Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland 9783412328733, 3412148989, 9783412148980


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Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland
 9783412328733, 3412148989, 9783412148980

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Jürgen Wilke (Hg.) Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Jürgen Wilke (Hg.)

Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland

§

1999

BÜHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland / Jürgen Wilke (Hg.). Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 1999 ISBN 3-412-14898-9 © 1999 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Anakonda Ateliers, Frankfurt/Main Satz: Fotosatz Froitzheim, Bonn Druck: Graph. Großbetrieb Pößneck, Thüringen Printed in Germany ISBN 3-412-14898-9

Inhalt

JÜRGEN W I L K E

Vorwort

1. Einleitung JÜRGEN W I L K E

Überblick und Phasengliederung

15

2. Vorgeschichte KURT KOSZYK

Presse unter alliierter Besatzung

31

A R N U L F KUTSCH

Rundfunk unter alliierter Besatzung BILDTEIL PRESSE

59 91-106

3. Strukturwandel des Mediensystems WALTER J. SCHÜTZ

Entwicklung der Tagespresse

109

H A N S BOHRMANN

Entwicklung der Zeitschriftenpresse

135

ANSGAR D I L L E R

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

146

RÜDIGER STEINMETZ

167

Initiativen und Durchsetzung privat-kommerziellen Rundfunks

Inhalt

6

4. Angebote, Inhalte, Programme H A N S MATHIAS KEPPLINGER

Zeitungsberichterstattung im Wandel

195

HORST O . HALEFELDT

Programmgeschichte des Hörfunks BILDTEIL HÖRFUNK

211 231-254

PETER L U D E S

Programmgeschichte des Fernsehens

255 277-301

BILDTEIL FERNSEHEN I JÜRGEN W I L K E

Leitmedien und Zielgruppenorgane

302

CHRISTINA HOLTZ-BACHA

Alternative Presse

330

MICHAEL SCHMOLKE

Die kirchlich-konfessionelle Presse BILDTEIL FERNSEHEN II

350 375-397

5. Rezeption, Publikum RÜDIGER S C H U L Z

Nutzung von Zeitungen und Zeitschriften

401

MARIE L U I S E KIEFER

Hörfunk- und Fernsehnutzung

426

6. Rahmenbedingungen und Bedingungsfaktoren HANS-JÜRGEN PAPIER/JOHANNES MÖLLER

Presse- und Rundfunkrecht

449

JÜRGEN W I L K E

Nachrichtenagenturen

469

7

Inhalt

WOLFGANG DONSBACH

Journalismus und journalistisches Berufsverständnis

489

SIEGFRIED J. SCHMIDT

Werbung BILDTEIL WERBUNG MICHAEL KUNCZIK

Öffentlichkeitsarbeit

518 537-544 545

7. Zweistaatlichkeit u n d d e u t s c h e Vereinigung GUNTER HOLZWEISSIG

Massenmedien in der D D R

573

BEATE SCHNEIDER

602

Massenmedien im Prozeß der deutschen Vereinigung

8. F u n k t i o n s w a n d e l , Wirkungsgeschichte A X E L SCHILDT

Massenmedien im Umbruch der fünfziger Jahre

633

JÜRGEN W I L K E

Massenmedien und Vergangenheitsbewältigung

649

B E R N D SÖSEMANN

Die 68er Bewegung und die Massenmedien

672

H A N S MATHIAS KEPPLINGER

Publizistische Konflikte

698

JOCHEN HOFFMANN/ULRICH SARCINELLI

720

Politische Wirkungen der Medien 9. Ausblick

JÜRGEN WILKE

Zukunft Multimedia

751

Inhalt

8

10. A n h a n g Tabellen und Schaubilder

777

Zeittafel

799

Literaturverzeichnis

815

Personenregister

833

Die Autorinnen und Autoren

837

Bildnachweis

843

JÜRGEN WILKE

Vorwort

Am 23. Mai 1999 jährt sich die Gründung der Bundesrepublik Deutschland zum fünfzigsten Mal. An jenem Tag des Jahres 1949 wurde das vom Parlamentarischen Rat erarbeitete und von den Länderparlamenten mit Ausnahme Bayerns angenommene Grundgesetz verkündet. Damit entstand auf dem von den westlichen Alliierten besetzten Territorium des im Kriege untergegangenen Deutschen Reiches ein demokratischer, föderaler Staat. Wenige Monate später, am 7. Oktober 1949, setzte die Provisorische Volkskammer in der sowjetisch besetzten Zone die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft und gründete damit dort ein eigenes deutsches Staatsgebilde. Beide Ereignisse verfestigten die deutsche Spaltung, die vier Jahrzehnte dauern sollte, bis zu der von vielen nicht mehr erwarteten Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Im Jahre 1999 besteht für die Bundesrepublik Deutschland somit Anlaß, auf ein halbes Jahrhundert ihrer Geschichte zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Dies betrifft viele Bereiche sowohl der Politik als auch der Gesellschaft und der Kultur. Wichtig sind hier gewiß auch die Massenmedien, also Presse, Hörfunk, Fernsehen und Film. Denn die Entwicklung der Bundesrepublik ist in den fünf Jahrzehnten ihres Bestehens nicht zuletzt durch diese Medien und die durch sie vermittelten Prozesse der Information und Kommunikation geprägt worden. Wir wissen inzwischen, welche elementare und kaum zu überschätzende Bedeutung solchen Prozessen für politische und gesellschaftliche (Teil-)Systeme zukommt. Das 1999 zu feiernde Gründungsjubiläum ist deshalb der Anlaß, mit diesem Band eine Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen. Darin soll in zusammenfassender Form dargestellt werden, wie sich Presse, Hörfunk und Fernsehen in unserem Land seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt, welche Funktionen und Wirkungen sie dabei ausgeübt, ja welche Rolle sie gespielt haben. Bewußt verzichtet wird dabei auf die Einbeziehung von Kino und Film. Der Film ist ein Medium eigener Art mit speziellen, überwiegenden Unterhaltungsfunktionen und Distributionsformen, die ihn von den anderen Medien abheben. Überdies, und das ist noch wichtiger, liegen Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Films im Nachkriegsdeutschland bereits mehrfach vor1. Angesichts der auch bei einer Beschränkung auf Presse und Rundfunk gegebenen Breite des Themenfelds kann ein einzelner allein eine solche Mediengeschichte kaum liefern. Aber auch die zur Vorbereitung dieses Bandes verfügbare Zeit machte es unausweichlich, diese Darstellung als ein kollektives Unternehmen zu betreiben. Das hat vielleicht Nachteile gegenüber einem Werk »aus einer Hand«.

Vorwort

10

Aber auch die Vorteile sind nicht zu übersehen, weil hier Spezialisten aus verschiedenen Teilbereichen der Medienforschung beteiligt werden konnten. So ist der vorliegende Band auf der Grundlage eines vom Herausgeber vorgezeichneten Konzepts durch die Mitarbeit einer größeren Zahl von Fachgelehrten und Medienexperten zustande gekommen, wobei außer Publizistik- und Medienwissenschaftlern auch Juristen und Historiker mitwirkten. Die Gliederung des Bandes versucht der Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Ordnung zu unterlegen, ohne in eine allzu starre Systematik zu verfallen. Wenn auch eine solche Mediengeschichte strenggenommen erst im Jahr 1949 einsetzen kann, so würde man damit natürlich verkennen, daß zu diesem Zeitpunkt wesentliche Grundpfeiler bereits fundamentiert waren, denn der Aufbau der Massenmedien in dem durch den Krieg zerstörten Land setzte selbstverständlich mit der Besetzung durch die alliierten Siegermächte ein. Ohne deren tief prägende medienpolitische Entscheidungen kann die Medienentwicklung in der Bundesrepublik gar nicht verstanden werden. Deshalb beginnt die Darstellung mit einem Kapitel zur Vorgeschichte (bis 1949). Die Geschichte der Medien in der Bundesrepublik läßt sich im einzelnen unter verschiedenen Aspekten darstellen. Es lassen sich Strukturen und Organisationsformen (einschließlich ihrer Grundlagen) ebenso beschreiben wie der Wandel der inhaltlichen Angebote oder Programme und ihrer Nutzung. Diesen unterschiedlichen Aspekten sucht die Gliederung durch die Kapitel 3,4 und 5 Raum zu geben. Dabei werden außer den »Hauptmedien« auch die kirchlich-konfessionelle Presse und die Alternativpresse als Zweige des Mediensystems gesondert behandelt. Die Geschichte der Medien selbst wurde in der Bundesrepublik seit 1949 (bzw. 1945) von zahlreichen Randbedingungen und Bedingungsfaktoren bestimmt. Dazu gehören die rechtlichen Grundlagen, deren Fortschreibung einen wesentlichen Teil der Kommunikationspolitik bildete. Es zählen hierzu aber auch die ( V o r l e i s t u n gen der Nachrichtenagenturen. Zudem muß den Journalisten und dem journalistischen Berufsstand Aufmerksamkeit geschenkt werden. Weitere Bereiche, deren Entwicklung in enger Verbindung mit den Massenmedien stehen, sind Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Ihnen sind deshalb in Kapitel 6 ebenfalls eigene Beiträge gewidmet. Wie eingangs vermerkt, entstand nahezu zeitgleich mit der Bundesrepublik Deutschland die DDR als zweiter deutscher Staat der Nachkriegszeit. Diese Spaltung bedingte vierzig Jahre lang eine getrennte Geschichte auch des Mediensystems und der Medien. Aber wie sollte der Zweistaatlichkeit in dieser Mediengeschichte Raum gegeben werden? Da die Mediengeschichte der alten Bundesrepublik hier im Zentrum steht, konnte diejenige der DDR nicht gleichrangig behandelt werden. Zudem ist diese seit der Wiedervereinigung abgeschlossen. Im übrigen fehlt es hinsichtlich der Mediengeschichte der DDR zum Teil noch an Vorarbeiten, denn deren ideologisch nicht fixierte Erforschung konnte erst in den letzten Jahren nach der Öffnung der Archive einsetzen. Wenn so die Mediengeschichte der DDR hier nicht gleichrangig behandelt werden kann, so verdient sie aber doch einen umfänglicheren Beitrag. Diesem folgt ein solcher über die Rolle der Medien im Prozeß der Wiedervereinigung.

11

Vorwort

Bilden in den Kapiteln 2 bis 5 (und auch 7) die Medien als solche in ihrer (chronologischen) Entwicklung den Gegenstand der historischen Abhandlung und wird auch in Kapitel 6 bei den Rahmenbedingungen und Bedingungsfaktoren nach diesem Prinzip verfahren, so machen die Beiträge des Kapitels 8 den Versuch, die Medien im Kontext der Zeitgeschichte der Bundesrepublik Deutschland zu betrachten. Hier geht es um ihre gesellschaftlichen und politischen Wirkungen, um ihre Bedeutung innerhalb des sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Wandels sowie um ihren Beitrag zur Bewältigung von Konflikten und gesellschaftlichen Problemen. Eingerahmt sind die Hauptkapitel dieser Mediengeschichte durch einen Überblick und einen Versuch zur Phasengliederung sowie durch einen Ausblick auf die Zukunft, steht das Mediensystem der Bundesrepublik doch zum Zeitpunkt des fünfzigsten Jahrestags ihrer Gründung vor einem neuerlichen tiefgreifenden Umbruch, für den das Schlagwort »Multimedia« steht. Trotz des Umfangs dieser Mediengeschichte stand für jeden einzelnen Beitrag nur ein sehr begrenzter Platz zur Verfügung. Dies zwang die Verfasserinnen und Verfasser durchweg zu einer knappen Darstellung, in der bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden mußten. Insofern gibt es gewiß Lücken, und manches kommt notwendigerweise zu kurz. Dessen waren sich alle Beteiligten bewußt, und damit nicht jede oder jeder es für sich beklagen muß, wird hier dafür vorweg eine Generalabsolution erbeten. Wünschenswerte Vertiefungen bieten die Hinweise in den Anmerkungen und das zusammenfassende Literaturverzeichnis. Der Herausgeber möchte an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der hier vorgelegten Mediengeschichte der Bundesrepublik vielmals danken. Ein Dank gilt ferner der Bundeszentrale für politische Bildung, die diesen Band mit Enthusiasmus in ihre Projekte zum Gründungsjubiläum der Bundesrepublik Deutschland 1999 aufgenommen und sein Zustandekommen in jeder Form gefördert hat. Rüdiger Thomas und Dr. Harald Geiss sowie Hildegard Bremer und Birgitta Gruber seien hier wegen der vorzüglichen Kooperation eigens genannt. An der Vorbereitung des Bandes waren aus meinem Arbeitsbereich Barbara Daub, Carsten Reinemann und Ute Stenert beteiligt, denen ich hier ebenfalls meinen Dank ausdrücken möchte.

1

Vgl. Wolfgang Jacobsen/Anton Kaes/Hans Helmut Prinzler (Hrsg.), Geschichte des Deutschen Films, Stuttgart 1993; Werner Faulstich/Helmut Körte (Hrsg.), Fischer Filmgeschichte. 100 Jahre Film 1895-1995. Bd. 3: Auf der Suche nach Werten (1945-1960), Bd. 4: Zwischen Tradition und Neuorientierung (1961 -1976), Bd. 5: Massenware als Kunst (1977-1995), Frankfurt/M. 1994/95.

JÜRGEN WILKE

Überblick und Phasengliederung

1. Ein Neubeginn - nicht ohne Anknüpfung an ältere Traditionen Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet wurde (worauf am 7. Oktober desselben Jahres die Verfassung der DDR folgte), setzte eine neue Epoche der deutschen Geschichte ein. Auf dem Territorium, das von den westlichen Alliierten 1945 erobert und besetzt worden war, etablierte sich ein föderaler, nach demokratischen Prinzipien gebildeter Rechtsstaat, wie es ihn in dieser Form bis dahin hierzulande nicht gegeben hatte. Dagegen wurde in der DDR abermals eine jetzt auf Grundsätzen des Sowjetkommunismus beruhende Diktatur errichtet. In der Gründung der Bundesrepublik mündete 1949 eine Entwicklung, die nach der militärischen Niederlage und dem politischen Zusammenbruch des NSRegimes 1945 ihren Anfang genommen hatte. Insofern muß man den eigentlichen Neubeginn bereits in jenes Jahr datieren. In vielerlei Hinsicht bedeutete das Jahr 1945 einen Neubeginn, sowohl politisch als auch wirtschaftlich und kulturgeschichtlich1. Freilich sollte es Jahre dauern, bis sich in Deutschland neue tragfähige Grundlagen und Verhältnisse herausgebildet hatten. Einen Neuanfang brachte das Jahr 1945 auch für die gesellschaftlichen Kommunikationsmedien, also für Presse (Zeitung, Zeitschrift), Rundfunk und Film. Ja der Bruch mit der Vergangenheit war hier besonders stark, tiefgreifender als in anderen Lebensbereichen. Denn das totalitäre NS-Regime hatte seine Macht vor allem auf eine durchgreifende Instrumentalisierung der Massenmedien gegründet2. Wenn in der zeithistorischen Forschung mittlerweile die Zäsur 1945 auch schon relativiert worden ist, weil sich bereits vorher bestimmte sozialgeschichtliche Veränderungen in Deutschland abzuzeichnen begannen3, so kann dergleichen für die Geschichte der Medien gewiß nicht gelten. In dieser Hinsicht stellt das Jahr 1945 tatsächlich einen immensen Einschnitt dar. Nur von diesem her läßt sich die Mediengeschichte der vier Jahre später entstandenen Bundesrepublik erklären und verstehen. Doch die Jahre zwischen 1945 und 1949 lediglich als »Vorgeschichte« zu betrachten, hieße ihre Bedeutung womöglich zu unterschätzen. Denn faktisch legten bereits die alliierten Besatzungsmächte dauerhafte Fundamente im Bereich der Medien4. Ihren Einfluß auf die Nachkriegsgeschichte von Presse, Rundfunk und Film in Deutschland kann man gar nicht hoch genug ansetzen. Dabei waren die Maßnahmen der Alliierten eine Konsequenz der Überzeugung, daß in der propagandistischen Medienlenkung der Nationalsozialisten eine wesentliche Ursache für die Ka-

Überblick und Phasengliederung

16

tastrophe lag, die von Deutschland ausgegangen war. Ähnliches sollte künftig auf Dauer verhindert werden. Das heißt aber nicht, daß es ganz ohne Anknüpfung an ältere deutsche Traditionen abgegangen wäre5. Diese bestanden vor allem in zweierlei Hinsicht weiter. Schon seit den Anfängen der periodischen Presse hatte sich in Deutschland ein lokal und regional vielseitiges Zeitungswesen entfaltet. Das entsprach der sprichwörtlichen »Kleinstaaterei« und dem hierzulande charakteristischen Föderalismus. Daran knüpften auch die Alliierten bei der Zulassung deutscher Zeitungen nach Kriegsende notwendigerweise an. Allerdings waren sie bemüht, durch die Lizenzierung großer Regionalzeitungen jene Zersplitterung in eine Unzahl von lokalen Blättern zu vermeiden, die noch in der Weimarer Republik bestanden hatten, aber wegen ihrer häufig geringen Auflagen wirtschaftlich und politisch abhängig waren, so vor allem vom Hugenberg-Konzern im rechten Spektrum, aber auch vom Münzenberg-Konzern im linken. Jedenfalls erstand nach 1945 als dominierender deutscher Zeitungstyp wieder die regionale bzw. lokale Abonnementzeitung. Konstitutiv wurde das föderale Prinzip zudem wieder für die Organisation des Rundfunks, womit eine Abkehr von seiner Zentralisierung unter der NS-Herrschaft stattfand. Zumindest in der topographischen Ansiedlung der programmproduzierenden Sender knüpfte man nach 1945 an den Rundfunk der Weimarer Republik an6. In der inneren Organisation beschritten die Alliierten hingegen einen neuen Weg zu einem möglichst staatsfreien Rundfunk. Allerdings ergab sich die föderale Rundfunkstruktur jetzt weniger - zumindest nicht nur - aus der Präferenz für ein traditionsreiches deutsches Prinzip, sondern zunächst einmal aus der Tatsache, daß jede der Besatzungsmächte die Medien zunächst in der eigenen Zone organisierte. Dabei verfuhren die Amerikaner weitaus »föderaler« als die Briten oder Franzosen, von den Sowjets ganz abgesehen. Obschon mit dem Jahr 1945 eine neue Phase der deutschen (Medien-)Geschichte einsetzte - eine »Stunde Null«, von der dabei gesprochen worden ist7, hat es aber nicht gegeben. Daß eine solche nicht eintrat, hatte mit dem sich hinziehenden Kriegsende zu tun. Während im April und Mai 1945 noch die letzten Kämpfe in der Reichshauptstadt tobten, die schließlich erst die Kapitulation am 7-/8. Mai herbeiführten, hatte anderswo schon der Neuaufbau der Kommunikationsmedien begonnen. Seit dem 24. Januar 1945 erschienen bereits die »Aachener Nachrichten« als erstes von den Amerikanern ins Leben gerufene deutsche Wochenblatt, in einer Stadt, die bereits Mitte Oktober 1944 von den Alliierten erobert worden war. Auch einige amerikanische Heeresgruppenblätter begannen bereits vor der deutschen Kapitulation zu erscheinen (so in Köln, Frankfurt, Kassel und Braunschweig). Nicht viel anders war es beim Rundfunk. Radio Hamburg konnte als Sender der britischen Militärregierung bereits unmittelbar nach der Besetzung der Stadt am 4. Mai 1945 seine Sendungen aufnehmen, noch bevor am 9. Mai 1945 der Sender Flensburg als letzte Rundfunkeinrichtung des nationalsozialistischen Regimes seine Sendungen einstellte. Der Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit sollte sich nach dem Willen der Alliierten noch in anderer Form niederschlagen. Beispielsweise durften zunächst keine früher gebräuchlichen Zeitungstitel wiederverwendet werden. Eine Rückkehr oder Wiederaufnahme älterer Titel gab es hier und da erst, als der alliierte

17

Jürgen Wilke

Einfluß mit der Gründung der Bundesrepublik schwand. Nicht ganz so streng verfuhr man bei den Zeitschriften. Verschiedene Organe, die von den Nationalsozialisten verboten worden waren, konnten jetzt wieder erscheinen, so die in der Weimarer Republik von Carl von Ossietzky herausgegebene »Weltbühne«, die 1946 im sowjetischen Sektor Berlins wieder herauskam, das 1938 zwangsweise eingestellte katholische »Hochland« (seit November 1946) und die von Rudolf Pechel betreute »Deutsche Rundschau« (1942 verboten, 1946 wieder erschienen). Ein Neuanfang sollte 1945 auch personell gemacht werden. Zumindest gemäß den Zulassungsbedingungen sollte niemand als Journalist arbeiten, der dies auch vor 1945 getan hatte. Dieser offiziellen Devise folgte man zwar nach Möglichkeit, doch wurde sie in der Realität nicht durchweg eingehalten. Immerhin standen die Alliierten vor dem Problem, Personal zu rekrutieren, das die journalistischen Aufgaben erfüllen konnte. Wie weit der personelle Neuanfang reichte, läßt sich bis heute nicht definitiv bestimmen. Daß die Franzosen hier »pragmatischer« verfuhren als Amerikaner und Briten, hat man immer schon gewußt, es läßt sich inzwischen auch empirisch bestätigen 8 . So hat es mehr personelle Kontinuität gegeben, als es die ursprünglichen alliierten Vorschriften intendiert hatten, und dies auch in den nichtjournalistischen Funktionen 9 . Vor allem der Anteil von Remigranten blieb in der Presse gering 10 . Hinzu kam der Versuch, angloamerikanische Grundsätze des Journalismus in Deutschland zu verankern, vor allem die Norm der Trennung von Nachricht und Meinung sowie das Prinzip objektiver Berichterstattung. Dies widersprach deutschen Traditionen, die sich als ziemlich resistent erweisen sollten. Zu diesen gehörte auch eine intellektuelle und journalistische Kritik an praktischen Erscheinungen der Demokratie, die in den zwanziger Jahren selbst zum Niedergang der Weimarer Republik beigetragen hatte 11 . Daß sie später ebenfalls wieder auflebte, schien durch die Erfahrung des Dritten Reiches zwar erst recht moralisch legitimiert, begründete aber mitunter doch Zweifel, ob man genug aus der Geschichte gelernt habe, wie es die schon früh geprägte Formel »Bonn ist nicht Weimar« meinte 12 . Genaugenommen dürfte man erst mit der Staatswerdung der Bundesrepublik Deutschland zwischen Mai und September 1949 von der Mediengeschichte dieses Landes sprechen. Doch war diese bereits - wie angedeutet - entscheidend durch die Maßnahmen der alliierten Besatzungsmächte vorgeprägt. Sowohl in der Presse als auch beim Rundfunk bestanden zu diesem Zeitpunkt Markt- und Organisationsstrukturen, die ein Eigengewicht besaßen, das sich fürs erste nicht mehr wesentlich verändern ließ. Dennoch kann man sagen, daß mit dem Jahr 1949 eine neue Phase in der deutschen Mediengeschichte einsetzte. Der Grund dafür war, daß die Reglementierung im Pressewesen durch die Aufhebung der Lizenzpflicht endete und der Einfluß der westlichen Alliierten auf die Organisation des Rundfunks nachließ (obwohl ihnen hier zunächst noch größere Vorbehaltsrechte verblieben, die die deutsche Souveränität mehr einschränkten als bei der Presse). Mit dem Art. 5 des Grundgesetzes erhielt das Mediensystem eine ganz neue, einer liberalen Demokratie gemäße Rechtsgrundlage. Diese ging mit der Garantie von Presse-, Rundfunk- und Informationsfreiheit über die Weimarer Reichsverfassung hinaus, die sich mit der Gewährleistung der Meinungsfreiheit begnügt hatte.

Überblick und Phasengliederung

18

Mit der Aufhebung der Lizenzpflicht am 21. September 1949 konnten im Westen die sogenannten Altverleger, die vor 1945 Zeitungen in Deutschland herausgebracht hatten, zurückkehren. Infolgedessen wurde jetzt der Markt zum maßgeblichen Regulativ für die Entwicklung der (Tages-)Presse in der Bundesrepublik Deutschland 13 . Anders verlief dagegen zunächst die Entwicklung beim Rundfunk. Aus technischen Gründen war damals eine der privatwirtschaftlichen Presse ähnliche Struktur ausgeschlossen. Mit dem abnehmenden Einfluß der Alliierten wurde der Rundfunk in der Bundesrepublik vielmehr zunehmend zu einem Objekt politischen Machtinteresses 14 . Dem stand jetzt der vor 1949 vorhandene Widerstand der Alliierten nicht länger entgegen. Der wachsende politische Einfluß wirkte sich sowohl bei Änderungen der regionalen Rundfunkstruktur (Auflösung des Nordwestdeutschen Rundfunks in den Norddeutschen und den Westdeutschen Rundfunk 1954/1956) als auch bei der Konstruktion der Aufsichtsgremien aus15. Zu einem bestimmenden Faktor wurde er später bei den Plänen zur Erweiterung des Rundfunkspektrums durch private Anbieter. Handelte es sich dabei in den fünfziger Jahren um partikulare Aktivitäten, die vor allem auf die Einrichtung eines zweiten deutschen Fernsehprogramms ausgerichtet waren16, so wurden diese seit den sechziger, verstärkt in den siebziger Jahren zu einem eigenständigen Politikfeld, das mit den Begriffen »Kommunikationspolitik« oder »Medienpolitik« auch eigene Namen erhielt17.

2. Ansätze zur zeitgeschichtlichen Phasengliederung Will man versuchen, die Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland in Phasen zu gliedern, so ist dies kein unkompliziertes Unterfangen. An welchen Vorgängen und Einschnitten soll man diese Entwicklung festmachen? Stehen diese mit Zäsuren politischer, wirtschaftlicher, kultureller und sozialgeschichtlicher Art in Zusammenhang, oder handelt es sich um medienspezifische Ereignisse oder Brüche? Wie allgemein oder speziell lassen sich solche Phasen abgrenzen? All diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Sucht man hierfür Beistand in zeitgeschichtlichen Untersuchungen, so zeigt sich, daß die Entwicklung der Bundesrepublik in unterschiedlicher Weise in Phasen eingeteilt werden kann. Dietrich Thränhardt 18 hat die Gründung und Konstituierung (1945-1961), den Weg zur sozialliberalen Reform (1962-1973) sowie die innere Stabilisierung und europäisch-atlantische Verflechtung (1979-1989) voneinander abgesondert (und mit der deutschen Einheit einen neuen Abschnitt beginnen lassen). Christoph Kleßmann 19 spricht (bis 1970) von vier großen Phasen, der Zeit der konservativen Gründung (1945-1954/55), der Vorherrschaft der CDU/CSU (1955-1966), der Zwischenzeit der Großen Koalition (1966-1969) und der Zeit der Reformen und Korrekturen (1969/70). Die repräsentative, 1981-1987 publizierte »Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« orientiert sich in der Gliederung der sechs Bände, von den Jahren der Besatzung (1945-1949) abgesehen, weitgehend an den Amtszeiten der Bundeskanzler20: die Ära Adenauer (1949-1957,

19

Jürgen

Wilke

1957-1963), von Erhard zur Großen Koalition (1963-1969), die Ära Brandt (19691974), die Ära Schmidt (1972-1982). Spätere Phasen - hier wäre die Ära Kohl (1982-1998) anzuschließen - kommen in diesen Darstellungen aufgrund der darin behandelten Zeiträume bzw. der Publikationszeitpunkte verständlicherweise gar nicht vor. Blickt man genauer hin, so wird man aber gewahr, daß historische Zäsuren nach 1945 nicht generalisiert werden können, sondern daß sie differenziert, d. h. außenpolitisch, wirtschaftlich, innenpolitisch und kulturell verschieden gesetzt werden müssen (was gewisse Konkordanzen nicht ausschließt) 21 . Außenpolitisch wird die tiefste Zäsur ζ. B. in den fünfziger Jahren verortet mit der Westbindung und der Option für die Europäische Gemeinschaft 22 . Von der Währungsreform 1948 abgesehen, stellten wirtschaftlich und sozialpolitisch die Mitte der sechziger Jahre eingetretene Rezession, die wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen der sozialliberalen Koalition und die Ölkrise 1974 Einschnitte dar 23 . Die kulturelle Entwicklung der Bundesrepublik hat Hermann Glaser primär nach politischen Daten in drei Phasen abgehandelt 24 : Zwischen Kapitulation und Währungsreform (1945-1949); Zwischen Grundgesetz und Großer Koalition (1949-1967); Zwischen Protest und Anpassung (1968-1989). Joachim Kaiser untergliedert die zweite Phase noch einmal in die Jahre 1948 bis 1956 (»schwungvoll restaurative Konsolidierung«) und 1956 bis 1968 (Vorbereitung der »Kulturrevolution«), grenzt den vierten Abschnitt bis 1978 ein (»unauffällige Dynamisierung einer >Trendwendellu Htrndufl η hU«. SoLtiilA laferu ildi Dr

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in iftaätWa Λ~Μ »»1 aft -ob Ankläger*farΝκDeutschen PresseratesSpiegel-AffäreSpiegelBildZeitungHitlerTagebücherDeutschen PresseratesFührungsmittel< des untergegangenen Reiches ein vielstimmiges Instrument partnerschaftlichen Umgangs mit ihren Hörern zu machen.«15 Wie ihre Vorläufer in der Weimarer Republik und ihre unmittelbaren Vorgänger in der Besatzungszeit verfügten die einzelnen ARD-Anstalten über jeweils nur ein Programm auf Mittelwelle (MW) und waren weiter auf ihre regionalen Sendegebiete hin orientiert. Sie hatten jetzt zum Teil sogar explizit den Auftrag, »die Kulturwerte der einzelnen Landschaften« 16 ihres Sendegebiets im Programm zu berücksichtigen. Dies und der seit Ende der zwanziger Jahre diskutierte Plan, den Hörern durch das parallele Angebot eines »schwereren« und eines »leichteren« Programms eine Auswahl zu geben, waren auf Dauer nur durch den zügigen Aufbau neuer UKW-Sendernetze zu verwirklichen. Solche Sendernetze sind nämlich bei entsprechender Konzeption relativ leicht auseinanderzuschalten, um zeitweise regionale »Fensterprogramme« anbieten zu können 17 . Die UKW-Ära begann mit der Inbetriebnahme der ersten regulären Sender im Frühjahr 1949. Obwohl die neue Technik Millioneninvestitionen der Rundfunkanstalten erforderte und die Hörer sich neue Radioempfänger zulegen mußten, setzte sie sich bis Mitte der fünfziger Jahre so weit durch, daß Programmausstrahlung und empfang über UKW keine Sache für Minderheiten mehr waren18. Die Radiostationen sahen sich aufgefordert, über UKW mehr zu verbreiten als nur ihre MW-Sendungen in besserer technischer Qualität. Das erforderte allerdings auch eine Erweiterung der gesamten programmbezogenen Infrastruktur und des Mitarbeiterstabs und war daher nicht von heute auf morgen zu bewältigen. Selbst beim reichen NWDR, dessen Sendegebiet Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, WestBerlin und Nordrhein-Westfalen umfaßte, kamen die beiden neuen Programme, UKW-Nord und UKW-West, 1954/55 erst auf ein Sendevolumen von 18,3 bzw. 15,7 Stunden pro Tag, während über MW inzwischen fast 22 Stunden am Tag gesendet wurde19. Statistisch betrachtet unterschieden sich die neuen NWDR-Programme vom traditionellen MW-Programm durch deutlich höhere Musikanteile. So war zwar der Musikanteil auf MW, der in der Besatzungszeit zeitweise nur bei etwas über 40 Prozent gelegen hatte, mittlerweile auf 52 Prozent geklettert, auf UKW aber betrug er mehr als 64 Prozent 20 . Diese Zahlen korrespondierten mit dem Image der UKWProgramme als »Wellen der Freude«. Darüber hinaus profilierten sich diese Wellen gegenüber dem Hauptprogramm dadurch, daß sie nur im nördlichen bzw. westli-

Programmgeschichte des Hörfunks

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chen Teil des Sendegebiets verbreitet wurden und damit wieder an die Tradition der Weimarer Zeit mit eigenen Sendern in Köln und Hamburg anknüpften. Schließlich fand eine wachsende Anzahl von Regionalsendungen ihre Heimat auf UKW. Ungeachtet dieser Differenzen zum MW-Angebot folgten auch die neuen Wellen dem vor 1933 entwickelten Muster des Kästchenprogramms. Sie versuchten also im Laufe eines Tages bzw. einer Woche ganz unterschiedliche Interessen zu befriedigen und abgestimmt auf die Hörbereitschaft ihres Publikums zu den einzelnen Tageszeiten unterschiedliche Angebote zu unterbreiten, die teils auf bestimmte Hörergruppen - Schüler, Landwirte oder Frauen beispielsweise - zielten, teils auf die größtmögliche Anzahl von Hörern. Dies galt auch für die süddeutschen Sender, bei denen der UKW-Ausbau langsamer voranging und die zweiten Programme zum Teil sogar anspruchsvoller ausfielen als die ersten. Beim SWF beispielsweise unterschied sich das UKW- vom MWProgramm 1958 vor allem in zwei Punkten: Es brachte erheblich mehr E-Musik und doppelt so viel Regionalprogramm. Zudem wurde versucht, die Kästchen auf beiden Wellen so zu füllen, daß nicht gleichzeitig Gleichartiges zu hören war21. Bei derartigen konzeptionellen Veränderungen konnten sich die Programmplaner in einigen Rundfunkanstalten, namentlich beim NWDR und beim SDR, auf die Ergebnisse systematischer sozialwissenschaftlicher Hörerforschung stützen. Sie kannten also ihre Hörerkurven, wußten, daß sie immer noch abends die meisten Hörer erreichten, aber auch mittags und morgens auf nennenswerte Resonanz rechnen konnten. Sie wußten ebenso, daß schon in den fünfziger Jahren nur ein Drittel der Hörer gezielt anhand von Programmzeitschriften Sendungen einschaltete22. Ein treffliches Beispiel für die Umsetzung von Ergebnissen der Hörerforschung ist die Strukturreform beim SDR im Herbst 1953, die darin bestand, das Abendprogramm an jedem Werktag mit Leichter Musik oder unterhaltenden Wortsendungen beginnen zu lassen. Die Reform steigerte nicht nur die Zufriedenheit der Hörer mit dem Programm, sie zeitigte auch unerwartete Mitnahmeeffekte: Anspruchsvollere Sendungen nach dem unterhaltsamen Einstieg ins Abendprogramm fanden mehr Resonanz als zuvor23. Eine besonders enge Verbindung gingen Hörerforschung und Programmplanung Mitte der fünfziger Jahre beim NWDR ein, als diese Rundfunkanstalt versuchte, aus ihrem 1947 gestarteten Nachtprogramm heraus ein eigenständiges »Drittes Programm« zu entwickeln. Die Hörerforschung erprobte die Konzeption des neuen Programms 1954/55 und 1955/56 in zwei zeitlich und räumlich begrenzten Tests, ehe das zunächst nur am Abend ausgestrahlte Dritte im September 1956, schon unter der Verantwortung der NWDR-Nachfolger Norddeutscher Rundfunk (NDR) und Sender Freies Berlin (SFB), zu einer Dauereinrichtung wurde. Die Tests führten unter anderem zu einer Reduktion des Anteils moderner E-Musik24. 1958 bestand das Hörfunkangebot der ARD-Mitglieder für die Bevölkerung der Bundesrepublik in allen Regionen aus mindestens zwei, im Norden sogar drei unterschiedlich ausgerichteten Programmen. Hinzu kamen ein seit 1953 gemeinsam von der ARD betriebenes, bundesweit verbreitetes Versuchsprogramm auf Langwelle, an dessen Zustandekommen Bonner Politiker nicht unbeteiligt waren25, und ein ebenfalls in ganz Deutschland empfangbares Programm der US-Station RIAS Berlin, die der A R D assoziiert war.

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In beiden deutschen Staaten war der Hörfunk, bevor sich das Fernsehen mehr und mehr als neues Leitmedium durchsetzte, das wichtigste Freizeitmedium. Unter der Woche und vor allem samstags erreichte er beispielsweise im SDR-Sendegebiet am Abend zwischen 19.00 und 21.00 Uhr eine Hörbeteiligung von bis zu mehr als 50 Prozent der Bevölkerung26. Diese Reichweite verschaffte nahezu allen Angeboten des Hörfunks eine Resonanz, die später unter dem Eindruck des Fernsehens nicht zu behaupten war. Das galt natürlich vor allem für jene Radiosendungen, die zur besten Sendezeit am Abend zwischen 20.00 und 22.00 Uhr gebracht wurden. Dazu zählten seinerzeit nicht nur Sendungen mit Unterhaltungsmusik, »Bunte Abende«, Serien oder die aufkommenden Quizsendungen, sondern auch Sinfoniekonzerte, Opern und Hörspiele unterschiedlichster Art. Die meist vor und nach dem Hauptabendprogramm piazierten aktuellen Sendungen und die Übertragung sportlicher, politischer oder gesellschaftlicher Großereignisse stießen ebenfalls auf große Resonanz. Die Fußballweltmeisterschaften 1954 in der Schweiz und 1958 in Schweden, die Olympischen Spiele 1952 und 1956, die Meisterschafts- und Pokalendspiele im Fußball27 waren ebenso Radioereignisse wie Übertragungen von Kirchen- oder Gewerkschaftstagen und wichtiger Bundestagsdebatten. Die Stimmen von Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Herbert Wehner oder Carlo Schmid prägten sich über den Hörfunk ein. Die bedeutenden Debatten des Parlaments, etwa die Wehrdebatte 1950, die Aussprachen über die Ratifizierung der Pariser Verträge 1954 oder über die Regierungserklärung Adenauers nach seiner Moskau-Reise 1955 konnten die Radiohörer am Lautsprecher verfolgen. Am 17. Juni 1953 waren Reporter und Mikrofone der ARD ebenso präsent wie zuvor schon bei der Berliner Blockade28. Der allmähliche Aufbau eines weltweiten Korrespondentennetzes durch die Landesrundfunkanstalten erweiterte den Horizont der Berichterstattung29. In die gleiche Richtung wirkte sich die internationale Kooperation aus, die Anstalten wie der NWDR gezielt förderten und über die es auch gelang, deutsche Programmereignisse anderen Ländern zur Übernahme anzubieten. Die Uraufführung von Arnold Schönbergs Oper »Moses und Aaron« am 12. März 1954 durch den NWDR etwa war zeitgleich auch in Frankreich, Österreich, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und den USA zu hören30. Aktuelle politische Sendungen vom »Echo des Tages« über das »Politische Forum« und die »Berichte aus Bonn« bis zum »Internationalen Frühschoppen« mit Werner Höfer, um nur einige Beispiele aus dem NWDR zu nennen, wurden zu Kennzeichen eines neuen Selbstverständnisses des Mediums Radio. Die Stimmen der Berichterstatter und Kommentatoren wie Peter von Zahn, Axel Eggebrecht31 oder - im Bereich der Sportberichterstattung - Herbert Zimmermann32 prägten sich den Hörern ein. Klassische Ressorts wie der Kinderfunk, der Frauen- und der Landfunk setzten ihre schon zu Weimarer Zeiten begonnene Arbeit fort. Der Schulfunk, in der Besatzungszeit von den Alliierten als Instrument der Re-Education eingesetzt, spielte lange Zeit eine bedeutsame Rolle. Die regionale Berichterstattung erfuhr dank des Aufbaus der UKW-Sendernetze und des gleichzeitigen Ausbaus der Infrastruktur mit neuen Studios und Büros einen Aufschwung33.

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Bei aller Orientierung der Programmplanung an den Entspannungs- und Unterhaltungsbedürfnissen der Hörer, die längst erkannt waren und jetzt in einigen Regionen von den repräsentativen Ergebnissen sozialwissenschaftlicher Hörerforschung bestätigt wurden, verstanden Intendanten und Programmplaner den Hörfunk weiter als Kulturfaktor 34 . Dementsprechend wurde die deutsche Tradition rundfunkeigener Klangkörper wie selbstverständlich schon in der Besatzungszeit wieder aufgenommen und um neue Akzente ergänzt. Dazu zählten zum einen im Bereich der U-Musik der Aufbau eigener Big Bands, die sich Einflüssen der amerikanischen Unterhaltungsmusik bewußt öffneten, zum andern im Bereich der E-Musik die zielstrebige Förderung Neuer Musik in einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Die Sinfonieorchester der Rundfunkanstalten unter Dirigenten wie Hans Schmidt-Isserstedt in Hamburg und Hans Rosbaud in Baden-Baden bestritten regelmäßig Konzerte mit Neuer Musik und spielten auf Veranstaltungen wie den Donaueschinger Musiktagen oder der Musica Viva in München. Nicht selten kamen dabei Werke zur Uraufführung, die als Kompositionsaufträge des Rundfunks entstanden waren35. Neue Dimensionen erreichte auch die Kooperation des Rundfunks mit den zeitgenössischen Schriftstellern, sei es, daß diese für das Medium schrieben, sei es, daß sie selbst eigene Sendekästchen betreuten, wie Alfred Andersch, der nach Stationen in Hamburg und Frankfurt am Main ab 1955 das »Radio-Essay« in Stuttgart verantwortete. Kaum ein Prominenter der literarischen Szene der fünfziger Jahre, von Ilse Aichinger über Ingeborg Bachmann bis Marie Luise Kaschnitz, von Heinrich Boll, über Friedrich Dürrenmatt bis Günter Eich, der nicht Hörspiele schrieb oder auf andere Weise für den Rundfunk tätig wurde. Nachtprogramme oder »Radio-Essays« fanden zwar kein Millionenpublikum, machten aber sehr wohl von sich reden, prägten die literarischen und intellektuellen Debatten dieser Jahre mit36. Das Hörspiel jener Zeit wandte sich nach innen, war von inneren Dialogen und Träumen geprägt. »Musik und Geräusch als Stimmungsträger, sparsam verwendet, leitmotivisch untermalend, symbolhaft. Das Gesprochene als Appell, dominierend das Wort, auffordernd zur neuen Einsicht, zur Veränderung. Die Konsumgesellschaft hält Einzug. Mit Transistorgeräten, Phonobank und Fernseher. Poetische Sprache versus Alltagsrede: Wirtschaftseuphorie und Nachkriegsdepression, private Glückssuche und kollektives Schuldgefühl begegnen sich. Der innere Monolog gerät zum scheinbaren Dialog. Man redet wieder, doch aneinander vorbei«37, faßte der Hörspielredakteur und -historiker Karl Karst später zusammen. Weder in der Programmkonzeption noch in der Ausgestaltung der einzelnen Sendungen brachten die fünfziger Jahre viel Neues oder gar Umwälzendes. Überwiegend wurde ausgeformt und als Standard etabliert, was schon in der Weimarer Republik oder spätestens in der Besatzungszeit seinen Anfang genommen hatte. Im Ansatz wurden Formen erprobt, die in den folgenden Jahrzehnten Karriere machen sollten, nicht zuletzt das Magazin: Versuche des NWDR, die aktuelle Berichterstattung im »Echo des Tages« durch Musik aufzulockern, schlugen fehl38. Ähnliche Versuche beim SDR, den abendlichen Zeitfunk mit leichter Musik zu versetzen, scheinen hingegen Erfolg gehabt zu haben39, ohne daß sie als Muster für andere Programme herangezogen wurden.

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2. Der Hörfunk unter scharfer Konkurrenz des Fernsehens (1958-1971) Reichweiten von 50 und mehr Prozent für Unterhaltungssendungen am Abend oder rund 30 Prozent für vorabendliche Informationssendungen waren unter der wachsenden Konkurrenz des Fernsehens bald nicht mehr möglich. Bis 1963 baute sich der abendliche Nutzungsgipfel des Hörfunks werktags auf ein Niveau von 20 bis 30 Prozent ab. Samstags wurde nicht einmal mehr die 20-Prozent-Marke erreicht40. Die Vehemenz dieser im Prinzip seit Jahren absehbaren Entwicklung traf viele Programmverantwortliche des Hörfunks wie ein Schock, und sie hatten zunächst kein Konzept für das Überleben ihres Mediums unter den neuen Bedingungen. Bei einigen Anstalten, dem SWF etwa, dauerte es bis Mitte der sechziger Jahre, bis aus den drastischen Hörerverlusten Konsequenzen gezogen und - nun durchweg mit Hilfe der Hörerforschung - neue Programmkonzepte entwickelt und erprobt wurden41. Den damit eingeleiteten Modernisierungsprozeß der westdeutschen Radioprogramme brachte der Programmdirektor des HR, Henning Wicht, 1969 auf folgende vier Begriffe: »1. Aktualisierung (mehr Nachrichten und Information, Magazine), 2. Typisierung (jedes Programm erhält einen bestimmten durchgehenden Charakter), 3. Personalisierung (Moderatoren, Diskjockeys, Telefonkontakte, Quizspiele), 4. Spezialisierung (Service-Programme und -Sendungen für Minoritätengruppen)«42. Der so gekennzeichnete Prozeß hatte von Anstalt zu Anstalt recht unterschiedliche Programmprofile zur Folge. Der NDR und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) orientierten ihr gemeinsames erstes (MW-)Programm weiter an den Strukturen des »klassischen« Mischprogramms, widmeten ihre zweiten Programme ganz der Unterhaltung und aktuellen Information und nutzten die dritte UKW-Senderkette tagsüber für Spezialsendungen (Suchdienst, Schulfunk etc.), abends für anspruchsvolle Kultursendungen. Das eigentlich Neue waren also NDR 2 und WDR 2, Programme, die hauptsächlich von Unterhaltungsmusik und zum Teil mehrstündigen Magazinen geprägt waren und die klassischen Kästchenstruktur zugunsten »großflächiger« Magazine nach und nach aufgaben. Im Vordergrund der Magazine stand (zunächst) die aktuelle Berichterstattung aus aller Welt und der Region. Beispiele dafür sind »Zwischen Rhein und Weser« und das »Mittagsmagazin« vom WDR oder der »Kurier am Mittag« vom NDR. Bei den anderen Landesrundfunkanstalten waren es mehr die ersten Programme, in denen nun musikalische Unterhaltung und aktuelle Information dominierten, während sich die zweiten Programme in Kulturwellen verwandelten und zunehmend den dritten Programmen von NDR/SFB und WDR ähnelten. Auch in den veränderten ersten Programmen spielten Magazine eine Hauptrolle. Diese Magazine wurden durchweg live von »Mundwerksburschen«43 moderiert und setzten sich so von dem bis dahin vorherrschenden Verfahren ab, zuvor ausformulierte Texte im Radio zu verlesen. Ein weiteres Charakteristikum dieser Art Programme war der konsequente Ausbau des Angebots an Nachrichten, die nun fast stündlich im Programm standen und damit dessen Raster bildeten. Neue Wege ging schließlich vielerorts der Jugendfunk, der sich mit Magazinsendungen am Vorabend wie »s-f-beat« (SFB) oder »5-Uhr-Club« (NDR) auf den Mu-

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sikgeschmack der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge, der damaligen Teenager und Twens, einzustellen versuchte. Dies war eine Reaktion auf die Erkenntnis, daß gerade junge Leute unter 30 besonders viel Radio hörten und deren musikalische Vorliebe der international erfolgreichen Rock- und Popmusik galt. Das belegte nicht zuletzt der Erfolg entsprechender Musikangebote, die von den Militärsendern der früheren Besatzungsmächte, vom einstrahlenden Radio Luxemburg und zeitweise von sogenannten Piratensendern verbreitet wurden 44 . Im Nachhinein stellte der schon erwähnte Hörfunkdirektor Henning Wicht den »Einbruch der Rockund Popmusik in die Hörfunkprogramme« 45 auf eine Ebene mit den Auswirkungen des Fernsehens. In mancher Hinsicht orientierte sich der Hörfunk der sechziger Jahre an den Angebotsstrukturen des Fernsehens und versuchte, diese für seine Zwecke nutzbar zu machen. Ein wesentlicher Punkt war die Veränderung der eigenen Programme am Mittag und am Morgen, also zu Zeiten, in denen das Fernsehen (noch) kein Konkurrent war. So folgte beim WDR dem 1965 eingeführten und schnell zu Popularität gelangten »Mittagsmagazin« schon 1967 ein »Morgenmagazin«. Im Bereich anspruchsvoller und aufwendiger Sendungen wurde versucht, zusätzlich zur Ausstrahlung im Abend- oder Spätprogramm Termine für Wiederholungen in fernsehfreier Zeit zu finden, um auch den Fernsehzuschauern Gelegenheit zum Zuhören zu geben. Allerdings verabschiedete sich der Hörfunk nicht von der jahrzehntelang eingeübten Praxis, Hörspiele, Opern und andere anspruchsvolle Sendungen im Abendprogramm zu piazieren; er setzte seine aufwendigsten Produktionen also weiter der direkten Konkurrenz des Fernsehens aus. Auch sonst blieb vieles beim alten. Henning Wicht schrieb: »Die rundfunkeigenen Orchester, die Big-Bands und Chöre wurden weitgehend erhalten und zum Teil ausgebaut und personell aufgestockt. Hörspiel, Literatur, Abend- und Nachtstudio bildeten weiterhin Schnitt- und Schwerpunkte des intellektuellen Lebens. Kaum ein namhafter Schriftsteller, Gelehrter oder Journalist, der im Hörfunk nicht nur als Autor seine ökonomische Basis fand, sondern auch ein publizistisches Experimentier- und Ausdrucksmittel, das ihn besonders im Anfang seiner Laufbahn über sein lokales Wirkungsfeld hinaus bekannt machte.«46 Neue Akzente im Bildungsprogramm setzte das 1966 gestartete »Funkkolleg«, mit dem der Hörfunk auf eine gesellschaftspolitische Herausforderung jener Zeit, die sogenannte Bildungskatastrophe, reagierte 47 . Auch das Hörspielangebot veränderte sich: »Eine neue Materialität der Sprache setzt sich durch. . . . Experimentelle Versuche greifen auf die Frühgeschichte der Mediums zurück. Hörspiel gerät zur offenen Form des Spiels mit dem Hörbaren: >Alles ist möglich. Alles ist erlaubt< (Helmut Heißenbüttel). Desillusion statt Illusion, Hörspiel als Mitspiel, und zugleich: Radiokunst als Medium der politischen Arbeit, als Ort gesellschaftlichen Handelns. Öffentliches Reden wird seziert, nichtöffentliches öffentlich gemacht durch das Original-Ton-Hörspiel.« 48 Die skizzierten Veränderungen des Hörfunkangebots in den sechziger Jahren schlugen sich auch in der Programmstatistik der Rundfunkanstalten nieder. So lagen die Anteile der Musik an den einzelnen Programmen 1968 in der Regel über 60 Prozent, verteilten sich aber ganz unterschiedlich49. Während beispielsweise in den ersten Programmen des BR und des H R sowie auf N D R 2 die U-Musik mit rund 55 Prozent eindeutig dominierte, kam die E-Musik in den zweiten Programmen

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von BR und HR auf 25 bzw. mehr als 40 Prozent. Der NDR verteilte sein E-MusikAngebot hauptsächlich auf sein erstes (20 Prozent) und sein drittes Programm (59 Prozent Programmanteil). Noch höhere Musikanteile als nun üblich wies das erste Programm des Saarländischen Rundfunks (SR) auf, das 1964 den Vorreiter der Entwicklung hin zu »durchmagazinierten« Unterhaltungsprogrammen gespielt hatte. SR 1 Europawelle Saar bestand 1968 zu fast 75 Prozent aus Musik, ganz überwiegend Tanz- und Unterhaltungsmusik. Diese Musik bildete zum nicht unerheblichen Teil auch das Rahmenprogramm für die zwischen 1948 und 1955 bei allen Sendern außer N D R und WDR, die erst in den achtziger Jahren folgten - wieder eingeführte Funkwerbung 50 . Die statistischen Angaben der Rundfunkanstalten belegen nicht nur die Veränderungen der Programmstrukturen, sie machen auch deutlich, daß in den ersten und zweiten Programmen immer noch versucht wurde, alle traditionellen Programmelemente anzubieten. Selbst eindeutige Unterhaltungs- und Serviceprogramme wie die erwähnte Europawelle wiesen noch Spurenelemente von E-Musik auf. Lediglich Spezialangebote wie die 1961 begonnenen Gastarbeitersendungen wurden konsequent auf die im Laufe der sechziger Jahre überall aufgebauten dritten UKW-Ketten gelegt51. Stichproben in den Programmausdrucken bestätigen diese Einschätzung. Beispielsweise brachte WDR 2 1965 im Laufe eines Tages neben »modernen« Elementen wie dem »Mittagsmagazin« oder einem Streifzug durch amerikanische Hitparaden auch immer noch klassische Sendungen wie den Landfunk am Mittag und das Sinfoniekonzert am Abend 52 . In der Regel hatte 1968 jede Landesrundfunkanstalt mindestens eines ihrer Programme zu einem 24-Stunden-Angebot ausgebaut. Dies wurde dadurch erleichtert, daß die Anstalten seit 1959 ein gemeinsames Nachtprogramm mit vorwiegend unterhaltsamer Musik betrieben, das zur Auffüllung der bisherigen Nachtlücke dienen konnte. Dieses gemeinsame Nachtprogramm war auch ein Kind des »Kalten Kriegs«, eine von der Bundesregierung forcierte Abwehrmaßnahme gegenüber dem DDR-Rundfunk, der in den fünfziger Jahren versucht hatte, mit nächtlichen Sendungen Schichtarbeiter in der Bundesrepublik zu erreichen 53 .

3. Die »Renaissance« des Hörfunks (1971-1985/86) Die Programmreformen der sechziger Jahre - auf technischer Seite unterstützt durch die Einführung der Stereofonie auf UKW ab 1963, durch die sich die Attraktivität des Radios erhöhte - waren nicht vergeblich. Die Tagesreichweite des Hörfunks in der Bundesrepublik stieg von 64 Prozent der Erwachsenen im Jahr 1968 auf ein Niveau von rund 80 Prozent zu Anfang der achtziger Jahre. Die Hördauer, 99 Minuten pro Tag im Jahr 1968, lag ab Ende der siebziger Jahre zumeist über 150 Minuten54. Der Besinnung auf die eigenen Stärken, vor allem die unübertreffliche Beweglichkeit und Schnelligkeit in der aktuellen Berichterstattung sowie die konkurrenzlose Breite des Musikangebots, folgte also tatsächlich eine »Renaissance« des Radios beim Publikum. In den siebziger und frühen achtziger Jahren versuchten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, diese Entwicklung zu stabilisieren, in-

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dem sie den eingeschlagenen Weg fortsetzten. Sie modernisierten die vorhandenen Programme weiter, konzipierten neue und diversifizierten insgesamt ihr Angebot 55 . Das erste Stichwort für die Programmentwicklung hieß Verkehrsinformation. Der Straßenverkehr in der Bundesrepublik hatte so zugenommen, daß Automobilklubs und Verkehrsbehörden vom Radio Unterstützung bei der Lenkung der Verkehrsströme forderten. Die ARD plante 1970 zunächst ein bundesweites Netz von Verkehrsprogrammen, erhielt aber nicht die dafür erforderlichen Frequenzen. Daraufhin lag die Initiative bei den einzelnen Landesrundfunkanstalten, die nach Lösungen auf vorhandenen UKW-Frequenzen suchten. BR, HR, SWF und SDR besannen sich ihrer dritten UKW-Ketten und konzipierten einen völlig neuen Typ Programm, die sogenannten Service-Wellen. Gleich die ersten derartigen Programme, Bayern 3 (ab 1971), hr 3 (ab 1972), SWF 3 (ab 1975) und SDR 3 (ab 1979), probierten, allesamt mit durchschlagendem Erfolg bei den Hörern, unterschiedliche Varianten des neuen Konzepts aus. Bayern 3 beispielsweise setzte auf ein einprägsames Raster von stündlichen Nachrichten mit jeweils anschließenden Verkehrsmeldungen, auf leicht eingängige Unterhaltungsmusik und eingestreute kurze Wortbeiträge, vor allem Tips für den Alltag und die Autofahrer. Diese Programmstruktur war jederzeit offen für aktuell eingeschobene Verkehrsmeldungen 56 . SWF 3 erweiterte demgegenüber das Spektrum der - dort ebenfalls sehr kurzen - Wortelemente um Beiträge auch über Themen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur sowie satirische und komische Einsprengsel57. Die »Musikfarbe«, wie der neue Schlüsselbegriff hieß, wurde hingegen eingeengt auf Rock und Pop. Die anderen Landesrundfunkanstalten setzten mehr auf Kontinuität und paßten ihre bisherigen leichteren Programme den neuen Anforderungen an. N D R 2 etwa veränderte Anfang der siebziger Jahre seine Musikfarbe und zielte mehr auf jüngere Hörer. Neben Informationsmagazinen wie den »Kurier am Mittag« und den »Kurier am Morgen« traten großflächige Unterhaltungsmagazine wie »NDR 2 von neun bis halb eins« und zusätzliche Jugendsendungen wie »Pop und Politik«. Das eigens eingerichtete Verkehrsstudio meldete sich regelmäßig nach den Nachrichten und bei Bedarf auch während laufender Sendungen58. Die so veränderten Programme und die neuen Servicewellen unterschieden sich noch in zwei weiteren Punkten vom Gewohnten. Sie waren wegen ihrer musikalischen Ausrichtung weit mehr als die traditionellen Programme auf Industrietonträger angewiesen. Das Programm von Bayern 3 beispielsweise bestand schon 1972 zu fast 55 Prozent aus Industrieton trägem, während sich die Programme der Landesrundfunkanstalten im Durchschnitt nur zu 28,9 Prozent auf Schallplatten der Industrie stützten. 1967 hatte der entsprechende Wert erst bei 20 Prozent gelegen59. Die neuen und die reformierten leichten Programme wurden völlig auf die Nutzung als Begleitprogramme ausgelegt, denn inzwischen war bekannt, daß Radio in hohem Maße neben anderen Tätigkeiten, der Hausarbeit etwa oder dem Autofahren, gehört wurde. Das zweite Stichwort - nach der Verkehrsinformation - für die Programmentwicklung der siebziger Jahre lautete Regionalisierung. Wie nie zuvor entwickelte sich in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten eine öffentliche, nicht allein auf den Rundfunk bezogene Debatte über die Bedeutung regionaler Identität in einem Zeitalter globaler Verflechtungen60. Die ARD-Anstalten beteiligten sich

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an dieser Debatte, verzichteten aber von vornherein auf die Perspektive des Lokalfunks - aus Rücksicht auf die privatwirtschaftliche Presse61. Die weitere Regionalisierung vorhandener Programme, d.h. vor allem die Öffnung zusätzlicher »Fenster« für Sendungen aus der Region, hingegen stand fortan auf der Tagesordnung. Zudem wurde mit »sub-regionalen« Angeboten wie »Kurpfalz-Radio« vom SDR (1979) oder dem City-Programm des BR für München (1979) experimentiert. Live-Sendungen mit Hörerbeteiligung wie der »Bremer Container« (1970) oder »Hallo Ü-Wagen« vom WDR (1974) verstärkten die Präsenz in der Region und intensivierten den Kontakt zum Publikum. Hörerbeteiligung wurde auch in den Fensterprogrammen großgeschrieben. Zudem erhielten klassische landesweit ausgestrahlte regionale Informationssendungen wie das »Bayernmagazin« erheblich mehr Sendezeit. Zunehmend stellte sich den Programmverantwortlichen die Frage nach einem geeigneten Rahmenprogramm für all diese regionalen Aktivitäten. Erste Antworten darauf gab es Anfang der achtziger Jahre mit der Saarlandwelle des SR (1980) und den nun staatsvertraglich geforderten Landesprogrammen des NDR, die ab 1981 das »alte« NDR 1 ablösten. Beide waren mit einer Mischung, die vorwiegend aus regional gefärbten Sendungen unterschiedlichster Art und einem auf die ältere Generation zugeschnittenen Musikangebot bestand, die ersten Exemplare eines neuen, in den achtziger und neunziger Jahren höchst erfolgreichen Programmtyps. Diesem sind auch HR 4 (1986), S4 Baden-Württemberg (1991), SWF 4 Landeswelle Rheinland-Pfalz (1991) und die Landesprogramme des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR, 1992) zuzurechnen. WDR 4 (1984) ähnelt diesem Programmtyp zwar musikalisch, enthält jedoch nicht die regionalen Angebote des WDR62. Die Namen der oben genannten Programme deuten es schon an: Anfang der achtziger Jahre begannen der Aufbau und die Nutzung vierter UKW-Senderketten63. Vielfach wiederholte sich dabei ein Prozeß, der schon die frühen Nutzungsphasen der ersten und der weiteren UKW-Ketten gekennzeichnet hatte. Die neuen Sender dienten eine Zeit lang als »Abstellplatz« für Minderheitenprogramme wie die bereits 1961 eingeführten Gastarbeitersendungen, bis für sie ein durchgehendes Programmkonzept gefunden und realisiert wurde. Das konnte auch wie beim BR das Konzept für einen Spartenkanal mit E-Musik (Bayern 4 Klassik) nach ausländischem Vorbild sein64. Der Start von Bayern 4 Klassik im Jahr 1980 signalisierte eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Kulturwellen, die in der Ära des Nebenbeihörens am stärksten an der traditionellen Vorstellung eines Radios zum Zuhören festhielten. Zu Veränderungen auch auf der Ebene der Programmstrukturen kam es hier aber erst Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre. Bis dahin ist in diesen Programmen bestenfalls eine gewisse Öffnung gegenüber neuen Formen von Wort-Musik-Sendungen und gegenüber zeitgenössischer U-Musik aus dem Bereich Rock und Pop festzustellen65. Außerdem wurde das Angebot 1980 gemeinsam mit dem Deutschlandfunk (der 1961 als selbständige Rundfunkanstalt nach Bundesrecht aus dem Langwellen-Versuchsprogramm der ARD hervorgegangen war) um ein Nachtkonzert der Landesrundfunkanstalten erweitert66. In den Zuhörprogrammen gab es weiter ein umfangreiches Hörspielangebot und ein noch umfangreicheres Angebot an Features, die zum Teil in ihrem künstlerischen Anspruch und der Aufmerksamkeit, die sie erregten, großen Hörspielproduk-

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tionen nicht nachstanden 67 . Das Hörspiel ging neue Wege: »O-Ton als Sprachrohr der sonst Sprachlosen, als Entlarvung der Sprachmächtigen - in Rollenspielen, Aktionsspielen, kollektiven Produktionen, Collagen: >Der Konsument als Produzent (Klaus Schöning). Nicht mehr nur für, sondern mit dem Medium arbeiten die >Hörspielmachei; Wortkomponisten, Tonbandkünstler. Mit der Technik gegen die Technisierung, Medienkritik innerhalb des Mediums. Wort, Geräusch und Musik als Lautbuchstaben eines neuen akustischen Alphabets« 68 , schrieb Karl Karst über das Hörspiel der siebziger Jahre. Um die »schwere Kost« der Kulturprogramme dem Publikum besser zu vermitteln, suchten auch die Programmplaner nach neuen Wegen: Sie konzipierten zunehmend Programmschwerpunkte zu größeren Themenkomplexen wie »Goethe« (SWF 1982) oder »Begegnungen mit dem Judentum« (SWF 1980/81 )69, in denen sie versuchten, das gewählte Thema mit unterschiedlichen Mitteln in unterschiedlichen Programmen einzukreisen. Zum Schwerpunkt Judentum etwa brachte auch die Popwelle SWF 3 Beiträge, beispielsweise »Im Gespräch: Junge Juden - junge Deutsche«70. Insgesamt stellt sich die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Hörfunks in der Bundesrepublik zwischen 1971 und dem Start der privaten Konkurrenz Mitte der achtziger Jahre als eine Phase starker Expansion und zunehmender Diversifikation dar. Die Programmplaner gaben die lange herrschende Vorstellung, mit einem »vertikal« gegliederten Programm alle Hörergruppen erreichen und alle Hörerinteressen nacheinander befriedigen zu können, mehr und mehr auf. Statt dessen versuchten sie, mit einem »horizontal« gegliederten Gesamtangebot, also mit unterschiedlichen Programmen, gleichzeitig unterschiedliche Gruppen anzusprechen 71 . Dies wird auch in den Zahlen deutlich. Das Angebot der Landesrundfunkanstalten wuchs von 23 Programmen 1971 auf 28 im Jahr 1985, Rumpfprogramme von wenigen Stunden pro Tag nicht mitgezählt72. Zumeist verfügten die Anstalten über drei Programme, eines davon als Musik- und Servicewelle oder ähnlich profiliert, eines als Kulturprogramm und eines entweder als Landesprogramm mit Regionalsendungen und melodiöser Musik oder als modernisierte Variante des klassischen Kästchenprogramms. Der Programmoutput pro Tag nahm von 484 auf 639 Stunden zu73, also um fast ein Drittel.

4. Radio im dualen Rundfunksystem (seit 1985/86) Schon Anfang 1984 gab es in der Bundesrepublik erste Ansätze, die bis dahin fast unangefochtene Monopolstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beenden. In den sogenannten Kabelpilotprojekten von Ludwigshafen und München gingen die ersten inländischen Privatradios auf Sendung. Zunächst wurden deren Programme nur im Kabel verbreitet, ab Mai 1985 in München auch terrestrisch. Ein Jahr später, am 1. Juli 1986, startete das erste landesweite kommerzielle Hörfunkprogramm, Radio Schleswig Holstein (RSH)74. Von da an wurde der private Hörfunksektor ständig ausgebaut und nach und nach auf alle Bundesländer, auch die 1990 hinzugekommenen neuen, ausgedehnt. Da - abgesehen von Berlin und Brandenburg, die in dieser Frage seit 1992 kooperieren - alle Länder eigenständige Mo-

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delle für die Organisation des privaten Hörfunks konzipiert haben, fiel die Entwicklung des neuen Sektors von Land zu Land unterschiedlich aus. Das gilt nicht nur für die Strukturen der Anbieterszene, sondern auch und noch stärker für die Strukturen der innerhalb der jeweiligen Rahmenbedingungen angebotenen Programme75. Zu unterscheiden sind im wesentlichen zwei Ebenen der Programmgestaltung: die bis dahin in der deutschen Hörfunkgeschichte bewußt ausgeklammerte lokale und die auch von den öffentlich-rechtlichen Anstalten zuvorderst bediente Landesebene. Beide Ebenen sind in großstädtischen Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg, München oder Nürnberg kaum zu trennen76. Die lokale Ebene wiederum hat mancherorts, beispielsweise mit dem Mantelprogramm von Radio NRW in NordrheinWestfalen, auch eine landesweite Dimension77. Eine Zwischenebene stellen Bereichssender dar, wie sie Baden-Württemberg neben den Lokalstationen eingeführt hat78. Direkter programmlicher Wettbewerb findet im Hörfunkbereich des »dualen« Rundfunksystems vorwiegend zwischen den landesweiten Programmen der Privatanbieter und den entsprechenden Wellen der ARD-Mitglieder statt. Daher verwundert es nicht, daß gerade die jüngeren Erfolgswellen der Landesrundfunkanstalten, also Programme wie NDR 2 oder SWF 3, in manchem als Vorbild für die Konzeption der ersten kommerziellen Angebote dienten. Dies gilt um so mehr, als diese öffentlich-rechtlichen Programme sich auch schon als Werbeträger bewährt und in nennenswertem Maße zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Angebots beigetragen hatten79. Zum zweiten Vorbild für den kommerziellen Sektor entwickelte sich zunehmend das Formatradio amerikanischer Provenienz. Je besser es Privatfunkanbieter im Laufe der Jahre verstanden, in den USA erprobte Konzepte auf deutsche Gegebenheiten und Musikvorlieben zuzuschneiden, um so mehr Resonanz fand das Formatradio-Konzept, selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk80. Formatradio heißt in diesem Kontext vor allem: 1. musikalisch und altersmäßig stärkere Einengung der Zielgruppe als bei den Musik- und Servicewellen der ARD, 2. konsequente »Durchhörbarkeit« der Programme, 3. Orientierung an Stundenrastern, die genau die Plazierung und die (Mach-)Art einzelner Programmelemente vorgeben, 4. Plazierung kurzer Nachrichten jeweils am Beginn einer Stunde, sei es zur vollen Stunde oder - um sich schneller zu zeigen als die Konkurrenz - fünf Minuten früher, 5. Beschränkung der Musikauswahl auf einen überschaubaren Kanon von Titeln, die sich in relativ kurzen Abständen wiederholen, 6. Abstimmung wirklich aller Programmelemente, von der Art der Moderation über die Sprache der Nachrichten bis hin zur Agressivität der Musik, auf das jeweilige Gesamtkonzept81. Zum Renner auf dem deutschen Markt entwickelte sich das auch in den USA beliebteste Format AC {Adult Contemporary) mit Hits aus den jeweils letzten drei Dekaden für Hörerinnen und Hörer zwischen 14 oder 25 und 49 Jahren, also die von der Werbung am meisten umschwärmte Gruppe. Etablierte, kommerziell erfolgreiche landesweite Programme wie das erwähnte R.SH, RPR in Rheinland-Pfalz oder Antenne Bayern geben ihr Format in der Regel mit AC an, ggf. mit Zusätzen wie »Hot« oder »Full service« versehen. Gelegentlich taucht der Hinweis auf das Format schon im Titel der Programme auf, etwa bei dem hessischen Hit Radio FFH82.

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In Ballungsräumen und in Flächenländern mit mehr als einer Privatwelle ist die zweite Wahl häufig ein Format, das in der Musikauswahl dem öffentlich-rechtlichen Erfolgsprogramm W D R 4 ähnelt, also mit melodiöser, zumeist deutscher Musik gezielt die ältere Generation anspricht, oder eines, das ganz auf die jüngste Zielgruppe, die 14- bis 25jährigen ausgerichtet ist. Eine aufs Ganze gesehen marginale Rolle spielen Minderheitenangebote wie Spartenkanäle für Klassikliebhaber oder Jazzfreunde. Auch bei den lokalen und regionalen Programmen dominieren im Musikalischen die landesweit erfolgreichen Formate. Allerdings spielen hier die regionale Information und der Service eine größere Rolle. Der private Hörfunksektor in der Bundesrepublik wuchs bis 1998 auf mehr als 170 Programme und eroberte sich einen Marktanteil von rund 44 Prozent 83 . Diese Entwicklung blieb nicht ohne Rückwirkungen auf den öffentlich-rechtlichen Sektor. Die Landesrundfunkanstalten, auch die seit 1992 aktiven in den neuen Bundesländern, mußten ab Mitte der achtziger Jahre mindestens ein Auge auf die kommerzielle Konkurrenz werfen, eine Situation, wie sie bis dahin nur WDR und SWF im Verhältnis zum einstrahlenden Radio Luxemburg geläufig war. Schwierig wurde die Lage vor allem dort, wo die Konkurrenz bessere Voraussetzungen hatte, weil sie räumlich oder altersmäßig kleinere Publikumssegmente ansprechen und besser bedienen konnte als vergleichbare öffentlich-rechtliche Programme. Dies galt etwa für das in ganz Norddeutschland verbreitete NDR 2, das sich nun Wellen gegenübersah, die nur einzelne Länder seines Sendegebiets und dort gegebenenfalls auch nur die jüngeren Hörer versorgten84. Es ist vor diesem Hintergrund nicht erstaunlich, daß die Landesrundfunkanstalten ihr Programmangebot aus- und umbauten und dabei versuchten, sichtbare Schwächen zu beseitigen und vorhandene Stärken hervorzukehren. So konzipierten mehrere Anstalten eigene Jugendwellen, der NDR für die eben geschilderte Situation in Norddeutschland N-Joy Radio (1994), der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) in der Nachfolge des einstigen DDR-Programms DT 64 MDR Sputnik (1993), der SFB und der Ostdeutsche Rundfunk (ORB) gemeinsam Fritz (1993)85. Andere verwandelten eines ihrer Programme in die entsprechende Richtung. Beispielsweise wurde aus WDR 1 1995 Eins Live86. RB hatte schon 1986 sein viertes Programm musikalisch auf ein sehr junges Publikum ausgerichtet87. In den achtziger Jahren bekam auch die Regionalisierung neuen Schub, und der Trend zu speziellen Landesprogrammen, auf denen die meisten Regionalsendungen vereint sind und in das die jeweiligen Fensterprogramme eingebettet werden, setzte sich fast überall durch88. Eine Besinnung auf eigene Stärken griff im Informationsbereich Platz89. Bestehende Programme wurden zu Infowellen profiliert, und mehrere Anstalten schufen - nach dem Vorbild amerikanischer Formatradios - Nachrichtenkanäle, also Spartenprogramme allein mit Information und Service. Auf B5 aktuell vom BR, 1991 gestartet, folgten 1992 MDR info und 1995 das InfoRadio von SFB und ORB 90 . Seit dem Sommer 1998 setzt auch NDR 4 tagsüber auf ein ähnliches Format91. Als besonders schwieriges Unterfangen erweist sich die Einstellung der Kulturprogramme auf die sich ändernden Erwartungen der Hörer. Hier zeichnet sich kein Königsweg ab. Vielmehr sind ganz unterschiedliche Ansätze zu registrieren. Einer davon ist die Aufteilung des Angebots auf zwei Wellen, deren eine eher von der

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E-Musik bestimmt ist und deren andere die Wortelemente in den Vordergrund schiebt. Typisch dafür war (bis 1998) die Aufteilung beim NDR auf das dritte, musikbetonte und das vierte, wortgeprägte Programm Anfang der neunziger Jahre92. Vor allem in solchen Konstellationen nehmen die Wortprogramme nicht nur Kultursendungen auf, sondern auch Serviceelemente, Zielgruppenangebote wie den Kinderfunk und nicht zuletzt politische Hintergrundinformation. Insgesamt wuchs das Hörfunkangebot der Landesrundfunkanstalten bis 1997 auf jeweils mindestens vier, teilweise fünf unterschiedliche Programme pro Ausstrahlungsgebiet, zusammen 52 Programme mit 64 regionalen Fenstern93. Der tägliche Programmoutput lag 1997 bei mehr als 1 280 Stunden94. Ein mittlerweile ganz erheblicher Teil davon wird mit Industrietonträgern bestritten, bei manchen Anstalten bis zu mehr als 50 Prozent, bei einzelnen Service- und Jugendwellen sogar 70 und mehr Prozent95. Auf nationaler Ebene ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit zwei Kultur- und Informationsprogrammen des Deutschland Radios präsent, das Anfang 1994 an die Stelle von Deutschlandfunk, RIAS Berlin und der DDR-Nachlassenschaft DS Kultur getreten ist96. Nicht ganz außer acht bleiben darf angesichts des erdrückenden Übergewichts kommerzieller und öffentlich-rechtlicher Angebote - 1997 waren es zusammen mehr als 220 - der zweite, der nichtkommerzielle Bereich des Privatfunks in der Bundesrepublik: die Offenen Kanäle und der lokale Bürgerfunk. Die Offenen Kanäle, die es in zwölf von 16 Bundesländern in unterschiedlicher Dichte gibt, prägen weder im herkömmlichen Sinne noch im Sinne amerikanischer Formatradios Programmstrukturen aus, da sie nur Sendezeiten an Interessenten vergeben und diese bestenfalls die Chance erhalten, jeweils zur gleichen Zeit »on air« zu sein97. Anders die Programme lokaler Radio-Initiativen, die mittlerweile in BadenWürttemberg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen existieren: Sie weisen ein inhaltlich wie formal breites Spektrum an Sendungen auf, von speziellen Musikangeboten über Lokalmagazine und politische Reportagen bis zu Schülerfunk und Gruppenradio, also der Selbstdarstellung von Vereinigungen unterschiedlichster Art. Je umfangreicher das Angebot einzelner Sender wie Radio Dreyeckland in Freiburg oder Radio X-Mix in Frankfurt am Main ausfällt, um so mehr braucht es Strukturen. Soweit erkennbar dienen dann eher die klassische Kästchenstruktur und die Magazinformate öffentlich-rechtlicher Provenienz als Vorbild dieser alternativen Radios zum Zuhören als der glatte Ablauf amerikanischer Musikradios. Die Lokalradios in Frankfurt am Main, Darmstadt, Kassel und Marburg beginnen den Tag beispielsweise mit Frühmagazinen unter Titeln wie »Radiowecker«, kennen Vormittagsmagazine, Presseschauen, Veranstaltungskalender, Jazzsendungen und Radio von Kindern für Kinder98.

5. Ausblick Ende der neunziger Jahre stehen alle Hörfunkanbieter in der Bundesrepublik an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Schon eingeführte und in der Erprobung befindliche Übertragungsverfahren wie A D R (ASTRA Digital Radio) und DAB (Digital

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Audio Broadcasting) bedeuten mittelfristig das Ende der Frequenzknappheit, die fast fünf Jahrzehnte lang auf UKW und zuvor annähernd 20 Jahre auf MW die Anzahl der Programme und die konzeptionellen Möglichkeiten begrenzt hatte". Mit der Einführung zusätzlicher Programmangebote, die noch weiter spezialisiert sind und teilweise als Pay-Radio ausgestrahlt werden, ist zu rechnen. Erste Vorboten sind das 1993 auf Sendung gegangene Pay-Radio Music Choice Europe, das 44 unterschiedliche Musikkanäle anbietet100, und die 1998 gestarteten »Plus«-Programme des HR, darunter eine Jugendwelle101. Mit den neuen digitalen Verbreitungstechniken, der Digitalisierung auch der Produktionstechnik und dem partiellen Zusammenwachsen der bisher weitgehend getrennten Bereiche Rundfunk, Computerund Telekommunikationstechnik mehren sich zudem die Anzeichen, daß Hörfunkprogramme künftig zu bedingt selbständigen Teilen multimedial ausgerichteter Angebotsbouquets einzelner Veranstalter werden könnten, die die Möglichkeiten von Fernsehen und Internet ebenso nutzen wie die Datendienste, die derzeit im Rahmen von DAB-Projekten erprobt werden, oder die Vernetzungsmöglichkeiten des digitalen Fernsehens102. DASDING, das 1997 gestartete gemeinsame Projekt von SDR und SWF für Jugendliche im DAB-Pilotprojekt Baden-Württemberg, orientiert sich heute schon in diese Richtung, versteht sich als »Multimedium«103. Angesichts dieser Indizien, des derzeitigen Gesamtangebots von weit über 200 Hörfunkprogrammen in der Bundesrepublik Deutschland und der Erwartungen von Fachleuten, die zumeist auf einen weiteren Ausbau dieses Angebots und eine weitere Spezialisierung der einzelnen Programme hinauslaufen, stellt sich die Frage, was der Hörfunk von heute und morgen mit dem von gestern, dem aus den fünfziger und sechziger Jahren, noch gemein hat. Die Rolle, die es in jenen Jahren gespielt hat, wird sich das mittlerweile 75 Jahre alte Medium Radio nie wieder zurückerobern können. Seine »Renaissance«, die (wieder) zunehmende Resonanz bei den Hörern seit den siebziger Jahren, war keine Wiedergeburt des Zuhör-Mediums, sondern die Erfolgsgeschichte des NebenbeiMediums, das mit viel Musik den Tagesbegleiter spielt und hauptsächlich über Nachrichten für eine Basis Versorgung mit aktueller Information sorgt. So lange sich das bis heute konservative Verhalten der Hörer - die, anders als beim Fernsehen, nicht »zappen« und sich ihr Programmenü selbst zusammenstellen, sondern in hohen Maße »ihrem« Programm treu sind - nicht ändert, heißt das: Ein Großteil der Radiohörer nimmt große Teile dessen, was Radioprogramme einmal ausgemacht hat, nicht (mehr) wahr, auch wenn es Hörspiele, Features, Jazz, Neue Musik oder Opern in den öffentlich-rechtlichen Programmen nach wie vor gibt und diese Angebote keineswegs ungehört verhallen. Es ist daher eine Sache, darauf hinzuweisen, daß die ARD-Rundfunkanstalten bis heute kein Stück klassisches Radio aufgegeben haben, und eine andere, daß sie damit heute nicht mehr die gesellschaftliche Resonanz, die Beachtung in Presse und Politik finden (können), die ihnen vor 50 Jahren gewiß war.

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Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

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Als Tondokument überliefert im Deutschen Rundfunkarchiv Frankfurt am Main, Nr. 49.8513. Vgl. Walter Roller (Bearb.), Tondokumente zur Zeitgeschichte 19461950, Frankfurt/M. 1979, S. 198. Sendelaufplan NWDR-Köln vom 23.5.1949, WDR, Historisches Archiv. Programmzeitschriften wie die H Ö R Z U hatten für diesen Tag ein »normales« Nachmittagsprogramm ausgewiesen. Vgl. Renate Schumacher, Radio als Medium und Faktor des aktuellen Geschehens, in: Joachim-Felix Leonhard (Hrsg.), Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, München 1997, S. 423 - 621, bes.S. 565ff. Vgl. Hans Bausch, Rundfunkpolitik nach 1945, Teil 1, München 1980, bes. S. 158 f. Leitsätze zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz vom 4. November 1986, abgedruckt in: ARD-Jahrbuch 87, S. 384. Vgl. Horst O. Halefeldt, Sendegesellschaften und Rundfunkordnungen, in: J.-F. Leonhard (Anm. 3), S. 203 - 212, S. 216 -225. Vgl. Horst O. Halefeldt, Rundfunkfreiheit: In der Verfassung zu verankern?, in: epd/ Kirche und Rundfunk, (1979) 11, S. 6 ff. Vgl. die Beispiele in W. Roller (Anm. 1), S. 198-217. Nordwestdeutscher Rundfunk (Hrsg.), Jahrbuch 1949-1950, Hamburg-Köln (1951), S. 63 f. Vgl. den Programmausdruck in der H Ö R Z U für den 14. August 1949. Zitiert nach Wolfgang Jacobmeyer, Politischer Kommentar und Rundfunkpolitik, in: Winfried B. Lerg/Rolf Steininger (Hrsg.), Rundfunk und Politik 1923-1973, Berlin 1975, S. 325. Vgl. ebd. S. 330 auch zum Fall von Cube. Zitiert nach Horst O. Halefeldt, Kalter Krieg im Äther, Sendung der Reihe »Medienreport« auf NDR3 am 2. September 1984. Bundestagsprotokoll, Bd. 5, S. 3184 ff. Vgl. für den SDR: Egar Lersch, Das Hörfunkprogramm, in: Konrad Dussel/Edgar Lersch/Jürgen K. Müller, Rundfunk in Stuttgart 1950-1959, S. 95. Peter Kehm, Blütezeit?, in: ARD-Jahrbuch 89, S. 61. So die Formulierung in der Satzung des SWF von 1952, zitiert nach Wolfgang Lehr/ Klaus Berg, Rundfunk und Presse in Deutschland, Mainz 1971, S. 133. Vgl. generell zur Entwicklung der Programmstrukturen und zum Aufbau neuer Programme Horst O. Halefeldt, Weichenstellungen in der historischen Entwicklung des Hörfunks, in: Dieter Roß (Hrsg.), Die Zukunft des Hörfunkprogramms, Hamburg 1982, S. 20-37; vgl. zur Regionalisierung ders., Die Entdeckung der Nahwelt, in: ARDJahrbuch 83, S. 62-79. Der hier versuchte Überblick muß sich notgedrungen weitgehend auf die wenigen eher journalistischen Übersichten zum Thema, auf rückblickende Zusammenfassungen amtierender oder ehemaliger Programmdirektoren und auf Eigenpublikationen stützen. Wissenschaftliche Arbeiten, die mehr als eine Sparte oder eine Rundfunkanstalt programmhistorisch erforschen, sind eine Rarität (vgl. R. Hügel, [Anm. 21]). Und wo es sie gibt, stammen sie häufig von Archivaren der Rundfunkanstalten oder sind in deren Auftrag entstanden. Allerdings sind selbst die nichtwissenschaftlichen Rückblicke in der Regel zuverlässiger als zusammenfassende Darstellungen in kultur- oder allgemeingeschichtlichen Standardwerken (vgl. z.B. die berechtigte Kritik von E. Lersch [Anm. 14, S. 195] an Jost Hermand, Kultur im Wiederaufbau, München 1986). Vgl. Ingo Dahrendorf, Hörfunktechnik in der UKW-Ära, in: ARD-Jahrbuch 89, S. 4 5 54; vgl. auch Georg von Glowczewski, Der Kopenhagener Wellenplan 1948 und seine politischen, rechtlichen und technischen Folgen für die ARD, in: W.B. Lerg/R.Steininger (Anm. 11), S. 385 -410. Im Sendegebiet des SDR verfügten 1959 80 Prozent der Haushalte über Empfangsgeräte mit UKW-Teil (vgl. E. Lersch [Anm. 14], S. 92 f.).

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Vgl. Nordwestdeutscher Rundfunk (Hrsg.), NWDR. Ein Rückblick, Hamburg 1956, S. 132. Berechnet nach NWDR. Ein Rückblick (Anm. 19), S. 134-139. Vgl. Roland Hügel, Hörfunkprogramm unter Fernsehkonkurrenz, Magisterarbeit, Mainz 1985, S. 38 - 44. Vgl. für den S D R zuletzt E. Lersch (Anm. 14), S. 101 f., sowie das resümierende Buch des damaligen SDR-Intendanten Fritz Eberhard: Der Rundfunkhörer und sein Programm, Berlin 1962. Vgl. generell Hansjörg Bessler, Hörer- und Zuschauerforschung, München 1980. Vgl. E. Lersch (Anm. 14), S. 113 f. Vgl. Gerhard Schröter, Das Dritte Programm und seine Hörer, in: Rundfunk und Fernsehen, 3 (1955) 2, S. 176 ff.; Jürgen Schüddekopf, Das neue »Dritte Programm« des Norddeutschen Rundfunks, in: Rundfunk und Fernsehen, 3 (1955) 4, S. 402 f. Vgl. Rolf Steininger, Deutschlandfunk - die Vorgeschichte einer Rundfunkanstalt 1949-1961, Berlin 1977. Vgl. E. Lersch (Anm. 14), S. 89 f. Zur Entwicklung im Sportbereich vgl. Peter Gödeke, Sport im Hörfunk, Diss. Phil., Münster 1975. Vgl. N W D R . Ein Rückblick (Anm. 19), S. 37, S. 40 f.; zur Wehrdebatte vgl. Walter Steigner, Hier ist der Nordwestdeutsche Rundfunk Köln, in: Walter Forst (Hrsg.), Aus Köln in die Welt, Köln-Berlin 1974, S. 160 f. Vgl. Jobst Plog, Die Welt entdecken, in: ARD-Jahrbuch 87, S. 17-29. Vgl. N W D R . Ein Rückblick (Anm. 19), S. 32 f. Vgl. W. Jacobmeyer (Anm. 11). Zu Zimmermann vgl. die diversen Erwähnungen bei P. Gödeke (Anm. 27). Vgl. H.O. Halefeldt, Die Entdeckung (Anm. 17), S. 6 7 - 7 3 . Vgl. E. Lersch (Anm. 14), bes. S. 9 7 - 1 0 2 . Vgl. Ulrich Dibelius, Musikkultur aus eigener Kraft, in: ARD-Jahrbuch 81, S. 2 6 - 3 7 ; Hans-Wilhelm Kulenkampff, Auftragskompositionen im Rundfunk, in: Anneliese Betz (Bearb.), Auftragskompositionen im Rundfunk 1946-1975, Frankfurt/M. 1977, S. V I I XIII. Vgl. P. Kehm (Anm. 15), S. 62. Karl H. Karst, Das Hörspiel in Stichworten, in: Bayerischer Rundfunk, Hörspiel, (1985) 2, S. 2. Vgl. Werner Höfer, Guten Abend, liebes Echo, in: Nordwestdeutscher Rundfunk (Hrsg.), Jahrbuch 1950-1953, Hamburg-Köln 1954, S. 41. Vgl. E. Lersch (Anm. 14), S. 111. Vgl. H. Bessler (Anm. 22), S. 116 f. Vgl. R . Hügel (Anm. 21), S. 4 7 - 5 9 . Henning Wicht, Der Hörfunk im Zeitalter des Fernsehens, in: ARD-Jahrbuch 69, S. 6 3 90. Diesen Ausdruck für die Magazin-Moderatoren prägte der Hörfunkdirektor des W D R , Fritz Brühl, 1971 (vgl. Manfred Jenke, Gegenwart und Zukunft des Hörfunks, in: Walter Forst [Hrsg.], Nach fünfundzwanzig Jahren, Köln 1980, S. 83). Vgl. Manfred Jenke, Neun Millionen Minuten, in: ARD-Jahrbuch 86, S. 67. Henning Wicht, Mundwerksburschen und Magazine, in: ARD-Jahrbuch 89, S. 83. Ebd., S 84. Vgl. Joachim Kadelbach, Funkkolleg - Kooperation im Medienverbund, in: ARD-Jahrbuch 1982, S. 3 2 - 40. K. Karst, Das Hörspiel (Anm. 37), S. 2. Vgl. die Programmstatistik in ARD-Jahrbuch 1969, S. 291 - 2 9 9 . Vgl. H.O. Halefeldt, Weichenstellungen (Anm. 17), S. 33; zur Werbung im W D R vgl. ARD-Chronik 1978-1987, S.240. Der Hörfunk des W D R begann am 2. November 1987 mit Funkwerbung.

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Zu den sogenannten Gastarbeitersendungen vgl. Walter Stelzle, Das Ausländerprogramm der ARD, in: ARD-Jahrbuch 1980, S. 54-67. Vgl. den Auszug aus H Ö R Z U 1965,11, in: ARD-Jahrbuch 1991, S. 128. Vgl. H.O. Halefeldt, Kalter Krieg (Anm. 12); vgl. auch das Stichwort »Nachtprogramm« in: ABC der ARD, Hamburg 1994, S. 78 f. Vgl. Gerhard Franz/Walter Klingler/Nike Jäger, Die Entwicklung der Radionutzung 1968 bis 1990, in: Media Perspektiven, (1991) 6, S. 406 f. Vgl. Gert Haedecke, Radio-Renaissance, in: ARD-Jahrbuch 1989, S. 103 f.; Wolfgang Jäger, Strukturreformen im Hörfunk, in: ARD-Jahrbuch 1974, S. 57-73. Vgl. Walter von Cube, Bayern 3, in: ARD-Jahrbuch 1972, S. 63 ff. Vgl. G. Haedecke (Anm. 55), S. 103. Vgl. W. Jäger (Anm. 55), S. 62 f. Daten aus den (unveröffentlichten) Statistischen Jahrbüchern der ARD. Vgl. Gerhard Gericke, Regionalisierung des Rundfunks, in: Media Perspektiven, (1980) 8, S. 544-557. Vgl. ARD-Kommunique: Auffassung zur Einführung lokaler Rundfunksendungen, Mitteilung vom 19. Januar 1972, abgedruckt in: Media Perspektiven, (1972) 1, S. 43 f. Vgl. zum Start der angeführten Programme die entsprechenden Passagen in den seit 1980 regelmäßig in den ARD-Jahrbüchern enthaltenen Berichten zur Hörfunkentwicklung des jeweiligen Vorjahres. Vgl. Peter Kliemann, Neue Konzepte - Neue Konkurrenten, in: ARD-Jahrbuch 1989, S. 119f.; Manfred Jenke, Radio im Wandel, in: ARD-Jahrbuch 1991, S. 126-137. Thomas Gruber, Klassik rund um die Uhr, in: ARD-Jahrbuch 1997, S. 81-86. Vgl. Gert Haedecke, Mehr Wort denn je, in: ARD-Jahrbuch 1994, S. 2 4 - 3 0 Vgl. Horst O. Halefeldt, Hörfunk 1980, in: ARD-Jahrbuch 1981, S. 114. Vgl. z.B. Peter Leonhard Braun, Catch as catch can; Vier Feature-Texte, Berlin 1972. K. Karst (Anm. 37), S. 2. SWF (Hrsg.), Goethe zum 150. Todestag, Baden-Baden 1982; SWF (Hrsg.), Begegnungen mit dem Judentum, Baden-Baden 1980. Vgl. SWF, Judentum (Anm. 69), S. 59. Vgl. G. Haedecke (Anm. 55), S. 104, sowie die exemplarische Darstellung dieses Prozesses für den SWF bei Hubert Locher, Radio in jeder Funktion, in: ARD-Jahrbuch 1992, S. 76-82. Vgl. ARD-Jahrbuch 1972, S. 258 - 263; ARD-Jahrbuch 1986, S. 370-377. Vgl. ARD-Jahrbuch 1972, S. 265; ARD-Jahrbuch 1986, S. 381. Vgl. Helmut G. Bauer, Struktur des privaten Hörfunks in Deutschland, in: Stephan Ory / Helmut G. Bauer (Hrsg.), Hörfunk-Jahrbuch 1994, S. 11 ff. Ebd., S. 15-19. Vgl. Rainer M. Cabanis, Radio in besonders engen Märkten, in: Hörfunk-Jahrbuch 1995, S. 55-61. Frank Böhnke, Interner Wettbewerb im Zwei-Säulen-Modell, in: Hörfunk-Jahrbuch 1994, S. 65-74. Vgl. Philip von Martius, Der Lokalfunk in Baden-Württemberg im zweiten Zulassungszeitraum, in: Hörfunk-Jahrbuch 1996/97, S. 41-48. Vgl. Manfred Jenke, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt sich dem Wettbewerb, in: Hörfunk-Jahrbuch 1994, S. 87-98. Vgl. Friedmar Lüke, Formatradio - unsere Zukunft, in: ARD-Jahrbuch 1994, S. 43-55. Vgl. Katrin Prüfig, Formatradio - ein Erfolgskonzept, Berlin 1993. Vgl. die regelmäßige Selbstdarstellung der Programme bzw. Veranstalter in den Jahrbüchern der Landesmedienanstalten, z.B. im Jahrbuch 95/96, S. 446 -561. Vgl. ARD-Jahrbuch 98, S. 209, S. 413. Neueste Marktanteilsangaben nach Walter Klingler/Jens Schaack, Hörfunk behauptet starke Position, in: Media Perspektiven, (1998) 11, S. 568. Vgl. Gernot Romann, Bei uns macht Radio Spaß, in: ARD-Jahrbuch 94, S. 71 ff.

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Vgl. Michael Schiewack, Brücke zwischen gestern und morgen, in: ARD-Jahrbuch 94, S. 76 f.; Helmut Lehnert, Das Alte zerstört, um Neues hervorzubringen, in: ebd., S. 78 ff. Vgl. Gudrun Augustin, Hörfunk 1995, in: ARD-Jahrbuch 96, S. 184 ff. Vgl. Gudrun Augustin/Horst O. Halefeldt, Hörfunk 1986, in: ARD-Jahrbuch 87, S. 152 f. Vgl. Horst O. Halefeldt, Immer näher ran, in: ARD-Jahrbuch 96, bes. S. 95 ff. Vgl. Hermann Vinke, Aufbruch zu neuen Ufern, in: ARD-Jahrbuch 95, S. 42-47. Vgl. Dietz Schwiesau, Ständig auf dem laufenden, in: ARD-Jahrbuch 97, S. 7 4 - 80. Vgl. die Online-Präsentation von NDR 4 im Internet vom Juni 1998. Vgl. Gudrun Augustin, Hörfunk 1994, in: ARD-Jahrbuch 95, S. 217 f. Vgl. ARD-Jahrbuch 97, S. 167. Vgl. ARD-Jahrbuch 98, S. 391, S. 351. Angaben nach dem (unveröffentlichten) Statischen Jahrbuch 96 der ARD. Vgl. Ernst Elitz, Information und Kultur bundesweit, in: ARD-Jahrbuch 95, S. 70-76. Ulrich Kamp (Hrsg.), Handbuch Medien: Offene Kanäle, Bonn 1997. Vgl. Elke Halefeldt, Hessen - bald sechs freie Radios, in: FUNK-Korrespondenz 1997, 38, S. 25 ff. Vgl. generell Arbeitskreis Offene Kanäle und Bürgerrundfunk der Landesmedienanstalten (Hrsg.), Offene Kanäle und Bürgerfunk in Deutschland, Halle (1997). Vgl. Herbert Tillmann, An der Schwelle zu DAB, in: ARD-Jahrbuch 96, S. 38 -47; Gerd Pohle, Digitaler Satellitenempfang im Hörfunk, in: Media Perspektiven, (1997) 8, S. 427-430. Vgl. Jahrbuch der Landesmedienanstalten 1995/96, S. 511. Vgl. Heinz-Dieter Sommer, Öffentlich-rechtliche Programmstrategien im digitalen Hörfunk, in: Media Perspektiven, (1997) 8, S. 418-426. Vgl. für den Bereich der ARD Michael Albrecht, Vernetzte Angebote, in: ARD-Jahrbuch 97, S. 49-56. Vgl. Marcus Schuler, Mehr als Radio für Jugendliche, in: ARD-Jahrbuch 98, S. 75-79.

57 S e n d e s t a r t v o n R a d i n S t u t t g a r t a m 3. J u n i 1945 a u s e i n e m S t u d i o w a g e n d e r 7. U S - A r m e e in d e r I l o f e i n f a h r t d e s Ί e l e g r a p h e n b a u a m t e s in d e r N e c k a r s t r a ß e .

58 F u n k h a u s in d e r S t u t t g a r t e r N e c k a r s t r a ß e 145: D e u t s c h e Hilfspolizisten b e w a c h e n in den Jahren 1945 his 194N » R a d i o S t u t t g a r t . . .

59 D i e » S t i m m e A m e r i k a s « : R u n d f u n k s p r e c h e r D a v i d B e r g e r b e i e i n e r l . i v e - S e n d u n g d e s R I A S a m 13. J u n i 1952 v o m H e r m a n n p l a t z in B e r l i n - N e u k ö l l n .

60 I n t e n d a t e n k o n f e r e n z d e r R u n d f u n k a n s t a l t e n d e r vier B u s a t z u n g s z o n e n bei R a d i o M ü n c h e n im S e p t e m b e r 1947.

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61 R a d i o München: R e p o r t e r i n Margit W a g n e r a u f e i n e r A u ß e n r e p o r t a g e 1945.

6 3 S c h u l f u n k \i)5l)·.

62 A u f n a h m e d e r e r s t e n W e r b e s p o t s bei R a d i o B r e m e n 1948'. J e d e S e k u n d e k o s t e t 6,00 bis 8 . 0 0 D M .

ein k l a p p b a r e r S c h u l f u n k e m p f ä n g e r ü b e r t r ä g t e i n e H e u s s - R e d e .

64 R u n d f u n k d i s k u s s i o n bei R a d i o F r a n k f u r t 1949: H e r m a n n ( i o e r t z ( L e i t e r d e r H ö r s p i e l a b t e i l u n g ) m i t d e n d e u t s c h e n V e r l e g e r n P e t e r S u h r k a m p . E r n s t R o w o h l t u n d Kurt D e s c h (v.l.n.r ).

65 D i e ö s t e r r e i c h i s c h e D i c h t e r i n I n g e b o r g B a c h m a n n e r h ä l t a m 17. M ä r z 1959 f ü r ihr H ö r s p i e l » D e r g u t e G o t t v o n M a n h a t t a n « d e n H ö r s p i e l p r e i s d e r K r i e g s b l i n d e n , e i n e Plastik des k r i e g s blinden B i l d h a u e r s Walter Richter (Mitte: Bundesverteidigungsminister Theodor Blank, rechts: H a n s Ludwig, Vorsitzender des B u n d e s der Kriegsblinden).

66 H ö r s p i e l p r o d u k t i o n »Die Hamletmaschine« mit dem A u t o r H e i n e r Müller (links) und dem Regisseur H a r u n Farocki. S D R 1978.

67 Produktion des Science-fiction-Radiospiels »Ausbruch« mit H e r m a n n Treusch, G e r d Baltus, Peter Roggisch. A n d r e a s Weber-Schäfer, Ingrid Birkholz, Kornelia Boje (v.l.n.r.), S D R 1973.

6 8 D i e S e n d e r e i h e » V o n K o n t i n e n t zu K o n t i n e n t « im S D R b e g i n n t am 7. M ä r z 1953 mit e i n e m S t ä d t e q u i z z w i s c h e n S t u t t g a r t u n d N e w York (v.l.n.r.: R u t h R e i n h a r d t . I Ierr K o c h e r - B e n z i n e . K ä t h e B e c k m a n n , H a n s Ulrich Reichert, Maria Wiecke. H e r m a n n Seyhoth).

6 9 A m 22. N o v e m b e r 1951 s t a r t e t d e r S D R d i e S e n d e r e i h e » D i s k u s s i o n mit B o n n « : R e d a k t e u r W o l f D i e t r i c h i m G e s p r ä c h m i t B u n d e s t a g s p r ä s i d e n t H e r m a n n E h l e r s (r.) im B o n n e r S t u d i o .

70 K i n d e r s t u n d e 1957.

71 P r o d u k t i o n f ü r die R e i h e » H ö r s p i e l e f ü r K i n d e r « , hier: » D a s M ä r c h e n v o n H a n n e s u n d d e m R i e s e n « mit H a n s T i m e r d i n g . H a n s - G e o r g P a n c z a k . M i c h a e l H a b e c k . Ulrich F a u l h a b e r . P e t e r S c h m i t z . G e r n o t D u d a . C u r f ß o c k (v.l.n.r.)". S D R 1978.

72 Kurt E d e l h a g e n mil seinem Orchester 1958 ( W D R ) .

73 Das Kölner R u n d f u n k - S i n f o n i e o r c h e s t e r 1950 im großen Sendesaal des W D R .

74 G e r d K r ä m e r hei e i n e r R e p o r t a g e f ü r R a d i o S t u t t g a r t a u s d e m N c c k a r s t a d i o n 1946/47.

240

75 J u g o s l a w i s c h e R e d a k t i o n d e s W D R 1970: Seit 1961 b i e t e n die R u n d f u n k a n s t a l t e n s p e z i e l l e Sendungen für Gastarbeiter an.

76 D i e W D R - S e n d u n g » Z e i t z e i e h e n « feiert a m 4. April 1992 ihren 25. G e b u r t s t a g . Ein 15-Minut e n - F e a t u r e e r i n n e r t täglich a n P e r s o n e n und E r e i g n i s s e d e r V e r g a n g e n h e i t .

77 » M o r g e n m a g a / i n « d e s W D R mit C h r i s t i n e L c m m e n u n d S i e g f r i e d B e r n d (1979). N a c h d e m d a s 1965 e i n g e f ü h r t e Y l i l l a g s m a g a z i n g r o ß e n Z u s p r u c h e r f ä h r t , folgt 1967 d a s M o r g e n m a g a z i n .

78 W e i n p r o b e auf d e r D o m p l a t t e in K ö l n . 1990: A k t u e l l e B e r i c h t e r s t a t t u n g a u s d e r R e g i o n bietet d e r W D R seit A p r i l 1950 in d e r M a g a z i n s e n d u n g » Z w i s c h e n R h e i n u n d W e s e r « .

79 Verkehrsstudio des N D R A n f a n g der siebziger Jahre: E g o n Schätzle (links). Leiter des N D R Verkehrsstudios, und A l f r e d Dörfler vom A D A C .

80 A u s d e m bisherigen W D R - V e r k e h r s s t u d i o wird Mitte der neunziger J a h r e ein m o d e r n e s V e r k e h r s - I n f o r m a t i o n s z e n t r u m für Nordrhein-Westfalen.

244

83 P r o d u k t i o n d e r W D R - K u r z h ö r s p i e l r e i h e » H e i ß und fettieh«. 1993. Die A u t o r i n n e n C o r n e l i a W a l t e r u n d M a r i a F r a n z i s k a Schüller (rechts) s p r e c h e n die S a u n a - D i a l o g e von Frau B l ö m k e und Frau Huppertz.

84 D e r H u n d » I w a n « im S t u d i o des W D R bei d e r A u f n a h m e des H ö r s p i e l s » D e r f r e i e H u n d I w a n « v o n A n d r z e j M u l a r c z y k , 1994.

85 R u f u s Beck (1.) und J o a c h i m Krol bei der W D R - H ö r s p i c l a u f n a h m e » H a r u n und das Meer d e r G e s c h i c h t e n « von Salman R u s h d i e . 1995.

ersten Mals< wider (Freß-, Konsum-, Reisewelle). Die Orientierung am amerikanischen Vorbild, geprägt durch Sentimentalität und Sehnsucht nach einer heilen Welt, paßt dabei ideal zur Tendenz der Vergangenheitsverdrängung in der deutschen Nachkriegsbevölkerung.« 47 Es werden die schönen Seiten des Lebens gezeigt, ζ. B. von Martini, Marlboro oder Coca Cola. Das Auto gilt als hervorragendes Mittel zur sozialen Unterscheidung und wird entsprechend in der Werbung eingesetzt. In den sechziger Jahren setzt sich allmählich Kritik an den bis dahin nicht hinterfragten Werten des Bürgertums und der Adenauer-Ära durch, an Kapitalismus, Demokratie, Parlamentarismus, Familie, patriarchalischer Erziehung, Religion, Kunst und bürgerlicher Bildung. Diese Infragestellung mußte sich auch in Werbespots zeigen, wofür 1969 der Afri-Cola-Spot von Charles Wilp steht: »Die Erde ist ein Paradies Afri-Cola hungriger Gefühle. Die Frau wird Frau und frei - girl power - Frauen lip - Männerfreiheit.« 48 In den siebziger Jahren kommt es zu Investitionsschwächen der Wirtschaft, zum Strukturwandel und zu Massenarbeitslosigkeit, zur Verschärfung sozialer Konflikte, zur Flucht in Kommunen und Wohngemeinschaften; religiöse Subkulturen und Sekten entstehen. Die Unterhaltungselektronik überspielt reale Probleme. Natürlichkeit und Individualismus gelten als (Gegen-)Werte. Esso wirbt mit seinen »Pioniertaten im Dienst der Energieversorgung. Es gibt viel zu tun. Packen wir's an.«49 Die achtziger Jahre werden etikettiert als Postmoderne, neue Unübersichtlichkeit oder Multikulturalität. »Wie gefährdet Umwelt und Gesundheit bereits sind,

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wird ( . . . ) drastisch vor Augen geführt durch die Giftgas-Katastrophe in Bhopal (1984) mit mehr als 200 000 Opfern, Smogszenarien im Ruhrgebiet, die Sandoz-Katastrophe (1986) und den Seveso-Giftskandal (1983), durch Tankerunglücke und Algenteppiche an der Adria, durch Wein- und Hormonskandale. Das für das Weltbewußtsein einschneidendste Ereignis aber ist sicher die Tschernobyl-Katastrophe (1986), die das Ausmaß der atomaren Gefährdung und die Hilflosigkeit der Politik ( . . . ) drastisch verdeutlicht.«50 »Ästhetisierung und zielgruppenspezifische Ausdifferenzierung der Fernsehwerbung«51 bieten Gegenbilder zu diesen Katastrophen; sie knüpfen auch an die neuen Visualisierungsstrategien und -experimente von Videoclips an. Bacardi-Rum, Coca Cola und Langnese spielen bewundernswerten Lifestyle vor. Bei der Bacardi-Werbung von 1987 suggerieren die Bilder »einen Traum vom vollendeten Glück um Freiheit, Abenteuer und Erotik in einer paradiesischen Natur«52. Insgesamt interpretieren Siegfried J. Schmidt und Brigitte Spieß53 Werbung unter Aspekten der Modernisierung: »Je kürzer und unsicherer der Blick in die Zukunft wird, je mehr Geschichte ihre Verbindlichkeit verliert, desto mehr konzentriert sich alles auf die Gegenwart, auf den schönen Schein, auf Luxus und materielle Güter.«54 Im Anschluß an die innovative Untersuchung von Rolf Kloepfer und Hanne Landbeck zur Ästhetik der Werbung, die den Fernsehspot in verschiedenen europäischen Ländern aufgrund differenzierter audiovisueller Analysen als Symptom neuer Macht interpretierte 55 , sehen auch Schmidt und Spieß56 die Entwicklung von Fernsehwerbung als Weg von der Reklame über die Propaganda zu ästhetischen Kommunikationsstrategien. »Vereinfacht lautet die Botschaft der vier Werbungsarten: 1. Kauft das Gut, das wir euch hier vorführen! 2. Entdeckt eure Wünsche, wir helfen dabei! 3. Wir nehmen an einem tollen Leben teil, und hier sind Orte, Güter usw., deren Wert uns entspricht! 4. Entfaltet eure Möglichkeiten, wir sind alle kreativ!«57 Die Werbewirtschaft wurde bereits in den sechziger Jahren zu einem Steuerungsinstrument der Firmenpolitik, verband Marketing mit Produktauswahl, Produktgestaltung und modernen Unternehmenskonzeptionen 58 . In den neunziger Jahren wirkt Werbung vor allem durch eine Veränderung der Kommunikation; sie verändert Programmstrukturen, -inhalte und Präsentationsformen. Die durch kompetente und finanzstarke Werbeagenturen produzierten Werbespots entwickeln je innovative Verkaufsästhetiken, an deren Anspruch dann auch andere Fernsehprogramme gemessen werden. Daher liegt es in der effektiven Weiterentwicklung von Werbespots, höhere ästhetische Präsentationsqualitäten zu erreichen, innovativ aufzufallen und (am Rande) über die Produkte zu informieren. Werbeagenturen gehören damit zu wichtigen Beobachtern gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen - unter dem Aspekt von Kaufpotentialen und der Beeinflussung von Kaufabsichten.

3.5 Kinder- und

Jugendfernsehen

Die Entwicklung des Kinder- und Jugendfernsehens erfordert aus mehreren Gründen eine eigene Betrachtung: Zunächst ist die Altersgruppe der sechs- bis 13jähri-

Programmgeschichte des Fernsehens

270

gen, die in der Bundesrepublik auch juristisch als »Kinder« definiert wird, leichter in ihrer »Welt-Anschauung« zu prägen als Erwachsene; dies gilt ähnlich, wenn auch in abgeschwächter Form, für die Gruppe der 14- bis 19jährigen, die im allgemeinen und auch in der Medienforschung als »Jugendliche« bezeichnet werden. Zweitens finden sich im Kinder- und Jugendfernsehen (im Unterschied zu den anderen Haupttypen des Programms) fast alle Genres in einer altersgruppenspezifischen Orientierung: Spielfilme, Serien, Magazine, Nachrichtensendungen usw. - ergänzt durch kinderspezifische Genres wie Märchensendungen und Zeichentrickfilme (die allerdings auch von anderen Altersgruppierungen gesehen werden) und speziellen Musiksendungen für Jugendliche. Drittens zeigt die Entwicklung der Kinderund Jugendprogramme seit den fünfziger Jahren ähnliche Trends wie die gesamte Fernsehprogrammentwicklung: Die Entwicklung führt vom Bildungs- und Informationsfernsehen über Unterhaltungsprogramme zu kommerziell orientierten Rahmenprogrammen der Werbesendungen und - in den neunziger Jahren - eigenen Spartenkanälen für Kinder (Nickelodeon von 1995 bis 1998, der Kinderkanal von A R D und Z D F seit 1997) und Jugendliche (international: MTV schon seit 1981, seit 1987 MTV Europe; im deutschsprachigen Raum VIVA, seit 1993, mit der späteren Ergänzung von VIVA 2, seit 1995, für »jugendliche Erwachsene«). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich das Fernsehen in der Bundesrepublik darüber hinaus von einer Anbieter- zu einer Nachfrageveranstaltung entwickelt; die Kommerzialisierung des Fernsehprogramms seit der Etablierung des dualen Systems Mitte der achtziger Jahre und seine Dominanz in den neunziger Jahren führte zudem zu einer Desintegration und Emotionalisierung der Zuschauer. Wie Knut Hickethier feststellte, ließen sich die Anfänge des deutschen Kinderfernsehens im Dritten Reich zwischen »Märchenspiel und Wehrertüchtigung« einordnen5''. Ende der neunziger Jahre sind die Kinderprogramme der kommerziellen Sender Rahmenprogramme für zielgruppenspezifische Werbespots, in erster Linie für Süßigkeiten und Spielzeug, aber auch zur Beeinflussung familiärer Kaufentscheidungen, auf dem Umweg über die Mitsprache der Kinder60. Die unterschiedlichen unterhaltenden und spielerisch belehrenden Erzähltypen in der Geschichte des bundesdeutschen Kinderfernsehens unterscheidet Hans-Dieter Erlinger wie folgt: 1. Der Erzähler auf dem Bildschirm, vor allem in der Frühzeit des Fernsehens der fünfziger und sechziger Jahre, beispielhaft »Kinderstunde mit Dr. Ilse Obrig« und »Luis Trenker erzählt«. 2. Die Erzählung als Deutung der Welt, zum Beispiel »Die Spielschule« seit Ende der sechziger Jahre im Bayerischen Rundfunk. 3. Die Erzählung als teilnehmende Beobachtung mit Verfremdungseffekten, wie »Neues aus Uhlenbusch« (mit 40 Folgen seit 1978). 4. Der erzählte Film, so die »Bettkantengeschichten« (mit 60 Folgen ab 1982). 5. Die Erzählung als modernes Stadtmärchen, herausragend »Pan Tau«, eine tschechisch-deutsch-österreichische Koproduktion, ab 1970 mit insgesamt 33 Folgen im deutschen Fernsehen - als bewußte Gegenproduktion zu US-amerikanischen Serien wie »Flipper«, »Fury« oder »Daktari«. 6. Die Serie, wie »Janna«, im September bis Dezember 1989 in der A R D erstausgestrahlt, seither in mehreren Wiederholungen 61 .

271

Peter Ludes

Diese idealtypische Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Kinderfernsehens in der Bundesrepublik wurde allerdings seit Mitte der achtziger Jahre konterkariert. Hans-Dieter Kübler hat dies folgendermaßen auf den Begriff gebracht: »Von der Vorführstunde zur Agentur für Medienwaren: zur Entwicklung des Kinderfernsehens zum Inbegriff kommerzieller Kinderkultur« 62 . Die Angebote der kommerziellen Sender kommen den Programmpräferenzen der Kinder stärker entgegen als diejenigen von A R D oder ZDF. Denn Kinder sehen oft am liebsten Zeichentrickfilme oder Werbung 63 . Als Gegenpol zu den Programmen der Privaten senden A R D und Z D F seit dem 1. Januar 1997 spezielle Programme für Kinder in dem eigenen »Kinderkanal«. Er strahlt von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr ein Programm aus, das etwa zu einem Drittel aus alten Kindersendungen von A R D und Z D F besteht, zu einem weiteren Drittel aus Kindersendungen, die zur Zeit in der A R D oder im Z D F laufen und schließlich aus Neuproduktionen, die aus einem Anteil der Rundfunkgebührenerhöhung zum 1. Januar 1997 finanziert werden. Im Unterschied zu der Vielfalt der Kinderprogramme ist das Angebot für Teens und Jugendliche äußerst gering. Das hängt vor allem damit zusammen, daß Jugendliche immer wieder neu ihren eigenen Stil suchen und sich nur schlechter in Programmschemata einordnen lassen. Andererseits sehen sie im Unterschied zu anderen Altersgruppierungen auch relativ weniger fern und bevorzugen wenn möglich aktivere Freizeitbeschäftigungen. Die speziell für sie produzierten Sendungen werden zudem dem Anspruch Jugendlicher, eher junge Erwachsene zu sein, nicht immer gerecht. So etablierten sich zwar informierende und unterhaltende Spezialprogramme für Jugendliche, wie »Moskito« oder »Bravo TV«. Aber insgesamt läßt sich für die Entwicklung des Jugendprogramms in der Bundesrepublik nur grob erkennen, daß sich die Bildungssendungen der frühen sechziger Jahre in den siebziger Jahren zu Beteiligungsprogrammen entwickelten, die in den achtziger und neunziger Jahren teilweise durch jugendspezifische Talkrunden ergänzt bzw. ersetzt wurden 64 . International hat sich demgegenüber mit MTV, das hauptsächlich von Jugendlichen gesehen wird, der internationale Spartenkanal entwickelt, der selbst gegenüber Nachrichten- oder Sportspartenkanälen weltweit größere Bedeutung beanspruchen kann und eine eigene internationale Jugendkultur mit prägt. Jugendliche zeigen aber auch weiterhin nationalspezifische Vorlieben, und Werbemanager verlangen klarer segmentierte Märkte für ihre Musikproduktionen und speziellen Kaufangebote. Dies begründete den Erfolg von VIVA in der Bundesrepublik. Wichtiger werden aber in Zukunft wohl die multimedialen Nutzungen von Gameboys, Computerspielen und Spieleangeboten im Internet. Mit den jüngeren Generationen verliert das Fernsehen nach und nach seinen Nachwuchs - zumindest einen Teil von dessen Zeitbudget und Aufmerksamkeit.

4. Stars und Schlüsselbilder, Fernsehprogramm und Medienkultur Wie Siegfried J. Schmidt 199465 in seinen Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur feststellte, »ist das Fernsehen zum

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des Fernsehens

272

Verkörperer des Realitätsprinzips in der modernen Gesellschaft geworden«. Und weiter: »Bilddokumente beanspruchen einen höheren Rang der Zeitzeugenschaft als Texte; sie scheinen >die Vergangenheit lebendiger, anschaulicher, verläßlicher entstehen zu lassen als Textdokumente.« 66 Dennoch sind Fernsehprogrammgeschichten, die diesem audiovisuellen Charakter von Bildung, Information, Unterhaltung und Werbung gerecht werden, noch selten. Die in den bisherigen Abschnitten ausgewertete fünfbändige Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland versucht zwar, durch Bildmaterial zumindest einige visuelle Höhepunkte der Fernsehprogrammgeschichte in Schwarzweiß-Standfotos wiederzugeben, jedoch dokumentiert auch diese Fernsehgeschichte die Dominanz der Personalisierung quer durch alle Genres. Ergänzt wird dieses Schwergewicht durch jeweils wenige Beispiele von Kunstwerken, Logos, Karikaturen, Grafiken, Handpuppen oder Schattensilhouetten. Deshalb ist die vierbändige Geschichte der Fernsehstars von Ricarda Strobel und Werner Faulstich67 eine notwendige Ergänzung zu der 1994 abgeschlossenen Fernsehgeschichte. Auch die einzige interkulturell vergleichende Analyse ausgewählter »Schlüsselbilder« (besonders markanter Standbilder und Bewegtbild-Sequenzen aus Nachrichtenfilmen) aus Fernsehnachrichtensendungen in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, die insgesamt mehr als 4 000 Schlüsselbilder erfaßte und systematisierte 68 , zeigt, daß in dem am stärksten rezipierten und glaubwürdigsten Genre der Informationssendungen, den Hauptfernsehnachrichtensendungen, Personalisierung der dominierende Trend ist, allerdings ergänzt durch Logos, Karten und die zunehmende Unterwerfung unterschiedlicher Schlüsselbildformate für Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft oder Medien unter einheitliche Regeln69. Gemessen an seinem Anteil an der Nutzung von Medien und ihrer Glaubwürdigkeit setzte sich das Fernsehen seit den sechziger Jahren als »Leitmedium« gegenüber Druckmedien und Hörfunk durch™. Gezeigt wurden und werden vor allem einzelne Personen, Paare oder Kleingruppen - in diesem Sinne kann man vermuten, daß das Fernsehen den Individualisierungsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland förderte, denn es lassen sich keine klaren historischen Unterschiede derart erkennen, daß diese individuelle Darstellung erst später in der Programmgeschichte dominiert hätte. Meist eher schöne und interessante Personen wurden und werden in ihrer beachtenswerten Gestik und Mimik an besonders schönen Orten gezeigt. Das Fernsehen benutzt - zwar unterschiedlich je nach Genre, aber insgesamt doch in Angeboten aus Bildung, Information, Unterhaltung und Werbung - Strategien der technischen Verbesserung der Bildqualität, der ästhetischen Gestaltung von Personen und Inszenierungsräumen, der Hervorhebung des Besonderen. Innerhalb der unterschiedlichen Konflikttypen, von Konflikten, die Menschen in sich selbst austragen, solchen mit anderen Menschen, mit Tieren oder der äußeren Natur, mit übergeordneten (schwerer visualisierbaren) Werten, Normen, Prinzipien oder mit Gott, dominierten eindeutig die (leichter zu veranschaulichenden) Konflikte zwischen Menschen. Auch wenn seit Einführung der Werbespots 1956 bereits alle Haupttypen des Programms im deutschen Fernsehen vertreten waren, lassen sich doch wichtige Schwerpunktverschiebungen erkennen: von einer mehr oder weniger geplanten Ausbalancierung von Bildung, Information und Unterhaltung zu einer Zurückdrängung von Bildung und einer enormen Zunahme von Werbung. Letztere beansprucht

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zumindest bei den kommerziellen Fernsehunternehmen seit Mitte der achtziger Jahre einen beachtlichen Programmanteil von über zehn Prozent und wirkt überdies auch auf die Auswahl von Serien und Spielfilmen, die Gestaltung von Sportsendungen und Plazierung von Informationsangeboten. In den US-amerikanischen Serien und Spielfilmen dominieren zudem nicht nur Konflikte zwischen Personen, sondern vor allem (gewaltsam ausgetragene) Auseinandersetzungen um Geld. In diesem Sinne ergänzen sich Unterhaltungsprogramm und Werbespots: Mehr Geld für mehr Waren (für mehr Selbstverwirklichung) ist eine seit Mitte der achtziger Jahre stärker gewordene Botschaft. Diese »Sendung« läßt sich allerdings nur dann im »Programmalltag in Deutschland« 71 erkennen, wenn man sich auf die »Vor-Bilder« des Fernsehens konzentriert.

Anmerkungen 1 2

3

4 5 6 7

8 9 10 11 12

Vgl. Peter Ludes, Einführung in die Medienwissenschaft. Entwicklungen und Theorien. Mit einer Einleitung von Jochen Hörisch, Berlin 1998, Kap. 8 und 9. Vgl. Knut Hickethier, Dispositiv Fernsehen, Programm und Programmstrukturen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Helmut Kreuzer/Christian W. Thomsen (Hrsg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hrsg. von Knut Hickethier, München 1993, S. 171-237, hier S. 175. K. Hickethier (Anm. 2), S. 186; vgl. weiterführend Joan Kristin Bleicher, Ritualisierungen und Inszenierungsstrategien des Fernsehprogramms, in: Udo Göttlich/Jörg-Uwe Nieland/Heribert Schatz (Hrsg.), Kommunikation im Wandel. Zur Theatralität der Medien, Köln 1998, S. 54-72. Vgl. Helmut Kreuzer/Christian W. Thomsen, Vorwort: Zur Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, in: dies. (Anm. 2), S. 5-13, hier S. 12-13. Vgl. Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Opladen 19962. Vgl. Siegfried Schmidt/Brigitte Spieß, Die Kommerzialisierung der Kommunikation, Frankfurt/M. 1996. Helmut Kreuzer/Christian W. Thomsen (Hrsg.), Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens, hrsg. von Knut Hickethier, München 1993. Bd. 2: Das Fernsehen und die Künste, hrsg. von Helmut Schanze und Bernhard Zimmermann, München 1994. Bd. 3: Informations- und Dokumentarsendungen, hrsg. von Peter Ludes, Heidemarie Schumacher und Peter Zimmermann, München 1994. Bd. 4: Unterhaltung, Werbung und Zielgruppenprogramme, hrsg. von Hans-Dieter Erlinger und Hans-Friedrich Foltin, München 1994. Bd. 5: Vom Autor zum Nutzer: Handlungsrollen im Fernsehen, hrsg. von Werner Faulstich, München 1994. K. Hickethier (Anm. 2). W. Faulstich, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 5, 1994. H. Schanze/B. Zimmermann, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2,1994. P. Ludes/H. Schumacher/P. Zimmermann, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3,1994. H.-D. Erlinger/H.-F. Foltin, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4,1994.

Programmgeschichte

des Fernsehens

274

13 Helmut Schanze/Bernhard Zimmermann, Fernsehen und Literatur. Fiktionale Fernsehsendungen nach literarischer Vorlage, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2,1994, S. 19-65. 14 H. Schanze/B. Zimmermann (Anm. 13), S. 24. 15 Dies. (Anm. 13), S. 58. 16 Doris Rosenstein/Peter Seibert/Renate Gompper, Theatersendungen im Fernsehen der Bundesrepublik Deutschland, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2,1994, S. 159-226, hier S. 159. 17 Ebd. 18 Irmela Schneider, Ein Weg zur Alltäglichkeit. Spielfilme im Fernsehprogramm, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2, 1994, S. 227-301, hier S. 251. 19 Ebd., S. 253. 20 Ebd., S. 254 - 255. 21 Vgl. ebd., S. 260. 22 Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften, Media Perspektiven. Basisdaten. Daten zur Mediensituation in Deutschland 1997, Frankfurt/M. 1997. 23 Vgl. weiterführend Volker Roloff/Helmut Schanze/Dietrich Scheunemann (Hrsg.), Europäische Kinokunst im Zeitalter des Fernsehens, München 1998. 24 Knut Hickethier, Das Fernsehspiel oder Der Kunstanspruch der Erzählmaschine Fernsehen, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2, 1994, S. 303 - 348, hier S. 330-331. 25 Vgl. P. Ludes/H. Schumacher/P. Zimmermann, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3,1994. 26 Vgl. Klaus Kamps, Nachrichtengeographie. Themen, Strukturen, Darstellung: ein Vergleich, in: Klaus Kamps/Miriam Meckel (Hrsg.), Fernsehnachrichten. Prozesse, Strukturen, Funktionen, Opladen 1998, S. 275-294. 27 Vgl. Peter Ludes, Von der Nachricht zur News Show. Fernsehnachrichten aus der Sicht der Macher, München 1993; ders., »Vom neuen Stichwortgeber zum überforderten Welterklärer und Synchron-Regisseur«, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3,1994, S. 17-90; ders., Schlüsselbilder: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Militär und Medien. Die Entwicklung von Fernsehnachrichtensendungen in den USA, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR seit ihrer Erstausstrahlung und Beispiele aus Informationsangeboten im World Wide Web 1997 und 1998. (CD-ROM; Konzeption und Leitung: Peter Ludes; Gestaltung: Elvira Claßen und Martin Butz, Technik und Organisation: Georg Rademacher, Georg Schütte und Robert Kaiser; ca. 110 Min. Videodokumentationen, ca. 600 MB), Siegen. 28 Vgl. Gerhard Lampe/Heidemarie Schumacher, Das »Panorama« der 60er Jahre. Zur Geschichte des ersten politischen Fernsehmagazins der BRD (mit einer Videodokumentation), Berlin 1992. 29 Vgl. Bärbel Freund/Wolfram Karl Köck, Wissensvermittlung durch Fernsehen zwischen Information und Unterhaltung, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3,1994, S. 175-197. 30 Vgl. Heidemarie Schumacher, Ästhetik, Funktion und Geschichte der Magazine im Fernsehprogramm der Bundesrepublik Deutschland, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3, 1994, S. 101-169; Anja Kreutz/Doris Rosenstein, Zur Gattungsgeschichte der unterhaltenden Fernsehmagazine, in: Doris Rosenstein (Hrsg.), Unterhaltende Fernsehmagazine. Zur Geschichte, Theorie und Kritik eines Genres im deutschen Fernsehen 1953-1993, Opladen 1995; Susanne Vollberg, Kultur im europäischen Fernsehen. Zur Geschichte, Präsentation und Funktion europäisch orientierter Kulturmagazine, Wiesbaden 1998; zu Magazinen im DDR-Fernsehen: Anja Kreutz/Helmut Heinze (Hrsg.), Zwischen Service und Propaganda. Zur Geschichte und Ästhetik von Magazinsendungen im Fernsehen der D D R 1952-1991, Berlin 1998.

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Peter

Ludes

31 Vgl. Peter Zimmermann, Geschichte von Dokumentarfilm und Reportage von der Adenauer-Ära bis zur Gegenwart, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 3, S. 213-319. 32 Vgl. Peter Zimmermann/Dieter Ertel (Hrsg.), Strategie der Blicke. Zur Modellierung von Wirklichkeit in Dokumentarfilm und Reportage, Konstanz 1996. 33 Günter Giesenfeld/Prisca Prugger, Serien im Vorabend- und im Hauptprogramm, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 2, S. 349-387, hier S. 350. 34 Vgl. Werner Faulstich/Ricarda Strobel, Innovation und Schema, Wiesbaden 1987. 35 G. Giesenfeld/P. Prugger (Anm. 33), S. 357. 36 Ebd., S. 366. 37 Vgl. Peter Ludes, Kulturtransfer und transkulturelle Prozesse. Amerikanisierung und Europäisierung des Fernsehprogramms in der Bundesrepublik, Heidelberg 1991. 38 G. Giesenfeld/P. Prugger (Anm. 33), S. 372. 39 Vgl. Peter Ludes, >AmerikanisierungKotnmerzialisierung< oder >Modernisierung< der Fernsehmedien in der Bundesrepublik Deutschland?, in: W. Gellner (Hrsg.), Europäisches Fernsehen - American Blend? Fernsehen zwischen »Amerikanisierung« und »Europäisierung«, Berlin 1989, und P. Ludes (Anm. 37). 40 G. Giesenfeld/P. Prugger (Anm. 33), S. 380. 41 Ebd., S. 386; vgl. weiterführend Gerlinde Frey-Vor, Langzeitstudien im Fernsehangebot der ARD, in: Udo Göttlich/Jörg-Uwe Nieland/Heribert Schatz (Hrsg.), Kommunikation im Wandel. Zur Theatralität der Medien, Köln 1998, S. 90-95. 42 Vgl. Die Zeit vom 16. Juli 1998, S. 299. 43 Vgl. Hans Friedrich Foltin/Gerd Hallenberger, Vom Sport im Fernsehen zum Fernsehsport. Zur Geschichte und aktuellen Situation der Sportsendungen, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 113-140, hier S. 135. 44 Vgl. Gerd Hallenberger, Vom Quiz zur Game Show: Geschichte und Entwicklung der Wettbewerbsspiele des bundesrepublikanischen Fernsehens, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 25 - 66, und Hans-Friedrich Foltin, Die Talkshow. Geschichte eines schillernden Genres, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 69-110. 45 Vgl. Hans-Dieter Erlinger/Hans-Friedrich Foltin, Vorwort, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 11 -23, hier S. 12. 46 Siegfried J. Schmidt/Brigitte Spieß, Geschichte der Fernsehwerbung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Skizze, in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 187-240, hier S. 188. 47 Ebd., S. 194. 48 Ebd., S. 211. 49 Ebd., S. 219. 50 Ebd., S. 222. 51 Ebd., S. 228. 52 Ebd., S. 229. 53 Vgl. ebd., S. 230-231. 54 Ebd., S. 233. 55 Rolf Kloepfer/Hanne Landbeck, Ästhetik der Werbung. Der Fernsehspot in Europa als Symptom neuer Macht, Frankfurt/M. 1991. 56 Vgl. S. J. Schmidt/B. Spieß (Anm. 46), S. 187-240. 57 Ebd., S. 234-235. 58 Vgl. ebd., S. 206-207. 59 Vgl. Knut Hickethier, Die Anfänge des deutschen Kinderfernsehens und Ilse Obrigs Kinderstunde, in: Hans-Dieter Erlinger u. a. (Hrsg.), Handbuch des Kinderfernsehens, Konstanz 1995, S. 129-141. 60 Vgl. Birgit Hollstein, Das Kinderfernsehen der privaten Anbieter, in: H.-D. Erlinger u. a. (Anm. 59), S. 159-176, hier S. 160.

Programmgeschichte 61 62 63 64

65 66 67

68 69 70

71

des Fernsehens

276

Vgl. Hans-Dieter Erlinger, Fiktionale Geschichten im Fernsehen für Kinder, in: ders., (Anm. 59), S. 337-362, hier S. 341-347. So der gleichnamige Beitrag von Hans-Dieter Kübler in: H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 327-369. Vgl. Sandra Hebel, Wandel der Rezeption und Produktion des öffentlich-rechtlichen Kinder· und Jugendprogramms. Die Auswirkungen des Dualen Systems auf das Kinder- und Jugendprogramm des ZDF. Magisterarbeit Mainz 1997, Kapitel 4.1.4. Vgl. Uwe Mattusch, Fernsehprogramme für Teens, in: H.-D. Erlinger u.a. (Anm. 59), S. 453 -461 und ders., Das kritische Jugendprogramm in der BRD. Ein Programm auf der Suche nach seiner Zielgruppe, in H. Kreuzer/C. W. Thomsen (Anm. 7), Geschichte des Fernsehens, Bd. 4, S. 439-462. Vgl. weiterführend die jeweils neuesten Forschungsergebnisse in Media Perspektiven, ζ. B. Britta Frielingsdorf/Sabine Haas, Fernsehen zum Musikhören. Stellenwert und Nutzung von MTV und VIVA beim jungen Publikum in Nordrhein-Westfalen, (1995) 7, S. 331 -339; Birgit van Eimeren/Brigitte Maier-Lesch, Mediennutzung und Freizeitgestaltung von Jugendlichen. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung von rund 1000 Jugendlichen zwischen zwölf und neunzehn Jahren, (1997) 11, S. 590-603; Sabine Feierabend/Walter Klingler, Jugendliche und Multimedia: Stellenwert im Alltag von Zwölf- bis 17jährigen. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, (1997) 11, S. 604 - 611; Sabine Feierabend/ Walter Klingler, Was Kinder sehen. Eine Analyse der Fernsehnutzung 1997 von Dreibis 13jährigen, (1998) 4, S. 167-178; Maria Gerhards/Walter Klingler, Fernseh- und Videonutzung Jugendlicher. Eine Analyse der Fernsehforschungsdaten 1997 von Zwölf- bis 19jährigen, (1998) 4, S. 179-189. Siegfried J. Schmidt, Kognitive Autonomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur, Frankfurt/M. 1994, hier S. 276 und 288. Ebd., S. 319. Vgl. Ricarda Strobel/Werner Faulstich, Die deutschen Fernsehstars. Bd. 1: Stars der ersten Stunde: mit Fallstudien zu Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kuhlenkampff, Robert Lembke, Heinz Quermann und Heinz Florian Oertel; Bd. 2: Show- und Gesangstars: mit Fallstudien zu Caterina Valente, Lou van Burg, Vico Torriani, Peter Alexander und Helga Hahnemann; Bd. 3: Stars für die ganze Familie: mit Fallstudien zu Wim Thoelke, Hans Rosenthal, Michael Schanze, Joachim Fuchsberger, Frank Elstner, Rudi Carrell und Thomas Gottschalk; Bd. 4: Die deutschen Fernsehstars: Zielgruppenstars: mit Fallstudien zu Alfred Biolek, Dieter »Thomas« Heck, Dieter Hildebrandt, Petra Kusch-Lück, Jürgen von der Lippe, Carolin Reiber, Ilja Richter, Anneliese Rothenberger, Heinz Schenk, Dietmar Schönherr, Margarethe Schreinemakers, Göttingen 1998. Vgl. die mehr als 110 Minuten Videomaterial auf der entsprechenden CD-ROM von P. Ludes (Anm. 27). Vgl. die Beispiele auf der bereits genannten CD-ROM (Anm. 27). Vgl. die systematischen historischen Vergleiche zur Mediennutzung und Reichweite ebenso wie zur Glaubwürdigkeit bei Klaus Berg/Marie-Luise Kiefer (Hrsg.), Massenkommunikation V: eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964-1995, Baden-Baden 1996. (Zur Versorgungsdichte S. 26; zur Reichweite S. 44; zur Verweildauer -1995 knapp drei Stunden in den alten Bundesländern - S. 52-53; zur Nutzung unterschiedlicher Angebotskategorien des Fernsehens 1990 und 1995, S. 198-200.) Hans Jürgen Weiß, Programmalltag in Deutschland. Eine Analyse von sieben Fernsehvollprogrammen im April 1997, in: Programmbericht zur Lage und Entwicklung des Fernsehens in Deutschland 1996/97, Berlin 1997, S. 158-204; vgl. auch Udo Michael Krüger, Modernisierung bei stabilen Programmstrukturen, in: Media Perspektiven, (1998) 7, S. 314-330. - Nach Fertigstellung dieses Beitrags (August 1998) erschien: Knut Hickethier, Geschichte des deutschen Fernsehens (Mitarbeit: Peter Hoff), Stuttgart 1998.

277

Taflesschau OWMjMifc·"·'*·

104 K a m e r a t e a m der Tagesschau unterwegs in I Iamburg, 1955.

278

105 I r e n e Koss, die erste Fernsehansagerin d e r B u n d e s r e p u b l i k , vor der Sendung. 1953.

107 Die erste Wetterkarte. 1952/53.

108 Tagesschau-Studio in Hamburg: A m 2. März 1959 endet die blol.le K o m m e n t i e r u n g von Fi Iniausschnitten, Karl-Heinz Kopeke verliest erstmals die Nachrichten.

111 Erstes Sendezeichen der A R D von 1954 bis 1970. 112 Sendezeichen d e r A R D a b 1970.

109 Karl-Heinz Kopeke. Tagesschau-Sprecher von 1959 bis 1987.

110 D a g m a r BergholT (1997). TagesschauSprecherin seit 1976.

113 Eurovisions-Sendezeichen 1976. 114 Eurovisions-Sendezeichen 1990.

115 Blick auf das Sendebetriebsgebiiude mil d e m Redaktions- und Vervvaltuneshochhaus des / D I in M a i n z - L e r c h e n b e r g . 1997.

116 E r s t e Nachrichtensprccherin im Fernsehen: A m 1. Mai 1971 liest Wibke Bruhns als erste Frau die Spätnachrichten im Z D F und bricht damit in eine M ä n n e r d o m ü n e ein.

28 i

117 Werner H ö f e r s »Internationaler Frühschoppen« (1956): eine Fernsehinstitution am Sonntagmitta« seit 1953. 35 J a h r e debattiert er über Fragen der Weltpolitik in d e r Regel »mit sechs Journalisten aus fünf Ländern«. 118 Peter von Z a h n vor der Kamera auf einer spanischen K a n o n e in San Juan, P u e r t o Rico, 1965. Zu den herausragenden Sendungen der Auslandsberichterstattung gehört seit 1962 auch »Reporter der Windrose«.

f

119 A u s l a n d s k o r r e s p o n d e n t e n d e r A R D : G e r d R ü g e in d e r S e n d u n g » G e r d R ü g e u n t e r w e g s . Jenseits des A m u r « . 1993.

120 Peter Scholl-Latour in Washington.

121

Sonia Mikich in M o s k a u . 1997.

283

122 D i e R e d a k t i o n von » K e n n / e i c h e n D « (1976). d a s n e u e politische M a g a z i n d e s Z D F , d a s 1971 die S e n d u n g » d r ü b e n « ablöst und /.um wichtigsten Westmagazin für die o s t d e u t s c h e R e p u b l i k wird (im V o r d e r g r u n d Ernst Elitz).

123 D a s » Z D F - M a g a z i n « : G e r h a r d L ö w e n t h a l leitet d i e S e n d u n g v o n 1969 bis 1988.

284

124 Mit » Z A K « s t a r t e t d e r W D R 1988 e r f o l g r e i c h ein p r o v o k a t i v e s u n d s a t i r i s c h e s I ' o l i t m a g a zin, m o d e r i e r t von F r i e d r i c h K ü p p e r s h u s c h , h i e r im G e s p r ä c h mit d e m i t a l i e n i s c h e n J u r i s t e n u n d P o l i t i k e r L e o l u c a O r l a n d o , B ü r g e r m e i s t e r v o n P a l e r m o u n d I n i t i a t o r d e r A n t i - M a l i a l i s t e (1993). 125 Seit 1988 strahlt d a s Z D F » M o n a Lisa« a u s , ein v i e r z i g m i n ü t i g e s F r a u e n m a g a z i n mit M a r i a v o n Welser.

285

126 A h 1 % 8 ' 6 9 i i h c r n i m m l R e i n h a r t H o l f m e i s t e r die L e i t u n g von » a s p e k t e « (seit 1965 im Z D F ) und m a c h t das K u l t u r m a g a z i n / u m g e s e l l s c h a f t l i c h e n D i s k u s s i o n s f o r u m . 127 Seit Yliirz I98K diskutiert das » L i t e r a r i s c h e Q u a r t e t t « mit Sigrid Löl'fler, M a r c e l R e i c h R a n i c k i und H e l l m u t h K a r a s e k (v. l . n . r . ) im Z D L r e g e l m ä ß i g ü b e r N e u e r s c h e i n u n g e n a u f dem Buchmarkt.

128 »Ein Platz für Tiere« ( H R ) von und mil Bernhard G r z i m c k . d e m Frankfurter / . o o d i r e k t o r . wird erstmals 1956 ausgestrahlt. 129 D r e h a r b e i t e n für die D o k u m e n t a t i o n » B e m e r k u n g e n ü b e r die S p i n n e « a u s d e r R e i h e » S t e r n s Stunde« ( S D R ) , e i n e Sendung, d i e sich u n g e w o h n t kritisch mit d e m V e r h ä l t n i s von Tier u n d M e n s c h befaßt. H o r s t S t e r n (links) m i t s e i n e m K a m e r a m a n n K u r t 1 iirschel. 1470.

130 A m 15. S e p t e m b e r 1954 s t a r t e t d i e e r s t e F a m i l i e n s e r i e » U n s e r e N a c h b a r n h e u t e a b e n d : D i e Familie S c h ö l c r m a n n « ( N D R ) . Sie w i r d alle 14 T a g e n 30 M i n u t e n live g e s e n d e t (v. l.n.r.: H a r a l d M a r t e n s . Willy K r ü g e r . C h a r l e s B r a u e r . Margit C a r g i l l . L o t t e R a u s c h ) . 131 Die / w e i t e g r o ß e u n d b e l i e b t e F a m i l i e n s e r i e » D i e F i r m a H e s s e l b a c h « ( H R ) löst 1960 » D i e S c h ü l e r m a n n s « auf d e m B i l d s c h i r m a b .

288

132 Im Mai 1965 k o m m t die dritte große Familienserie in die A R D : »Die Unverbesserlichen« ( N D R ) mit Inge Meysel und Joseph Offenbach in den Hauptrollen. 133 »Ein H e r z und eine Seele« ( W D R ) : Mit »Ekel Alfred« präsentiert der Autor Wolfgang Menge 1973 dem Fernsehpublikum das Spiegelbild des reaktionären Kleinbürgers (v.l.n.r. Dielher Krebs. Hildegard Krekel, H e i n z Schubert und Elisabeth W i e d e m a n n ) .

289

134 1981 läuft in d e r A R D die e r f o l g r e i c h e IJS-Serie » D a l l a s « an ( L a r r y H a g m a n als J. R . E w i n g u n d L i n d a G r a y als s e i n e F r a u S u e - E l l e n ) . 135 Die d e u t s c h e A n t w o r t 1985 auf » D a l l a s « u n d » D e n v e r « ist » D i e S c h w a r z w a l d k l i n i k « . D a s Z D F e r r e i c h t mit d i e s e r S e r i e d u r c h s c h n i t t l i c h 25 M i l l i o n e n Z u s c h a u e r (v. l.n.r. W o l f g a n g Kieling, G a b y D o h m , Klausjürgen Wussow, B a r b a r a Wussow und Sascha H e h n ) .

290

136 D a s Berlin der achtziger J a h r e ist Schauplatz der Serie »Liebling Kreuzberg«, die der Si l! 1986 zunächst in sechs Folgen ausstrahlt. A u t o r ist Jurek Beckcr. M a n f r e d Krug spielt den Rechtsanwalt R o b e r t Liebling (hier mit Corinna Genest und Martina G e d e c k ) . 137 »Kir Royal. A u s d e m L e b e n eines Klatschreporters« ( A R D . 1986) mit Franz X a v e r Kroetz (rechts) in der Rolle des Klatschreporters Baby Schimmerlos und Dieter Hildebrandt als Fotograf H e r b i e , links M a r i o Adorf (Regie: H e l m u t Dietl. D r e h b u c h : Patrick Süskind).

291

13S » L i n d e n s t r a B e « (seil D c / c m h e r 1985) - die e r s t e L a n g z e i l f e r n s c h s e r i e mit o f f e n e n F o l g e n . Figuren u n d T h e m e n spiegeln die g e s e l l s c h a f t l i c h e Wirklichkeit d e r B u n d e s r e p u b l i k ( R e g i e : H a n s W. C i e i ß e n d ö r f e r ) . Hier: P r o d u k t i o n einer Folge auf d e m W D R - G e l ä n d e in K ö l n - B o c k l e m ü n d . 139 Im J a n u a r 1995 b e g i n n t die A R D mit d e r A u s s t r a h l u n g d e r D a i l y - S o a p » V e r b o t e n e L i e b e « mit V a l e r i e N i e h a u s u n d A n d r e a s B r u c k n e r .

292

140 E n d e 1961 l ä u f t e i n e r d e r w i r k u n g s v o l l s t e n » S t r a ß e n f e g e r « d e r b u n d e s d e u t s c h e n F e r n s e h g e s c h i c h t e . d e r m e h r t e i l i g e T h r i l l e r » D a s H a l s t u c h « von F r a n c i s D u r b r i d g e .

141 I m O k t o b e r 1974 zeigt d a s Z D F d e n e r s t e n » D e r r i c k « , e i n e d e r e r f o l g r e i c h s t e n d e u t s c h e n K r i m i s e r i e n m i t H o r s t T a p p e r ! als K o m m i s s a r D e r r i c k (Vlitte) u n d F r i t z W e p p e r .

293

142 Als K o m m i s s a r K r e s s i n b e r e i c h e r t S i e g h a r d ! R u p p a b M ä r z 1971 d i e A R D - K r i m i s e r i e »Tato r t « . Iiier mit Eva R e n / i ( l i n k s ) u n d S a b i n e S i n j e n ( r e c h t s ) . 143 19,N1 tritt ( i ö t z C i e o r g e ( M i t l e ) als » T a t o r t « - K o m m i s s a r S c h i m a n s k i in A k t i o n . A n s e i n e r Seite H b e r h a r d Feik (links) als I h a n n e r . sein K o l l e g e . F r e u n d u n d H e l f e r . H i e r : S z e n e n b i l d a u s der Folge » U n t e r B r ü d e r n « , in d e r sie mit i h r e n O s t k o l l e g e n v o m l e g e n d ä r e n » P o l i z e i r u f 110« zusammen ermitteln.

294

144 Seit 1961 l ä u f t in d e r A R D » D i e S p o r t s c h a u « . Iiier die M o d e r a t o r e n D i e l e r A d l e r , F r n s t H u b e r t y u n d A d o l f F u r i e r (v. I. n. r.) 1967.

145 W i m T h o e l k e (links). M o d e r a t o r d e s » A k t u e l l e n S p o r t s ! n d i o s « (seil 1963 im Z D F ) , mit sein e m G a s t , d e m p o r t u g i e s i s c h e n F u ß b a l l s t a r F u s e b i o , im A u g u s t 1966.

295

,ίι»"'

146 » H H A T - C I X ' B « (1965 bis 1973). die l e g e n d ä r e R o c k m u s i k - S e n d u n g v o n R a d i o B r e m e n mit l 'schi N e r k e u n t e r d e r R e g i e von M i c h a e l L e c k e b u s c h .

147 » D i e H i t p a r a d e « im Z D l · ' mit D i e t e r T h o m a s H e c k wird seit 1969 a u s g e s t r a h l t .

2%

1 4 8 R o b e r t L e m k e s t e l l t 1955 s e i n h e i t e r e s B e r u f e r a t e n » W a s b i n i c h ? « v o r . M a x i m a l z e h n F ü n f m a r k s t ü c k e k a n n ein G a s t mit n a c h H a u s e n e h m e n , w e n n sein Beruf nicht e r r a t e n wird. F ü r d e n z u e r r a t e n d e n p r o m i n e n t e n G a s t ( h i e r R u t h L e u w e r i k ) g i b t es B l u m e n s t a t t G e l d s t ü c k e .

149 S h o w m a s t e r P e t e r F r a n k e n f e l d mit d e m B r i e f t r ä g e r H e r r n S p a r b i e r 1 9 5 5 in »L-ins z u Null f ü r Sie«.

150 D i e Q u i z s h o w » F . ü n e r w i r d g e w i n n e n « m i t H a n s Joachim Kulenkampff und Butler Martin ( M a r l i n J e n t e ) l ä u f t v o n 1964 b i s 1969.

151 »Der g o l d e n e S c h u ß « mit Vieo T o r r i a n i als M o d e r a t o r ist n a c h S t a r t d e s F a r b f e r n s e h e n s am 25. A u g u s t 1967 die e r s t e in F a r b e a u s g e s t r a h l t e S e n d u n g .

1>2 » / . u m b l a u e n Block« ( H R ) mit H e i n / S c h e n k , e i n e U n t e r h a l t u n g s s e n d u n g a m S a m s t a g n a c h m i t t a g (seit 1957).

153 1971 startet das Z D F die Spielshow »Dalli Dalli« mit H a n s Rosenthal.

154 Wim T h o e l k e e r ö f f n e t 1979 im Z D F die Wohltätigkeitsshow »Der große Preis«.

299

155 »Wetten d a ß . . . ? « mil Frank Elstner als E n t e r t a i n e r ist seit 1981 der D a u e r b r e n n e r des ZDF. 1987 ü b e r n i m m t T h o m a s Gottsclialk die e r f o l g r e i c h e Spielshow. Ein k u r z e s G a s t s p i e l als M o d e r a t o r gibt nach d e r Wende Wolfgang Lippert. U n t e r h a l t e r aus der E x - D D R . 156 Mit Dietmar Schönherrs (rechts) Talkshow »Je später d e r A b e n d « ( W D R ) hält 1973 diese amerikanische P r o g r a m m f o r m Einzug in das deutsche F e r n s e h p r o g r a m m , hier mit R o m y Schneider und Burkhard Driest am 30. O k t o b e r 1974.

157 » B i o ' s B a h n h o f « ( W D R ) , T a l k s h o w mil A l f r e d l i i o l c k . a b F e b r u a r 1978.

158 »B. t r i f f t ... B e g e g n u n g e n b e i B e t t i n a B ö t t i n g e r a m F r e i l a g a b e n d « ( W D R . 1993), h i e r mit A l i c e u n d E l l e n K e s s l e r a m 31. M a i 1996.

159 D i e L o t t o t r o m m e l im S t u d i o 3 d e s H e s s i s c h e n R u n d f u n k s d r e h t sich e r s t m a l s 1965 für die F e r n s e h z u s c h a u e r . P r ä s e n t i e r t w e r d e n d i e G l ü e k s z a h l e n z u n ä c h s t v o n L o t t o f e e Karin Dinslage (links), s p ä t e r v o n K a r i n ' H e t z e - L u d w i g . 160 E i n e r d e r b e l i e b t e n T V - S t a r s d e r f ü n f z i g e r J a h r e ist F e r n s e h k o c h C l e m e n s W i l m e n r o d . In » B i t t e in z e h n M i n u t e n zu Tisch« v e r r ä t e r n e u e R e z e p t e u n d zeigt, wie es g e m a c h t w i r d , 1953.

JÜRGEN WILKE

Leitmedien und Zielgruppenorgane

1. Vorbemerkungen und Begriffsklärung In der Bundesrepublik Deutschland hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte das Medienangebot stark erweitert. Zu der anfänglich vorhandenen Presse und dem Rundfunk (Hörfunk) trat seit Beginn der fünfziger Jahre das Fernsehen hinzu, und auch innerhalb dieser Medien selbst kam es zu einer Vermehrung und Diversifizierung. Während diese bei den Funkmedien bis zur Zulassung privater Anbieter Mitte der achtziger Jahre aber auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten begrenzt blieb, entstand im Bereich der Presse bereits frühzeitig eine Vielzahl von Titeln. Wenngleich manche von ihnen wieder verschwanden, weil sie sich wirtschaftlich nicht halten konnten bzw. der Pressekonzentration zum Opfer fielen, kamen doch immer wieder auch neue hinzu. Nicht alle Titel sind oder waren indessen (medien)geschichtlich von gleicher Bedeutung. Auf der Grundlage einer diesbezüglichen Bewertung sollen im folgenden zwei Gruppen von Medien noch gesondert betrachtet und damit hervorgehoben werden. Einerseits geht es um die in der Geschichte der Bundesrepublik hervorgetretenen Leitmedien, andererseits um Zielgruppenorgane. Der Begriff »Leitmedium« klingt etwas vage, ja wird selbst im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bisher recht unspezifisch verwendet. Man versteht darunter ein Medium, dem gesellschaftlich eine Art Leitfunktion zukommt, dem Einfluß auf die Gesellschaft und auf andere Medien beigemessen wird. In Anlehnung an einen gängigen soziologischen Begriff ist auch von »Meinungsführermedien« die Rede. Es sind aber mehrere Kriterien und verschiedene Merkmale, welche Leitmedien auszeichnen bzw. zu ihrer Charakterisierung dienen können: - Ein Leitmedium besitzt eine starke Verbreitung bzw. Reichweite; dies setzt eine hohe Auflagenzahl oder Einschaltquote voraus. Dieses Merkmal ist zwar durchaus von Belang, für sich genommen aber für ein Leitmedium nicht zwingend. Weder bewirkt eine große Reichweite allein schon eine Leitfunktion, noch spricht eine geringe(re) Verbreitung generell gegen eine solche. - Wichtiger als die schiere Größe dürfte für die Funktion als Leitmedium die Struktur seines Publikums sein, und zwar, sofern es vor allem in der gesellschaftlichen Führungsschicht, von Entscheidungsträgern und Angehörigen der Elite genutzt wird. Wenn eine in den achtziger Jahren in der Bundesrepublik durchgeführte Netzwerkanalyse zutrifft, wonach ein Kreis von nur 559 Personen einen

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»Elitezirkel« bildet 1 , der für die meisten grundlegenden Entscheidungen in Politik und Gesellschaft verantwortlich ist, so kann ein Medium zum Leitmedium werden, wenn es solche Kreise und Personen bevorzugt erreicht. - Ein Sonderfall des vorgenannten Merkmals liegt dann vor, wenn Journalisten ein Medium in starkem Umfang nutzen. Dabei wird unterstellt, daß diese als Multiplikatoren fungieren und Informationen und Sichtweisen anderer Medien weiterverbreiten. Allerdings dürften Journalisten allein schon qua Profession intensiv andere Medien zur eigenen Unterrichtung heranziehen, auch solche, deren politische Richtung sie sich selbst nicht zu eigen machen. - Die Bedeutung, die Journalisten einem Medium zuerkennen, drückt sich in der Zitierungshäufigkeit in anderen Medien aus. Diese dürfte somit ein Kriterium für ein Leitmedium sein. Dessen Resonanz verstärkt und vervielfacht sich dadurch. Mißachtung durch Journalisten macht dagegen eine Leitfunktion unwahrscheinlich. - Zu einem Leitmedium gehört eine bestimmte publizistische Intention. Eine solche läßt sich ζ. B. in der dezidierten Absicht erkennen, »niemandem nach dem Munde reden zu wollen«, wie es in der ersten Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit« vom 21. Februar 1946 programmatisch hieß. Eine solche Intention ist eher mit einem normativen journalistischen Selbstverständnis gepaart als mit der Bereitschaft zur bloßen Funktionserfüllung. - Die Leitfunktion kann sich aufgrund inhaltlicher und bzw. oder formaler Eigenschaften eines Mediums ergeben. Inhaltlich konstituiert sie sich etwa durch das frühzeitige Aufgreifen von Themen (Agenda-Setting) bzw. die Schaffung von Bezugsrahmen {Framing), die andere Medien dann aufgreifen. Formal kann einem Medium durch seine besondere Gestaltung, durch Aufmachung, Layout und graphisches Design eine Leitfunktion zukommen. - Leitmedium kann schließlich auch ein Qualitätsbegriff sein, der auf Exklusivität, auf besonderen journalistischen Leistungen sowie namhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gründet. Leitmedien sind insoweit Prestigemedien, die in der Öffentlichkeit einen herausragenden Ruf genießen. Grundsätzlich wird der Begriff Leitmedium sowohl auf die technisch unterschiedlichen Mittel der Massenkommunikation als auch auf einzelne Gattungen und Titel angewandt. So ist an anderen Stellen des vorliegenden Bandes davon die Rede, in der Bundesrepublik Deutschland sei das Fernsehen im Zuge seiner Ausbreitung in den sechziger Jahren zum Leitmedium geworden bzw. die Presse und auch das Radio hätten ihre Leitfunktion an dieses neue Medium abgegeben. Andererseits werden aber auch einzelne publizistische Organe der Presse als Leitmedien bezeichnet. Und um solche soll es auch in diesem Beitrag gehen. Wenn von Leitmedien gesprochen wird, so geschieht dies vielfach, ohne daß deutlich gemacht wird, auf welchen der vorgenannten Dimensionen die Charakterisierung jeweils beruht. Das hat auch damit zu tun, daß es bisher nur vereinzelte empirische Untersuchungen zur Wirkung von Leitmedien gibt. Unschwer läßt sich anhand von Media- und Werbeträgeranalysen, insbesondere der Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE), prüfen, ob ein Medium aufgrund seiner Nutzerschaft als Leitmedium angesehen werden kann bzw. wer es nutzt. Daten zur Mediennutzung von Journalisten sind dagegen selten erhoben worden, weshalb auch mögliche Ver-

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änderungen im hier dargestellten Zeitraum nicht beschrieben werden können. Eine 1993 durchgeführte Journalistenbefragung zeigte folgendes Bild2:

Tabelle 1: Von Journalisten regelmäßig genutzte Medien (in Prozent) Nutzer in Prozent

Nutzer in Prozent Spiegel Süddeutsche Zeitung Stern Frankfurter Allgemeine Die Zeit Focus tageszeitung (taz)

66,7 46,6 37,1 36,2 34,4 29,3 24,5

Frankfurter Rundschau Die Welt Zeitgeistmagazine Bild Handelsblatt Feministische Zeitschriften

23,2 22,2 18,3 21,8 10,6 6,4

Methodisch aufwendig sind dagegen tatsächliche Nachweise zur Wirkung von Leitmedien im Mediensystem. Eine solche Wirkung und ihre Bedingungen konnten ζ. B. an Trendänderungen in der Berichterstattung über Helmut Kohl zwischen 1975 und 1984 aufgezeigt werden. Dabei erwies sich der »Spiegel« als maßgeblicher Trendsetter, während sich die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« den medieninternen Meinungstrends deutlich entzog. Damit war sie aber auch das einzige Blatt, dessen Tendenzänderungen in keinerlei Zusammenhang mit den nachfolgenden Meinungsänderungen der Bevölkerung standen. »Die medieninternen Meinungsführer«, so lautet das Resümee dieser Untersuchung von Hans Mathias Kepplinger, »initiierten Trendänderungen, die von anderen Medien sukzessive aufgegriffen und verstärkt wurden. Erst durch die Kumulation und Konsonanz der Berichterstattung innerhalb und zwischen den einzelnen Medien wurden die Trendveränderungen massiv genug, daß sie von der Bevölkerung als solche erkannt und aufgenommen werden konnten.«3 Gemessen an dem vergleichsweise mehrdimensionalen Begriff des Leitmediums ist der andere, im Titel dieses Beitrags genannte Begriff einfacher definierbar. Als »Zielgruppenorgane« bezeichnet man Zeitungen und Zeitschriften, die »in ihrer inhaltlichen Gestaltung auf die Leserbedürfnisse bestimmter Zielgruppen ausgerichtet«4 sind. Unter »Zielgruppe« versteht man wiederum die »Gesamtheit der Personen, an die planmäßig die marketingpolitischen Instrumente gerichtet werden« 5 . Die Angehörigen einer Zielgruppe besitzen bestimmte gemeinsame Merkmale. Diese können demographischer oder psychologischer Art sein, orientieren sich heute aber häufig auch am Lebensstil sowie am Markt- und Konsumverhalten. Im Zuge der zunehmenden publizistischen Diversifizierung spricht man inzwischen auch von Special-Interest-, ja sogar von Very-Special-Interest-Organen. Entsprechend können sich Zielgruppenorgane an unterschiedlich weit oder eng gefaßte Zielgruppen wenden. Leitmedium und Zielgruppenorgan sind publizistische Begriffe, die sich in der Anwendung auf ein und dasselbe Druckwerk nicht unbedingt ausschließen müssen,

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obwohl sie eine gewisse Gegenläufigkeit implizieren. Denn Leitmedien zeichnen eine Richtung vor, wollen Einstellungen lenken, ohne sich nach dem Publikum zu richten, während Zielgruppenorgane ausgesprochen bedürfnis-, ja serviceorientiert sind. Dennoch kommt es gelegentlich zu Überschneidungen beider Typen in der Presselandschaft. Zumindest lassen sich auch für bestimmte Zielgruppen bzw. innerhalb des Angebots von Zielgruppenorganen wiederum bestimmte Leitmedien ausmachen. Die hier unternommene begriffliche Klärung ist dem Versuch vorgeschaltet, die für die Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland relevanten Leitmedien und Zielgruppenorgane vorzustellen. Welche Zeitungen und Zeitschriften haben einen die Entwicklung des Landes prägenden Einfluß ausgeübt? Welches sind die medieninternen Meinungsführer? Und für welche (großen) Zielgruppen haben sich welche Organe im Pressemarkt etabliert? Auf Vollständigkeit muß dabei notwendigerweise verzichtet werden.

2. Kulturpolitische und literarische Zeitschriften In den ersten Nachkriegsjahren, als die Alliierten wieder Tageszeitungen - vor allem lokale und regionale - lizenzierten, faßte in den Besatzungszonen auch eine ganz andere publizistische Gattung Fuß, die kulturpolitische und literarische Zeitschrift, der unter den gegebenen Umständen eine besondere Leitfunktion zufiel 6 . Nach der Abschnürung in der NS-Zeit und der durchlebten Katastrophe waren es solche Organe, welche sich auf die Suche nach einer politischen und geistigen Neuorientierung begaben. Ihnen kam damit eine »Vorbildrolle als Mittel geistiger Konsensfindung« 7 zu. Die erste Zeitschrift dieser Art, die auf deutschem Boden neu zugelassen wurde, war »Der Aufbau«. Die erste Ausgabe erschien in Berlin Ende September 1945 mit einer Lizenz der Sowjetischen Militäradministration und wurde vom Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands getragen 8 . Ihre anfängliche Überparteilichkeit wich später einer marxistischen Zielsetzung, so daß diese kulturpolitische Monatsschrift zu einem reinen DDR-Organ wurde. Ein Monat nach dem »Aufbau« kam in Göttingen mit britischer Lizenz »Die Sammlung« heraus, die mit dem Ziel einer erzieherisch fundierten Erneuerung Gleichgesinnte um sich scharen wollte. Der Philosoph Otto Ε Bollnow sowie die Pädagogen Wilhelm Flitner, Herman Nohl und Erich Weniger zeichneten als Herausgeber. Im November 1945 trat »Die Wandlung« hinzu, deren Titel ebenfalls Programm war und die von Dolf Sternberger, unter Mitwirkung von Karl Jaspers, Werner Krauss, und Alfred Weber ediert wurde. Schließlich erschien kurz vor Jahresende als erste deutsche Zeitschrift der französischen Zone in Freiburg i. Br. »Die Gegenwart«. Die Herausgeber und wichtigsten Mitarbeiter (unter anderem Bernhard Guttmann, Benno Reifenberg, und Friedrich Sieburg) entstammten dem Umkreis der alten, 1943 von den Nationalsozialisten verbotenen »Frankfurter Zeitung«. In mehr akademischer oder mehr journalistischer Ausrichtung, in Leitaufsätzen, Essays, in Formen der Kultur- und Literaturkritik waren diese Organe darum bemüht, neue Grundlagen für Politik

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und Kultur in humanistischer Tradition zu schaffen und den Blick wieder in die Welt zu öffnen. Zahlreiche weitere kulturpolitische Zeitschriften ähnlicher Art folgten. Eine primär literarische Signatur hatte »Der Ruf«, dessen erstes Heft im Sommer 1946 von Alfred Andersch, ab Heft 4 zusammen mit Hans Werner Richter herausgegeben wurde 9 . Ihm war 1945 ein Blatt gleichen Namens in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager vorausgegangen. »Der Ruf« bildete gewissermaßen die Keimzelle der ein Jahr später erstmals zusammengekommenen »Gruppe 47«, die zum einflußreichsten Kreis von Autoren der jungen deutschen Nachkriegsliteratur werden sollte. Eugen Kogon und Walter Dirks gründeten 1946 die »Frankfurter Hefte« als publizistisches Organ, das einem christlichen Sozialismus verpflichtet war und einen »dritten Weg« suchte10. Eine der traditionsreichen deutschen Zeitschriften, die 1874 von Julius Rodenberg begründete »Deutsche Rundschau«, die 1942 von den Nationalsozialisten verboten worden war, konnte seit April 1946 mit britischer Lizenz unter ihrem vormaligen Herausgeber Rudolf Pechel wieder erscheinen. Das erste Heft der bis auf 1890 zurückreichenden »Neuen Rundschau« war nach dem Krieg eine Sonderausgabe zu Thomas Manns 70. Geburtstag am 6. Juni 1945 und kam noch in Stockholm im Exil-Verlag Bermann-Fischer heraus, siedelte dann aber mit diesem nach Deutschland über. Aus der Vielzahl kulturpolitisch-literarischer Zeitschriften der Nachkriegszeit sind noch drei weitere erwähnenswert: Mit seiner Zeitschrift »Ost und West« suchte Alfred Kantorowicz seit Sommer 1947 »der schon damals spürbaren Auseinanderentwicklung von Ost und West entgegenzuwirken und zwischen beiden Welten geistig zu vermitteln« 11 . Im gleichen Jahr erhielt Hans Paeschke in Baden-Baden von den Franzosen die Lizenz für seinen »Merkur« (Untertitel: Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken), den er daraufhin alsbald zusammen mit Joachim Moras herausbrachte. Im Oktober 1948 erschien das erste Heft von »Der Monat«, »internationale Zeitschrift für Politik und geistiges Leben«. Ihr Gründer und Herausgeber war der Amerikaner Melvin J. Lasky. Die Bedeutung dieser kulturpolitischen Zeitschriften ist an ihren zum Teil beträchtlichen Auflagen abzulesen. Das Impressum der ersten Ausgabe der »Frankfurter Hefte« nannte im November 1946 50 000 Exemplare, im Mai/Juni 1947 waren es 75 000 Stück. Angeblich lagen zu dieser Zeit zudem 150 000 Optionen auf ein Abonnement vor, die wegen der Papierkontingentierung nicht befriedigt werden konnten. Weniger interessierte Leser wurden ausdrücklich zur Abbestellung aufgefordert, um die freiwerdenden Stücke denen zugänglich zu machen, die bisher leer ausgingen. Vom ersten Heft des »Monat« wurden 60 000 Exemplare verkauft, dann druckte man in den ersten Jahren teilweise über 40 000 Exemplare. Zu diesem Erfolg trug gewiß bei, daß diese Zeitschrift bis 1954 von der amerikanischen Militärregierung mitfinanziert wurde. Deren Nachfolge trat der »Internationale Kongreß für Freiheit und Kultur« an, der seinerseits von der Ford Foundation gefördert wurde12. Die Blütezeit der kulturpolitischen Zeitschriften begann schon mit der Währungsreform im Juni 1948 dahinzuschwinden. Deren wirtschaftliche Konsequenzen führten unter anderem zur Einstellung von »Ost und West«, »Der Ruf« und »Die Wandlung«. Bei anderen, wie den »Frankfurter Heften« und dem »Monat«, fielen die Auflagen zum Teil drastisch. Dies setzte sich in den fünfziger Jahren fort, obwohl

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die Blätter für den intellektuellen Diskurs in der jungen Bundesrepublik bedeutsam blieben. 1952 betrug die Auflagenhöhe der »Frankfurter Hefte« noch 14 000,1956 9 000 Stück. Die Auflage von »Der Monat« schwankte in diesen Jahren zwischen 8 000 und 10 000 Exemplaren. Der »Merkur« konnte den Schwund der Auflagenzahl (anfangs 40 000) auffangen und diese wieder von 2 500 auf 4 000 Exemplare erhöhen. Die Ausweitung des übrigen publizistischen Angebots in der Bundesrepublik trug zum langsamen, aber stetigen Niedergang der kulturpolitischen Zeitschriften bei. In einem sich wandelnden geistig-kulturellen Klima vermochten sie im Lauf der Jahre die Aufgaben ihrer Gründerzeit nicht mehr in dem Maße wie zuvor zu erfüllen. »Die Gegenwart« stellte ihr Erscheinen 1958 ein, die »Deutsche Rundschau« 196413. »Der Monat«, »als Forum einer offenen Aussprache auf der Grundlage freier Meinungsäußerung« und mit dezidiert antikommunistischer Zielrichtung gegründet, erschien unter Beteiligung wechselnder Herausgeber bis 1971. 1978 folgte der Versuch einer Wiederbelebung, jetzt in Anlehnung an eine magazinartige Aufmachung und zuletzt nur noch in Themenheften viermonatlich. Das 1987 erschienene 298. Heft war dann das letzte. Die »Frankfurter Hefte« wahrten ihre Selbständigkeit bis 1984 (bei einer Auflage von noch ca. 4 000 Exemplaren) und gingen dann in der im Auftrag der Friedrich Ebert-Stiftung (derzeit von Peter Glotz) herausgegebenen Zeitschrift »Die Neue Gesellschaft« auf, die den traditionsreichen Namen im Untertitel weiterführt 14 . Das einzige kulturpolitische Organ, das - bei einer Auflage zwischen 5 000 und 6 000 Exemplaren - in der Bundesrepublik über fünf Jahrzehnte hinweg bis heute besteht, ist der »Merkur«. Der seit 1984 von Karl Heinz Bohrer herausgegebenen Zeitschrift mag dies wegen des Kompositionsprinzips der »Gegenwirkung« gelungen sein. An ihr haben sich immer wieder zahlreiche renommierte Autoren mit unterschiedlichen Positionen beteiligt (was aber einer Eignung als »Leitmedium« eher zuwiderläuft). Doch hätte auch der »Merkur« längst aufgeben müssen, würde er nicht seit den siebziger Jahren von der Ernst H. Klett Stiftung Merkur finanziell unterstützt. Die Krise der klassischen kulturpolitischen Zeitschriften der Nachkriegszeit war um so gravierender, als sie nicht von neu hinzutretenden Organen kompensiert wurde. (Ganz dem Literarischen zugewandt waren die seit 1954 von Hans Bender und Walter Höllerer herausgegebenen »Akzente«). Am ehesten tat dies noch das »Kursbuch«, dessen erstes Heft im Juni 1965 erschien15. Hans Magnus Enzensberger gründete diese viermal im Jahr herauskommende Zeitschrift und gab sie bis 1975 - zunächst im Suhrkamp-Verlag - heraus. Das Programm schien sie nicht zu einem Leitmedium zu prädestinieren: »Kursbücher«, so ließ der Herausgeber verlauten, »schreiben keine Richtungen vor. Sie geben Verbindungen an, und sie gelten so lange wie diese Verbindungen.« Dennoch haben das »Kursbuch« oder zumindest einige seiner Hefte in der Szene der Linksintellektuellen trendsetzend gewirkt, an die es sich in erster Linie richtete. Denn das »Kursbuch« erscheint in Themenheften, wozu die Redaktion zahlreiche, ständig wechselnde Autoren heranzieht: allein etwa 900 bei tausend Beiträgen in den ersten achtzig Heften bis 1985. Die Auflage stieg von anfangs 5 000 auf zeitweise 50 000 an; einzelne Hefte erreichten 80 000 (»Frauen«-Heft Nr. 47) oder 100 000 Exemplare (»Jugend«-Heft Nr. 54), wobei auf-

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Nachkriegszeitschriften - ein erster Markt für die wiedergewonnene freie Meinungsäußerung.

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grund der Nachfrage nachgedruckt wurde. Gerade die Frauenbewegung hat durch mehrere »Kursbücher« wichtige Impulse erhalten.

3. Überregionale Tageszeitungen Seit den Anfängen der periodischen Presse war in Deutschland die lokale bzw. regionale Abonnementzeitung vorherrschend, Ausdruck der »Kleinstaaterei« und des politisch-kulturellen Föderalismus. Deshalb hatten es national verbreitete Leitmedien hierzulande immer schwerer als in anderen Ländern. Das gilt auch noch für die Bundesrepublik Deutschland, wo sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenige Tageszeitungen mit überregionaler Verbreitung etabliert haben. Ihre Anfänge reichen zum Teil ebenfalls schon in die Besatzungszeit zurück. Jede der vier Mächte war bestrebt, neben den lokalen bzw. regionalen Lizenzzeitungen auch ein zonenweit erscheinendes Blatt herauszubringen. Diese Zonenzeitungen sollten unter direkter Kontrolle der jeweiligen Militärregierung stehen und den Lizenzzeitungen zur publizistischen Orientierung dienen. Mit dieser Absicht erschien seit 15. Mai 1945 in der Sowjetzone die »Tägliche Rundschau«. In der amerikanischen Zone trat mit entsprechend hohem Anspruch seit Oktober 1945 »Die Neue Zeitung« auf 6 . Sie erreichte unter dem Chefredakteur Hans Habe und durch ausgezeichnete Mitarbeiter (unter anderem Hans Wallenberg, Erich Kästner, Egon Bahr, Alfred Andersch, Peter Boenisch, Stefan Heym), von denen manche erst später bekannt wurden, ein hervorragendes Niveau, konnte sich aber gegen die nach der Gründung der Bundesrepublik entstandene starke Zeitungskonkurrenz nicht auf Dauer behaupten: Die Frankfurter Ausgabe wurde am 13. September 1953 eingestellt, die Berliner am 30. Januar 1955. Die erste Ausgabe der britischen Zonenzeitung »Die Welt« erschien am 2. April 1946 in Hamburg mit einer Auflage von 100 000 Exemplaren 17 . Sieben Jahre blieb das Blatt in britischem Besitz. Es erlebte turbulente Jahre; allein acht verschiedene Chefredakteure wechselten sich in dieser Zeit ab. Mit wachsender Ausbreitung stieg die Druckauflage bis Februar 1949 auf über eine Million Exemplare. Mit der Aufhebung der Lizenzpflicht am 21. September 1949 begann jedoch ein erheblicher Auflagenrückgang. Am 17. September 1953 wurde »Die Welt« an den Verleger Axel Springer verkauft. Er berief Hans Zehrer zum Chefredakteur, der in dieser Funktion schon einmal von den Briten entlassen worden war, weil er vor 1933 dem rechtskonservativen Tat-Kreis angehört hatte. Bekannte Publizisten konnten als Redakteure gewonnen werden, unter anderem Conrad Ahlers, Sebastian Haffner, Erich Kuby, Herbert von Borch und Friedrich Luft. Seit den späten fünfziger Jahren verfolgte »Die Welt« einen zunehmend rechtskonservativen Kurs, eine Reihe liberaler Journalisten verließen das Blatt und gingen zu »Spiegel«, »Stern« oder der »Zeit«. Ende der sechziger Jahre war »Die Welt« deshalb - neben der »Bild«-Zeitung - bevorzugte Zielscheibe der »Anti-Springer-Kampagne« der linken Studentenbewegung. In den siebziger Jahren wurde sie zum entschiedensten publizistischen Gegner der sozialliberalen Bundesregierung, insbesondere ihrer Ostpolitik. »Die Welt« taugte daher kaum als Leitmedium, obwohl sie ihre Leser durch ihre zahlreichen

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Korrespondenten mit einer breiten internationalen Berichterstattung versorgen konnte, derentwegen sie 1967 von der amerikanischen Unversität Missouri zur »Zeitung des Jahres« gekürt wurde. In einer entsprechenden Verbreitung schlug sich das aber nicht nieder. »Die Welt« blieb immer ein Zuschußobjekt für den Verleger18. Sie konnte ihre Auflage seit Anfang der sechziger Jahre, im Unterschied zu anderen Blättern, nicht steigern, sondern stagnierte mit Schwankungen zwischen 200 000 und 240 000 Exemplaren. Ihre Reichweite betrug 1997 1,4 Prozent, das entspricht ca. 910 000 täglichen Lesern. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, die neben der »Welt« strenggenommen die einzige national verbreitete (Abonnement-)Zeitung von besonderer publizistischer Qualität in der Bundesrepublik werden sollte, erschien zuerst am 1. November 1949, wenige Wochen nach Aufhebung des Lizenzzwangs. Den aus dem Umkreis der alten »Frankfurter Zeitung« stammenden Journalisten, die dort bis zum Verbot 1943 tätig gewesen waren, hatten die Amerikaner zunächst eine Lizenz verweigert. Den Redaktionskern bildete dann eine Gruppe von Journalisten, die zuvor bei der Mainzer »Allgemeinen Zeitung. Hauptausgabe mit Wirtschaftsblatt« gearbeitet hatten 19 . Aus ihr ist die FAZ somit hervorgegangen. Zu den Gründungsherausgebern gehörten Hans Baumgarten, Erich Dombrowski, Karl Korn, Paul Sethe und Erich Welter, der letzte Chefredakteur der Berliner »Vossischen Zeitung«. Die FAZ erhob im Untertitel sogleich den Anspruch, »Zeitung für Deutschland« zu sein und breite Wirkung mit geistigem Anspruch zu verbinden 20 . Charakteristisch für die FAZ ist das Kollegialprinzip, das in dem sechsköpfigen Herausgebergremium (kein Chefredakteur!) Ausdruck findet. Mit der Gründung der FAZIT-Stiftung, die seit 1959 die Mehrheit der Anteile hält, sollte die politische und geistige Unabhängigkeit der Redaktion zusätzlich gesichert werden. Durch die Stimmen der Herausgeber in der Gesellschafterversammlung erhält die Redaktion Einfluß auf die wirtschaftliche Gestaltung des Verlages. Als Qualitätszeitung gilt die FAZ vor allem wegen des großen Anteils eigenständiger Beiträge. Ihre politische Richtung wird im allgemeinen mit rechts von der Mitte gekennzeichnet, wobei ein Meinungsspektrum zwischen Wirtschaft, Politik und Feuilleton besteht (wie häufig bei anderen Blättern auch). Auflage und Reichweite der »Frankfurter Allgemeinen« haben sich im Laufe von fünf Jahrzehnten nahezu kontinuierlich erhöht. Betrug die Höhe der ersten Ausgabe nicht einmal 10 000 Exemplare, so wurden - jeweils durchschnittlich 1953 mehr als 100 000,1959 mehr als 200 000,1979 mehr als 300 000 und 1998 mehr als 400 000 Exemplare von jeder Ausgabe verkauft. Davon werden rund drei Viertel außerhalb des eigentlichen Erscheinungsgebiets abgesetzt. Ihre regionale Verbreitung im Rhein-Main-Gebiet hat die Zeitung durch ein eigenes redaktionelles Angebot zunehmend ausgebaut. Da jedes Exemplar der FAZ von durchschnittlich drei Personen gelesen wird, erreicht das Blatt täglich mehr als 1,2 Millionen - überwiegend männliche - Leser. Zum Leitmedium ist die FAZ vor allem durch die Struktur ihrer Leserschaft prädestiniert: Mehr als die Hälfte der Leser haben Abitur oder Studium, ja sie verfügen im Vergleich zu denjenigen vergleichbarer Blätter über die höchste Schulbildung. Führungskräfte und Meinungsführer sind überdurchschnittlich unter den Lesern der FAZ vertreten. Entsprechend hoch ist auch deren durchschnittliches Einkommen. Mehr als ein Drittel der Journalisten nutzen die

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»Frankfurter Allgemeine« regelmäßig (vgl. Tabelle 7), von den Bundestagsabgeordneten sind es sogar vier Fünftel 21 . In einem Atemzug mit der »Welt« und der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« werden oft zwei weitere Tageszeitungen genannt, sei es als überregionale Blätter, sei es als Qualitätszeitungen: die »Süddeutsche Zeitung« und die »Frankfurter Rundschau«. Die erste Ausgabe der »Süddeutschen Zeitung« erschien am 6. Oktober 194522. Sie war die erste Lizenzzeitung in Bayern, wo sie die Nachfolge der früheren »Münchener Neuesten Nachrichten« antrat. Lizenzträger waren August Schwingenstein (als Verlagsleiter), Franz Joseph Schöningh und Edmund Goldschagg (als Chefredakteure), ein Jahr später stieß August Friedmann als vierter hinzu. Die Startauflage betrug 357 000 Exemplare. Auch nach der Aufhebung der Lizenzpflicht war die »Süddeutsche Zeitung« zunächst eine Münchener Lokal- bzw. bayerische Regionalzeitung. Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis sie eine größere überregionale Verbreitung erlangen konnte. Strenggenommen ist sie aber bis heute keine überregionale Tageszeitung, da von einer solchen nur dann zu sprechen ist, wenn mindestens die Hälfte der Auflage außerhalb des Erscheinungsgebiets vertrieben wird. Das ist aber bei der »Süddeutschen Zeitung« nicht der Fall. 1997 wurden im Durchschnitt von der verkauften Auflage (374 000 Exemplare) rund 75 Prozent (277 600 Exemplare) im Kerngebiet, also in München bzw. Bayern abgesetzt. Ihr Streben nach überregionaler Geltung hat die SZ in den letzten Jahren dadurch unterstrichen, daß sie eine Deutschlandausgabe (1992) und eine Berlin-Seite (1995) einführte. Die »Süddeutsche Zeitung« gilt im Medienspektrum als sozialliberal. Das hat sich durch zahlreiche Inhaltsanalysen bestätigt und wird auch von vielen Politikern und Pressesprechern so gesehen. Nicht nur auf die Breite ihrer nationalen und internationalen Berichterstattung, für die allerdings weniger Korrespondenten zur Verfügung stehen als bei der FAZ, hat die SZ ihren Ruf begründet, sondern auch auf inhaltliche Originalität. Ein Markenzeichen der Zeitung ist das »Streiflicht«, die Leitglosse auf der Titelseite, die seit dem 12. Juni 1946 gepflegt wird. Die Seite 3 als Reportage-Seite gehört ebenfalls zu den unverwechselbaren Eigenheiten der SZ. Als eine der ersten Tageszeitungen führte die SZ 1969 eine »Medienseite« (zunächst »Hörfunk und Fernsehen«) ein, die in den einschlägigen Kreisen besonders beachtet wird. Es gibt einige Indikatoren dafür, daß die »Süddeutsche Zeitung« zu den Leitmedien in der Bundesrepublik zu rechnen ist. Nach dem »Spiegel« wird sie unter den deutschen Presseorganen von Journalisten am meisten regelmäßig genutzt (46,6 Prozent, vgl. Tabelle 1). Von 8 500 Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Verwaltung lesen 9,2 Prozent die SZ (aber 14,2 Prozent die FAZ). Schließlich scheint - nach Inhaltsanalysen zu schließen - die »Süddeutsche Zeitung« eine Art Mittlerfunktion zu spielen, ein »Resonanzorgan« zu sein, das Tendenzen beispielsweise des »Spiegel« aufgreift, sie seinerseits aber noch verstärken kann, weil es von einer Reihe anderer Blätter intensiv rezipiert wird23. Älter noch als die vier bisher genannten Tageszeitungen ist die »Frankfurter Rundschau«, die als erste Zeitung mit der amerikanischen Lizenz Nr. 2 am 1. August 1945 zu erscheinen begann24. Das Gremium der acht Lizenzträger war anfangs stark mit Kommunisten besetzt25, weswegen es bald zu Konflikten kam und die Amerikaner dann die »Frankfurter Neue Presse« als bürgerliches Gegengewicht zu-

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ließen. Nachdem die anderen Herausgeber - meist aus politischen Gründen - ausgeschieden waren, blieben der Sozialdemokrat Karl Gerold und der 1954 verstorbene Kommunist Arno Rudert als alleinige Lizenzträger der »Frankfurter Rundschau« übrig. Sie prägten die linke bis linksliberale Grundhaltung des Blattes, die später auch in den Dienstverträgen mit den Redakteuren festgeschrieben wurde. Karl Gerold machte 1973 testamentarisch eine nach ihm benannte, 1975 etablierte Stiftung zum organisatorischen Fundament der FR. Wenn sich die »Frankfurter Rundschau« als »Heimat- und Metropolenzeitung« versteht, so resultiert daraus eine Zwitterstellung. Zwei Drittel der Auflage (1997 ca. 175 000 Exemplare) werden in Hessen verkauft. Infolgedessen ist auch sie keine überregionale Tageszeitung im eigentlichen Sinne. Außerhalb Hessens wird die FR überwiegend in anderen Großstädten verbreitet, und zwar überwiegend nördlich von diesem Bundesland (im Süden stößt sie auf die Konkurrenz der sozialliberalen SZ). Mitte der sechziger Jahre hatte die »Frankfurter Rundschau« eine Auflage von ca. 100 000 Exemplaren. Diese stieg bis 1982 kontinuierlich auf fast das Doppelte an, wobei die stärkste Zunahme zwischen 1967 und 1970 erfolgte. In diesen Jahren setzte sich die FR entschieden für die 68er Bewegung ein und war bevorzugtes Sprachrohr Linksintellektueller. Insbesondere Studenten lasen das Blatt. Noch heute besitzt die FR das jüngste Publikum aller hier genannten Qualitätszeitungen (18 Prozent der Leser sind zwischen 20 und 29 Jahre alt) und hat mit neun Prozent den höchsten Anteil an Schülern und Studenten (übertroffen nur von der »taz«). Zugleich hat die Zeitung aber auch die meisten Arbeiter unter ihren Lesern. Würde man allein die Auflagenhöhe zum Kriterium für ein Leitmedium machen, so müßte in der Bundesrepublik Deutschland eine solche Funktion vor allem der »Bild«-Zeitung zukommen. Diese Zeitung stellte, als der Axel Springer Verlag am 24. Juni 1952 die erste Ausgabe mit einer Startauflage von 250 000 Exemplaren herausbrachte, auf dem deutschen Pressemarkt ein Novum dar26. Sie kostete 10 Pfennig, hatte einen Umfang von vier Seiten, wobei die erste und letzte Seite ausschließlich großformatige Fotos mit Bildunterschriften präsentierten. Nach britischen Vorbildern (»Daily Mirror«) erschien »Bild« im Januar 1953 dann mit einem neuen Layout, mit plakativen, in großen fetten Lettern gesetzten Schlagzeilen. In den folgenden Jahren erlebte die Zeitung eine unvergleichliche Auflagenexplosion. Im März 1953 lag die verkaufte Auflage noch bei rund 400 000 Exemplaren, im Dezember waren es bereits 1,2 Millionen, 1956 2,5 Millionen, 1962 3,4 Millionen, und 1964 wurde eine Auflage von vier Millionen überschritten. Zu dem einzigartigen Erfolg der »Bild«-Zeitung trugen außer dem niedrigen Verkaufspreis (der später schrittweise bis auf 50 Pfennig angehoben wurde) und der reißerischen Aufmachung die inhaltliche Mischung von »Sex and Crime«, von emotionalen »Human interest«-Geschichten und Sportergebnissen bei. Auch die Politik mußte sich, soweit sie vorkam - und das wechselte durchaus im Laufe der Jahre - diesem Programm einfügen. Damit etablierte sich die »Bild«-Zeitung wie keine andere in der Bundesrepublik als Boulevard- und Straßenverkaufszeitung (obwohl auch andere, stärker regional verankerte Blätter dieser Art entstanden und sich die »Bild«-Zeitung ebenfalls in Regionalausgaben differenzierte). Inhalt und Aufmachung resultierten insbesondere daraus, daß die Zeitung kaum in Abonnements abgesetzt wird, sondern sich jeden Tag neu verkaufen muß, und daraus, daß

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sie überwiegend neben den regionalen Abonnementzeitungen als Zweitzeitung gelesen wird, also anderen »Stoff« bieten muß als diese. Allerdings hat die »Bild«-Zeitung heute rund ein Drittel Exklusivleser. Die Art des von »Bild« betriebenen Journalismus hat in der Bundesrepublik immer wieder heftige Kritik hervorgerufen; ihr wurden Nachrichtenverfälschung, unlautere Recherchemethoden, Einseitigkeit in der Berichterstattung, Verletzungen der Intimsphäre bis hin zur Volksverhetzung vorgeworfen 27 . Nicht selten wurde wegen Artikeln der »Bild«-Zeitung der Deutsche Presserat als Selbstkontrollorgan angerufen. Die »Bild«-Zeitung erreichte Anfang der achtziger Jahre mit über 5,5 Millionen Exemplaren ihren Auflagenhöhepunkt. Danach ging diese - zum Teil gewiß bedingt durch die Ausbreitung des privaten Fernsehens - zurück und lag nach einem durch die Wiedervereinigung bedingten »Zwischenhoch« Mitte der neunziger Jahre bei 4,5 Millionen. Damit erreicht das Blatt immer noch mehr als elf Millionen Leser pro Tag. Die »Bild«-Zeitung hat eine heterogene Leserschaft, wenngleich deren Bildungsgrad unterdurchschnittlich und der Anteil von Arbeitern überdurchschnittlich ist28. Wegen der hohen Auflage erreicht »Bild« aber immer noch mehr Menschen mit Abitur bzw. Studium als z.B. die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« oder die »Süddeutsche Zeitung«. Von einem Zielgruppenorgan wird man bei der »Bild«-Zeitung wegen ihrer Größenordnung gewiß nicht sprechen können. Aber kann sie als ein Leitmedium gelten? Dagegen spricht verschiedenes: Als Straßenverkaufszeitung muß sie eher ein Gespür für in der Bevölkerung herrschende Meinungstrends haben, als daß sie diese lenken kann. Sie kann sie allerdings verstärken, was ihr auch den Vorwurf des Populismus eingetragen hat. Zwar nutzt gut ein Fünftel der Journalisten die »Bild«-Zeitung regelmäßig (vgl. Tabelle 1), aber doch deutlich weniger als andere Tageszeitungen. Sie dürfte von diesen auch kaum besonders geschätzt werden. Andererseits gehört die »Bild«-Zeitung zu den am häufigsten in Tageszeitungen zitierten Medien, vermutlich aber nicht als seriöse Quelle. Indes hat es in der Geschichte der Bundesrepublik durchaus Fälle gegeben, in denen die »Bild«-Zeitung politische Kampagnen geführt und Meinungsdruck erzeugt hat: so ζ. B. im Jahre 1964 gegen eine von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Telefongebühren, die den Machtverlust Ludwig Erhards als Bundeskanzler beschleunigte29. Vor allem aber bekämpfte die »Bild«-Zeitung die außerparlamentarische Opposition und die Studentenbewegung der späten sechziger Jahre, die sich ihrerseits in der »Anti-SpringerKampagne« vor allem gegen dieses Boulevardblatt wandte. Aus dem politischen und geistigen Umfeld dieser Jahre entstand auch ein ganz anderes Blatt, die einzige erfolgreiche Neugründung einer Tageszeitung, die seit der »Bild«-Zeitung 1952 in der Bundesrepublik auf den Markt gekommen ist. Gemeint ist »die tageszeitung«, abgekürzt »taz«. Ihre Wurzeln liegen ebenfalls in der Alternativbewegung der sechziger Jahre, wordurch sie zu einem zentralen Organ der Alternativpresse geworden ist. Die »taz« wird in einem eigenen Beitrag dieses Bandes ausführlicher behandelt 30 . Sie muß jedoch im Zusammenhang des vorliegenden Beitrags ebenfalls zumindest erwähnt werden. Weil sich die »taz« durch publizistische Zielsetzung und Inhalt an eine linksgerichtete, grün-ökologische Leserschaft wendet, worunter ein Fünftel Studenten sind, könnte man sie als Organ dieser Ziel-

315

Jürgen Wilke

gruppe ansehen 31 . Aber nicht für diese allein ist sie ein Leitmedium. Bemerkenswert ist gerade angesichts der begrenzten Auflage - die seit Ende der achtziger Jahre und nach mehreren Werbeaktionen bei rund 60 000 Exemplaren liegt - die starke regelmäßige Nutzung durch Journalisten (24,5 Prozent, vgl. Tabelle 1). Die »taz« gehörte 1995 zudem zu den zehn meistzitierten Medien in der Presse, noch vor der »Frankfurter Rundschau«, der »Welt« und der »Zeit« 32 . Schließlich konnte auch inhaltsanalytisch gezeigt werden, daß die »taz« Wegbereiter für bestimmte Themen ist, die in einem »spill-over«-Effekt dann von etablierten - zuerst den linksliberalen Medien aufgegriffen und auf die Tagesordnung gesetzt werden 33 . Leitmedien haben in anderen Ländern zumeist ihren Sitz in der Landeshauptstadt (so die »Times« in London und »Le Monde« in Paris). In Deutschland ist das wegen Kleinstaaterei und Föderalismus immer anders gewesen. Selbst im Kaiserreich und der Weimarer Republik gab es in Berlin zwar viele Zeitungen, aber nur wenige - wie das »Berliner Tageblatt« und die »lagliche Rundschau« - mit überlokalem Ruf. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der geteilten und vom Hinterland abgeschlossenen Stadt, konnte das kaum anders sein. Weder »Der Tagesspiegel« noch die »Berliner Morgenpost« hatten das Zeug, zu Leitmedien zu werden. Ob sich daran etwas ändern wird, wenn Berlin zur Jahrtausendwende seine Hauptstadtfunktionen wieder übernimmt, ist eine offene Frage. Aspiranten auf eine Position als Leitmedium gibt es jedenfalls: Das vom Verlag Gruner + Jahr 1990 aufgekaufte Sprachrohr der SED-Bezirksleitung, die »Berliner Zeitung«, strebt eine solche Funktion mit großem Ehrgeiz an. Der Ex-Chefredakteur des »Spiegel«, Erich Böhme, wollte aus ihr eine »Washington Post« machen. Der Sprung von einer Ostzu einer West-Zeitung gelang ihr jedoch zunächst einmal nicht. Immerhin ist »Die Welt«, die früher in Hamburg (dem eigentlichen bundesdeutschen Pressezentrum nach 1945) und mit der Redaktion in Bonn ansässig war, nach Berlin übergesiedelt, wo sich schon seit Jahrzehnten der Stammsitz des Axel Springer Verlags befindet. Jedenfalls ist der Berliner Zeitungsmarkt inzwischen hart umkämpft.

4. Wochenzeitungen Der Typ des Wochenblatts, das nicht der aktuellen Tagesberichterstattung, sondern der Hintergrundinformation und Meinungsbildung dient, besitzt in Deutschland nur eine schwache Tradition. Immerhin hatte Joseph Goebbels, der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, 1940 ein solches Blatt (»Das Reich«) ins Leben gerufen, mit dem insbesondere im Ausland Eindruck gemacht werden sollte. Doch nicht an diese Zeitung, sondern an den britischen »Observer« dürften die Gründungsväter von »Die Zeit« gedacht haben, deren erste Ausgabe am 21. Februar 1946 in Hamburg erschien 34 . Von den vier Personen, die sich um die Lizenz beworben hatten, blieb Gerd Bucerius übrig, der sich 1955 als Alleininhaber installieren konnte. Josef Müller-Marein, Marion Gräfin Dönhoff und Theo Sommer wurden die prägenden Chefredakteure und Herausgeber. Die Funktion eines Herausgebers übernahm am 1. Mai 1983 auch der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Von der ersten Ausgabe der »Zeit« konnten wegen der Papierkontingentierung nur

Leitmedien

und

Zielgruppenorgane

316

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reguläre< Berufsausbildung wie für den Arzt oder den Juristen ergänzt werden« 70 . Die entscheidenden Anstöße für die institutionellen Änderungen der Ausbildung gingen von der »Gemischten Kommission« des Deutschen Presserates aus, die 1971 ihr erstes »Memorandum zur Journalistenausbildung« vorlegte. Zentrale Forderung war die Integration praxisorientierter Studiengänge für Journalistik in Hochschulen, dem Zug der Zeit entsprechend damals vor allem in Gesamthochschulen. Die Berufsorganisationen zogen mit ähnlichen Forderungen nach71. So kam es in den siebziger Jahren zunächst zu insgesamt vier Modellstudiengängen in München, Dortmund, Mainz und Stuttgart-Hohenheim, wobei die beiden erstgenannten als grundständige Studiengänge und die beiden letztgenannten als Aufbaustudiengänge organisiert wurden. Die Diskussionen und Entscheidungen in den siebziger Jahren haben den Beruf verändert. Zum einen gibt es heute eine deutlich größere Vielfalt an Ausbildungsangeboten als vor der Reform. D e r Ratgeber »Wege zum Journalismus« des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger führt auf: 13 nicht- bzw. nur sekundär hochschulgebundene Journalistenschulen, 29 publizistik-, kommunikationsoder medienwissenschaftliche Studiengänge im Hauptfach, Nebenfach oder als Aufbaustudium sowie zwölf Journalistik-Studiengänge. Der Anteil der Studienabbrecher ging von 39 Prozent 1974 über 33 Prozent 1980/81 auf 17 Prozent 1992 zurück. Parallel dazu stieg der Anteil der Berufsangehörigen mit abgeschlossenem Studium im gleichen Zeitraum von 23 Prozent über 34 auf 45 Prozent an. Schaubild 3 zeigt die Ergebnisse in Übersicht, wobei die leicht unterschiedlichen Grundgesamtheiten zu bedenken sind. Der Anteil der Akademiker ist praktisch gleichgeblieben, jedoch kam es zu einer Umschichtung von Abbrechern zu Absolventen. Die aus den Reformdiskussionen hervorgegangenen Journalistikstudiengänge im Westen hatten 1992 erst drei Prozent den Weg in den Beruf geebnet. Aber inzwischen sind auch viele der ehemals rein theoretischen Magisterstudiengänge in ihren Studieninhalten praxisnäher geworden, so daß eine klare Trennung zwischen ihnen und den Journalistikstudiengängen vielfach gar nicht mehr möglich ist. Tatsache ist, daß das Volontariat heute nur noch mit »künstlicher Beatmung< durch andere Formen der Vor- und Ausbildung überlebensfähig ist« (S. Weischenberg) 72 . Verlage,

504

Journalismus und journalistisches Berufsverständnis Schaubild 3: Veränderung der Ausbildungsstruktur im Journalismus Anteil an Hochschulabsolventen und -abbrechern im Journalismus 80 — m

70

Gesamt

67 62

60 50 40

45 39

30 20 10 0 1974

1980/81

1992

Quellen: 1974: Redakteure von Tageszeitungen und ZDF (Wolfgang Donsbach 1997), 1980/81: Redakteure von Tages- und Wochenzeitungen, Hörfunk, Fernsehen, Nachrichtenagenturen (Renate Köcher 1985), 1992: ähnliche Grundgesamtheit (Beate Schneider u. a. 1993).

Agenturen und Sendeanstalten brachten es aber 1996 immerhin auf knapp 3 000 Volontärsstellen73. Die Wiedervereinigung führte zu einer Veränderung der Gesamtstruktur, da die Mehrheit der ostdeutschen Berufsangehörigen ein Studium an der Sektion für Journalistik der Universität Leipzig abschloß, so daß der Anteil der Journalistik-Absolventen nun insgesamt 17 Prozent beträgt74.

6. D i e achtziger Jahre: Säkularisierung des Journalismus? Die achtziger Jahre brachten erhebliche strukturelle Veränderungen im Medienbereich, Diskussionen über die Berufsethik und über die Frage, ob der Journalismus in Deutschland seine Identität einschneidend verändert habe. Noch einmal hat die Bedeutung der Medien auch in diesem Jahrzehnt drastisch zugenommen. Nicht die Ausbreitung des Fernsehens und die offene Politisierung von Gesellschaft und Medien - wie in den sechziger Jahren - gaben hierfür den Anlaß, sondern technische und ökonomische Veränderungen auf der Seite der Medien und Verhaltensveränderungen auf der Seite der Akteure in Politik und Wirtschaft. 6.1 Entgrenzung der Medienberufe und die Rolle der PR Mit »Entgrenzung« lassen sich sowohl die quantitative Zunahme als auch die inhaltliche Ausdifferenzierung der Medienberufe bezeichnen. In den achtziger Jahren

505

Wolfgang

Donsbach

stieg die Anzahl der in den Medien tätigen und der insgesamt sich als »Publizisten« klassifizierenden Personen so steil an wie nie zuvor: 1980 bezeichneten sich gegenüber dem Statistischen Bundesamt noch 38 000 Menschen als Publizisten, zehn Jahre später sind es über 70 000 (siehe Schaubild 1 weiter oben). Drei Ursachen lassen sich erkennen: 1. die Vermehrung der Medieninstitutionen, 2. der Bedeutungszuwachs der Öffentlichkeitsarbeit, 3. die Entstehung neuer Berufe. Die Veränderung der Rundfunkstruktur brachte mit der Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Monopols viele neue Anbieter und damit Arbeitgeber. Zu Beginn der achtziger Jahre gab es zehn, heute gibt es fast 100 Fernsehprogramme in Deutschland. Die Zahl der Hörfunkprogramme stieg im gleichen Zeitraum von zwölf auf 240. Die Auswirkungen am Arbeitsmarkt zeigten sich deutlich erst in den neunziger Jahren, nachdem sich die Privaten als ernsthafte Konkurrenten für die öffentlich-rechtlichen Sender etablieren konnten. Allein zwischen 1990 und 1993 stieg die Zahl der Stellen bei privaten Fernsehanstalten in Deutschland um 49 Prozentpunkte an. Zudem entstanden zahlreiche kleinere Produktionsgesellschaften, die von den mit geringerem Stammpersonal arbeitenden privatwirtschaftlichen Sendern Aufträge erhalten. Aber auch andere Medienbereiche expandierten. So stieg die Zahl der Zeitschriftentitel zwischen 1980 und heute von 1100 auf 1 80075. Die Kommunikations- und Informationsbranche gilt auch weiterhin als eine der vorrangigen Wachstumsbranchen, so daß mit einer Vermehrung der Kommunikationsberufe auch in den nächsten Jahren zu rechnen sein wird, wenngleich der Anteil des traditionellen Journalismus immer weiter zurückgedrängt werden wird. Die Anzahl der Stellen in der Öffentlichkeitsarbeit ist in den letzten drei Jahrzehnten drastisch angestiegen. Die Deutsche Public Relations-Gesellschaft ( D P R G ) hatte Anfang der achtziger Jahre noch rund 500 Mitglieder, heute sind es über 2 000. Es gibt neue Ausbildungsgänge für PR bei den Berufsverbänden und an Hochschulen 76 . Innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft nehmen sich immer mehr Forscher theoretisch oder empirisch der Public Relations an. In vielen publizistik- oder kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen gibt es heute mehr Studierende mit dem Berufswunsch Öffentlichkeitsarbeit als mit dem des klassischen Journalismus 77 . Der Bedeutungszuwachs der P R reflektiert eine Veränderung der Strukturen und Prozesse öffentlicher Kommunikation, wie sie in Deutschland vor allem ab Mitte der achtziger Jahre - und damit mit einer gewissen Zeitverzögerung im Vergleich zu den U S A - stattgefunden hat. Im Zuge dieses Prozesses entstand ein zunehmender Bedarf nach funktionalen Rollen und Institutionen, deren Ziel es ist, die öffentliche Darstellung von Akteuren positiv zu beeinflussen. Diese Entwicklung hat keinen alleinigen Verursacher. Einerseits haben - wie weiter oben beschrieben - die Medien eine bislang nicht gekannte Machtkonzentration bei der öffentlichen Behandlung und Entscheidung von Sachverhalten akkumuliert. Dies verlangt nach publizistischer Reaktion und Absicherung. Andererseits haben aber auch die Akteure in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Interessengruppen erkannt, daß man die Medien aktiv für die eigenen Zwecke nutzen, d. h. instrumentalisieren kann. Dementsprechend lassen sich auch zwei grundsätzlich verschiedene Positionen hinsichtlich der Legitimität von P R und ihrer Wirkung auf die Medien erkennen 78 . Den Kern des Legitimitätsproblems der P R bilden zwei Fragen. Erstens: Stellt

Journalismus und journalistisches

Berufsverständnis

506

Öffentlichkeitsarbeit einen legitimen Versuch der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen dar, ihre Sichtweise der Dinge in die öffentliche Kommunikation einzubringen und damit ihre Interessen in einer pluralistischen Gesellschaft zu verfolgen? Dies kann man durchaus bejahen und in PR sogar ein Überbleibsel des ursprünglichen »Jedermannsrechts« auf öffentliche Kommunikation sehen79. Zweitens: Ist Journalismus ein ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteter Berufsstand, der daher a priori einen Vertrauensvorschuß gegenüber anderen Kommunikatoren zu genießen hat? Dies kann man durchaus verneinen. Zwar hat Barbara Baerns Öffentlichkeitsarbeit als Selbstdarstellung partikularer Interessen und Journalismus als Funktion des Gesamtinteresses differenziert80, de facto weisen aber etliche Studien nach, daß Journalisten durchaus Eigeninteressen ihrer Person oder ihrer Institution verfolgen81. Dementsprechend hängt die Wirkung von PR gerade in Krisenfällen sehr stark von den Einstellungen der Journalisten gegenüber den Akteuren und der Instrumentalität der jeweiligen Sachverhalte für ihre Wirkungsziele ab82.

6.2 Was ist heute noch ein Journalist? Technische Neuerungen haben schon in den siebziger Jahren den Journalismus verändert. Die Einführung der sogenannten »Redaktionssysteme« führte dazu, daß Journalisten jetzt an Terminals schrieben statt an Schreibmaschinen und ihre Texte direkt in den elektronischen Satz gingen. Zur gleichen Zeit setzte sich die elektronische Aufnahmetechnik im Fernsehen durch und löste inzwischen im nichtfiktionalen Bereich vollständig die alte Filmtechnik ab. Den Einzug der Elektronik in die Redaktionen haben einige Beobachter, insbesondere bei der Presse, eher kritisch gesehen, weil sie von den Arbeitsabläufen eine Dominanz der Technik und von den Inhalten eine Dominanz der Agenturen (die fertige elektronische Texte anliefern) befürchteten 83 . Inzwischen haben alle in den neuen Techniken eher einen Segen als einen Fluch erkannt. Diese Neuerungen bestanden darin, daß Journalisten die gleichen Tätigkeiten wie vorher, nur mit anderen technischen Hilfsmitteln und damit effizienter bewältigen. Dies betrifft auch den wichtigen Bereich der Recherche von Informationen. Schon im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1992 reisten von den Sonderkorrespondenten, die die Kandidaten auf ihren Wahlkampfreisen begleiteten, 90 Prozent mit einem Laptop, 83 Prozent mit eigenem Faxgerät, 46 Prozent mit Funktelefonen, und fast zwei von drei Reportern standen ständig mit den elektronischen Datenbanken ihrer Redaktionen in Verbindung84. Die modernen Techniksysteme des Fernsehens sind gleichzeitig leistungsstärker und einfacher zu handhaben 85 . Journalismus ist durch die neuen Techniken insgesamt flexibler geworden, weil mehr Zeit für die eigentliche Recherche zur Verfügung steht und diese tiefergehend (ζ. B. durch Nutzung von Datenbanken u. a.) und damit kritischer erfolgen kann. Gleichwohl sind die »technologischen Imperative« nach wie vor ein Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. So befürchtet z.B. die IG Medien, daß Journalisten wegen des Charakters der Computerprogramme zunehmend gestalterische Aufgaben wahrnehmen müßten und dabei der Spielraum für journalistisches Arbeiten eingeengt werde86.

507

Wolfgang Donsbach

S. Weischenberg erkennt in der gegenwärtigen Diskussion zwei gegensätzliche Prognosen über die Zukunft des »Systems Journalismus«. Die einen vermuten, daß der Beruf wegen der Zunahme der Individualkommunikation über Internet und interaktive Medien bald überflüssig werde. Die anderen gehen davon aus, daß die Bedeutung des Journalismus in der Informationsgesellschaft eher noch wachse. Bei allen Veränderungen der Tatigkeitsmerkmale des Journalisten durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien läßt sich feststellen: Die funktionale Rolle des Journalismus im engeren Sinne wird erhalten bleiben. Sie befriedigt ein dauerhaftes Interesse der Menschen, dessen Bedeutung in der Informationsflut noch zunehmen wird: Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und in knapper und rezipientenfreundlicher Form deren Bedürfnis der Kontrolle über ihre Umwelt zu stillen. Neben der Veränderung des Journalismus beobachten wir seit den achtziger und verstärkt in den neunziger Jahren auch die Entstehung völlig neuer Berufe im Medienbereich. Lutz P. Michel und Michael Schenk haben ein »Kataster der audiovisuellen Medienberufe« erstellt, das aus nicht weniger als fünfzig Einzelberufen besteht und die fließenden Übergänge zwischen inhaltlichen, technischen und wirtschaftlichen Funktionen verdeutlicht 87 . Inge Behrens hat die »neuen Berufe in den Neuen Medien« zusammengestellt und beschrieben. Es handelt sich durchweg um Berufe, die »Schnittstellen« zwischen Gestaltung und Technik (ζ. B. Computer-Animations-Design), Business und Technik (ζ. B. Info-Broker) sowie Text und Technik (ζ. B. Online-Redakteur) darstellen 88 . Im Multimedia-Bereich werden - laut einer Analyse von Stellenanzeigen - Bewerber für Berufe gesucht, die es bis dato noch gar nicht gab: »Screen-Designer« oder »Konzeptioner« 89 . Fazit: Das Feld der Medien- und Kommunikationsberufe ist derzeit in einem Wandel, bei dem es ständig zu neuen Verschmelzungen und Differenzierungen kommen kann. Der Journalismus wird sich mit großer Sicherheit auch darin behaupten. Schließlich werden sich die Beschäftigungsverhältnisse ändern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stieg die Zahl der Selbständigen unter den Publizisten von 27 000 im Jahr 1980 auf heute 62 000, wobei die »Selbständigkeit« sich zwischen einer De-factoArbeitslosigkeit und einer lukrativen unternehmerischen Tätigkeit als unabhängiger Produzent bewegen kann.

6.3 Missionare und Bluthunde - Zum Rollenverständnis von Journalisten Das Wachstum der Medienbranche hat zweifellos auch den kommerziellen Druck erhöht. Um ihn in seiner Stärke einschätzen zu können, lohnt ein Blick über die Grenzen. Anfang der neunziger Jahre leiden die deutschen Journalisten im Vergleich mit ihren Kollegen in den USA, Großbritannien, Schweden und Italien noch am wenigsten unter Konkurrenzdruck und Kommerzialisierung. Grundlage dieses Befundes ist ein Index aus mehreren Fragen in einer Erhebung unter Nachrichtenjournalisten. Das subjektive Empfinden einer zunehmenden Kommerzialisierung ist also offensichtlich auch auf die Tatsache zurückzuführen, daß deutsche Journalisten bis in die achtziger Jahre hinein vom Marketing ihres Produkts und Gedanken an das Publikumsinteresse weitgehend befreit waren.

Journalismus und journalistisches Berufsverständnis

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Die Kommerzialisierung wird häufig mit einer Veränderung des Rollenverständnisses der deutschen Journalisten in Verbindung gebracht. Wissenschaftler tragen seit den siebziger Jahren einen Streit darüber aus, ob der deutsche Journalismus ζ. B. im Vergleich mit Briten und Amerikanern - besonders »missionarisch«, auf das Verfolgen subjektiver politischer Wirkungsziele ausgerichtet sei. Erste Ergebnisse über die Berufsmotive (siehe oben) und sodann verschiedene empirische Indikatoren für das Rollenverständnis legten schon in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre nahe, daß die deutschen Redakteure ein außergewöhnliches professionelles Selbstbild hatten. So bewerteten sie ζ. B. im Vergleich mit britischen Redakteuren die Kritikerfunktion höher als die des neutralen Berichterstatters und waren bereit, bei Reportagen ihre subjektive Sicht der Dinge mit einfließen lassen90. Im Vergleich mit amerikanischen und kanadischen Journalisten zeigten sich zentrale Unterschiede beim Gewicht, das deutsche Journalisten auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und politischen Entscheidungen legten". Entsprechend den Idealtypen für das journalistische Berufsverständnis von Morris Janowitz wären die deutschen Journalisten also eher »Advocates« und die angelsächsischen eher »Gatekeeper«92. Beate Schneider, Klaus Schönbach und Dieter Stürzebecher93 konzedieren diese frühen Ergebnisse, sehen aber einen Wandel und eine Angleichung an angelsächsische Verhältnisse. In der Tat legen die der Untersuchung von 1980/81 vergleichbaren Daten von 1992 nahe, daß »der Missionseifer im deutschen Journalismus etwas

Schaubild

100

4: Missionarische Berufsmotive von Journalisten Frage: »Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Aspekte Ihrer Arbeit als Journalist?« »Sich für bestimmte Werte und Ideen einsetzen«

Prozent »sehr/ziemlich wichtig«

80

60

40

20

0 BRD

Italien

Schweden

Quelle: Media and Democracy-Projekt, Donsbach & Patterson.

GB

USA

509

Wolfgang Donsbach

an Boden verloren hat«. Die Motive, »Mißstände aufzudecken und zu kritisieren«, »meine Überzeugungen vielen anderen mitzuteilen« und »politische Entscheidungen zu beeinflussen«, sind zwar auch nach zwölf Jahren noch wichtig, aber relativ zurückgefallen. Beim Rollenverständnis sind statt dessen Service- und Unterhaltungsfunktionen in ihrer Bedeutung gewachsen. Aber auch 1992 hat für die deutschen Journalisten die Kritikerrolle das Primat vor der des neutralen Berichterstatters94. Es ist also eine gewisse »Säkularisierung der Missionare« zu beobachten, die zweifellos primär durch die Veränderung der Medienlandschaft und weniger durch eine interne Veränderung der Berufsnormen zustande kam. Wiederum ist jedoch der Blick über die Grenzen hilfreich, um das Ausmaß der Veränderung einschätzen zu können. Die Nachrichtenjournalisten in fünf Ländern wurden gefragt, wie wichtig es ihnen sei, daß sie sich in ihrem Beruf »für bestimmte Werte und Ideen einsetzen«. In den Ergebnissen tauchen zwei völlig verschiedene Berufskulturen auf: auf der einen Seite die deutschen und die italienischen Journalisten, von denen rund drei Viertel sagen, dies sei ihnen sehr oder ziemlich wichtig, auf der anderen die amerikanischen, schwedischen und britischen Befragten, von denen dies nur zwischen 21 und 45 Prozent äußern (Schaubild 4). Die gleiche Studie zeigt, daß diese Einstellungen nicht nur Ausdruck einer Berufsideologie bzw. -kultur sind, sondern sich auch im beruflichen Verhalten niederschlagen. In keinem anderen der fünf Länder standen die Nachrichtenentscheidungen, die die Befragten trafen, so häufig in einem signifikanten Zusammenhang mit der eigenen Meinung wie bei den deutschen Journalisten95. 6.4 Barschel und die Folgen: Journalistische Ethik in der Diskussion Noch in einer anderen Dimension unterscheiden sich die deutschen Journalisten deutlich von ihren angelsächsischen Kollegen: Sie sind wesentlich weniger bereit, einen »Schlüsselloch-Journalismus« zu betreiben. Das Statement »Journalisten sollten nicht das Privatleben von Inhabern öffentlicher Ämter erforschen« lehnen 89 Prozent der Amerikaner, aber nur 53 Prozent der deutschen Befragten ab. Mit anderen Worten: Tabuzonen werden bei uns sehr viel mehr akzeptiert und ethische Grenzen respektiert, während in den Vereinigten Staaten, etwa seit dem Ende der sechziger Jahre, das Privatleben öffentlicher Personen zu einem der beliebtesten Gegenstände der Berichterstattung wurde. Dennoch sind die achtziger Jahre auch die Zeit der Diskussion über berufsethische Fragen. Der Begriff »Ethik« hatte im Zusammenhang mit Medien und Journalismus lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. Er klang verstaubt, hatte etwas von Zeigefinger-Mentalität, Sonntagspredigten und Weltfremdheit. Anlaß für die Wiederbelebung waren Ereignisse, bei denen sich die Medien ganz offensichtlich nicht auf die Rolle des Berichterstatters beschränkten, sondern selbst zu Akteuren wurden und - nach Ansicht vieler Beobachter - die Grenzen ihrer Berufsethik überschritten. Beispiele für solche Aktionen waren das Eindringen eines »Stern«-Journalisten in Uwe Barscheis Genfer Hotelzimmer im Jahre 1987, die Kumpanei der Medien mit den Geiselnehmern von Gladbeck im Jahr 1988 oder im gleichen Jahr die Tau-

Journalismus und journalistisches

Berufsverständnis

510

schungsmanöver von Boulevardjournalisten, die an Bilder der bei der Grubenkatastrophe von Borken Verschollenen gelangen wollten. Die Diskussionen im Anschluß an diese spektakulären Falle, bei denen sich alle in- und außerhalb des Mediensystems über die Verwerflichkeit solchen Handelns einig waren, ebbten jedoch sehr schnell wieder ab. Leider gibt es keine empirische Untersuchung darüber, ob sie einen nachhaltigen Einfluß auf das Verhalten in vergleichbaren Fallen hatten. Statt dessen zeigt die vergleichende Analyse der Umfragen von 1980/81 und von 1992, daß Journalisten heute eher als früher bereit sind, fragwürdige Recherchemethoden anzuwenden, um an Informationen zu kommen (z.B. geheime Regierungsunterlagen benutzen oder sich undercover in einem Betrieb bewegen). Dabei gibt es einen klaren Alterseffekt: Je jünger, desto unbefangener gehen die Journalisten mit ethischen Prinzipien um. Es zeigt sich auch, daß die Beschwerden, die beim Deutschen Presserat eingehen, in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen haben. Waren es 1986 noch 121, so stieg diese Zahl auf 460 im Jahr 1996. Der Anstieg betraf vor allem zwei Bereiche: die Mißachtung des Wahrheitsgebots und die Verletzung der Persönlichkeitsrechte 96 . Grundsätzlich läßt sich zwischen einer Individual-, einer Professionsund einer Institutionsethik unterscheiden*7. Viele Kritiker setzen bei den Institutionen an und sehen in der gestiegenen Marktaggressivität von Verlagen und privaten Fernsehanstalten das Hauptübel für das ethische Fehlverhalten einzelner Journalisten. Die erwähnten spektakulären Falle verdecken den Blick auf die »Alltagsethik« des Journalismus, d. h. auf die handlungsleitenden Normen bei der täglichen Redaktionsarbeit 98 . Für die Entwicklung von Berufsnormen benötigt man zentrale Werte, denen ein Beruf zu dienen hat. In der Medizin sind dies ζ. B. die Werte Gesundheit und Leben, die Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit und der Privatsphäre des Menschen. Daraus werden Vorgaben etwa an die Verpflichtung zur medizinischen Hilfe und an die Schweigepflicht des Arztes abgeleitet. Gibt es solche zentralen Normen auch für den Journalismus? Aus dem Grundgesetz und den damit verbundenen Einzelgesetzen kann man klar erkennen, daß Pluralismus einen Zentralwert unserer Gesellschaft darstellt. Der Berufsstand, der am meisten zum Pluralismus in einem Gesellschaftssystem beitragen kann, ist der Journalismus. Pluralismus ist, Mehrparteiensystem und Meinungsfreiheit vorausgesetzt, vor allem ein Strukturmerkmal des Kommunikationssystems einer Gesellschaft. Heinrich Oberreuter meint: »Der Respekt vor der Freiheit des Individuums und das Gebot der Toleranz verlangen eine Modalität und ein Verfahren der gesellschaftlichen und politischen Diskussion, die unterschiedlichsten Interessen und Wertvorstellungen Artikulations- und Entfaltungsspielräume gewähren.« 99 Pluralismus als Zentralwert des Kommunikationssystems und damit auch eines journalistischen Ethiksystems zu wählen, hat mindestens zwei Vorteile: Erstens handelt es sich um eine zeitlich unbegrenzte Norm, die alle Medienstrukturen und -techniken überdauern kann. Zweitens ist Pluralismus eine spezifisch journalistische Norm, die damit eine eindeutige Grundlage für eine Professionalisierung des Berufs darstellen kann. Konkret läßt sich daraus ableiten, daß das Mediensystem jedem einzelnen Bürger eine möglichst vielfältige Wirklichkeitsdarstellung bieten sollte, die weitgehend unbeeinflußt von Interessengruppen und subjektiven

511

Wolfgang Donsbach

Vorlieben der Medien und ihrer Macher ist. Um dieses Ziel zu erreichen, lassen sich bestimmte professionelle Verfahren entwickeln. Sie umfassen Recherche- und Darstellungstechniken, redaktionelle Strukturen für eine Qualitätskontrolle sowie die Vermittlung eines Berufsethos und Rollenverständnisses, damit diese Ziele von den Berufsangehörigen auch verinnerlicht werden. Die Diskussion und erst recht die Verinnerlichung solcher ethischer Prinzipien im deutschen Journalismus stehen noch aus.

7. Die neunziger Jahre: Journalismus und Wiedervereinigung Den Fall der Berliner Mauer 1989 und die Wiedervereinigung ein Jahr später kann man im Hinblick auf den Journalismus unter zwei Aspekten betrachten: 1. Wie haben Journalisten inhaltlich die Ereignisse begleitet? 2. Welche Folgen hatten die Ereignisse für die Struktur und die Identität des deutschen Journalismus? Mit dem ersten Punkt setzen sich andere Beiträge in diesem Band auseinander1'*'. Dennoch sind auch in diesem Kontext einige Anmerkungen zu der Beziehung erforderlich, die die Journalisten zur Deutschen Einheit und zur Wiedervereinigung hatten.

7.1 DDR-Berichterstattung:

Versagen des deutschen

Journalismus?

Auf der Suche nach Gründen, warum die deutschen Medien von den Entwicklungen in der DDR überrascht wurden, nannte ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser 1990 unter anderem, daß der »mainstream der öffentlichen Meinung über die DDR einer Fiktion (unterlag)«. Diese Fiktion war jedoch ganz überwiegend das Produkt der Journalisten selbst. Die Berichterstattung verharmloste die wirtschaftlichen und humanitären Zustände in der D D R und betonte gleichzeitig die negativen Seiten im Westen101. Da der westliche Teil für die Bürger in beiden Teilen Deutschlands den Referenzpunkt für die Beurteilung des östlichen Teils darstellte, erschien die D D R insgesamt wesentlich positiver, als sie es tatsächlich war. Unter den Journalisten, die diese Art der Berichterstattung maßgeblich prägten, lassen sich verschiedene Kategorien unterscheiden. Zunächst gab es die »Unwissenden«. Die Pragmatiker unter ihnen waren davon überzeugt, man könne an der Existenz der D D R (wie des ganzen Ostblocks) für die nächsten Jahrzehnte ohnehin nichts ändern, und es müsse daher oberstes Ziel der Politik sein, gut miteinander auszukommen. Die Friedensapostel unter den Unwissenden waren diejenigen, denen die friedliche Koexistenz und »gutnachbarschaftliche Beziehungen« zwischen westlichen und kommunistischen Staaten wichtiger waren als die Verwirklichung von Menschenrechten wie freie Meinungsäußerung, Rechtsstaatlichkeit oder Freizügigkeit. Mit dieser Zielpriorität rationalisierten diese Journalisten eine Berichterstattung, die - gemessen an den üblichen Nachrichtenwerten und an der Berichter-

Journalismus und journalistisches Berufsverständnis

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stattung über andere Länder - den Zuständen in der DDR eine unjournalistische Zurückhaltung und Kritiklosigkeit entgegenbrachte. Von einem anderen Kaliber waren die »Wissenden«, da es ihnen subjektiv tatsächlich darum ging, die Existenz des Systems in der DDR zu erhalten. Auch hier gab es noch einmal zwei Unterkategorien. Die Gutwilligen glaubten an die langfristige Überlegenheit des Sozialismus gegenüber der Marktwirtschaft, waren aber keine Apologeten des real-existierenden Sozialismus in der DDR. Es waren eher unabhängige Linke, wie sie vor allem in den sechziger und siebziger Jahren in Scharen in den Journalismus kamen, in einer Zeit also, in der einerseits das westliche System zunehmend unter Kritik geriet und andererseits die Regierung Brandt-Scheel die Weichen für eine Ausgleichspolitik gegenüber der DDR stellte. Sie standen aus Überzeugung den Argumenten linker Politik aufgeschlossener gegenüber. Gleichzeitig waren sie besonders anfällig für die Betonung von Mißständen im Westen. Die Böswilligen sind die bewußten »Falschmelder« (Borchgrave und Moss)102, die im Dienste der Stasi oder Markus Wolfs als Journalisten im Westen arbeiteten. Bis heute wurden vor allem mit Hilfe der Akten der Gauck-Behörde etliche dieser Falle aufgedeckt, sei es beim »Spiegel«, bei »Bild« und bei (praktisch allen) Landesrundfunkanstalten103.

7.2 Kontinuität und Wandel nach 1989 Die Transformation des ostdeutschen Mediensystems nach der Wende führte für viele Journalisten zum Verlust des Arbeitsplatzes; die meisten konnten jedoch in ihren Positionen bleiben. Böckelmann und Mahle kommen in ihrer Arbeitsmarktanalyse zu dem Schluß, daß drei Jahre nach der Wende die Arbeitslosigkeit unter ostdeutschen Journalisten mit 9,7 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt aller Berufe lag. In 70 Prozent der Falle kam der Verlust des Arbeitsplatzes durch die Schließung eines Betriebes zustande. Zudem waren nur rund die Hälfte dieser Arbeitslosen voll ausgebildete Journalisten. Nur in sehr wenigen Fallen führte die politische Vergangenheit eines Journalisten zu dessen Entlassung104. Im Jahr 1992 waren rund 5 000 Personen, die bereits zu DDR-Zeiten als Journalisten gearbeitet hatten, im Beruf tätig. Sie machten knapp 60 Prozent aller in den neuen Bundesländern arbeitenden Journalisten aus. Diese Relationen gelten auch für die ehemaligen Mitarbeiter des DDR-Rundfunks. Von den knapp 1 400 Journalisten 1989 arbeiteten im Herbst 1992 ca. 70 Prozent als festangestellte oder freie Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunk105. Umgekehrt betrachtet besteht das redaktionelle Potential der ostdeutschen Medien je nach Gattung zu zwischen 50 und 80 Prozent aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Ausbildung und berufliche Sozialisation in der DDR erhalten hatten106. Die personelle Kontinuität erinnert an die Nachkriegsjahre im Westen, wie sie in Kapitel 3 beschrieben wurde. Zum Teil aus vertragsrechtlichen Gründen im Zusammenhang mit Übernahmen aus Treuhandvermögen, zum Teil aus Bedarfsgründen, aber auch aus politischer Rücksichtnahme wurde der Journalismus nach der politischen Wende im wesentlichen von den gleichen Personen betrieben wie davor. Die Auswirkungen dieses Sachverhalts auf die Medieninhalte sind noch nicht hinreichend untersucht107.

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Schneider und ihre Mitautoren fanden ein durchweg stärkeres politisch und idealistisch geprägtes Berufsverständnis der ostdeutschen Journalisten. Dies kommt unter anderem in den Aussagen der Mehrheit zum Ausdruck, sie wolle »Mißstände aufdecken und kritisieren«, »sich für Werte und Ideale einsetzen« und ihre »Überzeugungen vielen anderen mitteilen«. In allen Fallen werden diese »Anziehungspunkte« des Berufs von den ostdeutschen deutlich häufiger als von den westdeutschen Journalisten genannt. Nach Scholl und Weischenberg »beabsichtigen (dagegen) weniger ostdeutsche Journalisten einen aktiven politischen Journalismus als ihre westdeutschen Kollegen«, wenngleich auch diese Autoren im Osten häufiger das Motiv vorfanden, die eigenen Ansichten zu vermitteln und sich zum Anwalt der Benachteiligten zu machen108. Uneinig sind sich beide Studien in den Einstellungen zur ethischen Akzeptanz diverser Recherchemethoden. Die einen finden keine Unterschiede zwischen Ost und West, die anderen ermitteln eine größere Zurückhaltung im Osten.

Anmerkungen 1 Vgl. die Zusammenstellung bei Siegfried Weischenberg, Journalistik, Band 1, Opladen 1992, S. 38 ff. 2 Emil Dovifat, Journalist, in: Bundesanstalt für Arbeit (Hrsg.), Blätter zur Berufskunde, Bd. 1 - 3 (Sondergebiete), Bielefeld 1965. 3 Vgl. Manfred Rühl, Journalismus und Gesellschaft, Mainz 1980, S. 322 f. 4 Vgl. Hermann Boventer, Ethik des Journalismus, Konstanz 1984, S. 17. 5 Vgl. Emil Dusiska (Hrsg.), Wörterbuch der sozialistischen Journalistik, Leipzig 1973, S. 113. 6 Deutscher Journalisten-Verband (Hrsg.), Berufsbild Journalistin - Journalist, Bonn o. J. (1996), S. 5. 7 Jürgen Wilke, Umbrüche im deutschen Journalismus, in: Walter A. Mahle (Hrsg.), Journalisten in Deutschland. Nationale und internationale Vergleiche und Perspektiven, München 1993, S. 137-142. 8 Dieter Paul Baumert, Die Entstehung des deutschen Journalismus, Leipzig 1928. 9 Vgl. Jürgen Wilke, Spion des Publikums, Sittenrichter und Advokat der Menschheit: Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739-1792) und die Entwicklung des Journalismus in Deutschland, in: Publizistik, 38 (1993), S. 322-334. 10 Vgl. Philomen Schönhagen, Unparteilichkeit im Journalismus. Tradition einer Qualitätsnorm, Tübingen 1998. 11 Vgl. W. D. Sloan, Purse and pern: party press relationships 1789-1816, in: American Journalism, 6 (1989), S. 103-127. 12 Michael Schudson, Discovering the News, New York 1978. 13 »Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peacably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances«, beschlossen 1776. 14 Vgl. Sigrun Schmid, Bruch oder Kontinuität? Journalisten in Rheinland-Pfalz in der frühen Nachkriegszeit (1945-1949), Diss. Mainz 1999. 15 Vgl. Arnulf Kutsch, Deutsche Rundfunkjournalisten nach dem Krieg. Redaktionelle Mitarbeiter im Besatzungsrundfunk 1945 bis 1949. Eine explorative Studie, in: Studienkreis Rundfunk und Geschichte, 12 (1986), S. 191-214.

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Dies deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen einer Umfrage unter nordrhein-westfälischen Redakteuren im Jahr 1955 (also zehn Jahre später), nach der 46 Prozent erst nach dem Krieg mit dem Journalismus begannen. Vgl. Walter Hagemann (Hrsg.), Die soziale Lage des deutschen Journalistenstandes, insbesondere ihre Entwicklung seit 1945, Düsseldorf o. J. (1956), sowie Fritz Wirth, Zur sozialen Lage der deutschen Journalisten, in: Publizistik, 1 (1956), S. 165-176. Vgl. A. Kutsch (Anm. 15). Vgl. Walter Haseloff/Hans Hoffmann, Lebenssituation und sozialökonomischer Standard Berliner Journalisten und Schriftsteller. Analyse der Sozialenquete des Presseverbands Berlin 1954, unveröffentlichter Forschungsbericht, Berlin (West) 1954. Vgl. W. Haseloff/H. Hoffmann (Anm. 18), S. 87 ff., dazu auch Konstanze Rohde, Ausbildung und Einkommen im Journalismus von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, in: Hans Mathias Kepplinger (Hrsg.), Angepaßte Außenseiter. Was Journalisten denken und wie sie arbeiten, Freiburg-München 1979, S. 189-209. Vgl. W. Hagemann (Anm. 16). Vgl. Beate Schneider/Klaus Schönbach/Dieter Stürzebecher, Westdeutsche Journalisten im Vergleich: jung, professionell und mit Spaß bei der Arbeit, in: Publizistik, 38 (1993), S. 5-30. Vgl. B. Schneider/K. Schönbach/D. Stürzebecher (Anm. 21), S. 16. Vgl. Wolfgang Donsbach, Legitimationsprobleme des Journalismus, Freiburg-München 1982, S. 136 ff. Vgl. B. Schneider/K. Schönbach/D. Stürzebecher (Anm. 21). Vgl. Kurt Koszyk, Pressepolitik für Deutsche 1945-1949. Geschichte der deutschen Presse, Teil IV, Berlin 1986, S. 51. Harold Hurwitz, Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945-1949, Köln 1972, S. 41. K. Koszyk (Anm. 25), S. 10. Vgl. Frank Esser, Die Kräfte hinter den Schlagzeilen. Englischer und deutscher Journalismus im Vergleich, Freiburg-München 1998, S. 319 ff. Vgl. Wolfgang Donsbach, Redaktionelle Kontrolle im Journalismus: Ein internationaler Vergleich, in: W. A. Mahle (Anm. 7), S. 143-160, S. 149. Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann/Renate Köcher (Hrsg.), Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1993-1997, München 1997, S. 783. Lediglich die Untersuchung Lahnsteins entstand bereits Ende der fünfziger Jahre, vgl. Manfred Lahnstein, Untersuchung über den Mitarbeiterstab einer Tageszeitung, Unveröff. Diplomarbeit, Universität zu Köln 1961. »Unter allen Umständen bleibt aber die journalistische Laufbahn einer der wichtigsten Wege der berufsmäßigen politischen Tätigkeit«; Max Weber, Politik als Beruf, MünchenLeipzig 1919, S. 28. Vgl. Martin Linsky, Impact. How The Press Affects the Federal Policy Making, New York 1986. Vgl. Jörgen Westerstahl/Folke Johansson, News Ideologies as Moulders of Domestic News, in: European Journal of Communication, 1 (1986), S. 133-149. Vgl. BVerfGE 7, S. 208. Vgl. BVerfGE 10, S. 121, BVerfGE 12, S. 260, BVerfGE 20, S. 174. Vgl. BVerfGE 12, S. 260. Diese wurde später in die Straf- bzw. Zivilprozeßordnungen transferiert. Karl Doehring, Pressefreiheit und innere Struktur von Presseunternehmen in westlichen Demokratien, Berlin 1974. Martin Löffler, Der Verfassungsauftrag der Presse, Karlsruhe 1963, S. 4. Martin Löffler, Presserechts-Kommentar, 2 Bände, München 1969, S. 9 f. Vgl. Renate Köcher, Bloodhounds or Missionaries: Role Definitions of German and British Journalists, in: European Journal of Communication, 1 (1986), S. 43 - 64. Die Feder, 5 (1960), S. 92.

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44 Thomas Gruber/Barbara Koller/Manfred Rühl, Berufsziel: Journalist, in: Publizistik, 19/ 20 (1974/75), S. 337-359, S. 344. 45 Vgl. B. Schneider/K. Schönbach/D. Stürzebecher (Anm. 21), S. 20. 46 Vgl. W. Donsbach, Legitimationsprobleme (Anm. 23), S. 121. 47 Hans Mathias Kepplinger, Angepaßte Außenseiter. Ergebnisse und Interpretationen der Kommunikationsforschung, in: ders. (Hrsg.), Angepaßte Außenseiter. Was Journalisten denken und wie sie arbeiten, Freiburg-München 1979, S. 7-28, S. 8 f. 48 Vgl. den Beitrag von Bernd Sösemann in diesem Band. 49 Vgl. Doris M. Köpf u. a., Was aus den 68ern geworden ist, in: Focus Nr. 36/1996, S. 66 ff. 50 Vgl. Kurt Lang u. a., Collective Memory and Political Generations: A Survey of German Journalists, in: Political Communication, 10 (1993), S. 211-229, S. 217. 51 Wolfgang Donsbach, Ausbildungs- und Legitimationsdefizite im Journalismus, in: Rundfunk und Fernsehen, 25 (1977), S. 230-243, S. 230. 51 Vgl. Berufsbild des Journalisten, in: Der Journalist, 4 (1966), S. 1 f. 53 Die »J-Schools« lassen sich in den USA durchaus als »berufsinterne« Institutionen betrachten, da sie die Mehrheit der Berufsangehörigen ausbilden, einen engen Kontakt zu ihnen pflegen und demnach auch von Journalisten als Teil des Berufs angesehen werden. 54 Vgl. ζ. B. Albrecht Hesse, Berufe im Wandel, Stuttgart 1968; Dietrich Rüschemeyer, Professions. Historisch und interkulturell vergleichende Überlegungen, in: Günter Albrecht u. a. (Hrsg.), Soziologie. Rene König zum 65. Geburtstag, Opladen 1973, S. 250-260. 55 Vgl. hierzu Hans Mathias Kepplinger/Inge Vöhl, Professionalisierung des Journalismus?, in: Rundfunk und Fernsehen, 24 (1976), S. 309-343, und ders./Renate Köcher, Professionalization in the Media World?, in: European Journal of Communication, 5 (1990), S. 285-311. 56 Rainer M. Lepsius, Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 16 (1964), S. 75-91. 57 Vgl. Jack M. McLeod/Searle E. Hawley, Professionalization Among Newsmen, in: Journalism Quarterly, 41 (1964), S. 529-539. 58 Zusammenfassung der Ergebnisse: Wolfgang Donsbach, Legitimacy Through Competence Rather Than Value Judgments. The Concept of Professionalization Reconsidered, in: Gazette, 27 (1981), S. 47 - 67. 59 Vgl. Günter Kieslich, Der journalistische Nachwuchs in der BRD, Salzburg 1971. 60 Rudolf Oebsger-Roeder, Untersuchungen über den Bildungsstand der deutschen Journalisten, Phil. Diss Leipzig 1936, S. 78. 61 Elisabeth Noelle-Neumann, Umfragen zur Inneren Pressefreiheit, Düsseldorf 1977; vgl. zu den gleichen Zahlen auch K. Rohde (Anm. 19). 62 Vgl. W. Donsbach (Anm. 58). 63 Vgl. Wolfgang Donsbach/Birgit Emnet/Angelika Ohliger, Studienabbruch: Schicksalsschlag oder Karriereeinstieg? Zwei Umfragen unter ehemaligen Studenten der Fächer Publizistik und Germanistik an der Universität Mainz, in: Publizistik, 25 (1980), S. 555-578. 64 Vgl. Wolfgang Donsbach, Kommunikationswissenschaftler ante portas. Journalisten-Einstellungen zur Journalistenausbildung, in: Η. M. Kepplinger (Anm. 47), S. 210-222, S. 211. 65 Ζ. B. die Spiegel-Affäre oder der Sturz Filbingers. Zu Skandalen in und außerhalb der Medien vgl. Rüdiger Liedtke, Die neue Skandal-Chronik. 40 Jahre Affären und Skandale in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. 1989, und Hans Mathias Kepplinger, Skandale und Politikverdrossenheit - ein Langzeitvergleich, in: Otfried Jarren/Heribert Schatz/Hartmut Weßler (Hrsg.), Medien und politischer Prozeß. Politische Öffentlichkeit und massenmediale Politikvermittlung im Wandel, Opladen 1996, S. 41 -58. 66 Vgl. Peter Glotz/Wolfgang R. Langenbucher, Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse, Köln-Berlin 1969. 67 Friedrich Kübler, Kommunikation und Verantwortung, Konstanz 1973, S. 8. 68 Vgl. Kurt Koszyk, Professionalisierung durch Wissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Β 24/74, S. 27 -37.

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Vgl. Siegfried Weischenberg, »Das Prinzip Echternach«. Zur Einführung in das Thema »Journalismus und Kompetenz«, in: ders. (Hrsg.), Journalismus und Kompetenz. Qualifizierung und Rekrutierung für Medienberufe, Opladen 1990, S. 11-41, S. 24. Vgl. W. Donsbach (Anm. 64), S. 212. Vgl. ο. V., Journalisten an die Hochschule, in: Der Journalist, 6 (1973), S. 42, und ο. V., Journalistenausbildung an Gesamthochschulen, in: Die Feder, 2 (1974), S. 6. Vgl. Siegfried Weischenberg, Journalistik, Band 2, Opladen 1995, S. 519. Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung über die Lage der Medien in der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 216. Vgl. ebd. Vgl. Medienspiegel 22, Nr. 20 vom 11. Mai 1998, S. 3. Vgl. Günter Bentele/Peter Szyszka (Hrsg.), PR-Ausbildung in Deutschland, Opladen 1995. Vgl. den Beitrag von Michael Kunczik in diesem Band. Vgl. Wolfgang Donsbach, Einleitung. Legitimität und Effizienz von PR, in: ders. (Hrsg.), Public Relations in Theorie und Praxis. Grundlagen und Arbeitsweisen der Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Funktionen, München 1997, S. 7 - 2 0 . Vgl. unter anderem Franz Ronneberger, Legitimation durch Information. Ein kommunikationstheoretischer Ansatz zur Theorie der PR, in: Johanna Dorer/Klaus Lojka (Hrsg.), Öffentlichkeitsarbeit. Theoretische Ansätze, empirische Befunde und Berufspraxis der Public Relations, Wien 1996, S. 8-19; zum »Jedermannsrecht« auch Wolfgang R. Langenbucher, Kommunikation als Beruf. Ansätze und Konsequenzen kommunikationswissenschaftlicher Berufsforschung, in: Publizistik, 19/20 (1974/75), S. 256 -277. Vgl. Barbara Baerns, Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einfluß im Mediensystem, Köln 1985. Vgl. Hans Mathias Kepplinger, Voluntaristische Grundlagen der Politikberichterstattung, in: Frank E. Böckelmann (Hrsg.), Medienmacht und Politik, Berlin 1989, S. 59-83; Hans Mathias Kepplinger, Instrumentelle Aktualisierung. Grundlagen einer Theorie publizistischer Konflikte, in: Max Kaase/Winfried Schulz (Hrsg), Massenkommunikation. Theorien, Methoden, Befunde, Sonderheft 30 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 1989, S. 199-220. Vgl. Henrike Barth/Wolfgang Donsbach, Aktivität und Passivität von Journalisten gegenüber Public Relations, in: Publizistik, 37 (1992), S. 151-165; Wolfgang Donsbach/ Dietmar Gattwinkel, Öl ins Feuer. Die publizistische Inszenierung des Skandals um die Rolle der Ölkonzerne in Nigeria, Dresden 1998. Vgl. ζ. B. Siegfried Weischenberg, Journalismus in der Computergesellschaft. Informatisierung, Medientechnik und die Rolle der Berufskommunikatoren, München-New York 1982. Vgl. Freedom Forum, Covering the Presidential Primaries. The Media and Campaign '92 (Serie des Freedom Forum Media Studies Center), New York 1992. Vgl. Lutz P. Michel/Michael Schenk, Audiovisuelle Medienberufe. Veränderungen in der Medienwirtschaft und ihre Auswirkungen auf den Qualifikationsbedarf und die Qualifikationsprofile, Opladen 1994. Vgl. S. Weischenberg (Anm. 72), S. 34. Vgl. L. Michel/M. Schenk (Anm. 85), S. 264 ff. Vgl. Inge Behrens, Neue Berufe in den Neuen Medien, Düsseldorf 1996. Vgl. Michel Medienforschung (Hrsg.), Studie Qualifikationsanforderungen in der professionellen Multimedia-Produktion, Köln 1996. Vgl. R. Köcher (Anm. 42); W. Donsbach (Anm. 23), S. 180. Vgl. W. Donsbach (Anm. 23), S. 140. Vgl. Morris Janowitz, Professional Models in Journalism: The Gatekeeper and the Advocate, in: Journalism Quarterly, 52 (1975), S. 618-626, S. 662. Vgl. B. Schneider/K. Schönbach/D. Stürzebecher (Anm. 21). Vgl. B. Schneider/K. Schönbach/D. Stürzebecher (Anm. 21), S. 19ff.

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Vgl. Wolfgang Donsbach, Journalismus versus journalism - ein Vergleich zum Verhältnis von Medien und Politik in Deutschland und in den USA, in: ders. u. a., Beziehungsspiele - Medien und Politik in der öffentlichen Diskussion, Gütersloh 1993, S. 283-315, S. 303. Vgl. Deutscher Presserat (Hrsg.), Jahrbücher, Bonn 1986 ff. Vgl. S. Weischenberg (Anm. 1), S. 211 ff.; Manfred Rühl/Ulrich Saxer, 25 Jahre Deutscher Presserat. Ein Anlaß für eine Überlegung zu einer kommunikationswissenschaftlichen Ethik des Journalismus und der Massenkommunikation, in: Publizistik, 26 (1981), S. 471-507. Wolfgang Donsbach, Medien-Ethik aus der Sicht der empirischen Journalismusforschung, in: Wilfried von Bredow (Hrsg.), Medien und Gesellschaft, Stuttgart 1990, S. 155-174. Heinrich Oberreuter, Ethik der Massenkommunikation, in: Hans Maier (Hrsg.), Ethik der Kommunikation, Fribourg 1985, S. 73 -78, S. 75. Siehe die Beiträge von Beate Schneider und Hans Mathias Kepplinger in diesem Band. Vgl. Karl Hahn, Die wundersame Wende des Theo S., in: Transparenz der Medien, Nr. 9/ 1992, S. 5. Theo Sommer schrieb ζ. B. am 20. Juni 1986 in der »Zeit«über die DDR: »Die Zaghaftigkeit hat einer selbstbewußten Gelassenheit Platz gemacht... Das Land wirkt bunter, seine Menschen sind fröhlicher geworden«. Arnaud de Borchgrave/Robert Moss, Die Falschmelder, Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1982. Vgl. Wilhelm Schlomann, Die Maulwürfe. Die Stasi-Helfer im Westen sind immer noch unter uns, Berlin 1994; Günter Bohnsack/Herbert Brehmer, Auftrag: Irreführung. Wie die Stasi Politik im Westen machte, Hamburg 1992. Vgl. Frank Böckelmann/Walter A. Mahle, Arbeitslosigkeit und Berufswechsel. Ergebnisse der Sozialenquete über die Journalisten in den neuen Ländern der Bundesrepublik Deutschland II, in: W. A. Mahle (Anm. 7), S. 57-69, S. 58 ff.; zur Rolle des MfS im DDR-Journalismus vgl. Ulrich Kluge/Steffen Birkefeld/Silvia Müller, Willfähige Propagandisten. MfS und SED-Bezirksparteizeitungen, Stuttgart 1997. Vgl. F. Böckelmann/W. A. Mahle (Anm. 104), S. 66 f. Vgl. Beate Schneider/Klaus Schönbach, Journalisten in den neuen Bundesländern: Zur Struktur und zur sozialen Lage des Berufsstandes, in: W. A. Mahle (Anm. 7), S. 35-56, S. 52. Vgl. Helmut Scherer u. a., Die Darstellung von Politik in ost- und westdeutschen Tageszeitungen. Ein inhaltsanalytischer Vergleich, in: Publizistik, 42 (1997), S. 413 - 438. Vgl. Beate Schneider/Klaus Schönbach/Dieter Stürzebecher, Journalisten im vereinigten Deutschland. Strukturen, Arbeitsweisen und Einstellungen im Ost-West-Vergleich, in: Publizistik, 38 (1993), S. 353-382, S. 366ff.; Armin Scholl/Siegfried Weischenberg, Journalismus in der Gesellschaft. Theorie, Methodologie, Empirie, Opladen 1998, S. 238.

SIEGFRIED J. SCHMIDT

Werbung

1. Werbung und Medienkultur 1.1 Werbung nach dem Zweiten Weltkrieg: Eine

Erfolgsgeschichte

Werbung1, und zwar in ihrer gesamten Angebotspalette - von Printmedien bis zum Internet - gehört unstreitig zu den spektakulärsten Wachstumsbranchen der Wirtschaft der Bundesrepublik seit den späten vierziger Jahren. In der Werbebranche sind heute nahezu eine halbe Million Menschen tätig. Werbung setzt hierzulande heute jährlich mehr als 50 Milliarden DM um. Die Massenmedien hängen in ihrer Existenz längst am Tropf der Werbeeinnahmen - mit allen Folgen dieser Abhängigkeit für Programmgestaltung, Zeitraster und ästhetische Stilisierung der jeweiligen Medienangebote. Sport und Kultur sind ohne Werbesponsoring nicht mehr lebensfähig. Weder Kulturkritiker und Kulturpolitiker noch antikapitalistische politische Systeme haben den globalen Siegeszug der Werbung aufhalten können, der nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatenwelt keine Grenzen mehr zu kennen scheint. Aber die Werbung ist nicht nur zum entscheidenden Finanzier der Massenmedien und ihrer Institutionen geworden. Ihr scheinbar unerschöpfliches Reservoir an Bildern, Sprüchen, Erzählungen und Inszenierungen prägt - über die Mediensozialisation, über den Mediennutzungsalltag jedes einzelnen und über Zustimmung, Kritik oder Abscheu - die Imagination, die Emotionen und Werteorientierungen der Mediennutzer: Sie geht sozusagen als semiotisches Rohmaterial in private wie öffentliche Kommunikationen ein: Nicht immer, aber immer öfter. Nichts ist unmöglich. Was sind die Gründe für diesen Erfolg der Werbung nach dem Zweiten Weltkrieg? Welche Charakteristika befähigen die Werbung, ihre Ziele offensichtlich sehr effizient zu erreichen? 1.2 Werbung als Indikator gesellschaftlichen

Wandels

Heute besteht in der Werbeforschung, die sich zu einem respektablen Wissenschaftszweig entwickelt hat, keine Kontroverse mehr darüber, daß Werbung ein nicht mehr wegzudenkender Faktor unserer Medienkultur2 geworden ist. Werbung wandelt die für ihre ökonomischen Absichten bedeutenden Dimensionen des Zeitgeistes in massenhaft verbreitbare Medienangebote und wird deshalb als Resonanz-

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körper oder sensibler Indikator des soziokulturellen Wandels im Lebens- und Weltgefühl der Menschen bezeichnet - und das mit guten Gründen; denn Werbung orientiert sich an der Leistung, folgenreiche Aufmerksamkeit bei gewünschten Zielgruppen für eine spezifische Botschaft zu erzielen, um den Kapitaleinsatz des Auftraggebers zum Erfolg zu führen. Erfolg kann sie aber nur dann erzielen, wenn sie die gesellschaftlichen Prozesse in ihrem Wirkungsbereich genauestens beobachtet. Werbung muß also zeitgeistorientiert sein, will sie nicht nur das knappe Gut Aufmerksamkeit schaffen, sondern auch Akzeptanz und Handlungsbereitschaft für ihre Botschaften erzielen. Werbung agiert notgedrungen unruhig, ja hektisch unter dem Druck rascher Erfolgserwartung: Time is money. Auch darum ist sie gezwungen, sich möglichst eng mit soziokulturellem Wandel zu synchronisieren. Werbung muß tagesaktuell sein. Deshalb müssen alle sozialen Phänomene, die für wichtig erachtet werden, ständig auf verwertbare Kommunikationsthemen und -formen hin abgehorcht werden. Werbung operiert parasitär in dem Sinne, daß sie - kreativ - kreative Leistungen in sozialen Umgebungen auftragsgemäß funktionalisiert, handele es sich nun um Wirtschaftsgüter, politische Botschaften oder ökologische Appelle. Werbung blendet (in der Regel) alles Negative aus und ist bedingungslos parteilich für ihr Produkt oder ihre Botschaft. Um ihre Ziele zu erreichen, muß sie einen von den Zielgruppen als positiv und wünschenswert empfundenen und bewerteten Zusammenhang herstellen zwischen Waren, Leistungen, Personen und Botschaften einerseits und den Erwartungen, Bedürfnissen, Lebensgefühlen und Mentalitäten der Zielgruppe(n) andererseits. Dabei liegt der Interessenschwerpunkt der Werbung auf den Bereichen Warenkonsum, Dienstleistungen, Geschmackskultur sowie Lebensstilgestaltung und konzentriert sich auf bereits erkennbar ausgeprägte Mentalitäten von Zielgruppen. Die Erfolgsgeschichte der Werbung in der Bundesrepublik Deutschland läßt sich auf die Formel bringen: von der Propaganda zur Kommerzialisierung der Kommunikation. Als bewährtes Zeitraster für deren Darstellung dienen jeweils Dekaden, ohne daß damit eine trennscharfe Kopplung der Dekade an eine genau bestimmbare und zeitlich abgrenzbare Mentalität bzw. bestimmte Entwicklungsphasen impliziert würde. Mit Rücksicht auf die hier gebotene Kürze konzentriert sich der Beitrag im folgenden auf Daten, Fakten und Trends der Entwicklung der Werbung in der Bundesrepublik seit 1949. Den Versuch, eine Geschichte der Werbung als Indikator sozialen Wandels im Übergang von der Moderne zur Postmoderne zu schreiben, habe ich an anderer Stelle vorgelegt3.

2. Die Werbung der fünfziger Jahre: Der Beginn einer großen Karriere 2.1 Deutschland wird (wieder)

Werbeland

Wirtschaftswerbung begann in der Bundesrepublik erst wieder nach der Währungsreform 1948. Da anfangs angesichts der Mangelsituation ein Konkurrenzkampf der

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Marken fehlte, konzentrierte sich die dominierende Printwerbung einschließlich der Plakatwerbung auf die Annoncierung der Wiederverfügbarkeit von Produkten, noch dazu »in Friedensqualität« (»Fewa. Da bin ich wieder!«, »Es gibt wieder Sunlicht Seife«) bzw. auf das Wiederanknüpfen an Traditionen, die die Zeit des Nationalsozialismus sozusagen als Intermezzo hinter sich ließen (»MM Sekt bereits seit 135 Jahren«). Eine besondere Rolle spielte die ab 1950 aufkommende Außenwerbung, und zwar sowohl in Form der Großflächenwerbung als auch in Gestalt der Verkehrsmittelwerbung. 1954 war mit 49 000 Anschlagstellen in der Bundesrepublik der Vorkriegsstand der Großflächenwerbung überschritten, wobei Litfaßsäulen und Plakattafeln dominierten. Der Anteil der Verkehrsmittelwerbung (Rumpfflächenwerbung, Dachschilder, Seitenscheibenwerbung und Plattformschilder) betrug Mitte der fünfziger Jahre etwa ein Viertel der Außenwerbung. In Deutschland gab es nach 1945 - von wenigen Ausnahmen abgesehen - noch keine Full-Service-Agenturen, sondern vorwiegend Werbeberater oder Werbeleiter in Unternehmen, die sich für alles zuständig fühlten. Internationale Agenturen, allen voran die großen amerikanischen, waren bereits ab 1949 vertreten (so Young & Rubicam, Lintas, J. W. Thompson, McCann). Die Geschäftsführung wie Kreation dieser Agenturen lag fast ausschließlich in der Hand von Amerikanern und Engländern. Auch die Fernsehwerbung der späten fünfziger Jahre in der Bundesrepublik orientierte sich in erster Linie an amerikanischen Vorbildern, obschon die Situation sehr unterschiedlich war: In den USA wurden zu dieser Zeit bereits ca. 10 000 Produkte im Fernsehen beworben (gegenüber ca. 1 500 in der Bundesrepublik), und die US-Firmen investierten dreimal soviel Geld in die Werbung wie deutsche Anbieter. 2.2 Die Gründungsphase der Fernsehwerbung Am 3. November 1956 begann der Bayerische Rundfunk als erster Sender in der Bundesrepublik mit der Ausstrahlung von Werbespots. Innerhalb der Sendung »Zwischen halb und acht«, die als Werberahmenprogramm diente, wurden täglich durchschnittlich ca. sechs Minuten lang Werbespots gezeigt. Die Dauer des Gesamtprogramms betrug zum selben Zeitpunkt täglich vier Stunden. Am 18. Oktober 1957 wurde die Studiengesellschaft für Funk- und Fernsehwerbung in Frankfurt am Main mit dem Ziel gegründet, ein kommerziell organisiertes Werbefernsehen vorzubereiten. Mitglieder dieser Gesellschaft waren der Markenartikelverband, der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT), der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Gesellschaft Werbeagenturen (GWA) sowie die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (BdZV, VDZ). 1958 begann der Sender Freies Berlin (SFB) mit Werbesendungen, danach folgten die übrigen Sendeanstalten. Der Nachfrageüberhang betrug 1959/60 bei den Sendern bereits ca. 30 Prozent. 1961 wurde die Sendezeit für Werbung auf 14 Minuten täglich erhöht, ab 1962 gab es täglich 20 Minuten Werbefernsehen. Seit dem 2. April 1963 konkurrierten die regionalen Werbefernsehgesellschaften der ARD mit dem überregionalen ZDF als Anbieter von Sendezeit im Werbefernsehprogramm,

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denn von 7,2 Millionen Fernsehgeräten konnten immerhin ca. 3,2 Millionen das Z D F empfangen. Die Einführung des Werbefernsehens in den Anstalten der A R D erfolgte, um einem von der Wirtschaft finanzierten zweiten Programm zuvorzukommen. Von Beginn an löste das Werbefernsehen erregte Diskussionen aus, viele davon mit kulturkritischen und ideologischen Untertönen. Auffällig ist, daß sich die Kritik an der Werbung im Fernsehen nicht auf einzelne Werbesendungen konzentrierte, sondern durchweg mit Generalisierungen arbeitete: Angeprangert wurde ganz allgemein »die Ätherpest«. In den verschiedenen Fernsehzeitschriften der fünfziger Jahre fehlt fast völlig eine kritische Auseinandersetzung mit Inhalten und mit der Machart von Werbespots. Auffällig früh (ab 1957) wurden auch schon unerlaubte Praktiken der Sender kritisiert, angefangen von Schleichwerbung (durch Product Placement) und ständigem Überziehen der Werbezeit bis hin zur Aufhebung der klaren Trennung zwischen Programm und Werbung.

2.3 Stilistische Werbetrends

der fünfziger

Jahre

Der Kinowerbefilm in der Bundesrepublik der fünfziger Jahre war stilistisch noch stark geprägt von dem seinerzeit bekanntesten Zeichner und Filmproduzenten Fischerkösen. Die Werbetexte bevorzugten gereimte Versformen. Aus der amerikanischen Werbung wurden Comic-Elemente übernommen. Künstlerisch bemerkenswert waren in der Printwerbung - wie auch in der Architektur - deutliche Rückgriffe auf die Bauhaus-Ästhetik bzw. die Kooperation mit der Ulmer Hochschule für Gestaltung (Braun-Produkte). Daneben fanden sich Anleihen bei der Antike, die Verwendung zeitgenössischen Formenvokabulars der abstrakten Kunst oder getreue Adaptationen eines bestimmten Stils, etwa des Surrealismus. Eine besondere Rolle spielte die Nierenform, die als schwunghaftes grafisches Design die Werbung von 1952 bis 1955 dominierte. Sie wurde dann allmählich zur eleganten Kurve modifiziert, die etwa in der Autowerbung (DKW) dem technischen Ideal der »Schönheit aus dem Windkanal« zu entsprechen versuchte. Ab der Mitte der fünfziger Jahre erlaubte der technische Fortschritt farbige Illustrationen sowie die Verwendung von Fotos statt gemalter Bilder in der Illustriertenwerbung. Ab 1954 boomte das lange Werbegedicht, das nach Ansicht der Werber sowohl für Gemütlichkeit und Bewährtes als auch für eine gute Verpakkung alles Neuen und Modernen stand. Ende des Jahrzehnts kehrte die Printwerbung wieder geschlossen zur Prosa zurück. Besonders auffällig ist der deutliche Wandel der Werbestrategien in der Printwerbung der fünfziger Jahre. In den ersten Jahren priesen die Anzeigen ihre Produkte als hübsch, handlich, praktisch, leicht zu bedienen, unverwüstlich und vielseitig verwendbar an. Die Autowerbung setzte auf technische Informationen und betonte die Eleganz, wobei romantische Naturimpression und sachliche Autotechnik in der Präsentation der Kampagnen nebeneinanderstanden. Auch andere Produkte warben verstärkt mit der Expertise von Fachleuten (etwa Ärzten) oder pauschal mit »der Wissenschaft« bzw. wissenschaftlich klingenden Fachausdrücken, um dem Kunden quasi auf rational und empirisch abgesicherter Basis die Kaufentscheidung zu er-

Werbung

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leichtern. Daneben setzten Reinigungsmittel oder Kosmetika (als Vorreiter die Seife LUX) schon ab 1953 auf Sympathieträger: erst amerikanische, dann deutsche Schauspieler und Schauspielerinnen. In dieser Werbestrategie deutete sich schon eine folgenreiche Entwicklung an, die man als Übergang von der Produktinformation zur Imagepflege bezeichnen kann. Dies läßt sich etwa anhand der Werbung für Reinigungsmittel zeigen. Das Beispiel machte Schule: Ab Mitte der fünfziger Jahre versuchten viele Werber, nicht einfach nur Produkte zu bewerben, sondern - nach amerikanischem Vorbild - den Marken ein Image zu verschaffen 4 . Wie die Werbung der fünfziger Jahre insgesamt, spiegelte auch die Fernsehwerbung zunächst die Faszination des »ersten Mals« wider (vgl. die sogenannte Freß-, Konsum- und Reisewelle). Die Orientierung an amerikanischen Vorbildern, geprägt durch Sentimentalität und Sehnsucht nach einer heilen Welt, paßte dabei ideal zur Tendenz der Vergangenheitsverdrängung in der deutschen Nachkriegsbevölkerung. Werbesprecher redeten wie Märchenonkel, Produkte sangen und tanzten mit lachenden Gesichtern und gestikulierenden Ärmchen und Beinchen (z.B. AralSpots). Werbespots arrangierten kleine Geschichten um das Produkt herum (ζ. B. Persil) oder betteten das Produkt in Pseudo-Spielfilmhandlungen ein, wobei u. a. der deutsche Heimatfilm zahlreiche Erzählmuster lieferte. Prominente, Schauspieler und Schauspielerinnen agierten als Sympathieträger. Wie in der Printwerbung dominierte Gereimtes und Gedichtetes. Die Masse der Werbespots zeichnete sich durch treudeutsche Biederkeit sowie oft durch Pseudowissenschaftlichkeit aus (ζ. B. Aral, Persil). 1959 läßt sich in der Werbung eine Trendwende beobachten, und zwar hin zu Emotion und Lifestyle - insbesondere in der Printwerbung Die Fernsehwerbung vollzog erst Mitte der sechziger Jahre das amerikanische Muster nach. Das Leben wurde nur von seinen positivsten Seiten gezeigt (Martini, Marlboro, Coca Cola). Besonderer Genuß markierte hohe soziale Distinktion (Simon Arzt). Auffällig war die wichtige Rolle, die die »Oben-Unten-Abgrenzung« sozialer Schichten spielte. Mit dieser Trendwende antwortete die Werbung auf die allgemeine ökonomische Entwicklung. Das Einkommen der Haushalte in der Bundesrepublik stieg allein in den fünfziger Jahren doppelt so rasch wie in den 150 Jahren davor. Viele Menschen waren inzwischen in der Lage, sich einen gewissen Luxus zu leisten - Ende des Jahrzehnts setzte die sogenannte Edelfreßwelle ein - »mit Stil« zu leben, zu reisen und sich kosmetisch zu pflegen. Im bundesdeutschen Wirtschaftswunder war der Mangel an Konsum- und Verbrauchsgütern so rasch behoben, daß schon bald Bedürfnisse künstlich geschaffen werden mußten; die Industrie produzierte längst mehr und anderes, als für den Lebensunterhalt gebraucht wurde. In diesem Prozeß spielte die Werbung eine wichtige Rolle bei der Propagierung einer materiellen Konsumhaltung in der westdeutschen Bevölkerung. Entsprechend mußte Werbung sich von Reklame zu Kommunikationsangeboten wandeln, die in den Dienst von Auftraggebern jeder Art gestellt werden konnten. Ökologie war damals - trotz einiger Ölpest-Fälle - noch kein Thema. Die Gesundheitsschädigungen durch Alkohol, Nikotin und Abgase waren entweder noch unbekannt, oder sie wurden durch rauchende und trinkende Chefärzte und Promi-

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nente bagatellisiert. Das Unternehmen BV (Aral) feierte sein Benzin gar als »reine Natur«. Die wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Bedeutung der Werbung stieg in den fünfziger Jahren deutlich an. Schon ab 1950 wurden neue Werbeformen entdeckt: Schönheitswettbewerbe und Miß-Wahlen, von den US-Werbemanagern nach Deutschland importiert, dienten zugleich als Werbeveranstaltungen. Die Marke Coca Cola, die bereits 1950 weltweit mit großem Aufwand zu werben begonnen hatte, setzte im Lauf der fünfziger Jahre gezielt auf ein junges Publikum und erfand damit die zielgruppenspezifische Werbung. Ab 1956 setzte - nach amerikanischem Vorbild - ein völlig neuer Trend zur Verwissenschaftlichung der Arbeit der Werbetreibenden durch Marktforschung ein. Die Motive der Konsumenten wie die Wirkungsweisen von Werbekampagnen wurden nun systematisch erforscht. Die Fernsehwerbung der fünfziger Jahre hatte anfangs große Schwierigkeiten, eine eigene Sprache zu finden. Kinofilm und Printwerbung beeinflußten nachhaltig Formen und Strategien der Fernsehwerbung, die zunächst einmal alle verfügbaren Techniken (wie z.B. Realfilm, Sach- und Zeichentrickfilm) ausprobierte und miteinander kombinierte. Beworben wurden im Fernsehen in erster Linie Massengüter, vor allem Auto und Benzin, Haushalt und Küche (hier besonders Wasch- und Reinigungsmittel), Möbel, Lebens- und Genußmittel einschließlich Alkohol und Zigaretten, Kosmetik, Kleidung, Arzneimittel und sonstige Gebrauchsgegenstände. 2.4 Die Werbebotschaften

der fünfziger

Jahre

In den Werbebotschaften der fünfziger Jahre dominierte eindeutig das Normen- und Wertesystem der Adenauerära. Politik, soziale Probleme sowie die durchaus schon erkennbaren Schattenseiten der primär auf ökonomische Erfolge abgestellten Modernisierung der Gesellschaft nach US-amerikanischem Vorbild wurden konsequent ausgeblendet. In der heiteren Werbewelt gab es immer mehr und immer neue Produkte, die Glück und Sozialprestige verhießen. Dabei waren die Präsentationsformen der Fernsehspots genau abgestimmt auf die Erwartungen und Kapazitäten der an der Printanzeige und am Kinowerbefilm geschulten Konsumenten, die den Aussagen der Werbung in erstaunlichem Maße glaubten5. Eine besonders auffällige Funktion übernahm die Werbung auf dem Gebiet der Propagierung von Rollenbildern der Geschlechter. Während die Frauen in der Kriegs- und Nachkriegszeit an Selbstbewußtsein und gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen hatten, predigte die Werbung der fünfziger Jahre wieder das traditionelle Frauenbild zwischen Heim, Herd und Bett. Schöne und kultivierte junge Frauen dienten als Dekorations- und emotionale Assoziationselemente, die ihre Rolle für die Harmonisierung des Haushaltes für Mann und Kinder im tatsächlichen und übertragenen Sinne zu spielen hatten. Beruf und Bildung störten da nur. Die Bewohner der Werbewelten stimmten mit den »realen« Bundesbürgern in ihren Zielsetzungen in einem bemerkenswerten Maß überein: Es ging allein um Wachstum und Fortschritt, persönliche und soziale Sicherheit, Arbeit und Leistung, persönliche Freiheit und Mobilität sowie um politischen und sozialen Frieden. Die

Werbung

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»große Koalition« von Frieden, Demokratie und Wohlstand, so Harry Pross, wurde zur objektiven Voraussetzung für die Karriere des Eigengenusses der Bundesdeutschen.

3. Die Ausdifferenzierung der Werbung in den sechziger Jahren 3.1

Tendenzen

Nach schwierigem Beginn in den fünfziger Jahren etablierte sich die Fernsehwerbung in harter Konkurrenz mit den anderen Werbemedien in den sechziger Jahren auf zunehmend hohem finanziellen Niveau (Anhangtabelle 13). Die Fernsehwerbezeiten stiegen ab Mitte der sechziger Jahre deutlich und pendelten sich bei täglich ca. 20 Minuten ein (1965 sendeten das ZDF 93 Stunden, die Regionalprogramme 649 Stunden Werbung pro Jahr). Die Sonn- und Feiertage mußten allerdings werbefrei bleiben. ARD und ZDF konstatierten schon 1966 einen Engpaß an Sendekapazität für Werbespots. Werbeagenturen nach amerikanischem Muster wurden gegründet, und weitere große ausländische Agenturen wie Erickson, Ogilvy & Mather oder Doyle Dane Bernbach (DDB in Düsseldorf) errichteten Filialen in der Bundesrepublik. Amerikanische Vorbilder dominierten, ein spezifisch deutscher Werbestil war in der TVWerbung der sechziger Jahre noch nicht zu erkennen, zumal es weiterhin an deutschen Werbefachleuten mangelte. Die deutsche Werbewirtschaft organisierte sich und versuchte, mehr auf die Qualität ihrer Medienangebote zu achten, etwa durch die 1964 erfolgte Gründung des Art Directors Club (ADC Deutschland). Im ADC schlossen sich die führenden Art Directors, Texter, Fotografen, Filmemacher usw. aus der Werbung und aus Zeitschriftenverlagen zusammen, um das kreative Niveau der deutschen Presse und der Werbung zu heben. Zu diesem Zweck veranstaltete der ADC jährlich einen Wettbewerb, bei dem die besten Anzeigen, Plakate, TV-Spots, Werbefilme und Zeitschriftenbeiträge des vergangenen Jahres prämiert wurden. Der Konkurrenzkampf in der vorwiegend von amerikanischen Agenturen beherrschten Werbebranche wurde in den sechziger Jahren spürbar härter. Marktund Produktforschung boomten ab der Mitte des Jahrzehnts. Marketing, Marketingsysteme und abgesicherte Copy-Strategien begannen, die Entwicklung von Werbung zu bestimmen. Entgegen der Befürchtung, einige große Full-ServiceAgenturen könnten im Rahmen der Fusionswelle bei den Agenturen den Markt ganz übernehmen, entwickelten sich im Schatten der Großen kleine Agenturen (sogenannte »Hot Shops«), die durch Spezialwissen, eine neue Agenturphilosophie (special teams statt hierarchischer Strukturen) und durch die Konzentration auf bestimmte Warensegmente (wie Investitionsgüter, Pharmaka oder Einzelhandel) Marktanteile eroberten. Einfallsreiche Agenturen wie DDB oder Young & Rubicam bewirkten durch ihre Arbeiten, daß Werbung in der Bundesrepublik interessanter und professioneller wurde. Die Mitarbeiter gerade dieser Agenturen (darunter so originelle Werber

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wie U. Ortstein, M. Schirner, W. Lürzer oder Β. Oyne) kombinierten Humor, Witz und Intelligenz, verblüffende Bilder und journalistisch gut aufbereitete Informationen zum Produkt miteinander, was vor allem eine neue Einstellung zum Konsumenten erkennen ließ. In den sechziger Jahren griff die amerikanische Praxis wissenschaftlicher Agenturberatung, wie ζ. B. professioneller Marktforschung, auch auf die Werbung hierzulande über. Allmählich lernten auch die deutschen Werbefachleute - oft direkt in den U S A - das Handwerk der TV-Werbung. Allerdings bevorzugten deutsche Werber immer noch die Printwerbung, nicht nur, weil sie damit vertrauter waren, sondern auch, weil Printwerbung finanziell nicht so risikoreich war wie Fernsehwerbung. Als wegweisend für die sechziger Jahre galt die von Fred Bühler in einer kleinen Agentur entwickelte deutschsprachige Peter-Stuyvesant-Kampagne. Schon früh setzte die Werbung auf den europäischen Markt. 1963 veranstaltete der Zentralausschuß der Werbewirtschaft den Kongreß »Werbung im Europamarkt«, um diesen (sechs E W G Staaten mit 170 Millionen Menschen) zu erforschen und - so die anspruchsvolle Behauptung - auf seine Art zum Abbau nationaler Barrieren beizutragen. Das Interesse der Werbung am europäischen Markt war hoch: Von 1956 bis 1976 stiegen die Werbeaufwendungen in der E W G (ohne Großbritannien) immerhin um 700 Prozentpunkte. In der Rückschau wird deutlich, daß die Werbewirtschaft insgesamt in den sechziger Jahren zu einem zentralen Steuerungsinstrument der Firmenpolitik wurde, indem sie die Wirtschaft zu marktorientierten Unternehmenskonzeptionen zwang. Richteten sich die Aufwendungen für Werbung früher an Konjunkturzyklen aus, erkannten jetzt viele Unternehmen, daß Werbepausen teuer werden können. Die damalige Situation hat Eduard Grosse auf folgenden kurzen Nenner gebracht: »Die frühen sechziger Jahre brachten den meisten europäischen Ländern eine neue Medienkombination: Fernsehen, Funk, Anzeigen, Plakate. Sie brachten das System von Agentur- und Kundeninteraktion, das noch heute besteht. Sie sahen Verfeinerungen in der Methodik von Werbeforschung und Werbeplanung, die das Risiko der Investition für den Hersteller reduzierten. Die Werbung begann den Abbau nationaler Barrieren in Westeuropa widerzuspiegeln, sicher sogar aktiv an ihm mitzuwirken.« 6

3.2

Imageverluste

Eine wichtige Herausforderung für die gesamte Werbung stellte die Jugend- und Protestkultur der sechziger Jahre dar. »Hippies« und »Gammler« sowie die ab 1968 öffentlich revoltierenden Studenten setzten dem Orientierungssyndrom der fünfziger Jahre (Nüchternheit, Ordnung, Fleiß, Sauberkeit, Sparsamkeit, Unterordnung, Ehrfurcht vor dem Alter und der deutschen Tradition) eine kreative Alternative entgegen: Luststreben, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, natürliche Lebensweise, Natur- und Körperkult, neue Spiritualität (inklusive Drogen) und ökologisches Bewußtsein. Das Wertesystem der fünfziger Jahre hatte ausgedient. Für die neomarxistischen Studenten und Professoren waren konservative Politik und kapitalistische Marktwirtschaft als Spätausläufer des Imperialismus und Kolonialismus diskreditiert. Wettbewerb wurde beargwöhnt, Werbung als reine Ver-

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Werbung

schwendung oder als infame Produktion falschen Bewußtseins und falscher Bedürfnisse angeprangert. Dabei standen vor allem die Marketingtheorien John Kenneth Galbraiths' im Zentrum, wonach Marketing und Werbung keine echten neuen Werte schaffen, sondern vielmehr scheinbare Bedürfnisse, die sie dann vordergründig decken. Vance Packards aktualisierte Thesen von der Werbung als geheimer Verführerin 7 ebenso wie die linke Kritik führten in den späten Sechzigern zu einem Imageverlust der Werbung und zu einer Verunsicherung vieler Werber, die bis in die achtziger Jahre reichen sollte. Werbeberufe wurden in weiten Teilen der Öffentlichkeit zu Outsiderberufen, Werbung wurde unpopulär. Viele Werbefachleute vertreten heute im Rückblick aber die Auffassung, daß gerade die linke Kritik an der Werbung deren Praxis eindeutig verändert und verbessert habe. Nicht nur die neuen subtilen Werbeformen, die mit Ironie, Distanz und Humor arbeiten, waren Reaktionen auf die Kritik der 68er; auch das neue politische Bild vom mündigen, intelligenten und sensiblen Verbraucher übernahmen die Werber - gegen den Widerstand der Industrie und großer Agenturen, die immer noch an der amerikanischen Auffassung festhielten, man könne jede Zielgruppe durch geeignete werbepsychologische Strategien beeinflussen oder gar gezielt manipulieren.

3.3 Werbung in gesättigten

Märkten

Die Werbestrategien der sechziger Jahre waren geprägt vom wirtschaftlichen Aufschwung. Der Markt in der Bundesrepublik tendierte bereits in Richtung Übersättigung, und durch den vermehrten Zustrom von Waren aus dem Ausland verschärfte sich die Produktkonkurrenz zusehends. Der Markt wandelte sich vom Anbieterzum Käufermarkt, auf dem immer prägnantere Konsumanreize geboten werden mußten. Die Werbung propagierte neue materialistische Leitbilder, predigte Profilierung durch Besitz und erfolgreiche Selbstdarstellung durch Äußerlichkeiten. Entsprechend setzte die Werbung auf einen Übergang von reiner Produktinformation zur ästhetischen Verpackung als »Mannequin der Ware«. Die Printwerbung arbeitete zunehmend mit Farbdruck und Fotos, die dank verbesserter Druck- und Reproduktionstechniken ohne Rand über die ganze Seite gedruckt werden konnten. Gemalte Bilder wurden nur noch als bewußt altmodisches Stilmittel verwendet. Die Konkurrenz mit den TV-Spots verstärkte die Tendenz, auch im Printbereich in mehreren Momentaufnahmen Geschichten zu erzählen. In der Fernsehwerbung dominierte die Strategie, aus Produkten Marken zu machen, was in vielen Fällen auch gelang. Diese Marken wurden verbunden mit Markenfiguren bzw. Symbolpersonen (Meister Proper, Klementine, der Esso-Tiger), die in der Folgezeit - zum Teil bis heute - erstaunlich präsent blieben. In den sogenannten Social-Pressure-Kamv&gn&n im Stile des dominierenden Reinigungsmittelkonzerns Procter & Gamble wurde dagegen vor allem die sogenannte Slice of Life-Strategie angewandt. Bei dieser präsentiert sich der Werbespot als Alltagsepisode, die möglichst mit einer deutlichen Pointe - an ein bestimmtes Produkt gekoppelt ist. Der Produktnutzen wird in einem alltäglichen Zusammenhang präsentiert, nachvollzogen, geschildert oder selbst erfahren, wodurch Glaubwürdigkeit suggeriert

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wird. Der soziale Druck solcher Kampagnen lag darin, daß Werbefiguren wie Klementine oder Meister Proper an das schlechte Gewissen der Hausfrauen appellierten und im Rahmen pseudodidaktischer Lehr- und Lernprogramme die Unumgänglichkeit des Gebrauches bestimmter Putz- und Waschmittel (wie Persil oder Lenor) suggerierten. Allerdings trugen gerade solche Kampagnen und ihr im Verein mit einer stupiden Stereotypie der Geschlechterrollen propagierter Traditionalismus auch zum schlechten Image vor allem der Haushaltsmittel-Werbung bei. Gegen Ende der sechziger Jahre wurde auch in der deutschen Fernsehwerbung die Lifestyle-Strategie übernommen, die in der Printwerbung schon lange mit einprägsamen Atmosphären arbeitete. Die Botschaft lief hier eher indirekt über einen bestimmten Anschein, der dem Produkt gegeben wurde. Überall in der Werbung der sechziger Jahre dominierte Jugendlichkeit, die mit Dynamik und Vitalität assoziiert wurde. Mit dem Babyboom tauchten dann auch vermehrt Kinder in der Werbung auf, die mit dem bewährten Kindchenschema nicht nur Penatencreme, sondern auch Shell-Benzin Sympathiewerte verpassen sollten. Die bekanntesten Lifestyle-Kampagnen waren die für Martini, Coca Cola und die Fa-Seife (Henkel), in der zum ersten Mal eine nackte Frau in der Werbung gezeigt wurde. Die wohl erfolgreichste Repräsentation des amerikanischen way of life, der zum weltweiten Zeitgeist zu werden begann, gelang der Marlboro-Kampagne. Charles Wilp stellte erotisch bis sexistisch getönte Spots vor: 1965 warb er mit Frauenbeinen für Pirelli-Reifen, 1969 präsentierte seine von der Pop-Kunst beeinflußte Afri-Cola-Werbung Nonnen und nackte Frauen. Die neuen Schlagworte der Werbung Ende des Jahrzehnts lauteten: neu, modern, international. Die Apollo-Mondlandung (1969) wurde sofort von der Werbung aufgegriffen, die Verbindung von Mond und Zukunft zum zugkräftigen Slogan. Daneben wurden erfolgreiche Werbesprüche wie »Pack den Tiger in den Tank!« oder »Mach mal Pause. Coca Cola« zu aphoristischem »Volksgut«.

4. Die Expansion der Werbewirtschaft in den siebziger Jahren 4.1 Die Bundesrepublik:

der zweitgrößte

Werbemarkt

der Welt

Bis 1970 war die Bundesrepublik zum zweitgrößten Werbemarkt der Welt herangewachsen. Obwohl die Fernsehwerbung für Zigaretten 1974 verboten wurde und die kriselnde Autoindustrie ab 1974 drastisch sparte, stieg das Werbeaufkommen bis 1979 auf mehr als elf Milliarden DM, und der Anteil der Fernsehwerbung an diesem Kuchen wuchs mit (Anhangtabelle 14). Um den in den sechziger Jahren erlittenen Imageverlust zu kompensieren, rief die Werbeindustrie 1972 den Deutschen Werberat als Beschwerdeinstanz für Verbraucher ins Leben. 1975 gründeten dann 45 Verbände aller Bereiche der Werbung die ZAW-Vereinigung für Öffentlichkeitsarbeit (VfÖ), einen Finanzierungsverein zur Förderung aktiver PR-Arbeit. Insgesamt sah sich die expandierende Werbewirtschaft in den siebziger Jahren mit zahlreichen neuen Entwicklungen in der Gesellschaft konfrontiert. Die Zahl

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der Produkte stieg, im Handel schritt die Konzentration rasch fort. Die Auftraggeber wurden professioneller und entwickelten zunehmend das Marketingmanagement in den Unternehmen. Die Medienlandschaft differenzierte sich aus, und die Kosten für Werbung in den Medien stiegen. Kinder und Jugendliche gewannen zunehmend Einfluß auf das Kaufverhalten Erwachsener. In Wirtschaft und Gesellschaft vollzog sich ein Wertewandel im Gefolge der 68er Entwicklungen. Frauen rückten allmählich auch in führende Positionen auf. Freizeitindustrie und Umweltschutz avancierten zu neuen Themenschwerpunkten. Die Ölkrise erschütterte den Fortschrittsglauben der Bundesbürger. Anfang der siebziger Jahre erschienen zur Halbzeitkampagne der SPD/FDP-Koalition 1971 zum ersten Mal politische Werbespots und nicht-gewinnorientierte Kampagnen auf dem Bildschirm. Die Fußballweltmeisterschaft (1974) wurde bewußt in die Werbung einbezogen, nachdem 1973 die Produktwerbung auf Fußballertrikots erlaubt worden war. Zum ersten Mal wagte man es auch, mit dicken weiblichen Modellen zu werben, doch ab Mitte der Siebziger dominierte wieder und auf Dauer Schlanksein als Ideal; die »Light«-Welle setzte sich dauerhaft durch. In den Werbeagenturen ging der amerikanische Einfluß auf die Gestaltung der Werbespots in den siebziger Jahren spürbar zurück. Die ersten eigenständigen Kampagnen deutscher Werbefachleute entstanden. Ende der sechziger Jahre kamen entscheidende innovative Impulse aus der Schweiz von der Baseler Agentur GGK. K. Gerstner und P. Gredinger eröffneten in Düsseldorf eine Agentur, deren Mitarbeiter (unter anderem W. Rogosky und M. Schirner) allmählich einen deutschen Werbestil zu entwickeln begannen. 1977 lancierte M. Schirner die These, Werbung sei die Kunst unserer Tage, und er erhob die Forderung nach Aufhebung der klassischen Gewaltenteilung zwischen Marketingmanagern und Kreativen. Die siebziger Jahre brachten für das Werbesystem die ersten großen Pleiten (Adverta von Peter Behnsen, Unit von van der Decken) und Verschmelzungen. Viele deutsche Agenturen mußten verkaufen oder lösten sich auf. Nur die Agenturen Troost, Eggert und Team wuchsen weiter. Die Amerikaner übernahmen den Markt und lagen in der Rangreihe der wichtigsten Agenturen in der Bundesrepublik deutlich vorn. Bei den audiovisuellen Werbemedien lief das Fernsehen dem Kino deutlich den Rang ab, vor allem seit Einführung des Farbfernsehens. Werbefilme kamen meist nur noch bei Mammutkampagnen der Zigarettenwerbung zum Einsatz sowie bei Maßnahmen, die speziell die Altersgruppe zwischen 15 und 30 ansprachen. Eine wahre Renaissance erlebte das Plakat, nicht zuletzt durch die kreativen Arbeiten von M. Schirner. 4.2 Neue Werbestrategien In den siebziger Jahren, die in der Rückschau vieler Werbefachleute als die einfallsreichste Phase der Fernsehwerbung in der Bundesrepublik gelten8, differenzierte sich die Werbewirtschaft in jeder Hinsicht aus. Die Werbung wurde professioneller, inhaltlich und formal vielgestaltiger. Neben den schon erprobten Strategien kamen neue Trends auf, die sich ab Mitte der siebziger Jahre durchzusetzen begannen: vor

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allem Emotionalisierung, (Pseudo-)Argumentation, Betonung von Körperlichkeit, ironische Übertreibung, (leichte) Tabubrüche und eindeutige Betonung von Individualismus bis hin zu subkulturellen Erscheinungsformen. Insbesondere die Tendenz der Fernsehwerbung ging Ende der siebziger Jahre dahin, das Produkt zu inszenieren, wobei im Zentrum des Spots eine Geschichte mit einer überraschenden Idee stand. Ab Mitte der siebziger Jahre erprobten einige Werbeagenturen das sogenannte advocacy advertising: Renault und Mercedes eröffneten dabei einen »sachlichen« Dialog mit ihren Kunden - ohne darüber die Vorzüge ihrer Produkte zu vergessen. Ölmultis sprachen »offen« über Probleme der Ölindustrie und erläuterten ihr »verantwortungsbewußtes« Handeln (vgl. etwa den Esso-Spot »Turm«). Die Atomfirma Nukem, die nach einem Skandal die Hälfte ihres Umsatzes verloren hatte, gab in der (von M. Schirner produzierten) Werbung ihre Schuld am Skandal offen zu und versprach, aus den Fehlern zu lernen.

4.3 Werbung im Mentalitätswandel

der siebziger

Jahre

Der Mentalitätswandel, der sich bereits seit Mitte der sechziger Jahre ankündigte, hatte in den frühen siebziger Jahren eine neue Entwicklungsphase erreicht. Nachdem der Modernisierungsoptimismus bei einer zwar zahlenmäßig kleinen, aber medienwirksamen Gruppe durch einen neomarxistischen Optimismus gesellschaftlicher Erneuerung ersetzt worden war, machte gesellschaftspolitischer Fortschrittsglaube realpolitischer Ernüchterung Platz. Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Säulen des Modernisierungsprogramms begannen zu wanken 9 . Ökonomische Krisen im Gefolge des Ölpreisschocks, Arbeitslosigkeit und soziale Konflikte, Terrorismus, Drogenprobleme und Umweltkatastrophen ließen das Vertrauen in den von Modernisierungsmodellen propagierten unumkehrbaren Fortschritt schwinden. Mit der neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition wurden alte ideologische Feindbilder abgebaut. Der noch zu Beginn des Jahrzehnts angestrebte Ausbau des Sozialstaats und des Gesundheitswesens erwies sich als unbezahlbar. Die Frauen pochten zunehmend lauter auf ihre Rechte und begannen, Rollen- und Geschlechterklischees in Frage zu stellen. Steigende Sensibilität für ökologische Probleme führte dazu, daß Wirtschaft, Wissenschaft und Technik zunehmend kritischer eingeschätzt wurden. Der vielbeschriebene Rückzug in die Subjektivität und Privatheit, in Mythen und Irrationalismus, in Körperkult und Materialismus betraf sicher nicht die Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik. Aber »die Medien« wurden zunehmend bestimmt durch Beiträge zu genau diesen Themen. Eine folgenreiche Ausdifferenzierung des bundesdeutschen Mediensystems begann mit den Kabelpilotprojekten und der Vorbereitung des dualen Rundfunksystems. Fernsehen avancierte zur liebsten Freizeitbeschäftigung der Bundesbürger, obwohl die Hälfte von ihnen mit dem Programm unzufrieden war. Technische Entwicklungen führten zu einschneidenden Veränderungen der Kommunikation: Die Satellitenübertragung hob zeitliche und räumliche Grenzen auf. Die Videotechnik verwandelte das zuvor flüchtige, aber scheinbar authentische Fernsehen in ein indi-

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viduell manipulierbares, konservierbares Medium und veränderte den Charakter der Fernsehrezeption als öffentlicher Gemeinschaftskommunikation. Während die Werbung in den sechziger Jahren die wirtschaftlichen und sozialen Krisen schlicht ignoriert hatte, verarbeitete sie zu Beginn der siebziger Jahre durchaus einige Folgen der 68er Bewegung. Der Zuschauer wurde nun als mündiger Konsument umworben und unterhalten. In den Spots und Anzeigenkampagnen dominierten Körperkult und Natürlichkeitssehnsucht, eine freizügigere Einstellung zu Erotik und Sex, ein kritisch gebrochenes Verhältnis zu den religiösen und gesellschaftlichen Institutionen, ein neues Ichbewußtsein sowie die allmählich gewonnene größere Selbständigkeit der Frauen. Viele Gestaltungsmerkmale verweisen bereits auf die zugleich von Technik und Design bestimmte Ästhetisierung des Alltags, in dem die Unterhaltung und die Unterhaltungselektronik eine zunehmend selbstverständliche Rolle spielte.

5. Ästhetisierung: die Werbung der achtziger Jahre 5.1 Die Werbung wird

hoffähig

Nach den starken Imageverlusten der sechziger Jahre baute die Werbewirtschaft in den siebziger und achtziger Jahren ihre Reputation in einem erstaunlichen Maß wieder auf. Dazu trugen sowohl Verbesserungen der Werbemaßnahmen als auch die Qualitätssteigerung der Ausbildung Werbetreibender bei. In den Medien, in der Öffentlichkeit und zunehmend auch in der Wissenschaft wurde Werbung zu einem beliebten und reputierlichen Thema. Seit 1981 erschienen regelmäßig Fernsehsendungen zum Thema Werbung, die auf großen internationalen Ausstellungen in ihrer historischen Entwicklung und ihren aktuellen Erscheinungsformen als Kulturfaktor und Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung präsentiert und diskutiert wurde. Spotzusammenschnitte wie die Cannes-Rollen oder der Film Rendezvous unterm Nierentisch wurden zu Kinoerfolgen. Diese steigende Akzeptanz läßt sich auch zurückführen auf eine aktive Auseinandersetzung der Werbung mit Alltagskultur, Kommunikation, Umwelt und Kunst, auf ein gestiegenes Interesse an der Geschichte der Bundesrepublik sowie auf den wachsenden Unterhaltungsbedarf des Publikums. Von Hamburg bis München gab es eine ganze Reihe kreativer Agenturen (von Young & Rubicam über GGK, Lintas, Conrad & Burnett oder Springer & Jacoby) und effizienter Neugründungen (wie Scholz & Friends, Baader, Lang, Behnken, Knopf, Nägeli, Schnackenberg), die den Werbestil revolutionierten. Die Erscheinungsformen der Werbung wurden in den achtziger Jahren vielfältiger. Neben Product Placement traten Bartering und Merchandising. Social Spots warben für Politik, Umweltschutz und Kirchen, klärten über Aids auf und mobilisierten gegen Ausländerfeindlichkeit. Die Werbewirtschaft wuchs auch in den achtziger Jahren weiter (Anhangtabelle 15). Sie wurde in diesem Zeitraum zunehmend eingebunden in den grundlegenden Wandel der Konzeption von Marketing. Mehr und mehr Unternehmen be-

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teiligten sich aktiv am Prozeß des gesellschaftlichen Wandels. Sie versuchten, die Unternehmensumwelt in ihrem Sinne zu verändern, um ihre Produkte und Leistungen besser positionieren zu können. Dabei wurden verschiedene Strategien eingesetzt, so etwa Public Relations, Sponsoring und Lobbying sowie Werbung als Bestandteil eines komplexen Marketingmix. Werbeagenturen wurden zu Kommunikationsunternehmen im Dienste der Corporate-Identity-Strategien der Unternehmen. Mit der vor allem von der Wirtschaft und Werbung gewünschten Einführung des dualen Rundfunksystems (1984) änderte sich der Werbemarkt in der Bundesrepublik grundlegend. Die privaten Sendeanstalten, die ökonomisch vollständig von Werbeeinnahmen abhängen, eröffneten den Werbetreibenden neue Werbemöglichkeiten und boten attraktive Sendezeiten (nach 20 Uhr) in der Nähe oder gar im Rahmen beliebter Programme, wodurch eine genaue Zielgruppenansprache möglich wurde: Das Programm entwickelte sich bei den privaten Fernsehsendern zum Kontext für Werbeinseln. Die Werbefilmästhetik beeinflußte zusehends die Präsentationsformen von Film und Fernsehen. Auch inhaltliche Klischees der Werbung (von »Heile Welt« bis »Familienidylle«) wirkten sich auf das Fernsehprogramm aller Sendeanstalten aus.

5.2 Ästhetik

und

Lifestyle-Orientierung

Die Werbung der achtziger Jahre verband sich eng mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Trend zur sogenannten Aktualität des Ästhetischen. Sie lieferte Orientierungsangebote, Li/esty/e-Empfehlungen und Trendberichte. Werbung versuchte, eine Aura bzw. einen Mehrwert für ihre Produkte zu (er)finden, um ihre Botschaften besser in der Lebenswelt der Konsumenten piazieren zu können. Ästhetisierung im Sinne einer Optimierung der visuellen Oberfläche (oft unter völligem Verzicht auf Text) lag im Trend der Wandlung vom Versorgungskonsum zum Erlebniskonsum. Die Werbung setzte voll auf Unterhaltung. Ganz im Sinne postmoderner Verfügbarkeit und Zitierbarkeit von allem und jedem verband sie sich eng mit Design, Kunst und Computeranimation und produzierte Kunstwelten, in denen Produkte und Produktnutzer zelebriert wurden. Mit den Konsumbedürfnissen der sogenannten Multioptionsgesellschaft der achtziger Jahre differenzierte sich auch die Werbung zielgruppenspezifisch aus, um die immer individualistischer und unberechenbarer werdenden Verbraucher überhaupt noch erreichen zu können. Die Werbung offerierte jetzt neue Frauen-, Männer- und Seniorenbilder und wurde damit zugleich Projektionsfläche wie aktives Ferment im Prozeß der Umwandlung der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Sie griff alle für ihre Zwecke brauchbaren Trends sofort auf und wandelte sie in unterhaltsame Aufmerksamkeitswecker um: Körperkult und Umweltbewußtsein, Wertewandel und neue Formen des (Zusammen)Lebens, die Virtualisierung der Wirklichkeit durch die Mikroelektronik, neue Sinnsuche, Faszination des Luxus, Europäisierung und Regionalisierung. Die achtziger Jahre brachten die Erfindung von Social Marketing und Social Advertising (etwa die AIDS-Kampagnen). Ja, manche Werber gerierten sich sogar als neue Sinnproduzenten, die das von Politik und Kirchen hinterlassene Sinnvakuum

Werbung

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zu füllen behaupteten. In ihren fortgeschrittendsten Formen begann die Werbung, sich mit sich selbst zu beschäftigen (z.B. die TV-Werbung für Jade-Parfum und Zimbo-Wurst). Im Verbund von Massenmedien, Wirtschaft, Marketing und Kommunikationsindustrie erzeugte Werbung ihre Wirkung durch den Aufbau reflexiver Strukturen, also dadurch, daß sie Aufmerksamkeit band, die ihrerseits Aufmerksamkeit band. Werbung ermöglichte durch die von ihr abhängigen Medien einen nie gekannten Zuwachs an Kommunikation, der seinerseits wieder Werbung vervielfachte10. Werbung puschte die gesellschaftliche Entwicklung zur Kommunikationsgesellschaft einerseits, zur Kommerzialisierung der Kommunikation andererseits11.

6. Die neunziger Jahre: »Werbung goes Internet« - und anderes 6.1 Werbung nach der

Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 veränderte die Situation der Werbung grundlegend. Zum einen kamen die neuen Bundesländer mit eigenen, traditionell gewachsenen Werbeerwartungen hinzu12; zum anderen verschärfte das größere Deutschland im Herzen eines neuen Europa die kritische Beobachtung durch alle Nachbarn und die weitere Weltöffentlichkeit. Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß wurden nicht zufällig Themen von Werbekampagnen. Neben der Print- und TV-Werbung spielte und spielt die Plakatwerbung eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sorgte sie etwa dafür, daß angestammte Produkte der DDR-Wirtschaft (von Rotkäppchen-Sekt bis Florena-Creme und Club-Zigaretten) die Marktöffnung überstanden haben. Plakatwerbung lancierte die berühmt gewordenen Kampagnen von P. Stuyvesant (Come together), Camel, Lucky Strike oder Lord Extra und warb ihrerseits für sich selbst. Sie propagierte den zärtlich gewordenen Mann (Bauknecht) und die aktive Frau (Gauloises Blondes). Dabei zeigt die Werbefotografie eine nicht zu übersehende Rückkehr zur traditionellen Fotografie mit einer deutlichen Vorliebe für schwarzweiß und traditionelle ästhetische Themen und Motive. In der Fernsehwerbung kam es zu einer deutlichen Differenzierung zwischen Spots bei den öffentlich-rechtlichen und den privaten Anbietern einerseits, zwischen der Werbung für Massenartikel und Special-Interest-Angeboten andererseits. Internationalisierung ließ und läßt sich in verschiedener Hinsicht beobachten: auf der Ebene der Agenturorganisation und der international geschalteten Spots (Coca Cola, Swatch) ebenso wie auf derjenigen der Beobachtung von Werbung in Fernsehsendungen und Ausstellungen.

6.2 Frißt sich die Werbung

auf?

Wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen herrscht auch in der Werbewirtschaft der neunziger Jahre der Zustand, den Jürgen Habermas auf die Formel der

533

Siegfried J. Schmidt

neuen Unübersichtlichkeit gebracht hat. Von immer neuen Wachstumsrekorden wird ebenso berichtet wie von der Selbstverschlingung der Werbung - und beide Behauptungen lassen sich durch Zahlen und Belege stützen. Dieses Nebeneinander prägt daher notwendigerweise auch die folgende Skizze. Zu beobachten sind - mit dem gemachten Vorbehalt - folgende Entwicklungstendenzen: - Fernsehwerbung steigt in den neunziger Jahren drastisch an (Anhangtabelle 16) und mit ihr die Selektions- und Verweigerungshaltung des Zapping13; - die Umstellung vom Produkt- auf den Kommunikationswettbewerb beschleunigt sich; - Werbung ist auf der Jagd nach dem neuen Konsumenten, der als »massenhaft Vereinzelter« erscheint; - Werbung erschließt sich allmählich den Online-Markt. Viele Werbefachleute sehen ihre Branche in der Krise, weil durch die Überästhetisierung vieler Spots in den achtziger Jahren sowie die Ausweitung der Webeaktivitäten in die Bereiche des Social Advertising viele Berufskollegen sich von ihrem fundamentalen ökonomischen Auftrag entfernen und damit die Geschäftsgrundlage mit den Auftraggebern schwindet. Der Rat, zu neuer Schlichtheit und Aufrichtigkeit zurückzukehren, wird vor allem bei der Online-Werbung zunehmend beherzigt, die auf Kaufentscheidung durch Produktinformation setzt und das Netz als aktiv nutzbares Distributions- und nicht mehr als passiv zu konsumierendes Präsentationsmedium einsetzt. Andererseits läßt sich feststellen, daß Medien und Werbung ungebrochen weiter wachsen und immer mehr Bereiche der Gesellschaft erfassen - Politik, Kunst, Religion: Alles Reklame. Hinzu kommt, daß Werbung sich immer neue Formen erschließt. Dazu gehören unter anderem Programmsponsoring, Product Placement, Merchandising, Licensing, Informercials, Bartering usw. Beim Programmsponsoring wird mit Geld- oder Sachmitteln die Produktion bestimmter Programmbeiträge unterstützt. Product Placement nennt man das werbewirksame Zeigen von Produkten und Dienstleistungen im Handlungsablauf von Fernsehprogrammen; Merchandising und Licensing sind die gezielte und systematische wirtschaftliche Auswertung von markenrechtlich geschützten Titeln, Figuren oder Inhalten redaktioneller TV-Beiträge; Informercials sind Werbesendungen im Nachrichten- und Magazinstil; beim Bartering handelt es sich um ein Tauschgeschäft zwischen Programmlieferung und Werbezeit. Die Grenzen zwischen Werbung, Marketing, Public Relations und Programm werden immer verschwommener, die Grabenkämpfe zwischen Rundfunk- und Wirtschaftsverständnis immer härter. Werbung scheint in den neunziger Jahren durch die Überreizung aller Tendenzen von schrillem Humor bis lässiger Coolness, von Schockwerbung und Ästhetisierung bis zum Szenenmarketing strategisch, semiotisch und narrativ erschöpft. Auch wenn (oder gerade weil) heute fast schon jedes Ereignis - von den Olympischen Spielen bis zum Streetball-Tumier - als Werbeinszenierung erscheint, müssen die Reize immer drastischer werden, soll noch Aufmerksamkeit für Produkte, Leistungen, Personen und Botschaften geweckt werden - die umstrittenen Benetton-Kampagnen sind dafür nur ein besonders intensiv diskutiertes Beispiel. An der Konsumentenfront wird Individualisierung (im Sinne massenhafter Singularisierung) angestrebt. »Vom Massenmarketing zur individualisierten Kunden-

534

Werbung

ansprache« lautet die werbewirtschaftliche Zauberformel, »Als wär's für Sie allein gebraut« oder »Ich und mein Magnum« lauten die Werbesprüche für die Konsumenten, die dem Cocooning, dem Einspinnen am eigenen Herd, frönen. Interaktive Kommunikation, Single Sourcing und Datenbanksysteme werden eingesetzt, um hochdifferenzierte Kundenprofile zu erkennen und zu bedienen. Jeans, Computer, Möbel oder Tageszeitungen: Alles soll in Zusammenarbeit mit dem Kunden (der zum Prosumenten avanciert) individuell gefertigt werden. Zunehmend bauen die Auftraggeber auf Trendbüros und -gurus (G. Gerken, M. Horx, N. Bolz, D. Bosshart u. a.), Trendscouts erschnüffeln die Trends und Stimmungen der zersplitterten Jugendkultur, die zusammen mit den Kindern zur Topzielgruppe der Wirtschaft geworden ist. Vor allem Kinder sollen als Entscheidungsträger für Familieninvestitionen gewonnen (VW: »Aber wir fahren Golf!«) und möglichst früh an Marken gebunden werden. Nicht nur im Umgang mit den Konsumenten, auch gegenüber den Auftraggebern ändert sich die Werbeszene der neunziger Jahre. Kunden erwarten komplette »Kommunikationspakete« und nicht mehr nur Werbekampagnen. Dabei bekommen die Werber aber zunehmend Konkurrenz von Unternehmensberatern, die die Firmen bei der Markenführung und in allen Sparten der Unternehmenskommunikation beraten. Und schließlich sehen sich die Werber einem neuen Hobby des kreativen und PC-gewandten Undergrounds ausgesetzt: dem »Bootlegging«, in dem klassische Werbemotive und -figuren manipuliert und zu Kultbotschaften verfremdet werden. Diese sogenannten Adbusters treten als Werbe-Hacker zum »Subvertising« an: Langnase, Rave aus der Tube und Keine Macht den Doofen.

6.3 Webvertising: Werbung

online

Schon ein kurzer Blick auf die verschiedenen Entwicklungstrends gestattet die Prognose, daß Werbung in der Bundesrepublik Deutschland sich weiter ausdifferenzieren wird. Einerseits wird die klassische Werbung mit Anzeigen und Spots weiter bestehen (1994 waren die Printmedien mit zwölf Milliarden DM Werbeaufwand noch immer der größte Werbeträger); andererseits setzen Agenturen zunehmend auf neue Techniken und die sogenannten interaktiven Medien, die - zumindest theoretisch - Kommunikation im Verhältnis eins zu eins und im Online-Format bieten können. Gerade mit interaktiven Medien hofft die Werbewirtschaft, ihre Zielgruppen ohne allzu große Streuverluste erreichen zu können und einen gezielten Dialog mit ihnen führen zu können; »vom Werbespot zum interaktiven Dialog« (so Th. Schierl 1997) lautet das neue Motto; es impliziert einen Wechsel vom Push- zum Pull-Marketing. Allerdings setzt diese Marketingstrategie den aktiven und an Werbung intensiv interessierten Mediennutzer voraus, den Screenager aus der sogenannten »Generation @«. Und dieser Mediennutzer erwartet von Werbung im Internet, für die er ja bezahlen muß, einen neuen und medienadäquaten Typ von Präsentation, der neben Produktinformationen auch »added values« bietet: Hot Spots, aktuelle Tips und Infos, Musik usw., kurz Werbung als mediengerechtes Infotainment 14 . Diesen Erwartungen kommen die bisher angebotenen Banner, Web Sites oder

535

Siegfried J. Schmidt

H o m e Pages nur bedingt entgegen (»Für eine unvergleichliche Nacht, hier klicken«, Pommery). Wenn man in Rechnung stellt, daß Platz 1 aller Such-Hitlisten im Internet von der Chiffre »SEX« und Derivaten gehalten wird, dann wird man auch in Zukunft mit einer noch stärkeren Emotionalisierung von Werbekommunikation im Netz rechnen können. Langfristig plant die Branche eine Umkehrmöglichkeit der bisherigen Werbekommunikation: D e r Kunde meldet im Netz einen Bedarf an, und die Anbieter melden sich gezielt bei ihm. Andere Werbeanbieter locken mit Tauschgeschäften. Wer sich ein zweiminütiges Video über den neuen Opel Astra anschaut, erhält einen Spielfilm nach Wunsch im Pay-TV bezahlt oder nimmt an einer Kreuzfahrt-Verlosung teil. Nachdem Werbung bei der Netzgemeinde lange Zeit äußerst unbeliebt war, scheint die Akzeptanz gegen Ende des Jahrtausends zuzunehmen. Zwar liegt der Online-Werbemarkt in Deutschland mit ca. 25 Millionen D M 1997 gegenüber den U S A mit über 500 Millionen Dollar noch auf einem geringem Niveau, aber die Zuwachsraten betragen in den letzten Jahren immerhin mehr als 500 Prozentpunkte. Experten rechnen damit, daß das Web auch für die Werbung eines der interessantesten Medien der Zukunft wird.

Anmerkungen 1

2 3 4 5

6 7 8 9 10

Im folgenden wird - sozusagen theoretisch neutral - von »Werbung« oder »Werbewirtschaft« gesprochen, ohne auf bestehende Vorschläge zu einer systemtheoretischen Modellierung der Werbung einzugehen. So konzipieren S. J. Schmidt/B. Spieß Werbung als ein eigenständiges Subsystem des Wirtschaftssystems, während G. Zurstiege Werbung als ein eigenständiges Funktionssystem darstellt. - Vgl. Siegfried J. Schmidt/Brigitte Spieß, Die Kommerzialisierung der Kommunikation. Fernsehwerbung und sozialer Wandel 1956-1989, Frankfurt/M. 1996; Guido Zurstiege, Mannsbilder - Männlichkeit in der Werbung. Zur Darstellung von Männern in der Anzeigenwerbung der 50er, 70er und 90er Jahre, Opladen 1998. Zum Thema Medienkultur vgl. Siegfried J. Schmidt/Brigitte Spieß, Die Geburt der schönen Bilder. Fernsehwerbung aus der Sicht der Kreativen, Opladen 1994, sowie Siegfried J. Schmidt, Medien = Kultur?, Bern 1994. Vgl. S. J. Schmidt/B. Spieß (Anm. 1). Vgl. Michael Kriegeskorte, 100 Jahre Werbung im Wandel: eine Reise durch die deutsche Vergangenheit, Köln 1995. 1954 glaubten 13 Prozent völlig den in der Werbung gemachten Aussagen; 75 Prozent glaubten ihnen zumindest teilweise, nur zwölf Prozent überhaupt nicht. So Th. Andresen, Informationsgesellschaft und Werbung, in: R. Szallies/G. Wiswede (Hrsg.), Wertewandel und Konsum, Landsberg 19912, S. 185-213. Vgl. Eduard Grosse, 100 Jahre Werbung in Europa, Berlin 1980, S. 106. Vgl. Vance Packard, Die Geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in Jedermann, Düsseldorf 1957. Vgl. die Interviews der Kreativen in S. J. Schmidt/B. Spieß (Anm. 2). Für eine genaue theoretische Modellierung der Konzepte >Moderne< und >Postmoderne< vgl. S. J. Schmidt/B. Spieß (Anm. 1), Kap. 3. So stieg etwa die Anzahl der Publikumszeitschriften von 1963 bis 1988 von 247 auf 445. Das Werbewachstum betrug in diesem Zeitraum 427 Prozentpunkte bei den Publikums-

Werbung

11 12 13

14

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Zeitschriften, im Vergleich dazu 259 Prozentpunkten bei Fachzeitschriften und 347 Prozentpunkten bei Zeitungen. Die Massenmedien traten immer stärker selbst als Werbeinvestoren für ihre Produkte auf. Ende 1980 waren sie der drittgrößte Werbeinvestor. Nur wenigen Agenturen (etwa Oberrüber & Karger) gelang es, im Osten erfolgreich Fuß zu fassen. Im Krisenjahr 1993 mußten drei von fünf der Agenturen in den neuen Bundesländern schließen. 1984 wurden in der Bundesrepublik etwa 150 000 Werbespots geschaltet, 1994 hatte sich deren Zahl vervierfacht. Um gleich effektiv zu sein, müssen Werbespots daher wiederholt (z.B. als Tandem-Spots) geschaltet oder mit Trides und visuellen Effekten produziert werden, damit sie noch Aufmerksamkeit finden. Paradox erscheint der Anstieg der Werbeaufwendungen bei stagnierendem Markt. Der italienische Nahrungsmittelproduzent Ragu etwa bietet im Internet neben verschiedensten Rezepten einen kleinen Italienisch-Sprachkurs. Auf Wunsch kann der Nutzer dann noch per E-Mail mit seiner Mama kommunizieren.

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204 Henkel KCiaA, Düsseldorf. Plakat, 1948. A g e n l u r : II. W. Β rose, F r a n k f u r t / M .

205 Muelhens G m b H & Co. K G , Köln. Anzeigenmotiv, 1956

206 l'ernseh-, Radio-, P h o n o l r u h e Kuba. Anzeigenmotiv 1955/56.

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2 0 8 Deutsche Bahn. Plakat 1966/67. Agentur: M c C a n n - E r i c k s o n . Frankfurt/M.

2 0 9 Volkswagen A G , Wolfsburg. Anzeigenmotiv: 1962. Agentur: D D B , Düsseldorf. "

2 1 0 Messerschmitt. Plakat, um 1955.

Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann. i» sollten wir on der form des kostet DM 43,25. Grund ieti.l verbessern? Ste hot Sinn und Dos Heck ist oerodynomisth. k. Sie veikörpe'l eine Idee. Dei Boden isl vollkommen dich·. e? /4les Ist gloll und rund on diesem e gonze Sommlung von Ideen. Wogen. Alles Stromlinie. ι abgerundete Vorderhoobe gibt Worum also isl die VW-Form so Sidil bis kurz vor den Wogen. zelllos? ι Kotflügel konn mon einzeln ousWeil sie vernünllig isl. Und prok'lsch. selr. Ohne den holben Wogen Und so verblüffend einfodi, Wio dos •ein zu müssen (Ein Kolilügel vorn 6. des Kolumbus.

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212 R e e m t s m a G m b H & Co., H a m b u r g . Anzeigenmotiv. 1967.

213 Colgate/Palmolive G m b H . H a m b u r g . Anzeigenmotiv. 1969.

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6. Öffentlichkeitsarbeit, Journalismus und Medien In der Praxis ist PR, wie u. a. Ulrike Röttger anhand einer Inhaltsanalyse von PRStellenanzeigen dokumentiert hat, »nach wie vor in erster Linie Pressearbeit und weit entfernt von der geforderten konzeptionellen Öffentlichkeitsarbeit oder einem Kommunikationsmanagement« 60 . Dies ist nicht überraschend, da Journalisten die wichtigste Zielgruppe der Öffentlichkeitsarbeit darstellen. Dabei ist das Image der Öffentlichkeitsarbeiter in Deutschland negativer als das der Journalisten, d. h. PRExperten gelten als weniger glaubwürdig. Das Verhältnis zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus ist nach wie vor von gewissen Spannungen gekennzeichnet. So stellten Jürgen Wilke und Ulrich Müller Ende der siebziger Jahre fest, daß Journalisten wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten zur Öffentlichkeitsarbeit wechselten61. Barbara Baerns ermittelte, daß fast zwei Drittel der Artikel, die über die Landespolitik Nordrhein-Westfalens berichteten, auf schriftliche Informationen der entsprechenden Pressestellen zurückgingen. Ihre Befunde bestätigten demnach die sogenannte Determinationshypothese 62 , die besagt, daß Öffentlichkeitsarbeit die Inhalte der Medien determiniere. Henrike Barth und Wolfgang Donsbach konnten aber belegen, daß bei Pressekonferenzen die Einstellung der Journalisten zum Veranstalter sowie der Nachrichtenwert des Ereignisses wichtige Determinanten der Berichterstattung sind63. So neigen im Krisenfall Journalisten dazu, weniger Materialien der Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen, Themen selbst zu recherchieren und negative Bewertungen vorzunehmen, als dies bei krisenunabhängigen Pressekonferenzen der Fall ist64. Martin Löffelholz interpretiert den Befund seiner Befragung, daß ca. die Hälfte der Journalisten der Öffentlichkeitsarbeit einen (sehr) geringen Einfluß auf ihre Arbeit zuschreibt, dahingehend, »daß die selbstkritische Reflexion der Grenzen und Zwänge der eigenen Tätigkeit nicht zu den Primärtugenden vieler Journalisten gehört«65. Allerdings gibt es bei solchen Analysen starke Schwankungen. So konstatieren z.B. zwei von drei Agenturjournalisten einen mittleren bis großen Einfluß der PR, wohingegen im Ressort Politik zwei Drittel der Journalisten von einem geringen

Öffentlichkeitsarbeit

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Einfluß der Öffentlichkeitsarbeit ausgehen. Löffelholz unterscheidet hinsichtlich des Verhältnisses der Journalisten zur PR vier PR-Rollen: 1. Die PR-Pragmatiker stehen der Öffentlichkeitsarbeit positiv-aufgeschlossen gegenüber. Sie machen ca. 31 Prozent der Stichprobe aus. 2. Die PR-Antikritiker sind ebenfalls gegenüber PR positiv eingestellt und nehmen sie gegen ihre Kritiker in Schutz (ca. 24 Prozent). 3. Die PR-Skeptiker sind skeptisch-distanziert und halten Pressemitteilungen oft für überflüssig und keineswegs für notwendig (ca. 20 Prozent). 4. Die PR-Kritiker (ca. 25 Prozent) stehen Öffentlichkeitsarbeit nicht nur skeptisch gegenüber, sondern sind davon überzeugt, daß Öffentlichkeitsarbeit die journalistische Recherche ersetze und zu unkritischer Berichterstattung verführe. Diese Rollendifferenzierung belegt nach Löffelholz, daß Öffentlichkeitsarbeit nicht pauschal mit dem Journalismus gekoppelt ist. Das Verhältnis Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus wird inzwischen nicht länger mit Hilfe der Determinationshypothese erklärt. So versteht z.B. Bentele den wechselseitigen Beeinflussungsprozeß zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus, die sogenannte Intereffikation, »als komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses, einer gegenseitigen Orientierung und einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen zwei relativ autonomen Systemen«66.

7. Entwicklungen im staatlichen Bereich 7.1 Die Öffentlichkeitsarbeit unter Konrad Adenauer die Gründung des Bundespresseamtes

und

Die Ausgangslage für die Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit im Nachkriegsdeutschland bestand darin, im Inland zunächst Vertrauen in Staat und Gesellschaft und deren Institutionen aufzubauen. Auf das Ausland bezogen gab es zwei vorrangige Aufgaben (vor allem der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit), nämlich den Abbau des negativen deutschen Images und die Beschaffung von Informationen über das Ausland. Das 1949 gegründete Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) wurde zur umstrittensten Regierungsorganisation in der Geschichte der Bundesrepublik67. Die Arbeit des BPA begann ausgesprochen turbulent. Adenauer »verschliß« vier Pressesprecher, bis er schließlich in Felix von Eckardt 68 eine geeignete Persönlichkeit fand: Eckardt war BPA-Chef von Februar 1952 bis April 1955 sowie von Juli 1956 bis Juni 1962. Das BPA hatte angesichts der fehlenden diplomatischen Kanäle in der Anfangszeit der Bundesrepublik vor allem die Aufgabe, Informationen im bzw. über das Ausland zu sammeln, um eine rationale Außenpolitik zu ermöglichen. Nach Frank Andreas Buchwald nutzte Adenauer das BPA »zunächst vor allem als Substitut für das fehlende Instrumentarium der Diplomatie«69. Da das Außenministerium erst am 15. März 1951 gegründet wurde, war die Auslandsabteilung »bald das Kernstück des gesamten Amtes«70, dem in der Nachkriegszeit eine außenpolitische Ersatzfunktion zukam. Von Anfang an hatte das BPA selbstverständlich auch die Aufgabe, Öffentlichkeitsarbeit für die Regierung zu betreiben.

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Adenauer hatte ein ausgeprägtes Gefühl für Öffentlichkeitsarbeit und wußte die Presse durch Interviews zu instrumentalisieren. Berühmt geworden ist ein am 3. Dezember 1949 dem Korrespondenten des »Piain Dealer« (Cleveland, Ohio) gewährtes Interview, in dem er argumentierte, innerhalb einer europäischen Armee müßten auch deutsche Kontingente ihren Platz finden. Ein weiteres Instrument der Pressebeeinflussung Adenauers waren die Teegespräche, an denen ausgewählte Journalisten teilnahmen. Auch die Auslandsreisen des Kanzlers, insbesondere die Amerikareisen, waren medienorientierte Akte der Imagepflege 71 . Der für das Ansehen der Bundesrepublik wichtige Kanzlerbesuch in Washington im April 1953 hatte zwei Höhepunkte: Am 8. April erfolgte die Niederlegung eines Kranzes am Grabmal des Unbekannten Soldaten auf dem Ehrenfriedhof in Arlington. Dabei wurde erstmals nach dem Krieg in den USA im offiziellen Rahmen die deutsche Nationalhymne gespielt und die deutsche Flagge gehißt. A m nächsten Tag erhielt Adenauer die Ehrendoktorwürde der Universität Georgetown. Der Film Ein Mann wirbt für sein Volk über die Amerikareise wurde hierzulande im Vorprogramm der Kinos gezeigt. Bereits unter Adenauer wurden im Ausland PR-Firmen beauftragt, für Deutschland Imagepflege zu betreiben, so etwa in den U S A ab 1951 die auch an der Vorbereitung der Amerikareise Adenauers beteiligte Firma Roy Bernard (RB). In Großbritannien wurde 1956 die Firma J. Walter Thompson eingeschaltet. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung innerhalb Deutschlands war ausgesprochen »modern«, denn sie ließ seit 1950 regelmäßig Umfragen über die politischen Strömungen in der Bevölkerung durchführen. Adenauer verstand Bevölkerungsumfragen als eine »in jeder Hinsicht wertvolle Informationsquelle« für die Politik72. Adenauer bzw. dem BPA stand der sogenannte Titel 300 zur Verfügung, dessen Verwendungszwecke nicht einzeln ausgewiesen werden mußten. Der Etat des BPA bestand in den Jahren 1950 und 1951 abgesehen von den Personal- und Verwaltungskosten aus dem geheimen Fonds »zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens« 73 . Der Titel 300 stand immer im Kreuzfeuer oppositioneller Kritik, wurden doch aus diesem Fonds etwa Aktivitäten wie die der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise (ADK) (vgl. Abschnitt 7.3) finanziert oder Zeitschriften subventioniert wie die »Wehrwissenschaftliche Rundschau« und die »Deutsche Soldaten-Zeitung«. Die Bundesregierung stellte am 27. Juli 1953 in einer Drucksache des Bundestages zu einer Anfrage der SPD fest, daß eine Auskunft über die Verwendung der Mittel aus Titel 300 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung zur Förderung des Informationswesens aus »grundsätzlichen Erwägungen« nicht erteilt werde. Die Jahresrechnung über diesen Verfügungsfonds unterliege nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.

7.2 Otto Lenz und seine

Aktivitäten

Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung erfolgte nicht nur durch das BPA, sondern bediente sich einer Vielzahl anderer Organisationen, die zum Teil als Privatfirmen auftraten. Von entscheidender Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit unter Adenauer war Staatssekretär Otto Lenz. Ihm gegenüber betonte der Kanzler am 15. Januar 1951 die Dringlichkeit einer Intensivierung der Pressearbeit und Pro-

Öffentlichkeitsarbeit

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paganda74. Arnulf Baring schreibt: »Public Relations im großen Stil waren die selbstgewählte Aufgabe von Otto Lenz. Lebendig und lebensfroh, findig und fintenreich, von quirliger Aktivität, ganz unkonventionell, überhaupt kein Beamtentyp«75. Lenz war u. a. beteiligt an der Gründung der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft im Jahr 1956 - er wurde ihr erster Präsident - , der Gesellschaft für Auslandskunde, der Bundeszentrale für Heimatdienst, der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise, der Deutschen Korrespondenz GmbH und der Mobilwerbung. Er bemühte sich, ein für die staatliche Kommunikationspolitik zuständiges Ministerium einzurichten76, blieb damit aber erfolglos, da Adenauers Unterstützung ausblieb.

7.3 Verdeckte Aktivitäten: Die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK) Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK) im Dezember 1951 war eine Reaktion auf die mangelnde Anerkennung der Politik Adenauers, die führende CDU-Politiker im Herbst 1950 in der deutschen Öffentlichkeit konstatierten. Nach Lenz sah auch der Kanzler, » . . . daß unbedingt etwas geschehen müsse«. Hans Edgar Jahn berichtet, Adenauer habe ihm gegenüber im Oktober 1951 geäußert: »Ich will, daß das Volk mich versteht, das müssen Sie machen!«77 Jahn war von 1951 bis 1969 Präsident der vom BPA finanzierten ADK. Über die Zahl der Mitarbeiter der ADK liegen nur sehr widersprüchliche Angaben vor. Es ist aber unbestritten, daß sie eine enorm große Anzahl von Veranstaltungen - von 1951 bis 1963 über 500 000 Tagungen und Diskussionsveranstaltungen - durchführte79. Die ADK hatte zum einen die Aufgabe, im vorparlamentarischen Raum die Ansichten der Regierung durchzusetzen und die »Ohne-mich-Stimmung« der Bevölkerung zu bekämpfen, zum anderen aber sollte sie auch die Stimmung in der Bevölkerung erfassen. Die Demokratie sollte im Volksbewußtsein verankert und das Volk zu politischer Mitarbeit und Verantwortung herangezogen werden. Ferner war die Bevölkerung auf die Aufgaben vorzubereiten, welche die Wiedervereinigung Deutschlands mit sich bringen würde. Eine der wichtigsten Aufgaben der ADK bestand in der psychologischen Vorbereitung des deutschen Verteidigungsbeitrages. Adenauer hatte bereits im März 1952 den Wunsch nach Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit zum deutschen Verteidigungsbeitrag geäußert78. Noch 1952 wurde die Wehrpolitische Abteilung der ADK eingerichtet. Bereits zwischen April und Juni 1952 hielt diese 178 Veranstaltungen mit über 14 000 Teilnehmern ab. Zwischen 1952 und 1968 wurden nach Jahn über 100 000 Veranstaltungen mit über fünf Millionen Teilnehmern zum Thema »Verteidigung und Sicherheit« durchgeführt. Nach dem NATO-Beitritt 1955 führte die ADK Reisen zum NATO-Hauptquartier durch. Die Deutsch-Atlantische Gesellschaft spezialisierte sich darauf, NATO-Werbeschauen durch die Bundesrepublik wandern zu lassen. Ab Anfang der sechziger Jahre wurde die Entwicklungshilfe zu einem Thema für die Öffentlichkeitsarbeit, da hierzu in der Bevölkerung erheblicher Erklärungsbedarf gesehen wurde. Im Zusammenhang mit der Bildung der großen Koalition setzte schließlich die SPD, die die ADK als »inoffizielles Propagandaministerium« verstand, deren Auflösung durch. 1968 stellte die ADK ihre Tätigkeit endgültig ein.

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V e r s a m m l u n g d e r A D K in d e r R e d o u l e in B o n n a m 1. O k t o b e r 1963. B u n d e s k a n z l e r K o n r a d A d e n a u e r u n d A D K - P r ü s i d e n t Mails F.daar J a h n .

7.4 Weitere Umwicklungen

staatlicher

Öffentlichkeitsarbeit

U n t e r B u n d e s k a n z l e r Ludwig F.rhard erschien im Mai und Juni des B u n d e s t a g s w a h l j a h r e s 1965 in ea. 500 Tageszeitungen eine sechsteilige A n z e i g e n s e r i e mit d e m Titel » M i t b ü r g e r Tragen - der Kanzler a n t w o r t e t « , die die innenpolitischen Verdienste der F.rhard-Regierung herausstellte. N a c h d e r e r n e u t e n N i e d e r l a g e bei d e r B u n destagswahl klagte die S P D beim Bundesverfassungsgericht. Die Partei a r g u m e n tierte. bei den Anzeigen h a b e es sich um reine W a h l p r o p a g a n d a gehandelt. Allerdings g e s t a n d der R e c h t s v e r t r e t e r der S P D . G e r h a r d Jahn zu, d a ß eine »klare G r e n z z i e h u n g zwischen d e r als erlaubt a n z u s e h e n d e n Selbstdarstellung d e r R e g i e rung und einer rein parteipolitischen W e r b u n g mit Regierungsmitteln k a u m theo-

Öffentlichkeitsarbeit

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retisch, schon gar nicht aber praktisch zu vollziehen sei«80. Nach zweijähriger Regierungsbeteiligung zog die SPD Anfang 1969 die Anklage zurück, und das Verfahren wurde mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Nachdem 1969 die sozialliberale Koalition an die Regierung gekommen war, unterlag das BPA nach Ansicht der christdemokratischen Opposition der Instrumentalisierung durch SPD und FDP. Im Zuge der Verlegung der Bundeshauptstadt wird auch das BPA nach Berlin umziehen. 1997 verfügte die Behörde über einen Etat von DM 277 Millionen. Nach dem Berlinumzug wird sie 633 Mitarbeiter haben, von denen 180 in Bonn bleiben werden. Die Öffentlichkeitsarbeit der weiteren Bundeskanzler bedarf noch der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Dies gilt auch für diejenige der Bundespräsidenten und der Parteien. Auch die Entwicklung der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit harrt noch der Bearbeitung. Über die Öffentlichkeitsarbeit einzelner Bundesländer liegen ebenfalls nur verstreute Informationen vor. Ernst Sodeikat kann etwa nachweisen, daß bereits im Jahr 1952 95 Prozent aller vom Niedersächsischen Wirtschaftsund Verkehrsministerium herausgegebenen schriftlichen Presseinformationen von der Presse genutzt wurden 81 . Die Öffentlichkeitsarbeit von Nordrhein-Westfalen hat Barbara Baerns82 untersucht, wobei dieses Bundesland sogar eine Kampagne zur Förderung des Landesbewußtseins durchgeführt hat83.

8. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Öffentlichkeitsarbeit Staatliche Öffentlichkeitsarbeit war in der Bundesrepublik immer umstritten. Gleichwohl bestand ein Konsens über die Notwendigkeit von Verlautbarungsjournalismus, da auch die größte Bereitschaft zu journalistischem Engagement nicht ausreichen würde, alle wichtigen Themen zu erfassen84. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte bereits 1966 im Urteil zur Parteienfinanzierung darauf hingewiesen, daß der Meinungs- und Willensbildungsprozeß in einer Demokratie sich vom Volk zu den Staatsorganen hin vollziehen soll und nicht umgekehrt. Gleichwohl sei Öffentlichkeitsarbeit der Regierung »mit dem demokratischen Grundsatz der freien und öffentlichen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vereinbar«, wenn damit der Öffentlichkeit deren »Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen« dargelegt werden85. Im Bundestagswahljahr 1976 ließ die Bundesregierung zwischen Mai und den Wahlen am 3. Oktober in Tageszeitungen und Zeitschriften aus Haushaltsmitteln finanzierte Anzeigenserien veröffentlichen. Die Anzeigen endeten jeweils folgendermaßen: »Die Zwischenbilanz zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Leistung verdient Vertrauen. Wir sichern die Zukunft«. Ferner gaben das BPA und die einzelnen Ministerien 1976 Bücher, Broschüren, Faltblätter und ähnliche Publikationen heraus (z.B. Bilanzdarstellungen der Regierungsarbeit, Servicepublikationen wie eine Wohngeldfibel, Reden des Bundeskanzlers und der Bundesminister, Gesetzes- und Vertragstexte). Diese Publikationen wurden zum großen Teil der SPD und der F.D.P. zur Verbreitung überlassen.

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Am 22. Juli 1976 reichte die CDU Klage beim Β VerfG ein. Sie warf der Bundesregierung vor, Wahlwerbung mit Mitteln des BPA zu betreiben. Am 2. März 1977, also nachdem SPD und F.D.P. die Wahl gewonnen hatten, fällte das Β VerfG das Urteil zur Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen, in dem festgestellt wurde, daß die Bundesregierung gegen den Grundsatz der Chancengleichheit bei Wahlen verstoßen hatte. Ausdrücklich wurde darauf verwiesen, daß Öffentlichkeitsarbeit in Wahlkampfzeiten besonders restriktiv gehandhabt und gleichmäßig über die Legislaturperiode verteilt werden müsse. Es wurde aber auch die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit herausgestellt. Demokratie setze ein weitgehendes Einverständnis der Bürger mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung voraus. Diesen Grundkonsens gelte es lebendig zu erhalten, und dazu bedürfe es staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Eine verantwortungsbewußte Teilnahme der Bürger an der politischen Willensbildung setze voraus, daß der einzelne über die zu entscheidenden Sachfragen sowie die von den Staatsorganen getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschläge genügend Informationen erhalte, um sie beurteilen zu können. Im Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 befaßte sich das BVerfG erstmals mit einem Defizit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit und rügte mangelnde Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der Vielzahl der bei der Volkszählung auftretenden Verfassungsbeschwerden. Es ordnete eine Wiederholung der Erhebung an, wobei besondere Aufklärungs- und Belehrungspflichten zu berücksichtigen waren. Die Bürger seien schriftlich über ihre Rechte zu informieren. Frank Schürmann kommentiert: »Die Bundesregierung hat aus dem Volkszählungsurteil und dem Gesetzesauftrag die naheliegende Konsequenz gezogen und die bis dahin größte regierungsamtliche Social-Marketing-Kampagne aller Zeiten mit einem Budget von rd. 40 Millionen D M in Angriff genommen, in deren Schlußphase sich auch der Deutsche Bundestag und der Bundespräsident beteiligten.« 86 Der »AIDSBeschluß« vom 28. Juli 1987 zeigte schließlich, »daß das BVerfG bei bestimmten Sachverhalten selbst Wert darauf legt, daß Informationsmaßnahmen umfassend und effektiv, nötigenfalls in Kampagnenform erfolgen« 87 . Schürmann 88 hat eine Vielzahl von Beispielen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit zusammengestellt, die unter Umständen Grundrechte tangiert haben. So veröffentlichte in den siebziger Jahren das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit Warnungen vor Jugendsekten und Jugendreligionen, deren Lehren zu psychischen Schädigungen bis hin zur Persönlichkeitszerstörung führen könnten. Anhänger fühlten sich in ihrer Ehre und in der Freiheit der Religionsausübung beeinträchtigt. Auch Warnungen vor bestimmten Produkten aus Gründen der Gefahrenvorsorge und -abwehr sind unter Umständen rechtlich problematisch.

9. Entwicklungen im Wirtschaftssektor 9.1 Zwei Beispiele: Krupp und

AEG

Die Entwicklung unternehmerischer Öffentlichkeitsarbeit in der Bundesrepublik ist bereits ausführlich aufgearbeitet worden 89 , so daß sich die Darstellung auf die beiden Firmen A E G und Krupp sowie zwei herausragende Kampagnen beschränkt.

Öffentlichkeitsarbeit

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Der Firma Krupp kommt bei der Entwicklung wirtschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland eine Führungsrolle zu, denn ihr gelang es zweimal nach den jeweiligen Niederlagen in den Weltkriegen, ihr extrem negatives Image als Kriegstreiber abzustreifen. Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte Carl Hundhausen die Öffentlichkeitsarbeit der Firma90. Er inszenierte u. a. 1961 die 150-Jahr-Feier als Medienspektakel mit Altbundespräsident Theodor Heuss als »Stargast«. Die Besuche ausländischer Staatsoberhäupter sowie in- und ausländischer Spitzenpolitiker in Essen dienten ebenso der Imagepflege wie die Nutzung der Villa Hügel als repräsentativer Ort und Kulturzentrum. Neben der Teilnahme an Messen, die auch zum Ausbau von Ostkontakten genutzt wurden, war die Förderung und Verbreitung Kruppfreundlicher Bücher ein Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit. Bei der AEG gründete Friedrich Mörtzsch die Presseabteilung im Jahr 1950. Er setzte sich insbesondere für den Industriefilm als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit ein. Obwohl die AEG 1996 aufgelöst wurde, blieb die Marke bestehen, wobei sich die Öffentlichkeitsarbeit der AEG-Hausgerätesparte ab 1976 auf die Ökologie konzentrierte. Die AEG-Hausgeräte kooperieren im Rahmen des Umweltsponsoring auch mit dem World Wide Fund for Nature (WWF). Das Image der AEG-Hausgeräte wird weiterhin gepflegt, obwohl die A E G als Firma nicht mehr existiert.

9.2 PR für die soziale Marktwirtschaft:

»Die Waage«

Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland wurde durch eine groß angelegte, von der Wirtschaft getragene PR-Kampagne begleitet. Im Herbst 1952 gründeten Unternehmer »Die Waage« (Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichs)91. Diese stellte sich die Aufgabe, die Öffentlichkeit mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der Gegenwart bekannt zu machen, sie von den Vorteilen der sozialen Marktwirtschaft zu überzeugen und damit den sozialen Ausgleich zu fördern. Die Kampagne hatte drei Ziele: 1. Aufklärung über die soziale Marktwirtschaft; 2. Imageverbesserung für die Unternehmer; 3. Pflege der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bzw. ihrer Organisationen, d.h. Förderung der Idee des sozialen Ausgleichs und damit Sicherung des sozialen Friedens. Ab Oktober 1952 veröffentlichte die Organisation im Zeitraum von 14 Jahren ca. 150 Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften. Dazu kamen Informationsbroschüren und Filme. 1955 erschien die 24seitige Informationsbroschüre »Steigende Produktivität - wachsender Wohlstand« in einer Auflagenhöhe von ca. 200 000 Exemplaren, die auch an Schulen genutzt wurde. Ohne jeden Zweifel hatte die von der »Waage« durchgeführte, langfristig angelegte Kampagne einen entscheidenden Einfluß auf die Akzeptanz des Systems der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik.

9.3 Die Aktion

Rourkela

Das Unternehmen DEMAG (Deutsche Maschinenbau AG) gründete 1956 die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, die 1959/60 über vier Redakteure verfügte und mit der

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DAS D E U T S C H E »WUNDER« Nicht wir nennen es «o, sondern fremde Reitende, die West-

Die S O Z I A L E M A R K T W I R T S C H A F T brach 1948 die

deutschlind seit 194« besuchen. Sie meinen die Wieder-

Diktatur des Bezugsscheines und gab den Auftakt für den

geburt unserer Wirtschaft: AU· Schutt und Trümmern vollzog

Wiederaufbau. Sie lehrt uns: Nicht die Verteilung des

sie sich In einem besiegten, zweigeteilten Land mit zehn

Mangels, sondern nur die stündige Steigerung der Produk-

Millionen Flüchtlingen und einer zum großen Teil zerstörten

tion vermag die Lebenshaltung des Volkes zu verbessern.

oder demontierten Industrie.

Einige mutige Männer riefen Arbeiter und Unternehmer, die

Tatsachen veranschaulichen, was hier seit 1945 gelebtet

Träger der deutschen Wirtschaft sen ergie, zum freien Wett»

wurde: Westdeutschland erzeugte 1951 Insgesamt mehr Güter

bewerb der Leistung auf. Sie folgten dem Ruf. In echter

aller Art alsl938, Imjahr des Höchststandes unserer Vorkriegs.

Solidarität bauten sie - von den jüngsten Hlfsarbeitern bis

Wirtschaft. Die industrielle Produktion war 1951 um 3 6 %

zu den Leitern der Großbetriebe - Ihre Arbeitsstätten ge·

höher als 1936. Sie erreichte bei lang entbehrten Massenver.

meinsam wieder auf. In einmütiger Zusammenarbeit - Im

brauchsgütern wie ζ. B. Möbeln, Hausrat, Bekleidung, Rund-

Zeichen der SOZIALEN MARK1W1RTSCHAFT - produ-

funkgeräten und Motorrädern nie d»gewesene Hochs tziffem.

zieren Unternehmer un>l Atbe terschaft gemeinsam immer

Zugleich stieg die deutsche Ausfuhr um das Siebenfache.

mehr, immer bessere und Immer billigere Güter, zum Wohle

Wir selbst nennen es kein Wunder, was hier seit 1948 voll,

der Gesamtheit. Nur so kommen wir Alle wieder auf einen

bracht wurde. Vielmehr waren es der Lebenswille unseres

grünen Zweig.

Volkes, FleiS und Können unserer Arbeiter und Unter* nehmer, weiche die Schicksalswende trarbtiMeti.

Zum Wohlstand Aller durch geeinte Kraft Eine Anzeige der "Waage, Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichse.V.". Die "Waage" veröffentlichte zwischen 1952und 1960einhun

Sorgen wir dafür, daß die Grundlage unseres gemeinschaft· Heben Schaffens, daß der SOZIALE FRIEDE erhalten bleibt 1

führt ixt SOZIALE MAF KT WIRTSCHAF dert Anzeigen in Serien, in denen die Vorteile der Marktwirtschaft herausgestellt wurden f jltimile 41»; Zentner Aufstieg aus dem NichivKwpenheuei & Winch

Eine Anzeige der »Waage, Gemeinschaft zur Förderung des sozialen Ausgleichs e. V.«: In den Jahren zwischen 1952 und 1960 veröffentlicht die »Waage« hundert Anzeigen in Serien, in denen die Vorteile der Marktwirtschaft hervorgehoben werden.

Öffentlichkeitsarbeit

560

Aktion Rourkela eine beispielhafte Kampagne internationaler PR durchführte. Diese warb ab 1958 im Zusammenhang mit der Errichtung eines Stahlwerkes im indischen Rourkela durch ein deutsches Firmenkonsortium über drei Jahre hinweg für die kluge Industrialisierungspolitik der indischen Regierung und stellte die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie heraus. Hintergrund dieser Maßnahme war, daß die Sowjetunion, die zur gleichen Zeit in Bhilai Nagar im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh ein Hüttenwerk wesentlich älterer Auslegung baute, eine systematische Propagandakampagne gegen Deutschland und seine Industrie führte, deren Generalmotto lautete: »Die Deutschen sind Kapitalisten und beuten aus. Deutsche Leistungen taugen nichts. Der Westen kolonisiert.«92 Im Rahmen der Rourkela-Kampagne wurden 50 000 Broschüren »All about steel« an die Presse, an Kongreßabgeordnete, Universitäten, Lehrer usw. verteilt. 5 000 indischen Meinungsführern wurde die englische Version der DEMAG-Zeitung zugesandt; Schulen und Universitäten erhielten 20 000 Schautafeln, auf denen der Produktionsverlauf im Werk und die Weiterverarbeitung von Flachstahl dargestellt wurden. Fünf Wochen lang wurden zur besten Sendezeit von Radio Ceylon (das All India Radio stand für Sponsorensendungen nicht zur Verfügung) am Sonnabend nach den Nachrichten 15minutige Sendungen zum Thema Stahlproduktion ausgestrahlt. Auch in indischen Zeitungen wurden PR-Anzeigenkampagnen durchgeführt. Der Pressesprecher der DEMAG suchte die Journalisten der wichtigsten indischen Tages- und Wirtschaftszeitungen auf; ferner gab es »meet the press«-Veranstaltungen. 46 Redakteure wurden zur Einweihung des Stahlwerkes nach Rourkela geflogen. Die indische Regierung erhielt neun Jahresstipendien für indische Studenten als Geschenk. Nach Einschätzung Friedrich von Friedeburgs wurde mit dieser Kampagne eine »Meinungswende« erreicht.

9.4 Krisen-PR als Schwerpunkt

der

Öffentlichkeitsarbeit

Ein Beispiel für Krisen-PR in Deutschland stellt die ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit nach dem Brand im Chemiewerk von Sandoz in Basel im November 1986 dar, in dessen Folge der Rhein verseucht wurde. Nach diesem Unglücksfall lief auch die Anzeigenkampagne des Verbandes der Chemischen Industrie ins Leere, die ab 1979 versuchte, Verständnis für die Probleme der Chemiebranche zu wecken und das Image einer umweltfreundlichen Industrie aufzubauen. Eine Umfrage von 1992/93 unter den größten deutschen Unternehmen im umweltsensiblen Bereich (Chemie, Pharma, Öl, Stahl, Auto, Recycling) ergab, daß zwischen der Theorie (ζ. B. symmetrische Kommunikation, offene Kommunikation in der Krise, Informationssammlung bei relevanten Teilöffentlichkeiten zur Krisenprävention) und der Praxis große Unterschiede bestehen93. Kommunikation in Form eines kontinuierlich geführten Dialogs mit relevanten Teilöffentlichkeiten findet insgesamt gesehen nicht statt. Dies ist um so überraschender, als Konsens als Produktionsfaktor immer wichtiger wird, wie ζ. B. 1995 die Vorgänge um die Bohrinsel »Brent Spar« verdeutlicht haben. Ein Konzept für die Krisenprävention durch die Einbindung der von Industrieaktivitäten betroffenen Menschen stellt die »verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit« dar, die in der Wissenschaft intensiv diskutiert worden ist94.

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Das Stahlwerk Rourkela in Indien.

10. Greenpeace und WWF als neue Akteure der Öffentlichkeitsarbeit Aktivistische Organisationen wie Greenpeace, das seit 1980 in Deutschland tätig ist, sind als Akteure der Öffentlichkeitsarbeit und als für Unternehmen relevante Elemente der Umwelt immer bedeutsamer geworden95. Das wichtigste Instrument der Greenpeace-Öffentlichkeitsarbeit sind »Pseudo-Ereignisse«, die in Szene gesetzt werden, um die Aufmerksamkeit der Massenmedien zu gewinnen. Viele Aktionen verlaufen nach folgendem Muster: Unter hohem persönlichen Risiko wird versucht, umweltzerstörende Verhaltensweisen aufzuhalten, bis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der damit verbundene Druck auf »die Verantwortlichen« einsetzt. Greenpeace nimmt für sich ein »Notwehrrecht« in Anspruch, um illegale Aktionen bzw. Verstöße gegen Gesetze zu rechtfertigen. Die Organisation versteht sich als »Anwalt der geschundenen Kreatur und Natur« mit dem Regenbogen als Symbol und dem Motto: »Taten statt Worte«. Eine Umfrage ergab, daß Greenpeace als die mit weitem Abstand faszinierendste gemeinwohlorientierte Organisation gilt96.1994 zeigte eine Repräsentativbefragung junger Deutscher (14 bis 29 Jahre), daß Greenpeace die Organisation mit der höchsten Glaubwürdigkeit war97. Die Öffentlich-

Öffentlichkeitsarbeit

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keitsarbeit dieser Organisation ist ausgesprochen erfolgreich: »Von Mai bis Juni 1990 gingen über 80 Prozent aller Artikel zur Umweltthematik auf Anlässe oder Ereignisse zurück, die von Greenpeace selbst vorgegeben worden waren, d. h. auf medienwirksam inszenierte Aktionen, Pressekonferenzen und Pressemitteilungen«98. Während Greenpeace auf Konfrontation setzt, bemüht sich der seit 1963 auch in Deutschland aktive WWF um Kooperation. WWF versteht sich ebenfalls als »Anwalt der Natur« und bietet Unternehmen ζ. B. die Möglichkeit, durch Kooperation das Image der Umweltfreundlichkeit aufzubauen 99 . Die Tochtergesellschaft Panda Fördergesellschaft für Umwelt mbh nahm 1996 2,6 Millionen DM durch die Vergabe des WWF-Logos an Unternehmen ein. Inzwischen arbeiten eine Vielzahl von Unternehmen mit dem WWF zusammen100.

11. Neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit Die Grenzen zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing bzw. auch Werbung werden immer unschärfer (z.B. Sponsoring, Merchandising, Product Placement, Barteringlm). Beim Sponsoring kommt dem Kultursponsoring eine besondere Rolle zu, das einen breiten Bereich von der Förderung von Kunstausstellungen bis zur Unterstützung von Popgruppen umfaßt. Kultursponsoring dürfte weiterhin zunehmen, da im Februar 1998 das Bundesfinanzministerium den sogenannten Sponsorenerlaß gelockert und die Empfänger von Sponsorengeldern steuerlich bessergestellt hat102. Der große Vorteil des Kultursponsoring besteht darin, daß sich die Zielgruppe relativ genau bestimmen läßt. Dies gilt auch für andere Formen des Sponsoring, wie ζ. B. das Sportsponsoring. Product Placement bezeichnet die gezielte Plazierung von Markenartikeln als reale Requisiten in der Handlung eines Spielfilms, einer Fernsehsendung oder ähnlichem. Bartering bedeutet den Tausch vorproduzierter Sendungen (TV oder Radio) gegen Werbezeit; so besitzt Unilever weltweit die Rechte an der Sendung Glücksrad (SAT.l). Merchandising (ungefähr mit Handelsgeschäft zu übersetzen) tritt in verschiedenen Varianten auf, wie z.B. als Brand Merchandising (Eigenwerbung für Sender oder Unternehmen) oder Lizenz-Merchandising (Begleitprodukte greifen die Programminhalte einen Sendung auf und vermarkten sie, ζ. B. als Figuren wie Biene Maja, die Mainzelmännchen oder Mickymaus).

12. Öffentlichkeitsarbeit im Ausland Die Übergänge zwischen der Öffentlichkeitsarbeit von Staat und Wirtschaft sind oftmals fließend, wobei häufig eine enge Verbindung zwischen Landes- und Produktimage (Herkunftslandeffekt 103 : Made in Germany) besteht. Bestimmte Markenartikel bzw. Unternehmen (ζ. B. Krupp, Mercedes) haben das Image Deutschlands

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mitgeprägt, wobei dieses Image wiederum als »Kapital« für den Export interpretiert werden kann. Auch ausländische Akteure betreiben Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. So ergab eine Inhaltsanalyse von PR-Anzeigen ausländischer Staaten in deutschen Zeitungen und Zeitschriften, daß Deutschland als Zielgebiet ausländischer PR genauso bedeutend zu sein scheint wie die USA 104 . Die Anzeigen betrafen zwar vor allem touristische Themen, enthielten aber auch eindeutig politische Aussagen (ζ. B. Anzeigen der Türkei im Rahmen der Bemühungen, die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union zu erlangen). Das Bewußtsein um den »Herkunftslandeffekt«, d. h. um das Image Deutschlands im Ausland, ist gewachsen. Zu den kulturpolitischen Instrumenten der Imagepflege Deutschlands gehören u. a. die Deutsche Welle, das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Auch das BPA betreibt politische Öffentlichkeitsarbeit im Ausland. So erscheinen die Broschüre »Facts about Germany« und die Zweimonatszeitschrift »Deutschland«, die in einer Auflage von 60 000 Exemplaren weltweit kostenlos an Multiplikatoren verteilt wird, in 15 Sprachen. Inter Nationes organisiert im Auftrag des BPA Besucherprogramme für ca. 1 800 ausländische Multiplikatoren pro Jahr. Auch die Wirtschaft betreibt auf verschiedenen Ebenen Imagepflege, wobei die »Wirtschaftsjunioren Deutschlands« ihre Öffentlichkeitsarbeit insbesondere für den Standort Deutschland einsetzen105. Das Image Deutschlands ist mit exzellenter wirtschaftlicher Leistung verbunden, wie ζ. B. hoher Kompetenz im Maschinenbau oder hochwertigen technischen Produkten. Günter Schweiger gelangte 1992 zu dem Resümee, daß Deutschlands Image durch seine Industrie geprägt sei106. Es ist berühmt für seine technischen Produkte und sein Know-how. Mit der Wiedervereinigung erlangte das Imageproblem besondere Aktualität, weil das Argument wiederbelebt wurde, ein Staat, in dem alle Deutschen lebten, sei für das kleine Europa zu stark (Image des Unruhestifters). Hinzu kam das Bild eines »Drückebergers« während des Kriegs am Golf: Seinerzeit schaltete die Tengelmann-Unternehmensgruppe ganzseitige Anzeigen (u.a. in »Frankfurter Allgemeine«, »Die Welt«, »Handelsblatt«, »Westdeutsche Allgemeine Zeitung«), mit der Hauptaussage, die Deutschen schuldeten den USA moralische Unterstützung. Imageschädigend war ferner die Lieferung chemischer Waffen an Saddam Hussein und Moamar Gaddhafi. Eine Anzeige des Verbands der Chemischen Industrie »Nein zu Chemiewaffen! Ohne Wenn und Aber« dürfte kaum kompensierend gewirkt haben. Besonders beachtet werden auch ausländerfeindliche Aktivitäten. Eine im September 1993 veröffentlichte Umfrage in Auftrag des Bundeskanzleramts unter 1 200 Amerikanern ergab, daß 54 Prozent einen neuen Nationalsozialismus in Deutschland befürchteten. 52 Prozent stuften die Deutschen als judenfeindlich ein, und 41 Prozent sahen im wiedervereinigten Deutschland eine Gefahr für den Frieden. Tatsächlich aber ist, wie andere Befragungen belegen, die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland gering107. Abgesehen davon gab es ab 1991/92 eine Vielzahl nicht zentral geplanter Kampagnen gegen Ausländerfeindlichkeit. So schalteten u.a. Privatpersonen, Medien, Werbeagenturen, Berufsgruppen (z.B. Künstler), Gewerkschaften, Unternehmen, Universitäten, Schulen und Kommunen Zeitungsanzeigen zu dieser Thematik 108 .

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13. Schlußbemerkungen Eine weitere Expansion des Berufsfeldes Öffentlichkeitsarbeit ist aus folgenden Gründen zu erwarten: 1. Die Globalisierung der Wirtschaft wird zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Gesellschaften und damit auch der für die Öffentlichkeitsarbeit wesentlichen Teilöffentlichkeiten führen, die ihrerseits jeweils Öffentlichkeitsarbeit betreiben werden, um ihre Interessen durchzusetzen. 2. Mit der Integration Europas 109 wird sich ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit an die Plätze verlagern, an denen entscheidungsrelevante europäische Institutionen angesiedelt sind. 3. Neue technologische Entwicklungen (z.B. Internet, Business-TV) werden im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit immer intensiver genutzt werden - und zwar sowohl im Bereich externer als auch interner Öffentlichkeitsarbeit. Hinzu kommt, daß aufgrund der immer weiter wachsenden Informationsflut mit steigender Nachfrage nach Öffentlichkeitsarbeit zu rechnen ist, die in der Lage ist, Botschaften öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Öffentlichkeitsarbeit wird auch deshalb eine Wachstumsbranche bleiben, weil immer mehr Unternehmen die Bedeutung des Konsenses als Produktionsfaktor erkennen werden. Auch staatliche Öffentlichkeitsarbeit dürfte weiter intensiviert werden, weil das Image des Standorts Deutschland bedeutsamer werden wird. Staatliche Institutionen wie ζ. B. das Bundesministerium für Verteidigung führen verstärkt öffentlichkeitswirksame Maßnahmen durch, etwa die 1994 gestartete, auf fünf Jahre angelegte Kampagne unter dem Slogan »Wir sind da, Bundeswehr« (»Dachkonzept Informationsarbeit Bundeswehr 2000«). Der Bedarf nach angemessener Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich auch darin, daß noch immer selbst in hochsensiblen Bereichen die Kommunikation mit der Öffentlichkeit mangelhaft ist. Dies hat sich ζ. B. im Mai 1998 gezeigt, als aufgedeckt wurde, daß bei Atommüll-Transporten der Grenzwert für die radioaktive Verschmutzung um ein Vielfaches überschritten worden war110. Ein deutlicher Wandel der Öffentlichkeitsarbeit ist durch das »neue Medium« Internet möglich, denn hier bietet sich vielleicht die Chance, die Konzeption der symmetrischen Öffentlichkeitsarbeit zu realisieren111. Obwohl genaue statistische Daten nicht vorliegen, kann davon ausgegangen werden, daß immer mehr Unternehmen Öffentlichkeitsarbeit im Internet betreiben werden. Inzwischen gibt es bereits auf das Internet spezialisierte PR-Agenturen. Auch andere Entwicklungsmöglichkeiten veränderter Öffentlichkeitsarbeit bieten sich an, wie ζ. B. Business TV, dessen Einsatzmöglichkeiten vielfältig sind, sei es zur Mitarbeiter- und Kundeninformation oder auch als Instrument zur Durchführung von Konferenzen. Unklar ist im Moment noch, inwieweit sich die Ausweitung von Telearbeit auf unternehmensinterne Kommunikationsstrukturen und die innere Öffentlichkeitsarbeit auswirkt, wenn Vorgesetzte ihre Untergebenen nicht mehr bei der Arbeit sehen. Neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit werden immer wieder vorgeschlagen, ihre Akzeptanz bleibt aber abzuwarten112.

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Anmerkungen: 1

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Vgl. Carl Hundhausen, Public Relations. Ein Reklamekongreß für Werbefachleute der Banken in USA, in: Die Deutsche Werbung, 19 (1937), S. 1037. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es 1947 wiederum Hundhausen, der den Begriff als erster verwandte; vgl. ders., Public Relations, in: Westdeutsche Wirtschafts-Korrespondenz, 2 (1947), Nr. 122 vom 16. Oktober 1947, S. 1. Vgl. Albert Oeckl, Historische Entwicklung der Public Relations, in: Dieter Pflaum/ Wolfgang Pieper (Hrsg.), Lexikon der Public Relations, Landsberg 1989, S. 115. Vgl. Wilmont Haacke, »public relations« - oder das Vertrauen der Öffentlichkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Β 27/69, S. 4. Diskussionspapier der DPRG, Public Relations/Öffentlichkeitsarbeit heute - Zum Verständnis ihrer Funktionen, Tätigkeiten und beruflichen Anforderungen, in: prmagazin, (1986) 10, S. 40. Vgl. Gernot Joerger, Öffentlichkeitsarbeit, Stuttgart 1975, S. 13. Vgl. Günter Bentele, Verständnisse und Funktionen von Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda in der DDR, in: Tobias Liebert (Hrsg.), Public Relations in der DDR. Befunde und Positionen zu Öffentlichkeitsabeit und Propaganda, Leipzig 1998, S. 53 f. Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann/Winfried Schulz (Hrsg.), Publizistik (Fischer Lexikon Bd. 9), Frankfurt/M. 1971, S. 307. Vgl. Michael Kunczik, Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland, Köln u. a. 1997. Vgl. Franz Ronneberger, Theorie der Public Relations, in: D. Pflaum/W. Pieper (Anm. 2), S. 428. Franz Ronneberger/Manfred Rühl, Theorie der Public Relations: Ein Entwurf, Opladen 1992, S. 19. Vgl. T. Liebert (Anm. 6). Vgl. Hanns Dietrich Ahrens, Anti-Demontage-PR. Blick in eine Public-relations-Werkstatt zur Zeit der Demontagen Deutscher Industrie-Anlagen 1948, in: PR-magazin, (1979) 3, S. 36-38. Walter Kordes/Hans Pollmann, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Düsseldorf 19859, S. 15. Hans Domizlaff, Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik, Hamburg 19512; (zuerst 1939). Carl Hundhausen, Werbung um öffentliches Vertrauen (Public Relations), Essen 1951 (bereits der Titel dieses Buches verdeutlicht, wie schwer bzw. praktisch unmöglich die Abgrenzung von PR und Werbung ist); ders., Industrielle Publizität als Public Relations, Essen 1957. Herbert Gross, Moderae Meinungspflege, Düsseldorf 1951. Ernst Vogel, Public Relations, Frankfurt/M. 1952. Hans Edgar Jahn, Vertrauen - Verantwortung - Mitarbeit, Oberlahnstein 1953. Die zweite Auflage erschien unter dem Titel: Lebendige Demokratie. Die Praxis der politischen Meinungspflege in Deutschland, Frankfurt/M. 1956. Friedrich H. Körte, Über den Umgang mit der Öffentlichkeit (Public Relations), Berlin 1955. Adalbert Schmidt, Public Relations als unternehmerische Aufgabe in der Neuen und Alten Welt, Heidelberg 1959. Friedrich Mörtzsch, Offenheit macht sich bezahlt. Die Kunst der Meinungspflege in der amerikanischen Industrie, Düsseldorf 1956. Vgl. Albert Oeckl, Handbuch der Public Relations, Hamburg 1964. Die Sozialingenieure glaubten, ganz in der Tradition des Positivismus stehend, Gesellschaften zum Wohle aller steuern zu können; vgl. Michael Kunczik, Public Relations:

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Angewandte Kommunikationswissenschaft oder Ideologie? Ein Beitrag zur Ethik der Öffentlichkeitsarbeit, in: Wolfgang Armbrecht/Ulf Zabel (Hrsg.), Normative Aspekte der Public Relations, Opladen 1994, S. 229, S. 257 ff. H. Gross (Anm. 16), S. 22, S. 83. F. Mörtzsch (Anm. 21), S. 15 f. Vgl. E. Vogel (Anm. 17), S. 103. Η. E. Jahn (Anm. 18). Gernot Brauer, ECON Handbuch Öffentlichkeitsarbeit, Düsseldorf 1993, S. 45. Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim, 1\i Gutes und rede darüber. Public Relations für die Wirtschaft, Berlin 1961, S. 41. Vgl. Wilfried Scharf, Public relations in der Bundesrepublik Deutschland. Ein kritischer Überblick über die gegenwärtig maßgebenden Ansichten, in: Publizistik, 16 (1971), S. 165. Vgl. Benno Signitzer, Aspekte der Produktion von Public Relations-Wissen, in: Horst Avenarius und Wolfgang Armbrecht (Hrsg.), Ist Public Relations eine Wissenschaft?, Opladen 1992, S. 200. Vgl. A. Oeckl (Anm. 22), S. 24. Albert Oeckl, PR-Praxis. Der Schlüssel zur Öffentlichkeitsarbeit, Düsseldorf und Wien 1976, S. 15, S. 19, S. 52. Ders., Die Informationsfunktion der Öffentlichkeitsarbeit, in: Helga Reimann/Horst Reimann (Hrsg.), Information, München 1977, S. 190. Franz Ronneberger, Legitimation durch Information, Düsseldorf-Wien 1977, S. 14. F. Ronneberger (Anm. 35), S. 20. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied 19683, (zuerst 1962). Vgl. Elisabeth Binder, Die Entstehung unternehmerischer Public Relations in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Münster 1983. Friedrich H. Körte, Spurensuche in einem >weiten Felde Beziehungen zwischen Steinzeit und Gegenwart deutscher Public Relations, in: Peter Szyszka (Hrsg.), Auf der Suche nach Identität. PR-Geschichte als Theoriebaustein, Berlin 1997, S. 40, S. 42. Vgl. Bettina Nöthe, PR-Agenturen in der Bundesrepublik Deutschland, Münster 1994, S. 98 ff. Nöthe ermittelte 1991 insgesamt 209 Agenturen; vgl. ebd., S. 19. G. Brauer (Anm. 28), S. 47. F. H. Körte (Anm. 39), S. 61. F. H. Körte (Anm. 39), S. 55 f. Im Original: »erforderten«. Mit Linienfunktion ist gemeint: Pressearbeit, Publikationen, Kontaktpflege u. a. Deutsche Public-Relations-Gesellschaft (DPRG), Public Relations als Aufgabe der Industrie, o. O, o. J. (1959), S. 2. Carl Hundhausen, Zur Gründung der Deutschen Public Relations-Gesellschaft (DPRG), in: Wirtschaft und Werbung, (1959) 1, S. 8. Peter Szyszka, Carl Hundhausen - ein Ahne im Abseits?, in: ders. (Anm. 39), S. 238. Deutsche Public-Relations-Gesellschaft (DPRG), (Anm. 44), S. 2. E. Binder (Anm. 38), S. 238. Vgl. dazu ζ. B. Christa Hategan, Berufsfeld Öffentlichkeitsarbeit. Eingrenzung für die Aus- und Weiterbildung, Hamburg 1991, S. 280. Vgl. Günter Bentele/Peter Szyszka (Hrsg.), PR-Ausbildung in Deutschland. Entwicklung, Bestandsaufnahme und Perspektiven, Opladen 1995, S. 14.; vgl. ferner Gernot Brauer, Wege in die Öffentlichkeitsarbeit: Einstieg, Einordnung, Einkommen in PR-Berufen, Konstanz 19962. Vgl. WBPR, PR werden wachsende Akzeptanz bescheinigt, in: werben & verkaufen, (1990) 44, S. 46-48. Vgl. Barbara Baerns/Michael Höffken, Der Zugang der Öffentlichkeitsarbeiter zur Information - Versuche systematischer Annäherung an ein praktisches Problem, in: prmagazin, (1991) 8, S. 35 -42.

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Vgl. A. Oeckl (Anm. 33), S. 313; Klaudia Gründl, Feminisierung von Public Relations. Eine empirische Studie zum Einfluß und der Stellung von Frauen im Berufsbereich Public Relations in Österreich, in: prmagazin, (1997) 11, S. 34. Carl Hundhausen, Public Relations. Theorie und Systematik, Berlin 1969, S. 61. Vgl. Benno Signitzer, Public Relations-Forschung im Überblick. Systematisierungsversuche auf der Basis neuerer amerikanischer Studien, in: Publizistik, (1988) 33, S. 92. Vgl. Horst Avenarius, Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation, Darmstadt 1995, S. 11. Zu den Reaktionen der PR- und Werbebranche vgl. ζ. B. prmagazin, (1986) 2, S. 3 ff. Im Oktober 1986 bemerkte Bundeskanzler Helmut Kohl über Michail Gorbatschow: »Er ist ein moderner kommunistischer Führer, der sich auf Public Relations versteht. Goebbels ( . . . ) war auch ein Experte in Public Relations. Man muß doch die Dinge auf den Punkt bringen dürfen.« Zitiert nach H. Avenarius (Anm. 56), S. 12. Günter Bentele, Ethik der Public Relations als wissenschaftliche Herausforderung, in: Jürgen Wilke (Hrsg.), Ethik der Massenmedien, Wien 1996, S. 144. G. Bentele (Anm. 58), S. 144. Ulrike Röttger, Journalistische Qualifikation in der Öffentlichkeitsarbeit. Inhaltsanalyse von PR-Stellenanzeigen, in: Günter Bentele/Michael Haller (Hrsg.) Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure-Strukturen-Veränderungen, Konstanz 1997, S. 274. Vgl. Jürgen Wilke/Ulrich Müller, Im Auftrag. PR-Journalisten zwischen Autonomie und Interessenvertretung, in: Hans Mathias Kepplinger (Hrsg.), Angepaßte Außenseiter, Freiburg 1979, S. 115-144. Vgl. Barbara Baerns, Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einfluß im Mediensystem, Köln 1985. Vgl. Henrike Barth/Wolfgang Donsbach, Aktivität und Passivität von Journalisten gegenüber Public Relations, in: Publizistik, (1992) 37, S. 151-165. Vgl. Dirk Sturny, Einfluß von Krisen-Typen auf Publikationsweisen. Eine Input-OutputAnalyse anhand von zwei Beispielen, Mainz 1997 (unv. Magisterarbeit). Dirk Sturny klassifizierte Krisen anhand der Kriterien »fortwährendes Drohpotential« (über das aktuelle Geschehen hinausgehende Bedrohung der Bevölkerung ζ. B. durch einen Chemiebetrieb) und »moralische Schuld« (niedrige Beweggründe oder grobe Fahrlässigkeit eines Akteurs). Während es etwa der Lufthansa (Airbusabsturz: keine fortwährende Drohung und keine moralische Schuld) gelang, ihre zentrale Botschaft wertfrei bzw. positiv in den Medien zu verbreiten (in 85 Prozent aller Fälle), war dies den Farbwerken Hoechst (fortwährendes Drohpotential und moralische Schuld) wesentlich weniger häufig (28 Prozent) möglich. Ferner wurde über Hoechst deutlich negativer berichtet als über die Lufthansa. Martin Löffelholz, Dimensionen struktureller Kopplung von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Überlegungen zur Theorie selbstreferentieller Systeme und Ergebnisse einer repräsentativen Studie, in: G. Bentele/M. Haller (Anm. 60), S. 194. Günter Bentele/Tobias Liebert/Stefan Seeling, Von der Determination zur Intereffikation. Ein integriertes Modell zum Verhältnis von Public Relations und Journalismus, in: G. Bentele/M. Haller (Anm. 60), S. 240. Vgl. Horst O. Walker, Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Eine Untersuchung zu Fragen der Organisation, Koordination und Kontrolle der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, Frankfurt/M. 1982, S. 22. Der Leiter des BPA und sein Stellvertreter waren von Anfang an politische Beamte, die jederzeit in den Ruhestand versetzt werden konnten. Das BPA ist kein Ministerium, sondern eine »Oberste Bundesbehörde« mit Sonderstellung. Vgl. Felix von Eckardt, Ein unordentliches Leben. Lebenserinnerungen, DüsseldorfWien 1967. Frank Andreas Buchwald, Adenauers Informationspolitik und das Bundespresseamt. Strategien amtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Kanzlerdemokratie, Mainz 1991, S. 49.

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Markus Schöneberger, Diplomatie im Dialog. Ein Jahrhundert Informationspolitik des Auswärtigen Amtes, München-Wien 1981, S. 129. Vgl. Johannes J. Hoffmann, Adenauer: »Vorsicht und keine Indiskretionen!« Zur Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung 1949-1955, Aachen 1995, S. 291 ff., S. 329ff. Gerhard Schmidtchen, Die befragte Nation. Über den Einfluß der Meinungsforschung auf die Politik, Freiburg/Br. 1961% S. 149. H. O. Walker (Anm. 67), S. 107. Otto Lenz, Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz 1951 -1953, Düsseldorf 1959, S. 2. Arnulf Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, München-Wien 1969, S. 8. Vgl. Hans Edgar Jahn, Otto Lenz, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Christliche Demokraten der ersten Stunde, Bonn 1966, S. 243-266. Zu den Bemühung, ein Informationsministerium schaffen zu wollen, vgl. O. Lenz, (Anm. 74), S. 712 ff. Diskussionsbeitrag von Η. E. Jahn während der Rhöndorfer Gespräche vom 23. April 1987, in: Karl-Günther von Hase, Konrad Adenauer und die Presse, Bonn 1988, S. 55. Vgl. zum folgenden Η. E. Jahn (Anm. 78), S. 147 ff. Jahn gibt in seinen Memoiren »An Adenauers Seite. Sein Berater erinnert sich« (München· Wien 1987) im Klappentext an: »Die Organisation hatte im Jahre 1963 104 000 Mitarbeiter.« Zitiert nach H. O. Walker (Anm. 67), S. 43. Ernst Sodeikat, Sind Pressestellen notwendig? Die Auswertung von Informationen durch die Presse. Ergebnisse einer Untersuchung, München 1953. Vgl. B. Baerns (Anm. 62). Vgl. Eike Hebecker, »Wir in Nordrhein-Westfalen« - Die NRW-Kampagne als alternatives Konzept politischer Steuerung, in: Sigrid Baringhorst u. a. (Hrsg.), Macht der Zeichen - Zeichen der Macht: neue Strategien politischer Kommunikation, Frankfurt/M. u. a. 1995, S. 45-70. Vgl. Petra E. Dorsch, Verlautbarungsjournalismus - eine notwendige Medienfunktion, in: Publizistik, (1982) 27, S. 530-540. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Bundesverfassungsgericht (Hrsg.), Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 zur Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen in Bund und Ländern. Dokumentation des Verfahrens und Materialien, Karlsruhe, o.J., S. 3 (BPA-BVerfGE 20, S. 56, S. 99f). Frank Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Strukturen, Medien, Auftrag und Grenzen eines informalen Instruments der Staatsleitung, Berlin 1992, S. 32. F. Schürmann (Anm. 86), S. 32. F. Schürmann (Anm. 86), S. 258 ff. Vgl. E. Binder (Anm. 38). Vgl. Eva-Maria Lehming, Carl Hundhausen: Sein Leben, sein Werk, sein Lebenswerk. Public Relations in Deutschland, Wiesbaden 1997, S. 157 ff. Vgl. Michael Kunczik/Simone Schüfer, PR für die Soziale Marktwirtschaft-Die Waage. Eine vergessene Wurzel der Public Relations, in: prmagazin, 24 (1993) 2, S. 35 - 4 0 . Friedrich von Friedeburg, DEMAG: Kampagne in Indien. Ein Rückblick, in: Joachim H. Bürger/Hans Joliet (Hrsg), Die besten Kampagnen: Öffentlichkeitsarbeit, Landsberg 1987, S. 115-119. Das Zitat stammt von einem beigefügten Blatt ohne Paginierung: Friedrich von Friedeburg, Was die Rourkela-Kampagne bedeutsam machte. Vgl. Michael Kunczik, Alexander Heintzel/Astrid Zipfel, Krisen-PR. Unternehmensstrategien im umweltsensiblen Bereich, Köln u. a. 1995. Vgl. Günter Bentele/Tobias Liebert (Hrsg.), Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. Darstellung und Diskussion des Ansatzes von Roland Burkart, Leipzig 1995 (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft Universität Leipzig); Günter Ben-

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tele/Horst Steinmann/Ansgar Zerfaß (Hrsg.), Dialogorientierte Unternehmenskommunikation. Grundlagen - Praxiserfahrungen - Perspektiven, Berlin 1996. Greenpeace-Deutschland hatte 1997 Einnahmen in Höhe von 68,8 Millionen DM (davon 35,6 Millionen DM Spenden). Die Aufwendungen lagen bei 76,7 Millionen DM; davon entfielen 50,6 Millionen DM auf Kampagnenkosten (davon wiederum die Hälfte für internationale Aktionen). Die Kommunikationskosten betrugen 18,5 Millionen DM. Die Zahl der Förderer wird mit 520 000 angegeben. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. Juni 1998, S. 18. Vgl. Dieter Franke, Greenpeace schlägt Porsche. Die Faszination gemeinwohl-orientierter Organisationen, in: prmagazin, (1988) 2, S. 27-29, S. 33-34. Vgl. »Wann möchten Sie sterben?, in: Der Spiegel Nr. 38 vom 19. September 1994, S. 65-90, insb. S. 70. Vgl. zu einer Repräsentativbefragung des IfD Allensbach, wonach Greenpeace bei 72 Prozent der Bundesbürger das größte Vertrauen genießt: Kein normaler PR-Job. Fallbeispiel, in: prmagazin, (1990) 1, S. 18. Vgl. Torsten Rossmann, Das Beispiel Greenpeace. Öffentlichkeitsarbeit und ihr Einfluß auf die Medien, in: Media Perspektiven, (1993) 2, S. 91. Stefan M. Cremer, Sozio- und Umweltsponsoring aus der Sicht des Beraters, Hilfestellung für nichtkommerzielle Organisationen, in: prmagazin, (1990) 10, S. 35-38. Vgl. Renate Zillessen und Dieter Rahmel (Hrsg.), Umweltsponsoring, Wiesbaden 1991. Informationen der Umweltstiftung WWF-Deutschland. Vgl. dazu den Beitrag von Siegfried J. Schmidt in diesem Band. Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit (Konkurrenz zu Werbeagenturen) mußte zuvor eine gemeinnützige Kultureinrichtung ihre Sponsorengelder dann versteuern, wenn sie an den Werbemaßnahmen des Sponsors mitwirkte, d. h. wenn ζ. B. der Name des Sponsors genannt wurde. Vgl. Michael Kunczik, Images of nations and international public relations, Mahwah/ N.J., 1997, S. 57ff. Vgl. Michael Kunczik/Uwe Weber, PR-Anzeigen ausländischer Staaten in deutschen Zeitungen und Zeitschriften, in: Publizistik, (1993) 38, S. 46 - 65. Vgl. z.B. die Initiative »How to promote Germany«. Dazu: Wirtschaftsjunioren Deutschlands (Hrsg.), Marketing für Deutschland, Marketing for Germany, Bonn 1996. Vgl. Günter Schweiger, Österreichs Image in der Welt. Ein Vergleich mit Deutschland und der Schweiz, Wien 1992, S. 296 f. Vgl. Renate Köcher, Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ist gering, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. August 1993, S. 5. Vgl. ζ. B. Axel Dorias/Anja Eleonore Pitz, Kampagnen gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Zündende Anzeigen gegen Brandsätze?, in: S. Baringhorst u.a. (Anm. 83), S. 195-231. Zur Problematik einer Europäischen Öffentlichkeit vgl. Gerd G. Kopper (Hrsg.), Europäische Öffentlichkeit: Entwicklung von Strukturen und Theorie, Berlin 1997. Der Vorstandsvorsitzende der RWE meinte, durch den Brennelemente-Transport sei eine Vertrauenskrise herbeigeführt worden. Bundeskanzler Kohl bezeichnete es als »eine miserable Sache«, wenn die Einzelheiten erst nach und nach bekannt gemacht würden. Auch habe er keinerlei Verständnis dafür, daß die Sensibilität der Verantwortlichen nicht dafür ausgereicht habe, um zu erkennen, wie sehr das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert worden sei; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Juni 1998, S. 2. Vgl. z.B. Ansgar Zerfaß/Karen Fietkau, Interaktive Öffentlichkeitsarbeit. Der Einsatz von Internet und Online-Diensten im PR-Management, Universität Erlangen-Nürnberg 1997. So gibt es inzwischen selbst »Business-Theater« als Instrument interner Öffentlichkeitsarbeit, vgl. Wirtschaftswoche Nr. 25 vom 11. Juni 1998, S. 96.

GUNTER HOLZWEISSIG

Massenmedien in der DDR

1. Die Rahmenbedingungen Sieht man vom letzten Jahr der Existenz der DDR ab, so blieben seit deren Gründung im Jahre 1949 die Strukturen der Anleitung und Kontrolle sowie die Organisation der Medien in ihren Grundzügen nahezu konstant. Im Laufe ihrer jahrzehntelangen Herrschaft perfektionierte und verfeinerte die SED lediglich die Methoden der Medienlenkung. Während die parteiamtliche und die staatliche Kulturbürokratie in die Buch- und Filmproduktion mit rigoros gehandhabten Genehmigungs- und Zensurpraktiken eingriff, verzichtete die SED bei den elektronischen und den Printmedien auf einen institutionalisierten Zensor. Im Art. 9 der am 7. Oktober 1949, dem Tage der Staatsgründung der Deutschen Demokratischen Republik, in Kraft getretenen Verfassung hieß es sogar noch: »Eine Pressezensur findet nicht statt.« Bei der Verkündung der neuen DDR-Verfassung im Jahre 1968 entfiel dieser Passus allerdings stillschweigend. Offenbar hielt man ihn angesichts der inzwischen eingespielten Lenkungsmechanismen für überflüssig. Lediglich die Kirchenzeitungen unterlagen in der DDR einer durch das Presseamt in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) auch konspirativ wahrgenommenen Vorzensur1. Zur Vorbereitung auf den Kriegsfall ließ die SED-Führung detaillierte Schubladenpläne für die Einführung der Pressezensur ausarbeiten und sie in den achtziger Jahren im Rahmen streng geheimgehaltener militärischer Übungen erproben2. Die Redaktionen der Massenmedien hatten die als »Empfehlungen« verbrämten Presseanweisungen der Abteilung Agitation des SED-Zentralkomitees und des ihr faktisch unterstellten Presseamtes entweder buchstabengetreu oder sinngemäß umzusetzen. Bis auf die Einführung der Pressezensur im Zweiten Weltkrieg glich dieses Verfahren dem der Medienlenkung des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im Dritten Reich. Was inhaltlich nicht ohnehin geregelt war, besorgte in der Regel die »Schere im Kopf« - die Selbstzensur der Journalisten. Sie, die later und Opfer zugleich waren, unterstützten die SED nach Kräften bei der Zementierung ihres Meinungsmonopols. Art. 27 der DDR-Verfassung garantierte die Freiheit der Presse, des Hörfunks und des Fernsehens und räumte jedem Bürger formal das Recht ein, »den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern«. Doch die auf dem Papier gewährte Meinungsfreiheit war lediglich Makulatur. Denn zu

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den Grundsätzen, an denen nicht gerüttelt werden durfte, gehörte die nunmehr auch im Art. 1 der Verfassung von 1968 verankerte »führende Rolle« der SED. Sie stand in enger Verbindung mit dem auf Lenin zurückgehenden kommunistischen Organisations· und Leitungsprinzip des »demokratischen Zentralismus« (Art. 47)3, der höchst undemokratisch - jedermann zur bedingungslosen Anerkennung der von der Parteiführung gefaßten Beschlüsse verpflichtete. Zusätzlich beschnitten willkürlich gesetzte und ausgelegte politische Strafrechtsnormen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit4. Art. 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik gewährleistet im Katalog der Grund- und Menschenrechte die Meinungs- und Pressefreiheit. Sie ist dort unmittelbar verknüpft mit dem den DDR-Bewohnern vorenthaltenen Recht, »sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert« unterrichten zu können. Es ist indes kennzeichnend für totalitäre Regime, daß sie die für eine demokratische Meinungsund Willensbildung ihrer Bürger unabdingbare Freiheit der Informationsbeschaffung drastisch beschneiden. Diktaturen können allerdings nur die eigenen Medien gleichschalten und die Einfuhr unerwünschter Printmedien weitgehend verhindern. Als wichtigste Informationsquellen verbleiben der Bevölkerung somit nur die Sendungen grenzüberschreitender elektronischer Medien. Die meisten DDR-Bewohner verschafften sich über Jahrzehnte hinweg insbesondere aus den Programmen der bundesdeutschen Hörfunk- und Fernsehstationen die von ihrem Staat tabuisierten Informationen. Dadurch entstand eine von der SED zwar auf vielfältige Weise, schließlich jedoch vergeblich bekämpfte Gegenöffentlichkeit der per Knopfdruck am Fernseh- oder Radiogerät »geistig Ausgereisten«5. Die medienpolitischen Winkelzüge und Kapriolen der SED-Führung erklären sich daher nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihres auch mit repressiven Mitteln geführten ideologischen Kampfes gegen die Westmedien6. Die Inhalte der DDR-Medien unterlagen zwar den Wechselfällen der jeweiligen innen-, außen- und deutschlandpolitischen Konstellationen und dem unterschiedlichen Führungsstil der SED-Generalsekretäre Ulbricht und Honecker bzw. deren ZK-Sekretären für Agitation und Propaganda. Doch alle Medienverantwortlichen der SED klammerten sich bis zu ihrem Abgang unbeirrt an die kommunikationsfeindlichen, in der russischen vorrevolutionären Phase entstandenen Richtlinien Lenins für die Aufgaben der kommunistischen Presse. Er wies der Zeitung - und das galt bei seinen Epigonen natürlich auch für die elektronischen Medien - die Funktionen eines kollektiven Propagandisten, Agitators und Organisators zu. Das bedeutete für den einzelnen Journalisten, auch wenn er kein SED-Mitglied war, als Propagandist die Lehren des Marxismus-Leninismus zu popularisieren, als Agitator für deren Umsetzung auf die zumeist unberechenbaren tagespolitischen Erfordernisse zu sorgen sowie als Organisator die Erfüllung der Parteibeschlüsse auf dem Felde der Politik, der Wirtschaft und der Kultur zu forcieren und zu kontrollieren7. Kurzum: Der Journalismus hatte sich als »Instrument der Partei zur Durchsetzung ihrer revolutionären Politik«8 zu begreifen. Die von der SED-Führung vielbeschworene und wohl auch tatsächlich erwünschte »Massenwirksamkeit« der Medien mußte folglich zwangsläufig auf der Strecke bleiben.

Gunter Holzweißig

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2. Stalinistische Grundlagen 2.1 »Presse von neuem

Typus«

Auf einer Festveranstaltung am 20. Dezember 1949 anläßlich des 70. Geburtstages Stalins huldigte der zuvor am 7. Oktober von der Provisorischen Volkskammer zum DDR-Präsidenten gewählte SED-Vorsitzende Wilhelm Pieck dem sowjetischen KP-Führer im Stil des zeitgenössischen kommunistischen Personenkults: »Stalin verkörpert die höchste Entwicklung der Wissenschaft des Marxismus-Leninismus, den er seit einem Vierteljahrhundert selbständig nach den Erfordernissen des geschichtlichen Geschehens weiterentwickelt hat . . . Stalin ist der hervorragendste Theoretiker des Marxismus-Leninismus. Stalin ist der Lenin von heute.«9 Die SED feierte den sowjetischen Diktator auch als »großen Lehrmeister« der Publizistik. Der damalige ZK-Sekretär für Agitation, Hermann Axen, rühmte im Februar 1950 enthusiastisch die publizistischen Leistungen Stalins und die der sowjetischen »Genossen Journalisten«, »die mit der >Prawda< und mit der gesamten bolschewistischen Presse uns allen Vorbild und Lehrmeister sind«10. Anschließend ging Axen mit den in erster Linie lediglich auf Professionalität bedachten »NurJournalisten« und deren ideologischen »Schwächen und Mängeln« bei der Gestaltung einer »Presse von neuem Typus« scharf ins Gericht11. Bereits in den Jahren 1948/49 hatte sich die SED zu einer »Partei neuen Typus«, einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei nach dem Vorbild der KPdSU, erklärt12. Zuvor mußte noch einer der damals einflußreichen kommunistischen Chefideologen, Anton Ackermann, seinen im Februar 1946 im Auftrage der KPD-Führung proklamierten »besonderen deutschen Weg zum Sozialismus« als eine »falsche, faule und gefährliche Theorie« widerrufen13. Damit war der Kurs auf eine noch engere Bindung an die Sowjetunion abgesteckt. Die SED hatte jetzt die nahtlose Übernahme stalinistischer Strukturen und Methoden sowohl hinsichtlich des innerparteilichen Organisationsaufbaus als auch ihres Führungsanspruchs im Staat und in der Gesellschaft vollzogen. Somit waren bereits vor der DDR-Gründung die Voraussetzungen für die bis 1989 währende SED-Alleinherrschaft und das daraus abgeleitete Meinungsmonopol14 geschaffen.

2.2 Journalisten und

Parteisäuberungen

Zu den Herrschaftstechniken gehörte auch die Disziplinierung durchaus systemtreuer Kritiker in der eigenen Gefolgschaft durch Parteiausschluß, Inhaftierung oder Berufsverbot, wenn der Generalsekretär aus deren Reihen Gefahren für seine Position witterte. So verfolgte man insbesondere in der stalinistischen Phase der SBZ/DDR nicht nur Mitglieder und Anhänger der bürgerlichen Parteien und ehemalige Sozialdemokraten. Es fielen vielmehr auf Betreiben des deutschen Statthalters Stalins, des 1950 zum SED-Generalsekretär gewählten Walter Ulbricht, auch überzeugte Kommunisten den Parteisäuberungen und der gelenkten Justiz zum Opfer - darunter auch eine Reihe prominenter Journalisten. Dazu zählten: der Chef-

Massenmedien in der DDR

576

redakteur des Deutschlandsenders, Leo Bauer, der ehemalige Chefredakteur des SED-Zentralorgans »Neues Deutschland«, Lex Ende, der frühere Chefredakteur des KPD-Organs »Deutsche Volkszeitung«, Hans Teubner, der 1948/49 amtierende Chefredakteur und Intendant des Berliner Rundfunks, Bruno Goldhammer, oder der Chefredakteur des Gewerkschaftsorgans »Tribüne«, Jakob Walcher. Gegen sie und andere hohe SED-Funktionäre bereitete man nach sowjetischem und osteuropäischem Muster Schauprozesse hauptsächlich mit der aus der Luft gegriffenen Beschuldigung der Agententätigkeit vor15. Wenngleich nach Stalins Tod im März 1953 der durch die Erschütterungen des Volksaufstandes im Juni politisch angeschlagene Ulbricht von den geplanten Schauprozessen Abstand nehmen mußte, entledigte er sich in der unmittelbaren Folgezeit weiterhin seiner innerparteilichen Widersacher. Betroffen war davon auch der Politbürokandidat und Chefredakteur der Tageszeitung »Neues Deutschland«, Rudolf Herrnstadt, der wegen einer angeblichen gegen Ulbricht gerichteten »Fraktionsbildung« - zusammen mit dem damaligen Staatssicherheitsminister Wilhelm Zaisser seine Bilderbuchkarriere als Parteijournalist beenden mußte16. Während Herrnstadt und Zaisser nur aus der Partei ausgeschlossen und beruflich kaltgestellt wurden, statuierte man beispielsweise an dem stets linientreuen Hugo Polkehn ein Exempel und zog ihn als Chef vom Dienst der Gewerkschaftszeitung »Tribüne« für einen sinnentstellenden Druckfehler im Stalin-Nachruf seiner Zeitung zur Verantwortung. Polkehn erhielt nach seinem im Stasi-Gefängnis durch Mißhandlungen erpreßten »Geständnis«, er habe, vom »Sozialdemokratismus« beeinflußt, wissentlich den Druckfehler verursacht, fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen »Boykotthetze« und »Agententätigkeit« 17 . Auch wenn in Ungnade gefallene Journalisten in späteren Jahren glimpflicher davonkamen - die stalinistischen Willkürakte der fünfziger Jahre besaßen eine abschreckende Langzeitwirkung. Sie prägten unterschwellig das in den Leipziger journalistischen Kaderschmieden der Karl-Marx-Universität bzw. der Fachschule für Journalistik verordnete Berufsverständnis, sich jederzeit als »Funktionär der Arbeiterklasse« zu bewähren.

3. Zentralisierung der Medienstrukturen in den fünfziger Jahren 3.1 »Planmäßiger«

Aufbau des

Sozialismus

Die Sowjetisierung der D D R erreichte mit dem weitgehenden Abschluß der Zentralisierung der staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen im Jahre 1952 ihren Kulminationspunkt. Auf der 2. Parteikonferenz der SED (9. bis 12. Juli 1952) verkündete Ulbricht das Ende der »antifaschistisch-demokratischen« Phase und den Beginn des planmäßigen »Aufbaus des Sozialismus«. Er rief zur Verschärfung des nach innen gerichteten Klassenkampfes auf, womit die Beseitigung der noch vorhandenen Rudimente der bürgerlichen Gesellschaft gemeint war. Die noch selbständigen Handwerker und Gewerbetreibenden drängte man mit steuerpolitischem Druck zur Aufgabe ihrer Betriebe. Gleichzeitig erfolgte der Auftakt zur Zwangs-

Gunter Holzweißig

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kollektivierung der Landwirtschaft. Mit einer Verwaltungsreform löste man Ende Juli 1952 die fünf Länder auf und wandelte sie in 14 Bezirke mit 217 - statt zuvor 132 - Kreisen um. Von diesem Zentralisierungsschub waren insbesondere die Medien, die »schärfsten Waffen der Partei«, betroffen.

3.2 Das

Presseamt

Nach der Auflösung der Länder endete zugleich die Tätigkeit der den Landesregierungen unterstellten Ämter für Information. Das eher formal der DDR-Regierung nachgeordnete Berliner »Amt für Information« firmierte seit dem 1. Januar 1953 unter neuer Leitung zwar als »Presseamt beim Ministerpräsidenten der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik« (seit 1963 »beim Vorsitzenden des Ministerrates«), doch es unterlag faktisch der unmittelbaren Aufsicht und den Weisungen der SED-ZK-Abteilung Agitation. Zu den von dort an das Presseamt delegierten Aufgaben, die sich später nur unwesentlich veränderten, gehörten in erster Linie die inhaltliche Gleichschaltung der Blockparteizeitungen mit den vom Zentralkomitee direkt angeleiteten SED-Medien, die Lizenzvergabe sowie die Papierkontingentierung für die Printmedien, die Zensur der Kirchenpresse und die Koordinierung der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien18.

3.3 Der

Rundfunk

Dem Rundfunk war in der SBZ/DDR nicht einmal ein »Hauch der Unabhängigkeit« zugestanden worden19. Dennoch - oder gerade deshalb - war die SED-Führung stets unzufrieden mit der Akzeptanz der Hörfunkprogramme beim Publikum. Mit der Begründung, der Rundfunk werde den »neuen großen Aufgaben der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus« in der DDR nicht mehr gerecht und müsse deshalb in Ostberlin zentralisiert und einer einheitlichen Leitung unterstellt werden, schaffte man im August 1952 die bis dahin eigenständigen Landessender und die Generalintendanz des Rundfunks ab. An deren Stelle trat das Staatliche Rundfunkkomitee, das die neu zugeschnittenen Sender Berlin I, II und III sowie das Fernsehzentrum in Berlin-Adlershof anzuleiten hatte. Die erste öffentliche Ausstrahlung eines Fernsehprogramms, die Nachrichtensendung »Aktuelle Kamera«, fand am 21. Dezember 1952 anläßlich Stalins 73. Geburtstag statt. Dabei hatte man die Genugtuung, einmal schneller als die Bundesrepublik gewesen zu sein. Erst vier Tage darauf nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk in seinem Sendegebiet einen täglichen Fernsehprogrammdienst auf.

3.4 »Neuer Kurs« und Juni-Aufstand

1953

Zu politisch bedingten Programmreformen und Eingriffen in die Rundfunklandschaft kam es vor allem in den fünfziger Jahren20. Sie standen im direkten Zusammenhang mit dem Fiasko des überstürzten »Aufbaus des Sozialismus«, durch das

Massenmedien in der DDR

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das Legitimationsdefizit der SED offen zutage getreten war. Die Versorgungslage mit Konsumgütern verschlechterte sich dramatisch, da die Entwicklung der Schwerindustrie den Vorrang erhalten hatte. Nach Stalins Tod verlangte die neue sowjetische Führung von der SED eine Korrektur ihrer gescheiterten Sozialisierungspolitik. Das Politbüro verkündete daraufhin am 9. Juni 1953 einen »Neuen Kurs«, der jedoch den Volksaufstand nicht mehr verhindern konnte. Überzogene Erhöhungen der Arbeitsnormen lösten am 16. Juni 1953 Streikaktionen aus. Tags darauf erhob sich erstmals auf den Straßen und in den Betrieben spontan der Ruf nach Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit. Die parteiamtliche Mediengeschichtsschreibung bezeichnete indes den mit Hilfe sowjetischer Panzer blutig niedergeschlagenen Volksaufstand von 1953 noch über drei Jahrzehnte später als einen »imperialistischen Putschversuch«, bei dem die überwiegende Mehrheit der DDR-Journalisten »politische Standfestigkeit und vielfachen Mut beim Schutz der Redaktionen, Druckereien und Rundfunkgebäude vor den Übergriffen konterrevolutionärer Banden« bewiesen habe21. Eine nach dem Aufstand in den Medien geführte »Fehler«-Diskussion schien vorübergehend auf eine »Tauwetterperiode« hinzudeuten. Doch die zutiefst verunsicherte stalinistische SED-Führung konnte sich, selbst nach der Abrechnung mit Stalins Verbrechen auf dem XX. KPdSU-Parteitag im Februar 1956, nicht zu einer wirklichen Liberalisierung durchringen. Sie fühlte sich vielmehr durch die im gleichen Jahr ausgebrochenen polnischen Unruhen und den ungarischen Volksaufstand aus Furcht vor dem Machtverlust in ihren Vorbehalten gegen eine »Entstalinisierung« bestärkt.

3.5 Medienkampagnen

gegen die

Bundesrepublik

Mit verstärkt gegen die Bundesrepublik gerichteten Medienkampagnen glaubte die SED, von der desolaten Stimmung im Lande ablenken zu können, die schon an den jährlich wachsenden Flüchtlingszahlen ablesbar war. Albert Norden, der seit 1955 amtierende ZK-Sekretär für Agitation, ersann und leitete unentwegt manipulativ geführte, letzten Endes jedoch wirkungslos gebliebene Propagandafeldzüge gegen die »imperialistische« Bundesrepublik. Dazu inszenierte er mit tatkräftiger Ünterstützung des MfS in den fünfziger und sechziger Jahren internationale Pressekonferenzen, auf denen man vorzugsweise teilweise gefälschte Dokumente über die vermeintliche oder tatsächliche NS-Vergangenheit bundesdeutscher Politiker präsentierte. Daran schlossen sich regelmäßig DDR-weite Medienkampagnen an, in denen die »Bonner Ultras«, der »Kriegskanzler« Adenauer 22 oder die für die DDR-Bevölkerung als Informationsquelle unverzichtbaren westdeutschen Hörfunksender Zielscheibe ungezügelter Polemik waren. Da die SED dem Rundfunk im innerdeutschen »Ätherkrieg« in den fünfziger Jahren eine besondere Bedeutung beimaß, versuchte sie, mit ständigen organisatorischen Veränderungen die dürftige Resonanz ihrer Propaganda zu verbessern. Deshalb erhielt der »Deutschlandsender«, der erst im September 1952 in »Berlin I« aufgegangen war, im August 1953 seinen alten Namen wieder zurück, um noch in letzter Minute mit hochkarätigen Parteijournalisten Wahlkampfhilfe für die KPD bei

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Gunter

Holzweißig

der Bundestagswahl im September desselben Jahres leisten zu können. Den enttäuschenden KPD-Stimmenanteil von 2,2 Prozent hielt der DDR-Hörfunk für ein Ergebnis der »Terrorwahlen Adenauers«, das in der Weltöffentlichkeit, insbesondere in Westeuropa, »tiefe Bestürzung ausgelöst« habe23. Unmittelbar nach dem KPD-Verbot des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1956 nahm im August auf DDR-Gebiet der »Deutsche Freiheitssender 904« seine für Bundesbürger bestimmten, aber auch konspirativen und geheimdienstlichen Zwekken dienenden Sendungen auf. 1960 folgte ein weiterer Geheimsender, der »Deutsche Soldatensender 935«, der die Moral der Bundeswehrangehörigen untergraben sollte, bezeichnenderweise jedoch nicht von NVA-Soldaten gehört werden durfte. Beide Sender stellten erst Anfang der siebziger Jahre infolge der veränderten deutschland- und westpolitischen Interessenlage der SED und der sowjetischen Führung ihren Betrieb ein24.

3.6 Die

Printmedien

3.6.1 Die

Tageszeitungen

Die auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 beschlossene Weichenstellung zur Auflösung der Länder erforderte auch eine Umstrukturierung der Parteigliederungen in den neugeschaffenen Bezirken und Kreisen. Daraus ergab sich zugleich eine »einschneidende Veränderung im Pressewesen«25, die im Kern bis Anfang 1990 Bestand haben sollte. Nunmehr konnte die SED mit ihrer straff organisierten, zentralen Anleitung der Parteipresse unter Einbeziehung der Bezirks- und Kreisparteileitungen ihre marktbeherrschende Rolle auf dem Tageszeitungsmarkt stabilisieren. Die meisten der 39 Tageszeitungen, deren Zahl seit den fünfziger Jahren nahezu konstant geblieben war, wurden zudem in den Druckereien der direkt dem SEDZentralkomitee unterstellten Zentrag (Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft) hergestellt. Mit der Zentrag verfügte die SED schließlich über 90 Prozent der gesamten Druckkapazitäten in der DDR. Neben dem SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« und der von der ZK-Abteilung Agitation direkt angeleiteten »Berliner Zeitung« erschienen seit 1952 zunächst 15 bzw. - ab 1963 - 14 SED-Bezirkszeitungen. Die Organe der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), die Tageszeitungen »Junge Welt« und »Tribüne«, waren, ebenso wie das Boulevardblatt »BZ am Abend« oder das Organ des Deutschen 1\im- und Sportbundes (DTSB), »Deutsches Sportecho«, der von der SED kontrollierten Presse zuzurechnen. Diese Zeitungen unterlagen nicht - wie die vier Zentralorgane der Blockparteien und deren 14 Regionalblätter - der Anleitung des Presseamts, sondern direkt der des SEDZentralkomitees. Die fast identische Anzahl von SED- und Blockparteizeitungen bedeutete indes zu keiner Zeit eine Parität oder gar einen nur annähernd vergleichbaren politischen Einfluß. Obwohl die Gesamtauflage aller Tageszeitungen von der Mitte der fünfziger Jahre von ca. vier Millionen Exemplaren bis 1988 auf 9,7 Millionen angestiegen war, sank der prozentuale Anteil der Blockparteipresse an der Gesamtauflage in diesem Zeitraum von ca. 20 auf 8,6 Prozent26.

Massenmedien in der DDR

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NEUES DEUTSCHLAND ZENTRAIO RO AN DER. SOZIALISTISCHEN EINHEITSPARTEI

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Neues Deutschland, erste Ausgabe vom 23. April 1946.

3.6.2 Wochenzeitungen und Zeitschriften Wenn auch der »Neue Kurs« die Lektüre der Tageszeitungen kaum erbaulicher gemacht hatte und sich allenfalls in der 1955 eingestellten »Täglichen Rundschau«, der zuletzt von der SED-Führung wenig geschätzten Tageszeitung der sowjetischen Besatzungsmacht, Ansätze eines flexibleren Denkens fanden 27 , so schienen sich die

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Gunter

Holzweißig

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