Meister Friedrich: Ein Dichterleben [2. Auflage, Reprint 2022]
 9783112624760

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Meister Friedrich.

Lin Djchterlebrn von

Moritz Zille.

Dmeile Wuft'n^e.

Leipzig

Verlag von Veit & Cemp. 1862.

Inhalt. i. Lehrjahre. Das erste Lächeln...................................................................... 3

Der kleine Barbarossa.............................................................6 Die Predigt........................................................... 11

Die Semmelmilch................................................................17 20 Zwei Mitternächte. I. 25

Der Räuberhauptmann..................................................

30

Hohenasberg...................................................................... 35 Gefängniß ...................................................................... 39

ii. Wanderjahre. Der Abschied......................................................................... 45

Der deutsche Dichtcrwald...................................................... 47 Die Ruhe bei Frankfurt...................................................... 56 Friedrich itiib Streicher......................................................61

Das Versteck..........................................................................64 Das ländliche Fest................................................................67

Der Tannenbaum................................................................71

Die Schaubühne.................................................................... 75 Friedrich und Minna........................................................... 79

Die Affenbühne.................................................................... 82 Auerbachs Keller ..................................................................... 86

VI

Lustwandlung int Mai........................................................ 90

Friedrich und Körner ............................................................. 93 Gustel von Blasewitz............................................................. 97

Lustfahrt auf der Elbe......................................................100

III. Meistrrjahre. Der Maskenball........................

107

Das Ständchen.....................................................................111

Die Begegnung.....................................................................115 Die Todtenfeier.....................................................................119 Der Brief aus Norden......................................................122 Meister Wolfgangs Garten.................. ‘........................... 125

Der Maitrank.................................................................... 129 Das französische Bürgerrecht............................................ 133

Das Genesungsfeft...........................................................136

Das Festmahl zu Erfurt

.

Das Kistchen

-............................................144

.

;............................. , 139

Karl August. Wolfgang. Friedrich.................................. 147 Der Sängerkampf auf der Wartburg............................. 150 Abschied vom Leben............................................................... 168

iv. Nachklang. Nach hundert Jahren........................................................... 175

Das erste Lächeln. Marbach. 1759.

In stiller Nacht aus tiefem Schlaf

^Fuhr schnell die Mutterlieb empor; Des Kindes laute Bitte traf

. Ihr immer sorglich lauschend Ohr. O süße Pflicht, o heilge Lust, Ein Kindlein legen an die Brust!

Die Mutter spricht: „Du, Kind, List mein! Wie jetzt mein Herz Du hoch entzückst,

So wolle Gott es Dir verleihn, Daß Du dereinst die Welt beglückst!" —

Sie legts ins Wieglein, weich und warm,

Da schläft es sanft und sonder Harm. — Da tritt herein ins Kämmerlein Ein wunderbares Frauenbild: Der Sternenkrone weißer Schein

Umflicht das Haupt ihr licht und mild; Es hält ein goldnes Buch die Hand,

Zum Kindleiu ist der Schritt gewandt. 1*

4 Und sieh, da naht in rosgem Glanz

Noch eine hohe Feengestalt: Geschmückt ist bunt ihr Haupt vom Kranz

Der duftgen Blumen; es erschallt

Aus ihrer Harfe Strahlengold Der Klang der Töne hell und hold.

Die erste spricht: „Du, Kind, bist mein! Dein Geist, so reich, so stark und hehr, Wird sich dem Licht der Weisheit weihn,

Wird schweben zu dem Aethermeer,

Wo ewgen Lichtes Quelle fließt, Wo er im Buch der Wahrheit liest."

Die zweite spricht: „Du, Kind, bist mein!

Dein Herz, jo weich, so voll und warm, Wird der G e s a n g e s k u n st sich weihn;

Der Harfe Gold im kundgen Arm, Wirst Du, die Herzen zu erfreun,

Wie Blumen Deine Lieder streun."-

Die Weisheit spricht: „Laß treuvereint Uns segnen, schützen dieses Kind! In buntem Farbenschmuck erscheint Die Dichtung, nur durch sie gewinnt.

5 Gewinnende Gestalt der Geist, Daß er die Herzen an sich reißt." Die Dichtung spricht: „Die Weisheit giebt

Dem Dichterauge Seherkraft, Dem Herzen Stärke, daß es liebt Und neugestaltend bildet, schafft

Das Schöne, das da ewig währt Und himmlisch Irdisches verklärt."

Die Weisheit schließet so den Bund

Und küßt des Kindes Stirne hold; Die Dichtung küsset seinen Mund. Die Weisheit legt des Buches Gold Aufs Bettchen, und die Dichtung legt Aufs Buch die Harfe frohbewegt.

Das Kindlein träumt und sieht im Traum

Die himmlischen Gestalten stehn, Wie sie erleuchten rings den Raum

Und huldreich zu ihm niedersehn; Es träumt und träumt in süßer Ruh —

Und lächelt ihnen selig zu.

Der kleine Barbarossa. 1767.

^^urchs Thal, von Hügeln hoch umsäumt,

^^Ergießt die Silberwellen

Die Ne ms, die über Kiesel schäumt, Getränkt von reichen Quellen.

Wie Urgroßmutter schaut herab Ein Kloster* auf die Gegeud,

Betrachtet manch versunknes Grab, Im Herzen viel bewegend: „Ich sah der Hohenstaufen Reich In Glanz und Macht und Ehren. Wer war bereit je ihnen gleich,

Zu wehren und zu mehren? Held Friedrich wars, der Wunderhold,

Der hoch mein Herz entzückte;

Sein Haupt der Kaiserkrone Gold Und Gold der Haare schmückte. * Lorch.

7 Dem Papst, den Psaffey ins Gesicht

Warf er den Handschuh mächtig, Daß der Gedankenfreiheit Licht Ausginge frühlingsprächtig.

Nun sitzt im unterirdschen Saal

Er dort, ein langer Schläfer;

Traun, wacht er auf beim Morgenftrahl, DeS Feindes Herz wohl träf er.

Und einig wäre, stark und frei Das Volk in deutschen Landen —

Doch, ach, der Raben heisch Geschrei Hält ihn in Schlafesbanden!"

Was Urgroßmutter da erzählt,

Hat Fritzchen wohl vernommen

Und fsihlt sein feurig Herz gestählt, Als er zu ihr gekommen.

Er ist gewandelt durch die Gruft,

Sie birgt der Staufen Särge — Nun sitzt er in der Abendluft Auf dem geweihten Berge.

8 Die Linde breitet über ihn Die dichtbelaubten Zweige, Die einstens sah die Staufen ziehn

Des Ruhmes rauhe Steige.

„Hier, Vater, ists mir wunderbar! —

Ich bin geboren niedrig; Doch bin ich Schwab, mit gelbem Haar,

Auch ist mein Name: Friedrich. —

Ja, ja, ich bin ein Enkelsohn

Vom großen deutschen Kaiser! —

Mich ziehts zu seinem nächtgen Thron —

Ich find ihn ohne Weiser!

Ist er auch eisenfest verwahrt,

Ich will ihn streicheln, necken,

Ihn zupfen derb am langen Bart,

Ihn rufen, ihn erwecken!"

„„Du kecker Bursch, was fällt Dir ein? —

Scheinst Staufenmuth zu haben! — Umsonst wird all Dein Wecken sein —

Verscheuche nur die Raben!" "

9 „Ei, Vater, ja, das kann ich auch! —

Ich greife nach der Harfe, So wie es war der Staufen Brauch, Weht auch die Luft, die scharfe.

Fern dringt der S taufen Harfe Schall

Weit tönt der Lieder Stimme,

Die Thäler geben Widerhall, Aufsteht das Volk im Grimme.

Das deutsche Volk von Nord und Süd,

Es eilt herbei gerüstet; Der Geisteszwingherrn Tag verglüht, Die lang sich stolz gebrüstet.

Die schwarzen Schaaren allzumal

Fliehn scheu vor dem Gewimmel — Und über des Kiffhäusers Saal

Lacht rabenleer der Himmel.

Den Ahn durchzuckts mit Blitzesmacht — Er hört die Raben fliegen —

Er reibt die Augen — er erwacht — Und stürmt von Sieg zu Siegen!" —.

10 „„Du kleiner Barbarossa fliegst

Wie Adler in dem Aether!

In Heldenträumen Du Dich wiegst,

Du Nothbartssohn, Du später! —

Nun, träume fort! — Nach Raben späh! —

Und wenn Dein Weg einst ginge Etwa in des KiffhLusers Näh —

Dann spiele nur und finge!" " — Sie gehn beim letzten Abendglühn;

Fritz weilte länger gerne;

Er träumet fort — die Augen sprühn Und funkeln wie die Sterne.

11

Die Predigt. Lorch. 1768.

ie Glocke tönt zum letzten Mal

S

Am Fest der grünen Maien,

Will zum Gebet beim Abendstrahl Die Herzen rufen, weihen. Im Buche Vater Kaspar liest,

Vom Heilgen Geist gegeben,

Aus dem der Quell der Andacht fließt,

Voll Liebe, Licht und Leben. Fritz hebt empor das Angesicht, Gefaltet sind die Hände;

Fast schiens, als ob im Abendlicht Sein Haupt in Flammen stände.

Der Vater betet noch und schweigt: Da seine Blicke schauen, Wie auf den Stuhl das Söhnlein steigt, Die Seinen zu erbauen.

12 Der Mutter schwarze Schürze sieht

Man von den Schultern wallen;

Den Hals ein weißes Tuch umzieht, Die Zipfel niederfallen.

Und feierlich und salbungsvoll Beginnt er seine Predigt:

„Bringt, Menschen, der Anbetung Zoll,

Von Erdensorg entledigt! — Vom Himmel bricht Gebraus bervor, Hell leuchten Feuerzungen Auf der geweihten Häupter Chor,

Von Gottes Kraft durchdrungen. Im Sturme kommt, im Flammenlicht Der Geist des Heils zur Erde,

Der schöpferisch gebeut und spricht:

Das Gottesreich, es werde!" —

Der Worte Fluß da plötzlich stand — Der Predger ist entflohen. —

Wie, hat gelächelt Ferdinand*?

Verscheucht den Redefrohen?

* Sohn des Pfarrers Moser.

13 Die Mutter eilte sorglich nach,

Ihn suchend allerorten; Wie sie auch rief und bittend sprach,

Nicht folgt er ihren Worten.

Da endlich noch ihr Blick gewahrt Den Flüchtling, von den Zweigen Der laubgen Vtiibc dichtverwahrt;

Sie heißt herab ihn steigen.

Sie küßt ihm Stirn und Mund und streicht Ihm sanft der Haare Flammen:

„Laß uns, eh ganz die Sonne weicht,

Lustwandeln traut zusammen! —

Mein Sohn, trotz aller Thoren Spott

Und eitlen Wahns Verblendung Halt fest am ewigheilgen Gott

Und seines Geistes Sendung!

Es saust des Frühlings Sturm daher,

Fegt säubernd durch die Lüfte: Da strahlt das Licht vom Aethermeer Bis in die tiefsten Klüfte.

14

Und warmes Licht undreine Luft Durchdringen und erregen Gebirg und Thal und Au und Gruft

Geschäftig allerwegen.

Da keimt und drängt und sprießt hervor Das Leben allgewaltig,

Es strebt zu Licht und Luft empor, Sich bildend vielgestaltig.

Mit warmem Licht, mit reiner Luft

Der heilge Geist hienieden Die Seelen all zum Leben ruft,

Voll Freiheit, Freud und Frieden.

In alle Herzen ziehet ein

Des Geistersrühlings Leben: Der Tugend weiten Feldern weihn

Sich Hände gottergeben.

Es grünt der Wald der Wissenschaft,

Es blüht der Künste Garten, Und hohe Männer unerschlafft

Der Bäum und Blumen warten.

15 Der Wahrheit Luft, der Liebe Licht

Laß immer in Dir walten, Dann wirst mit strahlendem Gesicht

Du immer Pfingstfest halten.

Weihn wird mit ewger Maicnlust,

Mit der Begeistrung Gluthen Sich Deine hochgehobne Brust Dem Wahren, Schönen, Guten.

Des Heilgen Geistes voll wirst Du

Der Weisheit Born ergründen,

Und Du wirst Gottes felge Ruh Und große Thaten künden." —

Des Söhnleins Blicke leuchten hell:

Ihn labt mit seinen Gaben

Des Maienfestes reicher Quell. — O dreimal Heil dem Knaben,

Der Leben aus der Mutter Brust, Die Lieb aus ihren Augen,

Von ihrem Mund mit Himmelslust Die Andacht konnte saugen! —

16 Er geht, ob auch die Sonne sinkt, Noch auf des Ächtes Wegen;

Sie kehren Heini, der Vater winkt Den beiden froh entgegen.

17

Die Semmelmild). Ludwigsburg. 1770. Eritzchen war ein herzig Kind,

d^ieblich anzuschauen, Andacht blickte sanft und lind

Aus dem Aug, dem blauen. Goldner Locken Fülle floß

Von dem Haupte nieder;

Lauschend saß er, wann ergoß

Sich der Klang der Lieder.

Größer ward der kleine Fritz, Und er ging zur Schule, Und er lernte wie der Blitz, Predigte vom Stuhle. —

Vor vereinter frommer Schaar

Sah man einstmals treten Zwei der Knaben zum Altar Und das Hauptstück beten.

18 Andacht sprach aus ihrem Mund,

Rührte die Gemeine: Fritzchen war es, der da stund, Von den zwein der eine.

Nach der Kirche Schluß zu sich Rief der Lehrer beide:

„Schenken will vier Kreuzer ich

Euch zur Herzensweide.

Lernt des lieben Gottes Wort Immer fleißig weiter!

Frömmigkeit sei Euer Hort: Dann ists Herz stets heiter!"

Ei, wie reich, wie überreich

Dünken sich die beiden! — Was nun sollen thun sie gleich? —

Schwer ists zu entscheiden. —

Rath noch endlich Fritzch en sand: „Freude, nicht zu messen,

Weiß ich! — Laß uns gehn auss Land,

Semmelmilch zu essen!"

19 Semmelmilch! dies Zauberwort Giebt den Kleinen Flügel, Und sie fliegen eilends fort Ueber Thal und Hügel. O, wie mundet wohl das Mahl Den beglückten Knaben,

Besser als im Königssaal Ausgesuchte Gaben!

Als die Israeliten froh

Nicht mehr fühlten Bande, Labte wohl die Milch sie so

Im gelobten Lande. Glücklich kehrte Fritzchen heim An dem Sonntagsabend,

In dem Herzen Honigseim,

Ganz die Seele labend. — Warum Fritzchen war so froh?

Kinder, hört, das weiß ich! Macht es alle nur auch so:

Er war fromm und fleißig.

20

Zwei Mitternächte. Stuttgart. 1777. I. ^nt Kämmerlein der Fürstenschule ISitzt Fri edrich bei verbotnem Licht,

Nachdenkend auf dem harten Stuhle

Mit hocherhobenem Gesicht. Er sinnt.und sinnt, und nicht hat Acht Er auf den Schlag der Mitternacht.

Er folgt dem Fluge der Gedanken

Und schweift in weite Fern hinaus — Und sieh, der Kammer enge Schranken

Erweitern sich zum Tempelhaus:

Hell strahlt des Aethers ewger Schein, Er dünkt cth Priester sich zu sein. Ein Vorhang, sternbesät, verschleiert

Des Tempels innres Heiligthum; Davor die Tonkunst sitzt und feiert

Mit vollem Klang des Tempels Ruhm:

Es redet nicht, doch sagt so viel Der Saiten zauberreiches Spiel.

21 Um ihn in weitgeschweiften Bogen Sieht er der Menge zahllos Heer; Lautbrausend sind sie hergezogen,

Doch schweigt der Raum, wie menschenleer.

Da ruht der Töne Sprung und Lauf, Und schwirrend fliegt der Borhang auf.

Und in dem offnen Heiligthnme Die frohen Blicke staunend schaun

Ein Paradies, wo Blum an Blume, Wo Blüthenzweige Lauben baun; Das Wasser glänzt im nahen See,

Ein Eiland trägt das Schloß der Fee. Bon Schmetterlingen hold umgaukelt,

. Fährt sie daher auf goldner Jacht; Auf ihrem Haargesiecht sich schaukelt Die Taube, die gern kost und lacht.

Mit Schmetterlingesflügeln fliegt

Sie fort, von Blumenduft gewiegt. Die Kunst des Lustspiels ist es, lächelnd

Ruht sie in einer Laube, spannt Den Fächer, luftge Kühlung fächelnd —

Und rings wird neubelcbt das Land,

22 Aus dem Gebüsch das Vöglein schlüpft, Empor im See das Fischlein hüpft.

Als Jüngling mit beschwingten Füßen Fliegt her der Tanz zur blühnden Flur;

G eb er d en sp i e l mit schelmschen Grüßen Folgt als ein Mägdlein seiner Spur, Und Blumen werfen sie sich zu,

Sich fliehend, suchend sonder Ruh.

Der Fleiß, die Mühe kommt geschritten,

Ein rüstig Paar, doch müd und matt: Sie kommen, Rast sich zu erbitten Und wohlverdiente Ruhestatt —

Kaum weht sie an des Fächers Zug, Ergreift sie auch des Tanzes Flug.

Der Gram, die Sorge kommt gegangen Mit greisem Haupt und trübem Blick — Doch als sie sehn die Herrin prangen,

Vergessen sie ihr schwer Geschick, Schnell fliegen sie zum Reigentanz, Verjüngt in Muth und Hoft'nungsglanz.

23 Da winkt die Herrin fächelnd wieder:

Als Knabe fliegt herbei der S ch er z,

Fruchtschalen setzt er vor ihr nieder Und einen Krug von Silbererz — Der Wein der Freude blinkt im Krug,

Die Früchte machen Thoren klug.

Die Herrin kostet von dem Mahle Und schlürft den blumenduftgen Wein, Und Früchte von der Silberschale

Wirft dann sie in der Tänzer Reihn; Die werfen sie sich zu im Spiel, Wohl zielend, doch wie ohne Ziel.

Jetzt in die goldne Gondel steiget Die Herrin mit der Tänzer Schaar;

Sie tanzen fort, und nimmer schweiget Der Lieder Stimme, hell und klar;

Sie fahren zu der Insel Saum Sanft durch des Seees Silberschaum.

Geschwätzge Enten ziehn die Barke,

Ernst folgt der Schwäne Chor und lauscht. —

24 Die Tonkunst braust, die himmlisch starke —

Der Vorhang fällt—der Beifall rauscht.—

Ein Schlag verkündet Geisterruh Und schließt auch Friedrichs Augen zu.

Zwei Mitternächte. n. ieber wacht in mitternächtger Stunde

f

Friedrich hier — er mitternachtet gern — Gern da lauscht er aus der Geister Kunde, Die geheinmißvoll ihm nah — und fern; Wieder steht er mit des Schauens Freude In des Tempels strahlendem Gebäude. Und das Harfenspiel der Tonkunst rauschet Ernst mit herzerschütterndem Gebraus; Ahnungsreich Erwartungsstille lauschet In dem hohen, menschenvollen Haus: Da erheben sich des Vorhangs Säume Hoch in des Gewölbes luftge Räume. Zwischen aufgethürmten Felsenmauern Dehnt sich ringsum aus des Kampfes Feld; Eine Schlucht, erfüllt von düstren Schauern, Führt zu Friedensauen, glanzerhellt; Da ein Feeenschloß die Blicke sehen, Auf dem festlich Freiheitsfahnen wehen.

26 Und dem goldnen Thor im fernen Schlosse

Jetzt entströmt ein langer Heereszug: Auf dem weißen, blitzespriihnden Rosse

Sprengt die Fee voran mit Windesflug; Das Gebirg, das Kampffeld zu bewahren, Führt sie her des Winks gewärtge Schaaren.

Himmelblau Gewand, berunterwallend,

Deckt der Glieder königlichen Bau; Eine Schärpe, seitwärts niederfallend,

Eint die Unschuld mit der Treue Blau; Weisheit sie mit goldnem Harnisch kleidet,

Hoch vom Helm ein Aar die Blicke weidet. In der Rechten hält sie die Drommete, Die zum Kampfe, zu dem Siege ruft; Ob auch wild des Sturmes Brauseu wehte,

Schmetternd doch durchtönt der Schall die Luft; Ihre Linke strafft des Rosses Zügel,

Das vermessen wähnt, es habe Flügel. Um sie reiht sich mit einhellgem Triebe Der Gefährten weißblaugoldne Schaar:

Sanftmuth, Vaterlands- und Menschenliebe, Unschuld, Treue, Demuth, schlicht und wahr,

27 Und Beharrlichkeit mit Heldensinne,

Frömmigkeit, Geduld und süße Minne.

Der Drommete Ruf erfüllt die Lüste: Und das Schwert in jeder Heldin Arni

Blitzt im Sonnenglanz; der Felsen Klüfte Speien aus der Feinde Höllenschwarm,

Mit den Dolchen droh'nd aus schwarzen Rossen Und mit den vergifteten Geschossen.

Feuerroth erglühen die Gewänder, Und ihr Harnisch ist von blauem Stahl,

Braun sind ihre Schärpen, grau die Bänder

Rauhes Rosseschilauben füllt das Thal, Wüster Schlachtenruf und Hohngelächter

Grüßt der Herrin treubewährte Wächter.

Eulen schwirren ob dem schwarzen Heere, Von den Helmen kreischt der Raben Schrei. Und die Feinde heißen: Geiz nach Ehre,

Herrschbegier, Genußsucht, Heuchelei, Eifersucht und Groll, der immerwache,

Feigheit, Wollust, Stolz und Neid und Rache.

28 Wieder der Drommete Ruf ertönet — Und im Kreise rings der Kampf beginnt;

Wild der Feinde Kriegsgeschrei erdröhnet.; Staub bedeckt, gewirbelt von dem Wind, Aller Streiter wohlgeübte Schaaren,

Die der Kampflust Wunder offenbaren. Mit der Andacht frommem Herzenstriebe Ficht die Heuchelei, von Ränken voll; Mit der Vaterlands- und Menschenliebe Kämpfen Herrschsucht, Ehrgeiz, Stolz und Groll;

Neid und Feigheit mit dem Heldensinne; Wollust, Eifersucht mit zarter Minne.

Und die weißen, blutbedeckten Streiter

Reißt dahin der Siegsgewißheit Wahn, Und den Feinden folgen weit und weiter

In die Klüfte sie auf steinger Bahn — Mit den Rossen stürzen sie zur Erde —

Stöhnen mit verzweifelnder Geberde. — Schmetternd schallt da der Drommete Rufen: Und das Thor des Schlosses thut sich auf,

Und ein weißes Roß mit schnellen Hufen

Fliegt herbei in staubauswehndem Lauf —

29 Auf ihm prangt ein weißblaugoldner Reiter,

Bleichen Angesichts, doch selig heiter. Und der Tod mit seinem Palmenzweige

Winkt—der Feind will fliehn in scheuer Flucht — Doch schon haucht er aus des Athems Neige. —

Schlaf ergreift die Edlen — durch die Schlucht Trägt der Reiter sie aus seinem Rosse

Zum Erwachen in des Friedens Schlosse. — Die Drommete schallt — und Lenzbelebung

Sprießt im öden, wilden Kampsesfeld. —

Sanftes Harfenspiel ertönt — Erhebung Trägt empor das Herz — der Vorhang fällt.—

Und zur Ruhe ruft ein Schlag die Geister, Auch des T r a u e r s p i e l e s jungen Meister.

30

Der Räuberhauptmann. Stuttgart. 1778.

ereint am Tisch im Gartenhaus

Sind hier zwei Freundespaare: Bon Hellen Augen sprüht heraus Die Gluth der Jünglingsjahre; Das Herz ist voll, die Wange roth,

Fern ihren Blicken Sorg und Noth. Ihr Leben ist dem Weine gleich,

Den mit Gesang sie schlürfen;

Ein Freund ist es, an Träumen reich, Was einzig sie bedürfen:

An Freundesbrust das Herz sich wärmt, Das in der Zukunft Nebeln schwärmt. Der weite Himmel thut sich aus

Mit seinen goldnen Sternen,

Beflügelt ihres Geistes Lauf Zu niegeschauten Fernen: Dannecker ists und Scharffenstein,

Z um st e e g und H o v e n im Verein.

31

Zum Becher greifen sie entflammt: „Wie hoch wir immer schweben, Doch höher, als wir allesammt, Wird Friedrich sich erheben! — Wie lange läßt er warten doch! — Der Räuberhauptmann lebe hoch!"

Und alle stimmen jubelnd ein In Freund Dau necke rs Rede Und stürzen aus den Feuerwein. — Doch bald erhebt sich Fehde, Und Scharffen st vn das Wort ergreift, Das er gar scharf und spitzig schleift: „Ich achte weniger als nichts, Was unsereins gesudelt; Doch ists ein Strom des ewgen Lichts, Wovon er übersprudelt? — Es rauscht und braust im jähen Fall, Ein wilder wüster Wasserschwall.

Ihr träumt von einer neuen Zeit, Von frühlingsheitren Tagen, Wo alle Herzen werden weit, Zu reinren Höhn getragen,

32 Wo frei der Geist die Wahrheit schaut

Und an dem Wohl der Menschheit baut.

Nun — Friedrich will mit Räuberhand

Die neue Zeit erraffen;

In Schlösser schleudert er den Brand, Den Müßige begaffen! Ist Feuerlohe wohl das Licht,

Das Winterschlaf und Kälte bricht?"—

Schnell Hoven spricht: „Der Räuberschaar

Hat R o m u l u s vertrauet,

Mit ihnen flog er wie ein Aar, Hat einen Horst gebauet,

Hat aus die Felsenhöhn gestellt Die hohe Herrscherin der Welt.

So Er, ein deutscher Rom ul us,

Wird auf der Menschheit Gipfeln Zu aller schlaffen Welt Verdruß,

Hoch ob der Eichen Wipfeln,

Erbauen zu der Menschheit Wohl Der Freiheit hehres Capitol.

33 Der Geistesherrschaft Heilger Sitz

Wird strahlen in den Mauern-,

Die sonder Furcht vor Zeit und Blitz Die Felsen überdauern.

Herrscht allwärts auch der Freiheit Wort,

Doch ist die Stadt des Friedens Hort!" Und Zumsteeg nist: „O wendet Euch

Bon Euern Wunderträumen! — Dort schleicht der Räuber im Gesträuch! — Seht ihn im Dunkeln säumen! —

Jetzt wieder eilt er hin im Laus Und starrt zum vollen Mond hmauf! —

Die Arme streckt er hoch empor:

Fürwahr, man möchte glauben, Er könne gar der Sterne Chor

Dem hohen Hinimel rauben! — Jetzt will umfassen fest und wann Der Menschheit All sein weiter Arm! — Wer edel denkt und feurig fühlt, Der wird von ihm gefangen;

Und wen nicht Todeskälte kühlt, Wird glühend an ihm hangen:

34 Er ist der edlen Horde Haupt,

Die Geister fängt und Herzen raubt!"—

Da plötzlich steht tut Gartenhaus

Der Freund, begeistrungstrunken; „Willkommen! — rufen froh sie aus,

Ihm an das Herz gesunken —

Von frischem Eichenreis umlaubt, Hoch lebe, hoch, Du Räuberhaupt!"

35

Hohenasberg. 1781.

Ma, grauenvoll ist das Verhängniß, ^Das — Edle wirft in Kerkernacht;

Doch wird zum Tempel das Gefängniß, Wo Unschuld klagt ob Zwingherrnmacht. Beim Dulder treten Pilger ein,

Der Treue soll ihr Herz er weihn. Hier auf dem Asberg ein'Jo Hannes*

Im Thurme schmachtet fort und fort: So ein Herodes** straft des Mannes

Freimüthiges und kühnes Wort. Da klopft als Pilger Friedrich an, Die Pforte wird ihm aufgethan. „Der Menschheit tiefe Seufzer tönen

Bei Deiner Lieder Klang empor;

Wie nächtge Donnerstimmen dröhnen Sie aus der „Fürstengruft" hervor. * Schubart.

** Herzog Karl.

36

Zu fragen hast Du kühn gewagt, Ob es nicht bald im Osten tagt.

Gerechtigkeit nur hast gesodert . Und Milde Du und Menschlichkeit: Dafür des Dankes Flamme lodert, Den heiß das deutsche Volk Dir weiht. Auch ich bin Dir mit Dank genaht, Will wandeln treu auf Deinem Pfad/'

Lang schweigt betrachtend der Gefangne, Er blickt dem Gast ins Herz hinein; Aufthut die Zukunft, die verhangne, Sich vor ihm wie mit Hellem Schein: Da öffnet er die Arme weit, Drückt ihn ans Herz mit Innigkeit. „Ein Löwe, Freund, ist Deine Dichtung*, Der seines Käfigs Gitter bricht, Nicht droht Verderben und Vernichtung, Nur sucht der Freiheit Luft und Licht. Im Raume, wo es eng und dumpf, Weilt nur, was todt ist oder stumpf.

37 Zum freien, lichten Geistesleben

Rufst Du den Liebling der Natur, Aus sumpfger Niedrung willst ihn heben Und tilgen jeder Kette Spur.

Heil Dir und Deinem Harfenspiel! Heil Deiner Blicke hohem Ziel!

Doch, Freund, das Land, das Dich geboren, Gab mir der Ketten Schmach und Last!

Die Freiheit hast Du Dir erkoren,

Die jeder Zwingherr scheut und haßt. Was diese starren Mauern mir,

Sind Deines Landes Grenzen Dir!

Drum reiß Dich los von Deinen Lieben,

Von Deiner Jugendfreuden Spur! Sei heimathlos, umhergetrieben: Die Fremde wird — vertrau ihr nur —

Dir Harfenklang und Freiheit geben! — Was brauchst Du weiter, um zu leben?"

Hoffnung und Heldenmuth verklären

Des Kerkers dunkles, dumpfes Haus;

38 Vom Freunde Friedrich geht mit Zähren : Wehmuth, Begeistruug preßt sie ans. —

Zum Asberg blickt er scheidend aus: „Ja, in die Ferne geht mein Lauf!"

39

Gefängniß. Stuttgart. 14. Juli 1782.

Üm düstern Kerker sitzt der Sänger —

^Zur Erde starrt der trübe Blick, Und eng wird ihm die Brust und enger Ob dem unwürdigen -Geschick;

Aufspringt er, stampft, die Faust geballt. Daß dumpf es ringsum wiederhallt. „Schon vierzehn Tage muß ich schmachten Fern von der Freiheit Sonnenschein! Und aller Tage Stunden fachten

Von neuem an die Gluth der Pein,

Daß herb darob gestraft ich bin, Was hoch beseligt Herz und Sinn!

Ich saß an stillverborgncm Orte Im hohen Tempelhaus der Kunst;* Da pocht ich an der Herzen Pforte —

Und Antwort gab der Menge Gunst, Des Beifalls schäumender Erguß: Mir ward der Dichtung Weihekuß. * Im Schauspielhaus zu Mannheim.

40 Rings floß das Strahlenmeer der Kerzen, Mit Andacht lauschte jedes Ohr,

Erschüttert Lebten tief die Herzen, Zum Aether flogen sie empor! — Dafür, Du Mann auf goldnem Thron, Giebst Du des Kerkers schnöden Lohn! —

Du willst, daß ich -mich nicht erkühne Und singe zu der Harfe Klang, Zum Volk nicht spreche von der Bühne

Und es erbaue mit Gesang! — Verachten müßt ich solche That:

Es wäre Feigheit und Verrath! Kannst Du zurück die Wogen halten, Die vorwärts wälzt der volle Strom?

Kannst Du mit Zwingherrnwillkür schalten Jnr Adlerreich am Himmelsdom? —

Ja, Adlerschwingen fühlt mein Geist,

Und Deinen Damm mein Drang zerreißt!" Da öffnet sich des Kerkers Pforte — Und sieh, es tritt der Herzog ein —

Und spricht zum Staunenden die Worte: „Ich komme selbst, Dich zu befrein!

41 Schau meiner Gnade milden Glanz,

Die gern Dir strahlte voll und ganz! Gehorchst Du aber nicht dem Winke

Und sprudelst ferner trüben Most: Wohlan, so nimm sie hin und trinke Des Fürstenzornes bittre Kost!

Der Asberg zähmt und zügelt gut Den tollen Dichterübermuth!'' —

So geht befreit — und doch gebunden Der Sänger aus der Mauern Haft;

Doch hat im Kerker er gefunden Des freien Geistes ewge Kraft:

Er wirst von sich der Ketten Wucht Und faßt den Mutb zu kühner Flucht.

II.

Der Abschied. Solitude. Mitte September 1782. 'illst Du nicht die Pfade gehen, Die Dein Fürst Dich wandeln heißt? —

Bald wird mild die Gnade wehen Und erheben Deinen Geist!"

„„Höher hebt als Fürstengunst Des Gesanges heilge Kunst!"" „Willst Du nicht zufrieden säumen,

Wo Du Jugendlust gefühlt? — Traulich ruhst Du unter Bäumen,

Die des Knaben Stirn gekühlt!" „ „Wo ich singen darf, die Flur, Sie ist meine Heimath nur!" " „Willst Du nicht die Schritte lenken

Treu nach des Berufes Wahl? —

Weisheit ist es, sich beschränken, Froh sich mühn im engen Thal!"

46 „ „Aus dem Kerker laß mich fliehn,

Auf der Freiheit Berge ziehn!""

„Willst, mein Sohn, Du nicht mehr eilen

In der Mutter offnen Arm? —

Soll verlassen ich hier weilen,

Trauern hier in Sorg und Harm?" — „„Mutter! — Mutter! — nimm mit Schmerz —

Nein, mit Freuden nimm mein Herz! —

Leicht mag ich vom Freunde scheiden,

Von dem trauten Heimathland, Mag die Berg und Thäler meiden,

Wo ich Spiel und Wonne fand — Gehn von Deinem Angesicht —

Mutter! nein, das darf ich nicht! —

Vater, Mutter will ich Pflegen,

Ich, des Hauses einzger Sohn!

Euer Beifall, Euer Segen Ist der Liebe reicher Lohn!

Euch die Augen drück ich zu,

Trag Euch sanft zur letzten Ruh!" "

47 Wie ein Wiederheimgekehrter

Er an seine Brust sie drückt;

Labt sich wie an langverwehrter, Seiger Wonne hochbeglückt;

Und er fühlt im Herzen schon Jetzt des schweren Opfers Lohn. — „Weh, wollt ich mein Glück erbauen,

Kind, auf Dein gebrochnes Herz! — Könnte sehn Dich nur mit Grauen! —

Gläubig schau ich himmelwärts:

Segne — fleh ich freudigbang —

Meines Sohnes Heldengang!" — Und mit Heilgen Wonneschauern

Fliegt der Sohn an ihre Brust. — Soll beim Abschiedsgruß er trauern? —

Jubeln laut in selger Lust? — Und er blickt zum Himmelsdom — Und es rinnt der Thränen Strom. —

48

Der deutsche Dichtenvatd. Nacht 17. —18. Sept. 1782.

om Thurme tönt die zehnte Stunde; Den Müden kündet in der Runde

Des Schlummers Ruh der Wächter Schaar:

Da öffnen sich des Stadtthors Flügel, Ein Wagen rollt, wie ohne Zügel Eilt hin das flüchtge Rossepaar; Fortfliehn sie rastlos, pfeilgeschwind,

Gepeitscht vom Regen und vom Wind. Doch Plötzlich, sieh, da wird der Wagen

Vom Sturm erfaßt, emporgetragen;

Doch, grad und sicher ist sein Lauf. Er hebt sich höher, immer freier; Schon hüllt ihn ein der Wolken Schleier; Und jetzt schon taucht er wieder auf. —

Doch darfst Du Deinen Augen traun? Verwandelt alles wirst Du schaun.

Der Rosse,Rücken zieren Flügel, In Silber prangen Zaum und Zügel,

49 Die fest ein Himmelsbote hält. Im Golde strahlt der offne Wagen,

Von Silberwolken leicht getragen

Hoch ob des Schlummers Nebelwelt. Die Flügelrösse schäumen, glühn, Die Näder Blitzesfunken sprühn.

Da männlich kühn und weiblich milde, Gleich einem himmlischen Gebilde,

Fährt eines Jünglings Hochgestalt. Seht seiner Augen lichte Sterne!

Sie senden Strahlen in die Ferne, Die von dem Klang der Sphären schallt. — Da stehn die Rosse festgebannt Vor eines Parks verschloßnem Land.

Und nicht bedarf es flehnder Bitten-, Schon kommt der Pförtner rasch geschritten

Mit freudestrahlendem Gesicht.

Vom Haupt ihm wallen Silberhaare Herab zum blauen Sammttalare, Den hell ein goldner Gurt umflicht.

Weitaus das Thor im Fluge springt, Indems wie Aeolsharfen klingt.

50 Der Jüngling naht mit schnellem Fuße,

Begrüßt mit ehrfurchtsvollem Gruße Den Pförtner, er erkennt ihn bald — Ja, Lessing ists, der spricht die Worte: „Hier ist die Aeol sharfenpforte,

Sie führt Dich in den Dichterwald, Der hier, wo Aetherlicht erglänzt,

Ein grottenreich Gebirg bekränzt.

Du, hehrer Töne junger Meister, Bist längst bekannt im Reich der Geister,

Dein Nam ist hier schon oft genannt. Lustwandle nun auf Himmelsbahnen, Erschau, was reine Herzen ahnen,

Hier in der Dichtung schönem Land: Denn in der Schönheit Farben bricht

Sich ewger Wahrheit Sonnenlicht."

Und alle Zweige flüstern, nicken, Und alle Blumen winken, blicken

Mit holdem Gruß zum Jüngling auf; Ihm tönen Nachtigallenlieder,

Aus Lüften schauen Adler nieder, Und Rehe nahn zu ihm im Lauf,

51 Der aller Sprache wohl versteht Und allseits dankend fürder geht.

Aus eines Buchwalds hohen Hallen Jetzt feierliche Klänge schallen,

Dann rauschts wie Kriegs- und Siegeslust, Dann von der ewgen Liebe Bronnen Und von der Freundschaft Heilgen Wonnen

Ertönt ein Lied aus voller Brust. — Und in der Sänger dichte Reihn

Tritt unbemerkt der Jüngling ein.

Doch Plötzlich alle Stimmen schweigen, Das Lied verhallet in den Zweigen, Der Jüngling steht, umringt vom Chor.

Nach vielvertrauter Freundesweise Tritt aus der Sänger stummem Kreise

Ein Mann mit Adlerblick hervor,

Die Zionsharfe hält sein Arm— K l o p st o ck begrüßt ihn liebewarm:

„Du strebst zum höchsten Dichterruhme! In Deines Busens Heiligthume Wogt der Gefühle fluthend Meer:

52 Die höchste Lust, die tiefsten Schmerzen Birgst Du in Deinem weichen Herzen,

Drin flammt die Liebe heiß und hehr. Du lebst und liebst, Du sinnst und singst,

Indem Du Dich zum Himmel schwingst.

Doch niedrig sind des Buchwalds Bäume, Für Dich zu eng der Hallen Räume, Der Du der Menschheit All mnschlingst:

Drum wandre weiter, immer weiter, Auf Bergen strahlt es frei und heiter,

Dort Du der Sehnsucht Ziel erringst; Dort schaust Du, was urbildlich schön,

Dort auf der Dichtung höchsten Höhn."

Inmitten eichenwaldger Auen Des Jünglings Blicke nun erschauen

Aus felsger Höh ein prangend Schloß.

Hoch in der Wolken luftgen Sitzen Erglänzten goldner Thürme Spitzen; Den Berg ein Silberstrom umfloß,

Drin scherzten ewig sonder Harm' Der Nixen und der Silsen Schwarm.

53 Ein Fürst hier waltet; Tod und Leben Stehn ihm zu Diensten; Todte schweben

Auf sein Geheiß aus finstrer Gruft;

Die Könge' Helden aller Zeiten

Sich um die Gunst des Fürsten streiten, Sie thun und sprechen, wie er ruft; Und Narren, Weise sind zu sehn, Die vor dem Herrn dienstfertig stehn.

Der Jüngling naht, am Bergesfuße

Harrt seiner schon mit Ehrsurchtsgruße Der Ritter Schaar, der Knappen Troß.

Die Ritter freudig ihn umringen Die dienstbeflißnen Knappen bringen Ihm dar ein weißes bäumend Roß —

Und zu der Burg hinauf im Flug Sprengt fort der langgedehnte Zug.

Hier unter goldnem Baldachine Thront sinnend mit verklärter Miene Der Fürst, ihn schmückt der Krone Kranz.

Vom Haupt ihm wallen Lockenhaare Zum Dichtermantel, zum Talare,

Den hell umflicht des Gürtels Glanz;

54 Die Rechte hoch das Scepter hält, Mit ihm gebeut er aller Welt. Den Jüngling jetzt der Zug geleitet Zum Fürsten, der die Arme breitet Und warm ihn drückt an seine Brust: „Des Geistes königlichem Sohne Reich ich der Dichtung Fürstenkrone, Der Menschheit höchste Zier und Lust: Da reihn in Hellem Sonnenglanz Die Stern und Rosen sich zum Kranz.

Das Scepter ist vom Eichenholze; Von außen glänzts mit Goldesstolze Und innen hats geheime Macht: Vor dieses Scepters leisem Winken Wird flugs ein Paradies versinken; Du winkst — und sieh, ein Eden lacht, Es nahn, zu Deinem Dienst bereit,' Gestalten aus der fernsten Zeit.

Und nun die Schultern Dir bekleide Ich mit des Mantels Sammt und Seide:

55 Die goldne Harfe hat gestickt

Darauf die kundge Hand der Dichtung; Wohin Dein Wunsch auch nimmt die Richtung,

Wohin die kühnste Sehnsucht blickt — Der Mantel trägt Dich zu den: Ort,

Zu Himmel, Erd und Hölle fort." Und auf den Thron an Wolfgangs* Seite Setzt sich der Jüngling, der Geweihte. Des Aethers Glanz durchflammt den Saal;

Das Schloß durchrauschen Festgesänge;

Es naht der Helden, Äönge Menge,

Sie huldigen ihm allzumal; Und von des Festes Jubel schallt

Der ganze deutsche Dichterwald. * Göthe.

56

Die Ruhe bei Frankfurt. October 1782.

m Schatten des Gebüsches ruht

s

Der Flüchtling, wund an Füßen,

Im Herzen wund. — Den kühnen Muth

Muß herb und hart er büßen. —

Er schlummert sest. — Ein leiser Harm Klagt aus den bleichen Zügen;

Bald glühen sie in Hoffnung warm, Die nimmer kann betrügen.

Ja, Hoffnung labt ihn wundersam,

Drohn auch die Stürme wüthend. — Der Freund * auf abgehaunem Stamm

Sitzt bei ihm treubehütend: „Du flohst aus Deiner Heimath Land,

Wie Dichs Dein Herz geheißen, Vom Fürsten, der aus Deiner Hand

Die Harfe wollte reißen. * Streicher.

57 Dein Sang nun in der Fremde schallt — Mich will die Furcht bethören:

Die Welt auch mag, die stumpf und kalt, Dein Harsenspiel nicht hören. —

Ich möchte nicht ein Dichter sein! —

Viel Himmel, wenig Erde! — Viel Wolken, wenig Sonnenschein! —

Kaum Holz aus schmalem Herde!" —

Sieh da, der Sänger jetzt erwacht;

Froh rings die Blicke schweifen, Als wollte mit Begeistrungsmacht Er in die Saiten greifen.

Der Schlaf erquickte Seel und Leib,

Er ist wie neugeboren: „Ich singe nicht zum Zeitvertreib

Für mich und müßge Thoren! —

Des Geistes sonnenhelles Schaun, Der Seele heilges Ahnen, Des Herzens schauervolles Graun,

Und des Gewissens Mahnen,

58 Der süßen Minne Lust und Leid, Des Denkers stilles Sinnen,

Des Helden Drang, zum Kampf bereit, Gefahr — und kein Entrinnen,

Des Geistersrühlingö Maienluft,

Der Menschheit hohe Würde, Der Schönheit süßer Blüthenduft, Der Tugend heilge Bürde,

Der Freiheit Adlerflügelschlag,

Der Andacht Weltgebäude, Des ewgen Friedens Weihetag, Der Gottesgrüß der Freude:

Das ist es, was ich singen will, Und kann davon nicht lassen!

Mein Mund wird dann erst stumm und still,

Muß er im Tod erblassen!

Gefühle, Bilder steigen auf

Wie Perlen in dem Becher —

Sie treiben schäumend Geist zuhauf,

Berauschen süß den Zecher.

59 Ich sollte schlürfen nicht im Flug

Des Geistes Wein, so schäumend?

Ich trink ihn durstig Zug aus Zug, Mich reich und selig träumend!

O hohe Dichterseligkeit,

Wann Geister sich begegnen, Wann Flügel er der Welt verleiht, Mit Dank ihn Herzen segnen!

Schon ward mir goldnen Weines Kost,

Solch himmlisch Glück beschieden — Nun sollte trüben Erdenmost

Ich schlucken feig zufrieden? —

Nein, ringen will ich ohne Rast

Nach höchstem Erdenlohne,

Bis ich erkämpft die süße Last

Der goldnen Dichterkrone!

Der heilge Dichterfürstenschmuck

Ist mir im Traum erschienen:

"Ihn will, sei schwer der Leiden Druck, Ich mühvoll mir verdienen! —

60 Verschlossen hinter mir die Welt — Ich kann nur vorwärts schreiten! —

Ich träume, wie ja träumt ein Held, Von Mühn — und Seligkeiten!" — Bewundernd schaut der Freund auf ihn,

Der feurig aufgesprungen

Und eilt, zum Heldenkamps zu ziehn, Schon sieht den Sieg errungen.

61

Friedrich und Streicher. Oggersheim, Oktober 1782.

aS Zimmer füllt der Mondenschein

w

Mit traulichhellem Düster,

Durchs offne Fenster schlüpft herein

Der Lüfte leis Geflüster. „Jetzt eile, Freund, zum Abend mir Die Labung zu bereiten!" Und Streicher setzt sich ans Clavier, Schlägt die metallnen Saiten.

Die Töne klingen süß und sanft, So minniglich, so milde, Wie Säuseln an des Baches Ranft, Wie Zirpen im Gefilde.

Dann rauscht es voll, wie wann der Wind Fährt durch die Tannenbäume,

Wann Adler schlagen hochgesinnt Die goldnen Wolkensäume.

62 Dann stürmts und braustS und faust3 daher, Wie Kampf der Wind und Wogen, Wann schäumend spritzt empor das Meer

Bis zu des Himmels Bogen:

Ein Mißton schreit, als ob Natur In Angst um Hülfe flehte! — Dann schweigt der Sturm — des Kampfes Spur

Verhaucht wie im Gebete. —

Dem Spiele Friedrich lauscht gespannt, Und doch wie lies versunken —

Schwebt er umher im fernen Land

Des Traums begeistrungstrunken?

Gemessen schreitet auf und ab

Erst langsam er im Zimmer, Wie es das Maaß der Töne gab,

Dann schnell und schneller immer.

Er scheint zu sprechen, er bewegt

Die Arme wie zum K-mpfe; Dann steht er still, kein Glied sich regt,

Er starrt hin wie im Krampfe.

63 Dann scheint er fröhlich, stillbeglückt,

Wie in der Selgen Sitzen;

Er seufzt vor Wonne hochentzückt, Und seine Augen blitzen. „Dank, Freund, für Deiner'Töne Spiel! —

Ich habe sie verstanden! Sie hoben mich zu hohem Ziel,

Empor zu ewgen Landen! Ja, Dein Getön hat mir gar viel

Den dunklen Pfad gelichtet!

Du spieltest da ein Trauerspiel —

Ich Habs Dir nachgedichtet. * * „Kabale und Liebe."

64

Das Versteck. Mannheim, 16. Nov. 1782.

Stübchen * hell die Lampe scheint ^Bei abendlicher Stunde,

Die Freunde lauschen traut vereint Dem Wort aus Friedrichs Munde.

Da Jffland tritt ins Zimmer ein In Hast mit bleichen Zügen: „Jetzt, Freunde, gilts, entschlossen sein,

Mit Vorsicht alles fügen!

Ein würtembergscher Hauptmann ist In M a n n h e i m eingetroffen! Nach Friedrich forscht allwärts mit List

Treuherzig er und offen!"

Erschrocken springt der Dichter auf: „Wohlan, so muß ich fliehen! Forteilen muß zu neuem Lauf

Ich flugs, darf nicht verziehen!" * Bei dem Schauspieler Meyer.

65 „ „Verschlossen ist das Thor der Stadt! — Weh uns! — Was nun beginnen? — Ich folge treu Dir nimmermatt! —

Wie kommen wir von hinnen?" " — So S t r e i ch e r. Schnell die Freundin * sprach:

„Ich, Freunde, will Euch retten! — Getrost! — In fürstlichem Gemach

Will ich Euch sicher betten!

Wohlauf denn, folgt mir zum Palast, Laßt Euch da häuslich nieder!

Da findet Freistatt Ihr und Rast, Bis frei die Straßen wieder!"

Sie gehn. Bald alles ist bereit, Die Flüchtigen zu bergen. „Hier ruhen wir in Sicherheit

Vor dem betreßten Schergen! —

In dem Palast umfängt uns hier Des Fürsten Gold und Seide! So weich, so prunkvoll haben wir

Noch nie geschlummert beide!" — * Frau (Suripni, Kastellanin im Palast des Prinzen von Baden.

66 Am Morgen Meyer eilends kam

Und brachte neue Kunde;

Den Freunden jede Sorg er nahm Mit lächelnd heitrem Munde:

„Der Würtemberger hat sich schon Von Mannheim weggewendet; Auch kam er nicht, Dich zu bedrohn, Vom Herzog ausgesendet. Spurlos die Woge der Gefahr

Zerrann vor Deinen Füßen! —

Ja, Scharffenstein, Dein Freund, es war:

Er wollte Dich begrüßen!" —

„ „Nun wohl, erträumt war die Gefahr — Ruft Friedrich ernst und heiter —

Doch war die Freundschaft treu und wahr! Drum wandr' ich fröhlich weiter!""

67

Das ländliche Fest. Bauerbach.

Mitte Mai 1783.

Herrin* naht! Auf, lasset schnell ^d^Das ganze Dörfchen prangen!

Die Freudensonne leuchte hell,

Sie festlich zu empfangen! Sie ist so edel, hochgesinnt, Erfreuen ist ihr Leben!

Entgegenjuble Greis und Kind, Die Hohe zu erheben!"

So rief der Sänger; alsobald, Zu fällen junge Maien, Enteilte fröhlich Jung und Alt,

Der Herrin sie zu weihen.

Mit dem Verwalter Vogt auch fuhr

Aus großem Leiterwagen Der Sänger durch die blühnde Flur Zum Hain, wo Birken ragen. * Frau Henriettev. Wolzogen.

G8 Bald kehren sie zum Dorf zurück, Mit Maienwald belastet;

Bis sie gepflanzt nicht Stück für Stück,

Die emsge Hand nicht rastet.

Und sieh, nun prangt ein langer Gang

Von lieblich grünen Maien

Das ganze frohe Dors entlang, Ihm Festesglanz zu leihen.

Aus Tannenzweigen vor dem Haus

Ragt hoch die Ehrenpforte, Geziert mit Band und Blumenstrauß

Und mit des Dichters Werte. —

Kaum ist das schnelle Werk geschehn,

Da wird im offnen Wagen Bon Rossen, deren Mähnen wehn,

Die Herrin hergetragen.

Zu der Posaunen vollem Klang Die Freudenrufe schallen,

Laut tönt der Jugend muntrer Sang, Durchs Thal die Böller hallen.

69 Und an der Ehrenpforte steigt Die Herrin aus dem Wageiz,

Vor ihr der Sänger sich verneigt,

Willkommen ihr zu sagen:

„Ja, Deine Ankunft ist ein Fest Den dankerfüllten Deinen,

Auf die stets Deine Liebe läßt Der Freude Strahlen scheinen.

Stets sei von frischem Maiengrün,

Von hohem Ehrenbogen, Von Blumen, die da nie verblühn,

Dein Lebensglück umzogen!"

Und dankend grüßet frohgerührt Die Herrin rings im Kreise; Zum Tanze dann sie alle führt

Nach ländlich heitrer Weise.

Und auf des Dorfes freiem Raum Da fliegen noch die Paare, Als lange schon den Maienbaum

Der Mond beglänzt, der klare.

70 Die Alten leeren manchen Krug,

Gefüllt mit Saft der Gerste;

Zu gehn vom Plan beim Stundenflug, Will keiner sein der erste.

Und spät noch schallt der Ruf durchs Thal: „Die uns zum Tanz geleitet, Der Herrin Heil, und ihm zumal,

Der uns das Fest bereitet!"

71

Der Tannenbaum. 1783.

W^ont Werk des langen Tages müde,

Sehnt sich die Flur nach Schlasesruh; Noch schickt dem Park der Solitude Die Sonne warme Grüße zu.

Da geht, im Schatten stillgeborgen, Der Pater Kaspar aus und ab,

Der mit stets wachen Gärtnersorgen

Dem Berg den Schmuck der Bäume gab. Und seine Blicke leuchten, schweifend

Hin über seiner Kinder Schaar;

Die Zweige, sanft die Hand ihm streifend, Sie bringen ihren Dank ihm dar.

Er hat sich auf dem Rundschaugange

Genaht hier einem freien Raum: Da prangt am hohen Bergabhange

Ein jugendkräftger Tannenbaum.

72 Von Thau und Sonnenschein gebadet,

Schlug Wurzeln er und wurde groß; In seiner Näh zur Ruhe ladet Den Wandrer eine Bank von Moos.

.Die Augen ruhen floh betrachtend Auf dem bezweigten, schlanken Baum; Bald Wolken ziehn, den Blick umnachtend,

Am Geist vorbei wie düstrer Traum. —

Da fährt er schnell empor und lauschet — Von fern er leisen Tritt vernimmt —

Die Gattin ists, die mit ihm tauschet Gern Worte, heiter stets gestimmt:

„Ich suchte Dich am Lieblingsorte, Den Du geschaffen und bepflanzt;

Hier öffnest Du des Herzens Pforte, Von Schmerz erfüllt, von Freud umtanzt.

Einst Deine Hand das Stämmchen setzte Als unsers Friedrichs Lebensbaum;

An ihm Dein Herz sich stets ergetzte, Betrachtend ihn in feigem Traum."

73 „ „Ach sieh, der Traum will treulos schwinde»!

Mein Fritz nicht wie sein Bild gedeiht! — Fest steht der Baum — Er kann nicht finden

Den Boden, der ihm Kraft verleiht.

Dem Vaterland ist er entflohen,

Verscherzt hat er des Fürsten Gunst;

Kaum bietet nun dem Sangesfrohen Den Bissen Brot die arme Kunst!

Unstät und flüchtig seh ich irren Ihn fern umher von Haus zu Haus; Sein Schicksalsknäul wird sich entwirren

Im Strom, der ihn verschlingt mit Graus !" “ —

„Willst unsre Hoffnung Du begraben So schnell in der Verzagung Schmerz? — O Vater, wisse: große Gaben

Verlangen auch ein großes Herz.

Ein reicher Schatz ist uns verliehen,

Ein seltnes Kleinod uns bescheert! — Laß ihn Kometenbahnen ziehen! —

O Vater, sei des Sohnes werth! —

74 Nicht fesseln ihn der Heimath Schranken — Ihm ist ja Vaterland die Welt;

Er wird im Reiche der Gedanken Ein Land erobern sich als Held.

Da wird er tiefe Wurzeln schlagen, Und in den weiten Hinnnelsraum

Wird königlich sein Wipfel ragen: Ein wunderreicher Weihnachtsbaum!" ,, „Du fliegst mit Deines Sohnes Flügeln! —

O laß uns blicken hirnmelwärts: Gott halt ihn treu an Deinen Zügeln!

Bewahre fest sein edles Herz! Laß ihn erschaun im Dienst des Guten

Der Wahrheit ewgen Sonnenschein! Entflammt von Deines Geistes Gluthen,

Laß ihn der Schönheit Priester sein!— " " Der Abend schon beginnt zu dunkeln; Nah ist der Sohn, ob auch so feru;

Und über ihnen sehn sie funkeln Am lichten Himmel Stern an Stern.

75

Dik Schaubühne. Mannheim. 1784.

"IJa, Freunde, bei dem Saft der Neben

^Läßt gern man leben, was man liebt: Der Wein ist Himmelskost zum Leben.

Das huldvoll uns die Liebe giebt. —

Die Bühne füllt mir Herz und Sinn: Sie ist der Tugend Lehrerin.

Hier tritt vor des Beschauers Blicke

Graunhaft des Lasters Häßlichkeit;

Hier wird nach Kampf und Mißgeschicke Der Tugend selger Lohn geweiht;

Der Thor belächelt hier sein Bild, Den Ernst erwägend, der ihm gilt. Geist und Natur zu einen, streben

Die Künste nach des Schöpfers Spur.

Der Bühne Kunst, der Bühne Leben

Sind voller Geist und voll Natur;

Das Leben selber siehst Du hier, Die Kunst ist nur des Lebeus Zier.

76 Natur ist hier, doch schön vollendet; Hier spricht der Geist, doch als Gestalt.

Zum Höchsten sie das Herz Dir wendet Mit sinnbezaubernder Gewalt,

Der Bühne lebensvolle Kunst: Ja, ihr gebührt des Volkes Gunst!

Aus der Gemeinheit sumpfgem Psuhle Hebt sie das Herz, des Geistes Blick;

Sie ist des Volkes hohe Schule;

Sie trägt in sich des Volks Geschick,

Der Bildung und Gesittung Zier: Es sinkt das Volk, es steigt mit ihr.

Wohlauf denn, leert die vollen Becher: Der Tugend und der Bühne Heil!" Mit Freuden stimmen ein die Zecher:

Dalb erg und I ff land, Beck und Beil. Und lange schallt es jubelnd fort, Des Sängers tiefgegriffnes Wort.

Den Wein, den froh der Dichter spendet, Hat jüngst ihm unbekannte Hand Mit der Bewundrung Gruß gesendet.

Die Freunde, die ihm geistverwandt,

77 Lud er zum traulichheitern Mahl, Zum Rheinwein im Krystallpokal.

Und Jsfland greift zum vollen Glase:

„Was ist die Bühne? — Leinwand, Holz,

Bemalt mit Bäumen, blumgem Grase, Bepinselt mit der Häuser Stolz —

Hat nicht in ihr des Dichters Macht Des Geistes Odem angefacht. —

Ein Bilderrätsel ist das Leben:

Gestalten, fühlend Schmerz und Lust,

Zahllos und bunt vorüberschweben, Des fernen Zieles unbewußt; Weit öffnet sich des Kampfes Feld —

Da ficht — und schwankt — und stürzt der Held.

Die Welt, so wirr und tausendfarbig,

Strebt sie zum Ziel der Einheit hin? — Des Dichters Brust, so kühn und narbig,

Sie kennt des Räthsels tiefen Sinn: Gluthwind hat ihm das Herz zcrwühlr,

Der Wahrheit Hauch die Stirn gekühlt.

78 So schafft lebendige Gestalten, Er schöpserselig, ungesucht,

Die vor uns handeln, wirken, walten, Zu tragen ewger Weisheit Frucht. Des Bühnendichters Schöpfergeist,

Er ist es, den mein Trinkspruch preist!" Und Hellen Klangs die Gläser tönen Dem Dichter , der mit Schöpferruf

Im treuen Dienst des Heiligschönen Des Lebens reiche Bilder schuf,

Der neu belebt die Bühnenwelt

Voll Heldenpreis als Dichterheld.

79

Friedrich und Minna. 17. April 1785.

Friedrich. 4®)ie Eden hinter Waldgen Hügeln

^2) Lag vor mir Leipzigs ferne Flur;

Ich flog zu Euch mit Sehnsuchtsflügeln Auf freudger Hoffnung lichter Spur.

Hoch wallt mein Herz, da ich gefunden Dich, die mit Körner traut verbunden.

Minna. Schon warst in unbekannter Ferne Du stets uns allen innigst nah: Auf zu Dir gleich dem Morgensterne

Das Auge floh erwartend sah; Du bringst nach nächtlich bangen Sorgen

Uns nun des Tages goldnen Morgen.

Friedrich. Ja, eines neuen Lebens Glühen

Schau ich; von rosgem Glanz erhellt,

Wo mir der Freundschaft Blumen blühen. — Verödet war mein Herz, vergällt —

80 Bei Freunden unter Blüthenbäumen

Wird hier es süß und selig träumen.

Minna. Das weiche, warme Herz der Frauen

Versteht und fühlt des Dichters Gluth. Wie gern dem edlen Mann sie trauen, Der wagt und kämpft mit kühnem Muth: So ehren sie die Geisteshelden,

Die hohe Thaten preisend melden.

Wie er auch mischen mag die Farben, Die Fraun durchspähn des Dichters Herz;

Sie sehn die Wunden, die vernarben, Errathen den geheimen Schmerz; Zu ewigsonngen Auen dringen

Sie mit ihm aus der Freude Schwingen.

Wir schaun zum Manne mit Entzücken, Der feurig fühlt und edel denkt;

Er nur kann uns, wir ihn beglücken,

Ihm weihn das Herz wir unbeschränkt:

Die Hand drum mußt ich Körner reichen — Dich ehr ich hoch als seines Gleichen.

81 Friedrich.

Man rühmt der Männer große Werke, Daß die Bewundrung auf sie schaut —

Ich beuge mich vor Frauenstärke Und vor dem Heldenmuth der Braut,

Die freudig kann das Höchste wagen Und schüchternkühn das Jawort sagen.

Ich komm, als Heldin Dich zu preisen: Du hast gekämpft, Du hast gesiegt! Die Ahnung singt nun süße Weisen, Vor Dir ein blühndes Eden liegt. So seligsicher — und doch bangend,

Strahlst wundersam Du, bräutlich prangend! —

Bald in dem Garten zarter Minne Wird Blumen Pflegen Eure Hand: Er pflanzt mit treuem Gärtnersinne,

Du bindest sie mit festem Band. — Beim sanften Wehn der Abendlüfte

Laßt schlürfen mich des Gartens Düfte!

82

Die Affenbühne. Ostermesse 1785. 13|)ier auf dem Noßplatz kreischt und dröhnt d Die Bretterwelt der Buden;

Des Schauens Lust hat da versöhnt

Die Christen und die Juden:

Sie drängen sich durch das Gewühl Mit friedlich fröhlichem Gefühl. Hier preist ein Zaubrer seine Kunst,

Der Harfenmädchen Stimme

Singt dort herbei der Menge Gunst; Hier brüllt ein Leu im Grimme,

Ein Schreier dort, des Tones bar, Ruft zu der Reiter luftger Schaar.

Mit Hub er ging der Dichter aus, Er kommt zum Reich der Buden;

Auch ihn die Stimmen, wirr und graus, Zu lustgem Schauen luden. Ein Dichter alles nützen kann: Die Affenbude lockt ihn an.

83 Der Assen Meister hat das Ziel Gesteckt sich gar nicht niedrig:

Aufsühren will ein Trauerspiel

Er heut — von wem? — Von Friedrich.

Lautaus ringsum Gelächter schallt, Einströmt die Menge, Jung und Alt. Der Dichter naht — da grüßt verklärt Der Meister: „Kunstgenossen

Ist freier Eintritt stets gewährt!

Fest hält ein Band umschlossen Die Kunstbeslißnen allzumal In Buden und im Fürstensaal." Erwartungsvoll die Menge lauscht,

Neugierge Kinder gaffen — Und schnell empor der Vorhang rauscht:

Da springt der Schwarm der Affen,

Sie führen wacker das Rappier

Und zechen als Hochschüler Bier.

Dann kommen sie als Räuberschäar; Den Hauptmann sieht man ragen; Die Helden glühn, durch die Gefahr Sich tapfer durchzuschlagen.

84 Der Säbel klirrt, die Büchse knallt Im dunkeln, rings umstellten Wald

Seht jetzt Fräulein Amali a!

Sie träumt und schwärmt im Garten. Schon ist auch Franz, der Freche, nah;

Nicht lange darf er warten, Da hat den Schlag er ins Gesicht,

Und vor dem Degen flieht der Wicht.

Dann lagert in der Nacht im Wald Die große Räuberhorde;

Den alten Moor sie finden bald Im Thurm: nach Rach und Morde

Wild schnaubend, zieht der Helle Troß Zu Franz ins hohe Grafenschloß.

Franz schauert vor der Hölle Brand:

Da tritt vor ihn — der Todte, Karl und Amalien an der Hand,

Wie des Gerichtes Bote. — Verwüstend kracht des Pulvers Macht —

Und alles stürzt in Todesnacht. —

85 Der Menge Beifall ruft hervor Den Meister und die Spieler;

Sie kommen — Blumen trägt der Chor —

Und werfen, gute Zieler, Zum Dichter Kränze, Strauß um Strauß,

Und Beifall jauchzt das ganze Haus.

86

Auerbachs Keller. Ostermesse 1785.

Sänger im Keller bei nächtlicher Stunde fröhlich der Dichter nnd schlürfte den Wein; Sie freuten sich da ob gar seltenem Funde, Viel werther als Silber und Edelgestein: Hier sahn an der Tafel in Frieden gesellt Sie allerlei Männer der kreisenden Welt. Ein Ind e da bechert im seidnen Talare; Hier sucht, von dem Kranze der Freiheit nrnlanbt, Ein Amerikaner den Wein statt der Waare; Ein Grieche von Korfu, das Fez auf dem Haupt, Sitzt da mit dem Briten, dem Franzmann vereint: Beim Becher ist keiner des anderen Feind. Der Dichter ergreift den Pokal: „Wie die Sage Berichtet, ist einstmals der Zauberer Faust Auf wuchtigem Fasse zu frohem Gelage Als Reiter hinaus zu dem Keller gesaust: Auch jetzt noch soll fahren zum Keller hinaus Der Zauber des Weins auf den Markt, in das Haus.

87 O seht doch das Wunder des Weines: den Frieden

Der Herzen, nicht mehr von der Zwietracht vergällt! Wie weit von einander wir draußen geschieden,

Hier sind wir vereinigt als Bürger der Welt. Vergessen ist hier, was die Menschen entzweit -

Hier feiert die Menschheit die goldene Zeit. O sagt, sind die Menschen nur Brüder im Keller? — Laßt fahren den Zauber des Weines empor!

Die Herzen sind wärmer, die Augen sind heller,

Zu schauen der Liebe geöffnetes Thor. Hoch lebe der heilige Friede der Welt,

Der Menschen zu Menschen als Brüder gesellt!" Hell klingen wie Glockengeläute die Becher, Und wieder erschallt vom Gewölbe der Laut;

Da rücken sich näher die fröhlichen Zecher, Begrüßen als Brüder sich herzlich und traut; Sie drücken sich feurig und bieder die Hand,

Umwunden vom menschheitumschlingenden Band.

Hoch hebet der Jude den Becher: „Ergriffen Hat tief mich das Wort aus begeistertem Mund!

Nicht war es vom Stolze des Wahnes geschliffen,

Es kam aus der Menschheit tiefinnerstem Grund.

88 Ja, dann wird der Mensch von dem Menschen geehrt,

Wann Wein uns durchglüht, wie's der Dichter gelehrt.

Die Dichter, verkünden verborgene Wahrheit,

Die menschenbeglückend die Seelen erhebt, Sie sonnig erfüllt mit der himmlischen Klarheit, Erstorbne Gefühle von neuem belebt. Die Dichter, sie reden die Sprache der Welt, Die alle verstehen, die allen gefallt.

Was nimmer wir hoffen, was nimmer wir glauben, Sie zeigens den Augen als wirklich und wahr;

Sie können verdorrete Zweige belauben Und bringen ein neues, gesegnetes Jahr; Sie sehen, wie keimt in der Erde die Saat,

Und rufen als Boten: „Der Frühling, er naht!"

Den Dichtern, die golden die Zukunft erschauen,

Den ersten, den fürstlichen Bürgern der Welt, Die strahlend den Tempel des Friedens erbauen

Mit Geistesgestein, das zu Schutt nicht zerfällt, Den Boten der neuen, der besseren Zeit

Sei jubelnd der schäumende Becher geweiht!"

89 Laut schallet der feurige Gruß in der Runde,

Es blitzen die Augen, von Flammen erhellt. — Bald eilet vorüber die nächtliche Stunde,

Zu schnell für die glühenden Bürger der Welt;

Sie drücken beim Scheiden sich liebend die Hand: „Wir Menschen sind Brüder aus jeglichem Land!"

90

Lustwandlung im Mai. Gohlis. 1785.

oll Leben und Lust ist die reiche Natur!

Nicht duldets im Stübchen ihn länger; Hinaus in die grünende, duftige Flur

Lustwandelt der sinnige Sänger; Da schaut er und fühlt er die Wunder der Macht, Die sendet den Frühling in blühender Pracht.

Die Lerche, sie schmettert in sonniger Luft Hoch über dem bunten Gefilde;

Herauf aus dem Thale die Nachtigall ruft,

Singt Lieder, gar schmelzende, nülde: Sie singet der Minne tiefinnigen Sang,

Im Leide noch froh, in der Freude noch bang. Die Sonne, von goldenen Wolken umsäumt,

Zur Flur, zu der blühenden, lächelt; Von Freude die Blume viel lispelt und träumt,

Von säuselnden Lüften umfächelt:

Sternblumen hier prangen, die Kinder der Au, Und Glöckchen da blühn wie der Himmel so blau.

91 Er pflücket die Blumen mit emsiger Hand; Dann setzt auf den Rain er sich nieder: Umwogt von den Halmen auf üppigem Land, Umwirbelt vom Klange der Lieder,

Fücht er bei des Abends erbleichendem Glan; Die Fülle der Blumen zum festlichen Kranz.

„Trübselige Geister umspinnen die Welt

Mit düsteren Trauergeweben — Nein, Freude nur schafft und erhöht und erhält Aus Erden, im Himmel das Leben! O Menschen, im Maimond verschließet doch nicht

Die Augen dem freudenaussirömenden Licht!

Je edler das Wesen, je mehr kann sichs freun, Laut jubelnd und tief im Gemüthe;

Nie werden da droben die Himmlischen scheun Der Freude süßduftende Blüthe;

Sie adelt, sie einigt das Menschengeschlecht, Lehrt edel uns handeln nach Wahrheit und Recht.

Die Liebe, die Freundschaft ist: Trieb zu erfreun; Zum frohen Genusse des Lebens Führt Liebe den Weg, den wir nimmer bereun,

Den nimmer wir wandeln vergebens.

92 Die Freud ist der seligen Gottheit Gefühl, Dort sprudelt ihr Urquell stets labend und kühl. Du Kränzlein des Feldes, weißschimmernd und blau, Dich weih ich dem Feste der Freude,

Das jährlich von neuem begeht auf der Au Der Herr in der Welten Gebäude! *

Wer trägt ein empfindendes Herz in der Brust, Der fühlet und theilet die himmlische Lust!" Spät kehrt mit dem Kranz bei dem sonnigen Schein Des Mondes ins Stübchen er wieder;

Zum Fenster, zum offenen, wallen herein

Die Düfte, der Nachtigall Lieder:

Sternblumen und Glocken des Geistes zum Kranz Flicht er in der Freude hellstrahlendem Glanz.

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Friedrich und Körner. Im Garten zu Kahnsdorf. 1. Juli 1785.

_ Körner. arap ^M-illkommen, Freund, in meinen Armen! drücke fest Dich an mein Herz! An Deiner Brust will ich erwärmen Und mit Dir fliegen sternenwärts!

Umschlungen von der Freundschaft Band,

Schaun wir des Geistes Vaterland.

Friedrich. Ich kam von fern mit schnellen Füßen — Schon fühl ich mich im Heimathland,

Wo Geister selig sich begrüßen, Beflügelt schweben Hand in Hand,

Wetteifernd mit einander ziehn

Dahin, wo alle Nebel fliehn.

Körner. Wie ich auch spähte rings und schaute, Ich konnte Winterfrost nur sehn,

Daß mirs im tiefsten Busen graute: Da fühlt ich Deines Geistes Wehn —

94 Und weit ward mir und voll die Brust,

Geschwellt von neuer Frühlingslust.

Friedrich. Nachtwandlern gleich die Dichter gehn

Im Mondschein auf der Menschheit Höhn; Um Jrdsches unbesorgt, sie sehen

Entzückt, was ewig wahr und schön:

>£) sorg, daß, wann ich fall im Lauf, Ich wach in Deinen Armen auf!

Körner. Dein innres Sein will ich umfassen! Will stets Dich mahnen hold und laut, Das hohe Kleinod nicht zu lassen,

Die Harfe, die Dir ward vertraut. Wohin Dich treibt Dein dunkler Drang — Freund, Dein Berus ist nur: Gesang!

Friedrich. O wohl mir, daß ich Dich gefunden,

Den Freund der Seele, warm und treu!

Ans Höchste fühl ich mich gebunden, Du machst den Muth mir täglich neu;

Antret ich kühn, mit Dir geweiht, Die Wandrung zur Vollkommenheit.

95 Körner. Wohlan! — Hinweg mit todten Zeichen,

Mit starrem, geistverlaßnem Wort,

Mit Schimmerfarben, die erbleichen, Und mit der Ueberliefrung Hort! Laß schaun uns in Begeisterung

Die Wahrheit, ewig frisch und jung!

Friedrich. Hinweg mit feiler Künste Gaben, Die Geist und Herz und Sinn entweihn! Was schön und edel und erhaben,

Verdient besungen nur zu sein.

Der Schönheit geistdurchdrungne Pracht,

Sie zieht uns an mit Zaubermacht.

Körner. Hinweg mit eitler Ehrsucht Banden Und mit der Tageshelden Ruhm! Wir klimmen zu der Freiheit Landen, Wo strahlt der Tugend Heiligthum.

Das Schwerste laß uns freudig thun, Auf Erden erst im Grabe ruhn!

96 Friedrich. Die Menschheit ist entzweit, zerrissen: Ehrgeiz und Herrschsucht, stolzer Wahn

Sind schlimmberathend stets beflissen, Zu führen sie auf wüster Bahn.

Zum Frieden Rath und Beispiel giebt, Wer Wahrheit, Güte, Schönheit liebt.

Körner. Bon äußren und von innren Drängern

Geknechtet ist der Menschheit Herz; Sie suchen endlos zu verlängern

Der Feindschaft und der Knechtschaft Schmerz. Die Menschheit einen und befrein, Das, Freund, soll unsre Loosung sein!

Friedrich. So laß in dieser Heilgen Stunde Uns nochmals fügen Hand in Hand!

Mit Dir im Seelenfreundschaftsbunde Durchbrech ich jeden Widerstand,

Fühl ich zum Kampf mich stark und kühn,

Und der Begeistrung Flammen glühn!

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Gustel von Blasewih. 1786.

"HBi, was der Blitz! Was will das Pferd Wild schäumend ohne Reiter? —

Nicht hats geirrt, ist heimgekehrt, War selbst sein kundger Leiter!

Weil ihm die Sporen gab ein Held In dem Kartofselkriege,

Blickt es so stolz noch in die Welt Und träumt vom Kampf und Siege."

Die Tochter ruft: „Was ist geschehn Dem Mann, dem wunderbaren?

Ach, Vater, komm, wir wollen sehn, Was ihm ist widerfahren!"

Doch eh sie gehen, ist er da;

Am Kleid die schmuzgen Zeichen

Verrathen laut, was ihm geschah, Dem Reiter ohne Gleichen.

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Und Gustel nimmt des Dichters Rock, Läßt ausgebreitet liegen Ihn in der Sonne; braucht den Stock, Daß staubge Wolken fliegen.

Am Tisch indeß der Dichter schmaucht Sein Pfeifchen ohne Klagen; Vor ihm die Kaffeetasse raucht, Draus schlürft er mit Behagen. Da spricht der Freund*: „Ei, was der Blitz! War denn der Hans besessen? — Ja, daß er sah den alten Fritz, Das kann er nicht vergessen!'' „„Aus Dresden ritt ich wohlgemuth Schnell durch den sprühnden Regen, Mein Klepper trabte fromm und gut Aus schlüpferigen Stegen. Doch als er sah sein Blasewitz, Stürmt er — ich hielt und drohte Er bäumte sich — und wie der Blitz Lag ich im tiefen Kothe!"" Segadin, Gutsbesitzer.

99 Und Gustel bringt zuriick das Kleid Zum Reiter, schelmisch lächelnd:

„Den Dichter hoben Lüfte weit

Empor, ihn hold umfächelnd! Vor ihm der Himmel sich erschloß! — Mit strahlender Geberde,

Indem ihn Aetherglanz umfloß, Fiel er da weich zur Erde!"

„„Nimm für den Scherz, die Müh — den Kuß! Heut werd ich mich beschränken; Doch will, wärs Dir auch zum Verdruß, Ich neckend Dein noch denken!" "

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Lustfahrt auf brr (Elbe. Lo schwitz. 1786.

'0 warst Du, Freund, im Wettergraus, Das immer tobt noch wüthend? Warum nicht flohst Du in ein Haus, Im Sturm Dich treu behütend?"



„ „Mehr als ein Haus beschützt das Glück! Was ich im Sturm getrieben? Ich kehre schnell zu Euch zurück, Erzähl es Euch, Ihr Lieben!"" Und Minna kocht, was ihn erquickt; Geschirr mit goldnen Reifchen Bringt Dora, die den Tisch beschickt; Und Körner stopft das Pfeifchen.

„Nun, Freundchen, komm und trink und rauch, Born Froste zu genesen! Gewiß bist nach dem alten Brauch Waghalsig Du gewesen!"

101 „ „Ich fuhr in schwüler Sonnengluth, Mich wiegend auf der Elbe;

Mich trug der Kahn in sichrer Huth; Sauft floß der Strom, der gelbe.

Der Himmel ist von Wolken frei; Dem Arm gehorcht, dem starken,

Das Schiff; es gleiten schnell vorbei

Von Pillnitz schmucke Barken.

Die Blicke schwelgend sich ergehn In Sachsens Paradiese;

Die Rebenhügel lächelnd sehn Herab zum Feld, zur Wiese.

Aus lichter Ferne zu sich winkt Der Berge blaue Kette;

Die stille Woge glitzernd blinkt, Sich schaukelnd in dem Bette.

Die Vogel schweben ob dem Strom, Ich griiße traut jedweden; Ich flieg ihn: nach zum Himmelsdom

Und schau herab zum Eden. —

102 Da flugs der Himmel sich umzieht

Mit Wolken, schwarz und düster; Der Sturnr erhebt sein pfeifend Lied Und toset wüst und wüster.

Der Donner wilderhaben rollt, Die Blitze feurig zucken; Der Strom mir, dem Verwegnen, grollt

Und droht, mich zu verschlucken.

Ihr Lieben, das war Herzenslust,

Zu tanzen auf den Wogen! —

Vom Sturm gepeitscht, mein kaum bewußt, Bin ich herabgeflogen.

Mit nervgcm Arme hielt ich fest

Mich auf des Stromes Wegen;

Ich saß dem Vogel gleich im Nest, Umtost von Wind und Regen.

Ich fühlte stolz die Manncsbrust

In der Gefahr sich schwellen: Zu kämpfen ist mir hohe Lust

Mit Donnergraus und Wellen!""

103 „Dich scheint der Sturm in der Gefahr Wie Zephyrhauch zu wiegen! —

Fürs Reich, wo herrscht, was gut und wahr, Wirst kämpfen Du und siegen!"

Der Maskenball. Weimar. Febr. 1788.

hallt der hohe schimmernde Saal Beim bunten, lustigen Feste; Des Daseins Mühn vergessen einmal, Den Ernst des Lebens die Gäste.

Der Masken Menge rufen zum Tanz Des Walzers muntere Klänge, Schnell reihen sich die Paare zum Kranz, Sich windend durch das Gedränge.

Jetzt ruht des Tanzes wiegender Flug, Und schmetternd schallen Drommeten: Da naht der Masken festlicher Zug, Des Saales Raum zu betreten. Einsiedler, Mönche wallen voran, Des Inquisitors gewärtig; Dem folgt der König Philipp sodann, Die Schlepp ihm tragend dienstfertig.

108 Elisabeth in fürstlicher Pracht Erscheint mit Mexikos Schätzen;

Demanten glühn wie Sterne der Nacht An ihr, das Aug z'u ergetzen.

Don Car los folgt und Alba zugleich, Die hier als Freunde sich fanden;

Es ziehn daher die Mächtgen im Reich, Des Hofes Damen und Granden.

Her tanzt der Harlekine Gespiel;

Was will die schelmische Rotte? — Sieh, hüpfend tragen Trümmer sie viel Der überwindlichen Flotte.

Den Zug beschließt der Marquis, der Held,

Oranien geht ihm zur Seite, Dem giebt die niederländische Welt

Zahlreich das Ehrengeleite. —

Wirr wogt endlos der Masken Gewühl, Die heiter scherzen und prangen —

Da kommt mit frohgestimmtem Gefühl

Torquato Tasso gegangen.

109 Er wandelt dahin, wo sich geschaart

Fräulein in blühendem Chore: Bald da erstaunt sein Auge gewahrt

Die Fürstin Eleonore.

Er bietet ihr den Arm zum Geleit;

Die Fürstin zögert nicht lange:

Huldvoll sich neigend, ist sie bereit Zum frohen, traulichen Gange.

„Hier Du beseligst, seliger Geist, Dev Dichters schmachtende Seele! Und keine Macht hier Dich mir entreißt,

Wenn ich Dein Jawort mir stehle! —

Weh mir, es slieht die täuschende Welt,

Und flüchtig schwindet die Stunde! —

Dann ist die Minne tief mir vergällt,

Zu Tode brennt mich die Wunde!"

„ „Auch ohne Maske kenn ich nicht mehr, Was sonst wohl Herzen geschieden.—

Doch hast Du ja ein ruhmreiches Heer-

Bon Ahnen, ruhend in Frieden.

110 Du hast der Menschheit heilige Stadt Als Posa wieder befreiet:

Gottfried* beginnt der Urkunde Blatt,

Die Dich zum Ritter geweihet.""

„Bist Du erschienen, seliger Geist, Zu süßem Trug mir und Spotte? —

Zeig mir Dein Antlitz! Sage, wie heißt

Dein Nam?" — Es lispelt: „Charlotte!" Doch plötzlich ist die Fürstin vom Arm Wie Geister spurlos verschwunden;

Nicht in der Masken wimmelndem Schwarm Hat er sie wieder gesunden.

„O kehre, hohe Fürstin, zurück! — Nein, Du erschienst nicht zum Spotte! — Ich fühls: des Lebens innigstes Glück

Blüht mir bei Dir nur, Charlotte!" * v. Bouillon.

Das Ständchen. 26. Mai 1789.

A^och schallt Gesang und Guitarrengejpiel, Sind auch erloschen die Kerzen;

Des Meisters Wort, das begeisterte fiel Tief in der Jünglinge Herzen:

Der Weisheit Gold ihm gediegen entquoll,

Sie bringen ihm der Bewunderung Zoll.

Es ruft die Schläfer der muntere Schwarm, Die lang sich rufen nicht lassen;

Laut jubeln sie, die nicht kennen den Harm, Durch Jenas schlafende Gassen. Die ganze Stadt aus dem Schlaf sich erhebt, Erschrocken ist sie, erregt und belebt.

„Was giebt es? Sage, was ist denn geschehn —

So fragt ein Bürger den andern —

Daß unsre Herren vom Schlummer erstehn Und rufend ziehen und wandern?

112 Schon haben heute geneckt sie die Stadt,

Die jetzt kaum ruhig gelagert sich hat!"

,,„Ein Ständchen bringen dem Meister sie dar, Dem neueröffneten Bronnen.

Ich seh zurück schon aus mehr als ein Jahr —

So hat noch keiner begonnen! Das ist ein Meister besonderer Art! Traun, der muß mehr wohl noch sein als gelahrt!""

Hier stehet still an dem Hause der Zug,

Die Klänge tönen und rauschen;

Es öffnen rings sich die Fenster im Flug, Und Fraun und Männer da lauschen.

Jetzt tritt ein Haupt mit dem wallenden Haar —

Novalis ists — aus der Jünglinge Schaar:

„Dir, hoher Meister, erschallt in der Nacht

Der Klang der feiernden Töne! Wir grüßen Dich mit Begeisterungsmacht,

Wir, Deutschlands feurige Söhne! Der Wahrheit steilen und sonnigen Pfad Geleitest Du mit dem Wort und der That.

113 Du lehrst uns suchen den Geist, nicht das Brot;

Zum Wahren fügst Du das Schöne, Zum Licht des Morgens das liebliche Roth.

Laut schall, daß Deutschland erdröhne, Dein Hoch, Du Hoher, in funkelnder.Nacht,

Wie in des Tages buntschimmernder Pracht!" Und endlos dröhnet das Rufen mit Macht,

Guitarren rauschen und schwirren,

Von Fenstern flattert es weiß durch die Nacht,

Stoßdegen, Sporen erklirren. Das Rufen, Rauschen, fort hallt es und fort,

Kaum gönnt es dem Meister das flüchtige Wort: „In Euch begrüß ich Germaniens Mai, Des Volkes Hoffnung und Wonne!

Erhebt die Kelche, die blühenden, frei Zum Maienlichte der Sonne! Trinkt von dem Geist, der hier strahlt, den Ihr sucht:

So reifet Ihr zu der köstlichsten Frucht! O selge Pflicht, o erhabene Lust,

Der Jugend Herz zu erheben! Ruft, Weisheitsjünger, mit schwellender Brust

Froh mit mir: Jena soll leben!

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Der freien Wissenschaft sprudelnder Quell Entsendet Bäche wie Silber so hell! "

Einstimmt die Menge mit brausender Macht, Guitarren rauschen und schwirren, Von Fenstern flattert es weiß durch die Nacht, Stoßdegen, Sporen erklirren. „Jena soll leben, der Wissenschaft Hort!" So singend ziehen die Jubelnden fort.

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Die Begegnung. Herbst 1789.