auf den Anstellungsstaat jedenfalls im Bereich schwerer Menschenrechtsverletzungen als gering anzusehen. Sie allein sollten dem im Übrigen gebotenen Gleichlauf von strafrechtlicher und zivilrechtlicher Verantwortung nicht entgegenstehen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die internationale Praxis zu zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren als einheitliche Staatenpraxis zum Bereich der funktionellen Immunität zu betrachten ist. Vor diesem Hintergrund ist im Bereich der funktionellen Immunität eine verbreitete internationale Tendenz erkennbar, die bei schweren Menschenrechtsverletzungen von einer Immunitätsausnahme ausgeht. Es finden sich insoweit Entscheidungen aus allen Kontinenten. Gleichzeitig ist keine gegenläufige Bewegung ersichtlich. Von Seiten der internationalen Gerichtshöfe wird diese Einschätzung bislang weder bestätigt noch widerlegt. Die Entscheidungen des EGMR in den Fällen Al-Adsani und Kalogeropoulu betrafen die Staatenimmunität und somit einen Fall der personellen Immunität, welcher von der hier zu untersuchenden funktionellen Immunität konzeptionell zu unterschieden ist.323 Irrelevant ist auch die Entscheidung des Jugoslawien-Tribunals im Fall Prosecutor v. Anto Furundzija. Dort folgerte das Gericht aus dem ius cogens-Charakter der Folter unter anderem, dass im Falle eines Verstoßes potentielle Opfer Verfahren, inklusive zivilrechtliche Entschädigungsprozesse, in ausländischen Staaten einleiten könnten: „[T]he victim could bring civil suit for damage in a foreign court, which would therefore be asked inter alia to disregard the legal value of the national authorising act“.324 Das Gericht nimmt zur Frage der Immunität nicht 321
Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 348. Ebd. 323 Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 82. 324 Prosecutor v. Anto Furundzija, IT-95-17/1-T, Urteil vom 10.12.1998, Rn. 155, abgedruckt in 38 I.L.M. 317 (1999). 322
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ausdrücklich Stellung. Bezüge zum Immunitätsrecht ergeben sich jedoch zwangsläufig, da die Folter definitionsgemäß von Hoheitsträgern in hoheitlichem Zusammenhang begangen wird und diese wiederum hinsichtlich hoheitlichen Handelns grundsätzlich Immunitätsschutz genießen. Es erscheint gleichwohl verfehlt, in die zitierte Aussage des Tribunals ein Plädoyer für eine Immunitätsausnahme bei Folterhandlungen hineinzulesen. Der Kontext, in dem die Aussage steht, zeigt, dass es dem Gericht schwerpunktmäßig darum geht, dass das Folterverbot wegen seines ius cogens-Charakters entgegenstehendes Recht ausschaltet und somit als Legitimierungsgrundlage eliminiert.325 Auch das Urteil des IGH in Democratic Republic of the Congo v. Belgium326 liefert keine konkreten Hinweise zur funktionellen Immunität. Zwar geht der IGH in dicta auf die funktionelle Immunität ehemaliger Hoheitsträger ein. Er führt insoweit aus, dass ein ehemaliger Außenminister für Handlungen, die er während seiner Amtszeit als Privatperson begangen habe, nicht unter dem Schutz der Immunität stehe. Er gibt indes nicht zu erkennen, was eine private Handlung ist.327 Unterstützung erhält der hier vertretene Ansatz, wonach eine menschenrechtsbezogene Ausnahme von der funktionellen Immunität zumindest im Entstehen begriffen ist, jedoch durch das Sondervotum der Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal im Fall Democratic Republic of the Congo v. Belgium. Diese sahen sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass es zunehmend Ansichten in der Literatur gäbe, wonach internationale Verbrechen nicht als offizielles Verhalten anzusehen seien. Auch in der Staatenpraxis werde dieser Ansatz zunehmend aufgegriffen.328 Die Richter ließen diese Stellungnahmen im Folgenden jedoch unkommentiert. Im Ergebnis ist es vor dem Hintergrund der verbreiteten und zunehmenden internationalen Praxis, schwere Menschenrechtsverletzungen vom funktionellen Immunitätsschutz auszunehmen, schwer möglich, die entsprechende US-amerikanische Praxis als völkerrechtmäßig oder völkerrechtswidrig einzuordnen. Die HRL bewegt sich insoweit vielmehr in einer Grauzone zwischen einem Verstoß gegen das Völkerrecht und einem Beitrag zu dessen Modernisierung.
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So auch Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, Rn. 58. Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, ICJ Reports 2002, Rn. 61. 327 Ebd., siehe hierzu auch Weiß, Völkerstrafrecht zwischen Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, S. 696, 702. 328 Ebd., Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, Rn. 85. 326
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(3) Deduktion aus etabliertem Völkerrecht Möglicherweise kann eine Immunitätsausnahme für Menschenrechtsverletzungen unabhängig vom Bestehen einer spezifischen dahingehenden Staatenpraxis aus dem etablierten Völkerrecht deduziert werden. Anknüpfungspunkt könnte insoweit das Konzept des konkludenten Immunitätsverzichts sein.329 Es handelt sich hierbei um ein Prinzip des Immunitätsrechts, das dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen ist.330 Die Konstruktion einer Immunitätsausnahme in Form eines Immunitätsverzichts scheitert indes daran, dass von einem konkludenten Immunitätsverzicht nur ausgegangen werden kann, wenn das entsprechende Verhalten auf den Willen des Staates zum Verzicht auf die Immunität schließen lässt. Allein die Begehung einer bestimmten Tat liefert jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Staat auf den Immunitätsschutz verzichten will.331 Losgelöst von spezifischen völkerrechtlichen Rechtsquellen könnte eine Immunitätsausnahme für schwere Menschenrechtsverletzungen im Wege der Auslegung aus den völkerrechtlichen Grundprinzipien abgeleitet werden.332 Es handelt sich hierbei um Prinzipien, auf denen das Völkerrecht als in sich geschlossene Rechtsordnung aufbaut.333 Hierzu gehört unter anderem das Konzept des ius cogens334. Aus ihm folgt die verschiedene Wertigkeit unterschiedlicher Normen des Völkerrechts. Normen des ius cogens nämlich sind gegenüber einfachen Normen des Völkergewohnheitsrechts höherrangig (vgl. Art. 53, 64 WVRK). Vor diesem Hintergrund wird zum Teil argumentiert, dass die Grundsätze der Immunität, welche lediglich einfaches Völkergewohnheitsrecht darstellten, im Konfliktfalle gegenüber Normen des ius cogens zurücktreten müssten und folglich im Bereich schwerer Menschenrechtsverletzungen die Immunität zu verweigern sei.335 Dieser Ansatz ist indes abzulehnen. Zwar überzeugt das Konzept einer Derogation ein329 So z. B. das griechische Bezirksgericht im Fall Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Case No. 137/1997, siehe hierzu Bantekas, Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, 92 Am. J. Int’l L. 765 (1998). Siehe auch Pepper, Iraq’s Crimes of State Against Individuals, and Sovereign Immunity, 18 Brook. J. Int’l L. 313, 369 (1992). 330 Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, S. 190, m. w. N.; vgl. auch die entsprechende Regelung des FSIA (28 U.S.C. § 1605 (a) (1)). 331 Ebd., S. 191; Reimann, A Human Rights Exception to Sovereign Immunity: Some Thoughts on Princz v. Federal Republic of Germany, 16 Mich. J. Int’l L. 403, 409 (1995); Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 357 f. 332 Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 35; Tomuschat, The International Community, 241 RdC (1993-IV), 115; Ruffert, Pinochet Follow Up: The End of Sovereign Immunity?, 48 NLR 2001, 171, 186. 333 Heß, ebd., S. 38. 334 Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 315, 330 ff.
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fachen Völkergewohnheitsrechts durch Völkergewohnheitsrecht mit ius cogens-Charakter. Es führt jedoch in der vorliegenden Konstellation nicht zu einer Immunitätsausnahme. Eine Derogation des Immunitätsrechts kann nur eintreten, wenn dieses in Konflikt zu Vorschriften des ius cogens steht. Ein solcher Konflikt besteht jedoch nicht. Grund hierfür ist, dass lediglich das Verbot bestimmter schwerer Menschenrechtsverletzungen dem ius cogens angehört. Allein aus diesem Verbot jedoch ergibt sich kein Konflikt zum Immunitätsrecht. Ein solcher Konflikt entsteht erst in dem Moment, in dem auch die Pflicht zur Verfolgung der entsprechenden Menschenrechtsverletzungen dem ius cogens zuzuordnen ist.336 Hierfür bestehen derzeit jedoch jedenfalls im Hinblick auf zivilrechtliche Verfahren keine Anhaltspunkte.337 Entsprechend kann allein im Wege der Deduktion eine Ausnahme vom völkerrechtlichen Immunitätsschutz nicht begründet werden. Dies gilt für alle Bereiche der Immunität gleichermaßen, das heißt für die Immunität des Staates, für die Immunität amtierender Hoheitsträger sowie für die funktioneller Immunität ehemalige Staatoberhäupter und einfacher Hoheitsträger; in allen drei Bereichen nämlich scheitert die Deduktion einer Immunitätsausnahme am bislang fehlenden ius cogens-Charakter einer zivilrechtlichen Verfolgungspflicht. Im Zusammenhang mit der Ableitung einer Immunitätsausnahme aus dem ius cogens-Prinzip steht das Konzept der Verwirkung des Immunitätsschutzes. Das Prinzip der Verwirkung ist dem Bereich der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. c des IGH-Statuts zuzuordnen.338 In seinem herkömmlichen Sinne besagt es, dass ein Staat sich auf ein bestimmtes Recht nicht mehr berufen kann, wenn er dies lange Zeit 335 Reimann, A Human Rights Exception to Sovereign Immunity: Some Thoughts on Princz v. Federal Republic of Germany, 16 Mich. J. Int’l L. 403 (1995). Vgl. auch die Argumentation von Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 343 f. Sie vertritt, dass auch die Staatenimmunität letztlich auf den Grundsatz der staatlichen Souveränität zurückzuführen sei, welcher gleichfalls dem ius cogens zugehöre. In einem Kernbereich seien daher auch die Prinzipien der Staatenimmunität dem ius cogens zuzurechnen. Es müsse im konkreten Fall im Wege der Güterabwägung ein Konflikt zwingender Rechtsgüter gelöst werden. 336 Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 158 ff; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, AVR 41 (2003), S. 201, 214 f.; Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, S. 194 ff.; vgl. auch Ruffert, Pinochet Follow Up: The End of Sovereign Immunity?, 48 NLR 2001, 171, 186 sowie die Entscheidung des Ontario Superior Court of Justice in Bouzari v. Islamic Republic of Iran, 124 I.L.R. 427, 440 (2003), bestätigt durch das Urteil des Court of Appeal for Ontario, Rn. 73 ff., Entscheidung vom 30.6.2004, einsehbar unter http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bou zariC38295.htm. 337 Cremer, ebd.; Dörr, ebd., Bröhmer, ebd.
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nicht getan hat und so bei einem anderen Staat das schutzwürdige Vertrauen erweckte, er würde sich auf das fragliche Recht nicht mehr berufen.339 In dieser Auslegung bewirkt allein der Verstoß gegen die Menschenrechte keine Verwirkung des Immunitätsanspruchs, da hierdurch im Hinblick auf die Geltendmachung des Immunitätsanspruchs bei dritten Staaten kein schutzwürdiges Vertrauen geweckt wird. Daneben wird das Prinzip der Verwirkung jedoch dahingehend gebraucht, dass ein Staat, der gegen ius cogens verstoße, im Hinblick auf diesen Verstoß keine Rechtsposition geltend machen könne.340 Dieser Ansatz kann jedoch bei rein deduktiver Völkerrechtsanalyse nicht überzeugen.341 Er überdehnt die Reichweite des ius cogens-Konzeptes. Dieses nämlich bewirkt nach derzeitigem Verständnis lediglich, dass eine Abweichung von der ius cogens-Norm nicht möglich und eine ihr widersprechende völkerrechtliche Norm oder Handlung nichtig ist (vgl. Art. 53 WVRK). Zum Teil wird daneben bereits vertreten, dass eine ius cogens-Verletzung kein hoheitliches Handeln darstellt.342 Eine darüber hinaus gehende generelle „Fernwirkung“ des ius cogens-Konzeptes dahingehend, dass im Zusammenhang mit ius cogens-Verletzungen völkerrechtliche Rechtspositionen nicht geltend gemacht werden können, existiert bislang nur in der Literatur und lässt sich aus dem etablierten Völkerrecht nicht ableiten.
338 Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 155 ff. 339 Neumann, Das Rechtsmißbrauchsverbot im heutigen Völkerrecht, S. 101. 340 Kokott, Mißbrauch und Verwirkung von Souveränitätsrechten bei gravierenden Völkerrechtsverstößen, in: FS Bernhardt, S. 135, 149. Ähnlich auch Doehring, Zum Rechtsinstitut der Verwirkung im Völkerrecht, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 51 ff. 341 Dies ergibt sich jedoch noch nicht daraus, dass es sich bei dem Konzept der Verwirkung um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, welcher grundsätzlich gegenüber dem Völkervertragsrecht und dem Völkergewohnheitsrecht subsidiär ist und folglich die dort enthaltenen Regelungen nicht derogieren kann (so aber Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, AVR 41 (2003), S. 137, 155 ff.). Bestimmte allgemeine Grundsätze des Völkerrechts nämlich können sinnvoll nur im Zusammenspiel mit anderen Quellen des Völkerrechts angewendet werden (Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 609). Dies gilt auch für das Prinzip der Verwirkung, da es hierbei gerade darum geht, dass eine bestimmte anderweitig gewährte Rechtsposition nicht mehr geltend gemacht werden kann. Könnte sich das Prinzip der Verwirkung wegen seiner grundsätzlichen Subsidiarität nicht auf völkervertrags- oder völkergewohnheitsrechtliche Rechtspositionen auswirken, wäre es weitestgehend bedeutungslos. 342 Siehe oben (2) (c).
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b) Immunitätsverweigerung als Repressalie Soweit eine Immunitätsausnahme für den Bereich von Menschenrechtsverletzungen abzulehnen ist, könnte die Verweigerung der Immunität als völkerrechtlich gerechtfertigte Repressalie verstanden werden.343 Eine Repressalie ist ein grundsätzlich völkerrechtswidriger Akt, der gerechtfertigt ist, weil er einen vorangegangenen Völkerrechtsbruch eines anderen Staates beantwortet.344 Die Repressalie wirkt nur dann rechtfertigend, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss Ziel der Repressalie sein, eine Beendigung der Völkerrechtsverletzung herbeizuführen, zweitens muss die Repressalie zuvor angekündigt werden und drittens muss sie in einem angemessenen Verhältnis zum vorangegangenen Völkerrechtsverstoß stehen.345 Ob eine vierte Voraussetzung dahingehend besteht, dass nur der Staat, der durch den Völkerrechtsverstoß unmittelbar verletzt wurde, berechtigt ist, eine Repressalie zu ergreifen, ist umstritten.346 Fraglich ist, ob diese Voraussetzungen im Rahmen der HRL erfüllt sind. Generell ist zu betonen, dass eine Rechtfertigung über das Institut der Repressalie nur in Betracht kommt, wenn dem Beklagten im Rahmen der HRL ein Völkerrechtsverstoß tatsächlich nachgewiesen wird. Nur dann liegt der Völkerrechtsverstoß des anderen Staates vor, der Grundvoraussetzung für eine Repressalie ist. Die bloße schlüssige Geltendmachung eines solchen Verstoßes genügt für eine Rechtfertigung im Repressalienwege nicht. Daraus folgt, dass für den Fall, dass dem Beklagten ein Völkerrechtsverstoß im Ergebnis nicht nachweisbar ist, eine Rechtfertigung über das Institut der Repressalie ausscheidet. Sofern die Klage unabhängig vom Vorliegen eines Völkerrechtsverstoßes abgewiesen wird (und die Abweisung ihren Grund 343 Vgl. Bothe, Die strafrechtliche Immunität fremder Staatsorgane, ZaöRV 31 (1971), S. 246, 259 f. 344 Ipsen (Fischer), Völkerrecht, 15. Kapitel, § 59, Rn. 45. 345 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343. 346 Eine unmittelbare Verletzung des Staates liegt vor, wenn seine Staatsangehörigen Opfer der Menschenrechtsverletzung sind. Eine mittelbare Verletzung des Staates ist anzunehmen, wenn es sich bei der verletzten Norm um eine obligatio erga omnes handelt. Eine obligatio erga omnes ist eine Norm des Völkerrechts, die so bedeutsam ist, dass an ihrer Einhaltung neben dem unmittelbar betroffenen Staat die gesamte völkerrechtliche Gemeinschaft bzw. jeder andere Staat ein Interesse hat (Ipsen (Heintschel von Heinegg), Völkerrecht, 3. Kapitel, § 15, Rn. 55). Zum Kreis der Verpflichtungen erga omnes gehören unter anderem die hier zu untersuchenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen (Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 324). Völkerrechtlich ungeklärt ist, ob sich kraft dieses „Interesses“ bzw. dieser mittelbaren Verletzungen für den Drittstaat das Recht zur Ergreifung einer Repressalie ergibt, siehe hierzu Frowein, Die Verpflichtung erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzbarkeit, in: FS Mosler, S. 241 ff. und Tomuschat, Die internationale Gemeinschaft, AVR 33 (1995), S. 1, 14 ff. m. w. N.
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nicht gerade in der Immunität des Beklagten hat), hängt die Möglichkeit einer Rechtfertigung der durchgeführten Verfahrensschritte davon ab, dass von anderer Seite ein Völkerrechtsverstoß des Beklagten festgestellt wird.347 Es zeigt sich also, dass das Institut der Repressalie die Praxis der HRL nur punktuell, nicht jedoch generell rechtfertigen kann. Hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen einer Repressalie ist zwischen dem ATCA und dem TVPA auf der einen und dem AEDPA auf der anderen Seite zu unterscheiden. Im Rahmen der ATCA- und TVPA-Fälle ist bereits fraglich, ob eine Rechtfertigung überhaupt erforderlich ist, da hier lediglich die funktionelle Immunität von Hoheitsträgern betroffen ist und das Völkerrecht nach hier vertretener Ansicht insoweit derzeit im Fluss ist. Sofern man eine solche Rechtfertigung gleichwohl für erforderlich hält, ergeben sich in mehrfacher Hinsicht Probleme. So scheitert eine Berufung auf Repressalienrecht wohl bereits daran, dass es vorrangiges Ziel der Klagen ist, die Opfer materiell bzw. immateriell zu entschädigen. Die Erwägung, den Staat, der für die Völkerrechtsverletzung verantwortlich ist, zur Rechtstreue zu bewegen, steht im Hintergrund. Auch werden ATCA- und TVPAVerfahren typischerweise nicht im Vorfeld angedroht. Zusätzlich stellt sich mehrheitlich das Problem, inwiefern ein anderer als der unmittelbar betroffene Staat zur Ergreifung einer Repressalie befugt ist. Es sind nämlich ausschließlich (ATCA) bzw. vornehmlich (TVPA) Ausländer und nicht USBürger, die eine Völkerrechtsverletzung über den ATCA und den TVPA geltend machen. Anders stellt sich die Lage im Hinblick auf den AEDPA dar. Hier erscheint eine Rechtfertigung erforderlich, da die über den AEDPA vorgenommene Verweigerung personeller Immunitäten derzeit völkerrechtlich noch nicht gedeckt ist. Zugleich ist der AEDPA eher als ATCA und TVPA auf die Voraussetzungen einer Repressalie zugeschnitten. So ist es sein vorrangiges Ziel, die Staaten vermittelt über die Verurteilung zu Entschädigungszahlungen zukünftig von Völkerrechtsverletzungen abzuhalten.348 Der AEDPA ist ferner so ausgestaltet, dass das Erfordernis einer vorherigen Androhung der Repressalie regelmäßig erfüllt sein wird. Jedenfalls hinsichtlich von Verletzungshandlungen, die außerhalb der USA vorfielen, muss dem Staat nämlich zunächst die Möglichkeit gegeben werden, ein Schiedsgerichtsverfahren zu absolvieren.349 Es ist davon auszugehen, dass in diesem Zusammenhang eine AEDPA-Klage angedroht wird. Auch stellt sich in AEDPA-Fällen nicht das Problem, inwiefern Drittstaaten zur Ergreifung 347 Vgl hierzu Bröhmer, State Sovereignty and the Violations of Human Rights, S. 192 f. 348 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 1. f). 349 Ebd.
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einer Repressalie berechtigt sind. Da der AEDPA nur Klagen von US-Bürgern zulässt, handelt es sich bei den USA um den unmittelbar betroffenen Staat.350 Problematisch ist jedoch, ob die Immunitätsverweigerung in Reaktion auf eine Menschenrechtsverletzung eine verhältnismäßige Maßnahme darstellt. Hierbei sind der Zweck der Repressalie und der durch die Immunitätsverweigerung bewirkte Eingriff in die Rechte des anderen Staates gegeneinander abzuwägen.351 Die zu treffende Wertung hängt vom Einzelfall und den zu einem bestimmten Zeitpunkt international vorherrschenden Wertvorstellungen ab. Generalisierende Aussagen sind insoweit nicht möglich. Im Hinblick auf den letzteren Aspekt ist jedoch zu bemerken, dass neuere Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene indizieren, dass den Erwägungen des Immunitätsrechts jedenfalls im Bereich der personellen Immunitäten eine sehr große Bedeutung beigemessen wird.352 Im Ergebnis erscheint daher auch im Bereich des AEDPA die ohnehin nur punktuell mögliche Rechfertigung der HRL-Praxis über das Institut der Repressalie eher unwahrscheinlich.353 c) Ergebnis Die Immunitätspraxis der USA im Rahmen des AEDPA steht im Widerspruch zu geltendem Völkerrecht. Im Hinblick auf die Verfahren gegen ausländische Staaten ist allerdings nicht von einem schweren Völkerrechtsverstoß auszugehen, da insoweit zwischenzeitlich Bewegung in das Immunitätsrecht geraten ist354 und eine Ausnahme vom Immunitätsschutz zumindest hinsichtlich von Menschenrechtsverletzungen, die einen Verstoß gegen 350
Ebd. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 374. 352 Siehe oben a) (2) (a) und (b). Die fraglichen Entscheidungen betrafen zwar eine andere Frage, nämlich die nach einer Immunitätsausnahme im Bereich von Menschenrechtsverletzungen. Es erscheint indes möglich, die den Entscheidungen zugrunde liegenden Wertungen bei der Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Repressalie zu berücksichtigen. Es sei für Belange der vorliegenden Untersuchung dahingestellt, ob hinsichtlich einer AEDPA-gestützten Verweigerung funktioneller Immunitäten eine andere Wertung indiziert ist, da die praktische Bedeutung einer solchen Untersuchung als gering anzusehen ist. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Repressalie stellt sich in dieser Konstellation nur, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. 1. Das Gericht muss davon ausgehen, dass der FSIA und mit ihm der AEDPA auch auf ehemalige Staatsoberhäupter bzw. einfache Hoheitsträger anwendbar ist. 2. Es müsste davon auszugehen sein, dass die Verweigerung der funktionellen Immunität im Bereich von Menschenrechtsverletzungen völkerrechtswidrig ist, was nach hier vertretener Ansicht zweifelhaft ist. 3. Im konkreten Fall muss dem Staat die fragliche Verletzung des Völkerrechts nachweisbar sein. 353 Vgl. insoweit auch Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, S. 375 f. 354 Vgl. Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, AVR 41 (2003), S. 201. 351
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ius cogens darstellen, zunehmend befürwortet wird. Die Immunitätspraxis im Bereich der funktionellen Immunität kann weder als völkerrechtsmäßig noch als völkerrechtswidrig qualifiziert werden. Sie bewegt sich in einer Grauzone zwischen einem Verstoß gegen das Völkerrecht und einem Beitrag zu dessen Modernisierung.
II. Die extraterritorial orientierte Jurisdiktionsausübung Es ist fraglich, ob bzw. inwiefern die Möglichkeit des Staates, auch extraterritoriale Sachverhalte zu regeln, durch das Völkerrecht begrenzt wird. Mehrheitlich unterscheiden die internationale Praxis und Literatur insoweit die Rechtsprechungsgewalt (jurisdiction to adjudicate) und die Rechtsetzungsgewalt (jurisdiction to prescribe). Erstere betrifft die internationale Zuständigkeit der Gerichte, die Frage also, ob das nationale Gericht auch dann tätig werden darf, wenn ein Fall keine oder nur geringfügige Beziehungen zum Forumstaat aufweist. Die Rechtsetzungsgewalt betrifft die Kompetenz des Staates, Sachverhalte mit Auslandsbezug dem nationalen Recht zu unterwerfen. Erfasst ist die kollisionsrechtliche Beantwortung der Frage nach dem anwendbaren Recht ebenso wie die Frage nach der Möglichkeit einer extraterritorialen Ausrichtung des nationalen Gesetzes- oder Richterrechts.355 Neben der Rechtsprechungsgewalt ist auch die Rechtssetzungsgewalt für Belange der vorliegenden Untersuchung relevant, da im Rahmen der HRL nicht lediglich völkerrechtliche Normen, die ohnehin jedes Individuum berechtigen und verpflichten, innerstaatlich angewendet werden. Es ist vielmehr ein rechtschaffendes Element involviert. Dies zeigt sich besonders deutlich daran, dass Gesetzgeber (vgl. TVPA und CLA356) und Rechtsprechung (vgl. ATCA) die an sich undurchsetzbaren völkerrechtlichen Primärnormen um innerstaatliche Anspruchsgrundlagen ergänzen. Im Folgenden sei untersucht, inwiefern das Völkerrecht der extraterritorialen Juridiktionsausübung Grenzen setzt. Völkerrechtliche Verträge, die auf die HRL Anwendung fänden, existieren nicht. Die Haager Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung, die den Bereich der HRL zukünftig regeln könnte, befindet sich derzeit noch im Entwurfsstadium. Fraglich ist, ob sich aus dem Völkergewohnheitsrecht entsprechende Beschränkungen ergeben.
355 Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 Brit. YB. Int’l L. 145, 179 (1972/73). 356 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 2.
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1. Völkergewohnheitsrechtliche Grenzen zivilrechtlicher Jurisdiktionsgewalt Ausgangspunkt einer Untersuchung der völkergewohnheitsrechtlichen Situation in Bezug auf die Grenzen staatlicher Jurisdiktionsgewalt ist die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes im Fall Lotus.357 Im Fall ging es um die Folgen einer Schiffskollision zwischen dem französischen Dampfer Lotus und dem türkischen Dampfer Bos Kourt, in deren Folge unter anderem der türkische Dampfer gesunken war. Bei Ankunft der Lotus in der Türkei wurde der für die Kollision verantwortliche Offizier festgenommen und durch türkische Gerichte verurteilt. Frankreich legte hiergegen diplomatischen Protest ein. Es trug vor, die Ausübung der Jurisdiktionsgewalt durch die Türkei sei völkerrechtswidrig, da allein der Flaggenstaat, also Frankreich, zur Jurisdiktion über die Mannschaften seiner Schiffe befugt sei. Die Türkei dürfe nur dann die Jurisdiktionsgewalt ausüben, wenn sie über einen spezifischen Kompetenztitel verfüge.358 Der Gerichtshof lehnte diesen Ansatz ab. Die Ausübung der staatlichen Jurisdiktionsgewalt stünde nur in jenen Bereichen unter dem Vorbehalt des Nachweises eines Kompetenztitels, in denen das Völkerrecht der Jurisdiktionsausübung Grenzen setze. Solche Grenzen bestünden insbesondere insoweit, als ein Staat im Hoheitsgebiet eines anderen Staates keine Hoheitsakte vornehmen dürfe.359 Von diesem Bereich zu differenzieren sei die innerstaatliche Ausübung von Jurisdiktionsgewalt hinsichtlich extraterritorialer Sachverhalte. Der Gerichtshof führt insoweit aus: „[F]ar from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable.“360 Die Staaten besitzen demnach grundsätzlich die Freiheit, sowohl den Geltungsbereich ihrer Gesetze als auch den Kompetenzbereich ihrer Gerichte nach freiem Ermessen über die Grenzen ihres Territoriums hinaus zu erstrecken. Eine Grenze findet diese Freiheit lediglich in „certain prohibitive rules“. Der Gerichtshof gibt jedoch nicht zu erkennen, worin diese Regeln bestehen. Hervorzuheben ist, dass der Gerichtshof es ablehnt, allein aus dem Vorliegen eines Souveränitätskonflikts die Existenz einer prohibitive rule zu deduzieren. Er 357 Permanent Court of International Justice Publications, Judgments, Series A, Vol. 2, Nos. 9-16, 1927–1928, No. 9, The case of the S.S. „Lotus“ (1927). 358 Ebd., S.18. 359 Ebd. 360 Ebd., S. 19.
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
verlangt vielmehr den Nachweis einer entsprechenden Staatenpraxis.361 Es besteht mithin die Vermutung einer unbegrenzten staatlichen Regelungsfreiheit, die im Einzelfall durch den Nachweis spezifischer Regelungsverbote zu widerlegen ist.362 Das Urteil des StIGH wird zwischenzeitlich durch den Ansatz überlagert, wonach eine sinnvolle Beziehung, ein „genuine link“, zwischen Staat und Regelungsgegenstand bestehen müsse.363 Dieser Ansatz findet in der Staatengemeinschaft viel Zuspruch. Bislang mündete er jedoch lediglich im Bereich des Strafrechts in klaren Prinzipien. So darf der Staat im Ausland vorgefallene Taten nur verfolgen, wenn sich Täter oder Opfer im Besitz der nationalen Staatsangehörigkeit befinden (aktives bzw. passives Personalitätsprinzip), wenn die Tat wichtige Interessen des Staates zu beeinträchtigen droht (Schutzprinzip) oder wenn die Tat am ausländischen Tatort nicht geahndet wird (Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege).364 Die entsprechenden Vorgaben sind indes für die HRL nicht unmittelbar einschlägig. Zwar weist sie, insbesondere angesichts der regelmäßigen Verurteilung zu punitive damages Bezüge zum Strafrecht auf. Ihr Schwerpunkt liegt jedoch im Bereich des Zivilrechts. In dem für die HRL primär einschlägigen Bereich des Zivilrechts gehen die Ansichten hingegen stark auseinander. Es ist insoweit zwischen Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsgewalt zu unterscheiden.365 a) Rechtsprechungsgewalt Das Erfordernis eines „genuine link“ wird im Hinblick auf die Grenzen nationaler Rechtsprechungsgewalt vielfältig aufgegriffen, im Einzelnen jedoch unterschiedlich ausgelegt. Auf internationaler Ebene verlangt der Haager Konventionsentwurf zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung eine „substantial connection“ zwischen Fall und Forumstaat und sieht eine solche unter anderem in den Fällen von tag und doing business jurisdiction nicht gegeben.366 Die Konvention befindet sich jedoch noch im Entwurfsstadium; ihre Verabschiedung wurde nicht zuletzt wegen Meinungsverschie361
Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 369. Diese Vermutungslösung wurde sowohl in den Minderheitsvoten als auch in der Literatur teilweise heftig angegriffen, siehe hierzu Schwarzer, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, S. 17. 363 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 369. Zurückzuführen ist dieser Ansatz auf Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 111 RdC (1964 I), 1, 46. 364 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 6. 365 Anders Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, S. 323 f., wonach für Rechtsetzungs- und Rechtsprechungsgewalt einheitliche Grundsätze gelten sollen. 362
2. Kap.: Vereinbarkeit der Human Rights Litigation mit dem Völkerrecht 201
denheiten in Bezug auf den Kreis der zulässigen Gerichtsstände auf unbestimmte Zeit verschoben.367 Auf regionaler Ebene sehen EuGVÜ368 und die EuVVO369 vor dem Hintergrund eines genuine link-Erfordernisses unter anderem in der tag jurisdiction einen exorbitanten Gerichtsstand. Auf nationaler Ebene hingegen finden sich stark divergierende Ansätze. Zwar üben die Staaten ihre Gerichtsbarkeit mehrheitlich nur aus, sofern ein Bezug des Streitgegenstandes zum Forumstaat besteht. Hinsichtlich dessen, was einen hinreichenden Bezug zum Forumstaat darstellt, gehen die Ansichten jedoch stark auseinander. Es lässt sich kein Konsens dahingehend erkennen, dass bestimmte Anknüpfungspunkte unzureichend, andere jedoch zureichend wären. Die deutsche370 und die österreichische371 Rechtsprechung sowie weite Teile der internationalen Literatur folgern hieraus, dass mangels allgemeingültiger internationaler Normen jeder Staat selbst bestimmen könne, in welchem Umfang er die nationale Gerichtsbarkeit ausübe.372 Bestätigt wird dieser Ansatz dadurch, dass die Staaten im zivilrechtlichen Bereich gegen extraterritoriale Jurisdiktionsausübungen bislang regelmäßig nicht ins Feld führten, diese seien völkerrechtswidrig.373 Die Proteste beschränkten sich ihrem Inhalt nach vielmehr auf die Art und Weise der Jurisdiktionsausübung.374 Im Ergebnis ist daher das Erfordernis eines „genuine link“ ein bloßes theoretisches Postulat, welches mangels hinreichend konkreter inhaltlicher Ausgestaltung keine konkreten Grenzen für die staatliche Rechtsprechungsgewalt setzt.375
366 Siehe Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 e) und f) des Konventionsentwurfs, einsehbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/jdgm2001draft_e.pdf. 367 Siehe unten Teil III, 1. Kapitel, I. 1. 368 Art. 3 EuGVÜ (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, 774). 369 Art. 3 EuVVO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. EG 2001 L 12 S. 1 f. ). 370 BGHZ 30, 3. 371 Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in J. Bl. 1983, 541. 372 Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 Brit. YB. Int’l L. 145, 177 (1972/73); Henkin, International Law, Cases and Materials, S. 1047 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 186; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 16; von Bar, Internationales Privatrecht, Band 1, S. 133 ff., Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 383. 373 Vgl. Henkin, ebd., S. 1047 f. 374 von Bar, Internationales Privatrecht, Band 1, S. 133 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, S. 370. 375 Heß, ebd., S. 370.
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b) Rechtsetzungsgewalt Auch hinsichtlich der Grenzen der staatlichen Rechtsetzungsgewalt divergieren die Ansichten. Das BVerfG verlangt in einer Entscheidung über die Besteuerung von Ausländern das Bestehen „hinreichender sachgerechter Anknüpfungsmomente“, die einem „Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen“.376 Unklar ist freilich, worin ein solcher sinnvoller Bezug zu sehen ist. Das BVerfG nannte in seiner Entscheidung als diesbezügliche Beispiele unter anderem die Staatsangehörigkeit, die Niederlassung, den Wohnsitz oder den Aufenthalt der fraglichen Person.377 Der Ansatz des BVerfG kann indes nicht als Ausdruck einer einheitlichen internationalen Praxis verstanden werden. Zum einen variieren auch insoweit die Anforderungen, die in den jeweiligen Staaten hinsichtlich des „sinnvollen Bezuges“ gestellt werden. Zum anderen finden sich Staaten, die die lex fori auf Sachverhalte anwenden, die nichts oder nur sehr wenig mit dem Forumstaat zu tun haben.378 Klare völkerrechtliche Vorgaben zu den Grenzen der Rechtsetzungsgewalt sind mithin grundsätzlich nicht erkennbar. Fraglich ist, ob dies auch im besonderen Bereich der staatlichen Haftung für hoheitliches Handeln gilt, der gerade im Zusammenhang mit der HRL in besonderem Maße interessiert. Hier wird vertreten, dass die Rechtsetzungsgewalt des Staates stark eingeschränkt und in jedem Fall das Recht des belangten Staates anzuwenden sei.379 Wendet man den dargelegten Ansatz auf die HRL an, sind zwei entgegen gesetzte Ergebnisse möglich. Bei Zugrundelegung der US-amerikanischen Logik, wonach Menschenrechtsverletzungen keine Hoheitsakte darstellen, gälten für die HRL die „allgemeinen Grundsätze“. Ginge man hingegen davon aus, dass auch Menschenrechtsverletzungen Hoheitsakte sind,380 wäre die HRL insofern als völkerrechtswidrig zu bezeichnen, als in ihr das Verhalten ausländischer Staaten US-amerikanischen Standards unterworfen wird. Eine Lösung dieser Frage ist indes letztlich entbehrlich. Zum einen fußt die dargestellte Ansicht zum Deliktsstatut bei hoheitlichem Handeln nur teilweise auf völkerrechtlichen 376
BVerfGE 63, 343, 369. Ebd. 378 Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 Brit. YB. Int’l L. 145, 179 ff. (1972/73). 379 So z. B. Staudinger (von Hoffmann), Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 40 EGBGB, Rn. 109; Soergel (Liederitz), Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 38 EGBGB, Rn. 69. Dagegen: Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 152 ff.; Halfmeier, Menschenrechte und Internationales Privatrecht im Kontext der Globalisierung, RabelsZ 68 (2004), S. 653, 672 f. 380 So für Belange der Rechtsetzungsgewalt v. Hein, The Law Applicable to Governmental Liability for Violations of Human Rights in World War II, 3 Yearbook of Private International Law 185, 206 (2001), m. w. N. 377
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Erwägungen.381 Ebenso häufig werden als Grund für die Begrenzung der Rechtswahlmöglichkeiten kollisionsrechtliche Wertungen angeführt.382 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Sonderregeln für den Bereich hoheitlichen Handelns generell als völkerrechtlich geboten angesehen werden.383 Sie sind mithin als Beitrag zur Entstehung einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm von nur begrenzter Relevanz. Zum anderen ist die diesbezügliche Staatenpraxis nicht einheitlich. Zwar folgte zum Beispiel der BGH in seiner Distomo-Entscheidung dem Ansatz eines Sonderkollisionsrechts für den Bereich der Amtshaftung mit einer pauschalen Präferenz für das Recht des belangten Staates.384 Andere Staaten jedoch folgen diesem Ansatz nicht oder nur eingeschränkt. England zum Beispiel unterwirft auch den Bereich der Amtshaftung dem allgemeinen Kollisionsrecht.385 Differenzierter ist die Rechtslage in Österreich. Gemäß einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1982 haftet zwar auch dort ein Staat für hoheitliches Handeln nur, wenn dessen Haftungsvorschriften dies vorsehen. Der Umfang dieser Haftung jedoch soll sich grundsätzlich nach der lex loci delicti richten.386 Im Ergebnis kann es 381 Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 Brit. YB. Int’l L. 145, 179 (1972/73); differenzierend Staudinger (von Hoffmann), Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 40 EGBGB, Rn. 109, der völkerrechtliche Grundlagen nur bei Klagen gegen den Staat als solchen erkennt (Rn. 109). Bei Klagen gegen den individuellen ausländischen Hoheitsträger hingegen sollen Wertungen des Kollisionsrechts Grundlage für die Wahl des ausländischen Staatshaftungsrechts sein (Rn. 112); weitere Nachweise bei v. Hein, The Law Applicable to Governmental Liability for Violations of Human Rights in World War II, 3 Yearbook of Private International Law, 185, 208 (2001). 382 Staudinger (von Hoffmann), Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 40 EGBGB, Rn. 112, hinsichtlich von Klagen gegen individuelle Hoheitsträger; Soergel (Liederitz), Bürgerliches Gesetzbuch, Art. 38 EGBGB, Rn. 69, m. w. N.; weitere Nachweise auch bei v. Hein, The Law Applicable to Governmental Liability for Violations of Human Rights in World War II, 3 Yearbook of Private International Law, 185, 208 f. (2001). v. Hein führt aus, dass dem kollisionsrechtlichen Ansatz im Grunde auch die völkerrechtliche Problematik der staatlichen Immunität für acta iure imperii zugrunde liege. 383 Vgl. bereits Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 153. 384 Urt. vom 6.6.2003 – III ZR 245/98, NJW 2003, 3488, 3491. 385 Mueller, Das Internationale Amtshaftungsrecht, S. 90. 386 Etwas anderes soll nur gelten, wenn der jeweilige Fall ausnahmsweise eine engere Beziehung zu Österreich als zum Tatortstaat besitze. Hiervon sei insbesondere dann auszugehen, wenn zwischen Schädiger und Verletztem im Zeitpunkt der Verletzungshandlung eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung bestanden habe. Eine solche soll zum Beispiel dann bestehen, wenn der Geschädigte im Ausland die Dienste des jeweiligen schädigenden Beamten in Anspruch genommen habe, Mueller, ebd., S. 36 ff.; v. Hein, The Law Applicable to Governmental Liability for Violations of Human Rights in World War II, 3 Yearbook of Private International Law, 185, 210 f. (2001).
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nicht als völkerrechtlich geboten angesehen werden, in Amtshaftungsfällen stets das Recht des belangten Staates anzuwenden. Völkerrechtliche Sonderregeln für den Bereich der Amtshaftung sind mithin nicht ersichtlich. Es fehlen folglich im Ergebnis auch im Hinblick auf die Rechtsetzungskompetenz konkrete Anhaltspunkte, anhand derer die Völkerrechtmäßigkeit der entsprechenden HRL-Praxis beurteilt werden könnte. 2. Begrenzung zivilrechtlicher Jurisdiktionsgewalt mittels Deduktion aus völkerrechtlichen Strukturprinzipien Trotz des Fehlens klarer empirischer Vorgaben finden sich in der Literatur vielfältige Ausführungen zum konkreten Inhalt des genuine link-Erfordernisses. Auch insoweit gehen die Meinungen stark auseinander, wobei auffällt, dass tendenziell an die Begründung der Rechtsprechungsgewalt387 geringere Anforderungen gestellt werden, als dies hinsichtlich der Rechtsetzungsgewalt388 der Fall ist. Sofern in der Literatur konkrete Feststellungen zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bestimmter Formen der Jurisdiktionsausübungen getroffen werden, beschränken sich die Ausführungen mehrheitlich auf bloße diesbezügliche Postulate. Eine Ableitung aus völkerrechtlichen Strukturprinzipien erfolgt nicht. Dies ist wenig erstaunlich, da die potentiell einschlägigen Prinzipien (insbesondere das Interventionsverbot389) ihrer Natur nach zu allgemein sind, als dass aus ihnen gefolgert werden könnte, dass bestimmte Erscheinungsformen der nationalen Juris387 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 377 (hinreichender Inlandsbezug liegt darin, dass Partei sich an die inländischen Gerichte wendet); Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, § 1186 und Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht (hinreichender Inlandsbezug sofern innerstaatliche Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit eingehalten werden), S. 310 f.; Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 421 (Erfordernis der Vernünftigkeit der Kompetenzausübung, wobei Vernünftigkeit gegeben ist, sofern Vorschriften des US-amerikanischen Rechts zur personellen Zuständigkeit erfüllt sind; lediglich die nur vorübergehende Anwesenheit des Beklagten im Forumstaat, die genügt, um über die tag jurisdiction die personelle Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, wird für unzureichend befunden); Brownlie, Principles of Public International Law, S. 302 (Grenzen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Jurisdiktion sind identisch). 388 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 377, z. B. weist ausdrücklich darauf hin, dass für die Rechtsetzungsgewalt mehr Kontakte zum Forumstaat zu verlangen seien, als dies hinsichtlich der Rechtsprechungsgewalt der Fall ist; das Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 402, stellt gleichfalls strengere Anforderungen an die Rechtsetzungsgewalt. Es orientiert sich insoweit an den völkerrechtlichen Kriterien zur Rechtsprechungsgewalt im Bereich strafrechtlicher Angelegenheiten. 389 Vgl. Mann, The Doctrine of Jurisdiction in International Law, 111 RdC (1964 I), 1, 47; Geimer, ebd., Rn. 374.
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diktionsausübung generell völkerrechtswidrig sind. So ist es beispielsweise in Ermangelung einer eindeutigen Staatenpraxis schwer möglich, darzulegen, warum zum Beispiel die US-amerikanische doing business-jurisdiction, nicht aber der deutsche Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) völkerrechtswidrig sein sollten. Im Übrigen erscheint es speziell im Bereich der HRL problematisch, eine Begrenzung der Jurisdiktionskompetenz über das Interventionsverbot zu begründen. Dieses nämlich umfasst nur solche staatliche Angelegenheiten, die der ausschließlichen Zuständigkeit des Staates unterliegen (sog. domaine réservé).390 Ausgenommen von diesem Bereich sind all jene Fragen, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag oder durch Völkergewohnheitsrecht geregelt sind. Die Menschenrechte sind sowohl völkervertraglich als auch völkergewohnheitsrechtlich normiert und unterfallen mithin nicht der domaine réservé der ausländischen Staaten. Der Anwendungsbereich des Interventionsverbotes ist insoweit daher bereits nicht eröffnet. 3. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Vorgaben zu den Grenzen staatlicher Jurisdiktionsgewalt derzeit nur regional, im Rahmen der Europäischen Union (vgl. EuVVO und EuGVÜ) bestehen. Im Übrigen ergeben sich weder aus der internationalen Staatenpraxis noch aus völkerrechtlichen Strukturprinzipien klare diesbezügliche Anhaltspunkte. Es lässt sich insoweit noch nicht einmal ein kleinster gemeinsamer Nenner erkennen. Entsprechend kann die extraterritoriale Jurisdiktionsausübung der US-Gerichte im Rahmen der HRL nicht als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet werden. 4. Existenz eines zivilrechtlichen Universalitätsprinzips Gleichwohl erscheint es sinnvoll, die Jurisdiktionsausübung im Rahmen der HRL daraufhin zu untersuchen, ob diese sich nicht nur negativ – über das Fehlen hinreichender normativer Grundlagen – sondern auch positiv – über die Inanspruchnahme völkerrechtlicher Ausnahmevorschriften – völkerrechtlich legitimieren lässt. Ein Bedürfnis für eine derartige Legitimierung besteht, da die Vielzahl der Literaturansichten sowie die internationalen Versuche einer Reglementierung zeigen, dass die extraterritoriale Ausübung von Rechtsprechungs- und Rechtsetzungskompetenzen auch im zivilrechtlichen Bereich völkerrechtlich problematisch ist. Dies gilt insbesondere für die Rechtsetzungskompetenz, da an sie tendenziell strengere Anforderungen als an die Rechtsprechungskompetenz gestellt werden. Fer390
Ipsen (Fischer), Völkerrecht, 15. Kapitel, § 59, Rn. 50, 53.
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ner steigert die Tatsache, dass die HRL Berührungspunkte zum Strafrecht aufweist das Legitimationsbedürfnis. Im strafrechtlichen Bereich nämlich werden – wie bereits ausgeführt – verhältnismäßig strenge genuine link-Erfordernisse gestellt.391 Auch die US-Gerichte zeigen, dass sie sich der Legitimität ihrer Jurisdiktionsausübung nicht sicher sind und bemühen sich in ihren Entscheidungen um eine Rechtfertigung über das völkerrechtliche Universalitätsprinzip. Im Folgenden sei daher untersucht, ob die HRL völkerrechtlich auch positiv, über ein völkerrechtliches Universalitätsprinzip, legitimiert werden kann. Das Universalitätsprinzip stellt einen Grundsatz neben anderen dar, nach dem der Staat seinen hoheitlichen Strafanspruch ausgestaltet.392 Es betrifft die Rechtsprechungsgewalt und die Rechtsetzungsgewalt gleichermaßen. Von den anderen Grundsätzen zur Ausgestaltung des nationalen Strafanspruches (Territorialitätsprinzip, Personalitätsprinzip, Schutzprinzip und Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege393) unterscheidet es sich dadurch, dass sich der Strafanspruch nicht tat-, täter- oder ersatzbezogen, sondern vielmehr internationalbezogen, das heißt aus der international anerkannten Schutzwürdigkeit des fraglichen Rechtsgutes, ergibt.394 Es ist derzeit nicht möglich festzulegen, welche Delikte dem völkergewohnheitsrechtlichen Universalitätsprinzip unterfallen. Ein diesbezüglicher internationaler Konsens ist nicht erkennbar. Zu verweisen ist insoweit zunächst auf die Entscheidung des IGH im Fall Democratic Republic of the Congo v. Belgium.395 Sieben der Richter vertraten hier in Sondervoten in dicta insgesamt drei verschiedene Ansichten. Vom Universalitätsprinzip umfasst seien demnach nur Piraterie (per Guillaume und Ranjeva), Piraterie, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (per Koroma und Van den Wyngaert) bzw. sämtliche schwerwiegende internationale Verbrechen (per Higgins, Kooijmans und Buergenthal). Die International Law Association ordnet in ihrem abschließenden Bericht zum Recht der internationalen Zuständigkeit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Folter dem Bereich des Universalitätsprinzips zu.396 Das Jugoslawien-Tribunal sieht in seinem Furundzija-Urteil sämtliche ius cogens-Normen als vom Universalitätsprinzip erfasst an.397 Das Restatement 391 Vgl. George, Defining Filártiga: Characterizing International Torture Claims in United States Courts, 3 Dick. J. Int’l L. 1, 21 ff. (1984). 392 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 5. 393 Siehe oben 1. 394 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 6 f. 395 Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, ICJ Reports 2002. 396 International Law Association, Final Report on the Exercise of Jurisdiction in Respect of Gross Human Rights Offences (2000), S. 22 f.
2. Kap.: Vereinbarkeit der Human Rights Litigation mit dem Völkerrecht 207
of the Law verfolgt gleichfalls einen relativ weiten Ansatz und erfasst Piraterie, Sklavenhandel, Flugzeugentführung, Völkermord, Kriegsverbrechen und „möglicherweise“ bestimmte terroristische Handlungen.398 Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch399 schließlich unterwirft in seinem § 1 alle in ihm bezeichneten Verbrechenstatbestände, das heißt Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, dem Universalitätsprinzip. Im Rahmen der HRL wird das Universalitätsprinzip häufig jedwedem Zweifel an der Legitimität der HRL als Allheilmittel pauschal entgegen gesetzt. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Inhalt und Umfang des Prinzips erfolgt nicht. Es erstaunt vor allem die inhaltliche Weite, die dem Prinzip beigemessen wird. So stützte der Gesetzgeber den Erlass des TVPA auf ein völkerrechtliches Universalitätsprinzip400 und sah demgemäß Folter und außergerichtliche Tötung von dessen Anwendungsbereich erfasst. Die Gerichte, die zur Legitimität ihrer Jurisdiktionsausübung Stellung nehmen, verweisen meist pauschal auf das Universalitätsprinzip. Zu seiner Reichweite wird in aller Regel nicht Stellung genommen. Die wenigen Richter, die sich insoweit äußern, gehen davon aus, dass jede Norm des Völkerrechts, für die nach US-amerikanischer Auffassung ein universeller völkerrechtlicher Konsens besteht, dem Universalitätsprinzip zuzuordnen ist.401 Es wird die Universalität des völkerrechtlichen Konsenses mit der Universalität der Jurisdiktionskompetenz gleichgesetzt. Da über die HRL nur solche Delikte eingeklagt werden können, für die nach US-amerikanischer Auffassung ein universeller Konsens besteht,402 gelingt es den Gerichten auf diesem Weg, die extraterritoriale Jurisdiktion der US-Gerichte in allen Fällen der HRL, insbesondere auch bei vergleichsweise wenig schwerwiegenden Delikten, zu rechtfertigen. Das US-amerikanische Recht schließt ferner von der Existenz eines strafrechtlichen Universalitätsprinzips direkt auf ein zivilrechtliches Universalitätsprinzip. Im Restatement of the Law heißt es schlicht: „In general, states have exercised jurisdiction on the basis of universal interests in the form of criminal law, but international law does not preclude the application 397 Prosecutor v. Anto Furundzija, IT-95-17/1-T, Urteil vom 10.12.1998, Rn. 155, abgedruckt in 38 I.L.M. 317 (1999). 398 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 404. 399 BGBl. 2002 I, 2254. Das Völkerstrafgesetzbuch wurde in Umsetzung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes erlassen. Näher hierzu Werle/Jeßberger, Das Völkerstrafgesetzbuch, JZ 2002, S. 725. 400 S. Rep. No. 249, S. 5 (1991). 401 Richter Edwards in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 781 (D.C. Cir. 1984); Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 192 (D. Mass. 1995). 402 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. b) (3) (a).
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of non-criminal law on the basis, for example, by providing a remedy in tort or restitution for victims of piracy.“403
Außerhalb der USA wird ein dahingehender Ansatz nicht vertreten.404 Dies mag daran liegen, dass andere Staaten den innerstaatlichen Schutz der Menschenrechte im Bereich des Strafrechts, nicht aber im Bereich des Zivilrechts ansiedeln, was zur Folge hat, dass sich ihnen die Frage nach einem zivilrechtlichen Universalitätsprinzip nicht stellt. Erste dahingehende Ansätze der Staatengemeinschaft lassen sich aber Art. 18 Abs. 3 des Haager Konventionsentwurfs zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung entnehmen, der das (von ihm aufgestellte) Gebot einer „substantial connection“ zwischen Fall und Forumstaat für den Bereich einiger besonders schwerwiegender völkerrechtlicher Verbrechen aufhebt und somit einen ersten Grundstein für ein zivilrechtliches Universalitätsprinzip legt.405 Während Restatement und ATCA-Rechtsprechung eine völkerrechtliche Rechtfertigung des zivilrechtlichen Universalitätsprinzips für entbehrlich befinden, bemüht die Literatur bisweilen einen Erstrechtschluss vom Strafrecht auf das Zivilrecht.406 Ein solcher soll möglich sein, da die strafrechtliche Verurteilung einer Person einen stärkeren Eingriff in die Hoheitsgewalt des jeweils betroffenen Staates darstelle, als dies bei einer zivilrechtlichen Verurteilung der Fall ist. Entsprechend führt auch Justice Breyer in seinem Sondervotum in Sosa v. Alvarez-Machain aus: „That consensus concerns criminal jurisdiction, but consensus as to universal criminal jurisdiction itself suggests that universal tort jurisdiction would be no more threatening.“407 403
Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 404, comment b. Vgl. Bradley, Universal Jurisdiction and U.S. Law, 2001 U. Chi. Legal F. 323, 344 (2001). 405 Siehe unten Teil III, 1. Kapitel, I. 3. 406 So z. B. Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 156, Fn. 670; Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 195 (2001); Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L. 1, 50 (2002). 407 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2782 ff. (2004). Breyer führt weiter aus, ein entsprechender Erstrechtschluss sei im Übrigen gar nicht notwendig, da bereits eine entsprechende zivilrechtliche Staatenpraxis existiere. Viele Staaten nämlich kombinierten strafrechtliche und zivilrechtliche Verfahren (vgl. das Adhäsionsverfahren im deutschen Recht). Dieses Argument greift jedoch nicht. Bislang nämlich wurde von den Möglichkeiten zum Anschluss zivilrechtlicher Verfahren in extraterritorial gelagerten Fällen nur vereinzelt Gebrauch gemacht, siehe hierzu den Bericht von REDRESS, Universal Jurisdiction in Europe, einsehbar unter http://www.redress.org/unijeur.html. 404
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Zahlreiche Hinweise zur andersartigen Natur von strafrechtlicher und zivilrechtlicher Jurisdiktion mahnen insoweit jedoch zur Vorsicht.408 Die Gegner einer Erstreckung des strafrechtlichen Universalitätsprinzips auf den Bereich des Zivilrechts weisen denn auch daraufhin, dass das zivilrechtliche Verfahren gegenüber dem strafrechtlichen nicht zwingend ein Weniger sei. Zu beachten sei das größere außenpolitische Risiko eines zivilrechtlichen Universalitätsprinzips. Während die Exekutive die Aufnahme eines Strafverfahrens über ihre Einflussnahmemöglichkeit auf die Staatsanwaltschaft kontrollieren könne, liege die Initiierung eines zivilrechtlichen Verfahrens allein in den Händen einer außenpolitisch gleichgültigen Privatperson.409 Ein derartig unmittelbarer Rückschluss von der staatspolitischen Zweckmäßigkeitsentscheidung auf die völkerrechtliche Zulässigkeit einer derartigen zivilrechtlichen Kompetenzerstreckung ist jedoch nicht möglich. Auch wenn ein Staat für sich selbst ein zivilrechtliches Universalitätsprinzip aus Gründen der außenpolitischen Vorsicht ablehnt, bedeutet dies nicht, dass er ein dahingehendes Verhalten anderer Staaten als völkerrechtswidrig beurteilen würde. Gegen die Erstreckung des Universalitätsprinzips auf den Bereich der Zivilrechts wird ferner angeführt, das Universalitätsprinzip decke nur solches Handeln, welches im Interesse und im Namen der internationalen Gemeinschaft erfolge. Diese Auflage lasse sich mit dem zivilprozessualen Konzept einer Verfolgung im Namen und im Interesse eines Klägers nicht vereinbaren.410 Eine derartige Interpretation der Interessensbindung des Universalitätsprinzips erweist sich bei genauerer Analyse jedoch als übermäßig streng. Dem Universalitätsprinzip liegt der Gedanke zugrunde, dass bei bestimmten Verbrechen, sei es wegen deren besonderer Natur oder wegen deren besonderer Schwere,411 nicht nur der betroffene Staat selbst, sondern vielmehr die ganze internationale Rechtsgemeinschaft ein Interesse an einer Sanktionierung hat.412 Dieses Interesse der Staatengemeinschaft kann entweder durch die internationale Gemeinschaft selbst oder durch einzelne Staaten wahrgenommen werden. Wenn der einzelne Staat in dieser Funktion tätig wird, nimmt er das Interesse der internationalen Gemeinschaft wahr 408 Siehe z. B. Akehurst, Jurisdiction in International Law, 46 Brit. YB. Int’l L. 145, 170, 179 (1972/73). 409 Bradley, Universal Jurisdiction and U.S. Law, 2001 U. Chi. Legal F. 323, 347 f. (2001). 410 Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1131 ff. (1999); Bradley, Universal Jurisdiction and U.S. Law, 2001 U. Chi. Legal F. 323, 346 f. (2001). 411 Sunga, Individual Responsibility in International Law for Serious Human Rights Violations, S. 103. 412 Randall, Universal Jurisdiction Under International Law, 66 Tex. L. Rev. 785, 788 (1988).
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und wird deshalb von den (jedenfalls im Bereich des Strafrechts bestehenden) Beschränkungen seiner Jurisdiktionskompetenz befreit. Dieser Freibrief gilt jedoch nur insoweit, als der Staat tatsächlich die Interessen der Staatengemeinschaft wahrnimmt, er also dafür sorgt, dass die entsprechenden völkerrechtlichen Delikte nicht ungeahndet bleiben. Beschränkendes Element ist somit allein die Sanktionierung des Täters. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Sanktionierung zwingend über das Strafverfahren erfolgen müsste. Kelsen betont im Zusammenhang mit dem Verbrechen der Piraterie, es bleibe dem Staat anheim gestellt, wie er die entsprechende Norm des Völkerrechts sanktioniere.413 Richtigerweise sollte eine Grenzziehung deshalb nicht anhand prozessualer Etiketten, sondern anhand des sanktionierenden Potentials des gewählten Verfolgungsmechanismus erfolgen.414 Es fällt hierbei auf, dass in den USA auch das Zivilverfahren bestrafende Funktionen erfüllt. Verwiesen sei insoweit auf das Institut der punitive damages.415 Die dort erzielbaren Bestrafungserfolge reichen freilich nicht an jene des Strafverfahrens heran. Angesichts der Tatsache, dass das Universalitätsprinzip gerade einen Zustand der Straflosigkeit vermeiden will, und ein Verfahren der HRL in vielen Fällen das einzig verfügbare Sanktionssystem darstellt, sollte die geringe Bestrafungskapazität der HRL nicht zu deren Ausschluss aus dem Geltungsbereich des Universalitätsprinzips führen. Da ferner nicht ersichtlich ist, dass das Universalitätsprinzip nur im Falle eines Handelns im ausschließlichen Interesse der Staatengemeinschaft greifen kann,416 sollte es gleichfalls ohne Bedeutung sein, dass das Gericht einer HRLKlage neben den Interessen der Staatengemeinschaft zugleich jene des Klägers wahrnimmt. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass auch die HRL der Ratio des Universalitätsprinzips gerecht werden kann. Das strafrechtliche Universalitätsprinzip kann mittels eines Erstrechtschlusses auf den Bereich des Zivilrechts übertragen werden. Eine Anwendung des Universalitätsprinzips auch im Rahmen der HRL ist mithin möglich. Zu betonen ist jedoch, dass der völkergewohnheitsrechtliche Rahmen des Universalitätsprinzips nicht all jene Delikte erfasst, die über die HRL eingeklagt werden. Soweit die Gerichte ihre Zuständigkeit und ihr Recht in diesem Bereich auf Sachverhalte ohne vernünftigen Bezug zum Forumstaat erstrecken, kann die extraterritoriale Anwendungspraxis der HRL nicht positiv über ein zivilrechtliches Univer413 Kelsen, General Theory of Law and State, S. 344. Vgl. auch Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L. 1, 53 (2002). 414 Siehe hierzu ausführlich Stephens, ebd., S. 44 ff. 415 Siehe oben, Teil I, 3. Kapitel, II. 416 Vgl. Bassiouni, Universal Jurisdiction for International Crimes: Historical Perspectives and Contemporary Practice, 42 Va. J. Int’l L. 81, 88 (2001).
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salitätsprinzip legitimiert werden. Es bleibt bei ihrer rein negativen Legitimation über das Fehlen eines völkerrechtlichen Konsenses zu den Grenzen der zivilrechtlichen Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsgewalt.
III. Ergebnis Verstöße gegen das Völkerrecht ergeben sich im Immunitätsrecht hinsichtlich der AEDPA-Rechtsprechung der US-Gerichte. Die US-Rechtsprechung zur (funktionellen) Immunität ehemaliger Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister sowie sonstiger amtierender und ehemaliger Hoheitsträger hingegen bewegt sich in einer Grauzone zwischen einem Verstoß gegen das Völkerrecht und einem Beitrag zu dessen Fortentwicklung. Hinsichtlich der extraterritorialen Jurisdiktionsausübung im Bereich der HRL lässt sich ein klarer Völkerrechtsverstoß ebenfalls nicht konstatieren. Es fehlen insoweit klare normative Grundlagen.
3. Kapitel
Die Human Rights Litigation im Schnittbereich von nationalem Recht und Völkerrecht I. Die Einwirkung des Völkerrechts in den nationalen Rechtsraum Im Rahmen der HRL werden Verstöße gegen das Völkerrecht über das nationale Zivilverfahren kompensiert und sanktioniert. Die einzelnen Gesetze der HRL nehmen hierbei in unterschiedlichem Maße auf das Völkerrecht Bezug. Entsprechend bewegt sich das Recht, an dem sie den Beklagten messen, auf unterschiedlichen Ebenen zwischen nationalem Recht und Völkerrecht. 1. Die verschiedenen Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht Zum Zwecke der Positionierung der jeweiligen Deliktstatbestände zwischen Völkerrecht und nationalem Recht seien nachfolgend vier Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht unterschieden. Das in den nationalen Rechtsraum eingeführte (inkorporierte)417 Völkerrecht kann als 417
Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 848.
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solches unmittelbar vollzogen werden (1). Häufig sind die Vorgaben des Völkerrechts aber nicht ausreichend, um einen unmittelbaren Vollzug zu ermöglichen. In diesen Fällen muss das nationale Recht die Norm des Völkerrechts durchführen (implementieren).418 Zum Teil wird hierbei die Norm des Völkerrechts ergänzt (ergänzende Implementierung (2)), zum Teil wird sie verändert (verändernde Implementierung (3)). Ebenso ist es möglich, dass die Norm des Völkerrechts einer nationalen Rechtsnorm lediglich als Anknüpfungspunkt dient (4). a) Der unmittelbare Vollzug des Völkerrechts Bei einem unmittelbaren Vollzug des Völkerrechts wird sowohl die Primärnorm als auch die Sekundärnorm dem Völkerrecht entnommen. Angesichts der Wesensverschiedenheit von Völkerrecht und nationalem Recht ist ein unmittelbarer Vollzug des Völkerrechts nur möglich, wenn die Norm des Völkerrechts innerstaatliche Geltung besitzt sowie unmittelbar anwendbar und individuell einklagbar ist.419 Eine Norm des Völkerrechts entfaltet innerstaatliche Geltung, wenn sie in den innerstaatlichen Rechtsbereich inkorporiert wurde.420 Abhängig davon, ob eine Rechtsordnung dualistisch oder monistisch ausgerichtet ist, vollzieht sich die Inkorporation des Völkerrechts auf unterschiedliche Weise. Der Dualismus steht für die Ansicht, nach der die Völkerrechtsordnung und die staatliche Rechtsordnung unabhängig nebeneinander bestehen.421 Die Norm des Völkerrechts wird inkorporiert, indem sie in eine inhaltsgleiche nationale Norm transformiert wird (Transformationstheorie).422 Die so entstandene nationale Norm verfügt über einen innerstaatlichen Geltungsgrund und wendet sich, anders als die völkerrechtliche Norm, die sich nur an den Staat als solchen richtet, an die innerstaatlichen Normanwender.423 Die Anhänger des Monismus auf der anderen Seite verstehen Völkerrecht und nationales Recht als „Teile eines zusammenhängenden umfassenden Rechtssystems“424. Das Völkerrecht wird als solches im inner418
Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797. 419 Siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht; § 863 ff.; Bungert, ebd. Die Rechtspraxis der USA unterteilt hier weniger streng in einzelne Stufen, überprüft der Sache nach aber dieselben Kriterien. Der Einfachheit halber sei hier das Dreistufenmodell der deutschen Literatur zugrunde gelegt. 420 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 159. 421 Ebd., S. 12 f. 422 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 858. 423 Ebd. 424 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 13.
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staatlichen Rechtsraum angewendet. Paralleles nationales Recht wird nicht geschaffen.425 Auch das so inkorporierte Recht wendet sich jedoch zunächst nur an den Staat. Es bedarf folglich einer Veränderung des Normadressaten. Dies geschieht durch einen innerstaatlichen Anwendungsbefehl. Dieser kann durch eine generelle staatliche Norm (Adoptionstheorie) oder von Fall zu Fall, durch einen jeweils besonderen Staatsakt (Vollzugstheorie) erteilt werden.426 Unmittelbar anwendbar ist eine inkorporierte Norm, wenn sie nach Inhalt und Zweck so konzipiert ist, dass sie auch ohne die Zwischenschaltung eines nationalen Implementierungsaktes die Grundlage für Entscheidungen über die Rechtsverhältnisse von Privatpersonen bilden kann.427 Für die Frage nach der individuellen Einklagbarkeit der Norm ist zu hinterfragen, ob die Privatperson durch die entsprechende Norm gegenüber dem Staat oder gegenüber anderen Privatpersonen berechtigt wird, und ob sie dieses Recht auch vor Gericht einklagen kann.428 b) Die ergänzende Implementierung Viele Vorschriften des Völkerrechts sind nicht unmittelbar innerstaatlich vollziehbar. Eine Norm des Völkerrechts kann zum Beispiel Verhaltensgebote aufstellen, die zwar das Individuum unmittelbar berechtigten und verpflichten, ihrer Natur nach aber nicht auf einen innerstaatlichen Vollzug angelegt sind und daher keine Hinweise zur individuellen Einklagbarkeit oder zu Haftungsstandards und Rechtsfolgen enthalten. Sie überlässt die entsprechenden Entscheidungen den nationalen Gesetzgebern. Vollzogen wird in diesen Fällen die nationale Norm, die um das völkerrechtliche Verhaltensgebot herum einen Haftungsrahmen aufbaut, so zum Beispiel eine Vorschrift, die das völkerrechtliche Verbot der Kriegsverbrechen zu einer innerstaatlichen Anspruchsgrundlage konkretisiert. c) Die verändernde Implementierung Die Mehrzahl der Normen des Völkerrechts wendet sich lediglich an die Staaten. Für die Privatperson wird die völkerrechtliche Norm in diesen Fällen erst dann relevant, wenn der Staat sich entschließt, die Verhaltensnorm des Völkerrechts in ein nationales Delikt oder einen nationalen Straftat425 Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 798. 426 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 158 f. 427 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 864. 428 Ebd.
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bestand umzuformen. Einige völkerrechtliche Verträge sind gerade auf eine derartige Implementierung angelegt. Sie begründen die Verpflichtung, im nationalen Recht Straftatbestände zu schaffen, die den Vorgaben des völkerrechtlichen Vertrages entsprechen.429 Die völkerrechtliche Norm, die sich von Völkerrechts wegen nur an den Staat wendet, richtet sich in ihrer innerstaatlichen Umsetzung dann auch an die Privatperson. Durch die innerstaatliche Implementierung wird das Völkerrecht hier nicht nur ergänzt, sondern hinsichtlich seines Adressatenkreises auch verändert. d) Die inhaltliche Anknüpfung an das Völkerrecht Von der verändernden Implementierung zu unterscheiden ist der Fall, in dem die nationale Rechtsordnung lediglich an eine Norm des Völkerrechts inhaltlich anknüpft, ohne dass insoweit eine Implementierung völkerrechtlich oder innerstaatlich beabsichtigt wäre. Durch die Loslösung vom völkerrechtlichen Original erhält die nationale Regelung die volle Freiheit zu einer selektiven Bezugnahme auf das Völkerrecht. Es wird hier nicht eine Norm des Völkerrechts im nationalen Rechtsraum umgesetzt. Es wird vielmehr eigenständiges, völkerrechtlich inspiriertes nationales Recht geschaffen. 2. Die Bedeutung der Unterscheidung in verschiedene Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht Die Unterscheidung in verschiedene Arten der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht ist von mehr als nur theoretischem Interesse. Sie wirkt sich in vielfältiger Hinsicht auf die Bedeutung und Akzeptanz des Völkerrechts und der HRL aus. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist insoweit die nationale Akzeptanz und die innerstaatliche Durchsetzbarkeit des Völkerrechts. Zu erwähnen ist zunächst der rein technische Aspekt, dass die meisten Normen des Völkerrechts erst durch ihre Integration in das nationale Recht zu individuell einklagbaren Rechtspositionen werden.430 Ein Rolle spielt daneben, dass in dem Maße, 429
So z. B. Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Folterkonvention, BGBl. 1990 II, 246 (Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass nach seinem Strafrecht alle Folterhandlungen als Straftaten gelten) und Art. V der Genozidkonvention, BGBl. 1954 II, 729 (Die Vertragschließenden Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Verfassungen die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung der Bestimmungen dieser Konvention sicherzustellen und insbesondere wirksame Strafen für Personen vorzusehen, die sich des Völkermords oder einer der sonstigen in Art. III aufgeführten Handlungen schuldig machen). 430 Vgl. Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1078 f. (1999).
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in dem die völkerrechtliche Norm in das innerstaatliche Recht integriert und mit diesem vermengt wird, die Bedenken, die der US-amerikanische Normanwender der völkerrechtlichen Norm entgegen zu bringen pflegt, so vor allem die Sorge um dessen unzureichende demokratische Legitimation, verschwinden.431 Die Vermengung einer völkerrechtlichen Norm mit Regelungs- und Denkstrukturen des nationalen Rechts kann ferner dazu beitragen, dass die entsprechende Norm in der Gesellschaft und der politischen Führungselite verinnerlicht wird. Die derart verinnerlichte Norm wird nicht mehr als von außen oktroyiert empfunden432 und wird nicht mehr befolgt, weil widrigenfalls internationale Nachteile oder Sanktionen drohen, sondern weil sie in das Wertesystem der Gesellschaft integriert wurde. Dies kann eine Befolgungsintensität ermöglichen, die über den unmittelbaren Vollzug extern auferlegter Normen nicht erreicht werden könnte.433 Die Art und Weise der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht ist zugleich insofern relevant, als die normative Grundlage einer Entscheidung von Bedeutung für den Unrechtsvorwurf und die Stigmatisierung ist, die mit einer Verurteilung verbunden sind. Das Urteil, das unmittelbar auf Grundlage des Völkerrechts ergeht, trägt die Zustimmung nicht nur des Forumstaates, sondern der gesamten Weltgemeinschaft; in einem untechnischen Sinne handelt der Richter hier nicht nur „im Namen des Volkes“, sondern im Namen aller Völker und erhöht so die Symbolik und die Aussagekraft des Urteilsspruchs.434 Die Symbolik eines allein auf nationale Rechtsvorschriften gestützten Urteiles hingegen ist vergleichsweise gering. Die Form der innerstaatlichen Bezugnahme auf das Völkerrecht ist ferner mitbestimmend für die internationale Bedeutung und Akzeptanz der HRL. Ein unmittelbarer Vollzug des Völkerrechts profitiert von dem moralischen Bonus der Neutralität und Überstaatlichkeit, welcher einer Rechtsanwendung gerade im extraterritorialen Bereich ein Mehr an Legitimität verleihen kann. Als Beispiel dient insoweit das Verhalten der US-amerikanischen Literatur und Rechtsprechung, die Zweifel an der Völkerrechtmäßigkeit der HRL unter Verweis auf den universellen Charakter der angewandten Normen pauschal zurückweisen.435 Das domestizierte Völkerrecht kann von 431
Ausführlich hierzu oben 1. Kapitel, II. 2. Backer, Human Rights and Legal Education in the Western Hemisphere: Legal Parochialism and Hollow Universalism, 21 Penn. St. Int’l L. Rev. 115, 134 f. (2002). 433 Näher hierzu unten Teil IV, 2. Kapitel, I. 2. b) (2). 434 Zur Bedeutung einer Aburteilung auf Grundlage des Völkerrechts, Koh, Civil Remedies for Uncivil Wrongs: Combating Terrorism Through Transnational Public Law Litigation, 22 Tex. Int’l L.J. 169, 187, Fn. 64 (1987); Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 116. 435 Siehe oben 2. Kapitel, vor I. 432
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diesem Bonus weniger profitieren und sieht sich leichter dem Vorwurf einer unangemessenen nationalen Kompetenzanmaßung ausgesetzt.436
II. Die Bezugnahme auf das Völkerrecht im Rahmen der Human Rights Litigation 1. TVPA und AEDPA TVPA und AEDPA sind Beispiele einer legislativen Anknüpfung an völkerrechtliche Inhalte.437 Beide sind nicht auf die innerstaatliche Umsetzung einer Norm des Völkerrechts ausgerichtet, haben aber gleichwohl völkerrechtliche Hintergründe und Bezugspunkte. So erging der TVPA, wenn auch nicht als Implementierung der Folterkonvention, so doch vor deren Hintergrund.438 Die Tatbestände des TVPA sind in Anknüpfung an die Vorgaben des Völkerrechts definiert.439 Der Erlass des AEDPA erfolgte ohne konkreten völkerrechtlichen Anlass, aus autonomen innerstaatlichen Motiven heraus. Auch er schafft Deliktstatbestände, die inhaltlich unmittelbar auf Normen des Völkerrechts Bezug nehmen.440 2. Der ATCA Grundsätzlich soll im Rahmen des ATCA ein unmittelbarer Vollzug des Völkerrechts erfolgen. Ein derartiger Vollzug erweist sich jedoch in den meisten Fällen als unmöglich. Die Rechtsprechung sieht sich deshalb zu einer teils ergänzenden, teils verändernden Implementierung des Völkerrechts gezwungen. Zur völkergewohnheitsrechtlichen und zur völkervertraglichen Alternative des ATCA werden hierbei unterschiedliche Ansätze vertreten.
436 Vgl. Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1080 (1999). Ähnlich Betz, Holding Multinational Corporations Responsible for Human Rights Abuses Committed by Security Forces in Conflict-Ridden Nations: An Argument Against Exporting Jurisdiction for the Purpose of Regulating Corporate Behavior Abroad, 14 De Paul Bus. L.J. 163, 202 (2001). 437 Vgl. Koh, The 1988 Frankel Lecture: Bringing International Law Home, 35 Hous. L. Rev. 623, 666 (1998). 438 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, II. 439 S. Rep. No. 249, S. 6 f. (1991). 440 Siehe 28 U.S.C. § 1605 (e).
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a) Der ATCA und das Völkergewohnheitsrecht (1) Der Ansatz der ATCA-Rechtsprechung Ein unmittelbarer Vollzug völkerrechtlicher Normen ist im Rahmen des ATCA nur möglich, wenn die dort geltend gemachten Normen innerstaatlich gelten sowie unmittelbar anwendbar und individuell einklagbar sind. In der Verfassung finden sich keine Aussagen zur Stellung des Völkergewohnheitsrechts im Rechtssystem der USA. In dem berühmten Fall aus dem Jahre 1900, The Paquete Habana, stellte der Supreme Court klar, dass das Völkergewohnheitsrecht Teil des nationalen Rechtes sei. Er entschied dort: „International law is part of our law, and must be ascertained and administered by the courts of justice of appropriate jurisdiction, as often as questions of right depending upon it are duly presented.“441 Das Völkergewohnheitsrecht wird somit über das common law als solches pauschal in den nationalen Rechtsraum inkorporiert.442 Es ist grundsätzlich auch unmittelbar anwendbar.443 Das US-amerikanische Recht verwendet insoweit den Begriff des „self executing“. Problematisch ist seine individuelle Einklagbarkeit. Da das Völkergewohnheitsrecht es den Staaten überlässt, ob bzw. wie völkergewohnheitsrechtliche Normen im nationalen Rechtsraum geltend gemacht werden können,444 ist es typischerweise nicht individuell einklagbar. Vor diesem Hintergrund kam die ATCA-Rechtsprechung schon früh zu dem Schluss, dass im Rahmen des ATCA nicht verlangt werden könne, dass sich ein einklagbarer Anspruch bereits unmittelbar aus dem Völkergewohnheitsrecht ergebe. Es setzte sich mehrheitlich die Ansicht durch, nach welcher der ATCA das Völkerrecht um eine Anspruchsgrundlage (cause of action) ergänze.445 Mit der Entscheidung des Supreme Court 441
The Paquete Habana, 175 U.S. 677, 700 (1900). Dies entspricht dem Ansatz der Adoptionstheorie (siehe oben I. 1. a)), Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 801. 443 Paust, International Law as Law of the United States, S. 7; Henkin, International Law as Law in the United States, 82 Mich. L. Rev. 1555, 1561 (1983–84). 444 Siehe z. B. Richter Edwards in Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 777, Fn. 2 (D.C. Cir. 1984): „[T]he law of nations, which enables each state to make an independent judgment as to the extent and method of enforcing internationally recognized norms [. . .].“ 445 So unter anderem vertreten in Handel v. Artukovic, 601 F. Supp. 1421, 1427 (C.D. Cal. 1985); Forti v. Suarez Mason, 672 F. Supp. 1531, 1539 (N.D. Cal. 1987); Paul v. Avril, 812 F. Supp. 207, 212 (S.D. Fla. 1993); Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 236 (2d Cir. 1995); Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 179 (D. Mass 1995); Hilao v. Estate of Marcos, 25 F.3d 1467, 1474 f. (9th Cir. 1996); Abebe-Jira v. Negewo, 72 F.3d 844, 848 (11th Cir. 1996). Siehe auch D’Amato, What Does Tel-Oren Tell Lawyers, 79 Am. J. Int’l L. 92 (1985). 442
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im Fall Sosa v. Alvarez-Machain hat sich dieser Ansatz lediglich insoweit verändert, als die Anspruchsgrundlage nicht mehr dem ATCA selbst, sondern dem Bundesrichterrecht zu entnehmen bzw. seitens der Bundesgerichte zu schaffen ist.446 Die völkerrechtliche Primärnorm hingegen soll unverändert dem Völkerrecht entnommen werden. Die meisten Entscheidungen gehen hierauf nicht ausdrücklich ein, lassen durch ihre Vorgehensweise und durch ihre Wortwahl aber implizit erkennen, dass sie dieses Verständnis zugrunde legen. Vereinzelt finden sich ausdrückliche dahingehende Stellungnahmen. Im Fall Alvarez-Machain v. USA betonte das Gericht, dass dem Beklagten nicht eine Verletzung des ATCA, sondern eine Verletzung des Völkerrechts vorgeworfen werde.447 In Sosa v. Alvarez-Machain indiziert der Supreme Court gleichfalls einen unmittelbaren Rückgriff auf Primärnormen des Völkergewohnheitsrechts, wenn er ausführt, es müsse im Einzelfall untersucht werden, inwieweit das Völkerrecht neben staatlichen auch private Akteure adressiere.448 (2) Das Konzept der ATCA-Rechtsprechung auf dem Prüfstein Die Realität der ATCA-Rechtsprechung lässt sich indes allein über das Modell der ATCA-Rechtsprechung nicht erklären. Hinsichtlich der Frage nach dem völkerrechtlichen Normadressaten verändert die ATCA-Recht446
Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). Alvarez-Machain v. USA, 266 F.3d 1045, 1053 (9th Cir. 2001). 448 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2766, Fn. 20 (2004): „A related consideration is whether international law extends the scope of liability for a violation of a given norm to the perpetrator being sued, if the defendant is a private actor such as a corporation or individual.“ Auch aus der concurring opinion von Justice Scalia, Chief Justice Rehnquist und Justice Thomas (ebd., S. 2772) ergibt sich insoweit nichts anderes. Zwar deuten die Ausführungen der Richter auf den ersten Blick daraufhin, dass auch die Primärnorm dem nationalen Recht zu entnehmen sein soll: „In modern international human rights litigation of the sort that has proliferated since Filártiga v. Peña-Irala [. . .], a federal court must first create the underlying federal command. [. . .] [C]reating a federal command (federal common law) out of ‚international norms‘, and then constructing a cause of action to enforce that command through the purely jurisdictional grant of the ATS, is nonsense upon stilts.“ Dieser erste Eindruck ist indes nicht zutreffend. Die Ausführungen der Richter sind im Kontext der gesamten concurring opinion zu verstehen. In dieser stützen die Richter sich wesentlich darauf, dass bereits die (unmodifizierte) Entnahme einer Norm aus dem Völkergewohnheitsrecht vor dem Hintergrund der Erie-Rechtsprechung ein Akt der Rechtschaffung sei, welcher einer legislativen Autorisation bedürfe, siehe hierzu oben 1. Kapitel, III. Es ist davon auszugehen, dass die Richter diesen Akt der Rechtschaffung meinen, wenn sie auf die Schaffung eines „federal command“ Bezug nehmen. 447
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sprechung vielmehr in vielen Fällen die Vorgaben der völkerrechtlichen Primärnorm und überwindet so die Beschränkungen eines staatenzentrierten Völkerrechts. In den meisten Fällen konzentriert sich die ATCA-Rechtsprechung in ihrer Analyse des Völkerrechts auf die Perspektive des Klägers. Gefragt wird lediglich, ob diesem bereits von Völkerrechts wegen ein Recht zusteht. Analysiert wird dieses Recht nur im Hinblick auf seinen sachlichen Gehalt. Sein persönlicher Gehalt, namentlich die Frage, gegenüber wem dem Kläger das entsprechende Recht zusteht (Staat oder Individuum), wird nicht oder nur sehr beschränkt bedacht. Hier aber treffen Völkerrecht und ATCA weitestgehend unvereinbar aufeinander. Betrachtet man zunächst die subjektive Reichweite der ATCA-Klage, so ergibt sich, dass die Klage gegen den ausländischen Staat und seine Unterteilungen ausschließlich über den FSIA erfolgen kann.449 Auch für die Klage gegen die USA sind spezialgesetzliche Grundlagen vorgesehen.450 Potentielle Beklagte einer ATCA-Klage sind daher nur natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts. Wendet man sich sodann der Reichweite des Völkerrechts zu, erkennt man, dass dieses grundsätzlich ein Recht zwischen Staaten ist. Auch wenn es sich in den letzten Jahren mehr und mehr mit der Rechtsstellung des Individuums befasst, so ist doch nach wie vor die Mediatisierung des Individuums die Regel und seine unmittelbare völkerrechtliche Adressierung der Ausnahmefall.451 Sucht man dann nach dem Schnittbereich von ATCA und Völkerrecht, so findet sich nur der kleine Bereich jener Ausnahmefälle, in denen das Völkerrecht den Beklagten der ATCA-Klage unmittelbar verpflichtet. Es lässt sich nicht ohne weiteres festlegen, welche Normen diesem Bereich zuzuordnen sind. Eine dahingehende Untersuchung muss zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheiden. (a) Die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung der natürlichen Person Zahlreiche völkerrechtliche Verträge wenden sich mittlerweile unmittelbar an das Individuum.452 Der diesbezügliche Stand des Völkergewohnheitsrechts indes ist ungewiss. Klare Aussagen fallen hier schwer, da weite Teile der Literatur die entsprechenden Normen des Vertragsrechts nicht von 449
Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, III. 3. Siehe oben 1. Kapitel, II. 1. a) (1). 451 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 2. Kapitel, § 7, Rn. 3; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 48. Siehe auch oben Teil I, 2. Kapitel, I. 1. 452 Vgl. Bassiouni, Sources and Theory of International Criminal Law, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, Bd. I, S. 3, 62 ff. 450
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jenen des Gewohnheitsrechts trennen. Die Begrenzung des spezifisch völkergewohnheitsrechtlichen Diskurses auf die Strafgerichtshöfe von Nürnberg und Tokio sowie auf die ad hoc-Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda bringt es mit sich, dass außerhalb deren Zuständigkeitsbereichs klare Aussagen speziell zur völkergewohnheitsrechtlichen Adressierung des Individuums kaum auffindbar sind. Die Statuten der ad hoc-Gerichtshöfe sowie des IStGH zeigen jedoch, dass sich zumindest Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid nach derzeitigem Rechtsverständnis bereits von Völkerrechts wegen unmittelbar an die Privatperson wenden. Für den Bereich der Piraterie gehen die Meinungen auseinander. Während angloamerikanische Stimmen diese überwiegend als Norm einordnen, die das Individuum unmittelbar von Völkerrechts wegen verpflichtet, sehen andere sie lediglich dem Universalitätsprinzip453 unterworfen. Letztere Ansicht geht davon aus, dass der Pirat nach nationalem Recht zu bestrafen ist und das Völkerrecht nur insofern eine Rolle spielt, als es im Bereich der Piraterie die gewöhnlichen Schranken staatlicher Strafzuständigkeit aufhebt.454 Im Hinblick auf den Tatbestand der Sklaverei scheinen die Ansichten in ähnlicher Weise zu divergieren. Falls die Tatbestände der Geiselnahme und Flugzeugsabotage bereits dem Völkergewohnheitsrecht angehören, könnte auch dort von einer unmittelbaren Adressierung des Individuums auszugehen sein.455 Selbst wenn man den Kreis der individuell begehbaren Delikte des Völkergewohnheitsrechts sehr weit zieht und ihm neben Völkermord, Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Piraterie, Sklaverei und bestimmte terroristische Handlungen zuordnet, verbleiben zahlreiche über den ATCA einklagbare Delikte, wie beispielsweise Folter, außergerichtliche Tötung und willkürliche Festnahme, die zweifelsfrei nicht individuell begehbar sind. Wenn die soeben genannten Delikte gleichwohl über den ATCA einklagbar sind, so ist dies auf einen dogmatischen Kunstgriff der ATCA-Rechtsprechung zurückzuführen. Sie geht davon aus, dass jede Norm, die sich an den Staat wendet, auch durch das staatlich handelnde Individuum verletzt werden kann. Damit ignoriert sie die grundsätzliche völkerrechtliche Unterscheidung von Normen, die sich an den Staat wenden und Normen, die sich an das Individuum richten. Die Frage nach der individuellen Adressierung des Individuums verwandelt sie in die Frage, ob das Individuum auch als 453
Zum Universalitätsprinzip siehe oben 2. Kapitel, II. 3. Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 42, Rn. 10. 455 Vgl. Ramasastry, Corporate Complicity: From Nuremberg to Rangoon, an Examination of Forced Labor Cases and Their Impact on the Liability of Multinational Corporations, 20 Berkeley J. Int’l L. 91, 100 (2002), die Piraterie, Flugzeugentführung, Sklaverei, Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit als individuell begehbar einordnet. 454
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privater Akteur Adressat der völkerrechtlichen Norm ist. Diese Vorgehensweise ermöglicht es der ATCA-Rechtsprechung, die Begrenzungen zu überwinden, die sich dadurch ergeben, dass das Individuum derzeit nur vereinzelt unmittelbar durch das Völkerrecht angesprochen wird. Auch die Entscheidung des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain behält diese Unterscheidung im Ergebnis bei. Zwar zeigt der Supreme Court eine gewisse Sensibilität für die Frage nach dem Adressaten der völkerrechtlichen Primärnorm. Er erörtert zunächst den Stand des Völkergewohnheitsrechts zur Zeit des Erlasses des ATCA und stellt fest, dass es in jener Zeit Normen gegeben habe, die sich nur an den Staat gewandt hätten und andere Normen, die auch das Individuum zum Normadressaten gehabt hätten. Nur die letzteren Normen seien seinerzeit über den ATCA einklagbar gewesen. Es seien dies die Verletzung von Geleitbriefen, die Verletzung der Rechte von Botschaftern und Piraterie gewesen.456 Diese Sensibilität für den Adressat der völkerrechtlichen Primärnorm überträgt der Supreme Court jedoch nicht auf seine Analysen zum heutigen Stand des Völkergewohnheitsrechts und der ATCA-Rechtsprechung. Hinsichtlich des heutigen Stands des Völkergewohnheitsrechts nimmt er auf die Adressatenproblematik nur in einer Fußnote in einem obiter dictum Stellung. Er unterscheidet insoweit in der Tradition der jüngeren ATCA-Rechtsprechung lediglich zwischen staatlichen und privaten individuellen Akteuren. Auf den Umstand, dass das Völkerrecht nach wie vor primär die Staaten als solche adressiert, nimmt er nicht Bezug.457 Mit dem klassischen Völkerrecht lässt sich dieses Vorgehen nicht in Einklang bringen. Ihm lässt sich eine Gleichstellung von Staat und staatlichem Akteur nicht entnehmen. Es wird lediglich dem Staat das Verhalten seiner Hoheitsträger zugerechnet, nicht jedoch umgekehrt dem Hoheitsträger die staatliche Eigenschaft seiner Anstellungskörperschaft. Völkerrechtliche Normen, die sich nur an den Staat wenden, können nur durch den Staat und nicht auch durch den staatlichen Akteur verletzt werden. Die ATCA-Rechtsprechung versteht ihren Ansatz indes nicht als Abkehr vom klassischen Völkerrecht. In der Filártiga-Entscheidung zum Beispiel, in der eine Gleichstellung von Staat und staatlichem Akteur zugrunde gelegt wird, betont das Gericht die positivistische Fundierung seines Urteils. So heißt es dort: „The requirement that a rule command the ‚general assent of civilized nations‘ is a stringent one.“458 Das Gericht erklärt in seiner Entscheidung nicht, inwiefern sein Ansatz vor dem Hintergrund einer positivistischen Völkerrechtskonzeption gerechtfertigt werden kann. Ein dahingehen456 457 458
Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2756 (2004). Ebd., S. 2766, Fn. 20. Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 881 (2d Cir. 1980).
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der Versuch wird erst vier Jahre später durch ein anderes Gericht im Fall TelOren v. Libyan Arab Republic unternommen. Richter Edwards führt in dieser (sich aus drei Sondervoten zusammensetzenden) Entscheidung aus, dass das Völkerrecht das Individuum auf zwei verschiedenen Wegen anspreche: zum einen als staatlichen Akteur, zum anderen als Privatperson.459 Während die individuelle Adressierung der Privatperson derzeit im Entstehen begriffen sei, sei die Adressierung des individuellen staatlichen Akteurs seit den Nürnberger Prozessen völkerrechtlich etabliert.460 Ausschlaggebend sei insoweit die Erkenntnis des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals, dass völkerrechtliche Verbrechen nicht durch abstrakte Einheiten, sondern durch Individuen begangen werden. Aus ihr resultiere der Grundsatz, dass das Individuum zu seiner Verteidigung nicht vorbringen könne, es habe als staatlicher Akteur gehandelt.461 Richter Edwards leitet aus dieser Feststellung ab, dass der individuelle staatliche Akteur pauschal durch das Völkerrecht angesprochen ist. Hierbei handelt es sich indes um eine Fehlinterpretation. Aus dem Richterspruch des Tribunals kann nicht abgeleitet werden, dass jede Norm, die sich an den Staat wendet, auch den staatlichen Akteur zum Normadressaten hat. Die Entscheidung des Tribunals besagt allein, dass das Individuum, das bereits als Individuum durch das Völkerrecht angesprochen ist, sich bezogen auf seine völkerrechtliche Verpflichtung nicht darüber rechtfertigen kann, als staatlicher Agent gehandelt zu haben. Kehrt man zu den technischen Details der Adressatenproblematik zurück, ist festzuhalten, dass die ATCA-Rechtsprechung zwei Gruppen von Delikten unterscheidet: solche, die sich an den Staat und den staatlichen Akteur und solche, die sich zusätzlich oder nur an den privaten Einzelnen wenden. Die Frage, die sich nun stellt, ist die nach den Kriterien, nach denen sich bestimmt, ob ein Individuum staatlich gehandelt hat. Vorstellbar wäre der Ansatz, insoweit die völkerrechtlichen Normen der Zurechnung umzukehren, das heißt, dem Individuum in all jenen Fällen die „Staatlichkeit“ zuzurechnen, in denen umgekehrt sein Verhalten dem Staat zugerechnet werden könnte.462 Ein derartiger Ansatz wäre vor dem Hintergrund einer rein ergänzenden Implementierungskonzeption zumindest erwägenswert. Die 459
Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 793 (D.C. Cir. 1984). Ebd. 461 Ebd., Fn. 23. Ähnlich argumentiert Stephens, The Amorality of Profit: Transnational Corporations and Human Rights, 20 Berkeley J. Int’l L. 45, 72 (2002). Näher zu der Entscheidung des Kriegsverbrechertribunals bereits oben Teil I, 3. Kapitel, I. 2. 462 Vgl. Bassiouni, Sources and Theory of International Criminal Law, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, Bd. I, S. 3, 19. Siehe auch Ramasastry, Corporate Complicity: From Nuremberg to Rangoon, an Examination of Forced Labor Cases and Their Impact on the Liability of Multinational Corporations, 20 Berkeley J. Int’l L. 91, 146 f. (2002). 460
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ATCA-Rechtsprechung folgt diesem Ansatz jedoch nicht. Stattdessen greift sie kommentarlos auf die nationalen Grundsätze zur Haftung staatlicher Akteure im Rahmen von 42 U.S.C. § 1983463 zurück.464 Eine Person, die für Belange des 42 U.S.C. § 1983 staatlicher Akteur ist, ist dies auch im Rahmen des ATCA. (b) Die unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung der juristischen Person des Privatrechts Im Hinblick auf den theoretischen Anspruch der Gerichte, im Rahmen des ATCA auf präexistente völkerrechtliche Primärnormen zurückzugreifen, erscheint auch die Anwendung des ATCA auf juristische Personen des Privatrechts (nachfolgend juristische Personen) fragwürdig. Die Anwendbarkeit des ATCA auf juristische Personen war von jeher akzeptiert, erhielt jedoch erst durch den Fall Doe v. Unocal eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, in dem das Gericht den ATCA auf einen multinationalen Konzern anwendete. Sie ist mit dem theoretischen Ansatz der ATCA-Rechtsprechung nur vereinbar, wenn die juristische Person unmittelbar von Völkerrechts wegen verpflichtet ist. Dies ist der Fall, wenn eine von einer Rechtsüberzeugung (opinio iuris) getragene allgemeine Übung existiert,465 die die juristische Person allgemein oder zumindest bestimmte, besonders bedeutsame juristische Personen (namentlich multinationale Konzerne) für Verletzungen des Völkerrechts zur Verantwortung zieht. Die dogmatische Grundlage einer solchen Fortentwicklung des Völkerrechts kann die punktuelle, Norm für Norm vollzogene Adressierung der juristischen Person sowie die pauschale Gleichstellung von individuellen und korporativen Tätern sein. Bei einer pauschalen Gleichstellung geht man davon aus, dass die juristische Person all jene Normen verletzen kann, die individuell begehbar sind. Die ATCA-Rechtsprechung scheint diesem Ansatz zu folgen. Sie geht mit keinem Wort auf die Anwendung des ATCA auf juristische Personen ein. Sie legt eine dahingehende Möglichkeit als selbstverständlich zugrunde. Sie wendet die Normen des Völkerrechts unterschiedslos auf individuelle und korporative Beklagte an. Ein dahingehender Ansatz ist dem Völkerrecht indes nicht zu entnehmen. Dies hat seinen Grund darin, dass die natürliche Person derzeit nur im Bereich des Völkerstrafrechts unmittelbare Adressatin völkerrechtlicher Normen ist. Für eine automatische Übertragung dieser völkerrechtlichen Stellung der natürlichen Person auf die juristische Person 463
Siehe hierzu oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. c) (1). Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 245 (2d Cir. 1995); Beanal v. FreeportMcMoRAN, Inc., 969 F. Supp. 362, 374 (E.D. La. 1997). 465 Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 2 ff. 464
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findet sich im Völkerrecht gegenwärtig keine Grundlage. Es fehlt insoweit an einem Konsens der Staaten. Die nämlich unterscheiden mehrheitlich exakt zwischen individueller und korporativer strafrechtlicher Verantwortlichkeit.466 Jenseits einer pauschalen Gleichstellung von individuellen und korporativen Tätern ist eine punktuelle Adressierung der juristischen Person durch das Völkerrecht vorstellbar. Ließen sich vereinzelte völkerrechtliche Adressierungen der juristischen Person finden, so wäre der pauschalisierende Ansatz der ATCA-Rechtsprechung zumindest punktuell völkerrechtlich gedeckt. Es ist daher zu untersuchen, ob die juristische Person in bestimmten Bereichen unabhängig von der natürlichen Person Adressatin völkerrechtlicher Normen ist. Traditionellerweise wird die völkerrechtliche Stellung der juristischen Person nur im Zusammenhang mit der „international agreement doctrine“ angesprochen. Bei dieser Doktrin geht es um die Frage, ob Vereinbarungen zwischen einem Staat und einem multinationalen Konzern unter bestimmten Umständen als völkerrechtliche Verträge angesehen werden können und damit dem multinationalen Konzern eine partielle Völkerrechtssubjektivität zugestanden werden kann. Dieser Ansatz ist bislang nicht durch die internationale Praxis bestätigt worden.467 In neuerer Zeit wird eine partielle Völkerrechtssubjektivität des multinationalen Konzerns auch im Zusammenhang mit dem internationalen Menschenrechtsschutz diskutiert. Menschenrechtsaktivisten machen geltend, der multinationale Konzern sei an die Menschenrechte gebunden. Zum Teil wird insoweit auf die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwiesen. Dort heißt es, jeder Einzelne und alle Organe der Gesellschaft müssten sich die Erklärung stets gegenwärtig halten. Aus der Tatsache, dass anerkanntermaßen auch die juristische Person (und somit auch der multinationale Konzern) den „Organen der Gesellschaft“ zuzurechnen ist, wird gefolgert, dass auch jene durch die Menschenrechtserklärung unmittelbar völkerrechtlich verpflichtet wird.468 Es kann sich bei der fraglichen Passage indes lediglich um einen moralischen Appell, nicht jedoch um eine rechtliche Verpflichtung der juristischen Person handeln. Andernfalls müsste auch das Individuum, das in der Präambel ebenfalls angesprochen ist, durch die in der Konvention enthaltenen Bestimmungen unmittelbar verpflichtet werden, ein Ergebnis, das weder von einer internationalen Überzeugung noch von einer internationalen Praxis getragen ist. 466 Bassiouni, Sources and Theory of International Criminal Law, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, Bd. I, S. 3, 17. 467 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 2. Kapitel, § 8, Rn. 15. 468 Stephens, The Amorality of Profit: Transnational Corporations and Human Rights, 20 Berkeley J. Int’l L. 45, 77 (2002).
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Plausibler erscheint der gleichfalls in der Literatur vorgebrachte Verweis auf Art. 9 der Charta des Internationalen Kriegsverbrechertribunals von Nürnberg,469 nach welchem das Tribunal die Befugnis besaß, eine Organisation für kriminell zu erklären.470 Das Tribunal machte von dieser Befugnis Gebrauch und entschied, dass eine Organisation kriminell sei, wenn sie sich der Begehung von in der Charta aufgeführten Verbrechen verschrieben habe.471 Diese Verknüpfung der völkerrechtswidrigen Zweckrichtung einer Organisation mit ihrer Einordnung als kriminell setzt denknotwendig voraus, dass die Organisation die entsprechenden Normen des Völkerrechts verletzen kann. Der Präzedenzwert dieser Stellungnahme des Tribunals ist jedoch gering. Zu bedenken ist, dass die Aussagen zur völkerrechtlichen Schuld einer Organisation im Hinblick auf Art. 10 der Charta des Tribunals ergingen, welcher es den Vertragsparteien der Charta erlaubte, die Mitglieder einer für kriminell befundenen Organisation vor eigenen Gerichten zu verfolgen.472 Die Feststellung der Kriminalität der Vereinigung war also nicht Selbstzweck, sondern bloßer Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen. Aktuelle internationale Stellungnahmen stellen die juristische Person ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und entfalten eine vergleichsweise stärkere Beweiskraft. So wurde im Rahmen der Verhandlungen zum Statut des Internationalen Strafgerichtshofes eine Erstreckung der Gerichtszuständigkeit auf die juristische Person des Privatrechts erwogen. Abgelehnt wurde der Vorschlag letztendlich nicht unter Verweis auf eine fehlende völkerrechtliche Adressierung der juristischen Person, sondern weil ein Konsens im Hinblick auf die konkreten Bedingungen ihrer internationalen strafrechtlichen Verfolgung nicht erzielt werden konnte.473 Von einer völkerrechtlichen Verpflich469 Art. 9: At the trial of any individual member of any group or organization the Tribunal may declare (in connection with any act of which the individual may be convicted) that the group or organization of which the individual was a member was a criminal organization [. . .]. Die Charta ist dem Londoner Abkommen über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achsenmächte als Anhang beigefügt. Das Abkommen ist abgedruckt in 39 Am. J. Int’l L. 257 (Suppl.) (1945). 470 Clapham, The Question of Jurisdiction Under International Criminal Law Over Legal Persons, in: Kamminga/Zia-Zarifi (Hrsg.), Liability of Multinational Corporations Under International Law, S. 139, 160 ff. Vgl. auch Bassiouni, Sources and Theory of International Criminal Law, in: Bassiouni (Hrsg.), International Criminal Law, Bd. I, S. 3, 24. 471 Urteil vom 1.10.1946, abgedruckt in 41 Am. J. Int’l L. 172, 251 (1946). 472 Art. 10: In cases where a group or organization is declared criminal by the Tribunal, the competent national authority of any Signatory shall have the right to bring individuals to trial for membership therein before national, military or occupation courts. In any such case the criminal nature of the group or organization is considered proved and shall not be questioned.
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tung speziell des multinationalen Konzerns geht die Arbeitsgruppe der UNSubcommission on the Promotion and Protection of Human Rights aus. In der Präambel ihres Entwurfes zu den Human Rights Principles and Responsibilities for Transnational Corporations and Other Business Enterprises „bestätigt“ sie lediglich die Verpflichtungen der Unternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte („Reaffirming that transnational corporations [. . .] have human rights obligations and responsibilities [. . .]“).474 Es lässt sich also durchaus eine internationale Tendenz hin zu einer opinio iuris erkennen, die die juristische Person allgemein bzw. den multinationalen Konzern im Besonderen durch das Völkerrecht gebunden sieht. Es fehlt jedoch bislang an einer verbreiteten internationalen Praxis, die die juristische Person für Verletzungen des Völkerrechts zur Verantwortung zöge; klare Vorgaben liefert insoweit allein die jüngste ATCA-Rechtsprechung. Eine völkergewohnheitsrechtliche Adressierung der juristischen Person ist daher gegenwärtig möglicherweise im Entstehen begriffen, dem etablierten Völkergewohnheitsrecht jedoch noch nicht zu entnehmen. Die ATCARechtsprechung zur völkerrechtlichen Verpflichtung juristischer Personen ist daher völkerrechtlich nicht gedeckt. (c) Ergebnis Die ATCA-Rechtsprechung zur völkergewohnheitsrechtlichen Alternative des ATCA legt ihrer völkerrechtlichen Analyse die Gleichstellung von Staat und staatlichem Akteur sowie von natürlicher und juristischer Person zugrunde. Dem Völkerrecht sind derartige Gleichstellungen bzw. Ansätze, die die Konsequenzen dieser Gleichstellungen im Ergebnis legitimieren würden, nicht zu entnehmen. Dies wäre unerheblich, wenn die Frage nach dem Adressaten einer Norm nebensächlich wäre. Dem ist nicht so. Der Adressatenkreis einer Norm steht gleichberechtigt neben ihrem materiellen Inhalt und muss ebenso wie dieser von einem völkerrechtlichen Konsens getragen sein. Soweit das Völkerrecht den Adressatenkreis der ATCA-Rechtsprechung nicht deckt, werden im Rahmen des ATCA nicht existente Primärnormen angewendet, sondern neue Primärnormen durch das Richterrecht geschaffen. Nur in Fällen, in denen sich die im konkreten Fall angewandte Norm des Völkerrechts unmittelbar an den Beklagten der ATCA-Klage wendet, begrenzt sich die ATCA-Rechtsprechung zur völkergewohnheitsrechtlichen 473
Clapham, The Question of Jurisdiction Under International Criminal Law Over Legal Persons, in: Kamminga/Zia-Zarifi (Hrsg.), Liability of Multinational Corporations Under International Law, S. 139, 143. 474 E/CN.4 Sub.2/2002/XX/Add.2; E/CN.4/Sub.2/2002/WG.2/WP.1/Add.2.
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Alternative des ATCA darauf, die völkerrechtliche Primärnorm mit dem Rahmen einer innerstaatlichen Anspruchsgrundlage zu versehen. Es handelt sich um einen Fall der ergänzenden Implementierung des Völkerrechts. In den weitaus häufigeren Fällen, in denen die angewandte Norm des Völkerrechts sich nicht bereits von Völkerrechts wegen unmittelbar an den Beklagten der ATCA-Klage wendet, verändert die ATCA-Rechtsprechung zugleich den Adressaten der völkerrechtlichen Primärnorm. Es wird neben der ergänzenden zugleich eine verändernde Implementierung vorgenommen. b) Der ATCA und das Völkervertragsrecht Die Frage nach der unmittelbaren Vollziehbarkeit eines völkerrechtlichen Vertrages wird bestimmt durch Art. IV Section 2 der Verfassung sowie durch die richterrechtliche Doktrin zu den self-executing treaties. In Art. IV Section 2 der Verfassung heißt es: This Constitution, and the Laws of the United States, which shall be made in Pursuance thereof; and all Treaties made, or which shall be made, under the Authority of the United States, shall be the supreme Law of the Land; and the Judges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any State to the Contrary notwithstanding.
Indem die Verfassung das Völkervertragsrecht als solches generell, und ohne dass ein vorangehender Implementierungsakt erforderlich wäre, zum „law of the land“ erklärt, entscheidet sie sich für dessen umfassende und vorbehaltlose Inkorporation in den nationalen Rechtsraum.475 Dies genügt jedoch noch nicht, um den völkerrechtlichen Vertrag als solchen vor den nationalen Gerichten vollziehen zu können. Der völkerrechtliche Vertrag muss darüber hinaus „self executing“ sein. Er muss insbesondere einklagbare Individualrechte schaffen. Diese Voraussetzung ist regelmäßig nicht gegeben, da die völkerrechtlichen Verträge solche Rechte nicht schaffen oder die USA die entsprechenden Verträge mit einer non self executing-Erklärung versehen.476 Anders als im Bereich der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative wird das Fehlen einklagbarer Rechte im Hinblick auf die völkervertragliche Alternative des ATCA nicht über die Ergänzung einer innerstaatlichen Sekundärnorm ausgeglichen.477 Davon losgelöst, scheinen die Gerichte jedoch auch im Bereich der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative die bereits dargelegten adressatenspezifischen Grundsätze anzuwenden. 475 Vgl. oben I. 1. a) die Adoptionstheorie, Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 800. 476 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. a) (2). 477 Ebd.
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Indiziert wird dies dadurch, dass bislang in keinem ATCA-Fall, der zur völkervertraglichen Alternative Stellung bezog, hinterfragt wurde, ob sich der geltend gemachte Vertrag auch an den individuellen Beklagten richtet. Es ist deshalb anzunehmen, dass auch insoweit die Gleichstellung von Staat und staatlichem Akteur aufrechterhalten wird und neue Primärnormen begründet werden.478 In den Fällen, in denen der völkerrechtliche Vertrag sich nicht an das beklagte Individuum wendet, entnehmen die Gerichte mithin dem nationalen Recht die Primärnorm, nicht jedoch die Sekundärnorm. Es liegt folglich lediglich eine verändernde Implementierung vor. c) Der ATCA als Ermächtigung zur Schaffung bundesrechtlicher Primärnormen? Seinem Wortlaut nach begründet der ATCA lediglich die Zuständigkeit der Bundesgerichte. Ihm ist keine Befugnis zur Schaffung neuer Primärnormen zu entnehmen. Während die Ergänzung des Völkerrechts über die Schaffung einer bundesrechtlichen Sekundärnorm über eine geltungserhaltende Interpretation des ATCA gerechtfertigt werden kann,479 würde der ATCA auch ohne die Kreation neuer Primärnormen nicht jede Bedeutung verlieren. Er wäre in diesem Fall lediglich auf die Geltendmachung jener Normen beschränkt, die sich von Völkerrechts wegen unmittelbar an das Individuum wenden. Eine Rechtfertigung über das Erfordernis einer geltungserhaltenden Ergänzung kann hier also nicht erfolgen. Es muss ein anderes Erklärungsmodell bemüht werden. Vereinzelt wird insoweit auf die Entscheidung des Supreme Court im Fall Textile Workers v. Lincoln Mills480 hingewiesen.481 Dort entschied der Supreme Court, dass 478
Bemerkenswert erscheint, dass in aller Regel noch nicht einmal auf die vertragliche Verpflichtung des Heimatstaates des Beklagten Bezug genommen wurde. Bislang wurde in nur einem Fall am Rande erwähnt, dass der Heimatstaat des Beklagten durch den Vertrag verpflichtet sei und der Vertrag deshalb im Fall anwendbar sei, siehe Benjamins v. British European Airways, 572 F.2d 913, 914 (2d Cir. 1978). Diese Ungenauigkeit der ATCA-Rechtsprechung hat bislang nur wenig Proteste hervorgerufen, da vornehmlich multilaterale Verträge geltend gemacht wurden, die ohnehin in weiten Teilen den Stand des Völkergewohnheitsrechts widerspiegelten. Vgl. hierzu Carpenter, The International Covenant on Civil and Political Rights: A Toothless Tiger?, 26 N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 1, 38 (2000), die vor diesem Hintergrund der Ansicht ist, die Vertragsalternative des ATCA könne nur in Klagen gegen die USA geltend gemacht werden. 479 Vgl. oben a) (1). 480 Textile Workers Union v. Lincoln Mills, 353 U.S. 448 (1957). 481 D’Zurilla, Individual Responsibility for Torture Under International Law, 56 Tul. L. Rev. 186, 219 (1981); zur Legitimation der bundesrichterlichen Ergänzung einer cause of action wird die Entscheidung hingegen häufig angeführt, siehe z. B.
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in einer gesetzlichen Zuständigkeitszuweisung zugleich die Ermächtigung liegen könne, das zur Aburteilung der zugewiesenen Fallgruppen erforderliche materielle Recht zu schaffen.482 Entscheidend sei insoweit die Intention des Gesetzgebers.483 Der ursprüngliche ATCA-Gesetzgeber freilich hatte eine derartige Kompetenzzuweisung nicht im Sinne. Die Tatsache, dass von den ursprünglich anvisierten Rechtsverletzungen (Missachtung von Geleitbriefen, Übergriffe auf ausländische Diplomaten, Piraterie, Sklavenhandel und rechtswidrige Kaperungen)484 heutzutage nur noch Sklaverei und Piraterie über den ATCA geltend gemacht werden könnten,485 könnte jedoch für die Angemessenheit einer Anpassung der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention sprechen.486 Darüber hinaus wurde die ATCA-spezifische Kreation eigenständiger Primärnormen nach der hier vertretenen Auffassung mit Erlass des TVPA zumindest implizit durch den modernen Gesetzgeber autorisiert.487 Sieht man die ATCA-Rechtsprechung als Normschaffung in Anlehnung an Lincoln Mills, endet die Problematik an diesem Punkt jedoch nicht. Die strikte Anwendung des Lincoln Mills-Modells würde verlangen, dass die Gerichte über den ATCA zunächst ihre Zuständigkeit begründen und sodann die delegierten Kompetenzen zur Rechtschaffung wahrnehmen. Bereits für Belange der Zuständigkeitsbegründung aber müßte eine Völkerrechtsverletzung dargelegt werden. Die Ratio der Zuständigkeitszuweisung an die Bundesgerichte (Vermeidung von provinzieller Voreingenommenheit und außenpolitischer Unsensibilität der Staatengerichte)488 verlangt hierbei nicht, dass eine Norm des Völkerrechts gerade durch den Beklagten verletzt wurde, sondern greift bereits, wenn eine Verletzung des Völkerrechts überhaupt vorliegt. Hinreichend wäre es also, dass das Verhalten des Beklagten, vermittelt über die Zurechnung an den staatlichen Auftraggeber, eine Norm des Völkerrechts verletzt (objektive Völkerrechtsverletzung). Auf einer zweiten Stufe dann könnten die Gerichte eigenständige nationale Primärnormen schaffen und erst hier würde es darauf ankommen, dass diese Normen durch den Beklagten selbst verletzt wurden (subjektive Völkerrechtsverletzung). Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L.J. 2347, 2368, Fn. 118 (1991); Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 130, Fn. 565. 482 Textile Workers Union v. Lincoln Mills, 353 U.S. 448, 456 f. (1957). 483 Ebd., S. 457. 484 Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 2. 485 Siehe oben a) (1). 486 Vgl. D’Zurilla, Individual Responsibility for Torture Under International Law, 56 Tul. L. Rev. 186, 220 (1981). 487 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, V. 2. 488 Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 1.
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Die ATCA-Rechtsprechung folgt diesem zweistufigen Modell nicht. Stattdessen verfährt sie einstufig und zirkulär. Sie legt für den Bereich der Zuständigkeitsbegründung und für den Bereich des materiellen Rechts einen einheitlichen Maßstab an. Sie sieht ihre sachliche Zuständigkeit bereits dann als eröffnet an, wenn eine Norm des nationalen Richterrechts verletzt ist, die das Gericht an sich nur dann schaffen dürfte, wenn es kompetent wäre. Insoweit als die ATCA-Rechtsprechung ihre Zuständigkeit also auf selbst geschaffene bundesrechtliche Normen und nicht auf völkerrechtlich vorgegebene Primärnormen stützt, überschreitet sie der Form nach ihren Kompetenzbereich. Zu bedenken ist jedoch, dass sich Probleme hier nur ergeben, wenn sich die streitgegenständliche Norm von Völkerrechts wegen noch nicht unmittelbar an den Beklagten wendet und seine fehlende völkerrechtliche Adressierung ausgeglichen wird, indem ihm die staatliche Eigenschaft seiner Anstellungskörperschaft bzw. seines Mittäters oder Gehilfen zugerechnet wird. Eine dahingehende Zurechnung erfolgt nach den Kriterien der under color of law-Rechtsprechung zu § 1983 und ist nur möglich, wenn zwischen dem Beklagten und dem Staat ein verhältnismäßig enges Verhältnis besteht.489 In den Konstellationen, in denen die ATCA-Rechtsprechung auf dieser Grundlage den Täter zum staatlichen Akteur erklärt, wäre umgekehrt, nach völkerrechtlichen Grundsätzen, auch eine Zurechnung des individuellen Verhaltens an den Staat möglich. Dies liegt daran, dass das Völkerrecht grundsätzlich dem Staat das Handeln seiner Organe zurechnet und sich bei der Frage, ob ein bestimmtes tatsächliches Geschehen von einem Staatsorgan verursacht wurde, an das jeweilige innerstaatliche Recht hält.490 Eine objektive Verletzung des Völkerrechts, auf die das Gericht seine Zuständigkeit stützten könnte, läge daher in den meisten Fällen vor. Da die Kompetenz des Gerichtes auf diesem Wege verfassungskonform begründet werden könnte, erscheint die Vorgehensweise der ATCA-Rechtsprechung im Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich. d) Warum wird die Adressatenproblematik in Literatur und Rechtsprechung nicht beachtet? Es stellt sich die Frage, warum die Adressatenproblematik im Bereich des ATCA völlig vernachlässigt wird. Die fehlende Übereinstimmung des Kreises der Völkerrechtsadressaten mit jenem der ATCA-Beklagten lässt sich nicht über den Prozess der Einbeziehung des Völkerrechts in den na489
Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. c) (1). Zu den Voraussetzungen der Zurechnung individuellen Verhaltens an den Staat siehe Ipsen (ders.), Völkerrecht, 9. Kapitel, § 40, Rn. 2 ff. 490
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tionalen Rechtsraum erklären. Zwar verlagert sich im Zusammenhang mit der Inkorporation des Völkerrechts in den nationalen Rechtsraum die völkerrechtliche Verpflichtung des Staates auf seine Organe und Bediensteten.491 Dies gilt jedoch nicht für die Staatsorgane und Bediensteten anderer Staaten oder für Privatpersonen. William D’Zurilla, einer der ganz wenigen Autoren, die die fehlende völkerrechtliche Adressierung des Individuums erörtern,492 erklärt die Vernachlässigung der Problematik für den Fall Filártiga mit einer Fehlinterpretation des Universalitätsprinzips.493 Das Gericht, das seine Entscheidung darauf gestützt habe, dass der Folterknecht, wie schon der Pirat und der Sklavenhändler vor ihm, zum hostis humani generis geworden sei,494 habe übersehen, dass das Universalitätsprinzip lediglich den einzelnen Staat zur Ausübung seiner Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsgewalt berechtige, nicht jedoch eine individuelle Verantwortlichkeit des Individuums begründe. Diese Argumentation erscheint möglich, sie ist jedoch nicht zwingend. Es kann letztlich nicht geklärt werden, ob das Filártiga-Gericht über seine Bezugnahme auf das Universalitätsprinzip die Extraterritorialität seiner Jurisdiktionsausübung oder die individuelle Verantwortlichkeit des Beklagten rechtfertigen wollte. Möglicherweise liegt der heutigen Konzeption auch eine Fehlinterpretation der Kriegsverbrecherprozesse von Nürnberg zugrunde. Zu verweisen ist insoweit auf die Entscheidung im Fall Tel-Oren v. Libyan Arab Republic495. Dort bezogen sich die Richter auf die Stellungnahme des Kriegsverbrechertribunals von Nürnberg, wonach ein staatlicher Akteur sich nicht damit verteidigen könne, im Auftrag des Staates gehandelt zu haben.496 Sie leiteten daraus ab, dass jede Norm, die sich an den Staat wende, auch den individuellen staatlichen Akteur zum Normadressaten habe. Wie bereits ausgeführt, geht diese Argumentation fehl, da sie Tatbestandsebene und Rechtfertigungsebene vermengt. Plausibel erscheint es daneben, die Erklärung für die derzeitige Übergehung der Adressatenproblematik im nationalen Recht zu suchen. Es ergeben sich frappierende Ähnlichkeiten zwischen dem nationalen Recht der 491
Vgl. Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 418. Siehe auch Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 140 ff. sowie Sacharoff, Multinationals in Host Countries: Can They Be Held Liable Under the Alien Tort Claims Act for Human Rights Violations?, 23 Brook. J. Int’l L. 927 (1998). 493 D’Zurilla, Individual Responsibility for Torture Under International Law, 56 Tul. L. Rev. 186, 218 (1981). 494 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2d Cir. 1980). 495 Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774 (D.C. Cir. 1984). 496 Ebd., Fn. 23. 492
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USA und dem Völkerrechtsverständnis der US-Gerichte. So scheint hinsichtlich der Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen der Grundsatz des US-amerikanischen Rechts, nach welchem grundsätzlich jede individuell verletzbare Norm auch durch die juristische Person des Privatrechts verletzt werden kann,497 auf den Bereich des Völkerrechts übertragen zu werden.498 Gleiches gilt möglicherweise im Hinblick auf die Gleichstellung von Staat und staatlichem Akteur. Im nationalen Recht zur Haftung für hoheitliches Handeln sollten die Klagen gegen den individuellen Hoheitsträger ursprünglich jene Rechtsschutzlücken füllen, die durch die weitreichenden Immunitäten des Bundes und der Staaten499 geschaffen worden waren.500 Dieses Ziel wurde durch die durchgängig parallele Haftung von Staat und staatlichem Akteur erreicht. Die Umgehung der Immunität des Souveräns durch die Klage gegen seine Bediensteten, wie sie im Völkerrecht durch die Erstreckung der staatlichen Immunität auf den individuellen Hoheitsträger vermieden werden soll,501 war gewollt.502 Da zwischenzeitlich die Immunitäten des Souveräns beschränkt wurden und die staatlichen Bediensteten eigene Immunitäten erhielten,503 besteht dieses Umgehungsmodell nur noch ansatzweise fort. Es bleibt die Vorstellung, dass in den Fällen, in denen die Klage gegen den Souverän an dessen Immunität scheitert, die Klage gegen den staatlichen Bediensteten weiterhelfen kann. Das Völkerrecht kennt keinen Mechanismus, über den Haftungslücken, die sich aus der Staatenimmunität ergeben, geschlossen würden. Es könnte sein, dass die US-Gerichte diese Situation aus ihrem nationalen Rechtsverständnis heraus für unbefriedigend befinden und die bestehenden Haftungslücken, entsprechend der nationalen Rechtslage, über den Gleichlauf der Haftung des Staates und der Haftung des staatlichen Akteurs vermeiden. 497 Fletcher Encyclopedia of the Law of Private Corporations, Fletcher et al. (Hrsg.), Bd. X, Section 4877, S. 337 f. 498 Vgl. Stephens, Corporate Accountability: International Human Rights Litigation Against Corporations in US Courts, in: Kamminga/Zia-Zarifi (Hrsg.), Liability of Multinational Corporations Under International Law, S. 209, 220. 499 Siehe oben 1. Kapitel, II. 1. a). 500 Vgl. Low/Jeffries, Civil Rights Actions, S. 19 ff. 501 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, S. 77. 502 Jaffe, Suits Against Governments and Officers: Sovereign Immunity, 77 Harv. L. Rev. 1, 2 (1963): „[T]he doctrine of sovereign immunity [. . .] has never had, and does not have today, much impact on the judicial control of administrative illegality, that question being clearly litigable within the reach of the actions and prerogative writs against officers.“ Siehe auch Lininger, Overcoming Immunity Defenses to Human Rights Suits in U.S. Courts, 7 Harv. Hum Rts. J. 177, 186 (1994). 503 Fallon/Meltzer/Shapiro, The Federal Courts and the Federal System, S. 1165. Siehe auch oben 1. Kapitel, II. 1. a).
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Dies erfordert die Annahme, dass jede Norm, die sich von Völkerrechts wegen an den Staat wendet, auch den individuellen staatlichen Akteur zum Normadressaten hat. Für die These der Übertragung nationaler Haftungsmodelle auf das Völkerrecht spricht es, dass die Gerichte den Begriff des staatlichen Akteurs auch im Rahmen der HRL über die im nationalen Recht geläufige under color of law-Rechtsprechung bestimmen.504 3. Ergebnis und Ausblick Nach derzeitiger Rechtslage ist die Rechtsprechung zur völkergewohnheitsrechtlichen Alternative des ATCA ergänzende und zum Teil verändernde Implementierung des Völkerrechts. Im Bereich der völkervertraglichen Alternative findet soweit ersichtlich lediglich eine verändernde Implementierung statt. Zurückzuführen sind die insoweit durchgeführten richterrechtlichen Modifikationen des Völkerrechts aller Wahrscheinlichkeit nach auf die unterschiedslose Übertragung nationaler Haftungsmodelle auf den Bereich des Völkerrechts. Sowohl bei der völkervertraglichen als auch bei der völkergewohnheitsrechtlichen Alternative des ATCA werden die modifizierenden Elemente der Implementierung nicht klar gekennzeichnet. Häufig werden Normen „als Völkerrecht“ angewendet, obgleich es sich bei ihnen um Vorschriften des nationalen Richterrechts handelt. Es gelingt der ATCA-Rechtsprechung auf diesem Wege, die erhöhte internationale Legitimität und Aussagekraft einer unmittelbaren Anknüpfung an völkerrechtliche Primärnormen beizubehalten und zugleich die inhaltliche Begrenztheit des Völkerrechts bzw. die Schranken, die es einem unmittelbaren innerstaatlichen Vollzug entgegen stellt, zu umgehen.505 Da sich die Rechtsprechung im Übrigen an den Vorgaben des Völkerrechts orientiert, könnte man erwägen, die von ihr im Bereich der Adressatenfrage an den Tag gelegte Ungenauigkeit als technisches Detail zu vernachlässigen. Dagegen, dass es sich um ein technisches Detail handelt, spricht indes das Ausmaß der Problematik. Würde die ATCA-Rechtsprechung ihrer dogmatischen Vorgabe (der Anwendung völkerrechtlicher Primärnormen) Folge leisten, wäre nur ein Bruchteil der heutigen ATCA-Klagen möglich. ATCA-Klagen gegen multinationale Konzerne wären gänzlich ausgeschlossen, da Konzerne derzeit noch nicht unmittelbare Adressaten völkergewohnheitsrechtlicher Normen sind. Klagen gegen Individuen wären nur in Bereichen möglich, in denen das Völkerrecht sich unmittelbar an das Individuum wendet, das heißt Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie unter Umständen Piraterie, Sklaverei und 504 505
Siehe oben a) (1). Siehe oben I. 2.
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Teil II: Probleme und Grenzen der Human Rights Litigation
bestimmte terroristische Handlungen.506 stützt sich indes auf andere Delikte. Auf kommt man vor diesem Hintergrund 70–80 % der derzeitigen ATCA-Klagen Grundlage beruhen.
Die Mehrzahl der ATCA-Klagen Grundlage einer groben Schätzung zu dem Schluss, dass ungefähr auf einer dogmatisch unsauberen
Die Problematik eines derart unsicheren dogmatischen Fundaments verschärft sich angesichts der regelmäßig extraterritorialen Ausrichtung der ATCA-Klagen. In den typischen ATCA-Fällen ernennen sich die Gerichte dazu, eine Tat, die kaum Bezüge zu den USA aufweist, am Maßstab des Völkerrechts zu messen, ohne hierzu vom primär betroffenen Staat oder einem anderen Staat berufen zu sein. Diese Vorgehensweise erweckt eine hohe internationale Erwartungshaltung. Es wird erwartet, dass die US-Gerichte, die sich unaufgefordert einer auswärtigen Angelegenheit annehmen, ihre Aufgabe gut machen. Vor diesem Hintergrund ist es nachteilig, wenn sich herausstellt, dass das, was die US-Gerichte dem Beklagten und dem Ausland als Völkerrecht präsentieren, in Wirklichkeit kein Völkerrecht ist. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die frühe Warnung des Filártiga-Gerichts, das Völkergewohnheitsrecht müsse streng ausgelegt werden, als zutreffend, „[w]ere this not so, the courts of one nation might feel free to impose idiosyncratic legal rules upon others, in the name of applying international law“.507 Die Folge ist, dass die Menschenrechtsfälle im Ausland als eine neue Variante US-amerikanischer Rechtshegemonie erblickt und abgelehnt werden.508 Über einen dogmatisch sauberen Ansatz könnte dieser Effekt vermieden oder zumindest verringert werden. Zwei Wege sind insoweit vorstellbar: Zum einen die Aufgabe der Idee einer Vollstreckung präexistenter Normen des Völkerrechts zugunsten eines ausdrücklichen Bekenntnisses zur innerstaatlichen Kreierung neuer völkerrechtlich inspirierter Normen des bundesrechtlichen Deliktsrechts; zum anderen ein Festhalten an der Idee der innerstaatlichen Durchsetzung völkerrechtlicher Normen und die Begrenzung des ATCA auf solche Normen, die sich bereits von Völkerrechts wegen auch an das Individuum wenden. Dem ATCA lassen sich keine Vorgaben entnehmen, die in die eine oder andere Richtung weisen würden. Auch das Völkerrecht verlangt nicht zwingend nach dem einen oder dem anderen Weg. Im Hinblick auf die erste Alternative, die extraterritoriale Anwendung von Bundesrecht, mag dies auf den 506
Siehe oben a) (2) (a). Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 881 (2d Cir. 1980). 508 Siehe z. B. die Kritik von Heß, Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor USamerikanischen und deutschen Zivilgerichten, AG 1999, S. 145, 149: „In der Sache geht es hier nicht um die Durchsetzung von Menschenrechten, sondern vor allem um die extraterritoriale Durchsetzung amerikanischer Verhaltensstandards [. . .].“ 507
3. Kap.: Schnittbereich von nationalem Recht und Völkerrecht
235
ersten Blick erstaunen. Man würde meinen, dass die extraterritorial orientierte Rechtsprechung und Rechtsanwendung eine Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten des Tatortstaates darstellen müsste. Dem ist sicher aus außenpolitischer Sicht so. Die Ausübung der nationalen Rechtsetzungs- und Rechtsprechungskompetenz kann bei einem Fall, der kaum Bezüge zum eigenen Staat aufweist, als Einmischung verstanden werden und außenpolitische Spannungen hervorrufen.509 Die außenpolitische Brisanz einer extraterritorialen Rechtsanwendung ist jedoch zu trennen von ihrer völkerrechtlichen Zulässigkeit. Wie bereits dargelegt, macht das Völkerrecht den Staaten im Bereich der zivilen Rechtsetzung und Rechtsprechung nahezu keine Vorgaben.510 Ein Ansatz, nach dem der Staat sein eigenes Recht auf ausländische Staatsbürger, Unternehmen und Sachverhalte anwendet, kann deshalb mit dem Völkerrecht vereinbar sein. Im Wesentlichen geht es bei der Wahl zwischen der Anwendung völkerrechtlicher und der Anwendung bundesrechtlicher Primärnormen daher um eine politische Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Form eine ATCA-Klage für wünschenswert befunden wird. Eine Begrenzung auf die Anwendung völkerrechtlicher Primärnormen würde den Anwendungsbereich des ATCA stark einschränken, würde zugleich aber die internationale Legitimität der HRL erhöhen.511 Die offene Anwendung USamerikanischen Bundesrechts auf der anderen Seite würde es ermöglichen, die ATCA-Klage in ihrem heutigen Umfang beizubehalten. Zugleich würden sich die Bedenken verringern, die in den USA einer unmittelbaren Anwendung des Völkergewohnheitsrechts entgegen gebracht werden.512 Nachteile ergäben sich bei einem derartigen Ansatz insoweit, als US-Recht auf extraterritoriale Fallkonstellationen angewendet würde. Ein derartiger Rückgriff auf US-rechtliche Normen besäße weniger internationale Legitimität als eine unmittelbare Anwendung des Völkerrechts. Er wäre jedoch ein dogmatisch sauberer Ansatz und würde zumindest über mehr Legitimität verfügen als die derzeitige Variante, in der nationales Deliktsrecht als Völkerrecht angewendet wird.
509 510 511
Vgl. oben 1. Kapitel, I. 2. Siehe oben 2. Kapitel, II. Zu den Vorteilen einer unmittelbaren Anwendung des Völkerrechts siehe oben
I. 2. 512
Ebd.
Teil III
Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext 1. Kapitel
Neuere internationale Dokumente mit Bezug zur Human Rights Litigation I. Der Entwurf zu einer Haager Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung 1. Hintergrundinformation zum Konventionsentwurf Bislang gibt es keine generelle internationale Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung. Ein erstes dahingehendes Projekt der Haager Konferenz aus dem Jahre 1971 blieb erfolglos.1 Die insoweit ehrgeizigste Lösung sind derzeit das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (EuGVÜ)2 und die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuVVO).3 Beide sind jedoch in ihrem Anwendungsbereich auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union begrenzt. Ein erneutes Projekt für eine internationale Konvention zur Zuständigkeit und Anerkennung wurde 1992 im Rahmen der Haager Konferenz von den USA gestartet.4 Ausgehend von dieser Initiative wurden der Haager Konferenz zwischenzeitlich mehrere Konventionsentwürfe unter1 Hague Convention of 1 February 1971 on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters. Zu den Gründen für die Erfolglosigkeit der Konvention siehe Kessedjian, International Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Preliminary Document No. 7, einsehbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/jdgm_pd7.pdf. 2 BGBl. 1972 II, 774. 3 ABl. EG 2001 L 12, S. 1 f. 4 Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 175 (2001).
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
237
breitet, von denen noch keiner angenommen wurde. Der bislang letzte Entwurf wurde im Juni 2001 vorgelegt.5 Derzeit ist das Konventionsprojekt auf Eis gelegt. Die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Konventionsentwurfs waren so groß, dass ein Erfolg der Konvention unwahrscheinlich erschien. Unter anderem die USA standen dem Konventionsentwurf kritisch gegenüber.6 Die Mitgliedstaaten kamen daher im Frühling 2002 überein, zunächst eine Einigung in bestimmten weniger kontroversen Kernbereichen zu suchen.7 Vor diesem Hintergrund wurde zwischenzeitlich eine Konvention zu exklusiven Gerichtsstandsvereinbarungen entworfen.8 Diese neuerlichen Bemühungen bedeuten jedoch nicht, dass das ursprüngliche Konventionsprojekt gänzlich obsolet wäre. Es wurde klargestellt, dass grundsätzlich nach wie vor Interesse an einer Regelung der übrigen Themenbereiche bestehe und entsprechende Arbeiten zu gegebener Zeit vorangetrieben werden sollten.9 Vor diesem Hin5
Einsehbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/jdgm2001draft_e.pdf. Die Einstellung der USA zum Konventionsprojekt ist zwiespältig. Zwar haben die USA ein vergleichsweise großes Interesse an einer internationalen Konvention zur Zuständigkeit und Anerkennung ausländischer Urteile. Anders als zum Beispiel die europäischen Staaten, die bereits durch die EuVVO bzw. das EuGVÜ gebunden sind, sind sie nämlich nicht Partei eines bilateralen oder multilateralen Vollstreckungsvertrages. Darüber hinaus sehen sich US-Urteile im Ausland regelmäßig größeren Vollstreckungshürden gegenüber, als dies umgekehrt der Fall ist (Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 176 (2001)). Trotzdem gaben die USA zum Entwurf aus dem Oktober 1999 zu erkennen, dass der gegenwärtige Verhandlungsstand für die USA untragbar sei, siehe den Brief von Kovar (Assistant Legal Advisor für Internationales Privatrecht im US-Außenministerium) an Wallace (Head of International and Common Law Services Division, Lord Chancellor’s Department): „[L]et me begin by stressing once again that the U.S. delegation believes the October 1999 draft is not an effective vehicle for achieving a convention to which the United States can become a party. The October 1999 draft presents a deal on jurisdiction that is heavily weighted against U.S-jurisdiction practices. The Bar would reject it in this country“, einsehbar unter http://www.cptech.org/ecom/jurisdiction/kovarletter.html. Offizielle Stellungnahmen zum im Juni 2001 erstellten Entwurf wurden soweit ersichtlich nicht veröffentlicht. 7 Vgl. Conclusions of Commission I of the XIXth Diplomatic Session of April 2002, einsehbar unter http://hcch.e-vision.nl/index_en.php?act=progress.listing&cat =5, dort S. 1. 8 Siehe z. B. Preliminary Document No. 24 vom Februar 2003, einsehbar unter http://hcch.e-vision.nl/index_en.php?act=progress.listing&cat=5. 9 Siehe Preliminary Doc. Nr. 10 vom Februar 2004, einsehbar unter http://hcch. e-vision.nl/upload/wop/genaff_pd10e.pdf, dort S. 3: „The Special Commission on General Affairs and Policy affirms that any decision to convene a Special Commission in December 2003 concerning the draft text on choice of court agreements shall not preclude any subsequent work on the remaining issues with regard to juris6
238
Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
tergrund sei der Konventionsenwurf nachfolgend im Hinblick auf seine Relevanz für die HRL untersucht. Den Ausführungen wird dabei der bislang letzte Konventionsentwurf vom Juni 2001 zugrunde gelegt. Der Anwendungsbereich der geplanten Konvention wird gemäß Art. 1 des Konventionsentwurfs (nachfolgend KE) auf Zivil- und Handelssachen beschränkt. Nach dem Vorbild der EuVVO werden durch die Konvention Verpflichtungen sowohl im Hinblick auf die nationale Ausgestaltung des Zuständigkeitsrechts als auch im Hinblick auf die Anerkennung ausländischer Urteile begründet.10 Zum Recht der internationalen Zuständigkeit verfolgt der Konventionsentwurf einen verhältnismäßig flexiblen Ansatz. Anders als die EuVVO, welche nur erlaubte und verbotene Gerichtsstände unterscheidet, kennt der Konventionsentwurf drei Gerichtsstandskategorien:11 (1) Eine Liste zwingender Gerichtsstände (die „weiße Liste“, Art. 3–13 KE), die von den Vertragsstaaten bereitgestellt werden müssen und deren Urteile gemäß Art. 25 KE in den Vertragsstaaten anerkannt und vollstreckt werden müssen. (2) Eine Liste exorbitanter Gerichtsstände (die „schwarze Liste“, Art. 18 KE), deren Urteile von den Vertragsstaaten gemäß Art. 26 KE nicht anerkannt und vollstreckt werden dürfen. (3) Einen nicht näher bestimmten Bereich, der weder den zwingenden noch den exorbitanten Gerichtsständen angehört (die „graue Liste“, Art. 17 KE). Hier darf die Gerichtsbarkeit nach den Vorschriften des nationalen Rechts ausgeübt werden. Gleichermaßen stehen die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die auf einen derartigen Gerichtsstand gestützt sind, im Ermessen des angegangenen Staates.
diction, recognition and enforcement of foreign judgments in civil and commercial matters.“ 10 Noch der erste Entwurf zu einer internationalen Konvention zur Zuständigkeit und Anerkennung aus dem Jahre 1971 regelte Fragen der Zuständigkeit nur indirekt, als Voraussetzung einer Urteilsanerkennung. Vertragliche Verpflichtungen wurden nur hinsichtlich der Anerkennung, nicht jedoch hinsichtlich des Zuständigkeitsregimes begründet. Die Fortführung eines bestimmten Zuständigkeitsregimes war höchstens anerkennungstechnisch nachteilig, nicht jedoch vertragswidrig. Dieser Ansatz wird als „single Convention“ bezeichnet, der Ansatz des neuerlichen Konventionsentwurfs als „double Convention“, siehe Preliminary document 11 – Report of the Special Commission, Nygh/Pocar, S. 26, einsehbar unter http://hcch.e-vision.nl/ upload/wop/jdgmpd11.pdf. 11 Ebd., S. 28.
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
239
2. Die potentiellen Auswirkungen der geplanten Konvention auf die Human Rights Litigation Die geplante Konvention kann die HRL in zweifacher Hinsicht berühren. Zum einen insoweit als sie das weit ausgreifende US-amerikanische Zuständigkeitsrecht in seiner Reichweite begrenzen und so die Begründung einer US-internen Gerichtszuständigkeit über ausländische Beklagte erschweren könnte, zum anderen insoweit als sie das internationale Anerkennungs- und Vollstreckungsregime und mit diesem die Vollstreckungsaussichten eines HRL-Urteils verändern könnte. a) Auswirkungen auf das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht Dreh- und Angelpunkt der zu erwartenden Auswirkungen auf das USamerikanische Zuständigkeitsrecht ist Art. 18 KE. In dessen Abs. 1 werden all jene Gerichtsstände verboten, denen der wesentliche Bezug (substantial connection) zum Forumstaat fehlt. Art. 18 Abs. 2 KE spezifiziert dies durch eine Liste exorbitanter Gerichtsstände, die in litera e) den Gerichtsstand des doing business12 und in litera f) die tag jurisdiction enthält.13 Sollte sich dieser Konventionsentwurf durchsetzen, so würden zukünftig wichtige Gerichtsstände des US-amerikanischen Rechts im internationalen Kontext obsolet. Eine entsprechende Veränderung des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts hätte zugleich einschneidende Auswirkungen auf die HRL, deren Erfolg wesentlich von dem Gerichtsstand des doing business sowie von der tag jurisdiction abhängt.14 Die Delegationen haben sich deshalb darauf geeinigt, die Verbote des Art. 18 Abs. 1 und 2 KE auf bestimmte Bereiche zivilrechtlicher Menschenrechtsklagen nicht zu erstrecken. Zu diesem Zweck wurde Art. 18 Abs. 3 KE eingefügt, der bestimmte zivilrechtliche Menschenrechtsfälle von den Verboten des Art. 18 Abs. 1 und 2 KE ausnimmt und sie so vom Erfordernis der „substantial connection“ freistellt. Insofern als hier die nationale Gerichtsbarkeit bei bestimmten Menschenrechtsverletzungen auch ohne Bezüge des Falles zum Forum ausgeübt werden kann, setzt der Konventionsentwurf Konturen für ein zivilrechtliches Universalitätsprin12
Es wurde aber vorgeschlagen, die Vorschrift komplett zu streichen, Fn. 112
KE. 13
Auch hier wurde vorgeschlagen, die Vorschrift komplett zu streichen, Fn. 116
KE. 14 Van Schaak, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 154 (2001). Zu den Gerichtsständen der tag und doing business jurisdiction siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 3.
240
Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
zip,15 eine Erscheinung, die bislang nur in den USA diskutiert wurde.16 Der konkrete Wortlaut des Art. 18 Abs. 3 KE ist noch offen.17 Auch wenn die Vertragsstaaten die Variantenvielfalt früherer Entwürfe zwischenzeitlich reduziert haben,18 so bleibt doch vieles im Unklaren. Der derzeitige Text zu Art. 18 Abs. 3 KE lautet wie folgt: [3. Nothing in this Article shall prevent a court in a Contracting State from exercising jurisdiction under national law in an action claiming damages in respect of conduct which constitutes – [a) genocide, a crime against humanity or a war crime,]; or] b) A serious crime under international law, provided that this State has exercised its criminal jurisdiction over that crime in accordance with an international treaty to which it is a Party and that the claim is for civil compensatory damages for death or serious bodily injuries arising from that crime. Sub-paragraph b) only applies if the party seeking relief is exposed to a risk of a denial of justice because proceedings in another State are not possible or cannot reasonably be required.]].
Hinsichtlich der in Klammern gesetzten Textpassagen konnte derzeit noch kein Konsens erzielt werden. Auch wenn der gesamte Abs. 3 des Art. 18 KE nach den neuerlichen Verhandlungen im Juni 2001 in Klammern gesetzt wurde (nachdem der vorangehende Konventionsentwurf derartige Klammern nicht enthalten hatte), ist doch aus einer Gesamtschau der Kommentare und Anmerkungen zu folgern,19 dass sich die Delegationen auf die grundsätzliche Notwendigkeit einer derartigen Bestimmungen geeinigt haben und lediglich die Einzelheiten noch unklar sind. Das Chapeau des Art. 18 Abs. 3 KE beschränkt dessen Anwendungsbereich auf Schadensersatzklagen. Die noch im Entwurf vom Oktober 200020 in Klammern enthaltene Variante des „seeking relief“, über die Art. 18 Abs. 3 KE auf jedwede Art des Rechtsschutzes hätte Anwendung finden 15
Vgl. Preliminary document 11 – Report of the Special Commission, Peter Nygh/Fausto Pocar, S. 80, einsehbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/ jdgmpd11.pdf. 16 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 404; Filártiga v. PeñaIrala, 630 F.2d 876, 880 (2d Cir. 1980); Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 240 (2d Cir. 1995); Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 182, Fn. 25 (D. Mass. 1995). Siehe oben Teil II, 2. Kapitel, II. 4. 17 Siehe Fn. 124 KE. 18 Vgl. noch den Entwurf vom Oktober 1999, einsehbar unter http://www.hcch. net/upload/wop/jdgm_drafte.pdf. 19 So ist z. B. Art. 18 Abs. 3 KE, anders als den anderen Bestimmungen des Art. 18 (siehe oben Fn. 12 f.) keine Anmerkung beigefügt, der zu entnehmen wäre, dass auch die vollumfängliche Löschung der Vorschrift diskutiert worden wäre. 20 Siehe oben Fn. 18.
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
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können, wurde gelöscht. Für die HRL ist diese Entscheidung von nur sekundärer Bedeutung, da in den allermeisten Fällen auf Schadensersatz geklagt wird. In Abschnitt a) wird der Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 3 KE auf Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beschränkt. Zahlreiche Delikte, die im Rahmen der HRL geltend gemacht werden, so zum Beispiel Folter, außergerichtliche Tötung und willkürliche Festnahme, wären bei isolierter Annahme dieses Unterfalles von der Ausnahmeregelung nicht umfasst.21 Nach derzeitiger Konzeption kann Abschnitt a) entweder alleine oder zusammen mit Abschnitt b) angenommen werden. Auch Abschnitt b) ist sehr eng gefasst. Er verlangt nicht nur ein schweres völkerrechtliches Verbrechen, er verlangt darüber hinaus, dass der betreffende Staat seine Strafgerichtsbarkeit hinsichtlich dieses Deliktes ausgeübt hat. Es scheint hierbei zu genügen, dass die Strafgerichtsbarkeit hinsichtlich des betreffenden Deliktes überhaupt schon wahrgenommen wurde. Ein vorangegangenes Strafverfahren just in dem fraglichen Fall ist nicht erforderlich. Es zählen allerdings nur jene Fälle, in denen der Staat seine Strafgerichtsbarkeit entsprechend einer Befugnis aus einem (von ihm ratifizierten) völkerrechtlichen Vertrag ausgeübt hat. Für die USA ergäben sich über diese Klausel derzeit nur wenige Freiräume. Dies liegt daran, dass die USA nur wenig völkerrechtliche Verträge ratifiziert haben. Wird ein Vertrag ratifiziert, kommen die USA ihren völkervertraglichen Verpflichtungen zur strafrechtlichen Verfolgung nur zögerlich nach. So wurden zwar in Umsetzung völkervertraglicher Verpflichtungen strafgerichtliche Zuständigkeiten für die Bereiche von Folter (18 U.S.C. § 2340A), Flugzeugsabotage (18 U.S.C. § 32), Geiselnahme (18 U.S.C. § 1203), Genozid (18 U.S.C. § 1099), Kriegsverbrechen (18 U.S.C. §§ 2401, 2441) sowie für die Verletzung international geschützter Personen (18 U.S.C. § 112) geschaffen, bislang existieren aber soweit ersichtlich nur eine handvoll Fälle, in denen diese strafrechtlichen Zuständigkeiten tatsächlich aktiviert wurden.22 Sie alle spielten sich vor terroristischem Hintergrund im Bereich von Flugzeugsabotage und Geiselnahme ab. Die Vorschriften zu Folter, Kriegsverbrechen, Genozid und international ge21 Werden Folter oder andere Menschenrechtsverletzungen verbreitet und systematisch ausgeführt, so können sie über den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Art. 18 Abs. 3 subsumiert werden, Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 185 (2001). 22 United States v. Busic, 592 F.2d 13 (2d Cir. 1978); United States v. Yunis, 681 F. Supp. 896 (D.D.C. 1988); United States v. Rezaq, 908 F. Supp. 6 (D.D.C. 1995); United States v. Yousef, 927 F. Supp. 673 (S.D.N.Y. 1996).
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
schützten Personen hingegen wurden bislang soweit ersichtlich noch nicht aktiviert. Dies liegt nicht daran, dass es bisher schlicht keine diesbezüglichen Fälle gegeben hätte. Die zahlreichen Fälle, in denen derartige Täter in den USA angetroffen und über die HRL verklagt wurden, zeigen vielmehr, dass Möglichkeiten für eine Strafverfolgung durchaus bestanden hätten. Überdies findet in Art. 18 Abs. 3 b) KE eine Beschränkung auf physische Verletzungen statt; Menschenrechtsverletzungen, die lediglich die Psyche des Opfers verletzen (so zum Beispiel das Verschwindenlassen von Personen23) oder dessen Willensbetätigung begrenzen (so zum Beispiel der Tatbestand der Zwangsarbeit),24 sind nicht erfasst. Zusätzlich ist der Kreis möglicher Rechtsfolgen nicht nur – wie schon im Chapeau festgelegt – auf Schadensersatz allgemein, sondern innerhalb dieser Kategorie zusätzlich auf compensatory damages beschränkt. Punitive damages, und mit diesen der das HRL-Verfahren prägende quasi-strafrechtliche Aspekt der HRL, wären demnach ausgeschlossen. Abschnitt b) soll ferner nur dann greifen, wenn ein Verfahren im primär verantwortlichen Staat nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Abschließend ist festzuhalten, dass für den Fall, dass keine Veränderungen in der Liste des Art. 18 Abs. 2 KE vorgenommen werden (insbesondere die Verbote von tag und doing business jursidiction beibehalten werden) grundlegende Einschränkungen für den Bereich der HRL zu erwarten sind. Falls nur Art. 18 Abs. 3 a) KE dem endgültigen Entwurf beigefügt wird, kann die HRL unbeschränkt (unter Einschluss einer möglichen Zuständigkeitsbegründung über tag und doing business jurisdiction) nur in den Bereichen von Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen fortfahren. Andere für den Bereich der HRL ebenso bedeutsame Tatbestände, wie zum Beispiel der der Folter und der außergerichtlichen Tötung, könnten uneingeschränkt nur noch dann geltend gemacht werden, wenn sie verbreitet und systematisch und so als Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Erscheinung treten. Selbst wenn sich die Delegationen darauf einigen sollten, die Abschnitte a) und b) in den Konventionstext aufzunehmen, so würde dies zumindest für die USA die Bilanz der Konvention nur geringfügig zum Positiven hin verändern. Derzeit ergäben sich zusätzliche Befugnisse nur im Bereich von Flugzeugsabotage und Geiselnahme; im Fall der Miteinbeziehung des Abschnittes b) könnten sich also jene ATCA- und AEDPA-Klagen, 23 Im Bereich des Verschwindenlassens von Personen werden nicht die entführten Personen, sondern deren Angehörige als Opfer angesehen. Die Verletzung liegt in der psychischen Belastung, die sich aus der Ungewissheit um das Schicksal der verschwundenen Person ergibt. 24 Van Schaack, In Defense of Civil Redress: The Domestic Enforcement of Human Rights Norms in the Context of the Proposed Hague Judgments Convention, 42 Harv. Int’l L.J. 141, 187 (2001).
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
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die eine Verletzung dieser Delikte geltend machen, auch auf Gerichtsstände ohne „substantial connection“ zum Forumstaat stützen. b) Auswirkungen auf die Anerkennung US-amerikanischer Menschenrechtsurteile im Ausland Nur die allerwenigsten HRL-Urteile konnten bislang vollstreckt werden.25 Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass HRL-Urteile im Ausland auf Anerkennungshindernisse stoßen. Es stellt sich die Frage, inwiefern dieser Zustand durch die geplante Haager Konvention beeinflusst werden könnte. Das Anerkennungs- und Vollstreckungsregime des Entwurfs ist an das Regime der Gerichtsstände gekoppelt.26 Soweit es gelingt, eine Menschenrechtsklage unter einen der gebotenen Gerichtsstände des Konventionsentwurfs zu fassen, ist ein derartiges Urteil im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten gemäß Art. 25 KE anzuerkennen und zu vollstrecken. Das anerkennende Gericht muss hierbei gemäß Art. 33 Abs. 1 KE exemplary und punitive damages zumindest insoweit anerkennen und vollstrecken als nach nationalem Recht auf Schadensersatz hätte geurteilt werden können. Soweit ein Urteil auf einem Gerichtsstand der „grauen Liste“ beruht, finden die anerkennungsrechtlichen Vorschriften des Konventionsentwurfs gemäß Art. 24 KE keine Anwendung. Jeder Staat kann also nach wie vor sein eigenes Recht zur Anerkennung und Vollstreckung anwenden.27 Urteile, die auf den verbotenen Gerichtsständen des Art. 18 Abs. 1 und 2 beruhen, dürfen gemäß Art. 26 KE nicht anerkannt und vollstreckt werden.28 Art. 18 Abs. 3 KE ist in den Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung nicht ausdrücklich erwähnt. Zwei Bestimmungen könnten auf ihn Anwendung finden. Zum einen Art. 26 KE, der besagt, dass die nach Art. 18 KE verbotenen Gerichtsstände von den Vertragsstaaten nicht anerkannt oder vollstreckt werden dürfen. Zum anderen Art. 24 KE, nach welchem das Kapitel über die Anerkennung und Vollstreckung auf Urteile, die sich auf einen Gerichtsstand der „grauen Liste“ des Art. 17 KE stützen, keine Anwendung finden soll. 25
Näher hierzu unten Teil IV, 2. Kapitel, I. 1. b) (1). Siehe oben 1. 27 Art. 24 KE: This Chapter shall not apply to judgments based solely on a ground of jurisdiction provided for by national law in accordance with Article 17, and which is not consistent with any basis of jurisdiction provided for in Articles [white list]. 28 Art. 26 KE: A judgment based on a ground of jurisdiction which conflicts with Articles 4, 5, 7, 8 or 12, or whose application is prohibited by virtue of Article 18, shall not be recognized or enforced. 26
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
Heß ist der Ansicht, die Fälle des Art. 18 Abs. 3 KE seien unter Art. 26 KE zu fassen.29 Dieser Ansatz setzt voraus, dass auch die Art. 18 Abs. 3-Gerichtsstände in Art. 18 KE verboten sind. Der Wortlaut des Art. 18 Abs. 3 KE könnte eine derartige Auslegung decken, da es dort nur heißt, die Bestimmungen des Art. 18 Abs. 1 und 2 KE sollten die Gerichte eines Vertragsstaates nicht von der Durchführung bestimmter menschenrechtlicher Verfahren abhalten („Nothing in this article shall prevent a court [. . .]“). Das Verbot des Art. 18 Abs. 1 und 2 KE wird nicht ausdrücklich aufgehoben. Die Hintergrundberichte zu Art. 18 Abs. 3 KE lassen indes erkennen, dass eine derartige Interpretation nicht im Sinne der beteiligten Delegationen wäre. Durch Art. 18 Abs. 3 KE sollte vielmehr eine Ausnahme vom Verbot des Art. 18 Abs. 1 und 2 KE geschaffen werden. Im Bericht der mit der Ausarbeitung des Konventionsentwurfs betrauten Special Commission heißt es: „The solution adopted was therefore to leave Contracting States free to define the extent of their competence in this field while providing an exception to the prohibition against using certain fora in the context of national law.“30 Da die Fälle des Art. 18 Abs. 3 KE somit weder verboten noch geboten sind, gehören sie der „grauen Liste“ der Gerichtsstände des Art. 17 KE an, auf die das Kapitel über die Anerkennung gemäß Art. 24 KE keine Anwendung findet. Soweit die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 3 KE erfüllt werden, wirkt sich die Konvention anerkennungsrechtlich folglich nicht aus. Es bleibt insoweit beim innerstaatlichen Status quo. Die Konvention wirkt sich auf die Anerkennung und Vollstreckung von HRL-Urteilen im Ergebnis daher nur in zwei Konstellation aus. Zum einen bei Urteilen, die auf einen erlaubten Gerichtsstand gestützt sind und die von den Vertragsstaaten anerkannt und vollstreckt werden müssen. Zum anderen bei Urteilen, die auf einen verbotenen Gerichtsstand gestützt sind, nicht unter Art. 18 Abs. 3 KE fallen und folglich von den Vertragsstaaten nicht vollstreckt werden dürfen. Die HRL würde durch den Konventionsentwurf im Hinblick auf Anerkennungs- und Vollstreckungsfragen demnach sowohl gewinnen als auch verlieren. Angesichts der derzeit denkbar schlechten Vollstreckungsbilanz kann durch das Vollstreckungsverbot für exorbitante Gerichtsstände jedoch nicht viel eingebüßt werden. Die Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht auf der anderen Seite könnte zumindest einigen Urteilen zur Vollstreckung verhelfen.
29
Heß, Die Anerkennung eines Class Action Settlement in Deutschland, JZ 2000, S. 374, S. 381, Fn. 133. 30 Preliminary document 11 – Report of the Special Commission, Peter Nygh/ Fausto Pocar, S. 80, einsehbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/jdgmpd11.pdf.
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
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3. Bedeutung eines zivilrechtlichen Universalitätsprinzips Sollte der Konventionsentwurf im Ergebnis erfolgreich sein, könnte er mit Art. 18 Abs. 3 KE den Grundstein für ein zivilrechtliches Universalitätsprinzip legen. Während vor dem Hintergrund des derzeitigen Völkerrechts ein derartiges Prinzip entbehrlich erscheint, da zuständigkeitsrechtlich ohnehin fast alles erlaubt ist oder zumindest die rechtlichen Rahmenbedingungen so vage sind, dass ein Rechtswidrigkeitsurteil nur schwer gefällt werden kann,31 würden mit dem Entwurf klare zuständigkeitsrechtliche Vorgaben eingeführt, die im Gegenzug ein zivilrechtliches Universalitätsprinzip sinnvoll und notwendig erscheinen ließen. Zwar erscheint es bereits bisher möglich, in extraterritorial orientierten HRL-Fällen, den Vorwurf der Exorbitanz über ein quasi-zivilrechtliches Universalitätsprinzip zu entkräften. Letzteres jedoch ist seiner Natur nach unselbständig. Es ist wesentlich an das strafrechtliche Universalitätsprinzip gekoppelt. Völkerrechtlich legitim erscheint seine Geltendmachung nur in Fällen, die neben einer Entschädigung des Opfers die Bestrafung des Täters bezwecken.32 Durch die ausdrückliche Festlegung eines spezifisch zivilrechtlichen Universalitätsprinzips könnte diese Abhängigkeit vom strafrechtlichen Universalitätsprinzip beendet und ein wahrhaft zivilrechtliches Universalitätsprinzip geschaffen werden. Auch in Verfahren, die lediglich eine Entschädigung des Opfers zum Gegenstand haben, wäre dann eine Berufung auf das Universalitätsprinzip möglich. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die HRL vor dem Hintergrund eines spezifisch zivilrechtlichen Universalitätsprinzips ein anderes Gepräge erhielte. Bislang stellt die HRL eine in vielen Fällen als exorbitant erachtete Jurisdiktionsausübung dar, die jedoch mangels hinreichend konkreter normativer völkerrechtlicher Vorgaben nicht als völkerrechtswidrig verurteilt werden kann. Diese Beurteilung müsste sich bei Entstehung eines spezifisch zivilrechtlichen Universalitätsprinzips verändern. Durch ein solches würde die internationale Gemeinschaft zu erkennen geben, dass im Bereich bestimmter Menschenrechtsverletzungen nicht nur an der Bestrafung des Täters, sondern auch an der Entschädigung des Opfers ein internationales Interesse besteht, welches die Überschreitung traditioneller Zuständigkeitsgrenzen rechtfertigt. Die extraterritoriale Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen wäre dann nicht mehr lediglich von der internationalen Gemeinschaft nicht geregelt, sondern ausdrücklich erlaubt. Das derart veränderte Gepräge der HRL könnte deren Akzeptanz im Ausland erhöhen und sich, auch in Abwesenheit ausdrücklicher Vorschriften im Konventionstext, 31 32
Siehe oben Teil II, 2. Kapitel, II. Ebd., I. 2. a) (1).
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
positiv, im Sinne einer Sonderbehandlung zivilrechtlicher Menschenrechtsurteile, auf die Anerkennungspraxis der Staaten auswirken. Es könnte ferner andere Länder dazu bewegen, in ähnlicher Weise extraterritoriale Zuständigkeiten zu begründen.
II. Die Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Serious Violations of International Humanitarian Law der UN-Menschenrechtskommission Im April 2005 wurden die Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Serious Violations of International Humanitarian Law nach 16-jähriger Beratung in der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission angenommen.33 Die Prinzipien auferlegen den Staaten im Wesentlichen zwei Verpflichtungen. Zum einen soll der Staat die Täter einer Menschenrechtsverletzung verfolgen und bestrafen (Prinzip 4). Sein nationales Recht soll er hierbei nach den Grundsätzen des Universalitätsprinzips ausrichten (Prinzip 5). Zum anderen soll der Staat den Opfern adäquaten Rechtsschutz bereitstellen. Dies umfasst das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Prinzip 12) sowie auf umfassende Entschädigung (Prinzip 15 und ff.). Auf den ersten Blick scheint eine große Nähe der HRL zu den Prinzipien zu bestehen. Beide sind auf die Verbindung einer am Universalitätsprinzip ausgerichteten Verfolgung der Täter mit einer umfassenden Entschädigung der Opfer gerichtet. Fraglich ist vor diesem Hintergrund zunächst, ob die Prinzipien eine Pflicht zur Schaffung eines der HRL vergleichbaren Rechts33 E/CN.4/2005/L.10/Add.11. Die ersten Entwürfe zu den Prinzipien wurden zwischen 1993 und 1997 von Theo van Boven im Auftrag der Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities erstellt. Van Boven lieferte sukzessive drei jeweils überarbeitete Entwürfe ab, E/CN.4/Sub.2/1993/8, E/CN.4/Sub.2/1996/17 und E/CN.4/1997/104, Annex. Die letzte Fassung der Prinzipien wurde 1998 der Menschenrechtskommission übermittelt. Diese beauftragte Cherif Bassiouni mit der Revision der van Boven-Entwürfe. Bassiouni lieferte einen eigenen Entwurf im Januar des Jahres 2000, E/CN.4/2000/62. Die Kommission beschloss im Folgenden, dass beratende Treffen, die für alle interessierten Staaten und Nichtregierungsorganisationen offen sein sollten, stattfinden sollten. Deren Ziel sollte es sein, die Arbeit an den Prinzipien zu einem Abschluss zu bringen. Es fanden im Folgenden unter dem Vorsitz von Alejandro Salinas drei beratende Treffen (consultative meetings) statt, die letztlich zur Annahme der Prinzipien führten. Bei vergleichender Betrachtung der früheren Entwürfe und der jetzigen Fassung fällt auf, dass die Prinzipien im Laufe der langjährigen Beratungen zunehmend abgeschwächt wurden.
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
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schutzsystems begründen. Dies wäre der Fall, wenn ihnen die Verpflichtung zu entnehmen wäre, den Opfern einer Menschenrechtsverletzung auch in den Fällen Rechtsschutz und Entschädigung zu gewähren, in denen das eigene Forum zur konkreten Rechtsverletzung keinen Bezug hat. Die HRL nämlich zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie Fälle ohne Bezug zum Forumstaat behandelt. Potentiell einschlägig ist insoweit Prinzip 12. Dort heißt es: A victim of a gross violation of international human rights law or of a serious violation of international humanitarian law shall have equal access to an effective judicial remedy as provided for under international law. Other remedies available to the victim include access to administrative and other bodies, as well as mechanisms, modalities and proceedings conducted in accordance with domestic law. Obligations arising under international law to secure the right to access justice and fair and impartial proceedings shall be reflected in domestic laws [Kursivierung hinzugefügt].
Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nicht, ob auch in Fällen ohne Bezug zum Forumstaat Rechtsschutz zu gewähren ist. Ebenso fehlt eine diesbezügliche Stellungnahme in den Hintergrundberichten zu den Prinzipien. Es findet sich lediglich zu einer früheren Fassung des Prinzips 12 der Hinweis, dass die Delegationen Klärungsbedarf hinsichtlich dessen territorialer Reichweite sehen.34 Dieser Hinweis ist jedoch inhaltlich neutral. Er spricht weder für noch gegen eine territoriale Begrenzung des Prinzips 12. Er ist ferner von nur beschränkter Relevanz für das Prinzip 12 in seiner jetzigen Fassung. Er bezog sich auf eine Fassung des Prinzips, die keine konkrete Verpflichtung, sondern lediglich einen unverbindlichen Grundsatz des Völkerrechts zum Ausdruck bringen sollte. Dies zeigt sich daran, dass in der früheren Version das Wort „should“35 und in der jetzigen Version das Wort „shall“ verwendet wurde.36 Für die Beteiligten war mithin zweifelhaft, ob Prinzip 12 einen unverbindlichen Grundsatz des Völkerrechts ausspreche, wonach Rechtsschutz unabhängig von Bezügen zum Hoheitsgebiet zu gewähren sei. Hieraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, dass entsprechende Zweifel auch im Hinblick auf eine konkrete völkerrechtliche Verpflichtung bestehen. Von einer solchen nämlich kann weniger schnell ausgegangen werden, da an ihr Bestehen strengere Anforderungen gestellt werden. Das Erfordernis einer territorialen Begrenzung 34
E/CN.4/2003/63, Rn. 42. E/CN.4/2000/62, Prinzip 12, S. 2: Obligations arising under international law to secure the individual or collective right to access justice and fair and impartial proceedings should be made available under domestic laws [Kursivierung hinzugefügt]. 36 Vgl. E/CN.4/2003/63, Rn. 8: [T]he Draft Guidelines use the term ‚shall‘ only in cases where a binding international norm is currently in effect. Where an international norm is less mandatory, the non-mandatory word ‚should‘ is used. 35
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
könnte hier, anders als bei einem entsprechenden unverbindlichen Grundsatz des Völkerrechts, unzweifelhaft sein. Stephens folgert aus dem offenen Wortlaut des Prinzips 12, dass die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Forums territorial unbegrenzt sei.37 Diesem Ansatz ist nicht zu folgen. In Abwesenheit klarer anderweitiger Vorgaben sprechen die besseren Argumente gegen eine weite Auslegung von Prinzip 12. Zu verweisen ist zunächst auf die Präambel der Prinzipien. Aus dieser ergibt sich, dass die Prinzipien sich als konservatives Dokument versteht. In Erwägungsgrund sieben der Präambel heißt es: Emphasizing that the Principles and Guidelines do not entail new international or domestic legal obligations but identify mechanisms, modalities, procedures and methods for the implementation of existing legal obligations under international human rights law and international humanitarian law which are complementary though different as to their norms.
Die Prinzipien sollen mithin keine neuen Verpflichtungen begründen, sondern lediglich bereits existente Verpflichtungen konsolidieren und konkretisieren. Vor diesem Hintergrund kann sich allein aus Prinzip 12 keine Pflicht zur Bereitstellung eines HRL-artigen Systems ergeben. Relevant könnte Prinzip 12 freilich als Konkretisierung und Bestärkung einer bereits bestehenden diesbezüglichen Verpflichtung sein. Auch eine derartige Bedeutung kommt dem Prinzip jedoch nicht zu, da eine entsprechende Verpflichtung dem Völkerrecht nicht zu entnehmen ist. Sie ergibt sich nicht aus dem Völkergewohnheitsrecht. Insoweit ist vielmehr problematisch, ob die Staaten zu einem entsprechenden Verhalten überhaupt berechtigt sind.38 Auch aus völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich keine entsprechende Pflicht. Wie bereits dargelegt wurde, kann in dieser Hinsicht insbesondere nicht auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 der Folterkonvention abgestellt werden.39 Neben der Präambel sprechen auch allgemeine Erwägungen zum Prozess der politischen Entscheidungsfindung für eine enge Auslegung des Prinzips 12. Dessen weite Auslegung nämlich hätte im Hinblick auf das etablierte Völkerrecht weitreichende Konsequenzen. Es ergäben sich insbesondere Probleme hinsichtlich der Immunität ausländischer Staaten und Hoheitsträger, da in den Anwendungsbereich des Prinzips 12 zumindest auch, wenn nicht sogar mehrheitlich, Klagen gegen ausländische Staaten und Hoheitsträger fielen. Wie bereits ausgeführt, ist dem etablierten Völkerrecht eine pauschale Immunitätsausnahme für schwere Völkerrechtsverletzungen nicht zu 37 Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L. 1, 49 (2002). 38 Siehe oben Teil II, 2. Kapitel, II. 39 Siehe oben ebd. I. 2. a) (1).
1. Kap.: Neuere internationale Dokumente
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entnehmen. Vor diesem Hintergrund würde eine Verpflichtung zur Bereitstellung eines HRL-artigen Rechtsschutzes einen derzeit kontrovers diskutierten Bereich des Völkerrechts innovativ beeinflussen. Es wären deshalb – insbesondere angesichts des konservativen Geistes der Prinzipien – zumindest diesbezügliche Diskussionen zu erwarten gewesen, wäre ein derart weitreichender Schritt gewollt gewesen. Dies gilt um so mehr, als die Beteiligten in anderem Zusammenhang ihre Sensiblität im Hinblick auf immunitätsrechtliche Grundsätze demonstriert haben.40 Wenn die Prinzipien mithin hinsichtlich einer Verpflichtung zur Schaffung eines HRL-artigen Systems keine Bedeutung besitzen, stellt sich die Frage, ob sie das derzeitige System der USA zumindest legitimieren. Bedarf für eine derartige Legitimierung besteht, da die HRL völkerrechtlich zumindest problematisch ist. Die konkrete völkerrechtliche Lage ist insoweit, insbesondere hinsichtlich der Grenzen nationaler Rechtsprechungs- und Rechtsetzungsgewalt unklar. Eine Legitimierung der HRL könnte sich vor diesem Hintergrund daraus ergeben, dass die Kommission im Rahmen ihrer Klarstellungs- und Konkretisierungsaufgabe zu erkennen gibt, dass sie ein entsprechendes extraterritorial orientiertes Tätigwerden als zulässig erachtet. Die Prinzipien enthalten jedoch keine derartigen Hinweise. Sie behandeln primär Verpflichtungen der Staaten. Auf Befugnisse nehmen sie nicht Bezug. Auch aus den vorbereitenden Dokumenten ergeben sich keine diesbezüglichen Anhaltspunkte. In der Diskussion zu den Prinzipien wurde zwar darauf hingewiesen, dass Staaten bisweilen Rechtsschutz auch hinsichtlich von Rechtsverletzungen gewährleisten, die außerhalb ihres Staatsgebietes vorgefallen sind. Verwiesen wurde in dieser Hinsicht unter anderem auf die ATCA-Rechtsprechung in den USA. Eine Wertung erfolgte jedoch nicht.41 40 Zu verweisen ist insoweit auf die Vorschrift betreffend die Vollstreckung ausländischer Urteile. In Entwürfen zu den Prinzipien wurde festgelegt, dass die Staaten zur Vollstreckung wirksamer ausländischer Urteile verpflichtet seien. So heißt es z. B. in einem Entwurf aus dem Jahr 2000, E/CN.4/2000/62, in Prinzip 19: A State shall enforce its domestic judgements for reparation against private individuals or entities responsible for the violations. States shall endeavour to enforce valid foreign legal judgements for reparation against private individuals or entities responsible for the violations. Mehrere Delegationen äußerten Bedenken betreffend die Kompatibilität dieser Norm mit den Vorschriften der Staatenimmunität, E/CN.4/2005/59, Rn. 44. In der Folge wurde die Bestimmung im letztlich angenommenen Entwurf dahingehend ergänzt, dass die Vollstreckungsverpflichtung nur im Einklang mit bestehenden internationalen Verpflichtungen bestehe, E/CN.4/2005/L.10/Add.11, Prinzip 17: States shall, with respect to claims by victims, enforce domestic judgements for reparation against individuals or entities liable for the harm suffered and endeavour to enforce valid foreign legal judgements for reparation in accordance with domestic and international legal obligations. 41 E/CN.4/2003/63, Rn. 114: „On another question he [Bassiouni] noted that States do sometimes provide remedies fro violations occurring outside their terri-
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
Im Ergebnis können die Prinzipien die HRL jedenfalls in rein rechtlicher Hinsicht nicht legitimieren. Gleichwohl sind die Prinzipien für die Legitimität der HRL nicht gänzlich irrelevant. Sie sind insofern bedeutsam, als sie die Menschenrechtsverletzung als zweidimensionales Ereignis darstellen, welches nach einer Entschädigung des Opfers ebenso wie nach einer Bestrafung des Täters verlangt. Sie stärken damit auf internationaler Ebene die Position des Opfers. Dies kann dazu beitragen, dass der HRL auf internationaler Ebene – trotz ihres völkerrechtlichen Konfliktpotentials – mehr Akzeptanz entgegen gebracht wird. Abschließend sei untersucht, ob angesichts der Prinzipien eine verbesserte internationale Anerkennung und Vollstreckung der HRL-Urteile zu erwarten ist. Wie noch näher ausgeführt werden wird, ist die große Mehrzahl der HRL-Urteile derzeit nicht vollstreckbar, was unter anderem daran liegt, dass ausländische Staaten den entsprechenden Urteilen die Anerkennung versagen. Auch insoweit ergeben sich jedoch aus den Prinzipien keine konkreten Anknüpfungspunkte. Einschlägig ist insoweit Prinzip 17. Dort heißt es: States shall, with respect to claims by victims, enforce domestic judgements for reparation against individuals or entities liable for the harm suffered and endeavour to enforce valid foreign legal judgements for reparation in accordance with domestic and international legal obligations.
Zwar begründet Prinzip 17 die Verpflichtung zur Anerkennung ausländischer Reparationsurteile. Diese Verpflichtung steht jedoch zum einen unter dem Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen. Es können mithin Einwände des Immunitätsschutzes geltend gemacht werden.42 Zum anderen gilt sie nur hinsichtlich „wirksamer“ Urteile. Es ist zu erwarten, dass die Staaten Urteile, die gegen den nationalen ordre public verstoßen, als „unwirksam“ deklarieren werden. Relevant könnten die Prinzipien für die Anerkennungspraxis freilich insofern werden, als sie das Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit des Opfers erhöhen und damit das Bewusstsein für die Bedeutung der HRL. Dies könnte dazu führen, dass Belange des Opferschutzes im konkreten Fall in eine ordre public-Analyse einbezogen werden und womöglich den Ausschlag für eine Entscheidung zugunsten einer Anerkennung des Urteils geben. Im Ergebnis erweist sich die scheinbare Nähe der HRL zu den Prinzipien der UN-Menschenrechtskommission als trügerisch. Eine rechtliche Auswirkung der Prinzipien auf die HRL ist nicht ersichtlich. Die Prinzipien köntory, as, for example, in the case of the Alien Tort Claims Act in the United States of America.“ 42 Vgl. oben Fn. 40 sowie E/CN.4/2004/57, Rn. 67: „With respect to the enforcement of judgements under principle 18, it is evident that, where the enforcement is not possible, such as where the doctrine of sovereign immunity or act of State applies, the obligation of a State shall be limited to its best efforts.“
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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nen für die HRL gleichwohl insofern relevant werden, als sie dazu beitragen, die Entschädigung des Opfers einer Völkerrechtverletzung in das Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit zu rücken. Hierdurch könnte es im Ergebnis zu einer Reduktion der Vorbehalte kommen, die bislang der HRL entgegen gebracht werden. 2. Kapitel
Gründe für Existenz und Erfolg eines Systems des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes in den USA Es handelt sich bei der HRL um ein Phänomen, das weitestgehend auf die USA beschränkt ist.43 Bei der Suche nach den Gründen für die Sonderstellung der USA stößt man zunächst auf Gesetze, die eine zivilrechtliche Menschenrechtsklage ausdrücklich ermöglichen. Sie allein erklären jedoch 43 Vgl. Bayefsky/Fitzpatrick, International Human Rights Law in the United States Courts: A Comparative Perspective, 14 Mich. J. Int’l L. 1, 34 f., 38, 40 f. (1992); Damrosch, Enforcing International Law Through Non-Forcible Measures, 269 RdC 13, 176 (1997); Lillich, Damages for Gross Violations of International Human Rights Awarded by U.S. Courts, 15 Hum. Rts. Q. 207, 216 f. (1993); Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 186; Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L. 1, 4 (2002); Stellungnahme des US-Außenministeriums im Hearing before the Subcommittee on Immigration and Refugee Affairs of the Senate Committee on the Judiciary, 101st Cong., 2d Sess., S. 24 (1990): „To the best of our knowledge, no other country has similar legislation.“ Nur vereinzelt finden sich außerhalb der USA HRL-artige Verfahren. Es sind dies in erster Linie Verfahren gegen ausländische Staaten, siehe z. B. in Großbritannien Al Adsani v. Government of Kuwait, 100 I.L.R. 465 (1995) und 107 I.L.R. 536 (1997) (aus Immunitätsgründen abgelehnt), in Kanada die Entscheidung des Ontario Superior Court of Justice in Bouzari v. Islamic Republic of Iran, 124 I.L.R. 427 (2003), bestätigt durch das Urteil des Court of Appeal for Ontario, Entscheidung vom 30.6.2004, einsehbar unter http://www.ontariocourts.on.ca/decisions/2004/june/bouzariC38295. htm. (aus Immunitätsgründen abgelehnt), in Griechenland Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Case No. 137/1997, siehe hierzu Bantekas, Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, 92 Am. J. Int’l L. 765 (1998), in Italien die Entscheidung des Corte de Cassazione in Ferrini v. Federal Republic of Germany, Urteil Nr. 5044 vom 6.11.2003, registriert am 11. März 2004, abgedruckt in 87 Rivista diritto internazionale 539 (2004). In Jones v. Saudi Arabia, 2004 WL 23877139, wurden auch individuelle Hoheitsträger vor einem britischen Gerichte für Folterhandlungen verklagt. Im Fall Girca v. IBM wurde das US-amerikanische Unternehmen IBM wegen Beteiligung am Holocaust vor einem schweizerischen Gericht verklagt, Entscheidung vom 22.12.2004, Az. 4C.296/2004/ech, einsehbar http://www. bger.ch/fr/index/juridiction/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdictionrecht-urteile2000.htm (das Verfahren ist derzeit [Juni 2005] noch rechthängig).
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
nicht den Umfang und die Vielschichtigkeit der heutigen HRL. Von Bedeutung sind darüber hinaus vielmehr die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Menschenrechtsgesetze der USA angewendet werden. Im Folgenden wird herausgearbeitet, warum sich ein System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes in den USA entwickelte. Im Anschluss daran wird dargestellt, welche Rahmenbedingungen den Erfolg dieses Systems ermöglichen.
I. Gründe für die Existenz eines Systems des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes in den USA Das US-amerikanische Recht verfügt mit dem ATCA, dem TVPA und dem AEDPA über ausdrückliche gesetzliche Grundlagen, die ein System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes legitimieren. Heikle Punkte, wie die Anknüpfung an Vorschriften des Völkerrechts oder die grundsätzliche Kompetenz der Judikative in außenpolitisch relevanten Fällen, sind so, anders als in anderen Ländern, durch eine spezifische Stellungnahme des Gesetzgebers abgesichert. Es stellt sich die Frage, warum derartige Gesetze in den USA existieren. Es ist hierbei zwischen den Gründen für die Existenz von Gesetzen, die die Menschenrechte innerstaatlich durchsetzen (nachfolgend Menschenrechtsgesetze) und den Gründen für deren zivilrechtliche Ausrichtung zu unterscheiden. Zunächst sei auf die Gründe für die Existenz von Menschenrechtsgesetzen eingegangen. Es wurde bereits erläutert, dass der ATCA, der Grundstein der heutigen HRL, aus sicherheitspolitischen Bedenken heraus erlassen wurde.44 Als Menschenrechtsgesetz trat er erst zu Beginn der 80er Jahre in Erscheinung.45 Für Belange der vorliegenden Untersuchung interessieren daher nicht die Gründe für seinen ursprünglichen Erlass, sondern die Gründe für seine menschenrechtlich inspirierte Neubelebung. Sie sind zu finden in einem generellen menschenrechtlichen Engagement der USA sowie in der Entschlossenheit, die völkerrechtlichen Bekenntnisse zur Rechtsstellung des Einzelnen durch eine innerstaatlich durchsetzbare Anspruchsgrundlage zu ergänzen. Die gleichen Gründe waren ausschlaggebend für den Erlass des TVPA. Der AEDPA hingegen wurde nur zum Teil aus Erwägungen des Menschenrechtsschutzes heraus erlassen; es dominierten außenpolitische Beweggründe.46 44 45 46
Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 1. a). Ebd. c). Ebd. III. 1. f).
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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Die Motive für das menschenrechtliche Engagement der USA gehen bis in die Zeit der Gründung des Landes zurück. Die USA sind ein von vorangegangener Unterdrückung gezeichnetes, freiheitlichen Idealen verpflichtetes Land. Viele der ersten Bewohner der heutigen USA waren selbst vor Unterdrückung und Diskriminierung in die neue Welt geflohen.47 Diese Erfahrung prägt die US-amerikanische Bevölkerung. Die heutigen US-Amerikaner erkennen sich selbst oder ihre Vorfahren in den Opfern, die heute auf der Suche nach Sicherheit und Gerechtigkeit in die USA streben, wieder. Bedeutsam sind die Ursprünge der USA ferner insoweit, als in jener Zeit der Grundstein für die in den USA noch immer fortbestehende hohe Wertschätzung der individuellen Freiheit gelegt wurde. Die Gründung der Nation war von einer ausschweifenden Rhetorik um die Rechte des freiheitlichen Bürgers umgeben. Die neue Nation setzte sich zwei Ziele: Die Errichtung eines freiheitlichen Staates in der Neuen Welt, und die Ausdehnung dieser Freiheit in die Alte Welt.48 Über den Export der eigenen Ideale sollten auch die Menschen in anderen Ländern das Befreiungserlebnis der ersten US-Amerikaner erfahren können. Getragen war und ist diese Absicht von der Vorstellung, in dem besten aller Staaten zu leben49 und das auserwählte Volk Gottes zu sein.50 Das Ideal der freiheitlichen Missionierung anderer Länder wurde im Laufe der Zeit oft wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen untergeordnet. Dessen ungeachtet wurde es zu allen Zeiten viel propagiert und blieb im Sinne eines selektiven Idealismus präsent.51 So bestanden die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel darauf, dass Japan und Deutschland menschenrechtliche Gewährleistungen in ihre neu abzufassenden Verfassungen aufnähmen.52 Die USA trugen ferner dazu bei, dass menschenrechtliche Aspekte in die UN-Charta aufgenommen wurden.53 Sie waren weiterhin wesentlich an der Abfassung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte54 sowie den beiden grundlegenden Menschenrechtspakten des UN-Systems (IPBPR55 und IPWSKR56) beteiligt.57 Auch im Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten setzten sich die 47
Hartz, The Liberal Tradition in America, S. 3. Loescher, Human Rights and American Foreign Policy Executive-Legislative Interaction, JöR, Bd. 28, S. 559. 49 Commager, The American Mind, S. 10 f. 50 Haller, Die Grenzen der Solidarität, S. 41. 51 Loescher, Human Rights and American Foreign Policy Executive-Legislative Interaction, JöR, Bd. 28, S. 559, 562 ff. 52 Henkin, Rights: American and Human, 79 Colum. L. Rev. 405, 421 (1979). 53 Ebd. 54 U.N. GA Res. 217 [III]. 55 BGBl. 1973 II, 1534. 56 BGBl. 1973 II, 1570. 57 Henkin, Rights: American and Human, 79 Colum. L. Rev. 405, 421 (1979). 48
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
USA für die Menschenrechte ein.58 Die HRL fügt sich nahtlos in dieses Bild ein: Auch sie ist Export der US-amerikanischen Freiheitsideale, auch sie ist Teilhabe am US-amerikanischen Befreiungserlebnis und auch sie muss sich in einem Kräftedreieck mit außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen behaupten. Die heutigen politischen Rahmenbedingungen der USA geben der HRL hierbei viel Freiraum. Als politische und wirtschaftliche Weltmacht sind die USA weniger als andere Staaten von dem Wohlwollen anderer Länder abhängig. Sie können die internationalen Spannungen, die aus dem Export der eigenen Rechtsgrundsätze resultieren können, verhältnismäßig leicht verkraften. Bedeutsam für die menschenrechtliche Wiederbelebung des ATCA bzw. den Erlass des TVPA war neben dem menschenrechtlichen Engagement der USA die pragmatische Ausrichtung des US-Rechts, der Umstand also, dass es in der US-amerikanischen Rechtsordnung unvorstellbar ist, ein Recht zu schaffen, für dessen Durchsetzung kein Rechtsschutz bestünde. Die Ursprünge dieser Vorstellung gehen in die Gründungszeit der USA zurück. Den Verfassungsgebern war gemeinsam, dass sie selbst bzw. die Menschen, die sie repräsentierten, als unterdrückte Minderheiten in die Neue Welt geflohen waren. Der Schutz von Minderheitsinteressen war deshalb ein zentraler Punkt in der Verfassungsdiskussion.59 Er wurde durch die verfassungsrechtliche Verbürgung einklagbarer Individualrechte verwirklicht. So kommt es, dass sich die in der US-Verfassung verwirklichte Umsetzung der Menschenrechtsidee im Hinblick auf die praktische Realisierbarkeit der verbürgten Rechte positiv von den Umsetzungsergebnissen anderer Staaten abgrenzt.60 Während zum Beispiel die französische Erklärung der Menschenund Bürgerrechte vornehmlich ein rhetorisches Meisterstück war, das die Idee der Menschenrechte von den „realen und rechtlichen Bedingungen ihres Wirklich-Werdens“61 abkoppelte, war genau das Gegenteil in der USamerikanischen Verfassung der Fall. Hier lag der Grund für eine institutionelle Verankerung der Menschenrechtsidee nicht in dem Bedürfnis nach aufklärerischer Menschheitsbelehrung, sondern im Bewusstsein um die Notwendigkeit konkret einklagbarer Grundrechte.62 Klar zeigt sich diese Einstellung in der berühmten Entscheidung des Supreme Court im Fall Mar58
Ebd. Haller, Die Grenzen der Solidarität, S. 65. 60 Pflüger, US-Außenpolitik und Menschenrechte: Die Wiederbelebung des amerikanischen Idealismus in den Siebziger Jahren, S. 26 f. 61 Isensee, Menschenrechte – Staatsordnung – Sittliche Autonomie. Gestalt der menschenrechtlichen Freiheit im Verfassungsstaat, in: Schwartländer (Hrsg.), Modernes Freiheitsepos und christlicher Glaube, S. 70, 72. Siehe auch Preuss, The Force, Frailty, and Future of Human Rights Under Globalization, 1 Theoretical Inquiries L. 283, 297 (2000). 59
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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bury v. Madison aus dem Jahre 1803: „The very essence of civil liberty certainly consists in the right of every individual to claim the protection of the laws, whenever he receives an injury [. . .]. It is a general and indisputable rule, that where there is a legal right, there is also a legal remedy by suit or action at law whenever that right is invaded. [. . .]. The government of the United States has been emphatically termed a government of laws, and not of men. It will certainly cease to deserve this high appellation, if the laws furnish no remedy for the violation of a vested legal right.“63 Diese rechtspragmatische Grundeinstellung der USA wird in der HRL auf den Bereich der Menschenrechte übertragen. Entsprechend eigener Rechtsvorstellungen verwandeln die USA im Rahmen der HRL die Menschenrechte, die auf internationaler Ebene weitestgehend undurchsetzbare Bekenntnisse geblieben sind, in einklagbare Anspruchsgrundlagen. Das menschenrechtliche Engagement der USA sowie der Wille zur rechtlichen Durchsetzung der Menschenrechte erklären noch nicht, warum der Vollzug der Menschenrechte über das nationale Verfahren erfolgt. Alternativ wäre es vorstellbar, dass auf eine Fortentwicklung der internationalen Verfahren zum Schutz der Menschenrechte gedrängt würde. Auch wenn sich die USA international intensiv für die Menschenrechte einsetzen, so stehen sie zugleich internationalen Verfahren zur Durchsetzung des Völkerrechts von jeher skeptisch gegenüber. So stellten sich die USA dem Völkerbund entgegen64 und lehnten eine Beteiligung am Ständigen Internationalen Gerichtshof ab.65 Hinsichtlich der Zuständigkeit des IGH gaben die USA zunächst eine Erklärung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut ab, durch die sie die Zuständigkeit des Gerichtshofes ohne weitere Übereinkunft gegenüber jedem anderen Staaten anerkannten, der die dieselbe Verpflichtung übernommen hatte. Die USA begrenzten ihre Erklärung jedoch durch einen Vorbehalt im Sinne von Art. 36 Abs. 3 IGH-Statut. Sie erklärten, dass sie die Zuständigkeit des Gerichtshofes nur hinsichtlich solcher Sachverhalte akzeptierten, „which are essentially within the domestic jurisdiction of the United States of America as determined by the United States of America“ (so genannter Connally-Vorbehalt).66 Sie stellten so die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH von Fall zu Fall ins eigene Belieben.67 Als die USA im Nicaragua-Konflikt vor dem IGH zur Verantwortung gezogen wur62 Pflüger, US-Außenpolitik und Menschenrechte: Die Wiederbelebung des amerikanischen Idealismus in den Siebziger Jahren, S. 26 f. 63 Marbury v. Madison, 5 U.S. 137, 163 (1803). 64 Ipsen (Epping), Völkerrecht, 7. Kapitel, § 32, Rn. 7. 65 Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 722 (1986). 66 Ebd. 67 Ipsen (Fischer), Völkerrecht, 15. Kapitel, § 62, Rn. 45.
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
den, beendete Präsident Reagan die Unterwerfung unter die Zuständigkeit des Gerichtes.68 Die USA sind ferner der American Convention on Human Rights, die den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte ins Leben rief, nicht beigetreten und sind folglich dessen Rechtsprechung nicht unterworfen. In neuerer Zeit unterstützten die USA zunächst das Projekt eines Internationalen Strafgerichtshofes, wandten sich aber gegen dessen Errichtung als klar wurde, dass eine Sonderklausel, nach der US-Bürger nur mit Zustimmung der USA vor dem Gericht verklagt werden würden, nicht durchsetzbar sein würde.69 Im Ganzen zeigt sich eine große Abneigung der USA gegenüber internationalen Verfahren zur Durchsetzung des Völkerrechts. Vor diesem Hintergrund bleibt den USA nur die Alternative, das eigene menschenrechtliche Engagement über das nationale Verfahren zu verwirklichen. Die besondere Bedeutung, die dem nationalen Verfahren zum Schutz der Menschenrechte zukommt, erklärt sich also negativ, aus der besonderen Abneigung, die internationalen Schutzsystemen entgegen gebracht wird. Zu klären bleibt, warum die USA eine Unterwerfung unter internationale Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte ablehnen. Die Gründe hierfür liegen in der politischen Philosophie, dem außenpolitischen Isolationismus sowie dem Menschenrechtssverständnis der USA. Es sei zunächst auf die politische Philosophie der USA eingegangen. Sie war von jeher durch die europäische Aufklärung geprägt.70 Die Schriften der europäischen Theoretiker wurden von links und rechts gerichteten Politikern gleichermaßen als autoritativ zitiert.71 Insbesondere den Ideen von John Locke wurde große Bedeutung beigemessen. Hartz schreibt insoweit: „Locke dominates American political thought, as no thinker anywhere dominates the polical thought of a nation. He is a massive national cliché.“72 Von Bedeutung für das US-amerikanische Verständnis des Staates ist insbesondere die Locksche Vorstellung vom Natur- und Gesellschaftszustand. Locke geht davon aus, dass der Mensch zunächst in einem Naturzustand der vollkommenen Freiheit lebt.73 Der Einzelne sei in diesem Zustand selbst zur Verteidigung der ihm von Natur aus zustehenden Rechte berufen. Es ergebe sich hierbei das Problem, dass er im Falle einer Auseinandersetzung um die eigenen Rechte 68 Van der Vyver, American Exceptionalism: Human Rights, International Criminal Justice, and National Self-Righteousness, 50 Emory L.J. 775, 784 (2001). 69 Ebd. 70 Bailyn, The Ideological Origins of the American Revolution, S. 26. 71 Ebd., S. 28. 72 Hartz, The Liberal Tradition in America, S. 140. 73 Seliger, John Locke, in: Fetscher/Münkler (Hrsg.), Pipers Handbuch der politischen Idee, Bd. 3: Neuzeit: Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung, S. 381, 384.
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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zugleich Richter und Partei sei.74 Gelöst werde dieses Problem durch den Zusammenschluss der Individuen zur Gesellschaft, das heißt durch den Übergang vom Natur- in den Gesellschaftszustand.75 Locke geht davon aus, dass jeder Bürger, der sich einer Gesellschaft anschließe, implizit auf sein natürliches Recht, selbst zu richten, verzichte und dieses Recht an eine staatliche Gewalt übertrage.76 Alle staatliche Macht beruhe daher auf der Zustimmung des Bürgers. In dem Moment, in dem die staatliche Gewalt den Rahmen dieser Delegation überschreite, verliere sie ihre Legitimation. Die Gesellschaft erhalte das Recht zum Widerstand und zur revolutionären Herbeiführung eines Regierungswechsels.77 Die Gedanken Lockes wurden im Rahmen des Diskurses um die politisch-philosophische Grundlage des neuen Staates mit eigenen Erfahrungen vermengt und zu einer neuen, spezifisch US-amerikanischen Ideologie fortentwickelt.78 So wurde insbesondere die Locksche Vorstellung von der Begründung jeglicher Staatsmacht im Willen des Volkes weiterentwickelt. Eine wichtige Rolle spielte insoweit die Erfahrung, als englische Kolonie von England regiert und besteuert worden zu sein, ohne im englischen Parlament repräsentiert zu sein.79 Sie prägte das US-amerikanische Verständnis der repräsentativen Demokratie. Der Souveränitätsverzicht des Individuums zugunsten des Staates war von jeher negativ besetzt. Alle gesellschaftlichen Schichten waren stets darum bemüht, ihn minimal zu halten.80 Da ein gewisser Souveränitätsverzicht aus einer praktischen Notwendigkeit heraus jedoch erforderlich war, sollte die eingesetzte Staatsmacht zumindest ein akurater Spiegel der Bevölkerung, ein „rechenschaftspflichtiges Dienstleistungsunternehmen“81, sein.82 Die Zustimmung der Bevölkerung war nicht lediglich eine periodisch zu erfüllende Notwendigkeit, sondern die fortwährende, sich täglich erneuernde Voraussetzung jeder Regierungsgewalt.83 Verwirklicht wurde dieses Konzept in den Verfassungen der Kolonien durch ein System der direkten Repräsentation, in dem die gewählten Repräsentanten verpflichtet waren, die Interessen ihres Wahlkreises wahrzunehmen. Sie mussten den konkreten Anweisungen des Wahlkreises folgen und hatten daneben kein Recht, aus eigener Initiative heraus zu tun, was sie für richtig befanden.84 Die Macht des Repräsentanten ergab 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83
Ebd. Ebd. Ebd., S. 385. Ebd., S. 384. Bailyn, The Ideological Origins of the American Revolution, S. 161. Ebd., S. 166. Haller, Die Grenzen der Solidarität, S. 92. Ebd., S. 47. Bailyn, The Ideological Origins of the American Revolution, S. 173. Ebd.
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
sich aus der konkreten Zustimmung des Repräsentierten. In der Verfassung des Bundes wurde dieses Konzept aufgelockert. Dem Repräsentantenhaus, dessen Mitglieder ihre Wahlkreise unmittelbar repräsentieren sollten, wurde der Senat beigesellt, der „with more coolness, with more system, and with more wisdom, than the popular branch“85 und somit losgelöst vom unmittelbaren Volkswillen agieren sollte.86 In dem Maße, in dem sich die nationalen Angelegenheiten verkomplizierten, konnte freilich auch im Repräsentantenhaus die Idee einer unmittelbaren Repräsentation nicht unbeschränkt aufrecht erhalten werden.87 Dessen ungeachtet haben die USA ein grundsätzliches Bedürfnis nach möglichst volksnaher Repräsentation bewahrt.88 Dieses lässt sich nur schwer mit der Unterwerfung unter ein internationales Verfahren in Einklang bringen, in dem die USA von Richtern, die nicht ihre eigenen sind, am Maßstab von Normen, die nicht bzw. nicht ausschließlich von den eigenen Repräsentanten geschaffen wurden, gemessen werden. Ein weiterer Grund für die Ablehnung internationaler Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte liegt im traditionellen Isolationismus der USA. Ihm lag ursprünglich die Vorstellung zugrunde, dass die Besonderheit und Überlegenheit der USA durch das Zurücklassen der Unzulänglichkeiten der Alten Welt ermöglicht wurde und jede Interaktion mit der Alten Welt die Gefahr einer Infektion mit diesen Mängeln mit sich brächte.89 Hieraus entwickelte sich eine grundsätzliche, noch heute fortbestehende Abneigung gegenüber ausländischer Einflussnahme auf die USA. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Ablehnung, die die USA einer Bindung an das Völkerrecht, einem von außen kommenden Rechtskörper, entgegen bringen. Der Isolationismus der US-Amerikaner wirkt indes von jeher nur in eine Richtung. Er verhindert, dass ausländische Vorstellungen in den USA einflössen, nicht jedoch dass US-amerikanische Ideale ins Ausland exportiert würden. Hartz umschreibt den Antagonismus zwischen Isolation und Intervention wie folgt: „Americans seem to oscillate between fleeing from the rest of the world and embracing it with too ardent a passion. An absolute national morality is inspired either to withdraw from ‚alien‘ things or to transform them: it cannot live in comfort constantly by their side.“90 84 Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 719 (1986). 85 Wood, The Creation of the American Republic, S. 553. 86 Ebd. 87 Commager, The American Mind, S. 8; Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 720 (1986). 88 Trimble, A Revisionist View of Customary International Law, 33 UCLA L. Rev. 665, 719 (1986). 89 Hartz, The Liberal Tradition in America, S. 285. 90 Ebd. S. 286 (Bezugnehmend auf George Kennan).
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Mitbestimmend für die Abneigung der USA gegen internationale Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte ist schließlich das US-amerikanische Menschenrechtsverständnis. Die Menschenrechte dienen nach US-amerikanischer Vorstellung primär der aufklärerischen Missionierung anderer Staaten. Sie sind das Vehikel für den Export der eigenen Vorstellungen zu den Individualrechten in andere Länder.91 Innerhalb der USA hingegen hat das Konzept der Menschenrechte keine eigenständige Bedeutung.92 Die Menschenrechte gehen in den verfassungsrechtlichen Individualgarantien auf. Die US-amerikanischen Gerichte haben erkennen lassen, dass Rechte, die von außerhalb der USA kommen, keine Bedeutung im US-internen Diskurs um die Rechte des Einzelnen haben.93 Das eigene staatliche Handeln wird am Maß des Verfassungsrechts, nicht jedoch am Maß der Menschenrechte gemessen. Ein internationales Verfahren, in dem die USA von anderen Ländern am Maßstab der Menschenrechte gemessen würden, erscheint den USA vor diesem Hintergrund widersinnig. Es besteht nach ihrer Ansicht kein Erfordernis, die USA an die Menschenrechte zu binden, da sie bereits durch die US-amerikanische Verfassung verpflichtet sind. Die Werte der US-amerikanischen Verfassung, aus denen sich nach US-amerikanischer Meinung die Menschenrechte ableiten, können nach Auffassung der USA am besten durch US-Gerichte verwaltet werden. Als „Lehrmeister“ dieser Werte lehnen es die USA ab, dass ihr Verhalten von anderen, insoweit weniger erfahrenen Ländern gemessen würde.94 Nachdem erläutert wurde, warum sich der US-amerikanische Menschenrechtsschutz auf das nationale Verfahren konzentriert, ist zu untersuchen, warum dieser Menschenrechtsschutz zivilrechtlich (und nicht strafrechtlich) ausgerichtet ist. Zu begreifen ist dies vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Fixierung auf das zivilrechtliche Verfahren. In den USA finden unabhängig vom System der HRL wesentlich mehr Zivilverfahren statt als in anderen Ländern.95 Beispielhaft sei auf Daten aus dem Jahr 1993 verwiesen, in dem 30 Millionen Fälle vor US-amerikanischen Gerichten verhandelt wurden. Während desselben Zeitraums suchten circa 70 % der US-amerikanischen Bevölkerung Rat bei Anwälten.96 Diese Zahlen sind nicht auf 91 Haller, Die Grenzen der Solidarität, S. 98; Henkin, Rights: American and Human, 79 Colum. L. Rev. 405, 421 (1979). 92 Backer, Human Rights and Legal Education in the Western Hemisphere: Legal Parochialism and Hollow Universalism, 21 Penn St. Int’l L. Rev. 115, 127 (2002): „Internationally based human rights are for foreigners.“ 93 Ebd., S. 124. 94 Haller, Die Grenzen der Solidarität, S. 101; Henkin, Rights: American and Human, 79 Colum. L. Rev. 405, 423 (1979). 95 Vgl. Kagan, Adversarial Legalism, S. 1. 96 Garry, A Nation of Adversaries, S. 15 f.
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
eine grundsätzliche charakterliche Klagegeneigtheit der US-Amerikaner zurückzuführen.97 Begründet ist die Dominanz des Zivilverfahrens darin, dass dieses Funktionen erfüllt, die außerhalb der USA auf anderem Weg wahrgenommen werden. So wird die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, die in anderen Ländern vornehmlich durch Verwaltungsbehörden oder Behörden der Strafverfolgung garantiert wird, in den USA weitestgehend in die Hände des betroffenen Einzelnen gelegt, dem zu diesem Zweck ein einklagbarer Anspruch gewährt wird.98 Das Zivilverfahren stellt in den USA ferner die einzige Möglichkeit zum Ausgleich eines Schadens dar. Es existiert zum Beispiel kein System der Sozialversicherung, welches einem Verunglückten unabhängig von einem zivilrechtlichen Vorgehen ein Mindestmaß an Versorgung gewähren würde. Der Verunglückte ist gänzlich auf den Klageweg angewiesen.99 Das Zivilverfahren ist daneben eine anerkannte Methode der politischen Auseinandersetzung. In keiner anderen Demokratie wird das rechtliche Verfahren so oft von den Konkurrenten eines politischen Streites benutzt, um ein politisches Ziel zu erreichen.100 Politische Aktivisten, die in einem anderen Land durch eine Petition an das Parlament, eine Demonstration oder eine Bürgerrechtsbewegung versuchen würden, Einfluss zu erlangen, reichen in den USA eine Sammelklage ein. In kaum einem anderen Rechtssystem käme es vor, dass politische Themen wie Abtreibung101 oder Rassendiskriminierung102 primär über die Gerichte gelöst würden. Die Menschenrechte, die über die HRL geltend gemacht werden, sind insoweit nur ein politisches Thema unter vielen. Zu klären bleibt, warum in den USA dem Zivilverfahren in derart umfassendem Umfang Aufgaben überlassen werden. Bedeutsam für die Ausgestaltung des Rechtssystems eines Staates ist das Denken der Gesellschaft, die ihn begründet. Friedman vergleicht insoweit das Recht mit einer elaborierten Machine, die erst durch die Gesellschaft, in der sie funktionieren soll, programmiert wird.103 Die Hintergründe für die Fixierung des US-amerikanischen Rechts auf das Zivilverfahren sind deshalb im Denken der USamerikanischen Gesellschaft zu suchen. Dieses ist geprägt vom Antagonismus eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber dem Staat und einer hohen Erwartung an den Staat.104 Zunächst sei auf das Misstrauen gegenüber 97
Kagan, Adversarial Legalism, S. 34. Ebd., S. 34, 47. 99 Ebd. 100 Ebd., S. 7. 101 Roe v. Wade, 410 U.S. 113, 154 (1973). 102 Brown v. Bord of Education, 347 U.S. 483, 495 (1954). 103 Friedman, The Republic of Choice, S. 4. 104 Kagan, Do Lawyers Cause Adversarial Legalism? A Preliminary Inquiry, 19 Law & Social Inquiry 1, 8 (1994). 98
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dem Staat eingegangen. Dieses lies die Gründungsväter einen passiven, dezentralen Staat schaffen. Die Passivität des US-amerikanischen Staates ist zu erklären über die individualistische Ausrichtung,105 durch die sich die US-amerikanische Gesellschaft auszeichnet und über die sie sich von anderen Kulturen abgrenzt.106 In einer individualistischen Gesellschaft gilt es als das oberste Recht, über das eigene Leben entscheiden und sich selbst verwirklichen zu können.107 Typische Werte einer individualistischen Gesellschaft sind Chancengleichheit, Unabhängigkeit und Eigeninitiative.108 Es erklärt sich so ein Staat, der nicht fürsorgend in den Alltag seiner Bürger eingreift, sondern im Hintergrund steht und jenen lediglich die Grundvoraussetzungen erfolgreicher Selbstregulierung bereitstellt. Bezogen auf das Rechtssystem bedeutet dies, dass der freie, selbstverantwortliche Bürger seine Rechte selbst verteidigt; ihm braucht Schutz nicht von staatlicher Seite gewährt zu werden. Das Zivilverfahren ist das „all purpose remedy that American society provides to its aggrieved members.“109 Die dem passiven Staat verbleibende Macht wurde zum Zweck der besseren Machtkontrolle auf verschiedene Institutionen verteilt. Auf vertikaler Ebene findet eine Gewaltenteilung zwischen dem Bund, den Staaten und den Kommunen statt, auf horizontaler Ebene zwischen den verschiedenen Gewalten, Exekutive, Legislative und Judikative.110 Das Misstrauen gegenüber konzentrierter Macht geht zurück in die Zeit der Gründung der USA. Das Verhalten der damaligen Kolonialmacht England verankerte in den Gründern der Nation eine Furcht vor zentralisierter Regierungsmacht.111 Die Bevölkerung der USA koppelt dieses Misstrauen gegenüber dem Staat mit hohen Ansprüchen, die an den Staat gestellt werden. Der Staat soll zwar in das tägliche Leben des Einzelnen nicht eingreifen und soll keine Macht besitzen, die er missbrauchen könnte, zugleich soll er die Bürger aber umfassend vor Gefährdungen und Notlagen jeder Art beschützen. Das Zivilverfahren hilft, den Antagonismus zwischen Misstrauen gegen und Ansprüchen an den Staat zu überwinden.112 Es bietet einen „nichtstaatlichen“ Mechanismus, über den die Schutzansprüche des Einzelnen erfüllt werden.113 Als „nicht-staatlich“ ist dieser Schutz insoweit anzusehen, 105
Ders., Adversarial Legalism, S. 15, 154. Hofstede, Culture’s Consequences, S. 215. 107 Friedman, The Republic of Choice, S. 2 f. 108 Gannon, Understanding Global Cultures, S. 213. 109 Auerbach, Justice Without Law, S. 10. 110 Kagan, Do Lawyers Cause Adversarial Legalism? A Preliminary Inquiry, 19 Law & Social Inquiry 1, 8 (1994). 111 Hartz, The Liberal Tradition in America, S. 43. 112 Kagan, Adversarial Legalism, S. 16. 106
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als die Gerichte von jeher vom Misstrauen gegenüber dem Staat ausgenommen waren.114 Sie wurden im Gegenteil als Garantie vor einem Machtmissbrauch des Staates verstanden. Ihnen wurde schon immer der höchste Respekt entgegen gebracht.115 Es ergibt sich eine Situation, in der das Zivilverfahren zum Ersatz für die traditionelle staatliche Authorität wird.116 Kagan schreibt insoweit: „It is only a slight oversimplification to say that in the United States lawyers, legal rights, judges, and lawsuits are the functional equivalent of the large central bureaucracies that dominate governance in high-tax activist welfare states.“117 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Gründe für die Existenz von Menschenrechtsgesetzen in den USA in dem traditionellen menschenrechtlichen Engagement der USA sowie in dem in den USA verbreiteten Bewusstsein um die Bedeutung der Durchsetzbarkeit eines Rechtes liegen. Der Umstand, dass diese Beweggründe gerade zu einem innerstaatlichen Modell der Durchsetzung der Menschenrecht führen, erklärt sich vor dem Hintergrund der generell ablehnenden Haltung, die die USA internationalen Verfahren zur Durchsetzung des Völkerrechts entgegen bringen. Die zivilrechtliche Ausrichtung der Menschenrechtsgesetze der USA schließlich fügt sich in ein Rechtssystem ein, in dem das Zivilverfahren mannigfaltige Funktionen wahrnimmt und Aufgaben erfüllt, die in anderen Ländern der Legislative oder der Verwaltung anvertraut sind.
II. Gründe für den Erfolg der Human Rights Litigation Zu analysieren bleiben die Gründe für den Erfolg der HRL. Einzugehen ist insoweit auf den rechtlichen Umgang mit transnationalen Fallkonstellationen, die überdurchschnittlich häufige Präsens von Tätern und Opfern in den USA, die generelle Attraktivität der USA als Forum sowie die die Rechtskultur der USA. Berücksichtigt sei ferner die fehlende Opferbezogenheit des US-amerikanischen Strafverfahrens. 1. Der Umgang mit transnationalen Fallkonstellationen Wesentlich für den Erfolg der HRL ist die Art und Weise, in der das USamerikanische Recht mit transnationalen Fallkonstellationen umgeht. Vorteilhaft ist zunächst das weit ausgreifende Zuständigkeitsrecht der USA. Ge113 114 115 116 117
Ebd. Vgl. ebd., S. 154. Vgl. Commager, The American Mind, S. 361. Friedman, The Republic of Choice, S. 17. Kagan, Adversarial Legalism, S. 16.
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rade dieses macht die typische Konstellation der HRL, die richterliche Beurteilung eines im Ausland zwischen Ausländern vorgefallenen Verbrechens, erst möglich. Wesentliche Bedeutung kommt hierbei der tag jurisdiction zu, über die die Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte bereits durch die bloße Zustellung einer Klageschrift im Forumstaat begründet werden kann. In neuerer Zeit hat im Zusammenhang mit den Klagen gegen multinationale Konzerne auch die doing business jurisdiction zunehmende Bedeutung erlangt. Nach dieser kann ein Unternehmen an jedem Ort verklagt werden, an dem es Geschäfte in nicht unwesentlichem Umfang tätigt. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg der HRL liegt im Immunitätsrecht der USA. Erwähnt sei insoweit der AEDPA, welcher im Bereich des internationalen Terrorismus Klagen gegen den ausländischen Staat, seine Unterteilungen sowie das amtierende Staatsoberhaupt bzw. den Regierungschef zulässt, die in den meisten Ländern am Einwand der staatlichen Immunität scheitern würden. Bedeutsam ist ferner, dass die USA den funktionellen Immunitätsschutz des Hoheitsträgers nicht auf den Bereich von Menschenrechtsverletzungen erstrecken.118 Dem hingegen sieht zumindest das traditionelle Völkerrecht auch die Menschenrechtsverletzung vom funktionellen Immunitätsschutz des Hoheitsträgers erfasst.119 Klagen nach dem Vorbild der HRL wären auf seiner Grundlage nur in den Fällen möglich, in denen der Staat auf seine Immunität bzw. die seines Hoheitsträgers verzichtet120 oder es sich um eine rein private Straftat handelt. Hierbei ist zu bedenken, dass nur wenige völkerrechtliche Delikte privat begehbar sind bzw. in der Realität privat begangen werden. Lediglich Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie unter Umständen Piraterie, Sklaverei, Flugzeugsabbotage und Geiselnahme wenden sich an Privatpersonen und sind somit privat begehbar.121 Von diesen Delikten werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in aller Regel nicht privat, das heißt ohne Bezug zu einer hoheitlichen Tätigkeit, begangen. Als über die HRL einklagbare Delikte blieben – bei Beachtung des Immunitätsrechts und vorbehaltlich eines Immunitätsverzichts – regelmäßig nur die privat begangene Piraterie, Sklaverei, Flugzeugsabbotage oder Geiselnahme. Daneben spielt das System der amici curiae eine Rolle. Wie bereits ausgeführt, kann ein System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes leicht an kompetenzbezogenen Problemen scheitern.122 Das außenpolitische Ge118
Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 1. a) (3). Vgl. oben Teil II, 2. Kapitel, I. 120 Democratic Republic of the Congo v. Belgium, Judgment, ICJ Reports 2002, Rn. 61. 121 Siehe oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. a) (2). 119
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fährdungspotential der entsprechenden Fälle kann zum einen dazu führen, dass sich die Exekutive unter Berufung auf ihre außenpolitische Zuständigkeit einem System des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes pauschal entgegen stellt. Zum anderen kann es sein, dass eine außenpolitisch sensibilisierte Richterschaft aufgrund einer übergroßen Rücksichtnahme auf die Kompetenzen der außenpolitischen Entscheidungsträger von einer Aburteilung der entsprechenden Fälle generell absieht. In den USA werden diese Probleme über das Institut des amicus curiae gemildert. Der amicus curiae ist ein Schriftsatz, der von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten dem Gericht zur Kenntnis gebracht wird.123 Zur Einreichung berechtigt sind der Staat124 und Private, die ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreites haben. Zwar sind die staatlichen amici curiae – wie bereits ausgeführt – nicht verbindlich. Ihnen wird in der Regel seitens der Gerichte aber großes Gewicht beigemessen.125 Sie erhöhen so die Flexibilität und die Effizienz im kompetenzbezogenen Ausgleich zwischen den Gewalten. In außenpolitisch sensiblen Fällen kann die Exekutive über den amicus curiae auf die richterliche Entscheidung im Einzelfall Einfluss nehmen. Sie ist nicht darauf beschränkt, auf eine richterliche Zurückhaltung zu hoffen und muss der HRL deshalb nicht pauschal ablehnend gegenüber stehen. In gleicher Weise ermöglichen die amici curiae der Richterschaft flexibles Handeln. Der staatliche amicus curiae hilft dem Richter, die außenpolitisch heiklen Fälle von den außenpolitisch unbedenklichen Fällen zu unterscheiden. Er bietet ihm Hilfestellung und Legitimation bei seiner Gradwanderung zwischen Recht und Politik und verhindert so eine Kompetenzüberschreitung ebenso wie eine übermäßige, außenpolitisch nicht gebotene Zurückhaltung der Richterschaft. Die Natur der HRL als Institut der innerstaatlichen Durchsetzung des Völkerrechts legt es schließlich nahe, Gründe für ihren Erfolg auch im Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht zu suchen. Grundlegend für dieses Verhältnis ist die Art und Weise, in der das Völkerrecht in den nationalen Rechtsraum einfließt. Hier sind zwei Ansätze zu unterscheiden, ein monistischer und ein dualistischer. Während in einem monistischen System das Völkerrecht als solches innerstaatlich angewendet wird, fließt es in einem dualistischen System nur in Form eines innerstaatlichen Transforma122
Siehe oben Teil II, 1. Kapitel. Hirte, Der amicus-curiae – das amerikanische Modell und die deutschen Parallelen, ZZP, 104. Bd., S. 11, 14 (1991). 124 Staatliche amici curiae treten auch unter der Bezeichnung statement of interest auf, vgl. z. B. unten Teil IV, 1. Kapitel, II. 1. 125 Siehe bereits oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d). Vgl. auch Hirte, Der amicus-curiae – das amerikanische Modell und die deutschen Parallelen, ZZP, 104. Bd., S. 11, 30 (1991). 123
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tionsgesetzes in die nationale Rechtsordnung ein.126 Die USA verfolgen von Verfassungs wegen einen monistischen Ansatz:127 Sowohl völkerrechtliche Verträge128 als auch das Völkergewohnheitsrecht129 sind automatisch Teil des nationalen Rechts, einer Transformation in nationales Recht bedarf es nicht. Die US-amerikanische Rechtsprechung belegt nach Ansicht der Literatur indes eine eher dualistische Völkerrechtskonzeption.130 Auf die sich insoweit ergebenden Fragestellungen sei an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da rein rechtlich gesehen nicht ersichtlich ist, dass die monistische oder dualistische Ausrichtung einer Rechtsordnung von Bedeutung für den Erfolg der HRL wäre; es spielt keine Rolle, ob das Völkerrecht als solches oder eine inhaltsgleiche nationale Norm angewendet wird. Relevant könnte jedoch die Art und Weise sein, in welcher der Staat seinen Organen den Befehl zur Anwendung des Völkerrechts erteilt. Ein solcher Befehl ist vor dualistischem und monistischem Hintergrund gleichermaßen erforderlich, da sich das Völkerrecht nur an den Staat, nicht jedoch an die innerstaatlichen Normanwender richtet.131 Zu unterscheiden ist, ob dieser Anwendungsbefehl pauschal, das heißt für das gesamte Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht, oder spezifisch, das heißt Norm für Norm, erteilt wird. Beide Varianten sind vor dualistischem und monistischem Hintergrund gleichermaßen möglich. Viele Staaten wählen unterschiedliche Ansätze für Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht,132 wobei für das Gewohnheitsrecht der pauschale Ansatz der üblichere ist.133 Die Unterscheidung in einen spezifischen und einen pauschalen Anwendungsbefehl ist von Bedeutung für die rechtsfortbildenden Aspekte, die die HRL bezüglich des Völkergewohnheitsrechts wahrnimmt. Auf sie wird an anderem Ort 126
Siehe bereits oben Teil II, 3. Kapitel, I. 1. a). Henkin, The Constitution and the United States Sovereignty: A Century of Chinese Exclusion and its Progeny, 100 Harv. L. Rev. 853, 886 (1987); Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 800. 128 Siehe Art. IV Section 2 der US-Verfassung. Näher hierzu bereits oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. b). 129 The Paquete Habana, 175 U.S. 677, 700 (1900). Siehe bereits oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. a) (1). 130 Backer, Human Rights and Legal Education in the Western Hemisphere: Legal Parochialism and Hollow Universalism, 21 Penn St. Int’l L. Rev. 115, 125, Fn. 31 (2002), m. w. N.; Bungert, Einwirkung und Rang von Völkerrecht im innerstaatlichen Rechtsraum, DÖV 1994, S. 797, 800; Henkin, The Constitution and the United States Sovereignty: A Century of Chinese Exclusion and its Progeny, 100 Harv. L. Rev. 853, 864 ff. (1987). 131 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 418. 132 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 157 f. 133 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 850. 127
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noch ausführlich einzugehen sein.134 An dieser Stelle sei lediglich erwähnt, dass die Gerichte im Rahmen der HRL von Fall zu Fall dazu Stellung nehmen, ob eine bestimmte Norm bereits den Status von Völkergewohnheitsrecht erreicht hat. Es kommt so ständig zu gerichtlichen Aussagen zum Stand des Völkergewohnheitsrechts, die zur Verfestigung existenter und zur Entwicklung im Entstehen begriffener Normen des Völkergewohnheitsrechts beitragen. Nur ein pauschaler Anwendungsbefehl lässt den Gerichten die Freihheit, selbst über den Stand des Völkergewohnheitsrechts zu entscheiden und so rechtsbestärkend bzw. rechtsfortbildend tätig zu werden. Ein Gericht, das eine Norm des Völkergewohnheitsrechts erst anwenden kann, nachdem diese über den spezifischen Befehl des Gesetzgebers einer innerstaatlichen Anwendung zugänglich gemacht wurde, kann derartige normative Funktionen nicht ausüben. Im System der USA findet sich jedenfalls hinsichtlich des Völkergewohnheitsrechts ein pauschaler Anwendungsbefehl. Gemäß der Entscheidung des Supreme Court im Fall The Paquete Habana ist das Völkergewohnheitsrecht von den staatlichen Organen anzuwenden, ohne dass ein vorangehender spezifischer Anwendungsbefehl erforderlich wäre.135 Von einem theoretischen Standpunkt aus ist es interessant zu wissen, dass es für die normativen Funktionen der HRL eines pauschalen Anwendungsbefehles bedarf, der in den USA vorzufinden ist. Als praktisch relevante Erklärung für den Erfolg der HRL gerade in den USA kann diese Erkenntnis indes nur eingeschränkt dienen. Der pauschale Anwendungsbefehl für das Völkergewohnheitsrecht nämlich ist auch außerhalb der USA weit verbreitet. Ein spezifischer Ansatz wurde vor allem während der Zeit des Absolutismus vertreten und findet sich heute nur noch vereinzelt in modernen Diktaturen.136 Es sind dies regelmäßig Staaten, in denen ein System der HRL ohnehin an anderen Faktoren scheitern würde. Interessanterweise wird neuerdings gerade in den USA für einen spezifischen Ansatz zur innerstaatlichen Anwendung des Völkergewohnheitsrechts plädiert.137 Die entsprechenden Stimmen konnten sich bislang aber nicht durchsetzen. 2. Die Präsenz von Tätern und Opfern in den USA Relevant ist daneben der Umstand, dass sowohl die Täter als auch die Opfer von Menschenrechtsverletzungen besonders häufig in den USA anzu134
Siehe unten Teil IV, 2. Kapitel, I. 2. b) (1). The Paquete Habana, 175 U.S. 677, 700 (1900). Siehe bereits oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. a) (1). 136 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 850. 137 Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, II. 2. a). 135
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treffen sind. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die USA ein beliebtes Reiseziel für Emigranten aller Art sind, seien es politisch Verfolgte oder politische Verfolger.138 Die Funktion der USA als Vermittlerin in internationalen Konflikten sowie die Belegenheit des Hauptsitzes der UNO in New York bringen es ferner mit sich, dass Politiker aus aller Welt, darunter auch jene, die sich Menschenrechtsverletzungen zu Schulde kommen lassen haben, in die USA reisen, um dort an internationalen Verhandlungen teilzunehmen.139 Die wirtschaftliche Macht der USA bewirkt schließlich, dass nahezu alle großen internationalen Konzerne Geschäftskontakte zu den USA unterhalten oder dort über eine Tochtergesellschaft verfügen. Die Präsens der invididuellen und korporativen Täter in den USA ist insofern relevant für den Erfolg der HRL, als sie es im Zusammenspiel mit dem weit ausgreifenden Zuständigkeitsrecht der USA ermöglicht, die gerichtliche Zuständigkeit über ausländische Beklagte zu begründen. Anknüpfungspunkte können insoweit der vorübergehende Aufenthalt (vgl. die tag jurisdiction) sowie Geschäftstätigkeiten oder die Begründung eines Wohnsitzes bzw. eines Tochterunternehmens in den USA sein. Die Präsens der Opfer von Menschenrechtsverletzungen in den USA ist insofern relevant, als diese oft erst in den USA von rechtlichen Verfolgungsmöglichkeiten erfahren und den für die Initiierung und Durchführung eines Prozesses erforderlichen rechtlichen und finanziellen Beistand erhalten. 3. Die Attraktivität der USA als Forum Verschiedene rechtliche Erscheinungsformen machen die besondere Attraktivität US-amerikanischer Foren aus. Für den Bereich der HRL sind insbesondere das Kostenrecht, das Schadensrecht, die pre-trial discovery sowie die Sammelklage und die Möglichkeit zu einer anonymen Klageerhebung von Bedeutung. Relevant ist insoweit zunächst das US-amerikanische Kostenrecht. Kläger sehen sich in den USA typischweise einem vergleichsweise niedrigen Kostenrisiko ausgesetzt. Dies ist auf die so genannte American Rule zurückzuführen, nach der die Prozesskosten nicht bei Verfahrensende der unterlegenen Partei aufgebürdet, sondern zwischen den Parteien aufgeteilt werden.140 Eine Rolle spielt darüber hinaus das anwaltliche Kostenrecht, welches Erfolgshonorare (contingency fees), anders als zum Beispiel das 138 Damrosch, Enforcing International Law Through Non-Forcible Measures, 269 RdC 13, 177 (1997). 139 Ebd., S. 178 f. 140 Yeazell, Civil Procedure, S. 341.
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deutsche Recht (siehe § 49b Abs. 2 BRAO), erlaubt. Der Anwalt arbeitet hierbei zunächst ohne Honorar, wird aber im Falle eines Vergleiches oder eines Obsiegens prozentual am erstrittenen Betrag beteiligt.141 Ebenso sind in den USA die gratis und „im öffentlichen Interesse“ arbeitenden public interest lawyers weit verbreitet. Es ist ferner nicht ungewöhnlich, dass kommerziell arbeitende Kanzleien in bestimmten Fällen pro bono, das heißt ohne Honorar, tätig werden. Das dargestellte Kostenrecht hält das mit einer Klage verbundene Risiko gering. Es ermöglicht so Klagen, die „aus Prinzip“, in der Hoffnung auf den Ausspruch oder die Entwicklung eines bestimmten Rechtssatzes, und weniger in konkreter Vollstreckungsabsicht, eingereicht werden.142 Aktuelle Entwicklungen des Völkergewohnheitsrechts werden so zeitnah erfasst und in nationale Rechtsschutzmöglichkeiten übersetzt. Die besondere Attraktivität US-amerikanischer Fora ist ferner auf die Höhe der zugesprochenen Schadensersatzsummen zurückzuführen. Zu denken ist zunächst an die punitive damages, die sich in aller Regel in Millionenhöhe bewegen. Darüber hinaus werden immaterielle Schäden in den USA besonders großzügig erstattet. In den allermeisten HRL-Fällen spielen sowohl die Kompensation immaterieller Schäden als auch der Zuspruch von Strafschadensersatz eine Rolle. Die Tatsache, dass die Zahl der HRLKlagen stetig zunimmt, obgleich noch fast kein HRL-Urteil tatsächlich vollstreckt wurde, lässt die Frage aufkommen, ob bzw. inwieweit der Kläger tatsächlich durch die Aussicht auf finanziellen Gewinn zu einer Klageerhebung bewogen wird. Vielfach wird argumentiert, dass die Kläger weniger durch die Aussicht auf (Straf)schadensersatz als durch den Wunsch nach Gerechtigkeit und Vergeltung motiviert würden.143 Dessen ungeachtet kann die Aussicht auf punitive damages dem potentiellen Kläger auch einen immateriellen Anreiz zur Klageerhebung geben. So verspricht ihm ein auf punitive damages lautendes Urteil zum einen eine vergleichsweise größere Genugtuung, da er selbst auf eine „Bestrafung“ des Täters hinwirken kann. Zum anderen ist die Symbolik und die Aussagekraft eines derartig „bestrafenden“ Urteils eine höhere. Dies liegt an der abstrakten Höhe der zugesprochenen Summe sowie an dem veränderten Charakter eines Urteils, das 141
Ebd., S. 344. Vgl. Stephens, Corporate Liability: Enforcing Human Rights Through Domestic Litigation, 24 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 401, 411 (2001). 143 Vgl. Stephens, Conceptualizing Violence Under International Law: Do Tort Remedies Fit the Crime?, 60 Alb. L. Rev. 579, 604 (1997). Eine Veränderung könnte mit der Ausweitung der HRL auf multinationale Unternehmen eintreten, in deren Folge sich ein Feld liquider Klagegegner auftut, das in aller Regel über Vermögenswerte in den USA verfügt und so einer vergleichsweise unproblematischen Inlandsvollstreckung unterworfen werden kann. 142
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nicht nur zur kausalen Schadensverursachung, sondern auch zur „Bösartigkeit“ des streitgegenständlichen Verhaltens Stellung nimmt.144 Bei der ferner für den Erfolg der HRL bedeutsamen pre-trial discovery handelt es sich um ein Beweisermittlungsverfahren, welches im Vorfeld des eigentlichen Prozesses unter weitestgehender Parteiherrschaft durchgeführt wird. Die Parteien werden zur wechselseitigen Offenlegung all jener Dokumente verpflichtet, die von Relevanz für den Verfahrensgegenstand sind.145 Die pre-trial discovery dient nicht nur dem Beweis bereits bekannter Tatsachen, sondern auch der generellen Information der Parteien. Der im deutschen Recht verbotene Ausforschungsbeweis ist im Recht der USA also zugelassen. In Verbindung mit den denkbar niedrigen Anforderungen, die das US-amerikanische Prozessrecht gemäß Regel 8 (a) (1) der Federal Rules of Civil Procedure an eine Klagerhebung stellt (es genügt ein „short and plain statement of the claim“), ermöglicht sie es dem Opfer eine Klage einzureichen, ohne über konkrete Informationen hinsichtlich des Tathergangs oder über belastendes Beweismaterial zu verfügen, und darauf zu hoffen, Fakten und Beweise später im Rahmen der pre-trial discovery zu erlangen. Bedeutsam für den Erfolg der HRL ist auch das US-amerikanische Institut der Sammelklage (class action), bei der die Kläger (named plaintiffs) nicht nur im eigenen Namen klagen, sondern zugleich als Repräsentanten für jene Personen, die durch das streitgegenständliche Ereignis in vergleichbarer Weise betroffen sind.146 Eine formelle Parteistellung erhalten lediglich die named plaintiffs. Die repräsentierten Gruppenmitglieder trifft keine Pflicht, vor Gericht zu erscheinen. Nichtsdestotrotz bindet sie ein Urteil oder ein Vergleich in gleicher Weise wie die named plaintiffs.147 Als generelle Vorteile der Sammelklage werden die verbesserte Prozessökonomie, die Garantie der einheitlichen Entscheidung gleich gelagerter Fälle sowie die Erleichterung der Rechtsverfolgung für den einzelnen Geschädigten angeführt.148 Im Bereich der HRL hat die class action erst verhältnismäßig spät Bedeutung erlangt. Das erste class action-Urteil erging im Fall Marcos, im Jahre 1992.149 Seitdem stieg die Zahl der Sammelklagen stetig an. Nahezu alle Fälle gegen multinationale Konzerne wurden als Sammelklagen eingereicht. Die class action ist der HRL insofern förderlich, als die Initia144 Zu den Voraussetzungen der Verhängung von punitive damages siehe oben Teil I, 4. Kapitel, II. 2. 145 Regel 26 Fed. R. Civ. P. 146 Regel 23 Fed. R. Civ. P. 147 Heß, Die Anerkennung eines Class Action Settlement in Deutschland, JZ 2000, S. 373. 148 Ebd., S. 374. 149 In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493 (9th Cir. 1992).
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
tive eines Klägers auf andere Opfer erstreckt wird, die sonst die Mühen einer Klage nicht auf sich genommen hätten. Dies ist von einem rechtspolitischen Standpunkt aus zu begrüßen, da die Zahl der verfolgten Rechtsverletzungen erhöht wird. Daneben spielt die Sammelklage eine Rolle in Fällen gegen multinationale Konzerne. Durch die Kumulation einzelner Klagen erhöhen sich für das Unternehmen die Kosten einer Prozessführung sowie das potentielle Haftungsrisiko. Das Unternehmen ist gezwungen, die Klage ernst zu nehmen. Den individuellen Opfern wird so eine rechtliche Waffe zur Hand gegeben, die es ihnen ermöglicht, das Machtgefälle zwischen ihnen und dem Unternehmen zu verringern und dem Unternehmen als im Wesentlichen ebenbürtiger Klagegegner gegenüber zu stehen. Durch die Sammelklage verändert sich schließlich auch die Art und Weise, in der die Tat in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird: als verbreitete und nicht als vereinzelte Rechtsverletzung. Dies ist von Bedeutung für das politische Potential einer Klage. Je mehr öffentliche Aufmerksamkeit einer Klage entgegen gebracht wird, desto eher gelingt es, die Gesellschaft über eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Problematik zu polarisieren und den Richter dazu zu bewegen, eine bestimmte öffentliche Meinung in seinem Urteil zu berücksichtigen. Dieses erhöhte politische Potential der Sammelklage ist von besonderer Bedeutung für das Institut der public law litigation, in dessen Rahmen der subjektive Rechtsschutz nur Vorwand für die Herbeiführung einer politischen Reform ist.150 Ein Vorzug des US-amerikanischen Prozessrechts liegt schließlich in der Möglichkeit einer anonymen Klageerhebung. In den USA ist es möglich, dass das Gericht, nicht aber der Beklagte die wahre Identität des Klägers kennt. Die anonymen Kläger werden in derartigen Fällen mit dem Namen „Doe“ bezeichnet.151 Anonyme Klagen sind im US-amerikanischen Zivilprozessrecht zwar nicht explizit vorgesehen. Regel 10 der Federal Rules of Civil Procedure legt im Gegenteil fest, dass eine Klageschrift den Namen des Klägers enthalten muss. Im Laufe der Zeit wurde die anonyme Klageerhebung gleichwohl richterrechtlich legitimiert. Das Gericht wägt bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer derartigen Klage von Fall zu Fall das Interesse des Klägers an der Bewahrung seiner Anonymität gegen das Interesse des Beklagten an der Kenntnis der Identität seines Klagegegners ab.152 Diese Möglichkeit ist von Bedeutung für die HRL, da im Zeitpunkt der Klageerhebung die Bedrohung für das Opfer oft noch nicht beendet ist. 150
Siehe oben Teil I, 1. Kapitel, II. So z. B. Doe v. Karadzic, 866 F. Supp. 734 (S.D.N.Y. 1994); Doe v. Unocal Corp., 963 F. Supp. 880 (C.D. Cal. 1997); Doe v. Islamic Salvation Front, 993 F. Supp. 3 (D.D.C. 1998). 152 Greer, Plaintiff Pseudonymity and the Alien Tort Claims Act: Questions and Challenges, 32 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 517, 519 ff. (2001). 151
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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In vielen Fällen muss es fürchten, gerade infolge einer Klageerhebung neuerlichen Bedrohungen und Verletzungen ausgesetzt zu werden. Selbst wenn das Opfer sich bereits in den USA befindet, bleibt die Anonymität der Klageerhebung von Bedeutung, da eine Klage auch die Angehörigen des Klägers, die in dessen Heimatstaat zurückgeblieben sind, gefährden kann. Durch die Möglichkeit zu einer anonymen Klageerhebung werden mithin die Risiken einer Klageerhebung gesenkt. Es können so mehr Opfer zu einer Klage bewegt und folglich mehr Menschenrechtsverletzung verfolgt werden. 4. Die Rechtskultur der USA Eines der Merkmale der Rechtskultur der USA ist das große juristische Interesse der US-amerikanischen Öffentlichkeit und der Umfang, in dem die Medien diesem Interesse nachkommen. So ist es zum Beispiel keine Seltenheit, dass Gerichtsverhandlungen im Fernsehen übertragen und analysiert werden. Die Parteien und Anwälte eines Rechtsstreits sind beliebte Talkshow-Gäste.153 Die US-amerikanische Anwaltschaft macht sich diesen Umstand zunutze und führt in vielen Fällen den Prozess außerhalb des Gerichtssaals, in den Medien fort.154 Ihr Arbeitsplatz ist ebenso vor Gericht wie in den entsprechenden Fernsehsendungen und Pressekonferenzen. Die „publicity“ eines Falles ist Teil der Verhandlungsstrategie.155 Vor den Bundesgerichten, vor denen sich die Mehrzahl der HRL-Fälle abspielt, sind Fernsehübertragungen zwar nicht zulässig. Die HRL profitiert gleichwohl von der auch hier sehr intensiven Berichterstattung. Viele Kläger reichen eine Klage nur in der Absicht ein, die eigene Verletzung an die Öffentlichkeit zu bringen. Bedeutsam sind die Medien auch in jenen Fällen, in denen der Prozess, wenn schon nicht die finanzielle Bestrafung, so doch die öffentlich Diskreditierung des Beklagten bewirken soll. Als Beispiel kann das Verfahren gegen Robert Gabriel Mugabe, Präsident von Simbabwe, dienen, der noch während seines Wahlkampfes für seine an Oppositionspolitikern ausgeführten Greueltaten zur Verantwortung gezogen werden sollte.156 Das Ausmaß, in dem das Verfahren öffentlich aufgegriffen und diskutiert wird, kann auch auf seine Erfolgsaussichten Einfluss nehmen. Besonders deutlich wird dies in den HRL-Fällen gegen Wirtschaftsunternehmen, denen eine negative Berichterstattung irreparable Schäden zufügen kann und die deshalb unter Umständen frühzeitig in einen Vergleich genötigt werden.157 153 154
Garry, A Nation of Adversaries, S. 17. Heß, Inländische Rechtsbesorgung gegen Erfolgshonorar?, NJW 1999, S. 2485,
2486. 155 156
Garry, A Nation of Adversaries, S. 20 f. Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259 (S.D.N.Y. 2001).
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
Daneben spielt die Eigenart der US-amerikanischen Anwaltschaft eine Rolle für den Erfolg der HRL. Die US-amerikanische Anwaltschaft zeichnet sich durch ein sehr pragmatisches Rechtsverständnis aus. Das Recht wird nicht als vorgegebene Materie verstanden, sondern als Werkzeug zur Erreichung bestimmter Ziele. Das „law as it is“ wird kaum vom „law as it should be“ unterschieden. Kagan spricht insoweit von „law as a pragmatic instrument of social improvement“.158 Selten finden sich die Anwälte damit ab, dass ein Mandant nach gegebenem Recht über keinen Anspruch verfügt. Häufig reichen sie eine Klage ein und halten das Gericht dazu an, eine neue Anspruchsgrundlage zu schaffen oder ein Gesetz entgegen der Intention des Gesetzgebers zu interpretieren. Grundlage dieses anwaltlichen Aktivismus sind mehrere Faktoren. Zum einen ist der US-amerikanische Anwalt allein seinem Mandant verpflichtet.159 Anders als in Deutschland (vgl. § 1 BRAO) ist er nicht zugleich Organ der Rechtspflege. Zum anderen ist das System des common law einem anwaltlichen Aktivismus förderlich. In ihm erfolgt die Gesetzesauslegung vornehmlich konkret und fallbezogen und selten generell-abstrakt.160 Das Gesetz hat hier keine konkrete Wirklichkeit bevor es nicht durch ein Gericht angewendet wird. Gustav Radbruch beschreibt diesen Effekt (bezogen auf das englische common law) folgendermaßen: „Die Statutes werden [. . .] im Geiste des Common Law ausgelegt, sie werden bald umsponnen von einem dichten Gewebe maßgeblicher Präjudizien und mit ihm untrennbar hineinverwoben in das einheitliche Gewebe des Common Law.“161 Diese Eigenart des common law kann gerade im Bereich der HRL ihre volle Wirkung entfalten, da der knappe Wortlaut des ATCA eine anwaltlich initiierte richterrechtliche Fortentwicklung des Gesetzes fördert. In besonderem Maße zu progressiver Prozessführung bereit sind die in den USA weit verbreiteten „public interest lawyers“. Dies sind Anwälte, die durch eine Klage ein bestimmtes politisches Ziel erreichen wollen. Typischerweise arbeiten sie auf pro bono-Basis, das heißt ohne Honorar. Durch systematische Klagen versuchen sie, eine rechtliche Veränderung herbeizuführen. Sie sind häufig gewollt, es immer wieder und vor verschiedenen Gerichten zu versuchen.162 Diese public interest lawyers sind wesent157 Kritisch hierzu Heß, Die Anerkennung eines Class Action Settlement in Deutschland, JZ 2000, S. 373, 379. Siehe auch oben Teil III, 2. Kapitel, III. 1. 158 Kagan, Adversarial Legalism, S. 56. 159 Ders., Do Lawyers Cause Adversarial Legalism? A Preliminary Inquiry, 19 Law & Social Inquiry 1, 37 f. (1994). 160 Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, S. 39. 161 Radbruch, Der Geist des englischen Rechts, S. 28 (zitiert bei Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, S. 39.) 162 Ebd., S. 32 f.
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lich für den Erfolg der HRL verantwortlich. Sie machten die Wiederentdeckung und die schrittweise Fortentwicklung der ATCA-Rechtsprechung erst möglich. Verwiesen sei insbesondere auf die Anwälte des Center for Constitutional Rights in New York, die den Gerichten zunächst die Anwendung des ATCA auf die extraterritoriale Fallkonstellation des Falles Filártiga abrangen, später dann den Kreis der dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnenden Normen Stück für Stück ausweiteten und schließlich eine Integration der Privatpersonen in den Anwendungsbereich des ATCA anregten.163 Wie die HRL zeigt, treffen die rechtlichen Vorstöße der Anwälte bei den Gerichten häufig auf offene Türen. Die Richterschaft der USA lässt sich vergleichsweise wenig durch rechtliche Formalitäten binden und sieht sich vor allem der Gerechtigkeit im konkreten Fall verpflichtet.164 „Doing justice“ wird höher eingestuft als die dogmatische Stimmigkeit einer Entscheidung.165 Tendenziell geben die Gerichte gerne Stellungnahmen zu politischen Fragen ab166 und schaffen häufig neue Anspruchsgrundlagen.167 Da die Gerichte zu kreativer Rechtsprechung bereit sind, werden ihre Entscheidungen unvorhersehbar. Dies führt zu einer Rückkoppelung: die Bereitschaft der Anwälte, mit einer Klage einen rechtlichen Vorstoß zu wagen, wird verstärkt.168 Nicht unerwähnt bleiben soll abschließend der Umstand, dass die USamerikanische Anwaltschaft, von den public interest lawyers einmal abgesehen, extrem kommerziell und wettbewerbsbezogen arbeitet. Der Markt der Rechtsberatung ist hart umkämpft. Dies mag unter anderem daran liegen, dass in bestimmten Fällen, so vor allem bei den lukrativen Sammelklagen, Anwaltshonorare in Millionenhöhe locken. Unterstützt wird die kommerzielle Ausrichtung der Anwaltschaft durch weitreichende Werbebefugnisse.169 Nach Aussage des Supreme Court unterfällt die anwaltliche Werbung der Meinungsäußerungsfreiheit des ersten Zusatzartikels (First Amendment) zur US-amerikanischen Verfassung.170 Den Anwälten ist es erlaubt, in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen zu werben.171 Darüber hinaus dürfen sie potentielle Mandanten, die Opfer eines Flugzeugabstur163
Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, II. Kagan, Adversarial Legalism S. 16. 165 Ebd., S. 56. 166 Ebd., S. 16. 167 Ebd., S. 57. 168 Ebd., S. 50, 57. 169 Gillers, The American Legal Profession, in: Morrison (Hrsg.), Fundamentals of American Law, S. 151, 171 ff. 170 Bates v. State Bar of Arizona, 433 U.S. 350 (1977). 164
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
zes zum Beispiel, anschreiben und ihnen ihre Dienste anbieten.172 Verboten ist es allein, einen möglichen Mandanten unmittelbar anzusprechen oder anzurufen, da hier der Schutz des Einzelnen vor einer Überrumpelung mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Anwalts konkurriert.173 Ungeachtet dessen ist es in der anwaltlichen Praxis der USA nicht ungewöhnlich, dass ein Anwalt unmittelbar auf mögliche Mandanten zutritt und in ihnen den Wunsch nach einer Klageerhebung stärkt oder erweckt. Berüchtigt sind die so genannten „ambulance chasers“, die die Opfer von Unfällen bereits am Unfallort kontaktieren und ihnen eine Klageerhebung nahe legen.174 Es sind diese aggressiv auftretenden, kommerziell arbeitenden Anwälte, die sicherstellen, dass Erfolg versprechende Fälle vor Gericht kommen. Sie sind es ferner, die jene großen Sammelklagen betreuen, die auch außerhalb der USA Medienaufmerksamkeit erhalten. Es entsteht deshalb leicht der Eindruck, dass die kommerziell arbeitenden Anwälte für den Erfolg der HRL verantwortlich sind; dass sie es sind, die auf der Suche nach einer lukrativen Sammelklage die Grenzen des rechtlich Gegebenen überwinden und so die HRL fortentwickeln. In dieser Allgemeinheit trifft dies jedoch nicht zu. Jahrelang interessierten sich vor allem die public interest lawyers für die HRL. Für die kommerziell agierende Anwaltschaft waren die Vollstreckungsaussichten und somit die Chancen, ein Erfolgshonorar tatsächlich zu erhalten, im Bereich der HRL zu gering, als dass sich ein Tätigwerden für sie gelohnt hätte. Geändert hat sich dies erst mit der Ausdehung der HRL auf den Bereich der Wirtschaft und mit den entsprechend verbesserten Vollstreckungsaussichten.175 Die Anwendung des ATCA auf multinationale Konzerne hat dazu geführt, dass allmählich auch kommerziell arbeitende, große Kanzleien in das „Geschäft mit den Menschenrechten“ eingestiegen sind und dazu beitragen, speziell diesen Zweig der HRL fortzuentwickeln. 5. Das US-amerikanische Verständnis vom Völkergewohnheitsrecht Auch die US-amerikanische Konzeption vom Völkergewohnheitsrecht ist der HRL dienlich. Nach der vorherrschenden positivistischen Völkerrechts171 Gillers, The American Legal Profession, in: Morrison (Hrsg.), Fundamentals of American Law, S. 151, 171 f. 172 Ebd., S. 172. 173 Ohralik v. Ohio State Bar Association, 436 U.S. 447 (1978). 174 Kagan, Do Lawyers Cause Adversarial Legalism? A Preliminary Inquiry, 19 Law & Social Inquiry 1, 39 f. (1994). 175 Siehe oben Teil III, 2. Kapitel, III. 1.
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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konzeption176 entsteht eine Norm des Völkergewohnheitsrechts erst, wenn ein bestimmtes Verhalten einer allgemeinen Überzeugung und Übung der Staatengemeinschaft entspricht.177 Diesem Ansatz folgen zumindest in der Theorie auch die USA. Insbesondere das Erfordernis einer allgemeinen Übung bewirkt in aller Regel, dass Normen des Völkergewohnheitsrechts nur langsam entstehen. Konkret die ATCA-Rechtsprechung aber übergeht diese konstitutiven Elemente des Völkergewohnheitsrechts oder orientiert sich an ihnen nur oberflächlich. In der Regel vernachlässigt sie das Element der Staatenpraxis vollständig178 und geht auf das Bestehen eines generellen internationalen Konsenses nur oberflächlich und formalistisch ein. Häufig wird eine Norm ohne jegliche Analyse der völkerrechtlichen Grundlagen dem Völkerrecht zugeordnet.179 Dies hat dazu geführt, dass die ATCARechtsprechung in vielen Bereichen dem Völkergewohnheitsrecht voraus ist. Hintergrund für die Vorgehensweise der US-Gerichte ist das bereits dargestellte US-amerikanische Verständnis vom Recht als Instrument der Herbeiführung gerechter Lösungen und dem Richter als Autorität, die weniger an Erwägungen der Dogmatik als an Erwägungen der Gerechtigkeit gebunden ist.180 Im Ergebnis kommt es zu einer Durchmischung des in der Theorie positivistischen Völkerrechtskonzepts mit nationalrechtlichen Vorstellungen von der Funktion des Rechts und des Richters. Die Trägheit des positivistischen Völkerrechtskonzeptes wird durch den Einfluss des reformistisch konzipierten US-Rechts abgeschwächt. Es entsteht ein dynamisch sich fortentwickelnder, dem Völkerrecht vorauseilender Rechtskörper. 6. Die fehlende Opferbezogenheit des US-amerikanischen Strafverfahrens Die umfangreiche Inanspruchnahme der HRL könnte ihren Grund schließlich auch darin haben, dass den Opfern in den USA andere Möglichkeiten, eine Entschädigung zu erlangen und auf die Verfolgung des Täters Einfluss zu nehmen, nicht offen stehen.181 Von Bedeutung ist insoweit die Tatsache, dass das US-amerikanische Strafverfahren das Opfer außer Betracht lässt. Während in vielen anderen Ländern auch der Einzelne zur Erhebung einer Anklage berechtigt ist182 oder der staatsanwaltschaftlichen 176
Vgl. oben Teil I, 2. Kapitel, I. b) und c). Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 12, 14. 178 Vgl. oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. b) (3) (a). 179 Näher hierzu unten Teil V, 3. Kapitel, II. 180 Siehe oben 4. 181 Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L.1, 18 ff. (2002). 177
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Teil III: Die Human Rights Litigation im internationalen Kontext
Strafverfolgung beitreten kann,183 sieht das US-amerikanische Strafprozessrecht eine derartige Möglichkeit nicht vor. Auch die in anderen Ländern bestehende Möglichkeit, dem Strafverfahren eine zivilrechtliche Klage anzuschließen184 oder das Opfer bereits im Rahmen des Strafverfahrens zu entschädigen,185 ist im US-amerikanischen Rechtssystem nicht bekannt. Es ist jedoch unklar, ob die HRL in den USA weniger bedeutsam wäre, wenn bereits das US-amerikanische Strafverfahren opferbezogene Bestimmungen enthalten würde. Erwähnt sei an dieser Stelle lediglich, dass jedenfalls in den europäischen Staaten, die mehrheitlich derartige opferbezogene Vorschriften kennen, bislang nur sehr wenige Opfer in Fallkonstellation, die jenen der HRL vergleichbar sind, von ihren diesbezüglichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben. So erwähnt ein Bericht zum Stand des Universalitätsprinzips in Europa für den Zeitraum zwischen 1990 und 1999 nur einen Fall, in dem ein zivilrechtlicher Anspruch an das Strafverfahren angeschlossen wurde.186 Eine unmittelbare Übertragung dieses Erfahrungswertes auf die USA ist freilich nicht möglich. Hierfür sind Gesellschaft und Prozesskultur in den USA und in Europa zu unterschiedlich.
III. Ergebnis Die Existenz eines Systems der HRL in den USA erklärt sich vor dem Hintergrund der Geschichte des Landes, namentlich der großen Bedeutung freiheitlicher Ideale und ihres Exportes in andere Staaten. Eine Rolle spielt daneben der Umstand, dass es in den USA von jeher unvorstellbar war, eine Situation zu dulden, in der einem Recht kein Rechtsmittel beigefügt 182 Siehe z. B. die Privatklage des deutschen Rechts, §§ 374 ff. StPO; zu weiteren Staaten siehe Joutsen, Listening to the Victim: The Victim’s Role in European Criminal Justice Systems, 34 Wayne L. Rev. 95, 107 ff. (1987). 183 Siehe z. B. die Nebenklage des deutschen Rechts, §§ 395 ff. StPO; zu weiteren Staaten siehe Joutsen, ebd. 184 So z. B. das Adhäsionsverfahren des deutschen Rechts, §§ 403 ff. StPO sowie das Verfahren der partie civile in Frankreich (Art. 85 ff. des Code de Procédure Pénale); zu weiteren Ländern siehe Jolowicz, Procedural Questions, in: Tunc (Hrsg.), International Encyclopedia of Comparative Law, Bd. XI (Torts), Kapitel 13, S. 5 ff. 185 Spanien z. B. verfügt über ein Strafverfahren, welches den Interessen des Opfers außergewöhnlich große Bedeutung beimisst (Quintero Olivares (Hrsg.), Comentarios al Nuevo Códiga Penal, Art. 109, Rn. 5). Eine Entschädigung des Opfers ist hier auch in den Fällen vorgesehen, in denen das Opfer dem Verfahren nicht beitritt, siehe Art. 109 des Código Penal. 186 In dem Fall gegen den argentinischen Hauptmann Astiz maßen die französischen Gerichte der Entschädigung des Opfers jedoch lediglich symbolischen Wert bei. Sie gewährten Schadensersatz in Höhe eines Franc sowie die Kosten der Prozessführung, siehe den Bericht von REDRESS, Universal Jurisdiction in Europe, einsehbar unter http://www.redress.org/documents/unijeur.html.
2. Kap.: Gründe für Existenz und Erfolg in den USA
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ist. Die Wahl eines innerstaatlichen (im Gegensatz zu einem internationalen) Verfahrens zur Durchsetzung der Menschenrechte ist darauf zurückzuführen, dass die USA sich nicht gerne dem Völkerrecht und völkerrechtlichen Institutionen unterwerfen bzw. eine Notwendigkeit hierfür nicht sehen. Die zivilrechtliche Ausrichtung des US-amerikanischen Menschenrechtsschutzes schließlich fügt sich in ein Rechtssystem, das dem Zivilverfahren eine überragende Bedeutung beimisst und in ihm unter anderem ein Instrument zur Herbeiführung politischer Veränderungen erblickt. Für den Erfolg der HRL in den USA spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Besonders wichtig sind die häufige Präsens von Tätern und Opfern in den USA, das weit ausgreifende Zuständigkeitsrecht, das wenig schutzintensive Immunitätsrecht, das klägerfreundliche Kosten- und Schadensrecht, die Möglichkeit zu einer anonymen Klageerhebung, das laxe Völkerrechtsverständnis der US-amerikanischen Judikative sowie die politisch motivierte innovative Prozessführung von public interest lawyers.
Teil IV
Neuere Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation 1. Kapitel
Neuere Entwicklungen der Human Rights Litigation I. Die Ausdehnung des ATCA auf neuartige Sachverhalte In jüngster Zeit wird versucht, den ATCA auf neuartige Sachverhalte auszudehnen. Diskutiert werden vor allem umwelt-, arbeits- und frauenspezifische Belange. Deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich des ATCA wird auf zwei verschiedenen Bahnen vorangetrieben. Zum einen werden die neuen Inhalte unter etablierte völkerrechtliche Delikte subsumiert. Zum anderen wird versucht, die Gerichte von der Existenz entsprechender neuer Delikte zu überzeugen. 1. Etablierte Delikte Als vergleichsweise unproblematisch erweist sich die Subsumtion der neuerlich streitgegenständlichen Sachverhalte unter etablierte völkerrechtliche Delikte. So urteilten bereits Gerichte, dass Zwangsarbeit unter den Tatbestand der Sklaverei zu subsumieren sei, da sie eine moderne Form derselben darstelle.1 Akzeptiert wurde auch der Ansatz, die Vergiftung von Wasserlöchern des Herero-Volkes, die die deutsche Staatsmacht im Jahr 1904 im heutigen Namibia vorgenommen hatte und die im weitesten Sinne als umweltspezifische Verletzungshandlung zu verstehen ist, als Völkermord zu qualifizieren.2 Lange Zeit problematisch war hingegen, inwiefern 1 PRO (ohne Begründung): Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 310 (S.D.N.Y. 2001); Tachiona v. Mugabe, 216 F. Supp. 2d 262 (S.D.N.Y. 2002); CONTRA (ebenfalls ohne Begründung): Doe v. The Gap, Entscheidung vom 29.10.2001, Case No. CV-01-0031-919, einsehbar unter http://www.nmid.uscourts.gov/, dort S. 40 f. 2 In The Herero People’s Reparations Corporation v. Deutsche Bank, Civ. No. 01-01868 (CKK), Entscheidung des District Court for the District of Columbia vom
1. Kap.: Neuere Entwicklungen
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auch frauenspezifische Verletzungshandlungen unter etablierte Delikte subsumiert werden können. Es herrschte die Ansicht vor, wonach frauenspezifische Verletzungshandlungen allein anhand spezieller diesbezüglicher Tatbestände zu beurteilen seien.3 Diese Ansicht wurde zwischenzeitlich aufgegeben. Internationale Gerichtshöfe ordneten sexuelle Gewalt, die in staatlichem Auftrag oder mit offizieller Duldung angewendet worden war, als Folter ein.4 Ebenso wurde entschieden, dass geschlechtsspezifische Gewalthandlungen, in deren Folge die Frau psychisch oder physisch nicht mehr zu intimen Beziehungen in der Lage ist bzw. von der Gemeinschaft nicht mehr als begehrenswert erachtet oder ausgestoßen wird, vom Tatbestand des Genozids erfasst sein können.5 Hingewiesen sei auch auf Art. 7 3.7.2003, sprach sich das Gericht jedenfalls nicht gegen einen derartigen Ansatz aus. Es legte ihn augenscheinlich vielmehr seinen Ausführungen zugrunde, ließ die Klage sodann aber aus anderem Grund scheitern. Vgl. zum Verständnis der Brunnenvergiftungen als Völkermord auch Whitaker, Review of Further Developments in Fields With Which the Sub-Commission Has Been Concerned: Revised and Updated Report on the Question of the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, U.N. Doc. E/CN.4/Sub.2/1985/6 (1985), S. 8 f., Rn. 24 und Fn. 12. Erfolglos war hingegen der Versuch, eine Umweltverschmutzung als kulturellen Genozid einzuklagen. Vgl. Beanal v. Freeport-McMoRan Inc., 197 F.3d 161, 163 und 167 f. (5th Cir. 1999). Hier wurde argumentiert, die kulturelle Identität der im konkreten Fall betroffenen Bevölkerungsgruppe sei eng an deren natürliche Lebensgrundlage gekoppelt gewesen. Mit der Zerstörung dieser natürlichen Lebensgrundlage sei auch die kulturelle Identität der Gruppe zerstört worden. Eine derartige Argumentation lässt sich völkerrechtlich jedoch nicht stützten. Das Genozidverbot umfasst allein die Vernichtung der physischen Existenz einer Bevölkerungsgruppe. Ein Verbot des kulturellen Genozids war in einem ursprünglichen Entwurf zur Genozidkonvention noch enthalten, wurde nach ausführlichen Verhandlungen aber abgelehnt und aus dem Konventionstext gestrichen. Der Mehrheit der Abgeordneten war der Meinung, dass der physische und der kulturelle Genozid in verschiedenen Dokumenten enthalten sein sollten und das Verbot des kulturellen Genozids nachfolgend in einen separaten Menschenrechtsvertrag oder in ein Protokoll zur Genozidkonvention aufgenommen werden sollte. Bislang wurde dieser Gedanke international nicht aufgegriffen. Ein entsprechendes Verbot kann folglich dem Völkergewohnheitsrecht nicht entnommen werden. Siehe Lippman, The Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide: Fifty Years Later, 15 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 415, 457 und Fn. 271, 273 (1998). 3 Stephens, Humanitarian Law and Gender Violence: An End to Centuries of Neglect?, 3 Hofstra L. & Pol’y Symp. 87, 94 (1999). 4 Siehe z. B. die Entscheidung der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte im Fall Fernando and Raquel Mejía v. Peru, Case No. 10.970, Rep. No. 5/96 (1.3.1996), in Annual Report of the Inter-American Commission on Human Rights 1995, S. 157 sowie die Entscheidung des ad hoc-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien im Fall Prosecutor v. Delalic, et al., IT-96-21-A (16.11.1998), Rn. 481 ff. 5 Rn. 13 des Berichts des Special Rapporteur Radhika Coomaraswamy, Integration of the Human Rights of Women and the Gender Perspective, Violence against
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
Nr. 1 (g) und Art. 8 (b) (xxii) und (e) (vi) des IStGH-Statuts6, welche klarstellen, dass bestimmte Erscheinungsformen geschlechtsspezifischer Gewalt Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. Kriegsverbrechen darstellen können. Auch die HRL hat sich dieser neuerlichen Erkenntnis geöffnet. So wurden in Doe v. Islamic Salvation Front Misshandlungen an Frauen als Verstoß gegen Art. 3 der Genfer Konventionen und somit als Kriegsverbrechen eingeordnet.7 In Doe v. Unocal verstand das Gericht Vergewaltigungen als Form der Folter.8 2. Neue Delikte Problematischer ist die Thematisierung der neuerlichen Streitgegenstände im Rahmen neuer Delikte. Zwei Ansätze werden insoweit gewählt: Zum einen wird versucht, die Existenz spezifischer umwelt-, arbeits- oder frauenrechtlicher Delikte darzulegen; zum anderen wird versucht, völkerrechtlich akzeptierte Normen, die bislang nur als Rechte des Einzelnen gehandelt wurden, den Gerichten in einer spiegelbildlichen Eigenschaft, als das Delikt der Verweigerung des fraglichen Rechts, zu präsentieren. a) Spezifisch umwelt-, arbeits- oder frauenrechtliche Delikte (1) Umweltrecht Dem völkergewohnheitsrechtlichen Umweltrecht sind derzeit wohl nur das Verbot der erheblichen grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung, das Vorsorgeprinzip sowie, für den Bereich des Wasserrechts, das Gebot der fairen und gerechten Aufteilung gemeinsamer natürlicher Ressourcen zuzuordnen.9 Neben diesen Normen, die allein das zwischenstaatliche Verhältnis regeln, konnte sich noch kein individuelles Recht auf eine intakte Umwelt etablieren. Nur vereinzelt gewähren nationale und regionale Dokumente ein derartiges Recht.10 Die Erklärungen von Stockholm11 und Rio,12 Women perpetrated and/or condoned by the State during times of armed conflict (1997–2000), U.N. Doc. E/CN.4/2001/73, 23.1.2001; so entschieden in Prosecutor v. Akayesu, ICTR-96-4 (13.2.1996). 6 37 I.L.M. 999 ff. (1998). 7 Doe v. Islamic Salvation Front, 993 F. Supp. 3, 8 (D.D.C. 1998). 8 Doe v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 945 (9th Cir. 2002). 9 Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 14. Kapitel, § 58. 10 Siehe hierzu den Bericht des Special Rapporteur der Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, Fatma Zohra Ksentini, E/CN.4/Sub.2/1994/9. Der Aufzählung des Ksentini-Berichts lassen sich 14 Staaten entnehmen, die ein solches Recht anerkennen (Südafrika, Burkina Faso, Chile, Ko-
1. Kap.: Neuere Entwicklungen
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die als erste universelle Dokumente auf ein dahingehendes Recht hinweisen,13 besitzen keinen rechtsverbindlichen Charakter.14 Die US-amerikanischen Gerichte ließen in den bisherigen ATCA-Fällen zum Umweltrecht erkennen, dass höchstens ein Verbot der erheblichen grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung15 sowie das Prinzip der guten Nachbarschaft16 dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen seien. Das Verursacherprinzip, das Vorsorgeprinzip und das Ursprungsprinzip hingegen wurden für noch nicht völkerrechtlich verbindlich befunden.17 Gleiches gilt für ein Verbot der nicht grenzüberschreitenden, das heißt rein nationalen, Umweltverschmutzung.18 (2) Arbeitsrecht Das transnationale Arbeitsrecht wird wesentlich von völkerrechtlichen Verträgen bestimmt. Bereits den allgemeinen Menschenrechtsverträgen lassen sich vereinzelte Stellungnahmen zu arbeitsrechtlichen Belangen entnehmen.19 Prägend sind jedoch die zahlreichen Übereinkommen, die im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) abgeschlossen wurden. Acht dieser Übereinkommen werden von der IAO als arbeitsrechtliche Minimalstandards eingeordnet. Unabhängig von einer Ratifizierung dieser Abkommen ist jedes Mitglied der IAO bereits qua Mitgliedschaft an diese rea, Ecuador, Spanien, Ungarn, Mongolei, Nicaragua, Peru, Portugal, Slowakei, Slowenien, Türkei); siehe auch Art. 24 der Afrikanischen Menschenrechtscharta (21 I.L.M. 59 (1982)): „All people shall have a right to a general satisfactory environment favorable to their development.“ 11 UN. Doc. A/CONF.48/14/Rev.1 (1972). 12 UN. Doc. A/CONF.151/5/Rev.1 (1992). 13 Siehe Prinzip 1 der Stockholmer Erklärung: [M]an has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life, in an environment of a quality that permits a life of dignity and well being. 14 Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 14. Kapitel, § 58, Rn. 5, 11. 15 Aguinda v. Texaco, Inc., 1994 WL 142006, *7 (S.D.N.Y.); Beanal v. FreeportMcMoRan, 969 F. Supp. 363, 383 (E.D. La. 1997). 16 Beanal v. Freeport-McMoRan, ebd. 17 Ebd., S. 384. 18 Flores v. South Peru Copper Corp., 343 F.3d 140, 161 (2003), mit einer für die HRL außergewöhnlich sorgfältigen Analyse der völkerrechtlichen Quellen. 19 Verbot der Sklaverei: Art. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR; GA Res. 217 [III]), Art. 8 IPBPR (BGBl. 1973 II, 1533); Vereinigungsfreiheit: Art. 23 Nr. 4 AEMR, Art. 22 IPBPR, Art. 8 IPWSKR (BGBl. 1973 II, 1569); Recht auf gleichen und angemessenen Lohn: Art. 23 Nr. 2 AEMR, Art. 7 IPWSKR; Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen: Art. 24 AEMR, Art. 7 IPWSKR; Verbot der Kinderarbeit: Art. 32 der Konvention zum Schutz des Kindes (BGBl. 1992 II, 122).
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
Grundsätze gebunden.20 Die Übereinkommen behandeln die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen, das Verbot der Zwangsarbeit, das Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz und das Verbot der Kinderarbeit.21 Dieser Katalog der internationalen arbeitsrechtlichen Mindeststandards ist indes nicht mit dem Stand des völkergewohnheitsrechtlichen Arbeitsrechts gleichzusetzen. Auch wenn die Übereinkommen der IAO eine weitreichende Ratifizierung erfahren haben, werden bislang nur das Verbot der Zwangsarbeit und die Vereinigungsfreiheit dem Bereich des Völkergewohnheitsrechts zugeordnet.22 ATCA-Klagen über neue arbeitsrechtliche Delikte blieben bislang weitestgehend erfolglos. Die Gerichte folgten zum Beispiel dem Versuch, ein Verbot der Zwangsarbeit einzuklagen, nicht. Sie subsumierten das streitgegenständliche Verhalten stattdessen, wie bereits ausgeführt, unter das etablierte Delikt der Sklaverei.23 Unklar ist derzeit, ob ein Recht auf Vereinigungsfreiheit im Rahmen des ATCA geltend gemacht werden kann.24
20 Siehe Prinzip 2 der IAO-Erklärung aus dem Jahre 1998, einsehbar unter http://www.ilo.org/dyn/declaris/DECLARATIONWEB.static_jump?var_language=EN &var_pagename=DECLARATIONTEXT. 21 Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes vom 9.7.1948 (Übereinkommen Nr. 87), BGBl. 1956 II, 2072; Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze zum Vereinigungsrecht und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen vom 1.7.1949 (Übereinkommen Nr. 98), BGBl. 1955 II, 1122); Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit vom 28.6.1930 (Übereinkommen Nr. 29), BGBl. 1956 II, 640; Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25.6.1957 (Übereinkommen Nr. 105), BGBl. 1959 II, 441; Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25.6.1958 (Übereinkommen Nr. 111), BGBl. 1961 II, 97; Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29.6.1951 (Übereinkommen Nr. 100), BGBl. 1956 II, 23; Übereinkommen zum Mindestalter von Arbeitnehmern vom 26.6.1973 (Übereinkommen Nr. 138), abgedruckt in Intenational Labour Organization (Hrsg.), International Labour Conventions and Recommendations, 1919–1991, Bd. II, S. 1030; Übereinkommen zum Verbot und zu unverzüglichen Maßnahmen zur Beseitigung schlimmster Formen der Kinderarbeit vom 17.6.1999 (Übereinkommen Nr. 182), einsehbar unter http://www.ilo.org/ilolex/german/docs/convdisp1.htm. 22 Leary, The Paradox of Worker’s Rights as Human Rights, in: Compa/Diamond (Hrsg.), Human Rights, Labor Rights and International Trade, S. 22, 31 f., 38. 23 Siehe oben 1. 24 Das Gericht ging hiervon in Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 310 (S.D.N.Y. 2001) und 261 F. Supp. 2d 262 (S.D.N.Y. 2002), aus, ohne dies zu begründen.
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(3) Frauenrechte Trotz vereinzelter Bestrebungen, wie der Erklärung der UN-Generalversammlung zur Unterbindung von Gewalt gegen Frauen aus dem Jahre 199425, konnte sich international noch kein unabhängiges Verbot der geschlechtsspezifischen Gewalt etablieren. Das Restatement of the Law anerkennt allerdings ein Verbot der geschlechtsspezifischen Diskriminierung, die als Teil staatlicher Politik betriebenen wird, bereits als Teil des Völkergewohnheitsrechts.26 Im Rahmen des ATCA konnten Frauenrechte noch nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Der in Doe v. The Gap gestartete Versuch, ein Verbot der geschlechtsspezifischen Gewalt einzuklagen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass bislang noch kein US-amerikanisches Gericht die entsprechende Norm dem Völkergewohnheitsrecht zugeordnet habe.27 Angesichts der enormen Bedeutung, die US-Gerichte dem Restatement of the Law beimessen,28 erscheint es aber wahrscheinlich, dass die Gerichte zumindest das Verbot einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung, die als Teil staatlicher Politik betrieben wird, dem Völkergewohnheitsrecht zuordnen würden. b) Völkerrechtliche Rechte als Delikte Alternativ wird versucht, völkerrechtlich akzeptierte Normen, die bislang nur als abstrakte Rechte des Einzelnen gehandelt werden, in einer spiegelbildlichen Eigenschaft, als das Delikt der Verweigerung des fraglichen Rechts, zu präsentieren. Wichtigster Anwendungsfall dieses Ansatzes ist die Thematisierung des völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit jenseits der etablierten Standards des Verbotes der außergerichtlichen Tötung und der körperlichen Misshandlung. Dies geschieht vor allem im umweltspezifischen Kontext. Es wird versucht, eine Umweltverschmutzung als eine Verletzung des Rechts auf Leben über den ATCA einzuklagen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die hinreichende Definiertheit des angeblichen Delikts. Dem Staat wird durch das Recht auf Leben und Gesundheit jenseits der Verbote der außergerichtlichen Tötung und der körperlichen Misshandlung keine bestimmte Verhal25 Erklärung der UN-Generalversammlung zur Unterbindung von Gewalt gegen Frauen vom 23.2.1994, U.N. GAOR, 48. Sess., Supp. Nr. 49, S. 217, U.N. Doc. A/Res/ 48/104. 26 Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) § 702. 27 Doe v. The Gap, Entscheidung vom 29.10.2001, Case No. CV-01-0031-919, einsehbar unter http://www.nmid.uscourts.gov/, dort S. 40 f. 28 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. b) (3) (a).
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
tensweise auferlegt oder verboten. Ihm wird lediglich eine Schutzverpflichtung übertragen, die er nach eigenem Ermessen zu erfüllen hat. Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte, ab welchem Punkt der Staat dieses Ermessen durch Umweltverschmutzungen überschreitet. Den Staaten wird vielmehr gerade im Hinblick auf ökologische Belange viel Freiraum eingeräumt. So heißt es zum Beispiel in Prinzip 2 der Rio-Erklärung: States have, in accordance with the Charter of the United Nations and the principles of international law, the sovereign right to exploit their own resources pursuant to their own environmental and developmental policies.29 Im Ergebnis fehlt ein „Tatbestand“, unter den ein bestimmtes Verhalten subsumiert werden könnte. Eine erste ATCA-Klage, die Umweltverschmutzungen als Verletzungen eines Rechts auf Leben und Gesundheit geltend gemacht hatte, Flores v. Southern Peru Copper Corporation, wurde denn auch mit dieser Begründung abgewiesen.30
II. Die Ausdehnung des ATCA auf neuartige Beklagte: die Klage gegen multinationale Konzerne 1. Wichtige bisher entschiedene Klagen Im Fall Doe v. Unocal31 wurde festgestellt, dass eine ATCA-Klage sich auch gegen einen multinationalen Konzern richten kann.32 Auf dieser Grundlage wurden mittlerweile zahlreiche multinationale Konzerne in den USA verklagt.33 Bislang beschränken sich die Erfolge dieser Klagen auf vereinzelte Vergleiche.34 Auch der Fall Unocal endete im Dezember 2004 in einem Vergleich.35 29
UN. Doc. A/CONF.48/14/Rev.1 (1972). Flores v. Southern Peru Copper Corp., 253 F. Supp. 2d 510 (S.D.N.Y. 2002), bestätigt in Flores v. Southern Peru Copper Corp., 343 F.3d 140 (2d Cir. 2003). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 2002 WL 319887 (S.D.N.Y.). Zwar entschied das Gericht dort, dass ein Recht auf Leben im Rahmen des ATCA geltend gemacht werden könne. Es ließ sodann jedoch erkennen, dass es das Recht auf Leben im konkreten Fall als Gegenstück zum Verbot willkürlicher Tötung versteht, ebd., *10. 31 Doe v. Unocal Corp., 110 F. Supp. 2d 1294 (C.D. Cal. 2000). 32 Siehe hierzu bereits oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. c) (3). Eine TVPA-Klage gegen den multinationalen Konzern ist nicht möglich, siehe oben Teil I, 2. Kapitel, II. 33 Eine Darstellung der wichtigsten Klagen, die in neuerer Zeit eingereicht wurden, findet sich bei Collingsworth, The Key Human Rights Challenge: Developing Enforcement Mechanisms, 15 Harv. Hum. Rts. J. 183, 190 ff. (2002). Siehe auch die Liste „Multinational Corporations and Human Rights Law“ des Castan Centre for Human Rights Law, einsehbar unter http://www.law.monash.edu.au/castancen tre/projects/mchr/trans-hr-litigation.html. 30
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In Deutschland erregten vor allem jene Klagen Aufsehen, die in Aufarbeitung der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs gegen deutsche Unternehmen eingereicht wurden. Der Grundstock für diese Klagen war im Jahr 1996 mit einer Klagewelle gegen schweizerische Banken gelegt worden. Den Banken wurde vorgeworfen, durch die Abnahme von Waren, die in menschenrechtswidriger Weise hergestellt oder erlangt worden waren, zu den Menschenrechtsverletzungen des NS-Regimes Beihilfe geleistet zu haben. Die erfolgreiche Beendigung dieser Verfahren in einem sich auf 1,25 Milliarden belaufenden Vergleich gab den Auslöser für eine zweite, noch größer angelegte Klagewelle gegen deutsche Banken und Industrieunternehmen.36 Den Banken wurde in diesen Fällen vorgeworfen, aus der Verwertung des von KZ-Insassen stammenden Goldes und anderer Vermögenswerte Profit geschöpft zu haben.37 Den Industrieunternehmen wurde vor allem angelastet, sich der Zwangsarbeiter bedient zu haben, die ihnen seitens des NS-Regimes angeboten worden waren.38 Nur zwei der Klagen gegen deutsche Unternehmen wurden einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt. Im Fall Iwanowa v. Ford Motor Co.39 wurden die US-amerikanische Gesellschaft Ford Motor Co. und deren deutsche Tochter Ford Werke A.G. dafür verklagt, während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter beschäftigt und von ihnen profitiert zu haben. Das Gericht entschied, dass die Inanspruchnahme von Zwangsarbeit durch die Unternehmen als Völkerrechtsverletzung, namentlich als Teilnahme am Sklavenhandel, einzuordnen sei.40 Gleichwohl wurde die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der deutschen Ford Werke A.G. ging das Gericht davon aus, dass das Londoner Schuldenabkommen aus dem Jahre 195341 die gerichtliche Geltendmachung individueller Ansprüche ausschließe.42 Die US-amerikanische Ford Motor Co. fiel nicht unter das Londoner Schuldenabkommen. Individuelle Ansprüche gegen sie waren also möglich, scheiterten im konkreten Fall aber am Ab34 Verwiesen sei insbesondere auf die Fälle der holocaust litigation (siehe hierzu Bazyler, www.swissbankclaims.com: The Legality and Morality of the HolocaustEra Settlement With the Swiss Banks, 25 Fordham Int’l L.J. 64, 96 (2001)). 35 Vgl. hierzu In re „Agent Orange“ Product Liability Litigation, 2005 WL 729177, *69 (E.D.N.Y.). 36 Bazyler, Nuremberg in America: Litigating the Holocaust in United States Courts, 34 U. Rich. L. Rev. 1, 61 ff. (2000). 37 Mehrere Sammelklagen wurden zusammengefasst zu In re Austrian and German Bank Holocaust Litigation, No. 98 Civ. 3938 (S.D.N.Y.). 38 Ausführlich hierzu Bazyler, Nuremberg in America: Litigating the Holocaust in United States Courts, 34 U. Rich. L. Rev. 1, 192 ff. (2000). 39 Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424 (D.N.J. 1999). 40 Ebd., S. 440. 41 BGBl. 1953 II, 333. 42 Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 459 ff. (D.N.J. 1999).
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lauf der 10-jährigen Verjährungsfrist43 des ATCA.44 Das Gericht stellte ferner klar, dass die Klage auch auf Grund der political questions-Doktrin45 sowie aus Gründen der comity abzuweisen sei.46 Im zweiten Fall, BurgerFischer v. Degussa, wurde den Beklagten vorgeworfen, das in den Gaskammern der Konzentrationslager verwendete Zyklon B produziert, aus jüdischem Besitz stammendes Gold raffiniert sowie von der Beschäftigung von Zwangsarbeitern profitiert zu haben.47 Das Gericht entschied, dass hierin eine Verletzung des Völkergewohnheitsrechts zu sehen sei.48 Es befürchtete jedoch, sich durch eine Entscheidung des Falles in das Reparationenregime der Nachkriegsverträge einzumischen und wies die Klage auf Grundlage der political questions-Doktrin als nicht justiziabel ab.49 Alle anderen Klagen gegen deutsche Unternehmen wurden zwischenzeitlich abgewiesen. Im Dezember 1999 hatten sich die Vertreter der Opfergruppen mit der deutschen Wirtschaft und den Regierungen von Deutschland und den USA darauf geeinigt, zugunsten einer Entschädigung auf sämtliche Ansprüche gegen deutsche Unternehmen zu verzichten.50 Die Entschädigung der Opfer sollte über eine Stiftung abgewickelt werden. Diese war mit insgesamt 10 Milliarden DM je zur Hälfte von der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft zu finanzieren. Die Vertreter der Wirtschaft knüpften die Bereitstellung ihres Anteiles an eine umfassende und dauerhafte Sicherheit vor weiteren Prozessen in den USA.51 Die US-Regierung setzte sich hierfür ein, indem sie in einem „statement of interest“52der Justiz darlegte, dass es im nationalen Interesse sei, diese Klagen abzuweisen. Die Gerichte folgten dieser Empfehlung und wiesen die verbleibenden Klagen unter Berufung auf das statement of interest ab.
43 Der ATCA selbst enhält keine Verjährungsfrist. Es wird insoweit auf die 10-Jahres-Frist des TVPA zurückgegriffen. Siehe hierzu oben Teil I, 3. Kapitel, III. 44 Iwanowa v. Ford Motor Company, 67 F. Supp. 2d 424, 461 ff. (D.N.J. 1999). 45 Ebd., S. 482 ff. 46 Ebd., S. 489 ff. 47 Burger-Fischer v. Degussa, 57 F. Supp. 2d 248 (D.N.J. 1999). 48 Ebd., S. 255. Das Gericht spezifizierte nicht, welche Normen des Völkerrechts durch das Verhalten der Beklagten verletzt wurden. 49 Ebd., S. 262 ff. 50 Bayzler, The Holocaust Restitution Movement in Comparative Perspective, 20 Berkeley J. Int’l L. 11, 23 ff. (2002). 51 Ebd. 52 Das statement of interest entspricht im Wesentlichen dem amicus curiae (siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d)), mit dem Unterschied, dass amici curiae von jedermann, statements of interest nur von der Regierung abgegeben werden können.
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2. Rechtliche Konstruktion der Klagen Im Hinblick auf die rechtliche Konstruktion der Klagen gegen multinationale Unternehmen sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: zum einen der Fall, in dem direkt an das Verhalten eines multinationalen Konzerns angeknüpft wird (direkte Klagekonstellation); zum anderen der Fall, in dem einem Unternehmen lediglich die Zusammenarbeit mit menschenrechtswidrig agierenden Vertragspartnern angelastet wird (indirekte Klagekonstellation).53 In der direkten Klagekonstellation werden in aller Regel nur die neuen, unternehmensspezifischen Delikte, namentlich Verstöße gegen das Umweltoder Arbeitsrecht, behandelt. Verstöße gegen den Kernbestand der Menschenrechte, eine Verletzung des Folterverbotes zum Beispiel, sind den Unternehmen in aller Regel nicht unmittelbar nachzuweisen. In der indirekten Konstellation befinden sich die Unternehmen regelmäßig in einem vertraglichen Verhältnis zum lokalen Militär oder zu vor Ort ansässigen Unternehmen, welche die Menschenrechtsverletzung unmittelbar begehen.54 Den Unternehmen wird im Rahmen des ATCA vorgeworfen, dass sie kraft dieser Zusammenarbeit eine Mitverantwortung für die Menschenrechtsverletzungen tragen. Die Klage gegen das nur mittelbar verantwortliche Unternehmen wird in diesen Fällen vorgezogen, da die primär Verantwortlichen nicht über hinreichende Kontakte zu den USA verfügen oder durch das US-amerikanische Immunitätsrecht geschützt sind. Hauptproblem dieser Fälle ist regelmäßig die Qualifikation des korporativen Handelns als „state action“ bzw. die Erfüllung der Voraussetzungen der third party liability.55
III. Rechtliche Rahmenbedingungen und Perspektiven der neueren ATCA-Klagen Die Klagen gegen multinationale Unternehmen sind hinsichtlich ihrer rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kläger sowohl einfacher als auch schwieriger als die klassischen Klagen gegen individuelle Beklagte. 53 In der US-amerikanischen Literatur wird diese Konstellation mit dem Begriff der „corporate complicity“ umschrieben, zu den einzelnen Fallgruppen siehe Ramasastry, Corporate Complicity: From Nuremberg to Rangoon, An Examination of Forced Labor Cases and Their Impact on the Liability of Multinational Corporations, 20 Berkeley J. Int’l L. 91, 102 ff. (2002). 54 Forcese, ATCA’s Achilles Heel: Corporate Complicity, International Law and the Alien Tort Claims Act, 26 Yale J. Int’l L. 487, 493 (2001). 55 Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. c) (1) und (2).
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
Schwieriger sind die Klagen insofern, als in Fällen gegen multinationale Unternehmen besonders häufig eine Klageabweisung aus Gründen des forum non conveniens erfolgt.56 Grund hierfür ist, dass angesichts der verzweigten Unternehmensstruktur der Beklagten Alternativfora auch außerhalb des Tatortstaates, der regelmäßig als Alternativforum ungeeignet ist, aufgezeigt werden können.57 Einfacher hingegen sind die Klagen gegen multinationale Konzerne insofern, als die verzweigte Organisationsstruktur der multinationalen Unternehmen es dem Kläger vergleichsweise leicht macht, die personelle Zuständigkeit über das Unternehmen zu begründen.58 Der Kläger muss hierfür darlegen, dass das beklagte Unternehmen hinreichende Kontakte (minimum contacts) zum Forumstaat unterhält und eine Klage am angegangenen Forum auch im Übrigen nicht unvernünftig (unreasonable) wäre.59 Im Hinblick auf die minimum contacts des Beklagten ergibt sich in der Klage gegen einen multinationalen Konzern die Möglichkeit, in Fällen, in denen die Muttergesellschaft nicht über hinreichende Bezüge zum Forum verfügt, an die Kontakte einer Tochtergesellschaft anzuknüpfen.60 Es ist ferner vergleichsweise unwahrscheinlich, dass ein Gericht die Ausübung der personellen Zuständigkeit unter anderen Gesichtspunkten als „unreasonable“ ablehnt. Über den reasonableness-Test soll unter anderem verhindert werden, dass der Beklagte dadurch unverhältnismäßig belastet wird, dass er sich an einem fremden Forum verteidigen muss. Die Mehrbelastung, die einem multinationalen Konzern daraus entsteht, dass er sich an einem US-amerikanischen Forum verteidigen muss, ist jedoch typischerweise gering.61
56
Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 2. b). Näher hierzu bereits oben ebd. 58 Vgl. Ramsey, Multinational Corporate Liability Under the Alien Tort Claims Act: Some Structural Concerns, 24 Hastings Int’l & Comp. L. Rev. 361, 366 (2001). 59 Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 3. 60 Blumberg, The Law of Corporate Groups, Procedural Law, § 3.06 f. sowie ders., Asserting Human Rights Against Multinational Corporations Under United States Law: Conceptual and Procedural Problems, 50 Am. J. Comp. L. 493, 496 ff. (2002); vgl. z. B. Doe v. Unocal Corp., 27 F. Supp. 2d 1174, 1186 ff. (C.D. Cal. 1998) und Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2d Cir. 2000). 61 Verwiesen sei auf die Ausführungen des Gerichts im Fall Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Company, 226 F.3d 88, 99 (2d Cir. 2000): „[L]itigation in New York City would not represent any great inconvenience to the defendants. The defendants control a vast, wealthy, and far-flung business empire which operates in most parts of the globe. They have physical presence in the forum state, have access to enormous resources, face little or no language barrier, have litigated in this country on previous occasions, have a four-decade long relationship with one of the nation’s leading law firms [. . .].“ 57
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Die Rahmenbedingungen und Perspektiven der Klagen gegen multinationale Unternehmen sind im Übrigen eng verwoben mit den Rahmenbedingungen und Perspektiven der Klagen über neue Delikte. Arbeits- und umweltrechtliche Sachverhalte nämlich wurden bislang ausschließlich in Klagen gegen multinationale Unternehmen geltend gemacht. Bei einer Berufung auf neuartige Sachverhalte ist es regelmäßig schwierig, die subject matter jurisdiction des Gerichtes zu begründen. Probleme ergeben sich insbesondere, wenn versucht wird, neue Delikte des Völkergewohnheitsrechts einzuklagen. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass die Gerichte mitunter die eigenständige Analyse des Völkergewohnheitsrechts scheuen und stattdessen pauschal darauf verweisen, dass die entsprechende Verletzung bislang von keinem US-Gericht anerkannt wurde.62 Der Umstand, dass Klagegegner in den Verfahren zum Umwelt- und Arbeitsrecht regelmäßig vermögende, rechtlich kompetent vertretene multinationale Konzerne sind, verringert die Erfolgaussichten dieses klägerischen Unterfangens zusätzlich. Gerade im rechtlich unsicheren Bereich des im Entstehen begriffenen Völkergewohnheitsrechts kann eine völkerrechtlich wenig versierte Richterschaft leicht zum Spielball entgegen gesetzter anwaltlicher Strategien werden. Während der Kläger dieses Spiel mit der Richterschaft in den klassischen HRL-Fällen, in denen die Beklagten meist säumig oder nicht rechtskundig sind, in aller Regel allein spielt, sieht er sich in den Fällen gegen multinationale Unternehmen einem Gegenspieler ausgesetzt, dessen Ressourcen und Rechtskenntnisse es ihm ohne weiteres ermöglichen, die klägerischen Ausführungen zum Stand des Völkerrechts zu widerlegen oder zumindest substantiiert infrage zu stellen. Darüber hinaus ergeben sich bei Klagen, die auf neue Delikte gestützt werden, internationale Kompetenzkonflikte. Dies gilt insbesondere im umweltrechtlichen Bereich. Internationale Kompetenzkonflikte entstehen hier in besonderem Maße, weil umweltbezogene Belange völkerrechtlich nur ansatzweise geregelt sind. Sofern gewisse Grenzen eingehalten werden, stellt die internationale Gemeinschaft es auf völkergewohnheitsrechtlicher Ebene weitestgehend in das Ermessen der Staaten, ob diese ihre Prioritäten im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung oder des nachhaltigen Umweltschutzes setzen. Eine richterliche Entscheidung kann hier leicht als Einmischung in innere Angelegenheiten des betroffenen Staates verstanden werden. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass ein Urteil das Unternehmen rechtlichen Standards unterwirft, die strenger sind, als die niedrigen Standards des Tatortstaates, die dieser bewusst im Hinblick auf die nationale Wachstumspolitik geschaffen hat. In solchen Konstellationen erscheint insbesondere eine Klage62 Siehe z. B. Doe v. The Gap, Entscheidung vom 29.10.2001, Case No. CV-01-0031-919, einsehbar unter http://www.nmid.uscourts.gov/, dort S. 40 f.
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
abweisung aus Gründen der comity naheliegend.63 Daneben kann auch die act of state-Doktrin vergleichsweise leicht greifen. In den klassischen HRLFällen scheitert die Anwendung der Doktrin daran, dass die dort streitgegenständlichen schweren Menschenrechtsverletzungen nicht als Hoheitsakte eingeordnet werden und die Doktrin mithin unanwendbar ist.64 Im Bereich der Klagen über neue Delikte ist dies anders. Die angeführten Verletzungen des Völkerrechts sind typischerweise weniger schwerwiegend und können daher als Hoheitsakte qualifiziert werden.65 Auch die weiteren Voraussetzungen für ein Eingreifen der Doktrin sind im Bereich von Klagen über neue Delikte besonders leicht gegeben. So soll die Doktrin insbesondere dann greifen, wenn die Beurteilung des streitgegenständlichen Hoheitsaktes die Anwendung einer umstrittenen Norm des Völkerrechts verlangen würde. Dies ist im Bereich neuer Delikte typischerweise der Fall. Speziell im umweltrechtliche Bereich besteht daneben das Problem des standing.66 Alle Delikte, die von der internationalen Gemeinschaft dem Gewohnheitsrecht zugeordnet werden, schützen allein die Souveränitätsrechte des jeweils betroffenen Staates, nicht jedoch den Einzelnen. Da bislang in noch keinem umweltrechtlichen Fall überhaupt die gerichtliche Zuständigkeit über den Streitgegenstand begründet werden konnte, sah sich noch kein Gericht veranlasst, zur Frage des standing Stellung zu nehmen. Außerhalb des umweltspezifischen Bereichs, im Fall Alvarez-Machain v. USA, wurde einem Kläger jedoch bereits das Recht versagt, sich auf eine Verletzung der staatlichen Souveränität seines Heimatstaates zu berufen.67 Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte gleich entscheiden würden, wenn die staatliche Souveränität nicht unmittelbar, sondern im Gewand der grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung betroffen wäre. Im Ergebnis sind die Rahmenbedingungen der neueren Klagen schwierig und ihre Erfolgsaussichten gering. Für die Zukunft ist insoweit keine Änderung zu erwarten. Die Erfolgaussichten der entsprechenden Klagen scheinen ganz im Gegenteil durch die Entscheidung des Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain68 zusätzlich verringert zu werden. Zwar nahm das Gericht dort nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit von Klagen gegen multinationale Unternehmen Stellung. Der Supreme Court gab den Gerichten jedoch auf, den ATCA zurückhaltend und unter sorgfältiger Analyse des VölkergeSiehe z. B. Beanal v. Freeport-McMoRan, 197 F.3d 161, 167 (5th Cir. 1999). Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 1. b). 65 Siehe z. B. Sarei v. Rio Tinto PLC, 221 F. Supp. 2d 1116 (C.D. Cal. 2002). 66 Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 3. 67 Alvarez-Machain v. USA, No. CV 93-4072, Entscheidung vom 30.8.1994 (unveröffentlicht). 68 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). 63 64
2. Kap.: Bewertung
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wohnheitsrechts anzuwenden. Hierdurch könnten sich die Anforderungen erhöhen, die an den Nachweis einer neuen Norm des Völkergewohnheitsrechts gestellt werden. Der Supreme Court betonte ferner, dass den fallspezifischen Vorgaben der Exekutive eine wichtige Bedeutung beigemessen werden müsse. Auch dieser Umstand könnte sich negativ auf die Erfolgsaussichten der neueren Klagen auswirken. Die derzeitige Exekutive unter George W. Bush nämlich steht Klagen gegen multinationale Unternehmen sehr skeptisch gegenüber, da sie befürchtet, dass diese sich negativ auf die nationale Wirtschaft auswirken könnten.69
2. Kapitel
Bewertung der Human Rights Litigation I. Nutzen der Human Rights Litigation 1. Chancen für die Opfer Die HRL unterscheidet sich von anderen Formen der Durchsetzung der Menschenrechte dadurch, dass das Opfer der Verletzung im Vordergrund steht. Bei ihrer Bewertung drängt sich daher die Frage auf, welchen Nutzen das Opfer der Rechtsverletzung aus einem HRL-Verfahren ziehen kann. Die Literatur führt eine ganze Reihe von Vorteilen an, die sich für das Opfer aus der HRL ergeben sollen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass viele der angeführten Vorteile in der Praxis nicht oder nur selten verwirklicht werden. Im Folgenden werden zunächst die theoretischen Vorteile der HRL dargestellt. Im Anschluss wird auf deren praktische Verwirklichbarkeit eingegangen. a) Theorie Der offensichtlichste Nutzen der HRL liegt in der Möglichkeit, eine finanzielle Entschädigung des Opfers zu erreichen. Zu denken ist ferner an die Genugtuung, die das Opfer daraus schöpfen kann, den Täter vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen. Von Relevanz sind hierbei die selbst eingeleitete „Bestrafung“ des Täters sowie die Möglichkeit, den Täter dazu zu zwingen, sich vor einem Richter oder einer Jury zu verantworten. Genugtuung kann das Opfer auch daraus schöpfen, Gehör vor Gericht zu bekommen und in einem Urteil die autoritative Anerkennung der Unrechtmäßigkeit der Verletzungshandlung zu erhalten.70 Durch das Urteil sowie durch 69
Siehe oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. d).
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das in seiner Folge entstehende öffentliche Aufsehen kann das Opfer ferner hoffen, eine Bewegung in Gang zu setzen, die zu einem rechtlichen oder politischen Wandel führt und im Folgenden die rechtliche Situation über die Grenzen des eigenen Falles hinaus in einem Sinne verändert, der der eigenen Rechtsüberzeugung entspricht.71 Menschenrechtsaktivisten behaupten, dass sich eine aktive Klagebegehung auch positiv auf die psychische Aufarbeitung eines Verletzungserlebnisses auswirken kann. Der Täter soll hier eher als im Falle eines ihn nicht aktiv involvierenden Strafverfahrens imstande sein, mit dem Ereignis abzuschließen.72 Angeführt wird ferner, die HRL ermögliche eine „Diplomatie der Kläger“.73 Dieser Ansatz ist zu verstehen vor dem Hintergrund des Ausschlusses privater Akteure vom Bereich der internationalen Diplomatie. Der private Einzelne bleibt darauf beschränkt, sich mit seinem persönlichen Anliegen an den eigenen Staat zu wenden, auf dass dieser sich seiner Sache annehme und das dem Staat völkerrechtlich zugestandene Recht auf den diplomatischen Schutz eigener Staatsangehöriger74 ausübe.75 Der Bürger hat in den meisten Ländern keinen Anspruch darauf, dass sein Heimatstaat zu seinem Schutz tätig wird. Angesichts der außenpolitischen Relevanz einer staatlichen Schutzausübung, wird die entsprechende Entscheidung vielmehr ins Ermessen der Regierungen gestellt.76 Über die HRL kann der einzelne Betroffene hier eine aktivere Stellung einnehmen. Gerade bei groß angelegten Sammelklagen kann bereits die Einreichung einer Klage so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregen, dass sich die politischen Akteure zu einem Einschreiten genötigt sehen. Bestes Beispiel für dieses Phänomen sind die Sammelklagen, in denen deutsche Unternehmen zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter angehalten wurden.77 Schon bald nach Ein70
Stephens, Conceptualizing Violence Under International Law: Do Tort Remedies Fit the Crime?, 60 Alb. L. Rev. 579, 604 f. (1997). 71 Koh, Transnational Public Law Litigation, 100 Yale L.J. 2347, 2349 (1991). 72 Stephens, Conceptualizing Violence Under International Law: Do Tort Remedies Fit the Crime?, 60 Alb. L. Rev. 579, 605 (1997). 73 Bosco/Slaughter, Plaintiff’s Diplomacy, in: Foreign Affairs, Oktober/November 2000, deutsche Übersetzung: Kläger machen große Politik, in: Rheinischer Merkur, Nummer 39, 2000, S. 6. 74 Ipsen (Epping/Gloria), Völkerrecht, 5. Kapitel, § 24, Rn. 41. 75 Bosco/Slaughter, Plaintiff’s Diplomacy, in: Foreign Affairs, Oktober/November 2000, deutsche Übersetzung: Kläger machen große Politik, in: Rheinischer Merkur, Nummer 39, 2000, S. 6. 76 Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, S. 88 f. Zur Situation in Deutschland, Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 289. 77 Bosco/Slaughter, Plaintiff’s Diplomacy, in: Foreign Affairs, Oktober/November 2000, deutsche Übersetzung: Kläger machen große Politik, in: Rheinischer Merkur, Nummer 39, 2000, S. 6.
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reichung der ersten Klagen hatten die deutsche Regierung und die beklagten deutschen Unternehmen in Anbetracht des öffentlichen Drucks sowie des Umfangs der drohenden Klagen die Bildung eines Entschädigungsfonds angekündigt. Die Details des Fonds wurden unter Vorsitz des von Präsident Clinton ernannten „point man on Holocaust issues“ Stuart Eizenstaat zwischen der deutschen Regierung und den beklagten Unternehmen auf der einen Seite und den klägerischen Anwälten und jüdischen Interessenvereinigungen auf der anderen Seite ausgehandelt.78 Die Verhandlungen zeigen klar das für die HRL typische transnationale Verhandlungsmuster, das die traditionellen Dichotomien von national und international sowie von privat und öffentlich überwindet.79 Sie lassen erkennen, wie der private Einzelne die internationale Durchschlagkraft seines Anliegens potenzieren und sein Anliegen sowie sich selbst auf die Agenda der internationalen Diplomatie setzen kann. b) Praxis (1) Finanzielle Entschädigung des Opfers In der Praxis können die im Vorangegangenen dargestellten Ziele häufig nur ansatzweise erreicht werden. Insbesondere eine finanzielle Entschädigung des Opfers erfolgt nur zum Teil. Dies hat seinen Grund darin, dass die HRL-Urteile mehrheitlich nicht vollstreckt werden können. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die typischen Beklagten der HRLKlage, einfache ausländische Beamte, nicht über hinreichende Vermögenswerte verfügen, in die eine Vollstreckung möglich wäre. Zum Teil scheitern Vollstreckungsversuche auch daran, dass die Vermögenswerte der Beklagten nicht lokalisiert werden können. Probleme ergeben sich insbesondere in den Fällen, in denen es dem Beklagten gelingt, seine Vermögenswerte verdeckt ins Ausland zu transferieren.80 Eine derartige Möglichkeit erscheint vor allem bei Beklagten, die ehemals eine Machtposition besaßen und noch immer über bedeutende finanzielle Mittel und internationale Verbindungen verfügen, nicht von der Hand zu weisen. Die Vollstreckungsaussicht eines Klägers steht und fällt in diesen Fällen mit der Möglichkeit, die frühzeitige Blockierung der Vermögenswerte des Beklagten herbeizuführen. So erwirkten zum Beispiel die Philippinen im Fall gegen Ferdinand E. Marcos eine richterliche Verfügung, die auf die Blockade der Vermögenswerte des ehe78 Bayzler, Nuremberg in America: Litigating the Holocaust in United States Courts, 34 U. Rich. L. Rev. 1, 196 ff. (2000). 79 Vgl. oben Teil I, 1. Kapitel. 80 Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 218.
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maligen Präsidenten gerichtet war.81 In der Folge konnten sie zumindest 1 Million Dollar des sich auf 1,2 Milliarden Dollar belaufenden Urteils vollstrecken. Es ist jedoch schwierig eine entsprechende Verfügung zu erwirken, da die US-amerikanischen Gerichte einer Blockade von Vermögenswerten für gewöhnlich kritisch gegenüber stehen.82 Die Chancen einer Vollstreckung hängen wesentlich von der Belegenheit der vollstreckungstauglichen Vermögenswerte ab. Wann immer sich die Vermögenswerte des Beklagten außerhalb des Forumstaates befinden, kann eine Vollstreckung erst erfolgen, nachdem das Urteil in dem Staat, in dem die Vollstreckung erfolgen soll, anerkannt wurde. Eine derartige Anerkennung kann innerhalb der USA vergleichsweise leicht erreicht werden. Die Full Faith and Credit Clause des Art. IV Section 1 Satz 1 der Verfassung garantiert, dass die Urteile eines Staates der USA in allen anderen Staaten anerkannt werden.83 Nur in den allerwenigsten Fällen aber kommt es soweit. Die Vermögenswerte individueller, ausländischer Hoheitsträger befinden sich in aller Regel in ihren Heimatstaaten oder in Drittstaaten, die mit dem Heimatstaat befreundet sind oder deren Banken über ein System der diskreten Vermögensverwaltung verfügen. Verfügt der Beklagte über keine Vermögenswerte in den USA oder hat er diese bereits ins Ausland transferiert, muss der Kläger versuchen, die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils im Heimatstaat des Beklagten oder in einem Drittstaat zu erlangen. Eine Anerkennung seitens des Heimatstaates des Beklagten ist im Falle von Menschenrechtsklagen meist nicht möglich, da die politischen Eliten des betroffenen Staates dem entgegen steuern. Ähnlich stellt sich die Situation für die Vollstreckung in Drittstaaten dar, die mit dem betroffenen Staat befreundet sind. Etwas anderes kann nur in Fällen gelten, in denen ein politischer Wandel die Loyalität des Heimatstaates bzw. befreundeter Drittstaaten hat verschwinden lassen.84 Selbst neutrale Drittstaaten stehen aber der Anerkennung US-amerikanischer Urteile häufig skeptisch gegenüber. Da die USA keine völkerrechtlichen Verträge zur Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen abgeschlossen haben, bemisst sich die Behandlung US-amerikanischer Urteile nach dem Recht des jeweils angegangenen Staates. Bestimmte Erscheinungsformen des US-Rechts stoßen hierbei in vielen Staaten auf Ablehnung. Die sich inRepublic of Philippines v. Marcos, 862 F.2d 1355 (9th Cir. 1988). Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 219, Fn. 46. 83 Es heißt dort: Full Faith and Credit shall be given in each State to public Acts, Records, and judicial Proceedings of every other State. 84 Amley, Sue and Be Recognized: Collecting § 1350 Judgments Abroad, 107 Yale L.J. 2177, 2204 f. (1998). 81 82
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soweit ergebenden Probleme seien hier nur angerissen. So werden zum Beispiel bestimmte Aspekte des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts, insbesondere die tag und die doing business jurisdiction85 in vielen Staaten für exorbitant befunden.86 Auch die punitive damages werden in vielen Staaten abgelehnt.87 Zusätzlich erschwert wird die Situation dadurch, dass die Mehrzahl der HRL-Fälle als Versäumnisurteile ergeht,88 was geeignet ist, dem Urteil den Anschein fehlender Rechtmäßigkeit zu geben und das angegangene Gericht zu besonderer Vorsicht und Sorgfalt bei der Überprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen zu veranlassen.89 Ferner kann die im USRecht extrem großzügige Kompensierung immaterieller Schäden90 als unverhältnismäßig und deshalb ordre public-widrig aufgefasst werden.91 Speziell nach deutschem Rechtsverständnis kann die pre-trial discovery, das zwischen Klageerhebung und mündlicher Verhandlung unter weitestgehender Parteiherrschaft durchgeführte Beweis- und Beweisermittlungsverfahren, als unzulässige Ausforschung und somit als Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstanden werden.92 Speziell in Deutschland äußert die Literatur93 auch Bedenken im Hinblick auf bestimmte Arten der Sammelklage. Die Repräsentierung aller Kläger durch einzelne named plaintiffs widerspreche dem Leitbild des deutschen Zivilprozesses, welcher auf die indi85
Zu den beiden Gerichtsständen siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 3. Siehe z. B. Art. 18 Nr. 2 f) und e) des Haager Konventionsentwurfs zur Zuständigkeit und Anerkennung, näher hierzu bereits oben Teil III, 1. Kapitel, I. 87 Vgl. Art. 33 des Haager Konventionsentwurfes zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung, nach welchem Strafschadensersatz gewährende Urteil nur in der hypothetischen Höhe anerkannt und vollstreckt werden müssen, in der ein entsprechendes Urteil im adressierten Staat hätte ergehen können. Zur Lage in Deutschland, siehe BGHZ 118, 312, 334 ff. (Strafschadensersatz ist nur insoweit anerkennungsfähig, als über ihn erkennbar sonstige, nicht gesondert abgegoltene oder schlecht nachweisbare wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen werden). 88 Vgl. Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 174. 89 Ebd., S. 221. 90 So z. B. 10 000 Dollar für einen Tag in Geiselhaft, Hitting Where It Hurts, in: The Economist, Ausgabe vom 6.10.2001, S. 33 f. 91 BGHZ 118, 312, 346 ff. 92 Ein derartiger Verstoß ist indes nicht bereits durch die bloße Durchführung einer pre-trial discovery indiziert. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob das konkrete Ergebnis einer pre-trial discovery mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist, BGHZ 118, 312, 323. Vgl. zu internationalen Bedenken gegen die pre-trial discovery Art. 23 des Haager Übereinkommens über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1977 II, 1472). 93 Deutsche Gerichte haben soweit ersichtlich noch nicht zur Anerkennungsfähigkeit US-amerikanischer class action-Urteile Stellung genommen, siehe Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public, S. 177. 86
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viduelle Rechtsverfolgung ausgerichtet sei.94 Darüber hinaus wird angeführt, die in groß angelegten Menschenrechtsfällen oft exzessive Einbeziehung der Medien könne als Verstoß gegen den ordre public empfunden werden.95 Besonderheiten hinsichtlich der Vollstreckung ergeben sich bei Klagen gegen ausländische Staaten. Hier sieht sich der Kläger zwar einem vergleichsweise finanzkräftigen Klagegegner gegenüber. Grenzen ergeben sich jedoch aus der Staatenimmunität. Der FSIA legt in 28 U.S.C. § 1609, 1610 (a) (2) fest, dass eine Vollstreckung nur in nicht-hoheitliche, kommerzielle Güter erfolgen darf, die einen Bezug zur Klage aufweisen. Für Belange des AEDPA gelten jedoch Sondervorschriften. Zum einen ist eine Vollstreckung auch in nicht mit der Klage zusammenhängende kommerzielle Güter möglich.96 Dieses Privileg besitzt freilich keine große praktische Relevanz, da die state sponsors of terrorism, die über den AEDPA verklagt werden können, typischerweise wenig kommerzielle Beziehungen zu den USA unterhalten. Zum anderen kann ein Gericht die Vollstreckung in solche Vermögenswerte anordnen, die an sich dem Schutz der diplomatischen Immunität unterfallen oder die seitens der USA blockiert wurden.97 Innerhalb des Vollstreckungsregimes des AEDPA existieren weiterhin Sondervorschriften speziell für Urteile gegen Kuba und den Iran. Nach § 2002 des Victims of Trafficking and Violence Protection Act of 200098 hat der Kläger die Möglichkeit, auf seine Rechtsansprüche aus dem Urteil zu verzichten und sich stattdessen den Betrag der compensatory damages (punitive damages werden nicht erstattet) aus der Staatskasse bezahlen zu lassen. Sollte der Kläger gleichwohl darauf bestehen, das Urteil auf eigene Faust zu vollstrecken, behält sich der Präsident der Vereinigten Staaten die Möglichkeit vor, eine Vollstreckung in den USA im Interesse der nationalen Sicherheit zu unterbinden.99 Es wurden über dieses Gesetz bislang insgesamt 200 Millionen Dollar aus der Staatskasse ausgezahlt.100 Eine Ausweitung des Gesetzes auch auf andere Staaten erscheint vorstellbar.101 Eine vergleichsweise gute Vollstreckungsaussicht weisen daneben die neuerlichen Verfahren gegen multinationale Unternehmen auf. Hier besteht 94 Heß, Die Anerkennung eines Class Action Settlement in Deutschland, JZ 2000, S. 374, 378. 95 Ebd., S. 381. 96 28 U.S.C. § 1610 (a) (7). 97 28 U.S.C. § 1610 (f); eingefügt durch den Treasury and General Government Appropriations Act (Pub. L. 105-277) aus dem Jahre 1999. 98 Pub. L. 106-386. 99 Siehe hierzu ausführlich, Murphy, U.S. Judgements Against Terrorist States, 95 Am. J. Int’l L. 134, 137 ff. (2001). 100 Hitting where it hurts, in: The Economist, Ausgabe vom 6.10.2001, S. 33 f. 101 Ebd.
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die realistische Chance, ein obsiegendes Urteil tatsächlich zu vollstrecken. Die Konzerne verfügen über erhebliche finanzielle Mittel, die leicht lokalisierbar sind und nicht unter dem Schutz staatlicher Immunität stehen. Darüber hinaus sind die verklagten Gesellschaften entweder in den USA begründet oder dort zumindest geschäftlich verankert, was dazu führt, dass sich wesentliche Anteile ihrer finanziellen Mittel in den USA befinden und eine US-interne Vollstreckung möglich ist. Die regelmäßig problematische Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in einem Drittstaat ist meist nicht erforderlich. (2) Immaterielle Nutzen der Human Rights Litigation Auch die immateriellen Ziele der HRL werden nur zum Teil erreicht. Die Genugtuung, die ein Opfer daraus schöpfen kann, seinen Täter tatsächlich vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen, bleibt in einer Verfahrenspraxis, die durch die Säumnis der Beklagten und die fehlende Vollstreckung der Urteile geprägt ist,102 leicht auf der Strecke. Auch die angeblich therapierende Wirkung einer aktiven Prozessführung tritt in der Praxis häufig nur ansatzweise ein. Zwar ist es durchaus vorstellbar, dass die Initiierung und die aktive Gestaltung einer Klage dem Opfer die Aufarbeitung der Tat eher ermöglicht als das Strafverfahren, welches das Opfer auf eine passive Rolle beschränkt. Zu berücksichtigen ist aber, dass die HRL mittlerweile mehr und mehr durch groß angelegte Sammelklagen geprägt ist. Diese ähneln aus „therapeutischer“ Sicht dem Strafverfahren, da die Mehrzahl der Kläger auch hier auf die passive Beobachtung des Klagegeschehens beschränkt ist.103 Die oft beträchtliche geographische Distanz des passiven Sammelklägers zum Ort der Verhandlung sowie das typischerweise fehlende Verständnis der US-amerikanischen Prozesskultur entfernen das Opfer zusätzlich vom Klagegeschehen und stellen die therapeutischen Qualitäten eines derartigen Verfahrens infrage.104 Die außenpolitische Potenzierung eines Anliegens über die HRL schließlich ist in aller Regel nur dann erfolgreich, wenn die Klage eine bereits per se politisch sensible Angelegenheit berührt,105 eine Vielzahl von Klägern involviert oder eine Opfergruppe be102
Damrosch, Enforcing International Law Through Non-Forcible Measures, 269 RdC 13, 182 (1997). 103 Vgl. Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1106 ff. (1999). 104 Ebd., S. 1108. 105 Siehe z. B. den Fall Letelier v. Chile, 488 F. Supp. 665 (D.D.C. 1980), in dem es um die Ermordung eines chilenischen Dissidenten durch den chilenischen Geheimdienst in Washington D.C. ging. Der Fall führte zur Einleitung diplomatischer Schritte, in deren Folge sich Chile zu ex gratia-Zahlungen an die Kläger bereit
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trifft, die in der US-amerikanischen Öffentlichkeit über starken Rückhalt verfügt. c) Ergebnis Im Ergebnis beschränken sich die opferbezogenen Vorteile einer HRLKlage in den meisten Fällen auf die Genugtuung, die das Opfer daraus schöpfen kann, die „Bestrafung“ des Täters in die eigene Hand zu nehmen, vor offizieller Stelle über die erlittene Verletzung auszusagen, die Tat an die Öffentlichkeit zu bringen, eine autoritative Stellungnahme zu deren Unrechtmäßigkeit zu erlangen und möglicherweise rechtliche und politische Rahmenbedingungen über die Grenzen des eigenen Verfahrens hinaus zum Positiven hin zu verändern.106 Auch wenn diese Vorteile hinter den proklamierten Zielen der HRL zurück bleiben, ist zu bedenken, dass den Opfern von Menschenrechtsverletzungen andere Wege in aller Regel nicht offen stehen. Die Praxis hat gezeigt, dass selbst diese isolierten Vorteile genügen, um den Klägern einen Anreiz zur Klageerhebung zu bieten. 2. Nutzen für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte Neben den Vorteilen, welche die HRL den Opfern bringen kann, sind auch jene Nutzen zu berücksichtigen, die sich für die internationale Gemeinschaft und für die Sache der Menschenrechte ergeben. Die HRL erweist sich bei einer Betrachtung der ihr eigenen Vorteile ebenso wie bei ihrer Einordnung unter die Nutzensanalyse herkömmlicher Modelle zur Durchsetzung der Menschenrechte als gewinnbringend. a) Die Einbeziehung der Human Rights Litigation unter die Nutzensanalyse herkömmlicher Modelle zur Durchsetzung der Menschenrechte Herkömmliche Modelle zur Durchsetzung der Menschenrechte, wie das Strafverfahren oder die Wahrheitskommission, dienen der Abschreckung und Bestrafung der Täter bzw. der historischen Aufklärung. Diese Ziele können in beschränktem Umfang auch über die HRL erreicht werden.
erklärte, siehe Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 294. 106 Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 459 (2001).
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(1) Die Abschreckung und Bestrafung der Täter Die klassischen Ziele einer gerichtlichen Durchsetzung der Menschenrechte sind die Bestrafung und die Abschreckung des Täters. Auch die HRL wird im Zusammenhang mit diesen Zielen diskutiert. Auf den ersten Blick erstaunt diese Verbindung, da das Zivilverfahren in erster Linie der Entschädigung des Klägers und nicht der Bestrafung und Abschreckung des Beklagten dienen soll. In den meisten Ländern kann eine Bestrafung des Täters im Rahmen des Zivilverfahrens nur mittelbar und meist kaum spürbar als Folge der Entschädigung des Klägers eintreten. In den USA ist die strenge Unterscheidung in Zivil- und Strafverfahren durchbrochen. Über das Institut der punitive damages werden dort auch im Bereich des Zivilverfahrens bestrafende Funktionen wahrgenommen.107 Die Skepsis, welche die internationale Gemeinschaft den US-amerikanischen Urteilen im Allgemeinen und dem Institut der punitive damages im Besonderen entgegen bringt, bewirkt jedoch, dass entsprechende HRL-Urteile im Ausland nicht oder nicht in voller Höhe vollstreckt werden.108 Solange der Täter keine Vermögenswerte in den USA unterhält, die eine US-interne Vollstreckung ermöglichen würden, läuft der strafende Aspekt der HRL deshalb weitestgehend ins Leere. Relevant bleibt der Zuspruch von punitive damages insofern, als er eine autoritative Stellungnahme zum Unrechtsgehalt der Tat enthält und so die stigmatisierende Wirkung einer Verurteilung erhöht. Jenseits der punitive damages verbleiben andere, subtilere Formen der Bestrafung. Die Aufklärung der Taten und der autoritative Ausspruch zu ihrer Unrechtsmäßigkeit können das gesellschaftliche Ansehen des Beklagten beeinträchtigen und seine beruflichen oder politischen Chancen für die Zukunft minimieren.109 Ebenso kann sich ein Urteil auf den immigrationsrechtlichen Status des Täters auswirken. So verlor zum Beispiel der ehemalige guatemaltequische General Hector Gramajo nach seiner Verurteilung in Xuncax v. Gramajo sein Visum für die USA.110 Als Bestrafung wird auch das Prinzip des no safe haven diskutiert. Der Täter werde dadurch bestraft, dass er sich durch eine Flucht 107 Heriot, An Essay on the Civil-Criminal Distinction With Special Reference to Punitive Damages, 7 J. Contemp. Legal Issues 43 (1996). 108 Siehe oben I. 1. b) (1). 109 Ratner, Civil Remedies for Gross Human Rights Violations, veröffentlicht unter http://www.humanrightsnow.org/Ratner2%20david%20ratner%20corrections%20 final%20numbered.htm. 110 Reuters, Guatemalan Ex-Army General Barred from United States, 13.9.1995. Siehe auch Aceves, Liberalism and International Legal Scholarship: The Pinochet Case and the Move Toward a Universal System of Transnational Law Litigation, 41 Harv. Int’l L.J. 129 (2000).
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in die USA nicht vor einer gerichtlichen Verfolgung in Sicherheit bringen könne, es für ihn in den USA also keinen „sicheren Hafen“ gebe.111 Gewisse bestrafende Funktionen kann mithin auch das Zivilverfahren wahrnehmen. Dessen ungeachtet liegt es auf der Hand, dass die sanktionierenden Wirkungen eines Zivilverfahrens, egal ob mit oder ohne punitive damages, in ihrer Effektivität hinter jenen des Strafverfahrens zurückbleiben. Auch die abschreckende Wirkung einer HRL-Klage ist vergleichsweise gering. Sie lässt sich im Wesentlichen als Spiegelbild ihrer bestrafenden Wirkungen beschreiben, was bedeutet, dass eine Abschreckungswirkung insofern bestehen kann, als der Täter einen autoritativen Ausspruch zur Unrechtmäßigkeit seiner Tat befürchten muss und nicht auf einen ungestörten Rückzug in die USA hoffen kann. Es ist generell fraglich, ob und wodurch sich ein potentieller Täter von der Tatbegehung abhalten lässt.112 Zweifelhaft ist bereits, ob das Drohen eines Strafverfahrens abschreckende Wirkung entfalten kann.113 Offensichtlich ist aber, dass die im Falle eines Strafverfahrens drohende Freiheitsstrafe den potentiellen Täter eher abschrecken wird als die Aussicht auf ein nicht vollstreckbares Zivilurteil. Auch wenn die Bestrafungs- und Abschreckungsfunktionen des Zivilverfahrens neben den entsprechenden Qualitäten des Strafverfahrens vergleichsweise blass aussehen, können durch die Aufnahme des Zivilverfahrens in das System zur Ahndung von Völkerrechtsverstößen, die Lücken einer strafrechtlichen Verfolgung geschlossen werden. Es ist zu bedenken, dass die besondere Schärfe des strafrechtlichen Sanktionsmechanismus ihren Preis hat.114 Mit ihr korrelieren die vergleichsweise höheren prozessualen Garantien des Beschuldigten. So ist ein Strafprozess in Abwesenheit des Beschuldigten grundsätzlich nicht möglich. Ebenso kann im Rahmen des Strafverfahrens eine Verurteilung erst erfolgen, nachdem es gelungen ist, den Richter bzw. die Jury von der Schuld des Angeklagten zu überzeugen; vernünftige Zweifel an der Schuld des Angeklagten bzw. des Beklagten schließen die strafrechtliche, nicht jedoch die zivilrechtliche Verurteilung aus. In vielen Menschenrechtsfällen wird es nicht möglich sein, den 111
Ratner, Civil Remedies for Gross Human Rights Violations, veröffentlicht unter http://www.humanrightsnow.org/Ratner2%20david%20ratner%20corrections% 20final%20numbered.htm. 112 Balint, The Place of Law in Addressing Internal Regime Conflicts, 59 Law & Contemp. Probs. 103, 124 (1996). 113 Akhavan, Beyond Impunity: Can International Criminal Justice Prevent Future Atrocities?, 95 Am. J. Int’l L. 7 (2001); Nizich, International Tribunals and Their Ability to Provide Adequate Justice: Lessons from the Yugoslav Tribunal, 7 ILSA J. Int’l & Comp. L. 353, 360 (2001). 114 Siehe auch Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 304.
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vergleichsweise hohen Anforderungen des Strafverfahrens gerecht zu werden. Oft wird es nicht gelingen, des Täters habhaft zu werden, um ein Strafverfahren in seiner Anwesenheit durchzuführen. Ebenso oft wird es schwer sein, das für ein erfolgreiches Strafverfahren erforderliche Maß an Sachverhaltsaufklärung zu liefern. Hier kann der zivilrechtliche Menschenrechtsschutz einspringen, welcher zwar weniger gewährt, zugleich aber auch weniger verlangt.115 Ein Fall, der die Anforderungen des Strafverfahrens nicht erfüllt, fällt nicht sogleich gänzlich durch die Maschen des Verfolgungssystems, sondern wird auf niedrigerem Niveau über das Zivilverfahren aufgefangen. Das Zivilverfahren kann ferner Fälle auffangen, die der Kenntnis der Strafverfolgungsbehörde entgehen oder von dieser bewusst nicht verfolgt werden. Umfassendes Wissen über die Verletzung besitzen nur die Täter und die Opfer. Dieses Wissen muss in einem strafrechtlichen System erst auf das staatliche Verfolgungsorgan übertragen werden. Dieser Übertragungsprozess kann unvollständig und träge sein. Dies hat zur Folge, dass nur ein Bruchteil der tatsächlich vorgefallenen Rechtsverletzungen der Kenntnis der zuständigen Behörde zugeführt wird. Dies gilt umso mehr, wenn sich eine zur Verfolgung bereite Behörde lediglich im Ausland befindet. Selbst wenn das anfängliche Informationsdefizit überwunden wird, scheitert eine strafrechtliche Verfolgung häufig am fehlenden politischen Willen des Verfolgungsorgans oder eines anderen Staates, auf dessen Mithilfe das Verfolgungsorgan angewiesen wäre (zum Beispiel für die Auslieferung eines Beschuldigten). In diesen Konstellationen kann das Zivilverfahren eine Auffangfunktion erfüllen. In ihm ergibt sich hinsichtlich der Tat kein Informationsdefizit. Die Informationen sind von Anfang an in den Händen der potentiellen Kläger. Die Informationsproblematik ist in diesen Fällen freilich verlagert. Die Kläger wissen zwar um die Tat, sie besitzen jedoch regelmäßig nicht das Wissen um die Verfolgungsmöglichkeiten und deren Modalitäten. Dieser Mangel wird jedoch im Rahmen der HRL durch Nichtregierungsorganisationen und Anwälte, die pro bono oder auf Grundlage von Erfolgshonoraren tätig sind, gemildert. Neben der besseren Informationssituation besteht im zivilrechtlichen Verfahren in der Regel auch der Wille, den Täter zu verfolgen. Politische Zweckmäßigkeitserwägungen spielen keine Rolle. Die Angst, eine Klage könnte Rache und Vergeltung auslösen, wird durch die Möglichkeit der anonymen Klageerhebung gemildert.116 Im Ergebnis zeigt das zivilrechtliche System eine verhältnismäßig hohe Verfolgungsdichte. In vielen Fällen, 115
Aceves, Liberalism and International Legal Scholarship: The Pinochet Case and the Move Toward a Universal System of Transnational Law Litigation, 41 Harv. Int’l L.J. 129, 172 (2000). 116 Siehe oben Teil III, 2. Kapitel, II. 3.
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in denen die Verfolgungsbehörde nicht tätig wird, ermöglicht es eine zumindest ansatzweise Sanktionierung. (2) Die Aufklärung eines historischen Ereignisses Gerade in Fällen schwerer und breit angelegter Menschenrechtsverletzungen kann neben der Bestrafung und Abschreckung der Täter die autoritative Aufklärung des Geschehenen von besonderer Bedeutung sein. Sie kann verhindern, dass die tatsächlichen Vorkommnisse in der Zukunft vergessen, geleugnet oder verzerrt werden (Dokumentationsfunktion).117 Zugleich kann sie die gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ereignis fördern und im Idealfall zur gesellschaftlichen Identifikation mit dem Ergebnis führen (Auseinandersetzungsfunktion). Ein derartiger Auseinandersetzungsprozess kann den rechtsstaatlichen Neuanfang einer Gesellschaft erleichtern, wenn die Gesellschaft den Prozess als Spiegel ihres eigenen Konfliktes akzeptiert, wenn sie also die dort vertretenen Akteure als ihre Stellvertreter anerkennt und die Beendigung des offiziellen Aufarbeitungsvorgangs mit der Beendigung des gesellschaftlichen Konfliktes gleichstellt.118 Die internationale Gemeinschaft bedient sich zum Zweck der autoritativen Aufklärung vor allem der Wahrheitskommission und des strafrechtlichen Verfahrens vor nationalen oder internationalen Gerichten.119 Beide haben je unterschiedliche Schwerpunkte. Die Wahrheitskommission hat einen umfassenden Dokumentationsansatz. Erfasst ist neben dem „Wie“ auch das „Warum“ der Ereignisse. Die Wahrheitskommission kann daneben der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ereignis dienen. Sie ist gerade auf das gesellschaftliche Bedürfnis nach der Aufklärung eines historischen Ereignisses ausgerichtet. Ihre Begründung am Ort des Konfliktes, ihre Besetzung mit respektierten Persönlichkeiten sowie ihr offenes, auf Versöhnung und Abschluss gerichtetes Mandat lassen sie eine wesentliche Rolle im Aufarbeitungsprozess einer Gesellschaft spielen. Die Wahrheitskommission kann jedoch nicht jeden Fall einer Menschenrechtsverletzung behandeln. Sie wird in aller Regel nur in Reaktion auf massive, groß angelegte Menschenrechtsverletzungen geschaffen und in ihrer Mission auf die Aufarbeitung gerade dieser Art von 117 Scharf, The Case for a Permanent International Truth Commission, 7 Duke J. Comp. & Int’l L. 375, 379 (1997). 118 Balint, The Place of Law in Addressing Internal Regime Conflicts, 59 Law & Contemp. Probs. 103, 118 (1996). 119 Scharf, The Case for a Permanent International Truth Commission, 7 Duke J. Comp. & Int’l L. 375, 375 (1997).
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Rechtsverletzung ausgerichtet.120 Der vereinzelte Verstoß gegen eine Norm des Völkerrechts kann deshalb nur in einem Strafverfahren zur Sprache kommen. Das Strafverfahren bezweckt zuvörderst die Bestrafung des Einzelnen und kennt die historische Aufklärung und Dokumentation nur als Nebenprodukt. Es beschränkt seine Sachverhaltsaufklärung auf die Erfordernisse des konkreten Falles und konzentriert sich auf Aspekte, die von Bedeutung für die Schuld des Beschuldigten sind.121 Eine Dokumentationsfunktion kann es folglich nur in begrenztem Umfang wahrnehmen. Der Umfang, in dem es daneben zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit einer Tat beitragen kann, hängt von der Ausgestaltung des Verfahrens im Einzelfall ab. Eine Rolle spielen insoweit die Aufmerksamkeit und Akzeptanz, die dem Verfahren in der betroffenen Gesellschaft entgegen gebracht werden. Von Bedeutung ist hierbei, ob das Strafgericht im Tatortstaat oder in einem Drittstatt tätig ist und ob es mit Richtern besetzt ist, deren Kompetenz und Neutralität im Tatortstaat anerkannt ist.122 Wichtig für das aussöhnende Potential eines Strafverfahrens ist daneben die Selektion der Beschuldigten. Bei verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, bei denen die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung vornehmlich eine Rolle spielt, ist es in der Regel nicht möglich, alle Täter strafrechtlich zu verfolgen. Es muss eine Auswahl stattfinden. Die verfolgende Behörde muss darauf achten, dass auch eine selektive Strafverfolgung das geschehene Unrecht erfasst. In den meisten Fällen bedeutet dies, dass insbesondere bedeutende, federführende Täter belangt werden müssen. Erhält die Gesellschaft hingegen den Eindruck, dass die „eigentlichen“ Täter unbestraft bleiben, wird sie die strafrechtliche Auseinandersetzung mit der Tat nicht als umfassend akzeptieren. Fraglich ist, inwiefern auch die HRL Dokumentations- und Auseinandersetzungsfunktionen wahrnehmen kann. Die Dokumentation eines historischen Ereignisses erfolgt im Rahmen der HRL – wie schon im Rahmen des Strafverfahrens – nur als fallbezogenes Nebenprodukt einer anderweitig (auf die Haftung des Beklagten) ausgerichteten Fallbearbeitung. Sie bleibt deshalb in ihrer Reichweite begrenzt. Zusätzlich ist ihre Qualität zweifelhaft. Die zivilrechtliche Aufarbeitung eines historischen Ereignisses kann das qualitative Niveau des Strafprozesses entweder nicht erreichen oder den 120
Ebd. Balint, The Place of Law in Addressing Internal Regime Conflicts, 59 Law & Contemp. Probs. 103, 119 (1996). 122 Vgl. Balint, ebd., S. 118, die davon ausgeht, dass das Internationale Tribunal für Ruanda angesichts seiner geographisch entfernten Errichtung in Arusha, Tansania, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Aufarbeitung des Geschehenen nicht liefern kann. 121
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Adressaten des Aufarbeitungsprozesses zumindest diesen Eindruck nicht vermitteln. Gerade im US-amerikanischen Zivilprozess ist nicht die Ermittlung der Wahrheit, sondern die faire Schiedsrichterschaft über die wettstreitenden Parteien eines Prozesses die primäre Aufgabe des Richters. Entsprechend sind es die Parteien, die Richtung und Schwergewicht der Sachverhaltsaufklärung vorgeben. Prozesstaktische Erwägungen können dazu führen, dass im Rahmen der Sachverhaltsklärung wichtige Gebiete ausgeklammert und unwichtige Aspekte betont werden. Die Qualität des jeweiligen Rechtsbeistandes kann ferner entscheidenden Einfluss auf Gang und Ergebnis der Sachverhaltsermittlung haben.123 Verstärkt wird dieses Problem im Fall des Versäumnisurteils, welches gerade im Bereich der HRL weit verbreitet ist. Hier fehlt der Konkurrent im prozessualen Wettstreit um die prozessuale Wahrheit. Einer einseitigen Darstellung des Geschehenen sind Tür und Tor geöffnet.124 Der zivilprozessuale Aufklärungs- und Dokumentationsprozess ist daher stets mit dem Stigma seiner parteilichen Einfärbung belastet und verfügt deshalb nicht über die autoritative Kraft seines strafprozessualen Pendants. Die HRL kann jedoch auch im Bereich der Dokumentation historischer Ereignisse zumindest eine ergänzende Funktion wahrnehmen. Sie kann über ihre Konzentration auf das Opfer die herkömmlichen Aufarbeitungsprozesse um einen zusätzlichen (wenn auch möglicherweise parteilich eingefärbten) Blickwinkel ergänzen und so zu einem umfassenderen Ergebnis beitragen. Die Aufklärungsarbeit eines zivilrechtlichen Verfahrens kann ferner Informationen zu Tage bringen und dokumentieren, die ihrerseits Grundlage und Ausgangspunkt einer strafrechtlichen Verfolgung sein können.125 Schließlich kann die HRL in Fällen, in denen eine Wahrheitskommission nicht eingerichtet wird und eine strafrechtliche Verfolgung nicht möglich oder nicht gewollt ist, ein Mindestmaß an historischer Aufklärung und Dokumentation liefern. Eine Auseinandersetzungsfunktion kann die HRL indes kaum wahrnehmen. Der Kreis der Beklagten wird hier nicht nach bestimmten Kriterien, wie zum Beispiel dem Ausmaß der Schuld, ausgewählt. Die Wahl des Beklagten steht vielmehr im Belieben des Klägers und hängt wesentlich davon ab, welcher Täter den Fehler begeht, sich in die USA zu begeben. Im Übrigen verringern die parteiliche Einfärbung des Rekonstruktionsprozesses sowie die geographische Entfernung des Forums vom Tatort und die Beset123 Vgl. Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1103 (1999). 124 Ebd., S. 1104. 125 Siehe Ratner, Civil Remedies for Gross Human Rights Violations, veröffentlicht unter http://www.humanrightsnow.org/Ratner2%20david%20ratner%20correc tions%20final%20numbered.htm.
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zung des Spruchkörpers mit den Richtern eines Drittstaates die dem Verfahren entgegen gebrachte öffentliche Aufmerksamkeit und Akzeptanz.126 b) Die spezifischen Nutzen der Human Rights Litigation Die positiven Aspekte der HRL sind nicht auf ihre ergänzende Rolle im Nutzensgefüge der herkömmlichen Modelle zur Durchsetzung der Menschenrechte beschränkt. (1) Rechtsfortbildende Funktion der HRL Im Rahmen der HRL nehmen die Gerichte von Fall zu Fall Stellung zur Frage, ob eine bestimmte Norm bereits den Rang von Völkergewohnheitsrecht erreicht hat. Es kommt so ständig zu gerichtlichen Aussagen zum Stand des Völkergewohnheitsrechts. Diese sind bereits als solche von Bedeutung für die Entwicklung des Völkerrechts.127 Sie werden zugleich im In- und Ausland von anderen völkerrechtlich relevanten Akteuren zur Kenntnis genommen128 und üben so einen über das eigentliche Urteil hinausgehenden Einfluss auf die Völkerrechtsentwicklung aus. An sich dürften die Gerichte nur Normen anwenden, die bereits dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen sind. Eine dahingehende Beschränkung entspräche dem verfassungsrechtlichen Kompetenzmodell der USA, nach dem die Gerichte nur unstreitige Normen des Völkerrechts anwenden dürfen und im Übrigen von einer Entscheidung absehen müssen.129 Die Funktion der Gerichte würde sich dann darauf beschränken, bereits entstandene völkerge126 Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 469 (2001). 127 Ipsen (von Heinegg), Völkerrecht, 4. Kapitel, § 16, Rn. 6. 128 Siehe z. B. Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others Ex Parte Pinochet (Pinochet I), 37 I.L.M. 1302, 1331 (1998) (per Lord Nicholls); Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others Ex Parte Pinochet (Pinochet III), 38 I.L.M. 581, 630 (1999) (per Lord Hutton), 659 (per Lord Phillips). Siehe auch die Diskussion des Falles Filártiga in Al-Adsani v. Government of Kuwait, 107 I.L.R. 536 (1996). Vgl. ferner die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur diplomatischen Immunität bei der Staatennachfolge (BVerfG NJW 1998, S. 50, 53), in der US-amerikanische Literaturstimmen, die sich wiederum mit der HRL auseinandersetzen, erwähnt werden. Vgl. auch die Theorie des transnational legal process, bei Koh, Transnational Legal Process, 75 Neb. L. Rev. 181, 184 (1996): „[T]ransnational legal process is dynamic not static. Transnational law transforms, mutates, and percolates up and down, from the public to the private, from the domestic to the international level and back down again.“ 129 Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, II. 1. a) (2).
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wohnheitsrechtliche Normen in ihrem Bestand zu verfestigen. In der Praxis nehmen die Gericht eine derart zurückhaltende Position nicht ein. In vielen Fällen wenden sie Normen als Völkergewohnheitsrecht an, obgleich diese einen entsprechenden Stand noch nicht erreicht haben. Die Gerichte leisten hierdurch einen Beitrag zur Fortentwicklung des Völkerrechts. Menschenrechtsaktivisten weisen diese rechtsfortbildende Funktion als wichtigen Nutzen der HRL aus.130 Es ist in der Tat begrüßenswert, dass die Völkerrechtsentwicklung durch die HRL belebt und zugunsten eines intensiveren Menschenrechtsschutzes fortentwickelt wird. Es kann jedoch nicht sein, dass die US-Gerichte beliebig nationalrechtliche Normen als Völkerrecht deklarieren. Bei rein völkerrechtlicher Bewertung ist jeder Fall, in dem die HRL von geltendem Völkerrecht abweicht, abzulehnen. Etwas anderes ergibt sich, wenn man sich – was vorliegend geschehen soll – auf die HRL und ihre Ziele einlässt und eine Bewertung aus dem Geist der HRL heraus vornimmt. Es ist gerade Sinn und Zweck der HRL, eine Fortentwicklung des Völkergewohnheitsrechts herbeizuführen. Bei Berücksichtigung dieses Selbstverständnisses erscheint es verfehlt, jede Überschreitung des völkerrechtlich Etablierten abzulehnen. Gleichwohl darf auch die HRL die Vorgaben des Völkergewohnheitsrechts nicht beliebig ignorieren. Widrigenfalls verlöre sie ihre Glaubwürdigkeit. Angebracht erscheint deshalb eine differenzierte Betrachtungsweise, orientiert am Maß, in dem die HRL vom völkergewohnheitsrechtlichen Status quo abweicht. Exakte Grenzen zwischen Erlaubtem und Nicht-Erlaubtem lassen sich insoweit angesichts des schwer greifbaren Standes des Völkergewohnheitsrechts nicht ziehen. Die Übergänge sind fließend. Jedenfalls die im Rahmen der ATCA-Rechtsprechung verfolgte Ausdehnung des völkerrechtlichen Normadressaten geht zu weit.131 Für die pauschale Adressierung des individuellen Hoheitsträgers fehlt jede völkerrechtliche Grundlage. Gleiches gilt für die pauschale Gleichstellung individueller und korporativer Täter. Vertretbar hingegen erscheint es, eine bereits verbreitet akzeptierte Norm vergleichsweise früh, als Vorreiterin einer im Entstehen begriffenen internationalen Entwicklung, als Völkergewohnheitsrecht zu deklarieren. So kann zum Beispiel nicht gesagt werden, dass alle über den ATCA einklagbaren Delikte132 bereits dem Völkergewohnheitsrecht angehören. Ihre Verankerung in von vielen Staaten akzeptierten multilateralen Vertragswerken gibt diesen Delikten jedoch ein gewisses völkerrechtliches Fundament, das einen entsprechenden Vorstoß der US-Gerichte legitimieren kann. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die rechtsbestärkenden Funktionen der HRL zu begrüßen sind. Ihre rechtsfortbildende Tätigkeit ist in jenen Fällen positiv zu bewerten, in denen sie sich 130 131 132
Siehe z. B. Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation, S. 237 f. Siehe oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. Siehe hierzu oben Teil I, 2. Kapitel, I. 2. b) (3) (a).
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nah an völkerrechtlichen Vorgaben bewegt und letztere in der Tat nur fortbildet und nicht gänzlich neu kreiert. Die rechtsbestärkende und rechtsfortbildende Funktion der HRL wird durch den individuellen Anreiz zur Klageerhebung verstärkt. Die von den US-Gerichten für existent befundenen Normen des Völkergewohnheitsrechts werden in das nationale Recht integriert und in einklagbare Anspruchsgrundlagen verwandelt.133 Diese Umwandlung macht das Individuum und somit einen dynamischen Akteur zum Motor des nachfolgenden Vorgangs, in dem die Norm des Völkerrechts immer wieder neu vor Gericht gebracht, bestätigt und fortentwickelt wird. Der Einzelne weiß, dass jedwede Veränderung der internationalen oder nationalen Meinung eine Rechtsprechungsänderung hervorrufen kann. Die potentiellen Kläger werden so zu Beobachtern des Völkerrechts und stellen sicher, dass völkerrechtsbezogene Entwicklungen zeitnah in der nationalen Rechtsordnung aufgegriffen und bewertet werden. Die hieraus hervorgehende Rechtsprechung der US-Gerichte wird von anderen Staaten aufgegriffen und diskutiert. Der individuelle Aktivismus, der auf nationaler Ebene die Fortentwicklung des inkorporierten Rechts vorantreibt, strahlt so auf den internationalen Bereich aus. Mit der HRL wird somit indirekt auch der internationale Prozess der Verfestigung und Fortentwicklung des Völkerrechts um eine Aktionsebene erweitert, die sich durch ihre Dynamik von den herkömmlichen Bahnen der Völkerrechtsentwicklung abhebt. (2) Innerstaatliche Akzeptanz des Völkergewohnheitsrechts Ein weiterer HRL-spezifischer Vorteil ist es, dass sich die HRL auf lange Sicht auf das Maß auswirken kann, in dem die USA das Völkerrecht beachten. Über die in der HRL bewerkstelligte Angleichung der ursprünglich völkerrechtlichen Norm an die Regelungs- und Denkstrukturen des nationalen Rechts verringern sich die Vorbehalte, die nationale Normanwender völkerrechtlichen Normen entgegen bringen. Die ursprünglich völkerrechtliche Norm wird nicht mehr als ein fremder, von außen auferlegter Rechtskörper empfunden.134 Es verringern sich die Abneigungen, die – gerade in den USA – von außen kommenden Vorschriften entgegen gebracht werden.135 Zugleich kann der Prozess, in dem die inkorporierte Norm gerichtlich bestätigt, modifiziert und mit Vorschriften des originär innerstaatlichen Rechts 133 Vgl. Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1078 f. (1999). 134 Backer, Human Rights and Legal Education in the Western Hemisphere: Legal Parochialism and Hollow Universalism, 21 Penn. St. Int’l L. Rev. 115, 134 f. (2002). 135 Ebd.
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kombiniert wird, dazu führen, dass die entsprechende Norm in der Gesellschaft und in der politischen Führungselite verinnerlicht wird. Die verinnerlichte Norm wird nicht mehr befolgt, weil widrigenfalls internationale Nachteile oder Sanktionen drohen könnten, sondern weil sie in das Wertesystem der Gesellschaft integriert wurde. Die Akzeptanz der Norm als sinnvoll und richtig ermöglicht eine Befolgungsintensität, die über den Vollzug extern auferlegter Normen nicht erreicht werden könnte.136 Entsprechend ist es zum Beispiel vorstellbar, dass die innerstaatliche Rechtsprechung zum völkerrechtlichen Verbot der Folter, die mit Filártiga initiiert und in nachfolgenden Entscheidungen präzisiert und ergänzt wurde, mit ein Grund dafür war, dass sich der US-Senat nach langjährigem Zögern im Jahre 1990 schließlich zur Ratifizierung der Folterkonvention entschließen konnte. Es ist denkbar, dass die Konvention zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als eine potentielle Begrenzung der eigenen Autonomie, sondern stattdessen nur noch als bloßer internationaler Ausdruck innerstaatlicher Rechts- und Wertvorstellungen verstanden wurde.137 (3) Einbindung der multinationalen Konzerne in die internationale Rechtsordnung Speziell die ATCA-Klage gegen multinationale Konzerne kann dazu beitragen, den multinationalen Konzern in die internationale Rechtsordnung einzubinden. Ein Bedürfnis für eine derartige Einbindung besteht, da der multinationale Konzern mehr noch als die Privatperson und ähnlich wie der Staat in der Lage ist, mit menschenrechtlichen Belangen zu interferieren. Ebenso wie die natürliche Person kann die juristische Person (vermittelt über die Zurechnung des Verhaltens ihrer Organe) für eine Tötung, Misshandlung oder Diskriminierung verantwortlich sein. Der multinationale Konzern kann angesichts seiner Macht und Mittel problemlos auch solche tatbestandliche Handlungen verwirklichen, die Mittel oder Organisationsstrukturen verlangen, über die eine Privatperson typischerweise nicht verfügt und die ansonsten dem staatlich oder quasi-staatlich organisierten Akteur vorbehalten sind, so zum Beispiel die tatbestandlichen Handlungen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder von völkerrechtlichen Umweltdelikten. Die wirtschaftliche Macht des multinationalen Konzerns und das Ausmaß, in dem viele Staaten ihren wirtschaftlichen Wohlstand an seine Präsenz gekoppelt sehen, ermöglichen es ihm ferner, Einfluss auf staatliche Entscheidungsträger und somit auf jene Akteure auszuüben, von denen ein 136 Koh, The 1998 Frankel Lecture: Bringing International Law Home, 35 Hous. L. Rev. 623 (1998). 137 Ebd., S. 664 ff.
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großer Teil der Menschenrechtsverletzungen ausgeht. So kann das Unternehmen zum Beispiel eine Investition oder die Fortführung eines Vertragsverhältnisses von einer Verbesserung der innerstaatlichen Menschenrechtssituation abhängig machen. Dieser faktischen Menschenrechtsrelevanz des Unternehmens entspricht auf internationaler Ebene derzeit keine rechtliche Menschenrechtsrelevanz. Der multinationale Konzern kann auf menschenrechtliche Belange einwirken, die Menschenrechte verletzen kann er nicht. Vor diesem Hintergrund wird vielfältig versucht, den multinationalen Konzern in die internationale Rechtsordnung einzubinden. Auf internationaler Ebene wurden bereits in den 70er Jahren Verhaltenskodices für multinationale Konzerne verabschiedet. Verwiesen sei insoweit auf die OECD-Leitsätze für internationale Unternehmen138 sowie die im Rahmen der IAO verabschiedete Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy.139 In den 80er Jahren begannen auch die Unternehmen selbst Verhaltenskodices (corporative codes of conduct) zu entwerfen. Die entsprechenden Kodices erstrecken sich mittlerweile über alle Länder und Branchen hinweg und sind in ihrer Zahl kaum noch überschaubar. In neuerer Zeit haben sich auch die Vereinten Nationen dem Versuch einer internationalen Einbindung des multinationalen Konzerns angeschlossen. Die Essenz vorangegangener Versuche wurde hierbei im Projekt des Global Compact gebündelt. Der Compact stellt zehn Prinzipien auf (orientiert an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den grundlegenden Prinzipien der IAO zum Recht der Arbeit, der Rio-Erklärung zu Umwelt und Entwicklung sowie der UN-Konvention gegen Korruption), an denen die teilnehmenden Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit ausrichten sollen.140 Die universelle Ausrichtung des Compact sowie die Schirmherrschaft des UN-Generalsekretärs machen diesen zum derzeit wirkungsvollsten Projekt der extralegalen Adressierung des multinationalen Konzerns. Seit 1998 beschäftigt sich im Rahmen der UN darüber hinaus eine Arbeitsgruppe der Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities mit dem Entwurf eines Verhaltenskodexes für multinationale Konzerne.141 138
15 I.L.M. 969 (1976). 17 I.L.M. 422, 425 ff. (1978). 140 Siehe http://www.unglobalcompact.org/Portal/. 141 Human Rights Principles and Responsibilities for Transnational Corporations and Other Business Enterprises, U.N. Doc. E/CN.4/Sub.2/2002/XX/Add.2, E/CN.4/Sub.2/2002/WG.2/WP.1/Add.2 (2.2.2002); zu den Hintergründen des Entwurfs siehe Weissbrodt, The Beginning of a Sessional Working Group on Transnational Corporations Within the UN-Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, in: Kamminga/Zia-Zarifi (Hrsg.), Liability of Multinational Corporations Under International Law, S. 119 ff. 139
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Den beschriebenen Projekten ist gemeinsam, dass sie keine rechtlichen Verpflichtungen begründen. Ihre Befolgung liegt im Ermessen der Unternehmen. Ihre Durchsetzung erfolgt nur indirekt, vermittelt über die negative Reaktion des Verbrauchers, vorausgesetzt, dass dieser vom moralisch zweifelhaften Verhalten des Unternehmens erfährt und bereit ist, seine Konsumentscheidung nach ethischen Erwägungen auszurichten. Die ATCA-Klage unterscheidet sich von diesen Projekten insofern, als die völkerrechtlich fundierten Verhaltensnormen, die sie dem Unternehmen auferlegt, rechtlich verbindlich und gerichtlich durchsetzbar sind. Bei der ATCA-Klage handelt es sich um den ersten Ansatz, der den multinationalen Konzern völkerrechtlich in die Pflicht nimmt und so der faktischen Menschenrechtsrelevanz des Unternehmens eine rechtliche Menschenrechtsrelevanz gegenüber stellt. Diese rechtliche Einbindung des Unternehmens ist nicht nur theoretisch relevant. Sie wirkt sich auch praktisch positiv auf die menschenrechtliche Situation aus. Die ATCA-Klage bzw. ihr Drohen kann zunächst das Unternehmen selbst zu einer menschenrechtsfreundlicheren Geschäftsführung animieren. Es ist hier wesentlich wahrscheinlicher als in den Fällen gegen nicht-wirtschaftliche Akteure, dass der ATCA-Klage bzw. ihrem Drohen tatsächlich abschreckende Wirkung zukommt. Studien haben gezeigt, dass multinationale Konzerne sich bei der Ausgestaltung ihrer Geschäftsstrategien an rechtlichen Rahmenbedingungen orientieren.142 Mehrheitlich gilt dies sogar dann, wenn die Kosten rechtmäßigen Verhaltens die Kosten übersteigen, die dem Unternehmen infolge einer Sanktionierung seines Normverstoßes entstehen.143 Dies ist darauf zurück zu führen, dass ein Normverstoß das Risiko in sich trägt, durch die Medien an die Öffentlichkeit zu kommen und ein aufwendig und kostenintensiv gepflegtes Ansehen des Unternehmens beim Verbraucher zu beschädigen.144 Dies gilt in besonderer Weise für die ATCA-Klage. Es ist davon auszugehen, dass eine Klage, die einem Unternehmen zum Beispiel eine Verletzung des Völkermordverbotes vorwirft, den Ruf des Unternehmens stark schädigen kann. Entsprechend ist anzunehmen, dass sich das Drohen von ATCA-Klagen bei den Unternehmen in einem verstärkten Menschenrechtsbewusstsein niederschlagen wird. Daneben beeinflusst die Klage gegen das Unternehmen auf lange Sicht mittelbar auch die Menschenrechtspolitik der jeweiligen Unrechtsregime. Gerade Unrechtsstaaten sind häufig wirtschaftlich wenig entwickelt und in starkem Maße auf ausländische Investoren angewiesen. Der Umstand, dass dem ausländischen Investor im Falle der Investition in bestimmten Unrechts142 Kagan, The Consequences of Adversarial Legalism, in: Kagan/Axelrad (Hrsg.), Regulatory Encounters, S. 372. 143 Ebd., S. 373. 144 Ebd.
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staaten eine ATCA-Klage drohen kann, kann ihn von einer Investition in dem entsprechenden Staat abhalten. Dem betroffenen Staat ist daran gelegen, eine derartige Zurückhaltung des Investors zu vermeiden. Vermittelt über die potentielle „Bestrafung“ des möglichen Investors wird dem entsprechenden Staat ein Anreiz gegeben, die eigene Menschenrechtssituation zu verbessern. Die HRL verstärkt insofern den aus der Globalisierung folgenden Trend, korporative Akteure in den Bereich der klassischen Diplomatie zu integrieren.145 c) Ergebnis Die HRL ist sowohl für die Opfer der Menschenrechtsverletzungen als auch für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte vorteilhaft. Hinsichtlich der Vorteile, die das Opfer aus einer HRL-Klage ziehen kann, ist jedoch festzuhalten, dass der vordergründige Nutzen einer Klage, die finanzielle Entschädigung des Opfers, angesichts eines nahezu umfassenden Vollstreckungsdefizits in den meisten Fällen nicht erreicht wird. Für das Opfer bleibt die Genugtuung, selbst auf eine Sanktionierung des Täters hinzuwirken, den eigenen Fall an die Öffentlichkeit zu bringen, einen autoritativen Ausspruch zur Rechtwidrigkeit der Tat zu erlangen und möglicherweise eine politische oder rechtliche Veränderung anzustoßen. Hinsichtlich der Vorteile für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte ist festzustellen, dass die HRL im Bereich der Bestrafung und Abschreckung der Täter in ihrer Wirkungsintensität zwar nicht an das Strafverfahren heranreicht, sie in den Fällen, in denen es zu einem Strafverfahren nicht kommt, aber wenigstens ein Mindestmaß an Sanktionierung und Abschreckung gewährleisten kann. Auch im Bereich der Aufklärung eines historischen Ereignisses kann das Zivilverfahren die Arbeit eines Strafgerichtes oder einer Wahrheitskommission ergänzen. Ferner kann die HRL durch das Aufgreifen bestimmter Normen dazu beitragen, dass neu entstandene Normen des Völkergewohnheitsrechts in ihrem Bestand bekräftigt werden. Sie kann darüber hinaus rechtsfortbildende Funktionen ausüben, die jedoch nur insoweit zu begrüßen sind, als sie über eine gewisse völkerrechtliche Grundlage verfügen. Des Weiteren kann die im Rahmen der HRL vollzogene Vermengung des Völkerrechts mit dem nationalen Recht dazu beitragen, eine nationale Ablehnungshaltung gegenüber völkerrechtlichen Norminhalten abzubauen und so auf lange Sicht die innerstaatliche Befolgung des Völkerrechts zu verbessern. Schließlich nimmt die HRL-Klage den multinationalen Konzern – anders als das etablierte Völker145 Vgl. Bolewski, Unternehmer in diplomatischer Mission, in DIE ZEIT, Ausgabe vom 18.11.2004, S. 38.
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recht – im Bezug auf die Menschenrechte in die Pflicht und kann so zu einer Verbesserung der menschenrechtlichen Situation beitragen.
II. Nachteile der Human Rights Litigation 1. Nachteile für die USA a) Außenpolitische Komplikationen In den meisten Fällen der HRL richten US-amerikanische Gerichte über das hoheitliche Handeln eines ausländischen Hoheitsträgers. Dieses Tätigwerden ist im Heimatstaat des Beklagten regelmäßig nicht gern gesehen. Es kann eine Belastung der außenpolitischen Beziehungen der USA zu dem jeweiligen Land zur Folge haben. Auch wenn die USA den Schutz der Menschenrechte als wichtiges Ziel ihrer Außenpolitik anerkennen, so ist er nicht deren alleiniges Ziel. Eine außenpolitische Kosten-Nutzen-Analyse kann deshalb in bestimmten Fällen die menschenrechtliche Zurückhaltung als den vorteilhafteren Weg ausweisen.146 Der komplexe Vorgang, in dem verschiedene außenpolitische Ziele gegeneinander abgewogen werden, kann durch die HRL gestört oder präkludiert werden, da hier der private Einzelne, dem außenpolitische Abwägungsprozesse fremd sind, außenpolitisch relevante Schritte unternehmen kann.147 Die Gerichte können zur Vermeidung außenpolitischer Schäden beitragen, indem sie besonders sensible Klagen frühzeitig abweisen. Sie können sich insoweit auf die act of state-148 und die political questions-Doktrin berufen.149 Generell lassen die Gerichte große Vorsicht walten und setzen sich ausführlich mit den möglichen außenpolitischen Implikationen einer Entscheidung auseinander. Sie holen in vielen Fällen die Meinung des Außenministeriums ein, bevor sie über Annahme oder Abweisung eines Falles entscheiden. Den Stellungnahmen des Außenministeriums wird in der Regel große Bedeutung beigemessen. Aufschlussreich ist insoweit der Fall Karadzic. Trotz einer Aufforderung durch das Gericht hatte sich die Exekutive in diesem Fall zunächst einer Stellungnahme enthalten. Nach einer ersten mündlichen Verhandlung wandte sich das Gericht erneut an die Exekutive und fragte an, ob diese nunmehr nicht doch ihren Standpunkt darlegen wolle. Die Entscheidung des Appellationsgerichts erging erst, nachdem sich 146 Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 460 (2001). 147 Ebd. 148 Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 1. b). 149 Siehe oben ebd., II. 1. a) (2).
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das Außenministerium in einem statement of interest ausdrücklich für eine gerichtliche Lösung des Falles ausgesprochen hatte.150 Nichtsdestotrotz können außenpolitische Schäden nicht gänzlich ausgeschlossen werden. So ist zu bedenken, dass die bloße Einreichung einer Klage in bestimmten Fällen so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregen kann, dass eine Klageabweisung nur noch der Schadensbegrenzung dienen kann.151 Erinnert sei an die Zwangsarbeiterklagen gegen deutsche Unternehmen, denen es gelang, erheblichen politischen Druck zu erzeugen, ohne dass sie von den Gerichten je für zulässig befunden worden wären.152 Außenpolitische Risiken bleiben ferner in jenen Fällen, in denen das Gericht einer Vorgabe der Exekutive nicht Folge leistet. Beispielhaft sei auf die Entscheidung der Richterin Kram verwiesen, die sich trotz eines entsprechenden statement of interest der US-Regierung zunächst weigerte, eine Klage gegen deutsche und österreichische Banken abzuweisen und dadurch für diplomatische Aufregung sorgte.153 Die HRL birgt des Weiteren die Gefahr in sich, dass andere Länder vor ihren Gerichten der HRL entsprechende Klagen gegen die USA bzw. gegen US-Bürger zulassen. Im Iran zum Beispiel wurde in expliziter Reaktion auf den AEDPA ein Gesetz erlassen, welches es den „iranischen Opfern US-amerikanischer Einmischung“ erlaubt, die USA vor iranischen Gerichten zu verklagen.154 Derartige reziproke Gesetze sind für die USA äußerst unerfreulich.155 Diesbezügliche Befürchtungen wurden in den Verhandlungen zum Erlass des TVPA und des AEDPA seitens der Exekutive mehr150 Stephens, Taking Pride in International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 485, 489 (2001). 151 Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 472 (2001). Vgl. auch Lagos/Munoz/Slaughter, The Pinochet Dilemma, in: Foreign Policy, Ausgabe vom 4.1.1999: „The power of public opinion, if strongly felt, can change the course of a public issue without the state having much control over the outcome.“ 152 Bosco/Slaughter, Plaintiff’s Diplomacy, in: Foreign Affairs, Oktober/November 2000, deutsche Übersetzung: Kläger machen große Politik, in: Rheinischer Merkur, Nummer 39, 2000, S. 6. 153 In re Austrian and German Bank Holocaust Litigation, 2001 WL 228107 (S.D.N.Y.). Ein weiterer Fall, in dem den Vorgaben der Exekutive nicht Folge geleistet wurde, ist Chuidian v. Philippine National Bank, 912 F.2d 1095 (9th Cir. 1990). 154 Hitting Where It Hurts, in: The Economist, Ausgabe vom 6.10.2001, S. 33 f. 155 Vgl. Tomuschat, Individual Reparation Claims in Instances of Grave Human Rights Violations: The Position under General International Law, in: Randelzhofer/ Tomuschat (Hrsg.), State Responsibility and the Individual, S. 1, 18: „A world full of self-appointed human rights vigilants is certainly more a trauma than a vision of paradise [. . .]. [W]ho would really want Guatemalan judges evaluate claims brought against the U.S. on account of the occurrences during the invasion of Panama?“
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fach vorgebracht,156 konnten im Ergebnis aber den Erlass der Gesetze nicht verhindern. b) Negative Auswirkungen auf die Wirtschaft Daneben werden im Zusammenhang mit den Klagen gegen multinationale Unternehmen auch wirtschaftliche Kollateralschäden diskutiert. In den USA wird befürchtet, diese Klagen könnten sich negativ auf die US-amerikanische Wirtschaft auswirken. Anknüpfungspunkt dieser Sorge ist der Umstand, dass die ATCA-Klage bzw. ihr Drohen für ein betroffenes Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil darstellt. Zu denken ist an die finanziellen Belastungen sowie den Ansehensverlust, die sich aus einer Prozessführung bzw. einem Urteil ergeben können. Angesichts der Akkumulation von Klägern in zum Teil gigantischen Sammelklagen drohen den Unternehmen häufig enorme Schadensersatzzahlungen. Will das Unternehmen diese negativen Folgen vermeiden, muss es – anders als seine Konkurrenten – von Investitionen in bestimmten Ländern absehen oder im Falle einer Investition ein regelmäßig kostenintensiveres, mit den Menschenrechten vereinbares Verhalten an den Tag legen. Das US-Außenministerium gibt ferner zu bedenken, dass viele der Fälle gegen Unternehmen an die Beihilfe des Unternehmens zu der Menschenrechtsverletzung eines staatlichen Vertragspartners anknüpften. Dem staatlichen Vertragspartner sei typischerweise daran gelegen, dass die eigenen Praktiken nicht vor einem ausländischen Gericht diskutiert und so an die internationale Öffentlichkeit gebracht werden. Diese Gefahr drohe bei einem Vertragsschluss mit einem Unternehmen, das in den USA verklagt werden könne. Es sei deshalb denkbar, dass sich der staatliche Investitionspartner vorzugsweise für einen Vertragspartner entscheide, der keine Verbindungen zu den USA aufweise und folglich dort nicht verklagt werden könne.157 Die beschriebenen Nachteile treffen all jene Unternehmen, die in den USA verklagt werden können. Dies sind US-amerikanische Unternehmen sowie Unternehmen, die nicht unerhebliche Geschäftskontakte zu den USA unterhalten.158 Vor diesem Hintergrund werden in den USA in der Literatur sowie seitens des Außenministeriums Bedenken geäußert, dass die aus einer ATCA-Klage bzw. ihrem Drohen resultierenden Wettbewerbsnachteile auf 156 Für den AEDPA, H.R. Rep. No. 103-702 (1994); für den TVPA, Hearings on S. 1629 and H.R. 1662 Before the Subcommittee on Immigration and Refugee Affairs of the Senate Judiciary Committee, 101st Cong., 2d Sess. (22.6.1990), S. 12 ff., 23 ff. 157 Vgl. die Stellungnahme des US-Außenministeriums im Fall ExxonMobil, einsehbar unter http://www.laborrights.org/. 158 Siehe oben Teil I, 3. Kapitel, I. 3.
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Dauer die Attraktivität der USA als Wirtschaftsstandort mindern und der US-amerikanischen Wirtschaft Schaden zufügen könnten.159 Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die USA über ein Rechtssystem verfügen, welches – unabhängig von der ATCAKlage – mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden ist. Verwiesen sei insoweit nur auf das streng sanktionierende Produkthaftungsrecht der USA. Das allgemein hohe rechtliche Risiko einer wirtschaftlichen Betätigung in den USA führte bislang soweit ersichtlich nicht dazu, dass der Wirtschaftsstandort USA erheblich an Bedeutung verloren hätte. Die Bedeutung des US-amerikanischen Absatzmarktes ist so groß, dass ein multinationaler Konzern es sich in der Regel nicht leisten kann, auf diesen zu verzichten. Entsprechend ist auch im Hinblick auf die ATCA-Klage kein Verlassen des Wirtschaftsstandortes USA zu erwarten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Unternehmen auf die Gefahr von ATCA-Klagen mit einer veränderten umwelt-, arbeits- und menschenrechtsfreundlichen Unternehmensstrategie reagieren werden. Eine dahingehende Umstellung mag zunächst Wettbewerbsnachteile begründen, erscheint auf lange Sicht jedoch wirtschaftlich vorteilhaft. Bei der ATCA-Klage handelt es sich lediglich um den rechtlich verbindlichen Auswuchs einer internationalen Bewegung, die nach einer moralischen Verantwortlichkeit des Unternehmens verlangt.160 Vor dem Hintergrund eines wachsenden internationalen Bewusstseins um die Verantwortung des multinationalen Konzerns kann es daher unabhängig von der Gefahr einer ATCA-Klage für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll sein, sich moralisch einwandfrei zu verhalten und so den wachsenden Verbraucherwünschen nach einer sozial und ökologisch verträglichen Unternehmensführung gerecht zu werden. Bedenklich sind freilich jene Fälle, in denen den Unternehmen eine Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen in ungerechtfertigter Weise unterstellt wird. Zwar werden derartige Fälle in der Regel in einem frühen Verfahrensstadium durch die Gerichte abgewiesen. Bereits die Einreichung einer Klage und die mit ihr verbundene öffentliche Aufmerksamkeit können jedoch negative Folgen für das Unternehmen haben. Sie kann dessen Image beschädigen und das Unternehmen aus diesem Grunde frühzeitig in einen Vergleich nötigen.
159 Vgl. die Stellungnahme des US-Außenministeriums im Fall ExxonMobil, einsehbar unter http://www.laborrights.org/. sowie Hall, Multinational Corporations’ Post Unocal Liabilities for Violations of International Law, 34 Geo. Wash. Int’l L. Rev. 401, 425 ff. (2002). 160 Vgl. oben I. 2. b) (3).
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c) Schäden für das Ansehen der US-amerikanischen Gerichtsbarkeit? Es wird darüber hinaus angeführt, ein System, in dem Zivilgerichte systematisch unvollstreckbare Urteile erließen, schade dem Ansehen dieser Gerichtsbarkeit und verschwende deren Ressourcen.161 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die Funktion US-amerikanischer Zivilgerichte nicht auf den (monetären) Ausgleich zivilen Unrechts beschränkt. Seit den 60er Jahren hat sich in den USA vielmehr eine Praxis der public law litigation etabliert, die in der HRL auf den transnationalen Kontext übertragen wurde.162 Das Ziel dieser Verfahren ist nicht nur die finanzielle Entschädigung, sondern auch der politische Wandel. Dementsprechend erscheint es verfehlt, ein derartiges Verfahren für gescheitert zu erklären, wenn die politische Reform, nicht aber der monetäre Ausgleich erreicht wird.163 Die Bedenken, die US-amerikanischen Gerichte verschwendeten angesichts der fehlenden Vollstreckbarkeit der HRL-Urteile ihre Ressourcen und verlören ihr Ansehen, sind deshalb vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Prozesskultur unbegründet. 2. Nachteile für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte Hinsichtlich der Nachteile, die sich aus der HRL für die Sache der Menschenrechte ergeben können, ist zu unterscheiden zwischen Nachteilen, die in der HRL selbst begründet liegen und Nachteilen, die sich nur dann ergeben, wenn ein System der HRL isoliert, ohne Rückgriff auf anderweitige Systeme zur Durchsetzung der Menschenrechte, bzw. nur in den USA betrieben wird. Es sei zunächst auf die in der HRL selbst begründeten Nachteile eingegangen. Die HRL kann den heiklen Prozess stören, in dem ein von Diktatur und/oder Bürgerkrieg gezeichnetes Land den demokratischen Neuanfang 161 Heß, Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen, in FS Schütze, S. 269, 285; ders., Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor US-amerikanischen und deutschen Zivilgerichten, AG 1999, S. 145, 149; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 294. 162 Siehe oben Teil I, 1. Kapitel, II. 163 Siehe auch Stephens, Translating Filártiga: A Comparative and International Law Analysis of Domestic Remedies for International Human Rights Violations, 27 Yale J. Int’l L. 1, 51 (2002): „This point is often misunderstood by observers who assume that the sole purpose of civil tort actions is to obtain monetary compensation for those injured by the tort. While this narrow view of civil litigation may be more accurate in some legal systems, such actions play a far broader role in the United States. Tort claims in the United States serve multiple goals, including retribution and punishment, truth-telling, norm-development, and impact on policy debates.“
2. Kap.: Bewertung
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wagt.164 Verwiesen sei insoweit auf den Fall In re South African Apartheid Litigation, auf den der Supreme Court in Sosa v. Alvarez-Machain Bezug nimmt.165 In diesem Fall verklagte eine südafrikanische Klägergruppe USamerikanische Unternehmen, die am System der Apartheid beteiligt gewesen waren. Der südafrikanische Justizminister bemerkte zu dieser Klage, sie störe die Arbeit der eingesetzten Truth and Reconciliation Commission (TRC). Diese nämlich vermeide bewusst „a ‚victors justice‘ approach to the crimes of apartheid“ und wähle stattdessen „[an aproach] based on confession and absolution, informed by the principles of reconciliation, reconstruction, reparation and gooodwill“.166 Die Meinungen gehen insoweit jedoch auseinander. Bischof Tutu, Vorsitzender der TRC, führte aus: „[T]he obtaining of compensation for the victims of apartheid to supplement the very modest amount per victim to be awarded as reparations under the TRC process, could in fact promote reconciliation, by addressing the needs of those apartheid victims dissatisfied with the small montary value of the TRC reparations.“167 Einmischungspotential hat die HRL aber jedenfalls in Fällen, in denen sie eine im Tatortstaat ausgehandelte Amnestie unterwandert. Hierzu ist erläuternd auszuführen, dass ein diktatorisches Regime üblicherweise entweder durch einen gewaltsamen Umsturz oder durch einen Prozess der Verhandlung beseitigt wird. In letzterem Fall muss ein Ausgleich zwischen Gerechtigkeit (der gerichtlichen Verfolgung der Täter) und Versöhnung (dem Verzicht auf eine solche Verfolgung) gefunden werden.168 Es werden zu diesem Zweck häufig Amnestien ausgehandelt, welche die eine Seite zu einem Aufgeben bewegen und eine Aussöhnung der Gesellschaft ermöglichen sollen. Zwar wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass der Weg über eine Aufarbeitung der Ereignisse den nachhaltigeren Frieden verspricht.169 Dessen ungeachtet ist international anerkannt, dass es in bestimmten Fällen notwendig ist, auf ein gewisses Maß an Gerechtigkeit zu verzichten, um andere bedeutsame Werte wie Demokratie und Stabilität zu etablieren.170 Viele Länder haben vor diesem Hintergrund Lösungen gefunden, die umfangreiche Amnestien vorsehen und somit den Schwerpunkt im Bereich der Versöhnung setzen.171 Beispiele sind die Regelungen in Brasilien, Chile, 164
Vgl. aber Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1140, 1145 (1999). 165 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2766, Fn. 21 (2004). 166 Zitiert nach Sosa v. Alvarez-Machain, ebd. 167 Declaration of Archbishop Desmond Tutu, S. 11, zitiert im klägerischen Schriftsatz vom 31. August 2004 zu In re South African Apartheid Litigation, S. 6. 168 Lagos/Munoz/Slaughter, The Pinochet Dilemma, in: Foreign Policy, 4.1.1999. 169 Ebd. 170 Ebd.
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
Portugal, Südafrika, Spanien und Uruguay. Die HRL kann die Entscheidung einer Gesellschaft gegen eine gerichtliche Aufarbeitung unterwandern, indem sie denjenigen Individuen, die einen derartigen Abschluss mit dem Geschehenen nicht befürworten, ein externes Forum bereitstellt. Das Verfahren kann zu einer neuerlichen Polarisierung der Gesellschaft führen und so einen neuen und empfindlichen Frieden stören.172 Auf lange Sicht kann sich die HRL auch auf das Konflikt beendende Potential eines Amnestieversprechens auswirken, da der Täter unter Umständen allein durch eine nationale Amnestie noch nicht zu einem Aufgeben bewogen werden kann; für viele Täter kann die Bereitschaft zur Aufgabe der Macht wesentlich davon abhängen, ob auch im Ausland gerichtliche Verfahren drohen oder aber dort ein safe haven besteht.173 Entsprechend schreibt auch Bischof Tutu, der grundsätzlich der HRL positiv gegenüber steht, im oben erläuterten Zusammenhang: „[I]t was never contemplated by the TRC that victims of apartheid would be preclued from seeking compensation through the ordinary civil process – except to the extent that the prepetrator involved had been granted amnesty with respect to the wrong.“174 Von einem völkerrechtlichen Standpunkt aus muss der Drittstaat freilich eine derartige Amnestie nicht berücksichtigen. Im Rahmen der Amnestie kann der Staat lediglich über die eigenen Verfolgungsmöglichkeiten verfügen. Im Hinblick auf völkerrechtlich legitime Verfolgungsinteressen dritter Staaten fehlt ihm die Dispositionsbefugnis; ein legitimes Verfolgungsinteresse besteht zum Beispiel dann, wenn sich eigene Staatsangehörige unter den Opfern befinden (passives Personalitätsprinzip) oder die Tat so schwer wiegt, dass jeder Staat ein Interesse an ihrer Verfolgung hat (Universalitätsprinzip).175 Die Amnestie kann deshalb die nationalen Grenzen nicht überschreiten.176 Der Drittstaat darf die Täter verfolgen. Im Hinblick 171
Ebd. Stotzky, Creating the Conditions for Democracy, in: Koh/Slye (Hrsg.), Deliberative Democracy and Human Rights, S. 157, 180 f. 173 Die Unterscheidung des US-Rechts zwischen amtierenden Staatsoberhäuptern, die absolut immun sind, und ehemaligen Staatsoberhäuptern, denen für Menschenrechtsverletzungen keine Immunität gewährt wird (siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 1. a) (2) und (3), trägt zusätzlich dazu bei, dass die Aufgabe der Macht als unvorteilhafte Verhaltensoption erscheint, vgl. Lagos/Munoz/Slaughter, The Pinochet Dilemma, in: Foreign Policy, 4.1.1999. 174 Declaration of Archbishop Desmond Tutu, S. 10, zitiert im klägerischen Schriftsatz vom 31. August 2004 zu In re South African Apartheid Litigation, S. 6. 175 Zu weiteren Fällen, in denen der Staat ein legitimes Verfolgungsinteresse hat, siehe oben Teil II, 2. Kapitel, II. 176 Vgl. Aceves, Liberalism and International Legal Scholarship: The Pinochet Case and the Move Toward a Universal System of Transnational Law Litigation, 41 Harv. Int’l L.J. 129, 176 (2000). 172
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auf bestimmte Taten kann er sogar völkervertraglich zu einer Verfolgung verpflichtet sein.177 Im Übrigen wird er im Bereich des Strafverfahrens von Fall zu Fall die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen, die eine Strafverfolgung dem eigenen Staat, dem primär betroffenen Staat und der Menschenrechtslage bringen könnte. Im Rahmen der HRL legt der Gesetzgeber die Entscheidung über die Verfolgung des Täters in die Hände des Opfers und der Richter. Er trifft hierdurch eine Vorentscheidung zugunsten der gerichtlichen Behandlung entsprechender Fälle und vermindert so die Flexibilität des Abwägungsvorganges. Das Opfer nimmt auf internationale Interessenskollisionen typischerweise keine Rücksicht und reicht in Verfolgung der eigenen Interessen eine Klage ein. Der Richter befasst sich zwar grundsätzlich mit konkurrierenden internationalen Interessen, ist angesichts der Zuständigkeit, die ihm seitens des Gesetzgebers zugewiesen wurde, aber voreingenommen zugunsten einer Behandlung des Falles und weist diesen nur in Ausnahmefällen ab. Der Weg über die HRL kann folglich zu Ergebnissen führen, die dem Einzelnen nutzen, dem Forumstaat, dem primär betroffenen Staat und der Menschenrechtslage aber schaden. Darüber hinaus wird angeführt, die HRL könne auf lange Sicht die Erfolgsaussichten internationaler Konfliktlösung auf US-amerikanischem Boden beeinträchtigen.178 Ins Auge fällt insoweit die Stellung der USA als Sitzstaat des Hauptquartiers der Vereinten Nationen. In neuerer Zeit mehrten sich die Fälle, in denen der offizielle Besuch einer Person bei den Vereinten Nationen zum Anlass genommen wurde, um dieser Person eine Klageschrift zuzustellen. Verwiesen sei auf die Fälle gegen Rodovan Karadzic,179 Robert Mugabe180, Jean Bosco Barayagwiza181 und Li Peng.182 Zu erwähnen ist auch der Fall Klinghoffer v. Achille Lauro, in dem der PLO die Klageschrift in ihrem New Yorker Büro, das unter anderem ihrer Vertretung bei den Vereinten Nationen diente, zugestellt wurde.183 Das in allen Fällen zuständige New Yorker Gericht legte die einschlägigen Abkommen zur Immunität von Gesandten zu den Vereinten Nationen, namentlich die Konvention über die Privilegien und Immunitäten der UNO184 sowie das 177
Siehe z. B. Art. 5 der Folterkonvention (BGBl. 1990 II, 246). Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 469 f. (2001). 179 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232 (2d Cir. 1995). 180 Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259 (S.D.N.Y. 2001). 181 Mushikiwabo v. Barayagwiza, 1996 WL 164496 (S.D.N.Y.). 182 Vgl. Bao Ge v. Li Peng, 201 F. Supp. 2d 14 (D.D.C. 2000) sowie Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 462 (2001). 183 Klinghoffer v. S.N.C. Achille Lauro, 739 F.Supp. 854 (S.D.N.Y. 1990). 184 1 UNTS 15; BGBl. 1980 II, 941. 178
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Sitzabkommen zwischen den USA und der UNO,185 eng aus und befand die Klagezustellungen für zulässig.186 Es scheint nicht ausgeschlossen, dass diese Zustellungspraxis den einen oder anderen Politiker in der Zukunft von einem Besuch der Vereinten Nationen abhalten könnte. Es bleibt offen, ob in diesen Fällen der Sache der Menschenrechte durch eine HRL-Klage oder durch Verhandlungen bei den Vereinten Nationen eher gedient wäre. Es kann ferner der parteiliche Aufklärungsrigorismus eines Zivilverfahrens eine in derselben Sache unternommene Strafverfolgung behindern. Vor allem in den Fällen des AEDPA ist zu befürchten, dass das vertrauliche Material staatlicher Behörden und ausländischer Geheimdienste sowie die Aussagen anonymer Zeugen eine Rolle spielen würden. Würden solche Informationen im Rahmen zivilrechtlicher Nachforschungen aufgedeckt, so könnte dies das Ansehen der USA bei den betreffenden Informanten beschädigen und die Erfolgsaussichten derartiger Ermittlungen in der Zukunft mindern.187 Die Gefahr einer Kollision von Straf- und Zivilverfahren ist im Rahmen der HRL jedoch gering. Die USA sind, was die Ausübung extraterritorialer Strafzuständigkeiten angeht, mehr als zurückhaltend. Soweit ersichtlich bewegten sich alle bislang durchgeführten Verfahren auf dem Gebiet des Terrorismus.188 Gerade hier wurde aber die Kollisionsproblematik bereits bedacht und dem FSIA eine Bestimmung beigefügt, nach der in einem AEDPA-Verfahren auf Antrag des Attorney General jegliche Offenbarungsverpflichtung, die den USA ansonsten im Rahmen eines discoveryVerfahrens auferlegt werden könnte, auszusetzen ist. Der Attorney General kann einen derartigen Antrag stellen, wenn er der Ansicht ist, entsprechende Offenbarungen könnten mit einer strafrechtlichen Verfolgung kollidieren.189 Ein Kollisionsproblem ergibt sich folglich nur außerhalb des terroristischen Kontexts sowie in den seltenen Fällen, in denen terroristische Taten über den ATCA (gegen individuelle Täter) geltend gemacht werden. Außerhalb des terroristischen Kontexts erscheint eine Kollision von Strafverfahren und Zivilverfahren extrem unwahrscheinlich. Wie soeben erwähnt, haben die USA extraterritorial orientierte Strafverfahren bislang nur in Fällen mit terroristischem Hintergrund eingeleitet. Sollte ein Strafverfahren doch einmal eingeleitet werden oder sollte eine terroristische Tat über den ATCA geltend gemacht werden, hat der Richter die Möglichkeit, ein 185
UN Headquarters Agreement vom 26.6.1947, 11 UNTS 11. Siehe oben Teil II, 1. Kapitel, I. 1. a) (4). 187 Vgl. die insoweit die bei Erlass des Antiterrorism Act of 1991 geäußtern Bedenken, Hearing on S. 2465 (25.7.1990) before the Senate Committee on the Judiciary, 101st Cong. 2d Sess, S. 26. Der Antiterrorism Act eröffnet US-amerikanischen Terroropfern eine Klagemöglichkeit vor US-Bundesgerichten. 188 Siehe oben Teil III, 1. Kapitel, I. 2. a). 189 28 U.S.C.A. § 1605 (g). 186
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Zivilverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen. Es ist davon auszugehen, dass in Fällen mit problematischem Inhalt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht würde. Die Gefahren aus einer Überschneidung von Zivil- und Strafverfahren sind deshalb gering. Zu bedenken ist schließlich, dass die HRL in den meisten Fällen zu einem Schadensersatzurteil führt. Sie versieht das erlittene Leid mit einem Preis und setzt sich so dem Vorwurf aus, die Einzigartigkeit des verletzten Rechtsgutes zu verkennen, die Irreversibilität des Vorgangs zu übergehen, die Unbegreiflichkeit der Tat zu minimieren und die Menschenrechte dem kommerziellen Ausverkauf freizugeben.190 Die Tatsache, dass eine vollumfängliche Kompensation des Opfers nicht möglich ist, sollte jedoch nicht zu dem Schluss führen, dass ein zivilrechtliches Verfahren generell unangebracht, eine Entschädigung des Opfers fehlerhaft und ein Strafverfahren die bessere bzw. alleinige Option ist. Selbst wenn jeder Geldbetrag außer Relation zur erlittenen Verletzung stehen muss, so ist es doch eine „imperative norm of justice that the [. . .] rights of the victims be sustained to the fullest possible extent.“191 Auch wenn die Möglichkeiten des Rechts mit dem zunehmenden Ausmaß des zu richtenden Unrechts abnehmen, gibt dies den Außenstehenden nicht das Recht, die Möglichkeiten zur Schaffung einer juristischen Gerechtigkeit, welche nicht mehr als ein Teil einer umfassenden Gerechtigkeit sein kann, ungenutzt zu lassen.192 Die Gefahr, über den Zuspruch einer Geldsumme das erlittene Leid zu minimieren, kann gebannt werden, wenn sich in Sprache und Bewusstsein der Beteiligten widerspiegelt, dass es sich nicht um eine Kompensation im engeren Sinne, das heißt nicht um die Wiederherstellung des Zustandes, der vor Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hatte, sondern lediglich um eine Genugtuung und einen Trost für das Opfer handelt.193 190
So z. B. Sunga, Individual Responsibility in International Law for Serious Human Rights Violations, S. 113; siehe auch die Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof, in deren Verlauf sich einige Parteien gegen die Möglichkeit von Geldstrafen aussprachen, da diese angesichts der besonderen Schwere der von dem Gerichtshof zu behandelnden Verbrechen unangebracht seien, Report of the Preparatory Committee on the Establishment of an International Criminal Court, Art. 47; U.N. Doc. A/51/22 (1996). Im Zusammenhang mit den Holocaust-Klagen, Foxman, Dangers of Holocaust Restitution, in: The Wall Street Journal, 4.12.1998, A18. 191 Study Concerning the Right to Restitution, Compensation and Rehabilitation for Victims of Gross Violations of Human Rights and Fundamental Freedoms, Final Report Submitted by Theo van Boven, Special Rapporteur, 2.7.1993, Rn. 131, E/CN.4/Sub.2/1993/8. 192 Vgl. Balint, The Place of Law in Addressing Internal Regime Conflicts, 59 Law & Contemp. Probs. 103, 119 (1996), die zwischen „social“ und „legal justice“ unterscheidet. 193 Hunneus, Tort Law and State-Sponsored Atrocity: An Attempt to Rethink the Ends of Private Redress, 2000 (unveröffentlicht).
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Neben den Problemen, die bereits in der HRL als solcher begründet sind, ergeben sich Nachteile daraus, dass die HRL bislang nur in den USA praktiziert wird bzw. dass sie in den USA nicht über eine strafrechtliche Verfolgung ergänzt wird. Hinsichtlich der Fokussierung der USA auf das Zivilverfahren unter Vernachlässigung anderweitiger Mechanismen zur Durchsetzung der Menschenrechte entsteht das Problem, dass eine Bestrafung des Täters nur ansatzweise erreicht werden kann und die höheren Bestrafungskapazitäten des Strafverfahrens ungenutzt bleiben. Im Hinblick auf die Existenz eines Systems der HRL allein in den USA ergibt sich die Gefahr einer Monopolisierung der Völkerrechtsentwicklung. Im Rahmen der HRL werden Normen des Völkerrechts in den nationalen Rechtsraum integriert. Sie werden den innerstaatlichen Anforderungen angepasst und mit originär nationalem Recht vermengt. Dieser Vorgang bleibt international nicht unbeachtet und inspiriert die internationale Diskussion hinsichtlich des Standes und der Entwicklung des Völkerrechts. Da andere Länder bislang ein der HRL vergleichbares System nicht kennen, wird auf diesem Weg das völkerrechtliche Schwergewicht der USA zusätzlich verstärkt. Es ist zu befürchten, dass eine derartige Monopolisierung der internationalen Meinungsbildung dem Völkerrecht auf Dauer schadet.194 Zu verweisen ist insoweit auf Ipsen, der schreibt: „Völkerrecht gilt gemeinhin, weil seine Entstehung, seine Geltungskraft und die Rechtsgründe für die Beendigung seiner Rechtsverbindlichkeit auf dem Konsensprinzip beruhen. Nur so läßt sich die Geltung des Völkerrechts in der multikulturellen und multisystemaren Welt von heute erklären.“195 In dem Maße, in dem das Völkerrecht durch die Rechtsansichten eines Staates dominiert wird, schwindet seine Legitimationsgrundlage und mit ihr seine Akzeptanz bei den Staaten. Dieses Problem liegt jedoch nicht in der HRL begründet, sondern resultiert aus der Tatsache, dass andere Staaten ein System der HRL bislang nicht eingeführt haben. Ländern, die sich mit dem Monopol der USA nicht abfinden wollen, steht es frei, eigene Menschenrechtssysteme zu etablieren und so im Hinblick auf die Fortentwicklung des Völkerrechts in Wettbewerb zu den USA zu treten.
194
Siehe auch Ramasastry, Corporate Complicity: From Nuremberg to Rangoon, an Examination of Forced Labor Cases and Their Impact on the Liability of Multinational Coporations, 20 Berkeley J. Int’l L. 91, 95 (2002): „The ATCA is a purely an American Statute and as such should not be the sole determinant of how human rights are defined.“ 195 Ipsen (ders.), Völkerrecht, 1. Kapitel, § 1, Rn. 48.
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3. Ergebnis Die HRL kann sowohl für die USA als auch für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte nachteilig sein. Für die USA ergeben sich Nachteile vor allem insofern, als außenpolitische Komplikationen nicht ausgeschlossen werden können und die Gefahr besteht, dass ausländische Staaten US-amerikanische Hoheitsträger in ähnlicher Weise nationalen Prozessen unterwerfen. Auch Auswirkungen auf die Wirtschaft können im Zusammenhang mit Klagen gegen multinationale Unternehmen nicht ausgeschlossen werden. Für die internationale Gemeinschaft und die Sache der Menschenrechte kann die HRL vor allem dann nachteilig sein, wenn sie sich in lokale Aufarbeitungsversuche einmischt. Noch unklar ist, ob sich die neuere Praxis, führende Politiker anlässlich von Besuchen bei den Vereinten Nationen in New York mit Klagen zu überziehen, positiv oder negativ auf den Schutz der Menschenrechte auswirken wird.
III. Einwände speziell gegen die US-amerikanische Praxis des zivilrechtlichen Menschenrechtsschutzes 1. Der US-amerikanische Unilateralismus Es ist der Glaubwürdigkeit der HRL abträglich, dass die USA andere Staaten, nicht aber sich selbst dem Völkerrecht unterwerfen. Diese Einstellung des völkerrechtlichen Unilateralismus wurzelt in der Vorstellung, dass die US-amerikanische Selbstbestimmung keiner höheren Autorität außer Gott unterworfen ist.196 Sie zeigte sich deutlich in den Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof. Hier unterstützten die USA zunächst das Projekt, zogen sich aber zurück, als klar wurde, dass den USA ein Veto über die Verfolgung eigener Staatsangehöriger nicht gewährt würde.197 Die unilateralistische Völkerrechtskonzeption der USA zeigt sich auch im Rahmen der HRL. Dort haben die Gerichte das Völkerrecht bislang auf ausländische Hoheitsträger angewendet, die eigenen Hoheitsträger von einer derartigen Unterwerfung jedoch weitestgehend ausgenommen.198 In Sanchez-Espinoza 196
Vgl. bereits oben Teil III, 2. Kapitel, I. Van der Vyver, American Exceptionalism: Human Rights, International Criminal Justice, and National Self-Righteousness, 50 Emory L.J. 775, 795 (2001). 198 Damrosch, Enforcing International Law Through Non-Forcible Measures, 269 RdC 13, 158 (1997): „It may seem ironic (or hypocritical) that the United States judiciary, which has been so hesitant to apply international law against United States government actors, has been fairly activist in embracing international law in certain kinds of controversies involving non-United States actors.“ Siehe auch oben Teil II, 1. Kapitel, II. 1. 197
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v. Reagan erhob das Gericht die Ungleichbehandlung von US-amerikanischen und ausländischen Hoheitsträgern sogar zum Prinzip und entschied, ein rechtlicher Gleichlauf in der Unterwerfung ausländischer und nationaler Hoheitsträger unter das Völkerrecht sei nicht zu verlangen.199 2. Die Human Rights Litigation als zweifelhafter Beitrag zur Fortentwicklung des Völkerrechts Normen des Völkerrechts werden im Rahmen der HRL durch die Gerichte definiert und modifiziert und sodann von der internationalen Gemeinschaft aufgegriffen. Die Beiträge, welche die HRL hierdurch zu einer Fortentwicklung des Völkergewohnheitsrechts leistet, sind häufig von zweifelhafter Qualität. Zu bemängeln ist, dass die US-Gerichte, die in großem Umfang nationales Recht mit Völkerrecht vermengen, in ihren Urteilen völkerrechtliche und nationale Elemente nicht klar kennzeichnen.200 Im Ergebnis wird in vielen Fällen der internationalen Gemeinschaft das nationale Recht als Völkerrecht verkauft. Dies schwächt die rechtsfortbildende Bedeutung der HRL. Es ist ferner unklar, ob in den Urteilen tatsächlich gerichtliche Aussagen zu Stand und Entwicklung des Völkerrechts getroffen werden oder nicht lediglich den Vorstellungen und Wünschen von Klägern, Akademikern und Interessengruppen zu verstärktem Gewicht verholfen wird. So ist zu bedenken, dass der Richter im adversarial system der USA auf die Funktion eines Vermittlers zwischen wettstreitenden Parteien beschränkt ist. Der Idee nach sollen aus dem richterlich überwachten Argumentenaustausch der Parteien am Ende Wahrheit und Gerechtigkeit hervorgehen.201 Das System funktioniert nur, wenn sich zwei ungefähr gleich starke Parteien gegenüber stehen. In Fällen, in denen hinsichtlich der Qualität des Rechtsbeistandes oder hinsichtlich der verfügbaren finanziellen Mittel ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien besteht, zeigt es Schwächen. Ein derartiges Missverhältnis ist in den Fällen der HRL die Regel. Während die Kläger oft von hoch spezialisierten Professoren oder Nichtregierungsorganisationen vertreten werden, fällt es den Beklagten häufig schwer, an199 Sanchez-Espinoza v. Reagan, 770 F.2d 202, 207 Fn. 5 (D.C. Cir. 1085): „Since the doctrine of foreign sovereign immunity is quite distinct from the doctrine of domestic sovereign immunity that we apply here, being based upon considerations of international comity, rather than separation of powers, it does not necessarily follow that an Alien Tort Statute suit filed against the officer of a foreign sovereign would have to be dismissed. Thus, nothing in today’s decision necessarily conflicts with the decision of the Second Circuit on Filártiga.“ 200 Vgl. oben Teil II, 3. Kapitel, II. 2. 201 Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1103 (1999).
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gemessenen Rechtsbeistand zu finden,202 häufiger noch erscheinen sie gar nicht.203 Bereits auf nationaler Ebene ist problematisch, dass ein Urteil, das vor dem Hintergrund eines derartigen Missverhältnisses ergangen ist, als common law zu geltendem Recht werden kann. Für den Bereich der HRL verschärft sich diese Problematik, da die Ergebnisse des zweifelhaften nationalen Verfahrens als autoritative Stellungnahmen zum Stand des Völkerrechts auf die völkerrechtliche Ebene übertragen werden.204 Den Bundesgerichten fehlen darüber hinaus häufig die Kenntnis und die Bereitschaft, die mühsame und schwierige Analyse des Völkergewohnheitsrechts durchzuführen. In vielen Fällen übergehen sie die Problematik vollständig205 oder verwenden stattdessen das Restatement of the Law als die autoritative Stellungnahme zum Stand des Völkerrechts.206 Im Übrigen beschränkt sich die völkerrechtliche Analyse auf die Zitierung US-amerikanischer Rechtswissenschaftler, die entweder generell207 oder in amici curiae208 202
Siehe z. B. Abebe-Jiri v. Negewo, 72 F.3d 844, 846 (11th Cir. 1996), Anträge auf Zuweisung eines Anwaltes wurden abgelehnt. 203 Chibundu, Making Customary International Law Through Municipal Adjudication: A Structural Inquiry, 39 Va. J. Int’l L. 1069, 1104 (1999). Dies gilt allerdings nicht für die Verfahren gegen multinationale Unternehmen. 204 Chibundu, ebd., S. 1104. 205 Siehe z. B. Tachiona v. Mugabe, 2002 WL 1424598 (S.D.N.Y.), verweisend auf Tachiona v. Mugabe, 169 F. Supp. 2d 259, 310 (S.D.N.Y. 2001), wo unter anderem die völkergewohnheitsrechtlich unsicheren Tatbestände der Meinungsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit dem Völkergewohnheitsrecht mit der folgenden Begründung zugeordnet werden: „[T]he Court finds that the ordeals of torture, extrajudicial killings and other atrocities which Plaintiffs assert [. . .] fall within the scope of [. . .] violations of international law cognizable under the ATCA. The Court finds sufficient support for this conclusion in case law sustaining claims grounded on acts characterized by similar lawlessness and extreme brutality found to have breached recognized international standards.“ Eine sorgfältige Analyse des Völkerrechts findet sich nur vereinzelt, so z. B. in Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 882–885 (2d Cir. 1980) oder Flores v. Southern Peru Copper Corp., 253 F. Supp. 2d 510 (S.D.N.Y. 2002). 206 So z. B. in Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 240 (2d Cir. 1995) und Hilao v. Marcos, 103 F.3d 789, 795, Fn. 9 (9th Cir. 1996). 207 Siehe z. B. Beanal v. Freeport-McMoRan, 969 F. Supp. 362, 383 (E.D. La. 1997). Dort vollzieht sich die „Analyse“ des Völkerrechts wie folgt: „Plaintiff states that the allegations support a cause of action based on three international environmental law principles: (1) the Polluter Pays Principle; (2) the Precautionary Principle; and (3) the Proximity Principle. None of the three rises to the level an [sic] international tort. Principles of International Environmental Law I: Frameworks, Standards and Implementation, 183-18 (Philippe Sands, ed. 1995).“ 208 Vgl. Lillich, The Growing Importance of Customary International Human Rights Law, 25 Ga. J. Int’l & Comp. L. 1, 23 f. (1995/96), der den akademischen amicus curiae in HRL-Verfahren für mittlerweile allgegenwärtig erklärt. Schon Richter Robb warnte in Tel-Oren, die Gerichte dürften nicht zu professoralen „debat-
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zur im Fall relevanten Frage Stellung genommen haben.209 Fraglich ist, ob auf diesem Weg ein nachhaltiger Beitrag zur internationalen Rechtsentwicklung geleistet werden kann. Offen ist auch, ob nicht diese Vorgehensweise dem internationalen Ansehen der US-amerikanischen Gerichte und somit auch dem Einflusspotential der HRL auf Dauer schadet. Erwähnt sei jedoch auch, dass die Gerichte sich in neuerer Zeit verstärkt mit dem Völkergewohnheitsrecht auseinandersetzen. Dies gilt insbesondere für Verfahren gegen multinationale Unternehmen. Zu verweisen ist insoweit zum Beispiel auf die Fälle Flores v. Southern Peru Copper Corp.210und In re ‚Agent Orange‘ Product Liability Litigation211, die eine ausführliche Analyse des jeweils einschlägigen Völkergewohnheitsrechts enthalten. Außerdem forderte der Supreme Court die Gerichte in Sosa v. AlvarezMachain212 zu einer besonders sorgfältigen Vorgehensweise im Bereich der ATCA-Klagen auf. Dies könnte dazu beitragen, dass sich die Gerichte zukünftig auf breiter Basis verstärkt mit den völkergewohnheitsrechtlichen Grundlagen der HRL-Fälle auseinandersetzen. 3. Die Konzentration auf Befehlsempfänger und Gehilfen ATCA-Verfahren, in denen ein multinationales Unternehmen für seine passive Verwicklung in die Menschenrechtsverletzung eines anderen zur Verantwortung gezogen wird,213 wenden sich der Sache nach oft gegen den Staat und seine Bediensteten, denen die tatsächliche Menschenrechtsverletzung unmittelbar zuzuschreiben ist. Die Klage wird gleichwohl gegen das Unternehmen gerichtet, da dieses (anders als der Staat und das amtierende Staatsoberhaupt) nicht in den Genuss staatlicher Immunität kommt214 und zugleich (anders als der einfache staatliche Bedienstete) über Mittel verfügt, aus denen ein obsiegendes Urteil vollstreckt werden kann. Die HRL beschränkt sich in diesen Fällen auf die Gehilfen der Tat und lässt die eigenting clubs“ werden, siehe Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 826 (D.C. Cir. 1984). 209 Bradley, The Costs of International Human Rights Litigation, 2 Chi. J. Int’l L. 457, 467 (2001). 210 Flores v. Southern Peru Copper Corp., 253 F. Supp. 2d 510 (S.D.N.Y. 2002) und 343 F.3d 140 (2d Cir. 2003). 211 In re ‚Agent Orange‘ Product Liability Litigation, 2005 WL 729177 (E.D.N.Y.). 212 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739 (2004). 213 Siehe oben 1. Kapitel, II. 214 Vgl. Bosco/Slaughter, Plaintiff’s Diplomacy, in: Foreign Affairs, Oktober/November 2000, deutsche Übersetzung: Kläger machen große Politik, in: Rheinischer Merkur, Nummer 39, 2000, S. 6.
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lichen Täter unbestraft. Es ist hierin jedoch kein systeminternes Gerechtigkeitsdefizit zu sehen.215 Dies wäre nur dann der Fall, wenn die HRL die Wahl hätte, entweder den eigentlichen Täter oder den Gehilfen zur Verantwortung zu ziehen. Diese Wahl stellt sich im Rahmen der HRL nicht. Ein gerichtliches Vorgehen gegen den eigentlichen Täter wäre in vielen Fällen nur unter Verletzung grundlegender völkerrechtlicher Vorschriften zur staatlichen Immunität möglich. In einer Konstellation, in der es lediglich zwischen der Verfolgung allein des Gehilfen und gar keiner Verfolgung zu entscheiden gilt, ist nicht ersichtlich, warum nicht der Gehilfe entsprechend seines Beitrages zur Tat sanktioniert werden sollte. Zweifelhaft erscheint auf den ersten Blick auch die Praxis, die Klage gegen den einfachen Hoheitsträger zuzulassen und den Staat oder das Staatsoberhaupt, das hinter einem System von Rechtsverletzungen steht, zu verschonen.216 Da jedoch auch hier das Immunitätsrecht die HRL in vielen Fällen vor keine Wahl stellt, ist auf obige Ausführungen zur Klage gegen das multinationale Unternehmen zu verweisen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die HRL gerade auf die Bedürfnisse des Opfers zugeschnitten ist. Unter Umständen ist das Opfer aber nicht an einer Sanktionierung der Person im Hintergrund interessiert, sondern will die Person, die unmittelbar für die Verletzung verantwortlich ist, vor Gericht sehen. Es wäre verfehlt, dem Opfer die Gerechtigkeitsvorstellungen des Außenstehenden aufzuzwängen. 4. Die Beachtung der Menschenrechte des Beklagten Das HRL-Verfahren weist Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Behandlung des Beklagten auf. Täter werden bisweilen verurteilt, ohne dass sie Zugang zu anwaltlicher Vertretung gehabt hätten.217 Zu bedenken ist ferner, dass es für manche Beklagte einen großen Aufwand bedeutet, sich vor einem ausländischen Forum zu verteidigen.218 Zum Teil werden sie deshalb faktisch in die Säumnis gezwungen, was zur Folge haben kann, dass die Ausführungen des Klägers als wahr unterstellt werden und die Schuld des Täters „vermutet“ wird.219 Diese Mängel wiegen umso schwe215 So aber Heß, Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen, in FS Schütze, S. 269, 273. 216 So kritisiert bei Gibney, On the Need for an International Civil Court, 26 Fletcher F. World Aff. 47, 54 (2002). 217 Abebe-Jira v. Negewo, 72 F.3d 844, 846 (11th Cir. 1996). Der Antrag des Beklagten auf Zuweisung eines Anwaltes war hier vom Gericht abgelehnt worden. Der Beklagte blieb im Folgenden ohne Anwalt. 218 Vgl. Doe v. Karadzic, 176 F.R.D. 458, 460 (S.D.N.Y. 1997). 219 Vgl. Filártiga v. Peña-Irala, 577 F. Supp. 860, 866 (E.D.N.Y. 1984). Zur Wirkung der Säumnis des Beklagten siehe Metropolitan Life Ins. Co. v. Colon Rivera,
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
rer, als die HRL als Zivilverfahren mit bestrafenden Elementen in verhältnismäßig starkem Maße in die Rechte des Beklagten eingreift. Das Gericht des Falles Filártiga schreibt insoweit: „In deciding to grant punitive damages the court is aware of the concern that such awards, designed to achieve objectives fostered chiefly by criminal law, are nevertheless made without at least some of the safeguards afforded by that law, such as proof beyond a reasonable doubt and the presumption of innocence.“220 Es stellt sich die Frage, ob die Verfahren zum Schutz der Menschenrechte ihrerseits die Menschenrechte, namentlich das Recht auf ein faires Verfahren, verletzen. Dieses Recht ist in Art. 14 des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte (IPBPR)221 kodifiziert. Die Vorschrift besagt im Hinblick auf Verfahren zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, dass sie öffentlich und vor unabhängigen, unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gerichten stattfinden müssen (Art. 14 Abs. 1 IPBPR). Diese Anforderungen erfüllt die HRL. Die sonstigen Vorschriften des Art. 14 IPBPR, die im Zusammenhang mit der HRL thematisch einschlägig sein könnten, die Vermutung der Unschuld des Angeklagten (Art. 14 Abs. 2 IPBPR), das Recht auf einen Anwalt und das Recht auf Anwesenheit bei der Verhandlung (Art. 14 Abs. 3 d) IPBPR), sind in ihrem Anwendungsbereich auf das Strafverfahren beschränkt und können folglich auf den Bereich der HRL keine Anwendung finden. Auch die bestrafenden Elemente der HRL rechtfertigen insoweit kein anderes Ergebnis. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat zwar im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 EMRK222 zur Frage, wann ein Strafverfahren vorliegt, entschieden, dass der Begriff des Strafverfahrens vertragsautonom auszulegen ist und sich am materiellen Gehalt des Verfahrens und nicht an seiner Bezeichnung zu orientieren hat.223 Auf universeller Ebene, im Rahmen des IPBPR, wird ein derartig offener Ansatz jedoch soweit ersichtlich nicht vertreten.224 Die Missstände, die die HRL im Hinblick auf die Behandlung der Beklagten aufweist, erreichen somit nicht das Ausmaß einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren. Dessen ungeachtet bergen sie die Gefahr in sich, die Glaubwürdigkeit des Systems infrage zu stellen. 204 F. Supp. 2d 273, 274 f. (D.P.R. 2002), m. w. N.: „The default of a defendant constitutes an admission of all facts well-pleaded in the complaint.“ Siehe auch Eisler v. Stritzler, 535 F.2d 148, 153 (1st Cir. 1976): „The default judgment on the well-pleaded allegations in plaintiff’s complaint established [. . .] defendant’s liability.“ 220 Vgl. Filártiga v. Peña-Irala, ebd., S. 865 f. 221 BGBl. 1973 II, 1534. 222 BGBl. 1952 II, 685, 953; 1968 II, 1111, 1120; 1989 II, 546. 223 Öztürk v. Germany, Entscheidung vom 21.2.1984, Rn. 46 ff. 224 Vgl. den General Comment der Menschenrechtskommission zu Art. 14 IPBPR, HRI/GEN/1/Rev.5, vom 26.4.2001.
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5. Die Durchsetzung der Menschenrechte durch die ideologische Brille der Nichtregierungsorganisationen Kritisiert wird die Rolle, die Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der HRL spielen. Zu bedenken ist, dass der typische Engpass eines zivilrechtlichen Systems der Durchsetzung der Menschenrechte im fehlenden juristischen Wissen und den fehlenden finanziellen Mitteln der potentiellen Kläger liegt.225 Eine wichtige Rolle spielen deshalb Nichtregierungsorganisationen, welche die Kläger über ihre rechtlichen Möglichkeiten informieren und sie vor Gericht vertreten. Oft sind es nicht die Opfer, sondern die Nichtregierungsorganisationen, die darüber entscheiden, welche Menschenrechtsverletzungen vor Gericht kommen. Bei der Entscheidung für und gegen die Verfolgung eines bestimmten Falles können die politischen Grundeinstellungen der Nichtregierungsorganisation eine Rolle spielen. So stellte Simon im Jahr 1993 fest, dass das Center for Constitutional Rights (CCR),226 die wichtigste im Bereich der HRL tätige Nichtregierungsorganisation, nur Klagen gegen die Täter rechtsgerichteten Terrors eingereicht hatte, die entsprechenden Taten des linksgerichteten Spektrums hingegen ignoriert hatte.227 Es klingt hierbei an, das CCR missbrauche die HRL, um unter dem Deckmantel des Opferschutzes eigenen Wertvorstellungen ein öffentliches Forum zu verschaffen. Der Vorwurf speziell an das CCR ist in dieser Allgemeinheit nicht mehr zutreffend. Das CCR hat zwischenzeitlich mit dem Fall Abebe-Jiri v. Negewo228 auch eine Klage gegen ein links gerichtetes Regime unterstützt. Die ideologische Verankerung des CCR im linken Meinungsspektrum ist gleichwohl nach wie vor nicht zu verkennen. Dies sollte jedoch nicht als Vorwurf an die Nichtregierungsorganisation formuliert werden. Als private Interessenvereinigungen ist eine Nichtregierungsorganisation nicht zur Neutralität verpflichtet; es muss ihr frei stehen, ihre Mittel entsprechend ihrer Zielvorgaben einzusetzen.229 Probleme entstehen erst, wenn eine eklatante Einseitigkeit in der Verfolgung der Menschenrechte deren Allgemeingültigkeitsanspruch in Mitleidenschaft zieht und so der Sache der Menschenrechte im Ergebnis schadet. Der Allgemeingültigkeitsanspruch der Menschenrechte wird jedoch nicht allein über zivilrechtliche Verfahren und 225
Siehe oben I. 2. a) (1). Daneben gibt es das Center for Justice and Accountability sowie spezialisierte Organisationen im Bereich des Umwelt- und Arbeitsrechts. 227 Simon, The Alien Tort Claims Act: Justice or Show Trials?, 11 B.U. Int’l L.J. 1, 78 (1993). 228 Abebe-Jiri v. Negewo, 72 F.3d 844 (11th Cir. 1996). 229 Vgl. Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 301. 226
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nicht allein über Nichtregierungsorganisationen gewahrt. Gerade in den USA stellen staatliche Akteure sicher, dass die Menschenrechtsverletzungen links gerichteter Regime nicht unbemerkt bleiben. Der Allgemeingültigkeitsanspruch der Menschenrechte wird daher durch ein tendenziöses Verhalten der Nichtregierungsorganisationen nicht infrage gestellt. 6. Ergebnis Die unilateralistische Völkerrechtskonzeption der USA sowie der häufig sorglose Umgang US-amerikanischer Gerichte mit dem Völkerrecht können die internationale Glaubwürdigkeit der HRL mindern. Problematisch ist ferner der Umstand, dass die Beklagten der HRL-Verfahren bisweilen keinen angemessenen Rechtsbeistand erhalten bzw. durch die Kosten einer Verteidigung im Ausland faktisch in die Säumnis gezwungen werden. Nicht vorzuwerfen ist den USA indes, dass sie vor allem Befehlsempfänger und Gehilfen in Anspruch nehmen und die eigentlichen Täter unbestraft lassen. Das insoweit wünschenswerte Alternativverhalten, die Verfolgung der primär verantwortlichen Täter, ist bei Beachtung des Völkerrechts zurzeit nicht denkbar. Auch den derzeit im Bereich der HRL tätigen Nichtregierungsorganisationen ist ihre politische Verankerung im linken Meinungsspektrum nicht vorzuhalten, da sie als private Interessenvereinigungen nicht zur Neutralität verpflichtet sind.
IV. Der Vergleich mit anderen Formen der Durchsetzung der Menschenrechte Eine Bewertung der HRL kann nicht isoliert, auf die HRL beschränkt, erfolgen. Sie ist zugleich in den Kontext anderweitiger Mechanismen der Durchsetzung der Menschenrechte zu stellen und mit diesen zu vergleichen. Zu vergleichen sind das nationale und das internationale sowie das zivilrechtliche und das strafrechtliche Verfahren. Im Hinblick auf das zivilrechtliche Verfahren ist zu untersuchen, ob nur ein der HRL vergleichbares System sinnvoll ist oder bereits ein gewöhnliches deliktisches Verfahren befriedigende Ergebnisse erzielen kann. 1. Nationale und internationale Durchsetzung Es sei zunächst ein Überblick über die verschiedenen Arten der nationalen und internationalen Durchsetzung der Menschenrechte gegeben. Auf internationaler Ebene sind Verfahren, die das Verhalten des Staates betreffen und Verfahren, die das Individuum in die Pflicht nehmen, zu unterscheiden.
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Zur ersten Gruppe, den Verfahren gegen Staaten, gehören die Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, vor dem Europäischen und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie die politischen Verfahren vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und den Ausschüssen bestimmter UN-Organe. Zur zweiten Gruppe, den Verfahren gegen Individuen, gehören die Verfahren vor internationalen Strafgerichten. Es sind dies die internationalen Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda, die Sondergerichte für Sierra Leone und Osttimor sowie der Internationale Strafgerichtshof. Auf nationaler Ebene sind Verfahren vor den Gerichten des Staates, in dem die Verletzung vorgefallen ist (inländische Durchsetzung), und Verfahren vor den Gerichten eines Drittstaates zu unterscheiden (ausländische Durchsetzung). Auf den ersten Blick erscheint es nahe liegend, dass sich der Staat, in dem das Unrecht vorgefallen ist, mit dessen rechtlicher Aufarbeitung befasst. Eine Inlandstat unterfällt der Gebietshoheit des betroffenen Staates und berechtigt ihn von Völkerrechts wegen zu deren rechtlicher Behandlung. Eine inländische Aufarbeitung ist darüber hinaus von einem praktischen Standpunkt aus sinnvoll. Vor Ort befinden sich die Beweise, die Zeugen, die Opfer und die Täter. Hier besteht die Möglichkeit, ein Urteil zu vollstrecken, ohne dass die Mithilfe anderer Länder erforderlich wäre. Ein weiterer Vorteil des inländischen Verfahrens liegt darin, dass die Urteile von inländischen Richtern gefällt werden. Diese sind in aller Regel von der lokalen Bevölkerung eher akzeptiert, als die Richter dritter Staaten.230 Die von ihnen erzielten Ergebnisse zu Tathergang und Schuld können daher von der durch das Unrecht betroffenen Bevölkerung leichter akzeptiert werden.231 Die Richter eines inländischen Gerichtes zeichnen sich überdies durch die Kenntnis der örtlichen Geschichte und Kultur aus,232 was insbesondere bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe hilfreich sein kann. Zu bedenken ist jedoch, dass die meisten Menschenrechtsverletzungen im Kontext eines Bürgerkriegs oder einer Diktatur begangen werden und eine sinnvolle Durchsetzung der Menschenrechte nur möglich ist, wenn eine funktionierende Gerichtsbarkeit vorzufinden und im Falle eines Prozesses 230 Im Gegensatz hierzu erklärte die Regierung von Ruanda dem Ruanda-Tribunal offiziell ihr Misstrauen. Ebenso wird das Tribunal für das ehemalige Jugoslawien von der serbischen Bevölkerung überwiegend als voreingenommen abgelehnt, Wippman, Atrocities, Deterrence, and the Limits of International Justice, 23 Fordham Int’l L.J. 473, 481 f., 486 (1999). 231 Vgl. Nizich, International Tribunals and Their Ability to Provide Adequate Justice: Lessons from the Yugoslav Tribunal, 7 ILSA J. Int’l & Comp. L. 353, 354 (2001). 232 Ebd., S. 362 (2001).
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nicht um Leben und Gesundheit von Zeugen, Tätern, Opfern und Richtern zu fürchten ist. Diese Voraussetzungen sind in Ländern, in denen Diktatur oder Bürgerkrieg herrschen, typischerweise nicht gegeben. Selbst wenn ein Land eine grundlegende politische Reform erfahren hat, fehlen ihm häufig die menschlichen und sachlichen Ressourcen sowie die rechtsstaatliche Tradition, die erforderlich wären, um eine faire Verfahrensführung zu gewährleisten.233 Die theoretischen Vorteile einer inländischen Durchsetzung der Menschenrechte sind deshalb in der Praxis häufig irrelevant. Es bleiben das internationale und das ausländische Verfahren. Bei einem Vergleich dieser beiden Verfahren erscheint das internationale Verfahren geeigneter. Es bietet völkerrechtliche Experten, bringt die internationale Verdammung der Tat zum Ausdruck und verspricht ein neutrales und faires Verfahren, welches international gebilligt und anerkannt wird. Den Gerichten eines Drittstaates hingegen fehlt diese internationale Akzeptanz. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die Legitimität des Gerichtes angezweifelt und sein Tätigwerden als Einmischung in die Angelegenheiten des vorrangig betroffenen Staates empfunden wird. Eine Rolle kann ferner spielen, dass ein Menschenrechtsurteil gegen einen ausländischen Hoheitsträger häufig nur unter Verletzung des völkerrechtlichen Immunitätsrechts möglich ist. Besonders problematisch sind insoweit Prozesse gegen ausländische Staaten und Staatsoberhäupter.234 Verfahren in Drittstaaten sehen sich darüber hinaus leicht dem Vorwurf der politischen Voreingenommenheit ausgesetzt. Ebenso ist vorstellbar, dass das völkerrechtliche Fachwissen der dortigen Gerichte angezweifelt wird. Dessen ungeachtet erfüllen die Verfahren vor den Gerichten eines Drittstaates eine wichtige ergänzende Funktion. Internationale Verfahren sind in ihrer Reichweite und ihren Kapazitäten begrenzt und erfassen nur bestimmte Delikte bzw. bestimmte Konflikte oder Staaten. Der Internationale Gerichtshof (IGH), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (AGMR) können nur über das Verhalten von Staaten richten. Erfasst sind darüber hinaus nur jene Staaten, die sich der Zuständigkeit des jeweiligen Gerichtes unterwor233
Ebd., S. 363 f. Die entsprechenden Probleme zeigen sich beispielhaft am irakischen Sondertribunal, das im Dezember 2003 eingesetzt wurde. Die Richter und Staatsanwälte erhielten vor Beginn der Prozesse lediglich einen zweiwöchigen Kursus im Völkerstrafrecht. Sie verfügten über keinerlei Erfahrung in komplexen Prozessen, wie sie die Verfahren zu Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit typischerweise darstellen; keiner der irakischen Richter und Staatsanwälte erinnerte sich an ein Verfahren, das länger als anderthalb Tage gedauert hätte, siehe Bittner/Fischer, Mutter aller Prozesse, in: DIE ZEIT, Ausgabe vom 22.12.2003, S. 4. 234 Vgl. oben Teil II, 2. Kapitel, I.
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fen haben. Das auf das Individuum bezogene Verfahren vor internationalen Strafgerichten sieht sich gleichsam zahlreichen Beschränkungen ausgesetzt. So hängt zum Beispiel die Kreation eines ad hoc-Strafgerichts von vielen politischen Faktoren ab. Nur ein kleiner Teil der Konflikte weltweit wird auf diesem Wege einer rechtlichen Aufarbeitung zugeführt.235 Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist (vorbehaltlich einer Zuweisung des Falles durch den Sicherheitsrat236) nur dann zuständig, wenn der Staat, in dem das Verbrechen vorgefallen ist oder dessen Staatsangehörigkeit der Angeklagte besitzt, der Zuständigkeit des Gerichtshofes zugestimmt hat.237 Die sachliche Zuständigkeit der internationalen Strafgerichte ist darüber hinaus auf Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozid und – im Fall des IStGH – ein noch zu definierendes Verbrechen der Aggression beschränkt.238 Selbst wenn ein internationales Strafgericht existent und zuständig ist, bringen es häufig Kapazitätsengpässe und Unterfinanzierung mit sich, dass nur ein Teil der verfolgungswürdigen Fälle aufgegriffen wird. Internationale Verfahren erlauben ferner mehrheitlich keine private Verfolgungsinitiative und verzichten so auf die erhöhte Verfolgungsdichte, die aus einem privat initiierbaren Verfolgungssystem (wie zum Beispiel der HRL) hervorgehen kann.239 Vor den Strafgerichtshöfen für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien entscheidet der Leiter der Anklagebehörde über die Aufnahme von Ermittlungen.240 Vor dem IStGH können Untersuchungen nur durch den UN-Sicherheitsrat, einen Vertragsstaat oder den Staatsanwalt241 eingeleitet werden. Die Verfolgungsdichte des internationalen Systems verringert sich zusätzlich im Bereich von Verfahren, die nicht durch ein unabhängiges Verfolgungsorgan sondern nur über eine politische Entscheidung in Gang gesetzt werden können. Es kann hier vorkommen, dass eine an sich verfolgungswürdige Tat wegen politischer Opportunitätserwägungen nicht verfolgt wird. An eine politische Entscheidung gekoppelt sind das Verfahren vor dem IGH, der nur durch Staaten angerufen werden kann,242 und dem AGMR, der nur durch einen Staat oder die Interamerikanische Menschenrechtskommission (ein politisches Organ) zu einem Tätigwerden bewegt werden kann.243 235 Wippman, Atrocities, Deterrence, and the Limits of International Justice, 23 Fordham Int’l L.J. 473, 483 (1999). 236 Art. 13 b) IStGH-Statut (37 I.L.M. 999 ff. (1998)). 237 Art. 12 IStGH-Statut. 238 Art. 2–5 IStGHJ-Statut (32 I.L.M. 1163 (1993)); Art. 2–4 IStGHR-Statut (33 I.L.M. 1598 (1994)); Art. 5 IStGH-Statut. 239 Siehe oben I. 2. a) (1). 240 Art. 16 Abs. 1 STGHJ-Statut, Art. 17 Abs. 1 IStGHR-Statut. 241 Art. 13 IStGH-Statut. 242 Art. 34, 35 IGH-Statut.
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Private Verfolgungsinitiativen sind nur zum Teil möglich. So kann der EGMR durch Privatpersonen angerufen werden.244 Es können vor ihm jedoch nur die Vertragsparteien der EMRK verklagt werden.245 Individuell initiierbar sind auch politische Verfahren, wie zum Beispiel die Beschwerdeverfahren vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission246 und dem UN-Ausschuss für Menschenrechte.247 Die entsprechenden Organe verfügen jedoch über vergleichsweise geringe Befugnisse und können lediglich die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in einem Bericht veröffentlichen. Im Ergebnis kann das vergleichsweise ungeeignete Verfahren vor den Gerichten eines Drittstaates dazu beitragen, die Lücken des internationalen Verfahrens zu schließen. Zusätzlich ist von einem ökonomischen Standpunkt aus zu berücksichtigen, dass auf nationaler Ebene Gerichte bereits existieren, während diese auf internationaler Ebene erst geschaffen werden müssen. Ebenso kann das auf nationaler Ebene ergehende Urteil (zumindest national) vergleichsweise leicht durch ein schon bestehendes, funktionierendes System vollstreckt werden, während ein auf internationaler Ebene ergehendes Urteil nur durch die Schaffung eines eigenen Vollstreckungssystems248 oder durch die Kooperation anderer Staaten (beispielsweise in Form der Inhaftierung eines verurteilten Täters in den eigenen Gefängnissen) vollstreckt werden kann. 2. Strafrechtliche und zivilrechtliche Durchsetzung Es bietet sich ein Vergleich von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte an. Es ist zunächst zu beachten, dass Strafverfahren und Zivilverfahren unterschiedliche Schwerpunkte haben und sich folglich gegenseitig nicht ausschließen. Während im Strafverfahren die Bestrafung des Täters im Vordergrund steht, geht es im Zivilverfahren vor allem um den Ausgleich der Verletzung, die der Kläger erfah243
Art. 61 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (unterzeichnet am 1.6.1977, Text bei Brown/Harris (Hrsg.), Multinational Treaties, S. 331). 244 Art. 34 EMRK (BGBl. 1952 II, 685, 953; 1968 II, 1111, 1120; 1989 II, 546). 245 Art. 33, 34 EMRK. 246 Art. 44 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. 247 Der Ausschuss für Menschenrechte überwacht die Durchführung des IPBPR (BGBl. 1973 II, 1534). Individualbeschwerden nimmt er gem. Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls zum IPBPR (BGBl. 1992 II, 1247) im Hinblick auf solche Staaten entgegen, die Vertragsparteien des 1. Fakultativprotokolls sind. Zu weiteren UN-Verfahren mit individueller Beschwerdemöglichkeit siehe Ratner/Stephens, International Human Rights Litigation in U.S. Courts, S. 228 ff. 248 Aceves, Liberalism and International Legal Scholarship: The Pinochet Case and the Move Toward a Universal System of Transnational Law Litigation, 41 Harv. Int’l L.J. 129, 173 (2000).
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ren hat. Erst im Zusammenspiel dieser beiden Verfahren können die opferund die täterbezogene Dimension einer Menschenrechtsverletzung bestmöglich aufgearbeitet werden.249 In begrenztem Umfang kann ein System aber auch die Funktionen des anderen wahrnehmen und in den Fällen eingreifen, in denen es zu dem jeweils anderen Verfahren nicht kommt. Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren kann die Verletzung des Opfers Berücksichtigung finden, das Opfer eine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Erhebung der Anklage und die Prozessführung sowie ein Recht auf Entschädigung erhalten. Entsprechend kann im Rahmen des Zivilverfahrens eine Sanktionierung des Täters vorgenommen werden. Die Entschädigung des Opfers bewirkt im Gegenzug die Bestrafung des Täters. Je nach den Umständen eines Falles sowie den Vermögensverhältnissen des Täters ist diese Sanktion mehr oder weniger spürbar. Die Spürbarkeit der zivilrechtlichen Sanktionierung wird sichergestellt, wenn punitive damages verhängt werden, Schadensersatzzahlungen also, die nicht auf die Entschädigung des Opfers sondern auf die Bestrafung des Täters gerichtet sind. Auch ihr sanktionierendes Potential bleibt aber hinter jenem des Strafverfahrens zurück. Bei einer vergleichenden Betrachtung ergibt sich, dass das Strafverfahren besser imstande ist, die Funktionen des Zivilverfahrens zu übernehmen als dies umgekehrt der Fall ist. Es ist eher möglich, das Opfer in ein Strafverfahren einzubeziehen, als den Täter im Rahmen des Zivilverfahrens einer angemessenen Bestrafung zuzuführen. Sollten in einem konkreten Fall beide Verfahren möglich sein und sollte zugleich, zum Beispiel aus Gründen der Prozessökonomie, zwischen den beiden Verfahren gewählt werden müssen, so wäre dem Strafverfahren der Vorzug zu geben. Da aber zumindest derzeit die Mehrzahl der völkerrechtlichen Verbrechen strafrechtlich nicht aufgegriffen wird,250 ergibt sich eine derartige Wahlsituation in aller Regel nicht. Solange dies der Fall ist, nimmt das Zivilverfahren als ergänzendes, begrenzt bestrafendes Minus und opferzentriertes Aliud des Strafverfahrens eine wichtige Funktion wahr.251 3. Gewöhnliche Deliktsklage und Human Rights Litigation Abzugrenzen ist die HRL von der gewöhnlichen Klage aus Delikt, in der das Deliktsrecht des Forumstaates angewendet wird. In einer gewöhnlichen 249 Stephens, Conceptualizing Violence Under International Law: Do Tort Remedies Fit the Crime?, 60 Alb. L. Rev. 579, 605 (1997). 250 Siehe oben Teil III, 1. Kapitel, I. 2. a). 251 Stephens, Conceptualizing Violence Under International Law: Do Tort Remedies Fit the Crime?, 60 Alb. L. Rev. 579, 605 f. (1997).
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Deliktsklage wird ein Fall der Folter als Körperverletzung, ein Fall des Völkermordes als rechtswidrige Tötung thematisiert. Bestimmte Funktionen der HRL können grundsätzlich ebenso über die gewöhnliche Deliktsklage erfüllt werden. Es sind dies diejenigen Funktionen, die an einen Geldtransfer anknüpfen, das heißt die finanzielle Entschädigung des Opfers und die Bestrafung des Täters über die Auferlegung von punitive damages. In der Praxis der HRL erweisen sich diese geldbezogenen Funktionen jedoch als vergleichsweise bedeutungslos, da es zu einem Geldtransfer in aller Regel nicht kommt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Beklagte nicht über hinreichende Mittel verfügt oder aber seine Mittel sich im Ausland befinden und das Ausland eine Anerkennung und Vollstreckung des HRL-Urteils verweigert.252 Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Vollstreckungsdefizit gerade auf die völkerrechtliche Basierung des HRL-Urteils zurückzuführen wäre. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bei gewöhnlichen Deliktsklagen eine finanzielle Entschädigung des Opfers oder eine an punitive damages gekoppelte Bestrafung des Täters meist nicht erreicht werden könnten. Die HRL ist trotz dieses Vollstreckungsdefizits nicht sinnlos. Es bleiben zahlreiche immaterielle Funktionen, die durch sie erfüllt werden; auf die gewöhnliche Deliktsklage trifft dies nicht oder nur bedingt zu. Als immaterielle Funktion der HRL sei zunächst die Genugtuung erwähnt, die das Opfer dadurch erlangen kann, dass die Rechtswidrigkeit der Tat autoritativ anerkannt und der Täter offiziell als Delinquent anprangert wird.253 Diese Genugtuung kann das Opfer prinzipiell auch aus dem Urteil schöpfen, das auf eine gewöhnliche deliktische Klage hin ergeht. Die Befriedigung für das Opfer ist jedoch ungleich größer, wenn sich das Urteil, wie bei der HRL, auf Normen stützt, die nicht nur der Legislative des Forumstaats entspringen, sondern in ihrem Kern von einem weltweiten Konsens getragen sind. Zu verweisen ist des Weiteren auf die völkerrechtsfortbildende Funktion der HRL.254 Sie kann über die gewöhnliche Deliktsklage, in deren Rahmen sich Fragen des Völkerrechts nicht stellen, nicht wahrgenommen werden.255 Unterschiede ergeben sich ferner insofern, als die gewöhnliche Deliktsklage die vielfältigen Aspekte einer Menschenrechtsverletzung nur ansatzweise berücksichtigt. Eine Menschenrechtsverletzung unterscheidet sich dadurch von einem gewöhnlichen Delikt, dass die internationale Gemeinschaft sich wegen der besonderen Natur oder der besonderen Schwere der Tat zu 252
Siehe oben I. 1. b) (1). Ebd. 254 Siehe oben I. 2. b) (1). 255 Vgl. Koh, Civil Remedies for Uncivil Wrongs: Combatting Terrorism Through Transnational Public Law Litigation, 22 Tex. Int’l L.J. 169, 187, Fn. 64 (1987). 253
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ihrer Rechtswidrigkeit ausspricht und ihre Begehung als Verstoß gegen die internationale Rechtsordnung bewertet. Ein Gericht, welches die Menschenrechtsverletzung als gewöhnliches Delikt behandelt, berücksichtigt allein den Verstoß gegen die Rechtsordnung des Forumstaates und vernachlässigt die gleichzeitige Verletzung der internationalen Rechtsordnung. Es kann die Menschenrechtsverletzung daher nur ansatzweise erfassen.256 Zu bedenken ist darüber hinaus, dass eine klassische Deliktsklage die Menschenrechtsverletzung als eine individuelle Verletzung (bzw. im Fall der Sammelklage als die Summe von individuellen Verletzungen) beschreiben muss. Bei breit angelegten Menschenrechtsverletzungen, in deren Rahmen ganze Bevölkerungsgruppen aus religiösen, kulturellen oder ethnischen Gründen unterdrückt oder vernichtet werden, existiert jedoch neben einer individuellen Verletzungsebene eine kollektive Verletzungsebene: Es wird eine Gruppe von Menschen in ihrer Eigenschaft als Gruppe verletzt.257 Das kollektive Element einer Verletzung kann in einer Klage nur dann angemessen zum Ausdruck kommen, wenn das materielle Recht die Eigenart und die besondere Schwere der Verletzung eines Kollektivs zum Ausdruck bringt. Im gewöhnlichen nationalen Deliktsrecht fehlen derartige Vorschriften. Das Völkerrecht hingegen verfügt über Tatbestände, die speziell auf die Verletzung eines Kollektivs zugeschnitten sind. Es sind dies die Tatbestände des Genozids und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Im Rahmen der HRL können diese Tatbestände (in ihrer richterrechtlichen Umformung in nationale Delikte) geltend gemacht werden. Die kollektive Dimension einer breit angelegten Menschenrechtsverletzung kann daher im Rahmen der HRL, nicht aber über die gewöhnliche Deliktsklage berücksichtigt werden. 256 Vgl. Xuncax v. Gramajo, 886 F. Supp. 162, 183 (D. Mass. 1995): „[L]ooking to domestic tort law to provide the cause of action mutes the grave international law aspect of the tort, reducing it to no more (or less) than a garden-variety municipal tort.“ Vgl. auch Arendt, Eichmann in Jerusalem, A Report on the Banality of Evil, S. 272: „For just as a murderer is prosecuted because he has violated the law of the community, and not because he has deprived the Smith family of its husband, father and breadwinner, so these modern, state employed mass murderers must be prosecuted because they violated the order of mankind, and not because they killed millions of people.“ 257 Siehe hierzu Rn. 14 der Study Concerning the Right to Restitution, Compensation and Rehabilitation for Victims of Gross Violations of Human Rights and Fundamental Freedoms, Final report submitted by Theo van Boven, Special Rapporteur, 2.7.1993, E/CN.4/Sub.2/1993/8. Siehe auch Reisman, Compensation for Human Rights Violations: The Practice of the Past Decade in the Americas, in: Randelzhofer/Tomuschat (Hrsg.), State Responsibility and the Individual, S. 63, 68: „A recurring problem for human rights compensation is [. . .] whether these deprivations are to be viewed as injuries to the community at large, in which case they may require a sanctions program that goes beyond repairing the particular injury suffered. Severe human right violations, particularly those that are part of a systemic pattern, understandably arouse demands for more than simply compensation.“
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Teil IV: Entwicklungen und Bewertung der Human Rights Litigation
4. Ergebnis Ein Vergleich internationaler und nationaler Mechanismen zur Durchsetzung der Menschenrechte ergibt, dass eine Menschenrechtsverletzung in erster Linie vor den Gerichten des Tatortstaates aufgearbeitet werden sollte. Subsidiär erscheint ein Tätigwerden internationaler Gerichte angebracht. Ein Verfahren vor den Gerichten einer Drittstaates hingegen erscheint vergleichsweise ungeeignet. Ein Vergleich des Strafverfahrens mit dem Zivilverfahren ist nur begrenzt möglich, da beide jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen. Will man über nur ein Verfahren die Ziele beider Verfahren erreichen, gelingt dies jedoch besser über das Strafverfahren. Im Verhältnis der HRL zur gewöhnlichen Deliktsklage ist die HRL hingegen das vielseitigere und wirkungsstärkere Instrument, da sie die besondere Natur der Menschenrechtsverletzung besser erfassen kann. Im Ergebnis schneidet die HRL im Vergleich zu Verfahren vor Gerichten des Tatortstaates bzw. internationalen Gerichten und im Vergleich zu strafrechtlichen Verfahren schlecht ab. Der Umstand jedoch, dass sie häufiger als jene vergleichsweise vorzugswürdigen Verfahren zur Verfügung steht, lässt sie gleichwohl als wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen erscheinen.
Zusammenfassung In den vorangegangenen Kapiteln wurde die HRL dargestellt und kritisch analysiert. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die HRL erfüllt drei Funktionen, eine opfer-, eine täter- und eine völkerrechtsbezogene. Ihre opferbezogene Funktion liegt darin, dass sie dem Opfer einer Menschenrechtsverletzung ein Verfahren bietet, das es selbst initiieren und betreiben kann, und in dessen Rahmen es die eigene Verletzung an die Öffentlichkeit bringen und eine autoritative Stellungnahme zum Unrechtsgehalt der Tat erhalten kann. Der Theorie nach kann das Opfer über die HRL auch eine finanzielle Entschädigung erlangen. In der Praxis bleibt dieser Aspekt bislang bedeutungslos, da die meisten HRL-Urteile unvollstreckbar sind. Die HRL erfüllt ferner eine täterbezogene, bestrafende Funktion. Sie kann den Täter zumindest ansatzweise sanktionieren und so die Verfolgungsdefizite des nationalen und internationalen Strafverfahrens ausgleichen. Die völkerrechtsbezogene Funktion der HRL besteht darin, den internationalen Diskurs um den Stand und die Fortentwicklung der Menschenrechte zu beleben und voranzutreiben. 2. Die HRL steht in ihrer Opferbezogenheit im Einklang mit internationalen Erklärungen, die eine verbesserte Berücksichtigung des Opfers einer Menschenrechtsverletzung verlangen. Die derzeit aktuellste dahingehende Erklärung ist in den Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Serious Violations of International Humanitarian Law enthalten. Die dort verlangte verbesserte Berücksichtigung des Opfers geht indes nicht so weit, dass sie den Staaten die Schaffung eines der HRL vergleichbaren Systems auferlegen würde. 3. Die HRL erzeugt Kompetenzkonflikte im Verhältnis der USA zu anderen Nationalstaaten, im Verhältnis der US-Judikative zu Legislative und Exekutive sowie im Verhältnis der USA zu ihren Bundesstaaten. Bislang führten vor allem die Kompetenzkonflikte auf internationaler Ebene sowie jene im Verhältnis zwischen Judikative und Exekutive zu Begrenzungen der HRL. Im internationalen Bereich ergaben sich Einschränkungen vornehmlich im Hinblick auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten und das hieraus abgeleitete Immunitätsrecht. Seine Berück-
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sichtigung führte in der Mehrzahl der Fälle zur Abweisung von Klagen gegen ausländische Staaten und deren führende Repräsentanten. In noch stärkerem Umfang verhinderte der Respekt der Judikative vor den Kompetenzen der Exekutive HRL-Verfahren gegen US-amerikanische Hoheitsträger. 4. Die Normen, die im Rahmen der HRL vollzogen werden, bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen zwischen nationalem und internationalem Recht. Während im Rahmen des TVPA und des AEDPA innerstaatliche Delikte geschaffen werden, die sich inhaltlich an Normen des Völkerrechts orientieren, gibt die ATCA-Rechtsprechung vor, die völkerrechtliche Norm selbst zu vollziehen. Sie macht lediglich das Eingeständnis, im Bereich des Völkergewohnheitsrechts, welches seiner Natur nach nicht auf die innerstaatliche Durchsetzung durch den Einzelnen angelegt ist, die völkerrechtliche Primärnorm um eine innerstaatliche Sekundärnorm zu ergänzen. Eine genauere Analyse ergibt, dass auch die völkerrechtliche Primärnorm in vielen Fällen nicht unverändert übernommen wird. Die ATCA-Rechtsprechung verändert vielmehr den Adressaten der völkerrechtlichen Primärnorm, indem sie davon ausgeht, dass jede Vorschrift des Völkerrechts, die sich an den Staat wendet, auch den individuellen staatlichen Akteur zum Normadressaten hat. 5. Die HRL ist zum Teil völkerrechtswidrig. Die Immunitätsausnahme, die gemäß dem AEDPA in Verfahren gegen ausländische Staaten und amtierende Staatsoberhäupter in bestimmten Fällen der Folter und der außergerichtlichen Tötung gewährt wird, ist mit geltendem Völkerrecht nicht vereinbar. Die im Übrigen verfolgte Praxis, Menschenrechtsverletzungen vom funktionellen Immunitätsschutz auszunehmen, bewegt sich in einer Grauzone zwischen einem Verstoß gegen das Völkerrecht und einem Beitrag zu seiner Fortentwicklung. Die in der HRL praktizierte extraterritoriale Ausrichtung der zivilen Rechtsprechungs- und Rechtsetzungskompetenz kann angesichts des Fehlens konkreter normativer Vorgaben hinsichtlich der Grenzen ziviler Jurisdiktionskompetenz nicht als völkerrechtswidrig bezeichnet werden. 6. Die Existenz der HRL gerade und ausschließlich in den USA ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Eine Rolle spielen das traditionelle menschenrechtliche Engagement der USA sowie die Bedeutung, die in den USA der Durchsetzbarkeit eines Rechts beigemessen wird. Die Konzentration auf ein innerstaatliches Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte erklärt sich angesichts der Ablehnung, welche die USA internationalen Verfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte entgegen bringen. Die zivilrechtliche Ausrichtung des in der HRL verwirklichten Menschenrechtsschutzes ist die Folge eines Rechtssystems, in
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dem das Zivilverfahren vielfältige Funktionen wahrnimmt, die in anderen Ländern dem Gesetzgeber oder der Verwaltung anvertraut wären. Der Erfolg der HRL in den USA ist auf Eigenarten des US-Rechts zurück zu führen, wie das wenig schutzintensive Immunitätsrecht, das extraterritorial ausgreifende Zuständigkeitsrecht, das klägerfreundliche Kosten- und Schadensrecht sowie die Möglichkeit zu einer anonymen Klageerhebung. Bedeutsam ist daneben, dass sich die Täter von Menschenrechtsverletzungen besonders häufig in die USA begeben. Dies gibt den Opfern die Möglichkeit, den Tätern in den USA eine Klageschrift zuzustellen, was nach US-amerikanischem Recht genügt, um die Zuständigkeit der US-amerikanischen Gerichte zu begründen. 7. Die wichtigste neuere Entwicklung der HRL ist die Klage gegen multinationale Unternehmen. Zu unterscheiden sind eine direkte und eine indirekte Klagekonstellation. In der direkten Klagekonstellation werden die Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen verklagt, die von ihnen selbst ausgeführt wurden. Ihnen werden hierbei zumeist Verstöße gegen das Umweltvölkerrecht und das transnationale Arbeitsrecht vorgeworfen. Bislang haben die Gerichte in diesem Bereich lediglich das Verbot der Zwangsarbeit als über den ATCA einklagbar anerkannt. In der indirekten Klagekonstellation wird den Unternehmen die Zusammenarbeit mit menschenrechtswidrig agierenden Vertragspartnern angelastet. Hier geht es in der Regel um klassische Menschenrechtsverletzungen wie Folter und außergerichtliche Tötung. 8. Eine Bewertung der HRL ergibt, dass es sich bei ihr um ein grundsätzlich sinnvolles, zu begrüßendes System handelt, dessen Durchführung durch die US-amerikanischen Gerichte jedoch Unzulänglichkeiten erkennen lässt. Problematisch ist, dass US-amerikanische Hoheitsträger von den Verfahren über die HRL weitestgehend verschont bleiben. Dies erzeugt Zweifel an der Aufrichtigkeit des völkerrechtlichen Engagements der USA. Zu bemängeln ist ferner die Nachlässigkeit, die viele US-amerikanische Gerichte beim Umgang mit dem Völkerrecht zeigen. Die Existenz neuer völkerrechtlicher Delikte wird oft allein unter Verweis auf US-amerikanische Literaturstimmen belegt. Völkerrechtlich problematische Bereiche der HRL, wie das Immunitätsregime und die Frage nach der Rechtsprechungs- und Rechtsetzungszuständigkeit, werden in ihrer völkerrechtlichen Dimension nicht angesprochen. Häufig werden ferner Elemente des Völkerrechts mit solchen des nationalen Rechts vermischt, ohne dass dies klar gekennzeichnet würde. In vielen Fällen wird so unter dem Deckmantel der besonderen Legitimität des Völkerrechts in der Sache US-Recht angewendet.
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Stichwortverzeichnis Abebe-Jiri v. Negewo 49 (Fn. 127), 55 (Fn. 161), 325 (Fn. 202), 327 (Fn. 217), 329 act of state-Doktrin 132 ff., 153, 290, 312 acta iure gestionis 85, 166 acta iure imperii 85, 166 Adhäsionsverfahren 188, 276 (Fn. 184) Adoptionstheorie 213 Adressaten völkerrechtlicher Normen 218 ff. – gemäß der ATCA-Rechtsprechung 218 f. – juristische Person des Privatrechts 223 ff. – natürliche Person 219 ff. AEDPA siehe Antiterrorism and Effective Death Penalty Act Agent Orange siehe In re Agent Orange Product Liability Litigation 72 (Fn. 266), 326 AGMR siehe Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte aiding and abetting 73 f. Al-Adsani v. Government of Kuwait 176 (Fn. 260), 177 f., 187 (Fn. 311), 305 (Fn. 128) Al-Adsani v. United Kingdom 181, 190 Alien Tort Act siehe Alien Tort Claims Act Alien Tort Claims Act (ATCA) 30 ff. Alien Tort Statute siehe Alien Tort Claims Act Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 22, 42, 224, 253, 309 Alternativforum 140 ff., 288
amicus curiae 79, 264, 286 (Fn. 52), 325 (Fn. 208) Amnestie 78, 317 f. Amtshaftung 203 f. Anonyme Klageerhebung 270 f., 301 Anspruchsgrundlage 47 ff., 102 ff., 119 ff. Antiterrorism and Effective Death Penalty Act (AEDPA) 21 f., 91 ff., 115 f., 120 f., 126, 127 ff., 170, 177 ff., 196 f., 216, 242, 252, 296, 313, 320 Appellationsgerichte 30 (Fn. 31) Arbeitsrecht 81, 281 f., 287, 289 arbitrary detention siehe willkürliche Festnahme Argentine Republic v. Amerada Hess 91, 96 Art. III-standing 108 ff. ATCA siehe Alien Tort Claims Act Attorney General 130 (Fn. 24), 148, 320 Aufklärung 40, 254 Außenpolitik 32 ff., 37, 51, 75 ff., 85, 93, 105, 117, 133 ff., 145, 150 ff., 159, 163 ff., 209, 235, 253 ff., 256, 263 f., 292, 297, 312 f. Außergerichtliche Tötung 81, 92, 177, 207 Ausländer 32 f., 45, 58, 196 Baker v. Carr 150 f. Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino 133, 164 Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights and Se-
Stichwortverzeichnis rious Violations of International Humanitarian Law der UN-Menschenrechtskommission 246 ff. Bell v. Hood 104 ff. Bentham, Jeremy 38 f. Bhopal siehe In re Union Carbide Corporation Gas Plant Disaster at Bhopal v. India Bivens v. Six Unknown Named Agents of Federal Bureau of Narcotics 104 Blackstone, William 33 ff. Brown v. Board of Education 27 f., 260 (Fn. 102) Bundesgerichte 29 f., 32 f., 52, 60, 101, 107, 162 ff., 271, 325 Bundesrecht 101 ff. Bundesrichterrecht 51 ff., 101 ff., 154 ff., 162 ff. Burger-Fischer v. Degussa 286 Bush, George W. 79 f., 291 Cabello v. Fernández-Larios 54 f. case or controversy-Kriterium 108 ff. cause of action siehe Anspruchsgrundlage Center for Constitutional Rights 273, 329 Chayes, Abram 27 checks and balances 145 Chuidian v. Philippine National Bank 99, 184 (Fn. 294), 313 (Fn. 153) Circuit 30 (Fn. 31) Civil Liability for Acts of State Sponsored Terrorism Act (CLA) 95, 120 ff. class action siehe Sammelklage Clinton, Bill 80, 293 comity 135 ff., 180 (Fn. 280), 286, 290 command responsibility 72 common law siehe richterliche Rechtsfortbildung, Bundesrichterrecht und general common law
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compensatory damages 120 ff., 242, 296 contingency fees siehe Erfolgshonorare control-Test 58 corporative codes of conduct 309 Courteoisie 132, 136 Courts of Appeal siehe Appellationsgerichte Delikt 59 f., 73, 283, 335 ff. Deliktsstatut 202 Democratic Republic of the Congo v. Belgium 182 f., 191, 206, 263 (Fn. 120) Desi Bouterse 185 Diplomaten 32, 36, 86, 131 Diplomatischer Schutz eigener Staatsangehöriger 292 direct effect-Rechtsprechung 87 ff. discovery siehe pre-trial discovery Distomo-Entscheidung – BGH 181, 203 – Europäischer Gerichtshofs für Menschenrechte siehe Kalogeropoulu v. Greece – griechisches Bezirksgericht 178 district courts siehe Bundesgerichte Doe v. Unocal 74 f., 80, 88, 223, 284 doing business jurisdiction siehe bei jurisdiction domaine réservé 205 domicile 118 Dualismus 212 f., 264 f, due process-Gebot 113 ff. EGMR siehe Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Eichmann-Prozess 186 Einstweilige Verfügung siehe gerichtliche Verfügungen Eizenstaat, Stuart 293 EMRK siehe Europäische Menschenrechtskonvention
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Stichwortverzeichnis
equitable remedies 121 equity 121 Erfolgshonorare 141, 267, 301 Erie Railroad v. Tompkins 52, 76, 163 ff. Erschöpfung lokaler Rechtsmittel 78, 135, 143 f. EuGVÜ siehe Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 42, 170 f., 328, 334 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 179, 181, 187, 332, 334 EuVVO siehe Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Exekutive 75 ff., 85, 93 ff., 104, 127 f., 133 ff., 145 ff., 209, 261, 264, 313 Exorbitante Gerichtsstände 201, 238 f., 244 f., 295 extrajudicial killing siehe außergerichtliche Tötung Extraterritoriale Jurisdiktion 75, 122 f., 137, 143, 166, 170 ff., 198 ff., 215, 231, 234 ff., 245 f., 249, 320 Fairness 114 f., 121 federal common law siehe Bundesrichterrecht federal question jurisdiction siehe bei jurisdiction Federal Tort Claims Act 146 Ferrini v. Federal Republic of Germany 179 Filártiga v. Peña-Irala 21, 35, 44 ff., 47, 72, 80, 221, 231, 234, 328 First Judiciary Act 50
Flatow v. Islamic Republic of Iran 94, 127 Flatow-Amendment siehe Civil Liability for Acts of State Sponsored Terrorism Act Flores v. Southern Peru Copper Corporation 143, 284 Folter 44 ff., 64, 66, 81, 92, 206, 241, 279 siehe auch UN-Folterkonvention Folterkonvention siehe UN-Folterkonvention Foreign Sovereign Immunity Act (FSIA) 22, 29 f., 49, 85 ff., 107, 115, 119, 120 ff., 126 ff., 168, 219, 296, 320 forum non conveniens 140 ff., 288 Frauenrechte 67, 81, 279, 283 FSIA siehe Foreign Sovereign Immunity Act Full Faith and Credit Clause 294 Furundzija siehe Prosecutor v. Anto Furundzija Gebietshoheit 135 ff., 331 Gehilfenhaftung 72 f. Geiselnahme 66, 92, 220, 241, 263 general common law 52 general contacts 118 f. Genozid siehe Völkermord Genozidkonvention siehe Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes genuine link 200 ff. Gerichtliche Verfügungen 120 f. Geschlechtsspezifische Gewalt 279, 283 Gewaltenteilung 75 ff., 133, 261 Global Compact 309 Goldwater v. Carter 150 Haager Konvention zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung in Zivil- und Handelssachen 198, 200, 208, 236 ff.
Stichwortverzeichnis head-of-state immunity 127 ff. Herero-Volk siehe The Herero People’s Reparations Corporation v. Deutsche Bank Hinterlider v. La Plata River 164 Holocaust 284 ff., 293 hostis humani generis 46, 231 HRL siehe Human Rights Litigation Human Rights Litigation (HRL) – Definition 22, 24 ff. – und Politik 26 ff., 292 siehe auch Außenpolitik und Exekutive – und Rechtsfortbildung 324 ff. – und US-Wirtschaft 314 ff. – und Völkerrecht 28 f., 166 ff. – und Vollstreckung 243 ff., 293 ff. Human Rights Principles and Responsibilities for Transnational Corporations and Other Business Enterprises 226 IAO siehe Internationale Arbeitsorganisation ICC siehe Internationaler Strafgerichtshof IGH siehe Internationaler Gerichtshof Immunität, restriktive 85, 166 Immunität nach US-Recht 85 ff., 126 ff. – ausländische Diplomaten 131 ff. – ausländische Staaten 85 ff. – bei Abschluss völkerrechtlicher Verträge 89 f. – bei Inlandsdelikten 85 ff. – bei kommerziellem Handeln 87 ff. – bei terroristisch motivierten Delikten siehe Antiterrorism and Effective Death Penalty Act – bei Verletzung einer Norm des ius cogens 90 f. – und Vollstreckung 296 f. – Verzicht 89
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– ausländische Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister 127 ff. – Beliehene der USA 149 – Gesandte zu den Vereinten Nationen 131 ff. – Gliedstaaten der USA 149 – Städte und Kommunen der USA 149 – USA 146 – US-amerikanische Hoheitsträger 146 ff. Immunität nach Völkerrecht 166 ff. – Deduktion einer Immunitätsausnahme aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 der UN-Folterkonvention 171 ff. – Deduktion einer Immunitätsausnahme aus völkerrechtlichen Grundprinzipien 192 ff. – funktionelle Immunität/Immunität ratione materiae 166 ff. – Immunität ausländischer Hoheitsträger 167 ff. – Immunität ausländischer Staaten 166 ff. – Immunitätsschutz bei ius cogens-Verletzungen 192 f. – Immunitätsschutz und Justizgewährleistungsansprüche 170 f. – Immunitätsverweigerung als Repressalie 195 ff. – konkludenter Immunitätsverzicht 192 – personelle Immunität/Immunität ratione personae 167 ff. – Verwirkung 193 f. – völkergewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme bei Menschenrechtsverletzungen 176 ff. Implementierung des Völkerrechts 213 f. In re Agent Orange Product Liability Litigation 326 In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation 99
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Stichwortverzeichnis
In re Union Carbide Corporation Gas Plant Disaster at Bhopal v. India 28 Interamerikanische Menschenrechtskommission 331, 333 f. Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte (AGMR) 332 f. International Law Commission 182 International Shoe v. Washington 113 ff. Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 281, 309 Internationaler Gerichtshof (IGH) 332 f. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) 42, 67, 76, 170, 253, 328 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) 42, 253 Internationaler Strafgerichtshof (IStGH) 220, 280, 333 – für das ehemalige Jugoslawien 190, 206, 220, 331, 333 – für Ruanda 220, 331, 333 Interventionsverbot 204 IPBPR siehe Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte IPWSKR siehe Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Isolationismus 258 IStGH siehe Internationaler Strafgerichtshof ius cogens 64 f., 90 f., 178 ff., 190 ff., 206 ius gentium 26 f. Iwanowa v. Ford Motor Company 151, 285 Jama v. INS 147 Jessup, Phillip 26 joint action-Test 70, 74 Jones v. Saudi Arabia 178, 184, 188 judicial caution 75
jurisdiction – arising under jurisdiction 101 ff. – diversity jurisdiction 32 (Fn. 43) – doing business jurisdiction 118, 200, 205, 239, 242, 263, 295 – federal question jurisdiction 29 f., 56, 81, 101 ff., 107, 119 – in rem jurisdiction 114 (Fn. 497) – personal jurisdiction 111 ff. – quasi in rem jurisdiction 114 (Fn. 497) – subject matter jurisdiction 106 ff., 119, 150, 289 – tag jurisdiction 113, 118 f., 201, 239, 242, 263, 267, 295 jurisdiction to adjudicate siehe Rechtsprechungsgewalt jurisdiction to prescribe siehe Rechtsetzungsgewalt juristische Person des Privatrechts 75, 82, 223 ff. Justiziabilität 145, 150, 286 Kadic v. Karadzic 71 Kalogeropoulu v. Greece 181 Kelsen, Hans 210 Koh, Harold H. 26, 28 Kollisionsrecht 95, 122 ff., 198, 203 Kompetenzkonflikte – international 125 ff., 289 – intranational 162 ff. – national 145 ff. Kongo siehe Democratic Republic of the Congo v. Belgium Kongress 51, 53, 76, 107 f., 154 f. Kontinentalkongress 34, 37 Konvention über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen 131 f. Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes 278 (Fn. 2) Kriegsverbrechen 40, 66, 72, 206 f., 213, 220, 241 f., 263, 280, 333
Stichwortverzeichnis law of nations 71, 78 siehe auch Völkergewohnheitsrecht Legislative 25, 27 f., 31, 50 ff., 75 ff., 103 ff., 154 ff., 163 ff., 216, 261 f., 336 legislative guidance 77 f., 165 Letelier v. Republic of Chile 86 Lincoln Mills siehe Textile Workers Union v. Lincoln Mills Locke, John 256 Lockerbie 91, 94 long-arm statutes 118 f. longu consuetudo 62 Lotus siehe The case of the S.S. Lotus Lyders v. Lund 168 Marbois-Affaire 32 Marbury v. Madison 255 Marcos siehe In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation Mediatisierung des Individuums 39, 219 Menschenrechte 22, 40 ff., 44 ff., 62, 65 f., 76, 99, 100, 224 ff., 252, 259 f. – und US-Verfassung 259 f. minimum contacts 113 ff., 288 modern approach 163 Monismus 212, 264 f. Multinationale Unternehmen 74 f., 79, 142, 223 ff., 274, 284 ff., 314 ff., 326 f. Mykonos-Prozess 186 Naturrechtslehre 36 ff., 52 nexus-Test 70 Nichtregierungsorganisation 301, 324, 329 f. non self executing-Erklärungen siehe bei self-executing treaties Nürnberger Kriegsverbrechertribunal 40, 186, 220, 222, 225, 231
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OAS siehe Organisation Amerikanischer Staaten obligatio erga omnes 195 (Fn. 346) opinio iuris 62, 176, 180, 223, 226 Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) 253 Paquete Habana siehe The Paquete Habana Pennoyer v. Neff 112 f. People v. McLeod 169 persistent objector 65, 159 personal jurisdiction siehe bei jurisdiction Personalhoheit 135 ff. Personalitätsprinzip 206 Pinochet siehe Regina and the Commissioner of Police for the Metropolis and Others ex parte Pinochet Piraterie place of incorporation-Test 58 political questions-Doktrin 79, 150 ff., 286, 312 Positivismus 38, 42, 52, 221, 274 f. Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany 178 pre-trial discovery 269, 295, 320 Primärnormen 24, 48, 73, 102, 104, 154, 162, 212 ff. Princz v. Federal Republic of Germany 65, 177 Prisengerichte 60 Prisenrecht 59 ff. Private Akteure 69, 218 pro bono 268, 272, 301 Prosecutor v. Anto Furundzija 190, 206 Prozessvergleich 269, 271, 284 f., 315 prudential principles 108, 110 f. public function-Test 70 f. public interest lawyers 268, 272 ff. public law litigation 26 ff., 270, 316
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Stichwortverzeichnis
punitive damages 120 ff., 140, 200, 210, 242 f., 268, 295, 296, 299, 335 f. Rassendiskriminierung siehe Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung reasonableness-Test 116, 288 Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 283 f. Rechtsetzungsgewalt 198 ff., 202 ff., 204, 206, 231, 249 Rechtskultur der USA 271 – Bedeutung der Medien 271 – Bedeutung des Zivilrechts 259 ff. – Rechtsanwälte 268, 272 ff. – Richter 273 Rechtsprechungsgewalt 198, 200 ff., 204, 206 Rechtsschutzbedürfnis 110 relief 104, 119, 240 remedies 104, 121 Repressalie 195 f. residence 137 respondeat superior 96 Restatement of the Law 62, 66, 71, 129, 283, 325 Richterliche Rechtsfortbildung 51 ff., 154 ff., 305 ff. Richterrecht siehe Bundesrichterrecht, general common law und richterliche Rechtsfortbildung Rio-Erklärung zu Umwelt und Entwicklung 280, 284, 309 Sabbatino v. Banco Nacional de Cuba 133, 164 Sammelklage 141, 260, 269 f., 273 f., 292, 295, 297, 314, 337 Sanchez-Espinoza v. Reagan 147, 152, 323 Schadensersatz 25, 120 ff., 240 ff., 243, 268, 321, 335 Sekundärnormen 48, 104
self-executing treaties 43, 68 f., 102, 227 – non self executing-Erklärungen 57, 69, 76, 155, 227 Senat 57 f., 69, 76 ff., 84, 258 Siderman de Blake v. Argentina 89, 177 Sitzübereinkommen zwischen den USA und den Vereinten Nationen 131 f. Sklaverei 40, 64, 66, 81, 220, 229, 278 solatium 122 Sosa v. Alvarez-Machain 49 ff., 63, 65, 75 ff., 84, 105, 123, 143, 159, 160 f., 164, 166, 208, 218, 221, 290 Souveräne Gleichheit der Staaten 126 ff., 132, 166 special factors counselling hesitation 104 specific contacts 118 f. Staatliche Akteure 69 ff., 134, 149 siehe auch under color of law-Rechtsprechung Staatshaftungsrecht 203 f. Ständiger Internationaler Gerichtshof 37, 199 f., 255 standing 108 ff., 123, 290 State Immunity Act 178 state sponsors of terrorism 93 f., 296 statement of interest 79, 128, 133, 286, 313 siehe auch amicus curiae Strafschadensersatz siehe punitive damages subject matter jurisdiction siehe bei jurisdiction substantial connection 239 summary execution siehe außergerichtliche Tötung symbiotic relationship-Test 70 Tachiona v. Mugabe 129, 325 (Fn. 205) Teilnehmer siehe Gehilfenhaftung
Stichwortverzeichnis Tel-Oren v. Libyan Arab Republic 61, 231 Territorialitätsprinzip 206 Terrorismus 64, 91 ff., 134, 320 Textile Workers Union v. Lincoln Mills 49, 51, 228 f. The case of the S.S. Lotus 37, 199 The Herero People’s Reparations Corporation v. Deutsche Bank 278 The Paquete Habana 154, 163, 217, 266 third party liability 72 f. Torture Victim Protection Act (TVPA) 65, 76 ff., 81 ff., 105, 111, 119 ff., 142 f., 148, 163, 173, 196, 216 Transformationstheorie 212 transnational law 26 f. Transnationale Unternehmen siehe multinationale Unternehmen Truth and Reconciliation Commission 317 TVPA siehe Torture Victim Protection Act Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) 201, 236 Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung 68 Umweltrecht 280 f., 289 ff. UN-Ausschuss für Menschenrechte 334 UN-Charta 41, 44, 126, 131, 253 UN-Folterkonvention 67, 81 f., 171 ff., 185, 216, 308 UN-Menschenrechtskommission 246 ff. under color of law-Rechtsprechung 69 ff., 74, 83, 230 Unilateralismus 323
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United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States und Their Property 169 f., 181 Universalitätsprinzip 46, 71 f., 205 ff., 220, 231, 239 f., 245, 246, 276, 318 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 64, 66, 206 f., 220, 241 f., 280, 333 Vereinte Nationen 41, 131 f., 309, 319 f. Vergewaltigung 280 Vergleich siehe Prozessvergleich Verjährung 83, 123, 286 Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuVVO) 201, 238 Versäumnisurteil 295, 304 Verschwindenlassen von Personen 66, 81, 242 Völkergewohnheitsrecht 30, 47 ff., 62 f., 66, 102, 104 f., 154 ff., 176 ff., 217 f., 266, 273 ff., 307 f., 324 f. Völkermord 64, 66, 72, 206 f., 220, 278, 336 siehe auch Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes Völkermordkonvention siehe Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes Völkerrechtssubjektivität 38, 224 Völkerstrafgesetzbuch 207 Völkerstrafrecht 73, 223 Vollzug des Völkerrechts 212 f. – im Rahmen des ATCA 216 ff. – im Rahmen des TVPA und des AEDPA 216 Vollzugstheorie 213
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Stichwortverzeichnis
Wahrheitskommission 302 ff. Weltrechtsprinzip siehe Universalitätsprinzip Westfall Act 148 Wiener Konvention zum Diplomatenrecht (WDRK) 131 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) 172 Willkürliche Festnahme (arbitrary detention) 63, 66, 220
Wiwa v. Royal Dutch Petroleum 142 World Wide Volkswagen Corporation v. Woodson 116 Xuncax v. Gramajo 54 f., 299 Zwangsarbeit 80, 242, 278 f., 282, 285 ff. Zweiter Weltkrieg 40 ff., 153, 253, 285