Markierung von Aktantenfunktionen und “Prädetermination” im Französischen: Ein Beitrag zur Neuinterpretation morphosyntaktischer Strukturen in der französischen Umgangssprache 9783110938173, 3484522313, 9783484522312


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German Pages 216 [220] Year 1990

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INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG
EINLEITUNG
1. DIE PRÄFIXTHEORIE IN DER MORPHOSYNTAKTISCHEN BESCHREIBUNG DES FRANZÖSISCHEN
1.1. Die Versuche einer Neuinterpretation der morphosyntaktischen Gegebenheiten
1.2. Die Tendenz zu einer typologischen Sichtweise der Frage
1.3. Zur Einschätzung der stellungstypologischen Ansätze
1.4. Präfigierung im Bereich von Definitheit und Quantität
2. DIE MARKIERUNG VON AKTANTEN FUNKTIONEN UND DEREN PARADIGMATIK IM FRANZÖSISCHEN
2.1. Definitionen und Sichtweisen im Bereich der Aktantenmarkierung
2.2. Paradigmatik und Stellung der formalen Mittel zur Bezeichung von Aktantenfunktionen im Französischen
2.3. Zur Paradigmatik der Aktantenmarkierung bei den pronoms conjoints
3. PRONOMS CONJOINTS ALS KONGRUENZPARADIGMA: DIE EMPIRISCHE EINSCHÄTZUNG
3.1. Vorbemerkung
3.2. Pronoms conjoints, Reprise und Funktionale Satzperspektive
3.3. Zur deiktisch/anaphorischen Potenz der pronoms conjoints
3.4. Zwischenbemerkung
3.5. Der Nicht-Gebrauch von pronoms conjoints
SCHLUSSBEMERKUNG
LITERATUR
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Markierung von Aktantenfunktionen und “Prädetermination” im Französischen: Ein Beitrag zur Neuinterpretation morphosyntaktischer Strukturen in der französischen Umgangssprache
 9783110938173, 3484522313, 9783484522312

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BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE

PHILOLOGIE

BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER FORTGEFÜHRT VON WALTHER VON WARTBURG UND KURT BALDINGER HERAUSGEGEBEN VON MAX PFISTER

Band 231

DANIEL JACOB

Markierung von Aktantenfunktionen und „Prädetermination" im Französischen Ein Beitrag zur Neuinterpretation morphosyntaktischer Strukturen in der französischen Umgangssprache

MAX NIEMEYER VERLAG T Ü B I N G E N 1990

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Jacob, Daniel: Markierung von Aktantenfunktionen und »Prädetermination« im Französischen : ein Beitrag zur Neuinterpretation morphosyntaktischer Strukturen in der französischen Umgangssprache/ Daniel Jacob. - Tübingen : Niemeyer, 1990 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie ; Bd. 231) Zugl.: Heidelberg, Univ.. Diss., 1987 NE: Zeitschrift für romanische Philologie / Beihefte ISBN 3-484-52231-3

ISSN 0084-53%

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1990 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen. Mikroverfilmungen und die Einspeichemng und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Heinr. Koch, Tübingen

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

V

1. DIE PRÄFIXTHEORIE IN DER MORPHOSYNTAKTISCHEN BESCHREIBUNG DES FRANZÖSISCHEN

1

1.1.

Die Versuche einer Neuinterpretation der morphosyntaktischen Gegebenheiten 1.1.1. Die Theorie von der "Prädeterminierung" 1.1.2. Die Konjugationsthese 1.1.2.1. Die Polemik 1.1.2.2. Die Positionen 1.1.2.3. Die Argumente

3 3 5 5 7 10

1.2. Die 1.2.1. 1.2.2. 1.2.2.1. 1.2.2.2. 1.2.2.2.1. 1.2.2.2.2. 1.2.2.2.3.

14 14 16 16 18 19 22 23

Tendenz zu einer typologischen Sichtweise der Frage Synthetisch - analytisch Die steüungstypologischen Ansätze Was ist Prädeterminierung? Der Zusammenhang zwischen Morphologie und Wortstellung . . . . Ch. Bally J. Greenberg Die Wortstellungstypologie

1.3. Zur Einschätzung der stellungstypologischen Ansätze 1.3.1. Zur Wortstellung im Latein 1.3.1.1. Die Annahme einer Grundwortstellung 1.3.1.2. Die Stellungsmuster 1.3.2. Das binäre Erklärungsprinzip zur Beschreibung der Abfolge bedeutungstragender Einheiten 1.3.2.1. Trivialität 1.3.2.2. Motiviertheit und Arbitrarietät 1.3.2.2.1. Die explizite Einschränkung der Arbitrarietät 1.3.2.3. Der zeichentheoretische Status 1.3.2.4. Der Hierarchietyp 1.3.2.5. Determination als binäres Beschrcibungsprinzip 1.3.2.5.1. Determination in der Konstituentenstruktur Das semantische Kriterium Das formale Kriterium 1.3.2.5.2. Der kategorialgrammatische Versuch 1.3.2.5.3. Der dependenzielle Ansatz 1.3.2.5.4. Die Einordnung der Vcrb-Aktant-Bczichung

25 25 25 28 29 30 30 35 36 37 39 39 39 42 43 45 48

m

1.3.2.6. 1.3.2.7. 1.3.3.

Die Möglichkeit eines semantischen Prinzips H. Seilers Vereinheitlichung von Determinem und Determination . . Fazit

52 55 57

1.4. Priflgierung im Bereich von Definitheit und Quantität 1.4.1. Das begriffliche System 'Definitheit' 1.4.2. Die Stellung von Definitheit und Quantität im Lateinischen 1.4.3. Die Stellung von Definitheit und Quantität im Französischen . . . . 1.4.3.1. Definitheit 1.4.3.2. Quantität 1.4.3.3. Die partitive Konstruktion 1.4.4. Bemerkung zu den possessiven Determinem 1.4.5. Quantität beim Verb 1.4.5.1 Deixis und Quantität bei Zuständen und Vorgängen 1.4.5.2 Deixis, Quantität und Tempora 1.4.6. Quantität beim Adjektiv 1.4.7. Konsequenzen fllr die Annahme von monemklassenUbergreifenden Zusammenhängen in der Stellung der Einheiten

71

2. D I E M A R K I E R U N G VON AKTANTEN FUNKTION EN UND DEREN PARADIGMATIK IM FRANZÖSISCHEN

73

2.1. Definitionen und Sichtweisen im Bereich der Aktantenmarkierung 2.1.1. Subjekt - Prädikat vs. Verb - Aktant 2.1.1.1 Die formale Subjekt-Definition 2.1.2. Aktantenfunktionen und formale Bezeichnungsmittel 2.1.2.1 Aktantenfunktionen 2.1.2.2. Die formalen Mittel zur Bezeichnung von Aktantenfunktionen. . . . 2.1.2.3. Valenz und "actant"-Status 2.1.2.4. Valenzrahmen und Diathese 2.1.2.5. Abstrakte Markierung 2.1.2.6. Zur Obligatorietät 2.1.2.7. Kasus - Präposition

75 75 76 77 78 78 80 81 83 84 85

2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4.

Paradigmatik und Stellung der formalen Mittel zur Bezeichung von Aktantenfunktionen im Französischen Bemerkung Diathese Zur Stellung der Markierung Die Paradigmatik der Markierung

2.3. 2.3.1. 2.3.2.

Zur Paradigmatik der Aktantenmarkierung bei den pronoms c o n j o i n t s . . . Vorbemerkung «cn» und «y» als pronoms conjoints

IV

59 59 61 63 63 65 65 67 68 69 69 71

87 87 87 90 91 99 99 100

2.3.2.1. 2.3.2.2. 2.3.3. 2.3.4.

Possession, Aktantenfunktionen, «en» und «y» Pronomina und deiktisch/anaphorische Adverbien «lui» vs. «à lui» Zusammenfassung

103 106 109 114

3. PRONOMS CONJOINTS ALS KONGRUENZPARADIGMA: DIE EMPIRISCHE EINSCHÄTZUNG 3.1.

Vorbemerkung

117 119

3.2. Pronoms conjoints, Reprise und Funktionale Satzperspektive 3.2.1. Frequenz und FSP-Unabhängigkeit 3.2.2. Substantive und Subjekt 3.2.3. Die FSP-Gebundenheit der Reprise-Konstruktion 3.2.4. Kongruenz und Thematizität 3.2.5. Fazit

121 122 124 126 127 129

3.3.

Zur deiktisch/anaphorischen Potenz der pronoms conjoints

130

3.4.

Zwischenbemerkung

134

3.5. Der Nicht-Gebrauch von pronoms conjoints 135 3.5.1. Die Reprise mit «ça/c'» 137 3.5.1.1. «ça/c*» vs. pronom conjoint als Defínitheitsopposition 139 3.5.1.2. «ça/c'» als Reprise von Prädikationen 142 3.5.1.3. Eigennamen 142 3.5.1.4. «c'est» 143 3.5.1.5. Euphonie 144 3.5.1.6. Zusammenfassung 144 3.5.1.7. Die Kasussensitivität der Reprise mit «ça/c'» 145 3.5.2. Die Relativsatzperiphrase 148 3.5.2.1 Relativsatzperiphrasen zur Rhematisicrung: «c'est, il y a, tu as» . . . 149 3.5.2.2. Relativpronomen - pronom conjoint 151 3.5.2.3. «c'est» vs. «il y a» in der Relativsatzperiphrase 153 3.5.2.4. Bemerkung 155 3.5.2.5. Zusammenfassung 156 3.5.3. Die unpersönlichen Konstruktionen 156 3.5.3.1. Subjekt in unpersönlichen Konstruktionen 156 3.5.3.2. Unpersönliche Konstruktion und Rhematisicrung 158 3.5.3.3. Die Existenzprädikation 159 3.5.3.4. Modale Spezifikationen 162 3.5.3.5. Unpersönliche Konstruktion und «en» als subjektsbezogene Form. . 165 3.5.3.6. Weitere Konstruktionstypen 169 3.5.4. Das Paradigma 170 V

3.5.5. 3.5.5.1. 3.5.5.2. 3.5.5.3. 3.5.5.4. 3.5.5.5. 3.5.6. 3.5.6.1. 3.5.6.2. 3.5.7.

VI

Hypotaxe und Defizit an grammatischer Spezifiziertheit Formale Hypotaxe vs. begriffliche Prädikationshierarchie Das Speziiiziertheitsdefizit in der Hypotaxe Spezifiziertheitsdefizit im französischen Relativsatz Die Vermeidung der Infinit-Hypotaxe Zusammenfassung Der Nicht-Gebrauch von pronoms conjoints bei Frage- und Indefinitpronomina Zur Frage Zu den Indefinitpronomina Zusammenfassung

174 174 175 178 182 185 186 186 187 188

SCHLUSSBEMERKUNG

190

LITERATUR

193

DANKSAGUNG

Den folgenden Personen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken: Herrn Prof. K. Baldinger für die Großzügigkeit, die er mir gegenüber bei dieser Arbeit in allen Punkten hat walten lassen, von der Themenwahl bis hin zur Veröffentlichungsmöglichkeit. Herrn Prof. K. Heger für die Betreuung der Arbeit und für seine ständige Bereitschaft, mir unbegrenzt Zeit für Diskussionen zu widmen, in einer Weise, die im heutigen Lehrbetrieb selten ist. Wenn die vorliegende Arbeit in jeder Hinsicht stark von dem beeinflußt ist, was ich bei K. Heger gelernt habe, so übernehme ich natürlich dennoch ganz allein die Verantwortung für zahlreiche Punkte, die seinem kritischen Urteil nicht standhalten dürften. Herrn Prof. G. Bossong nicht nur dafür, daß er mich auf das Thema aufmerksam gemacht hat. Der Einfluß seiner Aussagen und Veröffentlichungen auf diese Arbeit ist größer und tiefgehender, als es aus den Literaturverweisen hervorgeht. Herrn Prof. M. Pfister dafür, daß er mir die Veröffentlichung in den "Beiheften" ermöglicht hat.

vn

EINLEITUNG

Diese Arbeit soll einen Beitrag leisten zur Gewinnung neuer Sichtweisen bei der Beschreibung der französischen Morphosyntax. Der Teilbereich, in dem sie dabei vorgeht, ist die Markierung von Aktantenfunktionen, im weitesten Sinne 1 . Die Romanistik besitzt bekanntlich das Privileg unter allen einzelsprachbezogenen Disziplinen, daß die historisch-diachronische Entwicklung ihrer Objektsprachen so gut dokumentiert ist wie in keiner anderen Sprache. Allerdings kann sich dieser Vorteil auch als Problem erweisen: das Wissen um die Herkunft der Formen verdeckt allzuoft die Einsicht in deren synchronisch gegebene Funktion. Im Französischen kommt 711 diesem noch der bekannt große Einfluß einer stark normativen Tradition der Sprachbetrachtung hinzu, um den Blick für die neuen Strukturen zu verstellen, die sich durch Umfunktionierung der alten entwickeln. Allerdings sind in der Romanistik auch seit Beginn des Jahrhunderts zahlreiche Bemühungen zu konstatieren, sich sowohl in der Terminologie von den Vorbildern der klassischen Grammatik zu trennen, da, wo die Termini den Gegebenheiten nicht mehr entsprechen, als auch die strukturellen Gegebenheiten nicht mehr nur im Lichte ihrer ursprünglichen Funktionen zu sehen, sondern ihre neuen, synchronisch gegebenen Funktionen zu erkennen. Sicherlich eines der wichtigsten Ergebnisse dieses Bemühens ist die These von der " Prädeterminierung" im Französischen: aus der Feststellung, daß viele Bedeutungselemente, die im Lateinischen durch Suffixe bezeichnet werden, im Französischen durch Elemente ausgedrückt werden, die vor den entsprechenden Lexemen stehen, leitete man die Annahme ab, daß es sich hierbei um einen generellen Übergang von einem suffigierenden zu einem präflgierenden System handele. Besonders umstritten innerhalb dieser Theorie war - und ist bis heute 2 die These, daß das Paradigma der sogenannten "pronoms atones" oder "conjoints", synchronisch gesehen, als ein Paradigma der Verbalflexion anzusehen sei, das dem der lateinischen Personalendungen zu vergleichen ist. Diese beiden Thesen und deren Diskussion bilden den Ausgangspunkt und den Rahmen meiner Untersuchung. Dabei ist der Zusammenhang zwischen der Konjugationsthese und der Markierung von Aktantenfunktionen ein gegenseitiger: die Feststellung, daß das lateinische suffigierte Kasussystem in den romanischen Sprachen durch eine Kombination aus präpositionaler Markierung und Stellungsregeln ersetzt ist und sich damit nahtlos in die Theorie von der Prfldetcrminierung einfügt, ist trivial und wenig umstritten. Viel interessanter hingegen ist der Beitrag, den die nicht-adnominalen Paradigmen und insbesondere die adverbalen kasussensitiven und kongruierenden Morpheme leisten bei der Festlegung der Aktantenfunktionen; und die Bedingungen hierfür. Umgekehrt zeigt

Die Arbeit wurde im Frühjahr 1987 von der Neuphilogisehen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen und im Herbst 1988 in Details überarbeitet, bei vereinzelter Einarbeitung weiterer Literatur. Das ergab die erneut heftige Diskussion dieser Frage beim deutschen Romanistentag 1987 in Freiburg. IX

die Diskussion um den Status der pronoms conjoints, in der seit nunmehr über 100 Jahren immer wieder die gleichen Argumente ausgetauscht werden (wie Frequenz, Prosodie, Gebundenheit ...)3, daß eine fruchtbare Beschreibung dieser Kategorie, wie Uberhaupt eine fruchtbare Beschreibung des morphologischen Kategoriensystems des Französischen, nur geleistet werden kann, wenn man den neuerdings wieder in Mode gekommenen Anspruch der 'funktionalen' Beschreibung in der Grammatik ernst nimmt. Das heißt, zuerst die Frage zu stellen "welche Aufgaben sind zu leisten?" und dann die Frage "wie werden diese Aufgaben geleistet?" Und unter den Dingen, die den pronoms conjoints als Aufgabe zukommen, befindet sich, neben den textlinguistischen Funktionen und denen im Bereich der sogenannten "Funktionalen Satzperspektive", sicherlich in erster Linie die Markierung von Aktantenfunktionen. Ziel dieser Arbeit ist es also nicht, einmal mehr mit empirischen Behauptungen, etwa zur Frequenz oder Akzeptabilität dieser oder jener Konstruktion, zur diachronischen Veränderung des Gebrauchs der pronoms conjoints, zur Bestätigung oder Widerlegung ihres klitischen Charakters oder ihrer Unabhängigkeit aufzuwarten. Ich werde vielmehr versuchen, im besten strukturalistischen Sinne "systematisch" zu argumentieren, mit der "valcur", also der syntagmatischcn und vor allem paradigmatischen Einbettung der interessierenden Phänomene. Das heißt, überspitzt gesagt, daß ich weniger mit neuen Fakten operiere als mit neuen Argumenten und Sichtweisen, die sich z.T. aus durchaus geläufigen Fakten ergeben. Wenn ich dem heute in der Grammatik zum guten Ton gehörenden Credo "Von der Funktion zur Form" also zustimme, so gilt dabei für mich eine sehr weitgehende Gleichsetzung von 'Funktion' mit 'Bedeutung' (so sind z.B. 'Aktantenfunktionen' aufgefaßt als Bedeutungselemente), so daß sich mein Vorgehen als grundsätzlich onomasiologisch charakterisieren läßt. Allerdings sind einem onomasiologischen Ansatz im Bereich der Morphosyntax Grenzen gesetzt: es ist das eigentliche Wesen der Grammatik gegenüber dem Lexikon, daß hier verschränkte komplexe Strukturen vorliegen, auf beiden Seiten des Zeichens. Es wird in den seltensten Fällen genügen, eine Bedeutungseinheit zu isolieren und dann nach deren ausdrucksseitiger Realisierung zu fragen, um ein grammatisches System zu erfassen. Insbesondere ist es auch nicht möglich, von vorneherein zu sagen, welche Bedeutungsbereiche in einer Einzelsprache eine grammatikalische Realisierung finden. Und es wird bei der Beschreibung nötig sein, auf die Amalgamierungs- und Interferenzphänomene mit anderen Bedeutungsbereichcn bei der grammatikalischen Realisierung eines Phänomens einzugehen. Die Erkundung eines morphosyntaktischen Systems wird deshalb immer in einer heuristisch bedingten Dialektik zwischen onomasiologischer und semasiologischcr Frageweise stehen. Dies gilt auch für die vorliegende Arbeit: die "Eingrenzung" der Thematik auf die Markierung von Aktantenfunktionen ab Teil 2, die ein onomasiologisches Vorgehen darstellt, erfährt alsbald wieder ihre Auflö-

3

X

Die wohl vollständigste Sammlung von Kriterien dieser Art und klarste Darstellung der Situation aufgrund dieser Kriterien findet sich bei C. I'ignatclli

sung: sobald man geklärt hat, welche Paradigmen an der Markierung der Aktantenfunktionen beteiligt sind, stellt sich die Frage, wie diese Paradigmen diese Aufgabe erfüllen. Dabei zeigt sich schnell, daß man zur Beantwortung dieser Frage wiederum zurückgreifen muß z.B. a u f die semantischen Eigenschaften des jeweiligen Aktanten, was bereits wieder einen semasiologischen Schritt darstellt. Speziell die Frage der Kongruenz, bei der Markierung von Aktantenfunktionen ein zentrales Phänomen 4 , eignet sich mit ihren z.T. rein reflexiv-metasprachlichen 5 Bedeutungselementen wenig filr eine strikt onomasiologische Beschreibung. Ähnliches gilt für die Beschreibung solcher Phänomene wie Valenz oder Diathese. Die Arbeit besteht aus drei Teilen: Der erste Teil befaßt sich mit der These von der Prädetcrminicrung ganz allgemein. Es hat den hochinteressanten Versuch gegeben, diese These in den weiteren Zusammenhang der Wortstellungstypologie zu stellen und ihr damit eine sprachübergreifende Dimension und einen weitergehenden Erklärungsrahmen zu verleihen. Diese bestechende Idee stößt allerdings bei genauerer Betrachtung a u f Probleme, insbesondere, was die Zusammenführung der verschiedenen morphologischen und syntaktischen Phänomene unter einer binären Grunddichotomie (von der die Wortstellungstypologie letztlich ausgeht) betrifft. Neben der Erörterung dieser Frage wird in Teil 1 der Versuch gemacht, anhand des Beispiels 'Definitheit' nicht nur der Präfixthese unabhängig von der Wortstellungstypologie eine gewisse Plausibilität zu verleihen (unter Hinzufilgung des einen oder anderen empirischen Mosaiksteinchens), sondern auch manchen offensichtlichen Zusammenhängen zwischen Wortstellung und Stellung der Morpheme. Der zweite Teil stellt, nach einer Klärung der theoretischen Sichtweisen im Bereich 'Kasus - Präpositionen - Aktantenrollen', die Frage nach den Mitteln zur Zuordnung zwischen Nominalausdrücken und den von ihnen eingenommenen Aktantenfunktionen, und besonders nach der Organisation der Paradigmen. Dabei wird, nach dem oben Gesagten, das Interesse weniger den adnominalen morphologischen Bezeichnungsmitteln gelten als allen anderen, und besonders auch der Interaktion der verschiedenen Mittel untereinander, sowie den semantischen Einflußfaktoren bei der Markierung. Der dritte Teil schließlich wird die Konjugationsthese aufgreifen. Es wird gefragt, o b diese Theorie, die gerne an einigen wenigen Beispielen gezeigt wird, auch den tatsächlichen Gegebenheiten des Französischen entspricht. Dabei geht es u. a. um den redundanten Gebrauch der pronoms conjoints ("phrase segmentée") und insbesondere um die Deutung all jener Konstruktionen, die der Konjugationsthese zu widersprechen scheinen. Dieser Teil trägt zwar die Bezeichnung "empirisch", versteht sich jedoch keinesfalls als empirisch-methodischc Untersuchung. Für eine solche Untersuchung mangelt es nach meiner Auf-

4 3

Siehe hierzu 2.1.2.2. "Reflexiv-metasprachliche Bedeutung" ist, im Sinne von Heger 1976, § 3.1.1. S. 75ff., die Funktion eines Sprachzeichens, keine autonome Bedeutung zu vermitteln, sondern Information über die Bedeutung oder Funktionsweise benachbarter Zeichen. XI

Fassung in dem zu beschreibenden Bereich sowohl an einer Methode, als auch an einem fest umreißbaren Katalog von konkret zu stellenden Fragen. Der behandelte Komplex befindet sich noch vollständig in der Phase der Heuristik. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, was denn eigentlich die "tatsächlichen Gegebenheiten des Französischen" sind: ohne weiter auf die von F J . Hausmann im Vorwort zu dem Sammelband Die französische Sprache von heute angesprochene Diskussion um die Modernität der Umgangssprache 6 oder auf die Frage der Repräsentativität der verschiedenen S irata und Register einzugehen 7 , möchte ich auf die Konsensfähigkeit der folgenden Prämissen hoffen: 1. Wenn sich in einer Sprache Neuerungen bilden, dann geschieht dies in erster Linie bei deren Gebrauch. Den Hauptteil des Sprachgebrauches stellt der alltägliche Umgang dar. 2. Norm - soweit man diesen Terminus nicht rein statistisch als sprachlichen Durchschnitt versteht, sondern als (wie auch immer begründetes) Richtmaß, dem der Sprecher sich anpaßt - und präskriptive Norm ganz im besonderen ist systemerhaltend. Eine Weiterentwicklung des Systems ist also primär da zu erwarten, wo die Norm am wenigsten berücksichtigt wird. Ich habe deshalb zur Auffindung von Strukturen, ebenso wie zur Argumentation bei deren Interpretation, vornehmlich auf eine Sprachschicht und ein Register zurückgegriffen, bei dem (a) die Berücksichtigung einer präskriptiven Norm am wenigsten zu erwarten ist und (b) eine zu berücksichtigende Gebrauchsnorm die günstigsten Evolutionsmöglichkeiten hat. Ich möchte dieser Varietät, dem mündlichen, alltäglichen, privaten Diskurs, vereinfachend das Prädikat "alltägliche Umgangssprache" geben. Daneben habe ich aber auch normsprachliche Strukturen angeführt, wo mir diese als Bestätigung der Thesen erschienen. Die Idee ist ja die, daß bei einer kontinuierlichen Entwicklung vom Latein her manche Dinge bereits Eingang in die Normsprache gefunden haben, während an anderen Stellen auch die Umgangssprache noch Züge der alten Strukturen trägt. Gestützt habe ich mich auf meine eigene Kenntnis der französischen Sprachgewohnheiten, auf Befragungen von Sprechern und auf dasjenige unter den veröffentlichten Corpora des Französischen, das meines Erachtens nicht nur weitgehend authentische Umgangssprache wiedergibt, sondern auch von der Dialogstruktur her am ehesten als adäquat gegenüber dem alltäglichen Gebrauch angesehen werden kann, nämlich das von D. François. Der Erheberin ist es insbesondere gelungen, die sonst für solche Corpora typische Interviewoder Erzählstruktur auszuschalten. Erzählende Passagen zu einem bestimmten Thema bilden die absolute Ausnahme und sind selten länger als 5 - 1 0 Zeilen*.

4

Hausmann Hrsg. S. Sf. Zur Theorie dieser Fragen und zu Diastratik und Registerfragen im Französischen sei verwiesen auf Müller, SöU/llausmann Kap. II S. 17 - 50 und Koch/Oestenekher. * Ich habe nur die ersten beiden Teilcorpora verwendet, weil das dritte von den Bedingungen her von den beiden anderen abweicht, insofern ab es nur einen Sprcchcr

7

XII

Beispiele aus dem Corpus sind mit der Kürzel D F und einer Stellenangabe gekennzeichnet, andere Beispiele sind von mir selbst oder spielen auT von anderen angeführte Beispiele an. An keiner Stelle sind die angeführten Beispiele als Versuch der Beweisführung zu verstehen, sondern immer nur zur Veranschaulichung. Das gleiche gilt für vereinzelte quantitative Aussagen über das Corpus. Insgesamt sind die Aussagen dieser Arbeit als Skizzierung einer möglichen Sichtweise anzusehen, nicht als die Behauptung von Tatsachen. In diesem Sinne ist auch der Terminus "empirisch" zu relativieren: "empirisch" heißt hier nicht mehr, als "orientiert an den parole-gegebenen Realitäten". Diese Arbeit verrät in Theorie und Terminologie in weiten Teilen ihre Verpflichtung gegenüber einem ganz speziellen theoretischen Ansatz: der Noematik von K. Heger. Dahinter steckt nicht die AufTassung, daß dieses Theoriengebäude die einzig adäquate Herangehensweise an das Thema darstelle, sondern das Bedürfnis nach einer einheitlich entwickelten, streng kohärent aufgebauten und in vielen Details durchdiskutierten Gesprächsgrundlage ftlr meine Ideen. Nach meiner Auflassung decken sich viele der Intuitionen dieses Ansatzes mit denen anderer Theorien, allerdings bei sehr viel größerer Stringenz und Trennung von Dingen, die auseinanderzuhalten sind. Einige terminologische Details: der Terminus "Subjekt" wird erst in 2.1.1.1. definiert. Bis zu dieser Stelle wird die Diskussion weitgehend immanent zu der traditionellen französischen Grammatik bleiben, und somit ist auch der Terminus "Subjekt" immanent zur traditionellen Grammatik zu verstehen, ebenso wie "Transitivität". Der Terminus "attributiv" ist nicht zu verstehen im Sinne des "complément d'attribut" der französischen traditionellen Grammatik, sondern eher im Sinne von deren "épithéte", also des nicht prädikativ mit Kopula, sondern rein adnominal konstruierten Adjektivs, Partizips, Relativsatzes oder adnominal konstruierten Genitivs oder Präpositionalnomens. Das "complément d'attribut" nenne ich konform zur lateinischen Grammatik "Prädikatsnomen". ".Morphologisch" vs. "syntaktisch": hinter der Unterscheidung zwischen einer "morphologischen" und einer "syntaktischen Ebene" steht nichts weiter als die Unterscheidung nach der Komplexität der Einheiten, um die es geht. Mit "Morphologie" bezeichne ich alles, was sich an syntagmatischcr und paradigmatischer Beziehung innerhalb eines "Wortes", oder, in Ermangelung einer WortDefinition, innerhalb einer Flexionsform 9 abspielt. Von Syntax bzw. der syntaktischen Ebene spreche ich da, wo es um die syntagmatische Beziehung der "Wörter" oder Flexionsformen untereinander geht, insbesondere um deren Verknüpfung zu größeren Einheiten. Zum Gebrauch der Termini "spezifizieren7"Spezifikation" verweise ich ausdrücklich auf die Erörterung in 1.3.2.7. Darüberhinaus verwende ich den Terminus auch weniger präzise im Sinne von "Angabe, Bestimmung" (des Genus, des Tempus etc.).

9

berücksichtigt. Im Sinne von I leger 1976, bes. §3.3. S. Mff. XIII

Auf den gleichen Paragraphen, speziell auf Fußnote 171 verweise ich bezüglich des Terminus "genetisch". Den Terminus "innendeiktisch" verwende ich, in Anlehnung an K. Bühler,, gleichbedeutend mit "anaphorisch". Einen Unterschied zwischen "Determination" und "Determinierung" mache: ich nicht. Mit "Funktionaler Satzperspektive" bezeichne ich, der Terminologie der Prager Schule folgend, die Thema-Rhema-Opposition. Aus LesbarkeitsgrUnden i wird dies öfters mit " F S P " abgekürzt.

XIV

1. DIE PRÄFIXTHEORIE IN DER MORPHOSYNTAKTISCHEN BESCHREIBUNG DES FRANZÖSISCHEN

1.1.

1.1.1.

Die Versuche einer NeuinterpreUtion der morphosyntaktischen Gegebenheiten

Die Theorie von der "Prädeterminierung"

In dem Aufsatz Post- und Prädeterminierung im Französischen hat Kurt Baldinger eine größere Anzahl von Phänomenen der französischen Sprache zusammengestellt, die sich auffassen lassen als präfigierte oder zumindest vorangestellte Bezeichnung gewisser Eigenschaften und Bedeutungen an Lexemen. Im einzelnen nennt Baldinger10: Die Nominalmorpheme: Bestimmtheit - Unbestimmtheit In Form der Opposition le - un - ce - quelques - du etc. Kasus le - au - dans le • du - par le etc. Numerus la - les, le - les Genus le - la, un - une Steigerung 0 - plus - le plus, 0 - moins - le moins, très, archi-, super-, hyper- etc. petit, un peu, un grand, un gros, (im Gegensatz zu den sich verlierenden Diminutiv- und Augmentativsuffixen), demain - après-demain, hier - avant-hier, lendemain - surlendemain

10

Die KategorienbeZeichnungen sind wörtlich von Baldinger übernommen, S. 91, 97.

3

Die K o n j u g a t i o n s m o r p h e m e : Tempus, Modus, Diathese K o n j u n k t i v P r ä s e n s d u r c h que u.a. P r ä s e n s p a r t i z i p : qui chante statt chantant I m p e r a t i v d u r c h 0 - M o r p h e m , fehlendes p r o n o m conjoint T e m p s c o m p o s é s u n d periphrastische V e r b a l f o r m e n (diese K a t e g o r i e n h a b e n a b e r a u c h suffigierte Elemente!) Person ( + Numerus) 1.-3. u n d 6. P e r s o n je chante, tu chantes, ¡h elle chante, ils!elles chantent 4. u n d 5. P e r s o n mit Resten der suffigierten K o n j u g a t i o n : -ons. -ez Genus 3. Person: il - elle Negation ne ( k o m b i n i e r t mit nachgestelltem pas) Frageform est-ce que Es sind hier n u r die vorangestellten M o r p h e m e aufgezählt. Der Aufsatz listet d a n e b e n n a t ü r l i c h a u c h die suffigierten oder nachgestellten M o r p h e m e auf, die mit den o b e n g e n a n n t e n z u r Bezeichnung von K a t e g o r i e n und Bedeutungen der gleichen Bereiche e n t w e d e r s y n t a g m a t i s c h k o m b i n i e r t sind oder paradigmatisch in O p p o s i t i o n stehen (wie z.B. die suffigierte M a r k i e r u n g des Imperfekts oder des Plurals bei N o m i n a etc.). U n t e r B e r u f u n g a u f eine Idee W a r t b u r g s " u n d im A n s c h l u ß a n H. Weinrich 1 2 stellt Baldinger diese P h ä n o m e n s a m m l u n g in den R a h m e n eines allgemein e n Prinzips, n a c h d e m alles, was im Lateinischen suffigiert markiert ist, im F r a n z ö s i s c h e n z u r M a r k i e r u n g vor d e m Lexem tendiert. Insgesamt befindet sich d a s F r a n z ö s i s c h e d a n a c h a u f d e m W e g zu einem d u r c h g e h e n d präfigierenden System. Baldingcr liefert mit dieser Z u s a m m e n s t e l l u n g die umfassendste und systematischste D a r s t e l l u n g einer Fragestellung, die, allerdings noch o h n e Erkenntnis der w o r t a r t e n ü b e r g r e i f e n d e n Stellungsparallelitäten, praktisch schon so alt ist, wie die R o m a n i s t i k selbst: bereits F. Diez bezeichnet die u n b e t o n t e n Personalp r o n o m i n a des F r a n z ö s i s c h e n als "fast ein S u p p l e m e n t der gesunkenen Flexion" 1 3 . A. D a r m c s t e t e r spricht bei dem P a r a d i g m a der p r o n o m s conjoints bereits o h n e E i n s c h r ä n k u n g von " K o n j u g a t i o n " u n d f ü h r t es z u s a m m e n mit der n u m c r u s m a r k i c r c n d e n F u n k t i o n des Artikels u n d d e m z u n e h m e n d e n Verlust der

11 12

"

4

Wartburg 1971 (auch schon in 11946). Weinrich 1963. Diez S. 303.

suffigierten Tempusmarkierung als neue Entwicklungen der französischen Morphologie an 1 4 . Ansätze, in dieser Entwicklung eme stellungsbezogene Systematizität zu erblicken, gibt es bei einem anderen Klassiker: W. Meyer-Lübke schreibt in seiner "Grammatik der romanischen Sprachen" 1 5 : "Namentlich wo die Personalendungen fast ganz verschwinden, wie im Französischen, nehmen dann diese Pronomma (sc die pronoms conjoints] ganz die Stelle der einstigen Endungen ein, der Unterschied zwischen den Personen wird nicht mehr wie im Lateinischen nach, sondern vielmehr vor dem Stamm zum Ausdruck gebracht, so daß also z B 2e in üe Sät für das nicht grammatisch geschulte Sprachbewußtsein des Franzosen nicht mehr bedeutet als -o m ame für den Römer oder Spanier " Charles Bally liefert bereits eme durchdnngende Theorie, deren Ansatz man als typologisch bezeichnen könnte. Er sieht in der Neuordnung der Grammeme eine Tendenz, die von einer ursprünglich im Indoeuropäischen vorliegenden "séquence anticipatnce", die im Lateinischen bereits abgeschwächt ist, zu einer weitgehenden "séquence progressive" im Französischen geht. Das Bemerkenswerte an Ballys Ansatz ist, daß er bereits hier eme Parallelität zwischen Stellungsregeln auf der syntaktischen Ebene, also bei der Wortstellung, und der morphologischen Ebene, also der Stellung der Moneme innerhalb der Flexionsformen (in einem weiten Sinne), formuliert, eine Idee, die, nachdem Ballys Gedanken zu diesem Zusammenhang weitgehend unrezipiert bleiben, erst in den 60er Jahren in der Folge Greenbergs wieder in die Diskussion kommt 1 6 .

1.1.2.

Die Konjugationsthese

1.1.2.1. Die Polemik Ende der 20er Jahre entsteht der heftig geführte Streit darum, ob das Paradigma der pronoms conjoints tatsächlich als Konjugationsparadigma anzusehen sei, oder nicht. Daß sich dieser Streit über die Nachfolge für ein lateinisches Paradigma gerade hier entzündet und nicht etwa an dem Status irgendeines der anderen bei Baldinger aufgeführten Paradigmen, wie etwa dem der Temporalperiphrasen oder dem des Artikels, dürfte zwei Hintergründe haben: Das ist zum einen die in der Natur der Sache hegende L'nmöglichkeit, wirklich eine klare Trennung herzustellen zwischen der rein kongruierenden Funk-

14 15 16

DarmesteterS lff § 77 S. 97f Siehe hierzu und zu Vorgängern von Ballys I ypologie 1 2 2 2 1 ingehender wird auch noch in 1 3 2.5. auf Ballys Theorie eingegangen werden /uerst hat Bally die Konjugationsthese geäußert m LV 43, 1913 5

tion eines ad-verbalen Personalgrammems 17 und der möglichen anaphorischen oder deiktischen, also referierenden Funktion, die ein solches G r a m m e m Ubernehmen kann. Das gilt nicht nur für die französischen pronoms conjoints, sondern genauso für die lateinischen PersonalsufTixe und ansatzweise sogar für die deutschen Konjugationsendungen (so ist beispielsweise ein Satz wie kannst ruhig kommen durchaus verständlich). Damit ist man der Möglichkeit einer semantisch begründeten Unterscheidung zwischen Pronomen und Kongruenzmarkierung beraubt 1 * und angewiesen auf die Argumentation mit formalen Eigenschaften der Grammeme wie Obligatorik, Gebundenheit, Trennbarkeit oder Prosodie. Ein eindeutiges Kriterium bietet hiervon wohl nur die Gebundenheit, während sich die Obligatorik, wie so oft, auch hier als sehr relative und schwer greifbare G r ö ß e erweist, die Prosodie ebenfalls. Bei der Trennbarkeit setzt sich die Diskussion beim Status der trennenden Elemente fort. Zudem ergibt sich schon aus der Vielzahl der Kriterien, daß der Übergang von 'Konjugationsgrammem' zu Personalpronomen, auf dieser Basis definiert, nur ein fließender, oder zumindest mehrstufiger sein kann 1 9 . So ist beispielsweise das deutsche Personalpronomen, dessen pronominal-referierenden Charakter wohl niemand abstreiten würde, in Abwesenheit eines Nominalaktanten obligatorisch, im Gegensatz zum Lateinischen, obwohl sich sonst die Situation in beiden Sprachen sehr ähnelt: beidesmal besteht neben der Reihe freier pronominaler Formen eine gebundene, obligatorische, kongruierende SufTixreihe. Dementsprechend groß ist auch die Vielfalt der Argumente in der Polemik um den Status der pronoms conjoints. Bei anderen im Französischen neu entstandenen Paradigmen wie den Artikeln oder den Temporalperiphrasen dagegen besteht eine eindeutige Zuordenbarkeit zwischen deren Funktion und der Funktion der lateinischen SufTixe, nämlich der Markierung von Genus, Numerus, Tempus etc. (was auch immer sich an Gleichem oder Unterschiedlichem in der Bedeutung finden mag, die diese formal-grammatikalischen Kategorien in den beiden Sprachen letztlich haben). D a ß sich ein vergleichbarer Streit nicht beispielsweise am Status der Temporalperiphrasen entzündet hat, könnte einen weiteren Grund haben: hier hat sich der Prozess von der syntaktisch-syntagmatischen Konstruktion zum morphologisch-paradigmatischen Element gewissermaßen vor den Augen der Wissenschaft schon einmal vollzogen, nämlich von der toafcen-Konstruktion zur SufTixreihe des Futurs (-ai. -as, ...) bzw. des Conditionnel, und ist weitgehend untersucht. Demgegenüber ist bei den pronoms conjoints der Klitisierungsprozess und der Funktionswandel (soweit man von einem solchen, nach dem Gesagten, überhaupt ausgehen kann) bei weitem nicht abgeschlossen.

17

Im Sinne der "re fle xi v - metasprachlichen ' ' Sememkomponenten bei K. Heger 1976, § 3.1.1. S. 7511. " Für T. Givón sind denn auch "agreement" und "pronominalization" "fundamentally one and the same phenomenon", Givón 1976 S. 151. 19 Konsequenterweise stellt Ch. Lehmann (1985) die Opposition Pronomen - Personalaffix als skalares Kontinuum dar. 6

1.1.2.2. Die Positionen Eine ausführliche Auflistung der Beiträge zu diesem Streit gibt K. Hunnius in seinem Aufsatz 1977, in dem er der Konjugationsthese aufs heftigste widerspricht 20 , sowie C. Pignatelli 1988. Es seien deshalb hier nur die bekanntesten unter denen genannt, die in diesem Streit Partei ergreifen, bzw. diejenigen, die die originellsten Argumente eingebracht haben 2 '. A. Meillet schreibt 22 : "Nommer "pronoms" les éléments je, tu, il. elle, ils, elles, ce près des verbes est devenu une impropriété: à moins de donner au terme de mot une acception qui dépasse tous les usages reçus, j'e, tu, il etc., ne sont plus des "mots"; cc sont seulement des outils grammaticaux servant à la flexion du verbe; il n'y a pas plus un mot dans le je de j'aime que dans le -ô de lat. amo. Le fait que des éléments accessoires peuvent s'intercaler entre ces caractéristiques morphologiques et la forme verbale ne change rien au caractère de purs éléments morphologiques de ces prétendus "pronoms"." Die Textstelle ist aus einer Rezension zu Kr. Sandfelds Standardwerk Uber das französische Pronomen, in dem dieser an der klassischen Sichtweise der pronoms conjoints als unbetonten Personalpronomina festhält 23 . Etwas zu Unrecht stellt Hunnius das Werk von Damourette und Pichon in die Reihe der Gegner der Konjugationsthese, wenn er sich auf das folgende Zitat beruft 2 4 : "Certains grammairiens, faisant état de ce que l'adminicle |gemeint: das pronom conjoint) avait, en français moderne, conquis solidement des positions qu'il n'avait pas en français ancien, ont doctrine que, mis à part l'impératif, l'adminicle était devenu une sorte de flexion du verbe, et lui était notamment indispensable pour l'expression de la personne. Cette extrapolation, basée sur une conception fausse des évolutions linguistiques, a le vice plus grave encore d'être en contradiction avec les faits." Der Kontext dieses Zitates bei Damourette/Pichon läßt erkennen, daß es dabei weniger um den Flexionscharakter der pronoms conjoints geht als um die Frage, ob diese wirklich das ausschließliche Mittel zur Festlegung der Person am Verb seien, eine Behauptung, die sich natürlich Icicht widerlegen läßt. Keinen Bezug nehmen Hunnius und auch Pignatelli auf die folgende Passage bei Damourette' Pichon 25 :

20 21

22 23 24 25

Siehe auch Hunnius 1975. Im Sinne der Konjugationsthese äußern sich z.B. auch II. Bauche in Le tangage populaire, Paris M929, S. I I3f und A. Dauzat in La langue française d'aujourd'hui, Paris 1908, S. 45. Gegen die These äußert sich O. Jespersen in Die Sprache, ihre \atur, Entwicklung und Entstehung, dt. Heidelberg 1925, S. 412ff. Meillet S. 130. Sandfeld 1932, insbes. das Vorwort und Buch I, Kap. 1. Damourette/Pichon 6, § 2306, S. 245f. Damourette/Pichon 3, § 890, S. 211. 7

"À côté de la tendance archaïsante à omettre l'adminicle, la parlure vulgaire possède aussi une tendance à faire de l'adminicle une sorte de flexion du factif verbal 26 . Elle place alors cet adminicle entre le factif verbal et le substantif nominal sujet." Dabei legen sie Wert a u f die Feststellung, d a ß es sich hierbei n i c h t u m eine appositionelle R e p r i s e - K o n s t r u k t i o n h a n d e l t u n d d a ß zwischen d e m N o m e n u n d d e m P r o n o m e n keine P a u s e bestehe; so z.B. in d e m Satz:

Tu te méfieras, parce que la bouillotte elle est bien chaude, tu sais21. L. Tesnière steht a u f der Seite der B e f ü r w o r t e r der K o n j u g a t i o n s t h e s e : "L'indice personnel du sujet en arrive ainsi à jouer exactement le même rôle qu'une désinence personnelle. I.a chose ressort à l'évidence de la comparaison typologique du latin et du français: [folgt die Auflistung der 1.-3. Person Präs. v. amare und aimer, auch in phonetischer Umschrift]. Le tableau qui précède montre que les indices personnels français [lj (sic), [ty|, |ï], qui n'ont pour fonction que d'indiquer la personne, jouent exactement le même rôle que les désinences latines -al, -as, -o."2% Wie m a n sieht, stellt Tesnière hier a u c h s c h o n einen Z u s a m m e n h a n g her zwischen d e m C h a r a k t e r der p r o n o m s c o n j o i n t s als präfigierten PersonalafTixen u n d seiner Stellungstypologie. Allerdings b e r u h t dieser Z u s a m m e n h a n g bei Tesnière n o c h nicht a u f der expliziten A n n a h m e einer G e m e i n s a m k e i t zwischen der syntaktischen u n d der m o r p h o l o g i s c h e n Ebene, wie bei Bally, s o n d e r n a u f der speziellen F r a g e der Stellung des A k t a n t e n g e g e n ü b e r d e m Verb, die ja d a s A k t a n ten-referierende P e r s o n a l m o r p h e m mit einschließt. G . M o i g n e t sieht den r e d u n d a n t e n G e b r a u c h der v e r b u n d e n e n S u b j e k t s p r o n o m i n a im "français familier, voire p o p u l a i r e " (wie er in d e m obigen Beispiel aus D a m o u r e t t e Pichon a u f t r i t t ) wegen des völligen F e h l e n s p r o s o d i s c h e r Z u s a t z m e r k m a l e , etwa einer kleinen P a u s e zwischen S u b s t a n t i v u n d P r o n o m e n , als ein P h ä n o m e n an, das nicht in den Bereich der "expressivité", s o n d e r n in den der P c r s o n a l m a r k i c r u n g gehöre, u n d er sieht a u c h einen Verlust der a n a phorischcn Potenz der p r o n o m s conjoints: "Il faut y voir, scion nous, une extension nouvelle de la marque de personne. Des deux fonctions que remplit le pronom de la troisième personne: représenter un substantif présent à la pensée et signifier la personne verbale, la première disparait et la seconde seule subsiste." 29 D e n n o c h weigert sich Yloignet, die K o n j u g a t i o n s t h e s e zu ü b e r n e h m e n : für ihn ist zwar die F u n k t i o n der lateinischen P e r s o n a l e n d u n g a u f das v e r b u n d e n e Sub-

26

27 2i 21

8

"l actif verbal" entspricht in etwa dem finiten Verb (siehe Damourette/Pichon §§ 804fT). Bd. 3 § 890. I esnicre Kap. 61 § 3, S. 139. Moignet S. 148.

jektspronomen Ubergegangen, entsprechend seinem Konzept der "déilexivité" 30 , allerdings beinhaltet die "déflexivité", daß der neue Funktionsträger ein eigenes Wort darstellt, womit Moignet ganz im Sinne der Unterscheidung von analytischen und synthetischen Sprachen argumentiert. Für ihn gewinnt die Sprache durch die "déilexivité" an "rigueur analytique" und "souplesse" 31 . Moignet widerspricht explizit Wartburg in Bezug auf die Ansicht, die pronoms conjoints stellten ein präfigiertes Affixparadigma dar, mit dem Hinweis auf den "seuil décisif, der zwischen Wort und Präfix bestehe, ohne allerdings auszuführen, worauf er diesen Unterschied gründet, noch, worauf er die Zuordnung der pronoms conjoints zu den Wörtern gründet 32 . J. Dubois widerspricht der Konjugationsthese unter dem Hinweis darauf, daß ja das alte System zur Markierung der Person noch produktiv ist, insbesondere bei den drei häufigst gebrauchten Verbformen être, avoir und aller. Ferner betont er den "rôle de substitution assumé par les pronoms" und die "unité générale du système je me moi ou tu te toi."33 K. Heger und W. Rothe 34 sehen nicht nur die verbundenen Subjektspronomina als Konjugationsmorpheme an, sondern sie gehen den konsequenten Weg, dann auch den verbundenen Objektspronomina den gleichen Status zuzuweisen. Damit erweist sich das Französische, wie im übrigen auch das Spanische, Rumänische und Portugiesische als Träger eines bis dahin eher als exotisch angeschenen Phänomens: der Objektkonjugation. Heger entwickelt zudem, wie auch G. Bossong, Vorstellungen darüber, was die Personalkongruenz am Verb, gegenüber einem tatsächlich referierenden Pronomen, eigentlich für Funktionen haben kann 35 , nämlich im Bereich der Kasusmarkierung. K. H. Körner erkennt die Konjugationsthese an für die französischen Subjektspronomina, ebenso wie für die Objektspronomina der anderen genannten Sprachen, lehnt sie aber ab für die französischen Objektspronomina. Als Grund nennt er die "pertinence fonctionnelle" der letzteren, nämlich die kasusmarkierende Funktion, die sie, im Gegensatz zu der "inertie" der Subjektspronomina, hätten 36 . Für ihn ist also die Funktionslosigkeit ein Merkmal von Konjugation, und zwar in Bezug auf genau die Funktion, die für Heger und Bossong ein Hauptmerkmal des Konjugationscharaktcrs dieses Paradigmas ist. Auf die Beiträge von W. J. Ashby und H. Wcinrich wird im folgenden noch genauer einzugehen sein 37 . Fine eigene Diskussion entsteht um den diachronischen Ablauf des Obligatorisch-werdens des verbundenen Subjektpronomens in der I. und 2. Person sowie

w

S. 40ff. S. 162, zur Kritik an dem Konzept des "analytischen" Französischen siehe 1.2.1. 32 A.a.O. » Dubois S. 107ff. 54 Heger 1966, Rothe 1966. 13 Auf ersteres ist in 1.1.2.3. gleich zurückzukommen, letztere Frage wird in 2.1.2.2. wie' der aufgenommen. 36 Körner 1983, u. a. S. 123. 57 Siehe zu Ashby bes. 3.2., 3.5.1., zu Wcinrich bes. 1.2.2.1. 51

9

bei fehlendem nominalen Subjekt in der 3. Person. Die eigentlich naheliegende und auch häufig geäußerte Auflassung, daß die Erosion der Personalendungen der Grund für diese Entwicklung gewesen sei3*, steht im Gegensatz zu der Auffassung W. v. Wartburgs, der, obwohl ja an anderer Stelle ein Hauptvertreter der Konjugationsthese, davon ausgeht, daß der zunehmende Gebrauch der pronoms conjoints im ausgehenden Mittelalter auf die Vermeidung einer Verb-Anfangs-Stellung zurückzuführen ist und zeitlich dem Endungsausfall vorausgeht. Allenfalls das endgültige totale Obligatorisch-werden, das allgemein im 16. - 17. Jh. angesetzt wird, wäre dann mit dem Ausfall der Personalendungen begründbar 3 9 . Die gleiche Auflassung vertritt M. Harris 4 0 , in Anschluß an L. Foulet.

1.1.2.3. Die Argumente Als Argumente, die für oder gegen die Konjugationsthese angeführt werden, kann man die folgenden zusammenfassen:

Argumente pro: 1. Die prinzipielle Obligatorik des prönom conjoint für das Subjekt in der I. u. 2. Pers. Sg. oder bei Abwesenheit eines substantivischen oder frei-pronominalem Subjektes, sowie die angenommene zunehmende umgangssprachliche Obligatorik auch dann, wenn ein pronom disjoint oder ein Substantiv dabeisteht (le chien il mange). 2. Die Gebundenheit der pronoms conjoints, d. h., daß sie, im Gegensatz zu den pronoms disjoints, nicht ohne das finite Verb auftreten können. 3. Der zunehmende Ausfall der suffigierten Personalkongruenz (insbesondere in Verbindung mit der häufig angeführten Tendenz, die sufligierende Form nous chanlons durch on chanie zu ersetzen 41 ). 4. Die Tatsache, daß neben den pronoms conjoints als bound forms ein zweites personal markiertes Paradigma von free forms besteht, nämlich das der pronoms disjoints, analog zu den Verhältnissen im Deutschen oder Lateinischen, wo neben dem Paradigma der gebundenen Personalendungen das der freien Personalpronomina existiert. 38 39 40 41

10

Siehe z.B. H. Paufler, bes. S. 297fT. Wartburg 1941. Harns 1978 S. I12ff. Siehe bes. Söll 1969 u. Grafström. Bestätigt wird diese Annahme auch durch die Verhältnisse im Corpus von D. François. Siehe dazu und zum Ersatz von on "man" durch andere Formen 3.3. Den konservativen Widerstand der Personalendung in der 2. Pers. Plur. fuhrt Pignatelli (S. 44) auf den Tabu-Status der Form als Anrede der Höflichkeit zurück.

5. Der angenommene Verlust der Genuskongruenz des pronom conjoint in der 3. Person. 6. Die Untrennbarkeit der pronoms conjoints: zwischen ein pronom conjoint und den finiten Teil des Verbs können, wie bei der lateinischen Personalendung, nur gewisse andere, ebenfalls gebundene ad-verbale Grammeme treten«. Das Argument 5 wird meistens unter Berufung auf Frei 1929 (S. 1450 angeführt 4 3 , der mehrere Beispiele vom Typ ma femme il est venu anführt. Es zielt besonders darauf, die Parallelität der Situation zu der des Lateinischen zu unterstreichen in der das Personalsuffix ja auch genusindifTerent ist. In 3.5.1. wird ausgeführt, inwiefern dieses Argument eher gegen als für die Konjugationsthese spricht, wenn man die Frage loslöst von der Parallelität zum Latein und mehr unter dem Aspekt der Funktion betrachtet, die eine Kongruenz des Verbs mit seinen Aktanten haben kann.

Argumente contra: 1. Die angenommene Fakultativität • der pronoms conjoints in allen anderen Personen als der 1. und 2. Sg., wenn ein pronom disjoint oder ein Substantiv dabeisteht: "Le type le chien mange est universel dans la langue cultivée, même chez les enfants, et a de très fortes positions, dans le vulgaire même, en face de le chien il mange dont il ne faut pas exagérer l'importance." 44 Hunnius zitiert sogar Beispiele aus Sandfeld, in denen das pronom conjoint fehlt, obwohl kein Substantiv oder pronom disjoint dabeisteht 45 : Vous n'êtes pas sérieux. - Jure que si. M. Clément Vautel? - N'est pas là... 2. Die angenommene Freiheit der pronoms conjoints. Hunnius zitiert Beispiele aus Sandfeld 46 : Il ne vous a rien dit? - Qui ça il? Je ne comprends pas pourquoi il ou elle a dit cela. Pas de "tu" ici; "vous", je l'ai dit. 3. Die partiell noch vorhandene und funktionstragend einsetzbare suffigierte bzw. unregelmäßig flektierte Personalkongruenz 47 :

42 43 44 45 46 47

Siehe bes. Weinrich 1963 S. 52f, Pignatelli S. 34. Siehe unten 3.5.1. Fußnote M l . Damourette, zitiert nach Hunnius S. 45. Sandfeld § II, S. 18. bzw. Hunnius. Sandfeld § 1, S. 2. bzw. Hunnius. Zitat aus Damourette/Pichon 6 § 2306, S. 246. bzw. Hunnius. 11

Dans ces conditions-là, croiriez-vous que sur sept locataires qui avons accepté, il y en a quatre qui ont refusé. Es wird auch darauf hingewiesen, daß es sich hierbei gerade um die häufigst gebrauchten Verben handelt4*. 4. Die Bedeutungssensitivität der Opposition le chien mange vs. le chien il mange Die zweite Form wird normalerweise als markiert in Bezug auf die Expressivität oder Emphase angesehen, womit der "redundante" Gebrauch des pronom conjoint nicht auf das Konto von dessen Konjugationsfunktion ginge, sondern eben auf das Konto dieser expressiven Funktion. 5. Die Unmöglichkeit des Gebrauches von pronoms conjoints zur Aufnahme eines Relativpronomens 49 ( * le chien qui il mange), eines Frage-, Indefinitoder Demonstrativpronomens 50 . Die Invertierbarkeit von Verb und pronom conjoint in den bekannten Kontexten (Imperativ etc.) wird eher von Vertretern der Konjugationsthese erwähnt, z.B. von C. Pignatelli unter Hinweis auf die Irrelevanz dieser Tatsache für die Frage 51 . Mit den Argumenten 1-3 contra haben die Gegner der Konjugationsthese zweifellos nicht ganz unrecht, soweit sie darin einen entscheidenden Unterschied zu der Situation des Latein sehen: solche Sätze sind formulierbar, verständlich und erscheinen nicht einmal als besondere Vergewaltigung der sprachlichen Gegebenheiten. Allerdings geht es ja bei der Konjugationsthese auch nicht darum, von einem vollständig durchgebildeten präfigierten Konjugationssystem und einem ebenso vollständig ausgefallenen sufTigierten Konjugationssystem zu sprechen, sondern darum, hier eine Tendenz zu formulieren. Dann werden die Argumente 1-3 auf jeder Seite zu einem rein empirischen Problem: sie beruhen ganz einfach auf unterschiedlichen Behauptungen über die empirisch tatsächlich vorliegenden Verhältnisse und der unterschiedlichen Einschätzung der Repräsentativität der Vorkommen, die die eine oder die andere Behauptung bestätigen 52 . Im Vorgriff auf die Betrachtungen in 3.2.1. kann hier schon darauf hingewiesen werden, daß in dem untersuchten Corpus die Sätze der beiden in 1 contra miteinander verglichenen Typen im Verhältnis von etwa 1:1 vorkommen. Für die anderen in 1-3 contra exemplifizierten Satztypen gibt es in dem Corpus kein Beispiel. Viel ernster als 1-3 jedoch sind die Argumente Es ist völlig einsichtig, daß dieser Ansatz zu einer prinzipiellen Gleichbehandlung von XI und N2 kommen muß, wenn man in der Vcrb-Aktant-Beziehung eine dichotomische Unterscheidung analog zu den anderen syntagmatischen Paaren festlegen will. Dagegen stehen die beiden Nominalausdrücke in der konstituentenhierarchischen Sichtweise, rein von der Struktur her betrachtet, in zwei völlig unterschiedlichen Syntagmentypen: einmal N P + V P , einmal NP +V. Das Syntagma N P + V (also Objekt-Verb) erfährt in den konstituentenhierarchischen Ansätzen generell die Einstufung NP = Determinans, V = Determinatum 157 . Zu dieser Einstufung kommt natürlich auch der Dependenzansatz, wo das Objekt dem Verb als dem hierarchisch höchsten Element untergeordnet ist und dieses somit determiniert. Die Übereinstimmung ergibt sich daraus, daß in beiden Ansätzen die Zuordnung ja letztlich auf dem Kriterium der Gebundenheit oder Kategorienkonstanz beruht. Anders bei der Einordnung des Subjektes: im Gegensatz zum Dependenzansatz, der das Subjekt natürlich in gleichem Verhältnis zum Verb sieht, wie das Objekt, schwankt bei der Konstituentensicht die Zuordnung, da hier das Gebundenheitskriterium ausfällt: die Gebundenheit von Subjekt und Prädikat ist ja gegenseitig. Für Bally ist das Prädikat das Determinans des Subjektes, Vennemann,'Harlow, die die Unsicherheit der Zuordnung betonen, werten das Subjekt letztendlich als Determinans des Verbs, worin sich die Nähe ihres Ansatzes zu der De pendenz grammatik einmal mehr zeigt. Implizites Argument ist hierbei letztlich die Tatsache, die auch in der Dependenzgrammatik die hierarchisch höchste Stellung des Verbs rechtfertigen muß: die

57

Z.B. Bally, Vennemann 1973a. Hintergrund ist wiederum die Vorstellung, daß ein Verb wie sehen durch die Nennung eines Objektes wie den Hund in seiner Bedeutung eingeschränkt, quasi zu einem spezifischeren Verb Hwtd-sehen spezifiziert wild. 49

Existenz von O-wertigen Verben, die der Kategorie 'Verb' den Charakter der Ungebundenheit gegenüber dem gebundenen Subjekt v e r l e i h t ' A l l e r d i n g s m u ß man sich dabei darüber im klaren sein, daß man hierbei mit einer Kategorie 'Verb' argumentiert, in der zwei disjunkte Mengen, nämlich die O-wertigen und die mehrwertigen, zusammengefaßt sind 159 . Genau das gleiche gilt übrigens (vir die Beziehung zwischen transitivem Verb und Objekt: das oben genannte Gebundenheitskriterium für die Zuteilung von Verb und Objekt nach Determinatum - Determinans ist nur möglich bei Annahme einer Kategorie 'Verb', die die disjunkten Mengen der transitiven und der intransitiven Verben in einer Klasse zusammenfaßt, so daß diese Klasse als "frei" gegenüber dem Nomen erscheint. Unter diesem Gesichtspunkt kann Ballys Einteilung im Extremfall dazu fuhren, die Beziehung Nomen-Verb einmal als die Beziehung Determinatum - Determinans anzusehen (nämlich wenn das Nomen das Subjekt eines intransitiven Verbs ist), einmal als Determinans - Determinatum (wenn das N o m e n das Objekt eines transitiven Verbs ist). Das Dilemma liegt natürlich in der ungenügenden Unterscheidung zwischen Prädikat (als BegriiT der aristotelischen Dichotomie) einerseits und finitem Verb andererseits. Diese Trennung liegt in der konstitucntenhierarchischcn Sicht zwar vor in der Unterscheidung zwischen VP und V, wird aber durch das Nebeneinander der Regeln VP > V und VP > N P + V wieder aufgehoben, in dem die kategoriale Unterscheidbarkeit zwischen transitiven und intransitiven Verben ignoriert wird, insofern als beide in die gleiche Kategorie V gesetzt werden. Wohl in Erkenntnis dieser Problematik bei Bally befindet sich Trubetzkoy mit seinem Versuch gewissermaßen auf halbem Wege zwischen einer aristotelischen und einer dependenziellen Sichtweise: einerseits geht er dependenziell vor, wenn er feststellt, das Verb bilde zwei Syntagmen: eines zusammen mit dem Subjekt, ein zweites zusammen mit dem Objekt. Diese Aussage läßt sich nur in einer dependenziellen Sichtweise darstellen:

syntagme déterminatif

158

159

50

Siehe z.B. Engel S. 139. Auf einer einheitlichen Kategorie 'Verb' beruht auch Heringen Rechtfertigung der Verb-Höchststellung: eben weil die Wertigkeit des Verbs die Anzahl der anderen Satzglieder bestimmt, kann diesem "der größte Einfluß" und damit die Höchststellung zugesprochen werden (Heiinger § 7.1, darin bes. S. 76 in Verbindung mit den Definitionen in § 2.4). Die syntaktische Vetteilerfunktion des Verbs ist auch das wichtigste unter den von H. Kalvericämper angeführten Argumenten, in denen auch das distributionelle Kriterium zumindest implizit mitzuschwingen scheint (siehe bes. Kalverkämper S. 2S7 oben zu Weinrich u. Raíble oder S. 2590Eine andere Begründung für die Höchststellung des Verbs ergibt sich aus Bossong 1982 S. 37: das Verb ist als Träger der Assertion, bzw. der Bedingungen der NichtAssertiertheit, das Element, das die grammatikalischen Beziehungen des Satzes, Teilsatzes oder infiniten Syntagmas nach außen vertritt.

Andererseits geht er aristotelisch vor, wenn er feststellt, das eine der beiden Syntagmen sei ein "syntagme prédicatif", das andere ein "syntagme déterminatif". Die Schwierigkeit, die Verb-Aktant-Beziehung überhaupt in die Determinationsdichotomie einzubauen, setzt sich bei der Betrachtung der empirischen Gegebenheiten fort. Die Ansätze, die einen gleichen Status von Subjekt und Objekt gegenüber dem Verb annehmen, haben Schwierigkeiten, das unterschiedliche empirische Verhalten von Subjekt und Objekt zu erklären, wie es aus Greenbergs Ergebnissen herauslesbar ist: hier steht ja dem Typ SOV (oder neutraler ausgedrückt NNV) als statistisch häufigster Gegentyp nicht etwa VOS (VNN) gegenüber, sondern SVO (NVN) 160 . Dagegen ist aus Ballys Sicht die Stellung SOV inkonsistent, da S als Determinatum des Prädikats (OV) links von seinem Dcterminans steht, während V als Determinatum des O rechts von seinem Determinans steht. Diese Problematik hat in der Stellungstypologie dazu geführt, das Subjekt aus der primären Typenzuordnung lieber auszuklammern. W. Lehmann operiert mit den Grundtypen OV und VO, Vennemann schreibt 1973a: "The relative order of the finite verb and its complement (...) is the most basic operator-operand relationship of a language."161 Eine konsequent dependenzielle Sichtweise muß sich hier natürlich fragen, was eigentlich dazu berechtigt, einen Aktanten vor den anderen in irgend einer Weise auszunehmen. Diese Sonderbehandlung des Subjektes (besser: eines Aktanten), bzw., empirisch gesehen, das verschiedene Verhalten der Äktanten, wird mit einem externen Argument begründet: mit der Affinität des einen Aktanten zur Thematizität und damit zur Satzbeginnstellung162. Es ist kein Zufall, daß mit dem zunehmenden Einzug in die Sprachwissenschaft des Frege'schen Konzeptes von Funktion und Argumenten, das die alte Subjekt-Prädikat-Dichotomie ablöst 163 , die Thematizität herhalten muß, um den SubjektbegrifT zu retten: die Thema-Rhema-Dichotomie ist genau das Konzept, das nach Ablösung der Subjekt-Prädikat-Dichotomie in der Sprachwissenschaft das binäre Prinzip "Aussage und ihr Gegenstand" weiterführt. Insofern ist der Versuch, das besondere Verhalten eines Aktanten mit dessen Thematizität zu erklären, die konsequente Anwendung der Trennung von syntaktischer Verb-Nomen Struktur und binärer Aussagendichotomie. Der Versuch jedoch, über alle Sprachen hinweg eine aktantielle Kategorie zu definieren, die sich durch ihre Thematizität auszeichnet, oder gar "Subjekt" durch Thematizität zu definieren164, ist ein Rückschritt weil eine Rückgängigmachung der 160

Die statistischen Ergebnisse Greenbergs werden bestätigt bzw. in der hier angesprochenen Hinsicht sogar noch akzentuiert durch nachfolgende Untersuchungen über wesentlich größere Populationen (vgl. Tomlin S. 17ff). Tomlin selbst kommt über einer sorgfaltig ausgewählten Population von 402 Sprachen zu den Weiten 44,78% (SOV), 41,79% (SVO), 9,2% (VSO) (S. 22). '« S.3. «2 Dazu siehe bes. Vennemann 1973a und Antinucci, die natürlich beide von der Topikalität des "Subjektes" sprechen. ' « FregeS. 2. 164 z.B. ansatzweise bei Keenan, der die Thematizität als eines von 30 möglichen Definitionskriterien für das Subjekt angibt. Allerdings läßt Keenan damit auch einen NichtZusammenfall von Subjekt und Thema zu. 51

Errungenschaft, die die Trennung von Thema-Rhema einerseits und Verb-Aktant-Struktur andererseits für die Sprachwissenschaft darstellt. G. Bossong verleiht den Versuchen, die Funktionale Satzperspektive in die stellungstypologische Betrachtung einzubeziehen, die notwendige Systematik, indem er die strikte Trennung von drei Ebenen fordert: einer formalen, auf der solche Termini wie Erst-, Zweit- und Drittaktant anzusiedeln sind, einer semantischen, auf der solche Konzepte wie Agens, Patiens etc. angesiedelt sind. Diese beiden Ebenen bilden zusammen die "kasuelle" Ebene, der die "pragmatische" Ebene gegenübersteht, auf der nach Thema und Rhema zu unterscheiden ist. Die Beziehung zwischen kasueller Ebene und Thema-Rhema-Ebene faßt Bossong als Aßinitätsbeziehung auf165. Genau diese Affinität ist es, die bei den anderen Autoren häufig mit der Identität verwechselt wird, womit dann nicht mehr untcrscheidbar ist, wann sie mit 'Thema' das Subjekt meinen, wann mit 'Subjekt' das Thema, wann den Erstaktanten oder den Agens. Letztlich ist auch noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Gepflogenheit, die Stellung des Subjekts aus der primären Wortstellungstypologie auszunehmen und dies mit dessen Thematizität zu begründen, wiederum Ausdruck der Tatsache ist, daß die Wortstellung eben nicht nur einem, typologisch greifbaren, sondern verschiedenen, teils einzelsprachlich bedingten, teils universalen, teils distinktiven, teils automatischen, und insgesamt funktional inhomogenen Kriterien gehorcht. Diese komplexe Bedingtheit der Wortstellung stellt an die Formulierung typologischer syntaktischer Stellungsuniversalien, wenn sie sie nicht ganz verbietet, ganz besondere Anforderungen von Sorgfalt der Argumentation.

1.3.2.6. Die Möglichkeit eines semantischen Prinzips Angesichts des etwas ernüchternden Ergebnisses der Versuche, die Determinationsopposition als durchgehendes Beschreibungsprinzip auf alle Stufen anzuwenden, soll noch einmal zurückgekehrt werden zu der in 1.3.2.5.1. bereits schon einmal angedeuteten semantischen Implikation dieser Opposition und der Frage, ob sich nicht doch für alle interessierenden Typen von Syntagmen eine Gemeinsamkeit in der Bedeutung ergibt, und zwar in Termini des Heger'schen Aktantenmodells, das sich ja als System von außereinzelsprachlicher Begrifilichkeit versteht und so am ehesten die Voraussetzung für einen Vergleich bietet, der nicht nur Uber den einzelnen syntagmatischen Konstruktionstyp, sondern auch über die einzelne Sprache hinaus geht. Es ist zu fragen, ob in Ballys Dichotomie von thème und propos nicht doch ein universales Bedeutungselement steckt. Haupthindernis dabei dürfte die bereits angesprochene Tatsache sein, daß sich in dieser Dichotomie mindestens zwei Dinge verbergen, deren Unterscheidung bereits Trubetzkoy vornimmt: seiner Unterscheidung zwischen attributiver und prädikativer Beziehung ("syntagme déterminatif™ und "syntag-

>6S Bossong 1980, nicht zufällig ist es eine Prager Arbeit, auf die sich Dossong dabei beruft (DaneS), siehe dazu hier oben Fußnote I M .

52

me predicatif") lassen sich (wenn man einmal von der m.E. problematischen Anwendung der erstcren auf die Beziehung Verb-Objekt absieht) zwei Konstruktionstypen im Aktantenmodell zuordnen: 1 Die einfache direkt temporal spezifizicrbare und assertierbare Zuweisung einer Eigenschaft (wie in la foret est verte oder besser que le cercle est rond]b6), in Aktantenmodcllnotation:

N = 'Wald' R = 'grün'

2. Die Zuweisung einer Eigenschaft zum Zwecke, den Referenten zu definieren (wie in la foret verte), m Aktantenmodellnotation dargestellt als rechtsrekursiv eingesetzte Prädikation:

N, = 'Wald' R = 'grün'

Den beiden Konstruktionen entsprechen die Paraphrasen "Der Umstand daß N R ist" (1) und "Der N, der R ist" (2). Man sieht, daß die beiden Konstruktionen nach außen hin m verschiedenen Dingen resultieren ("der Umstand..." vs. "der N..."). In der letzteren Konstruktion schlägt also die Prädikationskomponente N nach außen durch. Diese Gegebenheit hat Verwandtschaft zu der Frage der Katcgoricnkonstanz, die in den vorhergehenden Paragraphen immer wieder angesprochen wurde. In der erstcren Konstruktion liegt diese Kategorienidentität zwischen einer Komponente und dem Status der resultierenden Kategorie nicht vor. Dennoch haben die beiden Konstruktionen etwas gemeinsam, und zwar sogar so viel, daß sich die erstere als Tcilkonstruktion in der letzteren wiederfindet. Genau in dieser Gemeinsamkeit, nämlich der einfachen Zuweisung einer Eigenschaft / u einer Individuen variablen, dürfte die Motivation für Bally liegen, die thcmc-propos-Dichotomic sowohl auf attributive Konstruktionen als auch auf die Beziehung Subjekt - finites Verb anzuwenden. Es war vermutlich das Verdienst Frcgcs, durch die Einführung des Konzeptes der Funktion die Prädizicrung einer Eigenschaft befreit zu haben nicht nur von der Dualität Subjekt -

166 | x;t/tcres Beispiel soll besagen, daß es an dieser Stelle nicht auf die Frage der Asserticrthcit oder temporalen Spe/jfi/ierthcit ankommt, sondern allein auf die Hierarchie der einfachen Prädikationen.

53

Prädikat, sondern auch von ihrem Aussage-Status bzw. ihrer "Wahrheitswertigkeit" (wobei man in der Sprachwissenschaft lieber von Assertiertheit sprechen sollte), wodurch es möglich geworden ist, sie nicht mehr allein auf den Satz, sondern auch auf Einheiten anderer Ebenen anzuwenden 1 6 7 . Die umfassenden Anwendung, die das Strukturelement P im Aktantenmodell findet, läßt den Versuch hoffnungsvoll erscheinen, auch in der Bedeutung anderer Syntagmentypen dieses Element aufzuspüren und damit ein gemeinsames semantisches Merkmal aller Syntagmen zu finden. Dies zumal, da auch Funktoren und Spezifizierungen des Aktantenmodells, die zumeist Dinge symbolisieren, die häufig durch Grammeme bezeichnet werden, z.T. nichts anderes sind als formal verkürzte Notationen, die aus mehr oder weniger komplexen Gcfügen des Strukturelementes 'Prädikation' bzw. deren zweistelliger Variante hergeleitet sind16*. Das heißt, das Strukturelement Prädikation findet im Aktantenmodell eine wesentlich generellere Anwendung als z.B. in prädikatenlogisch orientierten Semantikansätzen, wo es nur auf solche Bedeutungen angewendet wird, die in den natürlichen Sprachen auch durch Attribution oder verbale Prädikation bezeichnet werden, während die meisten in der Sprache durch grammatische Elemente bezeichneten Bedeutungen dort eher als besondere Operatoren erscheinen. Allerdings ist es auch genau diese Unterschiedlichkeit, die die Anwendung des Aktantenmodells in dem angestrebten Sinne verhindert: anders als in den prädikatenlogisch orientierten Ansätzen, bei denen zumeist eine weitgehende Isomorphie zwischen einzelsprachlicher Segmentierung und Syntagmatik einerseits und logischen Prädikaten, Operatoren und deren Syntagmatik andererseits angenommen ist, ist es eines der Hauptmerkmale der Heger'schen Theorie, daß weder die Einheiten des Modells in I:(-Beziehung stehen zu den Zeicheneinheiten einer Einzelsprache (siehe unten 2.1.2.3.), noch die strukturell syntagmatischen Gegebenheiten der Einzelsprache direkt abbildbar sind auf die noematische Struktur. Wenn es also zutrifTt, daß alle syntagmatischen Verknüpfungen bedeutungstragender Einheiten in irgendeiner Weise Dinge bezeichnen, die mittels des Strukturtyps Prädikation noematisch dargestellt sind, so nützt diese Tatsache filr unser Anliegen überhaupt nichts, da sich hieraus keine systematische Zuordnung der jeweils verknüpften bedeutungstragenden Einheiten der Sprachen ergibt.

167

I6t

54

Eine Neuerung, die sich ja insbesondere die Prädikatenlogik zunutze gemacht hat. Zur Frage der Wahrheit/Assertion siehe Fiege § 2, zum Unterschied zwischen der Subjekt-Prädikat-Dichotomie und dem Funktion-Argument-Konzept §§ 3 u. 9. So z.B. der Element-Funktor (Heger/Mudersbach S. 41), der Temporal-Funktor (S. 42ff) sowie eine Reihe von Spezifikationen bei der Besetzung der Individuenvariablen N (S. 28-39, Regeln 20-29).

1.3.2.7. H. Seilers Vereinheitlichung von Determinern und Determination Zum Abschluß dieses tour d'horizon über die Möglichkeiten einer Vereinheitlichung von morphologischen und syntaktischen Phänomenen sei noch kurz der Versuch von H. Seiler angesprochen, die Funktionsweise von Determinantia im Sinne der Wortstellungstypologie und der Elemente des in der angelsächsischen Sprachwissenschaft "determiners" genannten Paradigmas, also den Artikeln, Demonstrativa, Kardinalia etc., auf einen Nenner zu bringen16*. Seiler erkennt selbst klar, daß es hierbei begrifflich eigentlich um zwei grundverschiedene Dinge geht: einerseits (nämlich im Falle der adnominalen Determinantia wie Adjektiven, Genitiven, Relativsätzen etc.) um eine Frage der Intension (im Sinne des Frege'schen "Begriff) "with its correlated notions of predicate and property", andererseits (nämlich im Fall der "determiners") um die Frage der Extension (im Sinne des Frege'schen "Gegenstand") "with reference, indtvidual or class as correlated notions" 170 . Es geht, um eine andere Terminologie zu verwenden 171 , um so grundverschiedene Dinge wie Spezifikation (im ersteren Fall) und Identifikation (im letzteren). Dabei ist Spezifikation (characterization) natürlich genau das, worum es in den vorhergehenden Kapiteln vornehmlich ging: die genauere Umschreibung eines Referenztermes mittels weiterer Attribute (Kugeln > rote Kugeln). Bei der Identifikation (specification) geht es um die Auswahl von Individuen aus einem solchermaßen definierten Individuenbereich (Kugeln > eine¡die¡diese Kugel etc.). Obwohl sich Seiler darüber klar ist, daß es sich begrifllich hierbei um "two diametrically opposed poles where no in-between is possible" handelt, hält er diese Unvereinbarkeit für eine außersprachliche Gegebenheit, die innerhalb der sprachlichen Darstellung eine kontinuierlich abgestufte Behandlung erfahre. Er setzt also "determination" als Oberbegriff für Spezifikation (characterization) und Identifikation (specification) 172 , die, ganz in Seiler'scher Tradition, die beiden Pole einer abgestuften Skala bilden. Wenn die Idee einer skalar abgestuften Einteilung von einzelsprachlichen Zeichen, je nachdem ob sie mehr Identifizierendes oder mehr Spezifizierendes ausdrücken, nachvollziehbar ist, stellt sich fiir mich dennoch die folgende Frage: wenn unter "determination" sowohl Spezifikation als auch Identifikation vereint 169 170 171

172

Seiler 1978. Seiler 1978 S. 310. Nämlich die aus Heger 1983a. Allerdings ist Vorsicht geboten: "specification" steht bei Seiler genau für das Gegenteil der Hegerschen "Spezifikation", nämlich für das, was bei Heger "Identifikation" ist. Was bei Heger "Spezifikation" ist, nennt Seiler "characterization". In gleicher Weise wie Seiler benutzt auch Raible 1982 und 198S den Terminus "Spezifikation". Eine ähnliche Unsicherheit besteht bei dem Gegenterminus "genetisch": auch er wird bisweilen verstanden im Sinne einer unbestimmten Referenz (also Genus gegenüber Individuum), bisweilen aber im Sinne einer unbestimmten "characterization" (also Genus gegenüber Species), d.h. im Sinne einer semantischen Unbestimmtheit. Ich verwende den Terminus im letzteren Sinne! Seiler 1978 S. 319. 55

sind, was bleibt dann übrig als Determinatum? M.E. sind Spezifikation und Identifikation nicht gemeinsam bezogen auf etwas drittes, sondern jeweils aufeinander. D.h., sie bedürfen zu ihrer Definition der Polarität: Spezifikation wird angewandt auf einen Referenzausdruck, der ein identifizierendes (oder die Identifikation gerade ofTen lassendes) Element trägt, umgekehrt wendet sich Identifikation an auf einen deflatorisch-spezifizierend vorgegebenen Referenzbereich. D.h., Spezifikation und Identifikation (bzw. explizite Nicht-Identifikation) sind immer zwei aufeinander bezogene, komplementäre Komponenten von Referenzausdrücken. D a ß sich die Frage 'was ist das Determinatum (oder "head", in Seilers Terminologie), wenn Spezifikation und Identifikation gleichermaßen unter Determination fallen?' fur Seiler nicht in dieser Weise stellt, liegt daran, d a ß er sich von vorneherein auf die Betrachtung adnominaler Elemente beschränkt. Dann ist klar: Determinatum ist das Nomen (Seiler spricht mehrfach vom "head noun") 1 7 3 . Die Frage stellt sich erst, wenn man unter Aufgabe einer a-priori-Annahme von Wortklassen, das Nomen selbst auf seinen identifizierenden oder spezifizierenden Gehalt untersucht, anstatt es unbetrachtet als head der Determination zu nehmen. Wenn, wie Seiler zeigt, einerseits eine polare Dichotomie zwischen den beiden Arten von Bedeutung im Referenzausdruck besteht, andererseits aber ein fließender Übergang darin, ob das konkrete einzelsprachliche Zeichen mehr Identifizierendes oder mehr Spezifizierendes in den gesamten Nominalausdruck als Refercnzterm einbringt, so gilt dies nicht nur für "déterminer" und Attribute, sondern genauso fur das head noun selbst. Eine Gleichbehandlung von Substantiven und Adjektiven als Elemente, die rein prädikativspezifizierende Bedeutung haben, wird ja durch die Terminologie der lateinischen Grammatik, wo beide unter dem Terminus "nomen" zusammengefaßt werden, insinuiert. Wie relativ die Verteilung bestimmter semantischer Funktionen auf die einzelnen Komponenten Nominalgruppe ("determincr", head noun, Attribut) ist, zeigt W. Raible 1982 anhand des frz. Konstruktionstyps N - de - N: hier kann ebensogut das Attribut Dcterminans (im Sciler'schcn Sinne) fur das head noun sein (une maison de campagne) wie das head noun für das Attribut (ce fripon de valet, une drôle d'odeur, une dizaine d'enfants114). Man denke auch an die bekannten Beispiele vom Typ la belle inconnue, die ebenfalls nahelegen, daß das head noun selbst, soweit es überhaupt auffindbar ist, in die Frage nach dem spezifizierenden oder identifizierenden Beitrag zur Gesamtbedeutung des Nominalausdruckes einbezogen werden muß. Wenn man in dieser Weise das head noun selbst ansieht als ein lexikalisches Element der Nominalgruppc, das seinen Beitrag zu den beiden komplementären Bedeutungselementen jedes Refercnzausdruckes leistet, anstatt es von vorneherein als Determinatum zu setzen, füllt das Gemeinsame für "déterminer" und 171

174

56

"In a widely accepted use (...) determination is understood as nominal determination." Seiler 1978 S. 307. Seiler erwähnt /.war auch die theoretische Möglichkeit verbaler Determination, beschäftig! sich aber in diesem Zusammenhang nicht weiter damit. Zu diesem Typ siehe noch unten I.4.2., 1.4.3..').

Attribut weg: die Nomen-Bezogenheit. Was bleibt, sind drei Komponenten der Nominalgruppe die alle drei sowohl Spezifizierendes als auch Identifizierendes in die Nominalgruppe einbringen können, sowie die semantische Polarität zwischen diesen beiden Arten von Bedeutungselementen in Referenzausdrücken. Wollte man die Konstituenten der Nominalgruppe nach diesen Bedeutungselementen unterscheiden, so käme entweder die Gleichbehandlung aller drei Elemente (und damit der völlige Verlust einer Determinationsbeziehung) heraus, oder die Polarität zwischen "determiner" einerseits (tendenziell identifizierende Bedeutung) und nominalen Konstituenten (head noun und Attribute mit tendenziell spezifizierender Bedeutung) andererseits, also auch keine Gemeinsamkeit und Parallelität, sondern eben eine gegenseitige Komplementarität zwischen "dcterminers" und Attributen, und zwar sowohl substantivischen als auch adjektivischen. Die Parallelität, die Seiler zwischen "determiners" und Attributen sieht und mit "Determination" umschreibt, beruht, wie gesagt, nur auf deren gemeinsamer Ad-Nominalität, und damit wiederum auf einem rein distributioneilen Kriterium. Eine echte Gemeinsamkeit besteht dabei allerdings nicht: während der "determiner" und das Substantiv gegenseitig gebunden sind, ist das Attribut einseitig an das Nomen gebunden. Das heißt, eine Übernahme der Seiler'schen Vereinheitlichung bei der Betrachtung adnominaler Elemente für unsere Fragestellung, wo es um die Vereinheitlichung über Monem- und Syntagmenklassen hinweg geht, ist nicht möglich.

1.3.3.

Fazit

Als Fazit dieser Überlegungen muß man feststellen, daß die Formulierung eines durchgehenden binären Prinzips, das sich auf alle Ebenen der syntagmatischen Verknüpfung sprachlicher Zeichen anwenden läßt, um jeweils eine binäre Verteilung in den syntagmatischen Paaren zu schaffen, bisher nicht formulieren läßt. Und daß, selbst wenn dies so wäre, eine daraus ableitbare Formulierung universaler Tendenzen zur linearen Anordnung in den Syntagmen keine Selbstverständlichkeit wäre. In Anbetracht dieser Situation erscheint es als der vorsichtigere Weg, reumütig zu der bescheideneren Formel Wcinrichs und Baldingcrs, "Grammcm vor Lexem", zurückzukehren und diese als Leitgedanken der weiteren Untersuchung morphologischer Entwicklungen des Französischen zu nehmen. Da der Ansatz von P. Garde und G. Bossong m.E. trotz der geäußerten Skepsis nicht völlig von der Hand zu weisen ist, und auch die Beobachtungen Greenbergs zumindest zum Zusammenhang zwischen der Stellung in attributiven Syntagmen und der Stellung verschiedener adnominaler und advcrbalcr Affixe nach wie vor als untersuchcnswcrtcs Phänomen bestehen bleiben, soll auch der mögliche Bezug zwischen Wortstellung und Präfigicrung im weiteren Verlauf immer wieder in die Diskussion miteinbezogen werden.

57

Und schließlich bedeutet die in 1.3.2.2. geäußerte und mit dem Arbitrarietätsprinzip begründete Skepsis gegenüber der Annahme, daß die Linearisierung nach einem für alle Syntagmentypen gleichen oder gar nach Sprachtypen einteilbaren Prinzip verlaufe, keineswegs, daß nicht Wortstellung und Stellung der Grammeme am Lexem sich gegenseitig stark beeinflussen. Im Gegenteil: in einem "système où tout se tient" wäre alles andere eine Überraschung. Allerdings kann dieser Zusammenhang sehr viel komplexer sein, als dies in den referierten Ansätzen vermutet wird, und kann sich insbesondere im jeweiligen Einzelfall, d.h. bei jedem Syntagmentyp einer Einzelsprache, ganz individuell auswirken.

58

1.4.

Prifigierung im Bereich von Definitheit und Quantitit

Der begriflliche Bereich 'Definitheit' ist in dieser Arbeit in mehrfacher Hinsicht von Interesse: 1. zum einen wird in 3.5. der Versuch unternommen, Definitheit als Kategorie der grammatischen Kongruenz zwischen Nomen und dem ad-verbalen pronom conjoint anzusetzen, 2. zum zweiten ist die Markierung der Definitheit durch den Artikel ja eines der eindrucklichsten und vor allem eindeutigsten Beispiele für die These der Präflgierung grammatikalischer Information im Französischen, 3. zum dritten besteht die Möglichkeit, eine begriflliche Parallelität zwischen Kategorien dieses Bereiches am Nomen und ad-verbal spezifizierbaren Kategorien herzustellen und damit zumindest in einem Teilbereich die wortklassenübergreifende Tendenz zur Präfigierung auf ein gemeinsames semantisches Prinzip zurUckzufiihren.

1.4.1.

Das begriiTliche System 'Definitheit'

Eine der herausragenden Neuerungen der Morphologie der romanischen Sprachen gegenüber dem Lateinischen ist bekanntlich die Entstehung eines obligatorischen, zumeist pränominalen Artikels. Eine rein distributionelle Analyse ergibt, daß der Artikel in paradigmatischer Oppostion steht mit einer Reihe von anderen Grammemen, die, anders als der Artikel selbst, sehr wohl Analoga im Lateinischen haben. Es hat sich fUr dieses Gesamtparadigma der englische Terminus "determiner" eingebürgert, den ich auch verwenden will175. Allein die Vielfältigkeit des Paradigmas, ebenso wie die Unterschiedlichkeit, mit der in verschiedenen Sprachen der Gebrauch von bestimmtem und unbestimmtem Artikel verteilt ist, zeigt schon, daß das begriflliche Oppositionensystem, um das es hierbei geht, sehr viel komplizierter ist, als es das Terminipaar definit/indefinit beschreiben kann. Wenn ich im folgenden von "bestimmt/unbestimmt" spreche, so meine ich damit die einzelsprachlich-formale Opposition zwischen den zwei Reihen des Artikelparadigmas le, la. les und un, wie, des. Wenn ich von "Definitheit" spreche, so bezieht sich dies immer auf die Gesamt-

Daß dieser Terminus nach meiner Vorstellung nichts zu tun hat mit der Determination, wie sie in den vorhergehenden Paragraphen diskutiert worden ist, ist hoffentlich aus 1.3.2.7. hervorgegangen.

59

heit (und nicht etwa eine oder mehrere bestimmte Positionen) des im folgenden beschriebenen begrifflichen Systems. Der Bedeutungsbereich, um den es hier geht, ist wieder der gleiche, dessen Vereinigung mit der adnominalen attributiven Spezifikation (characterization) in einer Determinationsskala Seiler versucht hat. Die begriffliche Unvereinbarkeit der beiden Dinge, die ja auch Seiler sieht, ist bei K. liegers noematischer Beschreibung des Bereiches eine Grundannahme 1 7 6 : "Allen drei Arten von (In)Definitheit gemeinsam ist im Gegensatz zu einer (Un)Bestimmtheit nach Größe, Gewicht oder Farbe, daß es in irgendeiner Weise nicht um die Spezifizierung (im Sinne von Species-Bildung; gemäß einer anderen Terminologie also gerade nicht 'Spezifizierung' sondern 'Charakterisierung'), sondern um Identifizierung von Elementen geht: um ihre Anzahl im Fall der 'quantitativen', um ihre Subldassenzugehörigkeit im Fall der 'relationalen' und um ihre Identität im Fall der 'referenziellen' (In)Definitheit." Von Interesse ist für uns die "referenzielle (In)Definitheit". Innerhalb dieser kann man unterscheiden zwischen der potentiellen Identifizierbarkeit und der Unmöglichkeit, bei einem bestimmten BegriiT ein Individuum zu identifizieren. Nicht-Identifizierbarkeit liegt vor z.B. bei "kontinuierlichen Entitäten (z.B. "mass nouns" und zahlreiche(n] Abstrakta) so lange, wie keine explizite oder implizite Pars-Totum-Relation eine sekundäre Identifizierbarkeit (und Zählbarkeit) eröffnet." 1 7 7 Nicht-Identifizierbarkeit liegt also normalerweise vor bei "mass terms" ((das) Gold ist wertvoll), sie liegt aber auch vor, wenn man von dem Genus diskontinuierlicher Entitäten spricht ((die) Hunde haben 4 Beine), selbst dann, wenn man statt des Genus ein "per definitionem nicht identifizierbares Durchschnitts- oder Standard-Element" 17 * nennt (ein Hund hat 4 Beine). Ist Identifizierbarkeit gegeben, so besteht die Oppostion zwischen der tatsächlich auch realisierten Identifizierung oder der Nicht-Identifiziertheit. Identifizierende Bedeutung haben z.B. "dciktisch eindeutig fungierende Grammcmc wie Personal- oder Demonstrativpronomina sowie Eigennamen, wenn ihr Gebrauch einen vorangegangenen Taufakt voraussetzt (...)" 17 '. Bei nicht gegebener Identifiziertheit ist untcrschcidbar zwischen dem Ausdruck der Unmöglichkeit der Rcidcntiflzicrung des Referenten (bezeichnet z.B. durch solche Dctcrmincr oder Pronomina wie (irgendein(er), oder ein beliebiger etc.) und der Rcidcntifi/.icrbarkcit. Innerhalb dieser wiederum ist zu unterscheiden, ob der Sprecher (OE) diese Möglichkeit als nur für ihn selbst gegeben ansieht (ausgedrückt z.B. durch solche Adjektive wie ein gewisser), oder ob er auch dem Hörer (OE) dessen Möglichkeit zur Rcidentifizierung des referierten Individuums signalisiert. Die OE/ÖE-Reidentifizierbarkeit kann gegeben sein entweder durch den anaphorischcn Bezug zu einem vorgenannten Referenten oder durch den kataphorischcn Verweis auf einen noch zu nennenden. Während die anaphorischc

176

I leger A.a.O. 17 » A.a.O. 179 A.a.O. 177

60

1983a § 1.3. §2.1. § 3.2. § 2.2.

OE/ÖE-Reidentifizierbarkeit oft durch den Gebrauch des bestimmten Artikels bezeichnet wird, kann deren kataphorische Gegebenheit durch solche Demonstrativa wie derjenige x .... der .... besonders hervorgehoben werden.

1.4.2.

Die Stellung von Definitheit und Quantität im Lateinischen

Die Markierung der genannten Oppositionen zeigt im Lateinischen, was die Stellung zum Nominallexem betrifft, ein gemischtes Bild: als Bezeichner der Nicht- Reidentiflzierbarkeit bzw. der OE-Reidentifizierbarkeit kann man die sog. "Indefinitpronomina" quidam, alius, aliquis, quisquam, quispiam. aiius ansehen, für die Marouzeau die Voranstellung als "normal" ansieht 1 * 0 , ebenso wie für die anaphorischen Demonstrativa is, idem, ipse, die im Lateinischen die geläufigen Mittel zur expliziten Bezeichnung OE/ÖE-Reidentifizierbarkeit sind. Die außendeiktischen Demonstrativa (und damit identifizierenden Grammeme) hie, ille, iste sind nach Marouzeau "assez naturellement" nachgestellt1*1. Anders als im Deutschen oder Französischen ist die Demonstrativität also nach innendeiktischer ( = anaphorischer) und außendeiktischer explizit unterschieden. Dabei richtet sich die Stellung von is danach, ob es anaphorisch oder kataphorisch fungiert: anaphorisches is ist nach Marouzeau grundsätzlich vorangestellt, kataphorisches steht häufig nach1*2. Die Quantität zeigt im Lateinischen ebenfalls ein gemischtes Bild: Während Marouzeau die indefinit- bzw. relativ-quantifizierenden Grammeme nonnulli, pauci, multi. omnes, tot, tanti zusammen mit den "Indefinitpronomina" (s.o.) nennt, legt er sich bezüglich der Stellung der Kardinalzahlen nicht fest. Aus seinen Worten läßt sich gar herauslesen, daß die Stellung des Kardinales die Opposition zwischen der 0E- bzw. OE/OE-Reidentifizierbarkeit einerseits und der Nicht-Reidentiflzierbarkeit andererseits bezeichnen kann1*3: "Pour exprimer le rapport du chiffre au nom d'une façon un peu simpliste, on pourrait dire que l'oidie du type viginli tquiles répond à la notion de "vingt cavaliers" ou "les vingt cavaliers (que l'on sait)", tandis que l'ordre équités viginti comporte la nuance: "des cavaliers au nombre de vingt".

1.0

1.1

112 1,3

Marouzeau vol. comp). S. 19ff. Sobald diese Grammeme adnominal stehen, und das müssen sie ja, damit man von ihrer Voran- bzw. Nachstellung reden kann, handelt es sich natürlich nicht mehr um Pronomina. Diese weit verbreitete terminologische Ungenauigkeit liegt an der doppelten Anwendbarkeit der meisten Grammeme dieses Bedeutungsbereiches sowohl als Pronomina als auch als Determiner und zum Teil sogar ab Adjektive, im Latein wie in anderen Sprachen. Marouzeau vol. compl. S. 17. Marouzeaus Aussagen decken sich weitgehend mit denen Raibles, der die Voranstellung von hie, iste, iUe, is, idem, ipse ab "normal" bezeichnet, die Nachstellung von hic und idem als sehr selten, die von iste, iUe. is als gebräuchlich und die von ipse als ebenfalls normal, Raible 1985 S. 59. Marouzeau Bd. 1 S. 149ff. Marouzeau vol. compl. S. 26. 61

Zu dem Komplex 'adnominal bezeichnete Quantität' gehört auch die grammatische Kategorie 'Numerus', die zwar primär reflexiv-metasprachliche Funktion hat 1 * 4 , dabei aber auch die quantitative Opposition 1 vs. > 1 obligatorisch bezeichnet. Der Numerus ist im Lateinischen bekanntermaßen sufligiert. Eine eigene Betrachtung verlangt die Maßangabe als quantitative Bestimmung. Anders als z.B. im Deutschen (mit der einfachen Juxtapostion von zwei Nomina) wird die Maßangabe ja im Lateinischen wie im Französischen durch die partitive Konstruktion ausgedrückt, wo das eigentliche Referenznomen im Genitiv steht, die Maßangabe im Nominativ. Hier entspricht also die Position der quantitativen Bestimmung automatisch der Position des "head nouns" gegenüber seinem Genitivattribut. Ursprung der partitiven Konstruktion ist, wie der Name ja besagt, der Ausdruck einer Pars-Totum- Relation zwischen zwei nominal bezeichneten Begriflskomplexen, die sich des klassischen syntaktischen Mittels zur Verknüpfung zweier Nomina bedient: des Genitivs als adnominal konstruierbarem Kasus par excellence. Dieser diachronische Ursprung der Konstruktion, der Ausdruck einer Pars-Totum-Relation, ist der Grund dafür, daß sie, neben ihrer allgemeinen Bedeutung der Maß- oder Zahlangabc, auch unabhängig von der Maßangabe zum Bezeichnungsmittel der kontinuierlichen BegrifTsauflassung wird: Ebenso wie die Element-Klasse-Relation eine Voraussetzung fUr das Quantifizieren und Identifizieren von diskontinuierlichen Entitäten ist 185 , ist es die Pars-Totum-Relation für kontinuierliche Entitäten. Die partitive Konstruktion bringt nun diese Relation praktisch mit. Dabei kann der Nominativ als ursprünglicher Bezeichner des pars völlig wegfallen, während das Genitiv-Nomen als Träger der definitorisch-speziflzierenden Information erhalten bleibt. Das Genitivgrammem grammatikalisiert sich zum bloßen Indikator der diskontinuierlichen AufTassung, bei dem nur noch der Metaterminus (im Französischen spricht man geme vom "Teilungsartikel") an die ursprünglich explizite Pars-Totum-Relation erinnert. Nach Hofmann/Szantyr ist die Ellipse des Nominativs in der partitiven Konstruktion, durch die ja das Genitivgrammem erst vollends in diese Funktion rückt und das Genitivnomen in die Funktion des eigentlichen referierenden Nomens, insbesondere in Gebrauchstexten zu finden'»6. Festzuhalten ist, daß durch die partitive Konstruktion nicht nur das head noun zur quantitativen Angabe wird, sondern daß durch diesen weitergehenden diachronischen Mechanismus das Genitivgrammem zum Indikator der diskontinuierlichen BegrifTsauflassung und damit zur Marke der Nicht-Identifizierbarkeit wird. Als ursprünglich es Deklinationselement ist das Genitivgrammem im Lateinischen nachgestellt.

1,5 IM

62

Im Sinne von Heger 1976, S. 75ff. Siehe die Herleitung der Zahlen in der Logik aus den Stmktuidementen Klasse bzw. Element-Operator. Hofmann/Szantyr S. 54.

1.4.3.

Die Stellung von Definitheit und Quantität im Französischen

Gegenüber der tendenziell präponierenden aber eher uneinheitlichen Situation im Lateinischen sind die gleichen Informationen im Französischen fast durchgehend vor dem Nomen markiert.

1.4.3.1. Definitheit Identifizierende Determiner, nämlich die außendeiktischen Demonstrativa stehen voran, mit einer Ausnahme, auf die auch Baldinger hinweist: die Distanzopposition -ci vs. -lä, die ja zu den Demonstrativa treten kann, ist suffigiert, ein, wie Raíble1*7 anmerkt, auch schon im Lateinischen selbst auftretendes Phänomen mit weitreichenden etymologischen Folgen. Schon Meyer-LUbke erklärt diese Ausnahme mit der "Hervorhebung", modern würde man sagen "Rhematisierung", die diese Suffixe, neben der Bezeichnung der Distanzopposition noch leisten, eine Aufgabe, die sie natürlich in Nachstellung besser leisten können. Mcyer-LUbke argumentiert mit der Betonung, die sich im "oxytonischen" Französisch aus der Nachstellung ergibt. Kataphorische und anaphorische OE/OE-Reidentifizierbarkeit wird im Französischen vornehmlich durch den Gebrauch des bestimmten Artikels signalisiert, also auch pränominal18*. Dabei verfügt das Französische, wie auch das Deutsche (derjenige) über eigene Morpheme zur besonderen Hervorhebung der kataphorischen Funktionsweise: celui (celle, ceux) des. celui parmi les. celui d'entre les. Die nicht gegebene Reidentifizierbarkeit für den Hörer OE bei gegebener Identifizierbarkeit mit ihren Untergruppen wird im Französischen normalerweise durch den unbestimmten Artikel bezeichnet. Dabei gibt es natürlich eine Reihe von Möglichkeiten, die Nicht-Reidentifizierbarkeit für OE entweder zu Thematisieren oder aber weiter zu differenzieren nach OE-Reidentifizierbarkeit und Nicht-Reidentifizierbarkeit: die Schulgrammatik lehrt dafür die sog. Indefinitpronomina oder -adjektive quelque(s), quelquun(e). quelques-un(e)s), quelconque, certains, (tut) cerlain, divers, différents und un nommé, wobei die letztere Form an den Sonderfall des nicht-identifizierenden Gebrauches von Eigennamen gebunden ist. Diese Formen werden allerdings in der Umgangssprache fast nicht gebraucht. Hier existieren Periphrasen: die Nicht-Reidentifizierbarkeit wird durch die Form n'importe qui (Pronomen) bzw. n importe quel (Determiner) bezeichnet. Daneben ist die häufigste Form, um nicht nur den Aktanten zu Thematisieren, sondern insbesondere auch dessen Nicht-Reidentifizierbarkeit für OE auszudrücken, die il y a-Periphrase: sie hat, wie die meisten Indefinita, eine adnominale und eine pronominale Version:

i«7 111

Raíble 1985, S. 60. Anm. 22. Siehe Heger 1983a S. 102, 103.

63

y a des gens qui viennenl lá-bas pour faire des cures... ( D F II 8) (etwa: "manche Leute gehen dorthin zur Kur") y en a beaucoup qui n'aiment pos (a ( D F I 66) (etwa: "viele mögen das nicht"), wobei es sich im zweiten Beispiel wohlgemerkt nicht u m eine anaphorische Aufnahme eines vorerwähnten Aktanten handelt. Es sei gleich hier gesagt, d a ß diese Bedeutung der ily a ... qui-Periphrase, auf die in 3.5.2. und 3.5.3.5. noch ausführlicher eingegangen wird, aufgrund des empirisch feststellbaren, aflinitätsbedingten, statistisch häufigen Zusammenfallens von Indefinitheit, Ersterwähntheit, daraus resultierender Nicht-Anaphorisierbarkeit und Rhematizität schwer nachzuweisen ist gegenüber der zweifellos auch existierenden Thematisierenden Funktion der Periphrase oder ihrer existenzprädizierenden und damit textlinguistisch als Neuerwähnung relevanten Funktion. Selbst, wenn eine solche Trennung der verschiedenen BedeutungsefTekte dieser Periphrase nicht möglich ist, bleibt zu konstatieren, daß in Kontexten, in denen auch Indefinita wie certain(s), quelque(s) (bzw. quelqu'un(e). quelques-un(e)s) oder divers zu erwarten wären, umgangssprachlich die il y a ... fu/'-Periphrase steht. Dies gilt insbesondere auch filr das in der heutigen Umgangssprache sehr weit verbreitete Indefinitpronomen du monde, das als Subjekt Uberhaupt nicht anders konstruiert werden kann, als in der mittels der ily a ... fiu-Periphrase: * du monde vienl il y a du monde qui vienl Wenn man also bereit ist, diese Periphrase nicht nur als Rhematisierung des Aktanten, sondern auch als Ausdruck seiner Nicht- Identifizierbarkeit für ÖE anzusehen, so hieße dies, die Entstehung einer zirkumfigierenden Markierung anzunehmen, da ja auch das postnominale Relativpronomen zu der Periphrase gehört. In 3.S.2.2. werde ich versuchen, dem Relativpronomen im Rahmen der verschiedenen periphrastischen Gebrauchsweisen des Relativsatzes eine Funktion zuzuweisen, die der der pronoms conjoints a m Verb entspricht. Damit wurde das Relativpronomen in diesem Zusammenhang nicht als postnominales, sondern als präverbales Aktanten-bezogenes G r a m m e m erscheinen, so daß als G r a m m e m a m N o m e n nur noch das "Präfix" ily a [iaj übrigbleibt. Beim Stichwort 'Relativsatz' ist auch gleich auf eine andere morphologische Opposition zur Bezeichnung der Opposition OE-Reidentifizierbarkeit vs. NichtReidentifizierbarkeit hinzuweisen, die nicht am Nomen selbst, sondern an dessen Attribut spezifizierbar ist, und zwar dann, wenn das Attribut durch einen in diesem Fall nicht periphrastischen, sondern echten Relativsatz gebildet wird. Es ist die bekannte Oppostition zwischen Indikativ und Subjonctif in Beispielspaaren wie1*®: je cherche un ¿ludían! qui sait l'espagnol vs. je cherche un éludianl qui sache l'espagnol

1,9

64

Heger a.a.O. S. 101, von dort auch das Beispiel.

1.4.3.2. Quantität Bevor wir noch einmal auf die Frage der Definitheit zurückkommen (auf die auch in 3.S. im Zusammenhang mit den pronoms conjoints, also mit der ad-verbalen Markierung, noch ausführlich eingegangen wird) sei hier kurz die Frage der adnominalen Bezeichnung von Quantität angesprochen. Im Bereich der adnominal markierten Quantität ist die Voranstellung sämtlicher quantifizierender Determiner und Adjektive zu konstatieren: die Kardinalia sind ebenso vorangestellt wie die indefinit oder negativ quantifizierenden Formen tout190, quelques. plusieurs. aueun, nul, pas un, divers, diffiérents, choque. Darüberhinaus gehört zum Komplex 'adnominal bezeichnete Quantität', wie gesagt, auch die grammatische Kategorie Numerus. Die weitgehend präfigierte Numerusmarkierung am Nomen bei zunehmender Defektivität der sufligiert-adnominalen Markierung wird ja von Baldinger beschrieben. Die primäre Rolle, die der Artikel bei der Numerusmarkierung spielt, und zwar nicht nur adnominal gesehen, sondern auch gegenüber allen anderen numerussensitiven Elementen im Satz, geht aus der ausführlichen empirischen Untersuchung von J. Eschmann hervor.

1.4.3.3. Die partitive Konstruktion Es wurde schon angedeutet, daß die partitive Konstruktion auch im Französischen eine große Rolle als Periphrase (bzw. völlig grammatikalisierte Form) der Quantifizierung spielt. Partitiver Kasus ist im Französischen der eine von zwei adnominal konstruierbaren Kasus, nämlich der ( V »N * N ) W e n n man diese Idee weiterdenkt und versucht, sie a u f den Typ " S V O " (besser N V N ) zu übertragen, scheint zunächst Greenbcrgs Ergebnis einleuchtend, wonach " S V O " weniger eindeutig mit präpositionaler Markierung korreliert ist als " V S O " . Eigentlich müßte hier das Schema S» V « O ( » V * N ) vorliegen, also suffigierte Markierung oder "Postposition" für den vorangestellten Aktanten, Präposition oder Präfigierung lur den nachgestellten. Tatsächlich ist jedoch nach Greenberg auch der Stellungstyp " S V O " zwar nicht durch-, aber doch weitgehend mit präpositionaler Markierung verknüpft. Dazu ist aber folgendes zu sagen: Greenberg fragt ja nicht nach "Aktantenmarkierung", sondern nach Adpositionen (Kasussysteme sind nach Greenberg mit der Verbendstellung und damit mit suffigierenden Systemen korreliert, also am ehesten in der Situation des Lateinischen zu erwarten). Man kann wohl davon ausgehen, daß er mit " S u b j e k t " nicht den präpositionalen Aktanten meint, bzw. umgekehrt, daß Präpositionen in Greenbcrgs Sinn nur an den Aktanten zu finden sind, die er nicht als Subjekt ansieht. Das heißt aber, bei einem Typ " S V O " : nur der nachgestellte Aktant hat eine Präposition. Dies gilt umsomehr, als G . Bossong feststellt, daß " S u b j e k t e " am ehesten von allen Aktanten zur adnominalen Nicht-Markiertheit tendieren 2 3 4 . Die Feststellung einer Korrelation von " S V O " und Präpositionen läuft also aus unserer Sicht a u f das Schema N V * N hinaus. Diese Situation träfe auch auf das Französische zu, wenn man bereit ist, eine standardmäßige Nachstellung der Präpositionalaktanten anzunehmen 2 3 5 . Zumindest nicht in Widerspruch dazu steht das nicht-präpositionale "objet direct", das j a ebenso wie das Subjekt, keine adnominal-morphemische Markierung trägt. M a n kann sogar versuchen, die Aussagen Greenbergs und Bossongs mit der formalen Subjektdefinition aus 2.1.1.1. zu verbinden, nach der sich Subjekte allein dadurch auszeichnen, daß sie am Verb kongruent aufgenommen werden. Es sind also die

2

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2M 2,s

90

Thom S. 242, Raible 1989b, Paginierung lag noch nicht vor. Bossong 1982 S. 22 Univenale 1. Prinzipiell ist natürlich der Präpositionalaktant im Französischen, aufgrund seiner morphologischen Markiertheit, in seiner Stellung genau so frei wie die Aktanten im lateinischen.

Aktanten, die am ehesten auf eine adnominale Markierung verzichten können. Bezogen auf die Verhältnisse des Französischen, stellt sich die Situation so d a r nach Heger und Bossong dienen die pronoms conjoints am Verb vermittels ihrer Kongruenz der Kennzeichnung des Subjektes 216 . Damit liegt das Element zur Markierung des Subjektes, das ja vorangestellt ist, wiederum zwischen Verballexcm und zu markierendem Aktant, ganz im Sinne der Ausgangshypothesc: N «V N *N. Nicht in dieses Bild scheint auf den ersten Blick das Objekt-bezogene pronom conjoint zu passen: es müßte danach eigentlich nach dem Verballexem stehen. Dieser Widerspruch löst sich allerdings dadurch auf, daß in den meisten Fällen, in denen ein im Satz tatsächlich explizit vorhandener substantivischer oder pronominaler (d.h. durch ein freies Pronomen bezeichneter) Akkusativ- oder Präpositionalaktant durch ein pronom conjoint am Verb zusätzlich markiert ist, dieser links verschoben ist, also vor dem Verb steht. Im Corpus von D. François gilt das fur 22 von 25 Fällen 237 . Diese quantitative Erscheinung hat natürlich auch ihre systematische Erklärung: beim Objekt dürfte das Bedürfnis für die Reprisekonstruktion zum Zweck der Linksverschiebung größer sein als für die Rechtsverschiebung, da die Nachstellung des Objekts ja auch ohne Reprisekonstruktion bereits gegeben ist. Letztlich steht also auch das verbundene Objektspronomen auf der dem Bezugsaktanten zugewandten Seite des Verbs und paßt somit in das hier ins Auge gefaßte Prinzip.

2.2.4.

Die Paradigmatik der Markierung

Im folgenden geht es um die Frage, wie die rein formal-paradigmatische Organisation des Systems der Mittel zur Bezeichnung von Aktantenfunktionen im Französischen aussieht. Dabei wird insbesondere die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, im Französischen von "Kasus" zu sprechen. In der traditionellen Grammatik des Französischen (so z.B. bei Grevisse, Grammaire Larousse, Pinchon/Wagner oder Wartburg/Zumthor) hat der Terminus "Kasus" keinen Platz. Die klassische Sichtweise zur Beschreibung der hier interessierenden Formen ist die bekannte: zu einem Verb tritt notwendig ein Subjekt, und gegebenenfalls verschiedene "compléments": "d'objet direct", "d'objet indirect" oder "circonstantiel" 23 *. Es steht also dabei ein gewisser Satzteil-Aspekt im Vordergrund, der die vergleichende Gegenüberstellung der Aktanten und deren Formen als paradigmatische Opposition gar nicht aufkommen läßt. Das gilt auch da, wo ganz klar Serien von Morphemen vorliegen, die sich voneinander ausschließlich in Bezug auf die Bezeichnung von Aktantenfunktionen unterscheiden und sich somit als Teile eines gemeinsamen Paradigmas zur 2.6 2.7 211

Also im Sinne des Markieningstyps 14 bei Bossong 1981a S. 7. Daneben gibt es noch zwei Fälle, in denen Objekte am Vetb mit ça aufgenommen werden, die nachstehen. Daneben gibt es auch noch das "complément d'attribut", also das Prädikatsnomen, das uns, als Teil des Verbs, hier nicht interessiert. 91

Bezeichnung von Aktantenfunktionen ausweisen. So wird z.B. die offensichtliche Dreiglicdrigkcit des Paradigmas der pronoms conjoints (// - le - lui) zumeist primär als Dichotomie von Subjekt und Komplement beschrieben, wobei das Komplement wiederum in die zwei Gruppen "direct" und "indirect" zerfallt. Die für die Grammatikschreibung und Pädagogik des Französischen schon fast als klassisch zu bezeichnende Unmöglichkeit, präzise sagen zu können, was objet direct, objet indirect, complément circonstantiel und complément d'agent eigentlich sind (daß selbst das Subjekt von dieser Diskussion nicht verschont bleibt, dazu siehe 3.5.3.1.), liegt begründet in der Vermengung genau all der Kriterien, auf deren Trennung in 2.1.2. so viel Wert gelegt wurde. Daher soll im folgenden versucht werden, die Diskussion allein auf die formale Paradigmatik zu beschränken, nach Möglichkeit ohne RUckgrifT auf die zu bezeichnenden Aktantenfunktionen, die A r t und Weise der Bezeichnung oder den actant-Status. Ls wird sich allerdings zeigen, d a ß das alleinige onomasiologische Kriterium "Bezeichnung von Aktantenfunktionen" in dieser Allgemeinheit zur Beschreibung der formalen Mittel nicht genügt, sondern daß in einzelnen Fällen die konkret zu bezeichnenden Aktantenfunktionen zu berücksichtigen sind. Interessanterweise sind es ausnahmsweise nicht die traditionell-normativen Beschreibungen des Französischen, die den eigentlich der lateinischen und griechischen Grammatik entstammenden Terminus "Kasus" auf das Französische anwenden, sondern solche, die sich u m eine möglichst neue Sichtweise bemühen, wie Damourctte/Pichon 1 3 9 und Togeby 2 4 0 . Allerdings filgt Togcby den 4 Kasus "nominatif", " a c c u s a t i f , " d a t i f ' und "génitif noch zahlreiche weitere hinzu, wie einen pronominalen "cas disjoint" (für die Formen mot. toi. lui etc.) oder verschiedene "Adjektiv-Kasus" wie "neutre", "adverbial" etc. Man sieht, daß Togcby bei seiner Beschreibung der Nominalflexion noch stärker von der Bedeutung abstrahiert und als Kasus auch Formen berücksichtigt, die nichts mehr mit der Bezeichnung von Aktantenfunktionen zu tun haben. Es crschcint jedoch als sinnvoll, zumindest diese onomasiologische Prämisse bei der Beschreibung der Nominalflexion zu berücksichtigen, und somit eine Kategorie "Mittel zur Bezeichnung von Aktantenfunktionen" auszusondern 2 4 1 . Im folgenden möchtc ich, als Überbegriff zu Kasus und Präpositionen, von "Fällen" sprechen. Fälle sind Gruppen von formalen Merkmalen, die sich alle gleich verhalten in Bezug auf die Aktantenfunktionen, die sie bezeichnen, sei es in Abhängigkeit, sei es unabhängig von bestimmten Verben und Diathcsen. Während im Lateinischen also jede Präpostion ein eigener Fall ist, faßt man z.B. die G r a m m c m c -um, -am, -os, -as, -a, -es, -us. eum, me, le. se etc. zu einem Fall zusammen, nämlich dem Kasus Akkusativ. Die Funktionsweise eines bestimm-

2W 240 241

92

Bes. Bd. I . § 65 Anm. I. S. I37ff. Auch Baldinger benutzt den Terminus "Kasus", (1er aber bei ihm offensichtlich die präpositionalen Formen miteinschließt, siehe das Schema oben I.I.I., S. 3. Von Kasus spricht auch I. Monreal-Wickert, allerdings mehr in dem von mir oben angedeuteten Sinne (nämlich als flcxivischc Kategorie im Gegensatz zur agglutinierenden Präposition) 14 lf, I47f.

ten Kasus in Bezug auf die Aktantenfunktionen läßt sich in gleicher Weise beschreiben, wie die einer Präposition. Dabei ist es die Gleichheit der Funktionsweise mehrerer Grammeme in Bezug auf die Aktantenfunktionen, die es Uberhaupt erst erlaubt, diese trotz unterschiedlicher Distribution und unterschiedlicher zusätzlicher Bedeutungskomponenten zú einem Kasus zusammenzufassen und damit deren kasusspezifischen Merkmale als flexivische Allomorphe voneinander aufzufassen. Man kann solche allomorphisch realisierten Fälle, also Kasus, auch für das Französische postulieren: in Bezug auf die Aktantenfunktionen weisen die Grammeme me. te, le. que die gleiche Funktionsweise auf, sind also als AUomorphe eines Kasus anzusehen (bei unterschiedlicher Distribution und z.T. unterschiedlichen zusätzlichen Bedeutungskomponenten). Wenn man auch die Nachstellung als ein den morphologischen Merkmalen adäquates Merkmal aulTaßt, kann man sie als weiteres Allomorph des Falles in die Reihe aufnehmen. Den Fall könnte man, angesichts seiner Funktionsweise bei der Bezeichnung von Aktantenfunktionen, zweckmäßig als Akkusativ bezeichnen. Allerdings ist dieses allomorphische Paradigma im Französischen bekanntlich nicht annähernd so systematisch ausgebaut wie im Lateinischen oder Deutschen. Dazu sei ein Blick auf die verschiedenen Fall-sensitiven Paradigmen des Französischen geworfen, die allseits bekannt sind: Grundsätzlich sind alle Fälle durch ein Kennzeichen am Nomen vertreten, und zwar in Form der folgenden Merkmale: 1. Fall: Voranstellung (la maison est belle) 2. Fall: Nachstellung (Pierre voit la maison) 3. Fall: á (Pierre pense á la maison) 4. Fall: de (Pierre réve de ta maison) 5. Fall: par (Pierre est ravi par la maison) 6. Fall: pour (Pierre travaille pour la maison) etc. bis - J 4 J . Das heißt, adnominal ist die Paradigmatik zweistufig: zwei stellungsmarkierten, präpositional nicht oder 0-markierten Fällen (1 u. 2) steht das große Paradigma der präpositional markierten und stellungsinsensitiven Fälle 3 - - gegenüber. Wollte man Wartburg 243 beim Wort nehmen, der ja die Reihung (lttä, d ü » , oXä, leSä, d e » , oSä, t U , diboXä, dcüä] als Beispiel für ein einheitliches pränominales Rexionsparadigma nimmt, müßte man die Formen du und aujaux als einheitliche Moneme ansehen, die in aktantenfunktionsmarkierender Opposition stehen zu le Diesen Weg gehen Damourette/Pichon 244 . Dies liefe darauf hinaus, in einigen pränominalen Paradigmen (nämlich dem bestimmten Maskulinum Singular vor Konsonant und dem bestimmten Plural) eine andere Stufung des Markierungsparadigmas fllr die Aktantenfunktionen zu sehen:

242 243 244

'«' heißt in diesem Fall nicht unendlich, sondern die Anzahl der im Französischen außerdem noch zur Verfügung stehenden Präpositionen. Wartburg 1971 S. 255. A.a.O. 93

1. Fall: Voranstellung + 0 + le (le châieau est beau) 2. Fall: Nachstellung + 0 + le (Pierre voit le château) 3. Fall: 0 + am (Pierre pense au château) 4. Fall: 0 + du (Pierre rêve du château) 5. Fall: par + le (Pierre est ravi par le château) 6. Fall: pour + le (Pierre travaille pour le château) etc. bis (Bei bestimmten Nomina im Plural wären die morphologischen Ausprägungen 0 + les, 0 + les, 0 + mmx, 0 + des, par + les, pour + les, etc. bis - ) . Dies würde ein dreistufiges Paradigma bedeuten: während die Fälle 1, 2 und 5 - so markieren, wie im Beispiel des Femininum-Singular-Paradigmas, wären die Fälle 3 und 4, die im Femininum Singular zur Stufe der präpositionalen Markierung gehören, hier durch die besondere morphologische Ausprägung des Artikels gekennzeichnet. Eine solche Sichtweise würde eine Situation schaffen, die dem Deutschen oder Lateinischen ähnlich ist, wo ja auch dem großen Paradigma der präpositionalen Fälle ein kleines Paradigma von 4 (im Dt.) oder 5 (im Lat.) morphologisch anders, nämlich in einem flexivisch-allomorphischen Merkmalssystem gekennzeichneten Fällen gegenübersteht. Dies würde auch mit der funktionalen Sonderstellung zusammenpassen, die in Tesniéres Konzept die ersten vier Fälle des Französischen einnehmen, die er mit den lateinischen Kasus Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv in Verbindung bringt 245 . Genau vor dieser latinozentrischen Sichtweisc indes muß man sich hüten, zumal sie bei Tesnière obendrein noch verknüpf! ist mit der Frage des "actant"-Status. Außerdem erscheint es insbesondere bei der weiterhin vorhandenen Opposition d- vs. I- zwischen du und le (bzw. zwischen des und les), aus der man gewöhnlich die präpositionale Opposition de vs. 0 herausliest, sowie angesichts der übrigen Paradigmen, (bestimmt maskulin Singular vor Vokal, bestimmt feminin etc.), wo die Präpositionalität der Fälle 3 und 4 ja gegeben ist, sinnvoller, die Sonderstellung der Formen au, aux, du und des nicht, wie es Damourette/Pichon tun, in die Systematik des Paradigmas eingehen zu lassen, sondern so, wie es auch üblich ist, als phonologisch bedingte idiosynkratische Phänomene zu behandeln. Und wenn die Ähnlichkeit der Funktionsweise des französischen à-Falles und des de-Falles bei der Bezeichnung von Aktantenfunktionen mit der der Genitive und Dative des Deutschen und des Lateinischen auch augenfällig ist, so darf diese in der Beschreibung der jeweiligen formalen Paradigmatik keine Rolle spielen. Rein formal-morphologisch betrachtet ergibt sich aber bei der adnominalen Markierung noch eine weitere Besonderheit: der 4. Fall hat bei unbestimmt-diskontinuierlicher Markierung des Nomens und bei unbestimmt-pluralischer eine besondere Ausprägung, die, etymologisch gesehen, bedingt ist durch die Doppelung von partitivem und aktantenmarkierendem de. Damit sind die morphologischen Ausprägungen in diesen Kontexten so: 0 + du, 0 + du, à + du, 0 + de, par + du, pour + du, etc. bis » für diskontinuierlich-unbestimmt

245

94

l esnière Kap. 58 § 8.

markierte Nomina, 0 + des, 0 + des, á + des, 0 + de, par + des, pour + des, etc. bis - für unbestimmt-pluralisch markierte Nomina (je réve de maisons. je réve de musique). Wenn man bereit ist, auch für präpositionale Aktanten die Nachstellung als die natürliche oder unmarkierte Stellung anzusehen, gegenüber einer Markiertheit der Voranstellung dieser Aktanten in Bezug auf die Funktionale Satzperspektive (also Thematisierung o. ä.)246, dann erscheint die Voranstellung zur Kennzeichnung des Falles 1 gegenüber den anderen Fällen als besonderes Merkmal. Da nun der Fall 1 nicht nur der Nominativdefinition aus 2.1.1.1. entspricht (nämlich als Fall, der grundsätzlich vorhanden ist), sondern der Fall-I-Aktant (also der vorangestellte Aktant) auch der Subjekt-Definition, erscheint im Französischen nicht, wie Bossong es als Universale konstatiert 247 , das Subjekt als der am wenigsten adnominal markierte Aktant, sondern das nicht-präpositionale Objekt (also der Fall-2-Aktant), da es ja weder präpositional noch stellungsmäßig markiert ist. Die Annahme der Nachstellung als unmarkierte Stellung gegenüber der Merkmalhaftigkeit der Voranstellung würde auch Tesnieres zentrifugalem Idealtyp VXN entsprechen, gegenüber dem die Stellung SVO dann als morphotaktematisch genutzte Besonderheit erscheint. Eine solche besondere Markiertheit des Subjektes gegenüber allen anderen Kasus entspricht ja auch der traditionellen kasuellen 2-Teilung, die man dem Französischen bis heute noch manchmal unterstellt (sujet - régime, rectus - obliquus) 244 , wobei sich allerdings das Subjekt bzw. der Nominativ als die eigentlich oblique, nämlich "gebeugte", d.h. die markierte Form ausweist (wenn auch nicht morphologisch, sondern eben durch die Stellung). Allein das adnominale Paradigma zeigt schon, daß eine ähnlich eindeutige Aussonderung einer Gruppe von allomorphisch-flexivischen Fällen gegenüber der großen Gruppe der präpositionalen Fälle, wie im Lateinischen, im Französischen nicht so möglich ist, obwohl es einige Fälle gibt (1 - 4), die sich nicht so eindeutig agglutinierend verhalten wie der Rest. Dies bestätigt sich bei der Frage, wie die Fälle bei den nicht adnominalen Fall-sensitiven Paradigmen realisiert sind: eher flexivisch-allomorphisch oder eher durch die gleichen morphologischen Gestalten wie am Nomen. Das Paradigma der Bezeichnung von Aktantenfunktionen beim Relativpronomen (und, mit Abweichungen, beim Fragepronomen 249 ) ist insofern parallel organisiert zu dem adnominalen, als die Fälle 3 - » in Form von Präpositionen ausgeprägt sind, während die Fälle 1 und 2 präpositional nicht oder 0-markicrt sind. Anders als bei der adnominalen Markierung jedoch stehen sich nicht Präpositionen einerseits und Stellung andererseits als Merkmale bei sonstiger morphologischer Gleichheit gegenüber, sondern die Stellung als Merkmal ist bei den 246 247 241 249

Grevisse sieht die Nachstellung des "objet indirect" nach dem "objet direct", das seinerseits nach dem Verb steht, als die Grundstellung an, § 312. Bossong 1982, S. 22, Universale I. So z.B. bei Guiraud 1966, der zwischen einem "cas sujet" und einem "cas oblique" unterscheidet, S. 41. Zur Paradigmatik der Fragcpronomina siehe kurz, unten 3.5.6.1. 95

Relativpronomina, die ja positionell immer auf den Satzanfang festgelegt sind, durch die besondere morphologische Ausprägung des Pronomens selbst ersetzt. Nur ist es diesmal nicht der Fall 1, und damit das Subjekt, das eine Sonderbehandlung erfährt, sondern der Fall 2, der durch die Form que von dem ansonsten unveränderlichen Relativpronomen qui abgesetzt ist: 1. Fall: 0 + qui 2. Fall: 0 + que 3. Fall: d + qui 4. Fall: de + qui 5. Fall: par + qui 6. Fall: pour + qui etc. bis «. Bei nicht-menschlichen Aktanten ist es sogar so, daß die Unterscheidung Präposition vs. 0 einhergeht mit der unterschiedlichen Form des Relativpronomens: hier erfordern die Fälle 3 - • die unveränderliche Form quoi (umgangssprachlich) bzw. Iequelilaquellellesquel(le)s (normsprachlich), der nur in Fall 1 die Form qui und in Fall 2 die Form que gegenübersteht 250 . In die Stufe der durch die morphologische Ausprägung des Relativpronomens abgesetzten Fälle rückt der Fall 4, wenn man statt der Form duquel.'de laquellel... die Form dont berücksichtigt. Ähnliches gilt ftlr die Form oü, mit der zum erstenmal ein semantischer Aspekt, also die Frage der zu bezeichnenden Aktantenfunktion in die Diskussion der Paradigmatik kommt: oü als flektierende Form des Relativpronomens für den ¿-Fall, also Fall 3, steht nur dann, wenn der Fall eine Lokalfunktion bezeichnet. Ansonsten wird der a-Aktant als Relativpronomen mit d lequel - auquel, also mittels der Präposition markiert. Das heißt, einem einzigen Fall am Nomen entsprechen zwei verschiedene Ausprägungen am Relativpronomen, in Abhängigkeit von der bezeichneten Aktantenfunktion. Wenn man einmal die beschriebenen Abweichungen au. aux, des, de und dont unberücksichtigt läßt, kann man sagen, daß das Französische, morphemklassenübergreifend gesehen, nur die Fälle I und 2 flexivisch-allomorphisch realisiert, die anderen präpositional-agglutinicrend. Wieder anders stellt sich jedoch die Situation dar, wenn man das dritte Fall-sensitive Paradigma betrachtet: das der pronoms conjoints, also die Markierung von Aktantenfunktionen am Verb. Die pronoms conjoints bilden im Normalfall bekanntlich dreigliedrige Paradigmen aus, so daß die Fälle 1, 2 und 3 eine Sonderbehandlung als flexivische Fälle erhalten, während die übrigen durch ihre Präposition dargestellt werden 251 :

Die Oppositionen qui vs. quoi bzw. qui vs. lequel stellen also eine Form der differentiellen Aktantenmarkierung dar (vgl. Bossong I98S). Die Grammaire Larousse spricht bei den Formen de moi, de toi, par moi, par toi da, wo sie in reiner Fall-Opposition zu den pronoms conjoints stehen, wie in dem folgenden Schema, interessanterweise nicht von pronoms disjoints, sondern von nachgestellten pronoms conjoints, Grammaire Larousse § 350. 96

1. Fall: je tu il il nous(on) vous ils ils te le se 2. Fall: me nous vous les se lui te se nous 3. Fall: me vous leur se de lui de lui-même de nous etc. 4. Fall: de moi de toi par loi etc. 5. Fall: par moi 6. Fall: pour moi pour toi etc. etc. bis Dabei sind innerhalb der einzelnen Personen natürlich die bekannten Unterschiede zu konstatieren, daß mal die Fälle 1 - 3 identisch ausgeprägt sind (1. u. 2. Person Plural), mal nur der Fall 1 von 2 und 3 abgesetzt ist (l.Sg., 2.Sg., 3.Sg.refl., 3.Pl.refl), während bei der 3.Sg. und PI. die Fälle I, 2 u. 3 jeweils verschieden ausgeprägt sind. Auch bei den pronoms conjoints besteht also eine morphologische Ausprägung dessen, was beim Nomen durch die Stellung markiert wird. Diese Situation veranlaßt manche Grammatiker, im Französischen von 3 Kasus zu sprechen 252 , während die formale Gleichheit der Fälle 2 und 3 in der 1. u. 2. Pers. Sg. und beim Reilexivum gegenüber der Fall-1-Form eher der Zweiteilung "sujet" - "complement" entspricht. Angesichts der paradigmatischen Verhältnisse bei den pronoms conjoints bleibt festzuhalten, daß der Fall 3 zwar adnominal (unter Vernachlässigung der Verschleifungen au. aux) und beim Relativpronomen als präpositionaler Fall erscheint, über die Gesamtheit der fallsensitiven Paradigmen jedoch verschiedene morphologische Ausprägungen aufweist, wodurch er sich eindeutig von der Organisation der Fälle 5 - - unterscheidet. Man kann ihn als flexivisch-allomorphisch organisiert ansehen, also als Kasus 353 . Dagegen bekommt der Fall 4 diesen besonderen Status durch das Paradigma der pronoms conjoints nicht verliehen. Allerdings weist er die flexivischen Tendenzen durch die morphologischen Sonderformen de, dont auf. Der Eindruck eines flexivischen Charakters der Fälle 3 und 4 ist dann noch verstärkt, wenn man die anaphorischen Adverbien en und y in das Schema der pronoms conjoints aufnimmt. Dann ergeben sich für die 3. Person Singular und Plural viergliedrige Paradigmen: il.'elle, le;la. y,'lui, en bzw. ils.'elles. les. yleur. en. Das gleiche gilt auch fllr die anderen Personen, sollte sich eine Anwendung von en und y auf diese Personen feststellen lassen (moi, on n'en parle pas)2i*. Unter dieser Bedingung wäre es wohl gerechtfertigt, für das Französische von einem 4-Kasussystem zu sprechen. Mein Insistieren auf der Frage des Kasuscharakters und der allomorphischflexivischen Organisation hat folgenden Hintergrund: die obige Aufzählung von Paradigmen, die man eigentlich auch jeder Französischgrammatik entnehmen kann, zeigt, daß die Organisation der Mittel zur Bezeichnung von Aktanten252 253 254

Nach Togeby S. 137, Sandfeld spricht in Verbindung mit lui/leur gerne von "datiT', bei !e gerne von "régime". Auch Monreal-Wickert rechtfertigt das Reden von 'Kasus' im Französischen mit dem flexivischen Charakter des pronom conjoint ha, S. I41f, I47f. Es geht hier, wohlgemerkt, nicht um die Frage des partitiven en, das ja auch als pronom conjoint des Falles 2 erscheinen kann! Siehe hierzu 2.3.2. und bes. 3.S.3.S. 97

Funktionen höchst inhomogen ist und alle Merkmale eines im Umbruch begriffenen Systems trägt. Es ist kein Zufall, daß die nicht-adnominalen Paradigmen dabei den stärkeren Organisationsgrad zeigen, daß sie sogar einenen Teil der ererbten Kasusflexion in die Gegenwart herübergerettet haben, und es ist durchaus gerechtfertigt, wenn manche Grammatiker sich beim Gebrauch von "kasusbezogenen" Termini (wie Obliquus, Dativ etc.) allein auf die Verhältnisse bei den Pronomina beziehen: Flexivische (und damit auch kasuelle) Organisation bedeutet gegenüber der agglutinierenden (präpositionalen) einen größeren paradigmatischen Aufwand bei größerer syntagmatischer Effizienz bzw. Ökonomie. Ausgehend von der in 2.1.2.2. referierten These werde ich mich in den verbleibenden Kapiteln dieser Arbeit bemühen, aufzuzeigen, daß die Paradigmen von pronoms conjoints und Relativpronomen mit ihrem höheren Organisationsgrad einiger weniger Fälle zwar für Subtilitäten der Aktantenmarkierung nicht geeignet sind, dafür aber auf der Parole-Ebene als syntagmatisch effizientes Mittel rein quantitativ die Hauptarbeit bei der Markierung von Aktantenfunktionen übernehmen, während die adnominale Markierung vor allem in den Spezialund Problemfallen zum Zuge kommt. Dies gilt besonders in der gesprochenen Sprache. Der höhere Organisationsgrad der pronominalen Paradigmen bedingt also einerseits auf Parole-Ebene deren bevorzugten Einsatz, andererseits bedingt er auch auf Langue-Ebene eine systematische Präponderanz der pronominalen Formen. So sieht Th. Kotschi die pronominale Paradigmatik gegenüber der adnominalen aus verschiedenen Gründen als die grundlegendere an 2 5 5 . Die Tatsache, daß die pronominalen Paradigmen nicht nur die eigentlich systemtragenden, sondern sogar systemstiftenden Paradigmen sind, hat in der Dependenzgrammatik dazu geführt, die "Ergänzungsklassen", die die alten Kategorien Subjekt, Objekt, indirektes Objekt etc. ersetzen sollen, vornehmlich aufgrund der Pronominalparadigmen zu definieren 236 .

255 256

98

Kotschi 1981 §§ 3.2.4T. Für das Französische vgl. neben Kotschi bes. Koch 1981 S. 58 und Busse/Dubost 1983 S. XIII.

2.3.

2.3.1.

Zur Paradigmatik der AkUntenmarkierung bei den pronoms conjoints

Vorbemerkung

Der Rest dieser Arbeit wird sich vornehmlich mit der Paradigmatik der pronoms conjoints beschäftigen. Die ausführliche Behandlung dieses Themas in diesem Rahmen hat zwei Hintergründe: Zum einen steht nach wie vor die Stellungsfrage im Raum und die Frage, wie die Funktion der pronoms conjoints in diesem Zusammenhang zu interpretieren ist: sowohl im Sinne der in 2.2.3. aufgestellten Hypothese, wonach die pronoms conjoints als Markierung von Aktantenfunktionen zwischen dem entsprechenden Aktanten und dem Verballexem zu stehen haben, als auch im Sinne der Konjugationsthese, wonach die pronoms conjoints als ad-verbale Personalgrammeme ein Beispiel für die Tendenz zur Präflgierung von Informationen darstellen, die im Lateinischen suffigiert sind. Zum anderen aber hat der vorhergehende Abschnitt ergeben, daß die pronoms conjoints, zusammen mit den anderen pronominalen Paradigmen, die eigentlich morphologisch systemstiftenden Paradigmen sind, im Verhältnis zu der morphologisch-paradigmatisch eher einfach, unsystematisch und mit Tendenz zu Idiosynkrasien organisierten adnominalen Markierung von Aktantenfunktionen. Somit wird in den verbleibenden Kapiteln insbesondere auch das funktionale Verhältnis der pronoms conjoints zu den anderen pronominalen Paradigmen und Formen zu untersuchen sein. Der vorliegende Abschnitt (2.3.) wird sich weiter mit Problemen in der Paradigmatik der Pronoms conjoints als ad-verbalem Mittel zur Bezeichnung von Aktantenfunktionen beschäftigen, insbesondere mit deren Verhältnis zu konkurrierenden Formen: den anaphorischen Adverbien und den pronoms disjoints. Im Teil 3 der Arbeit werden wir uns der Frage zuwenden, inwieweit die pronoms conjoints tatsächlich die Funktion von präflgierten ad-verbalen Kongruenzgrammemen wahrnehmen. Dabei werden insbesondere empirische Gegebenheiten berücksichtigt werden, wobei ein Hauptaspekt die Frage sein wird, welche Kategorien eigentlich die Kongruenz zwischen dem Aktanten bzw. Antecedens und dem pronom conjoint bilden. Eine Bemerkung zum Sprachgebrauch: wenn ich im folgenden im Zusammenhang mit dem Paradigma der pronoms conjoints mehrfach von "Pronomina" oder "Pronominalisierung" durch pronoms conjoints spreche, oder die Aktanten, auf die sich die pronoms conjoints entweder anaphorisch beziehen, oder die sie kongruent aufnehmen, unterschiedslos als "Antecedentia" bezeichne, so ist dies kein Abrücken von der Konjugationsthese, sondern geschieht eingedenk der in 1.1.2.1. angesprochenen Potenz, dciktisch oder anaphorisch zu

99

referieren, die selbst Konjugationsgrammemen zukommen kann. D.h.: pronoms conjoints können (genauso, wie die lateinischen Personalendungen) immer entweder einen im Satz explizit vorhandenen Aktanten am Verb kongruent aufnehmen oder aber, wenn der Aktant nicht im Satz vorhanden ist, diesen repräsentieren. Beides ist gemeint, wenn ich im folgenden, etwas unpräzise, von "Pronominalisierung" spreche.

2.3.2.

«en» und «y» als pronoms conjoints

In 2.2.4. wurde u.a. die alte Frage aufgeworfen, inwieweit die Formen en und y zum Paradigma der pronoms conjoints zu rechnen sind und inwieweit deren Gebrauch, unabhängig von anderen semantischen Merkmalen des Aktanten wie personale Deixis oder Belebtheit, generalisiert ist. Es sei vorweg gesagt, d a ß diese Arbeit keine empirische Aussage zu dieser Frage machen kann, und zwar auf Grund der Datenlage: in dem benutzten Corpus ist die Zahl der à- oder t 259

100

Die 11 Vorkommen von nicht-lokalem y im Corpus beziehen sich ebenso ausnahmslos auf Abstrakta bzw. auf Sackverhalte des Vor-Kontextes wie die 18 Vorkommen von en, bei denen en nicht einem "partitiven", sondern einem aktantenfunktionsmarkierenden de entspricht. Die 16 Vorkommen der Form hä (davon nur 5 pronoms conjoints), sowie die 4 Vorkommen von leur als pronom conjoint sind ausnahmslos auf Personen bezogen. (irammaire Larousse § 365, siehe auch Gicvisse § 1102. § 367 Anm. 2, S. 238.

und y einerseits und den pronoms conjoints andererseits in nichts anderem sieht als in den semantischen Eigenschaften des Aktanten, auf den sie sich beziehen 240 , dann liegt hier ein typischer Fall von "diflerentieller Markierung" vor, wie sie G. Bossong ftlr das direkte Objekt beschreibt 261 . Oder man könnte von einer Art "Belebtheitskongruenz" zwischen verbalem Grammem und Nomen sprechen. Es ist jedoch die Annahme weit verbreitet, daß die Umgangssprache zu einer Generalisierung der Anwendung der beiden Formen auf Aktanten aller Stufen der Belebtheitsskala tendiere. Die zahlreichen Abhandlungen zu diesem Thema 262 geben natürlich beliebig viele Beispiele dafür, daß der Gebrauch von en und y auf menschliche Aktanten möglich ist, und keinem kompetenten Sprecher des Französischen fällt es schwer, weitere Beispiele zu konstruieren. Leider kann auch von den genannten Arbeiten keine auf systematische empirische Ergebnisse verweisen. Es ist zu betonen, daß die Abstufung — + menschlich oder — +Person natürlich zu einfach ist, um das Phänomen einer Differenzierung nach der Belebtheitsskala adäquat zu beschreiben. Es sei hier ausdrücklich auf die Ergebnisse von H. Thun hingewiesen, der das Konzept der Menschlichkeit durch das Konzept der Person als handelnder oder potentiell handlungsfähiger Beteiligter ersetzt, worunter dann bei entsprechender Sichtweise auch Sachen fallen können261. Da diese Frage jedoch für das hier verfolgte Interesse nicht von Bedeutung ist, werde ich weiterhin vereinfachend von der Opposition — + menschlich sprechen. Für die hier eigentlich zugrunde liegende Fragestellung der morphologischen Entwicklung des Französischen wäre insbesondere die Frage interessant, wie sich der Gebrauch der beiden Formen diachronisch entwickelt. Es besteht in der Forschung eine Auffassung, daß die Anwendung der beiden Moneme auf alle Stufen der Belebtheitsskala insbesondere im 17. Jh. und davor geläufiger gewesen sei als heute 264 . J. Pinchon widerspricht dieser Ansicht ausdrücklich. Sie geht, offensichtlich gestützt auf literarische Texte, davon aus, daß in 25 % der Fälle, in denen ein pronom conjoint der Serie me. te. lui ... zu stehen hätte, die Form> steht, und daß dieser Anteil seit dem 17. Jh. konstant geblieben ist. Für den Gebrauch von en gegenüber de moi. de toi... nimmt sie einen Rückgang von 60 auf 40 % seit dem 17. Jh. bis heute an. Ebenso einfach wie einleuchtend ist Pinchons Erklärung dafür, weshalb bei en der Gebrauch genereller ist, die Form also auch leichter auf belebte oder menschliche Aktanten anwendbar ist, als y. für en besteht ja, wie gesehen, kein in Konkurrenz stehendes pronom conjoint.

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261 262

263 264

Daß die Situation hier sehr viel komplexer ist, und daß das Problem mindestens ebenso eng mit den semantischen Eigenschaften des Verbs wie mit denen des Aktanten verknüpft ist, dazu siehe bes. Seelbach S. 2l6fT, Barnes 1980 S. 264ff. Bossong 1985, bes. S. 3 - 8. Sandfeld, Damourctte/Pichon, Moignet, Blanche-Benveniste, Pinchon, Seelbach, ßames 1980, Thun u.v.a. Thun, bes. S. 133fF, 169. Siehe Pinchon S. 137, Grcvissc § 1119, Brunot/Broneau § 624f, Grammaiic Laroussc §367.

101

wie es für y mit der Serie me. te, lui... gegeben ist. En repräsentiert den de-Aktanten auch bei solchen semantischen Merkmalen, die im à-Fall statt dem y ein pronom conjoint me. te. lui ... erfordern würden. Der diachronische Rückgang des Gebrauchs von en erklärt sich nach Pinchon aus dem Ersatz der mit de markierten Form für das "complément d'agent" im Passiv durch Markierung mit par, also il en est abandonné > il est abandonné par elle265. Hier ist also die flektierende Form durch eine agglutinierende ersetzt worden. Dabei ist nicht zu vergessen, daß, wie schon erwähnt, en in seinen ursprünglich partitiven Gebrauchsweisen (j'en vois, des gens oder j'en bois, de l'eau) völlig insensitiv für die semantischen Eigenschaften des Antecedens bzw. Aktanten ist. "Partitives" en steht zwar in dem gleichen allomorphischen Verhältnis zu "partitivem" de wie das aktantenfunktionsmarkierende en zu dem aktantenfunktionsmarkiernden de. Dennoch ist zwischen diesen beiden Bedeutungen von en/de strikt zu trennen: "partitives" en/de übernimmt, wie bereits in 1.4.3.3. gesehen, Bedeutung nicht in Bezug auf die Markierung von Aktantenfunktionen, sondern in Bezug auf die Definitheit und Quantität des Aktanten (zu der auch die Frage der kontinuierlichen BegrifTsauffassung gehört). Deswegen kann en ja ebensogut wie als Pierre en voit Pierre rêve d'oiseaux > Pierre en rêve Pierre pense à des oiseaux > * Pierre à en pense Des oiseaux viennent > * en viennent Pierre prie pour des oiseaux > * Pierre pour en prie wird uns in 3.5.3.5. noch ausführlich beschäftigen. Festzuhalten bleibt hier, daß man die zwei Anwendungsweisen von en insbesondere dann voneinander unterscheiden muß, wenn man sich Gedanken über die Anwendbarkeit von en auf humane Aktanten macht: die Belebtheits-Untcrscheidung betrifft, wie gesagt, nur den aktantenfunktionsmarkierenden Gebrauch von en. Dagegen ist das "partitive" ohne weiteres auf Personen beziehbar 266 . 265

266

102

Pinchon S. lOlff, S. 137. Auf Pinchons wohl ausführlichste und detaillierteste Untersuchung zu der gesamten Thematik sei hier ausdrücklich verwiesen. Es wird insbesondere auch der Gebrauch von en¡y gegenüber déjà moi, toi, lui... in Abhängigkeit von semantischen Eigenschaften des Verbs behandelt. Neben Pinchon ist auch die ausführliche Arbeit von D. Seelbach mit vielen Wortlisten zu nennen. Von 54 Vorkommen des "partitiven" en im Corpus von D. François beziehen sich 5 auf Abstrakta oder Sachverhalte des Vorkontextes, 36 auf Sachen und 13 auf Personen. Vielleicht läßt sich die problemlose Anwendbarkeit von "partitivem" en auf Personen (gegenüber dem aktantenfunktionsmarkierenden, das ja genauso auf de zurückführbar ist) eben mit der ursprünglich partitiven Bedeutung erklären: ursprünglich wählt ja die partitive Konstruktion, wie in 1.4.2. gesehen, ein Pars aus einem Totum oder Riemente aus einer Menge aus. Ein Totum oder eine Gesamt-

Umgekehrt zu dieser Trennung von Dingen, die man nicht zusammenwerfen darf, gibt es eine eine Reihe von Gebrauchsweisen der Formen en und y, die zumeist als ganz unabhängige, zusätzliche Gebrauchsweisen von der hier gestellten Frage abgetrennt werden, die sich aber letztlich durchaus in den Rahmen 'pronoms conjoints als ad-verbale Aktantenmarkierung' einpassen. Gemeint ist der Gebrauch von en 1. als echte partitiv-Markierung im Sinne einer Pars-Totum-Relation: des quinze pommes j'en ai mangé les trois meilleures 2. als sog. "kausales" en in Sätzen wie il en est fache, choqué etc. 267 , 26 3. in seiner adnominalen Konstruktion als Konkurrenz zum Possessivum *: j'ai vu son clocher (de l'église) > j'en ai vu le clocher

4. sowie der Gebrauch von en und y als Lokaladverbien: j'y vais bzw. j'en viens In all diesen Konstruktionen kann man en und y als Pronominalisierung von bzw. Kongruenz zu Aktantenbezeichnungen der Fälle 3 (¿-Fall) und 4 ( il lui faut venir. Mit à-Aktanten in dieser Konstruktion liegt also genau das Äquivalent des lateinischen "dativus auctoris" vor: Der Dativ als genuiner Bezeichner der Finalfunktion wird in der modalen Konstruktion (insbes. beim Gerundivum) per Referenzidentität zum Bezeichner des Aktanten, den normalerweise das Subjekt des untergeordneten Verbs bezeichnet (und der meistens in Kausal- oder Prädikativfunktion steht: Petro veniendum est "es ist für Peter notwendig, daß Peter kommt"). Sehr häufig bedient sich die Umgangssprache bei der Bezeichnung der Notwendigkeit der Präposition à in adnominaler Konstruktion, wobei mit à ein Infinitiv angeschlossen wird, der das Prädikationsgefuge bezeichnet, das der Notwendigkeit unterliegt, während das Nomen, an das die Präposition anschließt, einen Aktanten dieses Prädikationsgefüges bezeichnet, und zwar den, der bei dem Verb normalerweise durch den Akkusativ besetzt wird: une chose à faire, une maison à construire, encore un an à travailler. Um daraus assertierte Sätze zu machen, bedient man sich wiederum solcher bedeutungsentleerter Verben wie faire (ça fait cinq étages à descend" et cinq étages à r'monter, DF II 47, also auch wieder in unpersönlicher Konstruktion) oder avoir: des unpersönlich konstruierten "présentatif" il y a, wenn kein weiterer Aktant angeschlossen werden soll (il y a des choses à faire) bzw. des persönlich konstruierten Verbs, wenn der Aktant in Finalfunktion bzw. referenzidentisch der Aktant, den normalerweise das Subjekt des Hauptverbs besetzt, angeschlossen werden soll: j'ai des courses à faire. Das modale à kann natürlich auch direkt an avoir angeschlossen werden: faut pas s'étonner si on a quat' semaines de vacances i' sauront bien les récupérer autrement hein , la d'ssusy a pas à s'étonner de rien ... (DF II 30) on n'a qu'à y aller ("wir brauchen nur zu gehen"). Die Konstruktion von il faut mit einem Nomen statt eines Infinitivs enthält eine implizite Possessivkonstruktion: il me faut tute voiture ist paraphrasierbar mit il faut que j'aie une voiture. Das der Notwendigkeitsprädikation untergeordnete Prädikationsgefüge entspricht dabei genau den in 2.3.2.1. als mögliche Bedeutungen possessiver Konstruktionen genannten. 387

164

Der Aktant, der die Kausalfunktion des Verursachers der Notwendigkeit hat, erscheint zumeist als Subjekt solcher Verben wie forcer de, amener à, conduire à, empêcher de etc., bei denen der Akkusativ dann die Finalfunktion bezeichnet, referenzidentisch mit der Aktantenfunktion, die das untergeordnete Verb offen läßt und normalerweise durch sein Subjekt besetzen würde.

Eine letzte häufig in unpersönlicher Konstruktion gebildete Form im Corpus ist (il) paraît, die aber nicht die epistemische Spezifikation des Anscheins bezeichnet, sondern die referierte Aussage3**: j'ai parlé avec Pierre, paraît qu'il a trouvé du travail ("er will/soll Arbeit gefunden haben"). Bezeichnenderweise erlaubt diese umgangssprachliche Gebrauchsweise nicht, wie die normsprachliche cpistemische Gebrauchsweise, die Unterordnung eines Infinitivs, sondern erfordert obligatorisch das explizit assertionsblockierende Morphem qu. Der hier gemachte Exkurs war nicht nur eine Gelegenheit, die in 2.2.2. im Zusammenhang mit der Diathese angedeutete komplexe Dynamik der Bezeichnung von Aktantenfunktionen in der Finit-infinit-Hypotaxe zu illustrieren. Für den eigentlichen Zusammenhang, die Frage des Gebrauches der pronoms conjoints, ist festzuhalten, daß die modalen Spezifikationen im einfachsten Fall keine neuen Aktantenfunktionen eröffnen. Wenn sie also mittels der Finit-infinitHypotaxe konstruiert werden, ergibt sich daraus fast zwangsläufig eine Tendenz zum Gebrauch der unpersönlichen Konstruktion, da ja fur die formale Subjektposition auf der begrifflichen Seite primär keine eröffnete Argumentstelle vorhanden ist. Der Gebrauch der unpersönlichen Konstruktion ist hier also etwas anders motiviert als im Fall der Existenzprädikation. Ähnlich wie oben für il y a beschrieben, gibt es auch bei den Modalverben eine Tendenz, das unpersönliche pronom conjoint, das ja nur formale Funktion hat, nicht mehr als solches im Satz zu belassen: il paraît que verschleift gerne zu der fast schon als verbales Modus-Präfix anmutenden Gestalt [parek], falloir steht im Corpus in 39 von 51 Fällen ohne das il: oh bert non faut quand-même pas exagérer (DF II 44) Daß das pronom conjoint beim Verlust eines Bezugselementes zum Fortfall tendiert, ist zweifellos ein Unterschied zu der formalen Obligatorik, die die Personalendung im Lateinischen hat, unabhängig davon, ob sie kommunikativ erforderlich ist oder nicht.

3.5.3.5. Unpersönliche Konstruktion und «en» als subjektsbezogene Form Es ist, zusammenfassend zu den beiden letzten Paragraphen, noch einmal zu betonen, daß die unpersönliche Konstruktion mit il im Corpus an eine kleine Gruppe von Verben gebunden ist, bei denen diese Gebrauchsweise praktisch schon lexikalisiert ist und die persönliche Konstruktion z.T. schon sehr ungebräuchlich ist. Dagegen ist die Konstruktion als syntaktisches Verfahren umgangssprachlich nicht produktiv, sondern ersetzt durch die Konstruktion mit pa,'c' oder ily a.

>u

Zu dieser Kategorie siehe Heger 1977 § 3.5., S. 15. Bei dieser Bedeutung handelt es sich wohlgemerkt nicht um eine modale Spezifizierung, wohl aber um eine Bedeutung, die häufig durch solche grammatischen Kategorien bezeichnet wird, die man landläufig mit dem Terminus "Modus" belegt.

165

Es gibt im Corpus eine Ausnahme, wo ein Verb mit unpersönlichem il konstruiert ist, ohne daß dies einer lexikalischen Fixierung entspricht: remarque, il en lombe, kein, il en lombe! ( D F I 47) (gemeint sind Aprikosen]. Man könnte nun hier darauf verweisen, daß es sich um eines der oben in 3.5.3.3. genannten Verben der Bewegung zum lokaldeiktischen 0-Punkt hin handelt. Die Interpretation dieses Beispiels als Existenzprädikation ist allerdings wenig wahrscheinlich angesichts des anaphorischen en, das die Aprikosen wieder aufnimmt, von deren Existenz im vorhergehenden Kontext bereits ausführlich die Rede war, und zwar an dem Baum, von dem sie jetzt herabfallen. D.h., daß darüberhinaus auch weder die Rhematizität der Aprikosen, noch die Rhematisierung von deren Existenz das Motiv für den Gebrauch der unpersönlichen Konstruktion sein kann: rhematisch ist in dem Satz ganz klar das Verb lombe, das auch bei persönlicher Konstruktion rhematisch wäre. Die unpersönliche Konstruktion steht an dieser Stelle vielmehr, weil die persönliche Konstruktion schlicht und einfach nicht möglich wäre: * en tombeni Wie in 2.3.2. bereits gesagt, kann ja das sog. "partitive" en nur im Akkusativ oder im je let vois (bestimmt) je vois des abricots > j'en vois (unbestimmt) les abricots tombeni > ils tombent (bestimmt) (unbestimmt) des abricots tombent > * en tombent > il en lombe Dieses Verfahren erlaubt also bei satzexterner Aufnahme die Beibehaltung der Nicht- bzw. 0E- Reidentifizierbarkeit, und es ermöglicht die satzinteme Reprise des Subjekts mit unbestimmtem Artikel: des abricots il en tombe39'.

3,9 390 391

166

(1) je cherche une voilure - EUt est là-bas (= Im voiture) (2) je cherche une voilure - Il y en a une là-bas ( = urne voiture) Vgl. auch Henau II S. 865fT, Pinchon S. 292. In den Rahmen dieser Erklärung passen auch sehr gut die beiden einzigen Beispiele mit en, die Pfister in seiner Zusammenstellung unpersönlicher Konstruktionen anfuhrt (Bsp. 22, 23, S. 59). Es liegen dort genau die beiden Fälle vor, die ich hier ins Auge gefaßt habe: die satzinteme Reprise eines Aktanten (Des jolies fîUes. il en court la rue. et pour pas bien cher, M. Aymé) und die satzexteme Aufnahme eines vorerwähnten Aktanten (hier im junktional verbundenen vorangehenden Hauptsatz:

Man kann also dieses Verfahren als den Versuch ansehen, das Paradigma der pronoms conjoints um eine Form zu erweitern, die als Kongruenzform für das Subjekt mit unbestimmtem Artikel der Form ils'elles gegenübersteht. Gerade bei dem engen Zusammenhang zwischen Kongruenz und Nominativ (der den Nominativaktanten ja im Frz., Lat. u. Dt. zum Subjekt macht) ist das Fehlen eines Kongruenzgrammems ausgerechnet für den Nominativ ein besonderer Mangel. Daß dieser systematische Mangel eintreten konnte und auch relativ wenig Probleme schafft, dürfte daran liegen, daß es sich um die Kongruenz zum unbestimmten Artikel handelt, der, wie jetzt schon mehrfach gesehen, Affinität zur Rhematizität und damit "Abneigung" gegen die Subjektstellung hat. Beim Durchspielen der Möglichkeiten kann man feststellen, daß dieses Verfahren sogar eine gewisse Numeruskongruenz ermöglicht: des abricots il en tombe 0 vs. tut abricot il en tombe im Im Singular besteht darüberhinaus Genuskongruenz: un abricot il en tombe tut vs. une poire il en tombe une Die Markierung der Opposition Nominativ - Akkusativ, die ja vonnöten ist, damit die Form auch ihre aktantenfunktionsmarkierende Aufgabe übernehmen kann, ist natürlich auch gewährleistet, da ja nur beim Nominativ die unpersönliche Konstruktion auftritt. Damit ist das System der Subjektkongruenz am Verb um die Opposition bestimmt vs. unbestimmt erweitert. Allerdings hat diese Konstruktion mit il nur sehr beschränkte Anwendbarkeit. Zumindest umgangssprachlich wird man Formen wie il en joue au football (des enfants) oder il en fait du ski (des gens) nicht finden. Außerdem löst die unpersönliche Konstruktion zwar das Problem der Nicht-Anwendbarkeit von en für den Nominativaktanten, nicht aber für die Fälle 3 und 5 bei denen ja auch keine Aufnahme mit en möglich ist. Tatsächlich ist es, von dem obigen Beispiel abgesehen, im Corpus nicht der Typ il en tombe, der die Verwendung von unbestimmtem en ermöglicht, sondern, einmal mehr, die il y a ... ^«/-Periphrase, also Konstruktionen vom Typ: (des abricots) ily en a qui tombent (un abricot) ily en a un qui tombe (une poire) il y en a une qui tombe. Wie man sieht, hat diese Form auch die Implikation, daß das Element, das die Genus-Numcruskongruenz bewirkt, nicht mehr nach, sondern vor dem Verb steht. Damit ist es nicht nur mit dem en zusammengerückt, sondern paßt auch besser in das Bild einer Tendenz zur Präfigierung der Kongruenzgrammcme.

Trois vaissaux avaient amené de la Sicile des courtisanes et il en était venu du désert). Auch hier ist evident, daß die unpersönliche Konstruktion nicht der Rhematisicning des nachstehenden Aktanten dient: im einen Fall ist dieser ja thematisch linksverschoben (aus traditioneller Sichtweise), im anderen Fall direkt vorerwähnt. Ich würde also auch hier den Gebrauch der unpersönlichen Konstruktion als Mittel zum Hinsatz der Form en ansehen. Pfistcr fuhrt in diesen Beispielen umgekehrt den l insat/ von en auf das Vorhandensein der unpersönlichen Konstruktion zurück (a.a.O.). 167

Dabei ist die umgangssprachliche Realisierung natürlich nicht il y en a, sondern das berühmte, ob seiner Universalität häufig parodierte yen a: (des élèves j y en a beaucoup qui passent à dix ans ( O F I 30) (un copain) y en a un qu'a le sport ( D F II 36) Es erscheint nun paradox, die il y a ... ^«/-Periphrase, die in 3.5.2.1. als Mittel zur Rhematisierung des Aktanten dargestellt wurde, hier plötzlich in den Rahmen des Paradigmas der pronoms conjoints zu stellen, das ja in 3.2. als das Paradigma bei thematischen Aktanten dargestellt wurde. Dies ist nun aber weniger ein Problem der hier gegebenen Interpretation als das der empirisch vorliegenden Form: selbst bei der traditionellen Interpretation dieser Formen stellt die Kombination eines "présentatif* (il y a) mit einem Anaphorikum (en) einen Widerspruch in sich dar. Das gleiche gilt, wenn man die Raisonnements aus 3.5.2.1. akzeptiert: auch dann muß man feststellen, daß die Kombination von en mit der Relativsatzperiphrase einen Widerspruch darstellt. Man muß also entweder die Vorstellung von der Thematisierenden Funktion der il y a ^«/'-Periphrase fallen lassen; es wurde in 3.5.2.1. schon angedeutet, daß die Funktion der Periphrase weniger in der polarisierenden Rhematisierung des Aktanten liegt (diese Funktion kommt ja der c'est ... çu/'-Periphrase zu), als vielmehr in der Aufhebung der Thema-Rhema-Polarisierung über den ganzen Satz. Oder man muß davon ausgehen, daß die Thema tizität der Form en392 die Thematisierende Wirkung der Periphrase bricht. Auf jeden Fall kann man die Widersprüchlichkeit mit dem Hinweis darauf kommentieren, daß es eine andere Form, um ein unbestimmtes Subjekt mit pronom conjoint aufzunehmen, schlicht und einfach nicht gibt. Außerdem kann man darauf hinweisen, daß im Rahmen der behaupteten Affinitäten (Thema • Subjekt - bestimmter Artikel) das Auftreten eines mit unbestimmtem Artikel markierten Subjektes ohnehin nicht eben den Standardfall darstellt. Eine weitere Einschränkung: wenn hier die Form y en a 'un. une) qui in den Zusammenhang des Paradigmas der pronoms conjoints gestellt wird, so wird man sie sicherlich nicht als KonjugationsafTix ansehen können. Selbst der Fall der sat/internen Reprise des abricots y en a qui tombent wird umgangssprachlich zwar akzeptiert, tritt aber zumindest im Corpus von D. François nicht auf. Man sollte sich also mit der Feststellung begnügen, daß es sich dabei um eine ad-verbal gebundene Form handelt, die kongruent zu einem Aktanten oder Antecedens ist in Bestimmtheit, Genus, Numerus, die anaphorischc Potenz hat und die die Bezeichnung einer Aktantenfunktion impliziert. Eine Bemerkung zur Kongruenz mit dem unbestimmten Artikel: wenn das "partitive" en mit dem unbestimmten Artikel kongruiert, dann gilt für die Form natürlich auch das, was in 1.4.3.3. über die ursprünglich partitiven Konstruktionen gesagt wurde: en kann da stehen, wo der unbestimmte Artikel die Kategorien der OE-Rcidcntifi/.icrbarkeit und der Nicht-Reidentifizierbarkeit bezeichnet.

m

I6S

Siehe hierzu 2.3.2.2.

Es kann nicht stehen bei eventuellen sekundären Funktionen des unbestimmten Artikels bei Nicht-Identifizierbarkeit 3 * 3 . Der Effekt, daß die Form il y en a qui nicht die Nicht-Identifizierbarkeit bezeichnen kann, ergibt sich, wie in 3.S.2.3. gesehen, außerdem auch aus der ursprünglich existenzprädizierenden Bedeutung der Form il y a. Nach 3.5.1.1. ist ja das pronom conjoint bei nicht-identifizierbaren Aktanten die Form ça/c: un lion ça mange les hommes aber: un lion y en a un qui a mangé le directeur du cirque.

3.5.3.6. Weitere Konstruktionstypen Der Vollständigkeit halber, bzw. wegen der Häufigkeit des Auftretens im Corpus, sei hier noch auf einen weiteren Satzyp eingegangen, der ebenfalls subjektlos zu sein scheint: das ist der Gebrauch von ça/c' in anderen Fällen als den bisher schon angesprochenen (Reprise mit ça, Existenzprädikation), und dabei insbesondere der extrem häufige Gebrauch der Form c'est ...3*4. 1. In den weitaus meisten Fällen nimmt ça/c' den Inhalt vorangegangener Sätze als Sachverhalt wieder auf: "combien tf cigarettes tu fumes par jour?" - "un paquet" - "un paquet et c'est un début!" ( D F II 1) "va avoir une hausse su'l'tabac!" - "écoute, c'est pas plus grave que ça!" (DF II 2) 2. Häufig handelt es sich um explizit oder implizit genannte Referenten aus den Vorsätzen: "moiy a de grandes chances que j'retourne où qu j'étais l'année dernière, c'est pas cher. hein, un p'tit trou tranquille, bien" - "Ah. toi, du moment qu'c'est un p'tit trou ça t'plaît!" ( D F II 3) 3. Häufig handelt es sich um auch im Vortcxt nicht spezifizierte, aber begrifflich rckonstruierbare Aktanten: j'sais pas encore où j'vais parce que c'est complet / = les hôtels] où c'est pas trop cher /= les prix, le loyer] ... ( D F II 37) encore un an à travailler et c'est fini, hein ( D F II 35) 4. Daneben kann ça/c' auch explizite Aktanten aus dem Vorsatz wieder aufnehmen, und zwar genau entsprechend den Regeln aus 3.5.1.4.: "j'eonnais pas, Pierre" - "C'est mon ami"

391 ,,M

Wie in 1.4.3.3. gesehen, übernimmt eine solche Funktion im Französischen auch nur der unbestimmte Artikel des diskontinuierlichen Singulars. Zu den hier angesprochenen Gebrauchsweisen von c'est ... siehe auch die ausführlichen Bcispielsammlungen und Analysen bei Rosenberg und Sandfeld. 169

"il est gentil. Pierre" - "II est mon ami" Es zeigt sich also, daß "subjektlose" Sätze mit fa/c' (außer in den in 3.5.3.3. beschriebenen Fällen) nicht wirklich subjektlos und damit unpersönlich sind, sondern daß fa/c' lediglich z.T. schwer erschließbare Aktanten repräsentieren. Die Form erweist sich als die satzextcrn-anaphorische Gebrauchsweise der Form, die in 3.5.1. in ihrer Verwendung zur satzinternen Reprise beschrieben worden ist.

3.S.4.

Das Paradigma

Damit ergibt sich das folgende Paradigma fur das ad-verbale, gebundene, aktantenkongruierende, kasussensitive Element bei thcmatischcm Aktanten (siehe S. 171/172) 395 . Das Paradigma bei kontinuierlichen Aktanten folgt dem Singularparadigma, außer in der Form der 0E- bzw. Nicht-Reidentifizierbarkeit: hier folgt es im Nominativ wie im Akkusativ dem Pluralparadigma: de Vor y en a qui brille, de l'or j'en vois. Wenn man der hier gegebenen Interpretation folgt und ça und y en a qui in das Paradigma aufnimmt, so bedeutet dies einen weiteren Schritt zu der Genusnivellierung in der 3. Person, die verschiedene Autoren unter Hinweis auf den Typ ma femme ¡chante ohnehin annehmen. Dieser Ausfall einer Kongruenzkategorie wird durch die Definitheitsopposition ersetzt. Es stellt sich nun die Frage, ob dieses Paradigma auch auf die anderen Fälle Ubertragbar ist. Dazu ist folgendes zu sagen: Man könnte zwar rein kombinatorisch die analogen Paradigmapositionen auch fUr die Fälle 2, 3 und 4 bilden (des oiseaux y en a à qui je fais attention, les oiseaux j'fais pas attention etc.). Allerdings hat bereits das obige auf den Nominativ bezogene Paradigma einen stark spekulativen Charakter. Es läßt sich aber durch eine gewisse Häufigkeit der Formen noch halbwegs richtfertigen. Dagegen würde in den anderen Fällen die Spekulation außerdem noch auf Extrapolation beruhen: Konstruktionen wie y en a à qui oder y en a de qui sind zwar per Extrapolation bildbar, kommen aber im Corpus nicht vor. Im à-Fall und im