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German Pages 286 Year 2023
Claudia Schieblon Hrsg.
Marketing und Business Development in Kanzleien 5. Auflage
Marketing und Business Development in Kanzleien
Claudia Schieblon Hrsg.
Marketing und Business Development in Kanzleien 5. vollständig aktualisierte und erweitere Auflage
Hrsg. Claudia Schieblon Düsseldorf, Deutschland
ISBN 978-3-658-41990-5 ISBN 978-3-658-41991-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2009, 2010, 2013, 2018, 2023 Ursprünglich erschienen unter dem Titel: Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Catarina Gomes de Almeida Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.
Vorwort der Herausgeberin
Der Markt der Wirtschaftskanzleien hat sich in den letzten drei Jahrzehnten so vehement verändert wie kaum ein zweiter. Anwälte1, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind und bleiben Experten und Berater im Dschungel der Gesetze, Vorschriften und Entscheidungen. Sie sind – in wirtschaftlich schwierigen wie auch in prosperierenden Zeiten – unabkömmlicher Partner von Unternehmen und Institutionen. Doch ihre Märkte sind um ein Vielfaches kompetitiver und ihre Mandanten wesentlich anspruchsvoller geworden. Daher nutzen Wirtschaftskanzleien die vielfältigen Instrumente des Marketings.
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Kanzleimarketing – wer braucht denn das?
Was ist am Kanzleimarketing so besonders, dass es dafür ein eigenes Buch geben muss? Das mag sich mancher Branchefremde denken. Doch Marketing, Kommunikation, PR und Business Development, im Kanzleimarkt salopp unter Kanzleimarketing zusammengefasst, hat viele Besonderheiten – aufgrund des speziellen Umfelds und der Partnerschaftsstrukturen von Wirtschaftskanzleien. Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gehören zu den „Freien Berufen“, einem geschützten Berufsstand, deren Märkte jedoch sukzessiv immer weniger geschützt sind und die daher Marketing betreiben dürfen und müssen. Kanzleien sind auch deshalb so besonders, weil sie Partnerschaftsgesellschaft sind: Lassen wir einmal die Einzelkanzleien außen vor, gibt es in Kanzleien zahlreiche Partner – alle Anteilseigner der Kanzlei – mit den unterschiedlichsten Meinungen. Ab einer gewissen Größe wurde in Kanzleien ein Management aus Partnern installiert, die für eine gewisse Zeit mit der Kanzleiorganisation und -führung, darunter auch dem Marketing, betraut sind. Ihnen zur Seite stehen Expertenteams der Business Service Bereiche. Führung in Kanzleien ist also meist eine gemeinschaftliche und demokratische Sache: In der Regel
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
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Vorwort der Herausgeberin
muss erst ein breiter Konsens gefunden werden bevor neue Themen entschieden und angegangen werden. Kanzleimarketing konnte sich in diesem, zudem sehr traditionellen und konservativen Umfeld, nur sehr langsam entwickeln. Doch ein Blick in das Inhaltsverzeichnis dieses Buches überrascht durch eine unglaubliche Fülle an klassischen wie trendigen Themengebieten. In dieser aktuellen, 5. Auflage kommen zahlreiche neue Autoren mit neuen Themengebieten zu Wort. Seit der letzten Auflage vor vier Jahren hat sich Kanzleimarketing in Kanzleien stark entwickelt. Dies ist einer breiteren Akzeptanz für Kanzleimarketing und Business Development (BD) bei Partnern, aber auch erfahrenen und starken Persönlichkeiten bei Marketing- und BD-Fachleuten der Kanzleien zu verdanken. Sie tragen innovative Themen in die Partnerschaft, leisten Überzeugungsarbeit, starten Pilot-Projekte und weisen deren Erfolge nach. Marketing ist heute für Kanzleien unabdingbarer Bestandteil der Unternehmensführung. Die vielen Instrumente des Marketings können Kanzleien Türen öffnen wenn sie sie zu nutzen wissen. Wie dies funktionieren kann, zeigen die Experten dieses Buchs.
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Der Kanzleimarkt – kontinuierlich im Wandel
Kanzleien haben einschneidende Veränderungen ihres Marktes in den letzten 30 Jahren erfahren. Die wichtigsten Treiber dieser Entwicklung sind: • Der Wandel des Markts von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Mandanten und potentielle Mandanten haben heute eine breite Auswahl an Kanzleien mit gleichen oder ähnlichen Angeboten. Die langjährigen Mandatsbeziehungen sind vielerorts Vergangenheit; gerade große Unternehmen nutzen die Situation um ihren internen Kostendruck an Kanzleien weiterzugeben. Sie fördern den Wettbewerb der Kanzleien untereinander, indem sie um Mandate oder um eine Aufnahme in Panels (eine Auswahl von Kanzleien, mit denen das Unternehmen in verschiedenen Rechtsgebieten zusammen arbeiten möchte) pitchen lassen und eine Vielzahl an Kanzleien für unterschiedliche Aufgaben mandatieren. In großen Unternehmen sind bei der Mandatsvergabe auch die Einkaufsabteilungen involviert. Diese fordern eine genaue Preiskalkulation, die Deckelung von Kosten („Caps“) und die Festlegung des Beraterteams im Vorfeld. Der Kostendruck in den Kanzleien wächst, daher werden Lösungen gesucht, zum Beispiel die Effizienzhebung durch Digitalisierung. • Auch der Bewerbermarkt hat sich verändert. Gab es noch vor einigen Jahren ausreichend junge Juristen mit entsprechend guten Examina, die in Wirtschaftskanzleien arbeiten wollten, bevorzugen viele von diesen andere Arbeitgeber, wie öffentliche Institutionen, Rechtsabteilungen von Unternehmen oder Start-ups. Die Generation Y, Z und wie sie heißen, legt weniger Wert auf Positionen mit Rang, hohe Gehälter und Statussymbole. Vielen von ihnen ist es wichtiger eine zufriedenstellende Work-Life-Balance
Vorwort der Herausgeberin
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zu haben, ein interessantes und kollegiales Arbeitsumfeld und die Möglichkeit zum flexiblen Arbeiten. Kanzleien bieten daher unterschiedliche Karrierewege, Sabbaticals, ortsunabhängiges Arbeiten, hohe Einstiegsgehälter und mehr. Jedoch bleibt es schwierig in einer service-orientierten Wirtschaftskanzlei durchgängig feste Arbeits- und Freitzeiten für alle zu gewährleisten. Hat der Mandant ein dringendes, zeitkritisches Anliegen ist schnelle Reaktion gefragt und mitunter auch eine Nachtschicht. • New Work ist seit der Zeit der Pandemie auch in Kanzleien eingekehrt. Die Arbeit von Juristen lässt sich, so hat man festgestellt, ohne Probleme auch vom heimatlichen Schreibtisch aus erledigen. Viele wollten nach Ende der Sicherheitsmaßnahmen gar nicht zurück ins Büro. In vielen Kanzleien wurden nun Regelungen eingeführt wie viele Tage in der Kanzlei und wie viele andernorts gearbeitet werden kann. Das zieht weitere Veränderungen nach sich: So werden sukzessiv eigene Büros abgeschafft, die bei Abwesenheit leer stünden; Apps regeln die Belegung von Arbeitsplätzen. Mit dem neu gewonnen Platz wurden Teambereiche geschaffen, wo gemeinsam gearbeitet wird und soziale Events notorische Heimarbeiter zurück ins Büro locken. • Der Kanzleimarkt ist transparent. Wirtschaftsmedien, Fachverlage und Blogs beschreiben und analysieren den Kanzleimarkt, deren Experten und vieles mehr. Es ist heute nicht schwierig neben den Infos auf Kanzleiwebseiten noch eine Vielzahl an weiteren Informationen über Kanzleien und ihre Berater zu bekommen. Auch Umsatzzahlen von Kanzleien werden in Rankings von Wirtschaftsmedien und der Fachpresse veröffentlicht. Dort findet man auch Infos zu konkreten Beratungsmandaten (sofern diese die Einwilligung dazu geben). • Digitalisierung: Kanzleien und ihr Angebot werden immer digitaler. Legal Tech ist ein wichtiges Buzzword in der Branche, aber nur ein Teil dessen, was an Digitalisierungsinitiativen in Kanzleien an vielen Stellen angestossen und umgesetzt wird. Digitalisierung unterstützt den Wissens- und Erfahrungsaustausch in Kanzleien, erleichtert die Arbeit der Teams, schafft Workflows und hebt Effizienzen. Digitalisierung macht Spaß – insbesondere die Arbeit mit neuen Tools, die z. B. stundenlange Rechercheoder Kontrollarbeiten automatisieren oder zumindest erleichtern. Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, dem sei mein Buch „Digitalisierung und Innovation in Kanzleien“ empfohlen, in dem die vielfältigen Themenfacetten der Digitalisierung von Praktikern aus Kanzleien vorgestellt werden. (Schieblon, Claudia, „Digitalisierung und Innovation in Kanzleien“, SpringerGabler, 2022) Die letzten Jahre haben gezeigt: In wirtschaftlich prosperierenden Zeiten, aber auch in schwierigen Jahren wie aktuell gibt es für Kanzleien ausreichend Arbeit – eventuell mit Ausnahme einiger spezieller Beratungsfelder. Juristischen Rat benötigt der Firmengründer ebenso wie das expandierende Unternehmen oder die Firma, die insolvent geht. Kritisch für Kanzleien sind jedoch neue Marktregelungen oder neue Marktteilnehmer. Und der neue Konkurrent: Die künstliche Intelligenz.
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Kanzleimarketing – unentbehrlich für die Geschäftsentwicklung
Die Aktivitäten aus Marketing und anderen Business Service-Einheiten der Kanzleien haben einen entscheidenden Beitrag zu deren immensen Entwicklung geleistet. Sie unterstützen dabei, aus einer Vielzahl an unterschiedlichsten Experten einer Kanzlei (sowohl im juristischen Bereich wie in den Support-Funktionen) ein Team und nach außen eine sichtbare Identität der Kanzlei zu formen und deren Leistungsportfolio nach außen zu kommunizieren. Die Marketingexperten wählen dabei aus der Fülle an möglichen Instrumenten die passenden für die ansonsten eher zurückhaltende Beraterbranche aus. Die Botschaften müssen ankommen bei den unterschiedlichsten Zielgruppen – von Mandanten über Bewerbern bis zu Multiplikatoren und der Presse. Ihre Arbeit erscheint oft leicht, weil die Ergebnisse bisweilen bunt und in einer – auch juristischen Laien verständlichen – Sprache daherkommen. Doch erfolgreiche Marketingaktivitäten entstehen aus der richtigen Mischung an fundiertem Wissen, guter Analyse und kreativen Ideen. Und es ist eine hohe Kunst komplexe Themen verständlich und anschaulich zu vermitteln. Auch wenn mit den Marketingexperten auf der einen und den juristischen und wirtschaftlichen Beratern auf der anderen Seite bisweilen sehr unterschiedliche Persönlichkeitstypen aufeinanderprallen, können gerade in diesen diversen Teams grossartige Initiativen entstehen – sofern sie einander auf Augenhöhe begegnen. Denn ein Jurastudium macht einen Menschen nicht allwissend, sondern in diesem Bereich fachlich kundig – so wie es andere in ihren Fachgebieten sind. Inhaltlich ist die Themenpalette für Kanzleimarketingexperten unglaublich groß – dafür sorgen der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen; diese greifen sie auf und nutzen sie. Zum Beispiel stehen Kanzleien seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine international agierenden Unternehmen in Deutschland zur Seite um diese zu den vielfältigen rechtlichen Aspekten – von der Auswirkung von Sanktionsbestimmungen über Werksschließungen in Russland oder die Anstellung von Schutzsuchenden aus der Ukraine – zu beraten. Doch wie kommen diese juristischen Beratungsangebote an die richtigen Zielgruppen? Ja, Marketing ist schon lange kein „Nice-To-Have“ für eine Kanzlei, sondern unabdingbarer Bestandteil der Geschäftsführung und -entwicklung. Ohne die Aktivitäten im Bereich Marketing, PR und Business Development kann heute keine Kanzlei auf Dauer erfolgreich im Wettbewerb bestehen.
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Die aktuelle Auflage
Die 5. Auflage von „Marketing in Wirtschaftskanzleien“ bietet einen Überblick über die wichtigsten Marketingthemen, mit denen sich Wirtschaftskanzleien zur Zeit beschäftigen. Kapitel aus früheren Ausgaben wurden aktualisiert und um neun neue Themenkapitel ergänzt. Es war und ist das erste und einzige Handbuch seiner Art, das ausschließlich von Praktikern des Kanzleimarketings verfasst worden ist. Die Autoren sind erfahrene Fach-
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leute aus Anwalts- und Steuerkanzleien sowie multidisziplinären Kanzleien unterschiedlicher Größe und Ausrichtung. Die meisten arbeiten bereits seit vielen Jahren in diesem Markt und haben dabei mehrere Kanzleien kennengelernt. Sie sind Vordenker ihres Metiers, die ihre innovativen Ideen dem speziellen Umfeld, in dem sie arbeiten, anpassen können. Sie haben gelernt wie man in partnerschaftsgeführten Kanzleien Entwicklungen forcieren kann. Damit tragen sie einen wesentlichen Anteil zur Entwicklung des Kanzleimarketings und zum Erfolg ihrer Sozietäten bei. Sie arbeiten in leitenden Positionen – eine sehr arbeitsintensive Aufgabe. Daher bin ich überaus froh, dass sie sich die Zeit genommen haben, ihre Erfahrung und ihr Wissen in ihren Buchkapiteln weiterzugeben. Diese Kultur des Austausches zu Fachthemen pflegen wir auch bei den Treffen des PMN (Professional Management Network), einem Netzwerks für die Leitungsfunktionen in Management und Business Services in Wirtschaftskanzleien, das ich 1999 gegründet habe. Trotz des starken Wettbewerbs im Markt ist die Atmosphäre bei den Veranstaltungen freundschaftlich und der Austausch rege. Wo sonst ist es möglich, berufliche Kontakte zu knüpfen und verschiedene Themen des Kanzleimanagements intensiv zu diskutieren? Ein wertvolles Gut in einem Markt, der in Bewegung ist und sich kontinuierlich entwickelt. Dies ist für alle Beteiligten eine herausfordernde und spannende Aufgabe. Wir hoffen, Sie haben Freude und viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre dieses Buchs. Bleiben wir im Austausch. Geben Sie uns gerne Ihr Feedback und Ihre Anregungen. Die Autoren und ich freuen uns darauf! Düsseldorf, Deutschland
Claudia Schieblon
Inhaltsverzeichnis
1 Kanzleikultur und Branding���������������������������������������������������������������������������� 1 Annegret Kniepert 2 Externe Kommunikation in Anwaltskanzleien������������������������������������������������ 33 Christoph Tillmanns 3 Die Tücken der Pressearbeit ���������������������������������������������������������������������������� 75 Corinna Budras 4 Kanzleiwebseiten������������������������������������������������������������������������������������������������ 83 Julia Wild 5 Interne Kommunikation in Professional Service Firms �������������������������������� 93 Florian Kestler 6 Eventmarketing für Professional Service Firms �������������������������������������������� 111 Susanne Krüger 7 Social Media Marketing������������������������������������������������������������������������������������ 137 Frank Schröder 8 Die „bewegte“ Kanzlei – Videoproduktionen für Anwälte���������������������������� 151 Tim Nesemann 9 Personalmarketing – Praxisbericht aus einer Großkanzlei �������������������������� 163 Claudia Trillig 10 Von der Idee zum Mehrwert – einen Corporate Podcast erstellen��������������� 175 Rita Aouad und Julia Hoh 11 ESG-Marketing in Wirtschaftskanzleien�������������������������������������������������������� 195 Dennis Fromm 12 Business Development und Client Relationship Management���������������������� 209 Christina Krings
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Inhaltsverzeichnis
13 Professionelles Marketing und BD in Kanzleien implementieren���������������� 225 Philip Kovačević 14 Europaweites Marketing und Business Development������������������������������������ 243 Ulrike Johann-Wollbrink 15 Pitching und Pitchprozesse ������������������������������������������������������������������������������ 255 Astrid Altmann Forbes 16 Legal Directories������������������������������������������������������������������������������������������������ 269 Von David Goertz Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Über die Herausgeberin
Claudia Schieblon ist Gründerin und Leiterin des PMN (Professional Management Network), ein 1999 gegründetes Netzwerk von führenden Wirtschaftskanzleien und multidisziplinären Kanzleien in Deutschland. Es bietet deren Partnern und Fachleuten aus dem Management und den Business Service Teams Networking, Weiterbildung und Austausch zu aktuellen Fachthemen. Mit den von ihr seit 2009 ausgerufenen PMN Management Awards werden alljährlich innovative Projekte und Persönlichkeiten aus Management und Business Services in Wirtschaftskanzleien ausgezeichnet. Sie ist zudem Herausgeberin des Buchs „Kanzleimanagement in der Praxis“ und „Digitalisierung und Innovation in Kanzleien“ beim Springer Gabler Verlag.
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Kanzleikultur und Branding Annegret Kniepert
1.1 Marke und Unternehmenskultur – eine gemeinsame Betrachtung mit viel Potenzial Das Branding – oder Deutsch: die Markenführung – hat im Kanzleimarkt der letzten zwanzig Jahre eine beachtliche Entwicklung zurückgelegt. Weiterhin muss die Kommunikation von Kanzleien den Anforderungen des Anwaltswesens (und denen der Anwälte1) genügen, aber schon längst sind nicht mehr alle Kanzleibroschüren nur dunkelblau und lesen sich, als seien sie über Wochen von diversen Mitspracheberechtigten „verbessert“ worden. Am Rande der Szenerie tun sich hier und da unterhaltsame Dinge. So sieht man Anzeigenmotive, auf denen Berater in Anglerhosen knietief im Wasser stehend versprechen, immer an der Seite ihrer Mandanten zu sein (ein leichtes Momentum der Übergriffigkeit kann den Betrachtenden ereilen). Oder man entdeckt Clips auf Youtube, die mit Blockbuster-Soundtrack, Welterrettungspathos und großen Emotionen werben und einen mit der Sorge zurücklassen, dass im vermeintlichen Spaß ein Fünkchen ernst gemeinte Selbstwahrnehmung stecken könnte. Diese Beispiele könnte man als Versuche werten, in Terrains der Markenkommunikation hineinzuwachsen, die sich Konsumgüter-Hersteller über die letzten Jahrzehnte mit Wortwitz, Kreativität oder auch einem gewissen Mut zur Dreistigkeit bereits erschlossen haben.
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
A. Kniepert (*) Frankfurt, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_1
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Aber summa summarum: Wir sehen im Anwaltsmarkt die großen Platzhirsche und viele klassische Anbieter, die standesgemäß auftreten. Dazwischen sprießen innovative Newcomer, die sich bemühen, ihr Anderssein auch in der Kommunikation zu transportieren. Die großen Megatrends wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung betreffen irgendwie alle. Und außerdem investieren alle deutlich mehr Zeit in LinkedIn-Kommunikation, als sie das selbst vor nicht allzu langer Zeit für möglich gehalten hätten und vielleicht auch, als ihnen manchmal sinnvoll erscheint. Aber man will andererseits auch lieber nichts Wichtiges verpasst haben. Wer sich – wie vermutlich der größere Teil der heutigen Marketing-Professionals in Kanzleien – schon ausführlicher mit dem Thema Branding beschäftigt hat, kennt die wichtigsten theoretischen Modelle und weiß, was davon für unsere „erklärungsbedürftigen Beratungsprodukte“ passt und was eher nicht. Wenn man Markenführung und Unternehmenskultur2 gedanklich zusammenführen möchte, kommt man trotzdem nicht um eine saubere Begriffsklärung herum, die im nächsten Kapitel für das Thema „Brand“ erfolgt. Das Thema Unternehmenskultur hat ohnehin Hochkonjunktur. Das ist gut so, birgt aber die Gefahr, dass der Begriff alltagssprachlich allerhand meint oder nicht meint, was genau genommen keine Unternehmenskultur ist. Deshalb werden hier in einem weiteren Abschnitt komprimiert Definitionen von Unternehmenskultur mit unterschiedlicher Betrachtungstiefe vorgestellt, aus denen sich jeweils andere Arbeitsmethoden ableiten lassen. Diese reichen von einfacheren Checklisten bis hin zu Analysen mit Potenzial für die Organisationsentwicklung. Wobei: Wer sich den kulturellen Themen mit „Entwicklungspotenzial“ nähert, bekommt es in der Regel auch mit allen üblichen Herausforderungen zu tun, die der Wandel von Organisationen mit sich bringt. Nicht umsonst gibt es in der Unternehmenskulturforschung eine Richtung – die der sogenannten ‚Kulturalisten‘ oder ‚Puristen‘ (vgl. Schreyögg und Koch 2020, S. 606) –, die davon ausgeht, dass sich Kultur grundsätzlich jeder direkten Steuerung entzieht. Dies könnte umso mehr gelten, wenn Kanzleien grundsätzlich durch eigene kulturelle Eigenschaften charakterisiert, sozusagen „naturgemäß“ determiniert sein sollten, was im Folgenden zu klären sein wird. Dies könnte umso mehr gelten, wenn Kanzleikulturen eine eigene ‚Gattung‘ sein sollten und viele ihrer Charakteristika grundsätzlich kaum veränderbar. Aber auch wenn man Kanzleikulturen für gestaltbar hält, dürfte Einverständnis bestehen, dass sich viele Veränderungen nicht durch einfache Anordnung oder eine knackige Headline erreichen lassen. Hier bietet die Forschung über Unternehmenskulturen interessante gedankliche Zugänge, die das eigene Verständnis vertiefen und bei einer Versachlichung von auftauchenden Problemen Hilfestellung bieten können. Im letzten Abschnitt soll es darum gehen, das Zusammenspiel der beiden Themenbereiche näher zu beleuchten. Da die in Kanzleien arbeitenden Menschen und ihr Verhalten einen großen Teil des angebotenen „Produktes“ ausmachen, liegen die Bereiche Branding Innerhalb dieses Kapitels werden die Begriffe Unternehmens- und Kanzleikultur weitgehend sy nonym verwendet. Die Unternehmenskultur-Forschung ist eine eigene, über Jahrzehnte entwickelte wissenschaftliche Disziplin, deren Erkenntnisse ohne weiteres auf Kanzleien als Organisationen angewendet werden können. Wenn es aber spezifischer um Aspekte geht, die Kanzleien und ihre Strukturen prägen, wird der präzisere Terminus der Kanzleikultur verwendet. 2
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und Unternehmenskultur hier per se näher beieinander als in vielen anderen Branchen. Aktuelle soziale Trends – Social Media, Arbeitnehmermarkt, sich verändernde Werte – sorgen für eine zusätzliche Annäherung und Belebung. Für die Markenkommunikation hält der Unternehmenskulturansatz mit etwas Glück eine Fundgrube für Alleinstellungsmerkmale bereit, die – geprüft auf ihren Wert für die Stakeholder des Unternehmens – für Differenzierung, Wiedererkennbarkeit und auch Identifikation sorgen können. Insofern können Kommunikationsbeauftragte durch ihre Arbeit mit den Themen Marke und Unternehmenskultur einen wertvollen Beitrag nicht nur für den Außenauftritt, sondern auch für die organisatorische Integration und Entwicklung von Kanzleien leisten.
1.2 Branding „Too many companies want their brands to reflect some idealised, perfected image of themselves. As a consequence, their brands acquire no texture, no character and no public trust.“ Richard Branson
Im Alltag von Anwaltskanzleien wird das Thema Branding in der Regel als eine Aufgabe des Marketings definiert und insofern häufig vom Business Development und der Unternehmenskommunikation abgegrenzt. In dieser Verortung spiegelt sich ein Verständnis des Markenbegriffes wider, der Gestaltungselemente wie das Corporate Design und die generelle Aufmachung, z. B. als hochwertig, seriös oder visuell konsistent, meint. Innerhalb eines strategischen Marketingansatzes, der die Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf die Bedürfnisse von Mandanten beinhaltet, hat das Branding eine umfassendere Bedeutung. Deshalb werden hier der allgemeine Markenbegriff, die sozialen Dimensionen von Marken und die Besonderheiten der Markenführung im B2B-Bereich thematisiert.
1.2.1 Was macht eine erfolgreiche Marke aus? Die Aufgabe des Brandings ist es, für die Wiedererkennbarkeit von Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen zu sorgen und sie von ihren Wettbewerbern zu differenzieren (vgl. Kotler und Pfoertsch 2006, S. 5). Die Marke funktioniert dabei wie ein Symbol – oder mit den Worten von Kotler wie ein „Short-Cut“ –, hinter dem Informationen zum Nutzen und Wert von Produkten und Dienstleistungen verschlüsselt sind. Sie transportiert diese Informationen in einer verdichteten Form. Zu den Funktionen von Marken gehören die Garantie für Qualität, Herkunft und Leistung eines Produktes oder einer Dienstleistung. Marken erhöhen insofern den wahrgenommenen Nutzen für den Kunden, weil sie die Komplexität und damit das Risiko reduzieren, die mit der Kaufentscheidung einhergehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Marke ihren eigentlichen Wert dadurch erhält, dass sie im Bewusstsein von Käufergruppen verankert wird. Meffert definiert die Marke deshalb auch als „ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung.“ (Meffert 2000,
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S. 846). Der Markenbegriff zielt also weniger auf den Gegenstand, den sie verkörpert, als vielmehr auf die Assoziationen, Vorstellungen, das Image, das die Marke im Kopf des Betrachters zu erzeugen versucht. Kotler und Pfoertsch (2006, S. 5) schreiben: „Eine Marke besetzt eine unterscheidende Position in der Vorstellung des Kunden, die aus früheren Erfahrungen, Assoziationen und Erwartungen besteht, die sich auf die Zukunft richten“.3 Die Position wird dabei auch wesentlich durch das Verhältnis zu den Angeboten von Wettbewerbern, also die relative Stärke und Differenzierung, bestimmt. Die Agentur Interbrand legt der Errechnung ihrer „Best Global Brands“ dementsprechend drei Größen zugrunde. Finanzkennzahlen wie die Ertragserwartung messen die wirtschaftliche Größe der Marke. Im zweiten Schritt wird ermittelt, inwieweit die Marke bei der Kaufentscheidung für den Konsumenten eine größere Rolle gespielt hat als etwa der Preis oder die Produkteigenschaften. Drittens fließt die Stärke der Marke gegenüber direkten Wettbewerbern in die Bewertung ein. Aus dem so errechneten Index wird der monetäre Wert der Marken abgeleitet. Branchenexperten interessiert dabei weniger die absolute Zahl, als vielmehr die Platzierung und die Veränderung zum Vorjahr. Erst der Vergleich lässt den Wert einer einzelnen Marke sichtbar werden. (vgl. Scheppe 2022). Wenn man analog zu diesem erprobten Modell den Wert von Kanzleimarken ermitteln wollte, könnte die wirtschaftliche Stärke z. B. anhand des Gesamtumsatzes oder auch des Umsatzes pro Berufsträger gemessen werden. Die Stärke der Marke im Vergleich zu direkten Wettbewerbern ließe sich als ein Index aus Ranking-Ergebnissen ableiten, wie ihn zum Beispiel Juve oder Chambers anbieten, oder auch durch die Auswertung besonders prestigeträchtiger Mandate. Doch der zweitgenannte Punkt wirft Fragen auf. Hier soll ermittelt werden, inwieweit die Marke bei der Kaufentscheidung eine größere Rolle gespielt hat als etwa der Preis oder die Produkteigenschaften. Bei Konsumgütern wird hierfür das individuelle Käuferverhalten untersucht, was komplex, aber konzeptionell eher unproblematisch ist. Im Rechtsberatungswesen ist das anders. Das ‚Produkt‘ ist zum einen die angebotene Rechtsberatungsleistung. Gleichzeitig ist es aber eng bis untrennbar mit dem anbietenden Berater und seiner persönlichen Beziehung zum Mandanten verbunden. Die Gewichtung von „personal“ und „corporate branding“ ist insofern ein beliebtes und recht komplexes Diskussionsthema. Als ein Beispiel sei erwähnt, wie die Kanzlei Hengeler Mueller auf ihrer Website die eigene Unternehmensgeschichte beschreibt (Hengeler Müller 2023). Hengeler Mueller dürfte im deutschen Markt als eine der stärksten Kanzleimarken gelten und erzielte 2022 mit 946.000 EUR den höchsten Umsatz pro Berufsträger einer deutschen Wirtschaftskanzlei (siehe jährliche erscheinende Juve-Rankings). Nach vier kurzen Sätzen über die Eröffnung einzelner Standorte werden fünfzehn wegweisende Transaktionen genannt: ‚Headline-Mandate‘, die zum Teil wirtschaftliche Entwicklungen mit einleiteten und/oder von weiterreichender wirtschaftspolitischer Bedeutung waren. Und: Das war’s! Mehr ist Erfahrungsgemäß kann es in Kanzleien nicht schaden, diesen Perspektivwechsel weg von der Innensicht hin zur Wahrnehmung eines unternehmensexternen Betrachters allen Beteiligten regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen. 3
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zur Unternehmensgeschichte nicht zu sagen, die Fakten sprechen für sich – es darf angenommen werden, dass dies dem Selbstverständnis und der Markenführung der Sozietät entspricht und umgekehrt, dass derjenige, der die Kanzlei mandatiert, auch genau dieses Selbstverständnis mit einkaufen möchte. Daraus zu schlussfolgern, dass die grundsätzliche Haltung oder dieser ‚Track Record‘ zwingende Voraussetzungen für eine starke Kanzleimarke sind, ist aus Marketingsicht jedoch nicht richtig. Hier gibt es mehr Raum für individuelle Gestaltung, wie sie sich z. B. anhand von Boutique-Modellen und vielversprechenden Neukanzleigründungen belegen lässt, die mit anderen Leistungsversprechen punkten.
1.2.2 It’s a people business: zu den sozialen Aspekten von Kanzleimarken Der soziale Aspekt ist für das Thema Branding in verschiedener Hinsicht relevant. Ein großer Teil des Wertes von Marken liegt z. B. darin, dass weitere Personen eine Kaufentscheidung wahrnehmen und der Käufer sich auf diese Weise sozial definiert. Es stellt sich nun die Frage, wo dieser Aspekt in einem Beratungsbereich wirksam wird, der so stark mit Menschen und ihrer Interaktion verbunden ist. Dominique von Matt (Youtube 2014) spricht in einem Interview von drei Eigenschaften, die erfolgreiche Marken vereinen. Mit Stabilität bezeichnet er dort ein klares Profil und die Definition, wofür die Marke steht (als Beispiel Nike: Die Marke der Sieger). Die Agilität als zweiter Faktor sorgt für die Beweglichkeit, sich in einem wandelnden Wettbewerbsumfeld wichtigen Trends immer wieder anzupassen, sich zu differenzieren und zu überraschen. Drittens spricht er von ‚Stammeszeichen‘ und nennt als Beispiel iPods – „weiße Kopfhörer!“ – die zu einem Symbol für die Gruppenzugehörigkeit (von Apple-Nutzern) wurden. Die Orientierungsfunktion, die Stärke, die die Marke bietet, wird hier auf den Käufer übertragen und wird zu einem sozialen Statement. Diese Idee der sozialen Zugehörigkeit lässt sich sowohl auf die Kanzlei- als auch auf die Arbeitgebermarke von Kanzleien übertragen. In beiden Fällen hat die Wahl für den „Käufer“ (den Mandanten oder Mitarbeiter) Auswirkungen, die auch den sozialen Raum betreffen. Ihm die Entscheidung in diesem Bereich zu erleichtern, sie angenehm und mit Blick auf das Image positiv zu gestalten, ist eine Aufgabe für die soziale Dimension des Brandings, die wie schon beschrieben auch eine wichtige Entsprechung in der Unternehmenskultur hat (Abb. 1.1). Es macht sicher einen Unterschied, ob ein Individuum ein Auto erwirbt oder ein Großunternehmen mithilfe einer Einkaufsabteilung eine komplexe Dienstleistung einkauft. Aber auch Kanzleien besitzen Imagefaktoren, die über den rein faktischen Angebotskatalog hinausgehen. Sie können elitärer, pragmatischer, internationaler, wissenschaftlicher, singularisierter, cooler, innovativer oder agiler sein, Premiummarken oder Preisbrecher sein. Oder eben all dies auch nicht. Und all diese Eigenschaften können Entscheider mehr oder weniger ansprechen und dies nicht nur aus rein technischen, rationalen Erwägungen.
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Abb. 1.1 Erfolgreiche Marken, Eigene Darstellung in Anlehnung an Dominique von Matt (Youtube 2014)
1.2.3 Unternehmerische Kaufentscheidungen Unternehmerische Kaufentscheidungen werden nicht ausschließlich auf der Basis ökonomisch-rationaler Erwägungen getroffen, sondern unterliegen auch „irrationalen“ Einflussfaktoren (vgl. Kotler und Pfoertsch 2006, S. 1). Die Verlagerung von Panelausschreibungen und Rahmenvereinbarungen in die Einkaufsabteilung von Unternehmen sind aus organisationstheoretischer Sicht insofern auch Versuche der Rationalisierung und Objektivierung. Die Praxis zeigt aber, dass diese Prozesse in der Regel nur einen Teil der relevanten Kaufentscheidungen abdecken und wesentliche Teile der Beratungsleistungen doch wieder außerhalb dieser Prozesse vereinbart werden. Zu den eher irrationalen Einflussfaktoren, die auch auf Entscheider in Unternehmen einwirken, gehört z. B. ein Phänomen, das als „soziale Identität“ bezeichnet wird. Die Entscheidung, die ein Käufer für eine Marke trifft oder eben nicht trifft, wird von sozialen Faktoren in einer jeweiligen Situation beeinflusst und bleibt häufig unbewusst. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass das Verhalten von Menschen dadurch bestimmt wird, welchen Gruppen sie sich zugehörig fühlen (oder zugehörig fühlen möchten). Diese Identitäten sind nicht fixiert, sie ändern sich abhängig vom Kontext mitunter sehr schnell: vom Sportfan über den Ehemann zum Umweltschützer (vgl. Champniss et al. 2020). Das Zusammentreffen in verändertem sozialen Kontext – etwa in einer Fußball-Loge – hat nachgewiesenermaßen Auswirkungen auf das individuelle Verhalten und sei es nur in der Form, dass aus einer ausgelegten Auswahl von Zeitschriften eine „coolere“ gewählt wird als in einer Besprechungsraum-Atmosphäre. Oder dass die Personen, die im Moment einer (Ein-
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Abb. 1.2 Brand influcence on buying decision (Kotler und Pfoertsch 2006, S. 33)
kaufs-) Entscheidung anwesend sind, einen Einfluss auf die eigenen, als angemessen wahrgenommen Präferenzen haben können. Insofern kann die Wahl einer bestimmten Marke eine unbewusst sozial absichernde Funktion haben, was auch für die Kaufentscheidungen in Unternehmen Relevanz hat. Die unternehmerische Kaufentscheidung wird in der Regel nicht durch eine Einzelperson getroffen, sondern durch mehrere Menschen, die man zusammengefasst als „Buying Center“ bezeichnet, auch wenn sie formal nicht zu einer Gruppe gehören, sondern an verschiedenen Stellen des einkaufenden Unternehmens tätig sind. Auf dieses Buying Center wirken Einflussfaktoren unterschiedlicher Art, zu denen nicht nur die objektiven Fakten, sondern auch Imagefaktoren und die konkrete Einkaufssituation gehören. Diese Ebenen können jeweils durch die Markenführung eines Anbieters adressiert werden. Wie gezielt dies möglich ist, hängt wesentlich vom Entwicklungsgrad der Marke ab (Abb. 1.2).
1.2.4 Implikationen für das Branding in Professional Service Firms Wir haben gesehen, dass es möglich ist, Analogien zwischen dem Branding im B2B-und B2C-Bereich herzustellen. Konsistenz in der Nutzererfahrung ist etwas, dass das Wesen der Marke ausmacht und das durch das Branding unterstützt und kontinuierlich weiterentwickelt werden muss. Die Art der Verschlüsselung und die Kanäle, die dabei zu berück-
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sichtigen sind, unterscheiden sich allerdings durch das Wesen des B2B-Angebots und der hiermit verbundenen Einkaufsprozesse wesentlich von dem der B2C-Marke. Die wichtigsten Unterschiede werden begründet durch • die Art und Komplexität der industriellen Produkte und Dienstleistungen, • die Produkte, die häufig mit individueller Anpassung sowie Implementierung verbunden sind, • die Marktstruktur, die durch erheblich kleinere Käufergruppen bei gleichzeitig signifikant höheren Kostenvolumina pro Käufer gekennzeichnet ist sowie – und hier liegt einer der wichtigsten Ansatzpunkte für das Branding von Professional Service Firms – • die engeren und wesentlich langfristigeren Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden bzw. Mandanten. Die stärkere Individualisierung des Angebots und die Bedeutung der persönlichen Beziehungen haben auch Auswirkungen auf das Branding von Wirtschaftskanzleien. Zwei wichtige Gestaltungsfelder seien an dieser Stelle genannt: Thought Leadership und Client Relationship Management. Es kann als gesichert gelten, dass breit aufgestellte Mandatsbeziehungen von generellem Nutzen für Kanzleien sind. Untersuchungen belegen (Gardner 2015), dass sich die Profitabilität von Mandatsbeziehungen auf diese Weise überproportional und zum Wohle aller Beteiligten entwickelt. Darüber hinaus werden Wettbewerbsbarrieren errichtet und Beziehungen so vertieft, dass sie weniger von Einzelpersonen abhängig sind. Durch die stärkere Vertrautheit mit der Gesamtkanzlei und durch unterstützende Elemente wie die Preisgestaltung oder „Added Value Services“ wird die Mandantenbindung erhöht und Entscheidungen zugunsten der Unternehmensmarke werden wahrscheinlicher. Insofern scheint es folgerichtig, Cross-Selling und wie es umgesetzt wird, auch als einen wesentlichen Teil der Stärkung der Unternehmensmarke, also des Brandings, zu begreifen. Anwaltskanzleien operieren mit der „Ware“ Wissen, wobei dieses viele Facetten hat (z. B. Fachwissen, Markt- und Branchenwissen, Wissen um erfolgreiche Implementierung oder um die Beeinflussung von Entscheidungen). Das Thought Leadership als eine kompakte Form, dieses Wissen zu repräsentieren, kann im Branding von Professional Services Firms deshalb eine wichtige Rolle einnehmen: die einer Art „Signature“-Kommunikation. Gleichzeitig können die verschiedenen Marketinginstrumente durch Thought Leadership Konzepte wirkungsvoll integriert und gezielt ausgerichtet werden. Ergänzt man das Client Relationship Management als eine gerichtete Form der Mandantenbindung und des Cross Sellings, erhält das Branding für Kanzleien zwei relativ mächtige Wege, um dem strategisch wichtigsten Mandantenkreis sowohl zu vermitteln, „was“ das Unternehmen tut (Thought Leadership) als auch „wie“ es das tut (Client Relationship Management).
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Angesprochen wurde auch das Problem, den Einfluss einer Kanzleimarke auf die Kauf entscheidung messbar zu machen. Als weiterer Zugang wird hierfür die Verwirklichung von Cross-Selling-Potenzialen vorgeschlagen, die einen starken sozialen Bezug haben. Ziel des Cross-Sellings ist es, das Vertrauen, das sich ein Berater (1) erarbeitet hat, als eine Art Vertrauensvorschuss auf eine andere Beraterin oder einen anderen Berater (2) zu übertragen. Das ist die Art von Qualitätsversprechen, die per Definition die Haupteigenschaft starker Marken ist. Steht Berater (1) hingehen nur für sich und seine „personal brand“ werden Abbrüche an dieser Stelle wahrscheinlicher. Je mehr es gelingt, einen „way of“ Kanzlei XY zu etablieren, umso weniger kognitive Dissonanz wird mit der Erweiterung des Beratungsspektrums einhergehen, weil die „Kauf entscheidung“ für Berater (2) mit einer höheren wahrgenommen Vertrautheit einhergeht. Dieses Gefühl von Vertrautheit reduziert die (wahrgenommene) Komplexität – der Entscheider wird sich automatisch sicherer mit seiner Wahl fühlen, wobei das damit einhergehende Qualitätsversprechen selbstverständlich noch eingelöst werden muss. Beim „way of“ Kanzlei XY befinden wir uns schon an der fließenden Grenze zur Unternehmenskultur. Die Markenführung erstreckt sich also in Kanzleien auf Themenbereiche, die über das professionelle Erscheinungsbild deutlich hinausgehen. Gut gemacht, verschlüs selt eine Marke Informationen, die Kaufentscheidungsprozesse erleichtern und unterstüt zen sowie Wettbewerbsvorteile nachhaltig manifestieren. Dafür benötigt es mehr als eine schön gestaltete Oberfläche. Schlussendlich wird so die etwas sachlich-funktional anmu tende Aufgabe des B2B-Brandings erfüllt, wie sie sich in der folgenden Definition (Kotler und Pfoertsch 2006) spiegelt: „Brand management for industrial goods and services represents a unique and effective opportunity for establishing enduring, competitive advantages.“
1.3 Kanzleikultur „This is how we do things around here.“ (Bright und Parkin on Corporate Culture, 1997)
Berufstätige Menschen verbringen viel Zeit in ihrer Arbeitsumgebung, erleben den Alltag gemeinsam mit Kollegen, Vorgesetzten oder eigenen Teammitgliedern und sammeln dabei eine Fülle von positiven und/oder negativen Erfahrungen. Nicht selten kommt der Wunsch auf, sich tiefer mit der Frage auseinanderzusetzen, wieso die Dinge (immer wieder) so sind, wie sie sind. Dieses Interesse und die erwähnte, hohe Aktualität sind auch Gründe dafür, dass der Begriff Unternehmenskultur umgangssprachlich und dadurch häufig auch undifferenziert Verwendung findet. Schon in den 1990er-Jahren notieren Steinmann und Schreyögg (1993, S. 585) in etwas spitzem Ton:
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A. Kniepert „Unternehmenskultur meint nicht reizvolle Innenarchitektur, schönes Produktdesign, Kunst am Bau oder etwa schöne Gemälde in den Büros. Unternehmenskultur meint auch nicht die Einrichtung anspruchsvoller Werksbibliotheken oder die Veranstaltung von Dichterlesungen im werkseigenen Bildungszentrum. Gemeint sind damit schließlich auch nicht personalwirtschaftliche Maßnahmen wie Qualitätszirkel oder Gewinnbeteiligungsmodelle. Das sind alles mögliche Bestandteile von Unternehmenskulturen, es ist aber keineswegs zwingend, dass eine Unternehmenskultur solche Attribute aufweist.“
Wenn es das nun alles nicht ist, was ist es denn dann? Im folgenden Abschnitt wird zunächst der Kulturbegriff näher beleuchtet. Dann geht es um die Möglichkeiten der Typologisierung und die Frage, ob es in Abgrenzung zu anderen Unternehmen so etwas wie eine eigene, besondere Kultur von Kanzleien gibt. Am Ende werden Methoden vorgestellt, mit denen man sich der Untersuchung von Kanzleikulturen nähern kann.
1.3.1 Aktueller Diskurs: die gute Kanzleikultur „Jede Organisation besitzt eine spezifische Unternehmenskultur. Die wenigsten wissen jedoch, wie wichtig diese Kultur für den langfristigen Erfolg des Unternehmens ist. Denn eine positive Organisationskultur stellt sicher, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren. Das Resultat ist eine motivierte und engagierte Belegschaft, die gerne und langfristig im Betrieb arbeitet.“
Dieser Fund aus dem Internet, entnommen der Seite einer Unternehmensberatung, spiegelt ein Verständnis des Kulturbegriffs, das gegenwärtig recht populär ist. Es klingt nach einem einfachen Input-Output-Modell: Man definiert oder untersucht, was eine positive Unternehmenskultur ausmacht, verändert diese und erhält auf der anderen Seite motivierte Mitarbeiter, die das Unternehmen künftig tragen. Das Online-Magazin LTO hat 2021 mehr als 2.000 Associates in den ersten Berufsjahren aus über hundert Kanzleien zu ihrer Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber befragt (LTO 2021). Mehr als zwanzig Fragen aus den Bereichen Karriereperspektiven, Work-Life-Balance, Innovationskraft und Zusammenhalt dienten der Erhebung der dort so definierten Unternehmenskultur. Operationalisiert und gemessen wurde die Kanzleikultur dabei durch vielfältige Indikatoren wie die Aufstiegschancen, den Onboarding-Prozess, die Büroausstattung bis hin zum „Partyfaktor“. Zugrunde liegt auch der Gedanke, dass es Kulturen gibt, in denen es sich (als Associate) universell besser oder schlechter arbeiten lässt und das sich daraus ein Index errechnen lässt, der in dieser Studie unter dem Strich das „beste Gesamtpaket“ ergibt (Tab. 1.1). Die Anlage der Studie ähnelt einer Mitarbeiterbefragung, durch die positiv entwickelte und entwicklungsbedürftige Themenbereiche identifiziert werden können; sie bewertet insofern auch die Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Kultur. Für das Employer Branding können hilfreiche Ansatzpunkte abgeleitet werden und es ist gut, dass diese Art von Erhebungen Impulse für die Weiterentwicklung von Kanzleien geben. Man erhält dadurch jedoch zunächst keine Handhabe für die Ursachenforschung und für geeignete Ansätze der Weiterentwicklung.
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Tab. 1.1 Tabelle: Indikatoren der LTO-Studie Karriereperspektiven & Aufgabenqualität Qualität der Mandate Innovation Aufstiegsmöglichkeiten Internationalität
Interne Kommunikation & Personalentwicklung Onboarding Support durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen Zusammenhalt Verhältnis zur Partnerschaft Mentoring
Zusätzliche Leistungen & Status Zusatzleistungen Büro
Soziale Nachhaltigkeit Work-Life-Balance Wertschätzung Chancengleichzeit Partyfaktor Familienfreundlichkeit Nachhaltigkeit & soziales Engagement
Indikatoren der LTO-Studie
Ein weiterer wichtiger Punkt: Bewertungen wie diese – z. B. die Bedeutung der persönlichen Weiterentwicklung oder auch der Partykultur – sind zeitlichen Veränderungen unterworfen. So hätte die Übersicht für eine „gute Unternehmenskultur“ vor 50 Jahren sicher anders ausgesehen. Checklisten dieser Art sind deshalb auch für die Prüfung geeignet, wie zeitgemäß und der Unternehmensumwelt angepasst, eine spezifische Kultur entwickelt ist.
1.3.2 Umfassendere Zugänge zum Thema Unternehmenskultur Die wissenschaftliche Forschung zum Thema Unternehmenskultur beruht auf der Grund annahme, dass es sich bei Unternehmen – wie es der Name schon sagt – um Kultur systeme handelt. Der Kulturbegriff ist der Ethnologie entliehen und bezeichnet dort die besonderen, historisch gewachsenen Merkmale von Volksgruppen (Kluckhohn und Strodtbeck 1961). Menschen, die den gleichen sozialen Systemen angehören, verbringen Zeit miteinander, teilen Erfahren und treffen Entscheidungen, die über die Zeit betrachtet zur Ausbildung von Strukturen führen. Wir kennen viele Arten von sozialen Systemen, z. B. Familien, Parteien, Religionsgemeinschaften oder Schulen und Universitäten. Je ausgeprägter der Kontakt und je verbindlicher die Mitgliedschaft, desto deutlicher sichtbar entwickeln sich Strukturen und kulturelle Eigenschaften, die neuen Mitgliedern bewusst und unbewusst vermittelt werden. Kultur bezeichnet damit etwas abstrakter formuliert auch die Orientierungsmuster, die jedem sozialen System zugrunde liegen und das Verhalten der Mitglieder teils bewusst, teil unbewusst beeinflussen und die das Bild prägen, das eine Organisation von sich selbst und ihrer Umgebung hat (Schein 1991, S. 24). Der Kulturansatz beschreibt immer ein kollektives, ein soziales Phänomen, das dafür sorgt, dass der Wissensbestand eines Unternehmens angewandt und weitergegeben wird, um das Überleben des Systems bestmöglich zu gewährleisten. Dieser zunächst etwas abstrakte Zugang zum Begriff der Unternehmenskultur ist deshalb wichtig, weil er nicht an der Oberfläche verbleibt. Steinmann und Schreyögg (1993, S. 441) sprechen von einer „latenten Sinnstruktur“, die das Weltbild eines Unternehmens ausmacht. „Sinn“ ist wiederum etwas, das weniger gegenständlich greifbar ist, sondern erschlossen werden muss.
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Die ersten Arbeiten zum Konzept der Kultur im Unternehmenskontext stammen aus den 1930er, 50er- und 60er-Jahren, aber erst in den 80er-Jahren entwickelt sich das Interesse sprunghaft, zunächst in den USA, dann auch in Europa. Auslöser waren wirtschaftliche Probleme, die mit den üblichen Methoden nicht zufriedenstellend gelöst bzw. bearbeitet werden konnten. Der Human Relations Ansatz und die Erkenntnisse der Humanistischen Psychologie hatten die Unternehmenspraxis bis dahin wenig beeinflusst: „Der Mensch war vorwiegend ein ‚Black Box’-Produktionsfaktor geblieben“ (Sackmann 2002, S. 11). Zu den Themenfeldern, die sich durch Anweisung, Hierarchie oder bestehende Organisationsmodelle nicht ausreichend bearbeiten ließen, gehörten und gehören bis heute: • ökonomische Faktoren wie die Globalisierung und damit einhergehende Zusammenschlüsse oder Aufspaltungen von Unternehmen, • sozio-kulturelle Faktoren wie die Veränderung gesellschaftlicher Werte und die demografische Entwicklung sowie • unternehmensinterne Faktoren wie starke Wachstums- oder Krisenphasen sowie Wechsel an der Spitze von Unternehmen. Durch den Unternehmenskultur-Ansatz erhielt „der menschliche Faktor“ einen festen Platz in der Organisations- und Managementlehre. Edward T. Hall entwickelte 1976 im sogenannten Eisberg-Modell die Theorie, dass die Unternehmenskultur aus zwei Bestandteilen bestünde. Den äußeren, direkt beobachtbaren Teil schätzte er dabei auf zehn Prozent, den erheblich größeren Teil von neunzig Prozent, vermutete er als interne und tieferliegende Kultur verborgen unter der Oberfläche (Abb. 1.3).
Abb. 1.3 Das Eisbergmodell
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Abb. 1.4 Kulturebenen und ihr Zusammenhang
Der US-amerikanische Organisationspsychologe Edgar H. Schein differenzierte diese Theorie 1984 (vgl. Schein 2017, S. 14 f.) in einem der bekanntesten theoretischen Modelle für Unternehmenskultur weiter aus, in dem er drei Ebenen beschrieb, die in Wechselwirkung zueinanderstehen. Diese Ebenen zeichnen sich durch einen unterschiedlichen Grad an Bewusstheit und auch Beobachtbarkeit aus. Die beobachtbare Kultur stellt auch hier nur die Oberfläche eines komplexen, zum großen Teil unbewussten Regelwerkes dar, das ein Resultat der Erfahrungen und der Entwicklung ist, die das Unternehmen durchlaufen hat (Abb. 1.4). Anhand dieser Darstellung wird deutlich, warum Checklisten zur Unternehmenskultur sinnvoll für eine Erstanalyse sein können und erste Handlungsoptionen identifizierbar machen, aber ein reines Abarbeiten dieser Listen kein grundlegendes Verständnis schafft.
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Gemeinsam gehen die Modelle und die Forschung davon aus, dass Kulturen aus Erfahrungen entstanden und das Ergebnis eines kollektiven Lernprozesses sind, der mit der Gründung von Unternehmen beginnt und durch die Persönlichkeit der Gründer und wichtige Führungspersonen geprägt wird. Erfahrungen, die in Krisenzeiten gemacht werden (Wo wurden evtl. Fehler gemacht? Wie konnten Probleme gelöst werden?), fließen in das kollektive Wissen ebenso ein wie Erfolge und werden an neue Gruppenmitglieder weitergegeben und oft unbewusst kultiviert.
1.3.3 Typologien Typologien von Unternehmenskulturen können hilfreich für eine erste Einordnung sein. An dieser Stelle stellt sich auch die Frage, ob es sich bei Kanzleien um eine eigene ‚Spezies‘ mit einer besonderen Form der Unternehmenskultur handelt.
1.3.3.1 Kulturtypen Die vielleicht populärste Typologie, die auch für eine Einordnung von Kanzleien herangezogen werden kann, stammt von Deal und Kennedy (1982) und ermittelt vier Felder anhand der Dimensionen Risikobereitschaft und Geschwindigkeit des Feedbacks. Der Erfolg des Modells wird auch darauf zurückgeführt, dass sie „in besonders anschaulicher Weise an den vertrauten Alltagserfahrungen von Organisationsmitgliedern anknüpft“ (Schreyögg und Koch 2020, S. 593). Typologien dieser Art können ein Hilfsmittel für die Einordnung und Systematisierung von Beobachtungen sein und sie erweisen sich als unterhaltsam und gut für ‚Aha-Effekte‘. Es lässt sich festhalten, dass Kanzleikulturen zwar viele Gemeinsamkeiten aufweisen, dass sich aber gleichzeitig doch genug Unterschiede finden, um z. B. die Typologie von Deal und Kennedy anwenden zu können. Sehr stark komprimiert, kann sie in Anlehnung an Schreyögg (ebenda) folgendermaßen dargestellt werden (Abb. 1.5): Die Typologie zeigt auch – und das ist hilfreich – dass es möglich ist, Unternehmenskulturen so zu verdichten, dass sie in einem ersten Analyseschritt besser erklär- und darstellbar werden. Die angesprochenen Aspekte wie die Sprache oder die Art, wie die Umwelt wahrgenommen wird, können dabei hilfreiche Kategorien sein. 1.3.3.2 Die Kanzleikultur als besondere Spezies „Are Law Firms manageable?“ fragt David Maisters in seinem gleichnamigen Artikel, der 2006 im American Lawyer erschien und sehr bekannt geworden ist (Maisters 2006). Im ersten Absatz statuiert er, dass er nach 25 Jahren beratender Tätigkeit bereit sei zu sagen: „Law Firms are different“. Die universellen Eigenschaften, die er im Folgenden aufzählt, lesen sich zum einen nicht gerade wie eine herzliche Einladung, sich wohlzufühlen. Sie beschreiben aber auch etwas, das (wenn man dem Autor folgt) in Abgrenzung zu anderen Unternehmen als universelle Kanzleikultur bezeichnet werden könnte. Diese Eigenschaften sind:
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Abb. 1.5 Vier-Felder-Typologie
• • • •
Probleme mit Vertrauen grundsätzliche Schwierigkeiten mit Ideologie, Werten und Prinzipien berufliche Distanz und ungewöhnliche Herangehensweisen an Entscheidungsfindung
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Beschrieben werden z. B. der ‚Glaube‘ an und die Verteidigung von einem Höchstmaß an Autonomie von Berufsträgern sowie die Beobachtung, dass eine von Grund auf skeptische Geisteshaltung im Verlauf der Ausbildung anerzogen würde und letztlich untrennbar mit der Berufsausübung verbunden sei. Der Autor zitiert seinen Schwager mit den Worten: „I am paid to have a nasty, suspicious mind.“ Wendet man hier das Kulturebenen-Modell von Schein an, sieht man schnell die Bezüge auf tieferliegende Ebenen der grundlegenden Überzeugungen und Basisannahmen. Es sind Glaubenssätze über Umwelt, Wahrheit, das Wesen von Mitarbeitenden oder die wirtschaftliche Wirklichkeit, die – auch durch das Studium geprägt und in Kanzleien im wahrsten Sinn des Wortes kultiviert – von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dies ist – wenn man die Analyse zutreffend findet – ausgesprochen hilfreich, weil ein großer Teil von Erklärungen „warum die Dinge sind, wie sie sind“ damit detailliert hergeleitet werden können. Maisters beschreibt weiterhin, dass nur eine „clients first“-strategy geeignet sei, das Höchstmaß an Autonomie einzelner Partner zum Wohle des Gesamtunternehmens zu beschränken. Er schreibt weiter: „Law firms appear unable to achieve this level of ideological consistency. They will buy into principles – firms can have very high ideals as long as they remain ideals – but they have difficulty with the concept of enforcement. Firms are seemingly willing to adopt strategies and statements of values and mission, but are usually unwilling to specify what the penalty would be for noncompliance. Not surprisingly, that rarely results in effective implementation.“ „There is a reason for this. As a partner in an eminent U.S. firm points out, ‘Lawyers raised in the common-law tradition are trained to have a deep suspicion of overarching principles. The essence of the common-law approach is that decisions are made incrementally, always leaving open the possibility that the next case could be treated completely differently.’“
Was bedeutet dies für die Aufgaben des Brandings? Da die Markenführung nach Alleinstellungs- und Differenzierungsmerkmalen strebt, kann es leicht zu einem Zielkonflikt mit klassischen Kanzleikulturen kommen. Diese sind durch die oben beschriebenen Grundannahmen in gewisser Weise so festgelegt, dass eine Einigung eher auf generische Merkmale erfolgt, die nicht im Konflikt mit den Basisannahmen stehen. Deshalb lesen sich Selbstbeschreibungen von Kanzleien auch häufig recht austauschbar und es scheint einen allgemeinen Kanzleikulturen-Konsens dafür zu geben, dass man führend, fachlich exzellent und dem wirtschaftlichen Zweck entsprechend aufgestellt ist.
1.3.4 Die Unternehmenskultur-Analyse Es kann eine spannende Reise sein, eine Unternehmenskultur tiefergehend zu analysieren. Wie beschrieben, benötigen viele Eigenschaften Beobachtung und Interpretation. Aus Sicht des Brandings geht es um die Suche nach Charakteristika, Geschichten und Allein-
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stellungsmerkmalen, die für die externe Kommunikation geeignet sind. Und es geht auch um das Benennen von Aspekten, bei denen das Unternehmen sich weiterentwickeln könnte, um z. B. die Anforderungen an zeitgemäßes Employer Branding zu erfüllen und Botschaften und Unternehmenswirklichkeit in Einklang zu bringen.
1.3.4.1 Checkliste: Ist die Unternehmenskultur zeitgemäß entwickelt? Die hier gezeigte Checkliste von Palmer (Palmer et al. 2007, S. 55) enthält einen Vorschlag für übergeordnete Kategorien, anhand derer eine erste Einschätzung der Unternehmenskultur vorgenommen werden kann. Sie bietet einen Blick auf das Gesamtunternehmen und arbeitet mit Kategorien, die jeweils eine positive vs. negative Ausprägung kennen, so dass auch die Unternehmenskultur am Ende „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist. Eine weniger auf- bzw. abwertende Alternative könnte es sein, auf diesem Weg zu untersuchen, ob die Unternehmenskultur den Anforderungen der Zeit entsprechend entwickelt ist. Die Checkliste wurde – um der aktuellen Entwicklung Rechnung zu tragen – um die Aspekte Nachhaltigkeit und Diversität ergänzt (Tab. 1.2). Tab. 1.2 Communication Visibility Rewards When things go wrong When things go right Interpersonal relationships Problem-solving Policies and procedures Organization
Attitude Staff turnover Personal development Sustainability/ diversity
Positive (zeitgemäß) Regular and open communication Senior management approachable and open Rewards for appropriate behaviours, celebrate successes Open discussion to identify reasons why, seek to improve process Recognition of the contribution to all involved Open and informal, information sharing, feedback given All invited to contribute Staff empowered to act individually when appropriate Clear process and good communication across functional boundaries Let’s do what we can Very low Seen as an integral to organizational success Seen as an integral to organizational success
Negative (bedarf Weiterentwicklung) Top-down only Closed-door mentality Failure penalized, achieve results at all costs Blame allocation and scapegoating, punish the guilty and innocent Rewards to the few Formation of cliques, rumour and speculation Tablets of stone mentality Followed rigorously irrespective of consequences Strong silo mentality
Let’s s do what we need do High, unable to retain good staff An expense, why invest in staff who may leave An expense, maybe accepted as a theoretical concept but not implemented
Mögliche Checkliste für Unternehmenskulturen (Palmer et al. 2007, S. 55), ergänzt
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1.3.4.2 Teilnehmende Beobachtung Die teilnehmende Beobachtung ist eine Methode der Sozialforschung, für die der Beobachtende in der beobachteten Situation anwesend ist. Besonders gut kann so eine beobachtende Haltung bei Eintritt in eine Organisation eingenommen werden, weil der Blick zu diesem Zeitpunkt noch objektiver und weniger ‚betriebsblind‘ ist. Aber auch zu späteren Zeitpunkten kann es immer wieder gelingen, gedanklich zurückzutreten und einzuordnen, welche kulturellen Besonderheiten sichtbar werden. In einer Publikation zum Thema Unternehmenskultur schreibt Sackmann (2002, S. 34): „Kultur beeinflusst Wahrnehmung, Denken, Handeln und Fühlen“. Diese umfassende Betrachtungsweise zeigt das folgende Schaubild vernetzter Komponenten der Unternehmenskultur. Sie liefert dadurch auch Kategorien, die beobachtet werden können und hilft bei der anschließenden Systematisierung (Abb. 1.6).
Abb. 1.6 Vernetzte Komponenten der Unternehmenskultur
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1.3.4.3 Explorative Interviews, Gespräche und Dokumente Um weitere Informationen zu erschließen, bietet sich die explizite Recherche an. Hierfür können Interviews geführt werden, die z. B. für Mitarbeiterzeitschriften zusätzliche Verwendung finden könnten. Jubiläumszeitschriften oder verschriftliche Unternehmensgeschichten können Zugang zu der Frage ermöglichen, welche Werte in der jeweiligen Kanzlei wichtig sind. Als besonders prägend für die Kultur von Unternehmen haben sich Schlüsselpersonen wie die Gründer oder spätere wichtige Führungspersonen erwiesen: Welche Fähigkeiten zeichne(te)n diese aus? Wie führ(t)en und kommunizier(t)en sie? Welche besonderen Geschichten werden über sie erzählt? Auch einschneidende Entwicklungen wie Krisen, große Erfolge oder Führungswechsel und die ‚Lehren‘, die aus ihnen gezogen wurden, sind Teil der Unternehmenskultur. Informationen wie diese gehören zum individuellen Wissensschatz des Unternehmens, das dieses kultiviert, um seinen Fortbestand zu sichern. Manchmal ist es für Organisationen an der Zeit, frühere Lernerfahrungen neu zu bewerten und sich kulturell weiterzuentwickeln. Um diesen Prozess begleiten zu können, hilft das auf diesem Weg aufgebaute Wissen und Verständnis. 1.3.4.4 Geschichten und Anekdoten Geschichten und Anekdoten, die in Unternehmen kursieren, sind eine wunderbare Schatzkammer, um Kulturen weiter zu entschlüsseln. Dazu lässt sich sagen, dass Geschichten schon lange vor unserer Zeit, vor Blogs und Social-Media-Posts, ein Weg für soziale Gemeinschaften waren, neuen Mitgliedern zu vermitteln, welche Werte innerhalb des Systems von Bedeutung sind. Der Weg, auf dem ein Unternehmen den Wert „Forschergeist“ oder auch „Hands-On-Mentalität“ kultiviert, wird eher nicht über eine sachliche Mitteilung erfolgen, sondern über die Weitererzählung von Geschichten wie dieser: „Bill Hewlett kam an einem Samstag ins Werk und fand zu seinem großen Missfallen das Materiallager verschlossen. Er besorgte sich sofort einen Bolzenschneider und entfernte damit das Vorhängeschloss von der Tür. Er hinterließ einen Zettel, den man am Montagmorgen fand. Auf diesem Zettel stand geschrieben: ‚Diese Tür bitte nie wieder abschließen. Danke. Bill.‘“ (Peters und Waterman 1984, S. 283 f.).
1.4 Verbindung von Marke und Kanzleikultur in der in- und externen Kommunikation „This is a new age of consumerism, one that has evolved into a higher order of brand relation ship and accountability. It is a business world where examples like Enron have resulted in greater consumer mistrust of the information coming from brands and companies. It is a busi ness environment called ecologism – where a brand, a company or its leaders cannot hide behind inaccurate pretenses. The truth about your company will always be discovered.“ „(Kotler und Pfoertsch 2006)“
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1.4.1 Besser im Zusammenspiel: Marke und Unternehmenskultur In der Integrierten Unternehmenskommunikation, die sich in den 1990er-Jahren als Themen- und Forschungsfeld etablierte (vgl. Bruhn und Boenigk 1999), ist die Wechselwirkung von Image- und Stellenanzeigen das klassische Beispiel, um zu zeigen, dass Kommunikationsbotschaften innerhalb eines Unternehmens gut abgestimmt werden müssen. Durch erhöhten Wettbewerbsdruck und die Weiterentwicklung der Medienlandschaft war es schon zu dieser Zeit schwieriger geworden, mit den eigenen Inhalten „durchzudringen“. Deshalb entwickelten Bruhn und Boenigk (1999) einen Managementprozess der Integrierten Kommunikation, „um das Entscheidungsverhalten (eines Käufers, Mandanten oder auch potenziellen Mitarbeiters) durch prägnante, in sich widerspruchsfreie und dadurch glaubwürdigere Kommunikation zu beeinflussen“. (vgl. ebenda, S. 117) Auch im Kanzleimarkt sind in den letzten 20 Jahren der Wettbewerbsdruck und die Menge der Kommunikationsinhalte stark gestiegen. Die Unternehmensfunktion „Kommunikation“ ist in diesem Zeitraum eigentlich erst entstanden. Parallel dazu hat sich der Medienbereich verändert und weiterentwickelt, so z. B. durch die Ausdifferenzierung von Handbüchern und Rankings sowie die Entwicklung der sozialen Medien. Kanzleien stehen nicht nur im Wettbewerb um Mandate, sondern besonders auch um die besten Mitarbeiter und entwickeln infolgedessen analog zur klassischen Markenführung Strategien, um sich als Arbeitgeber von ihren Wettbewerbern abzugrenzen, attraktive Angebote zu entwickeln und die „Kaufentscheidung“ zugunsten des eigenen Unternehmens wahrscheinlicher zu machen. Gleichzeitig wächst eine Generation in die Gruppe der Arbeitnehmer hinein, die Werte wie Freiheit, Freizeit und Kommunikation auf Augenhöhe höher gewichtet, auf jeden Fall aber mutiger adressiert und thematisiert, als dies noch vor zwei Jahrzehnten der Fall war. Wenn Kanzleien nicht Arbeitsumwelten versprechen möchten, die sie nicht einlösen können, muss es eine Rückkopplung zur eigenen Unternehmenskultur geben. Wenn es möglich ist, diese in sonstiger Kommunikation glaubhaft sichtbar zu machen, entsteht der Eindruck von Authentizität und Botschaften werden besser erinnert. Unter dem Titel „Angeben im Büro – Version 2.0“ schreibt etwa Pankoke in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (Pankoke 2022) über neue Statussymbole im Karrierebereich, die sich aus dem gegenständlichen Bereich hinaus in ideelle Wertebereiche wie den persönlichen Freiraum hin verschieben: „Der US-amerikanische Snowboardhersteller Burton legt freie Tage nicht mehr fest – dort entscheidet das Wetter. Hat es viel geschneit, dann bekommen die Angestellten ‚schneefrei‘ und dürfen sich auf der Piste austoben. Auch die Liftpässe dafür spendiert Burton.“ Hier wird über Mitarbeiterbindung oder auch Unternehmenskultur berichtet – dies betrifft das Employer Branding –, aber gleichzeitig eine Geschichte erzählt, die Rückschlüsse auf die Erlebbarkeit der Marke zulässt. Die Unternehmenskultur verhält sich analog zum Lebensgefühl beim Snowboarden als frei, flexibel, unabhängig, lebensfroh und offen. Man nimmt Unternehmenszweck und Unternehmenskultur als stimmig wahr, was wiederum authentisch wirkt und dazu beiträgt, dass man sich die Geschichte merkt.
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In der jüngeren Vergangenheit wird auch mit kritischem Unterton über die Authentizität von Marken diskutiert. So schreibt z. B. Fischer in der Zeitschrift „brand eins“ (Fischer 2023, S. 3): „Die Botschaft, auf die sich die Mehrheit geeinigt zu haben scheint: Wir sind authentisch und nachhaltig. Und neuester Trend, wir fragen die Kundschaft, ob wir sie ansprechen dürfen. Das wird dann unterm Strich so langweilig, wie es klingt.“ Tatsächlich kann die Einbeziehung der Unternehmenskultur in die Markenführung alles andere als langweilig sein, wie das Burton-Beispiel zeigt. Die Unternehmenskultur ist automatisch authentisch (ist „echt“, ist so, wie sie ist) und in ihrer Gesamtkomplexität schlecht kopierbar. Sie kann insofern aus Sicht des Marketings eine hohe Wettbewerbsbarriere sowohl mit Blick auf Mandanten als auch Mitarbeiter sein, in die es sich zu investieren lohnt. Hierfür kann es interessante Ansätze auch dann geben, wenn man Rechtsberatung und nicht Snowboards anbietet. In unserer Zeit rücken durch einen gesellschaftlichen Wertewandel die Fragen, wofür ein Unternehmen steht – nicht nur „was“ es tut, sondern auch „wie“ es das tut – näher zusammen. Der Unternehmenskulturansatz kann hier eine gedankliche Brücke bauen. Es entsteht dadurch großartiges Potenzial, Botschaften zu entwickeln, die alleinstehend und differenzierend sind und wirken. Idealerweise gelingt es, zu erforschen und zu entwickeln, wo das jeweilige Unternehmen besonderes Potenzial für erlebbare und echte, im Sinne von „authentischer“, Eigenständigkeit hat, um sich so von der großen Menge ähnlich auftretender Anbieter abzuheben.
1.4.2 Fließende Grenzen in den sozialen Medien Ein wichtiger Einflussfaktor und Grund dafür, dass sich die Themenfelder Markenführung und Unternehmenskultur näherkommen und Grenzen fließender werden, liegt in der Weiterentwicklung beruflicher sozialer Netzwerke in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten. Soziale Medien mit beruflichem Themenfokus, allen voran LinkedIn, Xing, aber auch Instagram, Facebook oder YouTube führen zu einer Verwischung der vertrauten Grenzen zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt, zwischen privater, unternehmensinterner und -externer sowie öffentlicher Kommunikation. Themen wie soziale Herkunft, Work-Life-Balance, mentale Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit im Berufsund Familienalltag, sexuelle Orientierung, aber auch Kritik (und Lob) an Führungsverhalten und der sozialen Kompetenz von Unternehmen werden in den letzten Jahren in immer öffentlicheren Räumen mit zunehmender Reichweite geteilt. Selbst wenn man unterstellt, dass Mitarbeitende von Kanzleien eher zurückhaltender beim Teilen privater und unternehmensinterner Informationen agieren, verändert die Anwesenheit in den Netzwerken und der dort übliche, offenere Austausch vermutlich dennoch die „Sehgewohnheiten“ und lässt außerdem Unternehmen und damit auch Arbeitgeber im Umgang mit bestimmten Themen vergleichbarer werden. Themen wie Diversity, Queerness oder zuletzt mentale Gesundheit treten aus Ecken der Verschwiegenheit hinaus, verlieren die Behaftung mit Scham, werden „salonfähig“ und dadurch letztendlich zu Aufgaben, mit denen Unternehmen sich beschäftigen müssen. Die
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zeitweise Verschmelzung vieler Unternehmenslogos mit der Pride-Flagge – eigentlich entsprechend einem sozialen Bekenntnis mitten im Markenkern – hat das gut verbildlicht. Schaut man sich die Geschäftsentwicklung von LinkedIn in den vergangenen fünf Jahren an (vgl. Statista 2022) und den Umsatz, der sich 2017 noch auf 2,2 Mrd. US-Dollar belief und bis 2022 auf 14 Mrd. US-Dollar gesteigert wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass der Einfluss sozialer Medien weiter steigen wird. Im gleichen Zuge beobach ten wir eine zunehmende Beschleunigung der Kommunikation und eine geringe „Halbwertszeit“ von Diskursen, was man positiv oder negativ sehen kann. Wir können uns fragen, ob die Diversity-Frage wirklich schon ausreichend bearbeitet ist, nun, wo die Flagge schon wieder anderen Themen weichen musste. Und ob diese Art der Darstellung eher für ein kurzfristiges Bekenntnis steht, das formellere (und langsamere) Wege der Unternehmenskommunikation abgelöst hat, als für ein nachhaltiges Bemühen um Weiterentwicklung. Man kann es aber auch positiv so bewerten, dass eine größere Selbstverständlichkeit Einzug gehalten hat, dass Unternehmen zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen Stellung beziehen dürfen und sollen und Verantwortung tragen. Und dies auch tun können, in dem sie im richtigen Moment „Flagge zeigen“. Der Übergang von der Arbeitgeber- zur Unternehmensmarke ist an dieser Stelle ebenfalls fließend, wie das Beispiel des angepassten Unternehmenslogos in einer medialen Umgebung zeigt, in der Recruitment ein wichtiges Thema ist. Das Gleiche gilt aber auch für individuelle Postings. Lesen wir z. B. den Bericht eines Associates, der sich über seine verantwortliche Mitwirkung an einer Fachveranstaltung oder über die Work-Life- Balance in seinem Berufsalltag freut, führt dies zu Assoziationen sowohl zu seiner Person (der individuellen Karriere), den explizit berichteten Kulturfaktoren (Teilhabe am Erfolg oder Work-Life-Balance) als auch zu impliziten Faktoren der Unternehmenskultur (Offenheit) bis hin zu den fachlichen Schwerpunkten (Unternehmensmarke). Sowohl die Themenauswahl als auch die Art ihrer Darbietung bewirken insofern mindestens assoziative Wechselwirkungen mit der Unternehmensmarke. Dies dürfte für Kanzleien als „people businesses“ und mit ihren starken Überschneidungen von „personal brands“ und Unternehmensmarke in ganz besonderem Maße bedeutsam sein.
1.4.3 Strategische Planung: Plädoyer für eine kultur-kohärente Markenführung Aufgrund der beschriebenen Wechselwirkungen zwischen Corporate-, Personal- und Employer- Branding einerseits und Kanzleikultur andererseits ist es sinnvoll, diese Themenbereiche inhaltlich zu verbinden und bestehende Planungsmodelle ggfs. entsprechend weiterzuentwickeln. Die Abbildung zeigt ein klassisches Modell der strategischen Marketingplanung (Tomczak und Kuß 1998, S. 12), in das ein Modell für das Marketing von Professional Services Firms (Young 2005, S. 182) integriert und um die Schnittstelle zur Unternehmenskultur erweitert wurde.
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Im klassischen Markenansatz wird die Entscheidung für den Marketingmix mit Bezug auf ein Produkt oder Geschäftsfeld auf der Basis vorliegender Informationen über den Markt und eine interne Analyse getroffen. Die interne Analyse meint dabei die eigene Ausstattung mit den verschiedenen erforderlichen Ressourcen. Ausgehend von diesen Informationen werden Entscheidungen zur Marktbearbeitung getroffen, die hier in Anlehnung an Young (2005) für Kanzleien in die Positionierung einzelner Beratungsprodukte (Go to market strategy), den CSR-Ansatz sowie die Markenführung aufgebrochen werden. Bezieht man eine Analyse der Unternehmenskultur mit ein, ergeben sich natürliche Verbindungen zur Arbeitgebermarke, zur Organisationsentwicklung sowie zur in- und externen Kommunikation. Soziale Medien können dabei als eine Art integrierendes Querschnittsmedium fungieren (Abb. 1.7).
Abb. 1.7 Bausteine für kulturkohärente Markenführung
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Die Unternehmenskultur-Analyse hat dabei das Potenzial, wichtige Informationen für die Gestaltung der Marke zu liefern. Dazu gehören z. B. Alleinstellungsmerkmale und kreative Leitideen für deren spätere Gestaltung. Genauso werden sich natürliche Ansatzpunkte für die Organisationsentwicklung (z. B. Abbau von Silogrenzen, Förderung von Teamkultur) und damit auch für die interne Kommunikation ergeben.
1.4.4 Corporate Design als Ausdruck bestehender Unternehmenskultur Als Corporate Design wird das „visuelle Erscheinungsbild eines Unternehmens im Rahmen und zur Unterstützung der von der Corporate Identity vorgegebenen Ziele“ bezeichnet (Gabler Wirtschaftslexikon). Die Zielvorgabe des Brandings bezieht sich dabei auf das Markenbild, das in der Vorstellung von Zielgruppen erzeugt oder unterstützt werden soll. In diesem Zusammenhang schaden Authentizität sowie der Transport von Wertvorstellungen und Kultur nicht. Im Gegenteil: Sie können der Gestaltung einen gewinnenden und persönlichen Anstrich geben. Es ist insofern ein nettes Gedankenspiel, den Begriff der „Corporate Identity“ einmal doppelt zu lesen und ihn zum einen als gestaltete Kommunikation zu verstehen, wie sie „in-line“ durch das Branding entwickelt wird und zum zweiten als tatsächliche Identität, also die gelebte Kultur eines Unternehmens (auch wenn in der wissenschaftlichen Theorie die Ansätze streng getrennt werden). Ergänzend: In gewisser Weise spiegeln Marken auch Wunsch- und Idealbilder wider. Dies soll keine Aufforderung zum „Social Washing“ sein, aber in die Gestaltung, z. B. die Bildsprache, können auch Werte einfließen, an deren voller Verwirklichung noch weiter gearbeitet werden muss. Hat sich eine Kanzlei z. B. das Ziel gesetzt, innerhalb einer Branche künftig für besonders innovative Beratungsansätze zu stehen, kann auch die Fotografie und die Auswahl von Bildmotiven dies widerspiegeln. Gleiches gilt für Themen wie Team orientierung oder die Fähigkeit, komplexe Themen „herunterzubrechen“ – hier könnte man sich z. B. für eine bewusst reduzierte, lineare Bildsprache entscheiden. Neben der Bildsprache gehören zum Corporate Design natürlich das Logo, aber auch Farben, Schriften und Grafiken. Im Unternehmenskulturansatz wird das Corporate Design den „Artefakten“ einer Kultur zugeordnet und befindet sich auf der äußeren, beobachtbaren Ebene. Dass Corporate Design auch ein Stück Kultur ist, erklärt zusätzlich, dass sich die Entscheider in einem Unternehmen zu besonderen Arten der Darstellung hingezogen fühlen (weil sie vertraut sind, weil sie sich „richtig“ anfühlen, weil sie gelernt sind, weil sie dem Selbstbild entsprechen). Dann lohnt es sich, die Sichtweise umzudrehen und zu fragen: „Welchen Entwicklungsweg sollte Ihre Marke nehmen? Mit welchen Botschaften muss sie verbunden werden, damit sie passend für den Weg in die Zukunft ist?“ und sich von dort aus auf die Suche nach passenden Gestaltungsformen zu begeben.
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1.4.5 Storytelling Wie bereits erwähnt, zeichnen sich Kanzleien in ihrer Außendarstellung durch eine gewisse Homogenität aus, auch wenn es in den letzten Jahren bereits viel Professionalisierung und Belebung gegeben hat. Juristische Dienstleistungen sind keine Konsumgüter und richten sich an eine Zielgruppe mit einem spezifischen Informationsinteresse. Deshalb gibt es auch sachlich begründete Grenzen für das, was an kreativer Gestaltung sinnvoll ist. Aber richtig ist auch, dass gleichförmige Darstellungen nicht dazu führen, dass Informationen besonders gut erinnert werden. Der Unternehmenskultur-Ansatz bietet neue kreative Zugänge, die auch mit Blick auf die Kreation und Gestaltung genutzt werden können und die den Vorteil haben, dass sie wirklich zum Unternehmen gehören und insofern authentisch sind.
1.4.5.1 Geschichten und Anekdoten In Abschn. 1.3.4.4 wurde erwähnt, dass jedes Unternehmen über eigene Geschichten und Erzählungen verfügt, die intern weitererzählt werden. Es lohnt sich, darauf zu achten, ob diese Erzählungen passend und geeignet sind, um für die Unternehmenskommunikation genutzt zu werden. Schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt noch einmal die folgende Anekdote an: „Bill Hewlett kam an einem Samstag ins Werk und fand zu seinem großen Missfallen das Materiallager verschlossen. Er besorgte sich sofort einen Bolzenschneider und entfernte damit das Vorhängeschloss von der Tür. Er hinterließ einen Zettel, den man am Montagmorgen fand. Auf diesem Zettel stand geschrieben: „Diese Tür bitte nie wieder abschließen. Danke. Bill.““ (Peters und Waterman 1984, S. 283 f.).
Diese Geschichte könnte mit einem Foto des nachgestellten Notizzettels sowohl auf Social Media als auch in der verschriftlichten Unternehmensgeschichte erzählt werden. Sie könnte in das Onboarding integriert werden, um dann gemeinsam den Materialraum zu besuchen. Neue Mitarbeiter könnten Notizblöcke erhalten, die zum Festhalten der eigenen wichtigsten Arbeitsmaximen gedacht sind. Die Geschichte könnte dabei helfen, einen Claim zu entwickeln, der die dahinterstehende Idee wie Forschergeist und immerwährende Neugier zum Ausdruck bringt. Praktikanten oder junge Mitarbeiter könnten einen persönlichen Bericht verfassen, welche Ideen sie im Materiallager ausprobiert haben und wieso es spannend ist, in einem Unternehmen zu arbeiten, dass dafür Raum gibt. Es wäre interessant herauszufinden, ob es die genannte Art von Materiallager heute überhaupt noch gibt und falls nicht, was an seine Stelle getreten ist und wie sich die Freiheit zum „Tüfteln“ heute ausdrückt. Man sieht an diesem Beispiel außerdem, dass die Geschichte dabei hilft, sich auf eine bestimmte Botschaft zu fokussieren, da genau dieser Transfer ihre ureigene Funktion ist. Und dass sich hierüber Inhalte entwickeln, die „exklusiv“ sind, die nicht jeder hat.
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Es kann vorkommen, dass einem bei gezieltem Nachdenken über die eigenen Unternehmenserzählungen zunächst nichts Passendes einfallen will. Doch plötzlich ertappt man sich dabei, dass man eine überlieferte Anekdote weiterträgt und stellt fest, dass sie einen „wahren Kern“ enthält. Diese Geschichten sollte man notieren, es können sich spannende Ideen für die Markenkommunikation daraus entwickeln.
1.4.5.2 Formen des Erzählens Bevor eine Geschichte für die in- oder externe Kommunikation aufbereitet wird, lohnt die kurze Überprüfung, ob sie sich anders erzählen ließe als rein chronologisch oder nach den z. B. auf Social Media sehr weit verbreiteten Mustern (z. B. sich zu bedanken, dass man heute einen Vortrag halten durfte). Der Journalist Christopher Booker (Booker 2004) ist der Ansicht, dass es insgesamt sieben „Plots“ gibt, in die sich alle Geschichten einordnen lassen, die jemals erzählt wurden. Die „Heldensuche“ ist eines der gerne und oft zitierten Erzählmuster, bei dem das (strategische Unternehmens-)Ziel feststeht, aber der Weg zum Ziel abenteuerlich ist und persönlichen Einsatz erfordert. Dieses Erzählmuster kann für die Lösung eines rechtlichen Problems oder neu entwickelten Beratungsproduktes ebenso angewandt werden, wie etwa für den Fortschrittsbericht der Nachhaltigkeitsgruppe. Der Plot „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ bietet ebenfalls interessante Zugänge, z. B. für Entwicklungsgeschichten von Mitarbeitern, die sich eine Position hart erarbeitet haben oder für die Erzählung über „Außenseiter-Startups“, die es mit ihren Ideen ganz an die Spitze schaffen. Das „Comeback“ ließe sich auf Beratungsprodukte oder -formen anwenden, die eine längere Zeit als gestrig galten und durch Marktinteresse eine Wiederbelebung erfahren. Für das Employer Branding und Geschichten, die sich um Teams oder Einzelpersonen ranken, können diese Erzählmuster besonders hilfreich sein, grundsätzlich sind „Plots“ aber auf allen Ebenen anwendbar: Menschen, Produkte, Unternehmen. Sie machen das Lesen interessanter und führen dadurch dazu, dass die Aufmerksamkeit höher ist und die Inhalte besser erinnert werden. So erzählte Budweiser die Gründung der US-amerikanischen Brauerei Anheuser-Busch im Werbespot „Born the hard way“ (Youtube 2017) als klassische Heldenreise. Gezeigt wird, wie der deutsche Bierbrauer Aldolphus Busch auf der Reise in die Südstaaten der USA Ende des 19. Jahrhunderts mit Fremdenfeindlichkeit, Ablehnung und widrigen Umständen konfrontiert wird. Er bleibt seinem Traum von einer nationalen Biermarke für die Vereinigten Staaten jedoch treu und trifft auf Eberhard Anheuser, der ihn vorurteilsfrei und offen auf ein Bier einlädt. Der Rest ist (Unternehmens-)Geschichte. Budweiser setzte damit wohl eher ungeplant beim SuperBowl 2017 ein Zeichen gegen Rassismus. Die Firma True Fruits ließ ihre Unternehmensgeschichte 2012 als Wimmelbild auf die Sonderedition eines Smoothies drucken. In beiden Beispielen spiegelt sich auch ein Stück Unternehmenskultur, beide zeigen, dass das Teilen von Unternehmensgeschichte keine monotone Angelegenheit sein muss. Die wachsende Bedeutung der Social-Media-Kommunikation verstärkt den Trend, dass es einen steigenden Bedarf an erzählenswerten Geschichten gibt. Im Konsumgüterbereich ist die „Shareability“ bereits ein zunehmend wichtiger Teil der Markenkommunikation
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und wird in Kommunikationskonzepten für Konsumgüter inzwischen von Beginn an mitgedacht. Ziel ist es, Botschaften und Inhalte zu entwickeln, die dafür geeignet sind, geteilt und weiterverbreitet zu werden. Auch dies ist ein Aspekt, der sich auf die Kanzleikommunikation übertragen und künftig noch weiter entwickeln lässt.
1.5 Die Rolle des Marketingmanagers innerhalb der Organisation „Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ (Mark Twain)
Wenn man der These folgen möchte, dass Kanzleikulturen ein eigener Typus, eine Gattung für sich sind, schließt sich die Frage an, wie Marketing- und Kommunikationsverantwortliche mit dieser Erkenntnis umgehen sollen. Wenn so viele Charakteristika ohnehin für alle Kanzleien gelten, ist es dann überhaupt ein realistisches Ziel, für eine eigenständige und zugleich authentische Marke zu sorgen? Eine Marke, die sowohl stabile, agile als auch soziale Anteile hat? Welche Rolle kommt den „Communication Professionals“ an dieser Stelle zu und wie können sie die nötigen Prozesse anstoßen? Welchen Wert hat diese Arbeit abgesehen davon, dass man zum guten Geschichtenerzähler wird? Abschließend folgen ein paar Gedanken zu diesen Fragen, die Marketing- und Kommunikationsverantwortliche in Kanzleien womöglich beschäftigen.
1.5.1 Eigenständigkeit des Markenauftritts durch die Berücksichtigung von Kulturaspekten Da der Wunsch nach (persönlicher) Autonomie und Individualität in Kanzleien so hoch ist, wird das Ziel, einen eigenständigen, unverwechselbaren Außenauftritt zu kreieren, in der Regel schnell verstanden und vereinbart. Damit das Ergebnis auf dem Weg zur Realisierung unter den nötigen Abstimmungsprozessen nicht zu sehr leidet, sollten Kernbotschaften sehr sorgfältig herausgearbeitet und gemeinsam mit den verantwortlichen Partnern beschlossen werden. Dazu gehört ein gemeinsames Verständnis der „Hard Facts“ (der Positionierung der Beratungsfelder) ebenso wie der soziale Aspekt der Marke, der durch die hohe Bedeutung der Human Resources derzeit besonderen Rückenwind hat. Wichtig ist außerdem ein detailliertes Briefing für die mitarbeitenden Agenturen: Es sollte alle Ebenen der Marke und den für die Zukunft angedachten Entwicklungsweg beschreiben. Wenn einmal innerhalb der Kanzlei offiziell vereinbart ist, dass der Weg z. B. lautet, Komplexes einfacher zu machen, hat man gute Argumente für schlanke und leicht verständliche Texte. Gegen eine überladene Bildsprache und stattdessen für eine visuell leicht und gradlinig anmutende Gestaltung. Verantwortliche könnten sich z. B. dazu passend für knappe Briefing-Formate für Mandanten einsetzen. Hilfreich kann es sein, geeignete Maß-
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nahmen direkt im „Set“ zu planen. Mit der Umsetzung eines Paketes von Maßnahmen werden neue Ansätze dann in der Regel auch innerhalb von Kanzleien vertrauter und besser verstanden. In jedem Fall liegt in der Integration von Aspekten der Unternehmenskultur großes Potenzial, Marken so (weiter-)zu entwickeln, dass sie aus der Masse herausstechen.
1.5.2 Integrierte und integrierende Kommunikation: der Weg ist das Ziel Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass Marketingbeauftragte durch die Arbeit mit dem Thema Unternehmenskultur für mehr integrierte Kommunikation sorgen, damit aber auch innerhalb der Kanzlei eine integrierende Funktion haben können. Es leuchtet schnell ein, dass die Botschaften, die mithilfe der Unternehmenskultur entwickelt werden, konsistent mit denen des Employer Brandings und der Kanzleimarke sein sollten. De facto liegen die damit verbundenen Aufgaben jedoch oft in unterschiedlichen Abteilungen und werden womöglich auch von verschiedenen Partnern betreut. Durch das Zusammenbringen der Verantwortlichen kann aus der Arbeit zur Unternehmenskultur ein Prozess entstehen, der hilfreich für die gesamte Organisationsentwicklung ist und Themen wie Befragungen zu Mitarbeiterzufriedenheit, Employer Branding, Personalentwicklung sowie interne und externe Kommunikation enger verbindet.
1.5.3 Unternehmensethik: von den Grenzen gesteuerter Kommunikation bis zu den Reputationsrisiken „verdorbener“ Unternehmenskultur Die Arbeit mit dem Thema Unternehmenskultur hat große Relevanz für den Bereich der Unternehmensführung. Nicht umsonst werden notwendige Veränderungen in diesem Bereich oft als „Chefsache“ bezeichnet. Der Kultur-Vordenker Schein (2017) schreibt dazu: „Kulturveränderung braucht Zeit. Und sie muss top-down erfolgen. Ansonsten wird sie früher oder später im Sande verlaufen.“ Die Unternehmensführung haben in der Regel Personen inne, die die Unternehmenskultur repräsentieren oder sogar entscheidend prägen. Insofern kann die Rolle des Marketingverantwortlichen an dieser Stelle auch sein, für eine stärkere Außensicht zu plädieren und auf „blinde Flecken“ aufmerksam zu machen. Diese Verantwortung reicht bis hin zu reputationsrelevanten Aspekten (als ein Aspekt der Markenführung), die Unternehmenskulturen auch im negativen Sinne haben können. Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal wird z. B. berichtet: „Der VW-Konzern muss nach Ansicht von Thompson (Anm.: gemeint ist ‚US-Aufpasser‘ Larry Thompson) an seiner Unternehmenskultur arbeiten, um künftig völlig integer und gesetzeskonform zu sein. „Bei Volkswagen gab es bei einigen Mitarbeitern eine verdorbene Unternehmenskultur. Sie war nicht von Offenheit und Ehrlichkeit geprägt“, sagte Thompson der Zeitung.“ (manager magazin, 2017)
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Wir kennen ähnlich geartete Fälle mit hohen Reputationsrisiken auch aus dem Legal Market, z. B. im Zusammenhang mit dem Thema „Cum-Ex“. Aus Sicht der Kulturforschung hat hier auch ein negativer Effekt starker Unternehmenskulturen „gegriffen“, der zu einer Tendenz der Abschließung und Verdrängung von Kritik und Warnsignalen führen kann. Eine weitere Frage mit ethischer Konnotation: Wo liegen eigentlich die Grenzen gesteuerter Kommunikation, z. B. im Bereich Social Media? Bis zu welchem Punkt ist es richtig, Mitarbeiter als Markenbotschafter zu verstehen? Ist es inspirierend oder kann es ab einem bestimmten Punkt auch instrumentalisierend sein oder wirken? Eine Orientierungshilfe kann es sein, die Unterscheidbarkeit zwischen „gemachter“ (z. B. einem Interview mit einem Praktikanten) und individueller Kommunikation (einem persönlichen Post des Praktikanten) nicht weiter aufzuweichen und Versuche zu unterlassen, zu sehr auf die individuelle Kommunikationsebene Einfluss zu nehmen.
1.5.4 Kulturwandel Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass bei der Beschäftigung mit einer spezifischen Unternehmenskultur auch Felder sichtbar werden, die entwicklungsbedürftig scheinen. In der Regel sind diese Themen innerhalb der Kanzlei ohnehin bekannt, mit der Analyse tritt nur der „systemische“ Charakter deutlicher in den Vordergrund. Naturgemäß sind Veränderungsprozesse auf der Ebene von Glaubenssätzen (der Ebene, die im Modell nach Schein im Bereich des Unbewussten liegt) nicht einfach anzustoßen. Ein wichtiger Einflussfaktor sind sich verändernde Umweltbedingungen – aktuell besonders relevant dürften die im Wandel begriffenen Wertvorstellungen der umkämpften potenziellen Mitarbeiter sein. Die Arbeit an der Gestaltung der Marke, des Außenauftritts mag wie eine Oberflächlichkeit erscheinen, aber sie könnte auch ein Bild für eine erreichbare Zielvorstellung liefern, sozusagen „work in progress“. Alle im Marketingbereich von Kanzleien Tätigen seien ermutigt, unter die Oberflächen zu schauen, kreative Ideen zu entwickeln und eine besondere Form von Unternehmenskultur bei der Weiterentwicklung zu begleiten. David Maisters These lautet in diesem Zusammenhang übrigens, dass das bestehende Kulturmodell zum ersten Mal grundlegend in Fragen gestellt werden wird, wenn sich eine Kanzlei traut, einen wirklichen neuen Weg einzuschlagen und damit erfolgreich ist. Wir dürfen gespannt bleiben.
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Annegret Kniepert ist als Leiterin Marketing und Unternehmenskommunikation bei Flick Gocke Schaumburg tätig. Sie wurde 2020 mit dem Aufbau der Abteilung sowie einem umfassenden Rebranding der Sozietät betraut. Sie berät das Management und die Partnerschaft in den Bereichen Positionierung, Markenentwicklung und Kommunikationsstrategie. Annegret Kniepert verfügt über zwanzig Jahre Berufserfahrung im Kanzleimarkt. Sie war in dieser Zeit in unterschiedlichen Positionen in den internationalen Sozietäten Clifford Chance und Allen & Overy tätig. Zu ihren Aufgaben gehörte die Verantwortung für das Branding, in- und externe Unternehmenskommunikation, die Einführung und Entwicklung von Client Relationship Management- sowie Geschäftsentwicklungsprogrammen, die Einführung von CRM-Softwarelösungen, die Konzeption großer Veranstaltungen sowie von strategischen CSR- und Kultursponsoringprogrammen. Außerdem war sie mehrere Jahre als freiberufliche Beraterin tätig und begleitete Unternehmen insbesondere in der Phase der Gründung bei der strategischen Positionierung. Annegret Kniepert hat Betriebswirtschaftslehre und Publizistik an der Freien Universität Berlin studiert und ein Executive Education Programm an der Said Business School in Oxford absolviert.
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Externe Kommunikation in Anwaltskanzleien Christoph Tillmanns
Zum Verständnis vorab Die Anwaltsbranche ist ein berufsrechtlich privilegierter, aber seit jeher auch besonders stark regulierter Sektor. Werbung in jeder Form war hier lange verboten. Kein Wunder daher, dass auch Marketing – und damit als Teilbereich die externe Kommunikation – in Anwaltskanzleien hundert Jahre später angekommen ist als in anderen Unternehmen. Für viele Anwälte1 fühlt sich das bei aller inzwischen erreichten Routine bis heute so an, als hätte man sich die permanente Revolution ins Haus geholt. Da sagen ihnen nun andere (Marketing-)Professionals: „Wir schauen uns künftig gemeinsam alles an, was Ihr da im stillen Mandats-Kämmerlein macht, und helfen Euch, es besser zu organisieren, zu be preisen, zu erklären und zu vermarkten. Dabei räumen wir Euer Fachchinesisch auf und zeigen Euch, wie Ihr überzeugend auf Mandanten, Medien, junge Talente und die eigenen Mitarbeiter zugehen könnt.“ Meine Arbeit kritisch begleiten und auch noch mit der anderer vergleichen? Ein Affront für freiheitsliebende und selbstbewusst konkurrierende Rechtsanwälte! Vor allem, wenn es dabei auch noch um professionelle Kommunikation geht – als ob ausgerechnet sprachlich Anwälten jemand das Wasser reichen könnte! Hat man nicht auch bisher seine Mandanten und Mandate selbst gewonnen, Gerichte und Gegner intellektuell bezwungen, junge Kollegen rekrutiert und auch das Sekretariat nachbesetzt? Eben. Und nebenbei noch als Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnung gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
C. Tillmanns (*) Köln, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_2
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Partnerschaft eine eigene gemeinsame Sozietäts-„Kultur“ entwickelt, eine Art Inner Circle, den Nicht-Juristen weder verstehen, geschweige denn bereichern können. Aus diesen berufstypischen Erwägungen ist Legal Marketing bis heute für viele Anwälte eine „alien matter“ geblieben. „Lawyers became lawyers because they did not want to deal with marketing“, wie ein Partner einer großen Sozietät treffend und nicht ohne Selbstironie feststellte. Einer der Hauptgründe: Sich als Anwalt Marketing und Kommunikation zu öffnen bedeutet (auch), internes Konkurrenzdenken zurückzustellen und sich transparent, also mit anderen vergleichbar zu machen. Entsprechend haben auch Marketing- und Kommunikations-Professionals erkannt, dass ihre Arbeit in Anwaltskanzleien etwas anders auszusehen hat als in anderen Wirtschaftsunternehmen: „Law firms are different“, so brachte der legendäre US-Kanzleiconsultant David Maister diese Tatsache aus Beratersicht lakonisch auf den Punkt. Inzwischen haben Kanzleien und Anwälte Legal Marketing mit all seinen modernen Facetten – siehe dieses Handbuch – wenn nicht in ihr Herz, so doch immerhin ins Haus gelassen. Der einfache Grund: Die Anwaltsbranche wie ihr Marktumfeld treibt seit langem dauernde Disruption um und an: Man denke an globalisiertes Geschäft und scharfen Wettbewerb, fehlende Bewerber und wachsende Diversität, digitale Plattformen und Prozesse, Marktregulierung und Compliancerisiken, Finanz- und Klimakrisen, Dealwellen und Massenverfahren. Als ob das nicht genug wäre, muss sich die Anwaltschaft seit langem auch noch regelmäßig von Branchenbeobachtern bewerten und in Rankings klassi fizieren lassen! Die Anwaltsbranche hat diese Herausforderungen angenommen. Kanzleien haben verstanden, dass sie sich in der Welt digitaler Medien, Netze und Plattformen kommunikati ons- und damit handlungsfähig zeigen müssen, um den rasanten Wandel zu meistern. Als Kanzlei öffentlich zu schweigen und die digitale Medienvielfalt zu meiden, wird nicht als noble Zurückhaltung gewürdigt, sondern als schnöde Verweigerung missbilligt. Nicht kommunizieren geht halt nicht, wie wir spätestens seit dem Bonmot des Kommunikationspapstes Paul Watzlawick erkennen müssen. Also müssen sich auch Anwälte selbst in die Pflicht nehmen und berufstypische Hemmnisse fürs Marketing hintanstellen. Dabei ist externe Kommunikation, im Umkehrschluss des Watzlawick-Credos, vielleicht nicht alles. Aber ohne bewusste Kommunikation ist alles – höchstens die Hälfte wert. Das folgende Kapitel erläutert, wie die externe Kommunikation die Reputations- und Marketingziele von Anwaltssozietäten bestmöglich unterstützen kann, welche spezi fischen Herausforderungen der Anwaltsbranche dabei für Kommunikatoren zu meistern sind und welche Aufstellung und Instrumente der Kanzlei-PR Erfolg versprechen.
2.1 Was ist und wozu dient externe Kommunikation in Kanzleien? Kanzleien sind anders. Wir holen etwas aus und klären im Überblick, was Kanzleien so anders macht und was daher auch externe Kommunikation in Anwaltskanzleien anders machen muss.
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Anwaltsmarketing (oder Legal Marketing) unterstützt Kanzleien und Anwälte vor allem bei der effizienten Gestaltung, Bepreisung und Platzierung ihrer anwaltlichen Rechtsberatung und damit der Erreichung ihrer strategischen und geschäftlichen Ziele. Diese Kanzleiziele – und damit auch das Kanzleimarketing – umfassen im „people business“ Anwaltsbranche – und speziell bei wirtschaftsberatenden Kanzleien – mehr als prestigeträchtige und profitable Mandate zu gewinnen. Genauso wichtig sind, sowohl für Kanzleien als Organisation wie für die individuellen Berater, ihre Bekanntheit und ihr Ansehen, sprich: Reputation, sowie ihr Vertrauensüberschuss oder Goodwill im Markt. Das Marken- und Reputationsprofil von Anwaltskanzleien muss also ein doppeltes sein: zum einen die exzellente, vertrauenswürdige Beratungsfirma, zum anderen ihre gleichermaßen exzellenten, vertrauenswürdigen Beraterpersönlichkeiten. Die Anwälte prägen und leben das gemeinsame Qualitäts- und Teambewusstsein, die „Kultur“ ihrer Sozietät, und die Sozietät repräsentiert umgekehrt die geballte Qualität und gemeinsame Kultur dieser Phalanx individueller Anwaltspersönlichkeiten. Dieses doppelte Reputationsprofil den Märkten, Medien und der Öffentlichkeit zu vermitteln, bestimmt maßgeblich den Erfolg von Kanzleien, ob in der Mandatsakquise oder bei der eminent wichtigen Gewinnung von juristischen Nachwuchstalenten im Recruitment. Wichtiger und eigenständiger Teil des Kanzleimarketings ist daher die externe Kommunikation (im Sinne von Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, auch Public Relations oder PR). Sie umfasst das Produkt Rechtsberatung, aber außerdem und mit besonderem Augenmerk auch das Unternehmen Kanzlei und die dort tätigen Rechtsanwälte. Dabei agiert Kommunikation natürlich eng abgestimmt im Rahmen des Marketing-Gesamtkonzepts. Doch sie geht auf eigenständige Art und Weise vor, um erfolgreich sein zu können. Erfolgsnachweis im allgemeinen Marketing sind messbare Zuwächse an Mandaten, Ertrag und Mitarbeitern. Ein entsprechend werbliches Auftreten wird hier im Markt daher erwartet und (sofern originell und stilvoll) akzeptiert. Der Erfolg der externen Kommunikation hingegen zeigt sich vor allem in den immateriellen und kaum messbaren Werten Markenprofil und Goodwill – also Bekanntheit und Reputation der Kanzlei, ihrer Anwälte und deren Beratung. PR-Arbeit und Kommunikatoren wirken daher in ihrem Auftreten wie in ihren Texten und Informationsangeboten gegenüber Journalisten und Öffentlichkeit nicht als werbender Verkäufer, sondern als zugänglicher, ebenso sachlicher wie sachkundiger Vermittler. Weitere vertrauensbildende Eigenschaften der Produkt- und Unternehmenskommunikation für Kanzleien sind Fakten- und Themenfokussierung, analytische Schärfe, Klarheit im Ausdruck, Transparenz, Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit. Hinzu kommen bei Kommunikatoren erwünschte persönliche Qualitäten wie Sprach- und Textbeherrschung, sicheres, höfliches Auftreten, Empathie und Resilienz, sprich: Konflikt- und Kritikfähigkeit. Ein wesentlicher Teil der externen Kommunikation von Kanzleien wird zwar von Kommunikatoren angestoßen und vorbereitet, aber naturgemäß – aufgrund ihrer Doppelfunktion als Rechtsexperte und Kanzlei-Manager – durch die Anwälte persönlich gegenüber externen Kontakten vollzogen. Daher gelten besagte Qualitäten von Kommunikatoren und
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externer Kommunikation auch für die Anwälte selbst – ein Grund, warum geschäftsführende Partner in ihren Kommunikationsfähigkeiten durch ein Medientraining gestärkt sein sollten. Hier wird ein weiterer Punkt deutlich, den Anwälte an der externen Kommunikation gelegentlich als Zumutung empfinden: Sie lässt sich nicht wegdelegieren, ist stets (auch) Chefsache und kann im Gegenteil nur in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit der Legal und der Communications Professionals gelingen. Merke: Je näher dran am Management die Kommunikatoren agieren, umso besser für beide. In einem weiteren wichtigen Aspekt unterscheidet sich Kanzleikommunikation vom allgemeinen Marketing: Sie funktioniert nur im Dialog. Kommunikatoren zeigen und senden nicht nur die Botschaften der Kanzlei, sondern laden nach innen wie außen zu Rückmeldung ein und sind auf Austausch eingestellt. Auch das stärkt die Nahbarkeit, Transparenz und damit Vertrauenswürdigkeit von externer Kommunikation. Im Marketing wird diese positive Vertrauensbildung und Bindungswirkung von Kommunikation zunehmend gesehen und in gezielter Interaktion mit den Zielgruppen genutzt. Daher greifen vor allem im digitalen Netz Marketing und Kommunikation immer stärker ineinander. Anders als das Marketing, dessen Erfolg sich in der Sichtbarkeit seiner Aktivitäten zeigt, gleicht die Kanzleikommunikation oft eher einem Eisberg: Viel wichtige Arbeit bleibt unsichtbar unter der Oberfläche, weil sie im Hintergrund stattfindet. Der Erfolg guter Kommunikation kann manchmal darin bestehen, dass die Kanzlei nicht in den Medien auftaucht – wenn der Anlass ein negativer wäre. Wir sprechen hier über die immer häufiger bedienten Empörungsmechanismen moderner digitaler Medien. In diesem Klima können Wirtschaftsunternehmen und auch ihre beratenden Kanzleien schnell an den medialen Pranger geraten – sei es wegen Restrukturierungen, Cyberattacken, Compliance- Vorwürfen an die Chefetage, Kartell- oder Ermittlungsverfahren, nicht erreichter Klimaoder Diversitätsziele oder heikler Lieferkettenthemen. In Krisenfällen dieser und anderer Art trägt der Kommunikator in enger Abstimmung mit Führung und interner Kommunikation der Kanzlei extern zur Entschärfung und Aufklärung bei. Im Idealfall können Kommunikatoren in solchen Situationen mit ihrer Besonnenheit, effizienten Informationsanalyse und Kommunikationsstärke als wichtige Strippenzieher im Hintergrund erreichen, dass aus einem drohenden Empörungsfall ein Nichtereignis wird. Auch das ist erfolgreiche, wenn auch unsichtbare externe Kommunikation. Der einleitende Überblick lässt bereits erkennen, dass professionelle externe Kommu nikation für Kanzleien zwar ein qualitätshaltiges personelles Engagement voraussetzt, im Übrigen jedoch keine ausufernden Kosten verursacht. Neben den üblichen Medienabonnements und Instrumenten zum Medienmonitoring (print und online) be nötigt man eine Journalistendatenbank, eine Plattform zum Medienversand sowie ein Redaktions- und Planungstool für die regelmäßige Bespielung von Social Media. Linkedin, Twitter, Instagram & Co sind auch für Anwaltskanzleien relevant geworden und bilden einen wachsenden Kostenblock. Hier setzt externe Kommunikation zunehmend Marketingelemente ein. Diese Videos, Podcasts und visuell attraktive Posts verursachen
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aufgrund ihres technischen und grafischen Aufwands weitere, jedoch sinnvolle Kosten für Equipment und entsprechend geschultes Personal. In den folgenden Abschnitten wird klarer, wie externe Kommunikation in Kanzleien diese Herausforderungen meistert und ihre Ziele erreicht – wie sie aufgestellt sein sollte und welche Instrumente sie nutzen kann.
2.1.1 „Law firms are different“ – Kanzleien und externe Kommunikation Wenn Unternehmen erfolgreich sein wollen, brauchen sie vielerlei: eine Idee, was gebraucht wird; ein Produkt, das den Bedarf befriedigt; das nötige Wissen und Können, das Produkt zu erstellen; Kunden, die das Produkt kaufen – und eine Strategie, wie man all das zu einem dauerhaft erfolgreichen Geschäft zusammenbringt. Dazu schmiedet man umfangreiche Pläne, etwa wie das Produkt kundengerecht und kostengünstig entwickelt, hergestellt und vertrieben werden soll. Man untersucht, welche Zielgruppen als Käufer in Frage kommen, wo sie zu finden sind und legt den Preis des Produktes fest. Man überlegt, mit welchem Namen, welchen Argumenten, auf welchen Kanälen und mit welchem Aufwand man das Produkt auf den Markt bringen und bei den Zielgruppen bekannt machen möchte. Und das ist erst der Anfang. Als Unternehmen plant man zudem, wie das Produkt weiterentwickelt und an Kundenwünsche angepasst wird. Man stellt einen Produktservice bereit und lädt Kunden mit besonderen Angeboten, Tipps und Netzwerken ein, um mehr Zeit, Aufmerksamkeit und Geld zu investieren. Man plant Wachstum, Finanzen und Personalbedarf und beobachtet den Wettbewerb und die Absatzmärkte. Zudem spricht man mit Verbänden, Politik und Verwaltung, um die eigenen Interessen zu schützen. Für all das gibt es im Unternehmen eine Geschäftsführung, Entscheidungsabläufe und eine mehr oder weniger klare Jobaufteilung unter den verschiedenen Spezialisten, die hier am Werk sind. Für das PR-Team in diesen Unternehmen heißt das: Wir kennen unsere Strategie, unser Produkt, unsere Kunden, unsere Interessen und unsere Wettbewerber. Entsprechend klar können wir planen, was wir da draußen wem wann wie warum mitteilen wollen. Und wir wissen, wen wir einbinden müssen und fragen können, wenn wir so planen. Anwaltskanzleien sind anders. Anwaltskanzleien sind Partnerschaften oder Sozietäten. Sie umfassen viele, oft hunderte hoch qualifizierte Wirtschaftsanwälte, von denen einige durch komplizierte Verträge als Partner am Gewinn der Sozietät beteiligt sind. Jeder dieser Partner ist auf einzelne Rechtsgebiete und Branchen spezialisiert, berät persönlich Mandanten in den ent sprechenden Segmenten und Themen. Jeder entscheidet selbst, auf welche Art, mit welchem Ziel, Gewinn und mit welcher Unterstützung er diese Beratung erbringen will – doch jeder hat auch eigene Ideen von Geschäft und Strategie in seinem Bereich und damit
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auch eigene Vorstellungen für das Fortkommen der gesamten Sozietät. Partner in Anwaltssozietäten sind zugleich deren Anteilseigner, Inhaber, Chefs und Mitarbeiter, sind Top-Manager, Vertriebler, Kundenservice und Personalleiter. Als Rechtsanwälte stehen sie zudem – jeder für sich und oft auch in interner Konkurrenz zueinander – für das gesamte Geschäftsmodell ihrer eigenen Firma: Produzent wie Produkt, Cashcow wie Forscher und Entwickler. Anwaltskanzleien sind also grundlegend anders strukturiert als andere Unternehmen, und deshalb müssen sie auch anders operieren. Für PR-Teams oder Kommunikatoren in Anwaltskanzleien heißt das: Wir kennen und verstehen Strategie, Produkt, Kunden, Interessen und Wettbewerber der Kanzlei nur insoweit, wie wir ihre Partner und Anwälte kennen und verstehen. Die Strategiebildung und ihre externe Kommunikation gleicht einem permanenten Puzzle mit sehr vielen Teilen: Zum einen die juristischen Fachgebiete, Branchenschwerpunkte, Beratungsthemen und -produkte; aber auch die verschiedenen Beratertypen und ihre Teams, ihre Profitabilität, Akquise-Stärke, Innovationskraft, Kooperationsbereitschaft und verfügbaren Nachwuchstalente. Zum anderen gehören dazu die wechselnden Entwicklungen, Bedarfe und Konjunkturen bei den vielfältigen Mandantengruppen. Bei international aufgestellten Kanzleien potenzieren sich diese Teile entsprechend. All diese Faktoren sind in dauernder Veränderung und Entwicklung. Immer neu müssen die Teile zu einem möglichst stimmigen Ganzen zusammengelegt werden und ein Bild ergeben, das im Sinne einer Gesamtstrategie der Kanzlei nach innen und außen kommuniziert werden kann. Die Arbeit an diesem Puzzle Kanzleistrategie ist eine dauernde und essenzielle Aufgabe der geschäfts- und bereichsführenden Partner. Je stärker sich alle Partner einer gemeinsamen Idee und Kultur verpflichtet fühlen, desto leichter gelingt diese dauernde Neujustierung. Der Regelfall ist jedoch komplexer: Wirtschaftsanwälte müssen in der Interaktion und Kommunikation innen wie außen entsprechend ihren multiplen Rollen mit mehreren Hüten jonglieren, und das oft genug gleichzeitig. Dieser Umstand begünstigt per se bereits strategische Unklarheit und diffuse Kommunikationsszenarien. Erschwerend kommt hinzu, dass Anwälte typischerweise als individualistisch und konfliktavers gelten. Partnerschaften sind daher meist um betont egalitäre Entscheidungsstrukturen bemüht – denn Partner untereinander beäugen sich oft misstrauisch als Konkurrenten um Mandanten, Gewinne und Ressourcen ihrer Sozietät. In solchen Kontexten gelingen wichtige Entscheidungen und strategische Weichen stellungen nur als Balanceakt aus Diplomatie und Kompromiss. Sie geraten daher häufig mehr zäh und diffus als kühn und klar – und mit ihnen auch jede Übersetzung in die externe (und interne!) Kommunikation. Als Organisation basieren Anwaltskanzleien zu einem wichtigen Teil auf interner Konkurrenz, nach außen erscheinen sie entsprechend häufig intransparent, anonym, ohne starkes Profil und Ziel. Die aktive, schon bei der Strategiefindung und -bildung kommunikationsgerichtete Unterstützung dieser Managementprozesse durch Marketing und externe Kommunikatoren kann deshalb für den Kanzleierfolg ein hilfreicher Faktor sein.
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Folgende Prämissen für die externe Kommunikation ergeben sich aus den strukturellen Eigenheiten von Anwaltskanzleien: 1. Die Strategiebildung von Kanzleien ist nie abgeschlossen, sondern ein permanenter Prozess aus Entwicklung, Fokussierung, Wettbewerb und Neujustierung der verschiedenen Geschäftsfaktoren und -komponenten zu einem stimmigen Ganzen. Dieser Strategieprozess erfordert bei aller internen Konkurrenz eine stete Abstimmung unter und mit den Partnern. Externe Kommunikation sollte diesen Prozess in zentraler Funktion aktiv und kommunikationsgerichtet begleiten. Dazu ist sie idealerweise sowohl zentral an das Management angebunden als auch dezentral mit den einzelnen Bereichen in Kontakt und Austausch, etwa durch Teilnahme an Jour Fixes, Veranstaltungen oder Off-sites der Bereiche und Teams. 2. Marketing-technisch gesprochen sind die Partner in Anwaltskanzleien als Entscheider und Leistungsträger wertvolle, aber durchaus konkurrierende Einzelmarken unter dem Dach der Kanzleimarke. In der externen Kommunikation muss dieses Markengebilde unbedingt zusammen gedacht und im Einklang positioniert werden. Hyperaktive und -visible, einander ausstechende Einzelpartner und damit die Überbetonung einzelner Geschäftsfelder sind für das Markenbild von Kanzleien ebenso abträglich wie ein gesichtsloses Kollektiv anonymer Berater ohne besondere Schwerpunkte und Themen. 3. Trotz ihres Prozesscharakters muss Kanzleistrategie aus Marketingsicht mehr sein als die Summe funktional wechselnd zusammengelegter Puzzleteile. In Abstimmung mit der Partnerschaft und aktiver Mitgestaltung durch die Kommunikationsexperten muss daraus ein stimmiges Bild einer Organisation mit gemeinsamer Vision, Mission und Kultur entstehen. Dieses Bild sollte dann über einen gewissen Zeitraum im Rahmen der vielfältigen Kommunikationsanlässe und -inhalte konsistent nach außen vermittelt werden, um wirken zu können.
2.1.2 „People buy people first“ – Anwälte und externe Kommunikation Personen machen Wirtschaft, CEOs ihre Konzerne nahbar und nachvollziehbar: Diesen Kunstgriff der PR haben Unternehmen und Medien längst verinnerlicht. Umso wichtiger ist eine visible, profilierte Geschäftsführung mit einem Sprecher. Dieser Sprecher fasst die strategiebildende Arbeit des Gremiums zusammen und übersetzt sie kommunikativ in Richtungsvorgabe, Handlungsschwerpunkte und Motivation. Gerade die vielfach intransparent und anonym wirkenden Anwaltskanzleien könnten sich diesen Effekt zunutze machen und durch persönlich geprägte PR an Profil und Dynamik gewinnen. Der Grundsatz „People buy people first“ („… rather than firms“, wäre zu ergänzen) gilt für die Anwaltsbranche mehr als irgendwo sonst und er zählt für die Überzeugungskraft von Kommunikation genauso wie für den Vertrieb von Anwaltsdienstleistungen. Managing Partner und bereichsleitende Partner in Kanzleien wären sogar
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prädestiniert für eine solche prominente Rolle als Sprecher ihrer Sozietät. Immerhin sind Rechtsanwälte oft starke und sogar charismatische Persönlichkeiten. Als Partner und In haber ihrer Kanzlei treten sie tagtäglich mit Autorität in Erscheinung – als Berater gegenüber Mandanten, Behörden und Gerichten, als Referent auf Veranstaltungen oder intern als Entscheider, Teamleiter und Personalinstanz. Anders als zu vermuten sind gute Anwälte jedoch nicht unbedingt gute Kommunikatoren, und nicht wenige scheuen den öffentlichen Auftritt. Auf diesen überraschenden Umstand muss sich die externe Kommunikation einstellen. Dabei hilft es, sich einige der oben bereits skizzierten berufstypischen Persönlichkeitsmerkmale bewusst zu machen, die in der Anwaltsbranche häufiger anzutreffen sind. Ein Bonmot sagt, dass Anwälte alles können, und alles besser – und dass manche Anwälte das tatsächlich glauben. Konkreter verzeichnet ein kollektives Psychogramm nach Erkenntnissen aus psychologischen Studien: eine erhebliche intellektuelle Ungeduld, wenig Empathievermögen und Begeisterungsfähigkeit und interessanterweise eine gering ausgeprägte Resilienz, sprich: Konflikt- und Kritikfähigkeit. Rechtsanwälte sind zudem nicht nur aus Tradition unabhängigkeitsliebende Freiberufler, sondern auch Skeptiker aus Profession. Sie haben die Kunst perfektioniert, gegnerische Positionen systematisch in Frage zu stellen, rasch deren Schwachpunkte zu finden und sie überzeugend zu widerlegen. Selbst ihren Mitpartnern begegnen Anwälte oft wie Wettbewerbern: mit Misstrauen. Diese berufstypische Skepsis macht auch vor dem hausinternen Team PR und Kommunikation nicht halt. Hier fühlen sich Anwälte nach wie vor besonders unbehaglich und zudem potenziell in einer Kernkompetenz in Frage gestellt. Natürlich wissen auch Anwälte, dass sie nicht alles selbst am besten können. Doch auf nicht-juristischen Gebieten los und sich beraten zu lassen, fällt manchem schwer. Das hieße, den sicheren Hafen der überlegen beherrschten juristischen Domäne zu verlassen und sich in den Austausch auf Augenhöhe mit dem hauseigenen PR-Team und in der Folge zum Beispiel in verständliche Themengespräche mit Journalisten zu begeben. Dieser Schritt, Berater und ihre Themen aus der juristischen in die Laien-Sphäre der Medien zu übersetzen, erfordert Umsicht bei der geeigneten Themenaufbereitung sowie Aufmerksamkeit und Timing im persönlichen Umgang. Neben der professionellen Vorbereitung und Absicherung durch die Kommunikatoren gehört zur erfolgreichen PRArbeit immer auch der substanzielle persönliche Beitrag des betreffenden Anwalts, der sein Thema für das PR-Team und später Medienvertreter zumindest ansatzweise zuspitzen, erklären, sprich: nicht-juristisch vermitteln können muss. Dennoch sind Medienansprachen und -kontakte in Verlauf und Erfolg nicht gänzlich planbar – es kann also vorkommen, dass Themenvorschläge nicht überzeugen, abgelehnt werden oder angefragte Journalisten aus Zeitnot nicht einmal antworten. Für risikoaverse, konfliktscheue und ungeduldige Anwälte sind das schon ein paar Unwägbarkeiten zu viel, die in der Kommunikations- und PR-Arbeit drohen. Drei Ausweichreaktionen beobachten Kommunikatoren dann häufiger: Anwälte wollen geplante PRArbeit mit dem Argument der Zeitknappheit ganz an das PR-Team delegieren („Das ist ja schließlich Ihr Job!“) oder sie bestehen in der Themendarstellung auf der vermeintlich prä-
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ziseren Verwendung ihres Fachjargons und im persönlichen Austausch auf distanziert- monologischen Dozierstil. Die dritte Variante ist: Sie treten die Flucht nach vorn an und fallen in einen (übertriebenen) Eigenmarketingmodus („Das ist doch der Sinn von Marketing, oder?“). All das, statt einfach aufmerksam, sachlich und pointiert beim eigenen Thema, offen für Nachfragen und für Kritik des Gegenüber zu bleiben. Kurz: Anwälten fällt es oft schwer, sich und ihre Themen aus der unangreifbaren Überlegenheit der juristischen Perspektive herauszubewegen und im Dialog mit nicht- juristischen Gesprächspartnern mit Leben zu erfüllen. In der externen Kommunikation erscheinen manche daher überheblich, überkompliziert oder übervorsichtig – und damit sicher nicht so, wie man als Berater gerne bei Mandanten in Erinnerung bleiben möchte: pragmatisch, verständlich, vertrauenswürdig. Erschwerend für die PR-Arbeit in Kanzleien kommt hinzu, dass sich Anwälte bei der Übernahme von internen Leitungsfunktionen meist nicht für die damit verbundenen Kommunikationsaspekte interessieren. Auch ein intensives Medientraining gehört längst nicht überall zum internen Standard. Entsprechend unvorbereitet ist mancher angehende Managing Partner oder Bereichsleiter. Da solche leitenden Partnerfunktionen in Kanzleien in der Regel nur auf Zeit vergeben werden, sind kommunikative Verlegenheiten nicht eben selten. Als Resultat versuchen Führungspartner in Kanzleien gelegentlich wichtige Kommunikationssituationen zu vermeiden und auszusitzen, oder ihre Kernbotschaften zu Strategiezielen oder Motivation kommen durch ungeschicktes Auftreten nicht oder falsch an. So erstaunlich das klingt: Von der Vielzahl hochkompetenter, sprachgewandter und charismatischer Profiberater in Anwaltskanzleien ist in aller Regel nur eine Minderheit berufen, geeignet oder motiviert, bei der externen Kommunikation voranzugehen und ihre Sozietät und Themen der medialen Öffentlichkeit nahe zu bringen. Folgende Prämissen für die externe Kommunikation in Kanzleien ergeben sich aus den typischen Persönlichkeitsmerkmalen von Anwälten: 1. Anwaltskanzleien sollten aus der unvermeidlichen Heterogenität ihrer Struktu ren und Persönlichkeiten in der externen Kommunikation eine Tugend machen. Die Kanzlei wird vor allem durch die Vielfalt ihrer Anwälte und deren Themen, Produkte und Beraterpersönlichkeiten nach außen kommuniziert. Anwaltskanzleien haben und zeigen so genau die Klasse, die ihre wichtigsten Assets mitbringen: Im Mittelpunkt aller Kommunikations-Aktivitäten stehen die Beraterteams, -persönlichkeiten und Erfolge. Vermittelt werden in der externen Kommunikation, direkt oder indirekt, Aspekte wie fachliche Exzellenz und Praxisfokus, Souveränität und Integrität als Berater, sozia les Engagement und Teamgeist und, last but not least, persönliche Kreativität und Diversität. 2. Diese gesamte Vielfalt der Themen und Personen in der externen Kommunikation muss stets rückbezogen sein auf eine gemeinsame Strategie und Unternehmens kultur – also auf eine klar definierte Dachmarke. Im Klartext: Die interne Konkurrenz der Partner darf nicht als externe Konkurrenz der Einzelmarken wirksam werden. Nur
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dann wird die Dachmarke Sozietät durch das persönliche Profil ihrer verschiedenen Berater-Einzelmarken konkret, gewinnt Dynamik und Farbe. Umgekehrt erhalten dann auch die Einzelmarken in ihrem Auftritt als Teil der größeren Dachmarke Relevanz und Reichweite. Dieses doppelgleisige Vorgehen erfordert viel Disziplin bei der Fokussierung von Personen und Themen in Marketing und Kommunikation. Der Grundsatz lautet hier: Alle Anwalts-Einzelmarken und ihre Aktivitäten zahlen auf die Dachmarke Kanzlei ein. 3 . In einer Anwaltskanzlei übernehmen die Eigentümer und Berater bei der ex ternen Kommunikation eine viel ausgeprägtere Rolle als in anderen Unternehmen – sowohl für die Berater-Einzelmarken und ihrer Themen als auch für die Dachmarke der Sozietät. Viele Anwälte sind aufgrund berufstypischer Merkmale oder mangels individueller Schulung nur selten ohne weiteres geeignet und geneigt, diese Aufgabe mit Überzeugung auszufüllen. Das Kommunikationsteam sollte daher bei allen PR- Aktivitäten bei der Auswahl geeigneter Themen und Personen aktiv mitwirken. Dazu werden die tätigen Anwälte nicht nur logistisch unterstützt, sondern bei Bedarf auch in angemessener und sensibler Weise persönlich coachend begleitet. Für eine optimale Vorbereitung auf wichtige Medientermine sollten Kommunikatoren stets ins Auge fassen, Anwälten zusätzlich entsprechende Trainings anzubieten.
2.1.3 Was ist ein Nichtjurist? – Rechtsberatung und externe Kommunikation Aus Marketingsicht ist Rechtsberatung ein höchst differenziertes und oft exklusives, aber auch abstraktes und intransparentes Produkt. Anwaltskanzleien als Organisation wie Rechtsanwälte in ihrer Typologie stellen die externe Kommunikation bereits vor spezi fische Herausforderungen, die man als PR-Spezialist kennen und beachten sollte. Das Gleiche gilt für das eigentliche Produkt der Kanzlei- und Anwaltstätigkeit: die Rechts beratung. In ihrer herkömmlichen (und honorarintensiveren) Form ist Rechtsberatung eine von Spezialisten höchstpersönlich, vertraulich und für den Einzelfall erbrachte Dienst leistung. Sie ist damit, überflüssig zu sagen, kein hergestelltes oder herstellbares Produkt im üblichen Sinn. Zwar sind heute – im Zeitalter automatisierter Rechtsplattformen, massendatentaug licher Legal Tech-Instrumente und prozessoptimierter Paketlösungen zu Compliance oder Nachhaltigkeit – auch standardisierte, personenunabhängige Rechtsleistungen im Markt, auf die der Begriff Produkt passt (zur produktifizierten Rechtsberatung siehe Kap. 15). Prestigeträchtiger, und damit für die externe Kommunikation meist spannender, ist die klassische Rechtsberatung im komplexen Einzelfall. Wir werden im Folgenden sehen, woran das liegt und wie die PR mit diesen Themen umgehen kann. 1. Disket und verschwiegen Rechtsanwälte werden durch gleich zwei berufliche Regelwerke zu einer äußerst weit gefassten professionellen „Verschwiegenheit“ ermahnt. „Der Rechtsanwalt ist zur Ver-
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schwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist“ (§ 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung/BRAO) und „Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und berechtigt. Dies gilt auch nach Beendigung des Mandats“ (§ 2 Abs. 1 Berufsordnung für Rechtsanwälte/ BORA). Diese Verschwiegenheitspflicht gilt ausdrücklich auch für Mitarbeiter von Rechtsanwälten, wie etwa das PR-Team: „Der Rechtsanwalt hat seine Mitarbeiter zur Verschwiegenheit schriftlich zu verpflichten und anzuhalten, auch soweit sie nicht im Mandat, sondern in sonstiger Weise für ihn tätig sind“ (§ 2 Abs. 4 BORA). Ehe sich mit dieser weitestmöglich gefassten Diskretionspflicht für Anwälte auch die externe Kommunikation für Kanzleien erledigt, wird zum Glück wie meist im Juristen leben die harsche Norm durch eine andere wieder eingeschränkt: „Ein Verstoß ist nicht gegeben, soweit das Verhalten des Rechtsanwalts a) mit Einwilligung erfolgt oder b) zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist, z. B. zur Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder zur Verteidigung in eigener Sache, oder c) im Rahmen der Arbeitsabläufe der Kanzlei einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgt und objektiv einer üblichen, von der Allgemeinheit ge billigten Verhaltensweise im sozialen Leben entspricht (Sozialadäquanz)“ (§ 2 Abs. 3 BORA). Angesichts dieser weich formulierten Ausnahmen zur Verschwiegenheitspflicht kommt dem nach Klarheit Dürstenden einer der ebenso zahllosen wie dickleibigen juristischen Kommentare zu Hilfe, die erklären, was die Vorschrift eigentlich sagen soll: „Der Herr des Schweigerechts und der Schweigepflicht des Rechtsanwalts ist der Mandant; zu seinem Schutz besteht die Verschwiegenheitspflicht, nur er kann hiervon entbinden“ – so der führende BRAO-Kommentar von Weyland. Anwälte wie Kommunikatoren sind also von Rechts wegen zum Schweigen über die anwaltliche Beratung angehalten. Kein Wunder ist angesichts dieser ehernen Gebote, dass mandatsbezogene PR-Aktivitäten in Kanzleien stets mit einer grundernsten Feierlichkeit angegangen werden – und werden müssen. Auch wenn eine Meldung erfolgreich beendeter Mandate, etwa großer Unternehmenstransaktionen, -projekte oder Gerichtsverfahren, heute natürlich gang und gäbe ist – die vorherige, vom zuständigen Partner einzuholende Zustimmung des Mandanten ist stets das sine qua non für jede derartige PR-Aktivität. Und wenn der Mandant diese Freigabe nicht ausdrücklich erteilt, dürfen Anwalt und Kommunikator bei Medienanfragen nicht einmal bestätigen oder dementieren, ob ein bestimmtes Unternehmen Mandant der Kanzlei ist oder nicht. 2. Höchstpersönlich und singulär Klar ist nach dem Gesagten auch, dass die Mandantenentbindung von der Verschwiegen heitspflicht sich in aller Regel in engen Grenzen hält und nur auf Grundfakten erstreckt. Nicht umfasst sind einzelfallbezogene Mandatsinterna wie Verhandlungsphasen und -ziele, Vertragsinhalte und verwendete Rechtskonstruktionen – also genau das, was wirtschaftsrechtliche Mandate spannend und einzigartig macht.
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Doch Rechtsberatung definiert sich in ihrer besonderen Qualität eben dadurch, dass sie der beauftragte Partner höchstpersönlich und auf den Einzelfall maßgeschneidert für den Mandanten erbringt. Daher fühlen sich Anwälte sehr häufig nicht nur gehemmt, bei Mandanten Rückmeldung über die Qualität ihrer geleisteten Arbeit oder über Wünsche für die künftige Beratung abzufragen. Sie scheuen oft auch schon davor, um Freigabe zur Kommunikation ihrer Mandatsarbeit zu ersuchen. Mit seiner Bitte um Veröffentlichung eines Mandats gibt der Anwalt den Mandanten zumindest indirekt Gelegenheit zum Feedback über seine Leitung in diesem Mandat. Indem er die Öffentlichkeit informieren will, hebt der Anwalt gewissermaßen selbst das stille Einverständnis mit dem Mandanten auf, dass die Mandatsbearbeitung als vertraulicher Kern dieses exklusiven Beratungsverhältnisses nicht thematisiert wird. Auch für den Informationsfluss innerhalb der Kanzlei hat diese höchstpersönliche und diskrete Mandatsbearbeitung durch die Anwälte schwerwiegende Folgen, denn: Es gibt diesen Informationsfluss nicht wirklich, zumindest nicht zentral gesteuert. Weil Mandate und ihre Bearbeitung grundsätzlich vertraulich sind – und weil die konkurrierenden Partner sehr darauf achten, dass das so bleibt – werden entsprechende Informationen meist nur im Mandatsteam oder in engeren Partnerzirkeln ausgetauscht, geschweige denn diskutiert. In den Partnerköpfen, Sektor- und Fachbereichen der Kanzleien entstehen dadurch die berüchtigten sogenannten „Wissenssilos“. Umso wichtiger für Kommunikatoren, sich dieser dauernden Tendenz zur Siloisierung von Wissen in Kanzleien bewusst zu sein und sie durch intensive interne Vernetzung zu mildern. 3. Abstrakt und im Hintergrund Rechtsberatung ist eine immaterielle, personen- sowie situationsgebundene Leistung, also nicht greifbar und nicht wiederholbar. Wer berät, baut keine stylischen Autos oder lässige Kaffeemaschinen. Der Coolness- und Glamour-Faktor von Rechtsberatung hält sich in Grenzen, auch wenn erfahrene Streiter oder Rainmaker im Metier einen gewissen Nimbus im Markt genießen. Anwälte glänzen bestenfalls im Verborgenen durch Fachkompetenz, Vertrauenswürdigkeit, Chuzpe und Teamwork. Schriftsätze und Vertragstexte von Juristen sind kaum je für die große Bühne gemacht, jedes Mandat für sich zudem abstrakt und erklärungsbedürftig – doch diese Erklärung, Bühne und Öffentlichkeit gibt es in aller Regel für Anwälte und ihre Arbeit nicht. 4. Nach außen zweite Reihe Selbst wo Anwälte Mandatserfolge kommunizieren dürfen, müssen sie bei Timing und Prominenz einer Meldung hinter dem Mandanten zurückstehen. Zum einen meldet der Mandant immer zuerst an die Presse, dann erst die Kanzlei. In der medialen Berichterstattung ist es naturgemäß Sache des Mandanten, mit Informationen über Ziele, Strategien und Interessen hinter einer Transaktion oder einem Projekt die PR-Botschaften als Erster und nach eigenem Bedarf zu setzen. Die sekundäre Pressemitteilung der Kanzlei
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lassen sich Anwälte häufig sicherheitshalber im Wortlaut vom Mandanten freigeben. Es sind die Unternehmen mit ihren Projekte und Erfolgen und nicht die sie beratenden Anwaltskanzleien, die in den Wirtschaftsmedien die Schlagzeilen beherrschen. Seltene Ausnahme und daher Bestätigung der Regel sind Berichte in Branchenmedien wie JUVE, die auch auf die Tätigkeit und Teams der beratenden Kanzleien fokussieren. Theoretisch könnten Anwälte selbst mit konkretem Mandatsbezug manches Detail kommunizieren, das dem Diskretionsbedarf des Mandanten nicht entgegen stehen muss: zum Beispiel über den Einsatz von bestimmten Teams oder Prozessen in der Mandatsarbeit, über neues rechtliches Know-how, Marktentwicklungen in der Mandantenbranche oder angewandte smarte Legal Tech-Lösungen. Dabei könnten die wesentlichen Interna des Mandats vertraulich bleiben. Dennoch bleibt es stete Aufgabe des Kommunikators, mit dem Partner solche PR-geeigneten Inhalte aus dem Mandat zu identifizieren und jeweils auf ihre Brisanz im Mandat und mögliche versteckte Konsequenzen für andere Mandatsverhältnisse zu prüfen. Diese aufwändige Prüfung überfordert in der Regel eine zügige und praktikable Kommunikationsplanung. Daher bleiben viele interessante Aspekte aus der Mandatspraxis in der externen Kommunikation von Kanzleien oft schlicht unerwähnt. 5. Im Fachjargon Juristen im Allgemeinen und speziell Anwälte könnten mit ihrer abstrakt-formalen und dadurch hermetisch wirkenden Fachsprache ebenso gut einer geheimen Bruderschaft angehören. Und tatsächlich sind im Austausch mit Mitgliedern dieser unerklärten Juristen- Bruderschaft, die sich in der großen juristischen Sphäre von Kanzleien, Behörden, Gerichten, Banken, Versicherungen und Ministerien am wohlsten fühlen, alle anderen Menschen plötzlich aus der Bruderschaft ausgeschlossene „Nichtjuristen“. Oder kennen Sie „Nicht-Maschinenbauer“, „Nicht-Werbegrafiker“ oder „Nicht-Polizisten“? Die Diktion juristischer Inhalte fordert Nichtjuristen ebenso fundamental heraus wie das Vokabular und die dahinter liegenden Rechtstechniken. Hervorstechendstes Merkmal juristischer „Schriftsätze“ sind extralange Schachtelsätze mit vielen Substantiven und Phrasen – oft und gerne auch da, wo beide offenkundig nicht die Klarheit der Materie befördern. Nur weil Anwälte vorzugsweise schreiben statt sprechen, können Nichtjuristen dem Geheimcode immerhin durch mehrmaliges Lesen zu folgen versuchen. Sofern es die Schriftgröße hergibt und man sich nicht im – natürlich stets bis zur Buchstabenhöhe und -breite rechtlich abgesicherten – „Kleingedruckten“ verirrt. Vielleicht mehr als jeder andere Begriff steht dieses Kleingedruckte unter Nichtjuristen für das, was Anwälte tun. In der sprachlichen Alltagskommunikation von Wirtschaftsanwälten trägt zum babylonischen Sprachgewirr noch zweierlei bei: ausgeprägte Fachsprache je nach Rechtsgebiet – und allen Fächern gemein ein stark erhöhtes Aufkommen an Anglizismen. Zum einen denkt, schreibt und berät der Öffentlich-Rechtler anders als der Finanzierungs- oder der Transaktionsanwalt, der Spezialist für Patent- und Markenrechte anders als der IT-Rechtsund Datenschutzexperte, der Arbeits- anders als der Immobilienrechtler und der Spezialist
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für Compliance oder Nachhaltigkeit. Fast alle Produkte und Techniken in der modernen Finanzindustrie, aber auch transaktions-, projekt- und management-bezogene Themen kommen heute nicht mehr ohne englische Fachbegriffe aus, die längst tief in die Arbeit deutscher Anwälte vorgestoßen sind. Das gilt zumal für die zahlreichen angelsächsisch geprägten Kanzleien und Mandate, die sich im deutschen Markt sehr prominent und erfolgreich tummeln. Auch wenn viele deutsche Anwälte ein großartiges und meist vor Ort trainiertes Englisch sprechen – den anwaltlichen Schreibstil verbessert der Denglisch-Mix nur selten. 6. Exklusive, aber diffuse Zielgruppen Das alles sind keine guten Nachrichten für Kanzlei-Kommunikatoren. Die meisten PR-Profis haben einen journalistischem Hintergrund und sind „Nichtjuristen“. Ihre Aufgabe ist die Vermittlung relevanter wirtschaftsrechtlicher Themen, Entwicklungen und Experten an Journalisten – und auch die sind meist Nichtjuristen und zudem berufsbedingt allem Fachjargon und umständlichen Geschwurbel sehr abgeneigt. Ein Zielgruppenproblem hat nicht nur die klassische Medien-PR für Kanzleien, sondern die externe Kommunikation von Rechtsberatung generell: Wem erkläre ich diese Dienstleistung? Hier erweist sich: Die „Mandantschaft“ von Wirtschaftskanzleien ist aus Marketingsicht oft das unbekannte Wesen! Wer sind sie, und was sind ihre Bedarfe? Dieses Unwissen liegt vor allem daran, dass jeder Mandantenkontakt vertrauliche Sache des einzelnen Partners ist. Und der spricht – schon wegen des Gefühls interner Konkurrenz – grundsätzlich ungern über Mandanten. Doch oft genug wissen Partner nicht einmal genug über ihre Mandanten, um sie zu kennen und, noch wichtiger, zu verstehen (und entsprechend zielgruppengerecht ansprechen zu können). Wie oben gesehen scheuen sich Anwälte häufig, jenseits konkreter Mandatsthemen mit ihren Mandanten offen und auf Augenhöhe zu sprechen: Was ist Dein Feedback zu meiner Leistung als Partner und zu unserer Leistung als Team und Sozietät? Was wäre Dein Wunsch an eine bessere künftige Beratung? Was treibt Dich in Deiner Managerrolle um, was Dein Unternehmen, was die Branche? Wie können wir da helfen? Wer solche Fragen nicht regelmäßig stellt, versteht weder seine Mandanten, noch kann er seine Zielgruppen kennen und mit anderen koordinieren. Für den fallen Mandate – überspitzt gesagt – wie Manna vom Himmel. Das beeinträchtigt natürlich auch die externe Kommunikation. Aus Kommunikationssicht könnte die Mandantschaft jeder größeren Anwaltskanzlei diverser, heterogener und diffuser kaum sein. Gemeinsam ist all den Unternehmern, Vorständen, Managern, Sachbearbeitern, Bankern, Investoren, Regulatoren, Beamten, Politikern oder Lobbyisten nur zweierlei: Sie sind allesamt Entscheider und sie sind eine relativ seltene, sehr exklusive Spezies. Ansonsten jedoch herrscht Diversität: verschiedenste Branchen, Arbeitsgebiete, Fachqualifikationen, Kulturkreise, Hierarchien und Erwartungen – Juristen wie Nichtjuristen. Die zusätzlich komplizierende Frage, ob der Auftraggeber im konkreten Fall auch identisch mit dem Mandanten ist und wer von beiden von der Kanzleikommunikation in erster Linie anzusprechen ist, sei hier nur angedeutet.
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Eine wiederum ganz eigene Ansprache erwartet eine wichtige weitere Zielgruppe: die begehrten juristischen Top-Talente mit ihren Wünschen und Fragen zum nächsten Karriereschritt an ihren zukünftigen Arbeitgeber. Immerhin ein bestimmbares und juristisch vorgebildetes Publikum! Als Multiplikatoren und Markenbotschafter eigentlich bestens geeignet, aber von Kanzleien in der Kommunikation notorisch unterschätzt sind schließlich die Alumni – ehemalige Partner, Anwälte und Mitarbeiter von Kanzleien. Hier haben Kanzleien oft weder brauchbare Kontaktdaten noch Inhalte für einen gezielten und zielführenden Kommunikations-Dialog. Wie und in welcher Sprache erkläre ich also als Kommunikator Anwaltskanzleien mit ihren wirtschaftsrechtlichen Themen und Dienstleistungen verständlich, spannend und praxisnah? Kann ich die – ungeachtet aller Grisham-Romane und US-Glamour-Serien wie „Suits“ weit verbreiteten – Zugangs- und Verständnishürden bei der Mehrheit der „Nichtjuristen“ im Lande meistern? Dann immerhin hat die Arbeit von Wirtschaftskanzleien und -anwälten eine Chance, als jene geistige Höchstleistung kluger Köpfe und jener sub stanzielle wirtschaftliche Mehrwert für Mandanten die Beachtung zu finden, die sie selbstbewusst für sich beansprucht. Folgende Leitlinien für Kommunikatoren in Kanzleien ergeben sich aus den spezifischen Produktbedingungen anwaltlicher Rechtsberatung: 1. Die Öffentlichkeit besteht überwiegend aus „Nichtjuristen“. Deshalb sollten Kommunikatoren in Anwaltskanzleien mit professionellem Respekt, aber nicht ehrfürchtig mit der Sprache der Anwälte umgehen. Denn in den allermeisten PR-Aktivitäten ist eine weitgehende Übersetzung dieser Sprache in die Laiensphäre unabdingbar. 2. Kommunikatoren sollten mit allen Fach- und Branchenteams in der Kanzlei ver netzt sein. Zum einen um interne Konkurrenz und Wissensilos zu vermeiden und stets die wichtigsten aktuellen Mandate, Themen und Entwicklungen zu kennen, zum anderen auch um die spezifische Sprache der Bereiche besser zu verstehen. 3. Kommunikatoren sollten immer bestrebt sein, Mandatsfakten, Fachsprache und Anglizismen von Anwälten bestmöglich zu durchdringen – nicht um diese zu übernehmen, sondern um sie in normal verständliche Begriffe und Texte übertragen zu können. Die verschiedenen Fachjargons werden kompatibler und einfacher, wo es gelingt, verschiedene und idealerweise komplementäre Beratungsbereiche zu Austausch und Zusammenarbeit in der Themenerstellung zu motivieren. 4. Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist ein zentrales Thema, das immer im Mittelpunkt sorgfältiger Kommunikationsarbeit stehen muss. Anwälte vertrauen nur Kommunikatoren, die dieses Thema ernst nehmen. 5. Verständliche, prägnante und relevante Mandats- und Themeninhalte für Medien sind das A&O der externen Kommunikation. Entsprechende Lösungen und sinnvolle Beiträge für Anwaltskanzleien kommen nur von Kommunikatoren, die mit dem rechtlichen Ernst und der handwerklichen Sorgfalt anwaltlicher Verschwiegenheit auch die Überzeugung leben, dass gute Kommunikation soviel Transparenz und Austausch wie möglich braucht.
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6. Kommunikatoren sollten das persönliche Vertrauen von Partnern und Anwälten suchen und in ihrer Arbeit stets hoch schätzen. Nur so erhalten sie bei Bedarf auch vertrauliche Mandats-Informationen, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, aber oft wichtig für das Gesamtverständnis sind. 7. Kommunikatoren sollten Anwälte ermutigen und unterstützen, wenn ein vertrau liches Hintergrundgespräch mit einem Journalisten ansteht, um wichtige An fragen angemessen zu klären oder relevante Informationen zu transportieren. Kommunikatoren sind nicht nur selbst Vertrauens- und Geheimnisträger ihrer Kanzlei, sondern sollten in geeigneten Fällen auch Vertrauen zwischen Anwalt und Journalist vermitteln können. 8. Anwälte denken oft, mit externer Kommunikation ihre Mandanten erreichen zu sollen. Die erste und wichtigste Zielgruppe für jede PR-Arbeit sind jedoch Jour nalisten. Auch für sämtliche andere externe Kommunikation ist beim Texten die Konzentration auf journalistische Grundsätze zu empfehlen: relevant, nachrichtlich (Kerninfos, -botschaft oder -stichworte vorneweg), sachlich, knapp, verständlich. Punkt. In digitalen Kanälen noch wichtiger als bei Print.
2.2 Funktion, Struktur und Praxis des PR-Teams Anwaltskanzleien, Anwälte und ihr Produkt Rechtsberatung bieten also eine Reihe besonderer Herausforderungen für Public Relations und externe Kommunikation. Deshalb sollten PR-Verantwortliche in Kanzleien auch bewusst bestimmte branchenrelevante Sonderfunktionen zusätzlich übernehmen und sich entsprechend positionieren. Alles beginnt und endet mit dem Informationsfluss. Um seine Arbeit machen zu können, muss der Kommunikator wissen, was im Unternehmen an wichtigen Initiativen, Mandaten, Personalthemen und Geschäftsentwicklungen läuft. Wir haben gesehen, dass hier, trotz aller professionellen Entwicklungen und modernen Kommunikationswege, nach wie vor eine strukturelle Herausforderung für das Marketing von Anwaltskanzleien liegt. Gerade große Partnerschaften international aufgestellter Sozietäten mit vielen angestellten Anwälten und Supportkräften sind darauf angewiesen, dass geschäftsrelevante Informationen aus allen Geschäftsbereichen effizient gesammelt und geteilt werden. Nur so lassen sich die berüchtigten „Wissenssilos“ vermeiden, die in diesem verschwiegenheitsverpflichteten Umfeld automatisch entstehen: Anwälte horten fachbezogenes, marktrelevantes und logistisches Wissen aus Mandaten in ihren Teams oder Praxisgruppen, statt es zentral zur gemeinsamen Entwicklung von Mandanten und Geschäft zur Verfügung zu stellen. Überdies behalten Partner von Kanzleien auch wichtige partnerschaftsbezogene Themen wie Gewinnverteilung, Mandatsakquise, Strategie- und Personaldifferenzen gerne für sich. Auf einen umfassend funktionierenden Informationsfluss sind gerade auch Kommunikatoren angewiesen. Zum einen um Themen, Personen und Produkte professionell vermarkten zu können, zum anderen um potenzielle Risiko- oder Krisenfaktoren frühzeitig zu
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kennen und in ihrer Arbeit berücksichtigen zu können. Nur wenn die externe Kommunikation stets auf aktuellem Stand ist, kann sie angemessen beraten und mitentscheiden, ob, was, wem und wie zu berichten ist – und auch, welche Themen möglicherweise Risiken für die Kanzleireputation bergen könnten und daher zu entschärfen oder weiter zu kontrollieren sind. Das PR-Team muss daher zentral an das Kanzleimanagement angebunden und dort in regelmäßigem Austausch mit dem Managing Partner über relevante Geschäftsinformationen und Strategieplanungen stehen. In diesen Austausch sollte sich der Kommunikator aktiv mit Gestaltungsanregungen einbringen. So kann er das Management dabei unterstützen, die Marketingtauglichkeit oder auch Risikoneigung bestimmter organisationsbezogener Themen zu erkennen und in angemessene externe Kommunikation zu übersetzen. Im Falle von Krisenszenarien jeder Art, die einzelne Partner und ihr Mandatsgeschäft, aber auch Bereiche oder die ganze Sozietät betreffen können, kann die externe Kommunikation in dieser zentralen Position – und nur in dieser – bestmöglich an Lösungen mitwirken. Parallel muss die externe Kommunikation auch, sozusagen dezentral, die einzelnen Partner und ihr Geschäft aktiv im Blick behalten. Dazu sollte das PR-Team regelmäßig an internen Treffen oder Telefonaten der verschiedenen Standorte, Praxis- und Sektorgruppen teilnehmen und überdies den individuellen Austausch mit leitenden Partnern suchen. Durch diese Vernetzung kann der Kommunikator Neuigkeiten zu Mandaten oder anderen aktuellen Entwicklungen abfragen. Idealerweise nutzt er die Gelegenheit auch, um über aktuelle Marketing-/PR-Aktivitäten oder Pressethemen von Wettbewerbern zu berichten. Aus solchem informellen Informationsaustausch können auf beiden Seiten neue Ideen und Themen für die externe Kommunikation der Kanzlei oder einzelner Anwälte entstehen. Eng vernetzen sollte sich der Kommunikator außerdem mit den Leitern anderer kanzleiinterner Supportbereiche der Kanzlei, allen voran IT und digitale Innovation, Business Development und Produktmarketing sowie Finanzmanagement, Personalmarketing und Büromanagement. Auch hier werden regelmäßig Projekte und Themen bearbeitet, die potenziell interessant – oder risikohaltig – für die externe Kommunikation sein können. Speziell in international aufgestellten Kanzleien integriert sich das deutsche Kommunikationsteam zusätzlich in die weltweiten Marketingstrukturen. Zwischen der angelsächsischen und europäischen Anwaltsausbildung und -berufsordnung bestehen erhebliche Unterschiede. Entsprechend verschieden sind für Anwaltskanzleien auch die Beratungs- und Personalmärkte in den verschiedenen Regionen. Diese Markt- und Kulturunterschiede gilt es in Marketing und externer Kommunikation genauso zu berücksichtigen wie die Anforderungen an einen international einheitlichen Marktauftritt. Eine international koordinierte und dennoch marktspezifisch selbstbewusste Kommunikationsarbeit für deutsche Märkte und Zielgruppen ist in diesem Umfeld besonders anspruchsvoll. In sämtlichen dieser Einbindungs- und Vernetzungsszenarien wird die eigentliche Kernfunktion des Kommunikators in Anwaltskanzleien deutlich. Zum einen ist er Moderator, der die intern und extern entstehenden Themen der Sozietät im Hinblick auf ihre
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weitere Verwendung und Wirkung einordnet. Zum anderen ist er Übersetzer und trägt dazu bei, dass die richtigen und wichtigen Themen bei Medien und Öffentlichkeit bestmöglich ankommen.
2.2.1 Erfolgsfaktoren: Profil, Einbindung, Team Die folgenden Faktoren sind grundlegende Voraussetzungen für erfolgreich arbeitende Kommunikationsteams in Anwaltskanzleien. 1. Qualifikation. Jurastudium oder Praxiserfahrung aus einer Berater- oder Freiberuflerbranche sind für Kanzlei-Kommunikatoren weniger zwingend als man glauben sollte. Sie können aber eine sehr hilfreiche Basis sein und zumindest den Start in einer Anwaltskanzlei erleichtern. Mindestens ebenso wichtig sind journalistische Vorerfahrung, Sprachbeherrschung und das nötige Selbstbewusstsein, diese Stärken auch einzubringen. 2. Engagement. Gerade im Hochleistungsumfeld Anwaltskanzlei sollten Kommunikatoren bereit sein, sich in ihrem Bereich ebenfalls stets mit vollem persönlichen Engagement einzubringen. Grundlage für erfolgreiche PR-Arbeit ist das Vertrauen und der Respekt jedes einzelnen Partners – zu gewinnen durch offenes Auftreten, klare Servicebereitschaft, selbstbewusst eingebrachte Vorerfahrung, Zuhören und diplomatisches Geschick. Marketing und Kommunikation leben nicht nur von der Stärke des Arguments, sondern auch von der besonderen Überzeugungskraft der Profis dahinter. Unvermeidliche Rückschläge und Frustrationen in diesem anspruchsvollen und kritischen Umfeld sollte man in der Regel nicht persönlich nehmen. Meist resultieren sie aus einem besonders komplexen oder undankbaren Thema – oder schlicht dem schwierigen Naturell eines Gegenübers. 3. Verfügbarkeit. Für Anwälte gehört zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe die Erwartung, dass auch der Kommunikator bei Bedarf nicht nur zu Bürozeiten für ein Gespräch erreichbar ist. Grundsätzlich können solche (in der Regel spätabendlichen) Telefonate angesichts der knappen Anwaltszeit inhaltlich besonders ergiebig sein, und bei souveräner Reaktion winken zudem Respekt und Vertrauen, die wichtige Währung. Individuell übergriffige Verhaltensweisen kommen jedoch nicht selten vor. Wichtig für den Kommunikator ist daher die nervenstarke Unterscheidung und entsprechende Rückmeldung an den internen Gegenüber, ob das angesprochene Thema dringend und wichtig ist oder bis morgen warten kann. 4. Einbindung. Kommunikation ist immer eine Tätigkeit an internen und externen Schnittstellen von Unternehmen – dort, wo relevante Information ausgetauscht wird. An diesen Schnittstellen muss die An- und Einbindung des Kanzleikommunikators besonders eng sein. Die wichtigsten Personen in der Kanzleikommunikation sind: allen voran das zentrale Management und insbesondere der Managing Partner; die bereichsleitenden Partner; Partner mit wichtigen Sonderfunktionen wie interne Rechts- und
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Complianceabteilung, gegebenenfalls auch in Supportbereichen wie HR, Finance, Business Development und IT; in größeren Kanzleien die (nicht-anwaltlichen) Leiter dieser Supportfunktionen und, falls vorhanden, der Geschäftsführer oder COO. 5. Hauptschnittstelle Marketing. Die Schnittstelle aller Schnittstellen in der Kanzlei ist für den Kommunikator das Marketingteam. In größeren Kanzleien umfasst dieses Team idealerweise die Funktionen Business Development, Kommunikation, Veranstaltungen, Web/Design sowie Profis für übergreifende Marketingprojekte. All diese Funktionen haben aus ihrer täglichen Arbeit mit allen Bereichen und Partnern erfahrungsgemäß einen besseren Gesamteinblick in das Unternehmen Kanzlei als jeder Partner. 6 . Last but not least: das Team Kommunikation. Meist ist in diesem Kapitel die Rede von einem Kanzleikommunikator. Tatsächlich sollte man zumindest bei größeren Kanzleien ab 50 Anwälten von einem kleinen Team ausgehen. Zum einen ist die externe Kommunikation heute ein so weites, anspruchsvolles und arbeitsintensives Feld – im Detail mehr unter 2.3 – sodass zumindest eine Senior- und eine Juniorfunktion unbedingt angebracht sind. Zum anderen erfordert die heute unerlässliche Arbeit mit Social Media mindestens einen weiteren Spezialisten. Dieser sollte idealerweise direkt ins Kommunikationsteam integriert oder ganz eng angebunden sein. So gut wie alle externe Kommunikation umfasst heute neben der PR auch die parallele Bespielung digitaler Kanäle wie Social Media und Website.
2.2.2 Krisen: Kernteam und Koordination In der Politik bestimmen inzwischen Haltungs- und Moralthemen das Handeln. Spätestens mit der Corona-Pandemie hat dieser Trend auch die Wirtschaft erfasst – kaum ein großes Unternehmen ohne eigene „Purpose and Value“-Initiative über nachhaltige Ziele und Handlungsleitlinien. Ob Klimaschutz und ESG, Datenschutz und Cyberattacken, Lieferketten und Sanktionen oder auch Diversität und Gendersensibilität – Compliance und Nachhaltigkeit bringen heute bereits ganze Abteilungen ins Schwitzen. Aktionärsaktivisten und NGOs mit ihren Kampagnen ebenso wie staatliche Behörden mit zunehmend kompromisslosem Vorgehen erhöhen seit Jahren den Druck auf Industrie und Finanzwelt. Parallel wächst auch die Empörungsbereitschaft von Öffentlichkeit und Medien gegenüber der Wirtschaft. Oft aus dem Nichts entstehen heute Aktionen und Kampagnen gegen Wirtschaftsakteure, medial begleitet und befeuert durch blitzartige Massenerregung via Social Media. Mit diesem emotional-digitalen Risikopotenzial müssen nicht nur Wirtschaftsunternehmen umgehen, sondern auch Kanzleien als deren Berater. In der juristischen Sphäre werden auch streitige Verfahren zunehmend medial begleitet und von entsprechend geschulten Akteuren über den Umweg an die Öffentlichkeit beeinflusst. Auch Anwaltskanzleien sollten das Risikopotenzial dieser medialen Moral- und Erregungsneigung in der Wirtschaft nicht unterschätzen – sowohl mit Blick auf ihre Mandanten als auch bezogen auf das eigene Geschäft. Krisenthemen bei Mandantenunter-
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nehmen können auch der beratenden Kanzlei gefährlich nahe rücken. Mandanten dürfen andererseits nicht durch eigenmächtige Kommunikation von Themen weiter geschädigt werden, auch wenn dies zur Entlastung der beratenden Kanzlei geschieht. Dieser verschwiegenheitsbedingte Zwang zur Intransparenz macht Kanzleien in solchen Kontexten per se anfällig für schlechte Presse. Die Herausforderung aus PR-Sicht lautet in solchen Krisenfällen für jedes Unternehmen – und für Kanzleien insbesondere: interne wie mandatsbezogene Krisenthemen rasch zu erkennen, tatsächlich Ruhe zu bewahren, die nötigen Informationen beizuschaffen und zu analysieren und im Anschluss zeitig, auf Stand, sachlich, zielorientiert und konsistent extern (und natürlich intern!) zu vermitteln. Auch in der Krise ist PR sachorientierte Dienstleistung an Journalisten, die ebenso skeptisch und kritisch sind wie Anwälte. Kanzlei-PR ist vor dem Hintergrund häufigerer Krisenszenarien stets auch defensiv zu denken und erheblich komplexer geworden. Schon deshalb sollte sie nie als bloßes Nebenprodukt des Marketings gesehen werden. Auch ohne konkrete Bedrohungslage sollte das Kanzleimanagement gemeinsam mit dem Kommunikationsteam beizeiten Vorsorge für solche Eventualitäten treffen. Vorsorge für den Krisenfall 1. Für den Krisenfall sollte mit Einbindung des Kommunikators ein festes und kleines Team entscheidungsfähiger, miteinander vertrauter Partner gebildet werden und im Bedarfsfall stets erreichbar sein. Sofern die Kanzlei nicht über ein sicheres alternatives Notfall-Kommunikationssystem verfügt, kann das Krisenteam sich sogar per handelsüblichem Digital-Chat vernetzen – Hauptsache jederzeit fähig zu Austausch und Handlung. Manche Kanzleien haben ganze Notfallpläne, z. B. für IT-Ausfälle oder Katastrophen-Szenarien, in der Schublade. Wenn das Kernteam inklusive Managing Partner und Kommunikator gut arbeitet, ist das ein wichtiger Erfolgsgarant. 2. Auch drohende oder bereits erfolgte negative Medienberichte über Mandanten, die Kanzlei oder einzelne Partner können Krisenpotenzial entfalten. Sie können massiv und nachhaltig die Reputation der Betroffenen und das Vertrauen der Mitarbeiter beschädigen. Hier ist der Kommunikator in seinem Element. Er kennt die Gepflogenheiten beteiligter Medien und vielleicht den Journalisten persönlich und kann helfen, kritische Anfragen oder Berichte einzuordnen und eine angemessene Reaktion herbeizuführen. Kommunikatoren sollten sich daher unbedingt und praxisnah mit Grundzügen des Presserechts auskennen. Für eingetretene oder besser noch absehbare Notfälle sollte zusätzlich ein etablierter Kontakt zu einem externen Medienrechtsanwalt bestehen, den der Kommunikator zeitnah beratend oder agierend einbinden kann. In komplexen, länger andauernden oder verfahrenen Krisensituationen kann auch ein medienerfahrener externer Krisen-Kommunikator als zusätzlicher neutraler Berater hilfreich sein. 3. Durch Medienanfragen oder -berichte verursachte Krisensituationen setzen wegen ihrer Prangerwirkung Betroffene oft besonderem Stress aus. Das verursacht Hektik und begünstig irrationales Reagieren. Hier ist erste Pflicht des Kommunikators, Ruhe zu be-
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wahren und zu verbreiten. Die potenziell rufschädlichen Anfragen oder Berichte gilt es rasch zu analysieren und wenn irgend möglich umgehend ebenso seriös wie diskret aufzufangen. Im Idealfall kann er einschreiten, bevor Medien die angekündigte Bombe hochgehen lassen, was zu allem Übel gelegentlich vorschnell und ohne abschließende Recherche geschieht. Der Kommunikator führt, rechtlich wie sachlich sauber, den teils informellen und vertraulichen Austausch mit anfragenden Medien. Zugleich behält er mögliche andere Kanäle im Blick, auf denen die Kanzlei angegriffen werden oder sich umgekehrt angemessen verteidigen könnte. Auf diese Weise trägt der Kommunikator wesentlich dazu bei, medial aufgegriffenen Missverständnissen, Gerüchten oder falschen Anschuldigungen entgegenzutreten oder anderweitig strittige Themen für Journalisten sachgerecht aufzuklären und so zu entschärfen. (Voraussetzung für diese oft nervenzehrende Arbeit im Hintergrund ist natürlich, dass eine mediale Skandalisierung mit Blick auf die Faktenlage tatsächlich ungerechtfertigt wäre.) Gelingt das, wird die als bedrohlich erwartete Berichterstattung durch den informierten Journalisten entweder entscheidend versachlicht, oder sie kann mangels Substanz ganz unterbleiben. Der größte Erfolg externer Kommunikatoren besteht dann darin, dass die Kanzlei, der Mandant, der Partner nicht in der Zeitung steht. 4. Ein Sonderfall der Krisenkommunikation ist die sogenannte Litigation-PR. Ihre spezielle Aufgabe ist die kommunikative Begleitung von Gerichtsverfahren, die öffentliches Interesse erfahren (könnten). Wichtige Wirtschaftsprozesse haben in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Diskussionen geführt, ob Parteien direkt oder indirekt die Medienberichterstattung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen dürfen sollten, und ob Richter dadurch beeinflussbar sein können. Die Wahrheit ist: Beides geschieht. Anwaltskanzleien sollten diesen Bereich Litigation-PR daher gleich zweifach auf dem Schirm haben und kommunikativ absichern: sowohl für den Fall, dass ein Mandat durch einen Prozess in mediales Feuer gerät, als auch für die Kanzlei selbst. Wegen der besonderen Prozess-Materie bieten sich spezialisierte Litigation-PR-Agenturen an, die bei Bedarf hinzugezogen werden können. Die Kommunikations-Teams der Kanzlei und der Mandaten sollten in jedem Fall ebenfalls involviert sein.
2.2.3 Funktion: Moderator und Übersetzer Kommunikatoren in Anwaltskanzleien müssen noch intensiver nach innen moderieren und nach außen übersetzen als in anderen Branchen. Die vielfältigen Gründe wurden bereits genannt: der individualistisch-skeptische Grundtypus des Anwalts, egalitäre Kanzleistrukturen, die verschwiegene Arbeit des Beraters und der hermetische Fachjargon des Juristen. Aus Kommunikationssicht ergibt dies schon strukturell ein herausforderndes Umfeld. Konkret kommt nun ein weiterer branchentypischer Faktor hinzu: Die Mandatsarbeit von Anwälten und Kanzleien ist einerseits einzelfallbezogen und andererseits immer potenziell wirtschaftsrelevant und brisant. Außerdem ist sie zugleich vertraulich und – wiederum potenziell – immer von öffentlichem Interesse.
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Nun ist aber genau die Anwaltspraxis und damit die Mandatsarbeit das Salz in der Suppe spannender Kanzleikommunikation. Das bedeutet für Kommunikatoren dauerhaft aufwändige Detailarbeit: Bei allem, was Anwälte und Kanzleien in ihren Mandaten tun und wie und warum sie es tun, ist vor jeder externen Kommunikation intern zu analysieren und bewerten, ob und auf welche Weise aus einem Mandat ein Thema für Medien und Öffentlichkeit werden kann. Die Kanzlei ist insofern vergleichbar mit einem Unternehmen, bei dem jedes hergestellte Produkt ein Unikat ist – und vor einer Vermarktung in jedem Einzelfall geklärt werden muss, was dieses Produkt ausmacht, welchen Nutzen es erfüllt und ob es auch gefährlich sein könnte. In diesem sehr komplexen und vielschichtigen Prozess der internen Abstimmung und externen Vermarktung von Anwaltsthemen übernimmt der Kommunikator wichtige Funktionen mit internen und externen Stakeholdern. 1. Moderator in der PR-Vorbereitung - Mandate Ob und wann ein Mandat geeignet und reif zu einer Veröffentlichung ist, stellt zuerst und allein der leitende Partner fest und meldet sich dazu frühzeitig beim PR-Team. Im Austausch mit dem Partner wird nicht nur der Sachstand erhoben und mögliche besondere Insider- oder Verschwiegenheitsauflagen im Vorfeld einer Veröffentlichung geprüft. Hier wird auch über das mögliche Timing und eventuelle Mandantenauflagen für mögliche Pressearbeit gesprochen, sowie über die Frage, ob das Mandat kanzleistrategisch und von seiner Marktbedeutung überhaupt PR-geeignet ist oder ob es sogar für größere PR-Aktivitäten über verschiedene Kanäle in Frage kommt. Das alles sind sensible Fragen, die vom Partner eine sachliche Einschätzung jenseits juristischer Mandatsaspekte verlangen – und unter Umständen eine freiwillige Einschränkung seines Geltungsdrangs, wenn zum Beispiel das Mandat zu spät gemeldet wird oder nicht wichtig genug ist, um Pressearbeit zu rechtfertigen. Der Partner muss außerdem beherzigen, dass eine Veröffentlichung nicht nur der Bekanntgabe des Teams und damit der Wertschätzung seiner Arbeit dient, sondern möglichst spannende und besondere Details zum Mandat für die interessierte Öffentlichkeit enthält. Auch hierbei geht es nicht nur um juristische Aspekte, sondern auch um branchenoder marktstrategische Aspekte. Dazu muss der Partner bereit sein, entsprechende Informationen mit dem PR-Team zu teilen und auf ihre Mandatssensibilität zu bewerten. Hier muss geklärt werden, was in den Entwurf einer Pressemitteilung aufzunehmen ist – und dann natürlich dem Mandanten zur Freigabe vorgelegt wird. Der finale Informationsgehalt und damit Mehrwert von Mandatsmeldungen hängt zu einem großen Teil von der aktiven Unterstützung des Prozesses durch den leitenden Partner ab. Engagierte Kommunikatoren können hier entsprechend moderierend vor- und zuarbeiten. - Personalien Wenn Partner aus anderen Kanzleien als sogenannte „Quereinsteiger“ gewonnen oder neu aus den eigenen Nachwuchsreihen ernannt werden, ist das für Anwalts-
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kanzleien ein Prestigethema – für den Markt und die Öffentlichkeit dagegen meist keine große Sache. Auch hier kann der Kommunikator Anspruch und Wirklichkeit umsichtig zusammenbringen. Das geschieht etwa, indem Personalmitteilungen möglichst reich an Fakten und Informationen sind und möglichst wenig hymnisches Eigenlob aller Art enthalten. - Geschäftsthemen Anwaltskanzleien machen bis heute meist ein Geheimnis aus betrieblichen Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn, Investitionen, Rekrutierungserfolgen, Vergütung oder dem Zahlenverhältnis von Partner zu angestellten Anwälten. Selbst Pressegespräche zu strategischen Erfolgen eines abgelaufenen Geschäftsjahres oder Zielen für das nächste Jahr sind seltene Ausnahmen. Beides ist das gute Recht von Kanzleien, macht sie jedoch im Markt auch nicht spannender. Kommunikatoren können helfen, den Nachrichtenwert gut präsentierter Unternehmenszahlen und anderer Geschäftsfaktoren zu betonen und auch konkrete Empfehlungen zu geben, welche Informationen wann geeignet oder kontraproduktiv sein können. Dabei kann er ein Bewusstsein dafür wecken, welchen positiven Alleinstellungsfaktor eine transparent und umsichtig kommunizierende Kanzlei durch die PR nutzen kann. Er sollte auch darauf hinweisen, dass leitende Partner regelmäßig und strategisch Relevantes zu wirtschaftsrechtlichen Zahlen und Märkten aus Sicht der Sozietät beitragen sollten, wenn sich eine Kanzlei in dieser Form Medien und Öffentlichkeit stellen will. 2. Übersetzer in der PR-Durchführung Kommunikatoren in Anwaltskanzleien sorgen dafür, dass sich Anwälte und Journalisten auf Augenhöhe begegnen. Das heißt, dass Journalisten grundsätzlich die besonderen Umstände verstehen und mitdenken, unter denen Anwälte ausnahmsweise aus verschwiegenen Mandatsgebieten berichten dürfen, komplexe wirtschaftsrechtliche Entwicklungen allgemein verständlich zu erklären versuchen oder sie in den sehr speziellen Markt von Wirtschaftskanzleien führen. Umgekehrt sollten auch Anwälte in Medienkontakten verstehen und respektieren, welche Informationen Journalisten benötigen, welche bemerkenswerten Vorkenntnisse sie oft mitbringen, dass kritische Nachfragen keine Hinterhalte sind, sondern Gesprächsangebote, und dass Vertrauliches als solches zu kennzeichnen ist und dann auch verlässlich als solches behandelt wird. In dieser Funktion übersetzen Kommunikatoren auf mehreren Ebenen: - Sprachlich aus dem rechtssicheren, aber abstrakten und umständlichen Fachjargon in ein verständliches und bildhaftes Idiom (und in internationalen Kontexten häufig: aus geschraubtem Englisch in sachliches Deutsch) - Kulturell aus dem diskret-diffusen Partnerschafts-Umfeld des Anwalts in die entscheidungsbasiert-konkreten Formen gängiger Unternehmenskommunikation, die dem Journalisten geläufig sind.
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- Einzelmarke Berater/Dachmarke Sozietät aus der individuellen Anwaltstätigkeit und -leistung auf das Selbstverständnis und die Strategie der Sozietät. Wirtschaftsmedien berichten gern personenbezogen, also steht und spricht der Vorstandsvorsitzende oder Inhaber als Manager für die Gesamtheit seines Unternehmens. Der Managing Partner oder leitende Partner einer Kanzlei hingegen spricht stets (auch) als primus inter pares und Inhaber oder Mitarbeiter unter vielen – er neigt also zur vorsichtigen persönlichen Perspektive und wägt seine Worte stärker ab, was beides zu Lasten klarer Kanzleipositionen und prägnanter Botschaften gehen kann. 3. Moderator und Übersetzer von Zielimage und Markenrealität Zu den Basisaufgaben externer Kommunikation gehört auch, kontinuierlich das strategisch angestrebte Zielimage der Kanzlei-Marke mit der erlebten Realität dieser Marke bei Mandanten, Öffentlichkeit, Bewerbern und Mitarbeitern abzugleichen. Auch die Menge, Qualität und öffentliche Visibilität der Mandate in den verschiedenen Bereichen einer Kanzlei ist hierbei ein relevanter Faktor. Wo deutliche Differenzen zwischen internem Anspruch und externer Wahrnehmung erkennbar werden, können Kanzleimanagement und -kommunikation die Gründe analysieren und gezielt gegensteuern. Zu diesem konstanten Status- und Erfolgscheck sollten Kommunikatoren neben dem obligatorischen Medien-Monitoring auch regelmäßig internes Feedback von Management, Partnern, Nachwuchsanwälten und Service-Mitarbeitern einholen (und die Partner natürlich regelmäßig mit ihren Mandanten sprechen). Außerdem sollten Kommunikatoren grundsätzlich mit besonders wichtigen oder potenziell heiklen Mandaten vertraut sein – ebenso wie mit sonstigen Geschäftsthemen, Finanzen und Entscheidungslagen der Sozietät. Denn: Was immer im Unternehmen geschieht (oder auch nicht) – also Initiativen wie auch Versäumnisse, Strategien ebenso wie blinde Flecken – wirkt sich mittelbar oder auch direkt auf das Unternehmensimage aus. Der Kommunikator hilft hier, Themen in ihrem Chancen- und Risiko-Potenzial angemessen einzuordnen und entsprechende PR- Aktivitäten daraus abzuleiten. „Wie innen, so außen“ ist der Merksatz für diese Moderatoren- und Übersetzungsarbeit der externen Kommunikation. Das interne Gestalten durch das Kanzleimanagement sollte stets das angestrebte Image im Blick haben, umgekehrt muß dieses angestrebte Image auch nach innen gelebt werden. Die Stichworte sind auch hier Glaubwürdigkeit und damit Vertrauen. Managing Partner und Leitungsgremien werden die Reputation ihrer Sozietät nur dann nach außen nachhaltig stärken, wenn sie intern Führungs- und Kommunikationsqualitäten zeigen – eine besondere Herausforderung für die konsensorientierten Kommunikationsgefüge von Anwaltspartnerschaften. Gerade deshalb ist jedes Kanzleimanagement gut beraten, in diese Bemühungen die Kommunikatoren eng einzubinden. „Wie innen, so außen“ ist konkrete Handlungsempfehlung des Kommunikators für das gesamte Brand- und Reputation Management in Anwaltskanzleien: „Tue Gutes und rede darüber – in dieser Reihenfolge.“ An dieser Bündelung von Kernfunktionen des Kommunikators an wichtigen Innenwie Außenschnittstellen der Anwaltskanzlei zeigt sich, dass PR in der Kanzlei grundsätzlich wie die Spinne im Netz positioniert sein sollte: mitten drin statt nur dabei (Abb. 2.1).
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Strukturen externer und interner Kanzleikommunikation
Abb. 2.1 Strukturen externer und interner Kanzleikommunikation
2.2.4 Hilfe von außen: Einsatz von PR-Agenturen Manche (auch größere) Kanzleien verzichten auf eigene PR-Mitarbeiter und arbeiten mit einer Kommunikationsagentur zusammen. Eine solche Lösung ist nach dem bisher Gesagten nicht ideal und kann nur mit Vorbehalt empfohlen werden. Mögliche Vorteile: Die professionelle Distanz zwischen Agentur und Kanzlei kann helfen, verkrustete interne Strukturen oder personengeprägte Verzerrungen in der Kanzlei-PR auszublenden und Produktivität für neue Inhalte freizusetzen. Sofern die Agentur breiter aufgestellt oder vernetzt ist, kann sie möglicherweise neben PR zum Beispiel auch Social Media abdecken, kann Beratung zu Corporate Identity und Branding bieten, die Kanzlei-Website betreuen und Anzeigenkampagnen entwickeln. Im besten Fall kann eine Agentur das Marketing einer Kanzlei ganzheitlicher begleiten als kleine interne Teams. Ein weiterer Vorteil vor allem aus Sicht jener Anwälte, für die Marketing eine „alien matter“ geblieben ist, die man gerne wegdelegiert sieht: Externe Agentur-Kräfte lassen sich idealerweise nach Bedarf einsetzen und entsprechend bezahlen. Dennoch sind sie als Dienstleister jederzeit verfügbar und für Platzierungserfolge und die Einhaltung professioneller Standards selbst verantwortlich.
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Alle Argumente pro Agentur tragen aber bereits ihre Nachteile in sich. Die Distanz zwischen Kanzlei und Agentur führt im Zweifel dazu, dass die externen Kommunikatoren die Kanzlei, ihre Gesichter und ihre Kultur eben auch nicht gut kennen. Abstimmung und Abläufe können länger dauern und komplizierter werden, was gerade in der kurztaktigen, auf Aktualität zielenden PR nicht förderlich ist. Wo Kanzleien ihre Agentur zudem nicht durch ein regelmäßiges Grundhonorar längerfristig an sich binden, wird auch die Entschädigung nach Aufwand zum Bumerang: Durch die daraus notwendig resultierende wechselnde Verfügbarkeit und wechselndes Personal wird sich noch weniger eine Kontinuität und Effizienz in der Zusammenarbeit einstellen. Eine Agentur schließlich, die das gesamte Marketing inklusive PR abdeckt, mag in der Praxis ein konzeptionelles und finanzielles Eigenleben entwickeln, das der Kanzlei am Ende nicht weiterhilft – sofern hier nicht ein sehr kompetentes, kanzleiinternes Marketingteam konsequent und in enger Abstimmung mit der Kanzleiführung die Agentur anleitet. Wenn eine Agentur mehrere Kanzleien als Kunden betreut, ist das umso besser und sollte von Kanzleien nicht als Nachteil aufgefasst werden. Einige PR-Agenturen oder Einzelbüros genießen hohen Respekt bei Anwälten wie Journalisten gleichermaßen – und ein wesentlicher Grund dafür ist ihre Branchenkenntnis und -erfahrung, die natürlich nur aus extensiver Praxis entstehen kann. Wer Anwälte, Kanzleien und ihre Strukturen kennt, kann besser die interne Disziplinierungs- und externe Übersetzungsarbeit leisten, die für effiziente Kanzlei-PR unabdingbar ist. Für funktionierende Arbeitsabläufe und die persönliche Anbindung an Kanzleiführung und Bereichsleiter wird die branchenerfahrene Agentur aus eigenem Interesse sorgen. Auch diese Anbindung sollte durch eine kommunikations- kompetente kanzlei-interne Marketingperson gesteuert werden. In der Umsetzung kann die Zusammenarbeit bei klarer Auftragslage auch direkt über Partner laufen. Wir sehen: Nur mit einigem Aufwand von seiten der Kanzlei wie der Agentur ist ausgelagerte PR-Arbeit wirklich Erfolg versprechend. Dazu gehört ein klares Kommunikationskonzept der Kanzlei mit effektiver Steuerung der Agentur ebenso wie der direkte, intensive Austausch zwischen Partnern und Agenturmitarbeitern. Schädlich kann sie dagegen werden, wenn bei Journalisten ein unprofessioneller Eindruck aus der Zusammenarbeit entsteht. Das geschieht zum Beispiel, wenn eine Agentur schlecht in Kanzleithemen eingebunden, ihr Rat dort nicht gehört wird und Themen mehr oder weniger wegdelegiert werden. Die Folge für Agentur und Journalisten sind etwa langwierige Abstimmungsprozesse, gerissene Abgabetermine, schwammige und unpersönliche Rückmeldungen bei Medienanfragen und schwache, werbelastige Themenvorschläge. Das betrifft vordergründig die handelnde Agentur – fällt aber auf die beauftragende Kanzlei zurück. Im Sonderfall einer externen Agenturbegleitung von größeren Krisensituationen oder Gerichtsverfahren sollten diese Grundsätze erst recht gelten. Externe Kommunikationsberater sollten eng mit dem internen PR-Team zusammenarbeiten und direkt an das Krisenteam oder den mandatsleitenden Partner angebunden sein.
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2.3 Instrumente und Kanäle Kanzleien, Anwälte und das Produkt Rechtsberatung stellen in vielfacher Hinsicht spezielle Anforderungen an Kommunikatoren. In ihrem Handwerkszeug für die PR-Arbeit hingegen unterscheiden sie sich mit wenigen Ausnahmen nicht grundsätzlich von anderen Branchen. Allerdings dürfte das verfügbare Marketingbudget in Kanzleien tendenziell deutlich geringer ausfallen als bei anderen Wirtschaftsunternehmen, was auch die Breite und Schlagkraft der Kommunikationsaktivitäten von Anwaltskanzleien einschränkt. Zum anderen gibt es in der Anwaltsbranche mit den jährlichen Einreichungen für Anwaltsverzeichnisse (Submissions) oder den informellen Angeboten für Mandatsanfragen (Requests for Proposal oder „Pitches“) branchenspezifische Marketingkanäle, in denen Kommunikationsaspekte unbedingt berücksichtigt werden sollten (aber beileibe nicht immer werden). Dennoch hat sich mit der wachsenden Professionalisierung des Marketings auch die externe Kommunikation von Kanzleien zu einem vielfältigen Mix bewährter und neuer Instrumente für ebenso vielfältige Zielgruppen erweitert und ausdifferenziert (Abb. 2.2 und 2.3). In der Notlage der Corona-Pandemie haben es Kanzleien sehr schnell verstanden, auf digitalen Wegen mit ihren Mandanten in Kontakt zu bleiben. Die sogenannten „Owned Media“, also die selbst betriebenen oder kontrollierten Marketing-Kanäle, haben in der Corona-Revolution nochmals massiv zugelegt: Linkedin & Co. auf Social Media, Website, Blog/Mailing, Webi-
Abb. 2.2 Mittel und Wege der Kanzleikommunikation
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Abb. 2.3 Zielgruppen der Kanzleikommunikation
nar, Video oder Podcast. Auch das Kontaktmanagement zu Nachwuchsjuristen haben Kanzleien heute viel stärker auf Instagram und digitale Bewerbung ausgerichtet. Diese Digitalisierung der externen Kommunikation scheint gekommen, um zu bleiben. Die Möglichkeiten für individuell gestaltetes, zielgruppengenaues Marketing durch und für Anwälte über diese digitalen Kanäle sind riesig – und dürften künftig noch viel stärker professionell realisiert werden. Umgekehrt ist wohl, ebenfalls pandemiebedingt, der Anteil klassischer Medien-PR („Earned Media“, also die erarbeiteten Kommunikationserfolge in Qualitätsmedien) in der externen Kommunikation weiter zurückgegangen. Der Usus, Wirtschaftsgeschichten über Persönlichkeiten zu erzählen, sollte charismatischen Anwälten eigentlich in die Hände spielen. Doch leider ist das nur selten so. Mancher Journalist hat erfahren müssen, dass Anwälte zwar geistvolle Gesprächskontakte sind – doch in der Regel keine große Hilfe, wenn es bei einer Recherche auf eine rasche, marktrelevante Einordnung rechtsbezogener Wirtschaftsthemen ankommt. Rechtsthemen und Anwälte brauchen manchmal etwas mehr Zeit, doch in den geschrumpften Redaktionen gibt es immer weniger Spielraum für persönliche Netzwerktreffen zum informellen Austausch bei Lunch oder Kaffee. Immerhin hat man aktuell den Eindruck, dass post-corona auch die schon totgesagte persönliche Begegnung zum Netzwerken, auf Messen oder Seminaren wiederkommt. Für Anwälte wie Kommunikatoren ist das eine gute Nachricht. Grundprämissen für erfolgreiche Nutzung der Instrumente und Kanäle in der Kanzlei-PR 1. Auch Kanzleikommunikation sollte immer Teil eines umfassenden Marketing konzepts sein. 2. Immer fragen: Was sind jeweiligen Zielgruppen und ihre Bedarfe? Wie sprechen wir sie richtig an, wie behalten wir sie im Blick?
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3. Mehr denn je lebt die PR für Kanzleien von Qualität und Timing der Themen, mit denen Anwälte und Kanzleikommunikatoren auf Journalisten zugehen. 4. In der PR nicht nur senden, sondern stets auch dialogbereit sein.
2.3.1 Pressearbeit Je nach Perspektive wird der Begriff Public Relations von manchen mit Medien- oder Pressearbeit gleichgesetzt, und beide gelten gleichsam als Königsdisziplin innerhalb der gesamten Unternehmenskommunikation. Diese Sichtweise hat viel für sich. Ein Grundverständnis guter Unternehmenskommunikation beinhaltet das Bemühen um Faktentreue, Wahrhaftigkeit, klaren Ausdruck und Verzicht auf Werbung. Die PR-Dienstleistung funktioniert über relevante und ansprechend aufbereitete Inhalte, nicht über selbstwichtige Verkaufsbotschaften. Sie evaluiert mit der nötigen Umsicht geeignete rechtliche oder marktbezogene Themen und Geschichten und vermittelt sie griffbereit verpackt an interessierte Journalisten. Damit orientieren sich Kommunikatoren klar an den Grundsätzen und dem Bedarf journalistischer Arbeit. Ein solches gemeinsames Grundverständnis hat sich in der Zusammenarbeit von Journalisten und Kommunikatoren in Zeiten der klassischen Printmedien herausgebildet und bewährt. Auf manchen Marketingprofi wirkt es deshalb heute etwas aus der Zeit gefallen. Wir werden aber sehen, dass die Instrumente und Kanäle der Pressearbeit, die wir im Folgenden anschauen, auch für andere Formen externer Kommunikation hilfreiche Orientierung bieten – ja, man kann sagen: Jedes für die Pressearbeit aufbereitete Thema ist bestmöglich geeignet, parallel oder in der Folge auch über Website, Social Media und andere Kommunikationskanäle Verbreitung zu finden. Dagegen ist Marketingmaterial, das in Kanzleien üblicherweise zu neuen Produktkampagnen erarbeitet wird, in der Regel nicht ohne weiteres PR-tauglich, und das PR-Team muss auf Basis dieser Materialien für nachrichtenwerte Botschaften bei Null anfangen. Pressearbeit ist so gesehen der anspruchsvollste und zugleich beste Ausgangspunkt jeder externen Kommunikation. Zur Pressearbeit aus journalistischer Sicht siehe Kap. 4. in diesem Handbuch. Basis jeder effizienten Pressearbeit ist eine funktionierende Logistik: Presseverteiler und -versand, Journalisten-Datenbank und -Kontakterfassung, sowie Medien- und Wettbewerbsbeobachtung und -Monitoring. Hier sind die digitalen Mittel, Wege und Serviceangebote vielfältig und, je besser sie sind, meist auch umso kostspieliger. Zur raschen Themen- und Wettbewerbsbeobachtung genügt oft schon ein Google Alert. Regelmäßiges Themenspotting durch Zeitungslektüre der wichtigsten Wirtschafts- und Branchenmedien (siehe dazu unten) sollte dennoch eine Selbstverständlichkeit sein. Für den Presseversand und die Journalistenkontakte sollten Kanzleien neben den handelsüblichen Angeboten
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natürlich zusätzlich akribisch gepflegte, branchenspezifische eigene Verteiler und Übersichten haben. Da bei Kanzleien mit internationaler Aufstellung und Website ein großer Teil der Pressearbeit auch auf Englisch erfolgt, sind englischsprachige Wirtschafts- und Branchenmedien sowie ausgewählte Journalisten speziell zu berücksichtigen. Merke: Pressearbeit in Anwaltskanzleien ist thematisch anspruchsvoll – und macht viel Arbeit.
2.3.1.1 Die Instrumente 1. Pressemitteilung Der Klassiker für alles, was aus dem Unternehmen als neu, relevant und positiv mitteilenswert – „fit to print“ sozusagen, nach einem Ausdruck der legendären New York Times – in die Welt soll. In Kanzleien sind dies meist Mandate, Personalien oder Geschäftsthemen. Damit Pressemitteilungen von Anwaltskanzleien wirklich nachrichtenwürdig werden und unfallfrei ankommen, bedürfen sie der umsichtigen Vorbereitung, siehe oben 2.2.3. Am Beispiel einer Mandatsmitteilung, sicher der häufigste Anlass für Pressemitteilungen aus Kanzleien, wird klar, wie intensiv Kommunikatoren den internen Informationsgeber bei dessen erster Kontaktaufnahme meist befragen müssen, um zum Kern einer Nachricht zu gelangen. Ob und wann ein Mandat überhaupt geeignet und reif zu einer Veröffentlichung ist, stellt zunächst allein der leitende Partner für sich fest und meldet sich damit mehr oder weniger rechtzeitig beim PR-Team, meist mündlich und ohne jede schriftliche Info. Zu klären ist nun also: Welche Parteien sind in dem beratenen Projekt involviert; wer ist Mandant; was wurde verhandelt; werden die Parteien dazu öffentlich informieren; wann wird das sein; gelten im Vorfeld gesetzliche Insiderregeln und Informationssperren (etwa nach WpÜG); welche PR-Tätigkeit durch die Kanzlei ist mit dem Mandanten vorabgesprochen; wie besonders, bedeutsam oder innovativ ist das beratene Projekt für den Markt; welches Team, welche weiteren Teams der eigenen Kanzlei oder andere Kanzleien (zum Beispiel international) waren tätig; was war besonders an der Beratung. Während Informationen zu den beratenden Teams gerne und einigermaßen glatt geliefert werden, sind Fragen nach einer Einschätzung und Einordnung der Bedeutung des Mandats schwierig. Gelegentlich kann nicht einmal für den Laien verständlich formuliert werden, worum es bei der zu meldenden Transaktion oder einem abgeschlossenen Gerichtsverfahren für den Mandanten eigentlich ging. Hier muss der Kommunikator alles daran setzen, zunächst alle wesentlichen Informationen zu dem Mandat so vollständig wie möglich zu ermitteln und so verständlich wie möglich zu formulieren. Ähnlich verhält es sich in der Regel mit Meldungen zu Personalien oder Geschäftsthemen. Auch hier erreichen den Kommunikator oft zunächst recht diffuse Informationen, wahlweise aufgrund verschiedener Sicherheitsbedenken vorgefiltert und reduziert oder stark marketinglastig. Auch hier gilt es, in der internen Redaktion Fakten zu betonen oder beizuschaffen und Beiwerk zu eliminieren. Das klingt einfach, ist in der Kanzleipraxis aber oft herausfordernd. Wo Pressemitteilungen zudem auf Deutsch und Englisch vorbereitet und verbreitet werden, ist der Abstimmungbedarf ein doppelter.
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Eine Sonderform der Pressemitteilung ist in seltenen Fällen ein schriftliches, meist kurzes und zitatfähiges Statement des Kanzleimanagements, in der Regel herausgegeben in der Krisen-PR als Notwehr zu einem von Medien bereits berichteten Negativ-Thema mit direktem Kanzleibezug. Auf diesem Wege soll bereits verbreiteten (und von anderen Medien manchmal unkritisch übernommenen) sowie potenziell rufschädigenden Falschbehauptungen über die Kanzlei begegnet werden. Ein solches Statement wird zur Eindämmung einer erwarteten Welle fortgesetzter und neuer Berichterstattung an einen breiten Medienverteiler gesandt. Ziel ist es, die Äußerung der Kanzlei, stets mit Verweis auf die (falsch berichtende) Quelle, allen relevanten Redaktionen zugänglich zu machen, die sie eingedenk der journalistischen Sorgfaltspflicht als Zitat in ihre Berichterstattung einarbeiten sollten. Diese Notwehrmaßnahme sollte nur ergriffen werden, wenn a) das erstberichtende Medium sehr prominent und reichweitenstark ist, b) die Kanzlei sich tatsächlich zu einer zeitnahen, klaren und zielführenden, intern wie bei wichtigen anderen Stakeholdern abgestimmten Stellungnahme in der Lage sieht, und c) nur als erste Nothilfe im Rahmen geeigneter weiterer PR-Maßnahmen. Zur Krisen-PR siehe auch oben 2.2.2. 2. Pressekonferenz oder Journalistenrunde Für Kanzleikommunikatoren sehr seltene Highlights. Denn Hand aufs Herz: So große Themen, die entsprechende Neugier wecken und den Aufwand für Journalisten und Organisatoren rechtfertigen, sind auch in Anwaltskanzleien rar gesät. Eine kleinere Journalistenrunde kann aber durchaus einmal Sinn machen. Beispiel: ein regelmäßiges Jahresgespräch mit dem Management und bereichsleitenden Partnern über das Jahresergebnis, mit Finanzen, Strategiefortschritt, Markterfahrungen und auch mal Failures. Interessiert sein könnten hier nicht nur Branchenjournalisten, sondern auch Wirtschaftsredakteure mit juristischem Branchenschwerpunkt. Oder die Kanzlei definiert gemeinsam mit einem Mandantenunternehmen ein Thema, in dem Markttrends und Rechtsaspekte sich verbinden lassen, etwa im Finanzsektor oder bei großen Aktiengesellschaften. 3. Themenangebote Was (noch) keine Nachricht ist, aber als aktueller Trend, eine Marktanalyse oder eine künftige Entwicklung bestimmte Journalisten interessieren sollte, kann als Themenangebot aufgearbeitet und angeboten werden. Eine feste Form und Ansprache gibt es nicht. Sinnvoll ist es, in bester Journalistenmanier in einer Mail mit einigen „Bullets“, also Aufzählungspunkten, knapp und klar darzustellen, worum es geht, verbunden mit einem angebotenen Gesprächskontakt zu dem Partner, mit dem das Thema für die externe Kommunikation entwickelt wurde. Natürlich gehört dazu auch eine Recherche vorab, ob das Thema an andere spannende Entwicklungen anschließt oder bereits von Medien aufgegriffen wurde. Ergiebige Themenangebote können auf Basis von Wirtschaftsumfragen oder anderen Markt studien zu relevanten Phänomenen, Entwicklungen oder Stimmungsbildern entstehen. Sehr beliebt sind Branchen- oder Trendanalysen zu Art, Größe und Häufigkeit von Unternehmenstransaktionen. Zu diesem wichtigen Beratungssektor stellen Datendienstleister (kostenpflichtig) umfangreiches Material bereit. Zur Entlastung eigener
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Personalressourcen erstellen Kanzleien solche Studien häufig mit Partnerunternehmen oder spezialisierten Agenturen. Die Kosten sind dann meist erheblich, der Effekt oft weniger überzeugend als bei selbst durchdachten und gemachten Studien. Und: Je direkter auf die deutsche Wirtschaft fokussiert ein Studienthema ist, desto interessanter grundsätzlich für Journalisten. Internationale Vergleichsstudien überzeugen seltener. Aus Kanzlei- wie Mediensicht weiter an Bedeutung gewinnen Themen aus Recruitment, Karriere, Diversität und Weiterbildung. Für die Pressearbeit in Kanzleien ist das nur begrenzt eine gute Nachricht. Zu spezifisch, kleinteilig und komplex für spannende Innovationsthemen wirken auch hier meist die entsprechenden Angebote und Modelle in der Anwaltsbranche. Und mit immer neuen Rekordgehältern und Bekenntnissen zu mehr Frauenpower in der Partnerschaft möchten Kanzleien auch nicht dauerhaft in der Zeitung stehen. Auch Management- und Strategie-Themen aus Kanzleien interessieren Wirtschaftsmedien nur sehr eingeschränkt – allzu selten haben sich Kanzleien hier als echte Innovationsmotoren erwiesen, Stichwort: Legal Tech. Bei einer medialen Positionierung als karitativ engagiertes „Responsible Business“ mit Pro bono-Beratung oder sonstiger Unterstützung für gemeinnützige Organisationen und Minderheiten sollten Kanzleien sogar nachgerade vorsichtig sein: Diese Reputations-Karte sollte nicht durch inhaltslose oder glatt polierte Inhalte überreizt werden, sonst drohen heute Imageschäden à la „Greenwashing“, „Pinkwashing“ etc. Wer diese Themen dagegen lebt und mit gutem Grund kommunizieren will, achtet auf Substanz, Konstanz und Empathie in seinem Engagement. 4. Gastbeiträge Bedeutet hier: allgemein verständlich geschriebene und lesbar aufbereitete Artikel zu Wirtschafts- oder Marktthemen mit Rechtsbezug, geschrieben von Anwälten und akzeptiert von Pressemedien als Teil ihres regulären redaktionellen Inhalts. Allen voran Börzen-Zeitung (samstags) und FAZ (mittwochs) bieten seit langem diese attraktive Publikations-Möglichkeit mit handverlesen ausgewählten aktuellen Themen und akribisch redigierten Texten. Die kostenfreien redaktionellen Slots sind rar und von Kanzleien umso heißer begehrt, jede Veröffentlichung eine Kerbe im Colt von Anwälten und ihren Kommunikatoren. Wichtig ist, derartige Gastbeiträge zunächst thematisch bei Journalisten anzubieten und erst dann auszuformulieren, wenn das Themeninteresse der Zeitung klar umrissen und eine Veröffentlichung zugesagt ist. Immer mehr branchenbezogene Spezialmedien, Informations- oder Netzwerkplattformen haben den Kommunikationsbedarf von Kanzleien erkannt und bieten eine Veröffentlichung von Gastbeiträgen gegen Bezahlung an, als sogenannten paid content. Da hier jedoch das Umfeld des redaktionellen Contents fehlt und die Textqualität gegenüber anderen Medien abfällt, sind solche käuflichen Slots wenig attraktiv und wohl auch wenig zielführend. Ein Rückgriff auf derart bezahlte Inhalte ist daher in der Kanzleikommunikation nicht zu empfehlen. Eigentlich sollten alle anwaltlichen Kommunikationen zu Rechtsthemen den Anforderungen solcher redaktionell eingebetteten Gastbeiträge an Verständlichkeit, Kürze und Lesefreundlichkeit genügen – also auch Newsletter, Briefings oder Alerts jeder Art für Mandanten. In jedem
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Fall eignen sich final bearbeitete Gastbeiträge sehr gut für eine weitere Kommunikation ihrer Kernthesen über verschiedene digitale Kanäle – ob über die Kanzleiwebsite, Blogs oder Social Media. Durch den Link auf den Originalartikel in der Zeitung zahlt neben der Qualität des Textes auch das Renommee des Mediums auf den Anwalts- und Kanzleinamen ein. Juristische Fachbeiträge sind gemäß unserer Definiton übrigens keine Gastbeiträge. Sie werden auch selten über die externe Kommunikation der Kanzlei begleitet, sondern von den schreibenden Anwälten selbst erstellt und an das publizierende Medium gebracht. Der Grund wurde hier bereits beschrieben: Die Redaktionen von Fachzeitschriften sind mit Juristen besetzt, die Autoren sind Juristen, die Leser ebenfalls. Wir befinden uns also im Bannkreis der Rechtswissenschaft. Und natürlich sehen Texte aus wie unter wissenschaftlich arbeitenden Juristen üblich: weitschweifig und umständlich, eng gedruckt und ohne hilfreiche Zwischenüberschriften, dafür mit möglichst zahllosen Fußnoten. Am Beharrungsvermögen dieses wohl weltweit einzigartig vielfältigen Biotops deutscher juristischer und steuerlicher Fachpublikationen hat sich bislang noch jede Kanzlei-PR die Zähne ausgebissen. Ausnahmen wie die Beck'sche NJW machen hier hoffentlich weiter Schule. 5. Hintergrundgespräch Informeller, grundsätzlich als vertraulich gekennzeichneter Kontakt zwischen themenbezogen anfragendem oder interessiertem Journalisten und ein bis zwei Anwälten. Dient meist zur Abklärung, ob das angebotene anwaltliche Know-how für einen konkreten Beitrag verwendet werden kann, oder ob sich für beide Seiten ein vertiefter direkter Kontakt zwischen Anwalt und Journalist für mögliche künftige Anfragen und Zusammenarbeit lohnt. Sehr wichtiges Element in der Kanzleikommunikation. Hier können sich Journalist und Anwalt in einem relativ geschützten Gesprächsraum über Stand und Interessen zu einem bestimmten Wirtschafts- oder Branchenthema austauschen. Anwälte empfehlen sich dabei weniger fachlich, sondern als sachkundiger und praxisnaher Marktbeobachter und analysestarker Gesprächspartner. 6. Persönlicher Austausch Zur PR-Arbeit zählt auch der persönliche Austausch von Kommunikatoren mit Journalisten. Durch ihn bereitet der Kommunikator den Boden für spätere Kooperationen und gewinnt Hinweise auf redaktionelle Bedarfe, Trends, Stimmungen oder auch einmal drohende negative Berichterstattung. Dieser wichtige persönliche Kontakt tritt durch die andauernde Schrumpfung von Redaktionen und entsprechende Arbeitsverdichtung bei den verbleibenden Redakteuren immer mehr in den Hintergrund. Freiberuflich tätigen Journalisten wiederum fehlt als Einzelkämpfern manchmal die Einbindung in Redaktionen.
2.3.1.2 Die Kanäle Klassiker. Ebenso vielfältig wie die Mandanten- und Bewerberzielgruppen von Kanzleien sind die Wirtschaftsmedien, die Rechtsthemen aufgreifen. Denn das Recht betrifft wie gesehen alle Akteure und Branchen, und Anwälte können grundsätzlich überall Spannendes und Informatives beitragen. Die bei Anwälten am besten angesehenen Tages- Wirtschaftsmedien sind FAZ, Handelsblatt und Börsen-Zeitung. Diese drei Tagesmedien sind es auch vor allem, die traditionell auf juristisch beschlagene Journalisten in ihren Rei-
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hen halten (siehe den Beitrag von Corinna Budras in diesem Buch), und die Anwälten – mehr oder weniger ausgeprägt – auch eine direkte Bühne mit Gastbeiträgen bieten. Hier zu erscheinen, bedeutet aus Anwaltssicht Reputation und für Kanzlei-Kommunikatoren Extrapunkte. Das sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob auch die jeweiligen Mandantenzielgruppen diese Medien lesen – doch im Unterschied zu früheren Jahren sind mediale Premiummarken wie die genannten keine krisengebeutelten Auslaufmodelle des Printzeitalters mehr, sondern erfreuen sich einer ebenso breiten wie hochkarätigen, heute vor allem digitalen Leserschaft. Je nach Kanzleityp, Standort und Thema können auch starke regionale Zeitungen geeignet für Kanzleikommunikation sein, etwa wenn eine regional verankerte Wirtschaftskanzlei die lokale Unternehmenswelt über Chancen und Risiken neuer Compliance- oder Nachhaltigkeitspflichten informieren will. Vielfalt. Natürlich gibt es in Deutschland auch eine riesige Bandbreite weiterer Wirtschaftstitel und Plattformen mit mehr oder weniger direktem Bezug zu Rechtsthemen. Das fängt an bei angesehenen Magazintiteln wie Wirtschaftswoche (mit dem viel gelesenen Manager-Blog von Claudia Tödtmann, der auch Anwälte und ihre Themen aufgreift) oder Manager Magazin (mit der legendären Gesellschaftsrechts-Kolumne von Anwalt Christoph Seibt) über Special Interest-Formate für Unternehmer/Mittelstand, CFOs oder Anleger (Impulse, Finance bzw. FAZ Business Media, Going Public etc.) bis hin zu den verschiedensten Verbands- und Branchenplattformen zu Industrie, Handel, Marketing oder Recht. Eher selten schreiben ZEIT oder Süddeutsche über Wirtschaftsrecht und Juristen. Bei international aufgestellten Kanzleien kommen zudem englische Wirtschaftsmedien oder -agenturen, allen voran die Financial Times als geschätztes Äquivalent der deutschen Vorzeigezeitungen oder Bloomberg als Premiumagentur, für Themen- oder Gesprächsangebote in Betracht. Am direktesten kann eine Kontaktaufnahme durch die deutschen Korrespondenten gelingen. Umgekehrt interessieren sich auch Auslandskorrepondenten der großen deutschen Blätter etwa in London, New York oder Paris unter Umständen für wirtschaftsrechtliche Themenvorschläge aus Deutschland, die einen Bezug zu bilateralem, europäischem oder internationalem Marktgeschehen bieten. Branche. Marktführer in diesem Segment ist JUVE mit seinem monatlichen Branchenmagazin und jährlichen Kanzleihandbuch sowie den redaktionellen Ablegern zu Patentmarkt, Steuer(rechts)markt und Anwaltskarriere. Der 1997 gegründete Kölner Branchenverlag ist eine feste und zielführende Planungsgröße jeder PR-Arbeit für Kanzleien, zumal die Publikationen auch von Unternehmensjuristen gelesen werden. Durch die regelmäßigen parallelen Recherchen für die verschiedenen Online- und Magazinformate des Verlages ergeben sich vielfältige Kontakt- und Gesprächsmöglichkeiten zur Redaktion – die Kommunikatoren allein schon deshalb nutzen sollten, um die oft zahlreichen verschiedenen Kontakte zwischen JUVE-Journalisten und Anwälten im Überblick zu behalten und sinnvoll koordinieren zu können.
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Von weiter wachsender Bedeutung sind außerdem die breit aufgestellte Juristen- Website lto.de und der neu belebte Newsletter Platow Recht, ein Ableger des bekannten Anleger-Formats Platow Brief. Aus dem branchenmedial in vieler Hinsicht weiter trendsetzenden englischen Sprachraum sollten die Plattformen law.com und thelawyer.com auf jedem Kanzlei-PR-Schirm sein (ebenso wie die eher gossip-haften Karriereportale Rollonfriday.com und Legalcheek.com), sie berichten teilweise auch über den deutschen Anwaltsmarkt. Wie viele andere Anbieter (vorwiegend angelsächsisch, seit dem Brexit noch verstärkt) bemühen sich auch die wichtigsten Anwaltsverzeichnisse (Directories) JUVE, Legal500, Chambers und fachspezifische Vergleichsportale um mehr relevanten Inhalt und zugleich engere Bindung zu ihren Kanzleikunden. Hier wird vor allem mit der Veröffentlichung von bezahlten Inhalten (paid content) auf den Plattformen geworben. Umgekehrt nutzen Unternehmensjuristen-Verbände das naturgemäß hohe Interesse von Anwaltskanzleien an guten Kontakten ebenfalls für Paid content- und sonstige käufliche Präsenzangebote für Kanzleien. Nutzen und Reichweite solcher Engagements sollte die Kanzleikommunikation zuvor gut durchdenken. Branchenbezogen ebenfalls nicht zu unterschätzender Aspekt der Kanzleikommunikation sind die vielfältigen Auszeichnungen (Awards) für Kanzleien und Anwälte, basierend auf ebenso vielfältigen Mandantenumfragen, peer reviews bei anderen Anwälten und redaktionellen Recherchen für die Directories. Die Zahl und Art dieser Preise ist ebenso Legion, wie ihr kommunikativer Nutzen und Mehrwert für die Kanzleireputation ungeklärt und umstritten ist. Zweierlei ist sicher: Die mit der gesamten Awards-Logistik für teilnehmende Kanzleien verbundene Kosten sind ebenso hoch – wie die unerschütterliche Empfänglichkeit von Anwälten für diese Art der freundlichen Publicity. Immerhin: Ebenso wie Kanzleirankings bringen solche Auszeichnungen immerhin ein Grundmaß an Qualitäts-Transparenz in die Branche. Damit müssen und sollten Kommunikatoren arbeiten. TV, Radio, Youtube. Audiovisuelle Medien scheinen für Inhalte der Kanzleikom munikation hingegen verloren. Selbst die in der Vergangenheit erprobten speziellen „payto-play“-Nischenformate auf TV-Nachrichtenkanälen funktionieren für Anwälte und Rechtsthemen offenbar nicht nachhaltig. Grund dieser mangelnden Kompatibilität dürfte die bekannte Kombination aus meist trockener juristischer Materie, nüchtern-distanzierten Protagonisten und den schwindenden Aufmerksamkeitsspannen der Zuschauer und Zuhörer sein. Sie führt zu einer Dominanz schneller Schnitte, kurzer Sätze und radikal massentauglich vereinfachter Botschaften. Komplexeren Themen aus dem Wirtschaftsrecht räumen diese Kanäle meist weder Platz noch Zeit ein. Wo solche Gelegenheiten sich dennoch auftun, sollten Anwälte zuvor wenig irgend möglich ein entsprechendes Medientraining absolvieren – sofern sie nicht Naturtalente sind (die es überall immer wieder gibt).
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Dos and Don’ts bei Public Relations
DO 1. Nur Pressemitteilungen mit echtem Informations-Mehrwert verbreiten! Neben den Fakten und der Rechtschreibung muss vor allem die Relevanz der Meldung stimmen. Die journalistischen „W-Fragen“ werden klar und früh im Text beantwortet: Wer (hat gehandelt), was (wurde getan), wann und wo (geschah das), warum (geschah es) und woher (kommt die Information). Grundregel: Das Wichtigste nach vorn. Medienredaktionen sollten die Meldung von hinten nach Bedarf abschneiden können, ohne dass dabei wesentliche Information verloren geht. 2. Alle proaktiven Medienkontakte von Anwälten werden durch das PR-Team initiiert und koordiniert, alle eingehenden Medienanfragen werden dem PR-Team rechtzeitig mitgeteilt und im weiteren Vorgehen abgesprochen. Beides verhindert Doppel- oder Parallelaktivitäten von Anwälten, und angebotene Themen oder Stellungnahmen können verständlicher formuliert und dem richtigen Adressaten punktgenau geliefert werden. Bei externen Rechercheanfragen klärt das PR- Team vorab Medium, Rechercheziel und -fokus, Zeitrahmen, Relevanz und Brisanz der Anfrage, kanalisiert eventuelle Mehrfachanfragen, sucht dann intern geeignete Ansprechpartner und stimmt Mittel und Wege einer geeigneten Reaktion auf die Anfrage ab. 3. In Krisen- und Notfällen jeder Art, nicht nur medial bedingten, bei Bekanntwerden wird sofort auch das Kommunikationsteam informiert und eingebunden. Im Folgenden bündelt und entscheidet ein kleines Krisenteam aus dem Managing Partner, weiteren für den Fall wichtigen Partnern, dem PR-Team und bei Bedarf einem externen PR-Berater mit Erfahrung in Unternehmens-Krisenfällen. 4. Bei Pressekontakten immer prüfen, ob außer einem On-the-record- bei Bedarf auch ein Hintergrundgespräch („off the record“) in Frage kommtt. Gerade informelle, vertrauliche Gespräche können den Kontakt zu ausgewählten Journalisten aufbauen und einen für beide Seiten vorteilhaften Austausch fördern. Auch Medienkontakte sind ein Geben und Nehmen! Deshalb sollten solche Hintergrundkontakte auch aktiv angeboten werden. Den Gesprächscharakter und gegebenenfalls vertrauliche Information stets im Vorfeld mit beteiligten Partnern und Journalisten klären – besonders wichtig bei Anfragen britischer oder amerikanischer Medien. Sinn und Zweck von Off the record-Gesprächen sind Partnern mitunter schwer zu vermitteln, da (wenn alles gut läuft) im fertigen Beitrag kein Zitat und unter Umständen nicht einmal der Name der Kanzlei erscheint. 5. Partner mit häufigen PR-Kontakten sollten ein professionelles Medientraining erhalten. Umso besser, wenn sie von vornherein ein „Händchen“ haben für Menschen und Medienarbeit, deren Wert und Risiken kennen und Journalisten grundsätzlich respektieren.
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DON’T 1. Die Relevanz einer beabsichtigten Pressemitteilung als gegeben nehmen. Merke: Nicht jedes Ereignis ist eine Nachricht, nicht jedes Mandat eine Meldung (wert). Geschrieben werden Pressemitteilungen für Journalisten und Medien, nicht für den Partner oder andere wichtige interne Urheber. 2. In Mandatsmitteilungen sicherheitshalber nur wiederholen, was der Mandant bereits zuvor in einer eigenen Mitteilung an die Medien kommuniziert hat. 3. Denglisch-juristischen Fachjargon und Eigenmarketing-Phrasen („marktführende Position“, „exzellente Berater“, „innovative Lösungen“, „bester Service“) ungeprüft übernehmen. 4. Die redaktionelle Endkontrolle bei Pressemitteilungen aus der Hand geben. Faktencheck ist Teamwork, Texte schreiben nicht. Im Anwaltsbereich bedeutet dies idealerweise Zweiteilung: leitender Partner für mandatsrelevanten Inhalt und Informationsmehrwert, PR-Team für Aufbau und Formulierung der Meldung. Die Schlussredaktion sollte das PR-Team vornehmen – selbst wenn finale Mandantenvorgaben oder Partnervotum natürlich aus Compliance-Gründen zu beachten sind. 5. Alles perfekt machen, aber zu spät liefern: Neben den Fakten, der Rechtschreibung und der Botschaft der Meldung muss auch das Timing stimmen – Journalisten arbeiten unter großem Zeit- und Informationsdruck. Für ihr oft sehr kleines Zeitfenster benötigen sie relevante, verständliche und zeitnahe Information.
2.3.2 Social Media und digitale Plattformen Hier verlassen wir den Bereich klassischer Public Relations-Instrumente und -Kanäle in der Kanzleikommunikation. Dennoch sollten wir uns Social Media und damit eng verbundene digitale Tools wie Podcast, Video & Co. genauer auf ihren Kommunikationswert für Kanzleien anschauen. Tatsache ist, dass sich gerade die sozialen Medien beim persönlichen Branding und Marketing längst als extrem erfolgreich erwiesen haben – warum also nicht künftig noch viel stärker als bisher auch für Anwälte? Ein Business-Netzwerk wie Linkedin erlaubt dabei Professionals persönliche Marketing-Kommunikation in eigener Sache und lässt zugleich die dahinter stehenden Unternehmen sichtbar werden und aktiv kommunizieren. Marketing-technisch gesprochen können hier also die vielen Einzelmarken der Anwälte und die Dachmarke Kanzlei wunderbar unabhängig parallel wie auch im Einklang Inhalte aller Art kommunizieren. Dieser Kommunikationskanal ist jederzeit und einfach vom Schreibtisch aus erreichbar, und er bietet anders als etwa X (früher Twitter) oder Instagram ein relativ si-
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cheres und zudem locker-seriöses Terrain – quasi „business casual“ – für so ziemlich alle Themen, die Wirtschaft interessieren (sollten). Dabei lässt sich auf Linkedin mit etwas Sorgfalt punktgenau an mess- und zählbar interessierte Wirtschafts-Zielgruppen aus Mandanten, Multiplikatoren und auch Bewerbern kommunizieren. Und das Beste: In eigene Post-Texte können als Blickfang Bilder oder Kurzvideos und als weiterführende Informationen Links zu Medienartikeln, Websites oder längeren visuellen oder Audioformaten integriert werden. Eigentlich bietet Linkedin damit genau die cross-mediale, zielgruppennahe digitale Kommunikation, für die Kanzleien in den vergangenen Jahren ihre eigene Website aufgerüstet haben. Bei diesen sogenannten „owned media“ entscheidet der Betreiber vollkommen eigenständig, welche Inhalte er wann wie aussenden will, und ist dabei nicht auf die Kooperation von „earned media“ wie der Wirtschaftspresse angewiesen. Nun also bietet Linkedin Nutzern mit dem persönlichen Account und unbegrenzten Post-Möglichkeiten alle Eigenschaften eines „owned medium“ – aber zusätzlich auch den unmittelbar sichtbaren Kontakt zu und Dialog mit einschlägigen Empfängern, den keine Website so leisten kann. Dabei kann Linkedin – oder ähnliche geeignete soziale Medien – wie die eigene Website zu mehr genutzt werden als für werbendes Marketing. Linkedin kann Informationsplattform sein, auf der Anwälte und Kanzleien endlich ihre Zielgruppen direkt mit ihren Themen ansprechen können. Und das kann gelingen – wenn Anwälte, Kanzleien und ihre Kommunikatoren auch für Linkedin die bewährten Regeln klassischer PR adaptieren und beherzigen. Auf der einen Seite müssen relevante Informationen und Inhalte ansprechend und eindrücklich, aber stets auch sachbezogen und seriös aufbereitet werden. Auf der anderen Seite prüfen und filtern Journalisten und andere Nutzer genauer, welche Informationen in der konstanten digital-medialen Überwältigung sie als seriös und relevant noch wahrnehmen wollen. Hier im weiten Social Web muss sich diese Seriosität und Relevanz von Information tagtäglich und rund um die Uhr bewähren. Kommunikatoren in Anwaltskanzleien sind daher gut beraten, sich auch gegen gelegentliche Unkenrufe von Anwälten und Marketingkollegen, die mehr Lametta fordern, bei allem Engagement für die Marketingsache ihrer Kanzlei ein journalistisch-kritisches Grundverständnis für Qualitäts- Content zu bewahren: zupackend und zugänglich, dabei sachlich, relevant und mit informativem Mehrwert. Social Media-Tipps 1. Jedes Thema, jeder Post mit dem Anspruch seriöser Mandantenkommunikation muss sachbezogene, zielgruppen-relevante Information enthalten. Er muss dabei ansprechend, pointiert und eindrücklich, mit leichter Hand und zugleich seriös vor- und zum Posten aufbereitet werden. 2. Alle Nutzer im Netz wollen in der konstanten digital-medialen Überwältigung rasch prüfen und filtern können, welche Informationen – und welche Personen! – sie als se-
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riös und relevant noch wahrnehmen wollen. Auf Linkedin können sich interessierte Anwälte mit konstanten und inhaltsreichen Posts eine solche Leuchtturmfunktion tatsächlich erarbeiten – tagtäglich, rund um die Uhr, immer wieder. 3. Diese Art konstanter und hochwertiger externer Kommunikation ist kleine klassische PR mehr, sondern persönlicher geprägt, kürzer und informeller. Das macht ihren besonderen Reiz aus. Solche Kommunikation ist deshalb aber kein bisschen weniger anspruchsvoll – und sollte im Gegenteil gut geplant und aufbereitet sein. Hier kommt, Sie ahnen es, das PR-Team ins Spiel. Kommunikatoren in Anwaltskanzleien können nicht jeden Post vorschreiben und absegnen. Aber sie können (und sollten!) zum einen die Linkedin-Aktivitäten der Kanzlei bestmöglich im Blick behalten und koordinieren, können Themen mit auswählen und in eine Taktung und Reihenfolge bringen; sie können die Anwälte zu guter Sprache und Struktur beraten, können schulen und so für gute Linkedin-Nutzung – auf Neudeutsch – empowern. Eigene digitale Kanäle Im Rahmen einer cross-medialen Nutzung von Linkedin & Co. in der externen Kommunikation lassen sich eigene digitale Kanäle und Medien integrieren. Obwohl nicht klassischerweise Bestandteil der PR-Arbeit, sollten die hier verwendeten Inhalte von Anfang an auf Aspekte guter PR-Texte und Themenangebote hin entwickelt werden. 1. Unternehmens-Website: Wird seit langem auch von Kanzleien genutzt als eigenes („owned“) Medium und damit unentbehrlicher zentraler Kommunikationskanal, um die eigenen Anwälte, Inhalte, Projekte und Produkte nach draußen in die Märkte zu bringen. Vorteile: guter Ersatz für teure und unflexible (Print-)Werbe- und Imagebroschüren. Themen, Mandate und Anwaltsprofile können digital besser vernetzt und auf soziale Foren oder Netzwerke verlinkt werden. Nachteile: Die Zielgruppen bleiben schwer zu finden und zu erreichen, relevante und hochwertige externe Kommunikation funktioniert nach wie vor selten nur über die Website. 2. Webinar: Digitale Workshops, Präsentationen und Konferenzen aller Art von und mit Anwälten (oder für und mit Mandanten) lassen sich hervorragend direkt über Social Media bewerben, teilen und vermarkten. Noch besser klappt das, wenn die Inhalte zum Anteasern zuvor kurz und knapp, informativ und nutzwertig aufbereitet werden – wie ein gutes Themenangebot aus dem PR-Team für einen Journalisten. Erfordert Aufwand und Engagement auch der involvierten Anwälte, kann dann aber die Wirksamkeit deutlich erhöhen. 3. Video: Ähnlich wie ein kurzes Webinar zu denken, aber mit mehr Möglichkeiten. Bekannt ist, dass Anwälte mit dem Medium und seinen Anforderungen an visuelle Präsenz und Sprechsicherheit nicht leicht glücklich werden. Aber: Auch hier lassen sich mit guter Vorbereitung Themen interessant aufbereiten, zielgruppengerecht präsentie-
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ren – und bei entsprechender Qualität tatsächlich nicht nur als Marketingprodukt, sondern im Stile guter externer Kommunikation auch als spannendes Themenangebot über Linkedin verbreiten. Für Videos gilt dabei wie für alle gute Kommunikation: einmal ist keinmal, erst Kontinuität bringt Sichtbarkeit, Wiedererkennung und Respekt. Dank Linkedin alles direkt und ohne Umwege zugunsten des Anwalts selbst. 4. Podcast: Anwälte können im Prinzip besser sprechen als sich zeigen, das kann einem Produkt wie einem Podcast nur gut tun. Nutzer sind bereit, sich auch lange Podcasts und ganze Reihen anzuhören. Ideal sind dialogische Formate, wo zwei Menschen themenkundig, aber auch verständlich und anschaulich miteinander kommunizieren und das Ganze durch ihre persönliche Perspektive und Bewertung bereichern. Auch Podcasts können mit entsprechend aufwändiger kommunikativer Unterstützung zu echten kleinen Kunstwerken werden – die zudem über den persönlichen Social Media- Account direkt bei den erwünschten Empfängern, Unternehmen oder anderen Zielgruppen platziert werden können.
2.3.3 Submissions, Pitches & Co. Man kann nicht nicht kommunizieren, sagt die Psychologie. Und legt damit nahe, dass der Umkehrschluss ebenfalls richtig und alles Kommunikation ist. Jedenfalls zeigen und äußern sich Anwaltskanzleien wie gesehen auf vielen Wegen ausgewählten Öffentlichkeiten – ob in der Presse, auf Social Media, Seminaren und Workshops, Karrieremessen, Praktikantentagen und Veranstaltungen aller Art, per Video und Podcast. Und in der Tat können sämtliche dieser Formate aus Sicht selbstbewusster Kommunikations-Professionals profitieren, wenn für Inhalte und Präsentation jeweils auch die Beratung von Kommunikatoren gehört wird. Das würde in der Praxis allerdings Abläufe komplizieren und das PR- Team überlasten. Drei bisher nicht genannte Präsentationsformate von Kanzleien sollen hier abschließend aber noch als wichtiges, wenngleich ungeliebtes Gebiet der externen Kommunikation angesprochen werden: Submissions, Pitches und Mandanten-Briefings. Alle drei sind Aushängeschilder für die Leistung und das Serviceverständnis von Anwaltskanzleien – und alle drei werden häufig etwas stiefmütterlich behandelt, was verständliche Sprache und nutzwertige Darbietung angeht. 1. Submissions Auf Deutsch „Einreichungen“, und zwar von Mandats- und Informationssammlungen zu Fachbereichen und Teams, mit denen Kanzleien jedes Jahr die wichtigsten Anwalts- und Kanzleihandbücher („Directories“, siehe Kap. 12) über ihre Arbeit informieren, um in den Kanzleirankings positiv berücksichtigt zu werden. Die Directories verlangen Mandatslisten, sortiert nach Bedeutung und jeweils möglichst mit informativen Details zu Mandat und Mandant. Die interne Datensammlung und Erstellung dieser Listen ist meist eine extrem zähe, aufwändige Angelegenheit und bindet
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erhebliche personelle Ressourcen. Das Ergebnis ist daher oft ebenso zäh und lieblos wie der Erstellungsprozess. Aus Kommunikationssicht bieten solche Listen eine großartige Gelegenheit, Medien – und das sind Directories wie JUVE oder Chambers – einmal in der ganzen Tiefe und Breite über die praktische Arbeit und die Leistungen der Kanzlei zu unterrichten (immer vorausgesetzt, dass alle Vertraulichkeitsthemen zuvor sorgfältig geklärt sind). Die Redakteure der Directories sind oft zeitlich stark überlastet und noch öfter unerfahren in ihrem Job. Umso wichtiger ist es, in den Submissions die wichtigsten Informationen so verständlich und zugespitzt aufzubereiten und zu formulieren, dass die Journalisten sich rasch einen guten Eindruck und Überblick verschaffen können. Eine Executive Summary zu Beginn einer Submission kann hier großartige Dienste leisten. Ebenso sollten auch die ergänzenden mündlichen Interviews der Redakteure mit den zuständigen Partnern kommunikativ vorbereitet werden. Dazu empfiehlt sich eine Vorauswahl der Teilnehmer und ihrer Themensetzung, sodass die Journalisten zuverlässig ein konsistentes und prägnantes Bild der verschiedenen Bereiche bekommen. Dazu sollte das Kommunikationsteam die verschiedenen Submissions und Interviews inhaltlich durchsehen und zum Beispiel auch Synergien aus der Zusammenarbeit verschiedener Bereiche hervorheben. 2. Pitches Auf Deutsch soviel wie Mandatierungsangebote. Kanzleien werden bei entsprechender Marktstellung regelmäßig eingeladen, sich um Mandate zu bewerben und ein Angebot vorzulegen. In diesen Ausschreibungen verlangen Mandanten von den Kanzleien im Wesentlichen Informationen zu Know-how, Praxiserfahrung, Kapazitäten, Beratern, Kanzlei und – last but not least – Honoraren. Erfolgskritisch ist auch hier (neben richtigem betriebswirtschaftlichen Rechnen und überzeugenden Preismodellen) eine effiziente Auswahl und knappe, verständliche, zweckdienliche, attraktive Aufbereitung der geforderten Inhalte. Das klingt leichter als es ist. Partner tun sich oft sehr schwer mit solchen Pitches und würden sie am liebsten ganz delegieren. Die zuarbeitenden Mitarbeiter im Business Development wiederum sind begreiflicherweise herausgefordert, wenn es um eine selbstbewusste, aber sachbetonte Darstellung von Team und Kanzlei geht und um klare, praxisnahe Hinweise zum vorgeschlagenen Vorgehen im Mandat. Abgesehen von dem wichtigen Beitrag guter Grafiker können auch Hinweise aus Kommunikationssicht zu Inhalt und Darstellung von Pitches hilfreich sein. Spezialisierte Pitch-Teams sollten diesen Aspekt mit berücksichtigen (siehe auch Kap. 11). 3. Mandantenbriefings Meist per Mailing, seltener noch per Printbroschüre informieren Partner Mandanten „kurz“ (brief) über wichtige Gesetzgebung oder andere aktuelle Rechtsentwicklungen und geben erste Hinweise über richtiges und wichtiges Handeln. Klingt eigentlich nicht so kompliziert, und in der Corona-Pandemie konnten manche Kanzleien hier punkten, weil sie Mandanten schnell und direkt zu wirtschaftlichen Aspekten der Corona-Situation und -Maßnahmen helfen konnten. In der Regel jedoch produzieren Partner weiterhin alles andere als kurze und knappe, sondern vielmehr sperrig struktu-
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rierte und kaum verständliche Textungetüme. Diese Briefings enthalten viel Info zum Wann und Was der Neuerung, aber wenig zu Fragen wie: Warum geschieht das? Was bedeutet das für den Markt? und Was sollten Mandanten jetzt tun? Einer der Gründe ist auch hier, dass in Ermangelung gut gefütterter, leistungsfähiger interner Mandanten- Informationssysteme (CRM-Systeme, siehe Kap. 13) die Partner selbst oft kein klares Bild von ihrer Zielgruppe haben. Wichtiger dürfte aber sein, dass Anwälte sich selten klare Aussagen und Empfehlungen zu Themen zutrauen, vor allem wenn sie neu sind – und genau das wäre in solchen Anschreiben ja der Sinn. So verfehlen Mandantenbriefings oft ihren Zweck. Umgekehrt: Wer als Anwalt neue Themen schnell, verständlich, nutzen- und mandantenorientiert in solche Briefings umsetzt, kann viel gewinnen. Gerne mit Hilfe der externen Kommunikation. Und dann gleich straffen und ab damit auf den eigenen Social Media-Account.
Christoph Tillmanns ist seit mehr als 25 Jahren als Kommunikator und Journalist in der Anwaltsbranche tätig. Von 2017 bis 2022 leitete er den Bereich Marketing, Kommunikation und Business Development der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance in Deutschland. Zuvor war er Leiter der deutschsprachigen Unter nehmenskommunikation bei Freshfields Bruckhaus Deringer (2007–2015). Seinen Einstieg in die Branche fand er als Leitender Redakteur beim juristischen Branchenverlag Juve in Köln, den er mitgründete (1997–2007). Heute begleitet er freiberuflich Kanzleien als Kommunikations- und Strategieberater. Seine Fachgebiete sind Public Relations, interne Unternehmenskommunikation, Marketing, Management und Strategie von Anwaltskanzleien sowie Wirtschaftsjournalismus (Recht und Steuern).
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Die Tücken der Pressearbeit Corinna Budras
Anwälte1 und Journalisten könnten sich wunderbar verstehen: Beide sind schon von berufs wegen neugierig, stellen die richtigen Fragen und sind darauf angewiesen, ihre Erkenntnisse einem komplett unwissenden Publikum verständlich zu machen: Anwälte ihren Mandanten, Journalisten ihren Lesern. Deshalb ist es erstaunlich, wie viel Reibereien, Enttäuschungen und Frustrationen es noch immer auf beiden Seiten gibt. Höchste Zeit, dass sich das ändert. Jeder gute Erkenntnisprozess sollte allerdings nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede in den Blick nehmen. Diese mögen trivial klingen, wenn man sie offen ausspricht, nur kommt das viel zu selten vor. Deshalb wird gerne vergessen, dass beide Berufsgruppen völlig unterschiedliche Interessen verfolgen. Anwälte nämlich sind schon von Natur aus diskret, um Interessenkonflikte besorgt und daran gewöhnt, in Grundsätzen und Ausnahmen zu denken: einerseits, andererseits. Journalisten dagegen lieben alles Indiskrete, schon weil die Leser Indiskretionen lieben. Allein mit diskreten Inhalten lassen sich keine Zeitung füllen. Das hat seine Grenzen, aber die liegen im Presserecht. Und Journalisten denken schon zwangsläufig in Schwarz-Weiß-Kategorien. Nicht etwa, weil sie nicht anders könnten, wie böse Zungen es immer wieder über die „Universaldilettanten“ behaupten. Sondern schon allein deshalb, weil allzu viel Differenzierung dem eiligen Publikum auf 80 Zeilen nicht zu vermitteln ist.
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
C. Budras (*) Berlin, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_3
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3.1 Von der Kunst des „Zeitungsmachens“ Das alles ist leicht zu benennen, aber in der Praxis erstaunlich schwer zu beherzigen. Viele Leser, auch Juristen, haben eine allzu simple Vorstellung vom „Zeitungsmachen“: Wer Zeitung lesen kann, so scheinen viele zu denken, kann sie auch genauso gut machen. Solche Naturtalente mag es geben, ich allerdings habe noch keinen persönlich kennen gelernt. Journalismus ist eine Mischung aus Handwerk, Gespür, Erfahrung und sicherlich auch Talent. Schon die Gewichtung der Themen ist eine Wissenschaft an sich, an der selbst erfahrene Journalisten noch scheitern. Wer in einem Bereich einmal Expertise aufgebaut hat, hält schnell alles für relevant, was dem unbedarften Leser nur ein müdes Lächeln abgewinnen kann. Das zu sortieren gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Journalisten und ist eine, bei der man immer wieder Kollegen und Kooperationspartner vor den Kopf stößt. Die neuen Medien haben dazu geführt, dass im Handumdrehen nachvollzogen werden kann, wie beliebt Artikel bei den Lesern sind. Die Zahl der Klicks werden erbarmungslos gemessen und die Redaktionen reagieren darauf: zunächst im Internet, aber diese neue Art der Qualitätskontrolle setzt sich zunehmend auch in der Printausgabe durch. Erklärung ist essenziell, nur wenig darf vorausgesetzt werden. Das hat nichts mit Ignoranz oder Dummheit des Lesers zu tun. Es ist vielmehr der Kern der Arbeit eines jeden Journalisten – und all jene, die in die Zeitung drängen. Wer dies tun möchte, muss sich zwangsläufig in den Leser hineinversetzen, den er mit seinen Ergüssen zu beglücken gedenkt. Auch daran krankt es bei vielen Juristen. Denn beim Schreiben scheinen sie vor allem an die zu denken, mit denen sie sich tagtäglich umgeben: An ihre Kollegen oder an ihre Mandanten, die sie beeindrucken wollen. Aber nur wenige denken an jene, die die Zeitung auch kaufen. Und die Leserschaft ist wesentlich bunter und wesentlich heterogener als die Klientel, die jeden Tag in deutschen und internationalen Wirtschaftskanzleien ein- und ausgeht. Das müssen Sie im Kopf behalten, wenn Sie einem Journalisten als Experte in einer Sachfrage zur Seite stehen oder wenn Sie einen Gastbeitrag schreiben. Sowohl Ihre Kollegen, als auch Ihre Mandanten sind durch Ihre hervorragende Aufklärung schon bestens informiert. Eine zufällige Bekanntschaft auf einer Party ist es nicht. Die müssen Sie für ihr Thema auch noch begeistern.
3.2 Was die Menschen Interessiert Bei Ihrer Arbeit müssen Sie deshalb ganz zwangsläufig ihren Blick weiten und etwas tun, was Ihnen bisher womöglich stets erspart blieb: dem normalen Mann und der normalen Frau auf der Straße zu erklären, was an Ihrer Arbeit eigentlich so spannend ist. Das Beruhigende zuerst: Anwälte sitzen oft auf einem ganzen Berg von strittigen Fragestellungen und praxisrelevanten Streitigkeiten. Es ist eins der größten Missverständnisse, Jura als „lebensfern“ zu bezeichnen. Das ist allenfalls die Vermittlung in der Öffentlichkeit. Aber
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die Themen selbst sind mitten aus dem Leben gegriffen und betreffen oft nicht nur einen Mandanten, sondern viele. Und wenn man es genau betrachtet auch deren Mitarbeiter oder deren Kunden, jedenfalls wenn es um Unternehmen geht. Oder viele Nachbarn, Kollegen, Freunde. Interessanterweise ist auch das wieder leichter gesagt als tatsächlich umgesetzt. Was ist schon eine wirklich gute Geschichte? Darauf gibt es eine erstaunlich klare Antwort: Wenn sie in eine von drei Kategorien fällt. Interessant ist sie dann, wenn sie von grundsätzlicher Bedeutung ist: das Streikrecht für Beamte zum Beispiel oder das NPD-Verbotsverfahren gehören zweifelsohne dazu, weil sich diese Themen um die Rechte und Pflichten von Menschen drehen, und sich an ihnen deshalb Prinzipien ableiten lassen. Wichtig ist ein Thema auch dann, wenn es zwar nicht von grundlegender Bedeutung ist, aber dennoch viele Menschen betrifft, der Diesel-Skandal von Volkswagen fällt in diese Kategorie. Und drittens: Wenn ein Sachverhalt zwar nicht von grundlegender Bedeutung ist und auch nicht besonders viele Menschen betrifft, aber doch so anders, skurril oder auch erschreckend ist, dass das Thema auf einer Party locker ein Gespräch von zwanzig Minuten füllen könnte. Sollte Ihr Thema in eine dieser Schublade fallen, haben Sie voraussichtlich viel Erfolg, wenn Sie das Thema Zeitungen, Radio oder gar dem Fernsehen anbieten.
3.3 Die richtige Pressearbeit: Inhouse oder externe Agentur? Doch schon der richtige Kanal für das Anbieten von Themen ist eine Wissenschaft für sich. Die Pressearbeit in Kanzleien ist kein Neuland mehr, in vielen Sozietäten gibt es schon seit mehr als 15 Jahren Kommunikationsexperten – und trotzdem scheint sich noch immer kein vorherrschendes Modell herausgebildet zu haben. Dabei ist die Daumenregel so simpel: Je näher die „PR-Abteilungen“ an den Kanzleien dran sind, desto besser sind sie in der Regel auch, weil sie sich ein Standing unter den Partnern und Associates erarbeiten können, das für ihre Arbeit unerlässlich ist. Leider tendieren Kanzleien immer noch dazu, ihre PR-Arbeit als Kostenschlucker und lästiges Anhängsel anzusehen und versuchen, den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Doch dann kann man sich diese Aufgaben auch ganz sparen und dorthin zurückkehren, wo Kanzleien jahrzehntelang waren: hinter verschlossenen Türen. Wer dagegen raus in die Welt möchte, muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich als Partner auf Augenhöhe betrachten und darf sich nicht nur mit Berufsanfängern aus dem Marketingbereich umgeben. Auch für diese Mitarbeiter ist eine juristische Expertise essenziell (sonst überleben sie auch nicht lange in dieser speziellen Branche). Denn zu den Aufgaben der PR-Abteilung gehört es auch, „Erwartungsmanagement“ sowohl auf Seiten der Journalisten als auch innerhalb der Kanzlei zu betreiben. Dazu gehört, unrealistische Wünsche abzubiegen und wenn nötig, Forderungen zu stellen. Und dazu gehört auch, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, bevor es der Journalist tut – und womöglich die Zusammenarbeit aus Frust gleich wieder einstellt. Viele Fehler lassen
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sich vermeiden, wenn man die nötige Erfahrung hat. Die wird aber kein Anwalt, keine Anwältin sammeln können, der sich vollständig auf seinen Job und nur nebenbei auf seine Veröffentlichungen konzentriert. Das möge er und sie doch bitte den Experten überlassen – und diese Expertise kann vor allem innerhalb der Kanzleien entstehen. Natürlich gibt es einige PR-Berater, die es auch außerhalb von Kanzleien quasi auf eigenen Beinen zu einem beeindruckenden Standing gebracht haben. Doch diese Exem plare sind noch immer sehr selten. Viel mehr überwiegt die Schar von PR-Agenturen, die sich neben vielen anderen Betätigungsfeldern auch im Themenbereich „Recht“ tummeln, die mehr schlecht als recht Themenvorschläge absondern und diese dann großräumig in den Redaktionen verteilen. Manchmal werden gleichzeitig drei, vier oder fünf Journalisten des gleichen Mediums aber aus unterschiedlichen Redaktionen mit ein- und demselben Thema behelligt. Es dauert meist nicht mehr als fünf Minuten, bis diese Massenbeglückung auffliegt und einen Eindruck der Unprofessionalität hinterlässt: Wenn schon so viele Redakteure eines Mediums damit bombardiert werden – wie viele andere Zeitungen und Radiosender sind dann womöglich auch bedacht worden? Exklusivität ist auch in den Zeiten der Massenmedien wichtig – womöglich wichtiger denn je. Zu der Expertise der PR-Beauftragten gehört es zudem, die Anwälte in ihren Stärken und Schwächen zu kennen und für den Journalisten eine Vorauswahl zu treffen. Nicht immer sind die größten Experten auch die überzeugendsten Gesprächspartner. Einen Sachverhalt kurz und knapp und womöglich sogar geistreich auf den Punkt zu bringen, ist eine Kunst an sich. Wer diese beherrscht, kann es zu den wenigen Stars der Jura-Experten bringen. Umgekehrt wird sich jeder Anhänger von Schachtelsätzen schon nach fünf Minuten entlarven, und schnell ist dann klar: Wer schon im gesprochenen Wort auf Ketten- Relativsätze nicht verzichten mag, wird es auch nicht tun wollen, wenn er seine Worte in geschriebener Form sieht. Absolut unerlässlich ist es jedoch, dass die PR-Profis mit den Abläufen in einem Medienhaus vertraut sind. Mit den Ablauf der Konferenzen, den Zwängen einer gedruckten Presse (kaum Platz) und von Funk und Fernsehen (keine Zeit). Wer niemals einen Verlag von ihnen gesehen hat, bekommt kaum eine Vorstellung davon, wie Medien entstehen.
3.4 Von Formen und Fristen Form und Frist sind dem Juristen geläufig: Nur ein pünktlicher Anwalt ist auch ein guter Anwalt. Das lernt jeder Jurastudent; spätestens im Referendariat wird dieses Thema unumgänglich. Umso erstaunlicher ist es, welche Freiheiten sich Anwälte in der Zusammenarbeit mit Journalisten nehmen, ganz so als gäbe es keinen Redaktionsschluss, als ließe sich zur Not auch Freiraum drucken – als Platz für die eigenen Notizen. Das Gegenteil ist der Fall: Prompte und pünktliche „Lieferung“ ist die Grundvoraussetzung für jede Art der Zusammenarbeit. Wer sich als unzuverlässig erweist, wird schnell aussortiert. Bei mehr als 166.000 Anwälten in Deutschland wahrlich keine schwierige Aufgabe.
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Dazu muss man sich nur einmal kurz gedanklich mit der Arbeitstaktung der Journaille auseinandersetzen: Online-Redaktionen kennen keinen Redaktionsschluss mehr. Hier herrscht die Grundregel 24/7. Im Printjournalismus ist noch immer ein Redaktionsschluss von spätestens 17 Uhr die Regel, danach sind die Druckereien kaum mehr aufzuhalten, nur um ein Zitat noch schnell umzuschreiben. Und nur wenig ist schlimmer, als den Redaktionsschluss wegen eines säumigen Experten zu reißen. Für die tägliche Berichterstattung bedeutet das konkret: Ein Urteil ist vor allem an dem Tag interessant, an dem es verkündet wird, nicht zwei Tage oder zwei Wochen danach. Das heißt, eine schnelle Einschätzung ist vonnöten. Dass dabei auch Fehler geschehen können, ist nachvollziehbar und leider nicht zu vermeiden. Aber das heißt nicht, dass es man es deshalb nicht versuchen sollte. Fachjournalisten stehen jeden Tag vor diesem Problem. Das Bundesarbeitsgericht nimmt in seiner Rechtsprechung nur wenig Rücksicht auf den Redaktionsschluss der Zeitung, oft kommt noch gegen 16 Uhr ein Urteil von grundsätzlicher Bedeutung. Mit der nötigen Expertise ist das auch zu bewältigen, die Fachjuristen wissen schließlich ganz genau, auf welchen Halbsatz es in einem Urteil ankommt. Nur auf das Bundesverfassungsgericht ist Verlass: Die großen Urteile, die es verkündet, werden lange angekündigt und stets um 10 Uhr veröffentlicht. Etwas mehr Zeit kann man sich bei der Bewertung Gesetzesvorhaben nehmen. In der aktuellen Berichterstattung nehmen ohnehin die Reaktionen der Fachpolitiker und der Opposition einen breiten Raum ein. Eine Einordnung der Juristen ist oft erst dann gefordert, wenn es an die Umsetzung geht, also kurz vor Inkrafttreten der Regelungen.
3.5 Von der Schönheit der einfachen Sprache Ein ähnliches Missverständnis beherrscht den Schreibprozess selbst: Der leichte, eingängige Text ist keineswegs auch der, der am einfachsten von der Hand geht. Es kommt einer Mammutaufgabe gleich, einen komplizierten Sachverhalt so herunter zu brechen, dass auch Tante Erna ihn versteht. Es bedeutet nämlich, dass der Autor den Sachverhalt und seine juristische Bedeutung komplett versteht, ihn in den Kontext setzen und bewerten kann. Umgekehrt ist nichts einfacher, als einen komplizierten Artikel ins Blatt zu heben: Dann nämlich muss man gar nichts selbst verstehen, sondern kann andere sprechen lassen: Richter, Gesetzgeber und die Juristen, die in besonders akkurater Form von der „Feststellungsklage“ schwadronieren oder mit der größten Selbstverständlichkeit die Voraussetzungen eines „Amtshaftsanspruchs“ durchdeklinieren. Dass sich diese Begriffe mitnichten selbst erklären, haben sie nach sechs Jahren Ausbildung und etlichen Jahren Berufserfahrung vergessen. Der Leser jedoch ist ungeduldig: Stößt er auf Widerstand, stellt er das Lesen ein. Von einer Sekunde auf die nächste, denn inzwischen gibt es genug anderes, mit dem er sich beschäftigen kann. Schon der Altmeister des deutschen Journalismus, Wolf Schneider, sagte einmal: „Einer wird viel Arbeit haben – entweder Sie oder der Leser.“ Die Wahl mag es früher einmal ge-
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geben haben, doch inzwischen ist sie längst entschieden: Der Leser weigert sich, die Arbeit zu erledigen, deshalb müssen sie Journalisten leisten, wenn sie wollen, dass sie gelesen werden. Das gleiche gilt für Gastautoren, die Gelegenheit bekommen, sich über 120 Zeilen oder mehr zu einem Thema auszubreiten. Die Zeiten, in denen einfach nur durchgewinkt wurde, sind lange vorbei. Die Redaktionen, meist bestückt mit vielen und leidenschaftlichen Nicht-Juristen, sind nicht mehr bereit, Fachjargon kommentarlos zu drucken – weil wiederum die Leser nicht mehr bereit sind, diesen widerstandslos zu konsumieren. Meist macht die Form vielen Juristen noch Schwierigkeiten, dabei sollten gewisse Grundregeln der Ausdrucksweise eigentlich auch in der Kommunikation mit Gerichten und Mandanten selbstverständlich sein: Passivkonstruktionen sind kein Ausweis von Eleganz, sondern von Faulheit. Wer die passive Ausdrucksweise praktiziert, macht sich keine Gedanken über die handelnden Personen. Doch die sind immer wichtig. Der Nominalstil mag irgendwann einmal seinen Reiz gehabt haben, in der Zeitung hat er genauso wenig zu suchen, wie im Gespräch. Das gleiche gilt für Abkürzungen. Juristen mögen verrückt nach Abkürzungen sein und sie auch so geschickt im eigenen Redefluss einbauen, dass es für Zuhörer mit Zusatzexpertise eine wahre Freude ist, außerhalb von Fachzeitschriften haben sie dagegen nichts zu suchen. Sie stören den Lesefluss und bringen Nichtjuristen zum Grübeln, sie stören mehr als dass sie helfen. Ob ein Artikel gelungen ist, zeigt ein einfacher Trick: Wer seinen eigenen Text laut vorlesen kann, ohne sich zu verhaspeln oder das Gesicht zu verziehen, kann sicher sein, dass er auch gelesen wird. Wem das nicht gelingt, dem harrt eine harte Redigatur. Die harrt übrigens auch dem, der sich nicht an Längenvorgaben halten kann. Unlängst ist ein Jurastudent mit einer Klage gegen die Benotung seiner Hausarbeit gescheitert. Er hatte den Rand der Hausarbeiten absichtlich zu knapp bemessen, um noch möglichst viel Inhalt auf die Seiten zu pressen. Das ist kein Ausweis von besonderer Schlauheit, fand der Professor, sondern ein Hinweis darauf, dass der Student noch nicht in der Lage ist, Schwerpunkte zu setzen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Der Professor hat ihm deshalb für jede überschüssige Seite einen Punkt von der Gesamtnote abgezogen – mit dem Ergebnis, dass der Student die Hausarbeit nicht bestanden hat. Ähnliches wünschen sich übrigens auch Journalisten, die mit Gastautoren zu kämpfen haben, die in schöner Regelmäßigkeit die vorgegebenen Seitenzahlen sprengen. 75 Zeilen sind 75 Zeilen und werden selten mehr. Nichts ist schlimmer als der tägliche Kampf mit dem Layout und den möchten Journalisten nicht deshalb führen, weil Anwälte sich nicht kurz halten können.
3.6 Das taugliche Zitat Womit wir bei einem weiteren heiklen Punkt in der Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Juristen sind: Das geschriebene Wort kann Entsetzen auslösen – vor allem bei dessen Urheber. Dass Anwälte sich vor Gericht nicht selbst vertreten sollen, hat einen guten
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Grund. Ebenso zentral ist die Erkenntnis, dass sie auch schlecht dazu geeignet sind, ihre Wirkung in Medien einzuschätzen, besonders übrigens, wenn es um ein Porträt gibt. Zu trivial, zu undifferenziert, zu umgangssprachlich finden viele Anwälte ihre eigenen Zitate, die sie nach einem langen Interview in kurzen Sätzen auf Papier gedruckt sehen. Gerne wollen sie dann noch eine kleine Relativierung einbringen oder wenigsten ein bisschen Nominalstil, damit das Zitat mehr wie gedruckt und nicht wie gesprochen daherkommt. Das ist meist der eigentlich Grund hinter dem oft geäußerten Wunsch, die Zitate vor Abdruck noch einmal überprüfen, also „autorisieren“ zu können. Höchst selten kommt es vor, dass wirklich einmal ein Zitat falsch ist oder aus dem Kontext gerissen. Nichts jedoch marginalisiert ein Zitat mehr als eine Relativierung einer ansonsten klaren Aussage, eine Schachtelkonstruktion in einer ansonsten launigen Formulierung. Sie machen ein Zitat schlicht unbrauchbar. Das muss erkennen, wer in die Zeitung will. Die Regel ist einfach: Wer Angst vor den schiefen Blicken des Kollegen oder einer vermeintlichen Entblößung vor den Mandanten, sollte keine Interviews geben oder Gastbeiträge schreiben. Für den Journalisten zählt nur, ob der interessierte Leser die Ausführungen versteht – und nicht etwa, ob die Geschäftskontakte des Autoren einen günstigen Eindruck bekommen. Das ist auch der Grund dafür, dass Journalisten Autorisierungen in der Regeln ablehnen, Kanzleien jedoch der Meinung sind, sie können ohne gar nicht mehr arbeiten. Diesen grundsätzlichen Widerspruch wird man nicht aus dem Weg räumen können, deshalb ist es umso wichtiger, dass man professionell mit ihnen umgeht. Hier gilt die Regel: Wer Zitate autorisieren möchte, muss dies vorher absprechen. Journalisten werden das nicht von sich aus ansprechen, deshalb müssen es die PR-Beauftragten tun. Ohnehin schätzen viele falsch ein: Es gibt in der Regel nur einen Menschen, der sich vertieft mit einer konkreten Formulierung auseinandersetzt – der Urheber selbst. Der Rest der Menschheit liest locker über den Text, freut oder ärgert sich, wenn er einen bekannten Namen sieht, aber das hat weniger mit der Formulierung selbst, als mit der langjährigen Zusammenarbeit zuvor zu tun. Die überwiegende Mehrheit der Leser aber verbindet – pardon – rein gar nichts mit dem Gastautoren oder dem zitierten Experten und dann zählt nur, ob das Thema pointiert und verständlich umschrieben ist. Umso besser ist es, wenn man sich dabei als Leser auch noch amüsieren kann.
3.7 Zu guter Letzt Gut recherchierte Nachrichten, Kommentare, Analysen, Reportagen sind heute wichtiger denn je, seit die Kanäle voll sind von Menschen, die „irgendwas mit Medien“ machen wollen und soziale Medien wie Twitter und Facebook die Nachrichtenlage bestimmen. Anwälte können dabei helfen, juristische Themen einzuordnen und zu sortieren. Sie sind dabei aber nur bedingt unabhängig und frei, sondern im besonderen Maße ihren Mandanten verpflichtet. Allzu häufig werden Juristen deshalb auch zur „Partei“ und kommen deshalb im Konflikt mit Journalisten, die gehalten sind, neutral und abgewogen zu berichten.
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Dazu gehört eben auch, Interessen offen zu legen. Wer das im Hinterkopf behält, kann auf eine fruchtbare Zusammenarbeit hoffen: Juristen und Journalisten haben sich viel zu sagen.
Corinna Budras ist Redakteurin im Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Sie berichtet dort über rechtliche Themen und Neuigkeiten aus der Anwaltsbranche. Sie studierte Jura in Berlin und Belgien und absolvierte die Berliner Journalisten-Schule. Ab 2003 arbeitete sie als ‚Legal Reporter‘ für Bloomberg News, bevor sie 2005 als Redakteurin ins Wirtschaftsressort der FAZ wechselte. Dort schrieb sie über Wirtschaftsrecht und betreute „Recht und Steuern“ sowie „Beruf und Chance“. Zwischen 2014 und 2020 war ist sie im Redaktionsteam des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, seit August 2020 ist sie Wirtschaftskorrespondentin der F.A.Z. in Berlin.
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Kanzleiwebseiten Julia Wild
Online-Präsenz und digitale Vernetzung sind auch für Wirtschaftskanzleien unverzichtbar geworden. Eine gute Seite ersetzt keine gute Beratung, aber sie hilft enorm bei Kundengewinnung und der Außendarstellung der eigenen Kanzlei. Inzwischen haben alle großen Wirtschaftskanzleien eine Internetpräsenz. Vielen merkt man allerdings an, dass sie mehr aus Pflichtgefühl, denn aus Überzeugung angelegt wurden. Wer auf der Suche nach einer Kanzlei ist, hat viele verschiedene Möglichkeiten. Entweder er verlässt sich auf Empfehlungen von Kollegen1 oder aus dem Bekanntenkreis. Stattdessen kann er auch eine mehr oder weniger qualifizierte Suche bei Google starten. Er kann alternativ den einschlägigen Rankings von Juve, The Legal 500 Handelsblatt/Best Lawyers und weiteren Anbietern folgen. All diese Methoden den richtigen Partner für sich oder seine Firma zu finden haben aber eines gemeinsam: Sie führen den potenziellen Mandanten auf Ihre Webseite. Die Webseite ist so etwas wie eine Online Visitenkarte oder ein Schaufenster für Ihre Dienstleistungen und ein relevantes Tool bei der Akquise, wie auch bei der Bindung von Mandanten. Hier kommt es darauf an, dass Sie sich positiv aus der Masse abheben. Egal welche Größe eine Kanzlei hat, sie sollte Ihren Mandanten die Möglichkeit geben, sich über die Dienstleistungen, Kompetenzen und das Team zu informieren. Nicht zuletzt wird sich wohl jeder Bewerber zuerst im Internet einen Eindruck über Ihre Kanzlei verschaffen wollen. Und wie heißt es so schön? „Der erste Eindruck zählt!“
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
J. Wild (*) Hamburg, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_4
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Deshalb ist es wichtig, dass die Webseite das Image und die Persönlichkeit der Kanzlei widerspiegelt. Überlegen Sie, welche Werte Sie als Kanzlei vertreten. Diese Werte sollten sich wie ein roter Faden durch die Seiten ziehen. Legen Sie Wert auf gute Formen und vertreten eher konservative Werte, so sollte Ihre Seite das zeigen. Knallige Farben wären hier ebenso fehl am Platz wie lockere Texte oder eine flapsige Ansprache. Handelt es sich bei Ihrer Kanzlei um eine moderne, junge Boutique, dann darf es ruhig bunter und lockerer sein. Gestaltung und die Präsentation der Inhalte sollten ansprechend und professionell sein und sowohl Werte als auch die Philosophie der Kanzlei vermitteln. Mit einer solchen Webseite gewinnt man Vertrauen und stärkt sein Image. Um erfolgreich zu sein braucht es zugegebenermaßen mehr als eine überzeugende Webseite, aber eine professionelle und ansprechende Kanzleiseite ist ein wesentlicher Faktor, die individuellen Zielgruppen zu erreichen und zu überzeugen.
4.1 Zielgruppen Bei Kanzleiwebseiten kann man zwischen drei wesentlichen Zielgruppen unterscheiden. Die eine Gruppe ist die der potenziellen Mandanten, denen die Sozietät bisher unbekannt war und die auf einem der oben beschriebenen Wege auf die Webseite aufmerksam geworden sind. Dann gibt es die Gruppe der Mandanten. Solche, die es sind oder schon einmal waren. Die hatten alle bereits Kontakt zu Ihnen, sind also quasi Bekannte. Die dritte Gruppe – alle natürlich an dieser Stelle grob zusammengefasst – sind Bewerber oder zumindest Interessierte. Diese heterogene Zusammensetzung von Besuchergruppen gilt es mit der Webseite gleichermaßen zufrieden zu stellen. Denn im Idealfall sollen aus potenziellen Mandanten oder Bewerbern auch feste Mandanten bzw. Mitarbeiter werden, Und aktuelle Mandanten sollen Mandanten bleiben. Potenzielle Mandanten Dass der potenzielle Mandant es auf die Webseite geschafft ist, ist schon ein gutes Stück des Erfolgs. Nun, da er da ist, gilt es, ihn zu überzeugen. Da ist die optische Gestaltung der Webseite nur eine kleine Facette. Viel wichtiger sind hier Inhalte und Usability. Die Kanzlei sollte sich umfassend präsentieren: • • • • • •
Leistungen Internationale Vernetzung Team (das nicht ausschließlich Anwälte umfassen muss!) aktuelle Meldungen wie z. B. Pressemeldungen Referenzen und Auszeichnungen Einblicke in die Kanzlei (Management, Standorte, Werte und Engagement)
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Mandanten Bestehende Mandanten suchen auf der Webseite andere Inhalte. Ihnen ist die Firma bereits bekannt und ihre Belange gehen oft mehr in die Tiefe. Für diese Personen sind folgende Aspekte führend: • News wie Blogbeiträge oder Veröffentlichungen • Veranstaltungen • Informationen zum Team, um den richtigen Ansprechpartner (wieder) zu finden sowie die entsprechenden Kontaktmöglichkeiten • Standorte mit Anfahrtsbeschreibungen Bewerber Für Bewerber ist naturgemäß der Karriereteil der Seite von größtem Interesse. Hier sollte alles zu finden sein, was potenzielle Mitarbeiter interessieren könnte: • freie Stellen • Einblicke in die Arbeit der Kanzlei (hier eigenen sich Videos hervorragend um einen realen Eindruck zu vermitteln) • die Werte, für die die Kanzlei steht • Möglichkeiten, die Kanzlei kennenzulernen (Workshops, Karrieremessen und weitere karriererelevante Veranstaltungen) Und weil Mitarbeiter und damit Bewerber und potenzielle Bewerber das wichtigste Gut der Kanzlei darstellen, muss die Karriere Seite gut sichtbar in die Hauptnavigation.
4.2 Aufbau einer Kanzleiwebseite Eine benutzerfreundliche Kanzleiwebseite sollte leicht navigierbar sein und den Nutzern ermöglichen, die gewünschten Informationen schnell und einfach zu finden. Dazu gehören: • • • • • •
klare und übersichtliche Navigation schnelle Ladezeiten responsives Design, das auf verschiedenen Geräten und Bildschirmgrößen funktioniert verständliche und prägnante Texte aussagekräftige Bilder und Grafiken einfacher Zugang zu Kontaktinformationen und Beratungsterminen
Wer eine Webseite besucht, landet in den allermeisten Fällen erstmal auf der Startseite. Diese Seite ist die Eingangshalle für Nutzerinnen und Nutzer der Seite. Und genau so sollte sie auch aufgebaut sein. Man kann sich die Startseite wie einen Flur in Ihrem Haus vorstellen. Im Idealfall sind die wichtigen und am häufigsten frequentierten Räume von
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hier aus direkt erreichbar. Und wie bei einem Haus sollten man auch für einen Internetauftritt zuerst einen guten „Grundriss“ anlegen. Was ist wichtig, welche Inhalte sollen transportiert werden und welche davon werden besonders hervorgehoben. Erst danach folgt die Entscheidung darüber, welche Art der Darstellung sinnvoll ist. Die Mühe, die Kanzleien hier investieren, wird sich später auszahlen. Schaffen Sie gleich von hier aus einen guten Überblick über Ihre Inhalte. Die wichtigsten Informationen als Teaser zur Ihren neuesten Meldungen stellen z. B. gleich klar: hier passiert etwas, die Kanzlei ist mitten im Geschehen, auf der Höhe der Zeit umtriebig und kompetent. Um dem Nutzer gleich einen guten Zugang zu den verschiedenen Bereichen der Webseite zu ermöglichen, sind Navigationsmenüs oder Quicklinks sinnvolle Gestaltungselemente. Aus dem Teaser der aktuellen Meldung beispielsweise geht es per Klick in die Meldung. Dort wird man bei Interesse auf die Übersicht aller Pressemeldungen geführt. So zeichnet man den Weg durch interessante Bereiche. Überall, wo etwas auf Interesse stößt, wird gleich mehr davon angeboten. Eine klare Struktur und eine übersichtliche Aufteilung der Inhalte tragen in jedem Falle dazu bei, dass Besucher länger auf der Webseite bleiben und sich intensiver mit den Inhalten auseinandersetzen. Das setzt eine durchdachte Planung voraus. Wer hierfür keine Experten im Haus hat, sollte sich unbedingt Rat und Hilfe von externen Profis holen.
4.2.1 Inhalt Der Inhalt einer Kanzleiwebseite sollte informativ, relevant und aktuell sein. Dazu gehört: • • • • • • •
Vorstellung der Kanzlei, ihrer Philosophie und Werte detaillierte Vorstellung des Teams Übersicht über die angebotenen Rechtsgebiete und Dienstleistungen aktuelle Nachrichten und Entwicklungen aus der Branche Blogbeiträge und Fachartikel, die die Expertise der Kanzlei demonstrieren Informationen zu Veranstaltungen und Webinaren Kontaktinformationen und eine Möglichkeit, Beratungstermine zu vereinbaren
Die Webseite sollte informativ und präzise sein, um potenzielle Mandanten zu überzeugen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Eine klare Aussage darüber, was die Kanzlei anbietet und wie sie sich von anderen Kanzleien unterscheidet, sollte bereits auf der Startseite der Webseite deutlich werden. um Interesse zu wecken und die Verweildauer zu erhöhen. Die Webseite ist auch ein wichtiges Medium um Kontakt mit der Kanzlei aufzunehmen. Die Kontaktdaten der Anwälte auf deren Porträtseiten oder ein Kontaktformular bieten Möglichkeiten um direkten Kontakt aufzunehmen. Das Kontaktformular kann einige Informationen abfragen und z. B. über eine Abfrage des Anliegens an den richtigen Ansprechpartner geleitet werden.
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4.2.2 Team Ein zentraler Bestandteil der Kanzlei sind die Menschen, die sie ausmachen. Das sollte auf Ihrer Webseite deutlich werden. Die Anwältinnen und Anwälte, deren Wissen, deren Kompetenzen und die Erfahrung, die diese mitbringen, sind das Kapital der Kanzlei, das Pfund mit dem man wuchern kann – und sollte! Widmen Sie den Menschen Ihrer Kanzlei einen großen Bereich. Stellen Sie jede Person in den Mittelpunkt einer eigenen Seite – dem Anwaltsprofil. Hier finden alle drei oben beschriebenen Zielgruppen interessante Inhalte. Mandanten finden Menschen, mit denen sie bereits zusammengearbeitet haben oder solche, die erweiterte Kompetenzen in anderen Bereichen anbieten. So lassen sich aus bestehenden Mandaten evtl. noch Folgeaufträge generieren. Potenzielle Mandantinnen und Mandanten möchten wissen, mit wem sie es zu tun haben werden. Im besten Fall sehen sie gleich, ob „die Chemie“ stimmt. Nicht zuletzt sind auch Bewerberinnen und Bewerber interessiert an den Menschen in Ihrer Kanzlei. Schließlich können das ihre Kollegen von morgen sein. Hierfür sind professionell gemachte Profilfotos und kurze Beschreibungen der Anwälte hilfreich, um einen Einblick in deren Persönlichkeiten und Qualifikationen zu geben. Auch Angaben über deren Veröffentlichungen, Auszeichnungen, Erfolge und besondere Qualifikationen sollten auf der Webseite aufgeführt werden.
4.2.3 Leistungen Ein weiterer, wichtiger Aspekt ist die Darstellung der Dienstleistungen der Kanzlei auf der Webseite. Hier sollten die angebotenen Leistungen klar und auch für Laien verständlich beschrieben werden. Es ist zudem empfehlenswert, auf der Webseite Referenzen für erfolgreich abgeschlossene Mandate oder Projekte anzuführen, um potenzielle Mandanten von der Expertise der Kanzlei zu überzeugen. Hierbei können konkrete Kundenreferenzen, -zitate oder Empfehlungen hilfreich sein, um die Reputation der Kanzlei und deren Berater zu belegen. Die Webseite sollte auch über einen Blog oder Newsbereich verfügen, in dem regelmäßig neue Inhalte veröffentlicht werden. Hier können Themen aufgegriffen werden, die für Mandanten relevant sind, wie beispielsweise Gesetzesänderungen oder aktuelle Rechtssprechungen, die die Branchen der Mandanten betreffen. Dadurch kann die Kanzlei einmal mehr ihre Kompetenz und ihr Fachwissen untermauern.
4.3 Technik Spätestens nachdem man sich über den Inhalt und den groben Aufbau der Seite im Klaren ist, muss über die der Programmierung zugrunde liegende Technik entschieden werden. Die Entscheidung fällt hier zwischen einem Content Management System (CMS) wie z. B. Typo3 und einem der vielen angebotenen Baukastensysteme.
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Tab. 4.1 Vor- und Nachteile von Baukastensystem versus CMS (Tab. 4.1): Vorteile. Nachteile Baukastensystem - einfache Pflege der Inhalte auch für Laien - automatische Updates - Hosting inkl. CMS
- komplett individuelle Gestaltung - große Flexibilität bei Funktionen - Sicherheit durch eigene Kontrolle über Content und Hosting
- mangelnde Flexibilität in Gestaltung - ab einer bestimmte Webseitengröße nicht mehr sinnvoll - keine 100 %ige Kontrolle über Inhalte und Hosting - Programmierung aufwändig (nur vom Profi zu machen) - eigenes Hosting - Updates
Es lohnt sich die optimale Technik auszuwählen, denn die Entscheidung für das richtige System kann später viel Zeit, Geld und Ärger ersparen. Die Seite www.gvw.com der Kanzlei GvW Graf von Westphalen zum Beispiel basiert wegen ihrer Größe und der Flexibität der Programmierung auf dem Open Source System Typo3. Trotzdem handelt es sich im Hintergrund um ein Baukastensystem mit individuell programmierten Bausteinen, um die Vorteile beider Systeme zusammenzuführen und die Pflege der Seite denkbar einfach zu halten. Die Programmierung einer großen Webseite auf Basis eines CMS sollten Kanzleien in jedem Fall besser den Profis überlassen. Es gibt inzwischen viele Agenturen, die sich auf die Programmierung von Webseiten für Kanzleien spezialisiert haben. Die Kosten variieren natürlich nach Art und Umfang der gewünschten Features.
4.3.1 Datenschutz In Übereinstimmung mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sollten Kanzleiwebseiten transparente Datenschutzrichtlinien und ein Impressum enthalten.
4.3.2 Hosting Die Auswahl des richtigen Hostings kann viele Faktoren beeinflussen. Sicherheit Eine sichere Webseite schützt sowohl die Kanzlei als auch die Nutzer vor Hackerangriffen und Datenlecks. Eine SSL-Verschlüsselung (HTTPS) ist unerlässlich, um die Kommunikation zwischen der Webseite und den Nutzern abzusichern. Auch hier ist die Wahl deines seriösen Anbieters von enormer Bedeutung. Webhosting-Anbieter sollten offenlegen, welche Maßnahmen sie gegen Hacker und Cyberangriffe ergreifen und wie die Server physisch geschützt werden. Bei einem Hackerattacke oder einem Malware- Angriff können ihre Daten sonst innerhalb von Minuten verschwinden.
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Ladezeiten Eine schnelle Ladezeit ist entscheidend für eine gute User Experience. Die Erfahrung zeigt: Je schneller Google und andere häufig besuchte Websites werden, desto weniger ist der Nutzer bereit bei Ihrer Website lange auf das Laden der einzelnen Seiten zu warten. Die Toleranzschwelle sinkt. Hier gilt: am Hosting der Seite zu sparen ist keine gute Idee. Gleichzeitig können langsame Webseiten das Crawling der Suchmaschinen verlangsamen, was zu einem schlechteren Ranking führt. Das Webhosting ist ein relevanter Faktor in der Suchmaschinenoptimierung (SEO). So kann die Entscheidung für einen Anbieter auch direkten Einfluss auf die Erreichbarkeit der Seite nehmen. Die Wahl des passenden Webhosters ist damit eine richtungsweisende Entscheidung bei der Planung eines Internet-Auftritts.
4.4 SEO Nicht selten kommt es vor, dass potenzielle Mandanten nach einer ganz konkreten Pro blemstellung im Internet suchen. Die sicherste Art als Top-Suchergebnis zu erscheinen ist natürlich, genau diese Kette an Suchworten in ebendieser Reihenfolge für Google (und andere Suchmaschinen) auf der Seite parat zu haben. Das wird selten vorkommen, aber wenn viele konkrete Inhalt auf der Seite vorhanden sind, erhöht sich auch die Chance in den Ergebnisseiten auf den oberen Plätzen zu landen. Eine Auswertung von Johannes Beus, CEO von SISTRIX hat ergeben, dass das erste organische (nicht bezahlte) Ergebnis eine Klickrate von 28,5 % hat. Danach sinken die Klickraten rapide ab. Schon der zweite Eintrag erzeugt nur noch eine Klickrate von 15,7 %. Der zehnte und letzte Platz auf der ersten SERP (Search Engine Result Page, deutsch Suchergebnisseite) hat nur noch eine Klickrate von 2,5 %, also nicht einmal ein Zehntel des ersten Ergebnisses. Suchergebnisse auf der zweiten Seite werden faktisch nicht mehr wahrgenommen. Auf dieser begehrten ersten Seite der Suchergebnisse zu landen bedeutet viel Arbeit oder aber Geld für Experten, die die Suchmaschinenoptimierung Ihrer Website anlegen. Eine gute SEO-Strategie umfasst unter anderem: • Keyword-Recherche: Identifizieren der relevanten Keywords, die potenzielle Mandanten bei der Suche nach einer Kanzlei verwenden. • On-Page-Optimierung: Anpassung von Titeln, Meta-Beschreibungen, Überschriften und Inhalten, um die Keywords zu integrieren und die Webseite für Suchmaschinen attraktiv zu gestalten. • Technische Optimierung: Verbesserung der Ladegeschwindigkeit, des Responsive Mobilfreundlichkeit und der internen Verlinkung, um die Nutzererfahrung und das Ranking in den Suchergebnissen zu verbessern. • Off-Page-Optimierung: Erhöhung der Autorität der Webseite durch Backlinks von vertrauenswürdigen und themenrelevanten Quellen.
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Die Verwendung und das Herausstellen relevanter Keywords sind wichtige Maßnahmen zur Suchmaschinenoptimierung. Diese sollten in den Überschriften, den Texten und im Idealfall auch den Meta-Description-Tags enthalten sein, um den Suchmaschinen zu si gnalisieren, welche Themen auf der Webseite behandelt werden. Nutzt man dabei auch nach Keywords, die vielleicht nicht so häufig verwendet werden, kann das durchaus bessere Ergebnisse bringen. Eine Google-Suche vom März 2023 ergab z. B. bei meiner Suche nach „Rechtsanwältin“ nur 5 % der Anzahl der Ergebnisse, die die Suche nach dem Wort „Rechtsanwalt“ erbrachte. Blogbeiträge sind sehr gut geeignet um Nutzer zu informieren und auch zur Suchmaschinenoptimierung über Inhalte. Aus SEO-Sicht summieren sich ein paar Blogbeiträge pro Monat über die Jahre zu einem großen Reservoir an hochwertigen Inhalten. Die Beiträge sollten informativ und präzise ein und auf die Bedürfnisse und Fragen der potenziellen Mandanten eingehen. Dabei ist es wichtig, dass die Texte einzigartig und relevant sind, um sich von anderen Webseiten abzuheben und nicht sogenannten „duplicate con tent“ bei Google erzeugen. Eine gute interne Verlinkung ist ebenfalls wichtig für eine erfolgreiche SEO-Strategie. Dabei sollten interne Links zu anderen relevanten Seiten gesetzt werden, um den Nutzern eine bessere Navigation zu ermöglichen. Auch die Verwendung von Bildern und Videos kann dazu beitragen, die Attraktivität und den Mehrwert der Webseite zu steigern. Videos, die auf dem eigenen YouTube-Kanal (YouTube gehört zum gleichen Konzern wie Google) liegen, sind ebenso von Vorteil wie gute Bilder, bei denen aussagekräftige Alt-Texte (Alternativtexte) hinterlegt sind. Neben der Optimierung der Inhalte sollten auch die Meta-Description- und Title-Tags der Kanzleiwebseite optimiert werden. Die Meta-Description ist eine kurze Zusammenfassung des Inhalts der Webseite, die in den Suchergebnissen angezeigt wird. Sie sollte prägnant und informativ sein und potenzielle Mandanten dazu animieren, die Webseite zu besuchen. Der Title-Tag ist der Titel der Webseite, der in den Suchergebnissen angezeigt wird. Er sollte die wichtigsten Keywords enthalten und möglichst kurz und prägnant sein. Nicht zuletzt trägt auch die Verwendung von Social-Media-Kanälen dazu bei, die Sichtbarkeit der Webseite zu erhöhen. Durch die Veröffentlichung von relevanten Inhalten auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, X (ehem. Twitter), oder LinkedIn kann die Reichweite der Kanzleiwebseite gesteigert werden. Insgesamt sorgt eine erfolgreiche SEO-Strategie dafür, dass die Seite nicht schneller gefunden wird, sondern anderen Seiten in den Suchmaschinen vorgezogen wird.
4.5 Barrierefreiheit Barrierefreiheit bedeutet, dass eine Webseite so gestaltet ist, dass sie für alle Menschen zugänglich ist. Unabhängig von eventuellen Einschränkungen wie Seh- oder Hörbehinderungen oder motorischen oder kognitiven Einschränkungen. Um eine barrierefreie Webseite zu gestalten, gibt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Einer davon ist die Verwendung
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von Alt-Texten für Bilder, die dann von Screenreadern vorgelesen werden können. Das ermöglicht Menschen mit Sehbehinderungen den Zugang zu Bildern und Grafiken auf der Webseite. Auch die Möglichkeit, die Webseite per Tastatur zu bedienen, ist ein wichtiger Aspekt der Barrierefreiheit, da nicht alle Menschen in der Lage sind, eine Maus zu verwenden. Bereits im Jahr 2021 hatten 66 % aller Unternehmen eine eigene Webseite (vgl. entsprechende Auswertungen bei Statista). Viele bieten ihre Waren und Dienstleistungen darüber an. Eine Möglichkeit, die Personen ausschließt, die aufgrund körperlicher Einschränkungen Webseiten nicht nutzen können. Die EU Richtlinie 2102 verpflichtet nun alle öffentlichen Institutionen und Unternehmen, die eine bestimmte Größe erreichen, zu barrierefreien Angeboten. (siehe ausführliche Erläuterungen unter https://www.bundes fachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz_node.html) Anzuwenden ist diese Richtlinie ab Mitte 2025, soweit dies vom Gesetzgeber gefordert ist. Was sollte aber eine Kanzlei davon abhalten, dieser Verpflichtung schon früher nachzukommen und sich eine große, neue Zielgruppe zu erschließen? Es ist daher sinnvoll, diese Richtlinie so bald wie möglich umzusetzen. Aus sozialen, wie auch aus wirtschaftlichen Gründen. In Deutschland haben sich bereits einige Firmen darauf spezialisiert, eine sogenannte „Assistenzsoftware“ anzubieten, mit dem die technischen Voraussetzungen für die Barrierefreiheit geschaffen werden kann. Bei Einsatz eines Tools muss die Seite inhaltlich so aufbereitet werden, dass die Software optimal arbeiten kann. Eine leicht verständliche Sprache, barrierefrei Dokumente und ALT-Texte (alternative Texte) sind hier die Schlagworte. Zudem gibt es auch bestimmte Design- und Strukturprinzipien, die bei der Gestaltung einer barrierefreien Webseite zu berücksichtigen sind. Zum Beispiel ist es wichtig, eine klare und logische Struktur der Webseite zu schaffen, damit alle Inhalte leicht zugänglich sind. Die Verwendung von Schriftarten und Farben sollte ebenfalls berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die Webseite gut lesbar ist. Eine barrierefreie Webseite hat nicht nur den Vorteil, dass sie für alle Menschen zugänglich ist, sondern eine gute Struktur, kann beispielsweise von Suchmaschinen leichter erfasst werden und unterstützt dadurch die SEO-Bemühungen des Betreibers zusätzlich. Alles in allem bedeutet diese Barrierefreiheit einigen Aufwand, der sich aber auch in anderen Bereichen auszahlt. Insgesamt ist die Umsetzung von Barrierefreiheitsrichtlinien auf Webseiten ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer inklusiven Gesellschaft. Dabei sollte auch betont werden, dass Barrierefreiheit nicht nur Menschen mit Behinderungen zugutekommt, sondern auch älteren Menschen und Menschen mit vorübergehenden Beeinträchtigungen. Unternehmen und Institutionen sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und die Umsetzung von Barrierefreiheitsrichtlinien als Chance zur Erweiterung ihrer Zielgruppe und zur Verbesserung ihres Geschäftspotenzials betrachten. Barrierefreiheit sollte nicht nur auf der Webseite selbst umgesetzt werden, sondern auch auf allen anderen digitalen Kanälen wie Social-Media-Plattformen oder E-Mail-Kommunikation. Kanzleien zeigen so ein umfassendes Verständnis für die Bedürfnisse dieser Zielgruppe.
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4.6 Fazit Um auch über eine lange Zeit erfolgreich zu sein, muss eine Kanzleiwebseite regelmäßig aktualisiert werden. Eine veraltete Webseite kann das Image der Kanzlei beeinträchtigen und potenzielle Mandanten abschrecken. Daher ist es wichtig, dass die Webseite aktuell und relevant bleibt und regelmäßig um neue Inhalte ergänzt wird. Neben der Präsentation der Dienstleistungen, die zwangsläufig meist sehr textlastig ist, und des Teams, können auf einer Kanzleiwebseite auch Referenzen und Erfahrungsberichte von zufriedenen Mandanten veröffentlicht werden. Solche „Testimonials“ stärken das Vertrauen. Die Webseite ist ein wesentlicher Bestandteil der Marketingstrategie einer Kanzlei. Ist sie gut gestaltet, informativ und aktuell, dann trägt sie maßgeblich dazu bei, das Image der Kanzlei zu stärken und potenzielle Mandanten zu gewinnen.
Julia Wild ist seit 2012 im Kanzleimarketing bei GvW Graf von Westphalen in Hamburg tätig. Nach Ihrer Ausbildung zur IT-Kauffrau im Ruhrgebiet arbeitete sie einige Jahre als Programmiererin für Fertigungsleitsysteme. Nach Stationen u. a. als CvD im Fernsehjournalismus und Online Managerin bei AOL verantwortet sie seit mehr als 10 Jahren den Internetauftritt bei GvW Graf von Westphalen und in dieser Zeit deren Launch und Relaunch.
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Interne Kommunikation in Professional Service Firms Florian Kestler
5.1 Einleitung Es gibt viele Faktoren, die Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Einer davon ist eine fundierte interne Kommunikation, die in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Damit ist die Weitergabe von Wissen und Informationen innerhalb einer Organisation gemeint. Das schließt die Kommunikation zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden (Top-Down und Bottom-Up), als auch den Austausch aller Mitarbeitenden untereinander (Side-to-Side) ein. Durch einen transparenten und stetigen Informationsfluss können Leistungen und Ergebnisse verbessert sowie die Mitarbeitermotivation erhöht werden. Weiterhin trägt die interne Kommunikation maßgeblich zur Bildung und dem Erhalt einer wertschätzenden Unternehmenskultur bei. Die Mittel und Wege der internen Kommunikation sind sehr vielfältig. Hier zeigt sich die Besonderheit von Professional Service Firms. Mitarbeitende in Kanzleien oder anderen Beratungsgesellschaften sind oft beruflich sehr viel unterwegs. Je nach Geschäftsmodell können sie auch über längere Zeit direkt beim Mandanten vor Ort eingesetzt werden. Die Erreichbarkeit durch klassische interne Kommunikationskanäle abseits der E-Mail ist dadurch häufig eingeschränkt. Damit reduziert sich auch die persönliche Interaktion zwischen Kolleginnen und Kollegen im Büro. Ein weiteres Merkmal von Professional Service Firms sind ihre partnerschaftlichen Strukturen (Partnergesellschaft). Durch die teils diversen Beratungsschwerpunkte existieren im Unternehmen oft sehr heterogen aufgestellte Teams, in denen individuelle Kommunikationskanäle etabliert sein können. Das kann zu einer Ungleichverteilung von Wissen bei den Mitarbeitenden führen. Darüber hinaus haben sich die Rahmenbedingungen für die interne Kommunikation seit Beginn der Coronapandemie Anfang 2020 noch einmal deutlich verändert. F. Kestler (*) München, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_5
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5.1.1 Interne Kommunikation im Wandel Während die interne Kommunikation lange Zeit durch einen Top-Down-Ansatz dominiert war, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Sie sollte heute auch Bottom-Up-Content beinhalten und den Dialog untereinander durch geeignete Tools zulassen. Gerade der jüngeren Generation ist eine Feedbackkultur sehr wichtig. Sie ist mit sozialen Medien aufgewachsen und in ihrem Alltag einen schnellen und stetigen Informationsfluss gewohnt. Angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels und dem sich damit zuspitzenden „War of Talents“ ist es wichtiger denn je, auf die spezifischen Ansprüche verschiedener Mitarbeitergruppen einzugehen. Die Tools der internen Kommunikation haben sich in letzter Zeit sehr verändert. Dies geht einher mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und Remote Work. Beide Themen haben während der Coronapandemie deutlich an Fahrt aufgenommen. Kollaborationsplattformen, interne Messengerdienste, Videokonferenztools oder Social Intranets bieten für die interne Kommunikation völlig neue Möglichkeiten, um Informationen zu transportieren und Mitarbeitende standortunabhängig zu erreichen. Inhalte werden heute nicht mehr nur durch Fließtext übermittelt. Multimediale Formate wie Videos oder Podcasts sind in der internen Kommunikation längst nicht mehr wegzudenken. Interne Kommunikation ist kein Silo, sondern Teil eines größeren Ganzen und ein wichtiger Baustein des Wandels. So wachsen im Kontext einer ganzheitlichen Unternehmenskommunikation interne und externe Kommunikation immer stärker zusammen, um ein gemeinsames Messaging nach innen und nach außen gewährleisten zu können. Auch das zunehmende Zusammenspiel mit dem Personalwesen ist bei der Vermittlung von Personalprozessen oder dem Cultureboarding, d. h. der Einführung von Mitarbeitenden in die Unternehmenskultur, essenziell.
5.1.2 Intern kommunizieren – darum lohnt es sich Wer innerhalb einer Organisation gut kommuniziert, profitiert von einer ganzen Reihe von Vorteilen. So können damit größere betriebswirtschaftliche Erfolge erzielt werden, beispielsweise durch eine höhere Zufriedenheit und eine geringere Fluktuation bei den Mitarbeitenden. Außerdem führt eine transparente und strukturierte interne Informationspolitik zu mehr Engagement und einer größeren Identifikation mit dem Unternehmen. Dadurch gewinnt die Marke nach innen und außen an Profil. Verbesserte Leistung durch Informations- und Wissenstransfer Damit Professional Service Firms auch künftig konkurrenzfähige Beratungsleistungen und Lösungen für eine immer komplexer werdende Welt anbieten können, ist es wichtig, Wissen innerhalb der Organisation zu teilen und über die eigenen Teamgrenzen hinaus zu denken. Dafür müssen neben geeigneten Anreizsystemen für Knowledge Sharing auch effiziente Kommunikationswege geschaffen werden, welche die Hürden für den Informations- und Wissenstransfer möglichst niedrig halten.
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Dialog und Feedback für mehr Effizienz und Motivation Eine gelebte Feedbackkultur hilft einer Organisation, eigene Schwächen zu erkennen und sich stetig weiterzuentwickeln. Gleichzeitig schafft der offene Umgang mit Feedback gegenseitiges Vertrauen. Mitarbeitende haben dadurch die Möglichkeit, konstruktiv an der Unternehmensentwicklung zu partizipieren, was sich positiv auf die Mitarbeitermotivation auswirkt. Die Einrichtung von Rückkopplungskanälen ist deshalb von großer Bedeutung. Interne Kommunikation schafft Bindung und gibt Orientierung Eine transparente und regelmäßige Kommunikation erzeugt eine stärkere Bindung von Mitarbeitenden zum Unternehmen. Insbesondere in Zeiten von Remote Work wird auf diese Weise der Kontakt zur Belegschaft besser gehalten. Mitarbeitende bleiben so trotz räumlicher Distanz über aktuelle Unternehmensentwicklungen informiert und bekommen das Gefühl vermittelt, wertvoller Teil einer Organisation zu sein. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Außerdem erhalten Mitarbeitende für ihr tägliches Handeln Orientierung, wenn sie regelmäßig über die Ziele und Vision eines Unternehmens informiert werden. Change-Kommunikation erleichtert Veränderungsprozesse Branchen und Unternehmen befinden sich in einem permanenten Wandel. Gewohnte Strukturen aufzugeben und neue zu etablieren ist nicht immer leicht und erfordert viel Fingerspitzengefühl, um Mitarbeitende auf diesem Weg nicht zu verlieren. Mit einer gezielten Change-Kommunikation lassen sich Ängste und Widerstände lösen.
5.1.3 Wen möchte ich erreichen und mit welchen Themen? In Unternehmen gibt es eine Vielzahl verschiedener Interessengruppen. Je nach Funktion und Arbeitsprofil haben diese unterschiedliche Erwartungen und Anforderungen an die Kommunikation. Zu den Hauptzielgruppen von Professional Service Firms gehören neben der gesamten Mitarbeiterschaft und dem Führungspersonal auch die Partnerschaft. Je nach Thema lässt sich der Adressatenkreis weiter aufgliedern. Die Aufbereitung der Informationen und Botschaften muss genauso wie die Auswahl der Kanäle auf die jeweiligen Empfänger ausgerichtet sein. Mitarbeiterschaft Die Mitarbeiterschaft schließt die Gesamtheit aller Mitarbeitenden des Unternehmens ein – vom Praktikanten bis hin zum Top-Management. Klassische intern zu kommunizierende Themen sind Unternehmensentwicklungen, wie zum Beispiel Umsatzzahlen, Zu- und Abgänge in der Belegschaft, administrative Themen aus der Personalabteilung und der IT-Organisation, Standorteröffnungen oder Termine zu Mitarbeiterveranstaltungen. Auch der Ausbau oder die Umstrukturierung des Service Portfolios oder sonstige Veränderungsprozesse sind für die gesamte Organisation sehr relevante Informationen. Die Fülle an Themen ist groß und vielfältig. Transportiert werden diese Neuigkeiten über breitenwirksame Kanäle, auf die alle Mitarbeitenden Zugriff haben. Die interne Kommunikation kann für
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einen umfassenden Überblick um einen Pressespiegel ergänzt werden, der aktuelle Medienberichte über die eigene Organisation und das Marktgeschehen beinhaltet. Partnerschaft Die Partnerschaft sollte aufgrund ihrer besonderen Rolle und als Teil der Leitungsebene in einem gesonderten Rahmen informiert werden. Sie ist für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft mitverantwortlich, wird in die Ausarbeitung und Umsetzung der Unternehmensstrategie eingebunden und muss deshalb stets über geschäftsrelevante Entwicklungen auf dem Laufenden sein. Bevor eine interne Kommunikation an die gesamte Mitarbeiterschaft gerichtet wird, ist es ratsam, die Partnerschaft vorab über diese Information in Kenntnis zu setzen, damit sie gegenüber den Mitarbeitenden sprechfähig ist. Klassische Medien, mit denen diese Zielgruppe erreicht wird, sind Partnerversammlungen, Partner-Mailings oder Videokonferenzen. Die letzten beiden Kommunikationsinstrumente werden meist in einer höheren Taktfrequenz genutzt, da ordentliche Partnerversammlungen gewöhnlich nur wenige Male im Jahr stattfinden und auf diese Weise ein stetiger Informationsfluss an und zwischen der Partnerschaft aufrechterhalten werden kann. Führungskräfte Die Mitarbeiterführung ist nicht immer ausschließlich Aufgabe der Partnerschaft. Je nach Organisationsstruktur einer Professional Service Firm üben auch weitere Karrierelevel und Mitarbeitende aus den Business Service-Bereichen diese Funktion aus. Entsprechend bildet dieser Personenkreis eine eigene Adressatengruppe. Führungskräfte werden über HR-spezifische Entwicklungen, die für die Ausübung dieser Tätigkeit relevant sind, informiert. Themen können unter anderem Fortbildungsprogramme für ihre Mitarbeitenden oder Prozesse und Unterlagen für regelmäßig stattfindende Mitarbeitergespräche sein. Hierbei bietet es sich an, die Kommunikation über persönliche E-Mails, geschlossene Communities in einem Social Intranet oder sonstige Plattformen mit einem beschränkten Zugriff zu führen.
5.2 Verankerung und Rolle der internen Kommunikation Die Verankerung und der Aufbau einer internen Kommunikation in Professional Service Firms ist stark von der jeweiligen Unternehmensgröße abhängig. Doch ganz gleich wie diese organisatorisch implementiert ist, wichtig ist die Einbindung des Vorstands und der Partnerschaft in diesen Bereich. Die für die interne Kommunikation relevanten Themen rund um die Unternehmensentwicklung werden meist über den Führungskreis bereitgestellt und müssen deshalb auch eng mit diesem abgestimmt sein. In sehr kleinen Einheiten kann die interne Kommunikation direkt bei einem dafür verantwortlichen Partner oder einer ihm zugeordneten Stabstelle betrieben werden. Soweit die Gesellschaft eine gewisse Größe erreicht hat, ist diese Funktion in der Regel organisatorisch anders eingegliedert; dafür gibt es diverse Möglichkeiten. Eine nahe liegende und häufig praktizierte Variante ist die Verankerung der internen Kommunikation im Bereich Marketing & Communications. Dabei sind die Kommunikationsverantwortlichen oftmals mit internen und
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externen Kommunikationsaufgaben gleichermaßen betraut. In sehr großen Professional Service Firms ist es dagegen üblich, dass für die interne Kommunikation eigene Stellen innerhalb der Unternehmenskommunikation geschaffen werden. Das kann von einzelnen Personen bis hin zu einem ganzen Team reichen.
5.2.1 Das Zusammenspiel mit der externen Kommunikation Die interne und externe Kommunikation vermischt sich immer mehr. So dienen Corporate Postings in sozialen Netzwerken beispielsweise auch als Informationsquelle für Mitarbeitende. Deshalb ist es sinnvoll, die strikte Trennung zwischen beiden Bereichen aufzuheben und stattdessen in Themen zu denken. Das macht es leichter, Kommunikationsmaßnahmen nach innen und nach außen mit den gleichen Botschaften zu versehen. Werden etwa neue Unternehmenszahlen veröffentlicht, so sollte die Kommunikation dazu über alle Kanäle hinweg auf ein und demselben Wording basieren. Die Themensteuerung kann dabei über ein Corporate-Newsroom-Modell geschehen (siehe Abb. 5.1). In einer regelmäßigen Redaktionssitzung werden potenzielle Themen gemeinsam besprochen und für die externen und internen Kanäle aufbereitet. Die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen hat aber auch einen weiteren wichtigen Vorteil: Beide nutzen dieselben Medien. Ob Videos, Podcasts oder klassische Mailings, bei der Produktion dieser Inhalte können Synergien zum beiderseitigen Vorteil gehoben werden.
Abb. 5.1 Corporate Newsroom in Kanzleien. (Darstellung in Anlehnung an Moss (Moss, C. 2017. Chef vom Dienst & Co.: Die Rollen im Newsroom. https://mediamossblog.com/2017/04/02/chef- vom-dienst-co-die-rollen-im-newsroom/. Zugegriffen: 26. Febr. 2023))
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5.2.2 Die Aufgaben der internen Kommunikatoren Die Aufgabe der Verantwortlichen für die interne Kommunikation ist es, Vorstand, Partnerschaft und Führungskräfte, aber auch weitere Business Services wie HR oder die IT-Organisation in internen Kommunikationsfragen zu beraten. Sie vermitteln nicht nur Leitbild, Unternehmensziele und Strategien, sondern informieren auch über aktuelle Geschehnisse sowie arbeitsrelevante Abläufe und Veränderungen. Die internen Kommunikatoren übersetzen die Themen und Botschaften in passenden Content, den sie für verschiedene Kommunikationskanäle aufbereiten und schließlich an die entsprechenden Adressatengruppen verteilen. Zugleich ist es ihre Aufgabe, Feedback aus der Organisation aufzufangen, an die Leitungsebene zurückzuspielen und für das weitere Agenda-Setting zu nutzen.
5.3 Tools für die interne Kommunikation Die interne Kommunikation kann sich einer Vielzahl von Kanälen bedienen. Dabei handelt es sich sowohl um digitale als auch um analoge Formate, wobei die Auswahl der Kanäle auf den jeweiligen Zweck abgestimmt sein muss. Nur so lässt sich die gewünschte kommunikative Wirkung erzielen, denn nicht jeder Kanal ist aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften für jede Informationsübermittlung geeignet. Bei der Auswahl der Kommunikationskanäle ist zunächst darauf zu achten, welche Botschaften kommuniziert werden sollen. Für eher formelle Themen, die ein abgestimmtes Wording benötigen, oder Inhalte, die schnell und einfach produziert werden sollen, eignet sich klassischerweise die Textform (ggf. kombiniert mit statischen Bildern). Sollen mit der Kommunikation eher Emotionen geweckt werden oder erklärungsbedürftige Themen im Fokus stehen, bieten sich Bild und Ton als Medium an. Gerade mit Bewegtbildern wird viel mehr Nähe transportiert. So wurden während der Coronapandemie in vielen Unternehmen verstärkt Videoformate für die interne Kommunikation genutzt, um die Mitarbeitenden im Home Office zu erreichen. Dadurch war es möglich, trotz der räumlichen Distanz eine Verbindung zum Unternehmen und dem Management aufrecht zu erhalten bzw. diese zu stärken. Ein weiteres Auswahlkriterium ist die Reichweite, die je nach Kanal sehr variieren kann. Für wichtige Themen, die schnell kommuniziert werden und möglichst jeden im Unternehmen erreichen sollen, werden Push-Instrumente wie E-Mails eingesetzt. Für andere Themen können auch Pull-Instrumente verwendet werden. Damit sind etwa statische Seiten in Intranets gemeint, über die Mitarbeitenden Informationen nach Bedarf abrufen können.
5.3.1 Ausgewählte Tools im Überblick In der Folge werden die wichtigsten Kommunikations-Tools vorgestellt. Neben der Mitarbeiterzeitschrift liegt dabei der Fokus auf digitalen Formaten.
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E-Mail Die E-Mail ist der Klassiker unter den internen Kommunikationsinstrumenten. Mit ihr lassen sich Mitarbeitende schnell und einfach erreichen. Nahezu jeder Mitarbeitende in Professional Service Firms verfügt über ein geschäftliches E-Mail-Postfach. Zudem sind Diensthandys mit einem Remotezugriff auf Geschäftsmailings nicht erst seit der Pandemie Standard in der Beratungsbranche. Entsprechend groß ist die Reichweite dieses Instruments. Jedoch hat die E-Mail durchaus ihre Tücken. Aufgrund des hohen E-Mail-Aufkommens können viele Informationen im Tagesgeschäft schlicht untergehen. Zudem handelt es sich bei diesem Medium um ein Push-Instrument, das vorzugsweise zur Top-Down-Kommunikation genutzt wird.
Hinweise für die Praxis
Bei unternehmensweiten E-Mails ist es sinnvoll, diese über ein E-Mail-Versandtool zu verschicken, wodurch sie einen offizielleren Charakter verliehen bekommen. Empfänger können so direkt bei ihrem Namen – also personalisiert – angesprochen werden. Das steigert die Aufmerksamkeit des Empfängers für diese Information. Werden E-Mails zudem im Corporate Design gestaltet, zahlt das auf die eigene Brand-Awareness ein. Für den Versand der E-Mails können Funktionspostfächer von HR, IT, der Geschäftsleitung oder sonstigen Unternehmensbereichen verwendet werden, sodass sofort klar wird, wer der Sender dieser Information ist. Last but not least können über Versandtools meist die Öffnungsraten von verschickten E-Mails nachvollzogen werden. Daraus lassen sich wichtige Schlüsse ziehen, um diese weiter zu verbessern.
Mitarbeiterzeitschriften und -newsletter Die Mitarbeiterzeitschrift ist ein traditionelles Format. Aufgrund des großen Ressourcenaufwands und der Vielzahl an benötigten Themen ist dieses eher für größere Professional Service Firms geeignet. Der Vorteil der Mitarbeiterzeitschrift ist, dass diese jederzeit in Ruhe an einem beliebigen Ort gelesen werden kann. Printausgaben wirken sehr wertig. Mit ihnen lässt sich ebenfalls das eigene Corporate Design wunderbar transportieren. Der Nachteil liegt auf der Hand: In Zeiten von Remote Work sinkt die Reichweite des Mediums deutlich. Ein Versand der Mitarbeiterzeitschrift an die Privatadressen der Mitarbeitenden ist sehr kostspielig und aufwendig. Hinzukommt, dass der Produktionsprozess des Mediums vergleichsweise lange dauert und deshalb eher für Themen mit einer längeren Halbwertszeit geeignet sind. Auch bei diesem Medium handelt es sich um ein Push-Instrument mit einem Top-Down- Kommunikationsansatz.
Hinweise für die Praxis
Mitarbeiterzeitschriften lassen sich prinzipiell auch in kleineren Einheiten realisieren. Dafür ist das Format zu adaptieren – beispielsweise, indem die Fachabteilungen
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Teil des Redaktionsteams werden. So hat jeder Mitarbeitende die Möglichkeit, einen Beitrag beizusteuern. Auch wenn die Artikel dadurch nicht immer journalistisch perfekt ausformuliert sind, so motiviert es alle Teilnehmenden sehr, an diesem gemeinsamen Projekt mitzuwirken. Die Aufgabe des zentralen Redaktionsteams reduziert sich dabei deutlich. Zudem kann der Umfang und die Veröffentlichungsfrequenz einer Mitarbeiterzeitschrift eingeschränkt werden, was den Aufwand weiter senkt. Wer weg von einem Printmagazin und hin zu einer Online-Variante gehen möchte, kann Mitarbeiterblogs in Social Intranets oder Mitarbeiternewsletter in Betracht ziehen. Diese lassen sich oftmals zu einem Großteil mit internen Ressourcen ohne Einbindung externer Grafiker bewerkstelligen. Zudem haben diese den Vorteil, dass darin auch Multimediacontent berücksichtigt werden kann und mehr Flexibilität beim Veröffentlichungszeitpunkt besteht.
Digitale Town Hall Meetings Digitale Town Hall Meetings sind Veranstaltungen, um Mitarbeitende per Video-Stream über wichtige Entwicklungen rund um das Unternehmen zu informieren und diese zu erklären. Zur Übertragung wird eine Video-Software genutzt. Town Hall Meetings bieten in der Regel die Möglichkeit eines offenen Gesprächsformats an. So können im Rahmen einer Q&A Session Fragen an die Referenten gerichtet werden. Um dies zu gewährleisten, bieten Streamingplattformen häufig Features an, über die die Teilnehmenden während des Events Kontakt mit den Organisatoren oder Referenten aufnehmen können. Digitale Town Hall Meetings eignen sich insbesondere für Unternehmen mit mehreren Niederlassungen. Das reduziert Reisekosten und spart Zeit, die die Beraterinnen und Berater für eine Präsenz zur Verfügung stellen müssten. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Teilnehmerquote aus. Hinweise für die Praxis
Digitale Town Hall Meetings können in verschiedenen Ausprägungen abgehalten werden. In einer hybriden Variante ist ein Teil der Mitarbeitenden vor Ort anwesend. In diesem Fall wird je nach Zuschauerzahl ein größerer Raum benötigt, der genügend Platz für technisches Equipment sowie die Teilnehmenden bietet. Manche Referenten fühlen sich damit wohler, weil sie dadurch direkt zu den anwesenden Personen sprechen können und nicht nur Kameras als Protagonisten vor sich haben. Das wirkt sich insgesamt positiv auf die Gesprächsatmosphäre aus. Bei einer reinen Online-Variante beschränken sich die Anwesenden auf die Referenten, Techniker und das Organisationspersonal. Beim Setup des Formats sind den Organisatoren nahezu keine Grenzen gesetzt. Je mehr technische Ausstattung und organisatorischer Aufwand, desto professioneller, aber auch teurer wird das Town Hall Meeting. So können mehrere Kameras eingesetzt werden, was ein Perspektivwechsel ermöglich. Oft geht es aber auch nur
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darum, die Mitarbeitenden kurz und prägnant auf den neuesten Stand zu bringen. In diesem Fall steht der reine Zweck und weniger eine aufwendige Ausführung des Formats im Fokus. Je nach zu erwartender Teilnehmerzahl lässt sich ein digitales Town Hall Meeting auch mit herkömmlichen Videokonferenztools wie Microsoft Teams abbilden. Gerade für kleinere Professional Service Firms ist letztere Variante aus Kostengründen sehr attraktiv. Letztendlich sollte die Auswahl des Setups von der Wichtigkeit der zu kommunizierenden Information abhängig gemacht werden. Während für größere Themen eine professionellere Ausstattung den passenderen Rahmen bietet, bedarf es für kleinere Updates nicht immer diesen Aufwand. Bei der Planung des digitalen Town Hall Meetings sind die IT-Verantwortlichen in einer Professional Service Firm früh einzubinden. Gerade die Kapazität der internen IT-Infrastruktur für die Übertragung von Videostreams ist häufig ein Knackpunkt. Dieser nicht zu unterschätzende Aspekt sollte frühzeitig in die Auswahl der Plattform mit einbezogen werden – nichts ist schlimmer als ein ruckelnder Stream. Wer übrigens die Auslastung der internen IT-Infrastruktur schonen möchte, kann sich überlegen, standortspezifische Mitarbeitergruppen zu bilden, die den Stream in Meetingräumen zusammen verfolgen. Aus dem Event wird so ein kleines Happening gemacht und es greifen weniger Rechner auf den Stream zu. Damit das Town Hall Meeting erfolgreich wird, sollte unbedingt ein Skript für den Ablauf und die Inhalte erstellt werden. Auch mögliche Fragen seitens der Mitarbeitenden sind im Vorfeld zu besprechen und passende Antworten durchzuspielen. Da trotz des digitalen Formats eine No-Show-Rate zu erwarten ist, macht es außerdem Sinn, das Meeting aufzuzeichnen. Auf diese Weise haben auch verhinderte Personen die Möglichkeit, sich im Anschluss an das Meeting über die besprochenen Inhalte zu informieren.
Webinare Viele Professional Services Firms nutzen Webinare, um ihre Mandanten und Interessierte über ein fachliches Thema zu informieren und dabei auf ihre Beratungskompetenz aufmerksam zu machen. Dieses Format eignet sich darüber hinaus für die interne Wissensvermittlung. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Heinrich Pierer hatte es einst treffend formuliert: „Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß“.1 Webinare werden häufig für Schulungen, zur Vermittlung von aktuellen Beratungsthemen oder im Onboarding-Prozess für neue Mitarbeitende eingesetzt. Die Aufmerksamkeit seitens der Nutzer ist bei Video-Content deutlich höher als bei schriftlichen Unterlagen. Speziell bei Webinaren mag das auch daran liegen, dass diese sehr auf Interaktion ausgerichtet sind und sich die Teilnehmer hierbei aktiv einbringen können.
Spiegel. 2012. Siemens: Viel Geld und viele Pannen. https://www.spiegel.de/wirtschaft/siemens- viel-geld-und-viele-pannen-a-66858ab6-0002-0001-0000-000013528190?context=issue. Zugegriffen: 26. Febr. 2023. 1
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Hinweise für die Praxis
Webinare zur internen Wissensvermittlung können unkompliziert über ein Videokonferenztool aufgesetzt werden. Damit die gewünschte Interaktivität stattfindet, ist es empfehlenswert, eine feste Frage-Antwort-Runde einzuplanen. Zudem lohnt es sich, Webinare für den internen Gebrauch unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben aufzuzeichnen. Damit können Mitarbeitende den Content On-Demand abrufen, wann immer es passt. Ähnlich verhält es sich mit Webcasts oder Erklärvideos, die jedoch bewusst auf Interaktion verzichten und eher für einen passiven Konsum ausgelegt sind. Bei On-Demand-Content für Weiterbildungszwecke bietet es sich an, diesen nach der Produktion auf firmeneigenen Bildungsportalen oder entsprechenden Seiten im Intranet zu platzieren, wo er für die Nutzer leicht auffindbar ist.
Instant Messenger Instant Messenger wie Microsoft Teams haben in den letzten Jahren die Unternehmenswelt rasant erobert. Die Technologie ist insbesondere für die One-to- One-Kommunikation geeignet und kein Kanal, über den die Informationsvermittlung zentral gesteuert werden kann. Instant Messenger zahlen jedoch auf den Wunsch nach mehr Interaktion und einem effizienteren Wissensmanagement ein und sind deshalb ein wichtiger Bestandteil der internen Kommunikationslandschaft. Sie ermöglichen es, mit anderen Teilnehmern in Echtzeit zu kommunizieren und tragen dazu bei, das E-Mailaufkommen zu reduzieren. Während früher noch mit zeitintensiven E-Mails Informationen ausgetauscht wurden, kann dies heute auch per Chat auf dem kleinen Dienstweg bewerkstelligt werden. Durch den Online-Status einer Person lässt sich herausfinden, ob diese gerade erreichbar ist. Die meisten Messenger bieten die Möglichkeit, neben Text auch Bild, Video und sonstige Dateien auszutauschen. Es gibt sie als Desktop-Variante oder als App für Diensthandys. Häufig haben auch Social Intranets Messenger-Lösungen integriert.
Hinweise für die Praxis
Aufgrund der permanenten Erreichbarkeit durch Messenger kann es sein, dass sich Mitarbeitende unter Druck gesetzt fühlen. Beispielsweise, indem die Erwartungshaltung entsteht, es müsse immer sofort auf eine eingehende Nachricht reagiert werden. Hierbei hilft es, im Team klare Regeln aufzustellen, welche Inhalte über einen Messenger transportiert werden sollen, wie es sich mit den Reaktionszeiten verhält und in welchen Zeiten Mitarbeitende angeschrieben werden können.2 Viele der Messenger bieten mittlerweile über die klassische Chatfunktion hinaus weitere Features an. Dazu gehört insbesondere die Videotelefonie und im Business- Umfeld oftmals auch die Möglichkeit, Projektmanagement zu betreiben. Die Platt-
Hochschule Darmstadt. 2020. Messenger in der Unternehmenskommunikation. https://www. kompetenzzentrum-kommunikation.de/wp-content/uploads/2020/04/Leitfaden-Messenger.pdf. Zugegriffen: 26. Febr. 2023. 2
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formen entwickeln sich immer stärker in Richtung ganzheitliche Lösungen; und genau hier liegt die Krux. In Professional Service Firms wird vor allem im Projektmanagementbereich mit sehr sensiblen Mandatsdaten gearbeitet. Das erfordert strenge Restriktionen in puncto Datenschutz und Informationssicherheit. Damit Mitarbeitende Messenger im Geschäftsalltag auch mobil nutzen können, müssen deshalb aufwendig gemanagte Firmenhandys zum Einsatz kommen. Mehr Reichweite geht hierbei mit einem größeren Infrastruktur- und Kostenaufwand einher.
Social Intranets Das Intranet hat in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung genommen und ist in vielen Unternehmen zu der zentralen internen Kommunikationsplattform avanciert. Während in der Vergangenheit Intranets noch rein für die Darstellung statischer Inhalte und eine einseitige Informationsvermittlung (Top-Down) eingesetzt wurden, sind diese heute oft Dreh- und Angelpunkt der internen Kommunikation. So genannte Social Intranets werden den Anforderungen einer modernen internen Kommunikation in vielerlei Hinsicht gerecht. Sie ermöglichen einen schnellen gegenseitigen Austausch ohne komplizierte Hürden – zwischen dem Management und ihren Mitarbeitenden (Top-Down und Bottom-Up) als auch zwischen den Mitarbeitenden untereinander (Side- to-Side). Social Intranets werden auch häufig für die Projektzusammenarbeit (Kollaboration) und als zentrale Stelle für Unternehmensprozesse genutzt – sei es für Arbeitsabläufe wie die Arbeitszeiterfassung, die Einreichung von Urlaubsanträgen oder das Teilnehmermanagement für interne Events, die so direkt ohne Medienbruch über ein Tool gesteuert werden können. In diesem Fall wird das Social Intranet zum Digital Workplace (Abb. 5.2).
Abb. 5.2 Kategorien digitaler Plattformen in der internen Kommunikation. (Darstellung in Anlehnung an Krämer, Niederhäuser, Rosenberger (Krämer, K., Niederhäuser, M. und Rosenberger, N. 2020: Interne Kommunikation von mittelgrossen Unternehmen. Bestandsaufnahme und Entwicklungsbedarf des internen Kommunikationsmanagements in der digitalen Transformation. https:// digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/20107/3/2020_Kr%C3%A4mer_Interne_Kommunikation_von_mittelgrossen_Unternehmen.pdf. Zugegriffen: 26. Febr. 2023))
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Die Anwendungsfälle über die reine Informationsvermittlung hinaus sind extrem vielfältig. Gerade diese unzähligen Einsatzmöglichkeiten machen es jedoch schwierig, das richtige Social Intranet für sich zu finden. Bevor mit dem Auswahlprozess begonnen wird, sollte sich ein Unternehmen zunächst darüber im Klaren sein, welche Anforderungen und Ziele es mit solch einer Plattform verfolgt und wie es diese für die interne Kommunikation einsetzen möchte. Denn nicht jedes Social Intranet verfügt über die gleichen Features.
Hinweise für die Praxis
Auswahlkriterien und Funktionen eines Social Intranets Ein häufiges Auswahlkriterium ist die Möglichkeit der mobilen Nutzung eines Social Intranets auf diversen Endgeräten. Darüber hinaus spielt die Nutzerakzeptanz eine wichtige Rolle. Social Intranets sollen intuitiv in der Bedienung sein. Hierbei verhält es sich wie bei anderen Tools auch, wenn es zu kompliziert wird, verringert das die Nutzungsrate. Weiter sollte darauf geachtet werden, auf welcher Technologie das Social Intranet basiert. Sind in einem Unternehmen viele Sharepoint-Lösungen implementiert, so kann es durchaus Sinn machen, ein auf Sharepoint betriebenes Social Intranet einzuführen und damit Synergien zu heben. Letztendlich sollte sich das Intranet gut in die bestehende Systemlandschaft einfügen und auch offene Schnittstellen zur Anbindung von weiteren Systemen im Unternehmen bereitstellen. Der wesentliche Zweck eines Social Intranets erfüllt sich vor allem in der Kommunikation und Wissensvermittlung. Was die statischen Inhalte betrifft, so sollte gewährleitet sein, dass sich diese gut strukturiert darstellen lassen. Die Übersichtlichkeit wird dabei vom Aufbau eines Intranets beeinflusst. So wird Content in Social Intranets oftmals nicht mehr nach klassischen Baumstrukturen sortiert. Stattdessen kann die Strukturierung unter anderem nach Tags erfolgen. Einer großen Bedeutung kommt auch einer guten globalen Suchfunktion zu, über die Informationen per Stichworteingabe gefunden werden können. Was die Kommunikations-Features betrifft, sollte ein Social Intranet über eine Micro-Blogging-Funktion verfügen. Das bedeutet, dass News nicht mehr rein über einen bestimmten Newskanal ausgespielt werden können, sondern über viele verschiedene. Neben einem klassischen Corporate-Kanal könnten die Business Service- Bereiche, aber auch verschiedene Fachabteilung eigene Blogs betreiben. Hinsichtlich der Content-Produktion und -pflege macht es Sinn, dass Social Intranets ein gutes rollenbasiertes Benutzermanagement ermöglichen. Da das Einstellen von Inhalten bei der großen Masse an Informationen sehr schnell nicht mehr zentral gesteuert werden kann, entlastet das Einrichten entsprechender Berechtigungen die Kommunikationsabteilung. Kennzeichnend für ein Social Intranet ist zudem ein Activity Stream, bei dem ähnlich wie bei sozialen Netzwerken Updates und Änderungen auf der persönlichen Timeline eines Nutzers angezeigt werden. Das können Hinweise zu Aufgaben aus Arbeitsgruppen oder etwa Neuigkeiten sein, die in den verschiedenen Newskanälen eingestellt wurden. Hierbei zeigt sich eine weitere Besonderheit von Social Intranets.
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In aller Regel wird Mitarbeitenden dadurch die Möglichkeit gegeben, den Informationsfluss zu personalisieren. Neben bestimmten Corporate-Newskanälen, die häufig mit so genannten Pflichtabos verbunden sind, haben Nutzer auch die Möglichkeit, Abos für bestimmte Kanäle selbst zu setzen und entsprechend das Informationsaufkommen auf der persönlichen Timeline zu regulieren. Damit eine Bottom-Up-Kommunikation auch weiter gefördert wird, ist das Kommentieren von Newsbeiträgen ein weiteres klassisches Feature für ein Social Intranet. Ein zusätzlicher Punkt ist die Kollaboration. Viele Social Intranets bieten die Möglichkeit, in Communities Wissen zu tauschen und zu interagieren. Zudem lässt sich über die Plattformen auch oftmals Projektzusammenarbeit ermöglichen. Wichtig dabei ist, sich darüber bewusst zu werden, ob überhaupt und falls ja, in welcher Form Projektzusammenarbeit über ein Social Intranet betrieben werden soll. Oftmals ist es sinnvoller, für diesen Anwendungszweck andere spezialisierte Teamsoftwares zu nutzen (siehe Thema Instant Messaging). Darüber hinaus sind in Social Intranets Nutzer mit einem eigenen Profil vertreten. Darin können neben klassischen Kontaktinformationen auch oftmals berufliche Daten oder ein Portraitbild hinterlegt werden. Insgesamt verändert sich die Art und Weise der internen Kommunikation durch ein Social Intranet sehr. Diese wird schneller und direkter, aber auch vielfältiger und lebendiger. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Erfolg eines Social Intranets zu fördern. Neue Möglichkeiten der Contentdarstellung ausschöpfen Social Intranets verfügen üblicherweise über Content-Management-Systeme, mit denen sich multimediale Inhalte exzellent ausspielen lassen. So können Weihnachtsgrüße oder CEO-Updates künftig per Video an die Belegschaft gerichtet werden. Auch Podcasts eignen sich sehr gut für die interne Kommunikation, um beispielsweise in Gesprächen Neuzugänge und ihre Schwerpunktthemen näher vorzustellen. Zudem können Social Intranet-Seiten gewöhnlich sehr schön grafisch gestaltet werden. Für Nutzer ist es ansprechender, wenn sie bei internen Kommunikationsmedien abwechslungsreiche Darstellungsformen erhalten. Das begünstigt die Verweildauer beim Lesen der Information. Kollaboration fördern und Wikis aufbauen Der Austausch von Wissen ist insbesondere in Bezug auf fachliche Themen sehr relevant. Gerade für Professional Service Firms, die sich sehr stark mit gesetzlichen und regulatorischen Entwicklungen beschäftigen, ist dies essenziell, um eine hohe Beratungsqualität zu sichern. Der Wissenstransfer lässt sich sehr gut über Communities oder Wikis bewerkstelligen. In ihnen können Nutzer kollaborieren und Wissensdatenbanken aufbauen, indem sie gemeinsam an Inhalten arbeiten und diese dokumentieren. Der große Vorteil von Communities und Wikis ist, dass diese völlig themenunabhängig und für alle Unternehmensbereiche betrieben werden können. Die Einsatzmöglichkeiten reichen von einem standortspezifischen Austausch über Laufgruppen oder
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einem schwarzen Brett bis hin zum Knowledge Sharing für interne Tools. Um diese Form der Kollaboration zu fördern, sollten Unternehmen Vertrauen und Verantwortung in ihre Mitarbeitenden setzen. Denn wenn der Austausch zu stark kontrolliert wird, hat das negative Auswirkungen auf die Nutzung zur Folge. User-Generated-Content nimmt diesbezüglich eine Schlüsselrolle ein. Mitarbeitende aktivieren Damit Mitarbeitende das Social Intranet stärker nutzen, sollten diese immer wieder aktiviert werden. Das kann beispielsweise mit Aktionen passieren, bei denen Kolleginnen und Kollegen aufgefordert werden, sich einzubringen und daraus wiederum einen Nutzen für sich ziehen können. Beispielsweise durch Innovation- Communities, in denen jeder die Möglichkeit hat, Ideen für ein bestimmtes Thema öffentlich einzubringen. Die besten werden dabei in die Umsetzung gebracht. Eine weitere Option ist, im Social Intranet mit spielerischen Elementen zu arbeiten. Etwa mit einem Adventskalender, einer gemeinsamen CR-Aktion oder einem Fußball- Tippspiel. Damit wird eine stärkere und langfristige Beteiligung an einem Social Intranet durch die Mitarbeitenden erreicht und mehr Awareness für das Medium und dessen Inhalte geschaffen. Trainings anbieten Regelmäßige Trainings können die Nutzung von Social Intranets deutlich begünstigen. Zwar sollten diese Plattformen möglichst intuitiv zu bedienen sein, dennoch sind Neuzugänge sehr dankbar, wenn sie bei ihren ersten Schritten mit der Plattform Unterstützung bekommen. Gerade wenn es darum geht, wo welche Inhalte zu finden sind und welche Regelungen dem Social Intranet zu Grunde liegen, bestehen häufig offene Fragen. Die Trainings lassen sich sehr gut im Rahmen des Onboarding-Prozesses integrieren. Weiterhin können Trainings durch eine spezielle Support Community unterstützt werden, in der wichtige Infos und Kontakte abliegen. Aber auch für Mitarbeitende mit etwas längerer Firmenzugehörigkeit lohnt es sich, im Umgang mit dem Social Intranet in größeren Abständen geschult zu werden. Nicht selten werden neue Features implementiert, über die sie bislang nicht Bescheid wissen. Speziellere Trainings bieten sich außerdem für Content- Administratoren an, die einen Kommunikationskanal oder bestimmte Bereiche im Social Intranet verantworten. Regeln setzen Ein Social Intranet gibt den Nutzern sehr viel Freiheit. Nichtsdestotrotz sollte es bestimmte Regelungen geben, innerhalb derer sie sich bewegen können. Das könnte eine Netiquette sein, die Respekt und Anstand im Umgang miteinander fordert. Denn was für die Kommunikation in sozialen Medien wie LinkedIn oder Facebook gilt, hat genauso für ein Social Intranet Relevanz. Zudem ist es ratsam, dass weitere Guidlines im Hinblick auf Datenschutz und Informationssicherheit für die Nutzung bereitgestellt werden.
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Feedback nutzen Eine wichtige Aufgabe der Kommunikationsverantwortlichen ist das Monitoring des Social Intranets. Daraus lassen sich Themen, die für die künftige Kommunikation berücksichtigt werden können, noch besser identifizieren. Ein großer Teil des Agenda-Settings kann durch die Diskussion unter den Mitarbeitenden getrieben werden. Auf diese Weise ist es möglich, den spezifischen Informationsbedarf zu adressieren. Feedback gibt aber auch die Datenanalyse. Durch das Monitoring der Zugriffe auf Beiträge oder Seiten erhalten die Administratoren des Intranets eine wichtige Rückkopplung, um das Social Intranet und die darin betriebene Kommunikationsarbeit weiter zu verbessern.
5.4 Kriterien einer erfolgreichen internen Kommunikation Folgende Tipps helfen Unternehmen, interne Kommunikation richtig einzusetzen und effektiv zu gestalten: Zuständigkeiten festlegen Auch in Partnergesellschaften gibt es oftmals viele verschiedene Stakeholder, welche Aufgaben der internen Kommunikation für sich beanspruchen – beispielsweise, wenn einzelne Business Services eigenständig Mitteilungen an die Organisation richten wollen. Das birgt den Nachteil, dass Form, Sprache und Inhalte von internen Kommunikationsmaßnahmen nicht aufeinander abgestimmt sind. Deshalb ist es wichtig, klare Zuständigkeiten zu definieren und eine zentrale interne Kommunikationsfunktion einzurichten, bei der alle Fäden zusammenlaufen (siehe Abschn. 5.2). Ziele setzen Unternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, was sie mit einer internen Kommunikation erreichen wollen. Das kann eine Verbesserung des Betriebsklimas, mehr Transparenz hinsichtlich betrieblicher Abläufe oder ein intensiverer Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitenden sein. Sind die Ziele gesetzt, können darauf aufbauend eine Strategie und schließlich Kommunikationsmaßnahmen entwickelt werden, um diese zu erreichen. Relevante Inhalte kommunizieren Inhalte müssen einen Mehrwert für die Empfänger bieten, der sie in ihrem Arbeitsalltag auch unterstützt. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass für die Vermittlung von Botschaften die passenden Kanäle gewählt werden. So macht es wenig Sinn, große strategische Themen rund um die Unternehmensentwicklung nur mit einer Meldung im Intranet in die Organisation hineinzutragen. Dafür braucht es eine Plattform, die der Neuigkeit einen angemessenen Rahmen gibt und dadurch die notwendige Aufmerksamkeit erzielt wird.
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Tonalität, Transparenz und eine klare Haltung Die Tonalität in der Ansprache ist entscheidend. Interne Kommunikation sollte stets auf Augenhöhe erfolgen und wertschätzend sein. Das zahlt auf eine positive Unternehmenskultur ein. Weiterhin sollte auf eine transparente und authentische Informationsvermittlung geachtet werden. Wiedersprüche oder eine lückenhafte Darstellung führen leicht zu Gerüchten und Unmut. Um Vertrauen und Akzeptanz innerhalb der Belegschaft zu erreichen, sollte aber auch eine klare Haltung seitens der Führungsebene erkennbar sein, die sich am Wertekompass des Unternehmens oder an seiner Unternehmensstrategie widerspiegelt – vor allem in schwierigen Situationen oder im Rahmen von Veränderungsprozessen. Das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Interner Content bleibt nicht intern In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit, in der nahezu jeder über soziale Netzwerke mit seinen Kontakten verbunden ist, oder Unternehmensbewertungsplattformen wie Kununu existieren, ist es sehr leicht, interne Informationen an dritter Stelle zu platzieren und weiterzureichen. Eine Sensibilität für diesen Aspekt sollte deshalb stets bei der Contenterstellung für interne Kommunikationsmaßnahmen vorhanden sein. Das heißt aber auch, dass intern immer vor extern kommen sollte. Denn es wäre ungünstig, wenn Mitarbeitende von außerhalb über wichtige Unternehmensentwicklungen informiert werden würden.
5.5 Fazit Die Bedeutung der internen Kommunikation hat in der Pandemie und in Zeiten von Remote-Arbeit deutlich an Bedeutung gewonnen. Sie dient heute nicht nur als Sprachrohr der Führungsebene, sondern übernimmt auch weitaus anspruchsvollere Aufgaben. Tools für die interne Kommunikation sind vor allem eines: Plattformen, die den Austausch in alle Richtungen fördern. Dadurch entsteht mehr Transparenz, eine stärkere Mitarbeitermotivation und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der Organisation aufgrund eines effizienteren Wissenstransfers. Um den höheren Ansprüchen an die interne Kommunikation gerecht zu werden, sind digitale Kommunikationstools gefragt. Mit ihnen lassen sich Personen standortunabhängig erreichen und gleichzeitig eine viel größere Reichweite erzielen. Damit interne Kommunikation auch ihre volle Wirkung entfalten kann, genügt es jedoch nicht, einfach nur die entsprechenden Instrumente dafür zur Verfügung zu stellen, sie müssen auch richtig genutzt werden. Hierbei ist es immens wichtig, Mitarbeitende beim Ausschöpfen dieser neuen Möglichkeiten zu unterstützen. Dass diese Form der Kommunikation allerdings auch seitens der Partnerschaft getragen und vorgelebt werden muss, versteht sich von selbst.
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Florian Kestler ist Director Communications bei WTS in München. In dieser Rolle ist er für die Unternehmenskommunikation des Beratungshauses, das sich auf Steuern und Financial Advisory spezialisiert hat, deutschlandweit verantwortlich. Nach seinem Studium der Sozialökonomie absolvierte er ein Volontariat bei der internationalen Kommunikationsagentur Weber Shandwick. Nach einer weiteren Station in einer PR-Agentur wechselte er 2012 zu WTS. Sein persönlicher Fokus liegt auf den Bereichen Internal & External Communications, Marketing Communications sowie CEO & Executive Communications. Im Jahr 2020 hat er ein Social Intranet bei WTS eingeführt, das heute einen wichtigen Baustein der dortigen Mitarbeiterkommunikation bildet.
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Eventmarketing für Professional Service Firms Marketing-Events – Klassische und neue Formate etablieren und einsetzen Susanne Krüger
6.1 Einleitung Kanzleien und Wirtschaftsprüfungsunternehmen professionalisieren mit zunehmender Größe in der Regel ihre Unternehmenskommunikation und bauen entsprechende Ressourcen auf. Marketing-Events, die das Ziel haben, Unternehmensbotschaften zu platzieren, sind deshalb ein übliches Instrument im Rahmen der Marketingaktivitäten von Professional Service Firms geworden. Ob Seminare, Workshops, Diskussionsrunden, Networking- Events, Get-together, Roundtables, Dinner, Cocktail-Partys, Barcamps oder Jubiläumsveranstaltungen – die Möglichkeiten und auch das Angebot sind groß. Umso wichtiger ist es deshalb, sich mit guten, auf die Zielgruppe zugeschnittenen Eventkonzepten von Marktbegleitern abzuheben, um die jeweiligen Kommunikationsziele zu erreichen. Insbesondere bei steigendem Markt- und Wettbewerbsdruck und aufgrund der geringen Wirksamkeit klassischer medialer Kommunikation, wie zum Beispiel Werbung, ist Eventmarketing ein wirksames Kommunikationsinstrument, das die Gewinnung von neuen und die Bindung bestehender Kontakte ermöglicht. In den letzten Jahren hat sich aufgrund der COVID-Pandemie das Angebot von Business-Events mehrfach verändert. Vor 2020 haben Marketing-Events, bis auf Weiterbildungsveranstaltungen und Pilotversuche z. B. bei Second Life, überwiegend real stattgefunden. Durch die Pandemie und weitere technische Entwicklungen sind neue virtuelle Formate, wie Webinare und online-Events, sowie Mischformate in Form von hybriden Events entstanden. Die Palette an Möglichkeiten hat sich dadurch wesentlich erweitert und stellt insoweit eine bedeutende Entwicklung im Eventmarketing dar.
S. Krüger (*) Berlin, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_6
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Auf die Vorteile und Besonderheiten von virtuellen und hybriden Events gehen die Abschn. 6.6.1. und 6.6.2. ausführlich ein. Im Übrigen beziehen sich die Mehrheit der Aussagen auf Live-Events, bei der Personen an einem Ort persönlich zusammenkommen. Denn nach wie vor ist die besondere Wirkung von Veranstaltungen und der damit einhergehenden Emotionalisierung der Zielgruppe leichter mit realen Events zu erreichen. Die Gründe dafür werden im Abschn. 6.6.1 ff. diskutiert.
6.2 Eventmarketing als Kommunikationsinstrument 6.2.1 Eventmarketing – Definition und Einordnung in den Marketingmix In der Marketing-Fachliteratur gibt es verschiedene Definitionen von Eventmarketing, die jedoch nicht wesentlich voneinander abweichen. Sie eint, dass ein Event den Teilnehmern ein bestimmtes Live-Erlebnis ermöglichen muss. Die Erlebnisorientierung ist demzufolge Kern des Eventmarketings. Sie ist zugleich das wichtigste Merkmal zur Unterscheidung von anderen Kommunikationsinstrumenten. Die erste und immer noch allgemein gültige Eventmarketing-Definition stammt aus den 1990er-Jahren: cc Eventmarketing ist ein interaktives sowie erlebnisorientiertes Kommunikationsinstrument, das der zielgerichteten, zielgruppen- bzw. szenenbezogenen Inszenierung von eigens initiierten Veranstaltungen sowie deren Planung, Realisation und Kontrolle im Rahmen einer integrierten Unternehmenskommunikation dient (Nufer und Berndt 2002, S. 21, Herv. durch Verf.). Eventmarketing ist folglich Teil der Unternehmenskommunikation, die einen eigenen Bereich des Marketings darstellt. Der Begriff Unternehmenskommunikation wird synonym mit den Begriffen Kommunikationspolitik und „Promotion“ verwendet. Die Kommunikation eines Unternehmens umfasst alle Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen, die eingesetzt werden, um das Unternehmen oder die Sozietät und seine Beratungsleistungen den relevanten internen sowie externen Zielgruppen darzustellen und/oder mit den Zielgruppen in Interaktion zu treten (angeleht an Bruhn 2018, S. 18). cc Kommunikationspolitik ist ein Element des Marketingmix eines Unternehmens, im Rahmen dessen der Einsatz der Marketinginstrumente kombiniert und koordiniert wird, um eine harmonische Abstimmung und eine effiziente Zielerreichung zu gewährleisten (vgl. Bruhn 2005, S. 11). Kern der Kommunikationspolitik sind zielgerichtete Entscheidungen (Politik als zielgerichtetes Verhalten), die die konkrete Ausrichtung der Kommunikation betreffen (vgl. Bruhn 2018, S. 16).
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cc Die Kommunikationspolitik umfasst Maßnahmen der marktgerichteten, externen Kommunikation (z. B. Anzeigenwerbung), der mitarbeiterbezogenen, internen Kommunikation (z. B. Intranet) und der interaktiven Kommunikation mit Mandanten (z. B. Mandatsanbahnungsgespräche, Social Media Kommunikation) (angeleht an Bruhn 2018, S. 16). Kommunikationspolitik ist eines von vier Elementen des klassischen Marketingmix. Diese vier Elemente werden auch als die „4 P’s“ bezeichnet: 1. 2. 3. 4.
Product (Produktpolitik) Price (Preispolitik) Placement (Vertriebspolitik) Promotion (Kommunikationspolitik).
Die klassischen Marketinginstrumente im Marketingmix gibt Abb. 6.1 wieder.
6.2.2 Eventmarketing als Teil integrierter Kommunikation Eventmarketing steht zunächst auf gleicher Ebene neben den weiteren Instrumenten der Kommunikationspolitik wie z. B. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (PR), Sponsoring, Werbung oder Messeauftritten. In der Praxis setzen Professional Service Firms verstärkt auf die beiden Kommunikationsinstrumente PR und Eventmarketing. Dies liegt im Wesentlichen an der grundsätzlichen Erklärungsbedürftigkeit von Beratungsdienstleistungen. Zum anderen ermöglichen diese beiden Instrumente im Vorfeld einer Manda-
Abb. 6.1 Die klassischen Marketinginstrumente im Marketingmix. (Angelehnt an Bruhn 2018, S. 12)
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tierung den Aufbau von Vertrauen, Dialog und Emotionalisierung, worauf im Laufe dieses Kapitels noch im Einzelnen eingegangen wird. Professional Service Firms nutzen Events etwa gezielt im Bereich Business Development, um aktuelle Beratungsthemen, wie Compliance, Cyber-Security oder ESG durch Veranstaltungsreihen zu vermarkten. Anwälten,1 Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern steht eine breite Palette an Möglichkeiten zur Verfügung, öffentlich aufzutreten und somit gezielt Anlässe für ihre PR-Arbeit zu setzen. Die Bandbreite reicht von Vorlesungen, Seminaren und Vorträgen über Moderationen und Studienbeteiligungen bis zu Podcasts, Blogs, Vlogs und Expertenauftritten in TV und Radio. Neben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den klassischen und sozialen Medien ist Eventmarketing eines der am besten geeignetsten Marketinginstrumente, die Persönlichkeit und Expertise des Beraters zu transportieren. Denn letztlich sollte das Ziel der Kommunikationspolitik von Professional Service Firms sein, ihre Prüfer und Berater als „trusted advisor“ zu positionieren. Die Planung von Marketingevents sollte eng in die Gesamtkommunikation der Sozietäten eingebunden werden. Die Abstimmung der einzelnen Kommunikationsinstrumente aufeinander, wird als integrierte Kommunikation bezeichnet. Es empfiehlt sich, „im Sinne der integrierten Kommunikation […] entsprechende Richtlinien für die inhaltliche, formale und zeitliche Verknüpfung des Eventmarketing mit anderen Instrumenten des Kommunikationsmix festzulegen“ (vgl. Zanger und Drengner 2009, S. 201). Die Besonderheit von Eventmarketing – im Vergleich zu anderen Kommunikationsinstrumenten – ist die Möglichkeit zur direkten und zweiseitigen Kommunikation mit der Zielgruppe. Durch den direkten Kontakt sind Nachteile anderer Instrumente, wie Streuverluste, geringe Wahrnehmung oder Informationsüberschuss aufgehoben. Mittels Nutzung der gesamten Palette an Sinneswahrnehmungen in der Eventgestaltung, wie z. B. sehen, schmecken oder fühlen, wird die Zielgruppe intensiver involviert und emotionalisiert. Aufgrund der Kommunikationsmöglichkeit in beide Richtungen kann der Empfänger reagieren, direktes Feedback geben und in einen Dialog mit dem Veranstalter eintreten. Eine Übersicht über für Professional Service Firms relevante Kommunikationsinstrumente, geordnet nach Sender-Empfänger-Beziehung und Kommunikationsrichtung, gibt Abb. 6.2 wieder.
6.2.3 Ziele von Eventmarketing Mit Eventmarketing können unterschiedliche Ziele verfolgt und erreicht werden. Übergeordnetes Ziel von Events als Kommunikationsinstrument ist es, die gesetzten Marketingziele der Professional Service Firm zu erreichen (vgl. Zanger 2001, S. 439 f.). Diese lassen sich in zwei Zielebenen einordnen: Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
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Abb. 6.2 Eventmarketing als Kommunikationsinstrument
Einerseits können Marketingziele auf operativer Ebene eine eher kurzfristige Wirkung haben. Kurzfristige Ziele können z. B. die Anzahl der Teilnehmer sein, das Verhältnis anwesender Teilnehmer zu eingeladenen Kontakten, Direktkontakte zwischen Teilnehmern und Sozietät oder Dialogbereitschaft der Teilnehmer. Andererseits können mittel- und langfristig strategische Ziele realisiert werden. Dazu zählen Beeinflussung der Bekanntheit und Einstellung zur Marke, Festigung emotionaler Markenbilder, emotionale Mandantenbindung und letztlich Mandatierungsbereitschaft. Eine Übersicht über die Zielebenen und mögliche Ziele gibt Abb. 6.3.
6.2.4 Marketing-Events Für die Einstufung einer Veranstaltung als Marketing-Event ist nicht nur die erwähnte Erlebnisorientierung eines Events entscheidend, sondern der Bezug zur Professional Service Firm sowie deren Kommunikationsbedarf. cc Marketing-Events sind Ereignisse, die der Zielgruppe (Kunden/Mandanten, Mitarbeiter, Bewerber) unternehmens- oder produktbezogene Kommunikationsinhalte erlebnisorientiert vermitteln und damit der Umsetzung der Marketingziele eines Unternehmens dienen (vgl. Zanger 2007, S. 3 f.). Bei Marketing-Events steht das Markenerlebnis im Mittelpunkt, während Business-Events stärker auf das Unternehmen und dessen Angebot fokussieren (vgl. R.I.F.E.L 2020, S. 5).
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Abb. 6.3 Die Zielebenen des Eventmarketing
Events mit dieser Zielstellung werden inhaltlich abgrenzend zu sonstigen erlebnisorientierten Veranstaltungen (wie z. B. Musikfestivals oder Filmfestspielen) als Marketing-Events bezeichnet. Marketing-Events sind weiterhin zu unterscheiden von Veranstaltungen, die als Kommunikationsmittel innerhalb anderer Kommunikationsin strumente eingesetzt werden (vgl. Bruhn 2005, S. 418), wie z. B. Pressekonferenzen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Standparties bei Messen oder Empfänge im Rahmen gesponserter Veranstaltungen. Eine Weihnachtsfeier kann nach diesem Verständnis als Marketing-Event kategorisieren werden, wenn der Zielgruppe der Mitarbeiter Kommuni kationsinhalte vermittelt werden sollen. Tab. 6.1 gibt einen nicht-abschließenden Überblick über Marketing-Events für Professional-Service-Firms. Die Einordnung in die jeweiligen Kategorien erfolgt anhand der definierten Zielgruppen und Ziele. Das wichtigste Unterscheidungskriterium ist die Frage, ob vorrangig eine Imagestärkung oder der Absatz – also die Mandatsgewinnung – im Vordergrund stehen. Während Corporate-Events dem Aufbau und der Stärkung des Unternehmensimages dienen, steht bei Consumer-Events die Gewinnung neuer Kunden bzw. Mandanten im Vordergrund. Da Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer historisch und standesrechtlich geprägt weniger in den Kategorien „Produkt“ und „Vertrieb“ denken und auch gewissen regulatorischer Einschränkung in der Bewerbung ihrer Dienstleistungen
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Tab. 6.1 Kategorisierung und Typen von Business-Events. (Angelehnt an Bruhn 2005, S. 419; Zanger und Drengner 2004, S. 46 f., Das Online-Lexikon für Eventmarketing 2017, FAMAB Kommunikationsverband 2017, Schabbing, 2022, S. 12) Kategorie Corporate- Events
Zielgruppe/Ziel Business-to-Business Produkt- und Kanzleiinszenierungen mit dem Ziel der Vermittlung von Informationen und der Steierung des Images gegenüber Mandanten, (potenziellen) Mitarbeitern oder Vermittlern
Public-Events Business-to-Public stärker erlebnisorientierte Präsentation der einer Professional Service Firm für eine breite Öffentlichkeit mit dem vorrangigen Ziel der Reputationsbildung Employee- Business-to-Employee Events Informationsvermittlung an bzw. Motivation von Mitarbeitern einer Professional Service Firm und/ oder deren Netzwerk- oder verbundene Kooperationspartner
Consumer- Events
Exhibition- Events
Charity/ Social/ Culture- Events
Typen von Events Networking-Veranstaltungen Galas/Jubiläen Symposien/Kongresse Recruiting-Events Kick-off-Meetings (zum Start von Projekten) Sportevents Sponsoring-Veranstaltungen PR-Veranstaltungen Tag der offenen Tür
Mitarbeiterversammlungen Motivationsveranstaltungen Weihnachtsfeiern Ehrungen/Jubiläen Teambuilding-Events Incentives Führungskräftetagungen Business-to-Consumer Informationsveranstaltung erlebnisgestützte Produkt-, Marken-, Produktpräsentationen Unternehmenseinführungen mit dem vorrangigen Roadshows Ziel des Verkaufs von Beratungsleistung an Workshops/Seminare Kunden und Mandanten Fachveranstaltungen/ Seminare Schulungen Business-to-Business, -to-Consumer, -to-Public B2B Wirtschaftsmessen erlebnisorientierte Konzepte und Umsetzungen Publikumsmessen rund um Messen und Ausstellungen Standparties Bewerbermessen Jobbörsen Business-to-Public Festakte/Galas Förderung eines gesellschaftlich relevanten Konzerte/Festivals/ Zwecks gegenüber der Öffentlichkeit und/oder Kulturveranstaltungen Multiplikatoren Benefizveranstaltungen
unterliegen, sind Corporate-Events und Employee-Events die häufigste Art von Marketing- Events, die Professional Service Firms veranstalten. Daraus folgt aber auch, dass sich durch den Einsatz anderer Event-Arten Unterscheidungspotenziale vom Wettbewerb ergeben.
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6.3 Warum Eventmarketing? Warum sind Events ein sinnvolles Kommunikationsinstrument für Professional Service Firms? Dafür sprechen mehrere Faktoren. Einerseits ist eine Beratungsleistung eine Dienstleistung, die im Gegensatz zu einem physischen Produkt nur schwer visualisiert werden kann und zudem häufig erklärungsbedürftig ist. Weiterhin kann der Käufer die Qualität der Leistung nicht oder nur schwer einschätzen. Er kann sie häufig noch nicht einmal nach Bezug abschließend bewerten. Beispielsweise wird die Qualität eines Vertrags oft erst in der Anwendung deutlich, also wenn er von den Vertragsparteien umgesetzt wird und die Vertragsparteien feststellen können, ob für diverse Vorkommnisse überhaupt und wirksame Klauseln vereinbart wurden. Rechts-/Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind Erbringer einer typischen Vertrauensdienstleistung, weil der Empfänger das Leistungsergebnis objektiv schwer beurteilen kann und dem Anbieter vertrauen muss (vgl. Neuhaus 2007, S. 11). Die Vermarktung von Vertrauensdienstleistungen muss auf die Bedürfnisse und Befürchtungen des Mandanten eingehen und ihm emotionale Sicherheit vermitteln (vgl. Neuhaus 2007, S. 32). Um diesen Vertrauen herzustellen, bedarf es eines persönlichen Kontakts, Sympathieaufbau und Überzeugungsarbeit. Dafür bieten Marketing-Events die ideale Plattform. Ein weiterer Faktor ist, dass aufgrund der erschwerten Bewertbarkeit der Dienstleistung, Einkäufer von Beratungsdienstleistungen neben scheinbar objektiven Kriterien wie Anwaltsverzeichnissen, Berater-Rankings und Auszeichnungen persönliche Empfehlungen einholen. Nach wie vor werden viele Mandate über Empfehlungen von Kollegen und auch (in Konfliktfällen) von Wettbewerbern vermittelt. Es ist folglich wichtig, bei den Empfehlenden bekannt und bei ihnen im richtigen Moment in Erinnerung zu sein. Im Rahmen von Empfehlungsmarketing ist es Ziel, diesen Erinnerungseffekt zu erwirken. Beides, der Vertrauensaufbau als auch das Erinnerungsvermögen, kann nachhaltig über den Erlebniswert von Events erzeugt werden. Mit einer hohen Emotionali sierung während einer Veranstaltung werden sich Teilnehmer später wahrscheinlicher an den Veranstalter erinnern. Ein persönlicher Fit, also das persönliche Kennenlernen und das Testen der „persönlichen Chemie“ ist bei einem Marketing-Event in einem informellen Rahmen möglich und authentischer als z. B. bei einem „Beauty Contest“, also der Präsentation im Rahmen eines Ausschreibungs- oder Pitchverfahrens. Bei einem Event selbst erlebte, sogenannte „heiße Emotionen“ (im Gegensatz zu den durch Werbung vermittelnden „kalten Emotionen“) bewirken im Idealfall positive Eindrücke, bessere Wiedererkennung und stärkere Nachhaltigkeit der Erinnerung. Events bieten eine ideale Möglichkeit, bestimmte Personengruppen gezielt anzusprechen und über eine gewisse Exklusivität ein Gefühl der Aufwertung und Wertschätzung zu vermitteln. Schließlich bieten Events die Möglichkeit, die Kanzleikultur und -marke erlebbar zu machen. Wer „nach Hause“ in die Kanzlei eingeladen wird, bekommt einen individuellen und echten Eindruck des Gastgebers. Er kann sich vom Qualitätsanspruch sowie
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Abb. 6.4 Die emotionale Kundenbindung
dem Beratungsansatz allgemein und der Expertise und unternehmerischen Werte im Besonderen überzeugen. Originelle und authentische Erlebnisse mit überraschenden Verknüpfungen und Wendungen ermöglichen Interaktion, ein gewisses „Wir-Gefühl“ sowie einen gemeinsames Werteverständnis. Somit kann eine emotionale Mandantenbindung entstehen, wie sie Abb. 6.4 wiedergibt.
6.4 Planung von Marketing-Events Die Planung eines Marketing-Events erfolgt üblicherweise in zwei Phasen: in der strategischen Planung werden die entsprechenden grundlegenden Entscheidungen getroffen, während in der operativen Planung die kreativen Mittel ausgewählt und die konkreten organisatorischen Schritte abgearbeitet werden. Einen Überblick gibt Abb. 6.5.
Abb. 6.5 Planungsprozess für Marketing-Events
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6.4.1 Strategische Planung Analyse Im Rahmen der strategischen Planung muss der Veranstalter die Frage beantworten, warum er überhaupt ein Marketing-Event veranstaltet möchte. Dafür muss er zuerst den Ist-Zustand analysieren. Über z. B. Befragungen von Mandanten und Kollegen (Primärquellen) oder über z. B. Branchenveröffentlichungen (Sekundärquellen) sollte er folgende Fragen beantworten: 1 . Welche Zielgruppen möchte ich erreichen? 2. Welche Einstellungen haben meine Zielgruppen zu Events (Eventnachfrage)? 3. Welches Eventangebot gibt es bereits in der Branche und von Marktbegleitern? 4. Wie kann ich mich vom existierenden Angebot abheben (und „me-too-Events“ vermeiden)? 5. Passt das Event in meinen Marketing-Mix? 6. Welche Anlässe sehe ich für Marketing-Events? Ziele und Zielgruppen In einem zweiten Schritt werden Zielgruppen, Ziele und Zielausmaß des Marketing- Events festgelegt. Zielgruppen können interne, z. B. Mitarbeiter, oder externe Personengruppen, wie Mandanten, Richter oder Journalisten, sein. Weiterhin können Primär-, Sekundär- und Tertiärzielgruppen definiert werden. Primärzielgruppen sind die Teilnehmer selbst. Als Sekundärzielgruppen werden Gäste bezeichnet, die über das Event in der Presse oder den Sozialen Medien berichten. Tertiärzielgruppen erfahren üer Erzählungen der Primärzielgruppe oder über die Erwähnung bzw. Berichterstattung der Sekundärzielgruppe in den Medien von dem Event. Bei den Zielen sollten sowohl operative (kurzfristige) Ziele als auch strategische (mittel- bis langfristige) Ziele festgelegt werden (s. Abschn. 6.2.3). Dabei ist zu überlegen, • was erreicht werden soll (Zielinhalt), • bei wem das Ziel erreicht werden soll (Zielgruppe) und • wie das Ziel in welcher Zeit es erreicht werden soll. Ziele sollten messbar sein, um den Eventerfolg feststellen zu können. Bestimmte Ziele wie z. B. die Erreichung von Imagezielen oder der Grad der Emotionalisierung konnten bislang oft nur mit aufwändigen Befragungen überprüft oder nur schwer objektiviert werden. Durch die Digitalisierung ergeben sich aber auch für die Erfolgsauswertung von Marketing- Events viele Möglichkeiten, mit Hilfe von neuen Technologien zum Beispiel Gesichtsausdrücke bei Eventteilnehmern zu erfassen und auszuwerten. In der Eventforschung gibt es bereits erfolgreiche Studien z. B. zur kamerabasierten Emotionsmessung, die nicht nur eine konkretere Auswertung des Eventerfolgs sondern auch Ableitungen für die Dramaturgie im Eventablauf ermöglichen. Es ist zu erwarten, dass es in Zukunft eine große Pa-
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lette an Tools und Apps geben wird, die eine automatisierte und unaufwändigere Erfolgsmessung ermöglichen. In jedem Falle sollten Ziele in die Zielfestlegung einbezogen werden, die sowohl quantitative, qualitative wie auch subjektive Elemente enthalten und Rückschlüsse ermöglichen. Der Zielinhalt sollte für die spätere Prüfbarkeit möglichst genau herausgearbeitet werden: anstelle von „Imagesteigerung“ wäre eine konkreter Zielsetzung „Änderung des Images von konservativ in modern“, statt „Bekanntheitssteigerung“ wäre ein Ziel, die „Bekanntheit bei Jura-Studenten von 10 auf 20 Prozent zu erhöhen“. Der Fokus muss folglich darauf liegen, Ziele möglichst präzise zu definieren, schriftlich festzuhalten und idealerweise zu gewichten, da sie somit einfacher im Fokus bleiben. Budget In einem weiteren Schritt, der durchaus auch am Anfang steht, muss das Budget definiert werden. Es sollte sowohl ein Gesamtbudget sowie die Verteilung der geplanten Ausgaben auf verschiedene Komponenten wie Kommunikation, strategische Planung, Kreation, Organisation und Produktion definiert werden. Für die Festlegung gibt es verschiedene Ansätze: Bezugsgrößen können Anteil am Umsatz oder Gewinn der Professional Service Firm sein, Kosten pro Teilnehmer oder einfach die Höhe der dafür tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel sein. Idealerweise enthält ein Event-Budget auch einen Betrag für die Erfolgsmessung, z. B. für eine Feedback-Möglichkeit, mittels einer Veranstaltungs-App oder einer Online-Umfrage im Anschluss an das Event. Gerade wenn Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht so häufig Marketing-Events durchführen, neigen sie dazu, die Festlegung eines konkreten Budgets zu vernachlässen, was zu Komplikationen im Planungsprozess und/ oder zur Überschreitung einzelner Komponentenkosten führen kann. Eine klare Definition erleichtert die Überwachung der Gesamtkosten sowie die Angebotseinholung bzw. -verhandlung mit Dienstleistern. Zudem kann auch die Einhaltung des Budgetrahmens ein sinnvolles und einfach messbares Ziel eines Marketing-Events sein. Sowohl für die Kalkulation wie auch für die Überwachung des Budgetrahmens gibt es am Markt zahlreiche Tools und Softwareangebote, die eine einfache digitale Erfassung und Steuerung ermöglichen. Integration in Gesamtkommunikation Schließlich muss das einzelne Marketing-Event in die Gesamtkommunikation integriert werden. Das heißt, die einzelnen Kommunikationsmaßnahmen müssen logisch aufeinander abgestimmt sein und die gleiche Kommunikationsbotschaft vermitteln. Die Integration der Maßnahmen kann formal erfolgen, z. B. wird der Veranstaltungsraum in den Corporate De sign Farben dekoriert oder bestimmte Key Visuals (Bildelemente), die z. B. auch auf der Website wiederzufinden sind, werden in der Eventeinladung genutzt. Eine weitere Möglichkeit ist die inhaltliche Integration über die Vermittlung gleicher Inhalte, z. B. Vorstellung eines neuen Beratungsfelds parallel mittels einer Anzeige (Werbung), eines Mandantennewsletters (PR) und einer Fachveranstaltung (Eventmarketing). Schließlich können unterschiedliche Kommunikationsinstrumente zeitlich integriert werden, indem eine Reihenfolge festgelegt wird. Beispielsweise könnte ein neues Produkt oder ein neuer Partner den Mitarbeitern zuerst über eine E-mail des Managing Partners, dann im Intranet und schließlich persönlich auf einer Mitarbeiter-Veranstaltung vorgestellt werden.
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6.4.2 Operative Planung Kreation In die operative Planung fallen die Kreation und die Organisation (Produktion) des Events. Wichtig ist, in die operative Planung die Vorgaben aus der strategischen Vorbereitung einzubeziehen – also zu überlegen, mit welcher Eventgestaltung die gesteckten Ziele erreicht werden können. In dieser Phase muss sich der Veranstalter Gedanken darüber machen, wozu die Zielgruppe eine bestimmte Affinität besitzt, was sie interessiert, womit sie zu locken ist, was für sie Alltag und was eher außergewöhnlich ist. Weiterhin ist zu entscheiden, mit welcher Intensität das Event stattfinden soll, also wie oft und wie lange. Schließlich müssen kreative Ideen entwickelt werden für: 1. Art der Reizdarbietung (riechen, schmecken, hören, sehen, fühlen) 2. Aufbau der Eventhandlung (vorprogrammierte Handlung, ungenauer Ausgang, nicht erkennbarer Ablauf) 3. Spannungsbogen der Eventhandlung (Dramaturgie) 4. Inhaltliche Breite des Events (Fokus auf ein oder mehrere Themen) 5. Zeitliche Kombination der Eventinhalte (parallele oder sukzessive Eventinhalte) Um diese Festlegungen zu treffen, kann eine Professional Service Firm entweder eine Kreativ- oder Eventagentur beauftragen, die mittels eines Briefings alle im Bereich der strategischen Planung getroffenen Vorgaben erhält. Alternativ können diese auch mittels bestimmter Kreativitätstechniken selbst durchlaufen werden, wobei in Kreativitätsprozesse grundsätzlich mehrere Personen einbezogen werden sollten. Auf die Palette der Kreativitätsmethoden, die vom Brainstorming über die „635-Methode“ bis zum „morphologischen Kasten“ reicht, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, sondern auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden. Organisation Die Organisation des Events erfolgt in vier aufeinander folgenden Stufen. Im Vorfeld, also zeitlich vor dem eigentlichen Event, müssen die „hard facts“, wie Ort, Inhalt und Zeit, sowie die „soft facts“ wie Interesse, Spannung, Vorfreude vermittelt werden. Die Zielgruppe soll einen Eindruck bekommen, welchen Nutzen bzw. Mehrwert sie von dem Event haben kann, z. B. emotional (Vergnügen) oder sozial (Netzwerk) und welche Kosten auf sie zukommen (Anreise, Übernachtung, Arbeitsausfall). Im Vorfeld ist weiterhin zu überlegen, mit welcher Kommunikationsmaßnahme die Zielgruppe angesprochen werden soll. In Frage kommen z. B. E-Mails, Kommunikation über Social Media Plattformen wie LinkedIn oder Instagram, interaktive Video-Einladungskarte, persönliche bzw. telefonische Ansprache oder (auch wieder) handschriftliches Anschreiben. In der schriftlichen Kommunikation sollten wesentliche Eckpunkte sowie Logo, Bilder, Inhalt der Veranstaltung, Exklusivitätsgrad, prominente Sprecher oder Eventteilnehmer etc. vermittelt
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werden. Weiterhin muss anhand des Terminverhaltens der Zielgruppe und der Attraktivität des Events der Zeitpunkt und die Wiederholung der Kommunikation festgelegt werden. Bewährt hat sich hier ein mehrstufiger Aufbau in Form von Terminankündigung/Save-the- date, Einladung, Erinnerung, Teilnahmebestätigung/Teilnahmeerinnerung. Im Rahmen der Umfeld-Organisation, also sozusagen „um das Event herum“, steht die Zufriedenheit der Teilnehmer mit allen Bestandteilen der Veranstaltung im Mittelpunkt. Die üblichen Bestandteile sind: • • • • • • •
Auswahl und Gestaltung des Veranstaltungsortes Logistik/Erreichbarkeit Rückzugsmöglichkeiten für Telefonate, Videokonferenzen oder Einzelgespräche Catering technische Ausstattung (wie W-Lan oder Streaming-Möglichkeit) Teilnehmermanagement (Registrierung, Hotline, Gästebetreuung) Ggf. Übernachtung (Hotelkontingente etc.)
Die Organisation im Hauptfeld bezieht sich vor allem auf die Motive zur Teilnahme. Ein emotionales Motiv, ein Event zu besuchen, könnte z. B. eine gewisse Sportaffinität der Zielgruppe sein, weshalb z. B. die Übertragung einer Fußball-WM zum Eventinhalt oder Motto werden kann. Motive können auch kognitiv geprägt sein. In diesem Fall könnten z. B. exklusive Informationen angeboten werden, die den Gästen sonst nicht oder nur schwer zugänglich sind – z. B. eine individuelle Einschätzung der Marktauswirkungen eines aktuelles Gerichtsurteils oder einer Gesetzesnovelle. Sozial geprägte Motive spielen ebenfalls oft eine Rolle. Um Kommunikation anzuregen, können Themen an die Hand gegeben, Räume entsprechend eingerichtet (Stehtische, Sitzordnung), häufige Pausen einplant oder eine homogene Teilnehmergruppe mit ähnlichem Hintergrund oder Interessen eingeladen werden. Schließlich müssen psychologisch geprägte Motive berücksichtigt werden. Die Teilnehmer dürfen sich weder über- noch unterfordert fühlen und es müssen bestimmte „Verhaltensregeln“ festgelegt sein. Es hat sich beispielsweise bewährt, Regelungen hinsichtlich des erwünschten Fotografier- und Posting-Verhaltens in Sozialen Medien in der Einladung oder am Veranstaltungsort bekannt zu geben. Weiterhin ist hier über Werbemittel auf dem Event selbst zu entscheiden: Kleidung des Personals, Werbung auf Transportmitteln, Plakate, Beachflags, Moderation, musikalische Einspieler (Jingles), Präsentationen, Videos, etc. Im Nachfeld, also wenn das Event beendet ist, muss nicht nur die logistische Nachbereitung, wie z. B. Abbau von Einrichtung und Technik realisiert werden. Der Schwerpunkt liegt in dieser Phase auf der Planung der kommunikativen Nachbereitung, da diese dazu dienen soll, mit dem Event möglichst lange und positiv in der Erinnerung der Teilnehmer zu verbleiben. Ähnlich wie in der Vorfeldkommunikation ist hier wieder auf andere Kommunikationsinstrumente zurückzugreifen. Mögliche Mittel sind z. B. persönliche Dankesschreiben mit kleinem Gegenstand mit Bezug zum Eventinhalt, Email-Kommunikation mit Link zu Bilder-Datenbank, Downloadbereich verwendeter Präsentationen
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bzw. weiterführenden Informationen oder Eventvideo. Sehr wirksam wenn auch etwas kostenintensiver ist die Übersendung einer thematisch mit dem Inhalt des Events in Zusammenhang stehenden Aufmerksamkeit – z. B. Wein oder Zutatenbox nach einem exklusiven Kochevent. Wichtig ist, gegenüber der Sekundärzielgruppe, Journalisten, den Nachrichtenwert zu beachten – also etwas Neues, Außergewöhnliches, Fortschrittliches etc. zu vermitteln, das für Medien spannend genug ist, darüber zu berichten (Informationswert ). Mittels eines Give-aways, das sich auf das Eventmotto bezieht, kann erreicht werden, dass Gäste (Primärzielgruppe) den Nicht-Teilnehmern (Tertiärzielgruppe) von dem Event berichten und damit die Reichweite des Events erhöhen. Oft vernachlässigt, aber Basis für die Einschätzung der Zielerreichung: die Erfolgskontrolle. Wie erwähnt, sollte anhand der im Vorfeld festgelegten Ziele geprüft werden, ob und in welchem Maß die eigenen Vorgaben erreicht und die Ziele der Kommunikationsmaßnahme Marketing-Event erreicht wurden (s. Abschn. 6.4.1).
6.5 Herausforderungen 6.5.1 Zielgruppenerreichbarkeit Nicht nur hat die Wahrnehmung von Werbung allgemein abgenommen, sondern auch durch die große Anzahl an Kommunikationskanälen und -plattformen und einer damit einhergehende kürzeren Aufmerksamkeitsspanne ist es immer schwieriger geworden, die gewünschte Zielgruppe zu erreichen. Da viele Professional Service Firms Marketing-Events veranstalten und sie in Konkurrenz zu Interessen-, Branchenverbänden sowie Unternehmen und einem immer größer werdenen Online-Angebot treten, gibt es ein die Nachfrage weit übersteigendes Event-Angebot. Dies hat dazu gefühlt, dass sich verschiedene, differenzierte Interessengruppen (special interest groups) gebildet haben, die große Erwartungen an die Erfüllung ihrer Ansprüche hegen. Veranstalter müssen die Wünsche ihrer Zielgruppe demzufolge sehr gut kennen und möglichst passgenau erfüllen. Idealerweise sollten daher kleinere Zielgruppen mit ihren individuellen Bedürfnissen angesprochen werden. Zudem sollte die Ansprache exklusiv erfolgen, um Streuverluste zu vermeiden und den Gästen ein Gefühl der Aufwertung zu vermitteln. Mittels einzigartigen Live-Erlebnissen, einer multisensualen Ansprache und höchsten Qualitätsanforderungen können Zielgruppen überzeugt und die Kommunikationsbotschaft glaubwürdig vermittelt werden.
6.5.2 Unterscheidung vom Wettbewerb Um zu gewährleisten, dass sich Teilnehmer später nicht nur an „eine Veranstaltung von Anwälten“ sondern als „Event der Steuerberater xy“ erinnern, müssen die Events ori ginell, einzigartig und authentisch sein. Eine Vortragsveranstaltung mit textlastigen
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owerpointpräsentationen wäre demzufolge die falsche Wahl. Besser sind überraschende P Verknüpfungen oder Wendungen. Mögliche Varianten sind beispielsweise ein Outdoor- Erlebnis im Winter, sonst unzugängliche Orte als Eventlocation oder Koryphäen aus einer branchenfremden Bereichen (Raumfahrt, Spitzensport etc.), die bei exklusiven Formaten Parallelen zu ihren Lebenswelten ziehen. Auch ein besonderer Fokus auf Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit (Purpose), Entschleunigung oder Digital Detoxing eignen sich als Unterscheidungsmerkmal. Insbesondere erlebnisorientierte Zielgruppen, die mit den Generationen Y und Z in den Unternehmen angekommen sind, müssen Innovation, Flow, Mehrwert und beeindruckende Live-Erlebnisse geboten werden. Wichtig ist, dass das Format Interaktion ermöglicht und ein gewisses Wir-Gefühl entsteht. Denn etwas gemeinsam zu erleben, bewirkt einen gemeinsamen „Wertevorrat“ mit dem Veranstalter, der dazu führt, dass Erlebnisse im Langzeitgedächtnis der Mandanten verbleiben.
6.5.3 Erfolgsmessung Oft wird im Nachfeld des Events wenig Fokus auf die Prüfung gelegt, ob die Kommunikationsziele tatsächlich erreicht wurden. Sind die Ziele spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert (SMART) definiert (s. Abschn. 6.4.1), ist dieser Schritt jedoch einfach. Mögliche Mittel zur Erfolgskontrolle sind: • • • • • • • • • • •
Eigene subjektive Einschätzung Checklisten Befragung der Mitarbeiter – persönlich oder online Auswertung der Teilnehmerstatistik (z. B. no-show-Rate) Analyse der Kontaktzahlen Besucherbeobachtung KI-basierte Emotionsmessung Befragung der Teilnehmer – persönlich oder online Feedback-Möglichkeit in Veranstaltungs-App Auswertung der Chat-Kommunikation Erhebung ökonomischer Daten
Es ist nicht notwendig, ein Meinungsforschungsinstitut mit der Erfolgsprüfung zu beauftragen. Eine Auswertung kann regelmäßig damit beginnen, interne Stakeholder zu befragen, wie viele Gesprächspartner sie hatten, wie viele substanzielle Gespräche sie geführt haben, wie sie die Social Media Posts über das Event beurteilen etc. Weiterhin können Gäste telefonisch oder elektronisch nach ihrer persönlichen Einschätzung befragt werden. Eine weitere einfache, anonyme Möglichkeit für Feedback in einer Event-App oder mittels einer Online-Umfrage. Aber auch hier ist wiederum auf die Gewohnheiten und Affinitäten
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der Zielgruppen Rücksicht zu nehmen. Auf keinen Fall sollte die Nachfeldkommunikation mit zu vielen Inhalten überfrachtet werden. Wenn in der Auswertung festgestellt wird, dass keine eindeutige Aussage zur Zielerreichung getroffen werden kann, sollte dies Anlass sein, die Zielfestlegung beim nächsten Marketing-Event zu konkretisieren. Ebenso ist eine Feststellung, dass Kommunikationsziele nur teilweise erreicht wurden, kein Misserfolg, sondern Verbesserungspotenzial für die folgende Veranstaltung. Im Debriefing sollten Herausforderungen, einzelne verbesserungsfähige Veranstaltungselemente sowie Zufriedenheit mit Dienstleistern festgehalten und im Rahmen der strategischen und operativen Planung des nächsten Marketing-Events einbezogen werden.
6.6 Neue Eventformate und Trends 6.6.1 Virtuelle Events Vor der COVID-Pandemie haben Marketing-Events zumeist physisch stattgefunden, denn der sie definierende Erlebnischarakter zur Vermittlung der Unternehmensbotschaften kann am besten bei einer realen Veranstaltung vermittelt werden. Nur wenn Menschen vor Ort sind, können alle ihre Sinne (sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen) angesprochen und damit eine hohe Emotionalisierung erreicht werden. Es gab immer auch Versuche, Marketing-Events in virtuellen Welten, wie zum Beispiel bei Second Life zu veranstalten. Allerdings ist es meist bei Pilotphasen und Studien geblieben. Denn auch wenn es möglich ist, eine Produktprobe oder begleitendes Catering dem Teilnehmer vorher zuzusenden, sodass neben Sehen und Hören mindestens ein weiterer Sinn einbezogen wird, konnte bei den Teilnehmern nicht der gleiche Grad an Involvement wie bei physischen Events erreicht werden. Professional Service Firms haben Marketing-Events weit überwiegend als reale Veranstaltungen durchgeführt, da aufgrund der Beratungsdienstleistung von Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern (s. Abschn. 6.3) ein wesentlicher Schwerpunkt der Events auf der persönlichen Begegnung und dem Netzwerken liegt. Lediglich Formate, bei denen die Wissensvermittlung im Mittelpunkt steht, wie beispielsweise Weiterbildungsveranstaltungen oder Seminare z. B. zur Ankündigung von Gesetzesänderungen, wurden auch vor der Pandemie schon über Online-Tools angeboten. Während der Pandemie haben Unternehmen notgedrungen alle Eventformate in den virtuellen Raum verlagern müssen, da physischen Treffen nicht möglich waren. Diskussionsrunden, Konferenzen, Preisverleihungen, Workshops usw. wurden online gebracht und einem definierten Teilnehmerkreis über Videokonferenzsoftware oder Live streams im Internet zugänglich gemacht. Zudem wurden neue Formate entwickelt, die den Umständen Rechnung trugen: online-Kochkurse, virtuelle Museumsbesuche, digitale Wein-Verkostungen oder Cocktail-Mixkurse in digital nachgebildeten Bars sind nur einige Beispiele. Persönliche Begegnungen wurden virtuell organisiert. Mit speziellen on-
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line-Tools wurden Breakouts, Matchmakings oder Networking realisiert, indem Teilnehmer gezielt oder zufällig in parallelen Räumen zusammengeschaltet wurden. Somit war ein individueller virtueller Kontakt möglich. Etwaige physische Begleitprodukte wie Kochzutaten, Snackboxen oder Barmix-Equipment wurden gegebenenfalls direkt an die Teilnehmer gesendet. Die Erfahrungen mit dieser Art von virtuellen Marketing-Events sind verschieden und abhängig von den Kommunikationszielen des jeweiligen Events. Wenn der Schwerpunkt auf der gezielten Vermittlung von Inhalten und Informationen liegt, so lässt sich dies recht gut auch im virtuellen Raum realisieren. Sind die Ziele der Unternehmenskommunikation aber Reputationsaufbau und Vertrauensbildung, so sind diese rein virtuell schwerer erreichbar. Nach mehreren Jahren Erfahrung mit Online-Events lassen sich die Vor- und Nachteile wie folgt zusammenfassen: Vorteile: • • • • • •
Räumliche Unabhängigkeit – ortsunabhängige Einwahl Größere Internationalität – Akteure und Gäste aus verschiedenen Ländern möglich Zeitersparnis – An- und Abreise entfällt Convenience – Teilnahme sehr unaufwändig und bequem Höherer Reichweite – mehr Teilnehmer durch fehlenden Reiseaufwand Mehr Flexibilität – Teilnehmerzahl nicht durch Verfügbarkeit oder Größe des Veranstaltungsorts begrenzt • Barrierefreiheit – Screen Reader, Vergrößerungssoftware, individuelle Lautstärkeanpassung anwendbar Nachteile: • Fehlender persönlicher Austausch – rein virtuelle Begegnung • Grundlegende Neu-Konzeption – Fokus auf stringente Dramaturgie, spannendende Storyline und steile Spannungsbögen • Vielfältige Interaktionsangebote – aktive Involvierung der Teilnehmer notwendig • Höherer Planungs- und Durchführungsaufwand – mehr Technikeinsatz und -tests nötig • Technische Perfektion – hohe Anforderungen an Event- und Technikpersonal • Größerer Kostenblock für Technik, IT und Personal Obwohl sich die Vor- und Nachteile virtueller Events ungefähr die Waage halten, scheinen post-COVID rein digitale Veranstaltungen als klassische Marketing-Events wieder in der Unterzahl. Denn virtuelle Matchmaking- und Chat-Tools können persönliche Begegnungen nur begrenzt ersetzen. Sie sind gut einsetzbar, wenn sich die Teilnehmer kennen. Sie funktionieren allerdings weniger gut, wenn es keine gemeinsame Anknüpfungspunkte gibt. Neukontakte, Austausch, Vertrauensaufbau und vertrauliche Gespräche sind im digitalen Raum nicht so einfach möglich. Zudem bevorzugen Menschen aufgrund des sogenannten Lagerfeuer-Gens den sozialen Kontakt mit anderen Menschen. Weiterhin haben
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viele Menschen über die Lockdown- und Homeoffice-Zeiten eine gewisse Bildschirmmüdigkeit und Konzentrationsschwäche erworben, die zu kürzeren Aufmerksamkeitsspannen führt und es damit erschwert, spannende online-Events zu konzipieren, von denen sich die Teilnehmer nicht ablenken lassen. Schließlich ist bei vielen Menschen sogar ein Bedarf entstanden, die nicht möglichen Face-to-Face Begegnungen und Neukontakte nach der Pandemie nachzuholen. Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten für das Networking und die Interaktion sind virtuelle Events kein Ersatz für Präsenzveranstaltungen (vgl. Hütter und Grossek 2022). Für die emotionsbezogene Vermittlung von Marketingbotschaften eignen sie sich nur bedingt. Virtuelle Events sind jedoch eine sehr gute Möglichkeit, um ortsunabhängig vielen Teilnehmern Wissen zu vermitteln. Webinare, Online-Schulungen und Events für eine räumlich weit verstreute Zielgruppe werden daher auch in Zukunft eher virtuell stattfinden. Immer dann, wenn der Erlebnischarakter, der persönliche Austausch und Ansprache aller Sinne im Mittelpunkt steht, sind physische Events besser geeignet. Die einzelnen Elemente von digitalen und realen Events lassen sich aber auch kombinieren. Es sind Mischformen möglich, die die Vorteile virtueller Events mit denen physischer Events verbindet: hybride Events.
6.6.2 Hybride Events Bei hybriden Events ist zeitgleich eine physische Teilnahme vor Ort und eine ortsunabhängige virtuelle Teilnahme möglich. Mit einer guten Konzeption kann man die Vorteile beider Formate vereinen. Durch die Kombination von Aspekten realer Live-Events (Erlebnischarakter, Emotionalisierung, Multisensualität, Face-to-Face-Kontakt,) mit Aspekten der online-Kommunikation (Reichweite, Zeit- und Ortsunabhängigkeit, Convenience) ist mit hybriden Events eine neue Eventform entstanden, die sich durch folgende Charakteristika auszeichnet: • • • •
Augenhöhe (von Aspekten physischer und digitaler Events) Interaktion (zwischen real und digitalen Teilnehmern sowie mit dem Veranstalter) Simultanität (gleichzeitige Teilnahme vor Ort und digital) Flexibilität (in der Ausgestaltung der Events und der Einbeziehung der Teilnehmer) (angelehnt an Dams 2022, S. 46)
Die einzelnen Event-Formate können in verschiedenem Ausmaß hybridisiert werden – einen Überblick über die unterschiedliche Hybridisierung von Events gibt Abb. 6.6 wieder. Hybride Konzepte bringen jedoch auch Herausforderungen mit sich. So muss ein noch höheres Maß an technische Perfektion angelegt werden, da reale und digitale Teilnehmer gleichzeitig und gleichberechtigt bedient werden müssen. Das Veranstaltungspersonal muss über viel mehr technisches Know-how verfügen und über eine quasi hybride Expertise aus IT- und Eventtechnik verfügen (vgl. Dams 2022, S. 47). Weiterhin muss ein krea-
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Abb. 6.6 Hybridisierungseignung von Marketing-Events von Professional Service Firms. (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Zanger 2022, S. 30)
tiver Ansatz entwickelt werden, wie die Online-Teilnehmer an verschiedenen Orten in eine ganzheitliches Eventerlebnis einbezogen werden. Dieses zu erreichende Involvement der Teilnehmer erfordert eine klare Definition der Kommunikationsziele des Events und der Kernbotschaften. Zudem sind tendenziell höhere Budgets notwendig, da die Gleichzeitigkeit eines Live-Events und einer Online-Erlebniswelt höheren technischen und personellen Aufwand erfordern. Post-COVID Umfragen unter Unternehmen zeigen, dass sich hybride Veranstaltungen im Eventmarketing eher nicht durchsetzen. Denn Teilnehmer hybrider Events zeigen eine klare Präferenz für die Teilnahme vor Ort: mehr als die Hälfte bevorzugen das Live-Erlebnis gegenüber nur fünf Prozent mit Präferenz für eine Online-Teilnahme (vgl. Hütter und Grossek 2022). Aufgrund positiver Erfahrungen mit digitalen Events sind aber auch neue, innovative Ideen und hybride Formate entstanden, die zweifelsohne auch nach der Pandemie Bestand haben und mit traditionellen Live-Kommunikationskonzepten verschmelzen werden (vgl. Zanger 2022, S. 24). So ist es beispielsweise sinnvoll, Konferenzen auch weiterhin zu streamen oder aufzuzeichnen, um Interessenten, die eine weite Anreise hätten oder mehr Wert auf Inhalt statt auf Begegnung legen, eine Teilnahme zu ermöglichen. Zudem ist zu beobachten, dass die Online-Fatigue, eine gewisse digitale Ermüdung, nachlässt, wenn im realen Leben wieder mehr persönliche Begegnungen stattfinden – sei es im Arbeits- oder Privatumfeld. Weiterhin kann es sehr wirksam sein, eine Reihe von virtuellen Treffen mit einem reale Event als Höhe- oder Abschlusspunkt zu planen. So können die Teilnehmer sich zunächst virtuell kennenlernen und gemeinsam auf das Präsenzevent und das persönliche Erleben hinfiebern. Anders herum kann man auch mit einem Kick-off im Live-Format starten, bei dem sich die Teilnehmer persönlich treffen und kennenlernen und dies dann mit mehreren Online-Meetings fortsetzen.
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Viele Kombinationen dieser Art sind denkbar, die bei der Zielgruppe durchaus verfangen und in Erinnerung bleiben können. Hybride Event-Formate werden demzufolge ein wichtiger Bestandteil im Eventportfolio von Professional Service Firms bleiben und weiter entwickelt werden. Intelligent eingesetzt, können sie ein wirkungsvolles Kommunikationsinstrument sein, zeit- und ortsunabhängig mehr Teilnehmer zu erreichen und stärker einzubeziehen.
6.6.3 Zukunft virtueller und hybrider Events Je nach Inhalt, Ziel und Teilnehmerkreis eignen sich eher reale, virtuelle oder hybride Formate, die räumlich konzentriert, verteilt oder auch in allen Formen gleichzeitig stattfinden können, um die individuellen Kommunikationsziele zu erreichen (vgl. Zanger 2022, S. 31). Entscheidend dafür ist eine fundierte Analyse und Kenntnis der jeweiligen Zielgruppe und derer Bedürfnisse. Im Mittelpunkt muss die Customer Experience stehen, also das besondere und idealerweise einzigartige Erlebnis, das die Teilnehmer bei einem Marketing-Event haben sollen. Fest steht, dass Marketing-Events digitaler geworden sind. Hybride und digitale Events werden ebenso State-of-the-Art sein wie agiles Projektmanagement und digitale Zusammenarbeit aller Akteure – trotzdem ist der persönliche Kontakt unverzichtbar und die besondere Kommunikationsqualität von Live-Events nicht ersetzbar (vgl. Zanger 2022, S. 42). Zugleich werden durch soziale Netzwerke, mobile Applikationen und Augmented Reality-Anwendungen größere Wissens- und Lerneffekte erzielt als durch rein physische Events ohne digitale Elemente (vgl. Dams 2022, S. 51). Professional Service Firms werden vermutlich vermehrt kleinere Veranstaltungen mit weniger Teilnehmern konzipieren, da gerade Kontaktaufbau und Networking wichtige Kommunikationsziele für Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind. Wer Kunden und Mandanten für sich interessieren will, muss sich professionell und involvierend präsentieren – digitale Eventformate sind dafür eine ideale Ergänzung im Marketing-Mix (vgl. Ahle 2021).
6.6.4 Sonderform: Barcamp Barcamps, auch als „Un-Konferenzen“ bezeichnet, sind Tagungen ohne feste Agenda. Das Format kommt ursprünglich aus der Internet- und Technologiebranche aus den USA und hat seit 2006 in Deutschland Einzug gehalten. Einen guten Überblick bieten Videos in den sozialen Netzwerken, wie zum Beispiel Youtube, die erklären was ein Barcamp ist. Typisch für klassische Barcamps ist, dass ein vorgegebenes Oberthema, z. B. „Internet“ oder „Soziale Medien“, in seinen diversen Facetten von einer Gruppe Gleichgesinnter, der sogenannten Community, ein Wochenende lang diskutiert und bearbeitet wird (Theofel
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2012). Die Teilnehmer interagieren aufgrund eines durch allgemeine Barcamp-Regeln vorgegebenen informellen Umgangs auf Augenhöhe miteinander. Typische Regeln für ein Barcamp sind: • • • • •
Alle Teilnehmer duzen sich. Alle Teilnehmer nutzen Soziale Medien wie z. B. Twitter, Facebook oder Instagram. Jeder Teilnehmer stellt sich zu Beginn mit drei Stichworten („Hashtags“) vor. Jeder Teilnehmer ist auch „Teilgeber“– d. h. jeder Gast darf ein Thema einbringen. Die Teilnahme ist üblicherweise kostenfrei, da Sponsoren die Kosten tragen.
Die Tagesordnung eines Barcamps entsteht erst am Veranstaltungstag durch Themenvorschläge für Diskussionen, Vorträge und Workshops, sogenannter „Sessions“, sowie durch Interessensbekundung aller Teilnehmer. Wird ein Vorschlag durch Votum goutiert, wird das Thema in den „Sessionplan“ aufgenommen, der ähnlich wie ein Stundenplan das Themenangebot wiedergibt. Die Teilnehmer können sich dann die für sie interessanten Themen und Formate heraussuchen und somit eine individuelle Auswahl treffen. Ein weiterer Vorteil neben der Interaktion und der individuellen Adaptionsmöglichkeit ist die Aktualität der Themen. Bei klassischen Konferenzen beginnt die Themenplanung bis zu einem Jahr vor der Tagung und wird aufgrund von Marketing- und Druckunterlagenfristen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld der Konferenz festgelegt. In einer sich immer schneller ändernden Welt können sich Themen zeitlich schnell überholen oder wesentlich weiterentwickeln. Ein Barcamp bietet hier maximale Flexibilität und lässt sogar die Einbindung tagesaktueller Ereignisse zu. Üblicherweise ist eine Barcamp- Community auch sehr affin gegenüber Sozialen Medien und postet über Diskussionsergebnisse und -verläufe, auf Facebook, Twitter, LinkedIn etc. Das heißt, die Reichweite des Events verlängert sich über die Teilnehmer und Journalisten hinaus, ohne dass der Veranstalter selbst großen Aufwand betreiben muss. Nicht alle diese Regeln und Handhabungen lassen sich auf einem Corporate-Event umsetzen, zumal hier Gewohnheiten der Zielgruppen beachtet werden müssen, um sie nicht zu überfordern. In einem Geschäftsumfeld möchte nicht jeder geduzt werden und für manchen mag es außerhalb seiner Komfortzone sein, sich vor mehr als 100 Teilnehmern vorzustellen. Jedoch können einzelne Elemente eines Barcamps aufgegriffen werden, um klassische Formate aufzulockern. So bieten Konferenzen heute manchmal schon alternative Themenblocks, wie z. B. Breakout-Sessions, Thementische oder Arbeitsgruppen. Eine weitere Möglichkeit könnte eine Öffnung des Programmablaufs für tagesaktuelle Themen sein. Mutige Veranstalter wagen sich, eigene Barcamps zu veranstalten, wobei es sich hierfür empfiehlt, sich mit Kooperationspartnern zusammenzuschließen, um ein entsprechend breites Publikum und eine große Themenvielfalt sicherzustellen. Über die starke Einbeziehung der Gäste ist es mittels eines Barcamps sehr viel leichter, das In volvement der Zielgruppe zu erreichen und nachhaltig in Erinnerung zu bleiben.
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6.6.5 Trend: Charity-Events Ein Trend, der in Deutschland ebenfalls aus den USA Einzug gehalten hat, sind Charity oder CSR (Corporate Social Responsibilty) Events, also Veranstaltungen, die der Förderung des Allgemeinwohls dienen. Insbesondere Mandanten aus dem angloamerikanischen Raum erwarten ein solches Engagement von ihren Dienstleistern und immer öfter findet sich auch in deutschen Ausschreibungsunterlagen/„Requests for proposal“ (RFP) eine Passage, in der Berater ihre CSR-Aktivitäten darlegen sollen. Nachwuchstalenten aus den Generation Y und Z ist dieser Aspekt eines potenziellen Arbeitgebers besonders wichtig, weshalb CSR ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal vom Wettbewerb im Bereich Employer Branding geworden ist. Ein klassisches, tradiertes Charity-Eventformat ist z. B. eine Spendengala, bei der der Veranstalter um Spenden für einen gemeinnützigen Zweck bittet. Hier steht das Gewinnen von finanziellen Beifrägen, das Fundraising, im Mittelpunkt. Neben Spendenaktionen gibt es zahlreiche Möglichkeiten für Wohltätigkeitsaktionen wie zum Beispiel das Sammeln, Verpacken und Transportieren von Sachspenden in Krisengebiete oder die Ausgabe von Speisen und Getränken bei Tafeln oder Kältestationen. Der Erlebnischarekter ergibt sich hier für die Teilenehmer einerseits aus der zumeist eher ungewohnten Umgebung und aus dem gemeinsamen Gefühl, etwas Gutes zugunsten Bedürftiger getan zu haben. CSR-Events können aber auch als Instrumente zur Mandantenbindung eingesetzt werden, denn immer öfter erschweren Compliance-Vorschriften von Kunden und Mandanten eine Einladung zu kostenintensiveren Events. Es kommt zunehmend vor, dass Mandanten die Pro-Kopf-Produktionskosten eines Events oder den Wert von Eintrittskarten von beispielsweise Sportevents erfragen und bei Übersteigen einer bestimmten Summe nicht teilnehmen dürfen. Eine Möglichkeit, diesen zur Vermeidung von Vorteilsannahme erstellten Regel zu begegnen, sind CSR-Events. Kunden oder Mandanten wird angeboten, gemeinsam aktiv etwas Gutes zu tun. Das Erreichen der Kommunikationsziele kann damit ebenso realisiert werden: ob als teambildende Maßnahme zusammen ein Floß gebaut oder gemeinsam vor einer Schule Bäume gepflanzt werden – der Erlebniswert ist vergleichbar. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass die Reichweite der Kommunikationsmaßnahme einfach verlängert werden kann, indem lokale Presse zu dem Ereignis eingeladen oder über die Soziale Medien des Unternehmens berichtet wird und Teilnehmer gebeten werden, ihre Erlebnisse zu teilen.
6.6.6 Trend: Nachhaltigkeit In den letzten Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit stark in den Fokus gerückt. Bei vielen Unternehmen steht das Thema in der strategischen Positionierung sogar ganz oben auf der Agenda. Auch bei Professional Service Firms fragen Mandanten, Kunden und Interessenten in Pitch-, Ausschreibungs- und Bewerbungsprozessen zunehmend nach, welche Nachhaltigkeitsstrategie die Sozietät verfolgt. Das Schlagwort ESG, also die Frage, wie eine
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Professional Service Firm ökologisch, sozial und unternehmerisch verantwortlich agiert, ist im Trend und daher Thema in vielen Branchendiskussionen, Fachartikeln und -kongressen. Der soziale Aspekt, das „S“ hat im Rahmen von CSR-/Charity-Aktionen schon länger (s. Abschn. 6.6.2.) Konjuktur. Insofern werden auch Nachhaltigkeitsaspekte künftig bei der Konzeption von Marketing-Events eine wesentliche Rolle spielen. Digitale und hybride Events können durch den verringerten Reisebedarf und die damit einhergehende Reduzierung von CO2-Emissionen ökologisch nachhaltiger sein. Sie sind es indes nicht zwangsläufig. In jedem Fall sind den Einsparungen bei virtuellen Events erhöhten Emissionen z. B. durch größeren Energiebedarf gegenüber zu stellen. Deshalb müssen sich Professional Service Firms schon in der Konzeptionsphase die Frage beantworten, welche Ökobilanz ein Veranstaltungskonzept hat und ob bestimmte Ressourcen schonender eingesetzt werden können. Auch die Frage der sozialen Nachhaltigkeit im Umgang mit Dienstleistern und Lieferanten muss beantwortet werden: Wie können z. B. Fairness der Beschäftigungsentgelte des Servicepersonals oder soziale Gerechtigkeit in den Lieferketten von Give-aways durchgesetzt oder ökologisch nachhaltig produzierte Lebensmittel eingesetzt werden (vgl. Zanger 2022, S. 41)? Es ist zu erwarten, dass sich Agenturen und Dienstleister ISO-zertifizieren lassen, um ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten nachweisen zu können. Weitere Stellschrauben gibt es in der Eventproduktion. Diese sind zum Beispiel der Verzicht auf Fleisch beim Catering, Reduzierung von Plastik, Verpackungen und des Abfall oder der Einsatz von 100 prozent wiederverwendbaren oder recyclebaren Materialien. Nachhaltigkeitsaspekte haben neben der digitalen Kompetenz und der Content- Kompetenz einen wesentlich höheren Stellenwert in der Veranstaltungskonzeption bekommen (vgl. Zanger 2021). Es ist nicht zu erwarten, dass der Trend nachlässt, sondern im Gegenteil: das Thema Nachhaltigkeit und ESG werden feste und wichtige Elemente im Eventmarketing werden, deren Bedeutung für Kunden, Gäste und Mandanten eher noch zunimmt.
6.7 Zusammenfassung Aufgrund der Erklärungsbedürftigkeit von Beratungsleistungen und der Notwendigkeit einer Vertrauensbasis zu Kunden und Mandanten sind Marketing-Events ein besonders geeignetes Instrument, im Rahmen der Unternehmenskommunikation von Professional Service Firms gesetzte Marketingziele zu erreichen. Wichtig ist, Kommunikationsziele zu definieren und zu überprüfen, Eventinhalte an die Bedürfnisse sowie Affinitäten der Zielgruppe anzupassen und sich über neue Inhalte und Formate von Marktbegleitern abzuheben. Aufgrund der neuen Möglichkeit von virtuellen Events und verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten bei hybriden Events bieten sich zahlreiche neue Optionen, Interaktion und Involment bei der Zielgruppe zu erreichen. Die dadurch komplexeren Planungs- und Vorbereitungsprozesse sollten in die Hände erfahrener Marketingexperten und Eventprofis gelegt werden, die auch über eine umfangreichere technische Kompetenz verfügen.
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Susanne Krüger ist seit 2015 Director Business Development and Corporate Communications bei der US- amerikanischen Sozietät Greenberg Traurig. Sie ist für das Marketing, die Unternehmenskommunikation und die Geschäftsfeldentwicklung in Deutschland und Europa verantwortlich. Zudem berät sie das Management in Strategie-, Branding- und P ositionierungsfragen. Zuvor war Susanne Krüger als Marketing Manager bei der britischen Kanzlei Olswang tätig (heute CMS Cameron McKenna Nabarro Olswang). Vor ihrem Einstieg in die Rechtsberatungsbranche im Jahr 2010 war sie in verschiedenen Positionen für Marketing und Kommunikation im Wirtschaftsfördersektor sowie im Bereich Außenwirtschaft tätig. Susanne Krüger hält ein Diplom als Verwaltungswirtin (FH) und erwarb berufsbegleitend einen MBA-Abschluss im Bereich Eventmarketing/ Live-Kommunikation an der Technischen Universität Chemnitz. Über regelmäßige Weiterbildungen hat sie sich Zusatzqualifikationen in den Themenfeldern Leadership, Agile Working und Change Management angeeignet.
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7.1 Einleitung: Relevanz von Social Media für Wirtschaftskanzleien und WP-Gesellschaften Bei genauerer Betrachtung steckt im Grunde genommen in jeder Kanzlei oder WP-Gesellschaft ein Widerspruch in sich: EinzelneBerufsträger, die zu einem Großteil ihres täglichen Wirkens in eigener Profession unterwegs sind, schließen sich in einemUnternehmen zusammen. Man könnte fast meinen, bei Social Media handelt es sich also um den alltaggewordenen Albtraum einesjeden Kommunikationsverantwortlichen, der vor allem um einen einheitlichen Marktauftritt und konsistente Unternehmens-Botschaften bemüht ist. Wie kann dieser vermeidliche Widerspruch zu einer echten Chance werden Unternehmenskommunikationeffektiv und zielgerichtet zu gestalten? Wohl dem, der mit den Möglichkeiten von LinkedIn, Facebook bis X (ehemals Twitter) und Co., die zahlreichen Expertisen und Stimmen seines Unternehmens zu orchestrieren weiß. Social Media ist dabei nicht einfach nur ein weiterer Kanal, um relevante Stakeholder-Gruppen zu erreichen: Social Media ist (nicht nur) für Kanzleien und WP-Gesellschaften vielmehr eine neue Art, Kommunikation grundsätzlich zu denken und zu gestalten. Das betrifft nicht nur Maßnahmen, sondern vor allem auch die zu Grunde liegende Kommunikationsstrategie, die in weiten teilen vom Grundsatz her neu gedacht werden muss, um den neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Vor allem Geschwindigkeit in der Kommunikation, Relevanz und Nachrichtenwert der Botschaften sowie die Interaktion mit Zielgruppen kommt ein stetig wachsender Stellenwert zu. Dieser Beitrag befasst sich mit dem „kommunikations-strategischen Imperativ“ Social Media und möchte dabei für Kanzleien und WP-Gesellschaften Hinweise aus der Praxis sowie Gedankenanstöße F. Schröder (*) Düsseldorf, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_7
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geben, die sich bietenden kommunikativen M öglichkeiten der Digitalisierung effektiv zu nutzen und auch die Risiken, die zweifelsohne vorhanden sind, frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
7.2 Social Media sollte fester Bestandteil einer Kommunikationsstrategie sein 7.2.1 Warum Social Media für Kanzleien und WP-Gesellschaften? „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ − diese Worte Paul Watzlawicks lassen sich durchaus in das Internetzeitalter transportieren, mit der plakativen Aussage: „Um Social Media kommt heute niemand mehr herum – Unternehmen und Privatpersonen finden dort statt, ob sie wollen oder nicht.“ Die sozialen Medien bieten für Unternehmen aus allen Branchen eine Vielzahl an Chancen und Entwicklungspotenzialen, um ihre Stakeholder- Gruppen zu erreichen. Es geht darum, mit ihnen in Dialog zu treten und damit beispielsweise für aktuelle Entwicklungen zu sensibilisieren sowie auf die eigenen Dienstleistungen hinzuweisen. So lassen sich mithilfe von Social Media schnell und verhältnismäßig kostengünstig, sehr zielgerichtet und exakt nachvollziehbar breite Zielgruppen erreichen. Besonders die unmittelbare und direkte Ansprache sowie die ständige Erreichbarkeit von Mandanten und „Targets“ bieten für Kanzleien und WP-Gesellschaften große Chancen. Interessierte können auf den verschiedenen Kanälen mit dem Unternehmen kommunizieren, Fragen stellen und in einen direkten Dialog treten. Auf diese Weise kann schnell ein fruchtbarer Austausch entstehen, der potenzielle Zielgruppen und Stakeholder langfristig an das Unternehmen bindet und/oder Interesse am Recruitingmarkt weckt. Natürlich: die eigenen Mitarbeiter1 zum Mitmachen und offener Kommunikation zu animieren und sie so zu Multiplikatoren der Unternehmensbotschaften zu machen, zählt sicherlich zu einer der ganz großen Herausforderungen moderner Unternehmenskommunikation – egal, um welche Inhalte es gerade geht. Die Tatsache, dass es sich bei den betreffenden Mitarbeitern, dann auch noch um viel beschäftigte Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer handelt, macht das Unterfangen sicher nicht einfacher. Stichwort Reputationsmanagement – ein weiterer positiver Effekt einer effektiven Social Media-Strategie: Schließlich kann sich das Unternehmen auf diese Art und Weise als kompetenter Ansprechpartner für verschiedene relevante Themengebiete positionieren. Bei der Vielzahl von täglichen News und Entwicklungen in einer immer komplexer werdenden Geschäftswelt sind solche „Thought Leaderships“ besonders bedeutsam. Mittels Social Media kann ein Unternehmen erreichen, mit verhältnismäßig geringen Ressourcen einsatz den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern und neue Zielgruppen zu erreichen. Zumindest in dieser Hinsicht „zum Glück“ ist Deutschland ganz besonders reich an Gesetzen,
Im Folgendem wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht,. 1
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Regelungen und Vorschriften. Und zu einem „gesunden“ Bürokratieapparat zählen vor allem regelmäßige Neuerungen und Entwürfe, die aufgegriffen, erläutert, kommentiert, in der Luft zerrissen oder auch einmal gelobt werden dürfen. So oder so: Die deutsche Bürokratie bietet ein wahres „Themeneldorado“ für spitze Federn, die informieren, kritisieren und vor allem eine klare Position zu Entwicklungen und Neuerungen beziehen möchten. Neben den hier dargelegten Business-orientierten Beweggründen hat Social Media auch eine enorme Bedeutung im Bereich Recruiting. Hier kann sich das Unternehmen durch eine gesteigerte Attraktivität bei Young Professionals als sympathischer Arbeitgeber darstellen und etablieren. Denn in der heutigen Zeit informiert sich der Großteil der Studienabgänger über soziale Plattformen wie LinkedIn, XING oder Kununu über Karriereoptionen und holt Informationen über potenzielle Arbeitgeber ein. Wer hier nicht mit entsprechendem Content präsent ist und sich intensiven dem digitalen Reputationsmanagement widmet, vergibt wichtige Chancen im Kampf um talentierte Nachwuchskräfte. Bei allen Chancen und Potenzialen sollten bei der Erarbeitung einer Social Media- Strategie natürlich auch die möglichen Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Ein En gagement in den sozialen Medien erfordert die langfristige Bereitschaft, sich intensiv mit den als relevant identifizierten Zielgruppen und neuen Kommunikationskanälen aus einanderzusetzen. Nur wer die einzelnen Social-Media-Kanäle nicht um des reinen Selbstzwecks wegen nutzt, wird in diesem Bereich nachhaltig Erfolge verzeichnen. Nichts ist schlimmer – und kontraproduktiver – als ein Post mit versteckter Eigenwerbung oder ein X-Kanal, in dem nur alle drei Monate ein neuer Beitrag erscheint. Und: Social Media Kommunikation sollte nie als „Einbahnstraßen-Kommunikation“ gedacht werden: Social Media ist Austausch, Diskurs, Meinung und auch Kontroverse. Gleichsam gehören Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht gerade zu einer Berufsgruppe, der man nachsagen könnte, zu wenig Arbeit auf dem Tisch zu haben, stets die Öffentlichkeit zu suchen und stets wirklich offen für alles Neue zu sein. Nicht nur an der Stelle ist also auf Seiten der Kommunikationsschaffenden vor allem auch Fingerspitzengefühl gefragt, die eigenen Kollegen abzuholen, zu informieren, in ihrem tun als Experten für spezifische Themen und als „Markenbotschafter“ zu unterstützen und schließlich davon zu überzeugen, dass der richtige Einsatz von Social Media für sie selbst und für die gesamte Organisation eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich bringt.
7.2.2 Ist das Ziel erst einmal klar definiert, erscheint der Weg von ganz allein Zu aller erst sollte die Frage geklärt werden, was man im Sinne eines gesamtkom munikativen Ansatzes überhaupt erreicht werden soll. Geht es darum, die Markenbekanntheit zu steigern oder das Profil gesamthaft oder für einzelne Experten zu schärfen? Sollen mehr Besucher auf die Webseite geführt werden? Wird die Meinungsführerschaft zu einer bestimmten Thematik angestrebt? Offen gesagt: Es ist durchaus probat, wenn Sie die ersten Social Media-Schritte auch ohne eine bis in alle Einzelheiten ausgefeilte Strategie und einem Fünf-Jahresplan gehen. Natürlich: Gänzlich unbedarft und uninformiert sollte
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sich kein Unternehmen in das „Abenteuer“ Social Media wagen. Dazu kann dann doch auch Einiges schiefgehen – Stichwort „Shitstorm“. Neben den Inhalten sind dabei vor allem Form und Stil entscheidend: So wird ein im besten Juristen-Deutsch verfasster LinkedIn-Post wohl eher hämische Kommentare anstatt jeder Menge Likes einbringen. Abhängig von der Beantwortung dieser Fragen, schließt sich nicht zuletzt die Auswahl der Kanäle und der passende Content an. Wenn ein Unternehmen beispielsweise schnell mit möglichst vielen Mandanten in Kontakt kommen möchte, bietet sich die Integration von Kontaktformularen und Ansprechpartnern als „Call-to-Action“ an. Geht es darum, sich als sympathischer Arbeitgeber zu präsentieren und die Chancen und Möglichkeiten einer Karriere bei diesem Unternehmen herauszustellen, können Plattformen wie LinkedIN dazu beitragen, genau diese Zielgruppe zu erreichen. Für Kanzleien und WP-Gesellschaften stehen häufig eine Steigerung der fachlichen Kompetenz in der Kommunikation nach Außen und eine Etablierung des Unternehmens als Experten für Fragen rund um die verschiedenen Beratungsthemen im Vordergrund. Hier kann es sich als echte Chance erweisen, dass der Bereich Social Media in dieser Branche im Vergleich noch nicht ganz so weit ausgebaut ist. Dabei bietet gerade die große Anzahl an „Köpfen“, die durch ihre individuelle Expertise für Kanzleien nach Außen visibel sind, in den sozialen Medien weitreichende neue Möglichkeiten, sich in definierten Themengebieten einen guten Namen zu machen.
7.2.3 Die Zielgruppen immer fest im Blick Für Wirtschaftskanzleien und WP-Gesellschaften ergeben sich – abgeleitet aus den Kommunikationszielen – vier wesentliche Zielgruppen. Zum einen gilt es, den Kontakt zu bereits bestehenden Mandanten weiter auszubauen und diese weiter an sich zu binden. Dies gehört nicht zuletzt zu einer der zentralen Er wartungshaltungen an eine kompetente Gesellschaft. Die Mandanten erwarten, regelmäßig und aktuell über die neuesten, relevanten Entwicklungen in ihrem Bereich informiert zu werden. Neben regelmäßigen Newslettern oder Veranstaltungen kann Social Media hier einen entscheidenden Anteil leisten. Wie bereits erwähnt: Social Media ist nie eindimensional. Darum lassen Sie Fragen zu, rufen Sie zu Votings auf oder finden Sie kreative Formen, um Mandanten zum Mitmachen zu animieren. Reine Verlaufbahrungen sollten eher die Ausnahme sein. Die zweite Zielgruppe sind neue, potenzielle Mandanten. Social Media und die Kommunikation insgesamt gehen hier Hand in Hand mit einem nachhaltigen Sales-Ansatz. Ziel einer funktionierenden Social Media-Strategie muss es sein, neue Interessenten auf das Unternehmen aufmerksam zu machen und durch überzeugenden Content das Interesse des „Targets“ zu wecken. Durch die Systematik von sozialen Medien, ihren Nutzern immer wieder auch Content von bekannten oder befreundeten Usern anzubieten, kann so der typische „Schneeballeffekt“ genutzt werden, um die eigenen Inhalte auch in neue Ziel-
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gruppen zu tragen. Besonders wichtig dabei: die User-Experience – und zwar bis ins kleinste Detail hinein. Dazu eine ganz schlichte Wahrheit: Das einfache und schnelle Auffinden des Buttons „Ich nehme teil“ in einer E-Mail-Einladung kann die Teilnahmequote an einem Webinar um bis zu 30 % steigern. Die dritte Zielgruppe: potenzielle Mitarbeitende. Denn in der heutigen Zeit informieren sich Jobsuchende immer mehr auch in den sozialen Netzwerken. Hier erhalten Sie die einmalige Chance, mit einem positiven und sympathischen Bild zu punkten. Durch Einblicke in die täglichen Abläufe der Mitarbeiter können Sie sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren und dadurch potenzielle Bewerber anziehen. Mitarbeitende, die über ihre Job-Erlebnisse berichten, sind natürlich viel authentischer als Unternehmen, die ihre Vorzüge als Arbeitgeber betonen. Gerade am Recruiting-Markt ist oftmals auch Mut gefragt, neue unkonventionelle Wege zu gehen, die auch vor humorvollen Inhalten nicht zurückschrecken. Seien es nun die singenden Kollegen aus Malaysia, die neben ihren bescheidenen Sangeskünsten vor allem vermitteln: „Du, lieber potenzieller Bewerber, hast es hier mit einem globalen Unternehmen zu tun.“ Kollegen in Laufschuhen und Firmenlogo auf der Brust oder ein in den Schnee getrampeltes Firmenlogo – das alles suggeriert: Die Mitarbeitenden dieses Unternehmen identifizieren sich mit ihrem Job, da könnte ich mir durchaus vorstellen, demnächst mal mitzusingen, mit zu laufen oder mit zu trampeln. Optimale Kernbotschaft: „We love our job. We are one team. Come and join us.“ Bleiben last but not least die eigenen Mitarbeiter – als Leser aber vor allem auch als Multiplikatoren oder Kommunikatoren für und aus dem Unternehmen heraus. Diese sind natürlich genauso in den sozialen Netzwerken aktiv und schreiben, lesen, liken und teilen Beiträge. Um dieser Zielgruppe optimal zu entsprechen, empfiehlt sich eine weitere Unterteilung – nämlich in die Kategorien Content-Ersteller (siehe dazu die obigen Ausführungen) und Content-Multiplikatoren. Letztere spielen vor allem bei der Erhöhung der Reichweite eine zentrale Rolle, der mit geeigneten Posts entsprechen werden sollte. Mit qualitativ hochwertigen Inhalten lassen sich diese Zielgruppen leicht über einschlägige Plattformen wie z. B. YouTube, LinkedIn, XING oder einen Unternehmens-Blog erreichen. Dabei gilt: Texte sind schon ganz gut – Bilder, Animationen und Videos auf jeden Fall besser! Durch die regelmäßige Veröffentlichung relevanter Fachinformationen im Internet und über Social Media-Plattformen kann sich die Gesellschaft als Wissensquelle im jeweiligen Fachgebiet etablieren. Neben der Ansprache von Neu- und Bestandsmandanten durch fachlich hochwertigen Content, zählt aber auch die menschliche und emotionale Komponente mehr als je zuvor. Durch einen gesunden Mix aus Fachkommunikation und nicht-geschäftsrelevanten Themen (wie Kurioses, Gewinnspielen, Wissenswertes etc.) kann das Unternehmen es schaffen, Nähe und Vertrauen aufzubauen. Die Aktivitäten bekommen ein Gesicht und das Unternehmen wird über die handelnden Personen wahrgenommen, die in der Organisation Verantwortung tragen. Das verstärkt die Nähe zu potenziellen Mandanten und Mitarbeitern.
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7.3 Umsetzung 7.3.1 Content first „Content is King!“ Diesen berühmten Satz hat Bill Gates vor über 25 Jahren gesagt. Recht hat der Mann damit immer noch. Dahinter steht die Überzeugung, dass der Inhalt, egal ob Texte, Bilder oder Videos, ausschlaggebend für den Erfolg einer Kommunikationsmaßnahme ist. Für den Bereich Social Media gilt dies in besonderem Maße: Ein Unternehmen kann noch so viele Kanäle in den sozialen Medien betreiben – wenn die dort veröffentlichten Informationen den Rezipienten keinen echten informativen Mehrwert haben, wird der garantiert Erfolg ausbleiben. Gesellschaften stehen also vor der Herausforderung, die oft zahlreich vorhandenen Inhalte von Experten im eigenen Haus zu filtern und individuell in die einzelnen Kanäle zu gießen – oder besser noch: in die Experte in ihre eigenen Kanäle fließen zu lassen. Spätestens, wenn Rückfragen oder Feedbacks von interessanten Kontakten eintrudeln, werden die ersten Gehversuche einzelner Kollegen schnell zu regelmäßigen Veröffentlichungen, für die es sich lohnt, Zeit zu investieren. Dabei ist es ratsam, nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ vorzugehen und jede Neuigkeit sofort und gleich aufbereitet in alle verfügbaren Kanäle zu bringen. Vielmehr sollte bei jedem entwickelten Content genau überlegt werden, für welche Kanäle die News relevant sind und wie diese dort (redaktionell) aufbereitet werden. Eine Ad-hoc-Meldung zu einem Urteil in einer komplizierten Steuerfrage kann für LinkedIn-Nutzer von Relevanz sein – für Facebook eignet sich eine solche Information verutlich eher nicht. Wichtig ist: Am Beginn jeder Kommunikationsüberlegungen sollte stets zuallererst der Content stehen und nicht der Kanal oder die Maßnahme. Aufgrund der enormen Informationsflut spielt dabei eine zielgruppengerechte Ansprache und die internetgerechte Aufarbeitung von Themen eine entscheidende Rolle.
7.3.2 Den richtigen Content in die richtigen Kanäle Eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Konzeption einer nachhaltigen Social Media- Strategie ist sicherlich die Auswahl der Kanäle. Hier gilt es, sich vorab genauestens über die Funktionen der unterschiedlichen sozialen Medien und ihre verschiedenen Zielrichtungen zu informieren. Denn alle Kanäle verfügen über ihre ganz eigenen Besonderheiten: Manche wollen informieren, andere unterhalten und wieder andere streben eine größere Vernetzung der Benutzer untereinander an. So kann sich etwa ein Kanal wie Facebook hervorragend dazu eignen, potenzielle Bewerber vor allem aus jungen Zielgruppen – allen voran Hochschulabsolventen – anzusprechen. Durch einen Blick hinter die Kulissen des Unternehmens, regelmäßige Vorstellungen von Mitarbeitern, Team-Events oder gut aufbereitete Informationen zur Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, lässt sich auch das Employer Branding über diesen Kanal abbilden. Wenn es aber um reine Fachinformationen
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zu juristischen, bilanziellen oder steuerlichen Themen – aber gleichsam durchaus Recruiting-Ansprachen senioriger Zielgruppen, eignen sich eher Business-Plattformen wie LinkedIn oder XING. Eine zielgruppengerechte Ansprache und die internetgerechte Aufbereitung von Themen spielt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der enormen allgemeinen Informationsflut eine entscheidende Rolle. So ist etwa ein Newsletter genauso schnell wieder abbestellt wie zuvor bestellt.
7.3.3 Durchführung: Das Ganze ist die Summe seiner Teile Eine Social Media-Strategie, die nachhaltig funktioniert und wirkt, ist nichts, was eine Kommunikationsabteilung alleine und über Nacht aufsetzen kann. Im Mittelpunkt der Planungen sollte von Beginn an die Erstellung eines ganzheitlichen Gesamtkonzepts stehen. Dieses Konzept kann unter anderem den Support von ausgewählten Dienstleistern, wie beispielsweise einem externen Social Media-Experten beinhalten. Denn neben der Pflege der einzelnen Social Media-Kanäle gilt es für Unternehmen vor allem, auch die eigenen Mitarbeiter fit für den dienstlichen und privaten Umgang mit Social Media zu machen. Bei Kanzleien und WP-Gesellschaften kommt naturgemäß den Partnern eine besonders wichtige Rolle bei der Außendarstellung zu. Mithilfe von externen Vorträgen oder Webinaren können diese für den Einsatz von Social Media-Tools geschult werden und sich so Stück für Stück ihre persönlichen Netzwerke auch virtuell aufbauen. Dabei kann den Partnern insbesondere der Ansatz näher gebracht werden, wie wichtig die individuelle Kommunikation jedes Einzelnen in seinem sozialen Netzwerk ist. Denn anders als beim klassischen Modell, in dem ausschließlich das Unternehmen nach außen kommuniziert („One Voice to the Market“), ist es gerade für partnerschaftlich geführte Unternehmen mit einer Vielzahl von Experten von Vorteil, direkt in unterschiedlichen Teil-Zielgruppen zu kommunizieren, deren Zusammensetzung dann das Gesamtbild ergibt. Die besten Experten und Markenbotschafter sind nun mal die eigenen Mitarbeiter – das gilt auch für Social Media. Eine entscheidende Rolle bei einer Social Media-Strategie hat auch immer die offizielle Webseite des Unternehmens. Hier sollten alle zentralen Informationen zu Fachthemen, Ansprechpartnern, Veranstaltungen etc. abrufbar sein. Die Webseite kann daher bei allen externen Kommunikationsmaßnahmen als die entscheidende Anlaufstelle dienen – als Dreh- und Angelpunkt, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Es bietet sich an, eine Großzahl der in Social Media extern publizierten Links auf die Unternehmenswebseite zu führen, um hier dem User tiefer gehende Information zu bieten. Bei der Ausgestaltung dieser Prozesse und der Vernetzung der einzelnen digitalen Kanäle kommt dem Thema „Customer Experience“ eine hohe Bedeutung zu: Wie erfolgt die initiierende Ansprache? Welche Reaktion ist zu erwarten? Welche Erwartungen hat der Empfänger an die möglichen nächsten Schritte der Interaktion mit dem Absender? Will er kommentieren, bewerten, weiterleiten, Detailinformationen? Wie eindeutig sind die Wegweiser für diese Schritte
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vorgezeichnet? Wie sieht der finale Call-to-Action aus, der über die schließlich alles entscheidende Conversion entscheidet? Natürlich sollte man hier auch den umgekehrten Weg nicht vernachlässigen: Die Inte gration von Social Media-Buttons auf der Webseite erlaubt es, die dargestellten Inhalte einfach und schnell in den eigenen Social Media-Kanälen zu teilen. Zudem bietet sich die Entwicklung eines „Social Media-Knigge“ an, der nicht nur auf die Besonderheiten des Unternehmens eingeht, sondern allen Mitarbeitern auch Tipps und wichtige Leitplanken für den Online-Auftritt jedes Einzelnen nach Außen mitgibt. Um diese zu transportieren und den gekonnten Umgang mit den Neuen Medien sicherzu stellen, ist es oftmals ratsam, auch über entsprechende Schulungen nachzudenken.
7.3.4 Über Evaluation zu Continuous Improvement Die beste Social Media-Strategie macht wenig Sinn, wenn die durchgeführten Maß nahmen nicht adäquat getrackt werden können. Nur durch eine systematische Evaluation lassen sich Rückschlüsse auf besonders effektive Kanäle oder für die einzelnen Ziel gruppen relevante Inhalte ziehen – und ggf. notwendige Anpassungen auf das kommunikative Set-up. In einem ersten Schritt gilt es, adäquate KPIs zu definieren, die den Erfolg einer Social Media Strategie oder einer einzelnen Kampagne in allen relevanten Dimen sionen sichtbar machen. Es gibt viele einfache und z. T. kostenlose Möglichkeiten, nützliche Statistiken über Besucherströme und Klicks zu erhalten. Für die Evaluation der eigenen Webseite eignen sich Tools wie „Google Analytics 4“. Hier lässt sich genau nachvollziehen, von welchen Seiten und Kanälen die User auf die Webseite kommen und wie sie sich dann auf der Seite verhalten. Die beiden wichtigsten Informationen dabei: Wie schauen die Besucherströme aus? Wie lange ist die Verweildauer auf einzelnen Seiten? An welchen Stellen wird der Webseitenbesuch abgebrochen? Nahezu alle Social Media-Kanäle verfügen zudem über ein eigenes Trackingsystem, mit dem sich Follower, Likes, Kommentare etc. übersichtlich und in einer zusammen fassenden Grafik darstellen lassen. Klicks auf Links, die bei Facebook oder X gepostet wurden, können beispielsweise mit dem URL-Verkürzungsdienst „bitly“ getrackt werden. Über die von bitly bereitgestellten Statistiken wird sichtbar, wie häufig auf den Link in den jeweiligen sozialen Netzwerken geklickt wurde, um auf die entsprechende Webseite zu gelangen – beispielsweise, um einen im Social-Media-Kanal nur angeteaserten Beitrag komplett zu lesen. Neben diesen rein quantitativen Faktoren lassen sich viele Ergebnisse auch qualitativ messen. Ist die Anzahl meiner Bewerber und hier speziell die Qualität der Kandidaten durch meine Social Media-Kampagne gestiegen? Hat es neue Mandantengewinne ge geben, die auf die Aktivitäten im Internet zurückzuführen sind? Durch professionelle Email-Marketing-Programme lassen sich versendete Newsletter und Mandanteninformationen zudem einfach und effektiv auswerten. Welche Themen
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sind für welchen Kontakt von besonderem Interesse? Die evaluierten Erkenntnisse lassen sich dann direkt in das eigene CRM-Programm einfließen und können so zukünftige Ansprachen von Mandanten noch zielgerechter und effektiver gestalten.
7.4 Das sind die wichtigsten Social Media-Kanäle 7.4.1 LinkedIn Gerade bei internationaler Ausrichtung eines Unternehmens, ist die mehrsprachige Business-Plattform LinkedIn für Wirtschaftskanzleien erste Wahl. Hier werden regel mäßig News aus den unterschiedlichsten Branchen veröffentlicht und geteilt – mit dem Fokus auf die Themen Business und Karriere. Auf LinkedIn können Unternehmen zusätzlich auch Anzeigen für Produkte sowie Stellenanzeigen gegen Bezahlung schalten oder zusätzliche Funktionen für das Recruiting neuer Mitarbeiter schalten. Besonders wenn Unternehmen auf der Suche nach spezialisierten Experten aus dem internationalen Raum sind, kann LinkedIn eine geeignete Recruiting-Plattform darstellen. Mit mehr als 850 Mio. Nutzern ist LinkedIn derzeit das weltweit größte berufliche Netzwerk.
7.4.2 X (ehemals Twitter) Ein firmeneigener X-Account dient vor allem dem Austausch von Nachrichten und aktuellen Geschehnissen. So nutzen Unternehmen den Kanal besonders häufig, wenn es um die schnelle und pointierte Verbreitung von News geht. Wie bei allen anderen Social Media-Kanälen sollte hier idealerweise auf die eigene Webseite verlinkt werden, wo sich weitere und ausführlichere Informationen zum jeweiligen Thema befinden. Ein weiterer Nebeneffekt: Viele (Fach-)Medien nutzen den Kurzmitteilungsdienst als Live-Ticker, um über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Die Community in diesem Netzwerk be steht vornehmend aus Journalisten, Experten, Unternehmern, Nachrichtendiensten und den am Weltgeschehen Interessierten. Für Unternehmen bieten sich daher hier die Möglichkeit zu einem regen Austausch und Dialog mit Experten sowie die Verbreitung von qualifiziertem Inhalt wie Pressemeldungen und Unternehmensnachrichten an. X vor allem für die Ansprache von Medienschaffenden und andere Multiplikatoren unerlässlich.
7.4.3 Xing In Deutschland wird dem Business-Netzwerk XING eine hohe Bedeutung, v. a. für das Recruiting eingeräumt. Die Zielgruppe besteht aus registrierten Nutzern, die durch Unternehmensnachrichten, Stellenausschreibungen und aktuelle Themen rund um das Berufsleben informiert werden. Mit der Funktion des Teilens von Inhalten in andere Netz-
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werke kann zudem eine große Reichweite aufgebaut werden. Auf diese Weise gelangen die Informationen schnell und gezielt in den Newsfeed der themennahen Kontakte. Zum Aufbau von beruflichen Beziehungen und auch zur Stärkung von Mandantenbindungen ist dieses Netzwerk auch für Wirtschaftskanzleien besonders geeignet. XING bietet passenden Content sowie eine interessierte und qualitativ hochwertige Community an, aus der Unternehmen auch für ihre Personalstrategie schöpfen können. Dort vernetzen sich Berufstätige aller Branchen: sie suchen und finden Jobs, Mitarbeiter, Aufträge, Kooperationspartner, fachlichen Rat oder Geschäftsideen. Nachteil der Plattform: ganz klarer Fokus auf Deutschland.
7.4.4 Facebook Facebook beziffert die Zahl seiner aktiven Nutzer auf fast 3 Mrd. und ist damit der größte und reichweitenstärksten Social Media-Kanal – der jedoch trotz aller Reichweite als Business-Plattform in den letzten Jahren an Bedeutung eingebüßt hat. Mit Formaten wie Fotos, Videos, Gewinnspielen, Umfragen und gesponserten Beiträgen bietet die Plattform eine große Bandbreite an verschiedenen Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Con tents. Der Kanal eignet sich daher besonders für eine möglichst breite Streuung von Informationen mit einem hohen Aufmerksamkeitspotenzial. Nicht zuletzt aus diesem Grund können neben den klassischen Business-Themen auch Inhalte verbreitet werden, die zwar mit dem Geschäftsfeld des Unternehmens nicht zwingend etwas zu tun haben, aber dennoch das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber präsentieren. Außerdem eignet sich der Kanal durch die Kommentarfunktion sowie private Nachrichten ideal, um mit Usern in Dialog zu treten. Für Unternehmen ist Facebook nach wie vor besonders für das Recruiting eine attraktive Kommunikations-Plattform. Nachteil: Enorme Streuverluste durch die schiere Masse an Nutzern.
7.4.5 YouTube Der YouTube-Auftritt eines Unternehmens ermöglicht zum einen die Einbindung von Videos (beispielsweise Imagefilme, Videos von Veranstaltungen, Fachvorträgen, Webinaren, Live-Streams oder Interviews) in andere Kanäle, zum anderen ermöglicht er auch die Basissammlung sämtlicher Bewegtbild-Formate für das eigene Unternehmen. Durch die Einstellung von privaten Playlisten können interne Inhalte von öffentlichen Inhalten leicht getrennt werden. Einzigartig für die Branche ist hier die abwechslungsreiche Bandbreite von Formaten: von reinen Fachthemen über humorvollen Inhalten bis hin zu mit Musik unterlegten Clips bietet die Plattform eine Art Spielwiese zum Ausprobieren.
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7.4.6 Instagram Instagram ist ein Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos, der zur Facebook Inc. gehört. Zudem ist er eine Mischung aus Microblog und audiovisueller Plattform und ermöglicht es, user-generated Content auch in anderen sozialen Netzwerken zu verbreiten. Die Anzahl regelmäßig aktiver Nutzer liegt bei etwa 1,2 Milliarden. Zudem gibt es in der App die Möglichkeit, das eigene Profil in ein geschäftliches Profil als „Business-Account“ umzuwandeln. Mit einem solchen Account erhält man Zugriff auf spezielle Statistiken über die Nutzer sowie Beiträge, kann Werbeanzeigen und Produktplatzierungen direkt in der App erstellen und Kontaktmöglichkeiten hinzufügen. Über die Direct Message- Funktion können Nutzer in privaten Kontakt treten und eine persönliche Nachricht an das Unternehmen versenden. Das Foto-Portal dient daher nicht nur als kreatives „Aushängeschild“ einer Wirtschaftskanzlei, sondern kann auch für Mandantenansprachen oder Re cruiting genutzt werden.
7.4.7 Blog Ein eigener Blog kann das das Social Media-Angebot einer Kanzlei oder WP-Gesellschaft abrunden. In verschiedenen Themen-Kategorien können wechselnde Autoren tagesaktuell und regelmäßig Einträge zu Branchenthemen verfassen und so einen direkten Einblick in das Leistungsportfolio des Unternehmens geben. Über spezielle Verteiler, zu denen sich Interessierte bspw. per RSS-Feed anmelden können, werden die Leser über den Post eines neuen Artikels sofort informiert. Per Kommentar- und Bewertungsfunktion kann der User direkt zu den verfassten Inhalten Stellung nehmen und ein persönliches Feedback abgeben. Nicht zuletzt können die Nutzer die Beiträge über integrierte Social Media-Buttons auch sofort in andere Kanäle teilen und so anderen Interessierten die Inhalte weiterempfehlen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt für Wirtschaftskanzleien: Durch die prominente Verwertung wird auch für weitere Mitarbeiter im Unternehmen ein Anreiz geboten, sich hier zu profilieren – so kann es schnell zur immer mehr und höherwertiger Content- Generierung kommen.
7.4.8 E-Mail-Marketing Neben diesen klassischen Social Media-Kanälen empfiehlt sich zudem die Einbettung aller Maßnahmen in eine effiziente E-Mail-Marketing-Kampagne. E-Mails stellen immer noch die am meisten genutzte Technologie im Internet dar – und auch die Mandanten lassen sich am einfachsten über diesen direkten Weg erreichen. Über eine regelmäßige Kommunikation via E-Mail zu den neuesten Themen und Entwicklungen der Branche
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kommen Kanzleien zudem ihrer Pflicht nach, ihre Mandanten regelmäßig über relevante Gesetztesänderungen zu informieren. Die Kosten für einen professionell aufgesetzten Versand halten sich in Grenzen. Auf dem Markt wimmelt es nur so von Anbietern für E-Mail-Marketing-Lösungen, mit denen sich die Kampagnen nicht nur optisch ansprechend für jedes Endgerät („Responsive Design“) versenden lassen, sondern auch für den Absender bis ins kleinste Detail auswertbar sind. Welcher meiner Mandanten interessiert sich für welches Thema? Welche meiner Formate kommen bei den Empfängern am besten an? Die Antworten auf diese Fragen helfen Wirtschaftskanzleien nachhaltig bei der Erstellung neuer Inhalte oder der Konzeption von Formaten wie Veranstaltungen, Webinaren, Social Media-Content oder weiteren Newslettern.
7.5 Fazit: Planung ist alles und die Mischung macht’s Eine effektive und nachhaltige Social Media-Strategie gewinnt auch für Wirtschaftskanzleien und WP-Gesellschaften immer mehr an Relevanz. Schon längst ist es nicht mehr nur B2C-Unternehmen vorbehalten, sich in den sozialen Medien zu positionieren und die eigenen Produkte zu bewerben. Für Kanzleien und WP-Gesellschaften bietet sich mithilfe von Social Media eine große Chance, nicht nur potenzielle Mandanten zu erreichen, sondern auch im „War for talents“ junge Talente an das eigene Unternehmen zu binden und von einem Berufseinstieg zu überzeugen – auch wenn das manchmal heißt, über den eigenen Schatten zu springen und mit bisherigen Kommunikationsprämissen zu brechen. Wohl dem, der dabei eine Unternehmensführung hinter sich weiß, die bereit ist, diese Schritte zu gehen und dem Kommunikationsteam den Rücken frei hält − mit jeder Menge Freiraum für die Umsetzung neuer Ideen. Nur so können die sich bietenden Potenziale genutzt werden – mit einer durchdachten, professionellen und vor allem nachhaltig und langfristig ausgerichteten Strategie und dem Mut, neue Wege zu beschreiten. Der Zeitpunkt ist ideal, denn viele Unternehmen der Branche haben die Zeichen der Zeit noch nicht wirklich erkannt und betreten in diesem Bereich Neuland – und das, obwohl es speziell für Social Media im Business-Umfeld inzwischen zahlreiche Ratgeber, Experten und Tools gibt, auf die Kommunikationsverantwortliche zurückgreifen können. Parallel zur Auswahl der zu bespielenden Kanäle wie LinkedIn, Facebook, X XING oder YouTube steht und fällt eine solche Social Media-Strategie vor allem mit dem entwickelten Content. Social Media ist weit mehr als das jährliche Posting zu Weihnachten oder zum Firmenjubiläum. Nur wer hier stetig am Ball bleibt, den Rezipienten einen echten News-Mehrwert bietet und Social Media aktiv in die Kommunikations- und Unternehmensstrategie einbindet, wird in diesem Feld auch erfolgreich sein. Neben dem Leitmotiv „Content is King“ gilt es, die einzelnen Kanäle sinnvoll zu bespielen, übergreifend zu vernetzen und in die Gesamtstrategie einzubinden. So wird aus dem Zusammenspiel einer informativen Webseite mit SEO-optimierten Inhalten und einer professionellen E-Mail-Marketing-Strategie Social Media zu einem entscheidenden Baustein für einen gelungenen (digitalen) Auftritt von Wirtschaftskanzleien und WP-Gesellschaften.
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149 Frank Schröder ist Director Marketing & Communications bei der Beratungsgesellschaft Baker Tilly. Während seines Studiums der Sprach- und Medienwissenschaften in Düsseldorf arbeitete er als Journalist für verschiedene Zeitungen und Pressestellen. Danach durchlief er in einer PR-Agentur alle Stufen vom PR-Assistent bis zum Etat-Direktor. Später wechselte er als Manager Marketing & Communications D/A/CH zu der Strategieberatung Kearney und setzte ab 2012 seine Karriere bei Baker Tilly fort.
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Die „bewegte“ Kanzlei – Videoproduktionen für Anwälte Tim Nesemann
Einleitung Die Pandemie hat der Nutzung von Videos in Anwaltskanzleien einen echten Schub verliehen: Haben vor Corona Anwälte1 nur vereinzelt mit Videos kommuniziert, sind diese in Kanzleien jetzt nicht mehr wegzudenken. Die Videotelefonie hat die klassische Telefonie abgelöst, Videokonferenzen machen viele eindrucksvolle Besprechungsräume in Kanzleien obsolet und Webinare ersetzen Präsenzveranstaltungen. Die persönlichen Begegnungen mit Mandanten und Bewerbern finden immer mehr digital statt. Während Anwälte heutzutage ganz selbstverständlich vor der Kamera kommunizieren, spielt das Videomarketing im Rahmen der Gesamtmarketingstrategie in Kanzleien aber eine eher untergeordnete Rolle. Zwar ist der Anteil der Wirtschaftskanzleien mit einem eigenen YouTube-Account in den letzten Jahren deutlich gestiegen: Mehr als zwei Drittel der JUVE Top 50-Kanzleien nutzen die Plattform inzwischen, um ihre eigenen Videos zu hosten. Seltenheitswert hat aber ein „YouTuber“ wie Rechtsanwalt Christian Solmecke aus der Kanzlei WBS, der täglich in seinem YouTube-Kanal knapp 1 Mio. Abonnenten aktuelle Rechtsthemen und Gesetzesvorhaben erklärt. Damit ist er auf der Plattform nahezu konkurrenzlos in der Branche. YouTube ist mit knapp 2 Mrd. Nutzern die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Wer daher nicht mehr nur Anfragen über Google generieren möchte, sollte auch auf YouTube Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
T. Nesemann (*) München, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_8
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präsent sein. Gerade als Tochterunternehmen von Google werden YouTube-Videos zudem eine hohe Bedeutung für den Google-Suchalgorithmus nachgesagt. Videomarketing sollte ein fester Bestandteil im Marketing-Mix werden. Denn Videos überzeugen neben ihrer hohen Reichweite vor allem dadurch, dass sie Anwälten dabei helfen, eine emotionale Bindung zu ihrer Zielgruppe aufzubauen. Auch die Attraktivität der Kanzleiwebsite steigt, wenn Bewegtbild in die häufig statischen Seiten von Kanzlei- Homepages eingebunden werden. Zudem zählen Videos zu den Inhalten, die in Sozialen Medien am meisten geteilt werden. Videos machen eine Kanzlei und ihre Anwälte für potenzielle Mandanten und Bewerber erlebbar. Das ist in Zeiten, in denen auch als Folge von Corona weniger persönliche Begegnungen stattfinden, ein wichtiger Faktor. Es ist sicherlich immer noch die fachliche Expertise und das Renommee, die über die Auswahl der Kanzlei entscheiden. Im „Peoples Business“ des Beratungsmarktes kommt es dazu aber stark auf Sympathiewerte an, auf das Vertrauen in die Person/die Organisation. Hier können Kanzleien mit emotionalen, authentischen Einblicken punkten und sich positiv vom Wettbewerb abgrenzen. Videos werden nie die persönliche Begegnung ersetzen. Sie dienen aber wie die Kanzleiwebsite als Visitenkarte. Stimmt der erste Eindruck, sind die nächsten Schritte zur Kontaktaufnahme und zum persönlichen Gespräch gebahnt. Die Faktoren Sympathie und Vertrauen werden für die Mandatierung und die Wahl des Arbeitgebers immer das Maß der Dinge bleiben.
8.1 Videoproduktion 8.1.1 Strategie Erfolgreiches Videomarketing setzt voraus, dass es sich als Bestandteil des Marketing- Mixes in die Gesamtmarketingstrategie der Kanzlei einfügt. Anwälte sollten sich vor der Produktion des Videos insbesondere mit diesen drei Fragen beschäftigt haben: Was soll mit dem Video erreicht werden? Wer ist die Zielgruppe? Was interessiert diese? Sind hier die Antworten gefunden, muss geklärt werden, wie die Inhalte am besten transportiert werden. Neben der Entscheidung für das richtige Format/Länge geht es dabei um die Auswahl der Darsteller im Video, des Drehortes und des Filmteams. Daran schließt sich die Frage an, wie das Video für eine bestmögliche Reichweite vermarktet wird. Um bei der nächsten Produktion aus Fehlern zu lernen, sollte der Erfolg des Videos gemessen werden. Die Motive für den Einsatz von Videomarketing können sehr unterschiedlich sein. Häufig werden Videos dazu verwendet, um über Bewegtbilder Nähe zur Kanzlei zu schaffen und so das Image als Beratung oder Arbeitgeber zu verbessern. One-Hit-Wonder sind selten und nicht planbar. Erfolgversprechender sind wiederkehrende Videos für die vielen unterschiedlichen Themen in einer Wirtschaftskanzlei. Auch Erfolge in der Suchmaschinenoptimierung (SEO) lassen sich verlässlich nur mit regelmäßigen Videos, die dazu noch häufig geklickt werden, erzielen. Rechtsanwalt Christian Solmecke macht es
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mit seinen täglichen Videos für die inzwischen knapp 950.000 Abonnenten seines Kanals vor: Er ist sowohl bei Google als auch bei YouTube, den beiden größten Suchmaschinen der Welt, nahezu konkurrenzlos. Immer häufiger wird das Video auch dazu genutzt, um ein bestimmtes Produkt zu erklären. Mit mehr erklärungsbedürftigen Produkten im Rechtsmarkt etwa durch den verstärkten Einsatz von Legal Tech-Lösungen werden solche individuellen Formate an Bedeutung gewinnen. Die Videos sollten immer auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein. Dabei muss nicht zwangsläufig zwischen den beiden Kernzielgruppen unterschieden werden: Es sind in der Kanzlei immer Themen denkbar, die für Mandanten und für (potenzielle) Mitarbeiter gleichermaßen interessant sind. Die Berater/Kollegen portraitieren, Referenzmandate zeigen, bestimmte Themen vorstellen – für einen schonenden Einsatz der Ressourcen empfiehlt sich hier eine enge Zusammenarbeit der Marketingabteilung mit den häufig im HR angesiedelten Employer Branding-Spezialisten.
8.1.2 Von der Konzeption zum fertigen Video Planung, Produktion, Postproduktion – von der Konzeption bis zum fertigen Video sind unterschiedliche Fähigkeiten gefragt. Es beginnt mit der Idee des Videos, die filmisch umgesetzt werden soll. Die Redaktion recherchiert die Themen und legt das Drehbuch fest. Nach der Auswahl des Formats und ggf. der Darsteller sowie des Drehorts erstellt sie den Drehplan und brieft die an der Produktion des Videos beteiligten Personen. Anschließend wird das Video auf Grundlage des Storyboards umgesetzt – je nach Format etwa durch den Dreh des Realfilms oder durch Film-Animationen. Ähnlich zeitintensiv wie die Planung kann die Postproduktion sein. In dieser Phase werden bei Videodrehs zunächst das Material gesichtet sowie die Chronologie und die Reihenfolge der Sequenzen festgelegt. Cutter schneiden das Video, vertonen es und ergänzen es um etwaige Texteinblendungen. Fertig ist das Video dann, wenn der Kunde nach der internen Abstimmung zufrieden ist und das Video (nach Korrekturschleifen) abgenommen hat.
8.1.3 Formate Im Anwaltsmarketing haben sich in den letzten Jahren viele Formate etabliert. Die Formate werden von den Kanzleien sehr unterschiedlich eingesetzt. Dennoch gibt es Punkte zu beachten, die für alle Filmarten gelten. Das A & O eines erfolgreichen Videos ist die „gute Story“. Die Produktion kann noch so aufwendig sein – ohne die Geschichte wird das Video nie erfolgreich sein. Und das Anwaltsbusiness liefert gute Stories: Die Beratungsthemen sind schier unendlich und Anwälte haben in allen Branchen zu tun. Das wird häufig verkannt, wenn wieder von der trockenen Juristerei gesprochen wird. Gerichtsprozesse sind schon lange fester Bestandteil der TV-Berichterstattung. Und auch die unterschiedlichen Anwaltskarrieren liefern immer
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wieder Stoff für gutes Storytelling. Authentizität ist ebenso wichtig wie der Mut, Neues auszuprobieren. Denn ohne ein solches Überraschungsmoment wird ein Video schnell beliebig bei der stetig wachsenden Anzahl an Kanzleivideos. Die Aufmerksamkeitsspanne für ein Video ist nur sehr kurz. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren mit der wachsenden Bedeutung der Sozialen Medien deutlich verstärkt. Das Angebot an Videos ist riesig. Wer nicht direkt in den ersten Sekunden erreicht wird, scrollt im Feed schnell weiter. Soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram mit ihren Reels oder YouTube mit seinen Shorts fördern diese Entwicklung hin zu immer kürzeren Videos. Auch Mikrovideos z. B. mit kurzen Teasern von nur wenigen Sekunden sind im Kommen. Die ersten Sekunden entscheiden daher darüber, ob die User dranbleiben. Eine Einleitung mit einem Vorspann sollte somit stets gut überlegt sein. In der Kürze liegt die Würze – das gilt insbesondere für solche Kanzleivideos, in denen die Unterhaltung und die Kanzleimarke im Vordergrund steht. Zwei bis drei Minuten Film sollten in der Regel reichen und auch nicht überschritten werden, um die Ziele zu erreichen. Geht es dagegen um die Vermittlung von Fachinhalten z. B. durch Webinare und Live-Videos bieten sich auch deutlich längere Sessions mit inhaltlichem Tiefgang an, damit die Veranstaltung nicht zu einem reinen Marketingevent verkommt. Imagefilm Der Pionier unter den Anwaltsvideos ist der klassische Imagefilm. Immer noch gerne wird der Interessent hier mit der Kamera durch die edlen Kanzleiräume geführt und soll so Berater und/oder künftige Kollegen kennenlernen. Häufig ist dieser Film das einzige Video, das angeboten wird, um einen Eindruck von der Kanzlei zu bekommen. Umso wichtiger ist es, dass dieser eine Treffer sitzt und durch ihn nicht ein falsches Image transportiert wird. Erfrischend ist auch beim Imagefilm die etwas andere Geschichte. Beispiele wie das von Greenfort für ein lässiges Image mit ihrem Video „Movers & Shakers“ oder das von Zirngibl mit ihrem Recruitingfilm „Karriere“ zeigen die zunehmende Bereitschaft, hier auch einmal neue Wege zu probieren. Regelmäßige Themen-Video Kommt ein aktuelles Rechtsthema in den Medien hoch, kann man sich sicher sein, dass Rechtsanwalt Christian Solmecke und seine Videocrew von WBS Legal innerhalb kürzester Zeit ein neues Expertenvideo erstellen. Mit dieser Strategie hat er es zum häufig gebuchten TV-Experten gebracht. Aber auch neue Mandanten werden über die Videos auf den Kölner Rechtsanwalt aufmerksam. Er ist damit Vorreiter in der regelmäßigen Videoberichterstattung, die sich in Wirtschaftskanzleien aber (noch) nicht durchgesetzt hat. Genauso wie andere erfolgreiche Anwaltskanäle – z. B. „Herr Anwalt“ von Rechtsanwalt Tim Hendrik Walter – setzt er auf verbrauchernahe und populäre Themen, die häufig überhaupt keinen Bezug haben zu seiner anwaltlichen Beratung im IT- und Medienrecht. Mit seinem Fokus auf Abmahnungen erreicht er hiermit die Masse, die das Abmahngeschäft wirtschaftlich erst lukrativ macht. Die große Reichweite schaffen Themenkanäle von Wirtschaftskanzleien wie Bardehle Pagenberg mit ihren „IP Quick Tipps“ oder Taylor Wessing mit „Tech & Law TV“ nicht.
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Trotzdem erreichen sie mit potenziellen Mandanten und Bewerbern ihre Kernzielgruppe, die sich für die Themen interessieren. Der Aufwand einer regelmäßigen Videoberichterstattung ist für Wirtschaftskanzleien mit ihren verschiedenen Standorten hoch. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, warum einige Videoserien wie z. B. das Format Edge von CMS Hasche Sigle schnell wiedereingestellt worden sind. Erklärvideo Komplizierte Sachverhalte möglichst niedrigschwellig und einfach zu vermitteln – das ist der Sinn und Zweck von Erklärvideos, die auch im Kanzleimarketing eingesetzt werden. Das Thema Recht mit seinen vielen abstrakten Begriffen und komplexen Zusammenhängen bietet sich an für solche Formate, in denen gerne einfache Symbolik und Visualisierung verwendet werden. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die (teils kostenfreie) Software für die Erstellung von Erklärvideos erstellen. Als Marketer sollte man sich aber gut überlegen, ob dieser Do-it-yourself-Ansatz den hohen Qualitätsansprüchen einer Kanzlei genügt. Gerne benutzt werden bei Erklärvideos neben Realvideos der White board- oder Lineart-Stil, mit dem durch ein schlichtes und reduziertes Design aus feinen Linien eine abstrakte Welt z. B. durch eine zeichnende Hand geschaffen wird. So wie etwa in den Erklärfilmen der Kanzleien Heuking oder auch Menold Bezler. Häufig werden neue Produkte wie z. B. der WhistleFox von Heuking oder die Software JUNE von Frommer Legal-Gründer Björn Frommer durch Erklärvideos erst verständlich gemacht. Die Entwicklung neuer, innovativer Produkte im Rechtsmarkt schreitet voran – mit ihr wird auch die Zahl an Erklärvideos zunehmen. Referenzvideo Auch Mandanten können sinnvollerweise in die Videos eingebunden werden, was die Filme von GvW Graf von Westphalen beweisen. In Referenzvideos erzählen die Mandanten mit Unterstützung der Berater ihre Geschichte. Die Kanzlei erhält auf diese Weise tolle Referenzen, verstärkt die Bindung zum Mandanten und erzielt größere Reichweite dadurch, dass der Mandant „seine“ Geschichte auch über die eigenen Kanäle verbreitet. Und sie beweist Nähe zum Mandanten, indem Anwalt und Mandant im Video zusammen das Werk inspizieren, die Immobilie begutachten oder das neue Produkt ausprobieren. Referenzvideos bieten neben der Vielfalt an Themen noch den Vorteil, dass sich nicht nur Mandanten für die Projekte interessieren, sondern auch (potenzielle) Mitarbeiter. Recruiting-Video Keine Zielgruppe ist so video-affin wie der Nachwuchs. Da überrascht es nicht, dass Recruiting-Videos inzwischen eine wichtige Rolle beim Employer Branding von Anwaltskanzleien spielen. Künftige Mitarbeiter wollen sich gerne einen ersten Eindruck von der Kanzlei verschaffen, noch bevor sie in das Bewerbungsgespräch gehen. Dies betrifft nicht nur juristische Mitarbeiter, sondern auch die vielen Angestellten, die in Kanzleien inzwischen keiner klassischen juristischen Tätigkeit mehr nachgehen. Wie schaut ein typischer Arbeitstag aus? Wer sind die neuen Kollegen? Was zeichnet den künftigen Arbeits-
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platz aus? Einen guten Einblick liefern Videos, die authentische Bilder der Arbeitsatmosphäre transportieren. Viele Kanzleien stellen ihre Mitarbeiter bei diesem Format in den Mittelpunkt. Sie zeigen hier die Menschen, die sie ausmachen. Dass diese nicht mehr nur die erfolgreichen Partner sind sondern alle Berufsgruppen, sollte inzwischen selbstverständlich sein. Kanzleien wie WTS oder Advant Beiten bilden daher in ihren Formaten vom Praktikanten bis zur Partnerin alle ab. Die Zahl der Jura-Absolventen stagniert seit Jahren, der Bedarf an gut Ausgebildeten dagegen steigt in Wirtschaftskanzleien. Der Arbeitskräftemangel ist längst das beherrschende Thema im Kanzleimarkt. Kanzleien müssen sich in diesem Bewerbermarkt von ihrer besten Seite zeigen und werden daher an dem beim Nachwuchs so beliebten Video nicht mehr vorbeikommen. Webinare und Live-Videos Die Pandemie hat für die Durchführung von Webinaren und Live-Videos einen echten Schub gebracht. Vor Corona von vielen noch belächelt sind interaktive Web-Seminare zur Wissensvermittlung inzwischen ein beliebtes Akquise-Tool geworden. Live-Webinare bieten den Vorteil der großen Reichweite und der Interaktion mit dem Referenten. Auch später noch können Interessierte die Inhalte konsumieren, wenn das Webinar aufgezeichnet und auf Web-Plattformen zur Verfügung gestellt wird. Die Berliner Kanzlei Härting hat so als eine der ersten Wirtschaftskanzleien auf ihre Expertise in den Bereichen Medien- und Internetrecht aufmerksam gemacht. Viele andere nutzen inzwischen auch diese Form der Mehrfachverwertung und führen in ihren Playlists ein breites Angebot an Webinaren.
8.1.4 Darsteller Die Kanzlei erlebbar machen und mehr Nähe zu Mandanten und Bewerbern schaffen – hierzu bietet es sich an, die Protagonisten einer Kanzlei als Hauptdarsteller in die Videos einzubinden. Kanzleien sind gut beraten, auf Vielfalt zu setzen. Es sollte nicht immer nur der Managing Partner die Kanzlei repräsentieren. Ganz im Gegenteil: Warum nicht auch mal den Mitarbeiter vom Empfang einsetzen? Den Berufseinsteiger? Oder den langjährigen Mitarbeiter, der die Kanzlei am besten kennt? Neben Diversität sollte auf Authentizität geachtet werden. Es gibt immer Kollegen, die sich besser für ein Video eignen. Charaktere mit Persönlichkeit, die auf natürliche Art Interesse wecken und ein sympathisches Bild vermitteln, gibt es in jeder Kanzlei. Keiner sollte in eine Rolle gedrängt werden, die nicht zu ihm passt. Es reicht nicht, allein auf die Begabung der Darsteller zu vertrauen. Sie sollten auf den Dreh entsprechend vorbereitet werden. Der starke Anstieg von Videokonferenzen hat zwar überall zu viel Praxis und Erfahrung beim Umgang mit der Kamera geführt. Es ist jedoch noch einmal etwas Anderes, an einem professionell ausgeleuchteten Set von einem Kamerateam interviewt zu werden. Empfehlenswert ist ein wiederkehrendes Medientraining, um mehr über die Sprache und die Körperhaltung vor der Kamera zu erfahren. Es ist auch Aufgabe der Redaktion, Darsteller gut aussehen zu lassen. Wichtig ist es, diese in den freien
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Erzählmodus zu bringen. Anwälte neigen dazu, ihre Worte sehr genau abzuwägen. Ein Auftritt auf Basis eines Sprechzettels ist aber keine gute Grundlage für ein lebendiges Video. Auch die Arbeit mit einem Teleprompter will geübt sein und ist daher häufig keine spontane Alternative. Über den Schnitt lässt sich vieles im Nachhinein reparieren – dies sollte allen bewusst sein, um eine möglichst lockere Gesprächsatmosphäre am Set zu bekommen. Zur Vorbereitung der Darsteller auf das Video gehören auch die Maske und Informationen zur Kleiderordnung. Rechtzeitig vor dem Dreh sollte zudem die Einwilligung der Darsteller für die Nutzung der Bilder vorliegen.
8.1.5 Drehort – Kanzleien mit Videostudio? Auch wegen der rasanten Zunahme von Videokonferenzen sind inzwischen einige Kanzleien dazu übergegangen, sich selbst Videostudios in den Büros einzurichten. Keine teuren Fremdproduktionen in professionellen Filmstudios mehr und schnell individuellen Videocontent produzieren – das klingt nach einer sinnvollen Investition. Nicht fehlen darf in einem solchen Büro-Filmstudio neben der Kamera mit Stativ das Rüstzeug für eine gute Ausleuchtung und für einen sauberen Ton. Wer die Anschaffung einer Video- oder Vollformatkamera scheut, kann bereits mit einem aktuellen Smartphone sehr professionelle Aufnahmen machen. Zu beachten ist, dass Smartphones weniger Licht aufnehmen können und dieses fehlende Licht durch Sonnenlicht oder durch elektrische Lichtquellen wie LED-Leuchten oder LED-Panels kompensiert werden muss. Auch beim Dreh mit einer Videokamera sollte mit der passenden Ausrüstung zu viel oder zu wenig Licht von außen ausgeglichen werden können. Ebenso unverzichtbar wie die Beleuchtung ist ein guter Ton. Mehrere Mikrofone sollten im Einsatz sein. Dies können sog. Lavalier-Mikrofone (Ansteckmikrofone) sein, die z. B. am Kragen der Darsteller befestigt und häufig über Funk verbunden sind. Für eine noch höhere Tonqualität werden Richtmikrofone verwendet. Die Audiospur sollte nicht mit der Kamera sondern über ein getrenntes Gerät aufgenommen werden. So können Interviews mit anderen Schnittbildern unterlegt werden. Der Hintergrund sollte nicht vom Darsteller ablenken, sondern ihn in Szene setzen. Eine helle Wand reflektiert das Licht sehr gut und kann um ein paar Accessoires erweitert eine stimmige Umgebung schaffen. Ein Greenscreen wird häufig eingesetzt, um darauf später etwa Bilder oder Graphiken zu projizieren. Mit relativ einfachen Mitteln lassen sich daher auch im kanzleieigenen Videostudio hochwertige Videos produzieren. Allerdings haben Wirtschaftskanzleien oft mehrere Standorte, sodass für ein standortübergreifendes Format auch mehrere Videostudios nötig sind. Auch der personelle Aufwand, um jeweils vor Ort die Infrastruktur und die Produktion zu betreuen, sollte nicht unterschätzt werden. Außerdem passt das Videostudio nicht in jedes Konzept: Unterschiedliche Drehorte z. B. beim Mandanten, bei einem Event oder in der „Workation“ können gerade den Reiz ausmachen und etwas Abwechslung in den Alltag von Kanzleivideos bringen.
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8.1.6 Do-it-yourself-Video oder externes Video-Team? Do-it-yourself-Videos erfreuen sich überall großer Beliebtheit. Smartphones werden immer besser und bieten mit minimalem Zubehör alles, was für ein professionelles Video nötig ist: Eine hervorragende Kamera und eine Schnittsoftware, mit der geübte Nutzer relativ leicht direkt auf dem Gerät ein Video produzieren können. Für die Generation Z ist es inzwischen ganz normal, Videos zu erstellen und in den Sozialen Medien zu verbreiten. Auch für Tim Hendrik Walter alias „Herr Anwalt“ beginnt jeder Arbeitstag als Rechtsanwalt mit der Erstellung von zwei Videos. Hinter seinen Kanälen auf TikTok (mit über 6 Mio. Followern) oder auf YouTube (knapp 325.000 Abonnenten) steckt keine Agentur. Er selbst ist Redaktion, Darsteller und Produzent in einer Person. In Wirtschaftskanzleien sind solche Do-it-yourself-Video trotzdem kaum verbreitet. Social Media-Abteilungen sind in Kanzleien noch vergleichsweise dünn besetzt. Und der Abstimmungsbedarf in größeren Einheiten erschwert die standortübergreifende Produktion der Videos ebenso wie die logistischen Schwierigkeiten mit den verschiedenen Büros. Kanzleien sind mit Hochglanzbroschüren vertraut. Da passen aufwendig produzierte Hochglanzvideos häufig besser zum eigenen Anspruch als spontane Handyclips über den Arbeitsalltag in einer Kanzlei. Fast alle Anwaltskanzleien arbeiten daher in der Videoproduktion auch weiterhin mit externen Dienstleistern zusammen. Das Angebot an externen Dienstleistern ist riesig. Ohne Erfahrung oder Empfehlung kann man sich über das Internet anhand vieler Referenzprojekte aber ein gutes erstes Bild von der Agentur machen. Nach den ersten Projekten wird sich dann zeigen, ob die Zusammenarbeit für beide Seiten tatsächlich passt: Stimmt die Sympathie? Sind die Abläufe klar und effizient? Werden die Ziele erreicht? Es sollte nur dort externes Know-how dazu geholt werden, wo es tatsächlich gebraucht wird. Denn es spart nicht nur Kosten, wenn das Marketing eng eingebunden ist, sondern es erleichtert auch die Abläufe und kann den fehlenden Stallgeruch des Dienstleisters ersetzen.
8.2 Videovermarktung Ein gutes Video ist nur dann erfolgreich, wenn es auch von der Zielgruppe gefunden wird. Wie kann aber eine hohe Reichweite bei der richtigen Zielgruppe erreicht werden? Mit dieser Frage sollte man sich vor der Veröffentlichung des Videos intensiv beschäftigen.
8.2.1 Website Der wichtigste Kanal für die Vermarktung der Videos ist die eigene Website. Die Website ist das Aushängeschild einer Kanzlei im Internet – und bei dieser digitalen „Visitenkarte“ sollten hochwertig produzierte Videos nicht fehlen. Es verwundert daher, dass viele Kanzleien immer noch zögerlich ihre Videos bei sich auf der eigenen Website einbinden. Videos
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steigern die Attraktivität der Website und sorgen dafür, dass die Nutzer länger auf ihr verweilen. Es ist daher sinnvoll, die Videos an prominenter Stelle im eigenen Webangebot zu nutzen. Gleiches gilt für Webportale, bei denen Kanzleien mit einem Online-Profil vertreten sind. Kanzleien werben auf verschiedenen Kanälen mit Employer Branding-Profilen um den besten Nachwuchs. Absolventen können hier auf Plattformen wie Talent Rocket sehr einfach die potenziellen Arbeitgeber vergleichen. Profile mit Videos, die eine Kanzlei für Bewerber erst erlebbar machen, fallen besonders auf, da bislang nur sehr wenige Kanzleien Storytelling über Bewegtbilder machen. Videos bieten daher hier eine gute Möglichkeit, um sich auch auf Online-Plattformen positiv vom Wettbewerb abzugrenzen. Videokooperationen können zudem die Relevanz erhöhen. Dabei kann es sich um kommerzielle, exklusive Kooperationen handeln – wie z. B. bei der gemeinsamen Videoreihe Edge von der Legal Tribune Online (LTO) und der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Aber auch inhaltliche Partnerschaften wie z. B. bei Mandantenvideos können dazu führen, dass auch die Partnerunternehmen die Videos mitvermarkten und damit die Reichweite steigern.
8.2.2 YouTube Die meisten Kanzleien, die sich mit Videomarketing beschäftigen, haben einen eigenen YouTube-Kanal. Aus gutem Grund: denn an die Reichweite dieser Videoplattform kommt keine Andere auch nur annähernd ran. Knapp zwei Mrd. Nutzer zählt das Unternehmen. Nach aktuellen Zahlen werden auf der Plattform jeden einzelnen Tag ca. eine Mrd. Stunden Videos geschaut. Andere Videoplattformen wie Vimeo sind davon Lichtjahre entfernt und kommen daher als Alternative mit Relevanz für die eigenständige Vermarktung kaum in Betracht. Als zweitgrößte Suchmaschine der Welt und Google-Tochter bleiben Videos bei YouTube über die organische Suche zudem gut auffindbar. Neben der Reichweite spricht auch die einfache Bedienbarkeit für die Plattform: Videos hochladen, bearbeiten und verwalten – dies gelingt intuitiv mit nur wenigen Klicks. YouTube Analytics liefert zudem auf einen Blick die wichtigsten Kennzahlen, ohne dass man tiefer in die Analysen einsteigen muss. Wer sich mit der Google-Suchmaschinenoptimierung (SEO) beschäftigt hat, kann aufatmen: Die YouTube-SEO ist deutlich einfacher zu handhaben. Relevante Keywords im Videotitel und in der Beschreibung, Untertitel und ein prägnantes Thumbnail – dies alles wirkt sich bereits positiv auf den Logarithmus aus. Zusätzliche Reichweite können – wie auch bei den Sozialen Medien – zugelassene Kommentare und Interaktionen schaffen.
8.2.3 Soziale Medien Videos sind aus den Sozialen Medien nicht mehr wegzudenken: TikTok, Instagram oder LinkedIn-Profile leben von der Dynamik bewegter Inhalte. Typischerweise befassen sich Nutzer nur sehr wenige Sekunden mit den einzelnen Inhalten in ihren News Feeds, die
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Aufmerksamkeitsspanne sinkt immer weiter. Dieser Trend hat dazu geführt, dass in Sozialen Medien kurze Videos eingesetzt werden. Außerdem sollte auf das Thema Barrierefreiheit geachtet werden: Denn die Nutzer scrollen regelmäßig ohne Ton durch ihren Feed. Fehlt es dann aber an Untertiteln, sind die Videos oft nicht verständlich und liefern keinen Mehrwert. LinkedIn hat sich in den vergangenen Jahren zur wichtigsten B2B-Social Media- Plattform für Anwaltskanzleien entwickelt. Während sich LinkedIn daher gerade für Inhalte mit Mandantenfokus anbietet, nutzen viele Kanzleien vor allem Instagram, um karriererelevante Inhalte zu verbreiten. Da sich aber auch immer mehr Nachwuchsjuristen auf LinkedIn registrieren, bietet sich diese Plattform inzwischen auch für Karrierevideos an. Nur eine Frage der Zeit dürfte es sein, wann Kanzleien TikTok für sich entdecken. Bis dahin profitieren Kanäle wie „Herr Anwalt“ von Rechtsanwalt Tim Hendrik Walter von der nahezu ungeteilten Aufmerksamkeit ihrer Nutzer. Wer mit seinem Video auf eine hohe Reichweite in den Sozialen Medien abzielt, sollte die Datei direkt auf der jeweiligen Plattform hochladen und das Video nicht als YouTube- Link einbinden. Kostenpflichtige Anzeigen können passgenau auf die jeweilige Zielgruppe adressiert werden und so die Reichweite des Videos zusätzlich erhöhen.
8.3 Videoanalyse Es gibt zahlreiche Analysetools, mit denen die Erfolge des Videomarketings verhältnismäßig schnell und einfach gemessen werden können. Kennzahlenmessung über Google Analytics, YouTube Analytics oder die Sozialen Medien – der Erfolg eines Videos/einer Kampagne sollte immer gemessen werden, um den hohen Aufwand einer Videoproduktion zu rechtfertigen. Ausgangspunkt für die Messung der Key Performance Indicators (KPI) ist dabei stets das Ziel, das die Kanzlei erreichen will. Soll beispielsweise die Bekanntheit gesteigert werden, müssen mit dem Video möglichst viele Aufrufe generiert werden, d. h. viele Personen erreicht werden. Um eine gute Conversion-Rate (Umwandlungsrate) zu erlangen, ist die durchschnittliche Wiedergabedauer wichtig. Wer das Video nicht bis zum „Call-to-action“ schaut, bei dem kann keine Handlung mehr ausgelöst werden. Je höher die durchschnittliche Wiedergabedauer ist, desto wertvoller fanden die Zuschauer den Inhalt des Videos. Es lohnt immer ein Blick auf die Absprungsraten: Wann haben die meisten Nutzer aufgehört, das Video zu schauen? Mit diesen Informationen lassen sich die Inhalte künftiger Videos verbessern. Eine hohe Absprungrate ist Beleg dafür, dass die Ziele mit dem Video nicht erreicht werden. Eine große Anzahl von Nutzerinteraktionen wie „Likes“, Reaktionen, Kommentare oder Shares im Verhältnis zur Anzahl der Videoaufrufe bedeuten dagegen eine hohe „Engagement-Rate“ und bei fehlender negativer Presse auf die Akzeptanz des Videos schließen. Aufschlussreich sind auch die Daten zu den Zugriffsquellen im Dashboard: Hier erfährt man u. a., über welche Quelle der Nutzer auf das Video aufmerksam gemacht wurde.
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Die KPI’s sollten in jedem Fall genauer untersucht werden und mit früheren Videos oder Benchmarks aus der Branche verglichen werden. Durch bezahlte Anzeigen lassen sich die Ergebnisse auch noch während einer laufenden Kampagne verbessern. Jedenfalls sollten die Zahlen aber dabei helfen, künftige Videoproduktionen zu optimieren.
8.4 Fazit Videomarketing in Anwaltskanzleien ist keine Nischendisziplin mehr, nimmt in der Gesamtmarketingstrategie aber immer noch einen eher geringen Stellenwert ein. Dies überrascht, da es sehr gute Gründe für den regelmäßigen Einsatz von Videos im Kanzleimarketing gibt. Anwaltskanzleien jeder Größe sollten das Videomarketing daher als Chance und weitere Möglichkeit sehen, um sich erfolgreich vom Wettbewerb abzugrenzen und bei potenziellen Mitarbeitern und Mandanten zu punkten.
Dr. Tim Nesemann ist seit 2012 Head of Marketing & Communikations bei der Wirtschaftskanzlei GvW Graf von Westphalen in München. Nach seinem Rechtsreferendariat promovierte der Volljurist berufsbegleitend zur Tätigkeit als Redakteur für die Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) zu einem sportrechtlichen Thema an der Universität Tübingen. Als Beamter im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sammelte er Erfahrungen im Öffentlichen Dienst, ehe er für GvW die Marketingabteilung und das Employer Branding aufbaute.
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Personalmarketing – Praxisbericht aus einer Großkanzlei Claudia Trillig
Einleitung: Spieglein, Spieglein an der Wand … Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, worum es eigentlich bei einem Markenversprechen geht und weshalb wir enttäuscht sind, wenn ein Produkt bzw. eine Marke nicht das hält, was es „versprochen“ hat? Wie lassen sich Antworten darauf auf das Personalmarketing übertragen? Claudia Trillig, Director HR von Baker McKenzie Deutschland, spannt den Bogen vom Markenversprechen zum Personalmarketing. Anhand von fünf Kernthesen zum Personalmarketing zeigt sie, was es braucht, um als Arbeitgeber (potenzielle) Mitarbeiter1 zu begeistern und langfristig zu binden. Anhand konkreter Beispielen aus der internationalen Großkanzlei gibt sie Einblicke in erprobte Maßnahmen und erläutert Do’s und Don’ts in Sachen Personalmarketing. Ein beliebiger Freitagabend im Jahr 2023 an einem beliebigen Ort. Endlich Entspannung, wie sie 2023 definiert wird, nach einer intensiven Arbeitswoche: Handy in der Hand, Soziale Medien, ein Blick hier, ein Klick da, die Finger bewegen sich schnell über den Bildschirm. Werbung für Wundermittel und Sportgeräte erscheint, die das neue „Ich“ verheißen, mit Versprechen, die in griffige Slogans und ansprechende Farben verpackt werden zu einem Thema, das meinen Nerv trifft. Nur ein Klick auf den Link und die Vorfreude auf die Lieferung, das Auspacken und Testen beginnt …
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
C. Trillig (*) Frankfurt, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_9
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Zwei Wochen später: Enttäuschung macht sich breit. Das hatte ich mir doch ganz anders vorgestellt. Was hat das gelieferte Produkt mit den verheißungsvollen Versprechen zu tun? Die bunte, reizvolle Bilderwelt – nur ein Schein? Es hat nicht funktioniert und es ist die Ernüchterung, die bleibt. Der Rücksendeschein wird ausgefüllt. Einmal und nie wieder – das leere Versprechen einer Marke.
9.1 Worum es beim Markenversprechen geht Geht es folglich bei Markenversprechen nur um „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ „Personalmarketing meint nichts anderes als die Anwendung des Marketinggedanken auf den Personalbereich. Genau wie beim klassischen Marketing geht es darum, das Unternehmen und seine Produkte ganzheitlich auf die Bedürfnisse der Kunden, in dem Falle der aktuellen und künftigen Mitarbeiter auszurichten.“ (Mager, Philip, softgarden.com (o. J.), Personalmarketing) Es geht also darum, bei Kunden u. a. Vorstellungen hervorzurufen und nicht nur das: Die Vorstellungen, die ein Markenname oder -zeichen hervorruft, sollen idealerweise positiv und gleichzeitig differenzierend sein. „Eine Marke ist weit mehr als ein Logotype, weit mehr als Design. Eine Marke entsteht, wenn man es schafft, sein Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen durch positive Erfahrungen und Assoziationen langfristig in den Köpfen der Menschen zu verankern. Eine Marke ist das Ergebnis eines andauernden Prozesses.“ (Prenger, Carsten (11.05.2016). matter of design, Wie entsteht eine Marke? Und was macht sie aus?) Und nicht zu vergessen: Eine Marke ist etwas, das langlebig ist, das sich beim Kunden, beim Empfänger ins Unterbewusste einbrennt und sich bei ihm positiv verankert. Diese Gefühle führen schließlich dazu, bei einem begehrten Produkt „zuzuschlagen“. Langlebig – übertragen auf Personalmarketing bedeutet dies, dass ich sowohl potenzielle Mitarbeiter für das Unternehmen gewinnen will und eine positive „Candidate Experience“ ermögliche, als auch, dass Mitarbeiter eine „Employee Experience“ erfahren. Diese bewegt sie dazu, möglichst lange beim Unternehmen zu bleiben und zwar engagiert, motiviert und mit einem gewissen Stolz ein wesentlicher Teil des Unternehmens zu sein. Personalmarketing richtet sich also nach innen und nach außen. Was bedeutet Personalmarketing im Kern? „Hauptziel des Personalmarketings ist, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Dabei gilt es, das eigene Unternehmen gegenüber der Konkurrenz, sprich den Mitbewerbern, am Markt zu positionieren. Unterstützt wird das Ganze durch Maßnahmen, die die Arbeitgebermarke (Employer Branding) in den Fokus stellen.“ (raven51 (o. J.). Externes Personalmarketing: Ziele und Maßnahmen)
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9.2 Ein paar grundsätzliche Fragen Gibt es eine Marke, die geschaffen wird und ein einmal geschaffenes Bild sich nie ändert, sprich, einmal definiert und auf den Markt gebracht, sind Marke und Wahrnehmung starr? Oder darf sich das entworfene Bild ändern, ja, muss sich sogar an den Markt und seine Gegebenheiten anpassen, so wie es ein Unternehmen und damit ein Arbeitgeber über die Zeit hinweg tut? Gleichzeitig stellt sich die Frage, wieviel Veränderung in welcher Geschwindigkeit die Zielgruppe, die (potenziellen) Arbeitnehmer akzeptieren. Kann ich als Arbeitgeber meine Botschaften beliebig ändern, in schnellen Abfolgen Personalmarketing und die passenden Instrumente variieren oder braucht es Zeit? Erwarten die „Kunden“ eine logische Erläuterung für Veränderungen? Und was bedeutet „andauernder Prozess“? Gibt es überhaupt eine Personalmarketingwahrnehmung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder ist alles ständig im Fluss, sprich, ist das, was heute den (potenziellen) Arbeitnehmern, ankommt, bereits morgen Vergangenheit und damit vergessen oder gar irrelevant? Hinterlässt das nicht den Nachgeschmack eines volatilen Gebildes und führt zu Unklarheit beim Empfänger, wofür ein Unternehmen im Kern steht? Geht das so weit, dass die Glaubwürdigkeit in Gefahr gerät? Und zu guter Letzt der Aspekt, „positive Erfahrungen und Assoziationen langfristig in den Köpfen der Menschen zu verankern“. Bedeutet das, dass Personalmarketingbotschaften optimistisch und bunt strahlend sein müssen? Ist es aber nicht unglaubwürdig, wenn ein ausschließlich positives Bild gezeichnet wird? Nimmt ein (künftiger) Arbeitnehmer dies einem Arbeitgeber wirklich ab? Wie alles im Leben, hat auch das Arbeiten immer mindestens zwei Seiten. Egal, wie spannend die Arbeit, wie kollegial das Team, wie überzeugend das Produkt ist, gibt es doch Momente, die eben nicht nur „bunt strahlend“ sind. Herausforderungen nennt man das als Personaler gerne. Macht es einen Arbeitgeber nicht viel lebendiger und glaubwürdiger, wenn ein potenzieller Arbeitnehmer reale Einblicke erhält, die zeigen, was ihn erwartet auf deren Basis er eine Entscheidung fällen kann, ob das ein Umfeld ist, in dem er sich wirklich und langfristig sieht? Ist es nicht besser, beide Seiten sind offen und „verkaufen“ nicht eine Illusion, die sich nach einigen Wochen als unrealistisch herausstellt? Und selbst wenn beim Einstieg alle Vorstellungen beider Seiten passen, kann die persönliche Entwicklung und auch die Entwicklung, die ein Unternehmen über Jahre durchläuft dazu führen, dass man sich wie in einer Beziehung „auseinanderlebt“. Auch das ist in Ordnung und man kann mit einem positiven Bild, einer positiven Wahrnehmung gegenseitig voneinander Abschied nehmen und Personalmarketing überzeugend weitergeben und leben.
9.3 Kernthesen zu Personalmarketing Das sind nur einige der zahlreichen Aspekte, die uns bei Baker McKenzie tagtäglich umtreiben, wenn wir uns Gedanken zum Thema Personalmarketing machen.
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Ich selbst bin nun seit mehr als 20 Jahren in der Kanzlei tätig und habe im Kern folgende Feststellungen gemacht, auf die ich nach und nach eingehen werde: • Personalmarketing – Wir sind hier nicht bei „Wünsch Dir was“ oder „Real life – not fake news“ • Personalmarketing – „Du bist was Du tust“ oder „Bunte Bildchen Maler“ • Personalmarketing – „Mach ‚Du‘ mal“ • Personalmarketing – „The Beauty and the Beast“ • Personalmarketing – „Der Zahn der Zeit“
9.3.1 Personalmarketing – Wir sind hier nicht bei „Wünsch Dir was“ oder „Real life – not fake news“ Am Anfang steht eine klare Unternehmensstrategie, woraus sich eine People Strategie ableitet. Marketing für das Unternehmen und auch das Personalmarketing gehen daraus hervor. Das Ziel ist nicht, unzählige Werbeagenturen damit zu beauftragen, „schöne Welten“ zu erschaffen. Vielmehr geht es darum, die Strategie und ihre Bedeutung für Mitarbeiter nachhaltig und glaubwürdig in konkrete Prozesse, Instrumente und Aktivitäten he runterzubrechen, zu kommunizieren und diese in den Alltag zu integrieren. So unterstreicht Baker McKenzies „We are the New Lawyers“-Botschaft unsere Strategie. Wir sind eine innovative, weltweit eng verzahnte Kanzlei, die unternehmerisch agiert und People und Clients an erste Stelle setzt. Als „New Lawyer“ und als Kollege in allen Bereichen einer Kanzlei, sei es als Assistenz oder im Business Service Bereich, wollen wir innovativ, weltweit verzahnt, „ahead of the curve“ beraten, also immer einen Schritt schneller als die Mitbewerber und mit klarem unternehmerischen Blick und Verständnis. Das erfordert eine bestimmte Mitarbeiterschaft – nämlich diejenigen, die neben fachlicher Exzellenz eine Persönlichkeit mitbringen, die geprägt ist von Neugierde, Offenheit, der Bereitschaft, die Extrameile zu gehen, unternehmerischen Geist von Tag eins zu zeigen, Risiko zum Nutzen der Mandanten nicht zu scheuen, sich nicht in der zweiten Reihe zu verstecken, sondern mutig mit neuen Ideen voranzugehen. Dazu gehört, Fehler ohne Angst einzugestehen, mit hoch erhobenem Haupt zu stolpern, die „Krone zu richten“ und weiterzumachen, nicht stehen zu bleiben, sondern Dinge immer wieder neu zu überdenken. Wir schätzen Mitarbeiter, die lernbegierig sind, Freude am Kennenlernen neuer Menschen, neuer Gedanken und Ideen haben, und flexibel „im Geist“ sind u. v. m. Das sind Kollegen, die zu unserer Unternehmensstrategie passen und helfen, das gesetzte Unternehmensziel zu erreichen. Diese Botschaft, also ein Abbild der Realität, soll nicht nur die Belegschaft erreichen, sondern auch potenziellem (Nachwuchs)/künftigen Kollegen auf dem Markt einen realistischen Einblick hinter die Kulissen geben. Beim Personalmarketing geht es also u. a. darum, die Strategie in Botschaften zu übersetzen, die klar sind, die differenzieren von Wettbewerbern, die ehrlich sind und dem
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(potenziellen) Bewerber eine Idee vermitteln, warum er sich bei uns bewerben soll oder eben auch nicht. Ich sage in Interviews immer: Es gibt kein „bestes“ Unternehmen, es gibt einen „besten“ fit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Werte müssen übereinstimmen, die Vorstellung von einem gemeinsamen Ziel – dann passt es langfristig. „Baker McKenzie – Your Choice“ und „Life with Baker“ sind zwei Kernbotschaften, die wir aus der Strategie abgeleitet haben und mit denen wir einen Schwerpunkt setzen. Warum? Wir denken, dass Bewerber und Arbeitgeber auf Augenhöhe stehen. Es ist nicht nur die Wahl des Arbeitgebers, es ist nicht nur die Wahl des Arbeitnehmers – beide gemeinsam treffen eine Wahl. Gleichzeitig wollen wir deutlich machen, dass wir der Arbeitgeber „der Wahl“ sind, und zwar ein Leben lang, wie es in der zweiten Aussage deutlich wird, im Idealfall vom Einstieg bis Alumni. Diese Werte, die Kultur und die dazugehörigen Prozesse und Instrumente zu transportieren, ist die Aufgabe des Personalmarketing nach außen. Spieglein, Spieglein … – ein reales Bild, das reale Einblicke vermittelt. Und man streut als Unternehmen die Botschaften über verschiedene Kanäle, um auch dort Aufmerksamkeit zu finden. Griffige Slogans und eingängige Bilderwelten zu präsentieren ist eine Sache, um die Zielgruppe zu erreichen und nicht in der Flut von Werbung und Social Media unterzugehen. Eine andere ist, authentisch zu bleiben. Sprich: Keine „fake news“! Als Arbeitgeber möchte ich Kollegen, die nicht nach kurzer Zeit entdecken, dass das Umfeld, in dem sie sich bewegen, nichts mit dem zu tun hat, was beim Umwerben gezeigt wurde. Frustration, Kosten und Arbeit entstehen, wenn sich die Realität anders darstellt als erhofft und führt schnell zu einer Trennung und schließlich sogar zu einer negativen Employer Brand, die sich auch auf dem Nachwuchsmarkt schnell und unkontrolliert verbreiten kann. Kurz gesagt: Die „Candidate Experience“ muss mit der „Employee Experience“ übereinstimmen. Gerade in der Dienstleistungsbranche ist es besonders schwierig und gleichzeitig besonders wichtig, die Unterschiede feinsinnig herauszuarbeiten und zu kommunizieren. „Wir erwarten Persönlichkeiten, die unternehmerisch Denken und Handeln“ – wo hört man das heutzutage nicht? Und genau da sind wir beim Kernpunkt. Was steckt hinter Personalmarketing, woran erkenne ich sozusagen „real life“?
9.3.2 Personalmarketing – die „Bunten Bildchen Maler“ oder „Du bist, was Du tust“ „Gutes Personalmarketing ist auf vielen Kanälen und Plattformen präsent und versteht es, Kommunikation und Auftritt diesen anzupassen und sich auf die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse verschiedener Zielgruppen der Kanäle einzugehen. Bei der Auswahl der Social Media-Plattformen werden klare Schwerpunkte gesetzt.“ (hrpraxis.ch (26.05.2020) An diesen 7 Faktoren erkennen Sie gutes Personalmarketing) Viele Kanäle und Plattformen: Jeder Mensch, jeder (potenzielle) Mitarbeiter ist anders, hat andere Gewohnheiten, Werte, Erwartungen und ist auf unterschiedlichen Wegen erreichbar. „One size fits all“ funktioniert schon lange nicht mehr. Als Arbeitgeber muss man
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gut überlegen, wo und wie man die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zunächst einmal erreicht und sie dann letztlich auch begeistert. Es gilt alle Sinne anzusprechen: das Auge, das Ohr – und auch das Herz. Anzeigen, Karriereseiten, Messen, Events u. v. m. sind zwar nicht passé, aber zwischenzeitlich Hygienefaktoren des Personalmarketings. Sie fallen erst auf, wenn sie nicht mehr da sind oder aber nicht gut gemacht sind. Ein (potenzieller) Arbeitnehmer erwartet auch Neues und Unerwartetes, um überrascht und gespannt zuzuhören. Und es geht auch darum, Worte und Bilder mit Leben zu füllen. Es darf nicht dabei bleiben, schöne Marketingbilder zu posten oder griffige Slogans auf den Markt zu werfen. Das Unternehmen muss begreifbar und erlebbar sein. Nehmen wir als ein konkretes Beispiel den Podcast, der in den letzten Jahren mit Windes eile den Personalmarketingmarkt erobert hat. 2020 haben wir bei Baker McKenzie den Podcast „Life with Baker – der Karriere Podcast“ aus der Taufe gehoben. Warum? Wir wollten (potenzielle) Arbeitnehmer auf einem anderen Weg erreichen – über Ohr und Herz. Wir wollten Fakten vermitteln und gleichzeitig Kultur und Atmosphäre transportieren, um einen ehrlichen Fakten- und Herz-Test machen zu können, ob wir der richtige „fit“ als Arbeitgeber sind. Unsere Mitarbeiter waren schnell begeistert dabei, ihr Erlebtes, ihre Erfahrungen und Emotionen zu teilen und damit auch mit Stolz zu berichten und einen Beitrag zu leisten, das Unternehmen voranzubringen. Intern hat der Podcast eine Art Netzwerk und Austauschfunktion übernommen. Mitarbeiter wurden über Angebote auf neuem Weg informiert. „Du bist, was du tust“ steht für (potenzielle) Mitarbeiter immer mehr im Zentrum. Welche Werte vertritt mein Unternehmen, wo engagiert sich die Kanzlei? Sind Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation, Inclusion & Diversity, Social Mobility relevante Themen, die das Unternehmen auf dem Markt zeigt und vertritt, Stellung bezieht und gleichzeitig intern lebt? Auch hier ein ganz konkretes Beispiel. Baker McKenzie beschäftigt sich seit langer Zeit mit Social Mobility auf unterschiedlichste Art und Weise. „Mit sozialer Mobilität ist der Wechsel von Personen zwischen sozialen Positionen gemeint, dazu gehört insbesondere der Wechsel zwischen Berufsgruppen oder Schichten.“(Springer Link (o. J.). Soziale Mobilität) Wir haben als Unternehmen eine Verantwortung unseren Mitarbeitern gegenüber, ebenso wie gegenüber potenziellen Mitarbeitern und der Gesellschaft. So hoben wir imHerbst 2022 das „Stipendium für mehr Chancengleichheit“ aus der Taufe, im Februar 2023 fand das Kick-Off Event statt: 20 Jurastudierende die aufgrund ihres kulturellen, finanziellen oder familiären Hintergrundes vielleicht einen etwas schwierigeren Start ins (Studien)leben haben, erhalten als „Class of 2023“ ein Jahr intensiven Support von Baker McKenzie auf unterschiedlichste Art und Weise: mit Mentoring Circles, Coachings, Praktika im In- und Ausland, einem kostenlosen Zugang zu einer Lern-App u. v. m. Unser Handeln verpacken wir in Botschaften, wir haben das Stipendium beworben und auf dem Markt platziert. Aber: An erster Stelle steht hier das Tun. Die Initiativen müssen zu den Werten, der Kultur und der Strategie eines Unternehmens passen. Denn nur wenn wir im Inneren leben, was wir nach außen vermarkten, sind wir langfristig glaubwürdig für (potenzielle) Mitarbeiter.
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9.3.3 Personalmarketing – „Mach ‚Du‘ mal“ Welches Unternehmen, welcher Personalverantwortliche kennt es nicht: Die jährliche Budgetplanung und damit einhergehende u. a. die Frage: Wieviel Budget plane ich für Personalmarketing Maßnahmen ein? Wie schön wäre das doch – so durchzuckt es sicherlich kurz den ein oder anderen HR-ler – ein schönes Sümmchen für eine tolle Agentur auszugeben, Headhunter zu beauftragen, fleißige Anbieter kreativer HR Marketing Tools das Feld zu überlassen – frei nach dem Motto „Mach ‚Du‘ mal“! Aber genau das ist die Crux. Es geht nicht um „Du“ oder „die anderen“. Es geht vielmehr darum, dass alle gemeinsam Personalmarketing verantworten, umsetzen und es auch leben. Nur wenn von der Unternehmensleitung bis hin zu allen Mitarbeitern Personalmarketing aktiv gelebt wird, wird ein stimmiges Ganzes daraus. Nehmen wir z. B. die in den letzten Jahren wie Kometen auf dem Personalmarketing gelandeten Social Media Kanäle. So sind z. B. Facebook, Xing, LinkedIn, Twitter und Instagram, alternative Kanäle, um Zugang auf dem Bewerbermarkt zu bekommen. Was ist das Erfolgsgeheimnis? Über diese Kanäle, von denen HR viele bespielt, geben wir authentische Einblicke in „Life with Baker“, vom Arbeitsalltag, in Wettbewerbe, die die Bewerber motivieren, sich mit z. B. juristisch, fachlichen Themen zu beschäftigen, bis hin zu Informationen zu neuen Initiativen, Programmen, Rankings u. v. m. Das funktioniert z. B., indem Law Clerks, Associates, Partner, Business Service Kollegen die Kamera für einen Tag übernehmen und „Reality“ Einblicke in ihren Alltag geben. Sie geben Tipps und zeigen, warum sie bei Baker McKenzie arbeiten, wie sie zu uns kamen und was sie hält. Themen wie z. B. „bAgile“, also die Möglichkeit, mobil und von zuhause zu arbeiten, flexible Karrierewege, wie Teilzeit, der Associate Alternative Track oder Mobility Programme, die ein Arbeiten in der ganzen Welt bei Baker McKenzie ermöglichen. Die Verantwortung geht also weder an Externe, noch allein an HR. „Irgendwer“ kümmert sich, ist nicht zielführend. Jeder Einzelne übernimmt Verantwortung und ist Teil des „Du“. Dies ist schon sehr früh im Laufe einer Karriere möglich und gewünscht: So übernehmen z. B. Mentees unseres „Career Mentorship Program“ (CMP) proaktiv eine Sprachrohrfunktion. Sie erleben Baker McKenzie im Rahmen des High-Potential Programms, das wir bereits 2008 ins Leben gerufen haben als Arbeitgeber aus verschiedensten Blickwinkeln. Sei es durch Mentoring, Buddies, der Mentorship University, Einsätze im In- und Ausland, dem Summer Camp u. v. m. „Life“ und aus erster Reihe lassen sie auf Messen, in Social Media oder durch „Mund zu Mund Propaganda “ andere an ihren Erfahrungen teilhaben lassen und „Personalmarketing“ machen. „Du bist, was Du tust“ hat noch eine weitere Facette. Ob all das, was über unterschiedliche Kanäle an potenzielle Mitarbeiter kommuniziert wird, auch Hand und Fuß hat, zeigt sich nicht erst, wenn ich Wochen und Monate in einem Unternehmen arbeite. Es beginnt mit dem ersten Echtkontakt, sei es auf Veranstaltungen oder im Rahmen des Bewerbungsprozesses. Wie erfolgt der Erstkontakt? Läuft er über eine anonyme Maske, in die ich erst einmal mühsam und mit viel Aufwand alle möglichen Daten eingeben muss und die es mir
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schwer macht, meine Persönlichkeit durchleuchten zu lassen? Bei Baker McKenzie kontaktieren wir potenzielle Mitarbeiter in der Regel telefonisch, persönlich und so schnell wie möglich. Ein erstes Gespräch sagt häufig mehr als tausend Unterlagen. Wem begegne ich im Verlauf des Prozesses? Ist es ein durchdachter Prozess, der mir ein möglichst realistisches Bild dessen vermittelt, was mich erwartet? Baker McKenzie zeigt Bewerbern die verschiedenen Büros, im In- und auch im Ausland, wir bringen Kollegen unterschiedlichster Seniorität in diversen Settings ins Gespräch. So bleibt viel Zeit, sich gegenseitig in unterschiedlichen Facetten kennenzulernen. Auch ein HR Gespräch gehört dazu mit der Frage, welche Ziele der Kandidat hat und was wir anbieten können, um so attraktiv wie möglich für Bewerber zu sein. Wie werde ich empfangen? Auf Augenhöhe? Unter diesem Motto stand auch unsere Workshopreihe an Universitäten. Mit Respekt, mit wahrhaftigem Interesse, ein Prozess, der deutlich macht, dass beide Seiten auswählen? Was erwartet mich im Bewerbungsprozess – eine Überraschungstüte oder weiß ich, mit wem ich spreche, wie der Prozess inhaltlich und zeitlich abläuft, warum ich mit wem spreche, auch an verschiedenen Standorten und wie ich mich vorbereiten kann, z. B. mit unserem Baker McKenzie Karriere Podcast, den wir jedem Bewerber in Vorbereitung auf die Gespräche zur Verfügung stellen? Die Reihe der Fragen lässt sich fortsetzen. Deutlich wird: Personalmarketing endet nicht mit dem ersten Kontakt. Es zieht sich durch den teilweise langjährigen Prozess des Kontakthaltens, durch den konkreten Bewerbungsprozess bis hin zum Pre-/Onboarding, den ersten 100 Tagen und im Idealfall bis hin zur Rente. Kurz: Es spiegelt den „Life Cycle“ eines Juristen bzw. Anwalts wider.
9.3.4 Personalmarketing – „The Beauty and the Beast“ Stichwort „Life Cycle“ oder internes Personalmarketing. Ein Arbeitgeber wirbt ein Leben lang um die Gunst der Mitarbeiter. Eines der Hauptziele ist es, die Retention Rate möglichst hoch zu halten. Eine Kanzlei ist ein Wirtschaftsunternehmen und dies ist erfolgreich, wenn nicht nur die Kunden zufrieden sind, sondern die Mitarbeiter. Diese sind wesentlicher Faktor des Erfolgs eines Unternehmens. Vor allem in der Dienstleistungsbranche wird dies unmittelbar deutlich. Da gibt es nicht das zu Beginn beschworene Produkt „Fitnessgerät“, das schöne Welten verspricht und sich nach einiger Zeit vielleicht als „fail“ entpuppt. Es sind die Menschen, die Persönlichkeiten mit all ihren Stärken und Schwächen, die unmittelbaren Einfluss und Auswirkung auf den (potenziellen) Kunden haben. Dies hat auch etwas mit Kosten zu tun. Zufriedene Mitarbeiter bleiben länger. Die Ausbildung und damit Investition in die Zukunft der Mitarbeiter „lohnt“ sich, sie zahlt sich über Zeit aus, es entstehen weniger Kosten durch Nachrekrutierung, Motivation erhöht die Leistungskraft und den Leistungswillen. Glückliche und loyale Mitarbeiter sind kreativer und innovativer und tragen somit zum langfristigen Erfolg der Unternehmen von Morgen bei. Egoistisch, berechnend? Nein, eine wirtschaftliche „win win“ Situation für beide Seiten. Im Übrigen ist der Pool hoch qualifizierter Bewerber mit dem passenden „Personality Fit“ auch nicht unendlich. Fachkräftemangel ist in der Kanzleiwelt seit Jahren kein Fremd-
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wort. So lässt sich dieser Markt immer wieder Neues einfallen und gibt sich nicht damit zufrieden, ständige Gehaltsspiralen ins Unendliche voranzutreiben. Bewerber stumpfen ab im Wettbewerb der Gehaltsexplosion und künftige Juristen, die sich auch als Ökonomen verstehen, erkennen sofort, dass hier die Balance zwischen „was will ich als Bewerber“ und „was will der Kunde“ leicht in eine Schieflage gerät-Wann platzt diese Illusion? Es bedarf also auch im internen Personalmarketing einiger Ideen, Kreativität und einem realistischen Blick, den Anforderungen der Mitarbeiter gerecht zu werden, damit sich nicht der Arbeitgeber, der extern auf dem Markt als „Beauty“ aufgetreten ist, intern als „Beast“ entpuppt. Bei Baker McKenzie startet das bereits beim Pre- und Onboarding – ein fließender Übergang vom Recruiting in das Großkanzleileben. Verschiedene Ansprechpartner begleiten den neuen Kollegen, vom Mentor, über den Buddy und HR und viele mehr. Das geschieht täglich, durch Schulungen und einer Take-Off Veranstaltung, die die Strategie, die Kultur, Instrumente und Prozesse und besonders die Menschen bei Baker erlebbar macht. Von Tag eins ist klar, was Mitarbeiter erwartet, welche Ausbildungsangebote es gibt, welche Karrieremöglichkeiten sie erwarten, seien es Karrierestufen, Kriterien für die Promotion, alternative, flexible Wege. Transparenz ist wichtig, Gespräche und Feedback, Hören und Zuhören und voneinander lernen, sei es beim Self-Assessment, 360 Grad Review oder im Zuge von Mitarbeiterbefragungen wie unsere weltweiten BakerYou- bzw. BakerPulse- Befragungen. Eigenverantwortung und Verantwortung übernehmen sind elementare Bestandteile bei uns in der Kanzlei. So erhalten Associates z. B. einen Booster, also ein Budget, das sie selbst verantworten, um aktiv die Zukunft mitzugestalten, indem sie dies für Business Development, Talent, Sustainabiltiy, Inclusion Diversity & Equity u. v. m. einsetzen. Sie entwerfen ein Business Case und einen Business Plan und entwickeln diese kontinuierlich weiter. Es geht darum, ein Leben lang zu lernen, durch Netzwerken, wie z. B. während der Inhouse University, die jährlich bis zu 15 unterschiedlichen Themenangebote im Hard- und Softskill Bereich bereithält. ‚Internationale Einsätze, die die Mobility Programme ermöglichen, weiten den Blick in die ganze Welt von Baker McKenzie, ganz gleich, ob für ein paar Wochen oder für ein Jahr‘. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Netzwerke helfen nicht nur zu wachsen, sondern binden – im Idealfall ein (Baker) Leben lang. Eines ist ganz wichtig: All das muss nachhaltig und werthaltig geschehen.
9.4 Personalmarketing – der Zahn der Zeit Die Welt verändert sich, eine Unternehmensstrategie ändert sich, wird angepasst, Personalmarketing Instrumente und Prozesse werden neu ausgerichtet. Das ist wichtig und auch richtig so. Neue Zielgruppen, neue Generationen (X,Y, Z ff.) erwarten eine andere, variablere Ansprache, adaptierte Prozesse und neue Instrumente. Am besten denke ich als Arbeitgeber einen Schritt voraus. So lautet auch das Motto von Baker McKenzie: „Ahead of the Curve“ zu sein, immer einen Schritt vor den Wettbewerbern und im Idealfall wissen oder zumindest erahnen wir heute schon, was Mandanten und auch (potenzielle) Mitarbeiter wollen oder gar brauchen.
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Ein Beispiel: 2008 waren wir die erste Kanzlei, die ein Programm ins Leben gerufen hat, das High-Potentials auf besondere Art und Weise fördert. Der Fokus lag und liegt bis heute auf langfristigem Hiring über Monate und Jahre. Wir setzen dabei auf intensives Kennenlernen mittels unterschiedlicher Elemente anstelle von „Quick wins“ wie etwa durch Anzeigen. Man konnte damals schon erahnen, dass die Zukunft im langfristigen Personalmarketing und im „Erlebnismarketing“, der „Candidate Experience“ über Zeit liegen wird. Noch ein Beispiel: Mitarbeiterbindung in der Corona-Dimension. Als 2020 von jetzt auf gleich die Welt stillstand, alle völlig unvorbereitet auf eine nie da gewesene Pandemie mit großen Fragezeichen im Home Office saßen, kamen nach dem ersten Schock die ersten Fragen. Wie gelingt es uns, die Mitarbeiter zusammenzuhalten, zu motivieren, nicht zu verlieren? Wie können wir um ihre Motivation, ihr Engagement und ihre Loyalität kämpfen? (Internes) Personalmarketing der neuen Dimension. Zu diesem Zeitpunkt haben wir die Baker McKenzie „StayConnected“ ins Leben gerufen. Über Nacht sozusagen, eine Initiative, die aus vier wesentlichen Säulen bestehet und sich um das Netzwerken, den Kontakt kümmert, die Angebote zum Wellbeing macht, Weiterbildung, Informationen anbietet u. v. m. Die Zeit verändert und wir verändern (uns) mit der Zeit. Ob proaktiv und vorausschauend oder durch äußere Einflüsse, die uns manchmal unerwartet, schnell einholen und wo es gilt, ruhig, besonnen und kreativ – gleichzeitig immer realistisch und ehrlich – weiterzumachen. Ehrlich und über Zeit bedeutet auch, sich Themen anzunehmen, sich Themen bewusst zu machen, die mitunter bisher eher im Hintergrund waren und zunehmend in den Vordergrund rücken. Dazu zählen Themen wie ein nachhaltiges Umfeld, ein nachhaltiger Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber, der ein inklusives und diverses Arbeitsumfeld nicht nur akzeptiert, sondern fördert. Ein Arbeitgeber, der sich damit auseinandersetzt, welche Beratungsthemen, welche Mandanten gesellschaftlich zukunftsfähig und wünschenswert sind. Da darf auch einmal korrigiert werden, auch das gehört zu einem ehrlichen und glaubwürdigen Arbeitgeber und transparentem Personalmarketing. Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Authentischste im ganzen Land? Es geht darum, das Innerste eines Unternehmens nach außen zu spiegeln und damit erlebbar zu machen, statt an der Eingangstür nach Vertragsunterschrift mit dem Werben aufzuhören. Es braucht einen langen Atem und die Bereitschaft, immer wieder in den Spiegel zu schauen, stolz, aber auch kritisch und den Mut, sich zu verändern und aus Rückschlägen zu lernen und weiterzumachen. Nicht immer gefällt einem (jeden), jeden Tag aufs Neue, was man im Spiegel zu sehen bekommt. Aber alle können proaktiv daran arbeiten, sich verändern und gemeinsam Neues ausprobieren.
Literatur hrpraxis.ch. (2020). An diesen 7 Faktoren erkennen Sie gutes Personalmarketing (26.05.2020). https://www.hrpraxis.ch/2020/05/an-diesen-7-faktoren-erkennen-sie-gutes.html#:~:text=Gutes%20Personalmarketing%20ist%20auf%20vielen,Plattformen%20werden%20klare%20 Schwerpunkte%20gesetzt. Zugegriffen am 08.03.2023.
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Mager, Philip. (o.J.). softgarden.com, Personalmarketing. https://softgarden.com/de/ressourcen/ glossar/personalmarketing/#:~:text=Personalmarketing%20meint%20nichts%20anderes%20 als,aktuellen%20und%20k%C3%BCnftigen%20Mitarbeiter%2C%20auszurichten. Zugegriffen am 08.03.2023. Prenger, Carsten. (2016). matter of design, Wie entsteht eine Marke? Und was macht sie aus? (11.05.2016). https://matter-of-design.com/wie-entsteht-eine-marke-und-was-macht-sie-aus/#:~:text=Eine% 20Marke%20ist%20weit%20mehr,das%20Ergebnis%20eines%20andauernden%20Prozesses. Zugegriffen am 21.02.2023. raven51. (o.J.). Externes Personalmarketing: Ziele und Maßnahmen. https://raven51.de/wiki/personalmarketing/#:~:text=Hauptziel%20des%20Personalmarketings%20ist%2C%20die,Branding)%20in%20den%20Fokus%20stellen. Zugegriffen am 08.03.2023. Springer Link. (o.J.). Soziale Mobilität. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-53190593-8_12#:~:text=Mit%20sozialer%20Mobilit%C3%A4t%20ist%20der,Wechsel%20zwischen%20Berufsgruppen%20oder%20Schichten. Zugegriffen am 08.03.2023.
Claudia Trillig ist Director HR von Baker McKenzie Deutschland. Zu ihren Kernthemen gehören das Employer Branding, Personalmarketing sowie die Gewinnung, Entwicklungsbegleitung und Förderung von Nachwuchsjuristen und Anwälten. In diesem Rahmen liegt ihr Fokus auf innovativen, flexiblen und nachhaltigen Karrierewegen. Claudia Trillig ist Mitglied des deutschen Inclusion Diversity & Equity Committee der Kanzlei. Bevor Claudia Trillig 2001 bei Baker McKenzie in Frankfurt startete, war sie knapp zehn Jahre bei der heutigen Daimler AG tätig. Nach ihrem Einstieg in der Mercedes-Benz Führungsnachwuchsgruppe war sie in unterschiedlichen HR Rollen im In- und Ausland tätig, zuletzt als Leiterin Internationale Führungsnachwuchsgruppe bei D aimlerChrysler.
Von der Idee zum Mehrwert – einen Corporate Podcast erstellen
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Rita Aouad und Julia Hoh
10.1 Raum für Entfaltung – einen Akzent in der digitalen Präsenz setzen Der Wettbewerb unter den Kanzleien steigt, das Ringen um Mandanten1 nimmt zu und die Beratungsanliegen verändern sich kontinuierlich. Ein stetiges Anpassen an den Markt ist erforderlich, um die Position im Markt auszubauen und zu bewahren. Während Kanzleien auf die zahlreichen dynamischen Veränderungen mit passenden Lösungen reagieren müssen, ist es wichtiger denn je, das Mandantenerlebnis in den Fokus zu stellen. Jeder Touchpoint, jeder persönliche Kontakt und jede Erfahrung innerhalb der Client Journey prägt die Mandanten-Kanzlei- und insbesondere die Mandanten-Berater-Beziehung. Die Entwicklung ist unverkennbar: Mandanten streben neben der fachlichen Beratung nach einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung, die von einem partnerschaftlichen, transparenten und nahbaren Miteinander geprägt ist.
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
R. Aouad Rödl & Partner Dubai, Vereinigte Arabische Emirate E-Mail: [email protected] J. Hoh (*) Rödl & Partner, Nürnberg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_10
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R. Aouad und J. Hoh
Das digitale Zeitalter und die Informationsgesellschaft bergen Herausforderungen und Chancen zugleich. Während diese schnelle Reaktionsfähigkeit auf die Beratungsanliegen sowie passgenaue und transparente Umsetzung der Beratungspraxis erfordern, lässt sich das Mandantenerlebnis wirkungsvoll optimieren und Mehrwert in der Mandanten- Kanzlei-Beziehung erzeugen. Die heutige Gesellschaft hat das dringende Bedürfnis, alles – jederzeit und überall – abrufen zu können. Sie befindet sich inmitten einer Kommunikationsrevolution, in der vielzählige Applikationen auf Handy, Tablet und Laptop die veränderte Nachfrage nach Medien bedienen sollen.2 Die zahlreichen Streamingdienste ermöglichen einen ständigen Informationszufluss, wann und wo immer er gewünscht wird. Damit einhergehend werden On-Demand-Formate, wie beispielsweise Podcasts, immer beliebter. Das Format vereint das Bestreben der Konsumenten nach Medien und Informationen. Es stellt für Unternehmen ein hochattraktives Audioformat dar, Informationen und spannende Inhalte zu präsentieren, und bietet somit auch für Kanzleien Raum zur Entfaltung. Kanzleien können nachhaltig aufblühen, indem sie mit den aktuellen Entwicklungen gehen und die Strategien an die Bedürfnisse der Mandanten anpassen. Die gestalterische Flexibilität ist für Podcasts charakteristisch und eröffnet die Möglichkeit, sie auf die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe maßzuschneidern. Ob externe oder interne Kommunikation – das Format Corporate Podcast ist ein geeignetes Instrument für die Unternehmenskommunikation, welches crossmedial genutzt werden kann. Dabei erweist es sich als ein zeitgemäßes und besonders werttragendes Marketinginstrument für Kanzleien.3
10.2 Motivation und Zielsetzung Die Komplexität der Fragestellungen im Arbeitsalltag von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern nimmt mit den sich dynamisch ändernden Richtlinien und Gesetzen zu. Laien verlieren neben dem Überblick schnell den Ehrgeiz, sich mit komplizierten und trockenen Themen auseinanderzusetzen. Die Balance aus fachlicher Expertise und Leichtigkeit ist gefragt: Das Format Podcast bietet eine Bühne, anspruchsvolle Inhalte aus der Rechts- und Beratungswelt mit einem gewissen Unterhaltungsfaktor und gewünschter Nahbarkeit zu vereinen. Auf zwanglose Art und Weise können komplexe Sachverhalte verstanden und Nähe zum Unternehmen geschaffen werden. Es eröffnet Mandanten die Chance, einen Blick hinter die Kulissen der Kanzlei zu werfen und einen unkonventionellen Eindruck in den Arbeitsalltag zu bekommen. Es gilt, mit den Alleinstellungsmerkmalen der Kanzlei zu glänzen, um im Wettbewerb herauszustechen. Zeigen Sie, was Ihre Beratungspraxis so einzigartig macht. Indem die Menschen, die hinter der Beratung stehen, in einem fachlichen aber gleichzeitig auch Vgl. Geoghegan, Michael et al.: Podcast Academy: The Business Podcasting Book: Launching, Marketing, and Measuring Your Podcast, New York, USA: Taylor & Francis, 2008, S. 19. 3 Vgl. Krugmann, Dennis; Pallus, Darius P.: Podcasting – Marketing für die Ohren: Mit Podcasts innovativ werben, die Marke stärken und Kunden rund um die Uhr erreichen, Wiesbaden, Deutschland: Gabler, 2008, S. 96. 2
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unterhaltsamen Diskurs zu Wort kommen, gewinnen Mandanten und Interessierte einen authentischen Exkurs in die Kanzlei. Sie erlangen einen echten Einblick in die Expertise, Unternehmenskultur und -führung, aber auch in die im Unternehmen gelebte Nahbar- und Mitmenschlichkeit, welche häufig im Alltags- und Beratungsstress zu kurz kommen. Das Ergebnis wird sich in der überzeugten Entscheidung des Mandanten für die Kanzlei und in der positiven Mandanten-Berater-Beziehung widerspiegeln.
10.3 Ziel durch Qualität und Teamgeist erreichen Das Format Podcast ist erfolgversprechend, wenn es auf ein im Vorfeld klar strukturiertes Konzept basiert, das qualitativ aufbereitet ist, nachhaltig betreut wird und sinnvoll in die Kommunikationsmatrix der Kanzlei eingebettet ist. Darüber hinaus sind es die Themen und Inhalte, die den Erfolg des Podcasts definieren. Sie müssen zielgruppenorientiert geplant sein und den Interessengruppen einen besonderen Mehrwert bieten.4 Um die gewünschten Zielsetzungen mit dem Podcast zu erreichen und eine dauerhafte Präsenz unter den Zuhörern und in der weitreichenden Podcast-Landschaft zu erzeugen, sollte die Produktion nachhaltig geplant sein und die einzelnen Folgen in einem regelmäßigen Rhythmus veröffentlicht werden. Für die beständige Umsetzung empfiehlt es sich, Veröffentlichungsdaten und Themen der einzelnen Podcast-Folgen innerhalb eines Redaktionsplans zu verankern. Hörer können mit vielfältigen und thematisch variierenden Folgen überzeugt werden. Interviewpartner aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Ländern können die Alleinstellungsmerkmale, wie die Interdisziplinarität und Internationalität einer Kanzlei, besonders hervorheben und den Hörern einen spannenden, abwechslungsreichen Einblick verschaffen. Zusätzlich schafft ein charmanter Moderationsstil, welcher neben wichtigen Fachthemen auch persönliche – sogar humorvolle – Fragen und Aspekte vereinen kann, Nahbarkeit und Sympathie bei der Zielgruppe. Zuletzt tragen eine hohe Begeisterung und Bereitschaft der Mitarbeiter der Kanzlei, am Projekt teilzunehmen und den Podcast in den (sozialen) Netzwerken zu teilen, aktiv zum Erfolg des Projekts bei. Key Performance Indicators (kurz: KPIs), wie die Anzahl der Abonnenten und Downloads oder Verweildauer der Hörer und Bewertungen, können dazu dienen, spezifische Erfolge anhand konkreter Zahlen zu messen und eigene Ausbaupotenziale zu identifizieren.5 Erfahrungsgemäß lässt sich der Erfolg eines Podcasts anhand von statistischen Vergleichen aufgrund fehlender Transparenz innerhalb der Podcast-Landschaft nur sehr schwer beurteilen. Als Erfolgs- und Wachstumsindikator kann daher die podcast-spezifische, positive Entwicklung der vorangestellten KPIs als Bemessungsgrundlage dienen. Vgl. Schreyer, Stephan: Podcasts in der Unternehmenskommunikation: Wie Sie mit strategischen Audioformaten Ihre Zielgruppe erreichen, Weinheim, Deutschland: Springer Gabler, 2019, S. 13–15. 5 Vgl. Schreyer 2019, S. 30. 4
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R. Aouad und J. Hoh Tipps & Tricks auf einen Blick
• Strukturiertes Konzept erstellen • Themen und Inhalte zielgruppenorientiert planen • Redaktionsplan: Regelmäßiger Veröffentlichungsrhythmus und vielfältige, thematisch variierende Folgen • KPIs (Key Performance Indicators) definieren • Erfolgsmessung: Positive Entwicklung der KPIs spricht für Erfolg
10.4 Mehrwert schaffen 10.4.1 Früchte ernten – Reputation und Reichweite Das Aufsetzen eines Corporate Podcasts trägt zur digitalen Präsenz der Kanzlei und Reputation im Markt bei. Indem sie aktiv an der sich stets weiterentwickelnden digitalen Streaming-Landschaft sowie der Kommunikation auf den sozialen Netzwerken teilnimmt, kann der Dialog zwischen allen beteiligten Parteien angeregt werden.6 Somit gelingt der Ausbau der Kommunikation mit Mandanten, potenziellen neuen Mitarbeitern und weiteren Interessenten, aber auch intern mit Kollegen. Für Kanzleien ist ein Podcast der passende Kommunikationskanal, um die Beratungsexpertise mit der Außenwelt zu teilen, dabei einen nahbaren und authentischen Eindruck zu hinterlassen und die Alleinstellungsmerkmale hervorzuheben. Interessierte bekommen die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte auf eine professionelle und angeregte Art und Weise zu verstehen und sich über angebotene Beratungsleistungen und -lösungen zu informieren. Dies baut neue Beziehungen zu potenziellen Mandanten auf, intensiviert bestehende und schafft Nähe zwischen der Kanzlei und allen interessierten Stakeholdern. Gleichermaßen tragen Podcasts zu einer Verbesserung der Positionierung der Kanzlei auf dem Arbeitgebermarkt bei und können beim Recruiting neuer Mitarbeiter unterstützen.7 Abonnieren des Kanals, Kommentare in den Rezensionen oder Teilen mit (potenziellen) Mandanten, Bekannten und Freunden: Ein erfolgreiches Podcast-Format erntet seine Früchte durch Reichweite. Darüber hinaus beflügelt die Einreichung des Podcasts bei Wettbewerben mit potenziellem Gewinn die Reputation und Ästimation der Kanzlei. Ein wertvoller Nebeneffekt der „Dreharbeiten“ für einen Podcast: Zeit zum fach lichen und persönlichen Austausch, diverse und aufgeheiterte Unterhaltungen, unterschiedliche Gesprächspartnerkonstellationen sowie Raum für Offenheit und Teamspirit wirken sich nicht nur positiv auf die Podcast-Folgen aus, sondern langfristig auch auf Kollegen-Beziehungen und gänzlich auf das Arbeitsklima innerhalb der Kanzlei.
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Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 22. Vgl. Schreyer 2019, S. 12.
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10.4.2 „Let’s keep streaming“ – Resonanz Interne positive Resonanz sowie Begeisterung und Bereitschaft der Mitarbeiter bei der Produktion und Vermarktung des Podcasts sind unabdingbar, um die gewünschte externe Reputation und Reichweite zu erlangen. Es gilt, Feedback zu analysieren, um den Erfolg eines Podcast-Formats bewerten zu können. Im Folgenden zeigen wir Feedback zu den Podcast-Formaten „Tax Unplugged“ und „Tax It Simple“ des Geschäftsfeldes Steuerberatung bei Rödl & Partner, die per E-Mail eingingen: • Abonnent: „Ich bin total begeistert vom Podcast und den dort vermittelten Insights sowohl in das Rödl-Portfolio als auch in die Rödl-‚Familie‘. Die gewählten Themen sind sehr interessant und auch für fachfremde Personen sehr gut erklärt. Prof. Dr. Florian Haase ist ein sehr angenehmer Gastgeber und auch die geladenen Gäste der bisherigen drei Folgen sind sehr interessante Persönlichkeiten, bei denen man merkt, dass sie ihren Job gerne machen und stolz sind, ein Teil von Rödl & Partner zu sein. Vielen lieben Dank für diesen Podcast. Ich freue mich schon auf weitere Folgen.“ • Mitarbeiter: „Wirklich großartig und erfrischend aufbereitet. Das macht Lust auf weitere Folgen. Let’s keep streaming!“ • Gast/Mitarbeiter: „Ich bin sehr glücklich, dass Sie mich zum Podcast einladen und nehme sehr gerne an. Ich habe mir natürlich bereits ein Bild bzw. einen akustischen Eindruck gemacht und ich finde das Format sehr gelungen, weil es eine lebendige Kombination von fachlichen und persönlichen Inhalten, objektiven Informationen und subjektiven Einschätzungen, dem der Materie geschuldeten angemessenen Ernst und dem sehr persönlichen Stil und unentbehrlichen Humor der Gäste darstellt und idealerweise das zur Geltung bringt, was Rödl & Partner ausmacht: Die Leidenschaft für das, was wir tun und die Werte, für die wir stehen. Und natürlich ist es wie in jeder Talkshow, dass der Talkmaster den Unterschied macht, und da haben wir mit Prof. Dr. Florian Haase einen lebenden USP.“ • Mitarbeiter: „Ich wollte eine gute Nachricht mit Euch teilen. Wir haben aufgrund des Podcasts neue Mandanten erhalten, die sich über die Website gemeldet haben. Vielen Dank an alle für die gute Zusammenarbeit!!“
10.5 Einen Podcast erschaffen 10.5.1 Zielgruppenorientierte Themen identifizieren Vor der Themenfindung für die einzelnen Podcast-Folgen sollten zunächst die Ziele des Podcasts definiert werden. Dabei dienen die klassischen W-Fragen als Orientierung: Warum wird der Podcast aufgesetzt? Wer soll damit erreicht werden? Welche Ergebnisse soll der Podcast liefern? Daraus können Ziele resultieren, wie zum Beispiel die bereits existierenden Stakeholder zu binden, neue Interessenten zu gewinnen, das Unternehmensimage zu
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beeinflussen, neue Zielgruppen und/oder ein attraktives Arbeitgeberbild zu schaffen. Mit der Zieldefinierung geht die Zielgruppen-Identifizierung einher. Wird eine interne oder externe Zielgruppe forciert? Erstere könnte folgende Fragen aufwerfen: Gibt es Mitarbeiter, die durch herkömmliche Kommunikationswege nicht erreicht werden? Gibt es Kommunikations- und Informationslücken zwischen Führungskräften und anderen Mitarbeitern, die mit dem Podcast geschlossen werden sollen? Werden Strategien, beispielsweise zur Alltags- oder Krisenbewältigung, breit kommuniziert? Hier kann ein Podcast sowohl als Unterhaltung dienen, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, als Informationsquelle, aber auch als Fortbildungsmöglichkeit oder Onboarding-Tool für Mitarbeiter.8 Sind externe Stakeholder die Zielgruppe des Podcasts, lohnt es sich auch hier die Per spektive dieser einzunehmen: Was wollen sie erfahren? Wo fehlt ihnen der Einblick, den sie mittels eines On-Demand-Audioformats gewinnen können? In diesem Format steht das Erklären, Begründen und Informieren, also somit der Wissenstransfer, im Mittelpunkt.9 Während rechtliche Sachverhalte aufgrund neuer Vorschriften und Gesetze an Kom plexität zunehmen, sehnen sich Interessierte nach Transparenz und Klarheit. Daher fungieren die verschiedenen Regelungen, Gesetze, Vorschriften und geplanten Vorhaben sowie die passenden Beratungsansätze und Handlungsempfehlungen als sinnvolle Themen für einen fachlich geprägten Podcast. Top-Berater können dadurch ihre Expertise in Szene setzen und Licht ins Dunkel bringen, indem sie über aktuelle Themen aufklären. Unabhängig davon, welche Zielgruppe der Podcast bedient, ist es wichtig, stets den roten Faden im Auge zu behalten und neben den trockenen Fakten das Storytelling nicht zu vernachlässigen.10 Darüber hinaus kann ein Podcast auch als Bühne zur persönlichen und beruflichen Entfaltung der Mitarbeiter dienen und dabei als Mittel zum Employer Branding sowie Personalmarketing herangezogen werden. Letztendlich sind es die Mitarbeiter, die der Kanzlei und der gelebten Beratungspraxis ein Gesicht geben. Auf der Podcast-Bühne können sie wertvolle, authentische Eindrücke aus dem Fachalltag teilen, über Karrieremöglichkeiten in der Kanzlei Aufschluss geben und die Zuhörer hinter die Kulissen der alltäglichen Beratungspraxis blicken lassen. Um die Erfolgschancen einer Podcast-Folge oder der Podcast-Reihe schon im Vorhi nein abzuwägen, ist es empfehlenswert, die Themen auf Relevanz, Reichweitenpotenzial, Originalität und ggf. Serientauglichkeit zu überprüfen.11 Langfristiger Mehrwert und Interesse unter den Hörern werden kreiert, indem sich auf zeitlose Themen fokussiert wird. Mehrwert wird jedoch auch dann erzeugt, wenn Themen, die aufgrund ihrer Aktualität und Relevanz im Markt einen starken Bedarf bei der Zielgruppe auslösen, bedient werden.
Vgl. Hammerschmidt, Doris: Das Podcast-Buch: Strategie, Technik, Tipps mit Fokus auf Corporate Podcasts von Unternehmen & Organisationen, Haufe Lexware, 2022, S. 165. 9 Vgl. Schreyer 2019, S. 19. 10 Vgl. Schreyer 2019, S. 26. 11 Vgl. Schreyer 2019, S. 18. 8
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Tipps & Tricks auf einen Blick
• Ziele definieren, die mit dem Podcast erreicht werden sollen • Zielgruppe, deren Herausforderungen und Bedarfe identifizieren • Themen auf Relevanz, Reichweitenpotenzial, Originalität und Serientauglichkeit überprüfen • Bedarfsdeckung: „Evergreen Content“ und „Hot Topics“ • Roter Faden: Neben wichtigen Fakten und interessanten Inhalten das Storytelling nicht vernachlässigen • Transparenz, Klarheit und einen authentischen Einblick in die Beratungspraxis verschaffen • Beratungsleistungen und Mehrwert der Lösung skizzieren
10.5.2 Mit Struktur Wiedererkennungswert manifestieren Bevor mit den Aufnahmen der Folgen begonnen wird, sollte die Struktur des Podcasts festgelegt werden. Dabei ist es unabdingbar, die Aspekte Intro, Musik, Sprecher/Moderator, Länge des Podcasts und Frequenz der Veröffentlichung zu betrachten.12 Der Aufbau jeder Podcast-Folge sollte stets einheitlich gestaltet werden und einen Wiederer kennungswert zu den zuvor veröffentlichten Folgen aufweisen. Das vereinfacht es den Zuhörern, sich nach mehrmaligem Hören des Formats mit den Personen und Inhalten zu identifizieren. Um den Wiedererkennungswert zu steigern, ist es sinnvoll, den Podcast in einen akustischen Rahmen zu setzen, was die Erstellung eines Intros und Outros (Musik mit gesprochenem Inhalt oder ohne), das Einfügen von „Musikbetten (zum Unterlegen gesprochener Sprache), Rubriken- oder Stimmungs-Trennern“13 bedeutet. Hierbei ist es möglich, die Marke der Kanzlei akustisch zu repräsentieren: Wie klingt das Unternehmen, die Organisation und die Botschaft, die vermittelt werden soll?14 Prinzipiell richtet sich die Gestaltung und der Aufbau der Podcast-Folge nach dem Inhalt. Als Beispiel wird ein fachliches Podcast-Format herangezogen, das auf die Erläuterung von neuen Richtlinien und Gesetzen abzielt: 1. Persönliche Begrüßung der Teilnehmer und Einleitung durch den zuvor festgelegten oder für das ganze Format gleichbleibenden Moderator 2. Einordnung der Thematik in den Gesamtzusammenhang und aktuelle Entwicklungen; damit verknüpft ist eine detaillierte Erläuterung der Fragestellung, Herausforderung oder neuen Richtlinie, die diskutiert werden soll 3. Vorstellung eines Beratungsansatzes und klarer Handlungsempfehlungen durch die teilnehmenden Experten Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 160. Hammerschmidt 2022, S. 95. 14 Vgl. Hammerschmidt 2022, S. 95. 12 13
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4. Abrundung der Podcast-Folge mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigs ten Aspekte cc
Tipp & Tricks auf einen Blick
• Einheitlicher Aufbau der Podcast-Folgen sorgt für Wiedererkennungswert • Die Podcast-Folgen in einen akustischen Rahmen setzen: Intro, Musikbetten, Outro • Struktur einer fachlich orientierten Podcast-Folge: Begrüßung, Einordnung der Thematik, Vorstellung der Beratungsexpertise, Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte
10.5.3 Raum und Technik Raum und Technik entscheiden über die Qualität der Podcast-Folgen.15 Ein qualitativ hochwertiges Equipment, insbesondere ein leistungsstarkes Mikrofon und geräuschdämmende Kopfhörer, sind notwendig, um erstklassige Aufnahmen kreieren zu können. Die Räume, in denen die Gesprächspartner an der Podcast-Folge teilnehmen, sollten ein geringes Echo aufweisen. Zur Aufnahme der Tonspuren stehen zahlreiche Programme zur Verfügung, die Podcasting in Studioqualität auch remote möglich machen. Der Markt bietet Programme, die neben Ton- auch Videoaufnahmen ermöglichen. Das Videomaterial kann hierbei für Marketingzwecke verwertet werden. Nachdem die Folgen „im Kasten“ sind, müssen die einzelnen Audiodateien mithilfe von auf dem Markt üblichen Schnittprogrammen zu einer Podcast-Folge vereint werden. Das Nachbereiten des Materials ermöglicht es, die rohen Audioaufnahmen zu optimieren – z. B. durch das Minimieren von Versprechern oder Denkpausen – und in eine strukturierte und professionelle Podcast-Folge umzuwandeln. Jedoch ist hierbei Vorsicht zu wahren: Der Podcast sollte stets seine Natürlichkeit beibehalten, zu viel des Guten kann dazu führen, dass die Folge an Authentizität verliert.16 Um diesen Fehler zu umgehen, kann es helfen, sich beim Editieren folgende Leitfragen zu stellen: Welche Passagen sind wichtig, welche sind unwichtig? Gibt es Abschnitte, die essenziell sind? Tragen Versprecher und Denkpausen zur Authentizität bei oder fallen sie störend auf? Schlussendlich ist es das Ziel, die Zuhörer zu unterhalten und nicht zu langweilen.17
Vgl. Hammerschmidt 2022, S. 101. Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 159. 17 Vgl. Hammerschmidt 2022, S. 112 f. 15 16
10 Von der Idee zum Mehrwert – einen Corporate Podcast erstellen
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Die Dauer des Editierens ist abhängig von der Länge des Podcasts, dem Format sowie der Hard- und Software, die verwendet wurden. Schnittsoftwares gibt es viele am Markt. Die Auswahl ist abhängig von der gewünschten Professionalität der Audioproduktion. Entsprechend muss eine Software mit mehreren oder wenigeren Funktionen gewählt werden. Darüber hinaus sollte, wie bereits in Abschn. 10.5.2 angeschnitten, eine akustische Untermalung der Podcast-Folge mit passender Musik forciert werden, wofür die Beantragung einer Musiklizenz essenziell ist. Nachdem die einzelnen Folgen erstellt sind, sollten diese sinnvoll im Format platziert und in einem regelmäßigen Zyklus veröffentlicht werden. Podcast-Hoster ermöglichen es, die Folgen an die Außenwelt heranzutragen und sie auf allen gängigen Streamingdiensten, wie z. B. Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, YouTube u. a. zu veröffentlichen. Es versteht sich von selbst, dass alle teilnehmenden Gesprächspartner die Freigabe durch die Abgabe einer Einverständniserklärung vorab erteilt haben sollten. cc
Tipps & Tricks auf einen Blick
• Technik und Raum: Qualitatives Equipment (geräuschdämmende Kopfhörer und leistungsstarkes Mikrofon) und echofreie Räume für hochwertige Podcast-Folgen • Schnittprogramme anhand der gewünschten Professionalität auswählen • Vorsicht beim Schnitt: Natürlichkeit und Authentizität bewahren • Podcast-Folgen akustisch untermalen: Musiklizenz beantragen • Einverständniserklärung von allen Beteiligten einholen • Den Podcast mithilfe eines Podcast-Hosters auf allen gängigen Streamingdiensten wie z. B. Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, YouTube, u. a. veröffentlichen
10.5.4 Von der Idee zur Veröffentlichung – Umsetzungsprozess Das Projekt steht und fällt mit den Interviewpartnern und deren Bereitschaft, am Podcast mitzuwirken. Insgesamt sind während des gesamten Projekts viel Mannschaftsgeist, Tatkraft, Kreativität sowie kommunikative und soziale Kompetenzen der Teilnehmer gefragt. Zunächst müssen, abhängig vom Thema, interne oder externe Experten zum Interview eingeladen werden. Um optimale Voraussetzungen für die Aufnahme zu gewährleisten, sollte der Raum, in dem die Aufnahme sattfinden wird, entsprechend vorbereitet werden. Vor Ort sollten die Teilnehmer ungestört sein. Darüber hinaus sollte der Raum so wenig Echo aufweisen, wie möglich. Neben der Raumvorbereitung, ist die Vorbereitung des Equipments (Mikrofon und Kopfhörer) und der Applikationen, sowie die Sensibilisierung der Teilnehmer für die Regeln während der Aufnahme, unerlässlich. Für den Wohlfühlfaktor: Empfangen Sie die Gesprächspartner mit einem Glas Wasser, einem „Schön, dass Sie dabei sind“-Schild und einem netten Lächeln. Schließlich erfolgt ein sorgfältiges Fine
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tuning gemeinsam mit allen Teilnehmern, wobei erneut alle Applikationen auf ihre Funktionalität geprüft werden. Daraufhin kann mit der Aufnahme der Folge begonnen werden. Den Grundstein bieten die bereits im Vorhinein überlegten Fragen (z. B. zu Hot Topics, Werdegang etc.). In jeder Folge gibt es einen Moderator. Dieser ist entweder derselbe Moderator für alle Folgen des Formats, oder variiert zwischen den Teilnehmern, denen ebenfalls das Ruder überlassen werden kann. Nach der Aufnahme werden die Audiodateien zu einer Folge zugeschnitten und das passende Marketingmaterial erstellt. Schließlich wird die fertige Folge auf allen gängigen Streamingdiensten veröffentlicht. cc
Tipps & Tricks auf einen Blick
• Key essential: Mannschaftsgeist, Tatkraft, Kreativität, kommunikative und soziale Kompetenzen • Einladung an die Experten zum Interview versenden • Vorbereitung der Aufnahme vor Ort: Raumauswahl, Funktionalität des Equipments und der Applikationen, Sensibilisierung der Teilnehmer, Finetuning • Nachbereitung: Schnitt, Marketing, Veröffentlichung
10.5.5 Tipps für Moderator und Interviewpartner Eine authentische und qualitativ hochwertige Podcast-Folge zu erstellen, erfordert ein optimales Zusammenspiel zwischen dem Organisationsteam, dem Moderator und den Interviewten in der Podcast-Folge. Generell gilt: Die Hörer wollen das Gesprochene direkt verstehen können. Die Audio-Sprache ist eine Sprechsprache und sollte daher nicht als literarische Sprache verstanden werden. Einfache Sätze machen das Verstehen der komplexen Inhalte leichter. Hierbei sollten die Fragen und Tonalität des Interviews an den Zusammenhang und das Ziel des Podcasts angepasst werden. cc
Alle Teilnehmer sollten folgende Hinweise beachten: • Kurze Sätze verfassen • Ruhig und deutlich sprechen • Im Falle eines Versprechers, den Satz erneut wiederholen • Fachsprache auf das Geringste reduzieren – einfach und verständlich erklären • Film ab: Für Kopfkino sorgen, indem die Situationen möglichst ausführlich und untermalt beschrieben werden • Einen ruhigen Büroraum auswählen, in dem die Teilnehmer ungestört sind • Störgeräusche während des Sprechens vermeiden (z. B. Umblättern, Klopfgeräusche etc.) • Distanz zum Mikrofon konstant während der ganzen Aufnahme einhalten • Mithilfe eines ausführlichen Skripts gut vorbereiten
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Tipps für den Moderator: • Mit dem Gesprächspartner vor der Aufnahme warmreden – sorgt für einen angenehmen Gesprächsfluss • Die Experten stets mit ihren Namen ansprechen, damit die Zuhörer folgen können • Einfache, konkrete und teils auch humorvolle Fragen stellen • Offene Fragen stellen, keine geschlossenen Ja-Nein-Fragen • Ruhig und deutlich sprechen • Auf die Länge des Gesprächs achten • Kernbotschaften mehrmals ansprechen bzw. wiederholen • Flexibel und spontan für interessante Wendungen des Interviews sein
10.6 Einen Podcast erfolgversprechend vermarkten 10.6.1 Gestalterischen Rahmen kreieren Der große Aufwand, der sich von der Aufnahme bis zur Veröffentlichung einer Podcast- Folge erstreckt, zahlt sich durch zahlreiche Hörer, Abonnenten des Kanals, eine große Reichweite und gute Reputation aus. Um möglichst viele Zuhörer zu erreichen und vom Podcast zu begeistern, sollte das Projekt auf einer durchdachten und zur Kanzlei passenden Marketing-Strategie basieren. Prinzipiell sollte jede Chance zur Vermarktung des Podcasts genutzt werden. Um auf den Podcast aufmerksam zu machen, sollte ansprechend gestaltetes Bildmaterial kreiert werden sowie eine aufschlussreiche Kommunikation auf den Streamingdiensten und sozialen Netzwerken erfolgen.18 Zunächst sollte sich über die Texte, die gemeinsam mit dem Podcast veröffentlicht werden, Gedanken gemacht werden. Das beinhaltet den Kanzlei-Webauftritt, die Beschreibungen auf den Streamingdiensten und die Beiträge in den sozialen Netzwerken. Die Beschreibungen des Podcast-Formats und die der einzelnen Folgen, sind die erste ausführlichere Information, auf die Interessenten in Verbindung mit dem Podcast stoßen. Sie sollen zum einen Neugier unter den Hörern wecken, zum anderen dienen die aufschlussreichen Texte als erste Informationsquelle, damit sich die Hörer auf den Inhalt des Podcasts einstellen können. Bei der Formulierung der Texte ist die alles entscheidende Frage: Was ist für den Hörer wichtig? Die klassischen W-Fragen (Wer? Für Wen? Warum? Was? Wie (oft)? Wann?) dienen als Orientierung, um die wichtigen Informationen abzudecken. Darüber hinaus sollten die Titel und Beschreibungen als Mittel zur Suchmaschinenoptimierung dienen, indem sie zutreffende und wichtige Schlüsselwörter beinhalten. Podcast-Folgen werden nach diesen Stichwörtern gelistet und füttern gleichzeitig den Algorithmus, was dazu führt, dass der Podcast besser auffindbar ist.19 Vgl. Schreyer 2019, S. 32. Vgl. Hammerschmidt 2022, S. 131.
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Neben den inhaltlichen Aspekten entscheiden sich die potenziellen Hörer anhand äußerlicher Aspekte, ob sie sich auf das Hörerlebnis einlassen, oder nicht.20 Die Wahl erfolgt dabei ähnlich wie die Wahl eines Buches in der Buchhandlung. Daher sollten Cover und Titel attraktiv für Hörer und Interessierte gestaltet sein und Neugier wecken. Das Titel- und Episodencover erzeugen Interesse und kreieren Wiedererkennungswert. „Titel und Gestaltung [des Covers] müssen erkennbar, klar, übersichtlich und trotzdem auffällig sein.“21 Es gilt der Grundsatz: Das Auge hört mit. Passende und einheitlich gestaltete Banner, Plakate und Flyer ziehen Aufmerksamkeit auf den Podcast und wecken das Interesse der Zielgruppe. Darüber hinaus können die anschaulichen, aber einfach und übersichtlich gehaltenen Designs in zahlreiche Marketingmaßnahmen (E-Mails, Präsentationen, Website u. v. m.) integriert werden, was gleicherweise den Widererkennungswert steigert. Zusätzlich erweist sich das klassische E-Mail-Marketing, in Form von E-Mail- Newslettern, als sinnvoll. Es schafft Loyalität, Bindung und Kommunikation zwischen der Kanzlei und den Interessenten. In Rundmails an die Abonnenten kann über die neuste oder nächste Folge informiert werden. Es können regelmäßige Updates gegeben sowie weitere Infos über zusätzliche Features und direkte Links zum Podcast integriert werden. Darüber hinaus eignet sich dieser Kommunikationsweg auch als Umfrage-Tool und Möglichkeit, Feedback einzuholen. Wichtig ist dabei, nicht zu viele E-Mails an die Hörerschaft zu versenden. Dies kann die Hörer nerven und abschrecken.22 Das Podcast-Format selbst ist ein geeignetes Instrument für crossmediales Marketing und die Kommunikation der Alleinstellungsmerkmale der Kanzlei. Dabei verdient das Format ebenfalls crossmediale Kampagnen. Mittels verschiedener Medienarten, Plattformen und Formate sollte der Podcast beworben und in alle sinnvollen Marketingmaßnahmen der Kanzlei integriert werden. Dies umfasst die Einbettung von grafischen Elementen, Links/QR-Codes und das Verweisen auf den Podcast in Präsentationen, digitalen Angeboten oder E-Mail-Signaturen.23 cc
Tipps & Tricks auf einen Blick
• Jede Chance nutzen, um den Podcast zu bewerben • Texte formulieren: Beschreibungen des Podcasts und der Folgen auf den Streamingdiensten, der Unternehmenswebsite und in den sozialen Netzwerken • Schlüsselwörter in den Titeln und Texten als Mittel zur Suchmaschinenoptimierung verwenden • Kombination aus Titel und Cover ansehnlich und passend gestalten • Banner, Plakate und Flyer erstellen
Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 301. Hammerschmidt 2022, S. 124. 22 Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 295–300. 23 Vgl. Krugmann und Pallus 2008, S. 96. 20 21
10 Von der Idee zum Mehrwert – einen Corporate Podcast erstellen
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• Auf die üblichen Kommunikationswege des Unternehmens zurückgreifen: Website-Auftritt und E-Mail-Marketing • Den Podcast crossmedial unter der Verwendung verschiedener Marketing elemente vermarkten
10.6.2 Passend in die Kanzlei-Website einbetten Zunächst sollte die Veröffentlichung der Folgen in einem regelmäßigen wöchentlichen oder monatlichen Rhythmus erfolgen. Dabei gilt es, den Podcast, orientiert an den Bedürfnissen der Allgemeinheit, auf allen gängigen Streamingdiensten bereitzustellen. Untermalt wird das Hörerlebnis mit detaillierten Einblicken in die Folgen und die angesprochenen Themen auf der Kanzlei-Website. Dies ermöglicht es den Zuhörern, ein fundiertes Verständnis zu erlangen und sich innerhalb des Formats und der einzelnen Folgen zu orientieren. Die eigene Website dient als optimale Plattform, um den Podcast zu vermarkten und über die Folgen zu informieren. Der Web-Auftritt sollte ansprechend gestaltet sein und über Inhalt, Zielgruppe und Umsetzung des Podcasts informieren – wir erinnern uns zurück: Podcasts und Authentizität laufen parallel; daher bieten wir transparente Einblicke. Eine kurze Episodenbeschreibung erleichtert nicht nur den Auswahlprozess der Interessenten, sondern sorgt auch dafür, dass die Website in Suchmaschinen gefunden wird.24 Die Integration einer suchmaschinenoptimierten Beschreibung mit wichtigen, bekannten Schlüsselwörtern zum Thema ist unabdingbar und sorgt dafür, dass Interessenten auf den Podcast aufmerksam werden, wenn sie sich anderweitig mit dem Thema befassen. Ein Podcast-Verzeichnis sowie Inhaltsverzeichnis der einzelnen Folgen verhilft den Interessierten, eine Überblick zu bekommen und regt das Interesse an.25 Darüber hinaus sollte der Content gut sichtbar auf der Unternehmenswebsite platziert werden und mit wenigen Mausklicks auffindbar sein. Die Integration des Podcast-Covers, der Online-Banner und Teaser, sowie Bilder der Teilnehmer können dazu verhelfen, dass Besucher der Website auf den Podcast aufmerksam gemacht werden. Der Einbezug von Videoaufzeichnungen der Aufnahmen in Form eines Trailers oder Zusammenschnitte aus besonderen Szenen sorgt für ein zusätzliches visuelles Erlebnis. Schlussendlich sorgen Abo-Buttons und Links zu den Streamingdiensten dafür, dass Interessierte direkt und auf einfachstem Wege in das Hörerlebnis eintauchen können. cc
Tipps & Tricks auf einen Blick
• Die hauseigene Kanzlei-Website als Plattform zur Vermarktung des Podcasts nutzen • Episodenbeschreibung mit Schlüsselwörtern integrieren • Podcast-Verzeichnis und Inhaltsverzeichnis erstellen
Vgl. Hammerschmidt 2022, S. 125 f. Vgl. Krugmann und Pallus 2008, S. 130 f.
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• Inhalte gut sichtbar und leicht erreichbar auf der Website platzieren • Videoaufzeichnungen (z. B. in Form eines Trailers) einbeziehen • Abo-Buttons und Links zu den Streamingdiensten einbetten
10.6.3 Das Potenzial auf Social Media entfalten Der uneingeschränkte Internetzugang hat einen Wandel der Kommunikation von Un ternehmen mit seinen Kunden bewirkt. Die sozialen Medien schaffen eine Möglichkeit der konstanten Kommunikation zwischen Unternehmen, ihren Mitarbeitern und Inte ressengruppen, wann und wo immer sie erwünscht ist.26 Dabei ist die „[…] Bedeutung der Social- Business-Netzwerke als digitale Branchentreffpunkte und Wissensquelle 27 […]“ enorm; sie nehmen wahrhaftig eine Schlüsselrolle in der Vermarktung der Un ternehmen und der Akquisition von Geschäftspartnern ein. Mit einer ausgeprägten Kommunikation auf den digitalen Business-Netzwerken ergreifen Kanzleien die Chance, ihre Außenwahrnehmung und Positionierung am Markt zu stärken, den Kontakt zu Mandanten auszubauen und neue Geschäftsbeziehungen zu schließen. „Mitarbeite[r] fungieren [dabei] als Botschafter und Multiplikatoren […]“28 und dürfen als Corporate Influencer bezeichnet werden. Besonders eignet sich die Plattform LinkedIn, die als stärkstes B2B-Netzwerk der heutigen Zeit gilt. Mittels aktiver und beständiger Kommunikation nach außen kann Know- how weitergegeben und eine starke Positionierung, Reputation und Wahrnehmung der Kanzlei erzeugt werden. Um LinkedIn als erfolgreiches Marketing-Instrument zu nutzen, sind ein offener Dialog, Kommunikationsstärke und eine persönliche Note essenziell.29 Betrachtet man die zuvor genannten Aspekte, stellen Social-Business-Netzwerke, insbesondere LinkedIn, besonders attraktive Kommunikationskanäle für Podcasts dar. Die Plattform dient als sinnvolles Mittel, um Aufmerksamkeit auf den Podcast zu ziehen, Hörer zu gewinnen und eine große Reichweite zu erzeugen. Dabei dienen die sozialen Netzwerke auch als optimales Instrument, um Feedback von Mandanten, Mitarbeitern und weiteren Interessierten einzuholen. Auf einfache Art und Weise können die Stakeholder direkt angesprochen und der offene Diskurs angeregt werden.30 Gleichwohl die unbegrenzten Möglichkeiten auf den sozialen Netzwerken schier von Vorteil sind, müssen sich Kanzleien gewissen Herausforderungen stellen. So gilt es, die eigene Strategie, an die
Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 25. Behrens, Britta: B2B-Marketing in sozialen Business-Plattformen am Beispiel LinkedIn, in: Praxiswissen Online-Marketing, 4. Aufl., 2021, S. 489–521. Wiesbaden: Springer, 2021, S. 489. 28 Behrens 2021, S. 504. 29 Vgl. Behrens 2021, S. 493. 30 Vgl. Behrens 2021, S. 493. 26 27
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sich ständig, schnell und unaufhaltsam weiterentwickelnden Plattformen, kontinuierlich zu prüfen und im Bedarfsfall anzupassen.31 cc
Tipps & Tricks auf einen Blick
• Soziale Netzwerke können als Plattform genutzt werden, um Reichweite zu erzeugen, mit Interessierten in den Dialog zu treten und Feedback auszutauschen • LinkedIn ist als stärkstes B2B-Netzwerk eine hochattraktive Plattform für die Vermarktung des Podcasts • Key essential: Kommunikationsstärke, offener Dialog und Authentizität • Corporate Influencer: Mitarbeiter können als Botschafter und Multiplikatoren der Beratungspraxis fungieren und maßgeblich zum Erfolg des Podcasts beitragen
10.7 Inspiration für Ihr Vorhaben Zahlreiche Kanzleien machen sich das Format Podcast bereits zu Nutze, um aktuelle Themen zu behandeln und der Hörerschaft zeitgemäße Einblicke in die Unternehmenspraxis zu gewähren. Rödl & Partner veröffentlichte im Jahr 2021 seinen ersten inhouse produzierten Steuerpodcast. Unter dem Titel „Tax Unplugged – Steuerberatung persönlich und humorvoll“, wird Hörern ein Blick hinter die Kulissen von Rödl & Partner geboten. Sie erhalten einen persönlichen und unterhaltsamen Exkurs in die Steuerpraxis und können erleben, was das Geschäftsfeld Steuerberatung so besonders macht. Dabei sind es die zahlreichen unternehmerischen Persönlichkeiten aus zahlreichen Niederlassungen und Ländern, die Rödl & Partner ein Gesicht geben und die Folgen so hörenswert machen. Aufgrund der positiven Resonanz und beständig positiven Entwicklung der Hörer- und Downloadzahlen, rief Rödl & Partner seinen zweiten Steuerpodcast, der einen besonderen Fokus auf fachliche Themen legt, ins Leben. Mit „Tax It Simple – komplexe Steuerthemen gut erklärt“ wird Unternehmen und Entrepreneuren in der komplexer werdenden Wirtschaftswelt unterstützend und beratend zur Seite gestanden. Er ist der Steuerpodcast, der Licht ins Dunkel bringt: Rödl & Partner-Experten und namhafte Gäste teilen ihr Wissen zu (neuen) Steuergesetzen, Vorschriften und geplanten Vorhaben so transparent und nachvollziehbar wie möglich und geben klare Handlungsempfehlungen an die Hand. Er bietet die Möglichkeit, mit der bestehenden Expertise zu glänzen und zu zeigen, dass Rödl & Partner der passende Partner für die umfassende Beratung steuerlicher Anliegen und darüber hinaus ist. Ob Podcast mit Schwerpunkt auf Fachthemen oder Karriere: Die Präsenz namhafter Kanzleien in der Podcast-Landschaft, teilweise sogar mit mehreren Formaten, belegt das Potenzial und die Erfolgschancen des Formats in der Kommunikation von Kanzleien.
Vgl. Geoghegan et al. 2008, S. 25 f.
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Im Folgenden werden einige Folgen der Rödl & Partner-Steuerpodcasts „Tax Unplugged“ und „Tax It Simple“ dargestellt, die als Inspiration für Ihr Projekt herangenommen werden können: Tax Unplugged – Steuerberatung persönlich und humorvoll #1: „Einer für alle, alle für einen!“ – Der Chef stellt sich vor Dr. Hans Weggenmann leitet die Steuerberatung bei Rödl & Partner. Er und unser Gastgeber, Prof. Dr. Florian Haase, sprechen über die strukturelle Aufstellung unserer Steuerpraxis, die Vorzüge der interdisziplinären Beratung „aus einer Hand“ und den langen Weg vom Steuerfachangestellten bis zum Geschäftsführenden Partner. #3: Frauenpower in der Steuerstrukturberatung? Geht immer! Steuerstrukturberatung ist Männersache? Blödsinn! Dr. Isabel Bauernschmitt und Anna Luce beweisen stellvertretend für viele tolle Kolleginnen das Gegenteil. Unser Gastgeber, Prof. Dr. Florian Haase, und die beiden Gäste sprechen über (bei uns selbstverständliche) Frauen in leitenden Positionen, knifflige Beratungssituationen und den „weiblichen Beratungsansatz“. #17: Stars and Stripes – Introduction to our US Tax Practice Elisa Fay, based in Atlanta, leads the National Tax Office of Rödl & Partner in the United States. She talks with our host, Prof. Dr. Florian Haase, about our client base in the US, the tax services our nine US offices can offer, the main challenges of German enterprises when entering the US market and US tax policy issues. #19: Mist digitalisiert – digitalisierter Mist? Unser Leiter Digital Tax Transformation klärt auf Heiko Preisser leitet bei Rödl & Partner den Bereich Digital Tax Transformation. Steuerrecht und Digitalisierung gehen heute Hand in Hand, nicht nur auf Unternehmensebene, sondern auch in unserem Beratungsansatz. Gastgeber, Prof. Dr. Florian Haase, spricht mit ihm über die Herausforderungen für Unternehmen, Prozesskompetenz, als Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft, und wie wir unsere Mandanten auf dem Weg in das digitale Zeitalter begleiten. Tax It Simple – komplexe Steuerthemen gut erklärt #2: Rödl & Partner klärt auf – was die geplante globale Mindestbesteuerung für Unternehmen bedeutet Das internationale Steuerrecht steht aktuell im Fokus: Die weltweite Staatengemeinschaft verteilt die Besteuerungsrechte neu. Ein Teilaspekt dieses Vorhabens ist die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung; „Pillar 2“. Die Rödl & Partner-Steuerexpertin und -experten, Anna Luce, Prof. Dr. Roland Wacker und Heiko Preisser sprechen mit Prof. Dr. Florian Haase über den Umsetzungsstand, die technischen Schwierigkeiten, die Herausforderungen für Unternehmen und darüber, wie Rödl & Partner seinen Mandanten zur Seite stehen wird. #3: Steuern sparen bei der Nachfolgeplanung – erben oder schenken im internationalen Kontext Eine Erbschaft oder Schenkung aus dem Ausland kann teuer werden! Sobald es zu einer Übertragung von Auslandsimmobilien oder sonstigen Vermögensgegenständen im Ausland kommt, droht die Gefahr einer doppelten Besteuerung. Worauf unsere Mandanten grundsätzlich achten sollten und warum eine frühzeitige, sorgfältige Nachfolgeplanung Steuern sparen kann, darüber diskutieren Elke Volland aus Deutschland, Beatriz Junoy aus Spanien und Patrick Jurt aus der Schweiz mit Expertin und Moderatorin Katja Conradt.
Weitere Veröffentlichungen können auf www.roedl.de/steuerpodcast entdeckt werden.
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10.8 Das Fazit – aufwendig aber lohnend Die stetigen Veränderungen der heutigen Zeit, ob gesellschaftlich, digital oder (steuer-) rechtlich betrachtet, bringen neben der Herausforderung viele neue Chancen mit sich. Gerade in der internen und externen Kommunikation tun sich dabei neue Möglichkeiten und Räume zur Entfaltung auf. Für Kanzleien verhilft die Kreation eines hauseigenen Podcasts dazu, Mandanten und Interessierten einen fachlichen, gleichzeitig nahbaren und menschlichen Einblick in die Beratungspraxis einer Kanzlei zu gewähren. Themen wie neue Richtlinien, Vorschriften, Handlungsempfehlungen, aber auch Karrieremöglichkeiten und Werdegänge der Top-Berater holen viele Interessierte ab. Während sich die Themen im Berufsalltag wiederfinden und für Experten der Kanzlei souverän wiedergegeben werden können, ist die technische Umsetzung eines qualitativ hochwertigen Podcasts herausfordernd, aber mit einer konkreten Planung, dem richtigen Equipment und viel Mannschaftsgeist einfach zu realisieren. Mithilfe eines passenden und anschaulichen Online-Auftritts lassen sich die Früchte – wie Reichweite und eine gute Reputation der Kanzlei – schnell ernten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Implementierung und Verbreitung des Formats auf den Social Media Kanälen der Kanzlei. Der Prozess von der Idee bis hin zum Launch einer Podcast-Folge, vielmehr einer Podcast-Reihe, ist aufwendig und bedarf einer ausgiebigen Planung. Die nachhaltige Betreuung eines solchen Projekts zahlt sich aber aus und dient Kanzleien als wertstiftendes Kommunikationsinstrument.
10.9 Wegweiser – einen Podcast erstellen und vermarkten 10.9.1 Die Vorbereitung • Strukturiertes Konzept erstellen: Themenausrichtung, Ziele, Zielgruppe, Aufbau der Podcast-Folgen definieren • Themen an die Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen und auf Relevanz, Reichweitenpotenzial, Originalität und Serientauglichkeit prüfen • Potenzielle Gesprächspartner definieren • Potenzielle Folgen mit Thema, Titel und Veröffentlichungsdatum im Redaktionsplan verankern • Skripterstellung: Inhalte der Podcast-Folgen ausarbeiten • Technische Voraussetzungen schaffen: Leistungsstarkes Mikrofon und geräuschdämmende Kopfhörer, Ton- und Videoaufnahme-Anwendung oder -Plattform • Räumliche Voraussetzungen schaffen: Räume mit geringem Echo • Interviewpartner einladen und – falls nicht bestehend – technische und räumliche Vo raussetzungen schaffen • Voraussetzungen zur Nachbereitung schaffen: Schnittprogramm anhand gewünschter Professionalität auswählen • Voraussetzungen zur Veröffentlichung schaffen: Podcast-Hoster auswählen
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10.9.2 Die Aufnahme cc
Alle Teilnehmer sollten folgende Hinweise beachten: • Einen ruhigen Ort auswählen, sodass die Teilnehmer ungestört sind • Mithilfe des vorbereiteten Skripts souverän in das Gespräch eintauchen • Kurze, sinnvolle Sätze verfassen • Ruhig und deutlich sprechen • Im Falle eines Versprechers: Pause einlegen und Satz wiederholen • Einfach und verständlich erklären: Fachsprache auf das Geringste reduzieren • Film ab: Für Kopfkino sorgen, indem die Situationen bildhaft beschrieben werden • Distanz zum Mikrofon konstant während der ganzen Aufnahme einhalten • Störgeräusche während der Aufnahme vermeiden (z. B. Umblättern, Klopfgeräusche etc.)
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Tipps für Teilnehmer in der Rolle des Moderators: • Mit dem Gesprächspartner vor der Aufnahme warmreden – sorgt für einen angenehmen Gesprächsfluss • Die Experten stets mit ihren Namen ansprechen, damit die Zuhörer folgen können • Einfache, konkrete und teils auch humorvolle Fragen stellen • Offene Fragen stellen, keine geschlossenen Ja-Nein-Fragen • Ruhig und deutlich sprechen • Auf die Länge des Gesprächs achten • Kernbotschaften mehrmals ansprechen bzw. wiederholen • Flexibel und spontan für interessante Wendungen des Interviews sein
10.9.3 Die Nachbereitung und Vermarktung • Schnitt: Audiodateien optimieren und zusammenfügen; dabei Natürlichkeit und Authentizität bewahren • Podcast-Folgen akustisch untermalen: Musiklizenz beantragen • Texte, die mit der Veröffentlichung der Folgen einhergehen, verfassen: Beschreibungen des Podcasts und der Folgen auf den Streamingdiensten, der Unternehmenswebsite und in den sozialen Netzwerken • Podcast-Cover und Folgen-Cover ansehnlich und passend gestalten • Banner, Plakate und Flyer für die Podcast-Reihe erstellen • Podcast-Folgen mithilfe eines Podcast-Hosters auf allen gängigen Streamingdiensten wie z. B. Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, YouTube u. a. veröffentlichen • Podcast über die klassischen Kommunikationswege des Unternehmens (z. B. E-Mail, Website etc.) und in den sozialen Netzwerken vermarkten
10 Von der Idee zum Mehrwert – einen Corporate Podcast erstellen
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• Podcast crossmedial unter der Verwendung verschiedener Marketingelemente vermarkten • Mehrwert hinterfragen: Erfolgsmessung durch KPIs, Feedback einholen, Verbesserungspotenzial identifizieren
Literatur Behrens, Britta. 2021. B2B-Marketing in sozialen Business-Plattformen am Beispiel LinkedIn. In Praxiswissen Online-Marketing, 4. Aufl., 489-521. Wiesbaden: Springer. Geoghegan, Michael W., Greg Cangialosi, Ryan Irelan, et al. 2008. Podcast academy: The business podcasting book: Launching, marketing, and measuring your podcast. New York: Taylor & Francis. Hammerschmidt, Doris. 2022. Das Podcast-Buch: Strategie, Technik, Tipps mit Fokus auf Corporate Podcasts von Unternehmen & Organisationen. Freiburg: Haufe Lexware. Krugmann, Dennis, und Darius P. Pallus. 2008. Podcasting – Marketing für die Ohren: Mit Podcasts innovativ werben, die Marke stärken und Kunden rund um die Uhr erreichen. Wiesbaden: Gabler. Schreyer, Stephan. 2019. Podcasts in der Unternehmenskommunikation: Wie Sie mit strategischen Audioformaten Ihre Zielgruppe erreichen. Weinheim: Springer Gabler.
Rita Aouad studierte Rechts- und Kommunikationswissenschaft (LL.M. und M.A.). Sie arbeitet seit acht Jahren bei Rödl & Partner. Rita Aouad besitzt langjährige Erfahrung als Beraterin sowie Expertise zu den Themen Marketing und Vertrieb. Im Nürnberger Stammhaus von Rödl & Partner gründete sie 2018 das Business Development Team des Geschäftsfeldes Steuerberatung. Rita Aouad weist außerdem mehr als 10 Jahre Erfahrung in der Region des Nahen Ostens vor. Seit Mitte 2023 ist sie als COO für die Rödl & Partner Niederlassungen der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien tätig. Ihr strategischer Fokus liegt dabei auf dem Erhalt und dem Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit, wobei das Herzstück ihrer Arbeit stets der Mandant ist. Diesem steht Rita Aouad im gesamten Nahen Osten – mit seiner besonderen kulturellen Dynamik und seinen eigenen Vorschriften – beratend zur Seite. Julia Hoh ist Betriebswirtin (B.A.) und bei Rödl & Partner als Business Development Managerin im Geschäftsfeld Steuerberatung tätig. Während ihres Studiums eignete sie sich schwerpunktmäßig Wissen in den Bereichen Marketing und Sales, Personalwirtschaft sowie Organisation und Wirtschaftsinformatik an. Mit ihrer Expertise begleitet sie seit 2019 Kolleginnen und Kollegen bei der Planung, Gestaltung und Ausführung von internen und externen Informations- und Kommunikationsaktivitäten sowie beim Vertriebs- und Angebotsmanagement.
ESG-Marketing in Wirtschaftskanzleien Essentielle Do’s und Dont’s
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11.1 Einleitung ESG ist das Thema der Stunde. Kaum ein Unternehmen, kaum eine Wirtschaftskanzlei, die sich nicht proaktiv zu und über ESG-Themen positioniert.1 Dazu gibt es zahlreiche gute Gründe. Wirtschaftskanzleien positionieren sich zu ESG sowohl als Teil ihrer Geschäftsentwicklung („BD“), um sich als Trusted Advisor für das relativ neue,2 damit verknüpfte massive Beratungsvolumen in Stellung zu bringen, als auch in ihrem Employer Branding, denn ESG wird als Auswahlkriterium gesehen, insbesondere von jüngeren Bewerbern.3 Der interne sowie externe Druck von Investoren, Banken, Geschäftspartnern und weiteren Stakeholdern steigt, einen Beitrag zu ESG zu leisten und das zu zeigen. Ferner möchte man als Dienstleister in der Wertschöpfungskette von Unternehmen seinen Mandanten demonstrieren, dass man ESG-Kriterien professionell ins eigene Wirtschaften
„ESG-Themen“ sind hier synonym zu „Nachhaltigkeit“, „CSR“, „CR“ und (Corporate) Sustainability zu verstehen, da sie jeweils dieselben Themen aus anderen Perspektiven zum Inhalt haben sowie aus Marketingperspektive dieselben Problem- und Spannungsfelder. 2 Es ist festzuhalten, dass ESG kein neues Thema ist, allerdings aufgrund seiner Verrechtlichung von Kanzleien, Wirtschaftsprüfern und/oder Inhouse-Juristen oftmals als solches wahrgenommen wird. 3 Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
D. Fromm (*) Berlin, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_11
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integriert und kein ESG-Risiko für sie darstellt.4 Wenig überraschend, dass ESG fürs Kanzleimarketing zu einem zentralen Thema geworden ist. Durch diese Konstellation bringt ESG eine Reihe spezifischer Herausforderungen für Wirtschaftskanzleien mit sich, die Konsequenzen für die Vermarktung und Kommunikation haben. Anders als bei „großen“, abteilungs- und praxisübergreifenden Vermarktungsthemen der jüngeren Vergangenheit wie Digitalisierung, Globalisierung oder COVID • hat ESG zwei Seiten: zum einen Ihre internen Maßnahmen zu ESG, zum anderen die Beratung der Mandanten zu ESG;5 • ist ESG ein hochemotionales Thema, intern wie extern; • steckt hinter dem Schlagwort ESG, entgegen des Mainstream-Glaubens in Wirtschaftskanzleien, ein feststehendes, ausgefeiltes, hochprofessionelles Konzept der Unternehmensentwicklung; • besteht im Kontext ESG die Gefahr des Green-, Pink- oder Bluewashings, in Verbindung mit potenziellen Reputationsschäden; • agieren Wirtschaftskanzleien als „Anwälte der Wirtschaft“ im Bereich ESG aus einer Position der Minusglaubwürdigkeit; • hat die Außenkommunikation zu ESG aufgrund der zunehmenden Regulierung des Themas rechtliche Implikationen; • ist ESG kein marketingdominiertes Thema mehr, sondern ein Thema der Unternehmensentwicklung; • besteht intern sowie ebenfalls auf Mandantenseite teils ein ausgeprägter „kultureller Widerstand“ und eine ablehnende Haltung;6 • existiert bislang in der Breite wenig Fachwissen oder professionelles Verständnis zum Thema, aber teils stark ausgeprägte Meinungen • hat ESG eine direkte Verbindung/einen besonderen Hebel zur Reputation und Brand der Kanzlei. Die Mischung dieser Faktoren schafft ein einzigartiges Spannungsfeld. Rund um Ihr ESG-Marketing sind daher zahlreiche Spezifika zu beachten. Die zentralen Punkte sind im Folgenden in Verbindung mit Praxistipps zusammengefasst und ausgeführt. Die Praxistipps unterscheiden dabei zwischen a.) der Vermarktung Ihrer eigenen ESG-Aktivitäten; b.) Do’s und Don’ts zur Positionierung Ihrer Beratung zu ESG; c.) für beide Bereiche geltenden Punkten. Die Tatsache, dass bei vielen Stakeholdern in Wirtschaftskanzleien über diese Faktoren hinaus auch ein „ethischer“ Anspruch bzw. eine Überzeugung besteht, einen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaften leisten zu wollen, wird aufgrund fehlender Überprüfbarkeit hier nicht Rechnung getragen. 5 Hieran orientieren sich die in der Folge dieses Kapitels aufgeführten Praxistipps. 6 Der „kulturelle Widerstand“ bzw. die ablehnende Haltung fußt oftmals auf einem medial-geprägten Verständnis von ESG, das fachlichen Grundlagen entbehrt. 4
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11.2 Praxistipps zur Vermarktung Ihrer eigenen ESG-Maßnahmen 11.2.1 Der Content Hub „Wesentlichkeitsanalyse“ – fokussieren Sie sich auf Ihre wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen ESG umfasst ein Sammelsurium an Themen, die sich über Umwelt- und Klimaschutz, Arbeitspraktiken, Einkauf und Beschaffung sowie Corporate Governance erstrecken. Es mag verführerisch sein und Druck bestehen, sämtliche ESG-Themen und Unterthemen in Ihrer Vermarktung fortlaufend zu kommunizieren. Professionell ist dies nicht, da es dem Grundgedanken von ESG widerspricht: tun, was man in Ihrem Business tatsächlich zu Nachhaltigkeit beitragen kann, muss und möchte. Sie müssen folglich Themen priorisieren, die Sie in der ESG-Vermarktung aufgreifen. Wie ist eine Auswahl zu treffen? Die Antwort hierauf ist simpel: Marketingmaßnahmen zu ESG sollten sich an den für die Kanzlei wesentlichen Themen orientieren, die bestenfalls auf Grundlage einer Wesentlichkeitsanalyse identifiziert wurden.7 Das hat mehrere Gründe und Vorteile. Die Wesentlichkeitsanalyse8 ist das zentrale Instrument aus dem Nachhaltigkeitsmanagement, durch die die ESG-Themen für die Unternehmensentwicklung ausgewählt werden, über die man den größten positiven und negativen Impact hat. Die Ergebnisse variieren nach Branche, Geschäftszweck, Region und Unternehmensgröße. In jedem Fall sind die Ergebnisse abteilungsübergreifender Ausgangspunkt und Richtschnur für sämtliche ESG-Maßnahmen im Unternehmen, von Policies und Endorsements, über Zertifizierungen bis hin zur Berichterstattung. Die Wesentlichkeitsanalyse ist der Content-Hub für eine strategische Priorisierung der zahlreichen ESG-Themen in der Unternehmensentwicklung.9 Fachkreise, ESG-Rating-Agencies, der Gesetzgeber und Aktivisten akzeptieren die Methode gleichermaßen bzw. setzen sie für jegliches, ernst gemeintes ESG- Engagement voraus. Der Rückgriff auf sie ist der erste Schritt, Greenwashing zu vermeiden bzw. die Greenwashing-Risiken zu minimieren, die bei der ESG-Vermarktung stets eine Rolle spielen.
Obwohl Fachleute sämtlichen Unternehmen ohne Wesentlichkeitsanalyse ein ernst gemeintes Engagement bzgl. ESG absprechen und durch die CSRD hierzu bald gesetzlicher Druck bestehen wird, haben in der Praxis, Stand 2023, nur sehr wenige Kanzleien in Deutschland eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt. Sollte dies bei Ihnen der Fall sein, „überschlagen“ Sie diese – fragen Sie sich, welche der hunderten ESG-Themen und Unterthemen, die Sie bspw. in den GRI-Standards, DNK oder den ISO26000 finden, in Ihrer Kanzlei die wesentlichen sein könnten. 8 Aus der Finanzberichterstattung stammend, wurde das Konzept der Wesentlichkeitsanalyse fürs Nachhaltigkeitsmanagement und die ESG-Compliance aufgegriffen und erweitert. Die Details aufzuführen sprengt den Rahmen und die Zielrichtung dieses Kapitels. 9 Sofern korrekt im Einklang mit maßgeblichen Standards wie bspw. ESRS oder GRI durchgeführt, dokumentiert und angenommen. 7
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Ferner hat es für Marketingeinheiten von Wirtschaftskanzleien handfeste operative Vorteile, sich streng an den Themen der Wesentlichkeitsanalyse zu orientieren • die hierüber identifizierten Themen können direkt als Gerüst für die Entwicklung von Kampagnen und Narrativen dienen; • Einzelmeinungen wird vorgebeugt; • Wildwuchs wird vermieden, Marketingressourcen effektiv eingesetzt; • ESG-Maßnahmen/Maßnahmen des Nachhaltigkeitsmanagements Ihrer Kanzlei orientieren sich an der Wesentlichkeitsanalyse, sodass „automatisch“ Content generiert wird, den Sie vermarkten können. Fragen Sie sich daher vor jeder Marketingmaßnahme im Kontext ESG: betrifft die Thematik ein für uns wesentliches Thema? Ist die Thematik ein Ergebnis unserer Wesentlichkeitsanalyse? Wenn ja, Feuer frei. Sofern nicht, vermarkten Sie das Thema gerne, aber nicht unter dem Banner ESG/Nachhaltigkeit.
11.2.2 Agenda Surfing mit Bedacht – vermeiden Sie Greenlabelling Der Druck auf Wirtschaftskanzleien, „etwas zu ESG zu machen“, wird an die Marketingabteilungen weitergegeben. Erwartungshaltung und Handlungsdruck sind hoch. Das Thema wird inhaltlich unterschätzt. Schnell wird etwas aus dem Ärmel gezaubert, schnell wird auf Trends aufgesprungen, um Grundrauschen zum Thema zu schaffen. Schnellschüsse und die damit oftmals einhergehende Orientierung an scheinbaren Plausibilitäten können für Ihre Positionierung schnell nach hinten losgehen. Nachdem es bspw. en vogue war Net-Zero-Committments zu verkünden oder stolz über Aufforstungsprojekte zu berichten und zahlreiche Unternehmen wie Wirtschaftskanzleien gleichermaßen aktionistisch auf diesen Zug aufgesprungen sind, folgt nun der große Katzenjammer. Derartiges wird derzeit von Wissenschaft und Presse zerrissen. Jenseits der Tatsache, dass der Carbon Footprint für viele Unternehmen kein wesentliches Thema ist, mit dem sie einen Impact hätten (!) und die Vermarktung aus diesem Gesichtspunkt heraus schon kritisch ist (siehe oben), wurde realisiert und öffentlich bekannt • dass die Net-Zero-Versprechen in der abgegebenen Form unrealistisch sind und keinerlei tatsächlichen positiven Impact aufs Klima haben, da sie nahezu ausschließlich auf Kompensationsmaßnahmen fußen; • Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstungsprogramme zwar im Emissionshandel Vorteile bringen und „Industriestandard“ sein mögen, sie de facto aber nur einen winzigen, zu vernachlässigenden Beitrag zur Erreichung zum 1,5-Grad-Ziel leisten; • es ferner der Welt nicht genug Kompensationsmaßnahmen (bspw. aufzuforstende Flächen) geben kann, um den Bedarf aller Unternehmen zu bedienen.
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Wer unbedacht Net-Zero-Versprechen und vergleichbare Commitments abgegeben hat, beispielsweise wenn kürzlich die UN-Klimakonferenz stattgefunden hat, um hierüber Traffic zu generieren, hat sich in den Augen derer, die sich für das Thema interessieren und hinschauen, was eine Kanzlei im Bereich ESG tut (das sind von Auditoren über Mandanten bis hin zu Mitarbeitern und Bewerbern nicht wenige), schnell diskreditiert und die „Minusglaubwürdigkeit“ verstärkt, die Wirtschaftsanwälten in der öffentlichen Wahrnehmung zu ESG anhaftet. Minusglaubwürdigkeit für den Preis von Traffic kann in einem Business, in dem es sehr um Vertrauen und Kompetenz geht, nicht die Intention der Vermarktung sein. ESG-Fachleuten war dies bereits bekannt, bevor die Erkenntnis durch die Presse ging. „Freikaufen“ und „Freisprache“ funktioniert nicht. ESG-Standards folgen dem Grundsatz „Prävention“ bzw. „Reduktion“ statt „Kompensation“. Prävention und Reduktion sind aufwendiger und teurer. Es lässt sich nicht von heute auf morgen umzusetzen bzw. bietet keinen direkten Content zur Vermarktung, hat aber einen Impact. Kompensation ist schnell gemacht, hat aber allenfalls einen symbolischen Wert statt einen Impact. Man bezeichnet den aktionistischen Rückgriff auf Themen ohne Impact, um sich nachhaltig darzustellen als Greenlabelling. Greenlabelling ist eine Variante von Greenwa shing, bei der beim genaueren Hinschauen weder Impact noch Bezug zum Vermarktungsgegenstand vorhanden ist. Ungeachtet solcher Fakten Marketing zu ESG zu betreiben, kann zu Kopfschütteln der Belegschaft führen, spöttischen Kommentaren auf dem Bewerbermarkt und die Glaubwürdigkeit ihrer Value Proposition zu ESG in der Beratung unterhöhlen. Nehmen Sie sich daher Zeit. Fragen Sie sich im Rahmen Ihres Agenda Surfings nicht nur, wie weit und zu welchen Themen (–> Wesentlichkeitsanalyse) Sie sich vielleicht aus dem Fenster lehnen möchten, oder ob Sie statt Commitments lieber mit deskriptiveren Texten arbeiten, sondern klären Sie ebenfalls ab, ob es aus ESG-fachlicher Sicht kritische Punkte an Ihrer Message geben könnte, die Ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen könnten. Ferner ist zu empfehlen, sich bzgl. ESG mehr an einem sorgfältig vorbereiteten Kommunikationsplan zu orientieren, mehr Kampagnen und weniger Agenda Surfing zu betreiben. ESG ist alles aber kein kurzfristiges Thema.
11.2.3 Nicht alles unter ESG framen – zeigen Sie Trennschärfe Wie viele andere Unternehmen auch, haben Wirtschaftskanzleien karitative Aktivitäten sowie soziales und gesellschaftliches Engagement bereits lange vorm Aufkommen von ESG vorweisen können und aktiv vermarktet. Auf diese Aktivitäten wurde und wird heute gerne als Content für die ESG-Vermarktung zurückgegriffen. Die hiermit verbundenen Aktivitäten werden „re-framed“ und nun unter dem ESG-Banner beworben, da „es bei ESG ja auch ums Soziale geht“ oder aus anderen, oberflächlichen Betrachtungen heraus, die jeglicher ESG-fachlicher Grundlage entbehren.
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Nicht alles, was Sie „Gutes tun“, freiwillig für Ihre Mitarbeiter an Benefits bieten oder im Employer Branding machen, muss etwas mit Ihrer Vermarktung zu ESG zu tun haben. Ungeachtet der Wichtigkeit des Themas, müssen nicht alle Marketinginitiativen Ihrer Kanzlei krampfhaft einen Bezug zu ESG herstellen. Seien Sie mutig, Trennschärfe walten zu lassen – mit Hilfe Ihrer Wesentlichkeitsanalyse, die den Rahmen vorgibt, welche Themen Teil Ihrer ESG-Vermarktung und Ihres ESG-Kommunikationsplans sind und welche nicht. Was nicht Teil hiervon ist, wird unter anderen Narrativen vermarktet. Denn es mag darüber hinaus nach wie vor sehr gute Gründe geben, beispielsweise eine freiwillige Aufräumaktion Ihrer Mitarbeiter oder Ihre Sponsorings von gemeinnützigen Vereinen im Rahmen der Corporate Citizenship zu vermarkten. Derartiges unter Ihrem ESG-Narrativ zu subsumieren bzw. als ESG zu verkaufen (was lange der Marktstandard war), steht allerdings nicht im Einklang mit ESG-Kriterien. ESG ist etwas anderes. Diese Erkenntnis wird mehr und mehr allgemeingängig. Hat es ferner einen Mehrwert für Ihre Marktpositionierung, derartiges unter ESG zu framen? Grob zusammengefasst, geht bei ESG nur um eine einzige Sache: einen fundierten Beitrag zu nachhaltigerem Wirtschaften im Rahmen Ihres Geschäftszwecks zu leisten, so wie es in den maßgeblichen Standards oder über die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen definiert ist. Fragen Sie sich, ob Ihr soziales Engagement dies leistet. Trägt das Sponsoring eines Kunstvereins zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bei? Wenn ja, in welcher Form? Würde dieser Beitrag von ESG-Standards wie den ISO26000, GRI, ESRS oder DNK oder von einem ESG-Auditor als Maßnahme Punkte für Sie geben?
11.2.4 Schulen Sie sich und Ihre Corporate Influencer Die vorgenannten Punkte verdeutlichen, dass Sie bzw. Ihre Marketing-Mitarbeiter nicht darum herumkommen werden, fachliches Grundlagenwissen zu ESG aufzubauen, das sich nicht durch die gelegentliche Lektüre von Presseartikeln zum Thema ersetzen lässt. ESG ist mehr als „irgendwas mit Klima und Umwelt“. Sie müssen verstehen, was ESG ist und was nicht. Sie müssen in die Lage versetzt sein, zu entscheiden und zu begründen, warum ein ESG-Thema wie vermarktet werden kann und sollte und wie und warum nicht. Investieren Sie in Capacity Building. ESG ist ein derart sensibles, umkämpftes und langfristiges Feld, dass sich dieses Capacity Building auszahlen wird. Das Capacity Building zu ESG ist darüber hinaus für Sie wichtig, da Wirtschaftskanzleien in der Regel zu den Unternehmen zählen, bei denen nicht nur Themen, sondern Personen vermarktet werden und Partner sowie Mitarbeiter angeregt werden, ihre persönlichen Social Media-Kanäle für die Positionierung zu Themen einzusetzen. Sie sind in diesem Sinne „Corporate Influencer“. Überlegen Sie sich daher, wie und über welche Kanäle Sie Ihre Corporate Influencer zu ESG fachlich schulen und sensibilisieren wollen, um das Risiko zu minimieren, astreine Kanzleikanäle zu haben, die Online-Vermarktung über die persönlichen Accounts Ihrer Partner und Mitarbeiter dieser aber zuwiderläuft und somit die Marketinginitiativen Ihrer Kanzlei zu ESG weniger glaubhaft erscheinen lässt.
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11.2.5 Zwischen Berichterstattung und Vermarktung differenzieren ESG zwingt Unternehmen und Wirtschaftskanzleien neue Transparenzkriterien auf. Um den Druck zu erhöhen und ESG zu einem Vergleichbarkeit-schaffenden Performance- Kriterium zu erheben, wurden Berichterstattungspflichten eingeführt10 (die zuvor von ESG-Standards bereits ebenfalls verlangt wurden). Dies bedeutet, dass Nachhaltigkeitsberichte erstellt und veröffentlicht werden müssen, die Ihre ESG-Performance darstellen, selbst wenn sie nicht sonderlich gut ist. Hieran müssen sich insbesondere viele Wirtschaftskanzleien erst gewöhnen, da man traditionell zumeist nur recht wenig bzw. auf eine bestimmte Weise zu internen Entwicklungen öffentlich kommuniziert und in der Vergangenheit keine Jahresberichte veröffentlicht hat. Marketingverantwortliche werden in der Regel (und sollten dies auch) in die Berichterstellung eingebunden, wenn der Inhalt des Berichts fertig ist und die Inhalte lesbar aufbereitet werden müssen. Ist es so weit, unterscheiden Sie unbedingt zwischen Ihrer ESG-/ Nachhaltigkeitsberichterstattung und Ihren ESG-Vermarktungsinitiativen. Nachhaltigkeitsberichte müssen im Kern handfeste Fakten Ihrer Entwicklung in Sachen ESG enthalten, bestenfalls mit Kennzahlen und KPIs. Sie müssen zeigen was ist und sachlich gehalten werden. Selbstverständlich besteht Spielraum, wie Sie ein Thema aufarbeiten und darstellen. Die Greenwashing- oder hier insbesondere Greenhushing (Auslassen von kritischen ESG-Themen und/oder Themen, bei denen schlecht performt wurde) -Gefahr ist allerdings immanent. Die Inhalte des Berichts können, müssen aber nicht aktiv vermarktet werden. Es mag Gründe dafür und dagegen geben, eine Social Media-Kampagne zu Ihrem Nachhaltigkeitsbericht zu starten, wenn dies zu Ihrer ESG-Positionierung passt (die nicht zwangsläufig den Status Quo zum Kern hat, sondern möglicherweise eher zukunftsgerichtet ist). Diese Entscheidung müssen Sie treffen. Ihre einzige Pflicht ist, den Nachhaltigkeitsbericht öffentlich zugänglich zu machen und keine Messages in Ihrer Vermarktung zu verbreiten, die den KPI oder im Nachhaltigkeitsbericht beschriebenen Entwicklungen widersprechen. Beispiele hierfür sind • Ihre Diversity KPIs sind schlecht; Ihre HR-Abteilung möchte aber in den Employer- Branding-Unterlagen Ihre Kanzlei als Marktführer in Sachen Diversity darstellen; • Ihre ESG-Performance wird nicht von einem unabhängigen Dritten (bspw. ESG Auditor) bewertet, dennoch möchte sich Ihr Board als führende Kanzlei zu ESG darstellen; Daher sollte jeder, der mit ESG-Vermarktung bei Ihnen zu tun hat, den Bericht kennen und gelesen haben.
Mit der CSRD wird diese Berichterstattung Schritt für Schritt für Unternehmen verschiedener Größe verpflichtend. 10
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11.2.6 Gewichten Sie fürs Branding Es ist in der ESG-Vermarktung eine gewisse Monotonie zu beobachten. Teil dieser Monotonie ist die inflationäre Hervorhebung „seichter“ Themen wie Jobräder oder anderer, kleinerer individueller Mitarbeiter-Engagements, die derzeit zu beobachten ist. „Low Hanging Fruits“ werden diese Maßnahmen in der Unternehmensentwicklung genannt. ESG besteht aus mehr als Low Hanging Fruits und vielen kleinen Maßnahmen, die zum großen Ganzen beitragen. ESG hat zum Kern, Lieferketten, Produktauswahl, Produktion, Geschäftspartnerbeziehungen oder Arbeitsbedingungen anhand von Nachhaltigkeitskriterien umzugestalten. ESG sind im Kern große, komplexe Transformationsprojekte immanent. Überlegen Sie sich daher, was der Rede wert ist, sprich wie intensiv Sie welches ESG- Thema in ihrer Vermarktung gewichten. Wollen Sie als die Kanzlei wahrgenommen werden, die nun auch Jobräder einführt und dies mit allen Mitteln der Kunst ausschlachten? Oder heben Sie sich das auf, bis ein großes Transformationsprojekt realisiert wurde (bspw. Zielvorgaben für Pro Bono-Beratung, Boni an die Erfüllung von ESG-Zielen geknüpft etc.). Diese Entscheidung obliegt Ihnen. Sie spiegelt wider, welchen Stellenwert ESG für Ihre Brand am Ende des Tages haben soll und welchen Anspruch Sie zu ESG nach außen transportieren.
11.3 Ihre Positionierung am Markt als ESG-Berater 11.3.1 Leitplanken für Ihre Positionierungsschwerpunkte entwickeln ESG ist ein Sammelbegriff für dutzende Themen und Unterthemen, die auf nachhaltiges Wirtschaften einzahlen. Die denkbaren Beratungsansätze sowie Zielgruppen sind dementsprechend vielfältig. Überlegen Sie sich, wofür Sie in diesem Sammelsurium stehen und wahrgenommen werden wollen: Als Generalist, der die Umsetzung der gesetzlichen ESG-Pflichten vollumfänglich begleitet? Als Spezialist, der in einzelnen, bestimmten Teilgebieten zu ESG einen Mehrwert bietet? Als Berater, der ESG rechtlich, betriebswirtschaftlich, organisatorisch in ein Unternehmen bringt? Als Berater, der über gesetzliche Pflichten hinaus die nachhaltige Transformation eines Unternehmens begleitet? Als strategischer Berater, als fachlicher Berater oder als Beides? Als Berater, der Schlupflöcher in der ESG-Regulatorik identifiziert? etc. Die Marktpositionierung als Berater für ESG bietet bei der Themenauswahl mehr Spielraum als die Vermarktung Ihrer eigenen ESG-Maßnahmen (–> Wesentlichkeitsanalyse).
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Die Auswahl ist individuell und sollte nahtlos mit dem dahinterstehenden Business Case/ Businessplan verbunden sein. Ist sie getroffen, sollte die Vermarktung hierauf einzahlen, auf individueller Partnerebene, auf Praxisebene oder auf Ebene der Gesamtkanzlei.
11.3.2 Zielgruppen anpassen ESG kennt nicht nur eine relevante Zielgruppe. Aufgrund der Tatsache, dass ESG aus verschiedensten Themen und Unterthemen besteht, deren verbindendes Element ihre Ausgestaltung für ein nachhaltigeres Wirtschaften ist, muss genau geschaut werden, zu welchem Aspekt von ESG man sich am Markt positionieren möchte, sodass die Zielgruppe bestimmt werden kann. Die Einbringung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Arbeitsbedingungen eines Unternehmens ist bspw. ein Thema, dass im Bereich People & Organisation/HR verortet ist. Die für diese Zielgruppe relevanten ESG-Themen sind andere als für den Einkauf, der in seiner Zuliefererkette auf die Einhaltung von ESG-Standards pochen muss. Sind beide dieser beispielhaft genannten ESG-Zielgruppen (es gibt noch zahlreiche weitere) relevant, muss Ihre Kampagne versuchen, die entsprechenden Präferenzen beider Gruppen zu bedienen. Seien Sie sich dessen bewusst. Ferner ist ESG in Unternehmen an unterschiedlichsten Stellen federführend angedockt – die Spanne reicht von CSR-Abteilungen über Compliance, Legal, Marketing, Geschäftsführung, Controlling und viele mehr. Gleich, in welcher Abteilung es verortet ist, ist das Thema federführend nicht zwangsläufig bei einer Leitungsfunktion verankert. Seien Sie dementsprechend nicht zu penibel bei der Zielgruppenauswahl, stellen Sie aber insbesondere sicher, dass die Kategorie von Unternehmen angesprochen wird, bei der Sie mit Ihrem Schwerpunkt landen möchten.
11.3.3 ESG Narrative: Kante zeigen oder mit dem Wind segeln ESG ist für viele Unternehmen ein Reizthema. Obwohl in den Aussagen vieler Berater mit Chancen verbunden, aufgrund endlicher Ressourcen unausweichlich und „von der Idee her grundsätzlich richtig“, ist ESG de facto ein enormer betriebswirtschaftlicher Kostenposten. Die Chancen für das einzelne Unternehmen stehen oft in keinerlei Verhältnis zu den Kosten, dem Aufwand und den Risiken, die eine Transformation in ein nachhaltiges Unternehmen mit sich bringt. Es ist verständlich, dass sich die Begeisterung vieler Unternehmen für ESG daher in Grenzen hält. Verstärkt wird dies durch eine mediale Begleitung der Thematik, die auf beiden Seiten des Spektrums derzeit reißerisch, emotionalisiert, destruktiv und aktivistisch statt rational-sachlich-lösungsorientiert agiert. Überlegen Sie daher gut, wie Sie sich am Markt und innerhalb Ihrer Zielgruppen positionieren möchten, in denen ebenfalls viele Skeptiker und Kritiker zu ESG sein dürften.
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Wollen Sie für ESG begeistern? Wollen Sie über Ihre Überzeugung zu ESG Glaubwürdigkeit und Vertrauen demonstrieren? Wollen Sie das Thema nutzen, um Ihr Profil zu schärfen? Oder ist es geschickter, für Ihre Zielgruppen einen Narrativ zu finden, der beispielsweise Sachkompetenz in ein Dickicht bringt?
11.3.4 Content schlägt Werte ESG ist ein Themenfeld, das oft in Verbindung mit Unternehmenswerten und Unternehmensethik wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung ist nur bedingt korrekt und hilfreich für die ESG-Vermarktung, da sie die fachlichen Grundlagen von ESG außer Acht lässt und den Fokus verschiebt. Nichtsdestotrotz existiert sie. Blickt man auf die Marketingmaßnahmen vieler Wirtschaftskanzleien sowie deren Mitarbeiter und Partner sieht man, dass ESG-Themen ebenfalls sehr schnell bewertet werden. ESG wird als Wertethema geframed, als ein ethisches Thema, bei dem es auf die persönliche Bewertung und Einschätzung ankommt. Das stammt aus einer Zeit, in der ESG auf Freiwilligkeit basierte und eine CSRD, ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder ein European Green Deal als Ausdruck der Verrechtlichung von ESG undenkbar waren. Heute ist ESG ein handfestes Compliance-Thema. Wertungen sind daher nur eine Seite der Medaille. Bewertungen von ESG-Themen können in der Vermarktung Akzente setzen, Persönlichkeit demonstrieren und „Gesicht“ zeigen. Sie können schnell eingebracht werden, um fehlenden Content zu überbrücken. Ferner können sie Türöffner für Gespräche zum Thema sein. Content ersetzen sie nicht. Es besteht derzeit kein Mangel an Meinungen und persönlichen Sichtweisen auf ESG. Ein Mangel besteht an Klarheit, wie das Thema ESG zu meistern ist. Ihre Zielgruppen brauchen Lösungen, keine Bewertungen. Content ist daher King, auch, oder insbesondere im Bereich ESG. Achten Sie daher darauf, dass das Verhältnis von Bewertungen und Content im richtigen Verhältnis steht.
11.3.5 Suchen Sie keine „Best in Class“. Bleiben Sie fachlich sauber Bedenken Sie: ESG ist ein relativ neues Geschäftsfeld, bei dem alle Unternehmen und Kanzleien von „Null“ starten. Die Spreu vom Weizen wurde noch nicht getrennt. Daher mag es keine sinnvolle Idee sein, Inspiration bei den namhaften Kanzleien, Wirtschaftsprüfern oder Konzernen zu suchen, sondern eigene Wege zu gehen. Analysiert man die derzeitigen Positionierungskampagnen von Wirtschaftskanzleien sowie ihre vielen einzelnen Marketingmaßnahmen zum Thema aus ESG-fachlicher Sicht, kommt man zum Ergebnis, dass sowohl in ihrem Content als auch in ihren Statements erhebliche inhaltliche Mängel und Qualitätsdefizite offensichtlich werden. Damit stehen Wirtschaftskanzleien nicht alleine da – namhafte Marken und Konzerne stehen zuhauf hierfür in der Kritik. Legen Sie daher mehr Augenmerk auf die Gestaltung und fachliche Prüfung ihrer Inhalte. Insbesondere, wenn Sie für Qualität stehen möchten.
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11.4 Die Vermarktung Ihrer eigenen ESG-Aktivitäten und die Positionierung am Markt als ESG-Berater 11.4.1 ESG Storytelling statt Prognosen, Aufbauschen und Verabsolutierungen ESG ist noch nicht allzu lange in der Wirtschaft angekommen. Unternehmen haben gerade erst begonnen, „echtes“ ESG jenseits von Wischi-Waschi aufzugreifen und anzugehen. Es existieren im Vergleich mit anderen Beratungsfeldern von Wirtschaftskanzleien noch verhältnismäßig wenige Praxiserfahrunge, Content ebenfalls. Die Herausforderungen sind groß und umfangreich, die Lernkurve ist steil. Dies schafft ein ideales Umfeld, auf die Technik des Storytellings zurückzugreifen und sich den „Work-in-Progress“ zu Nutze zu machen. Storytelling im Bereich ESG will allerdings geübt sein, insbesondere, wenn der schmale Grat aus Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Vertrauen und Authentizität nicht verlassen werden darf, der impliziter Kern Ihrer vermarkteten Value Proposition sein sollte. Es ist nicht verkehrt, Bestrebungen zu vermarkten, seinen eigenen Carbon Footprint zu reduzieren. Ob man Prognosen abgibt, bis wann man dies bezügliche Ziele erreicht haben will und sich darüber ein nachhaltiges Image verleiht, obwohl man noch fast ein Jahrzehnt davon entfernt ist, ist hingegen gut zu überlegen. Oder dahin gehende persönliche Einschätzungen Ihrer Berater anzufeaturen. Prognosen in einem Feld wie ESG, in dem der Impact trotz Ihrer Bemühungen kaum prognostiziert werden kann, sind schwierig. Ebenfalls kritisch zu sehen sind Verabsolutierungen in Ihren Marketing-Texten zu ESG. Ist es wirklich glaubhaft, dass Ihr größter Wunsch ist, einen Beitrag zu Nachhaltigkeit zu leisten? Oder ist die Ambition, hierüber Fee Income zu generieren ebenso ausgeprägt? Die Empfehlung lautet daher klar, im ESG-Marketing auf Prognosen und verabsolutierende Sprache zu verzichten.
11.4.2 Bedeutungs- und Begriffsvermengungen vermeiden Es ist paradox: in Schriftsätzen werden Begriffe abgewogen und mit Bedacht verwendet, für Social Media Posts von Wirtschaftskanzleien werden nicht selten „bis aufs Blut“ Diskussionen um Begrifflichkeiten geführt, während bei ESG in der Praxis leichtfertig mit Begriffen und Bedeutungen aus dem Begriffsfeld jongliert wird.11 Die korrekte Bedeutungs- und Begriffsverwendung sowie Kontextualisierung ist ein grundlegendes Qualitätsmerkmal Ihres ESG-Marketings. Sie muss sich von u. a. Website-Texten über Broschüren, Pitch-Dokumente, Social-Media-Kampagnen bis hin Dies mag damit zusammenhängen, dass ESG fälschlicherweise anwaltsseitig als nicht feststehendes Begriffsfeld betrachtet wird, da gesetzliche Definitionen zu ESG bzw. ESG-Themen bislang nur rudimentär vorhanden sind. Das Recht hinkt dahingehend allerdings der Realität hinterher. Es gibt internationale Goldstandards wie ESRS, GRI, DNK oder die ISO26000, an denen sich ESG-Audits, der Gesetzgeber und das Nachhaltigkeitsmanagement orientiert. 11
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ins Employer Branding-Material ziehen. Dies zu beherzigen, reduziert Angriffsfläche. Außerdem demonstrieren Sie auf diese Weise, dass Sie das Thema verstanden und durchdrungen haben, was insbesondere, wenn Sie zu ESG-Themen beraten, ein Anliegen sein sollte. Ihre Marketingverantwortlichen müssen daher mehr Zeit in die korrekte Bedeutungs- und Begriffsverwendung und Kontextualisierung verwenden als möglicherweise bei anderen Themen. Aber es lohnt sich. Fragen Sie sich daher vor jeder Marketingmaßnahme im Kontext ESG: widerspricht meine Begriffsverwendung und Themendarstellung den maßgeblichen professionellen ESG-Standards, wie bspw. den ISO26000, DNK oder GRI? Beispiele hierfür sind • „Nachhaltigkeit“ und „nachhaltig“ werden gerne als Synonyme für „langfristige wirtschaftliche Orientierung“ oder „langfristig“ verwendet. Obwohl umgangssprachlich gängig, ist nachhaltig im Zusammenhang mit ESG, CSR etc. kein Synonym zu langfristig. [auch nicht nachhaltige Geschäftsfelder können langfristig wirtschaftlich sehr erfolgreich sein. Langfristig orientierte, betriebswirtschaftliche Maßnahmen haben nicht automatisch einen ESG-Bezug]. • Die Fokussierung auf relative Begriffe wie „Fairness“, „Verantwortung“ oder „Ethik“. • Die Vermengung von Digitalisierungsthemen und ESG oder New Work und ESG. • Die Gleichsetzung von „Corporate Citizenship“-Maßnahmen mit ESG-Maßnahmen [ESG-Maßnahmen berühren wesentliche Themen (s. o.) und haben einen Bezug zum Geschäftszweck des Unternehmens, wie bspw. der Rollout einer neuen Travel-Policy, weil Dienstreisen als größter Faktor des eigenen CO2-Fußabdrucks erkannt wurden, während „Corporate Citizenship“-Maßnahmen (wie bspw. Sponsorings von Kunstgalerien, Spenden an Kindergärten, Charity-Aktionen etc.) zumeist keine für die Kanzlei wesentlichen Themen berühren12]. • Die Gleichsetzung von betriebswirtschaftlichen Zielen mit ESG-Zielen unter dem Schlagwort „unternehmerischer Verantwortung“, obwohl sie ESG-Zielen zuwiederlaufen. • Das Abstellen auf das Erfüllen sämtlicher geltender Gesetze im Bereich ESG [obwohl Trend der Verrechtlichung, ist sehr viel von dem, was ESG-Standards verlangen, nicht gesetzlich vorgeschrieben; ferner fordern ESG-Standards das proaktive Aufgreifen von Themen statt „wo kein Kläger auch kein Richter“]. • Die Überbetonung einzelner Benefits im HR-Bereich im Zusammenhang mit ESG statt die Institutionalisierung nachhaltigerer Arbeitspraktiken.
Eine Ausnahme könnte es sein, wenn es sich (fiktives Beispiel) um eine Kanzlei eine Praxisgruppe handelt, die einen Beratungsschwerpunkt im Kunstrecht hat und Galerien sponsort, die sich auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert haben. In diesem Fall könnte es sich bei den Galerien um Stake holder handeln. 12
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11.4.3 Greenwashing verstehen, Anti-Greenwashing-Checks durchführen Greenwashing ist eine auch für Wirtschaftskanzleien reale Gefahr. Passen Sie daher hinsichtlich Ihrer Sustainability Claims/Green Claims auf. Aufpassen können Sie nur, wenn Sie verstehen, was Greenwashing ist. Greenwashing kann mannigfaltig sein und besteht aus vielen, subtilen Varianten, bspw. • • • • •
Greenhushing Greenrinsing Greencrowding Greenlabelling Greenshifting
Analog zu Umweltthemen, gilt dies selbstverständlich für alle weiteren ESG-Themen (wie bspw. den Einkauf und das Beschaffungswesen, Corporate Digital Responsibility, Arbeitsbeziehungen etc.). Weniger bekannt spricht man diesbezüglich auch von „Bluewashing“ und „Pinkwashing“.13 Geeint sind all diese Phänomene darüber, dass sie die Nachhaltigkeitsperformance besser bzw. den Impact bestimmter Maßnahmen positiver darstellen, als sie tatsächlich ist. Überprüfen Sie daher Ihre Marketinginitiativen stets, ob sie möglicherweise „grün waschen“ und passen Sie sie so an, dass dies nicht der Fall ist. Dabei kann marketingseitig folgende Checkliste eine Orientierung bieten: Checkliste
1. Handelt es sich um ein nach Ihrer Wesentlichkeitsanalyse wesentliches Thema? 2. Hat das Thema für Ihre Kanzlei einen Impact bzgl. Nachhaltigkeit? 3. Passt das Thema zu den maßgeblichen ESG-Standards? 4. Wie würde ein ESG-Auditor das Thema bewerten? 5. Wie würden Aktivisten das Thema bewerten? 6. Was sagt Ihr Framing aus? 7. Gibt es weitere Maßnahmen/Kennzahlen/Policies/Zertifizierungen etc. bzgl. des vermarkteten Themas? 8. Ist Ihre Sprache angemessen? 9. Gibt es derzeit Shitstorms/Kritik im Internet zu Ihrem Thema? 10. Wie fügt sich das Thema in Ihr „Bigger ESG Picture“ ein?
Ferner gibt es rechtliche Vorgaben bzgl. Sustainability Claims, auf die in diesem Handbuch nicht näher eingegangen werden kann. 13
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11.5 Zum Schluss Vergleichen Sie dieses Kapitel mit der Realität Ihrer Vermarktung rund um ESG, werden Sie möglicherweise feststellen, dass eine große Diskrepanz bestehen mag. Das ist nicht verwunderlich. Viele Wirtschaftskanzleien in Deutschland haben erst begonnen, ein Nachhaltigkeitsmanagement aufzubauen und sich inhaltlich mit ESG zu beschäftigen. Von Ihren Mandanten werden sie mit entsprechenden Fragen aber bereits konfrontiert und sind in der Vermarktung daher vorgeprescht, aufgrund des immensen Drucks, hier tätig werden zu müssen. Das ist in vielen Unternehmen übrigens kaum anders. Vom Sein zum Sollen führt kein Weg – mit steigendem Breitenwissen, was ESG ausmacht, einer Entmystifizierung eines aufgeladenen Begriffs sowie einer verstärkten Regulierung wird sich die Qualität der ESG-Vermarktung Schritt für Schritt erhöhen. Denn ESG ist kein Hexenwerk – es ist nicht mehr als eine neue Rationalität in Ergänzung zur betriebswirtschaftlichen, eine neue Perspektive und eine neue Entwicklungsrichtung unseres Wirtschaftens.
Dennis Fromm arbeitet derzeit als Business Development Manager und ESG Consultant für CMS Deutschland. Seit mehr als zehn Jahren begleitet er internationale Kanzleien in Themen der nationalen und internationalen Geschäftsentwicklung, Unternehmensentwicklung, Marketing und Kommunikation. Unter anderem baute er das Nachhaltigkeitsmanagement von Taylor Wessing auf. Seine Schwerpunkte liegen neben ESG in der Realisierung grenzüberschreitender Projekte für verschiedene Regional- und Praxisgruppen.
Business Development und Client Relationship Management
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Erfolgreiche Entwicklung von Neugeschäft und Ausbau bestehender Mandatsziehungen Christina Krings
12.1 Definition Unter Business Development in Rechtsanwalts-/Steuerberatungskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften versteht man typischerweise den Ausbau bestehender Mandantenbeziehungen sowie die Akquise neuer Mandanten.1 Verschiedenen B ranchenexperten haben festgestellt, dass in der Regel der benötigte Aufwand bei der Akquise von neuen Mandanten deutlich größer ist als beim Ausbau bestehender Mandatsbeziehungen. Durch den Einsatz von Business Development, welches in einer systematischen und koordinierten Art und Weise im Einklang mit einer klar formulierten, realisierbaren Geschäftsstrategie betrieben wird, können Wettbewerbsvorteile geschaffen, nicht zuletzt höhere Umsätze erzielt und die Profitabilität verbessert werden.
12.2 Aufgaben des Business Development Teams Im klassischen Marketingverständnis ist Business Development die Einheit, in der Geschäftsfelder und Produkte entwickelt und vertrieben werden. Im Rechtsberatungsmarkt hat sich allgemein ein breiteres Verständnis etabliert, wonach Business Development alle Maßnahmen umfasst, die der Positionierung der Sozietät dienlich sind. Hierzu zählen
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
C. Krings (*) Köln, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_12
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typischerweise die Bereiche Vertrieb, Marketing, Kommunikation und PR, Mandantenentwicklung (Client Relationship Management), Veranstaltungen und Marktrecherchen. In diesem Kapitel steht das vertriebsorientierte Business Development im Vordergrund, also die Gewinnung von neuen Mandanten und dem Ausbau bestehender Mandantenbeziehungen. Wichtige Schritte sind z. B. die Geschäftsfeldanalyse sowie die Interaktion und Kommunikation mit potenziellen neuen Mandanten. Das vertriebsorientierte Business Development ist die in Kanzleien am häufigsten genutzte Form der Geschäftsfeldentwicklung. In Bezug auf die Mandantenbindung übernimmt das Business Development dabei hauptsächlich die Aufgaben des Key Account Managements. Zu den typischen Aufgaben des Business Development Teams gehören unter anderem: • Analyse des Marktes, der Mandantenstruktur und -bedürfnisse sowie des Wettbewerbs. • Identifizierung von Trends, Innovationen und sich entwickelnden Märkten. • Unterstützung der Partner bei der Erarbeitung und Umsetzung von Initiativen zur Akquise von neuen Mandaten („Targeting“). • Erstellung von Pitch- und Präsentationsunterlagen • Aufbau einer Wissensmanagementstruktur, bestehend aus z. B. standardisierten Textbausteinen und Referenzlisten zur Unterstützung einer effizienten Geschäftsgewinnung. • Entwicklung von Business Development Strategien für die einzelnen Fachbereiche (Praxisgruppen/Branchengruppen) und Standorte in Einklang mit der Kanzleistrategie und in Abstimmung mit den Partnern. • Ableitung/Entwicklung von Maßnahmenplänen/Geschäftsentwicklungsplänen auf der Grundlage der Strategie und Umsetzung, ggf. mit der Abteilung Marketing. • Zusammenstellung der Beiträge für diverse Verzeichnisse, wie Juve, Legal 500 und Chambers in Abstimmung mit den Partnern und ggf. mit der Abteilung PR. • Enge Zusammenarbeit innerhalb des gesamten Business Development Teams sowie zu Kollegen aus den Bereichen Marketing, Kommunikation und PR, um Transparenz zu gewährleiten und um fachbereichs- sowie standortübergreifende und ggf. jurisdiktionsübergreifende Business-Development-Initiativen optimal zu unterstützen. • Unterstützung bei der Entwicklung von Fokusmandanten in Zusammenarbeit mit den Client Relationship Partnern (in der Rolle als Key Account Manager). Hierzu gehören zum Beispiel Tätigkeiten wie die systematische Identifizierung von Key Accounts, die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmenplänen und fortlaufendes Monitoring, Maßnahmen zur Mandantenbindung, Überwachung der wirtschaftlichen Kennzahlen und Panelvereinbarungen, Mandantenbefragungen sowie Key Account Reviews. Neben dem vertriebsorientierten Business Development hat auch die Vermarktung von Beratungsleistungen in abgrenzbaren Produkten in Kanzleien im Zusammenhang mit der Geschäftsentwicklung an Gewicht gewonnen. Das Thema produktorientiertes Business Development wird ausführlich in einem separaten Kapitel dieser Ausgabe behandelt.
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12.3 Geschäftsstrategie, Geschäftsfeldanalyse und Geschäftsplan Die Differenzierung und Positionierung der Kanzleien haben in den letzten Jahren zunehmend eine strategische Bedeutung erhalten, nicht zuletzt auch durch den von fachfremden Berufsgruppen und Legal Tech Anbietern entfachten Wettbewerb. Für die Erarbeitung einer Kanzleistrategie ist es notwendig, zunächst eine analytische Bestandsaufnahme der Kanzlei vorzunehmen. Es gilt hier insbesondere, bestehende Stärken und Schwächen zu identifizieren. In der Regel erfolgt eine Analyse aus verschiedenen Perspektiven von außen (übergreifenden Markttrends, Marktposition, Wettbewerb, Mandanten) und von innen (Partnergespräche, Kennzahlen, Kultur), um ein vollständiges Bild des Status Quo zu erhalten. Aus den Ergebnissen werden neue Ideen und etwaige notwendige Veränderungen abgeleitet sowie eine Positionierung definiert. Im Rahmen der Positionierung wird festgelegt, wofür die Kanzlei im Markt stehen soll. Im Vergleich zu Wettbewerbern ergeben sich Stärken und Chancen, die gezielt bei der Marktbearbeitung berücksichtigt werden sollten. Die zentralen Fragen sind, welche Mandantensegmente (Dax-Unternehmen, mittelständische Unternehmen, multinationale Konzerne, die öffentliche Hand) mit welcher Art von Rechtsberatung (gesamtes Spektrum des Wirtschaftsrechts, Transaktionsberatung, regulatorische Beratung etc.) zukünftig gezielt bedient werden sollen und wie die vorhandene Mandantenstruktur vor diesem Hintergrund angepasst werden soll. Für internationale Einheiten spielt die Frage der geographischen Abdeckung ebenfalls eine Rolle.
12.3.1 Geschäftsfeldanalyse Für die Erstellung eines konkreten Geschäftsplans sollten im Rahmen einer Geschäftsfeldanalyse die folgenden Themenbereiche betrachtet werden. Externe Entwicklungen Im Rahmen der Geschäftsfeldanalyse werden unter anderem das Marktwachstum, Trends, Rechtsentwicklungen und das Marktpotenzial für neue Angebote identifiziert. Man befasst sich mit der Frage, welchen Einfluss diese Entwicklungen auf den Beratungsbedarf der Zielgruppen in den nächsten Jahren haben werden, und wie die Kanzlei sich in diesem Zusammenhang optimal positioniert. Marktposition und Wettbewerbsanalyse Medienanalysen und anonyme Befragungen von Mandanten geben wertvolle Hinweise, wo eine Kanzlei steht und in welchen Bereichen sie an sich arbeiten sollte. Um die Marktposition im Wettbewerb zu verbessern, müssen die Stärken und Schwächen der Kanzlei differenziert bestimmt werden. Hierfür eignet sich die kompetitive Wettbewerbsanalyse, mit der bestimmte Merkmale in Relation zum stärksten (oder direkten) Wettbewerber analysiert werden.
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Mandantenstamm und -beziehungen Um das Potenzial mit bestehenden Mandanten auszuschöpfen, sollte die Mandantenstruktur analysiert werden. Dadurch kann ermittelt werden, welche Mandanten auf der Grundlage der Kanzleistrategie zur Zielgruppe passen und welche nicht. Darüber hinaus sollten die wichtigsten Mandantenbeziehungen identifiziert werden und deren Stärke sowie Weiterentwicklungspotenzial bewertet werden. Performance Assessment Ein wichtiges Instrument zur einheitlichen Betrachtung der Leistung einer Kanzlei ist das Performance Assessment. Typische Kennzahlen sind hier die Durchdringung von Zielsegmenten, Umsatzanteile, Stundensätze, Profitabilität und Marketingeffizienz. Gezielte Analysen können aufzeigen, welche Umsätze und welche Gewinnanteile mit welchen Mandanten und Leistungen erzielt werden, wie sich die Entwicklung im zeitlichen Verlauf darstellt und wo der geografische Fokus liegt. Die Kanzleikennzahlen sollten regelmäßig systematisch analysiert und ausgewertet werden, um Ansatzpunkte für effektive Maßnahmen, wie z. B. Mandantenentwicklungsprogramme, zu konzipieren. Interne Entwicklungen Ebenso können Entwicklungen innerhalb einer Kanzlei einen Einfluss auf die Kanzleistrategie nehmen. Es gilt zu identifizieren, welche internen Ereignisse möglicherweise eine negative bzw. eine positive Auswirkung auf den Mandantenstamm und/oder die Mandantenbeziehung haben. Während das Ausscheiden eines Partners sich ggf. nachteilig auf bestehende Mandatsbeziehungen auswirken könnte (z. B. durch fehlende oder zu spät greifende Nachfolgeregelungen), profitiert der Mandantenstamm ggf. durch den Zuwachs neuer Partner von außen oder das Eröffnen neuer Standorte.
12.3.2 Geschäftsplan In einem Geschäftsplan werden die Geschäftsstrategie, die Geschäftsziele sowie die Maßnahmen, die geplant und umgesetzt werden sollen, um die strategischen Ziele zu erreichen, festgeschrieben. Im Folgenden werden einige mögliche Zielsetzungen und deren Umsetzung unter Anwendung von Marketing und Business Development Maßnahmen beispielhaft aufgegriffen: • Erhöhung des Umsatzes um 10 % bei den 50 wichtigsten Mandanten der Kanzlei durch Preisverhandlungen, Durchführung von Relationsship Reviews zur Identifikation von Zufriedenheit und Verbesserungspotenzial sowie Cross-Selling Maßnahmen. • Akquise von drei neuen Mandanten in der Gesundheitsbranche durch den Besuch von Netzwerkveranstaltungen, Vorträgen bei Fachveranstaltungen und Verfassen von Fachbeiträgen. • Bekanntmachung und Positionierung der neuen Branchengruppe Energie bei den wichtigsten Mandanten durch zielgerichtete Mailings, Newsletter und Veranstaltungen.
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Ein guter Geschäftsplan enthält konkrete, möglichst messbare Zielsetzungen sowie klare Verantwortlichkeiten. Für die konsequente und erfolgreiche Umsetzung der Geschäftspläne ist es zudem wesentlich, dass der Fortschritt in regelmäßigen Abständen gemessen, berichtet und besprochen wird.
12.4 Pitching Pitching als eine der wichtigsten Aktivitäten im Business Development Prozess bündelt einen Großteil der Kapazitäten einer Business Development Abteilung. Das Thema Pitching wird ausführlich in einem separaten Kapitel dieser Ausgabe behandelt.
12.5 Branchenfokussierung Für Unternehmen spielt die Branchenkenntnis von Kanzleien bei der Mandatierung eine wesentliche Rolle. Daher spezialisieren sich Anwälte seit geraumer Zeit nicht mehr nur auf Rechtsgebiete, sondern bilden sogenannte Branchen- oder Industriegruppen, in denen Expertise fachbereichs- und standortübergreifend gebündelt wird. Es wird Wissen um die Trends und Herausforderungen in den Branchen aufgebaut und eine Marktbearbeitung vor diesem Hintergrund entwickelt. Kanzleien, die mit Branchenkompetenz den Markt bearbeiten, bieten einen echten Mehrwert in der Beratung, da Branchen- oder Industriegruppen deutlich besser auf die Bedürfnisse von Mandanten abgestimmt sind. Branchen- oder Industriegruppen bieten eine gute Plattform für Cross-Selling Maßnahmen. Zudem wird die Mandantenbindung durch Vertrauen in die Problemlösungskompetenz durch überzeugende Branchenexpertise gefördert.
12.6 Ausbau bestehender Geschäftsbeziehungen durch Client Relationship Management In vielen Kanzleien wird häufig ein erheblicher Teil des Umsatzes von einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Mandanten erzielt. Nach dem Pareto-Prinzip generieren oft etwa 20 % der aktiven Mandanten ungefähr 80 % des Gesamtumsatzes der Kanzlei. Dies sind die A-Mandanten der Kanzlei. Auf Grundlage der sogenannten „ABC-Analyse“ kann der Mandantenstamm in die beschriebenen „A“-Mandanten, die „B“-Mandanten, welche die nächsten 15 % des Umsatzes generieren, und die „C“-Mandanten, die die letzten 5 % des Umsatzes generieren, segmentiert werden. Eines der wichtigsten Instrumente des Business Development um vor allem die „A“-Mandanten optimal zu pflegen ist das sog. Client Relationship Management (CRM).
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Zu diesem Zweck versteht sich CRM als ein strukturierter Managementprozess, der darauf ausgerichtet ist, die wichtigsten profitablen Mandanten zu identifizieren, zu pflegen, weiterzuentwickeln und möglichst langfristig an die Sozietät zu binden. Mit CRM und der damit einhergehenden Etablierung eines Key Account Management Programms (KAM-Programm) können die Anforderungen dieser Mandanten strukturierter erfasst und durch ein speziell auf sie zugeschnittenes Dienstleistungskonzept besser berücksichtigt werden.2
12.6.1 Entwicklung eines KAM-Programms Ein KAM-Programm zielt darauf ab, höherwertige Mandanten und Mandate durch vorausschauende, auf die Mandantenstrategie abgestimmte Beratungsangebote zu entwickeln. Im Rahmen eines KAM-Programms werden die Mandanten im Team über Praxisbereiche und Standorte sowie Jurisdiktionen hinweg entwickelt. Die Mandantenanalyse Ein erfolgreiches Key Account Management setzt ein umfassendes Wissen über den Mandanten und seine Märkte voraus. Die nachfolgenden Elemente sollten hierbei Berücksichtigung finden und fortlaufend analysiert werden: Strategische Ausrichtung: Leitbild, Produkt- und Leistungsportfolio, kurz- und mittelfristige Zielsetzungen, Herausforderungen und Risiken Finanzen: Kennzahlen, Aktueller Aktienkurs, Kapitalquelle/Finanzierungsbedarf, Höhepunkte des letzten Geschäftsberichts Branche: Marktanteile, Marktführer und Wettbewerber, Branchenwachstum, Trends und Entwicklungen Personalien und Zuständigkeiten: Vorstandsmitglieder, Schlüsselfunktionen und Abteilungen, Aufbau der Rechtsabteilung, strategischer Einkauf Externe Rechtsberatung: Budget für Rechtsberatung, Kanzleipanel, Deals und Verfahren, Gründe für die Beauftragung der Kanzlei, andere beauftragte Kanzleien Mandantenkontakte: Verantwortlichkeiten, Persönlichkeitstypen, Beruflicher Werdegang, Beziehungshistorie Festlegung von Fokusmandanten Um sogenannte Fokusmandanten für das KAM- Programm festzulegen, sollten in erster Linie die umsatzstärksten „A“-Mandanten betrachtet und analysiert werden (quantitative Bewertung). Diejenigen, die nicht nur um satzstark sind, sondern auch sehr gut zur Geschäftsstrategie passen und ein gutes Weiterentwicklungspotenzial (qualitative Bewertung) haben, sind die zu priorisierenden Kandidaten.
2
Vgl. Jill Warren: Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer (2018).
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Bei der Einführung eines KAM-Programms empfiehlt es sich, zunächst eine kleinere Anzahl von Mandanten als Fokusmandanten zu bestimmen und in das Programm aufzunehmen. Dies ermöglicht es, alle notwendigen Ressourcen auf das Programm auszurichten und mit Blick auf die gewünschten Ziele dem einzelnen Mandanten ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken. Auch können bei einer geringeren Zahl an Fokusmandanten notwendige Anpassungen am Programm, die in der Anfangs- bzw. Lernphase identifiziert werden, schneller vorgenommen werden. Die Identifizierung der Fokusmandanten wird üblicherweise für die Gesamtkanzlei vorgenommen, kann jedoch auch für jeden Fachbereich, eine Branchengruppe sowie einen Standort umgesetzt werden. Für die Identifikation von Fokusmandaten empfiehlt sich ein objektiver Entscheidungsprozess auf der Grundlage der von der Kanzlei festgelegten Bewertungskriterien, wie z. B. der Umsatzentwicklung der letzten drei Jahre, dem Wachstumspotenzial des Mandanten sowie der Breite der bestehenden Geschäftsbeziehung und der kulturellen Passgenauigkeit zwischen Kanzlei und dem Mandanten. Das Key Client Team Client Relationship ist ein teambasierter Ansatz mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben. Für jeden Fokusmandanten im KAM-Programm wird ein Client Team festgelegt, bestehend aus dem Client Relationship Partner und dem Client Relationship Kernteam. Client Relationship Partner Für jeden Fokusmandanten im KAM-Programm muss ein Client Relationship Partner bestimmt werden. Im Idealfall ist das der Partner, der die engste Beziehung zum Mandanten hat und bereit ist, viel Zeit und Energie in die Mandantenbeziehung zu investieren. Zu den typischen Verantwortlichkeiten des Client Relationship Partners gehören unter anderem: • Managt die Beziehung mit dem Mandanten und sorgt für regelmäßige Interaktionen außerhalb des Beratungsmandats, die vom Mandanten als relevant angesehen werden. • Organisiert und leitet das Client Relationship Team mit dem Ziel, die Beziehung zu verbreitern und anderen Zugang zum Mandanten zu ermöglichen. • Erstellt einen Client Relationship Plan und setzt diesen um – mit dem Ziel, dem Mandanten Mehrwert zu bieten, in dem er bei der Umsetzung seiner strategischen Zielsetzungen unterstützt wird. • Vertritt die Interessen des Mandanten innerhalb der Kanzlei und hilft, das jeweils bestgeeignete Team für die Beratung des Mandanten zu finden. Verhandelt ggfs. Rahmenvereinbarungen und kümmert sich bei Bedarf um die Lösung auftretender „Beziehungsprobleme“. • Behält mit den Abteilungen Finance und Business Development die finanzielle Entwicklung der Beziehung im Auge, analysiert Zahlen, Daten, Fakten und unterstützt beim Konfliktmanagement in der Mandatsannahme.
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Eine wesentliche Aufgabe des Client Relationship Partners ist die Verbreiterung der Beziehung zum Mandanten. Client Relationship Team Das Client Relationship Kernteam baut Beziehungen zum Mandanten in bestimmten Wachstumsbereichen auf. Es sollte agil und hinreichend klein sein. Weitere Partner sollten nach Bedarf hinzugezogen werden. Das Client Relationship Kernteam besteht in der Regel aus mehreren Partnern sowie angestellten Anwälten. Zu den typischen Verantwortlichkeiten des Client Relationship Teams gehören unter anderem: • Managen Mandantenbeziehungen in bestimmten Wachstumsbereichen und ziehen andere Kollegen so weit wie möglich und je nach Bedarf des Mandanten hinzu. • Wirken an der Entwicklung und Umsetzung des Client Relationship Plans mit. • Stellen hohe Beratungsqualität sicher, in dem immer der bestgeeignete Kollege berät. • Behalten finanzielle Entwicklung der Beziehung in den jeweiligen Wachstumsbereichen im Auge. • Nutzen Beratungsmandate, um Mandantenbedürfnisse weiter zu ergründen und relevante Beratungsangebote zu entwickeln. Auch die Einbindung von Associates kann dabei helfen, dass der Ausbau der Geschäftsbeziehung auf breitere Beine gestellt wird. Ein sogenannter „Relationship Associate“ baut Mandantenbeziehungen auf dem eigenen Senioritätsniveau auf und unterstützt die Entwicklung des Client Relationship Plans. Im Verlauf können Associates ein ganzheitlicheres Verständnis der Mandantenbedürfnisse und -beziehungen erlangen. Diese Erfahrungen und „good practice“ können dann mit anderen Associates geteilt werden. Client Relationship Manager Der Client Relationship Manager beobachtet relevante Marktentwicklungen und hält das Client Relationship Kernteam zusammen. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehören: • Stellt intern sicher, dass die rechte Hand weiß, was die linke Hand tut. • Beobachtet die Aktivitäten des Mandanten am Markt und die Auswirkungen wichtiger Trends auf sein Geschäft, um potenziellen Beratungsbedarf zu ermitteln. Identifiziert und recherchiert Themen für Diskussionen zwischen Partnern und Mandant. • Erfasst die wichtigsten Kontakte und entwickelt Maßnahmen zur Mandantenbindung. • Baut Beziehungen zu Mandantenvertretern auf, die für Fortbildung, Secondments, Einkauf etc. zuständig sind. Trägt dazu bei, kontinuierliches Mandantenfeedback einzuholen. • Überwacht die wirtschaftliche Seite der Mandantenbeziehung Client Relationship Plan Ein Client Relationship Plan ist ein Geschäftsentwicklungsplan für einen bestimmten Fokusmandanten. Auf Grundlage einer gründlichen Analyse
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der Mandanten- und Geschäftsbeziehung werden in dem Client Relationship Plan die konkreten Entwicklungsziele und die geplanten Business Development Aktivitäten und Maßnahmen zur Mandantenbindung festgehalten, die über einen definierten Zeitraum bei der Pflege und dem Ausbau der Mandantenbeziehung erreicht bzw. angewendet werden sollen. Die Entwicklung eines Geschäftsentwicklungsplan erfordert eine disziplinierte Befassung mit dieser Aufgabe. Das Client Team muss Zeit investieren, um ein umfassendes Verständnis des Mandanten aufzubauen, in dem es sich darauf konzentriert, was der Mandant wirklich braucht. Hierfür kann unter anderem Branchenwissen genutzt werden, um die Bedürfnisse des Mandanten zu ermitteln. Darüber hinaus kann durchaus auch der Mandant selber nach seinen Prioritäten befragt werden. Bei der Analyse der Mandantenbeziehung mit Blick auf die Formulierung der Entwicklungsziele und Planung der Aktivitäten können beispielsweise folgende Punkte untersucht werden: • Wofür steht die Kanzlei beim Mandanten? Wie ist die Mandantenbeziehung zustande gekommen? Wie hat sie sich bisher entwickelt? Wie zufrieden ist der Mandant mit unserer Leistung und unseren Beratern? • In welchen Fachbereichen und an welchen Standorten beraten wir den Mandanten bereits? In welchen Fachbereichen und an welchen Standorten sind wir noch nicht beratend tätig? Wo gibt es Entwicklungspotenzial? Welche zusätzlichen Dienstleistungen können ihn interessieren? • Wofür soll die Kanzlei in der kurzen und mittleren Frist beim Mandanten stehen? Wie muss das Beratungsangebot dahingehend angepasst werden? • Was sind die wichtigsten strategischen Herausforderungen und Bedürfnisse des Mandanten? Wie können wir dabei helfen? Wie müssten wir uns beim Mandanten positionieren, um entsprechende Beratungsaufträge zu bekommen? • Wieviel Wachstum will die Kanzlei in der kurzen und mittleren Frist erreichen? • Wer sind die wichtigsten Personen („Influencers“ und „Veto Holders“), zu denen der Client Relationsship Partner oder das Client Relationship Team eine enge Beziehung aufbauen muss? Welche Entscheidungsträger kennen wir und wie gut kennen wir sie? Welche Entscheidungsträger kennen wir nicht? • Wer macht was? Wieviel Zeit wird der einzelne in der Aufbau der Beziehung investieren? In internen Client Relationship Meetings wird das Vorankommen der Mandantenentwicklung besprochen. Im Rahmen dieser Meetings sollten die Bestandteile des Client Relationship Plans regelmäßig überprüft und aktualisiert werden sowie mit dem gesamten Client Relationship Team geteilt werden. So können alle Teammitglieder auf demselben Wissensstand bleiben und besser in die Lage versetzt werden, neue Beratungsmöglichkeiten zu entdecken und koordiniert zu verfolgen.
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Diese Meetings sollten kurzgehalten werden, in regelmäßigen kurzen Abständen (z. B. alle zwei Wochen) und stets mit Fokus auf die Umsetzung des Client Relationship Plans erfolgen. Mandantenbefragungen Mandantenbefragungen gehören zu den typischen Instrumenten des CRMs und sollten fester Bestandteil eines KAM-Programms sein. Zu den typischen Zielsetzungen von Mandantenbefragung gehören u. a.: • Die Zufriedenheit der Mandanten mit Dienstleistungsangebot und -qualität erfassen und messen. • Verbesserungspotenzial identifizieren, um das Dienstleistungsangebot noch besser auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Mandanten auszurichten. Mandantenbefragungen bzw. sogenannte „Relationship Reviews“ sollten im Rahmen eines KAM-Programmes regelmäßig ein- bzw. zweimal im Jahr durchgeführt werden. Die Umsetzung von externen Relationship Meetings sollte mit einer klaren Zielsetzung und mit Fokus auf den Gesprächspartner und seiner Ziele erfolgen. Die Teilnahme im Team ist besser als 1:1 Gespräche. Im Sinne des „Customer Relationship Managements“ werden die Ergebnisse der Befragung festgehalten und individuelle Maßnahmen zur Umsetzung abgeleitet. Der Mandant als auch alle Mitglieder des Client Relationship Teams sollten über den aus der Befragung abgeleiteten Maßnahmenkatalog informiert und über die Entwicklung der Maßnahmen kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten werden. Der Strategic Review Um den Erfolg des KAM-Programms sowie die Entwicklung der einzelnen Fokusmandanten zu messen, müssen Messgrößen festgelegt werden. Hierzu können zum Beispiel folgende Leistungskennzahlen (KPIs) herangezogen werden: • • • • • •
Jährliches Umsatzwachstum Nettobeitrag des Mandanten Praxisgruppendurchdringung Durchdringung über Länder (sofern relevant) Zufriedenheit des Mandanten auf der Grundlage einer Mandantenbefragung Effektives Account Management
Im Weiteren können individuelle Wachstumsziele für die einzelnen Fokusmandanten festgelegt werden. Anhand der KPIs muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob sich die Investition in die Mandatsbeziehung lohnt. Erreichen die Messgrößen für die jeweiligen Accounts über Zeit nicht das gewünschte Ergebnis und/oder werden festgelegte Wachstumsziele nicht erreicht, sollte mit dem Management beraten werden, den/die entsprechenden Fokusmandanten aus dem Programm zu nehmen und ggf. durch neue/weitere Fokusmandanten zu ersetzen.
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12.6.2 Cross-Selling Cross-Selling bezeichnet den Verkauf ergänzender Rechtsdienstleistungen, zum Beispiel von anderen Partnern, Fachbereichen und/oder anderen Standorten, an einen bestehenden Mandanten. Cross-Selling ist unerlässlich für den erfolgreichen Ausbau von Mandantenbeziehungen und somit fester Bestandteil eines KAM-Programms. Über einen systematischen Ausbau von Bestandsmandanten über das Einbeziehen ergänzender Fachbereiche können Anwälte zusätzlichen Umsatz generieren sowie die Profitabilität steigern. Im Weiteren wird die Bindung zum Mandanten durch gelungenes Cross-Selling vertieft, was die Wechselbereitschaft des Mandanten zu einer anderen Kanzlei reduziert. Kanzleien, die Cross-Selling betreiben, wissen typischerweise viel mehr über ihre Mandanten, da es mehr Berührungspunkte und Anlass zum Austausch gibt. Nicht nur, welche rechtlichen Fragen sie haben. Die Kanzleien sind meist auch über Strategien und Geschäftsentwicklungen informiert. Dies bietet einen Ansatzpunkt für weiteres Geschäft. Cross-Selling ist auch eine Frage der Kanzleikultur. Dort, wo die Berufsträger vor allem an ihren Fachbereich denken, Mandanten als ihr Eigentum betrachten und lediglich ihren eigenen Umsatz und Profit im Fokus haben, wird es auch an den notwendigen Voraussetzungen fehlen, um funktionierendes Cross-Selling zu betreiben. Eine weitere Grundvoraussetzung für erfolgreiches Cross-Selling ist eine gute interne Kommunikation standort- und fachbereichsübergreifend. Ggf. auch über Ländergrenzen hinweg, sofern es sich um internationale Mandate handelt, die innerhalb einer Sozietät von mehreren Beratern unterschiedlicher Jurisdiktionen bearbeitet werden. Um Kollegen aus anderen Fachbereichen miteinzubeziehen und weiterempfehlen zu können, muss man zunächst wissen, was diese machen und wie sie es machen. Es bedarf Vertrauen, dass im Falle einer Mandatierung die Partner anderer Fachbereiche und Standorte eine hochqualitative Dienstleistung erbringen. Auch ist ein gutes Belohnungs- und Anreizsystem entscheidend, damit Anwälte ihre Mandanten intern weitergeben.
12.6.3 Client Touchpoints Neben Kompetenz und Service ist der Aufbau starker persönlicher Beziehungen ein weiterer Baustein für die erfolgreiche langfristige Mandantenbindung. Hier kann man unterscheiden zwischen inhaltsorientierten Maßnahmen (Austausch von Wissen und Information) und beziehungsorientierten Maßnahmen. Inhaltsorientierte Maßnahmen • Verfolgung der Medienberichterstattung über die Entwicklung des Geschäfts/Sektors des Mandanten/der Mandanten. • Aufnahme des Mandanten/der Mandanten in relevante Mailinglisten. • Persönliche Weiterleitung von relevanten Mandantenmailings/Artikeln.
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• • • • • •
Gemeinsame Veröffentlichen eines Artikels. Persönliche E-Mail Einladung zu einem bevorstehenden Seminar oder Webinar. Durchführung eines Mandats Review. Vorstellung von anderen relevanten Anwältinnen und Anwälte/Neueinstellungen. Proaktiv pitchen (Deal Sourcing). Durchführung eines gemeinsamen Workshops mit dem Mandanten zu einem relevanten rechtlichen Thema für dessen Team. • Einladung des Mandanten als Redner zu einer Veranstaltung. Beziehungsorintierte Maßnahmen • Vereinbarung eines Treffens zum Mittagessen, Kaffee oder Abendessen. • Venetzung über Social Media Plattformen (so bleibt die Verbindung bestehen, wenn ein Ansprechpartner auf Seiten des Mandanten das Unternehmen wechselt, und relevante Inhalte können mit Mandanten geteilt werden). • Einladung zu einem Social Event. • Relationship Review Gespräch mit Hauptansprechpartner. • Gratulation zu Beförderungen und neuen Aufgaben. • Versand einer Karte zu kulturellen Anlässen (z. B. Weihnachten). • Treffen bei einem externen Branchennetzwerk und Vorstellung von eventuellen Branchenmultiplikatoren. • Gratulation zu guten Geschäftsjahresergebnissen. • Gratulation zu wichtigen Unternehmensentwicklungen/Meilensteinen (z. B. Übernahmen, Börsengängen, Neueinstellungen usw.).
12.6.4 Value Added Services Als Value Added Services (VAS) werden alle Zusatzdienstleistungen außerhalb bzw. neben der originären Rechtsberatung beschrieben. Mithin handelt es sich um etwaige Extras, die dem Mandanten zusätzlich zur juristischen Beratung zur Verfügung gestellt werden, um die Mandantenbeziehung weiter auszubauen und neues Geschäft zu generieren. Viele Anwaltskanzleien bieten solche Dienstleistungen schon seit Jahren als Teil ihrer Marketingstrategie zusätzlich an. Zusatzdienstleistungen sind ein wichtiger Bestandteil, um den Bedürfnissen der Mandanten gerecht zu werden und sich der Herausforderung durch den Wettbewerb zu stellen. Auch in Pitches werden Kanzleien oft nach dem Angebot von Zusatzdienstleistungen gefragt. Die Auswahl der VAS für den jeweiligen Mandanten sollte zielgerichtet stets auf den Interessen sowie Bedürfnissen des Mandanten basieren. Beispiele für Value Added Services (Tab. 12.1) Einige dieser Zusatzdienstleistungen sollten nur den wertvollsten Mandanten („A“-Mandanten) zur Verfügung gestellt werden, um sicherzustellen, dass das im Zusammenhang mit den Maßnahmen stehende Leistungsverspechen eingehalten werden kann und die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen gewährleistet ist.
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Tab. 12.1 Beispiele für Value-Added Services Veranstaltungen & Schulungen Legal Update, Newsletter & Guides Secondments Research & Hotlines Online Services Infrastrukturdienstleistungen Risk Management Legal Tech & Digitalisierung Diversity & Pro Bono
Beratung zu rechtlichen Fragen und Schlüsselqualifikationen Schriftliche Leitfäden und weitere Publikationen zu Rechtsfragen Eigene Anwälte, die für einen vereinbarten Zeitraum beim Mandanten tätig werden Kurzfristige Hilfe bei kleineren oder dringenden Rechtsangelegenheiten Webseiten, die grundlegende rechtliche und kommerzielle Informationen zu Verfügung stellen Nutzung von Einrichtungen wie Besprechungsräumen Unterstützung bei der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden Digitale Lösung für rechtssichere Umsetzung und effizientes Management des Beratungsprojektes Gemeinsame Projekte
Benefits von Value Added Service Der zielgerichtete Einsatz von VAS erweist sich als mächtiges Tool. Durch die Bereitstellung zusätzlicher Dienstleistungen steigt die Wahrscheinlichkeit mehr Arbeit zu erhalten. Eine beeindruckende Liste von Zusatzleistungen kann in etwa bei einer Ausschreibung den Ausschlag geben. „Was können Sie sonst noch anbieten?“, ist eine häufige Frage, insbesondere für Unternehmen, die Panels besetzen. Auch kann durch das Angebot von VAS umfassendes Wissen und Geschäftstüchtigkeit unter Beweis gestellt werden, und das noch bevor über das Honorar gesprochen wird.
12.6.5 CRM-System Ein CRM-System ist eine IT-gestützte Mandanten- und Interessenten-Datenbank zur Erfassung von relevanten Informationen zu Mandantenbeziehungen und Business- Development-Aktivitäten. Mit Hilfe eines CRM-Systems soll eine größere Transparenz bei der Planung und Umsetzung von Marketing- und Business Development Maßnahmen gewährleistet werden. Ein CRM-System liefert das Werkzeug, um das Entwicklungspotenzial mit Mandanten und Kontakten zu maximieren: • • • •
Zielgruppenspezifische Ansprache zur Mandantenbindung Einfache Identifikation von Cross-Selling-Potenzialen zur Umsatzsteigerung Gezielte Akquise auf qualitätsgesicherten Daten zur Umsatzsteigerung Effizientes und erfolgreiches Durchführen von Kampagnen
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Die Einführung und das Management sind jedoch eine einer der größten Herausforderungen bei CRM/KAM-Programmen, da CRM-Systeme oft nicht den Erwartungen der Kanzleien entsprechen. Erstens erfordert die Sammlung, Auswertung und Pflege von Informationen ein hohes Maß an Disziplin. Zweitens muss das System eine hohe Akzeptanz seitens der Benutzer haben, um erfolgreich zu sein. Ist das System nicht hilfreich, weil etwa die Inhalte nicht relevant genug sind oder nicht oft genug aktualisiert werden, wird das System von den Anwendern irgendwann abgelehnt. Schließlich kann die Einführung eines CRM-Systems auf unternehmenskulturbedingten Widerstand stoßen. Partner, die es gewohnt sind, einen eigenen Mandantenstamm zu betreuen und weiterzuentwickeln sowie ihre Kontakte und ihre speziellen Mandantenkenntnisse mit anderen ungern teilen, werden der Einführung eines solchen Systems zunächst skeptisch gegenüberstehen. Das Thema „Kontaktdatenmanagementsysteme“ wird ausführlich in einem Kapitel der 3. Ausgabe des Buches „Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer“ behandelt.
12.7 Voraussetzungen für erfolgreiches Business Development Grundvoraussetzung für erfolgreiches Business Development ist eine enge Zusammenarbeit von Berufsträgern und dem Business Development Team. Nur wenn sich die Markt- und Fachkenntnis der Anwälte und die Marketing Expertise der Business Development Fachkräfte ergänzen, kann die Kanzlei erfolgreich am Markt positioniert und können neue Mandanten gewonnen werden. Nur wenn das Business Development Team die anwaltlichen Kompetenzen und die Besonderheiten einzelner Märkte bzw. Branchen durchdrungen hat, können sie positiv zur Geschäftsentwicklung beitragen. Das Business Development Team kann also immer nur so gut sein, wie es in den Informationsaustausch einbezogen wird. Denn Business Development ist keine Wunderwaffe und keine Mandatsgenerierungsmaschine. Aber es ist ein Beschleuniger und damit ein hervorragendes Mittel, um Wettbewerbsvorsprünge strategisch herauszuarbeiten.
12.8 Fazit Die Potenziale einer systematischen, abgestimmten und koordinierten Marktbearbeitung zur Gewinnung von neuem Geschäft sowie dem Ausbau bestehenden Geschäfts sind hoch. Dies haben viele Kanzleien und WP-Gesellschaften für sich erkannt und durch den Aufbau von Business Development Teams für sich nutzbar gemacht. Unter Anwendung der in diesem Kapitel aufgezeigten Instrumente des Business Development können Kanzlei und WP-Gesellschaften Wettbewerbsvorteile strategisch herausarbeiten und umsetzen.
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Christina Krings leitet seit 2016 die Abteilung Marketing & Business Development mit den Bereichen Marketing, Public Relations, Business Development sowie die in 2023 neu geschaffene Einheit Key Account Management bei GÖRG. Vor ihrem Wechsel zu GÖRG war Christina Krings knapp neun Jahre bei DLA Piper in nationalen und internationalen Rollen im Bereich Marketing & Business Development beschäftigt. Zuletzt hatte sie die regionale Verantwortung für Europa und den Nahen Osten inne. Ihren Einstieg in die Rechtsbranche fand Christina Krings im Bereich Marketing bei Allen & Overy in London im Jahre 2006. Von dort aus wechselte sie in den Bereich Business Development bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt. Sie ist Diplom-Betriebswirtin (2005) und erwarb berufsbegleitend einen European Executive MBA Abschluss an der ESCP Europe (2012).
Professionelles Marketing und BD in Kanzleien implementieren
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Pragmatische Vorschläge zum langfristen Aufbau einer MBD- Funktion, basierend auf praktischen Erfahrungswerten Philip Kovačević
13.1 Einleitung Klassisch trennt man im Bereich der Professional Services Firms, wozu auch Kanzleien zählen, die Bereiche Marketing, Business Development und Kommunikation. Welche ein zelnen Aufgaben genau unter diesem Dreiklang subsummiert werden, fällt jedoch von Kanzlei zu Kanzlei sehr unterschiedlich aus. Zusätzlich sind im Laufe der letzten Jahre neue Aufgabenfelder hinzugekommen oder haben sich aus den klassischen Bereichen entwickelt, bspw. Client Service oder Digitales Marketing. Je nach Größe oder Marktambitionen der einzelnen Kanzlei findet eine Viel zahl an Unterbereichen Verwendung, was das Feld der Begriffe, die man diesem Arbeits bereich zuordnet, weiter wachsen lässt. Letztendlich laufen die unterschiedlichen Bereiche jedoch meist unter einem Dach zu sammen: mal als Markets & Clients, mal unter dem allgemeinen Begriff Marketing, mal als Business Development und Kommunikation oder auch als Marketing und Business Development. Der besseren Verständlichkeit halber wird in diesem Kapitel daher die Ab kürzung MBD (Marketing und Business Development) Verwendung finden, um die ge samte Bandbreite abzubilden ohne einen der o. g. Begriffe in irgendeiner Form auf- oder abzuwerten.
P. Kovačević (*) Berlin, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_13
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Auf der Basis praktischer Erfahrungen sollen im Folgenden fünf Kernbereiche näher beleuchtet werden, die ein mögliches Fundament bei der Implementierung von professio nellem MBD in Kanzleien bilden können: 1. Struktur 2. Optimierung und Professionalisierung 3. Integration und Akzeptanz 4. Wirtschaftlichkeit und Kennzahlen (KPIs) 5. Team-Management Im vorliegenden Beitrag dienen der Veranschaulichung des Gegenstandes zum einen ge nerelle Beschreibungen, die für den Kanzleimarkt relevant sind, zum anderen soll anhand von konkreten Vorschlägen und Praxisbeispielen die Umsetzung erläutert werden. Es geht also nicht um eine theoretische oder wissenschaftliche Aufarbeitung, sondern bewusst um die Verwendung von praktischen Erfahrungen zugunsten der Implementierung orga nisatorischer und struktureller Ansätze im Marketing und Business Development für Kanzleien. Zu Beginn eines jeden Prozesses steht immer eine Bedarfsprüfung. Hierbei ist es sehr wichtig, die unterschiedlichen Parameter, Entwicklungsstadien und Eigenheiten innerhalb der Kanzleiwelt einzubeziehen. So spielen Serviceerwartung, Budget, Ressourcen, Unter stützung der Partnerschaft und Ist-Situation jeweils eine wichtige Rolle. Wer organisiert Events? Wie gestaltet sich der Austausch mit Journalisten?1 Was wird bei Legal-Directories eingereicht? Wer hat Mandantenkontakt und auf welcher Basis werden Mandate akquiriert und Mitarbeiter rekrutiert? Bei der Bedarfsanalyse ist ein weiterer Faktor enorm wichtig für die Schlussfolgerun gen: die Unvorhersehbarkeit im Alltagsgeschäft ebenso wie in der strategischen Kanzlei entwicklung. Kanzleimarketing ist im Vergleich zu anderen Marketingsegmenten immer noch relativ jung. Aktuell stecken wir in Deutschland etwa in der dritten oder vierten Ge neration von MBD-Fachleuten, während die erste teilweise noch aktiv ist. Man kann also nur bedingt auf etablierte Strukturen zurückgreifen, die seit Jahrzehnten erprobt sind, wie beispielsweise im Produktmarketing und Vertrieb der Automobilbranche. Es gibt Kanz leien, die noch heute komplett ohne MBD agieren. Daher muss Flexibilität ein fester Be standteil jeglichen Modells zur Etablierung von MBD in einer Kanzlei sein. Zusätzlich ist der Kontext zu prüfen. Geht es um eine Boutique oder eine Full-Service- Kanzlei? Ist die Ausrichtung global oder lokal? Befindet man sich in einer Konsolidie
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
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rungs-, Wachstums- oder gar Markteintrittsphase? Soll Effektivität oder Effizienz im Fokus der Ausgestaltung von MBD stehen? Je nach Kontext sind die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen zu dosieren.
13.2 Struktur MBD in Kanzleien hat meist drei offensichtliche Strukturanforderungen: die MBD-fachliche, die Kanzlei-fachliche und die geografische. Die geografische ergibt sich meist aus der An zahl der Büros und Märkte, in denen die Kanzlei aktiv ist. Gehen wir von einer Verantwor tung für eine Jurisdiktion, bspw. Deutschland, aus, kann die jeweilige Standortpräsenz des MBD-Teams ein Integrationsfaktor sein. Dazu mehr im entsprechenden Kapitel. Die Grundstruktur einer MBD-Abteilung schwankt jedoch meist zwischen den anderen beiden Strukturanforderungen. Klassisch löst man das mit einer Trennung von BD, den Praxisgruppen zugeordnet, und Marketing (einschließlich Events und Kommunikation) als eher zentrale Einheit. Die größten Defizite sind dann der fehlende Austausch im Team und die „Allrounder“-Positionen im BD. Zudem ist dieses System sehr personalintensiv. Am meisten leiden Effizienz und strukturelle Flexibilität darunter. Dennoch ist eine Fokussierung auf die generellen Kernaufgaben des MBD der erste Schritt, um eine Struktur zu schaffen, die dem jeweiligen Bedarf gerecht wird. Besser starke Spezialisten in den verschiedenen Service-Bereichen für alle Partner und Fachbe reiche, als jedem Fachbereich sein persönlicher (M)BD Support mit schwankenden Qua litätsstandards. Eine Möglichkeit dafür ist die Identifikation von MBD-Basics. Hierzu gehören in der Regel die Bereiche Kommunikation, Events, Marketingmateria lien, Digitales Marketing und BD-Support. Sie können professionell als zentrale Service dienstleistung innerhalb der Kanzlei abgedeckt werden. Je nach quantitativem Bedarf kann nun ein weiterer Schritt sinnvoll sein, nämlich das Herunterbrechen auf kleinere Arbeitsmodule, die Mitarbeitern in die Stellenbeschreibung eingetragen werden können. Beispiele dafür sind Directories, Branded Items, Mediaplanung, Pitches, Recherchen, Pressemeldungen, Interviews, Website-, Intranetpflege, Mitgliedschaften oder Clients. Einige der Module stellen ein „Grundrauschen“ bzw. Basics dar, die vor allem professio nell umgesetzt werden müssen. Andere wiederum sind proaktive Module, die von Externen in die Kanzleikultur getragen werden und damit einen strategischen Mehrwert bieten können. Es ist jedoch immer zu empfehlen, erst die Grundlagen zu perfektionieren, bevor Ressourcen in High-Level-Projekte investiert werden, da diese in der Regel auf den Basics aufbauen. Es bietet sich an, mehrere Arbeitsmodule zu verbinden, die aus einem Bereich stam men, um den jeweiligen Mitarbeitern gemäß ihrem Background passende Verantwortung zu übertragen. Je nach Größe der Kanzlei sind Arbeitsmodule miteinander verknüpfbar.
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Abb. 13.1 Beispielhaftes Organigramm
Organigramme sind in diesem Kontext sehr hilfreich, da sie Mitarbeitern und den „in ternen Kunden“ ein klares Bild der Struktur vermitteln können – ein Beispiel für ein Organigramm kann Abb. 13.1 entnommen werden. So kann man auch unterschiedliche Senioritätslevel und Reporting Lines verdeutlichen. Dies ist ein nicht zu unterschätzendes Tool für eine erfolgreich implementierte Teamstruktur. Folgende Titel sind gängige Praxis: 1. Assistant 2. Executive 3. Coordinator (mit Teamverantwortung)/Specialist (ohne Teamverantwortung) 4. Manager (mit Teamverantwortung)/Advisor (ohne Teamverantwortung) 5. Head of 6. Director Natürlich gibt es auch hier unterschiedliche Lesarten und Abstufungen. Die Ergänzung Se nior/Junior kann zu weiterer Abstufung dienen und die Titel werden um den fachlichen Zu schnitt ergänzt, also Marketing, BD, Kommunikation, Events etc. Empfehlenswert ist eine
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moderate Nutzung dieses Portfolios, bspw. Marketing für die Juniorstellen und je nach ent wickelter Spezialisierung und dem Wachstum des Teams eine konkretere Ausgestaltung. Diese Bereichszuordnungen können strategisch genutzt werden, da so eine präzise Res sourcenzuteilung für Arbeitsfelder der Abteilung verdeutlicht wird. Beispiele wären: • • • •
Head of Business Development Proposals Coordinator Communications Manager oder auch BD Advisor
Mit der Ausgestaltung der o. g. MBD-Bereiche hat man eine zentrale MBD-Service- Einheit, die den Grundbedarf der Kanzlei abdecken kann. Damit wird allerdings noch kein Praxisgruppenbedarf bedient. Eine Alternative zur Rekrutierung von zusätzlichen Ressour cen für die einzelnen Praxisgruppen ist die Integration dieses Bedarfs in das bestehende Team. Ein solches Konzept beinhaltet eine entsprechende Vorbereitung der betroffenen Fachkräfte auf die jeweilige Praxisgruppe und verlangt ein gewisses Maß an Erfahrung. Unter diesen beiden Voraussetzungen kann ein Praxisgruppenkonzept implementiert werden. Die Kernaufgaben des jeweilig Verantwortlichen gliedern sich dann in drei Felder: 1. Die effektive und effiziente Nutzung des MBD-Teams für diese Praxisgruppe, also eine koordinierende Funktion zur Entlastung der Praxisgruppe und Optimierung der Zu sammenarbeit zwischen den allgemeinen MBD-Funktionen und dem Fachbereich. 2. Die Integration in die bestehende Praxisgruppenstruktur, also ein institutionalisierter Austausch zwischen dem MBD-Verantwortlichen und der Praxisgruppe, inhaltlich ebenso wie persönlich mit den Anwälten des Fachbereichs. Kurz: die Integration des Individuums in die Praxisgruppenstruktur. 3. Die Etablierung von praxisgruppenspezifischen BD-Maßnahmen. Dies ist ein erster Schritt zu einer proaktiven BD-Funktion, die sich auf die individuellen Praxisgruppen bedürfnisse einlässt. So kann für die eine Praxisgruppe Targeting ein wichtiger Aspekt sein und für eine andere die breite Vermarktung eines neuen Produkts. Punkt drei bietet die Möglichkeit, den MBD-Support auf ein anderes Level zu heben und auf eine One-Size-Fits-All-Lösung zu verzichten. Vor allem in kleineren und mittleren Einheiten kann man so sehr fortgeschrittene Tools etablieren und Pilotprojekte umsetzten. In der Vorbereitung des Praxisgruppenkonzepts sollten die Mitarbeiter drei Phasen der Annäherung durchlaufen, die vorgegebene Aufgaben beinhalten, welche dem entspre chenden Zweck dienen (siehe dazu auch Abb. 13.2). Phase 1 Am Anfang steht eine inhaltliche Vorbereitung auf die Praxisgruppe der betroffenen Kanzlei, die interne Recherche-Phase. Aufgabenbeispiele reichen hier von einer Internetrecherche zum Fachbereich über das Lesen der bisher eingereichten Submissions, Pressemitteilungen
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Abb. 13.2 Phasen des Praxisgruppenkonzepts
und Pitches bis hin zu einer Team-Matrix, die aufzeigt, welche Expertise im Praxisgruppen- Team vertreten ist. Zum Ende der internen Recherchephase sollte dem Praxisgruppenleiter ein Abschlussbericht vorgelegt und in der Diskussion mit diesem vervollständigt werden. Phase 2 Die zweite Phase ist die Integrationsphase. Sie beginnt mit der offiziellen Vorstellung des MBD-Verantwortlichen innerhalb der Praxisgruppe. Danach gibt es drei Bereiche, die mit Aufgaben verknüpft sind: Admin, Networking und MBD-Integration. Hier reichen die Maßnahmen von der Aufnahme in den E-Mail-Verteiler und das Praxisgruppen-Meeting über Lunch-Termine bis hin zur Mandantenübersicht. Phase 3 Im dritten Schritt, der Implementierungsphase, geht es um die professionelle Verknüpfung von MBD und Praxisgruppe durch die drei Aktionsbereiche Wettbewerb, Mandanten/Sek toren und Marktverständnis. Hier sind Beispiele der zu vollziehenden Aufgaben Wett bewerbsanalysen oder Analysen der Mandatsstrukturen, Key-Client-Entwicklung, Targe tingpläne oder auch Vermarktungsfelder. Eine Umsetzung dieses Systems kann bis zu anderthalb Jahren dauern, da es in der Regel neben dem Alltagsgeschäft integriert werden muss. Es kann die Basis für eine wei tere Teamentwicklung bilden, die zu einem späteren Zeitpunkt einen Praxisgruppen- Support in Vollzeit beinhaltet, dann allerdings innerhalb eines sehr integrativen Systems und ohne Effizienzverluste im Gegensatz zum o. g. klassischen System der All-Rounder (ein BD-Support pro Praxisgruppe, der alles von A-Z erledigt).
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13.3 Optimierung und Professionalisierung Mit der jeweils passenden Struktur für den allgemeinen MBD-Bedarf in einer Kanzlei kom men meist bereits parallel die konkreten Notwendigkeiten des MBD-Alltags auf das Team zu. Anfragen zu Pressemitteilungen, Präsentationen für Mandanten, Submission-Deadlines, Broschüren, Veranstaltungen und vieles mehr. All diese Aufgaben kann man mit Hilfe der o. g. Struktur zwar zuordnen und im besten Fall sogar vom jeweiligen Spezialisten bear beiten lassen, aber dennoch gibt es viel Optimierungs- und Professionalisierungspotenzial. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sollen vier Betätigungsfelder näher beleuchtet werden: • • • •
Projektmanagement Priorisierung Standardisierung Proaktives MBD „mit Mehrwert“
Zudem kann man es sich zum Grundsatz machen, dass erst die Basics stehen und optimal laufen müssen, bevor man neue Felder oder zusätzliche Initiativen ins Leben ruft. Das ist in der Realität natürlich nicht immer möglich, weshalb eine gewisse Disziplin für lang fristige Projekte notwendig wird.
13.3.1 Projektmanagement Langfristige Verbesserungen sollten immer als Projekte und Initiativen organisiert sein. Das hat den Vorteil, dass Vorhaben nicht auf der Strecke bleiben, der Umbruch visibel und berechenbar ist sowie etablierte Tools für Projektmanagement und -steuerung auf die eige nen Aufgaben angewendet werden können. Wichtig ist es, Projekte und Initiativen konkret zu kommunizieren und auch die anvisierten Ergebnisse zu beleuchten, also ein gutes Er wartungsmanagement zu betreiben. Fallbeispiel: Veranstaltungen
Erstens sollte jede Veranstaltung als ein eigenes Projekt behandelt werden und einem Standardschema in der Organisation folgen. Dafür ist ein Projektplan nötig, die Fest legung von Standards und auch die Auswertung eines Eventreports. „Jede Veranstaltung ist ein eigenes Projekt und die Qualität steht und fällt mit Zeit, Geld und Manpower.“ Diese Aussage muss klar kommuniziert sein, da es um den Erfolg geht. Veranstaltungen sind eine der wichtigsten Vermarktungs- und Vertriebsmaßnahmen von Kanzleien. Zweitens ist eine derartige Strukturierung/Standardisierung einer Maßnahme als Ini tiative zu organisieren. Zeit und Aufwand, die eine solche Strukturierung mit sich bringt, sind möglichst präzise abzuschätzen, inklusive der aktuellen und der zu erreichenden Kennzahlen. So kann dann auch der Erfolg der Initiative gemessen werden. ◄
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13.3.2 Priorisierung Welche Bereiche sind strategisch wichtig? Wo werden zu viele Ressourcen im operativen Geschäft gebunden? Was sind die Präferenzen der Partnerschaft oder des Managements? Mit diesen und anderen Fragen muss man sich auseinander setzen, wenn man Optimie rungsinitiativen implementieren will, da in der Regel nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Bestimmte Dinge sind wichtiger als andere, egal aus welchen Gründen. Rein rational ist die Priorität auf Basics und die Frage, ob eine Maßnahme Außen wirkung hat oder nicht, eine hilfreiche Entscheidungsgrundlage. Damit sind Websites und Marketingmaterialien relativ weit vorne zu sehen. Diese haben auch den Vorteil, dass sie als Grundlage für weiterreichende Entwicklungen anderer Bereiche dienen können. Zur Priorisierung gehört auch, das Tagesgeschäft dadurch zu optimieren, dass ab und an lang fristige Projekte im Fokus stehen, zumindest für einen verträglichen Zeitraum, um da durch die alltägliche Auslastung zu verbessern. Fallbeispiel: Capability-Statements
Als Beispiel für ein langfristiges Projekt zur Optimierung des MBD dient die einheit liche Erstellung von Capability-Statements/Produktblättern/Kurzprofilen als eine sehr wirkungsvolle Maßnahme. Man beginnt mit den größten Fachbereichen und bricht diese immer weiter herunter. Essenziell ist eine unumstößliche Grundstruktur, um ein heitlich zu bleiben: möglichst zwei Seiten, möglichst aussagekräftige Inhalte. Schafft man es, dies umzusetzen, hat man mehrere Einsatzmöglichkeiten für diese Inhalte: • • • • • •
Print/Auslage PDF/Versand Website Pitch-Kapitel (additierbar) Broschüren (Kernelemente einer Broschüre) Interne Verwendung (Vorstellung bei anderen Bereichen)
Kurz, lebendig, einheitlich und leicht „verdaulich“ für Externe und Interne, das sind die inhaltlichen Vorteile dieses standardisierten Tools. Zudem ist nach diesem Prinzip die Fortentwicklung von Sektoren oder Spezialbereichen einfacher voranzutreiben. Die Herausforderung ist es, ein System einzurichten, das die Aktualität der Materialien und den Zugang zu den neuesten Versionen garantiert. ◄
13.3.3 Standardisierung Ein Bestandteil von Professionalisierung ist immer auch die Prozessoptimierung, um hö here Effizienz und Qualität zu erreichen. In vielen MBD-Bereichen für Kanzleien gibt es Standardisierungspotenzial, insbesondere bei den Basics. Natürlich ist dies genau wie an
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anderer Stelle auch immer mit einer Bedarfsklärung und dem entsprechenden Einver nehmen der internen Kunden verbunden. Hat man dies sichergestellt, sind Standards zur Erreichung eines gewissen Servicelevels sehr hilfreich, um über die Basics hinaus fort geschrittenes MBD anbieten zu können. Fallbeispiel: Pitchbausteinsystem
„Ein individualisiertes Angebot in kreativer Aufmachung, fachlich top und bitte inner halb der nächsten zwei Stunden.“ Solch eine Anfrage wird einigen bekannt vorkommen. Allerdings wird man diesem Anspruch schwer gerecht, wenn man jeden Pitch von Grund auf neu beginnt. Ein System aus Standards ist hier von Vorteil. Was sind die Kernkomponenten eines Pitches? Allgemeine Informationen (Ein leitung/Letter of Introduction, allgemeine Kanzleiinformationen, Pricing), Anwalts profile, Erfahrungen, Fachbereichsbeschreibungen. Diese Komponenten kann man als Bausteine zur Verfügung stellen, um schnell ein Angebot zusammenzustellen. Niemand möchte in Eile alle Pitches der letzten Monate nach ähnlichen Inhalten zur Wiederver wertung durchsuchen. Die Zeitersparnis ist enorm und ermöglicht eine echte Individualisierung des Propo sals. Die Bearbeitungszeit kann teilweise von mehreren Tagen auf einige Stunden redu ziert werden. Dies bedeutet einen hohen laufenden Aufwand für das MBD-Team und die Anwaltsseite, da viele Basics betroffen sind (Biografien, Capability-Statements, Erfahrungslisten, Grundpräsentation/-pitchdokument). Für diese Komponenten ist ein eigenständiges System für regelmäßige Updates nötig. Standards innerhalb dieser Komponenten ermöglichen das nahtlose Zusammenführen zum ersten Pitchentwurf. Langfristig spart man operative Ressourcen und minimiert Stress oder gar Konflikte zwischen MBD, Anwälten und Sekretariaten (Erwartungen vs. möglicher Output). Ein weiterer Aspekt ist die Standardisierung von Prozessen und deren Bekanntheit bei allen Beteiligten. Trainings und regelmäßige Updates sind erforderlich, um zu ver deutlichen, wer wann an welchem Arbeitsprozess beteiligt ist, wenn ein Angebot er stellt wird. Es ist viel leichter einem einheitlichen Prozess zu folgen, als immer wieder pro Einzelfall die Aufgaben und Verantwortlichkeiten neu auszuhandeln, obwohl be reits am Pitch gearbeitet werden müsste. Erfolgreich umgesetzt liefert Standardisierung Mehrwert für den internen Kunden ebenso wie für den Mandaten der Kanzlei: weniger Stress, Individualisierung, schnelle Reaktionsfähigkeit und einheitlich gesicherte Qualitätsstandards: Zeit für mehr als die Basics! ◄
13.3.4 Proaktives MBD „mit Mehrwert“ Mehr als „nur“ solides MBD für eine Kanzlei bieten, wer möchte das nicht? Das kann durch die Optimierung und Professionalisierung der Basics erreicht werden. Doch was ist dann fortgeschrittenes MBD und wie implementiert man es in der jeweiligen Kanzlei? Auch dabei ist es essenziell, die Ansprüche zu klären und eine entsprechende Vision für das MBD-Team zu formulieren. Ein mögliches Beispiel wäre: „Zu Beratern auf Augen
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Abb. 13.3 Vorteile des individuellen BD
höhe mit den Partnern zu wachsen“. Das ist ein langer Weg und kann immer wieder auf die Probe gestellt werden. Jedoch ist eine solche Vision die Essenz des Antriebs für viele wichtige Projekte. Die strategische Verwendung der Basics sowie individuelle, also auf den konkreten Be darf zugeschnittene Sonderprojekte, sind mögliche Ansätze. Bei der strategischen Planung der Basics müssen vorab die richtigen Fragen gestellt werden. Wie genau stellt man das Budget auf? Welchen Fokus hat die Mediaplanung im nächsten Jahr? Welche Ziele verfolgen wir auf der Website und in den sozialen Netz werken? Welches Basic benötigt weitere Optimierung, bspw. Proposals? Diese strategi schen Fragen müssen zum einen einem Gesamtzweck dienen, aber auch jede für sich strategisch ausgestaltet werden, mindestens für die Laufzeit von einem Jahr, wenn mög lich jedoch langfristiger. Individuelle Sonderprojekte sind maßgeschneidert für die jeweilige Kanzleistrategie. Was steht im Fokus? Wachstum? Integration? Nachwuchs? Profitabilität? Kanzleikultur bzw. Markenwerte? Fallbeispiel: Individuelles BD
Für Wachstum und Integration kann eine gezielte Initiative für Partner und High Poten tials eine unterstützende Rolle spielen: Individuelles BD. Das individuelle BD kann Laterals schneller an die Kanzlei heranführen, das jeweilige Geschäft früher integrieren und Synergien heben. Bei High Potentials ist es ein sehr geeignetes Tool zum Aufbau des eigenen Business Cases. Hier unterstützt ein erfahrenes MBD-Teammitglied einen Anwalt bei der persönlichen Geschäftsentwicklung. Dies ist zwar eine nicht zu unter schätzende Ressourcen-Allokation, kann aber bei strategischer Auswahl der Teil nehmer einen enormen Boost ermöglichen (siehe dazu Abb. 13.3). ◄
13.4 Akzeptanz und Integration „Was machen Sie hier eigentlich?“- Diese Frage wurde einer Kollegin vor einigen Jahren von einem Partner in einer internationalen Kanzlei gestellt. Ihre Antwort im Eifer des All tagsgeschäfts war: „Das frage ich mich auch manchmal..!“ Der Partner, der diese Frage
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gestellt hatte, meinte dies allerdings wohlwollend, er bat darum, sich mal zum Lunch zu treffen, um mehr über die MBD-Funktion zu erfahren. Das Beispiel verdeutlicht, dass MBD auch in Großkanzleien bis heute nicht für jeden selbstverständlich ist. Anwälte erlernen während ihres Studiums kein Marketing. MBD hat aus dieser Perspektive keine Daseinsberechtigung per se, sondern muss sich häufig der Frage stellen „Was hat der Anwalt persönlich davon?“ Daher steht der MBD-Bereich, ähn lich wie externe Provider, unter konstantem Legitimationsdruck. Kommunikation und Kooperation sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration in die Kanzleistrukturen. Für das Ansehen der Abteilung sind ein hoher Serviceansatz und das Verständnis des Kanzleimarktes von großer Bedeutung. Projekte und Initiativen müssen klar ausgestaltet und kommuniziert werden, ebenso deren Zwischenstände. Hier sind das Management und auch die breitere Partnerschaft Key-Stakeholder. Programme wie das o. g. Praxisgruppenkonzept fördern die Zusammen arbeit mit den Fachbereichen und zeigen dort auch den Mehrwert im Detail. Gleichzeitig tragen so alle beteiligten MBDs zur informativen Durchdringung der Anwaltsstrukturen bei. Standards, Services und Zuständigkeiten sind so schneller verbreitet. Ähnlich fungie ren das individuelle BD, das Key Account-Management und die gemeinsame Produktent wicklung. Bei abteilungsübergreifenden Initiativen wie Personalmarketing oder Umsatzanalysen für Key-Clients hat man die Möglichkeit, stärker mit den anderen Business-Services zu sammenzuarbeiten. Sie sind ein weiterer wichtiger Stakeholder, da es zur Realisierung starker Projekte immer einer erfolgreichen Kooperation der Abteilungen bedarf. Nicht zu vergessen sind die Sekretariate, PAs und Rechtsanwalts- und Notarfachange stellten. Sie sind der verlängerte Arm der Partner und insbesondere bei den Basics stark eingebunden, ob Veranstaltungen, Pitches und Proposals, Akquisetermine oder Mandan tenpflege. Im Falle von mehreren Standorten ist es hilfreich für die Integration, eine lokale Kom ponente im Team zu etablieren. Ein Ansprechpartner vor Ort, der das gesamte Team fach lich koordinieren kann, wenn lokaler Service abgefragt wird oder MBD-Initiativen gema naged werden müssen, hat einen hohen Integrationswert. Es bietet sich an, einen Senior damit zu beauftragen, um Themen gleich von Beginn an richtig einschätzen zu können. Dadurch bietet man den internen Kunden vor Ort einen hohen Serviceanspruch – und guter Service ist ein Schlüssel zu guter Integration. Service beginnt schon bei der Erreichbarkeit. Eine Hotline wie die Team-Durchwahl -623 muss auch erreichbar sein. Dazu können ein entsprechendes System in der Rufabfolge und ein festgesetzter Erstkontakt beitragen. Ein Team-Organigramm hilft wiederum, die Kern aufgaben mit Personen zu verknüpfen und so eine einfache Kontaktaufnahme zu be stimmten Themen zu ermöglichen. Wichtig ist der Grundsatz, dass jede Anfrage auf genommen wird, egal wer im Team zuständig ist. Es kann später immer noch intern koordiniert werden, wer der Spezialist ist. Die Einhaltung von Servicestandards (Erreichbarkeit, Kooperation, Responsiveness, Antizipation, Zielorientierung) wird immer eine sehr positive Resonanz hervorrufen. Es ist Aufgabe des Teamleiters sicherzustellen, dass das nötige Level vom Team ein gehalten wird.
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Hierbei unterstützt die Team-Vision. Diese ist zusammen mit der allgemeinen Kanzlei strategie das Fundament für eine MBD-Strategie, die möglichst jährlich gestaltet, kommu niziert und umgesetzt wird. Sie ist die Basis für die Maßnahmen und Schwerpunkte des Umsetzungszeitraums. Leuchtturm- und Pilotprojekte, Best Practices und Optimierungs-/ Professionalisierungsinitiativen, Kampagnen und Umstrukturierungen sind die Inhalte, die in die Strategie einfließen sollten. Damit setzt man klare Ziele und verdeutlicht, warum MBD nicht nur der Kanzlei als Ganzes, sondern auch dem einzelnen Anwalt nützt. Mit der klaren Kommunikation dieser Projekte erreicht man auch eine Transparenz, die zur höhe ren Akzeptanz des gesamten Teams führt. Als Basis für strategische Entscheidungen und auch um Erfolge messbar zu machen, dienen Kennzahlen (KPIs), denen der nächste Abschnitt gewidmet ist – neben Leucht turmprojekten eine großartige Antwort auf die Frage „Was machen Sie hier eigentlich?“.
13.5 Wirtschaftlichkeit und Kennzahlen (KPIs) Key Performance Indicators (KPIs) sind für eine wirtschaftliche Herangehensweise bei der Entwicklung einer MBD-Abteilung unabkömmlich. Kennzahlen sind die Basis für jede strategische Entscheidung und auch die Messlatte für Projekte und Initiativen. Außer dem dienen Sie der Visibilität von MBD in einer Kanzlei. Wenn nach einem Optimierungs projekt bei gleicher Personaldecke doppelt so viele Proposals bearbeitet wurden, sprechen die Zahlen für sich. Datenanalysen bieten ein weites Feld an Betätigung. Hier gilt es für die relevanten Be reiche insbesondere die Performance und die Wirtschaftlichkeit ins Blickfeld zu ziehen. Nur für einzelne Projekte sollten weitere Daten erhoben werden, um nicht in einer Daten flut zu enden. Diese Gefahr besteht, insbesondere in Bereichen, die bereits hoch techni siert sind. Für die Performanceanalyse sind die o. g. Arbeitsmodule äußerst hilfreich. Einmal mit Kennzahlen bestückt, sind sie auch nach einem Modul-Tausch zwischen Mitarbeitern weiterhin analysierbar. Beispiele für KPIs einzelner Arbeitsmodule: • Events – Kosten, Teilnehmer, Anzahl/Jahr (Abb. 13.4), entstandene Mandate • Pressearbeit – Platzierungen, Pressemitteilungen, Veröffentlichungen, Anzeigenäqui valenzwert • Mediaplanung – Anzeigenanzahl (Abb. 13.5), potenzielle Rezipienten, Kosten • Directories – Submissions, Rankings, Fachbereiche • Proposals/Pitches – Anzahl, Won/Loss, heruntergebrochen auf Personen/Praxis gruppen etc. • Collateral – Sprachen, Anzahl der Materialien, Aktualität, Fachbereiche • Website – Seitenanzahl und Updates sowie alle Online-Analysetools zu Zugriffszahlen
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Abb. 13.4 Beispiel für Kennzahlen: Anzeigen
Abb. 13.5 Beispiel für Kennzahlen: Events
Zusätzlich können kanzleiweite Kennzahlen von Relevanz sein, die natürlich auch für die MBD-Funktion eine Rolle spielen. Dazu gehören der allgemeine Markenwert (externe Rankings), die Umsatz-, Wachstums- oder auch Bewerberzahlen,2 je nach den Schwer punkten der MBD-Aktivitäten. Bei der Wirtschaftlichkeit müssen die finanziellen Kennzahlen fortlaufend im Blick behalten werden. Hier geht es zum einen darum, den Return on Investment (ROI) konkre ter Maßnahmen zu prüfen, aber auch um die Kostenstruktur des MBD insgesamt. Zur Rolle der Kanzleimarke siehe meine Ausführungen in: „Know the Way! Die Rolle des Marken werts für Wirtschaftskanzleien: das Fallbeispiel Dentons,“ Apr 17, 2013, in: Deutscher Anwalt spiegel – Ausgabe 08/2013. 2
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Im B2B-Segment ist der Anteil an Marketingausgaben im Vergleich zum B2C sehr viel geringer. Da Kanzleien teilweise noch traditioneller budgetieren als andere Dienstleister, ist eine sinnvolle Allokation von Investitionen auch wettbewerbsrelevant. Ein regelmäßiges Controlling der Maßnahmen und eine strategische Jahresplanung des Budgets dienen der Sicherstellung des ROI, mittel- und langfristig. Hier bietet sich ein monatliches Reporting in Absprache mit dem Controlling an. Eine sehr wichtige Kennzahl sind auch die Personalkosten gemessen am Umsatz der Kanzlei. Während sich viele gerne den Headcount ansehen, um zu entscheiden, wie sinn voll eine MBD Abteilung aufgestellt ist, gibt letztendlich das tatsächliche Kosten- Ensemble den Ausschlag. Sind die Kosten gemessen am Gesamtumsatz gestiegen oder gefallen? Das heißt nicht, dass ein Anstieg immer zum Nachteil gereicht, aber man kann über die Jahre Tendenzen erkennen und auch strategische Ausrichtungen gemäß der Kanzleientwicklung vornehmen. Haben Sie bspw. in Jahr eins drei Teammitglieder für € 150k/Jahr und das Team ent wickelt sich in den nächsten vier Jahren auf vier Team-Mitglieder zu insgesamt € 200k/ Jahr ist das zwar ein absoluter Anstieg um 33 %. Aber gemessen am Umsatzanstieg der Top100-Kanzleien im Durchschnitt (von € 6,33 Mrd. in 2017/2018 (Lienemann 2018) auf € 8,3 Mrd. in 2021/2022 (Juve.de. 2022)) in vier Jahren um 31 % ist das zu relativie ren. Gemessen am Durchschnittsumsatz sind wir dann bei ca. 2 % Wachstum der Personalkosten. Das ist je nach Kanzleistrategie angemessen oder nicht, aber mit einem Blick auf den immer kompetitiver werdenden Kanzleimarkt ein wohl eher moderates Wachstum. Man kommt damit schnell zum Thema, wie wichtig erfolgreiches Rekrutieren und Hal ten von Fachkräften sind, denn eventuell anfallende Rekrutierungskosten oder Effizienz schwankungen aufgrund von Abgängen können oben benannte Werte noch weiter beein flussen. Neben den allgemeinen Parametern der jeweiligen Kanzlei ist also das direkte Team-Management ein Schwerpunkt.
13.6 Team-Management Die Rekrutierung und das Halten von Mitarbeitern stellen im Kanzleimarkt eine besondere Herausforderung dar, sind aber gleichzeitig die Basis für die Implementierung von profes sionellem und effektivem MBD. Neben den üblichen Performance- und Stress anforderungen der Beratungsbranche sind die speziellen Anforderungen an die Tätigkeit im Kanzleiumfeld für den Recruiter Fluch und Segen zugleich. Da es keine Ausbildung und kein Studium für MBD in Professional Services Firms gibt, muss man auf Erfahrung und die Nutzung der jeweils eigenen Fertigkeiten des zukünftigen Mitarbeiters bauen. Auf der anderen Seite ist dies ein Vorteil. Fachliche Vielfalt, die unterschiedliche Herangehens weisen an Einzelfälle möglich macht und dadurch dem Team insgesamt ein größeres Port folio an Lösungsansätzen bietet, birgt enormes Potenzial.
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Mögliche Grundlagen für einen Rekrutierungsansatz bilden drei Strategien: • Kanzleierfahrung – Fokus auf Mitarbeiter, die bereits in Kanzleien oder Professional Services Firms tätig waren. Das kann teuer werden, da der Markt überschaubar ist. Des Weiteren bringt es in der Regel eher Konzepte aus anderen Kanzleien in die eigene Kanzleikultur. Zudem ist der allgemeine Grundsatz ggf. zutreffend: 12 Jahre Erfahrung können 12 sehr monotone Jahre gewesen sein. • Erfahrene Mitarbeiter aus anderen Branchen – Fokus auf Top-Fachkräfte nach MBD-Bedürfnissen. Sicherlich belebend und auch sehr professionell von Beginn an. Jedoch besteht die Gefahr, dass eine Tätigkeit im Rechtsmarkt für diese Fachkräfte nicht lange in Frage kommt. • Nachwuchskonzept – Die Ausbildung von Berufsanfängern. Eine langfristige In vestition, die erstens Zeit in Anspruch nimmt und zweitens eine gewisse Fluktuation bringt. Einmal mit dem Umfeld arrangiert birgt die Branche ein hohes Maß an Möglich keiten, Talente weiterzuentwickeln und entsprechend zu fördern. In der Umsetzung wird meist eine Kombination aus verschiedenen Konzepten realisiert, dennoch ist es hilfreich, hier eine strategische Grundlage zu haben, an der man sein Team ausrichtet. Für das Halten von Talenten allgemein gibt es genügend Material. Hier soll es daher nur zu einigen marktspezifischen Themen Vorschläge geben, die eine Basis für das jeweils vom Teamleader individuell abhängige Management bieten. Zwei Punkte tauchen im Austausch mit MBD-Leitern immer wieder auf: 1) die Not wendigkeit, sehr flexibel zu sein, und zwar im Alltagsgeschäft ebenso wie bei strategi schen Ansätzen, 2) die Motivation des MBD-Teams aufrecht zu erhalten, um dem hohen Anspruch, gepaart mit möglichst hoher Effizienz, gerecht werden zu können. Doch wie bleibt man flexibel ohne die Motivation zu sehr zu strapazieren? Einerseits erwartet ein Mitarbeiter eine klare Struktur, um sich innerhalb dieser seinen täglichen Herausforderungen zu stellen. Andererseits steht man vor einer Vielzahl von Ansprüchen, die bedient und auch häufig den Marktveränderungen angepasst werden müssen. Grundsätzlich ist es eine gute Möglichkeit, die Vision fürs Team „als Berater auf Augenhöhe“ aufrecht zu erhalten, da dies auch die Flexibilität beinhaltet, dem internen Kunden bei einem Prioritätenwechsel zu folgen, dies aber innerhalb der eigenen Grenzen umzusetzen. Diese eigenen Grenzen können Arbeitsmodule, eine klare strategische Pla nung und die Vielschichtigkeit von Team-Positionen, siehe Praxisgruppenkonzept, sein. In den jeweiligen individuellen Jahres-/Halbjahres- oder Quartalsgesprächen mit dem Team können die in diese Konzepte eingebetteten Ziele weiterverfolgt oder auch entsprechend adaptiert werden. In gewisser Weise schließt sich hier der Kreis der Implementierung, denn die Um setzung von Strategien erfolgt durch jedes einzelne Teammitglied und sollte sich daher mit der MBD-Strategie sowie der Team-Vision decken. Die Bereitschaft, diese Ziele zu er
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füllen, ist in der Regel sehr hoch. Zudem kann die individuelle Performance für alle Seiten nachvollziehbar gemessen werden. Neben der Sicherstellung einer solchen Planungskultur ist eine starke Team- Kommunikation wichtig. Möglichst früh sollten Veränderungen im Team oder der Schwer punktsetzung der Kanzlei angesprochen werden, um Lösungen finden zu können und Zeit für Umstellungen zu haben. Nicht nur aus Motivationsgründen, sondern auch zur Er reichung hochwertiger Ergebnisse, ist in solchen Fällen die Partizipation des Teams be sonders wichtig. Häufig finden sich so auch schneller Win-Win Situationen, zum Beispiel durch das Tauschen von Arbeitsmodulen oder die Neuausrichtung eines Bereichs. So kann sogar die bewusste Rotation von Arbeitsmodulen sehr positive Auswirkungen auf er fahrene Team-Mitglieder haben. Zur guten Kommunikation gehört zusätzlich die kontinuierliche Bearbeitung der for mulierten Vision und Strategie, um insbesondere bei langfristigen Projekten am Ball zu bleiben. Ebenso sollten jedem Teammitglied die Teamstruktur und deren Elemente (Mo dule, Organigramme, Praxisgruppenzuordnungen) zu jeder Zeit bewusst sein. Für den einzelnen Mitarbeiter ist es sehr wichtig, seine Weiterentwicklung, seinen Aufstieg in der Teamstruktur und die Partizipation an wichtigen Themen sichergestellt zu wissen. Ganz dem Anspruch eines hoch professionellen MBD folgend, ist die Weiterent wicklung der Talente ein weiteres Kernelement. Weiterbildung innerhalb und außerhalb der Branche, Nutzung von Diskussionsmaterial für fachlichen Austausch im Team (bspw. regelmäßige Case-Studies von Arbeitsabläufen oder Updates aus den jeweils zugeordneten Fachbereichen für den Rest des Teams, Besprechung von Artikeln aus dem Markt) sowie interne Ausbildungsinitiativen (bspw. Praxisgruppenkonzept oder Coaching/Mentoring) sind essenziell für die Professionalisierung jedes Einzelnen. Diesem Anspruch kommt das abwechslungsreiche Arbeitsumfeld im Kanzleimarkt definitiv zugute. Flexibilität ist aber auch ein großer Vorteil, um den Arbeitsplatz im Team attraktiver zu gestalten. Denn Elternzeit, plötzliche Abgänge oder auch Sabbaticals sind so weniger schmerzhaft für das gesamte Team und gewähren die Möglichkeit, auf individuelle Lebensmodelle als Team reagieren zu können. Das wiederum sichert Know-how in einem sehr spezialisierten Markt. Für die verantwortliche Teamspitze sind alle genannten Punkte eine Herausforderung, denn mit ihr steht und fällt das Grundkonzept sowie die tatsächlich gelebte Teamkultur.
13.7 Zusammenfassung Struktur, Optimierung und Professionalisierung, Integration und Akzeptanz, Wirtschaft lichkeit und Kennzahlen (KPIs) und Team-Management – sind diese fünf Samen gesät und wird für ausreichend Pflege der daraus entstehenden Pflanze gesorgt, ist die Wahrschein lichkeit sehr hoch, dass die entsprechenden Früchte geerntet werden können. Mit einer
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inhaltlich klaren MBD-Struktur ist bereits die Grundlage gelegt. Darauf baut die Optimie rung und Professionalisierung der fachlichen MBD-Felder auf. Kombiniert man das noch mit einer Ausweitung des Angebots auf die betroffenen Praxisgruppen der Kanzlei durch das Praxisgruppenkonzept, kommen drei weitere Vorteile dazu: ein großer Integrations schritt, Synergien in den bestehenden Arbeitsabläufen und das Potenzial für Mehrwert, zusätzlich zum allgemeinen internen Serviceangebot. Zur Pflege dieser etablierten Strukturen ist es notwendig, mit allen relevanten internen Stakeholdern auf hohem Level zusammenzuarbeiten und die Teamstruktur den Bedürf nissen der jeweiligen Kanzlei anzupassen. Unterstützung liefern zudem die KPIs, denn dadurch werden Maßnahmen, Projekte und Initiativen messbar und kommunizierbar. Erfolgreiche Resultate unterstützen die Professionalisierung und mehren das Vertrauen in die MBD-Funktion. Daraus kann die Unterstützung für die nächste Professionalisierungs initiative erwachsen. Doch was ist das Wichtigste, um ein derartiges Konzept zum Erfolg zu bringen und vor allem am Laufen zu halten? Das Team. Kein Einzelkämpfer kann diese Vielfalt bedienen und der Mehrwert entstammt immer einer Gemeinschaftsanstrengung, die mehr wert ist als die Summe ihrer einzelnen Teile. An vielen Stellen geht es natürlich auch um das Indi viduum und genau das muss von der Teamleitung im Blick behalten und adressiert wer den. Das Beratungsbusiness ist People’s Business. Für die MBD-Funktion ist dies sogar doppelt wichtig, da der Mandant der Kanzlei im Blick behalten werden muss, aber im Tagesgeschäft insbesondere der interne Kunde, der Anwalt der Kanzlei, im Vorder grund steht. Nur mit der richtigen Motivation gelingen große Sprünge. Die Verantwortlichen müs sen bereits beim Recruitment die richtige Wahl treffen und kontinuierlich für eine leben dige Teamkultur sorgen. Dazu gehören klare Ansagen ebenso wie die fortwährende Adaption des Systems an die äußeren Faktoren, um immer flexibel genug sein zu können, wenn es nötig ist. Schaffen Sie professionelle Strukturen, kommunizieren Sie diese und legen Sie im Tagesgeschäft Ihr Hauptaugenmerk auf Ihre internen Kunden und Ihr eigenes Team! Dann können Sie davon ausgehen, die Früchte Ihrer Saat bald ernten zu können.
Literatur Juve.de. 2022. JUVE 100: Wirtschaftskanzleien erreichen Rekordumsatz im Geschäftsjahr 2021/22, vom 28.09.2022. https://www.juve.de/pressemitteilungen/juve-100-wirtschaftskanzleien-erreichen- rekordumsatz-im-geschaeftsjahr-2021-22/. Zugegriffen am 10.03.2023. Kovačević, Philip. 2013. „Know the Way! Die Rolle des Markenwerts für Wirtschaftskanzleien: das Fallbeispiel Dentons,“ Apr 17, 2013. In Deutscher Anwaltspiegel – Ausgabe 08/2013. Lienemann, Eva. 2018. Der Kuchen wird immer größer, vom 26.09.2018. https://www.juve.de/ markt-und-management/kanzleiumsaetze-der-kuchen-wird-immer-groesser/. Zugegriffen am 10.03.2023.
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P. Kovačević Philip Kovačević ist Marketing und Business Development Direc tor für die deutschen Büros der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons. Er begann seine Tätigkeit im Rechtsmarkt im Jahr 2008 bei der inter nationalen Kanzlei Salans LLP, einer der Gründungskanzleien von Dentons. Er studierte Geschichtswissenschaften, Politikwissenschaften und Teilgebiete des Rechts an der Freien Universität Berlin. Neben seiner Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter sammelte er berufliche Erfahrung im redaktionellen Bereich bei verschiedenen Magazinen sowie im Rahmen von gemeinnützigen Projekten. Philip Kovačević durchlief nahezu alle Bereiche des Kanzlei marketings und Business Developments. Neben der Leitung des deut schen MBD-Teams von Dentons ist er besonders im strategischen MBD sowie dem internen Coaching und Mentoring tätig. Er hält seit 2017 das Practitioner Diploma in Executive Coaching der AoEC (Academy of Executive Coaching). Er zudem als Practitioner beim EMCC (European Mentoring and Coaching Council) akkreditiert.
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14.1 Einführung Nur noch selten agieren Großkanzleien in unserer heutigen vernetzten Welt rein lokal ausgerichtet im deutschen Markt und Rechtsraum. Unter den zehn umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien in Deutschland hat lediglich eine Kanzlei ausschließlich Standorte in Deutschland. Laut dem aktuellen Juve Ranking besitzen 16 der Top 20 Kanzleien im deutschen Markt ein internationales Profil und sind an Standorten weltweit präsent.1 Diese Ausrichtung überrascht nicht, denn damit haben sich die meisten Großkanzleien schon vor Jahren dem Beratungsbedarf ihrer internationalen Mandanten2 angepasst. Entweder durch starke Expansion,3 meist aber durch Fusionen oder durch diverse mehr oder weniger exklusive Verbundkonstellationen, oft als Best Friends Netzwerke4 bezeichnet. Mandanten internationaler Kanzleien sind in der Regel global aufgestellt, in zahlreichen Juve 100 Umsatz. Juve Rechtsmarkt 10/2022. 36. Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 3 Chambi G (2016) Be Verein Aware: The Verein Structure and Attorneys’ Loyalty to Their Clients. American University Washington College of Law. www.ebglaw.com/wp-content/uploads/2016/04/ Chambi-Gabriela-Be-Verein-Aware-Epstein-Becker-Green-Robert-D-Reif-Fellowship.pdf. Zugegriffen am 24.3.2023. 4 Die „Best Friends Group“, in der beispielsweise Hengeler Müller agiert, führt das mergermarket „2022 European legal advisor league table (ranked by value)“ Ranking an; https://www.hengeler. com/en/global/best-friends. 1 2
U. Johann-Wollbrink (*) München, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_14
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Märkten und Rechtsgebieten aktiv und damit mit einer Vielzahl an juristischen Fragen und Herausforderungen konfrontiert. Der Rechtsberatungsbedarf ist somit vielschichtig und selten auf Landesgrenzen beschränkt. Das europäische und internationale Angebot der Marketing und Business Development Aktivitäten auf diese Marktbedürfnisse auszurichten ist eine der Kernaufgaben, aber auch eine der großen Herausforderungen im Marketing-Mix von Kanzleien – bei der strategischen Planung, aber meist noch viel mehr in der darauf folgenden Umsetzung in der Praxis. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Ausrichtung von Marketing und Business Development Aktivitäten internationaler Großkanzleien in Europa. Dabei lassen sich die betrachteten Ansätze im Wesentlichen auch weltweit anwenden. Im Fokus steht, wie das europäische Angebot am besten konzipiert, ausgerichtet und vermarktet werden kann. Beleuchtet wird dabei insbesondere auch die Aufstellung und Aufgabenverteilung der Marketing und Business Development Funktionen. Für die folgenden Ausführungen wird eine Kanzlei mit Büros in mehreren europäischen Jurisdiktionen zugrunde gelegt, deren Serviceangebot mehrere Rechtsbereiche abdeckt. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Mandantenstruktur international agiert und damit ein Interesse an rechtlicher Beratung in mehreren europäischen Ländern besitzt. Im europaweiten und internationalen Kontext sind neben dem in diesem Kapitel betrachteten „Mehrwert-Angebot“ auch die Themen Cross-Selling, CRM und Pitching von großer Relevanz. Hierzu wird auf die weiteren Kapitel dieses Buchs zu diesen Themen verwiesen.
14.2 Das Spannungsfeld der Matrix Internationale Kanzleien stehen bei der strategischen Planung, Gestaltung und Umsetzung ihrer Marketing und Business Development Aktivitäten vor besonderen Herausforderungen. Die meisten Kanzleieinheiten operieren in (teilweise sehr komplexen) Matrix-Strukturen, in denen sich lokale und internationale Prozesse und Strukturen naturgemäß überlappen. Verschiedene Jurisdiktionen, die Ausrichtung nach Praxisgruppen und Sektoren sowie übergreifenden Themen (aktuelles Beispiel ist der Bereich ESG/Nachhaltigkeit) verleihen der Matrix zusätzliche Komplexität.5 In diesem Spannungsfeld gilt nun die Prämisse, dass die Mandantenansprache, Produkte sowie europaweite Themen und Kampagnen immer zielgruppengerecht für den jeweiligen lokalen Markt aufbereitet werden sollten. Möchte man in diesem Sinne internationales und lokales Marketing und Business Development erfolgreich verbinden, müssen hierfür die richtigen Strukturen, Ansätze und Prozesse geschaffen werden. Dabei gilt es, die verschiedenen Ebenen der Matrix – Länder, Praxisgruppen, Sektoren, übergreifende Themen – sinnvoll und gleichzeitig zielgerichtet zu verbinden.
Die Herausforderungen und Eigendynamiken einer Partnerschaftsstruktur machen die Sachlage nicht weniger komplex, was bei der weiteren Analyse allerdings außer Betracht gelassen wird. 5
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Thema/ Kampagne/ Produkt 1 Übergreifende Themen (z. B. ESG)
Thema/ Kampagne/ Produkt 2
Abb. 14.1 Beispielhafter Marketing-Mix in der Matrixstruktur
Die Zusammenführung all dieser Faktoren ist komplex und herausfordernd. Daher gelingt sie auch nicht immer. Nicht selten bleibt wertvolles Potenzial ungenutzt, weil einzelne Länder einem selbstdefinierten lokalen Ansatz den Vorzug geben. Die Matrix bietet aus Marketing und Business Development Perspektive eine Vielzahl an Möglichkeiten und Marketingoptionen, die sich allerdings verselbständigen, überlappen und gegebenenfalls auch kannibalisieren können (siehe Abb. 14.1). Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert daher eine klare Steuerung sowie ein transparentes Zusammenspiel zentraler und lokaler Einheiten. Nur so können Inhalte wie auch Kapazitäten/Teams effizient eingebunden und Projekte auf europäischer wie lokaler Ebene zeitgerecht umgesetzt werden.
14.3 Zentralisierung vs. Dezentralisierung Die strukturelle Aufstellung der Marketing und Business Development Abteilungen ist teilweise durch die jeweilige Matrixstruktur der Kanzlei vordefiniert. Bei der Entscheidung welche Marketingaktivitäten zentral und welche dezentral (und damit zumeist lokal) unterstützt werden sollen, gilt es die Vor- und Nachteile von Zentralisierung und Dezentralisierung sorgsam abzuwägen. Die richtige Verteilung von zentralen und lokalen Marketing und Business Development Einheiten bildet oft die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und damit auch für die erfolgreiche Umsetzung der europaweiten Aktivitäten. Die Vorteile einer zentralen Unterstützung liegen in der Konsistenz der Produkte, einer einheitlicheren Koordination und dadurch einer transparenteren und einfacheren Steuerung und Kontrolle. Prioritäten können stringenter im Sinne der Gesamtstrategie gesetzt werden
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und sind weniger von Einzelinteressen geleitet – ein in Partnerschaftsstrukturen nicht unerheblicher Faktor. Dennoch wird eine zu starke Zentralisierung von den lokalen Einheiten oft kritisch gesehen und kann zu Reibungen und Abgrenzungsdiskussionen zwischen den zentralen und lokalen Teams führen. Objektive Nachteile einer Zentralisierung sind eine eventuell fehlenden Marktnähe, die eine zu langsame Reaktion auf Veränderungen und fehlende Sensibilität für lokale Sondersituationen mit sich bringen kann. Dies birgt das Risiko, dass Entscheidungen getroffen und Angebote konzipiert werden, die von den lokalen Teams nicht mitgetragen oder im lokalen Markt nicht umgesetzt werden. Vorteile einer dezentrale Ausrichtung sind die direkten Marktanbindung wie auch die Möglichkeit, auf neue Entwicklungen schneller reagieren zu können. Unterschiedliche prozess- und kapazitätsbezogene Faktoren können flexibler ausgerichtet werden. Jedoch bringt die lokale Aufstellung die Herausforderung der mangelnden Transparenz zwischen den einzelnen Einheiten wie auch im Zusammenspiel mit der Gesamtkanzlei mit sich. Oft fehlt der Blick für das große Ganze („Silodenken“). Im Gegensatz zur zentralen Steuerung können Synergien und Skaleneffekte weniger gut genutzt werden. Oft läuft die Arbeit in mehreren lokalen Einheiten parallel und ist damit meist kostenintensiver. Effizienz- und Qualitätsverluste vermindern somit gerade bei gemeinsamen Produkten ein optimales Ergebnis. Ein Großteil der im europäischen Markt agierenden internationalen Kanzleien hat ihre Marketing und Business Development Teams in zentrale und lokale Einheiten unterteilt, die bei länderübergreifenden Projekten und Angeboten – im besten Fall – eng zusammen arbeiten. Ein gutes Zusammenspiel dieser Teams erfordert eine klare Aufgabenteilung, transparente Kommunikation, aber auch die Bereitschaft, sich bei Schnittstellenthemen immer wieder neu auszurichten.
14.4 Das länderübergreifende „Mehrwert-Angebot“: Internationaler Inhalt und lokale Anpassung Das juristische Angebot und die damit verbundenen Marketingaktivitäten länderübergreifend und ganzheitlich zu planen und im Anschluss mandanten- wie auch marktgerecht aufzubereiten, ist für internationale Kanzleien ein wichtiger Teil des Marketing-Mix. Angebote dieser Art zahlen nicht nur auf das internationale Profil der Kanzlei ein, sondern bieten einen zusätzlichen Mehrwert bei der Mandantenansprache und Profilierung im lokalen Markt. Durch diese Produkte erfolgt insbesondere eine Abgrenzung zu lokalen Marktführern, die Angebote länderübergreifender Natur selten ebenbürtig in entsprechender Tiefe und Breite darstellen können. Für internationale Mandanten bilden solch europaweiten Angebote, die ein Thema umfänglich aus der Perspektive mehrerer Länder und/oder verschiedenere Rechtsbereiche beleuchten, einen großen Mehrwert. Rechtsabteilungen in deutschen Konzernen betreuen oft mehr als einen Markt und profitieren daher von länderübergreifenden Analysen, die gemeinsame Herausforderungen, aber auch Feinheiten und Unterschiede sowie neue Trends in den einzelnen europäischen Jurisdiktionen herausarbeiten und bewerten.
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Kanzleien können bei ihrem Angebot auf eine breite Palette an internationalen Produkten6 zurückgreifen, die je nach Aufstellung in verschiedenen Prozessen zentral und/oder dezentral zusammengestellt und über diverse Kanäle vermarktet werden. Einen Schwerpunkt des sogenannten „Mehrwert-Angebots“ bilden internationalen Studien oder länderübergreifende Reports, auf deren Inhalte und Mehrwert in Kampagnenform via Online Marketing (z. B. Website, LinkedIn, Bannerschaltungen), Direktmarketing und Newsletter oder Events zentral wie auch lokal aufmerksam gemacht wird. Am Beispiel dieses Mehrwert- Angebots werden im Folgenden die verschiedenen internen und externen Erfolgsfaktoren beleuchtet. Meist erfolgt die Koordination und Zusammenstellung eines europaweiten Produkts bzw. Themas und der dafür benötigten Inhalte durch zentrale Marketingexperten, die die Inhalte und Zulieferungen professionell koordinieren und steuern. Damit wird eine konsistente Aufbereitung wie auch ein einheitlicher Ansatz gewährleistet. Bei maßgeblichen, mehrere Länder/Bereiche/Themen umfassenden Angeboten stehen im besten Fall ein gesondertes Budget sowie die Unterstützung durch zentrale Marketing und Business Development wie auch Knowledge Management Ressourcen oder gar externe Dienstleister zur Verfügung. Dieses zeitliche wie auch finanzielle Investment lässt sich selten lokal a bbilden. Den lokalen Teams kommt wiederum auf PR- und Kommunikationsseite beim Launch und Roll-out eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Visibilität der Produkte zu. Die lokalen Business Development Teams sind hingegen meist stärker in die inhaltliche Konzeption und nach dem Launch in die Unterstützung der Anwaltsteams bei der langfristigeren Implementierung der Produkte sowie der konkreten Geschäftsanbahnung involviert. Die gerne auch als Glocalization7 bezeichnete Verbindung von globalen und lokalen Elementen in der Konzeption und Umsetzung von länderübergreifenden Angeboten gilt intern oft als Herausforderung. Bei entsprechender Planung und richtiger Einbeziehung aller Stakeholder haben solche Angebote jedoch einen hohen Mehrwert zu bieten. Dieser Added Value zahlt nicht nur auf die internationale wie auch die lokale Reputation der Kanzlei ein, sondern kann auch direkt zur Geschäftsgenerierung beitragen. Wie gelingt es nun, das Beste aus beiden Welten erfolgreich verbinden?
14.4.1 Interne Erfolgsfaktoren 14.4.1.1 Frühzeitige Einbindung als Akzeptanz-Booster Eine frühzeitige Einbindung aller Teams, die an der Entwicklung des jeweiligen Angebots beteiligt sind, ist von entscheidender Bedeutung. Ob zentral oder dezentral – Anwälte, Marketing und Business Development Teams wie auch etwaige andere beteiligte Einheiten Als Produkt gelten neben den vergleichenden Marktüberblicken und Studien auch Pitches, Workshops, Vorträge, Seminare, Events/Konferenzen und Tools wie digitale Plattformen, virtuelle Trainings/Online Schulungen, um nur einige Beispiele zu nennen. 7 Robertson R. (1995) Glocalization: Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity. In: Featherstone, M., Lash, S. and Robertson, R., Eds., Global Modernities, Sage Publications, London, 25–44. 6
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müssen an einem Strang ziehen. Wenn das Thema oder Produkt zentral konzipiert und gesteuert wird, kann eine frühzeitige Einbindung sogar zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren werden. Ein Fehlen der Beteiligung in der Konzeptionsphase kann später in den einzelnen Ländern zu mangelnder Akzeptanz führen und den Roll-out erschweren. Die Anwälte wie auch die lokal unterstützenden Marketing und Business Development Teams werden bei der Vermarktung des Produkts oder der jeweiligen Aktivität im Markt eine wesentliche Rolle spielen. Es darf nicht vergessen werden, dass die lokalen Anwälte als Treiber des Themas intern und extern im lokalen Markt fungieren. Sie sprechen den Mandanten (oft direkt) an. Eine frühzeitige Einbindung sichert so nicht nur die Akzeptanz, sie verhilft im weiteren auch zu einer schnelleren Umsetzung und einer besseren Verbreitung des Produkts im lokalen Markt. Frühzeitige Einbindung und Planbarkeit sind zudem grundlegend, damit weitere, auf der lokalen Ebene geplante Marketingaktivitäten nicht mit den zentral geplanten Projekten zeitlich oder inhaltlich kollidieren. Gerade in kleineren Büros oder Jurisdiktionen mit schmal aufgestellter Marketing und Business Development Unterstützung vor Ort können diese Punkte die entscheidenden Stellschrauben sein, ob eine Aktivität im lokalen Markt entsprechend begleitet werden kann und dadurch die geplanten Aufmerksamkeit erhält.
14.4.1.2 Erfahrungswerte der lokalen Einheiten Die Erfahrungswerte der lokalen Marketing, Business Development wie auch Anwalts- Teams sind für den Erfolg jeglicher Aktivitäten und Projekte nicht zu vernachlässigen. Ihre Einschätzung sollte bei zentral gesteuerten Aktivitäten im Vorfeld frühzeitig mit einbezogen werden. Die lokalen Ansprechpartner können meist am besten beurteilen, welche Kanäle im jeweiligen Land am häufigsten genutzt werden und welche Aktivitäten die meiste Aussicht auf Erfolg und Geschäft versprechen. Kulturelle Aspekte und Feinheiten spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Frage, wie man die Anwaltsseite am besten einbindet und incentiviert. Oft sind die lokalen Marketing und Business Development Teams stark in den lokalen Roll-out eingebunden oder steuern diesen gar selbst. In den großen europäischen Märkten wie Deutschland, Frankreich oder Italien spielt zudem die Zweisprachigkeit eine Rolle. Fast immer wird der zentrale Content auf Englisch erstellt. Dadurch können umfangreiche Übersetzungs- und Anpassungsaufgaben auf die lokalen Teams zukommen. Daher ist hier eine entsprechende Vorlaufzeit genauso wichtig wie die enge Zusammenarbeit mit den etwaigen zentralen Einheiten. 14.4.1.3 Time to Market – Schnelligkeit als Schlüssel zum Erfolg Als time to market (TTM) wird die Zeit definiert, die es von Idee bis zur Markteinführung benötigt. Die TTM ist insbesondere bei Produkten, die der Beteiligung aus mehreren Ländern bedürfen, herausfordernd. Zulieferungen verzögern sich, bei der Zusammenführung der Inhalte fallen Ungereimtheiten auf und müssen nachgebessert werden, oder Ressourcen sind nicht wie geplant verfügbar. Die Liste der möglichen Komplikationen in der Konzeptionsphase ist lang.
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Dabei wird oft sehr viel Zeit in länderübergreifende Produkte investiert. Selbst wenn die Produkte oder Themen langlebigerer Natur sind, sollte es das Ziel sein, als eine der ersten Kanzleien, in besten Fall sogar als first mover mit dem Angebot im Markt zu sein. Das ermöglicht eine größere Aufmerksamkeit und zahlt auf die Reputation ein, Trends und Themen als Erste zu sehen – und im besten Fall daran anschließend auch direkt Anfragen für ein damit verbundenes Beratungsmandat zu erhalten. Gerade bei wichtigen Gesetzesänderungen, auf die inzwischen umgehend via Online Marketing und Social Media aufmerksam gemacht werden kann, ist Schnelligkeit essentiell. Ist der eigene Newsletter oder Social Media Post der vierte oder fünfte, den der Mandant sieht, positioniert man sich damit nicht mehr als Meinungsführer. Wenn die lokalen Wettbewerber bereits mit dem Thema auf dem Markt sind, während man selbst noch die verschiedenen Beiträge europaweit oder lokal koordiniert und abstimmt, könnte der „Themen-Zug“ bereits abgefahren sein. Dies wiederum kann bei internationalen Kanzleien eine signifikante Auswirkung auf die lokale Marktwahrnehmung haben.
14.4.1.4 Identifikation und Transfer von Best Practices Die Vernetzung der europäischen Länder und Teams kann einen weiteren wesentlichen Erfolgsfaktor mit sich bringen: die Identifizierung von sogenannten Best Practices. Erfolgreiche Ansätze, Strategien und Prozesse in einzelnen Ländern können identifiziert und in anderen Ländern reproduziert werden. Best Practices helfen Prozesse zu optimieren, um so Zeit und Ressourcen zu sparen und Projekte auf die effektivste Weise aufzugleisen und auszurollen. So können bestmögliche Ergebnisse über alle beteiligten Länder und Teams hinweg erzielt werden. Von den Erfahrungen anderer zu lernen führt insbesondere bei der Einführung neuer Lösungsansätze zu Qualitätssteigerungen und langfristig zu einer konsistenten Qualität. Durch Best Practices kann auch die TTM verbessert werden. Der Transfer von Best Practices bringt die Teams einzelner Länder enger zusammen, fördert den Austausch und kann damit positiven Einfluss auf die Kanzleikultur nehmen. Die engere Zusammenarbeit bietet dann die Basis für weitere gemeinsame Lösungen und ermutigt im besten Fall alle Beteiligten, ihre Prozesse und Methoden regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf erneut zu optimieren. Beispiele können sein: • Prozesse: Bei der Erstellung von internationalen Produkten oder Inhalten können die effizientesten Ansätze einzelner Länder oder Teams auf andere Jurisdiktionen transferiert werden. • Effizienter Einsatz von Ressourcen und Kapazitäten: Schmal aufgestellte lokale Teams können auf der Vorarbeit anderer Teams aufsetzen bzw. diese direkt übernehmen. • Wissenstransfer: Von breiter aufgestellten Teams in Länder mit kleineren Einheiten. • Mandantenansprache: Erkenntnisse, über welche Kampagnen und Marketingkanäle das jeweiligen Produkt am erfolgreichsten angeboten werden kann. • Templates: Verbreitung von bewährten Vorlagen und professionellen Gestaltungsmöglichkeiten.
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14.4.2 Externe Erfolgsfaktoren 14.4.2.1 Marktorientierung: Lokale Adaption und Umsetzung des Angebots Auch wenn man sich bei komplexen internationalen Angeboten intensiv mit den internen Stellschrauben, Prozessen und Erfolgsfaktoren auseinandersetzen muss, darf dabei der wichtigste Punkt eines jeden (juristischen) Angebots nicht vergessen werden: Was braucht der Mandant und wie können die Inhalte bestmöglich auf jeden einzelnen Empfänger marktgerecht zugeschnitten werden? Denn jede Branche ist anders und jeder Mandant sieht sich anderen Herausforderungen am Markt ausgesetzt. Für die erfolgreiche Umsetzung europaweiter Marketing und Business Development Aktivitäten ist es wichtig, die Erwartungen und Interessen der Mandanten zu treffen, und dies auch noch zum richtigen Zeitpunkt. Zeitgemäße, europaweite Produkte und Kampagnen werden inzwischen auf vielen Kanälen vernetzt ausgerollt und beworben. Daher sollten sie grundsätzlich so angelegt sein, dass sie sich flexibel an den jeweiligen Markt und die Zielgruppe anpassen lassen. Hierbei spielt die bereits thematisierte Vernetzung der Teams eine maßgebliche Rolle. Wird die frühzeitige Einbindung der lokalen Teams verpasst, wirkt sich dies meist zu Lasten der lokalen Marktorientierung aus. Dabei ist es für länderumfassende Angebote und Reports besonders wichtig, etwaige lokalen Ausnahmen oder Sondersituationen in betroffenen Länder aufzuzeigen. Kernfragen für die richtige Marktausrichtung auf die jeweils vorab zu definierende Zielgruppe sind beispielsweise: • An welchen Schwerpunktthemen und Trends sind die Mandanten im jeweiligen Markt interessiert? • Nicht immer sind diese in jedem einbezogenen Markt gleich. Daher ist es wichtig, die lokalen Schwerpunkte spätestens bei der lokalen Vermarktung hervorzuheben. • Ist es das Ziel, breite Aufmerksamkeit für ein Thema zu generieren, oder Kontakte ganz gezielt anzusprechen? Oder beides? • Welche Kanäle eignen sich hierfür? Sollte die Ansprache in lokaler Sprache erfolgen? • Welche Ziele sollen erreicht werden und wie können diese gemessen werden (siehe KPIs)? • Zahlt das Thema auf die lokale und/oder die internationale Kanzleistrategie ein? Die regulatorischen Anforderungen in einzelnen Ländern dürfen bei der Erstellung des jeweiligen Angebots ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. In Deutschland sind datenschutz- und standesrechtliche Vorgaben wesentlich strikter als in anderen Jurisdiktionen. Es sollte frühzeitig evaluiert werden, ob die Leistung des jeweiligen internationalen Angebots im lokalen Markt unter den lokalen Gegebenheiten und Vorgaben überhaupt ausgerollt werden kann. Durch Digitalisierung und Legal Tech sind in den letzten Jahren zahlreiche neue Geschäftsmodelle und damit verbundene Angebote oder Produkte außerhalb der traditionellen Rechtsberatung entstanden. Dadurch mussten viele internationalen
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Kanzleien für ihre deutschen Einheiten prüfen, ob sie mit ihren Angeboten unter die Gewerbesteuerpflicht fallen.8 Im Hinblick auf die personalisierte Mandantenansprache muss zudem insbesondere im deutschen Markt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachtet werden.9 Das traditionelle E-Mail Marketing mit Newslettern und Einladungen gehört auch in Zeiten von Social Media weiterhin zu den wichtigen Marketingkanälen von Kanzleien. Internationale Angebote werden, wenn zentral koordiniert, inzwischen maßgeblich über Social Media ausgerollt, dann aber gerne von den einzelnen Ländern nochmals in lokal adaptierten Formaten weiter beworben, beispielsweise mit der persönlichen Einladung zu einer Mandantenveranstaltung oder zu einem Webinar. Spätestens in diesem Schritt wird oft sichtbar, dass viele Kontakte (immer noch) nicht per E-Mail kontaktiert werden können, da eine Zustimmung nie erteilt wurde. So sind auch Jahre nach Einführung der DSGVO Marketingabteilungen wie auch Anwälte in Deutschland dabei, ihre Zeit in alternative Kontaktanbahnung zu investieren.
14.4.2.2 Die drei „K“s – Kultur, Kommunikation und KPIs Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert nicht nur ein inhaltliches Verständnis der rechtlichen Unterschiede in den einzelnen Jurisdiktionen und der jeweiligen Mandantenstruktur, sondern auch ein Verständnis der kulturellen Unterschiede in den einzelnen Ländern. Darauf basierend ist es für den Erfolg internationaler Produkte wichtig, die richtigen lokalen Marketingkanäle auszuwählen um gezielt die richtigen Kontakte in den einzelnen Ländern zu erreichen. Dabei gilt zu beachten, dass Kanäle und Herangehensweisen in den einzelnen Jurisdiktionen in Europa durchaus unterschiedlich sind. Tragen mehrere Länder zu einer englischsprachigen Kampagne, einem Report oder eine Studie bei, ist es unerlässlich für die Zusammenstellung des Gesamtprodukts einen Muttersprachler einzubeziehen. Dabei geht es meist nicht nur um sprachliche Nuancen, sondern auch um grundlegende Qualitätssicherung. So banal es klingen mag, auch in internationalen Kanzleien stellen Sprachbarrieren eine Herausforderung dar. Europaweite Reports und Trendstudien werden sehr gerne von der lokalen Presse aufgegriffen. Daher kommt den lokalen Kommunikations- und PR-Experten eine wichtige Rolle bei der Begleitung der Themen und Kampagnen im lokalen Markt zu. Dabei stehen die Auswahl der Themenschwerpunkte für den lokalen Markt wie auch die Landessprache im direkten Bezug zu den Erfolgsaussichten. In Jurisdiktionen wie den Niederlanden oder Belgien Ströder M (2019) Magic-Circle-Kanzleien: Darum zahlen wir Gewerbesteuer (27.09.2019). Juve. https://www.juve.de/markt-und-management/magic-circle-kanzleien-darum-zahlen-wir-gewerbesteuer/. Zugegriffen: 24.3.2023. 9 Die DSGVO erfordert eine rechtskonforme Einwilligung bevor Newsletter, Kampagnen- und Einladungs-Emails an Mandanten und potenzielle Mandanten versendet werden dürfen. Seit Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 ist für die Sammlung von E-Mail Adressen ist nur das Double-Opt-in-Verfahren zulässig. Dabei tragen Besucher der Website zuerst ihre E-Mail Adresse in einem Feld zur Newsletter-Anmeldung ein und erhalten dann eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst durch Klicken auf den Bestätigungslink gilt die Einwilligung als rechtskonform erteilt und erst dann darf der Kontakt angeschrieben werden. 8
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beispielweise sind englischsprachige Pressemitteilungen und Marketingkommunikation üblich. So kann meist relativ einfach auf dem zentralen Kommunikationspaket aufgesetzt werden. Anders gestaltet sich die Medienansprache in Italien oder Spanien und in großen Teilen auch im deutschsprachigen Raum. In diesen Ländern ist es unumgänglich, in der Landessprache an Journalisten heranzutreten, möchte man in der Fülle der Themenangebote überhaupt gesehen werden. Die Wahl der über die PR-Seite hinausgehenden Vermarktungskanäle zur Verbreitung des Angebots variiert von Land zu Land. In einigen Jurisdiktionen gehört die Direktansprache zum guten Ton und vervielfacht die Erfolgswahrscheinlichkeit. Durch die Pandemie haben digitale Formate und Kanäle maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Die Zunahme der Mandantenansprache über digitalen Kanäle bringt neben der Möglichkeit, schnell eine große Reichweite zu erzielen, einen weiteren Vorteil mit sich: Aktivitäten und deren Erfolg können messbar gemacht werden. Die Erfolgsmessung galt lange, insbesondere im Business Development Umfeld von Kanzleien, als schwierig. Zu sehr vom Zufall abhängig, zu wenig direkt zurechenbar, Erfolg als long term investment – viele Anwälte wie auch Marketing und Business Development Abteilungen haben sich auf ihre Erfahrungswerte und nicht selten auch nur auf das Bauchgefühl verlassen. Inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Möglichkeiten durch den Einsatz von Technologie Marketingbotschaften zu optimieren. LinkedIn-Kampagnen lassen sich auf bestimmte Zielgruppen (beispielsweise Senioritäten, Unternehmenskategorien oder Sektoren) ausrichten und der Erfolg ist mess- und analysierbar. Gleiches gilt für Klickstatistiken auf Themenwebseiten, digitalen Anzeigenschaltungen oder Eventteil nahmen. Die Definition von KPIs (Key Performance Indicators, zu Deutsch Schlüsselkennzahlen) zur Erfolgsmessung und -kontrolle und eine damit verbundene, systematische Analyse der Erfolgsfaktoren kommt in Kanzleien jedoch oft noch zu kurz. Häufig mangelt es an Zeit, oft aber auch an fehlenden Kenntnissen oder der fehlenden Disziplin. Wird die Erfolgsmessung zentral gesteuert, haben die lokalen Teams oft keine Zugänge zu den entsprechenden Auswertungstools. Werden die Ergebnisse im Nachgang nicht geteilt, entgehen den lokalen Einheiten oft wichtige Schlussfolgerungen. Dabei kann eine solide Nachbereitung und die daraus gewonnenen Erkenntnisse wesentlich zum Erfolg der nächsten Kampagnen oder anderer internationaler Angebote beitragen. Neue Trends, die Verschiebung von Mandantenpräferenzen sowie Best Practices können identifiziert und mit Fakten unterlegt werden. So kann das nächsten Angebot noch zielgerichteter auf die Mandantenbedürfnisse zugeschnitten und erfolgreich im Markt platziert werden.
14.5 Priorisierung der Aktivitäten – Weniger ist manchmal mehr Basierend auf der jährlichen „Sharplegal Global Elite 2021 – Mainland Europe“ Umfrage von Thomson Reuters gaben 93 % aller befragten Unternehmen an, internationalen Rechtsbedarf zu haben und diesen dann durchschnittlich in 27 Ländern zu benötigen.
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Dafür verwenden sie 46 % ihrer jährlichen externen Rechtsberatungskosten. Ein großer Anteil entfällt dabei auf die Bereiche M&A (27 %) und Litigation (17 %), aber auch Regulatory, Commercial, generelle Vertragsgestaltung, Finanzierung oder Real Estate.10 Die kanzleiweite Praxisgruppen- und Sektorexpertise ist jedoch nicht in jedem europäischen Land einer Kanzlei gleich stark und breit vertreten. Dadurch stellt sich bei der Konzeption von europaweiten Aktivitäten, einschließlich dem Cross-Selling oder bei länderübergreifenden Pitches, die Herausforderung, wie mit etwaigen Lücken umzugehen ist. Nicht nur, aber insbesondere für kleinere Büros oder Teams ist eine Priorisierung wichtig. Welche Expertise auf Praxisgruppen- und Sektorebene kann glaubwürdig und qualitätsbewusst abgebildet werden? Welche Schwerpunkte sollten im Hinblick auf begrenzte zeitliche und kapazitätsmäßige Vorrausetzungen gesetzt werden? Insbesondere bei großen, internationalen full-service Kanzleien, die über das Jahr verteilt eine Vielzahl von länderübergreifenden Produkten koordinieren, gilt nicht selten: Weniger ist mehr. Bei der Beteiligung an europaweiten Produkten gilt es zudem zu beachten, dass nicht nur die Zulieferung Zeit erfordert. Es ist nicht minder wichtig, das finale Ergebnis dann auch „an den Mandanten“ zu bringen. In Abhängigkeit des Produkts mag teilweise die direkte Mandantenansprache am erfolgversprechendsten sein. Dieser Zeitaufwand muss eingeplant werden. Ansonsten wird mit viel Zeitaufwand ein europaweites Angebot geschaffen, dass dann nicht wirklich im Markt ankommt.
14.6 Fazit Europaweite Marketing und Business Development Strategien und Produkte haben heutzutage einen maßgeblichen Anteil am Marketing-Mix internationaler Kanzleien. Sie bieten Mandanten einen erheblichen Mehrwert, tragen zur Reputation der internationalen Kanzleimarke bei und dienen gleichzeitig der Abgrenzung zur Konkurrenz im lokalen Markt. Um europaweite Aktivitäten erfolgreich umzusetzen, sind sorgfältig durchdachte Strukturen und Prozesse sowie eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den lokalen und internationalen Einheiten erforderlich. Die beteiligten Teams – Marketing und Business Development wie auch Anwälte – spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ein tiefes Verständnis der einzelnen Märkte sowie die Möglichkeit zur flexiblen Anpassung der Produkte und Aktivitäten an die lokalen Bedingungen ist dabei unumgänglich. Weitere Erfolgsfaktoren sind eine transparente interne Planung und effektive Kommunikation. Wenn dies gelingt, verhilft die Verzahnung von lokalen und internationalen Einheiten und Perspektiven zu einem starken Angebot, das für Mandanten hohe Relevanz hat.
Thomson Reuters (2021) Sharplegal Global Elite 2021: State of the legal market report: Mainland Europe. London. 10
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Literatur Chambi, G. 2016. Be Verein aware: The Verein structure and Attorneys’ loyalty to their clients. American University Washington College of Law. www.ebglaw.com/wp-content/uploads/2016/04/ Chambi-Gabriela-Be-Verein-Aware-Epstein-Becker-Green-Robert-D-Reif-Fellowship.pdf. Zugegriffen am 24.03.2023. JUVE 100 Umsatz. JUVE Rechtsmarkt 10/2022. 36. Robertson, R. 1995. Glocalization: Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity. In Global Modernities, Hrsg. M. Featherstone, S. Lash, und R. Robertson, 25–44. London: Sage Publications. Ströder, M. 2019. Magic-Circle-Kanzleien: Darum zahlen wir Gewerbesteuer (27.09.2019). JUVE. https://www.juve.de/markt-und-management/magic-circle-kanzleien-darum-zahlen-wir- gewerbesteuer/. Zugegriffen am 24.03.2023. Thomson Reuters. 2021. Sharplegal Global Elite 2021: State of the legal market report: Mainland Europe. Eagan
Ulrike Johann-Wollbrink leitet als Head of Marketing & Business Development – Europe bei DLA Piper ein über 70-köpfiges Team in 14 Jurisdiktionen in Kontinental- und Osteuropa. Zuvor verantwortete sie bei DLA Piper die Marketing und Business Development Aktivitäten, einschließlich der Bereiche Kommunikation und Events, für Deutschland, Österreich und die Slowakei. Sie hatte seniorige Positionen bei Kirkland & Ellis und Latham & Watkins inne, wo sie zeitweise auch nach Los Angeles und Madrid seconded war. In die Kanzleiwelt eingestiegen ist sie vor über 15 Jahren bei Hogan Lovells. Ulrike Johann-Wollbrink studierte BWL mit den Schwerpunkten Marketing, Kommunikation und internationales Management an der Universität Nürnberg-Erlangen, mit Auslandssemestern in den USA, Schweden und Argentinien.
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15.1 Einführung Das sogenannte „Pitching“ ist heute im Business-Development-Prozess von Kanzleien und WP-Gesellschaften fest verankert und gehört zum Tagesgeschäft. Im angelsächsischen Markt beschäftigen sich Kanzleien sowie WP-Gesellschaften seit Jahren mit diesem Thema und haben das Pitching immer weiter professionalisiert. In Deutschland hat diese Entwicklung in den vergangenen Jahren maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Zugleich haben Unternehmen den Vergabeprozess von Mandaten weiter professionalisiert. Wo früher eine knappe Anfrage die Beratungsunternehmen erreichte, mit der Bitte Referenzmandate und Stundensätze darzulegen, werden Pitch-Ausschreibungen heute immer anspruchsvoller. Alleine die Ausschreibungsunterlagen umfassen gerne einmal 20 oder mehr Seiten. Dies ist insbesondere richtig für große und komplexe Mandate sowie für Panelausschreibungen. Die Beantwortung von Pitch-Anfragen bündelt nach wie vor einen Großteil der Kapazitäten einer Business Development-Abteilung, insbesondere dann, wenn die Kanzleien bzw. WP-Gesellschaften keinen klar definierten Pitch-Prozess etabliert haben und nicht auf unterstützende Systeme und Vorlagen zurückgreifen können. Oft fehlen auch klare Kriterien, wann gepitcht werden soll und wann nicht. Die WP-Gesellschaften sind den Kanzleien weiterhin einen Schritt voraus. Dort gibt es schon seit langem etablierte Pitch-Abteilungen. Dieser Trend ist jüngst auch in Großkanzleien zu beobachten. Einige Kanzleien haben begonnen, Pitch-Abteilungen aufzubauen und haben dazu Pitch-Experten aus WP-Gesellschaften abgeworben1. Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
A. A. Forbes (*) München, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_15
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Ein weiteres Phänomen, das in den letzten Jahren in Unternehmen zu beobachten ist, ist die Aufstellung von sogenannten Panels. Insbesondere seit der Kostendruck auf Unternehmen gewachsen ist, versuchen Unternehmen ihre Kosten durch stringenteres Management ihrer externen Berater zu senken. Viele Unternehmen haben so die Zahl ihrer Berater in den letzten Jahren verringert. Sie erhoffen sich dadurch Kostensenkungspotenziale und Effizienzsteigerungen. Unternehmen setzten dabei auf Make-or-Buy Strategien in Form einer geeigneten Richtlinie zur Auswahl und Mandatierung von externen Beratern. Berater sollten den Inhalt solcher Regelungen kennen, um sich bestmöglich im Pitchprozess da rauf einstellen zu können.
15.2 Definition Unter Pitching versteht man den Wettbewerb zwischen verschiedenen Kanzleien/WP- Gesellschaften um ein konkretes Beratungsmandat bzw. um einen Platz auf einem Panel. Kanzleien/WP-Gesellschaften präsentieren die Qualifikation, Kompetenz und Expertise ihrer Anwälte/Berater ebenso wie ihre Erfahrungen aus ähnlichen Projekten. Als Ergebnis steht die Auswahl des besten Dienstleisters für die Betreuung eines Unternehmens bzw. Projekts. Im Rahmen des Pitchings werden viele Begriffe verwendet, so z. B. RFP („request for proposal“), RFI („request for information“), ITT („invitation to tender“), Pitch, Panelausschreibung, Mandatsanfrage, Beauty Contests, u. v. m. Je nach Unternehmen und auch Kanzlei/WP-Gesellschaft werden diese Begriffe unterschiedlich eingesetzt – es dreht sich jedoch immer um das Eine: die Bewerbung um ein Mandat bzw. einen neuen Mandanten.
15.3 Der Pitchprozess Pitching ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Akquisition von Mandaten und ist der letzte Schritt im Mandatierungsprozess. Beim Pitching dreht es sich nicht nur um die Erstellung relevanter Unterlagen, vielmehr handelt es sich um einen Prozess, den eine Kanzlei/WP-Gesellschaft klar für sich definieren muss. Folgende Schritte sind üblich im Pitch-Prozess (Abb. 15.1).
15.3.1 Empfang der Pitch-Einladung und Empfangsbestätigung Der Empfang der Ausschreibungsunterlagen sollte sobald als möglich bestätigt werden. Dieser erste Kontakt und die Reaktionszeit vermitteln dem Unternehmen bereits einen Einblick in die Arbeitsweise der Kanzlei/WP-Gesellschaft. Eine Zu- bzw. Absage, ob man der Ausschreibung folgen will, erfolgt zu diesem Zeipunkt noch nicht.
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Abb. 15.1 Ablaufplan Pitchprozess
15.3.2 Prüfung der Rahmenbedingungen Die Bewerbung um Mandate im Rahmen eines Pitches bündelt viele Ressourcen. Daher sollte eine Kanzlei/WP-Gesellschaft eine einfache Chancen-Risiken-Analyse durchführen, bevor sie mit der Bearbeitung einer Pitch-Unterlagen beginnt. Ein einfacher Fragenkatalog, in Form einer Checkliste, kann dabei hilfreich sein. Jede Kanzlei/WP- Gesellschaft sollte für sich relevante Kriterien festgelegen, wann gepitcht wird und wann nicht. Diese sollten sich an der Strategie der Kanzlei ausrichten. Eine solche Checkliste soll dem Anwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bei der Beurteilung und Wahrnehmung von Pitch-Möglichkeiten helfen und die Aussicht auf Erfolg erhöhen. Folgende Fragen können dabei in Betracht gezogen werden: 1. Passt dieses Mandat/dieser Mandant zu unserer Strategie? 2. Besteht Konfliktpotenzial? 3. Wie gut kennen wir das Unternehmen? 4. Handelt es sich um eine Pro Forma-Ausschreibung (Ist das Mandat in Wirklichkeit bereits vergeben)? 5. Welche Jurisdiktionen sind betroffen? Können wir diese abdecken? 6. Erfüllen wir die grundsätzlichen Anforderungen? 7. Können wir einschlägige Referenzmandate aufzeigen? 8. Wer sind die Wettbewerber? Haben wir gegen sie Chancen? 9. Wie hoch ist das Ertragspotenzial?
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10. Hat das Mandat/der Mandant strategische Bedeutung, die ein Investment recht fertigen könnte? 11. Sind Anschlussaufträge zu erwarten? 12. Haben wir ausreichende Ressourcen, um dieses Mandat unseren Ansprüchen gerecht zu bearbeiten? 13. Haben wir ausreichend Kapazität und Enthusiasmus für dieses Mandat, um diesen Pitch innerhalb der Deadline zu bearbeiten?
15.3.3 Entscheidungsfindung Die Beantwortung der oben genannten Fragen sollte eine gute Grundlage zur Entscheidungsfindung sein, ob gepitcht wird oder nicht. Wenn die Kanzlei/WP-Gesellschaft nicht über die nötige Expertise verfügt oder die Kapazitäten fehlen, um das Mandat sorgfältig und fristgerecht zu bearbeiten, sollte man den Mut haben, die Einladung zum Pitch abzulehnen. Die Vorbereitung einer Wettbewerbspräsentation bündelt ohne die Aussicht auf Erfolg nur unnötig Ressourcen und kann zudem beim Unternehmen einen schlechten Eindruck vermitteln. Welche Entscheidung auch immer getroffen wird, sie sollte zeitnah an das Unternehmen kommuniziert werden. Sollte die Entscheidung negativ ausgefallen sein, empfiehlt es sich, ein Gespräch zu suchen und die Entscheidung persönlich zu übermitteln. Zusätzlich sollte eine Bestätigung der Entscheidung per E-Mail versendet werden.
15.3.4 Hintergrundrecherchen Hat man sich zur Teilnahme entschieden, beginnt die Informationsbeschaffung in Form von Hintergrundrecherchen. Dabei empfiehlt es sich, auch ein persönliches Gespräch mit dem Unternehmen zu suchen, sofern dies im Rahmen der Ausschreibung zulässig ist. Dies signalisiert zum einen das Interesse der Kanzlei/WP-Gesellschaft und zum anderen bietet es oftmals die Möglichkeit weitere relevante Information zu gewinnen, die aus den Ausschreibungsunterlagen nicht hervor gehen. Folgende Bereiche sollten untersucht werden: Unternehmen 1 . Aktuelle Entwicklungen im Unternehmen 2. Was sind die Beweggründe für die Mandatsvergabe? 3. Welche Bedeutung hat das Mandat für das Unternehmen? 4. Welche Beziehungen bestehen bereits zum Unternehmen? 5. Wer sind die Entscheidungsträger im Unternehmen für die Mandatsvergabe? 6. Welche Entscheidungskriterien sind entscheidend ?
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Wettbewerb • Welche Wettbewerber beraten das Unternehmen regelmäßig? • Welche Stärken und Schwächen bestehen gegenüber diesen Wettbewerbern? • Welche Preisstrategien hat der Wettbewerber? • Wodurch kann sich die Kanzlei vom Wettbewerb differenzieren? Intern 1 . Wer hat die passende Expertise, um dieses Mandat zu bearbeiten? 2. Wer hat bereits Erfahrung mit dem Unternehmen? 3. Wer passt von der „Chemie“ zum Unternehmen? 4. Welche Referenzmandate (fachlich und branchenspezifisch) sind einschlägig? 5. Können weitere Bereiche in den Pitch einbezogen werden (cross-selling), auch um möglicherweise das Beratungsangebot gegenüber dem Wettbewerb noch zu verbessern? 6. Welche Preisstrategie wurde bislang angewendet? 7. Gibt es eine Rahmenvereinbarung?
15.3.5 Entwicklung der Pitch-Strategie Detaillierte Hintergrundrecherchen sind Grundlage für die Erarbeitung einer erfolgversprechenden Pitch-Strategie. Wenn klar ist, welche Erwartungen und Bedürfnisse das Unternehmen an seine Berater hat sowie welche Entscheidungskriterien und mit welcher Gewichtung diese im Auswahlprozess angewendet werden, kann die Präsentation der eigenen Stärken genau darauf zugeschnitten werden. Eine erfolgreiche Preisstrategie wird sich an der Bedeutung des Projekts für das Unternehmen orientieren. Auch für den Fall, dass zunächst kein Honorarangebot vom Unternehmen angefordert wurde, ist es ratsam, sich intern frühzeitig über eine klare Preisstrategie zu verständigen.
15.3.6 Erstellung der Pitch-Unterlagen Standardpräsentationen beeindrucken den erfahrenen Mandanten nicht mehr. Im Gegenteil – sie können sogar negative Auswirkungen haben. In der Regel enthalten Pitch-Unterlagen folgende Bestandteile: • Schilderung des Vorhabens oder der Problemstellung des Mandanten • Beschreibung des beabsichtigten Beratungsansatzes • Verkaufsargumente warum die Kanzlei/WP-Gesellschaft und ihre Berater für dieses Projekt/das Unternehmen die Richtigen sind • Angaben zu der vorhandenen Erfahrung und Expertise, die für das Projekt relevant sind, z. B. in Form von Fallbeispielen
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• Vorstellung des Beraterteams mit Fotos und Lebensläufen • Honorarangebot • Ggf. Kurzbeschreibung der Kanzlei/WP-Gesellschaft. Die besten Pitch-Unterlagen sind auf den potenziellen Mandanten und das ausgeschriebene Mandat zugeschnitten. Allgemeine Inhalte, die auf der Website zu finden oder in Broschüren nachzulesen sind, sind zu vermeiden. Die Darstellung sollte sich auf das konzentrieren, was die Kanzlei/WP-Gesellschaft von Wettbewerbern unterscheidet und die Vorteile herausarbeiten, die sich daraus für das Unternehmen ergeben. Besonders gute Unterlagen stellen die Beratungsleistung in den Vordergrund und geben bereits erste Lösungsansätze, wie die Anforderungen des Mandanten und seine Geschäftsziele durch die Beratung erfüllt werden können. Von langen Listen mit Referenzmandaten sollten man Abstand nehmen und sich auf wirklich relevante Beispiele beschränken. Diese sollten in Form von Case Studies die Beratertätigkeit näher beschreiben und den Mehrwert für den Mandanten herausstellen. Das heißt aber nicht, dass bestimmte Textbausteine nicht vorgehalten werden können. Im Gegenteil. Da Pitch-Unterlagen oft sehr kurzfristig zusammengestellt werden müssen, sollten Beschreibungen der Praxis-/Branchengruppen und Beratungsprodukte, Case Studies sowie einheitliche Lebensläufe der Berater/Anwälte und eine kurze Unternehmensdarstellung zentral zugänglich sein. Dies ermöglicht es, sich auch bei knappen Deadlines, auf die wesentlichen Aspekte eines Pitches zu konzentrieren. Wenn die Kanzlei/WP- Gesellschaft international tätig ist, sollten diese Basisinformationen auch mehrsprachig abrufbar sein (vgl. dazu auch Abschn. 15.6). Dies spart zum einen Zeit und gewährleistet zudem eine konsistente Darstellung der Kanzlei/WP-Gesellschaft nach außen. Die Frage, welches Format das Beste ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. So kann ein Pitch in Brief- bzw. E-Mail-Form genauso erfolgreich sein, wie eine ausführliche Bewerbung in Word oder PowerPoint oder gar per Videobotschaft. Entscheidend ist, dass das Format dem Erwartungshorizont des Empfängers entspricht. Wenn dies nicht klar kommuniziert wurde, reicht oft eine kurze Nachfrage beim Unternehmen.
15.3.7 Angebotspräsentation Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2008 von Triller Communications gaben Großkanzleien an, dass die gute Vorbereitung von Wettbewerbspräsentationen mit Abstand als effizienteste Maßnahme für den Ausbau des Geschäftes gilt. Leider wird auch heute noch oft zu wenig Zeit in die Vorbereitung von Wettbewerbspräsentationen investiert. Die Live-Präsentation bietet die Möglichkeit zu zeigen, wie tief und sachkundig sich die Kanzlei/WP-Gesellschaft mit dem zu vergebenden Projekt im Vorfeld auseinandergesetzt hat. Lösungsansätze, ein Aufzeigen der antizipierbaren Probleme und die Besonderheiten des Mandates sollten im Vordergrund stehen. Ausführungen mit allgemeinen Werbeinhalten sind dagegen kontraproduktiv. Die glaubwürdige Differenzierung von
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Wettbewerbern erfolgt dabei nicht durch die Darstellung der eigenen Stärken bzw. Schwächen im Vergleich zu ihnen, sondern dadurch, wie gut man die Branche, das Unternehmen und dessen aktuelle Zielsetzung und Bedürfnisse versteht. Durch einen Anruf beim Unternehmen sollte vorab geklärt werden, welche Erwartungshaltung an den Präsentationstermin von Unternehmensseite gestellt werden und in welcher Besetzung der Mandant selbst beim Termin vertreten sein wird. Das eigene Team sollte sich in Größe und Zusammensetzung an der des Mandanten orientieren. Auch sollte gut überlegt sein, wer an der Präsentation teilnimmt. Wenn es sich um ein konkretes Projekt handelt, will der Mandant in der Regel die Berater sehen, die später auch den Fall bearbeiten werden. Hier sollte auf die Kompatibilität der Berater- und Mandantenteams geachtet werden. Zudem ist es ein entscheidender Wettbewerbsvorteil zu wissen, welche persönlichen Motive und Bewertungskriterien der Entscheidungsträger hat und auf diese im Gespräch einzugehen. Wenn mehr als ein Berater das Angebot präsentiert, was grundsätzlich zu empfehlen ist, ist eine Vorbesprechung unerlässlich. Für besonders wichtige Pitches sollte neben einer Vorbesprechung auch eine Generalprobe durchgeführt werden. Kollegen können dabei in die Rolle des Unternehmens schlüpfen und das Präsentationsteam herausfordern. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Angebotspräsentation sollten folgende Dinge besprochen und festgehalten werden: • • • • •
Gesprächsablauf und Rollenverteilung Verkaufsargumente und Differenzierungsmerkale Antizipierbare Probleme und Besonderheiten des Projekts und Lösungsansätze Preisstrategie Antworten auf ggf. schwierige Fragen, die sich bereits im Vorfeld abzeichnen
Für die Präsentation selbst sollte das Team mindestens ein Handout vorbereiten, auch wenn dies nicht explizit vom Unternehmen gefordert war. Dies wirkt zum einen professionell und zum anderen hilft es dem Team die Agenda des Präsentationstermins mitzubestimmen und den roten Faden nicht zu verlieren.
15.3.8 Debriefing/Feedback Ein formalisierter Feedbackprozess kann Verbesserungspotenzial aufzeigen und wertvolle Hinweise geben, die die Erfolgsquote im Pitching erhöhen können. Ein Debrief sollte daher zumindest nach jedem großen Pitch durchgeführt, schriftlich festgehalten und ausgewertet werden. Dabei sollte sich der Debrief nicht nur auf internes Feedback beschränken. Das Gespräch sollte auch mit dem Unternehmen selbst gesucht werden. Hierfür ist eine möglichst neutrale Person geeignet, die nicht persönlich in die Wettbewerbspräsentation eingebunden war. Der Vorteil liegt in der gesteigerten Bereitschaft zu objektiven Antworten auf Seiten des Unternehmens. Diese Rolle kann sehr gut von einem Mitarbeiter der
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Business Development-Abteilung wahrgenommen werden. Bei großen, für die Beratungsunternehmen wirtschaftlich sehr bedeutenden Pitches, kann überlegt werden, ob diese Rolle von einem Seniorpartner oder dem Managing Partner ausgeübt wird.
15.3.8.1 Interner Feedbackprozess Der Feedbackprozess wird vom Projektmanager angestoßen. Ein offenes, strukturiertes Gespräch mit dem Projektteam sollte zeitnah nach der Abgabe der Unterlagen bzw. der Präsentation stattfinden. Man sollte nicht warten, bis der Ausgang des Pitches bekannt ist, da auch dies die objektive Beurteilung des Pitch-Prozesses und der Zusammenarbeit des Pitch-Teams beeinflussen kann. Das Projektteam sollte sich zu folgenden Punkten austauschen: • • • •
Konnte ein auf den Mandanten zugeschnittenes Angebot abgeliefert werden? Was hätte man noch besser machen können? Wie lief das Projektmanagement und die Abstimmungsprozesse? Wie gut hat das Team zusammengearbeitet (Einhalten von Deadlines, Beiträge, schriftliche Unterlagen, Präsentation)? • (Nach Bekanntwerden des Ergebnisses:) Können aus dem Pitch-Ergebnis Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Preisgestaltung, des Beratungsangebotes, etc. geschlossen werden?
15.3.8.2 Externer Feedbackprozess Nach großen Pitch-Ausschreibungen sollte ein persönliches Gespräch, mindestens in Form eines Telefonats, mit dem Unternehmen durchgeführt werden. Oft besteht auch die Bereitschaft auf Unternehmensseite zu einem persönlichen Treffen. Von standardisierten anonymen Fragebögen, die per E-Mail versendet werden, ist abzuraten. Feedbackgespräche dienen, neben dem Aufdecken von Verbesserungspotenzial, der Beziehungspflege und sollten insbesondere nach Verlust eines Mandates bei bestehenden Mandanten als Verteidigungsstrategie gesehen werden. Bei potenziellen Mandaten bietet es die Möglichkeit, erneut Kontakt mit dem Unternehmen aufzunehmen, wertvolle Informationen für weitere Ausschreibungen zu erhalten und den Beziehungsaufbau zu intensivieren. Mit dem Unternehmen sollten folgende Fragen erörtert werden: • Welcher Entscheidungsprozess wurde etabliert? Wer war in diesen auf Unternehmensseite involviert? • Welches waren die entscheidenden Auswahlkriterien für die Mandatsvergabe? • Welche weiteren Beratungsunternehmen waren zum Pitch eingeladen? • Haben die Pitch-Unterlagen die Erwartungen des Unternehmens erfüllt? • Entsprach das vorgestellte Team den Erwartungen des Unternehmens hinsichtlich Expertise, Erfahrung und Chemie? • Welchen Eindruck hat das Team bei der Präsentation hinterlassen? • War der Honorarvorschlag angemessen? • Wie liegt dieser im Wettbewerb? Wie hoch war das Angebot, das den Zuschlag bekam?
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• Warum hat man das Mandat bekommen/nicht bekommen? Welche Gründe waren ausschlaggebend? • Gibt es in absehbarer Zeit ein weiteres Projekt, für das das Unternehmen externe Unterstützung benötigt?
15.4 Panelausschreibungen In angelsächsischen Ländern sind Panels bereits weit verbreitet. Dabei müssen sich Kanzleien/WP-Gesellschaften im Rahmen eines langwierigen Ausschreibungsprozesses bewerben, um in die Liste der bevorzugten Berater aufgenommen zu werden. Für Kanzleien und WP-Gesellschaften versprechen sie zunächst die Chance auf mehr Geschäft, da mit der Gründung eines Panels meist auch die Zahl der externen Berater reduziert wird. Jedoch ist ein Panelplatz noch längst keine Garantie für mehr Umsatz. Bei der Vergabe von Mandaten stellen viele Unternehmen erneut eine Wettbewerbssituation unter den Panelteilnehmern her.
15.4.1 Ablauf einer Panelausschreibung Der Panelausschreibungsprozess ist sowohl für die ausschreibenden Unternehmen als auch für die Kanzleien/WP-Gesellschaften mit großem Aufwand verbunden. Oft zieht sich ein solcher Prozess über mehrere Monate hin. Inhaltlich unterscheiden sie sich von Bewerbungen um konkrete Mandate. Neben der Prüfung von relevanter Expertise und Erfahrung, werden Themenfelder wie Beziehungs- und Projektmanagement, (kostenlose) Zusatzleistungen, Legal Tech Solutions, Diversity Daten und historische Umsatzdaten abgefragt. Die Preisgestaltung bildet einen weiteren zentralen Punkt. Im Rahmen einer Panelausschreibung sind die in Abb. 15.2 aufgeführten Schritte üblich. Wie viele Verfahrensstufen ein Unternehmen für den Auswahlprozess ansetzt, ist unterschiedlich und hängt von der Menge der Beratungsunternehmen ab, die zum Ausschreibungsprozess eingeladen werden. Nicht immer wird der sogenannte „Request for Information“ vom „Request of Proposal“ getrennt. Die Bearbeitung umfangreicher Ausschreibungsunterlagen erfordert ein umfassendes Projektmanagement. Die Benennung eines Projektmanagers ist in diesem Fall unerlässlich. Für diese Rolle empfiehlt sich ein Mitarbeiter der Business Development/Pitch- Abteilung oder ein Senior Associate. Der Projektmanager muss eng mit den Anwälten/Beratern, aber auch mit der Finance-Abteilung sowie der Human Resources-Abteilung zusammen arbeiten. Wiederkehrende Fragen, die im Rahmen von Panel-Ausschreibungen gestellt werden, sollten in eine Mustertextsammlung aufgenommen werden und zentral vorgehalten werden. Für das Präsentationsformat einer Panel-Ausschreibung gelten die gleichen Regeln, wie für einen Pitch um ein konkretes Mandat. Die Unterlagen müssen sich nach den genauen Vorgaben des Unternehmens richten. Die Einhaltung von Formaten und Fristen sind insbesondere bei Ausschreibungen, die über eine Softwarelösung laufen, von großer Be-
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Abb. 15.2 Ablaufplan Panelausschreibung
deutung. Sie sind unter anderem ein Kriterium, das für die Bewertung der Ausschreibungsunterlagen herangezogen wird. Vor der Angebotspräsentation sollte mit dem Unternehmen abgestimmt werden, wer auf der Seite des Unternehmens an der Präsentation teilnehmen wird und ob das Unternehmen auf die Teilnahme bestimmter Anwälte/Berater wert legt. Bei der Präsentation sollten immer mindestens zwei Vertreter des Beratungsunternehmens anwesend sein. Sie sollten, wie bei einer Projektausschreibung, eng abgestimmt in dieses Gespräch gehen. Neben dem Relationship-Partner empfiehlt es sich, eine neutrale Person in das Gespräch mitzunehmen.
15.4.2 Einbindung professioneller Einkäufer Unternehmen setzen bei umfangreichen Panelausschreibungen zunehmend auf die Unterstützung ihrer Einkaufsabteilungen und auch vereinzelt auf Externe, die sich auf die Unterstützung von Ausschreibungsprozessen spezialisiert haben. Sie begleiten an der Seite der Fachabteilung/Rechtsabteilung die Ausschreibungen mit ihrem Fachwissen. In den angelsächsischen Märkten bereits Alltag, ist diese Entwicklung auch in Deutschland, insbesondere in großen Unternehmen, Einzug gehalten. Sie scheint sich aber insbesondere bei Großunternehmen durchzusetzen. Insbesondere Verhandlungen von Rahmenverträgen finden nur noch selten ohne einen Vertreter der Einkaufsabteilung statt. Der Umgang mit geschulten Einkäufern stellt die Berater dabei vor neue, zunächst ungewohnte Herausforderungen. Die Einkaufsabteilungen bieten logistische Unterstützung und helfen Angebote methodisch und objektiv auszuwerten. Viele Ausschreibungen laufen mittlerweile über softwaregestützte Lösungen, die sonst für den Einkauf anderer Produkte genutzt werden. Die we-
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nigsten Einkaufsportale sind bisher auf den Einkauf von Beratungsleistungen ausgerichtet. Für Anwälte/Berater ist dies daher eine ungewohnte Umgebung und es entstehen nicht selten Berührungsängste. Auch hier kann eine Business Development-Abteilung bzw. ein Pricing-Manager wesentlichen Mehrwert bieten, in dem sie sich mit dem Aufbau und der Anwendung dieser Portale vertraut machen. Der Mehrwert der Einbindung der Einkaufsabteilung für Unternehmen wird spätestens bei der Verhandlung der Preise sowie der allgemeinen Geschäftsbedingungen deutlich. Hier übernehmen sie zunehmend die Gesprächsführung. Geschulte Einkäufer treffen auf ungeschulte Verkäufer. Mit ihrem Fachwissen können Anwälte/Berater hier nur noch selten punkten. Für viele ist dies eine echte Herausforderung. Sollte man selbst noch nie an einer solchen Verhandlung teilgenommen haben, empfiehlt sich vorab ein Erfahrungsaustausch mit Kollegen. Besser noch sollte jedes Beratungsunternehmen einige wenige Personen aufbauen, die als Teil des Beraterteams mit in diese Verhandlungen gehen. Sie sollten umfangreich in Verhandlungsführung bei Verkaufsgesprächen und im Umgang mit professionellen Einkäufern geschult werden. Ob diese Rolle von Beratern, der Financeoder Business Development-Abteilung wahrgenommen wird, hängt von der Struktur des Beratungsunternehmens ab.
15.5 Projektmanagement Der Pitch-Prozess muss stringent gemanagt werden. Ein klar definierter Aktions- und Zeitplan ist die Basis für die effiziente und erfolgversprechende Bearbeitung von Pitch-Ausschreibungen. Jedes Pitch-Team sollte daher von einem Projektmanager geführt werden, der die wesentlichen Schritte des Pitch-Prozesses gewissenhaft und sorgfältig vorantreibt. Diese Rolle kann der Lead Partner einnehmen, aber auch gut von einem Support-Mitarbeiter, z. B. aus dem Business-Development, übernommen werden, der eng mit dem Lead Partner zusammen arbeitet. Checkliste für den Projektmanager • Konfliktanfrage durchgeführt • Kontaktdaten des Empfängers ermittelt • Teilnahme bestätigt • Internes Pitch-Meeting terminiert • Zeit- und Aktionsplan erstellt und an das Team kommuniziert • Fragenliste an das Unternehmen erstellt und Gespräch geführt • Format und Sprache festgelegt • Kompatibilität der Systeme geprüft • Verkaufsargumente und Differenzierungspunkte identifiziert und mit den in der Ausschreibung genannten Auswahlkriterien abgeglichen • Preisstrategie intern diskutiert und festgelegt • Generalprobe terminiert und vorbereitet
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15.6 Systemische Unterstützung Die Erstellung von Pitch-Unterlagen kann systemisch gut unterstützt werden. Ob man dabei auf Software-Lösungen zurückgreift, die speziell für Beratungsunternehmen entwickelt wurden, oder zunächst mit „Board-Mitteln“ arbeitet, hängt von der Größe des Unternehmens, der Zahl der Standorte und davon ab, wie oft die Kanzlei/WP-Gesellschaft zum Pitch aufgefordert wird. Oft lassen sich bereits mit einfachen Mitteln gute Effizienzsteigerungen erreichen. Externe Berater und Dienstleister können in der Analysephase sowie bei der Implementierung neuer Systeme wertvolle Unterstützung bieten.
15.6.1 Datenbank für Referenzprojekte Einschlägige Referenzmandate überzeugen Mandanten mehr als jeder Marketingtext. Daher sollte die Kanzlei/WP-Gesellschaft ein System entwickeln, Referenzmandate an einer zentralen Stelle zu sammeln und für Pitches abrufbar zu machen. Bei kleineren Unternehmen kann diese in Form eines einfachen Excel-Dokuments passieren. Im Idealfall investiert das Unternehmen in den Aufbau einer Datenbank, die regelmäßig mit Referenzmandaten gespeist wird. Diese Datenbank sollte sich über Filterfunktionen nach bestimmten Kriterien durchsuchen lassen. Für international agierende Unternehmen empfiehlt es sich, Referenzmandate mehrsprachig vorzuhalten.
15.6.2 Pitch-Builder Da in der Regel viel Zeit mit dem Formatieren und Kopieren von Inhalten verbracht wird, empfiehlt sich für Unternehmen, die eine Vielzahl von Pitches zu bearbeiten haben, die Investition in einen sogenannten Pitch-Builder. Das sind Systeme, die die Erstellung von Pitches erleichtern, indem sie vorformulierte Textbausteine in einer Datenbank vorhalten und diese auf Abruf in ein feststehendes Format einfließen lassen. Eine gut und stabil programmierte Word-Vorlage kann hier aber bereits auch sehr gute Dienste leisten und ist von den Anschaffungskosten sehr überschaubar. In jedem Fall sollten Informationen, die regelmäßig angefragt werden in Form von Textbausteinen vorgehalten und regelmäßig gepflegt werden.
15.6.3 Pitch-Datenbank Finale Pitch-Unterlagen sollten an einer zentralen, für alle (zumindest aber der Business Development-Abteilung) zugänglichen Stelle, abgelegt werden. Im Idealfall gibt es eine Datenbank, in der man nach vorbestimmten Kriterien alle Pitches filtern kann. Dies dient zum einen dazu, das Rad nicht jedes Mal neu erfinden zu müssen, zum anderen dient es der Transparenz. Angebotskonditionen sowie Verkaufsargumente können so überwacht und konsistent kommuniziert werden.
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15.7 Coaching Die wenigsten Berater in WP-Gesellschaften oder Anwaltskanzleien sind geschulte Verkäufer. Gerade aber die Talente eines guten Verkäufers können in einer Pitch-Situation entscheidend sein. Daher sollte in die Ausbildung dieser Fähigkeiten investiert werden. Neben dem klassischen Verkaufs-/Präsentationstraining sollte heute auch der Umgang mit Einkaufsabteilungen und das Thema Preisverhandlungen intensiv geschult werden. In Deutschland findet man mittlerweile gute, auf Beratungsunternehmen spezialisierte Trainer, auf die ein Unternehmen zurückgreifen kann. Neben diesen Schulungen, sollten erfahrene Mitarbeiter, zum Beispiel der Business- Development-/Pitch-Abteilung, als interne Coaches aufgebaut werden. Sie stehen den Partnern jederzeit, insbesondere in konkreten Pitch-Situationen, zur Seite.
15.8 Fazit Ein Beratungsunternehmen sollte genau überlegen, ob es sich an einem Ausschreibungsprozess beteiligen will und dies rational begründen können. Die Bearbeitung von Pitch-Ausschreibungen und die Vorbereitung von Wettbewerbspräsentationen binden sowohl im Fee-Earner- als auch im Support-Bereich enorme Kapazitäten und kosten somit viel Zeit und Geld. Ein Beratungsunternehmen sollte daher seine Gewinnquote sowie seinen Pitch-Prozess analysieren, um Schwachstellen aufzudecken und den Prozess nachhaltig verbessern zu können. Durch gute Systeme und auf Pitches spezialisierte Mitarbeiter können Pitch-Prozesse (kosten-)effizienter gestaltet – und vor allem die Erfolgsquote erhöht werden.
Astrid Altmann Forbes ist seit 2021 Chief Operating Officer Germany & Eastern Europe bei Linklaters und Board Member der Legal Marketing Association in Europa. Für mehr als 20 Jahre war sie in leitender Funktion für die Bereiche Strategie, Business Development, Marketing und Kommunikation für Anwaltskanzleien in UK und in Deutschland tätig. Sie ist Europa-Betriebswirtin und studierte European Business Management an der International School of Management (ISM).
Legal Directories
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Von David Goertz
16.1 Einleitung Jährlich erscheinende Legal Directories bewerten Wirtschaftskanzleien in verschiedenen Beratungsfeldern oder Rechtsgebieten sowie einzelne Anwälte1 in diesen Beratungsfeldern. Neben dem in Deutschland populären „Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien“ gehören die ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum stammenden Directories von Legal 500 und Chambers zu den renommiertesten Nachschlagewerken. Neben diesen umfangreichen Zusammenstellungen existieren Rankings, wie bspw. das von Handelsblatt in Kooperation mit Best Lawyers erstellte, welche die „Kanzlei des Jahres“, den „Anwalt des Jahres“ sowie die „Besten Anwälte“ in verschiedenen Rechtsbereichen ermittelt. Diese, ausschließlich im Rahmen eines Peer-to-Peer-Verfahrens entstehenden, Rankings sind nicht Gegenstand des vorliegenden Kapitels, da dort ausschließlich andere Wirtschaftsanwälte gefragt werden, welche Wettbewerber sie empfehlen würden. Juve, Legal 500 und Chambers listen die führenden Kanzleien und Berater der einzelnen Beratungsgebiete auf, zusammen mit einer Beschreibung, wodurch sich die Beratungspraxis der einzelnen Kanzlei auszeichnet. Diese Beiträge werden von der Redaktion der jeweiligen Directories verfasst. Basis dieser Bewertung sind umfangreiche Eingaben seitens der Kanzleien zu Beratungsleistungen in den dort eingereichten Mandaten. Der Text dazu stammt aus der Marketing- oder PR-Abteilung der Kanzlei, die die Einreichungen vornimmt.
Im folgenden Beitrag wird zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für das männliche, weibliche und diverse (m/w/d) Geschlecht. 1
V. D. Goertz (*) Frankfurt, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2_16
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Für die Außenwahrnehmung einer Wirtschaftskanzlei ist das Abschneiden bei Legal Directories von hoher Relevanz für die externe Reputation bei (potenziellen) Mandanten. Aber auch intern spielt es für das Renommee von einzelnen Beratungspraxen eine wichtige Rolle. Zudem kann es für Bewerber ein erster Anhaltspunkt sein, um sich einen Überblick über die Stärken einer Kanzlei in bestimmten Beratungsfeldern zu verschaffen. Schließlich spielt – wir bewegen uns nach wie vor in einem People’s Business – auch das Abschneiden des einzelnen Anwalts eine nicht unerhebliche Rolle für deren Reputation. Dass man auf vielen Lebensläufen von Anwälten auf der Website der Kanzlei Zitate zur jeweiligen Anwaltspersönlichkeit von Juve, Legal 500 etc. findet, hat seinen Grund, bieten diese doch eine objektive Einschätzung eines Mandanten oder Wettbewerbers. Ob man alle drei Rankings versucht, abzudecken, oder sich auf eine Auswahl beschränkt, hängt von den Ressourcen und der Ausrichtung der Kanzleien ab. Viele der international tätigen Kanzleien in Deutschland geben für alle drei Directories Einreichungen ab. Es kann allerdings, bei begrenzten Ressourcen, sinnvoll sein, sich auf ein Ranking zu beschränken. In den letzten Jahren haben Kanzleien analog zu einer immer stärker werdenden Professionalisierung im PR- und Marketing- Bereich auch die Einreichung bei den Legal Directories systematisiert und digitalisiert. Eine Übersicht über Mandate in bestimmten Rechtsbereichen sind auch bei Pitches in Zusammenhang mi der Abfrage von Referenzmandaten von Bedeutung, so dass es sich anbietet, diese Informationen in einer Datenbank zusammenzufassen. In der Praxis erleichtert das die Eingaben erheblich. Submissions auf Knopfdruck wird es wohl trotzdem nicht geben. Die Abfragen sind zu speziell, unterscheiden sich je nach Legal Directory und ändern sich stetig. Dies führt dazu, dass trotz aller Hilfsmittel viele Details angepasst und geklärt werden müssen. Ziel einer überzeugenden Eingabe muss nicht sein, eine möglichst große Zahl von Mandanten einzureichen, sondern die Darstellung einer fundierten Zusammenstellung, die das Profil in einem bestimmten Rechtsgebiet verdeutlicht. Im folgenden Beitrag soll dieser Einreichungsprozess (Submission) bei den oben genannten Legal Directories beschrieben und erläutert werden. Der Schwerpunkt liegt dabei beispielhaft auf dem Einreichungsprozess bei Juve, da dieser sowohl für international agierende Großkanzleien als auch für mittelständisch geprägte Kanzleien von hoher Relevanz ist. Praxisnah soll dargestellt werden, welche Vorarbeiten für die Eingaben notwendig sind, wie die Eingabe abläuft und was im Nachgang bei den folgenden Interviews zu beachten ist.
16.2 Vorteile einer Teilnahme Legal Directories, die unabhängig recherchieren und außerdem Mandanten und Wettbewerber befragen, können eine objektive Quelle sein, um Kompetenz von Wirtschaftskanzleien zu erfragen. In einem Umfeld, in dem vieleder großen und international agierenden Kanzleien in der Außenwahrnehmung austauschbar erscheinen, kann ein gutes Abschneiden in einem Be-
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ratungsfeld unter Umständen ausschlaggebend sein. Ein lobendes Zitat von einem Mandanten oder Wettbewerber ist in einem „People’s Business“ für die Außenwahrnehmung ein wertvolles Gut. Ein Profil auf der Website oder in einem Pitch-Dokument mag dem Partner zwar langjährige Expertise in einem bestimmten Bereich bescheinigen, ungleich aussagekräftiger und werbewirksamer ist hingegen das unabhängige Lob eines Mandanten, der diesem bescheinigt, „über langjährige umfangreiche Expertise“ zu verfügen. Auch wenn nicht im Einzelnen eruiert werden kann, wie viele Inhouse-Juristen eines der Legal Directories bei ihren Entscheidungen zu Rate ziehen, zeigen doch die hohen Beteiligungsquoten und die zahlreichen Empfehlungen, die ausgesprochen werden, sowie die verschiedenen Gespräche, die bspw. die Juve oder Legal 500 Redaktionen mit Mandanten führen, dass diese eine erhebliche Relevanz besitzen. Dass die Relevanz der Handbücher nicht pauschal feststellbar ist, hat mehrere Gründe und spricht nicht per se gegen sie. Zu unterschiedlich sind Märkte und Branchen, Auftraggeber und Situationen, in denen Mandate vergeben werden. Plausibel ist die Annahme, dass sie zumindest zum Vergleich und zur Absicherung berücksichtigt werden. Wer Rechtsberatung für einen Prozess sucht, bei dem ein Unternehmen im Mittelpunkt steht und dabei dem Vorstand über die Kanzleiauswahl Rechenschaft ablegen muss, der wird die Möglichkeit nutzen, die Qualität der vorgeschlagenen Kanzlei zusätzlich durch ein Ranking zu belegen. In den USA oder dem britischen Markt sind die Handbücher noch fester verankert als in Deutschland – insbesondere Kanzleien mit internationaler Mandantschaft werden sich daher in absehbarer Zeit weiter an diesem Maßstab messen lassen müssen. Das gilt im Außen- wie im Innenverhältnis: ein gutes Chambers-Ranking ist im internationalen Netzwerk eine anerkannte Währung und kann dazu beitragen, das Profil einer deutschen Praxis zu schärfen. Nicht zuletzt liefern die Legal Directories einen guten Überblick über die eigene Position. Welche Wettbewerber finden sich in derselben Kategorie, wie die eigene Kanzlei? Was zeichnet Kanzleien aus, die höher gerankt sind? Wie ist der Wettbewerb in Bereichen aufgestellt, die man als nächstes erschließen möchte? Eine strategische Auswertung des Handbuchs, möglichst zusammen mit Informationen aus anderen Quellen, liefert wertvolle Einsichten, und kann auch für die eigene Ausrichtung hilfreich sein.
16.3 Legal Directories im Überblick Neben den Platzhirschen, dem „Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien“, beteiligen sich vor allem die international aufgestellten Kanzleien auch bei Chambers und Legal 500. Daneben existieren zahlreiche Peer-to-Peer Rankings, bei denen Wirtschaftsanwälte befragt werden, welche Wettbewerber sie als empfehlenswert erachten und inzwischen relativ viel Aufmerksamkeit vor allem auch in den sozialen Netzwerken wie LinkedIn erhalten. Im Folgenden sollen kurz wichtige Eckdaten der Legal Directories Juve, Legal 500 und Chambers dargestellt werden. Für das Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien 2023/2024 hat die Redaktion 1269 Kanzleien per Fragebogen kontaktiert. Zurückgemeldet haben sich 689
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Kanzleien, die insgesamt 3761 Fragebögen eingereicht haben. 53.128 Mandanten, die als Referenzen angegeben waren, wurden per E-Mail kontaktiert. Die 33 Redakteure haben mit den Kanzleien und Mandaten zahlreiche Gespräche geführt, sowohl für das Handbuch als auch über das ganze Jahr hinweg, so dass die Redaktion nicht allein auf Interviews und Eingaben für das Handbuch angewiesen ist. Im Vergleich sind Chambers- und Legal 500-Researcher aus Sicht des deutschen Marktes eher Zugvögel: Während der Recherchephase für ein bestimmtes Gebiet sind sie im deutschen Markt aktiv, um dann weiterzuziehen, um jeweils mehrere Jurisdiktionen und/ oder Rechtsgebiete zu betreuen. Beide Directories setzen auf internationale Reichweite und analysieren Rechtsmärkte rund um die Welt. Legal 500 veröffentlicht neun regionale Guides, die von rund 50 Researchern erarbeitet werden. Vor etwa fünf Jahren begann das Unternehmen damit, für den deutschen Markt ein Team deutschsprachiger Researcher aufzubauen. Legal 500 Deutschland gibt nach eigenen Angaben einen Überblick über rund 400 Wirtschaftsrechtskanzleien und Rankings zu fast 50 Praxisbereichen. Das deutsche Buch wird übersetzt und in Teilen für das EMEA-Handbuch genutzt, für das keine weiteren Eingaben von Kanzleien notwendig sind. Abschließend sei betont, dass diese Handbücher unabhängig arbeiten – das Schalten von Anzeigen oder Profilen bleibt ohne Einfluss auf die Rankings. Das macht ihren Wert aus – wären die Rankings käuflich, schwände ihre Glaubwürdigkeit. Um vollen Zugriff zu den Rechercheergebnissen von Legal 500 zu erhalten, muss man allerdings einen kostenpflichtigen Account besitzen, im Juve Handbuch wiederum können sogenannten Co- Publishing Artikel gekauft werden.
16.4 Planung und Prozesse Geplant und umgesetzt werden müssen im Wesentlichen folgende Schritte: 1 . Mandatsbeschreibungen, Mandantenreferenzen und Freigaben 2. Eingabe und Prüfung bzw. Freigabe 3. Nachmeldungen 4. Interview-Vorbereitung und Interviews
16.4.1 Termine festhalten Für diejenigen, die in den Kanzleien den Submission-Prozess managen, sollte es selbstverständlich sein, alle Fristen und Termine in den Kalender aufzunehmen, sobald sie bekannt gegeben wurden. Grundsätzlich hat sich bewährt, einen gewissen Puffer einzubauen. Das bedeutet, den Abgabetermin, den man kanzleiintern kommuniziert, etwas früher zu setzen als den Ab-
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gabetermin bei den einzelnen Legal Directories. Nachreichungen von Mandaten nach Ablauf der Frist sind in Einzelfällen möglich. Hierbei sollte man sich jedoch auf wenige und wichtige Mandate beschränken, die nach Abgabefrist und vor dem Start der Interviews noch eingereicht werden können. Ansonsten variieren die Einreichungsfristen bei den drei beschriebenen Legal Directories von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2023 war die Abgabefrist für die Einreichung bei Juve Anfang März, bei Legal 500 im Mai. Bei Chambers wiederum sind die Abgabefristen für die Bereiche über das Jahr verteilt. Der „Research Schedule“ auf der Webseite wird das Jahr über fortgeschrieben, die Gebiete und Researcher zu einem Abgabetermin sukzessiv ergänzt. Die Abgabetermine zu kennen und intern zu kommunizieren, ist allerdings nur ein Schritt und vermutlich auch der einfachste. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen Eingaben in den verschiedenen Rechtsgebieten in den Legal Directories die sich wiederum in ihrem Aufbau unterscheiden, zu koordinieren, auch wenn sich Synergieeffekte bei der Abgabe ergeben können. So bietet es sich natürlich an, auf den Submissions bei Juve auch Eingaben für Legal 500 aufzubauen, auch wenn diese je nach Legal Directory angepasst werden müssen.
16.4.2 Zuständigkeiten klären Die Frage, ob Business Development (BD) oder die PR-Abteilung für den Prozess der Submissions verantwortlich ist, stellt sich vor allem in größeren Teams, in denen arbeitsteilig gearbeitet wird. Entscheidend sind zweierlei Sachen: Zum einen sollten die Zuständigkeiten klar verteilt sein, zum anderen sollte möglichst eine Person den Prozess leitend steuern. Expertise wird sowohl von Seiten des BD als auch von der PR-Abteilung benötigt. Während die BD- Abteilung im Regelfall enger mit den Praxisgruppen arbeitet und eine gute Übersicht über deren Tätigkeit hat, hat die PR-Abteilung unter Umständen einen besseren Blick für die Geschichte, die eine Eingabe erzählt. Letztlich sind auch die Submissions ein Teil der externen Kommunikation einer Kanzlei und der PR-Manager kann durch Ordnen und Hervorheben dazu beitragen, dass die Eingaben die richtigen Botschaften transportieren und dass sie untereinander sowie im Hinblick auf die Gesamtstrategie der Kanzlei stimmig sind.
16.4.3 Zeitplanung Mit dem Ausfüllen der Formulare ist die Arbeit nicht getan. Um Zeit für die notwendigen Ergänzungen, Abgleichungen und Rückfragen zu haben, ist eine interne Frist sinnvoll. Diese sollte, je nach Anzahl der Eingaben und Größe der Abteilungen, bei ein bis zwei Wochen vor der eigentlichen Abgabefrist liegen. Grundsätzlich ist meist ein kleiner Aufschub möglich. Das heißt, wenn die Abgabefrist Anfang März ist, sind meistens noch einige Tage Aufschub machbar nach freundlicher Nachfrage.
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16.4.4 Vorbereitung und Ablauf Vor Beginn der Eingaben sollten sich die Beteiligten bewusst werden, was sie erreichen wollen. Geht es darum, in bestimmten Rechtsbereichen besser abzuschneiden? Will man das Gesamtergebnis verbessern? Sollen regionale Schwerpunkte gesetzt werden? Will man in einem Rechtsgebiet erstmalig gerankt werden? Gerade bei begrenzten Ressourcen für den Submissions-Prozess kann es sinnvoll sein, den Schwerpunkt auf einzelne Rechtsbereiche zu legen, denen man strategisch eine große Bedeutung zumisst und von denen man erwarten kann, dass diese eine Chance haben, in das Ranking aufgenommen zu werden. Optimalerweise sollten die Eingaben die strategische Ausrichtung der Kanzlei widerspiegeln. Unabhängig davon sollten die Beteiligten bereits frühzeitig versuchen, Daten, wie die Anzahl der Anwälte nach Grade, Standorte etc., vorzubereiten. Den Kern der Eingaben machen Mandate und Referenzkontakte aus. Es bieten sich hier digitale Lösungen an, bspw. eine Datenbank, die regelmäßig im Jahresverlauf bei allen Praxisgruppen oder Partnern der Kanzlei erfragt, welche neuen Mandate und Referenzen hinzugekommen sind. Es sollte verhindert werden, dass kurz vor Beginn der Einreichungen mittels einer Excel -Liste Abfragen gestartet werden. Realistischerweise sollten sich die Beteiligten nicht allein darauf verlassen, den Input geliefert zu bekommen. Deal- und Pressemeldungen sowie Newsletter sind weitere Quellen, die man vor allem auch nutzen sollte, um die erhaltenen Einreichungen zu kontrollieren. Als sinnvoll hat sich das persönliche Gespräch mit einzelnen Partnern erwiesen, um die Eingaben durchzugehen. Aus einer solchen Diskussion kann man fehlende Fakten und Beschreibungen mitnehmen, aber sich auch ein genaueres Bild von den Entwicklungen der Praxis im Markt verschaffen. Dies hilft dabei, sich Kernbotschaften für eine Eingabe zu überlegen oder eine gezielte Mandatsauswahl vorzuschlagen. Ist das alles eingearbeitet, haben die Partner eine gute Grundlage für die weitere Abstimmung mit Mandanten sowie untereinander.
16.4.5 Die Eingaben Gute Eingaben sind mehr als eine bloße Informationssammlung. Sie sollten strategisch angelegt sein, von unterschiedlichen Zielrichtungen ausgehend: Welche Ziele will eine Kanzlei beziehungsweise eine Praxis erreichen? In welchen Bereichen und Branchen will sie Schwerpunkte setzen? In welchen Rankings will sie sich verbessern? Nebeneinander gelegt sollten die einzelnen Bereichseingaben die Gesamtstrategie der Kanzlei widerspiegeln. Ziele können der Eintritt in das Ranking in einem neuen Rechtsgebiet, eine Verbesserung der Position oder die Verteidigung eines bereits sehr guten Platzes sein. Um das zu erreichen, hat man die Möglichkeit, durch Nennung von Referenzen, positives Mandantenfeedback beizusteuern und durch die genannten Mandate einen Überblick über das Niveau der geleisteten Arbeit und das Mandantenportfolio zu geben.
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16.4.5.1 Referenzen Referenzen sind idealerweise Mandanten, mit denen man in den letzten zwölf Monaten erfolgreich zusammengearbeitet hat, die das Team gut kennen und sich zu mehreren Anwälten äußern können. Nicht ausschlaggebend ist eine besonders hohe Funktion einer Referenz. Die Bedeutung der Referenzen wird häufig unterschätzt. Sie sind tatsächlich der wichtigste Teil der Eingabe. Gutes „Client/Market Feedback“ gibt oft den Ausschlag, wenn es einer Kanzlei gelingt, neu in ein Ranking zu gelangen oder darin aufzusteigen – umgekehrt ist fehlende Rückmeldung aus dem Markt der Grund, wenn das misslingt. Das Markt-Feedback sammeln die Researcher bei Inhouse-Juristen, Wettbewerbern und anderen Akteuren. Das geschieht im Handbuch-Interview, aber auch kontinuierlich, wenn man, wie die Juve-Redakteure, das ganze Jahr über Nachrichten oder Hintergrundberichte zum Rechtsmarkt recherchiert. Für das Client-Feedback werden gezielt die Kontakte angeschrieben oder angerufen, die die Kanzleien in den Eingaben als Referenzen benannt haben. Die Fragen betreffen die Zusammenarbeit mit der Kanzlei, besonderen Mandantenservice, Effizienz der Mandatsbearbeitung und Ähnliches. Die Referenzliste ist die Möglichkeit, selbst eine Quelle positiver Kommentare im Rechercheprozess zu schaffen. Entsprechend sorgfältig sollte man die Kontakte auswählen und einbeziehen. Die Nennung als Referenz ist mit dem Kontakt abzustimmen, ob das die PR-Abteilung übernimmt oder der zuständige Partner ist im Einzelfall zu entscheiden. Die Abstimmung ist schon deshalb sinnvoll, weil man dem Referenzgeber dann in Erinnerung gerät, wenn die Anfrage des Handbuchs eintrifft – dies ist gerade bei Ansprechpartnern in großen Unternehmen, die mit verschiedenen Kanzleien arbeiten, nicht selbstverständlich. Immer mehr Kanzleien beteiligen sich an Legal Directories und benennen immer mehr Kontakte. Dadurch ist das Benennen und Bekanntwerden für die Beteiligten selbstverständlicher geworden. 16.4.5.2 Mandate Bedingung für die Nennung von Mandaten ist das Vorliegen einer entsprechenden Freigabe durch die Mandanten und auch von internen Freigaben. Grundsätzlich ist es möglich, Mandate anonymisiert einzugeben, d. h. aus dem Mandanten Volkswagen AG wird dann der „Deutsche Automobilhersteller“. Auch kann bei Juve zwar das Mandat namentlich angegeben werden, aber es kann festgelegt werden, dass dies nur anonymisiert genannt werden darf oder nur als Hintergrundinformation genutzt werden soll. Welche Informationen Legal 500, Juve und Chambers im Einzelnen abfragen unterscheidet sich im Detail. Im Wesentlichen verlangen diese den Namen des Mandanten (oder eine Umschreibung), die Beschreibung der Beratungsleistung innerhalb dieses Mandats, die Beteiligten auf der eigenen Seite und gegebenenfalls auf der gegnerischen Seite sowie den Beratungszeitraum. Es empfiehlt sich, die Mandatsbeschreibung auch bei größeren Projekten auf wenige Sätze zu beschränken, die klar und deutlich die eigene Beratungsleistung hervorheben. Bei der Vielzahl an Eingaben dürfte es sonst schwierig werden, die notwendige Aufmerksamkeit der Redakteure zu erhalten.
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Folgende Hinweise sollten man beachten: • Knappe und präzise Beschreibungen – Weniger ist mehr. • Nachrichtliche Texte – die Beschreibung eines Prozesses, also beispielsweise mit dem Ergebnis und nicht mit dem Ursprung des Konflikts beginnen. • Besonderheiten nennen – Stichworte sind innovative Mandate, Größe von Transaktionen, besonders viele Beteiligte oder besonders viele Jurisdiktionen, auch ein Mandat, was bspw. bereits von Juve in einer Deal-Meldung aufgegriffen wurde, sollte nicht fehlen. • Aktualität zeigen: Mandate können über Jahre in Eingaben genannt sein, allerdings sollte die Beschreibung jeweils aktualisiert werden. Sieht die Eingabe genauso aus wie im Vorjahr, erweckt das den Eindruck, als sei nichts geschehen. • Vollständige Teams: Die Teams sollten den Umfang der Arbeit widerspiegeln. • In internationalen Kanzleien sollte man Beteiligte aus anderen Büros nennen und auch die Spezialisten aus dem Steuer- oder Arbeitsrecht. Sinnvoll ist es auch, auf Diversität zu achten.
16.4.5.3 Executive Summary Nutzen sollte man die Gelegenheit zu einer knappen Darstellung der Praxis, die alle Legal Directories bieten. Auch hier sollte man sich wieder in den Researcher versetzen, der zahlreiche Eingaben lesen muss, und sich auf einige Kernpunkte beschränken. Hier sollten prägnante Entwicklungen wie neue Mandanten, Panel-Positionen, Ausbau existierender Mandatsbeziehungen, Mandate in neuen/sich entwickelnden Rechtsgebieten, und aufgebaute Branchenexpertise genannt werden. Ergänzungen sind in der Regel bis zum Redaktionsschluss möglich, der je nach Rechercheablauf einige Wochen bis wenige Monate nach Abgabe der Eingabe und Interview liegen kann. Das kann wichtig sein, um Partnerzugänge oder große Transaktionen nachträglich zu melden. Man sollte sich aber klar darüber sein, dass mit nahendem Redaktionsschluss die Schwelle immer höher wird.
16.4.6 Die Interviews Die dritte Säule der Handbuchrecherche ist ein Interview, welches ein Videointerview oder ein persönliches Gespräch sein kann. Auch wenn sich in vielen Fällen ein Videointerview anbietet, sollte man doch versuchen, auch immer wieder das persönliche Gespräch mit den einzelnen Redakteuren zu suchen, wenn diese es anbieten. In der Wertschätzung macht es einen Unterschied, ob man einen 60 min- „Teams-Call“ einstellt, oder ob sich zwei Partner der Kanzlei mit der zuständigen Redakteurin zum persönlichen Gespräch treffen. Ein Automatismus ist ein Interview nicht, wenn die jeweilige Redaktion bereits aus der Eingabe und dem Mandantenfeedback ein vollständiges Bild gewonnen hat. Dann erfolgt keine Anfrage. Man kann sich dann selbst mit der Bitte um einen Gesprächstermin an den
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Researcher oder Redakteur wenden. Dabei sollte man aber akzeptieren, wenn dies nicht ermöglicht wird. Zwar ist das Interview eine weitere Möglichkeit, sich vorzustellen, wiegt aber deutlich weniger als das Marktfeedback und die Fakten, die sich aus der Eingabe ergeben. Die Frage, ob Ranking oder nicht, wird nicht im Interview entschieden. Anstatt auf ein Gespräch zu drängen, kann man besser jenseits der Recherchephase den Kontakt halten und bei passender Gelegenheit ein Treffen vereinbaren. Bedacht werden müssen die Teilnehmer und, wie bei jedem Interview, ist eine Vorbereitung sinnvoll, um die Kernbotschaften präsent zu haben. Bei mehreren Teilnehmern sollten die Themen und Rollen abgesprochen werden und sich mit den zusätzlichen Inhalten der Handbuchgespräche auseinandergesetzt werden. Kern der Gespräche ist es nicht, den Inhalt der Eingabe noch einmal wiederzugeben, sondern eher den Markt, die Praxis und ihre Entwicklung sowie den Wettbewerb darzustellen. In einem ideal verlaufenden Interview kann die Kanzlei überzeugend darstellen, dass sie die aktuellen Themen und Trends kennt und in ihrer eigenen Arbeit bereits damit beschäftigt ist – dass sie also zu den Ersten im Markt gehört, die bei neuen Fragestellungen hinzugezogen werden.
16.4.6.1 Interview-Teilnehmer Die Teilnehmerauswahl kann schwierig sein. Während die Gruppen, die durch eine Eingabe repräsentiert werden, oft groß und vielfältig sind, ist die verfügbare Ressource, d. h. vor allem die Zeit der Partner, regelmäßig rar. An einem Videointerview sollten auf Kanzleiseite möglichst nicht mehr als zwei Anwälte teilnehmen, zumindest einer sollte Partner sein, auch hier ist Diversität von Vorteil. Gesichtspunkte zur Teilnehmerauswahl können sein: • Welche strategischen Bereiche sollten vertreten sein? • Gibt es ein Beratungsgebiet oder einen Schwerpunkt, den man hervorheben möchte? Dann kann es nützlich sein, aus diesem Bereich jemanden einzubeziehen. • Gibt es aufstrebende, bislang weniger bekannte Anwälte in der Gruppe, die man positionieren möchte? Ein Interview ist eine sinnvolle Plattform hierfür. • Wird eine große und vielfältige Praxisgruppe von einem oder zwei Anwälten vertreten, dann ist wichtig, dass sie die Tätigkeit der Gruppenmitglieder kennen, die nicht im Interview vertreten sind. Sollte es vertiefte Rückfragen geben, kann man einen Rückruf des nicht anwesenden Partners anbieten. • Partner, die allein für eine Praxis stehen, können die Gruppe hinter sich sichtbarer werden lassen, wenn sie einen jüngeren Kollegen mit ins Interview nehmen.
16.4.6.2 Gesprächsleitfaden Die Interviews mit Redakteuren der Legal Directories sind von hoher Relevanz. Sie ermöglichen es, Schwerpunkte zu setzen, zu zentralen Mandanten Hintergrundwissen zu vermitteln und vor allem einen Überblick über die strategische Ausrichtung im jeweiligen Rechtsgebiet zu geben.
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Unterschiede bei den Interviews existieren zwischen Juve auf der einen und Chambers sowie Legal 500 auf der anderen Seite deutlich. Legal 500 und Chambers sind schon aufgrund ihrer internationalen Aufstellung noch stärker strukturiert, da die dort tätigen Redakteure im Regelfall auch für weitere Länder zuständig sind. Die Redakteure bei Legal 500 oder Chambers wirken deswegen teilweise etwas weniger kompetent, gleichzeitig haben die immer gleichen Fragestellungen auch den Vorteil, vergleichbare und belastbare Informationen zu sammeln. Gespräche mit Redakteuren von Juve wirken hingegen weniger strukturiert. Allerdings verfügen die Redakteure häufig über detaillierte Marktkenntnisse, es können hier auch überraschende Fragen gestellt werden und das Interview hat teilweise den Charakter eines Fach- oder Marküberblicksgesprächs. Typische Fragen sind: • Welche (Top-) Mandate wurden seit dem letzten Interview im jeweiligen Rechtsgebiet bearbeitet? Hier empfiehlt es sich, zwei bis drei aussagekräftige Mandate zu schildern. Aus Sicht der Kanzlei ist das eine erneute Möglichkeit, Mandate mit aktuellen Entwicklungen im Markt oder in der Praxis zu verknüpfen. • Wie ist die Vernetzung mit anderen Standorten und mit anderen Fachbereichen? • Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie im Markt? Aus Sicht der Kanzlei liegt hier die Möglichkeit, zu zeigen, dass man an diesen aktuellen Vorgängen teilhat und in der Lage ist, einzuschätzen, wie die Entwicklung in absehbarer Zeit weiter verlaufen und welche Rechtsfragen sie mit sich bringen wird. • Wie hat sich die Praxis im vergangenen Jahr entwickelt? Hier besteht die Möglichkeit, auf neue Partner hinzuweisen, seien sie intern ernannt oder von extern dazu gekommen. • Wie unterscheidet sich die Praxis von den Wettbewerbern? Dies ist für Anwälte oft die mühsamste Frage, weil sie wegzuführen scheint vom sicheren Boden der Arbeit und in die (scheinbare) Notwendigkeit, Marketing-Botschaften abzugeben. Aber hier lässt sich der Fokus auf konkrete Besonderheiten der Praxis im Hinblick auf Aufstellung und Angebot richten. Bei der Beurteilung von Wettbewerbern sollte man zurückhaltend sein. Zu viel Lob ist unangebracht, aber man sollte sich auch mit Kritik zurückhalten und versuchen, ein möglichst objektives Bild zu vermitteln. Gefragt ist sachliches Feed back dazu, wie man die Marktposition der Wettbewerber einschätzt, wessen Name oft fällt und wer weniger visibel ist. Gezielt wird oft danach gefragt, ob (jüngere) Anwälte positiv aufgefallen sind, die sich in den nächsten Jahren für einen Platz im Ranking qualifizieren könnten. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln für Interviews – insbesondere: zuhören und die Fragen abwarten, was angesichts ihrer Vorhersehbarkeit in Vergessenheit geraten kann. Angesichts der unterschiedlichen Wissensstände der Researcher ist es ein guter Ansatz, gegebenenfalls nachzufragen, ob man technische oder fachliche Punkte weiter erläutern soll.
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16.4.6.3 Nach Erscheinen Die Rankings und positiven Zitate, die man für Pitch-Unterlagen oder Medien wie die Webseite nutzen kann, sollte man sammeln und ordnen. Nicht zu vergessen ist die interne Kommunikation der erreichten Rankings, besonders in internationalen Kanzleien oder Netzwerken. Eine gründliche und ehrliche Analyse der eigenen Position im Vergleich zu den Wettbewerbern und den eigenen Zielen kann Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten offenbaren. Mögliche Fragen sind: • Sind die zentralen Praxisgruppen gerankt? Sind sie gut eingeordnet? • Sind die strategisch wichtigen Beratungsgebiete gerankt? • Sind bei den Rechtsgebieten die strategisch wichtigen Mandate und Mandanten genannt? Wenn nein: Hat man sie – stets innerhalb des Möglichen – klar genug kommuniziert? • Sind die Anwälte genannt, die genannt werden müssen? Bekannte Partner ebenso wie der Nachwuchs? • Wo stehen die Wettbewerber? • Hat sich die Liste der gerankten Kanzleien insgesamt im Vergleich zum letzten Jahr geändert oder ist sie konstant geblieben? Sind Wettbewerber neu im Ranking? Daraus ergeben sich Aufträge, nicht nur im Hinblick auf die nächste Runde der Eingabe, sondern vor allem für die Zeit bis dahin. Die Rückschlüsse aus den Rankings sollten mit den Praxisgruppen und dem Business-Development- und Marketing-Team geteilt werden, damit sie dort Berücksichtigung finden können. Welche Praxis muss sichtbarer werden? Welche Themen möchte man besetzen? Welche Mandanten möchte man erreichen und welche Maßnahmen sind dafür geeignet? Das Vorhaben, Rankings zu verbessern, ist ein langfristiges Projekt und eine Geduldsprobe. Die Listen sind konservativ, es bedarf in der Regel mehrerer Runden guten Feedbacks von Mandanten und aus dem Markt sowie substanzieller Eingaben, um einen höheren Platz zu erklimmen oder neu aufgenommen zu werden. Die gute Nachricht daran ist, dass ein einmal erreichtes Ranking nicht sofort verlustig geht, wenn es ein schwächeres Jahr gibt.
16.5 Fazit Das gute Abschneiden in einem Legal Directory ist angesichts des hohen Wettbewerbs und des enormen Aufwands, den viele große Wirtschaftskanzleien bei den Einreichungen betreiben, ein immenser Erfolg. Sie sind ein objektiver Beleg für eine überdurchschnittliche Leistung in einem hart umkämpften Markt. Lobende Zitate von einem zufriedenen Mandanten heben eine Anwaltspersönlichkeit aus der Masse hervor. Sie ersetzen nicht ein gutes Marketing, ergänzen es aber um eine redaktionelle und objektive Bewertung der eigenen Beratungspraxis in einem bestimmten Rechtsgebiet.
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Um eine erfolgreiche Submission in einem der Legal Directories durchzuführen, bedarf es neben entsprechenden personellen Ressourcen auch einer guten Planung. Hilfreich hat sich hierbei eine Datenbank erwiesen, auf der über das ganze Jahr hindurch Mandate und Referenzen gesammelt werden. Die Einreichung „auf Knopfdruck“ wird es allerdings nie geben. Weiterhin muss in vielen Fällen Rücksprache mit den beteiligten Anwälten gehalten werden und die strategische Entscheidung getroffen werden, welche Mandate besonders hervorgehoben werden sollen. Mit der Eingabe endet der Prozess allerdings nicht: Wie beschrieben, kommt auch den Interviews eine erhebliche Bedeutung zu. Auch hier hilft eine gute Vorbereitung. Einige exemplarische Fragen zur Vorbereitung wurden in dem entsprechenden Kapitel vorgestellt. Es ist nicht leicht, Anwälte zu motivieren bei den Eingaben mitzuwirken und sich schließlich auch bei den Interviews zu beteiligen. Hier hilft es, auf die Bedeutung der Legal Directories in der Außenwahrnehmung hinzuweisen. Schließlich kann auch ein gutes Abschneiden motivieren, im nächsten Jahr erneut entsprechende Energie zu investieren. Am Ende kann die Marketing- oder BD-Abteilung noch so kompetent und organisiert sein, am Ende zählt die Mitwirkung der Anwälte, insbesonders auf der Partnerebene.
Dr. David Goertz ist Communications Manager bei KPMG Law, wo er die interne und externe Kommunikation sowie das Marketing verantwortet. Zuvor war er in ähnlicher Position sechs Jahre lang bei einer größeren mittelständischen Kanzlei in Berlin tätig. Davor arbeitete er bei Bertelsmann und der Otto Group in der externen Unternehmenskommunikation. David Goertz studierte Politikwissenschaft und öffentliches Recht und schloss das Studium als Diplom-Politologe ab. Nach seinem Masterstudiengang Politikmanagement und Public Policy promovierte er mit einer Arbeit zur Nutzung von Social Media Formaten in deliberativen Verhandlungsformaten.
Stichwortverzeichnis
A Added Value 247 Agentur 78 Agenturbriefing 122 Agentur, externe 77 Arbeitgebermarke 164 B Barcamps 111, 130, 131 Best Practices 249 Beziehungsmanagement 263 Blog 147 Boutique 226 Business Development 114 Definition 209 Implementierung 225 Instrumente 213 Plan 216 Struktur 227 C Client Relationship Management (CRM) 213 Client Service 225 Content 140, 142 Marketing 51 Controlling 203, 238 Informationssystem 74 Corporate Design 99, 121 Corporate Responsibility 109 Corporate Social Responsibilty (CSR) 132 CSR (Corporate Social Responsibilty) 132
D Datenschutz-Grundverordnung 251 De-Briefing 126 Dezentralisierung 245 E Einbindung, frühzeitige 247 E-Mail-Marketing 147 Emotionalisierung 112, 114, 118, 120, 126 Empfehlungsmarketing 118 Employer Branding 132, 142 Erfolge kommunizieren 94 Erfolgsfaktor, kritischer 73 Erfolgsmessung 252 Evaluation 144 Event 114, 116, 119, 132 Eventmarketing 112 F Facebook 81, 106, 131, 142, 146 first mover 249 G Geschäftsanalyse 210 Geschäftsentwicklung 22, 48, 208 Geschäftsmodell 38, 93, 250 Geschäftsplan 211 Geschäftsstrategie 211 Gewerbesteuerpflicht 251 Gewinnmaximierung 221
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Schieblon (Hrsg.), Marketing und Business Development in Kanzleien, https://doi.org/10.1007/978-3-658-41991-2
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282 Globalisierung 12, 196 Glocalization 247 Großkanzlei 235 H Handbücher 271 Hochschulmarketing 142 Human Resources 263 hybride Events 128 I Identifikation mit Mandantenentwicklungspotenzial 212 Implementierung 226, 230, 238 Industriefokussierung 227 Informationswert 124 Inhalt bezahlter 67 Inhouse-Events 77 internationale Großkanzleien 244 Involvement 131 J Journalist 75 K Kanzleientwicklung 226 Kanzleiführung 58 Kanzleikommunikation 27, 36, 46, 50, 54, 60, 64–66 Kanzleikultur 118 Kanzleimarketing 160, 196 Entwicklung 226 Kanzleimarkt 35, 156, 226, 235, 238 Entwicklung 226 Karriere 22, 64, 140, 145, 154, 168, 169, 189 Messen 72 Karriereweg 169, 173 Kennzahlen 236 Kommunikation 114 externe 26, 28, 34, 36, 280 interne 93–96, 98 zielgruppengerechte 142 Kommunikationsinstrument 114 Kommunikationskanal 69, 71, 106, 178 Kommunikationskonzept 27, 58, 129
Stichwortverzeichnis Kommunikationsplan 199 Kommunikationspolitik 112 Kommunikationsweg 48, 180, 187, 192 Koordination 245 Kostendruck 256 KPIs, Key Performance Indicators 252 Kreativitätstechnik 122 L länderübergreifend 246 M Managementmodell 77 Managementverständnis 33 Managing Partner 262 Mandantenbefragung 218 Mandantenbindung 119, 132 Mandatserfolg 44 Marke Implementierung 247 Markenführung 1–3, 5, 9, 16, 20–22 Marketingabteilung, zentrale 198 Marketingcontrolling 203 Marketing-Event 115 Planung 119 Marketingmix 112, 113 Marktnähe 246 Marktorientierung 250 Matrix 244 Mehrwert 246 Messe 116 N Nachrichtenwert 124 Netzwerk, soziales 108, 141 Newsletter 140 O Online-Marketing 188 Organisationsform 12 P Partner 28 begeistern 163 Feedback 261
Stichwortverzeichnis Partnerpersönlichkeit 41 Personalabteilung 95 Personalmarketing 163 Instrumente 165 Pitch/Pitching 233, 255 Builder 266 Datenbank 266 Feedback 261 Prozess 255, 256, 262, 265 Strategie 259 Unterlagen 257, 259 PR-Agentur 78 Preisdruck 37 Preispolitik 113 Pressearbeit 77 Priorisierung 253 Produktpolitik 113 Produkt Rechtsberatung 59 Professional Service Firm (PSF) 122 Projektmanagement 130, 231 Public Relations (PR) 77, 113 R Ressourcenmanagement 111 RSS 147 S Social Media 137, 147 Strategie 138 Soziales Netzwerk. Siehe auch Netzwerk, soziales Sponsoring 113, 117, 200, 206 Controlling 203 Definition 256 Strategie 209 Stakeholder 137 Stellenanzeige 145 Strukturierung in der Kanzlei 227 von Marketing 227 Suchmaschinenoptimierung (SEO) 152, 186
283 T Team Management 238 time to market 248 Twitter 131, 137, 144, 145 U Umsatz 4, 121, 219, 238 Unternehmenskommunikation 112, 176 V Verschwiegenheit 21, 42, 43, 47, 54 Vertrauensdienstleistung 118 Vertriebspolitik 113 Videomarketing 152, 159 virtuelle Events 127 W Wachstum 234 War for Talents 148 Website 232, 236 Werbeanzeige 147 Work-Life-Balance 21, 22 X XING 141, 145 Y YouTube 21, 130, 141, 146, 159 Z Zentralisierung 245 Zielgruppe 37, 46, 120, 124, 140 Zusammenarbeit 78, 153, 222, 229, 235, 248 Feedback 261 Rahmenbedingung 257