Marketing: Einführung [4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Reprint 2018] 9783486786262, 9783486229172

Endlich ein umfassendes, anspruchsvolles und dennoch knappes Marketing-Lehrbuch, bereits in vierter Auflage. Der Autor v

180 28 13MB

German Pages 223 [224] Year 1994

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Table of contents :
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage
Aus dem Vorwort zur 2. Auflage
Aus dem Vorwort zur 3. Auflage
Vorwort zur 4. Auflage
INHALTSÜBERSICHT
ERSTES KAPITEL Grundlagen
Zweites Kapitel: Markt-Erforschung
Drittes Kapitel: Markt-Gestaltung
VIERTES KAPITEL Markt-Kommunikation
Fünftes Kapitel: Marketing-Institutionen
Literaturverzeichnis
Sachregister
Recommend Papers

Marketing: Einführung [4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Reprint 2018]
 9783486786262, 9783486229172

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Marketing Einfuhrung

Von

Lothar Weeser-Krell Un iversitätsprofessor Universität Paderborn Technische Hochschule Kothen Technische Universität Otto-von-Guericke Magdeburg NEC Nemzetközi Egyeterni es Föiskolaj Centrum (IUC Internationales Universitäts- und Hochschulzentrum) Szarvas (H) AIS Accademia Internazionale delle Science San Marino (RSM) GVU Gesellschaft für Unternehmenserfolg Hamburg/Dresden Akademie für Wirtschaft und Verwaltung Bad Waldliesborn IWT Institut für Wissenstransfer Velbert

4., überarbeitete und aktualisierte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

„AU Business is human" (In Abwandlung einer amerikanischen Verkäuferweisheit)

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Weeser-Krell, Lothar M.: M a r k e t i n g : E i n f ü h r u n g / von Lothar Weeser-Krell. - 4., Überarb. und aktualisierte A u f l . - München ; Wien : Oldenbourg, 1994 ISBN 3 - 4 8 6 - 2 2 9 1 7 - 6

© 1 9 9 4 R . O l d e n b o u r g Verlag G m b H , München Das W e r k außerhalb lässig u n d filmungen

einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzus t r a f b a r . Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ü b e r s e t z u n g e n , Mikroverund die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

S a t z , G e s t a l t u n g und T e x t v e r a r b e i t u n g : Werbeagentur Erika Weeser-Krell, P a d e r b o r n G e s a m t h e r s t e l l u n g : R. Oldenbourg Graphische Betriebe G m b H , München

ISBN 3 - 4 8 6 - 2 2 9 1 7 - 6

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Die Lektüre des Buches setzt keine Marketing-Fachkenntnisse voraus, allerdings sollte betriebswirtschaftliches Grundwissen vorhanden sein. Wenngleich versucht wurde, den gesamten Marketing-Bereich abzuhandeln, so mußten doch angesichts der gebotenen Kürze der Darstellung Akzente gesetzt werden, die zur etwas breiteren Diskussion bei einzelnen Themen und zur gestrafften Behandlung anderer Themen führten. Eine knappere Darstellung schien bei solchen Themen angebracht und erlaubt, die in der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Literatur ausführlich behandelt werden, z.B. die Preispolitik. Andererseits wurde besonderer Wert gelegt auf die Darstellung der "Marketing-Institutionen", die in dieser Konzentration und Ausführlichkeit in der üblichen Buch-Literatur nicht behandelt werden. Aus dem Vorwort zur 2. Auflage Seit Erscheinen der ersten Auflage hat sich in Theorie und Praxis des Marketing manches geändert. Dadurch wurde es erforderlich, das Manuskript in weiten Teilen zu überarbeiten und zu aktualisieren. Die Berücksichtigung neuer Ansätze in der I .ehre und neuer Techniken in der Marketing-Praxis führten zwangsläufig zu einer Zunahme des Umfangs gegenüber der L. Auflage. Dabei sah sich der Verfasser in dem Dilemma, einerseits die von Rezensenten und Lesern des Buches gelobte Knappheit - angesichts des Charakters eines Einführungsbuches - beizubehalten und andererseits dennoch alle wichtigen Einzelthemen des Marketing anzusprechen. Für die Vertiefung gibt es umfassende Standardwerke und Spezialliteratur; die Literaturempfehlungen im Anhang führen hier gezielt weiter. Für die selbständige Überarbeitung einzelner Teilabschnitte danke ich Frau Diplom-Kauffrau Andrea Bürger, ferner meiner Mitarbeiterin Frau cand. oec. Kerstin Fandrich.

Aus dem Vorwort zur 3. Auflage Die 2. Auflage von 1988 und ein unveränderter Fortdruck 1989 waren Ende 1990 vergriffen. Die vorliegende 3. Auflage unterscheidet sich inhaltlich von der vorangegangenen insbesondere durch umfangreiche Aktualisierungen anwendungsbezogener Aspekte. Auch die Iiteratur wurde auf den neuesten Stand gebracht; ältere Quellen nur in Ausnahmefällen beibehalten. Für wertvolle Anregungen zur Neukonzeption und Hilfe bei der Schlußredaktion danke ich meiner Mitarbeiterin, Frau cand. oec. Myriam Zaman. Vorwort zur 4. Auflage Die 3., völlig neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage von 1991 traf in die veränderte Situation von Marketing-! .ehre und Marketing-Praxis des vereinigten Deutschland, d.h. vor allem der neuen Bundesländer. Durch den dortigen Nachholbedarf an Fachliteratur, gerade im Marketing, in Verbindung mit verschiedenen Aktivitäten des Autors in Lehre und Forschung im Hochschul- wie im privaten Weiterbildungsbereich der neuen Bundesländer war diese Auflage schneller als erwartet wiederum ausverkauft. Die jetzt vorliegende Ausgabe wurde erneut überarbeitet. Hierbei haben mich Frau Diplom-Sozialpädagogin Caroline WeeserKrell (redaktionelle Überarbeitung) und Frau cand. des. Jeannette Weesei^Krell (grafische Überarbeitung) in dankenswerter Weise unterstützt.

INHALTSÜBERSICHT

Verzeichnis der Schaubilder und Aufstellungen

16

ERSTES KAPITEL Grundlagen

A. HISTORISCHE E N T W I C K L U N G U N D B E D E U T U N G S W A N D E L DES M A R K E T I N G - B E G R I F F S L II. III. IV.

Die Phase der Produktionsorientierung. Die Phase der Verkaufsorientierung Die Phase der Marketingorientierung Die Phase der sozialen Orientierung bis zur Allgemeingültigkeit des Marketingkonzepts

B. M A R K E T I N G A L S I N T E R D I S Z I P L I N Ä R E WISSENSCHAFT C. M A R K E T I N G A L S ORGANISATIONS-PRINZIP

17 17 18 18

8

Inhaltsübersicht

Z W E I T E S KAPFTEL M arkt- E r f o rs chung Die Informationsgewinnung als Mittel zur Leistungsvorbereitung

A. A R T E N D E R M A R K T F O R S C H U N G I.

Methoden der Datengewinnung 1. Sekundar-Marktforschung. a) Betriebsinterne Quellen b) Betriebsexteme Quellen (1) Amtliche Statistik (2) Verbandsstatistik (3) (Andere Quellen) (4) SekundBrforschung = untemehmenseigene Funktion 2. Primär-Marktforschung

25 25 25 26 26 26 27 27 28

II. Auswahlverfahren 1. Random-Verfahren 2. Quota Verfahren 3. Random oder Quota? 4. Random/Quota-Experimente

28 29 30 31 32

III. Erhebungsverfahren 1. Quantitative Forschung 2. Qualitative Forschung 3. Integrierter Forschungsansatz

33 33 34 35

IV. Erhebungstechniken 1. Befragung a) Mündliches (persönliches) Interview (1) Standardisiertes Interview. (2) Geleitetes Interview (3) Freies Gespräch (Tiefeninterview) b) Exkurs: Umfrage-Arten (1) Ad-hoc-Umfrage (ExklusivErhebung) (2) Standarderhebung (3) Omnibusumfrage c ) Telefonisches Interview d) Schriftliches (postalisches) Interview 2. Beobachtung.

35 36 36 36 37 37 37 37 38 38 39 41 43

3. Misch- und Sonderformen

46

9

Inhaltsübersicht

a) Panel

46

( 1 ) Endverbraucher-Panel

46

( 2 ) Handels-Panel (Händler-Panel)

47

b) Markttest



( 1 ) Produkt-Markttest

49

( l a ) Anforderungen an den Testmarkt ( l b ) Fehler der Praxis ( 2 ) Werbungs-Markttest

SO 51 51

B. ANWENDUNGSGEBIETE DER MARKTFORSCHUNG I.

Produktforschung

S3

1. Betriebsinterne technologische Entwicklung 2. Neutraler, vergleichender Warentest 3. Produktforschung im Sinne der Marktforschung

53 54 54

II. Verbraucherforschung

55

III. Handelsforschung.

57

IV. Konkurrenzforschung.

59

V . Werbeforschung 1. Werbeträgerforschung

60 60

a) Intermedia-Veigleich

61

b ) Allmedia-Analysen

61

c ) Mediagattungs-Analysen d) Einzel-Analysen

62 62

e ) Reichweiten-Prognose f) Kontakt-Chancen

63 63

2. Werbemittel-Forschung

63

a) Werbemittel-Pretest

64

b ) Werbemittel-Posttest ( 1 ) Recall-Test

66 66

( 2 ) Recognition-Test V I . Investitionsgüterforschung

67 68

10

Inhaltsübersich t

DRITTES K A P I T E L Markt-Gestaltung Die Realisierung des Leistungsangebots

A. P R O D U K T P O I J T I K I.

QualitMtspolitik

74

1. Grundnutzen - Zusatznutzen

74

2. Produktgestaltung

75

3. Produktdifferenzierung

77

4. Verpackung/Design

77

II. Programm- und Sortimentspolitik

78

1 Das Produktionsprogramm der Hersteller 2. Das Leistungsprogramm der Dienstleister

79 80

3. Das Sortiment des Handels

80

4. Diversifikation (Diversifizierung)

81

III. Preispolitik. 1. Zur Preisbildungstheorie a) Externe Bestimmungsgründe b) Interne Bestimmungsgründe

82 82 83 85

2. Preisbildung in der Praxis

86

3. Preisdifferenzierung.

88

IV. Konditionenpolitik

89

1. Liefer- und Leistungsbedingungen

89

2. Zahlungsbedingungen 3. Kreditfinanzierung, Leasing

89 90

V . Servicepolitik

91

1. Kundendienst 2. Kundenpflege

91 91

B. DISTRIBUTIONSPOLTTTK I.

Standortpolitik 1. Zentraler Vertrieb 2. Dezentraler Vertrieb

92 92 92

Inhaltsübersicht

IL Verkaufspolitik Le.S 1. Betriebseigener Verkauf. 2. Ausgegliederter Verkauf

11

92 93 94

III. Absatzwegepolitik (Handelspolitik) 1. Direkter Absatz 2. Indirekter Absatz 3. Franchising 4. Selektive Absatzpolitik 5. Exkurs: Die Struktur des Handels a) Großhandel b) Einzelhandel (1) Großbetriebe d e s Einzelhandels (2) Einzelhandels-ZusammenschlUsse

96 96 98 99 100 100 101 102 103 104

IV. Vertriebsorganisation 1. Organisationsform Verkaufs-Abteilung 2. Organisationsform Unechte Marketing-Abteilung 3. Organisationsform Echte Marketing-Abteilung

106 106 107 108

VIERTES KAPITEL Markt-Kommunikation Die beeinflusssende Information als Voraussetzung der Leistungverwertung

A. Z U R T H E O R I E D E R M A R K T - K O M M U N I K A T I O N I.

Begriffsbestimmung 1. Kommunikation 2. Markt-Kommunikation

111 111 112

II. Ablauf der Markt-Kommunikation 1. Beim Kommunikator 2. Beim Kommunikanten 3. Exkurs: Die sogenannte zweistufige Kommunikation

112 113 114 116

III. Störungen der Kommunikation 1. Technische Blockade 2. Selektive Wahrnehmung. 3. Reaktanz

118 118 119 120

12

Inhal tsübersich t

IV. Das zentrale Problem der Kommunikationsforschung Die Interdependenzen von Reiz und Empfänger

B. I.

120

ABSATZWERBUNG

Arten der Werbung. 1. Nach Adressaten: Händlerwerbung - Verbraucherwerbung 2. Nach Anzahl der Umworbenen: Mengenumwerbung - Einzelumwerbung 3. Nach Anzahl der Werbungtreibenden: Individualwerbung - Kollektivwerbung 4. Nach Werbeinhalt: Informative Werbung - Suggestive Werbung 5. Nach Werbegegenstand: Markenwerbung - Finnenwerbung 6. Nach Übertragungskanälen: Mediawerbung - Direktwerbung

123 123 124 125 126 129 130

II. Ziele der Werbung. 1. Einführungswerbung 2. Marktfestigungswerbung 3. Markterhaltungswerbung, Erinnerungswerbung 4. Abwehrwerbung

131 132 132 133 134

III. Ablauf der Werbung 1. Werbeplanung a) Werbekonzeptionsplanung b) Werbeträgerplanung c) Werbefinanzplanung. d) Exkurs: Mediaoptimierung. 2. Werbegestaltung a) Allgemeine Gestaltungsgrundsätze b) Medienspezifische Gestaltungsgrundsätze 3 .Werbedurchführung. 4. Werbekontrolle

135 135 135 136 136 138 140 140 140 141 142

13

Inhaltsübersicht

C. P U B L I C R E L A T I O N S I.

Stellung der Public Relations zur Werbung

143

II. Aufgaben und Ziele

143

III. Methoden und Wege

144

D. V E R K A U F S F Ö R D E R U N G ( S A L E S - P R O M O T I O N ) I.

Verkaufsförderung gegenüber dem Außendienst

148

II. Verkaufsförderung gegenüber dem Handel 1. Maßnahmen der Information 2. Sachmittelgewährung 3..Verkaufsförderung durch finanziellen Anreiz

148 148 149 ISO

III. Verkaufsförderung gegenüber dem Endverbraucher (Consumer-Promotion) 1. Probeabgabe/Degustation 2. Sonderverkäufe 3. Preisausschreiben 4. Sampling

150 151 151 151 152

IV. Verkaufsförderung durch den Handel

152

E. P E R S O N A L S E L L I N G ( P E R S Ö N L I C H E R V E R K A U F )

14

Inhaltsübersicht

FÜNFTES KAPITEL Marketing-Institutionen Marketing Service-Unternehmungen

A. MARKTFORSCHUNGSINSTTTUTE I.

Arten der Institute 1. Umfrage-Institute 2. Panel-Institute 3. Psychologische Institute 4. Invest-Forschungsinstitute 5. Sonderformen

157 158 158 159 159 160

II. Arbeitsweise der Institute 1. Funktionsdarstellung eines Umfrageinstituts 2. Arbeitsablauf a) Akquisition b) Zuerst: Oesk Research 3. Umfragekalkulation

161 161 162 162 165 166

III. Marktforschungsinstitute und ihre Organisationen 1. Institute nach Umsatz 2. Organisationen

167 167 173

B. I.

WERBEAGENTUREN

Arten der Agenturen 1. Nach Funktion bzw. Leistungsbreite a) Werbungsmittlungen b) Gestaltungsateliers c) Werbeberatungen d) Full-Service-Agenturen 2. Nach Einsatzgebieten a) Universalagenturen b) Spezialagenturen

II. Arbeitsweise der Agenturen 1. Funktionsdarstellung einer Full-Service-Agentur a) Werbevorbereitung/Marktforschung b) Beratung/Kontakt

174 174 174 175 176 176 177 177 177 178 178 179 181

Inhaltsübersicht

15

c ) Gestaltung

182

d ) Herstellung

182

e ) Streuung/Media

184

0 Allgemeine Verwaltung 2. Arbeitsablauf a) Planungsphase

185 185 185

(1) Marketingplattform (2) Werbekonzepticn (3) Mediastrategie b) Gestaltungsphase c ) Durchführungsphase d ) Werbekontrolle

187 187 187 188 190 190

III. Werbeagenturen und ihre Oiganisationen

191

1. Werbeagenturen nach Umsatz

191

2. Oiganisationen

197

C. ANDERE INSTITUTIONEN I.

Public-Relations-Agenturen

198

II. Verkaufsförderungsfinnen

199

III. Mietreisendendienste

199

IV. Verteileroiganisationen

200

V . Adressenverlage

201

D. ANSCHRIFTEN V O N MARKETING-INSTITUTIONEN I.

Marktforschungsinstitute

203

II. Werbeagenturen

203

III. Public-Relations-Agenturen

203

IV. Verkaufsförderung und Direktmarketing

204

V . Berufsverbände und sonstige

204

16

Inhaltsübersicht

Anhang

Literaturverzeichnis

206

Sachregister

212

Verzeichnis der Schaltbilder und Aufstellungen

Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild Schaubild

1: 2: 3: 4: 5:

Möglichkeiten der Absatzwegepolitik Organisationsforrnen des Vertriebs (I) Organisationsformen des Vertriebs (II) Ablauf der Markt-Kommunikation Von der Beeinflussungsabsicht zum Beeinflussungsziel ö: Organisationsplan eines Allround Marktforschungsinstituts 7: Organisationsplan einer UniversalWerbeagentur 8: Arbeitsablauf der Werbung in der Agentur (I), Planungsphase 9: Arbeitsablauf der Werbung in der Agentur (II), Gestaltungsphase 10: Arbeitsablauf der Werbung in der Agentur (III), DurchfOhrungsphase

Aufstellung: Aufstellung:

Marktforschungsinstitute in Deutschland nach Umsatz Werbeagenturen in Deutschland nach Umsatz

99 107 109 113 122 161 179 186 189 192 169 193

ERSTES KAPITEL Grundlagen A.

HISTORISCHE ENTWICKLUNG UND BEDEUTUNGSWANDEL DES MARKETINGBEGRIFFS

Der Begriff Marketing wurde nach dem 2. Weltkrieg aus dem Anglo-Amerikanischen Sprachraum in Deutschland übernommen. Zunächst w a r Marketing nur ein Modewort, ein Synonym für die Absatzfunktion, die, nach Gutenberg neben Produktion und Finanzierung die dritte betriebswirtschaftliche Hauptfunktion darstellt. Seitdem hat der Marketingbegriff mehrere Bedeutungsänderungen erfahren. 1.

Die P h a s e der Produktionsorientierung

Bis etwa Anfang der 50er Jahre sahen sich die Hersteller in Deutschland den Abnehmern gegenüber in der stärkeren Verhandlungsposition. Sie produzierten Güter, und es w a r relativ problemlos, Käufer dafür zu finden, denn besonders durch den 2. Weltkrieg bestand bei der Bevölkerung ein großer Nachholbedarf an Konsumgütern bzw. an Produktivgütern bei der Industrie. Das heißt, die Nachfrage w a r höher als das Angebot. Man bezeichnet diese Marktsituation als Verkäufermarkt. In dieser Phase lag der Engpaß der Unternehmen in der Beschaffung der Produktionsfaktoren und des Materials und/oder in der Produktion. Sämtliche Bemühungen waren auf eine Rationalisierung der Herstellungsweise gerichtet, zur kostengünstigen Produktion von Massengütern. Der Absatz stand, auch von der Bedeutung her, am Ende der betrieblichen Funktionskette. II. Die Phase der Verkaufsorientierung Dann allmählich traten Sättigungserscheinungen bei den Verbrauchern auf, neue Konkurrenten erschienen auf den Märkten, und der Wettbewerb wurde dynamischer und härter. Über einen aggressiven Preiswettbewerb versuchten die Produzenten, beginnende Absatzschwierigkeiten aufzufangen. Es w u r d e deutlich, daß sie ihre Güter nicht mehr so problemlos absetzen konnten w i e vorher. Die Problemlösung wurde in der massiven

18

Erstes Kapitel:

Grundlagen

Förderung des Verkaufs gesucht, wobei der Absatz aber immer noch als die letzte Stufe des betrieblichen Leistungsprozesses angesehen wurde. Durch den Ausbau der Außendienstorganisationen sowie durch gezielte Schulung der Verkäufer war man darauf bedacht, den Güterabsatz zu rationalisieren und die hergestellten Produkte (mit viel Überredungskunst) an den Käufer zu bringen, um verlorengegangene Marktanteile zurückzugewinnen. III. Die Phase der Marketingorientierung Mit dem allmählichen Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt (Marktsituation, in der das Angebot größer ist als die Nachfrage, der Abnehmer aber in der stärkeren Position ist), zumindest galt das zunächst für die meisten Konsumgüter, wurde es immer offensichtlicher, daß unter solchen Marktgegebenheiten nicht mehr die Produktion Ausgangspunkt und die Absatzplanung Endpunkt unternehmerischer Planungsüberlegungen sein konnten. Der Absatz war zum Engpaßsektor geworden und verlangte eine Neuorientierung der Produzenten. Die Erkenntnis, daß die Tendenzen und Erwartungen des Marktes, das heißt also der Abnehmer, die eigentlichen bestimmenden Faktoren für den Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens bilden, forderte von den Herstellern, daß sie all ihre Bemühungen auf die Erforschung der Wünsche und Bedürfnisse ihrer Abnehmer richten mußten, um anschließend entsprechende Problemlösungen zu entwickeln. Damit ist Marketing nicht mehr nur ein Schlagwort für Absatz, sondern geht darüber hinaus. Während Absatz nur die ertragreiche Verwertung einer betrieblichen Leistung beinhaltet, ist Marketing wesentlich an der Gestaltung dieser Unternehmensleistung selbst beteiligt. Marketing ist mehr und mehr zu einer Unternehmensphilosophie und zu einer Unternehmensführungskonzeption geworden. Das Primat des Marketing verlangt, daß sämtliche Funktionsbereiche der Unternehmung auf die Erfordernisse des Absatzmarktes ausgerichtet und marktorientiert geführt werden. IV. Die Phase der sozialen Orientierung bis zur Allgemeingültigkeit des Marketing-Konzepts Durch die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Anfang der 70er Jahre, vor allem auch durch das Erstarken der Verbraucher- und Umweltbewegimgeu zu dieser Zeit, erfuhr das

Erstes Kapitel:

Grundlagen

19

Marketing-Konzept eine Ausweitung, und es entstand d a s Soz i o - M a r k e t i n g , die vierte Phase der Entwicklung des MarketingBegriffs. Betont w i r d v o r allem die So^alVerantwortlichkeit der Unternehmen und des Marketing gegenüber der Gesellschaft. Die Techniken des kommerziellen Marketing w e r d e n zunehmend auch für nicht-kommerzielle Z w e c k e , für "gute Zwecke", eingesetzt, zur Realisierung öffentlicher Anliegen, z.B. Appelle g e g e n die Umweltverschmutzung oder für soziale Ideen und Z w e c k e , für Non-Profit-Organisationen (Kirchen, Parteien, Amnesty International..'), aber auch für Theater, Museen oder Schulen. In einem weiteren Schritt w i r d das Marketing schließlich ausgeweitet auf jegliche Art v o n zwischenmenschlichen Austauschprozessen und -beziehungen und soll somit Allgemeingültigkeitscharakter bekommen ( G e n e r i c M a r k e t i n g ) . Diese A u s w e i tung des ursprünglich rein kommerziellen Marketing findet ihren Ausdruck auch in der Definition der American Marketing Association ( A M A ) , die übersetzt e t w a w i e folgt lauten w ü r d e :

"Marketing ist ein Prozeß des Planens und Realisierens, des Entwurfs, der Preisgestaltung, der Förderung und Distribution von Ideen, Gütern und Dienstleistungen, um Austauschprozesse hervorzurufen,welche die Ziele v o n Individuen und Organisationen befriedigen."

Marketing ist also nicht mehr auf Produkte und kommerzielle Organisationen beschränkt. Es ist allerdings anzumerken, daß diese Ausweitung auf alle I^ebensbereiche in der wissenschaftlichen Diskussion keinesfalls unumstritten und eindeutig akzeptiert ist. Es stellt sich die Frage, w o die Grenzen zu ziehen sind, damit sich die unternehmensbezogene Interessengebundenheit d e s traditionellen MarketingKonzepts durch die Ausweitung nicht völlig in der Allgemeingültigkeit verliert.

20

Erstes Kapitel:

Grundlagen

B. M A R K E T I N G A L S I N T E R D I S Z I P L I N Ä R E WISSENSCHAFT W i e wir gesehen haben, hat Marketing seinen Ursprung in der Absatzwirtschaft, ist also im Kern eine betriebswirtschaftliche Teildisziplin. Immer mehr Unternehmen wurden sich im Laufe der letzten Jahrzehnte der Bedeutung des Marketing als Unternehmensführungskonzeption bewußt; umso komplexer wurden auch die zu lösenden Probleme, war die Menge der benötigten Informationen und der anfallenden Daten. Auch durch die Vielzahl der zu berücksichtigenden Umweltfaktoren hat sich die Marketing-Lehre mehr und mehr zu einer interdisziplinären W i s s e n s c h a f t entwickelt, durchzogen mit Anleihen von Methoden und Ideen aus benachbarten Wissenschaften, von denen im folgenden die Wichtigsten genannt werden sollen. liegt auf der Hand, daß sich eine Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre auf Erkenntnisse der Wissenschaft stützt, aus der diese ursprünglich entstanden ist, nämlich aus der Volkswirtschaftslehre. Einsichten in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge und Entwicklungen sind für den Marketer ebenso wichtig, wie auch mikroökonomische Ansätze, z.B. aus der Preistheorie oder Preismengenmodelle bei unterschiedlichen Marktsituationen. WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN: E S

SOZIAL. WISSENSCHAFTEN: Insbesondere die Verbraucher^ forschung wird zunehmend verhaltensorientiert. Die Berücksichtigung und Anwendung moderner Erkenntoisse, Modelle oder Forschungsverfahren aus Psychologie, Soziologie und Anthropologie hilft nicht nur dem Marktforscher bei seiner Erkundung der Menschen, ihrer Bedürfnisse und Motivationen, sondern er käme heute gar nicht mehr ohne diese Anleihen bei den Sozialwissenschaften aus. R E C H T S - UND POLITISCHE WISSENSCHAFTEN: Die Rechtsordnung und die Politik in der demokratischen Volkswirtschaft stecken den Rahmen ab für die in ihr lebenden und handelnden (wirtschaftlichen) Subjekte. Neben dem Grundgesetz, dem B ü r gerlichen Gesetzbuch ( B G B ) und dem Handelsgesetzbuch (HGB), sind für den deutschen Marketing-Manager v o r allem auch das Wettbewerbsrecht (z.B. das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän-

Erstes Kapitel: Grundlagen

21

klingen ( G W B ) oder auch das LadenschluBgesetz) sowie die gewerblichen Schutzrechte (wie etwa das Patent-, Lizenz-, Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster- oder Warenzeichengesetz) von Bedeutung, und zwar in zweierlei Beziehung: Zum einen bilden diese Rechtsgrundlagen Schranken für die eigene Marketingstrategie, andererseits gewährleisten sie Schutz v o r Eingriffen oder unlauteren Praktiken der Konkurrenz. Eine geschickte Ausschöpfung rechtlicher Schutzpositionen sowie das Erkunden anfechtbarer Strategien der Mitbewerber kann zu einem eigenständigen absatzpolitischen Instrument werden. F O R M A L W I S S E N S C H A F T E N : Eine schnelle und exakte Analyse und Auswertung der großen Mengen an Informationen und Daten, wie sie für ein modernes Marketing notwendig geworden sind, wäre ohne die Hilfe mathematischer M o d e l l e und statistischer Verfahren (z.B. multivariate Verfahren, w i e etwa Faktorenanalyse, Chisteranalyse, Multidimensionale Skalierung) sowie den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung kaum noch rationell zu bewältigen.

C. M A R K E T I N G A L S O R G A N I S A T I O N S - P R I N Z I P

Die "überragende" Bedeutung der Absatzfunktion muß sich auch in einer Umorientierimg der bisherigen Organisations-Prinzipien dokumentieren. Es genügt nicht, wenn die Funktion Absatz als Marketing-Bereich gleichrangig mit den anderen Ressorts institutionalisiert ist. Marketing als Unternehmensführungs-Konzeption erfordert auch in der Struktur der Unternehmung, d.h. in der Unternehmens-Organisation, das Primat des Marketing. Der Marketing-Bereich muß die entscheidende Funktion in der Organisation sein. Das läßt sich auf zweierlei Weise erreichen. Bei der einen Organisationsform, wir möchten sie die gemäßigte Variante nennen, ist die Marketing-Abteilung bzw. der Marketing-Chef unter der (ressort-neutralen) obersten Geschäftsleitung die ranghöchste Stelle, eine Art Primus ínter pares. Das Marketing hat hierbei Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Bereichen, z.B. Produktion, Einkauf, Finanzierung. Bei den verhältnismäßig wenigen Unternehmen, die ein effizientes Marketing treiben, das auch in der Unternehmensoiganisation

22

Erstes Kapitel:

Grundlagen

seinen Niederschlag gefunden hat, ist diese Oi^ganisatioris-Variante schon vereinzelt anzutreffen. Bei der zweiten Organisationsform, der "radikalen Variante", ist die Marketing-Abteilung die oberste Geschäftsleitung. Wenngleich diese Konstruktion - der Traum eines jeden Marketing-Direktors - heute erst selten vorzufinden ist, so dürfte sie doch in den derzeitigen und erst recht den absehbaren Marktverhältnissen das einzig sinnvolle Organisationsprinzip einer marktgerechten Unternehmensführungs-Konzeption sein.

Z W E I T E S KAPITEL Markt-Erforschung D i e I n f o r m a t i o n s g e w i n n u n g als Mittel zur LeistungsVorbereitung Das Wirtschaften v o m Markt her setzt voraus, daß jeder Unternehmer - ob Hersteller oder Dienstieister - seinen Markt kennt. Je mehr Informationen der Unternehmer aus dem Markt und über den Markt erhält, um s o präziser kann er seine eigene Marktbeteiligung vorbereiten. Das, w a s wir heute Marktforschung nennen, hat jeder Unternehmer schon v o n Alters her praktiziert, wenigstens in der Tendenz. Schon immer war es für den Hersteller oder Händler wichtig, Informationen über die Käufer, die Konkurrenten, die Absatzmöglichkeiten zu haben. Solche Informationen wurden früher eher planlos gesammelt, sei es, daß man sich als Handwerker oder Einzelhändler im direkten Gespräch mit dem Kunden nach dessen Wünschen erkundigte, sei es, daß man v o n Kundenseite herangetragene W ü n s c h e und Beschwerden im eigenen Angebot berücksichtigte. Eine systematische Erforschung des Marktes, und hier insbesondere des Absatzmarktes, hat in Deutschland ihren Ursprung erst in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. In voller Breite hat sie sich erst seit den 50er Jahren durchgesetzt. W o früher Zufall und Intuition regierten, werden heute Daten systematisch gesammelt und ausgewertet. Sie sind eine wichtige Hilfe bei der Vorbereitung absatzwirtschaftlicher Entscheidungen. A. A R T E N DER MARKTFORSCHUNG Es gibt Dutzende v o n Spielarten des Begriffes Marktforschung. W i r wollen sie hier nicht alle aufzählen, zumal zahlreiche Begriffe nicht einheitlich verwendet werden. Im folgenden Kapitel

24

Zweites Kapitel:

Markt-Erforschung

werden jedoch die gängigen Methoden, Verfahren und Techniken des Instruments Marktforschung beschrieben. Der Einsatz mathematischer Modelle und statistischer Auswertungsverfahren wird in diesem Buch nicht behandelt; hierzu sei auf entsprechende Spezialliteratur verwiesen. Zuvor aber wollen wir uns noch zwei Begriffspaaren zuwenden, die zur Kennzeichnung verschiedener Arten der Marktforschung verwendet werden können. Zunächst wäre die ökoskopische von der demoskopischen Marktforschung zu unterscheiden. Unter ökoskopischer Marktforschung verstehen wir die Sammlung und Verarbeitung konkreter Wirtschaftsdaten, wie z.B. Einfuhrzahlen, Produktionsvolumina, Einzelhandelsumsätze. Gelegentlich wird für diesen Sachverhalt der Terminus Wirtschaftsforschung verwendet. Kennzeichnend für die ökoskopische Methode ist die Objektivität der erfaßten Daten. Dagegen wird bei der demoskopischen Vorgehens weise stärker mit subjektiven Methoden gearbeitet. Die Demoskopie (Volksbefragung, eigentlich Volksbeobachtung) gewinnt ihre Erkenntnisse überwiegend durch das Erfragen von Meinungen, Einstellungen, Verhaltensweisen von Personen. Man kann die demoskopische Marktforschung auch als Marktforschung im engeren Sinn bezeichnen. Die gelegentlich anzutreffende Gleichsetzung von ökoskopie = Desk-Research (s.u.) einerseits und Demoskopie = Field-Research (s.u.) andererseits ist nicht ganz zutreffend: Auch bei der Schreibtischforschung werden demoskopische Daten verarbeitet; andererseits können auch mit der demoskopischen Vorgehensweise konkrete, objektive Sachverhalte ermittelt werden, z.B. der Besitz bestimmter Gegenstände in Haushalten. Das zweite Begriffspaar, das unterschiedliche Arten der Marktforschung kennzeichnen kann, wird durch die Marktanalyse und die Marktbeobachtung dargestellt. Die beiden Begriffe gehen auf Erich Schäfer zurück. Unter Marktanalyse versteht er eine einmalige Bestandserhebung, sozusagen eine Momentaufnahme. Dabei wird der Markt statisch betrachtet. Die dynamis c h e Betrachtung des Marktes, also die laufende Erforschung in mehr oder weniger kurzen Intervallen, nennt Schäfer Marktbeobachtung.

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Methoden der Datengewinnung

Je nachdem, ob wir für Z w e c k e der Marktforschung eigens Untersuchungen anstellen oder aber für andere Z w e c k e erstelltes, bereits verfügbares Material als Quelle benutzen, sprechen wir von Primär-Marktforschung oder Sekundär Marktforschung. Beide Methoden werden in der Praxis gleichberechtigt eingesetzt. Manchmal genügt eine Methode, manchmal geht es nicht ohne die andere. Da die Sekundär-Marktforschung in aller Regel einer Primär Marktforschung vorausgeht oder aber ausschließlich veranstaltet wird, soll sie entgegen ihrer Wortbedeutung zuerst besprochen werden. 1. Sekundär-Marktforschung Der Begriff ist in Anlehnung an den Begriff SekundärStatistik geschaffen worden. Daraus erhellt, daß es sich um Datenmaterial handelt, das ursprünglich für andere Zwecke gewonnen und aufbereitet worden ist. Aus dieser Definition läßt sich die ungeheure Breite der denkbaren SekundärQuellen erahnen. In der Praxis hat es sich eingebürgert, die Quellen für Sekundär Forschung in die beiden großen Gruppen betriebsinterne und betriebsexterne Quellen zu unterteüen. Grundsätzlich kommt als Quelle alles Geschriebene und Gedruckte oder sonstwie verfügbares Zahlen- und Textmaterial in Betracht. a) Betriebsinterne Quellen Innerhalb der Gruppe der betriebsinternen Quellen spielen bei Herstellerfirmen beispielsweise jegliche Aufzeichnungen aus dem Verkaufs- oder Vertriebsbereich eine wichtige Rolle. Das können Verkaufs- oder Absatzstatistiken sein, Reisenden- oder Vertreterberichte. Aus anderen Unternehmensbereichen sind entsprechende Unterlagen ebenfalls als Quellen für SekundärMarktforschung geeignet, z.B. Produktionsstatistiken aus dem Produktionsbereich, Finanzstatistiken aus dem Bereich Rechnungswesen. Das besondere Merkmal der betriebseigenen Sekundär Daten zeigt sich in zwei Vorteilen:

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Erstens sind sie ohne Schwierigkeiten und vollständig verfügbar und zweitens verursacht ihre Beschaffung praktisch keine Kosten. b ) Betriebsexterne Quellen Der Sektor der betriebsexternen Sekundär-Daten ist wesentlich breiter. Angefangen vom Material der amtlichen Statistik (Bundestatistik, Länder-, Gemeindestatistiken) über entsprechende statistische Daten von Branchen- oder Fachverbänden erstrecken sich die außerbetrieblichen Quellen bis hin zu Büchern, Fachzeitschriften, Geschäftsberichten. Auch frühere oder für andere Zwecke durchgeführte Primäi^Erhebungen (siehe unten) dienen archiviert als Quelle für Sekundär-Marktforschung. ( 1 ) Amtliche Statistik Während die betriebsinternen Daten schnell, vollständig und gratis vorliegen, kann dies alles vom externen Material nicht erwartet werden. Bezüglich der Daten der amtlichen Statistik müssen wir zwei allgemeine Mängel konstatieren: Erstens liegen derartige Zahlen in der Regel erst verhältnismäßig spät nach den Erhebungsstichtagen vor. Bis die Daten vorliegen, sind sie häufig veraltet. Zweitens sind die Angaben der amtlichen Statistik in aller Regel recht global gehalten, d.h. für Marktforschungszwecke häufig nicht spezifiziert genug. Es kommt hinzu, daß die amtliche Statistik immer dann, wenn es interessant wird, leider passen muß: Umsatzzahlen von Konkurrenzbetrieben kann man von der amtlichen Statistik nicht erwarten. ( 2 ) Verbandsstatistik Auch die verbandliche Statistik enttäuscht den Marktforscher häufig. Oft kommt es vor, daß bestimmte Zahlen vom Industrieverband oder Fachverband gar nicht erfaßt werden. Aber auch in den Fällen, wo die Mitgliedsfirmen eines Verbandes ihre Umsatzzahlen und sonstige Daten an den Verband melden, kann man nicht immer davon ausgehen, daß die Mitgliedsfirmen des

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Verbandes die Gesamtzahlen erhalten (von außenstehenden Interessenten einmal ganz abgesehen). W i r haben hier eine für den Marktforscher betrübliche Konstellation ähnlich der bei der amtlichen Statistik. Zwar melden alle Firmen ihre Daten an die Zentrale (den Verband), diese aber gibt die Zahlen nicht weiter, um die Anonymität der Datenlieferanten zu wahren. Für den Praktiker bedeutet das, von den Verbandsstatistiken nicht allzuviel zu erwarten. ( 3 ) Andere Quellen Die anderen erwähnten Quellen der Sekundäi^Marktforschung sind dagegen meist frei zugänglich. Zeitschriften und Bücher kann man in eigenen Archiven selbst auswerten oder aber diese Arbeit spezialisierten Firmen übertragen (z.B. Zeitungsausschnittdiensten). Geschäftsberichte, Marktforschungsberichte und sonstige ursprünglich zu anderen Zwecken zusammengestellte Schriften sind meist frei zugänglich. Die moderne Kowitnunikations-Technologie vergrößert die Zugriffsmöglichkeiten auf alle nur denkbaren Informationsquellen. Die sogenannten Neuen Medien lassen das Repertoire des Desk-Research in einem ganz anderen Licht erscheinen: Über Peripheriegeräte wie Bildschirm und Drucker ist der sofortige Zugriff auf Datenbanken weltweit möglich. Generell wollen wir festhalten, daß das Sekundäi^Material in den meisten Fällen nur grob über den Markt informieren kann, daß es aber zumindest zusätzlich oder als Vorstufe eigener PrimärErhebungen in Anspruch genommen werden sollte. ( 4 ) Sekundärforschung = unternehmenseigene Funktion Sekundär^Marktforschung findet am Schreibtisch statt; der Marktforscher braucht sein Büro nicht zu verlassen. Daher bezeichnet man Sekundär^Forschung auch als Schreibtisch-Forschung oder Desk-Research. Sekundär-Marktforschung wird in großem Umfang als betriebseigene Funktion in den Unternehmen ausgeübt.

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2. Primär-Marktforschung Wenn die Quellen der Sekundär^ Forschung für die Lösung bestimmter Aufgaben nicht genug hergeben, muß eine eigens dazu konzipierte Erhebung angestellt werden. Dann spricht man von Primär-Forschung. Die Informationen müssen primär (originär) gewonnen werden, wozu in aller Regel das Befragen geeigneter Auskunftspersonen erforderlich ist. Näheres über die hierbei eingesetzten Erhebungstechniken siehe Abschnitt IV. Da die Primär-Erhebung auf eine konkrete Aufgabenstellung zugeschnitten ist, kann sie zum Unterschied von der Sekundär-Forschung die erhobenen Daten in jeder nur gewünschten Spezialisierung liefern. Entsprechend dem höheren Genauigkeits- und Konkretionsgrad ist die Primärforschung ganz allgemein gesprochen teurer als die Sekundär-Forschung. Allerdings gibt es hier eine erhebliche Bandbreite von Kosten, je nach den eingesetzten Verfahren und Techniken. Da die Primär-Forschung sich "draußen" abspielt, d.h., da die Erhebungen in Form von Befragungen beispielsweise in Haushalten oder in Firmen stattfinden, nennt man die Primär-Forschung auch (analog zum Desk-Research) Field-Research. Der entsprechende Ausdruck Feldforschung ist weniger geläufig. Wegen der erforderlichen Spezialisierung wird Primär Forschung fast ausschließlich von besonderen Marktforschungsinslituten für Dritte durchgeführt. II. Aus w ahl verfahren In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich beim zu erforschenden Markt um eine anonyme Vielzahl von Marktpartnern (Abnehmern). Eine Befragung all dieser Marktpartner ist aus verschiedenen Gründen unmöglich: Es wäre zu teuer, würde zu lange dauern, und schließlich steigt die F'ehlerwahrscheinlichkeit der Ergebnisse mit zunehmender Zahl der Auskunftspersonen. Sinnvoll und praktikabel ist es in diesen Fällen, nur eine Auswahl aus dem Kreis der Interessierenden zu befragen. Nur in überschaubaren Märkten kann eine Befragung aller Angehörigen einer Gruppe richtig oder sogar unerläßlich sein.

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Wenn es z.B. darum geht, die Meinung der überregionalen Mineralölanbieter in der Bundesrepublik zu ergründen, so wäre es unerläßlich, alle in die Erhebung einzubeziehen. W i r sprechen dann von einer Total- oder Vollerhebung. In der überwiegenden Mehrzahl allerdings haben wir es mit Teilerhebungen zu tun. Bei den Teilerhebungen wäre wiederum nach repräsentativen und nichtrepräsentativen Erhebungen zu unterscheiden. Zur letzteren Gruppe gehört die Erhebung aufs Geratewohl, wobei die zu befragenden Personen beliebig (im umgangssprachlichen Sinn zufällig) ausgewählt werden. Ebenfalls zu den nichtrepräsentativen Auswahlverfahren zählt die Auswahl nach der Konzentrationsmethode. Dabei befragt man beispielsweise innerhalb einer Industrieumfrage die umsatzstärksten Unternehmungen oder vermeintlich typische Unternehmungen, ohne daß die hierbei gewonnenen Erkenntnisse auf die Gesamtheit übertragbar wären. Die nichtrepräsentativen Auswahlverfahren eignen sich insbesondere für Voruntersuchungen, beispielsweise zur Hypothesenbildung. Bei der überwiegenden Zahl von Teilerhebungen handelt es sich um Untersuchungen, bei denen die Gruppe der zu Befragenden (die Stichprobe oder das Sample) in ihrer Struktur völlig mit der Grundgesamtheit (dem Universum) übereinstimmt. Diese Übereinstimmung bezeichnen wir als Repräsentanz. Auf welche Weise nun kann die Repräsentanz der Stichprobe gegenüber der Grundgesamtheit gewährleistet werden? Hierzu stehen uns zwei verschiedene W e g e zur Verfügung. 1. Random-Verfahren Das Random-Verfahren (random, englisch = Zufall) ist ein mathematisches Zufallsverfahren. Die Auswahl der Befragungspersonen oder Befragungsstellen erfolgt rein zufällig, d.h. ohne jede Willkür. Dadurch ist die Repräsentanz der Stichprobe (theoretisch) gewährleistet. Für die praktische Anwendung einfordert das Random-Verfahren jedoch gewisse Voraussetzungen. In der Sprache der Mathematiker heißt es beim Zufallsverfahren, daß jedes Element der Grundgesamtheit (z.B. jeder Erwachsene der Bundesrepublik, wenn eine Umfrage bei allen Erwachsenen durchgeführt werden soll) die gleiche und von Null verschiedene Chance haben müsse, in die Stichprobe zu

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gelangen. Das heißt, es muß vollständige Verzeichnisse, z.B. in Form einer Einwohnermeldekartei, geben. In unserem Beispiel trifft das auch zu. Denn alle Personen sind in Einwohnerkarteien oder -listen erfaßt. Oftmals geht es aber bei Erhebungen um Grundgesamtheiten, die in keinem Verzeichnis aufgeführt sind, z.B. Verwender bestimmter Marken. Man könnte sagen, daß das Randoin-Verfahren dann insofern nicht eingesetzt werden kann, als das "vollständige Verzeichnis aller Elemente der Grundgesamtheit" nicht zur Verfügung steht. Dennoch läßt sich auch in solchen Fällen das Zufallsverfahren anwenden. Es kommt nur darauf an, aus der übergeordneten Grundgesamtheit (z.B. aller Haushalte, aller Erwachsenen) die Grundgesamtheit der Elemente mit dem zusätzlichen Merkmal "Verwender der Marke X " herauszufiltern. Dies geschieht häufig durch sogenannte Kontakt-Interviews: In einer Stichprobe aller Haushalte wird zunächst gefragt, ob die in Rede stehende Marke im einzelnen Haushalt verwendet wird. Wenn nicht, wird das Interview abgebrochen, wenn ja, wird das eigentliche Interview zu Ende geführt. Wenn man einen geringen Marktanteil der Marke X vermutet, kann diese Vorgehensweise beim Random-Verfahren relativ teuer sein, da die Adressen der Fehlkontakte sozusagen versehwendet werden, weil die vergeblichen Kontaktinterviews mit gewissen Grundkosten voll zu Buche schlagen. In solchen Fällen geht man gerne anders vor: Es werden anläßlich anderer Umfragen (z.B. im Rahmen von Omnibus-Erhebungen; s.u.), die natürlich auf Random-Basis angelegt sein müssen, Adressen der Verwender der Marke X "eingesammelt". Hat man, gegebenenfalls in mehreren Wellen hintereinander stattfindender Befragungen, genügend Verwender zusammen, so läßt sich hieraus eine repräsentative Stichprobe, und zwar eine zufallsgesteuerte Stichprobe, zusammenstellen und befragen. 2. Quota-Verfahren Geradezu umgekehrt arbeitet das Quota- oder Quoten-Verfahren. Bei ihm sorgt nicht der Zufall für die Repräsentanz der Stichprobe, sondern die Willkür, allerdings eine gesteuerte Willkür. Die Strukturgleichheit (Isomorphie) der Stichprobe mit der Grundgesamtheit wird konstruiert.

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Wenn man weiß, wie sich die Bevölkerung des Befragungsgebiets nach Geschlecht, Alter, Beruf usw. strukturell zusammensetzt, so braucht man nur die Stichprobe in der gleichen Zusammensetzung zu bilden. Voraussetzung der Anwendung des Quoten-Verfahrens ist folglich die Kenntnis der Strukturmerkmale innerhalb der Grundgesamtheit; man kann sie aus amtlichen Statistiken oder aus früheren Erhebungen erfahren. Der Grundgedanke für das Funktionieren des Quoten-Verfahrens ist folgende Hypothese: Wenn die ausgesuchten Personen oder Firmen (also die Stichprobe) in bestimmten, vorgegebenen Merkmalen mit der Grundgesamtheit übereinstimmen, dann stimmen sie auch im Erhebungsgegenstand miteinander überein. Als Erhebungsgegenstand ist hier das Ziel der Umfrage gemeint. 3. Random oder Quota? Theoretisch besteht gar kein Zweifel an der Überlegenheit Ran dorn-Verfahrens. Nur dieses ist mathematisch begründet, hier lassen sich die Fehlergrenzen in Abhängigkeit von der fragtenzahl und den gefundenen Prozentwerten berechnen. Praxis aber sieht anders aus.

des nur BeDie

Voraussetzung für das Auswirken der Vorzüge des RandomVeifahrens ist eine zu 100 Prozent "ausgeschöpfte" Stichprobe. Das heißt, alle in die Stichprobe gelangten Fälle müssen zu verwertbaren Interviews führen. Das war aber praktisch nie der Fall, und heute sind wir weiter davon entfernt denn je. Ausschöpfungsquoten von 7 0 % gelten bei normalen Umfragen als Erfolg. Die fehlenden 30% Interviews müssen also "nachgeschoben" werden. Zwar werden diese "Ersatzadressen" ebenfalls nach Zufallsgesichtspunkten ausgewählt, sie zählen aber nicht zur ursprünglichen Stichprobe. Die statistische Sicherheit bezüglich der Repräsentanz und der Fehlergrenzen ist nicht mehr gegeben. Beim Quoten-Verfahren kann es keine Ausfälle geben, weil die Interviewer so lange Befragungspersonen ansprechen, bis sie sie in der gewünschten Kombination von Merkmalen finden. Dies ist aber nur ein scheinbarer Vorzug gegenüber dem RandomVerfahren. Vom Kostengesichtspunkt her gesehen ist das Quoten-Verfahren eindeutig überlegen. Hier entstehen keine Kosten für das Bezie-

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hen von Adressen (aus Ein w o hjienncl d ekartei en oder auch aufgrund Instituts eigener Ermittlungen durch sogenannte F l ä chenstichproben), keine Kosten für Wiederholungsbesuche, die nötig werden, um die Stichprobe möglichst weitgehend auszuschöpfen. 4. Random/Quota-Experimente E s hat eine Reihe von Experimenten gegeben, die die Gleichwertigkeit des Quotenverfahrens gegenüber dem Random-Verfahren nachweisen sollten. Die (für das Quoten-Verfahren positiven) Ergebnisse können indessen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Auswahlfehler nur ein (kleiner) Teü des gesamten Fehlers bei einer Befragung ist. Weitere Fehlerquellen bei Repräsentativumfragen können verboigen sein im Fragebogen, in der Aufbereitung, der statistischen Verarbeitung und der Interpretation der Ergebnisse. V o r allem aber sind (bei persönlichen Befragungen) Fehlermöglichkeiten in der Tatsache des Einsatzes von Interviewern zu sehen. Die Verfälschungen von B e fragungseigebnissen durch Interviewer (Interviewer-Bias) reichen von unbeabsichtigten Einflüssen durch das äußere Aussehen des Interviewers auf den Befragten bis hin zur absichtlichen Manipulation, Erfindung angeblicher Antworten, Fingieren kompletter Interviews. Alle diese Fehlermöglichkeiten sind bei jeglicher Umfrage gegeben, unabhängig vom Auswahlverfahren. W e n n es zutrifft, daß der Auswahlfehler nur vernachlässigenswert klein ist (im Vergleich zu den anderen Fehlerursachen), dann spielt in der Praxis die Frage des Auswahlverfahrens tatsächlich nicht eine solch große Rolle, wie es in der Literatur immer noch dargestellt wird. Insgesamt läßt sich feststellen, daß das Random-Verfahren in der praktischen Anwendung viel von seinem früheren Glanz verloren hat. Das liegt zum Teil an dem bereits erwähnten Rückgang der Ausschöpfungsquote bei diesem Verfahren, zum anderen Teü an einer laufenden Verbesserung des Quoten-Verfahrens. Manche Abwandlungen des Quoten-Verfahrens, z . B . das " R a n d o m - R o u t e " - oder Startpunktverfahren, haben einen Zuverlässigkeitsgrad entwickelt, der sich mit dem "regelrecht" durchgeführter Randomumfragen messen läßt.

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Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn das Quoten-Verfahren bei durchschnittlich 20% niedrigeren Kosten häufig bevorzugt wird. I I I . Fxhebungsverfahren Je nach Untersuchungsgegenstand, Grundgesamtheit, Größe und geographischer Lage der Stichprobe sind verschiedene Forschungsansätze möglich. Alle Primär-Erhebungen lassen sich in die Kategorie quantitative oder qualitative Forschung einordnen, wobei Mischformen durch tTberschneidung dominieren. In den folgenden Abschnitten wird dargestellt, was unter quantitativer und qualitativer Forschung zu verstehen ist. 1. Quantitative Forschung Mit quantitativer Forschung ist die Veranstaltung von Umfragen auf der Grundlage hoher Fallzahlen gemeint (Quantität = Menge der Befragungsfälle). Große Befragtenzahlen können erforderlich werden, wenn eine weitgehende Differenzierung der Ergebnisse innerhalb kleiner Teilgruppen gewünscht wird. Sollen beispielsweise die Zeitschriften-Lesegewohnheiten der Bundesbevölkerung untersucht werden, und sollen hierbei auch kleine, nur regional oder lokal verbreitete Zeitschriften mit einbezogen werden, so ist eine große Fallzahl von Befragungspersonen erforderlich, damit auch die kleinsten Zeitschriften die Chance haben, durch genügend Leser in der Umfrage vertreten zu sein. Da große Fallzahlen hohe Kosten verursachen, müssen die Interviews möglichst ökonomisch durchgeführt werden. Man kann sagen, daß die Fragen um so "einfacher" formuliert sind, je größer die Befragtenzahl einer Umfrage ist.

Diese Feststellung gilt im Vergleich zur qualitativen Forschung. Es wird damit nicht behauptet, daß in Umfragen mit großen Fallzahlen nur simple Fragen vorkommen.

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Einfache Fragestellungen bringen nur einfache Ergebnisse zu Tage. Großer Tiefgang der Befunde ist bei rein quantitativer F o r schung nicht zu erwarten. Etwas abfällig werden die Verfechter der quantitativen Forschungsrichtung als "Nasenzähler" bezeichnet. 2 . Qualitative F o r s c h u n g Aus dem soeben Gesagten ergibt sich, daß qualitative Forschung nicht als eine besonders wertvolle Forschungsveranstaltung zu verstehen ist, sondern als ein Gegensatz zur quantitativen Forschung. Qualitative Forschung ist im Unterschied zur quantitativen gekennzeichnet durch verhältnismäßig g e r i n g e Fallzahlen bei gleichzeitig größerem T i e f g a n g . Die qualitative Forschung b e dient sich quasi nur am Rande des Instruments der einfachen Frage; sie bemüht das gesamte psychologische Instrumentarium. Folglich spricht man auch von psychologischer Marktforschung oder M o t i v f o r s c h u n g . Während die Ergebnisse der quantitativen Forschimg zwar sehr differenziert in die Breite gehen, aber sich nur verhältnismäßig "flach" an der Qberfläche bewegen, arbeitet die Motivforschung verhältnismäßig schmal, jedoch tiefgründiger. Ein Beispiel: Geht es darum, die Bekanntheit v o n Waschmittelinarken in der Bundesbevölkerung festzustellen, so genügt eine einzige Frage an eine große Stichprobe von erwachsenen Personen, etwa in der Formulierung " W e l c h e Marken sind Ihnen bei Waschmitteln bekannt?" Soll jedoch festgestellt werden, w a r u m eine ganz bestimmte Marke verwendet wird, so kann man das mit einer ähnlich naiven Frageformulierung nicht herausbekommen. Eine solche, dem Befragten oft selbst nicht bewußte Handlungsmotivation kann allenfalls mit einer Vielzahl v o n Fragen, projektiven Tests, Verhaltensbeobachtungen und anderen Instrumenten der p s y chologischen Diagnostik ermittelt werden. Der hohe Aufwand bei der Motivforschung führt zwangsläufig zu einer Beschränkung der Fallzahl. Das ist glücklicherweise insofern kein Nachteil, als die Anzahl der Motivationen und Handlungsalternativen mit zunehmender "Tiefe" der Fragestel-

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hing abnimmt. Je tiefer der Motivforscher in die Schichten des Unbewußten oder Unterbewußten hinabsteigt, um so einfacher werden die zugrundeliegenden Motivstrukturen. 3. Integrierter Forschungsansatz In der Theorie w i e in der Praxis gab es jahrelang einen Streit der "Nasenzähler" mit den "Tiefenheinis". Anhänger der quantitativen Forschungsrichtung stritten sich mit den Anhängern der qualitativen Forschungsrichtung darüber, w e r die bessere Marktforschung treibt. Wenn es auch Erhebungsgegenstände gibt, die von der Aufgabenstellung her in der Tendenz mehr das eine oder das andere Verfahren benötigen, so läßt sich in der Praxis eine zunehmende Integration beider Verfahren erkennen. In sogenannte Breiten-Umfragen werden psychologische Techniken aufgenommen; andererseits werden Motiv-Studien durch repräsentative Stichproben auch in der Breite abgesichert. IV. F.rhebungstechniken Üblicherweise werden die Erhebungstechniken der Primär-Forschung in der Dreiteilung Befragung, Beobachtung, Experiment dargestellt. Da das Experiment in der Regel eine über die Zeit ablaufende Kombination von Befragungen und/oder Beobachtungen ist, wollen wir es nicht als eigene Erhebungstechnik ansehen, sondern statt dessen wichtige Misch- und Sonderformen getrennt darstellen. Auch diese Misch- und Sonderformen basieren auf Befragungen und Beobachtungen (andere Erhebungstechniken gibt es in der Primär-Forschung nicht). Sie seien aber wegen ihrer Komplexität und ihrer großen Bedeutung nach Häufigkeit und finanziellem Volumen - getrennt beschrieben. Durch den steigenden Einsatz technischer Hilfsmittel, insbesondere neuentwickelter elektronischer Technologien, wird die Kennzeichnung der beiden Basiserhebungstechniken, Befragung und Beobachtung, immer problematischer. Die ursprüngliche Mensch-Mensch-Interaktion "Befragung" wird mehr und mehr durch Mensch-Maschine- oder gar Maschine-Maschine-Interaktionen ersetzt. Im einen Extrem sind beide Menschen (Interviewer und Interviewter) physisch zeitgleich anwesend. Im anderen Extrem geht die unmittelbare Interaktion der "Befragung" über Maschinen (Geräte, Apparate, Computer).

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Auch bei der B e o b a c h t u n g zeigt sich eine Entwicklung weg von der visuellen Aufnahme zeilgleich erfolgender, vom Beobachteten ausgehender visueller Reize durch den Beobachter hin zur indirekten, da maschinellen Registrierung von kognitiven und affektiven Abläufen. Näheres wird bei den einzelnen Befragungs-, und Sonderformen erläutert.

Beobachtungs-

1. Befragung Das klassische Erhebungsinstrument (zumindest der quantitativen Priinäi^Forschung) ist die Befragung. Wir kennen sie in mehreren Spielarten, nämlich als mündliche (persönliche) Befragung, als schriftliche (postalische) Befragung und als telefonische Befragung. a ) Mündliches (persönliches) Interview Die bei uns (noch) am häufigsten eingesetzte Erhebungstechnik ist die des mündlichen, persönlichen Interviews. Die Aufnahme der erhobenen Daten geschieht hierbei durch einen gleichzeitig anwesenden Interviewer (Face-to-Face-Interview), der die Antworten entweder in einem Fragebogen oder Frageleitfaden festhält, in ein mitgeführtes Tonbandgerät einspricht bzw. einsprechen läßt oder in einen mitgeführten Kleincomputer eingibt. Das klassische Papier^Interview verliert an Bedeutung. Mit dem Heranwachsen der technikfreundlichen Generation gehen Berührungsängste vor Tonbandgeräten und Computern bei den Befragten zurück. Durch den Einsatz der Technik kann die Auswertung der Befragung wesentlich schneller und vor allem auch weniger fehlerhaft als beim Papier^Interview erfolgen. Grundsätzlich können wir drei Arten von Interviews unterscheiden: Das standardisierte Interview, das geleitete Interview, das freie Gespräch. ( 1 ) Standardisiertes Interview Beim standardisierten Interview benutzt der Interviewer einen Fragebogen, der in Wortlaut und Reihenfolge der Fragen für alle Interviews verbindlich ist. Der standardisierte Fragebogen ist das typische Instrument der quantitativen Umfrage. Durch

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weitgehende Verwendung von Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (geschlossene Fragen) kann der standardisierte Fragebogen maschinenlesbar eingerichtet werden, so daß die Auswertung schnell erfolgen kann. Für diese Art von Interviews eignen sich insbesondere auch Interviewcomputer, die den Vorteil noch schnellerer Datenübermittlung an die Zentrale haben. (2) Geleitetes Interview Bei einem geleiteten Interview hat der Interviewer lediglich einen Frageleitfaden, der ihm stichwortartig Anhaltspunkte über die zu befragende Thematik gibt. Das weitere Vorgehen, d. h. die Formulierung und die Reihenfolge des Anschneidens der einzelnen Unterthemen, ist dem Interviewer von Fall zu Fall überlassen. Diese Interviewtechnik wird häufig bei Expertenbefragungen angewendet, d. h. bei Befragungen von Fachleuten aus Handel und Industrie, und auch bei privaten Meinungsbüdnern. (3) Freies Gespräch (Tiefeninterview) Beim freien Gespräch hat der Interviewer keinerlei schriftliche Befragungshilfe vorliegen. Er kennt lediglich das Generalthema, an das er sich unter Umständen von Fall zu Fall sehr verschieden herantastet. Das freie Gespräch ist das typische Instrument der Motivforschung, wo man es auch Tiefeninterview nennt. b ) Exkurs: Umfrage-Arten Die von Interviewern durchgeführten, also mündlichen, persönlichen Befragungen, lassen sich in drei Gruppen einteilen. (1) Ad-hoc-Umfrage (Exklusiverhebung) Am häufigsten kommt die auf einen ganz speziellen Untersuchungszweck maßgeschneiderte "Ad-hoc-Umfrage" vor (Ad hoc: Eigens zu diesem Zweck). Hierbei werden sowohl die Anlage der Stichprobe als auch die Formulierung des Fragenprogramms und die Auswertung der Ergebnisse ganz auf den individuellen Untersuchungszweck abgestellt.

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( 2 ) Standarderhebung Ist die Ad-hoc-Umfrage ein Maßanzug, so handelt es sich bei der Standarderhebung um Konfektion. Standarderhebungen werden sowohl bezüglich der Stichprobenbildung als auch bezüglich der Frageformulierung und der Auswertung nicht zwischen einem Auftraggeber und einem durchführenden Institut besprochen (wie bei der Ad-hoc-Untersuchung), sondern vom durchführenden Institut fest vorgegeben. Allerdings hat die Standarduntersuchung einen entscheidenden Vorzug: Da sie nicht wie die Adhoc-Untersuchung exklusiv einem Auftraggeber zur Verfügung steht, sondern an alle Interessenten verkauft werden kann, ist sie erheblich preiswerter zu haben. Kalkuliert ein Institut eine derartige Standarderhebung auf der Basis des Verkaufs an zehn Abnehmer, so kann die Untersuchung zu einem Zehntel des Preises einer Exklusiverhebung angeboten werden. Um für eine möglichst große Zahl von Interessenten attraktiv zu sein, ist die Standarderhebung zwangsläufig verhältnismäßig allgemein in ihren Aussagen. Es gibt aber die Möglichkeit, daß sich ein Interessent mit Spezialfragen an eine Standarderhebung "anhängt", wobei selbstverständlich die Ergebnisse dieser Fragen dann nur ihm allein zur Verfügung stehen. ( 3 ) Omnibusumfrage Eine dritte Variante von Umfragen mittels Interviewereinsatz ist die Beteiligungs- oder Omnibusumfrage. Dieses Instrument ist angeraten, wenn ein verhältnismäßig geringer Informationsbedarf vorliegt, wenn also wenige Fragen zu stellen sind, diese aber so speziell formuliert werden müssen, daß eine etwa vorhandene Standarderhebung keine ausreichenden Erkenntnisse bringen würde. Zwar könnte der Auftraggeber ein Marktforschungsinstitut auch mit wenigen Fragen eine Untersuchung exklusiv durchführen lassen, doch würde dies wegen der hohen Grundkosten einer Umfrage unverhältnismäßig teuer werden. Es ist ökonomischer, sich die Kosten mit anderen Interessenten zu teilen, die mit eigenen Fragenkomplexen an derselben Untersuchung beteiligt sind. Selbstverständlich erhält jeder Teilnehmer der Omnibuserhebung nur die Ergebnisse seines Fragenbereichs. Voraussetzung für die Beteiligung an ein ein Omnibus ist, daß die Stichprobe für den jeweiligen Untersuchungsgegenstand geeignet ist. Für eine Umfrage über das Zigarrenrauchen wäre eine

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Stichprobe auf der Basis "alle Erwachsenen" sicher nicht geeignet, da hierbei der Anteil der Frauen weitgehend unnütz mitbefragt würde. In diesem Fall wäre es sinnvoller, eine Omnibuserhebung bei der Stichprobe "Männer" durchzuführen. Oft liest man die Behauptung, die Omnibuserhebung sei kostengünstiger als eine Exklusiv erhebung. Diese Behauptung ist so allgemein unzutreffend. Bei großem Informationsbedarf, wenn man also viele Fragen zu stellen hat, kommt eine Beteiligungsumfrage gar nicht in Frage, da man einen kompletten Fragebogen mit den eigenen Fragen füllen kann. Hat mim allerdings nur einen geringen Informationsbedarf, braucht man also nur wenige Fragen zu stellen, so ist die Beteiligungsumfrage gegenüber einer Exklusiverhebung mit wenigen Fragen aus dem erwähnten Grund der Fixkostenverteilung auf mehrere Auftraggeber im Vorteil. W i r wenden uns wieder den verschiedenen Befragungsarten zu. Die breiteste Einsatzmöglichkeit hat wie erwähnt das mündüche, persönliche Interview. E s ist praktisch für alle vorkommenden Aufgaben der quantitativen Forschung geeignet; in der qualitativen Forschung ( M o t i v - F o r s c h u n g ) ist es die einzig realisierbare Befragungsart. Das persönliche Interview bringt mancherlei Vorteile mit sich: Durch den Interviewer als Mittler zwischen der befragten Person und dem Auftraggeber bzw. dem eingesetzten Marktforschungsinstitut ist es möglich, auch unwillige Befragte zur Mitarbeit zu bewegen. Bei komplizierten Sachverhalten kann der Interviewer erläuternd und helfend eingreifen. (Allerdings darf die Interviewerhilfe nicht so weit gehen, daß dadurch die Meinung des Befragten verfälscht wird.) Nachteilig machen sich beim mündlichen persönlichen Interview vor allem zwei Faktoren bemerkbar. Erstens ist es durch den Einsatz der Interviewer (Honorare, Spesen!) verhältnismäßig teuer und zweitens sind, wie schon erwähnt, verfälschende Einflüsse durch das Interviewerverhalten nie ganz auszuschließen. c ) T e l e f o n i s c h e s Interview W e n n das mündliche Interview mit Hilfe des Femsprechers durchgeführt wird, sprechen wir vom telefonischen Interview. Seitdem in der Bundesrepublik auch im privaten Bereich eine nahezu vollständige Telefon Versorgung eingetreten ist, eignet sich das Instrument auch für Bevölkerungsumfragen. Z u v o r

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schon war es eine beliebte Erhebungsteehnik für Umfragen im gewerblichen Bereich. Gegenüber dem mündlichen, persönlichen Interview hat es einige Nachteile: Da der Interviewer nur mit seiner Stimme anwesend ist. hat er nicht die Finwirkungsmöglichkeit auf den Befragten, um beispielsweise die generelle Interviewbereitschaft zu fördern. Wegen dieser unpersönlicheren Kommunikation eignet sich das telefonische Interview auch nicht für allzu lange Befragungen. Wenn das Interesse beim Befragten nachläßt, legt er den Hörer gern schnell auf. Das ist einfacher, als einen anwesenden Interviewer aus der Wohnung zu weisen! Einen gewissen Vorteil gegenüber dem persönlichen Interview hat das Telefongespräch in manchen gewerblichen Zielgruppen. Ein telefonisch angesprochener Mitarbeiter einer Unternehmung ist oft eher bereit, auf wenige kurze Fragen unmittelbar zu antworten, als einen Interviewer zu einem erfahrungsgemäß doch recht langen Gespräch zu empfangen. Ein weiterer Vorteil liegt in der Preiswürdigkeit des telefonischen Interviews. Ks werden keine Honorare für Interviewer im Außendienst gezahlt, es entstehen keine Fahrtkosten und Spesen. Schließlich ist das Telefoninterview unschlagbar schnell. Mit der Beendigung des Gesprächs sind die Angaben bereits erfaßt. Postlaufzeiten (für die Einsendung ausgefüllter Fragebogen) entfallen. Beim Telefoninterview mit der CATI-Technik (Computer Aided Telephone Interview) kann schließlich die gesamte Auswertung bei Beendigung des letzten Interviews im Computer anlaufen und in kürzester Zeit vorliegen. Bei diesem Verfahren arbeitet der Interviewer mit Bildschirmführung: Der "Fragebogen" erscheint auf einem Bildschirm, und der Interviewer liest die Fragen hiervon ab. Entsprechend den Antworten die weitgehend auch vorgegebene Antwort-Möglichkeiten enthalten - markiert er die zutreffende Antwortkategorie. Der Computer zwingt den Interviewer auch zur Einhaltung der richtigen Fragenreihenfolge. Der Vorgriff auf spätere Fragen oder das Weglassen von Fragen (Fälschungsmöglichkeit) ist ausgeschlossen: Eine weitergehende Technisierung des Telefoninterviews in Richtung auf einen Mensch-Maschine-Dialog befindet sich erst im Versuchsstadium. Bei dieser Anordnimg ist auf der Befragerseite kein Mensch, sondern ein Interview-Roboter. Dieser Computer ruft nach eingegebenen Telefonnummern die Teilnehmer selbständig an, stellt die Fragen und registriert die mündlich

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gegebenen Antworten. Neben Problemen der automatischen Spracherkennung (Deutlichkeit der Aussprache, Dialekt usw.) dürften auf absehbare Zeit auch psychologische Hemmnisse auf Seiten der Befragten der Anwendung dieser Technik Grenzen setzen. Eine weitere Automatisierung hin zu einem Maschine-MaschineDialog, bei dem der Mensch gar nicht oder kaum noch beteiligt ist, ist ebenfalls keine Utopie. Einen Ansatz in diese Richtung kennen wir aus dem Meinungsumfrage-System beim Fernsehen T E D . Nach der Aufforderung, zu bestimmten Fragen Stellung zu nehmen, können die Fernsehzuschauer durch das Wählen einer korrespondierenden Kennziffer nach einer Ziel-Telefonnummer ihre Meinung entsprechend den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten äußern. Da die Aufforderung mit den Antwortvotgaben auf dem Bildschirm eingeblendet werden kann, ist das Auftreten eines menschlichen "Interviewers" via Bildschirm und Stimme nicht erforderlich. Auch der Fernsehzuschauer braucht nicht mit seiner Stimme (er kann es gar nicht!) zu antworten, sondern er muß lediglich die für ihn zutreffende Kennziffer wählen. d) Schriftliches (postalisches) Interview Bei der dritten Befragungsart handelt es sich um das schriftliche (postalische) Interview. Es hat lange Zeit in der Bundesrepublik ein Schattendasein geführt. Auch heute noch lautet das hauptsächliche Vorurteil dagegen, die schriftliche Befragung sei wegen der zu geringen Rücklaufquote unbrauchbar. Dieses Pauschalurteil muß jedoch differenziert gesehen werden. Tatsächlich ist erfahrungsgemäß die Rücklaufquote bei allgemeinen Bevölkerungsumfragen zu relativ uninteressanten Themen derart gering, daß von einer Repräsentanz der Ergebnisse keine Rede mehr sein kann. In der Fachpresse wie auch in Berichten von Praktikern finden sich Rücklaufquoten von weniger als 5 % als eklatante Beispiele des Versagens dieses Instruments der allgemeinen Bevölkerungsumfrage. Quoten von 10 oder 2 0 % werden bereits als Erfolg bezeichnet. Bei gewerblichen Zielgruppen, wo man generell mit höheren Erfolgsquoten rechnet, kann der Rücklauf nach Erfahrungen von Praktikern durch vorherige telefonische Ankündigung der Fragebogenzusendung (nicht Interviews!) um die Hälfte vergrößert werden. Dort gelten Quoten

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von 3 0 bis gegen 5 0 Prozent als üblich, von 8 0 % noch als m ö g lich. Hätte man Gewißheit darüber, o b die Gruppe der FragebogenR ü c k s e n d c r mit der gesamten angeschriebenen Stichprobe (und damit mit der angezielten Grundgesamtheit) strukturgleich wäre, so brauchte man die ursprüngliche Bruttostichprobe nur genügend hoch anzusetzen, um eine bestimmte verwertbare Nettofallzahl zu erreichen. Vieles scheint jedoch darauf hinzudeuten, daß diese Strukturkongruenz nicht gegeben ist. Die R ü c k s e n d e r sind in ihrem psychologischen, soziologischen und ökonomischen Zuschnitt in den meisten Fällen atypisch. Ihr Informations-, Einkaufs- und Verbrauchsverhalten unterscheidet sich nach verschiedenen Untersuchungen von der Gesamtheit der Gruppe, der sie angehören.

Übrigens würde auch das soeben beschriebene Verfahren (eine entsprechend h ö h e r e Fallzahl erst einmal anzuschreiben) den allgemeinen Vorteil der Preis Würdigkeit der postalischen Umfrage erheblich reduzieren.

Im gewerblichen Bereich kann generell mit höheren Rücklaufquoten gerechnet werden. Personen, die nicht in ihrer Eigenschaft als Endverbraucher sondern als beispielsweise Verkaufsleiter, Fertigungsingenieur usw. angeschrieben werden, sind v o n der Notwendigkeit der Marktforschung eher überzeugt und fühlen sich somit eher veranlaßt, einen Fragebogen auszufüllen und zurückzuschicken. W e n n eine Reihe von Regeln beachtet wird, läßt sich aber auch im B e r e i c h der privaten Endverbraucher eine höhere Rücklaufquote erzielen. Folgende Punkte sollte man beachten: Attraktives Äußeres des zugeschickten Briefes (kein Drucksachencharakter), geringer Fragebogenumfang (maximal ein Doppelblatt D I N A 4), optisch ansprechende Gestaltung des F r a g e b o g e n s ( z . B . genüg e n d g r o ß e Schrift für ältere Menschen), möglichst viele " g e s c h l o s s e n e " Fragen (mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die nur anzukreuzen sind), durch Freistempler frankierter Rückumschlag (um die Rücksendung zu erleichtern, andererseits

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einer zweckentfremdeten Verwendung von Briefmarken vorzubeugen). Eine Auslosung von Preisen oder die Beteiligung an einem Preisausschreiben der Einsender hat sich nicht bewährt, da hierdurch die typischen Preisausschreiben-Teilnehmer überdurchschnittlich aktiviert werden. Die Nützlichkeit einer telefonischen Vorankündigung wurde bereits erwähnt. Unter dem schriftlichen (postalischen) Interview verstehen wir in erster Linie die jeweils einmalige Datenaufnahme. Prinzipiell muß man auch die wiederholte oder laufende schriftliche Befragung hierzu rechnen, also auch die regelmäßige schriftliche Berichterstattung von Mitgliedern von Verbraucherpanels (s. u.). 2. Beobachtung Während wir die Erhebungstechnik der Befragung definieren könnten als die verbale Registrierung gedanklicher Ereignisse, handelt es sich bei der Beobachtung um die nonverbale Registrierung v o n Verhaltensweisen und Gefühlen. Erfaßt die Befragimg vorwiegend subjektive Tatbestände (Meinungen), so ist demgegenüber das Anwendungsgebiet der Beobachtung die Erfassimg objektiver Tatbestände (Verhalten). Mehr noch als bei der Befragung ist bei der Beobachtung der Einsatz apparativer Techniken verbreitet. Wir können die Beobachtung nach drei Kriterien aufteilen: a) W e r führt die Beobachtung durch? b) W i e wird die Beobachtung vorgenommen? c) W o findet die Beobachtung statt? VAX

a)

W i r bezeichnen eine Beobachtungssituation, bei der ein beobachtender Mensch (Versuchsleiter) für den Beobachteten (Versuchsperson) erkennbar anwesend ist, als teilnehmende Beobachtung. Dabei spielt es keine Rolle, ob zusätzlich die Beobachtung auch durch apparative Techniken erfolgt. Dagegen sprechen wir von nichtteilnehmender Beobachtung, wenn die

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Versuchsperson nicht weiß oder nicht erkennt, daß sie beobachtet wird. Diese (versteckte) Beobachtung kann durch eine Person oder durch eine apparative Einrichtung erfolgen. Die Anordnung der nichtteilnehnienden Beobachtung wird für ergiebiger gehalten, da die Versuchspersonen nach Meinung der Marktforscher hierbei natürlicher, biotischer, reagieren. Sie läßt sich aber in vielen Aufgabenstellungen nicht verwirklichen. Zu b) Die grundsätzliche Möglichkeit der Beobachtung durch Menschen bzw. deren Augen einerseits und durch technische Hilfsmittel andererseits wurde bereits angesprochen. Die folgende Matrix zeigt die denkbaren Konstellationen: Beobachter

Aufnahmekanal

Erfaßte Daten

Mensch

Augen

Visuelles Bild

Apparat

Kamera

Visuelles Bild

Apparat

Sensoren

Gefühlsregungen

Im ersten Fall wird die Versuchsperson durch einen erkennbar anwesenden Menschen (teilnehmende Beobachtung) oder verdeckt durch einen Einwegspiegel (nicht teilnehmende Beobachtung) dabei beobachtet, wie sie beispielsweise eine Produktpakkung öffnet. Um die gegebenenfalls langwierigen Beobachtungen zwecks Analyse zu konservieren, kann der zweite Fall angewendet werden: Ein Foto/Filin/Video-Aufnahmegerät ersetzt den Menschen als Beobachter. Im dritten Fall wird die Versuchsperson zur Messung psychischer Erregung oder anderer unbewußter Abläufe an apparative Einrichtungen eingeschlossen. Es können Blickregistrierungsgeräte sein, die Ausmaß, Richtung und Intensität der Augen-Bewegungen (beispielsweise bei einer Anzeigenvorlage) festhalten, Hautwiderstandsmeßgeräte (die gefühlsmäßige Aktivierung, zum Beispiel beim Anblick gefallender Produkte, messen), Stimmfrequenzanalysatorcn oder anderes.

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Es ist offenkundig, daß bei dieser Art von apparativer Beobachtung immer von der Situation der teilnehmenden Beobachtung auszugehen ist, d.h. die Versuchsperson weiß, daß etwas mit ihr geschieht, wenn auch nicht unbedingt, was das ist. Wenngleich, wie eingangs betont, die Beobachtung objektiv meßbare oder feststellbare Tatbestände erfaßt, ist doch ein breiter Interpretationsspielraum zu bedenken, der bei der Auswertung des Beobachteten gegeben ist. Die Objektivität bezieht sich eher auf die Registrierung denn auf die Analyse und die Interpretation. Zu c) J e nach dem Ort der Beobachtung unterscheiden wir zwischen Feldbeobachtung und Laborbeobachtung. Die Feldbeobachtung geschieht an der örtlichkeit, w o die beobachtete Handlung normalerweise stattfindet. Zum Beispiel kann durch Personen oder auch versteckte Kameras festgestellt werden, wie sich Kunden in einem Supermarkt vor Produktengeboten verhalten. Andere Orte der Feldbeobachtung wären die Wohnung, der Arbeitsplatz, die Straße. Im Falle der Wohnimg als Beobachtungsort für ein Verbraucherverhalten (z.B. bei der Zubereitung von Speisen oder der Handhabung von Geräten) wäre natürlich die Technik der nichtteilnehmenden Beobachtung wiederum nicht denkbar. Bestimmte Aufgabenstellungen lassen sich nur im Labor, d.h. in einem Maxktforschungsiiistitut oder in einem anderen dafür ausgesuchten Raum durchführen. Wenn es etwa darum geht, unter verschiedenen Packungsalternativen die attraktivste auszuwählen, so läßt sich das mit einem Greiftest ermitteln. Den Versuchspersonen werden im Institut die einzelnen Packungsvarianten zur Auswahl vorgestellt, mit der Bitte, eine davon in die Hand zu nehmen. Die Häufigkeit, mit der die verschiedenen Varianten spontan ergriffen werden, läßt Rückschlüsse auf den Markterfolg der Packung zu. Wirklichkeitsnäher wäre es, diese Untersuchung als Feldbeobachtung durchzuführen, doch müßten hierfür weitaus höhere Aufwendungen, z.B. für die Herstellung der Packungen in verschiedenen Varianten und den Vertrieb in ausgewählte Ge-

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schäfte, sowie die dortige Beobachtung in Kauf genommen werden. Bei allen Orten, an denen die Beobachtung stattfindet, ist mit teilweise unkontrollierbaren Einflüssen verschiedener AuJJenfaktoren zu rechnen. Dazu zählen p s y c h i s c h e und physische Verfassung, etwaiges Rollenverhalten, situative Bedingungen und anderes mehr. Deshalb kann von einem idealen oder typischen Testort nicht gesprochen werden. 3 . M i s c h - und Sonderformen Die kombinierte Anwendung von Befragung und Beobachtung wird häufig als Experiment bezeichnet. Es findet sich aber auch der Terminus Experiment lediglich anstelle des Terminus Beobachtung. W i r wollen hier zwei wichtige Erhebungstechniken beschreiben, die in der Praxis häufig angewendet werden. Es handelt sich dabei um das Panel und den Markttest. a) Panel Ein Panel ist die wiederholte Befragung bzw. Beobachtung bei identischen Auskunftspersonen oder -stellen. Z w e c k des Panels ist es, Tatbestände und Verhaltensweisen zu ermitteln und, vor allem, deren Veränderungen im Zeitablauf zu messen. ( 1 ) Endverbraucher-Panel W i r unterscheiden zwischen dem Endverbraucher-Panel und dem Handelspanel. Beim Endverbraucher^Panel gibt es wiederum die beiden Varianten Haushalts-Panel und IndividualPanel. Beim Endverbraucher-Panel berichten die Haushalte bzw. Einzelpersonen über ihre Einkäufe und ggf. auch sonstige marktrelevante Verhaltensweisen (z.B. Nutzung von Medien). Die Auskunftspersonen führen ein Tagebuch, in das sie alle interessierenden Angaben eintragen, z.B. gekaufte Warenart, Marke, Packungsgröße, Preis, Art usw. Das durchführende Institut stellt die Berichte der Panel-Haushalte zusammen und gibt die Daten zusammengefaßt an interessierte Firmen weiter. Der Käufer der Panel-Ergebnisse, z.B. ein Markenartikel-Hersteller, gewinnt somit einen Überblick über das tatsächliche Marktgeschehen.

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Ein gewisses atypisches Einkaufs- und Konsumverhalten, das man vielfach bei neu angeworbenen Panel-Mitgliedern vorfindet, wird als Panel-Effekt bezeichnet. Dieser Effekt kann sich darin auswirken, daß die Verbraucher andere Produkte aufschreiben, als sie gekauft haben und auch darin, daß sie ihr tatsächliches Kaufverhalten ändern. Erfahrungsgemäß legen sich solche von der Panel-Mitarbeit ausgehende Verhaltensänderungen nach kurzer Zeit, so daß die Panel-Mitglieder nach dieser Anlaufphase in die Berichterstattung übernommen werden können. Mit dem Begriff Panel-Sterblichkeit bezeichnet man das Phänomen, daß angeworbene Personen oder Haushalte nach einer gewissen Zeit die Lust verlieren und die Mitarbeit einstellen. Die so ausgefallenen berichterstattenden Personen müssen durch andere ersetzt werden. Beide Phänomene spielen beim nachfolgend beschriebenen Handelspanel keine Rolle. Unter Panel-Abdeckung oder Coverage verstehen wir in der Panel-Forschung das Ausmaß, mit dem das Endverbraucher^ oder das Handelspanel den Markt mengen- und wertmäßig nachweist. Kommt man mit Hilfe eines Haushaltspanels durch Hochrechnung für eine bestimmte Produktgruppe beispielsweise auf einen nachgewiesenen Umsatz von 8 0 Einheiten, während der Gesamtmarkt jedoch 100 Einheiten darstellt, so wäre eine mögliche Erklärung der Kauf der nicht nachgewiesenen 2 0 Einheiten durch Großabnehmer, die im Haushalts-Panel nicht vertreten sind. Analog könnte eine Unterdeckung im Handelspanel aus Direktverkäufen von Herstellern an Endverbraucher resultieren. ( 2 ) Handels-Panel (Händlei-Panel) Beim Händler^Panel berichten Handelsgeschäfte (meist Einzelhändler) über ihre Umsatzbewegungen. Genau genommen führt der Händler selbst die Aufzeichnungen nicht durch, sondern er gestattet dem durchführenden Marktforschungsinstitut, daß Beauftragte des Instituts in seinem Handelsgeschäft anhand der Bestände und der Lieferscheine die Umsatzbewegungen der einzelnen Produktgruppen und Marken aufschreiben. Die Ergebnisse des Handels-Panels geben den darauf abonnierten Herstellerfirmen wertvolle Aufschlüsse über den eigenen Markt und den der Konkurrenz. Am weitesten verbreitet ist das EinzelhandelsPanel im Lebensmittelbereich. Ebenfalls intensiv durchleuchtet ist die Gruppe der Apotheken und Drogerien. Weitere Handelssektoren, auf denen ständig oder zeitweilig Panel-Forschung ge-

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trieben wird, sind der Elektrogeräte- und Hausrathandel, der Rundfunk- und Phonohandel sowie der TextUhandel. Auch in der Panelforschung hat die Computerisierung in der letzten Zeit Hinzug gehalten. Die Möglichkeit hierzu bot die Installation von Scann ei^Kassen im Einzelhandel. Eine ScannerKasse verfügt über ein Lesegerät (Schwachstrom-Laser), das die auf den Waren angebrachte Strichmarkierung des E A N - C o d e entziffern kann. Dadurch wird das Herkunftsland, der Hersteller und der Artikel erkannt und in dem der Scann ei^Kasse angeschlossenen Rechner der gültige Preis abgerufen. Die Speicherung der bei jedem Verkaufsakt anfallenden Daten wie z.B. Artikel, Menge, Preis im Zentralrechner ist die Basis für die Aufbereitung von Informationen. Diese Informationen dienen primär anderen Belangen als der Marktforschung (nämlich dem WarenManagement im weitesten Sinn). Gleichzeitig aber läßt sich das bisherige System der mühevollen Bestandszählung (und daraus saldierter Umsatzbewegungen) durch die Scanner-Automatik vereinfachen und v o r allem beschleunigen. Gegenüber der heute üblichen zweimonatlichen Berichterstattung eines Einzelhandelspanels bietet die Scanner-Technik im Extrem eine tägliche Berichtsmöglichkeit. (In der Praxis ist man jedoch nicht unter eine Kalenderwoche als Berichtszeitraum gegangen.) Die Scannei^-Technik läßt sich auch für das EndverbraucherPanel einsetzen. Jeder Panel-Haushalt bzw. -Teilnehmer erhält eine scanner-lesbare Identifizierungskarte, die er an der Kasse zur Identifizierung seiner Einkäufe mit einlesen läßt. Entsprechende Möglichkeiten werden von den Marktforschungsinstituten Nielsen und G f K angeboten. b ) Markttest Der Markttest ist das umfassendste Erhebungsinstrument der Marktforschung. In seiner intensiven Form werden die Erhebungstechniken der Befragung, der Beobachtung sowie der Panel-Forschung neben anderen Marketing-Instrumenten (Werbung, Verkaufsförderung, Verkauf) eingesetzt. Der Markttest findet in einem mehr oder weniger großen geschlossenen Gebiet (Testmarkt) statt, das von seiner Struktur her möglichst geeignet sein muß, Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt zu ziehen.

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W i r kennen vor allem zwei Anlässe für die Durchführung von Markttests: Das Ausprobieren neuer Produkte und das Testen neuer Werbemittel (oder neuer Werbekampagnen). ( 1 ) Produkt-Markttest Wird ein Markttest durchgeführt, um ein neues Produkt auszuprobieren, so steht dahinter der Gedanke der Risikoverminderung für den Fall der großräumigen, z.B. bundesweiten, Einführung des Produktes. In der Regel kann man davon ausgehen, daß bereits vor Beginn des Markttests umfangreiche andere Untersuchungen durchgeführt worden sind, die zum Produkt in der jetzt vorliegenden Form geführt haben. Da es aber ein Unterschied ist, ob ein Erzeugnis in noch so ausgeklügelten Testanordnungen im Vorstadium seiner Markteinführung gut abschneidet oder ob es in der realen Situation des Marktes ankommt, wird vor der endgültigen Einführung auf breiter Ebene häufig ein derartiger Markttest veranstaltet. Dabei geht es nicht alleine darum, das Risiko einer Ablehnung des Produktes durch den Markt ("Flop") zu vermindern. Selbstverständlich erfordert es erhebliche Investitionen, ein Produkt national einzuführen. Es müssen die zur Bevorratung des Handels erforderlichen Mengen produziert werden, was wiederum entsprechende Fabrikationseinrichtungen, Lagerhaltung und Vertriebsaktivitäten erfordert. Es müssen die gesamten Absatzkanäle aktiviert werden, angefangen vom eigenen Vertrieb und Außendienst über den Großhandel bis zum letzten Einzelhändler. Das alles erfordert Kosten, ehe auch nur ein einziges Stück des neuen Produkts verkauft ist. Darüber hinaus ist aber häufig noch ein zweiter Grund ursächlich für das Durchführen von Markttests. Ein Herstellerunternehmen würde mit einer mißlungenen Markteinführung nicht nur Geld verlieren, sondern auch seinen guten Namen. Erfahrungsgemäß wirken sich mißlungene Markteinführungen auch auf die Absatzsituation bereits eingeführter, bisher gut laufender Produkte negativ aus.

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( l a ) Anforderungen an den Testmarkt An den Testmarkt - also das Gebiet, in dem der Markttest durchgeführt werden soll - sind eine Reihe von Anforderungen zu richten. W i r hatten schon global darauf hingewiesen, daß er mit dem für die spätere Gesamteinführung vorgesehenen Marktgebiet strukturgleich sein soll. Diese Forderung bezieht sich nicht nur auf die Struktur der Bevölkerung, also der liidverbraucher, wenn es sich um ein Konsumgut handelt, sondern auch auf sonstige marketing-relevante Strukturen. Die Handelssituation muß vergleichbar sein, die allgemeinen Konsumgewohnheiten, vor allem aber auch die Struktur der verfügbaren Werbemedien. Nur wenn der Testmarkt in jeder Beziehimg ein verkleinertes Abbild des für später vorgesehenen Gesamtmarktes darstellt, lassen sich die Ergebnisse des Markttests darauf übertragen. Wichtig ist aber nicht nur die räumliche Fixierung des Testmarkts. Mindestens genauso entscheidend für Erfolg oder Mißerfolg eines Markttests ist die Vorgabe einer ausreichenden Dauer dieser Veranstaltung. Da der Markttest nicht nur die Eignung des zu testenden Produkts zu Spontankäufen durch die Verbraucher ermitteln soll - das läßt sich schneller und kostengünstiger durch einfachere Marktforschungsuntersuchungen ermitteln, und das ist auch sicher bereits vorher geschehen -, sondern da er vielmehr die Marktreife des Produkts auf Dauer feststellen soll, muß eine genügend lange Zeitspanne vorgesehen werden, damit endgültige Ergebnisse mit genügender Sicherheit gewonnen werden können. Diese Zeitspanne läßt sich nun nicht pauschal für alle Produktgruppen in gleicher Weise festlegen, sie schwankt vielmehr in Abhängigkeit vom üblichen Einkaufs- bzw. Verwendungsrhythmus von Produktgruppe zu Produktgruppe. Auf jeden Fall sollte die gesamte Testdauer jedoch so bemessen werden, daß nicht nur Probier- oder Neugierkäufe erfaßt werden, sondern daß auch Wiederholungskäufe registriert werden können. Oft muß berücksichtigt werden, daß die eingesetzten Werbe- und Verkaufsförderungsmedien erst eine gewisse Zeit brauchen, bis der Markt penetriert ist.

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(lb) Fehler der Praxis Leider muß in der Praxis des Markttests immer wieder festgestellt werden, daß die Zeiträume zu kurz angesetzt werden. Und auch, wenn ursprünglich ein ausreichender Zeitraum vorgesehen wurde, wird häufig eine endgültige Entscheidung über die Einführung oder Nichteinführung des Produkts zu einem Zeitpunkt getroffen, w o der Markttest selbst hierüber noch keine klaren Aufschlüsse geben kann. Ein solches Verhalten der Anbieter ist verständlich. Ein Markttest findet nicht im luftleeren Raum statt. E r richtet sich nicht nur an die Verbraucher und die Handelsmittler, sondern er wird auch von der Konkurrenz registriert, die vielleicht Gegenmaßnahmen einsetzt. Die für das Marketing Verantwortlichen sollten sich dennoch geduldig bemühen, den Markttest im notwendigen zeitlichen Rahmen durchzuführen. W a s nützt ein zu früh abgebrochener Test mit vermeintlich positivem Ergebnis, wenn hinterher bei der nationalen Einführung des Erzeugnisses der Rückschlag dennoch eintritt? Und nimmt ein Unternehmer nach einem scheinbar ungünstigen Markttest-Ergebnis das Produkt bereits allzufrüh aus dem Testmarkt, so wird er später nie wissen, o b das Erzeugnis nicht doch der langersehnte "Renner" hätte werden können. Bei der soeben besprochenen Art des Markttests ging es um die Feststellung der Eignung des Erzeugnisses, wobei die im Rahmen des Marketing-Mix eingesetzten Kommunikationsinstrumente im allgemeinen nicht zur Debatte stehen. Will man die Marktreife des Erzeugnisses im Testmarkt allein auf die Produktqualitäten zurückführen, so darf beispielsweise die Eignung der im Testmarkt eingesetzten Werbemaßnahmen nicht zweifelhaft sein. Mit anderen Worten, die eingesetzten Marketing-Instrumente und -Strategien müssen vorher auf andere Weise auf ihre Optimalität abgesichert werden. (2) Werbungs-Markttest Nun kann aber ein Markttest den Zweck haben, ausschließlich darüber zu entscheiden, ob eine Werbekampagne oder ob b e stimmte Werbemittel geeignet sind oder nicht. Naturgemäß müssen dann alle anderen Faktoren konstant gehalten werden. Eine derartige Untersuchung kann also nicht simultan mit der

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Untersuchung eines neuen Produkts stattfinden. Der Markttest als Instrument der Werbe-Begutachtung ist folglich nur im Zusammenhang mit eingeführten Produkten denkbar. Meist wird diese Art von Markttests in verhältnismäßig kleinen Testmärkten durchgeführt, wobei in der Regel mehrere werbliche Alternativen untersucht werden, z.B. die bisherige Werbung und eine oder zwei neu entwickelte Kampagnen. Bei dieser Art von Markttests sind kleine Testmärkte (unter Umständen nur zwei Städte) aus verschiedenen Gründen ratsam: Erstens handelt es sich um ein eingeführtes Produkt, seine Marktgängigkeit ist nicht zu untersuchen. Zweitens können aufgrund der bekannten Käuferstruktur typische Testmärkte ausgesucht werden. Drittens ist im Falle eines schlechten Abschneidens der Werbung (und meistens wird eine der Alternativen schlechter abschneiden als die andere) der auf diese Weise mit negativen Eindrücken über das Produkt versehene Personenkreis verhältnismäßig klein. Unangenehme Reaktionen der Verbraucherschaft, z.B. Wechsel auf eine andere Marke, lassen sich dadurch in Grenzen halten. Aus allen diesen Gründen ergibt sich ein vierter Vorteil: Das Durchführen eines regional kleinen Markttests ist natürlich kostengünstiger.

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B. A N W E N D U N G S G E B I E T E D E R MARKTFORSCHUNG Die einzelnen Marktforschungsinstrumente lassen sich im Rahmen der Absatzmarktforschung auf vielen verschiedenen Gebieten einsetzen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sollen im nachfolgenden die wichtigsten Anwendungsgebiete beschrieben werden. E s handelt sich durchweg um Anwendungsgebiete der Absatzmarktforschung für Konsumgüter. Der Investitionsgüter Forschung ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Z w a r sind die Verfahren, Methoden und Techniken bei der Investforschung dieselben wie bei der Marktforschung für Konsumgüter, ihre Häufigkeit bzw. Gewichtung weicht jedoch teilweise erheblich von der Anwendung auf Konsumgütermärkten ab. W i r möchten nachdrücklich darauf hinweisen, daß eine exakte Abgrenzung der einzelnen Forschungsfelder nicht möglich ist. Es gibt zum Teil erhebliche Überschneidungen. I.

P r o duktfo r s chung

Hierbei ist das Forschungsinteresse darauf gerichtet, Urteile über vorgegebene Produkte zu erhellten. Die Produktforschung im Sinne der Absatzmarktforschung ist eng verwandt mit der b e triebsinternen technologischen Produktforschung (aus dem B e reich der Produktentwicklung) einerseits und dem überbetrieblichen, unabhängigen, vergleichenden Warentest andererseits. ( 1 ) Betriebsinterne technologische Entwicklung Die Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung ( F + E ) einer Unternehmung betreibt T e c h n o l o g i e f o r s c h u n g im Sinne von Grundlagenforschung. In diesem Stadium ist ein direkter Bezug zum Produkt noch nicht gegeben. Darüber hinaus findet in dieser Abteilung (die Funktion kann auch ausgegliedert sein, beispielsweise an selbständige Forschungs- und Entwicklungsinstitute), sozusagen in einer zweiten Phase, auch die technologische Produktentwicklung statt. Das für den Markt vorgesehene Produkt wird zunächst aus der Sicht der Werkstofftechnologie, der Verfahrenstechnik usw. vorbereitet. In diesem Stadium fließen Informationen aus den verschie-

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densten Bereichen des Unternehmens in die Vorentwicklung ein. Das auf diese Weise optimal erforschte Erzeugnis braucht bis dahin noch kein potentieller Verwender gesehen oder ausprobiert zu haben. Die einzigen Personen, die das Erzeugnis im Rahmen der technologischen Produktforschung begutachten, sind die Fachleute aus der Entwicklung und Produktion, die ihr Urteil aufgrund objektiver Gegebenheiten fällen. ( 2 ) Neutraler, vergleichender Warentest Auf der anderen Seite kennen wir den neutralen, vergleichenden Warentest. In seiner bisher bekanntgewordenen Form ähnelt er sehr stark dem technologischen Produkttest mit dem Unterschied, daß er von einer neutralen Stelle sowie mit der ursprünglichen Absicht der breiten Veröffentlichung durchgeführt wird. Ein drittes Unterscheidungsmerkmal zwischen vergleichendem Warentest und technologischem Produkttest trifft nicht immer zu: Der Warentest umfaßt nicht nur ein Produkt, sondern regelmäßig alle marktrelevanten Erzeugnisse einer Warengruppe. Man kann davon ausgehen, daß auch beim betriebsinternen technologischen Produkttest nicht nur das eine letztlich als produktionsfähig erkannte Erzeugnis untersucht wurde, sondern eine Vielzahl auf dem Markt befindlicher Erzeugnisse neben möglicherweise mehreren Eigenentwicklungen. Auch beim vergleichenden Warentest werden die Urteile über die Produkteignung ausschließlich aufgrund objektiver Meßergebnisse und daran anschließender Expertengutachten gefällt. ( 3 ) Produktforschung im Sinne der Marktforschung Ganz anders ist es beim "Produkttest", dem typischen Instrument der Produktforschung als einem Teilgebiet der Absatzmarktforschung. Bei einem Produkttest kann man davon ausgehen, daß das zu testende Produkt den objektiven Eignungsanforderungen entspricht. Entsprechende technologische Produktuntersuchungen haben vorher stattgefunden. Aufgabe des Produkttests ist es jetzt, die Akzeptanz des zu untersuchenden Erzeugnisses beim potentiellen Käufer, beim typischen Endverbraucher zu ermitteln. Produkttests werden häufig als Labortests mit der Technik der teilnehmenden Beobachtung durchgeführt. Es gibt aber auch Feldtests, wobei etwa eine Gruppe von repräsentativ ausgewähl-

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teil Versuchspersonen Muster des Testprodukts zu Hause ausprobieren und in einem mündlichen Interview oder durch Einsenden eines selbst ausgefüllten Fragebogens über ihre Erfahrungen mit dem Produkt berichten. II. Verbraucherforschung W a r das Erkenntnisobj ekt der Produktforschung eine Sache, nämlich das zu testende Produkt, so ist das Erkenntnisobjekt der Verbraucherforschung der Mensch, eben in seiner Rolle als Verbraucher. Will ein Unternehmen marktorientiert handeln, so geht das nur, wenn die Abnehmerschaft und ihre Verhaltensweisen genau bekannt sind. Der Konsument muß also am Anfang aller Marketing-Entscheidungen stehen. Ziel der Verbraucherforschung ist es, die marktrelevanten Einstellungen, Meinungen, Wünsche, Präferenzen, Motive - also kurz alle verhaltensbestimmenden Antriebe der Verbraucher - zu erfahren. Es stellt sich die erste Frage: W e r sind die Abnehmer und wie setzen sie sich demographisch und geographisch zusammen? Wichtig ist es gleichzeitig, zu erfahren, wer nicht Kunde ist, um später evtl. Rückschlüsse ziehen zu können warum nicht. Es gilt also zunächst einmal, das Verbraucherverhalten zu erforschen. Welche Produktgruppen werden konsumiert, welche Maiken, welche Preisklassen? In welchen Geschäftsarten wird in welchen Mengen und in welchem zeitlichen Abstand gekauft? W i e ist es mit der Vorratshaltung, dem außerhäuslichen Konsum (z.B. in der Gastronomie)? W i e informieren sich die Verbraucher über neue Angebote, lesen sie Anzeigen, sehen sie das Werbefernsehen, wie sind überhaupt ihre Medianutzungsgewohnheiten? Dies alles kann man z.B. durch einfache Befragung oder durch PanelUntersuchungen herausfinden. Schwieriger wird jedoch die Beantwortung der Frage nach dem "Warum?" Warum verhalten sich die Verbraucher gerade so und nicht anders? Warum werden bestimmte Marken gekauft und andere nicht? Der Marktforscher benötigt hierbei die Hilfe verhaltenswissenschaftlicher Forschung von Psychologie, Soziologie und Sozialpsychologie, denn der Mensch ist ein sehr komplexes W e sen, dessen Verhalten abhängig ist von vielen verschiedenen Faktoren (Familie, soziale Schicht, Status, Einkommenshöhe, Lebensstil, Kultur, Einstellungen, Lernprozesse usw.).

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Viele verhaltensbestimmende Motivationen oder Reaktionen auf Umweltstimuli (Reize) sind dem Menschen selbst gar nicht bewußt. Deshalb bedarf es psychologischer Methoden, um in die Tiefe des menschlichen Bewußtseins und Unterbewußtseins vorzudringen. Einige Verhaltensforscher haben Modelle entwikkelt, um menschliches Verhalten zu erklären, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Man muß sich aber darüber im klaren sein, daß es kein einheitliches Modell gibt und wohl auch nicht geben wird. Es gibt zu viele verhaltensbestimmende Determinanten, die sich zudem noch gegenseitig beeinflussen und je nach Situation von unterschiedlicher Bedeutung und Gewichtung sein können. Man denke z.B. an Kaufentscheidungeil unter Zeitdruck. Es gilt auch zu beachten, daß sich das Konsum entenverhalten im Zuge sich wandelnder Umweltbedingungen (z.B. mehr Freizeit, zunehmende Berufstätigkeit der Frauen, kleinere Haushaltsgrößen) rasch ändern kann. Dazu sei nur das Stichwort Wertewandel genannt. Das Einstehen und Erstarken der Verbraucherbewegung, des sogenannten Konsumerismus, zeigt eigentlich, daß nicht intensiv genug Verbraucherforschung betrieben wurde. Viele Konsumenten sind zunehmend mit dem Marketing der Hersteller unzufrieden. Hauptkritikpunkte sind u.a. "manipulative Werbung", geplante Obsoleszenz (Veralterung) der Produkte und unzureichende Verbraucherinformation. Der einstmals anonyme Verbraucher hat sich in Gruppen zusammengeschlossen und wird immer aktiver. Allerdings sind die Beschwerden und Wünsche zu heterogen, um eine einzige Verbraucherorganisation bilden zu können. Den Verbrauchern wird zunehmend bewußt, daß Lebensqualität nicht mehr unbedingt mit steigendem Konsum gleichzusetzen ist, und daß Produktion und Konsum soziale Kosten verursachen, die Gesundheit und Umwelt gefährden können. Die Sozialverantwortlichkeit der Unternehmen und das Verursacherprinzip werden stärker betont. Für die Verbraucherforschung bedeutet das, daß die langfristigen Bedürfnisse der Konsumenten (wie etwa Erhaltung der Lebensbasis) viel stärker als bisher berücksichtigt und in die Marketingstrategien mit ein-

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bezogen werden müssen, um die allgemeine Wohlfahrt auf lange Sicht zu gewährleisten. I I I . Handelsforschung Aufgabe der Handelsforschung ist es, die optimalen Handelswege herauszufinden. Ihr Erkenntnisgegenstand ist die Außensphäre der Unternehmung. Die Handelsforschung untersucht die Bedingungen, unter denen ein Erzeugnis vom Verlassen des Versandlagers ab über die zwischengelagerten Haiidelsstufen bis zum Endverbraucher gelangt. Aus dieser Aufgabenstellung geht hervor, daß sich die Handelsforschung mit der Beantwortung aller Fragen der Distributionspolitik (siehe weiter unten) befaßt. Im Falle des indirekten Vertriebs ist der Einzelhandel in der Regel das letzte Glied in der Absatzkette und als Informationsquelle für den Hersteller daher besonders interessant, da der Einzelhändler den Wertewandel bei den Konsumenten oder Verschiebungen in den Bedarfsstrukturen als Erster erkennen kann. Diese Kundennähe des Händlers war früher in den sogenannten "Tante-Emma-Läden" gegeben, w o der Verkäufer in ständigem persönlichen Kontakt mit seinen Kunden stand und ein recht genaues Bild von deren Wünschen sowie auch von der Zusammensetzung seiner Kundschaft hatte. In Zeiten des Verkäufermarktes war der Handel im wesentlichen nur Erfüllungsgehilfe, dem der Hersteller seine Absatzstrategie aufdrängen konnte. Heute dagegen reicht es nicht mehr aus, die günstigsten Absatzwege zu kennen. Durch zunehmende Sättigung, besonders auf den Konsumgütermärkten, ist der Produzent immer mehr angewiesen auf die Akzeptanz des Produktes durch den Händler sowie auf dessen Bereitschaft, das Produkt in sein Sortiment aufzunehmen und sich dafür einzusetzen. Im Lebensmittelbereich werden zum Beispiel jedes Jahr rund 1000 mehr oder weniger "neue" Produkte (darunter viele M e - t o o Produkte) zur Einführung vorgesehen. Davon waren z.B. im Jahre 1980 etwa 85 % Flops. Die Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte hat zu einer Erstarkung des Handels in der Distributionskette geführt, und zwar durch Kooperation und K o n zentration, sowohl auf horizontaler als auch auf vertikaler Ebene. Die Hersteller sehen sich heute der Nachfragemacht des Handels gegenüber. Besonders kleinere Produzenten sind dem

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Druck des Handels nicht mehr gewachsen und verschwinden vom Markt. Der Handel ist nicht mehr bloßes Erkenntnisobjekt der Marktforschung durch die Industrie. Die Bildung von immer größeren wirtschaftlichen Einheiten hat die materielle Voraussetzung für ein wirksames Handelsmarketing geschaffen. Gleichzeitig hat der Handel aber auch die Notwendigkeit einer eigenständigen marketingorientierten Führungskonzeption erkannt. Durch die fortlaufende Entwicklung zur Selbstbedienung ist die oben genannte "Nähe zum Kunden" nicht mehr so eindeutig gegeben wie früher. Das führt zu einem steigenden Informationsbedarf, so daß der Handel selbst Träger von Marktforschungsaufgaben geworden ist. Jedoch sind es vorerst hauptsächlich die großen Handelsunternehmen und -unternehmenszusammenschlüsse, die diese Notwendigkeit erkannt haben. Die Kleineren können es sich zum einen größtenteils nicht leisten, intensive Marktforschung zu treiben, zum anderen halten viele dies aber auch gar nicht für notwendig, wobei sie sich auf ihren "engen Kontakt zum Kunden" berufen. Im Unterschied zur typischen Marktforschung des Industrieunternehmens bezieht sich die Handelsmarktforschung nicht auf ein Produkt oder auf mehrere Produkte, sondern auf den Handelsbetrieb als Ganzes. Von Interesse sind u.a. Analysen der Kundenstruktur, des Konkurrenzverhaltens sowie der Standortbedingungen. Einen Schwerpunkt der Handelsmarktforschung bildet auch die Erkundung des Beschaffungsmarktes. Die Höhe der Spanne, und damit der Gewinn des Händlers, hängt entscheidend ab vom Einstandspreis der Ware, und zwar in sehr viel höherem Maße als beim Hersteller, w o der Einkaufspreis des Materials nur einen kleinen Teil des Produkt-Endpreises ausmacht. So ist eine genaue Information über potentielle Lieferanten, deren Kapazitäten, Konditionen, Lieferfristen, Qualität der Ware usw. für den Händler von äußerster Wichtigkeit. Dies besonders, wenn er als kleiner oder mittlerer Händler nicht über die Nacbfragemacht der Großen verfügt.

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I V . Konkurrenzfors chwig Wenn sich auch im Sinne der oben beschriebenen Überschneidungen der verschiedenen Forschungsbereiche von Produkt-, Verbraucher- und Handelsforschung je nach Aufgabenstellung Hinweise auf die Wirksamkeit von Konkurrenzaktivitäten ergeben, so bildet dennoch die Erforschung der Konkurrenzsituation ein eigenes Gebiet der Absatzmarktforschung. Der Herstellerbetrieb wirbt mit seinen Produkten in aller Regel nicht allein um die Gunst der Abnehmer, sondern muß sich mit einer mehr oder weniger großen Zahl von Konkurrenten auseinandersetzen. Es gilt zunächst festzustellen, welche Produkte überhaupt mit dem Eigenen konkurrieren könnten, wobei es nicht nur darum geht, die Wettbewerber zu erforschen, die das gleiche Produkt anbieten. Ebenso wichtig ist die Kenntnis über Substitutionsprodukte, was in einigen Fällen einfach sein kann (Butter - Margarine), in anderen Fällen jedoch recht schwer. Das ist z.B. bei Luxusgütern der Fall, wo der Diamantring mit einem Pelzmantel oder einem Sportwagen konkurrieren könnte. Durch Probekäufe kann man die Konkurrenzprodukte mit dem eigenen Angebot vergleichen, z.B. nach Preis, Qualität, Zusammensetzung, Ausführung, Abmessungen, Form- und Farbgebung, Geruch, Geschmack, Verpackung, Vertriebswegen.. Weiterhin ist interessant, wieviele Konkurrenten es gibt, deren Standorte, Größe, Kapazitäten und Leistungsfähigkeit. In besonders intensivem Umfang wird hierzu die Datengewinnungsmethode der Sekundärmarktforschung eingesetzt. Aus Geschäftsberichten und Presseveröffentlichungen, Messebesuchen und Vertreterberichten, auch aus der Public-Relations-Arbeit der Konkurrenzunternehmen läßt sich mosaikartig ein aufschlußreiches Bild über die Situation der Mitbewerber zusammensetzen. Ziel der Konkurrenzforschung ist das Erkennen der Marketingstrategie der Mitbewerber, um deren Stärken und Schwächen herauszufinden, als Ansatzpunkt zur besseren eigenen Marktbearbeitung. Zum einen ist es wichtig zu wissen, wie die Konkurrenz auf den Einsatz bestimmter Marketing-Instrumente reagiert, um das eigene Marketing-Mix optimal planen und einsetzen zu können, andererseits muß man genau über die Aktivitäten der Wettbewerber Bescheid wissen, um gegebenenfalls frühzeitig

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mit geeigneten Maßnahmen eingreifen zu können (z.B. Störung des Testmarktes eines Konkurrenten). Es soll nicht verschwiegen werden, daß bei den Bemühungen um die Erforschung der Konkurrenz die Marktforschung häufig in die Nähe der Industriespionage gerät, ja gelegentlich die Grenze hierzu überschreitet. V.

Werbeforschung

Ein breites Einsatzgebiet der Marktforschung ist die W e r b e f o r schung. Ihre Aufgabe liegt darin, die Bedingungen zu ergründen, unter denen Absatzwerbung quantitativ und qualitativ optimal eingesetzt werden kann. Ein Teilgebiet der Werbeforschung befaßt sich mit der Durchleuchtung der Medien hinsichtlich ihrer Funktion, Werbung an die Endverbraucher heranzutragen. Dies ist die Media- oder Werbeträgerforschung. Ein anderes Teilgebiet analysiert die gestalteten Werbebotschaften in beziig auf ihre Wirkungen beim Umworbenen. Dieses Teilgebiet bezeichnen wir als Werbemittelforschung. 1. Werbeträgerforschung Werbeträger sind die Informationsmedien, die auch oder ausschließlich Werbung in speziellen Werbemitteln an die Umworbenen herantragen. Die wichtigsten Werbeträger sind die Presse (Zeitungen und Zeitschriften), die elektronischen Medien (Tonrundfunk und Fernsehrundfunk), der Plakatanschlag und das Filmtheater. V o r allem diese Medien sind, wegen ihrer hervorragenden Bedeutung für die Absatzwerbung, Untersuchungsobjekte der Werbeträgerforschung. Durch Befragungen der Gesamtbevölkerung bzw. von Teilgruppen wird festgestellt, welche Medien in welchem Umfang genutzt werden. Das Ergebnis sind sogenannte Reichweitenzahlen der Medien. Stellt man fest, daß 2 0 % der Bundesbevölkerung eine bestimmte Zeitschrift im Erscheinungszeitraum liest, so hat diese Zeitschrift eine Reichweite von 2 0 % . Ohne das Instrument der repräsentativen Bevölkerungsumfrage ließen sich derartige Wertfaktoren nicht berechnen. Die Auflage

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einer Zeitschrift (selbst die verkaufte Auflage, im Unterschied zur meist wesentlich höheren Druckauflage) sagt nichts über die Größe ihrer Leserschaft und damit über ihre Reichweite aus. Von zwei Zeitschriften mit gleicher verkaufter Auflage kann die eine eine doppelt so hohe Reichweite haben, einfach deshalb, weil jedes einzelne Exemplar von doppelt so viel Personen gelesen wird wie bei der anderen Zeitschrift. Diese Ergebnisse sind aber nur aus Bevölkerungsbefragungen zu gewinnen. Die in einer Umfrage gewonnene Reichweitenzahl kann man durch die Höhe der verkauften Auflage im gleichen Zeitraum dividieren. Man gewinnt so den Wert "Leser pro Exemplar" (LpE). Der entsprechende Wert für die gesamte Reichweite einer Zeitschrift lautet "Leser pro Ausgabe" (LpA). Er ist identisch mit dem Reichweitenwert. Rechnerisch stimmt er überein mit dem Produkt aus verkaufter Auflage und Leser pro Exemplar. LpE- und LpA-Zahlen bilden ein Indiz für den quantitativen W e r b e w e r t einer Zeitung oder Zeitschrift. Unter Hinzunahme des Anzeigenpreises, z. B . für eine ganzseitige Anzeige, berechnet man 1000-Leser-Preise, die einen unmittelbaren Vergleichsmaßstab konkurrierender Zeitschriften darstellen. Der 1000-Leser-Preis drückt das Kosten-I .eistungs-Verhältnis einer Zeitschrift aus. Entsprechende Werte werden auch für die anderen Medien ermittelt. Aus gleichem 1000-Leser-Preis einer Zeitung und 1000-SeherPreis einer Fernsehstation sollte man jedoch nicht den Schluß ziehen, daß der Werbewert dieser beiden Medien gleich sei. a) Intermedia-Vergleich W i r haben es hier mit dem Problem des Intermedia-Vergleichs zu tun, also der Frage der Bewertung der Werbeleistung in verschiedenen Werbeträgern. Der Vergleich der W e r b eWirkung verschiedener Medien erfordert mehr als die bloße Gegenüberstellung der Einschaltkosten. b ) Allmedia-Analysen Die Werbeträgerforschung in der Bundesrepublik ist heute überwiegend Gemeinschaftsforschung stark institutionalisierten

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Charakters. Die führende Mediaforschungs-Institution ist die jährlich durchgeführte "Media-Analyse" M A der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse e.V., einem Zusammenschluß von Verlagen, Rundfunk- und Fernsehanstalten, weiteren Werbeträgern einerseits sowie Werbeagenturen und Werbungtreibenden andererseits. Die Media-Analyse (ursprünglich als ZeitschriftenLeseranalyse konzipiert) untersucht heute die führenden Publikumszeitschriften als Einzeltitel, die Tageszeitungen in Gruppen, die Rundfunk- und Fernsehsender, ferner die Medianutzungsgewohnheiten in bezug auf weitere Medien. Neben der Media-Analyse der A G M A gibt es weitere kontinuierliche Erhebungen des gesamten Medianutzungsverhaltens der Bevölkerung, z.B. die Allensbacher-Werbeträger-Analyse des Instituts für Demoskopie oder den Media-Container von Mar-

plaa

c ) Mediagattungs-Analysen Außer diesen All-Media-Analysen gibt es eine Reihe von Werbeträgeruntersuchungen, die sich auf eine Mediagattung beschränken. Hierzu sind die kontinuierlichen Untersuchungen des Fernsehens zu rechnen, die alle zwei Jahre durchgeführte Funkmedienanalyse, Untersuchungen von Kundenzeitschriften, der konfessionellen Presse, des Filmtheaters oder des Plakatanschlags. d ) Einzel-Analysen Schließlich sind eine Reihe von Einzelanalysen auf dem Markt, Untersuchungen also, die nur ein Medium zum Erhebungsgegenstand haben. Der Wert solcher Untersuchungen ist gering, denn es fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Wenn ein Zeitungsverlag sein Objekt darstellen will, so darf er aus wettbewerbsrechtlichen Gründen Vergleichszahlen der Konkurrenz nicht offen mitliefern. Der Ausweis anonymer Zahlen ist rechtlich umstritten. Untersucht eine Zeitung ihre Leserschaft an einem Ort, in dem nur zwei Zeitungen erscheinen und führt sie das Konkurrenzblatt als "Zeitung X " an, so ist damit formal dem Recht Genüge getan, tatsächlich aber ist die Konkurrenz miterwähnt.

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e) Reichweiten-Prognose Die erhobenen Reichweiten-Werte bzw. die errechneten lOOONutzei^Preise werden für Prognosen der quantitativen Werbewirkung herangezogen. Mit ihrer Hilfe lassen sich sogenannte Kontakt-Chancen geplanter Werbeeinsätee darstellen. In diesem Zusammenhang wird der Reichweitenwert in zwei verschiedenen Varianten gebraucht: Die Brntto-Reichweite einer Werbekampagne ist die Summe aller Kontakt-Chancen, errechnet aus den Einzelreichweiten der Einschaltungen pro Medium multipliziert mit der Anzahl der Einschaltungen. Nun nutzen aber zahlreiche Leser, Seher, Hörer ein und dasselbe Medium wiederholt hintereinander bzw. verschiedene Medien simultan. Dieses Phänomen wird in der Netto-Reichweite berücksichtigt. Sie kennzeichnet die Summe aller erreichten Personen, unabhängig davon, ob sie im Rahmen der Werbekampagne nur ein einziges Mal oder öfter erreicht werden. f) Kontakt-Chancen Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß entsprechend den heute bei Mediauntersuchungen üblichen Fragestellungen die Reichweiten lediglich Kontakt-Chancen darstellen. "Leser" im Sinne einer Leseranalyse ist jede Person, die in der Umfrage angibt, den betreffenden Titel "gelesen oder durchgeblättert" zu haben. Es liegt auf der Hand, daß jemand, der eine Zeitschrift nur durchgeblättert hat, nicht unbedingt alle Seiten, und damit alle Anzeigen, gesehen haben muß. Entsprechend bedeutet dies für die Prognose, daß nicht alle "Leser" dieses Titels die für eine bestimmte Nummer vorgesehene Anzeige bemerken werden. Die durchschnittliche Kontaktwahrscheinlichkeit bei Publikumszeitschriften beträgt für Anzeigen ab 1/4 Seite etwa 5 0 % . Man sagt auch, daß der Werbemittelkontakt gleich dem halben Werbeträgerkontakt ist. 2. Werbeinittelforschung Ein Werbemittel ist die werbeträgerspezifisch gestaltete Werbebotschaft, die an den Umworbenen herangetragen werden soll.

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Im Falle der Pressemedien ist das Werbemittel die Anzeige (oder auch die Beilage), beim Rundfunk die Durchsage, beim Fernsehen der Spot, beim Kino der Film oder das Dia. Bei Nur-Werbeträgern (Medien, die keine andere Funktion als die der Werbeübertragung haben), also z.B. beim Prospekt, fallen die Funktionen des Werbeträgers und des Mittels zusammen. Lag die Hauptaufgabe der Werbeträgerforschung in der Beantwortung der Frage, wieviele Personen einer Ziielgruppe man zu welchen Kosten erreichen kann, so liegt die Hauptaufgabe der Werbemittelforschung darin, herauszufinden, wie diese Personen optimal angesprochen werden sollen. Da die Anzeige, das Werbemittel in den Pressemedien, etwa 7 0 % aller Werbeausgaben auf sich vereinigt, ist die Werbemittelforschung in bezug auf Anzeigen am vielfältigsten und am weitesten entwickelt. W i r wollen uns deshalb hier darauf beschränken, Werbemittelforschung bei Anzeigen darzustellen. Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Wcrbemittelforschung vor und nach dem Einschalten des Werbemittels. Demgemäß sprechen wir von Pretests und Posttests. In der Praxis hat diese Aufteilung nur noch historische Bedeutung: Zunehmend werden auch vor dem Feldeinsatz von Werbemitteln Testverfahren durchgeführt, die ursprünglich für die Untersuchung nach dem Feldeinsatz konzipiert waren, also sogenannte Posttests. Um Zeit und Kosten zu sparen, und um etwaige Fehlschläge im Markt zu vermeiden, werden solche Untersuchungen nach einem simulierten Hinsatz der zu testenden Werbemittel in einer Laborsituation angewandt. Aus didaktischen Gründen soll bei der Beschreibung der verschiedenen Verfahren die klassische Kennzeichnung jedoch beibehalten werden. a ) Werbemittel-Pretest Ein Pretest liegt vor, wenn das Werbemittel, beispielsweise eine Anzeige, untersucht wird, bevor es im Medium eingeschaltet wird. Die Möglichkeit des Vorgehens reicht vom Testen eines rohen Entwurfs bis hin zur Untersuchung der fertig gestalteten, gedruckten Anzeige. Analog könnte man bei einem Fernsehspot den skizzenhaften Vorentwurf testen (Story Board), andererseits einen fertig produzierten Fernsehfilm. Das Testen im Ent-

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wurfsstadium hat den Vorteil, daß Fehler in der Gestaltung frühzeitig erkannt und geändert werden können. Der Nachteil ist, daß nur sehr wenige Personen in der Lage sind, einen Gestaltungsentwurf so zu deuten, wie er für das fertige Werbemittel gemeint ist. Das Testen des fertigen Werbemittels schließt solche Mißdeutungsmöglichkeiten aus, erfordert aber neben einem längeren Zeitaufwand für die Produktion der Werbemittel dadurch wesentlich höhere Kosten. Da Werbewirkung normalerweise nicht nach einer Werbedarbietung eintritt, zumindest nicht in der angestrebten Intensität, müßte sich ein Werbetest nicht nur auf ein Motiv erstrecken, sondern auf die gesamte Serie. Sofern mehr als ein Werbeträger eingesetzt werden soll (z.B. neben Zeitschriften auch das Fernsehen), müßte ferner, wegen der sich gegenseitig unterstützenden Wirkung der Werbemittel in den verschiedenen Werbeträgern (also Zeitschiiftenanzeigen und Fernsehspots), der Werbemitteltest auf alle in Frage kommenden Werbemittel ausgedehnt werden. Optimal wäre also das Messen einer Kampagnenwirkung, d. h. des Mix aller vorgesehenen Werbemittel in den verschiedenen Werbeträgern. Dadurch wäre sowohl der Kumulationseffekt der Einschaltungen innerhalb eines Mediums als auch die medienübergreifende Wirkung gegenseitiger Unterstützung von Werbemitteln in verschiedenen Werbeträgern erfaßt. Die meisten Werbemittel-Tests messen sogenannte außerökonomische Werbeziele: Verständnis, Aufmerksamkeit, Sympathie, Produktinteresse. E s geht also um die Frage, ob das Werbemittel bzw. die Kampagne in der Lage ist, Bekanntheit zu schaffen, Interesse zu wecken, vielleicht auch noch die Kaufbereitschaft zu provozieren. Der Kauf der Ware selbst eignet sich, wie weiter unten dargelegt, nicht für die Messung der Werbewirkung, da er das Ergebnis des Marketing-Mix ist. Der Einsatz von Werbe-Vortests ist bei Werbefachleuten umstritten. Die einen sehen es als legitime Aufgabe einer solchen Untersuchung an, auch Laienurteile über gute oder schlechte Gestaltung einzuholen. Die anderen dagegen gestehen den W e r belaien allenfalls das Recht zu, sich über die Verständlichkeit des zu testenden Werbemittels zu äußern. Ein Urteil im Sinne eines gut oder schlecht, eines wirksam oder nicht wirksam könne höchstens der Werbegestalter selbst fällen, nicht aber ein Laie.

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Bei den Werbemittel-Vortests werden in zunehmendem Umfang neben der Befragung auch Techniken der Beobachtung und apparative Verfahren angewendet. Aus diesem Grund finden Werbe-Pretests überwiegend in Marktforschungsinstituten oder in Werbeagenturen statt b ) Werbemittel-Posttest Werden die Werbemittel erst nach ihrem Erscheinen untersucht, so spricht man von Werbemittel-Posttests. Untersuchungsgegenstand ist hier nicht die voraussichtliche oder vermutliche Wirkung (wie beim Pretest) sondern die tatsächliche oder erlebte Wirkung des Werbemittels. Deshalb bezeichnet man die W e r bemittel-Posttests auch als Werbemittelkontrolle. Der hierfür häufig verwendete Begriff Werbeerfolgskontrolle ist falsch. Unter Erfolg verstehen wir den ökonomischen Nutzen der Werbung. Werbung ist aber nie das alleinige Marketinginstrument, das sich auf den Umsatz - und damit auf den Gewinn auswirkt. Die gelegentlich zitierten Sonderfälle, w o dies doch so sei, treffen bei genauem Hinsehen ebenfalls nicht zu. Einen meßbaren Werbeerfolg (als Umsatzerfolg) gibt es daher nicht. Lediglich ein Marketingerfolg ist meßbar, also ein Erfolg der jeweils eingesetzten Marketingfaktoren insgesamt. Da der Verursachungsanteil der Werbung nicht auszumachen ist, kann es auch eine Werbeerfolgskontrolle nicht geben. W i e wir sahen, findet der Werbemittel-Pretest überwiegend als Labortest und mit kleinen Gruppen von Versuchspersonen statt Beim Posttest dagegen dominiert die Felduntersuchung mit verhältnismäßig großen Fallzahlen. Und noch einen weiteren Unterschied zwischen beiden Arten der Werbemittelforschung können wir festhalten: Beim Pretest gibt es kaum standardisierte Verfahren. Jeder Werbeforscher arbeitet nach eigener Methode. Beim Anzeigen-Posttest dagegen haben sich v o r allem zwei standardisierte Methoden durchgesetzt: Der Recall-Test und der Recognition-Test. (1) Recall-Test Der Recall-Test mißt die Erinnerung anhand von erschienenen Anzeigen. Voraussetzimg für die Testdurchführung ist es, daß die Testpersonen die Chance haben, die entsprechenden Anzeigen zu sehen. Folglich finden derartige Untersuchungen bei Le-

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sern von Zeitungen oder Zeitschriften statt, in denen die fraglichen Anzeigen enthalten waren. U m keine Fehlinterviews mit Personen zu führen, die das betreffende Heft zwar gekauft aber noch nicht gelesen haben, wird durch Fragen zum redaktionellen Inhalt geprüft, o b der Befragte tatsächlich das Heft bereits "gelesen oder durchgeblättert" hat. Ist dies der Fall, so beginnt das eigentliche Interview. In der üblichen Fassung wird der Interviewte zunächst gefragt, an welche Anzeigen bzw. Marken im Testheft er sich überhaupt erinnern kann. Dieser erste Schritt wird als "Unaided-Recall" bezeichnet, da der Befragte keinerlei optische Hilfsmittel vorgelegt bekommt, sondern die Anzeigen spontan aus der Erinnerung an die Anzeigen nennen soll. In einem zweiten Schritt erhält der Befragte eine Liste mit Markennamen mit der Bitte, diejenigen zu nennen, an die er sich aus dem untersuchten Heft erinnern kann. Diese Phase der Untersuchung mit Erinnerungshilfe bezeichnen wir als "Aided-Recall". In einem dritten Schritt geht der Interviewer schließlich mit dem Befragten das Testheft durch und fragt zu jeder einzelnen zu untersuchenden Anzeige, ob der Befragte sich daran erinnern kann b z w . ob er diese Anzeige gemeint hat, wenn er im ersten Untersuchungsschritt den zugehörigen Markennamen nannte. (2) Recognition-Test Beim R e c o g n i t i o n - T e s t wird die W i e d e r e r k e i m u n g untersucht. Im Vorgehen entspricht das Recognition-Verfahren dem AidedRecall-Verfahren , denn genau w i e dort werden dem Befragten die Anzeigen des zu untersuchenden Heftes durch gemeinsames Durchblättern vorgelegt. V o m Untersuchungsansatz her sind beide Verfahren praktisch identisch. In beiden Fällen werden Stichproben v o n Lesern der zu testenden Ausgabe, die sich durch Kontrollfragen als tatsächliche Leser des fraglichen Heftes qualifiziert haben, in die Untersuchung einbezogen. Beim Recognition-Verfahren wird also nicht die Erinnerung untersucht, sondern das Wiedererkennen angesichts der offenliegenden Anzeigen. Dabei wird dreierlei festgestellt: Ob die An-

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zeige beim ersten Lesen gesehen wurde, ob der Firmen- bzw. Markenname bemerkt wurde, in welchem Umfang der Text gelesen wurde. Die Mängel beider Anzeigen-Posttest-Verfahren liegen geradezu auf der Hand. Einzelne Fehlermöglichkeiten sind bei beiden Verfahren gegeben, andere wirken sich nur beim einen oder anderen Testverfahren aus. Beim Recall-Verfahren können Marken genannt werden - und sie werden auch genannt - für die im vorliegenden Testheft gar nicht geworben wurde. Diese bewußte oder unbewußte Fälschung kann zwar bei der dritten Phase des Vorgehens, bei der Anzeigenvorlage, korrigiert werden, das muß aber nicht sein. Beim Recognition-Verfahren könnte man eine noch größere Fälschungsquote vermuten, denn es ist in keiner W e i s e zu kontrollieren, ob der Befragte, der behauptet, eine Anzeige gesehen zu haben, dies beim ersten Lesen auch wirklich getan hat. Für beide Testmethoden gilt, daß ein vermutlich hoher, exakt nicht meßbarer "Außeneinfluß" wirksam ist. Marken von allgemein hoher Verbreitung oder Bekanntheit, Marken aus Produktgruppen mit hoher "Faszination" erzielen höhere Werte als kleine Marken aus relativ uninteressanten Produktfeldern. V I . Investitionsgüterforschung Die Investitionsgüterforschung bildet einen eigenen Teilbereich der Anwendungsgebiete der Marktforschung. Zwar werden hierbei grundsätzlich die gleichen Methoden der Datengewinnung, die gleichen Auswahlverfahren, Erhebungsverfahren und Erhebungstechniken angewendet wie im Bereich der Konsumgüterforschung, doch unterscheidet sich die Investitionsgüterforschung von letzterer in mancher Beziehung. Eine Besonderheit liegt in der relativ viel stärkeren Anwendung der Sekundär-Marktforschung. Das rührt u.a. auch daher, daß mehr Sekundär-Material vorhanden bzw. leichter zugänglich ist, wie z.B. Informationsbroschüren der Konkurrenz, Ausschreibungen potentieller Kunden oder Berichte über Technologieneuheiten in Fachzeitschriften. Durch M e s s e b e s u c h e kann man sich ein übersichtliches Bild über die Produkte der Konkurrenten verschaffen. Weiterhin ist der Absatz von Investitionsgütern in noch stärkerem Maße als der Konsumgüterabsatz abhängig von

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konjunkturellen und volkswirtschaftlichen Bedingungen, Entwicklungen und Erwartungen, wie z.B. der Lage auf dem Arbeitsmarkt (Aktivitäten der Gewerkschaften) oder besonders auch der Situation auf den Geld- und Kapitalmärkten (z.B. Höhe der Zinssätze), Absatzerwartungen der einzelnen Branchen usw. Hilfreiche Informationsquellen sind beispielsweise das jährliche Gutachten des Sachverständigenrats, laufende Untersuchungen des Ifo-Instituts zur konjunkturellen Lage, Wirtschaftsteile der Tageszeitungen oder Wirtschaftsmagazine. Eine weitere Besonderheit liegt darin, daß der potentielle Kunde für Investitionsgüter nicht Endverbraucher ist, sondern seinerseits selbst Güter herstellt (sei es mit Hilfe der Investitionsgüter oder durch deren Weiterverarbeitung) und absetzen will. Das heißt also, sein Bedarf ist ein abgeleiteter Bedarf, abhängig von den Gegebenheiten auf seinem Absatzmarkt: Wenn er z.B. eine neue Maschine kaufen will, um seine Produktion auszuweiten, so ist das für ihn nur sinnvoll, wenn er glaubt, daß auf seinem Absatzmarkt genügend Nachfrage besteht bzw. geschaffen werden kann. Für den Investitionsgütermarktforscher ist es also auch wichtig, Bedingungen und Trends sowie Verhaltensweisen der Abnehmer auf den Absatzmärkten seiner potentiellen Kunden genau zu kennen, um daraus Rückschlüsse auf den eigenen Absatzmarkt ziehen zu können. In Zeiten immer knapper werdender Ressourcen sind die Abnehmer von Produktions- und Investitionsgütern daran interessiert, durch gute und feste Beziehungen mit ihren Lieferanten die Aufrechterhaltung ihrer Produktion zu garantieren. Um in einem plötzlich auftretenden Bedarfsfall jedoch nicht nur auf einen Lieferanten angewiesen zu sein, auch im Zusammenhang mit der immer weiter zunehmenden Beschleunigung des technischen Fortschritts und der technischen Veränderung und Veralterung, haben die Abnehmei^Firmen ihr Beschaffungsmarketing intensiviert. Das bedeutet für den Investitionsgüterforscher, und das ist eine weitere Besonderheit, daß er es mit Personen zu tun hat, die in der Regel bestens informiert sind über das in Frage kommende Produkt (wenn man einmal von Spezialanfertigungen absieht) und auch über Konkurrenzprodukte. Er muß also selbst gut geschult sein und über Fachkenntnisse verfügen, damit er als kompetenter Gesprächspartner auftreten kann und akzeptiert wird.

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Weiterhin ist es häufig der Fall, daß im Investitionsgüterbereich - ebenfalls im Unterschied zum Konsumgüterbereich - einkaufende und verwendende Personen nicht identisch sind. J e nach Risiko und Komplexität der Kaufentscheidimg werden mehrere Personen des AbnehmeiHUnternehmens daran beteiligt sein, um sich gegenseitig zu beraten. E s ist jedoch schwierig, diese Personen (das sogenannte Buying Center) zu identifizieren und zu erreichen, denn je nach Art des Produktes wird sich das Buying Center verschieden zusammensetzen. Es kann sich dabei um Personen und Instanzen der unterschiedlichsten Hierarchiestufen handeln, die alle ein anderes Aufgabengebiet (andere Prioritäten) haben. Für den Marktforscher heißt das, daß er sich mit unterschiedlichen Fragestellungen, aber mit einheitlicher Zielsetzung an mehrere verschiedene Entscheidimgsträger wenden muß (z.B. Facharbeiter, Meister, Betriebsleiter, Ingenieur, Einkaufsleiter, Geschäftsleitung). Außerdem ist zu beachten, daß der industriellen Kaufentscheidung ein langer Prozeß der Beratung vorausgeht, wobei sich die beteiligten Instanzen gegenseitig beeinflussen, unter anderem durch ihre formellen, aber auch informellen Beziehungen untereinander. Daher ist es oft aufschlußreich, möglichst viel über die Persönlichkeiten der Einzelnen sowie über ihre Beziehungen untereinander zu erfahren. Eine weitere Besonderheit liegt in der grundsätzlich anderen Vorgehensweise bei den meisten Primär-Erhebungen, die im Investitionsgüterbereich erforderlich werden. Repräsentativ-Erhebungen, wie sie in der Verbraucherforschung üblich sind, werden in der Investforschung bei weitem nicht so häufig eingesetzt. Das hängt mit der anders gelagerten Struktur der potentiellen Abnehmer von Investitions- und Produktionsgütern gegenüber privaten Endverbrauchern zusammen. W i r haben es im Investitionsgüterbereich häufig mit Oligopolen oder teiloligopolistischen Märkten zu tun. Deshalb sind häufig, zumindest in Teilmärkten, Totalerhebungen erforderlich. Fine Schwierigkeit besteht darin, die Grundgesamtheit eindeutig zu definieren und abzugrenzen. In welchen Branchen könnte ein bestimmtes Investitionsgut eingesetzt werden? Welche Größe (Umsatz) muß ein Unternehmen haben, um als potentieller Abnehmer in Betracht zu kommen? Diese und ähnliche Fragen müssen beantwortet werden.

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Dabei könnte man feststellen, daß beispielsweise in einem Teilmarkt 9 0 % der Nachfrage nach bestimmten Investitionsgütern nur von wenigen Großen ausgeht. Dann bedient man sich häufig des sogenannten Konzentrationsauswähl Verfahrens, das heißt, es werden nur diese wenigen großen Firmen untersucht, und man vernachlässigt die restlichen Kleinen (Cut-Off-Technique), unter der Annahme, daß deren Einbeziehung in die Untersuchung das Ergebnis nur noch unwesentlich beeinflussen würde.

DRITTES KAPITEL. Marktgestaltung Die Realisierung des Leistungsangebots Im vorliegenden Kapitel behandeln wir die Instrumente und Strategien, die dem Unternehmer zur Verfügung stehen, um sein Leistungsangebot im Markt zu realisieren. Basierend auf den Ergebnissen der Markt-Erforschung werden die Produkte gestaltet (der Begriff Produkt ist hier und im folgenden immer als Oberbegriff für das betriebliche Leistungsangebot gemeint, also gegebenenfalls auch im Sinne von Dienstleistung), produziert und über geeignete Absatzwege an den Endabnehmer herangetragen. W i r teilen das Kapitel in zwei Hauptbereiche: Die Produktpolitik und die Distributionspolitik. Die meisten Lehrbücher nehmen für diesen Bereich eine Dreiteilung vor, indem sie die Preispolitik gesondert darstellen. JVieschlqg Dichti, Hörscbgen sprechen von Eatgeltpolitik, wobei sie hierin neben der eigentlichen Preispolitik auch Rabattierung, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen sowie Kreditgewährungsmodalitäten einschließen. Abweichend von dieser üblichen Regelung sind wir der Meinung, daß es sinnvoll ist, alle unternehmerischen Möglichkeiten (Strategien, Politiken), die sich mit der Erstellung des marktreifen Produktes befassen, unter einem gemeinsamen Nenner zusammenzuschließen. Das verstehen wir unter Produktpolitik. Der zweite Bereich der unternehmerischen Markt-Gestaltung ist sodann der Gesamtkomplex der Distribution der Produkte vom Unternehmen bis an den Endverbraucher. W i r sind uns der Tatsache bewußt, daß unter dem Oberbegriff Markt-Gestaltung auch andere beeinflussende Aktivitäten der Unternehmung neben Gestaltung von Produkt und Distribution verstanden werden könnten, z.B. die Einflußnahme auf die Verbraucher durch Werbung oder andere Kommunikationsaktivitäten. Eine solche Betrachtungsweise würde aber bedeuten, alles unternehmerische Handeln und Verhalten als Markt-Gestaltung

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zu sehen. Auch aus instrumenteilen Gründen ist es angebracht, die unternehmerische Politik der Einflußnahme auf den Markt durch die "Gestaltung" des Produktes selbst und seiner Absatzkanäle zu trennen von der äußeren Beeinflussung des Marktes durch quasi produktfremde Medien.

A. P R O D U K T P O L J T I K I. Qualitätspolitik Unter Qualitätspolitik verstehen wir die Summe der Möglichkeiten, durch die Beschaffenheit des angebotenen Produktes den Absatz zu beeinflussen. 1. Grundnutzen - Zusatznutzen Jedes Produkt verfügt über einen Grundnutzen, der den ursprünglichen Produktzweck ausmacht Das ist bei ein ein Auto z.B. die Funktion der Personen- oder Lastenbeförderung, bei einem Kleidungsstück der Schulz vor Witterungseinflüssen und Verletzungen, bei Brot das Beseitigen des Hungergefühls und damit verbunden die Regeneration der körperlichen Leistungsfähigkeit usw. Mit zunehmender Zivilisation unserer Gesellschaft hat sich neben dem Grundnutzen der Produkte ein Zusatznutzen entwikkelt, der dem Angebot in den Augen des Verbrauchers Eigenschaften verleiht, die über den Grundnutzen hinausgehen. Um bei unserem vorhin genannten Beispiel zu bleiben: Ein Personenwagen kann neben der Grundnutzenfunktion der Beförderung für seinen Besitzer auch einen Geltungsnutzen erfüllen. Modische Kleidung hat neben der ursprünglichen Schutz- bzw. Bedeckungsfunktion den Zusatznutzen, up-to-date gekleidet zu sein. Nahrungsmittelspezialitäten erfüllen nicht nur den Grundnutzen der Sättigung, sondern erlauben dem Käufer einen "demonstrativen Konsum". Aus den geschilderten Beispielen geht hervor, daß eine Trennung der Produkteigenschaften in Grundnutzen und Zusatznutzen häufig recht schwierig ist. Bei vielen Produkten überwiegt der Zusatznutzen; teilweise kann von einem Grundnutzen kaum

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noch die Rede sein. Man könnte hier auch von einer Grundnutzenumkehr sprechen. Manche modischen Bekleidungsstücke sind eher Entkleidungsstücke, sie erfüllen also nicht mehr die Grundnutzenfunktion der Bedeckung und des Schutzes vor Witterungseinflüssen. Hat nicht ein Tanga-Bikini den Grundnutzen, erotisch anziehend zu wirken, und nur noch den Zusatznutzen des Schutzes und der Bedeckung des Körpers (soweit man hierbei überhaupt noch davon reden kann)? Hin anderes Beispiel: Welches ist der Grundnutzen eines Sommer-Pelzmantels? Uberwiegt hier nicht der Zusatznutzen in der Form des Geltungsnutzens? Oder: Kann man bei Schmuck von Grundnutzen sprechen? Welche ursprüngliche Zweckbestimmung erfüllt Schmuck? W i r sehen an diesen Beispielen, wie problematisch die Differenzierung der Produktqualität in die Kategorien Grundnutzen und Zusatznutzen ist. Für das Produktmarketing ist es letztlich auch belanglos, ob ein Erzeugnis auch, überwiegend oder ausschließlich Zusatznutzenvorstellungen beim Verbraucher bewirkt. Der Verbraucher wird immer eine Gesamtvorstellung vom Produkt haben, die ihm ein Angebot als Problemlösung erscheinen läßt oder nicht. 2. Produktgestaltung W i r verstehen darunter nicht die äußere Produktgestaltung (im Sinne von Design); hierüber wird im vierten Unterabschnitt gesprochen. Es geht vielmehr um die technische Produktbeschaffenheit, die Wahl der Rohstoffe, das angewandte Fertigungsverfahren, kurz, um alle Möglichkeiten, die stoffliche B e s c h a f f e n heit des Produktes, seine Qualität im engeren Sinn, zu beeinflussen. Hierzu zählen auch Produktverbesserungen durch das Hinzufügen zusätzlicher Eigenschaften oder Funktionen. Beispiel: Bügelfrei-Ausrüstung bei Textilien, Rostschutzeigenschaften bei Frostschutzmitteln, hautpflegende Komponenten bei Geschirrspülmitteln. Die ganze Palette der Fertigprodukte gibt Zeugnis von den Möglichkeiten, durch Verbesserung der Produktqualität die Absatzchancen zu erhöhen. Eine gute Produktgestaltung kann aber auch absatzhemmend wirken. Dies ist der Fall, wenn durch Verwendung "zu guter"

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Materialien oder bei einer zu perfekten Verarbeitung die übliche Gebrauchs- bzw. Lebensdauer eines Produktes erheblich überschritten wird. Die Anbieter können dann nicht mit der gewohnten Rate von Nachkäufen zur Deckung des Ersatzbedarfs rechnen. Hin und wieder hört man von der entgegengesetzten Qualitätspolitik mancher Unternehmer: Um die Lebensdauer ihrer Erzeugnisse nicht allzu lang werden zu lassen, würden sie ihren Produkten eine geplante Veralterung einbauen. Dieser "Einbau" kann im wörtlichen Sinn vorkommen, z.B. wenn ein Teilaggregat eines Waschvollautomaten so konstruiert ist, daß es nach einer bestimmten Anzahl von Gebrauchsstunden ausfällt. Wird dieses Teilaggregat so gewählt, daß die Reparatur einschließlich Ausbau und Einbau eines neuen Teils in Relation zum Gesamtpreis der Waschmaschine verhältnismäßig teuer ist, so ist das Ziel erreicht Der Kunde wird gleich eine komplette neue Maschine kaufen. In einem solchen Fall spricht man von Built-inObsolescence. Die Veralterung muß aber nicht stofflich-konkret herbeigeführt werden. E s genügt auch, den Zusatznutzen eines Produktes zu verringern, wobei der Grundnutzen durchaus noch erhalten sein kann. Beispiele für derartige Verhaltensweisen finden wir in allen Produktbereichen, die einem modischen Wandel unterliegen. Dies gilt durchaus nicht nur für die ursprüngliche Domäne der Mode, nämlich den Bekleidungssektor, sondern darüber hinaus für sehr viele Produktbereiche, bei denen es die Unternehmer verstanden haben, durch Produktpolitik und vor allem auch Kommunikationspolitik (Werbung!) einen modischen Wandel zu institutionalisieren. Man denke nur an die künstliche Veralterung von Automobilen durch die turnusmäßige Einführung neuer Modelle, die sich funktionell oft kaum von den bestehenden Modellen unterscheiden. Grundsätzlich eignen sich alle Erzeugnisse des demonstrativen Konsums für die Einführung von modischen Einflüssen und damit für die geplante Veralterung. Diese Art der Produktentwertung vor ihrem technisch-funktionalen Verderb nennt man Planned-Obsolescence.

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3. Produktdifferenzierung EÜn weiteres Instrument der Qualitätspolitik ist die Produktdifferenzierung. Sie ist gegeben, wenn v o m Grundnutzen her identische Produkte in verschiedenen Varianten (und zu verschiedenen Preisen) angeboten werden. Ausgangspunkt für ein derartiges Verhalten ist die Absicht, das Erzeugnis möglichst breiten Zielgruppen attraktiv zu machen. Fin klassisches Beispiel von Produktdifferenzierung bietet der Buchmarkt. Zunächst wird eine Neuausgabe in normaler Ausstattung (z.B. auf Werkdruckpapier in Ganzleineneinband) angeboten. Ist dieser Markt erschöpft, d.h. haben die für diese aufwendige Ausstattung infragekommenden Käufer ihren Bedarf gedeckt, so wird derselbe Titel als Taschenbuchausgabe zu entsprechend niedrigerem Preis den Käuferschichten angeboten, für die die Originalausgabe kein attraktives Angebot war. W i r kennen auf dem Buchsektor auch die gleichzeitige Herausgabe differenzierter Produkte, z.B. einer Halbleinen- und einer Paperbackfassung. Hierbei werden die beiden Produktvarianten von vornherein verschieden kaufkräftigen Schichten angeboten. Beispielsweise ist ein gebundenes Lehrbuch für Professoren gedacht, die Paperbackausgabe für Studenten. Die Produktdifferenzierung kann auch in einem unterschiedlichen Ausmaß von Gebrauchstauglichkeit des Grundproduktes bestehen. Z.B. wird dasselbe Motoröl in zwei verschiedenen Nachfüllbüchsen angeboten. Die eine ist normal, man muß die Büchse mit einem handelsüblichen Dosenöffner öffnen und das ö l mit einem Trichter einfüllen (wenn in an nicht riskieren will, einen Teil daneben zu schütten). Die andere Ölbüchse hat einen eingebauten Öffner und einen ebenfalls eingebauten, abklappbaren Einfüllstutzen. 4. Verpackung/Design Ein wichtiges Instrument der Qualitätspolitik ist das Produktäußere. Bei den meisten Gebrauchsgütern ist die äußere Form durch das I*rodukt selbst gekennzeichnet. Die Gestaltung des Produktäußeren bezeichnen wir als Design.

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Bei Produkten ohne äußere Gestalt übernimmt die Verpackung neben ihren Grundfunktionen des Schutzes, des Transports, der Portionierung usw. die Rolle des Produktäußeren. Das gilt z.B. für Flüssigkeiten und Schüttgüter, die in Flaschen, Kartons, Dosen oder anderen Behältnissen abgepackt sind. Welch wichtige Rolle die Verpackung in der Qualitätspolitik spielt, ergibt sich aus der Tatsache, daß in zunehmendem Umfang auch solche Erzeugnisse verpackt werden, bei denen eine Verpackung zur Erfüllung der Grundfuriktiouen gar nicht nötig ist, sowie aus den Fällen der Doppelverpackung, bei denen die eigentliche Warenumhüllung, etwa eine Flasche oder ein Plastikbeutel, noch einmal v o n einem "Uinkarton" umgeben ist. Die äußere Waren Umhüllung hat neben der Punktion der W e r behilfe mit Displaycharakter die Aufgabe, durch die gesamte Aufmachung (Formgebung, Farbigkeit, graphische Gestaltung) das Produkt im Regal von der Konkurrenz vorteilhaft abzuheben. Die Verpackungspolitik hat in den letzten Jahren durch das er^ wachende und erstarkende Umweltbewußtsein eine ganz neue Dimension bekommen. Hier steht der Anbieter in einem zunehmenden Dilemma zwischen solchen Nachfragern, die bei bestimmten Produkten nach w i e v o r eine aufwendige, vielleicht übertriebene Verpackung verlangen und solchen, die sich aus Überzeugung mit einer Schlichtpackung begnügen. Stichworte der aktuellen Verpackungs-Problematik sind z.B. Verpackungsrecycling, Verpackungssteuer, Grüner Punkt, Müllvermeidung. Richteten sich die Bestrebungen zur Eindämmung einer "Müll-Lawine" anfänglich gegen die Verpackung allein, so ist in der letzten Zeit mehr und mehr auch das Recycling der (Gebrauchs-) Güter selbst in die Diskussion gekommen. II.

Programm- und Sortimentspolitik

Während die Qualitätspolitik sich mit den Möglichkeiten befaßt, ein bestimmtes Erzeugnis dem Verbraucher begehrenswert erscheinen zu lassen, befaßt sich die Programm- und Sortimentspolitik mit den Überlegungen, w i e man dem Abnehmer ein möglichst breites, optimales Angebot bieten kann.

Drittes Kapitel:

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1 . D a s Produktionsprogramm d e r Hersteller E i n e Herstellerfirma hat die W a h l z w i s c h e n den E x t r e m e n d e r M o n o p r o d u k t i o n (mit der K o n s e q u e n z des A n g e b o t s eines einzigen Artikels) und des K o n g l o m e r a t s , also d e r Herstellung und d e m Vertrieb einer Vielzahl sehr v e r s c h i e d e n e r E r z e u g n i s s e aus allen m ö g l i c h e n Produktbereichen. U n s interessieren hier nur die B e s t i m m u n g s g r ü n d e f ü r die G r ö ß e des P r o d u k t i o n s p r o g r a m m s aus absatzwirtschaftlicher Sicht. Generell läßt sich sagen, daß ein Hersteller v o m A b n e h m e r ( i n s b e s o n d e r e v o m E n d v e r b r a u c h e r ) u m s o kompetenter erlebt w i r d , j e spezialisierter sein P r o d u k t i o n s p r o g r a m m ist. Die Herstellung und das A n g e b o t eines einzigen Artikels kann f ü r den E r z e u g e r s o g e s e h e n ein Vorteil sein. D i e s ist es a b e r nur, w e n n dieses eine E r z e u g n i s f ü r alle V e r w e n d u n g s z w e c k e der v e r s c h i e d e n e n A b n e h m e r g r u p p e n in gleicher W e i s e geeignet ist. W a r b e i s p i e l s w e i s e eine c h e m i s c h e F a b r i k auf die Herstellung v o n Geschirrspülmitteln spezialisiert und hat sie nur ein einziges P r o d u k t angeboten, s o konnte das nur s o l a n g e gut gehen, w i e es keine Geschirrspülmaschinen g a b . Mit dem A u f k o m m e n der G e schirrspüler mußte der Hersteller, um nicht einen Teil seines Marktes zu Verlierern, ein z w e i t e s E r z e u g n i s anbieten. Die B e s c h r ä n k u n g auf eines o d e r w e n i g e Produkte hat f ü r den Hersteller i n d e s s e n auch Nachteile. Z u m einen ist seine Marktposition risikoreicher, da er bei V e r ä n d e r u n g e n der V e r b r a u c h s g e w o h n h e i t e n empfindliche Einbußen erleiden kann, u n d z u m anderen überläßt er Umsätze mit verwandten Produkten d e r Konkurrenz. Die W a n d l u n g des V e r k ä u f e r m a r k t e s zum K ä u f e r m a r k t hat dazu geführt, daß die Hersteller b e i d e r Z u s a m m e n s t e l l u n g ihrer P r o d u k t i o n s p r o g r a m m e v o n d e r ursprünglichen Material- o d e r Technologie-Orientierung stärker zu einer P r o b l e m l ö s u n g s O r i e n t i e r u n g des A n g e b o t s ü b e r g e g a n g e n sind. D a s e r f o r d e r t unter Umständen den Z u k a u f v o n p r o g r a m m v e r w a n d t e n P r o dukten (die man selbst nicht herstellt) und den Verzicht auf den E i g e n v e r k a u f p r o d u k t i o n s v e r w a n d t e r , a b e r nicht b e d a r f s v e r w a n d t e r E r z e u g n i s s e (die dann ü b e r andere K a n ä l e abgesetzt werden).

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2 . D a s Leistiingsprogramin d e r Dienstleister Das I .cistungsprogranim der Dienstleistungsunternehmungen ist v o n ähnlichen absatzwirtschaftlichen Überlegungen bestimmt wie das Produktionsprogramm bei den Herstellerfirmen. 3 . D a s Sortiment d e s Handels Der Handel, als Sonderform des Dienstleistungsbereichs, treibt Produktpolitik durch die Zusammensetzung seiner Sortimente. Dies gilt in gleicher W e i s e für den Groß- wie für den Einzelhandel, weshalb wir im folgenden nicht weiter differenzieren (zur Struktur des Handels siehe weiter unten). Waren früher für die Sortimentsbildung im Handel überwiegend die Herkunft oder die Materialbeschaffenheit der Erzeugnisse ausschlaggebend, s o hat sich inzwischen die Sortimentspolitik mehr auf Bedarfszusammenhänge der Kunden eingestellt. Typische Beispiele für die Herkunfts- bzw. Material-Orientierung von Einzelhandelsgeschäften alten T y p s sind das Kolonialwarengeschäft und der Eisenwarenladen. Ein Kolonialwarengeschäft führte, wie der Name sagt, nahezu ausschließlich Lebensmittel aus Übersee. Der Eisenwarenladen bot alle Gegenstände aus Eisen und anderen Metallen an, unabhängig vom Verwendungszweck. Aus dem Kolonialwarenladen ist der I^ebensmittelsupermarkt geworden, der alle Arten von Lebensmitteln anbietet, einschließlich der früher in handwerklich organisierten Verkaufsstätten (Bäckerei, Metzgerei) dargebotenen W a ren. Aus dem Eisenwarengeschäft hat sich ein Hausratgeschäft entwickelt, das alles für den Haushalt bereithält, unabhängig davon, aus welchem Material die einzelnen Erzeugnisse hergestellt sind. Die derzeit letzte Stufe der Sortimentsbildung kann man z.B. in Geschäften für Freizeitbedarf (Freizeit-Center) verfolgen, w o Erzeugnisse (und auch Dienstleistungen) sehr unterschiedlicher Warengattungen gebündelt angeboten werden, allerdings unter dem gemeinsamen Nenner des Freizeitbedarfs. Innerhalb der gewählten Warenzusammensetzung kann ein Sortiment breit oder schmal, tief oder flach sein. Ein breites Sortiment hegt vor, wenn das Angebot über alle Warengruppen hin-

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w e g oder aber auch innerhalb einer Warengruppe (bzw. Bedarfsgruppe) sehr umfassend ist. Typische Vertreter breiter Sortimente sind Kaufhäuser und Warenhäuser. Ist die Auswahl bei einzelnen Artikeln gering, so sprechen wir von einem flachen Sortiment. Das Gegenstück zum breiten ist das schmale Sortiment. Davon sprechen wir, wenn ein Geschäft nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Angebot einer Artikelgruppe zum Verkauf bietet. Schmale Sortimente sind das Kennzeichen sehr spezialisierter Geschäfte. Häufig ist das schmale Sortiment von großer T i e f e gekennzeichnet. Ein Beispiel hierfür: Ein Hosengeschäft führt nur diese eine Warenart (schmales Sortiment), bietet davon aber alle nur denkbaren Ausführungen nach Marken, Stoffen, Qualitäten, Preisklassen, Arten, Designs, Verwendungszwecken usw. Je spezialisierter ein Handelsgeschäft auf bestimmte Waren- oder Bedarfsgruppen ist, umso schmaler und in der Regel auch umso tiefer wird ein Sortiment sein. Andererseits führt zunehmende Breite im Angebot fast zwangsläufig zu flachem Sortiment. 4. Diversifikation (Diversifizierung) Anpassung der Programme und Sortimente an die tatsächlichen oder erwarteten Bedarfe der Nachfrager bedeutet eine Erhöhung der absatzwirtschaftlichen Chancen, bedeutet aber auch eine Erhöhung des Risikos. Je stärker sich ein Anbieter, sei es auf der Hersteller- oder der Handelsebene, auf eine bestimmte Produktoder Bedatfsgruppe spezialisiert, umso stärker ist er auch von Nachfrageschwankungen in diesem Sektor abhängig. Um diese Krisenanfälligkeit zu verringern, kann ein Unternehmen diversifizieren. Darunter verstehen wir die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auf neue Gebiete, die nicht zum bisherigen Programm oder Sortiment gehören. W a r die Diversifikation zunächst auf den Bereich der Herstellerfirmen beschränkt, so nutzen heute auch Handels- und andere Dienstleistungsunternehnen ihre Vorteile. Genausowenig wie die Diversifikation lediglich eine Erweiterung der bestehenden Sortimente oder Programme ist, handelt es sich bei ihr nicht nur schlicht um Investitionen in anderen Sektoren, um Firmenaufkäufe oder -Zusammenschlüsse. Diversifika-

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tion bedeutet vielmehr eine Ausdehnung auf neue Betätigungsfelder, die aber mit den bisherigen in irgendeiner Weise verknüpft sind. Dieser Verknüpfungspunkt kann das verwendete Material sein (eine Fabrik für Kunststoffässer diversifiziert in die Herstellung von Spielplatzgeräten, die ebenfalls aus Kunststoff hergestellt werden); der vorhandene Außendienst (ein Mineralquellenvertrieb beliefert seine Kunden über die Verkaufsfahrer auch mit alkoholischen Getränken oder völlig anderen Nahrungsmitteln); das technische Know-how. Bleibt das diversifizierende Unternehmen innerhalb seiner Wirtschaftsstufe, so sprechen wir von horizontalen* Diversifikation. Sie liegt in den beiden soeben geschilderten Beispielen vor. Greift dagegen die Diversifikation in eine vor- oder nachgelagerte Sphäre ein, so haben wir es mit vertikaler Diversifikation zu tun. Das wäre z.B. der Fall, wenn eine Weberei in die Kleiderfabrikation oder noch weitergehend in den Textilhandel einsteigen würde. Bei der in der Literatur erwähnten dritten Spielart, der lateralen Diversifikation, handelt es sich unserer Ansicht nach nicht um Diversifikation, sondern um einen Prozeß der Konglomeratbildung. Wenn nämlich, wie Nieschlag, Dichtl, Hörschgcn schreiben, bei der lateralen Diversifikation "kaum ein sachlicher Zusammenhang mit der bisherigen Angebotspalette" zu erkennen sei, so ist damit das Charakteristikum der Diversifikation auch nicht gegeben. Beispiele: Ein Investitionsgüterhersteller beteiligt sich in der Gastronomie, z.B. durch Kauf einer Fast-Food-Kette; eine Computerfirma engagiert sich in einem Reisebüro-Unternehmen. III. Preispolitik 1. Z u r Preisbildungstheorie Die Rolle der Preispolitik als Instrument der Marktgestaltung wird sehr verschieden eingeschätzt. Während die nationalökonomische Theorie, wenigstens in ihren Modellbetrachtungen, im Preis das einzige Regulativ der Absatzmöglichkeiten sieht, gibt es extreme Ansichten, wonach der Preis nach Werbung, PR, Verkaufsförderung, Service, Konditionen, Produklgestaltung und einer Reihe anderer Marketinginstrumente die unbedeutendste Rolle spiele. In der Tat haben die steigenden Massenein-

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kommen dazu geführt, daß die Rolle des Preises als Bestimmungsfaktor für den Kauf einer W a r e sehr stark zurückgegangen ist, jedenfalls im Bereich des privaten Konsums. a ) E x t e r n e Bestimmungsgründe Die klassische Preistheorie geht von verschiedenen Erscheinungsformen des Wettbewerbs aus, die sich aus den Kombinationen von Marktformen und Markttypen ergeben (= Marktbilder). Unter Marktformen verstehen wir die Anzahl der Marktteilnehmer auf der Angebots- und Nachfrageseite. In vereinfachter Betrachtungsweise haben wir drei Marktformen: Ein einziger = Monopol, mehrere (relativ gleich große) = Oligopol, unendlich viele (sehr kleine) = Polypol. Die Markttypen kennzeichnen einen Markt als offen oder geschlossen, als vollkommen oder unvollkommen. Offene Märkte liegen vor, wenn alle Zutritt zu den Märkten haben ("freie Konkurrenz"). Dagegen handelt es sich um g e s c h l o s s e n e Märkte, wenn durch rechtliche, technische oder sonstige tatsächliche Gründe der Zugang erschwert oder von Bedingungen abhängig gemacht ist (Patente, Konzessionen, Zulassungsvorschriften). Ein v o l l k o m m e n e r Markt ist gegeben, wenn folgende vier Bedingungen erfüllt sind:

Maximumprinzip Die Anbieter streben nach einem Gewinnmaximum, die Nachfrage nach einem Nutzenmaximum. Unendlich schnelle Reaktionsgeschwindigkeit Anpassungen an Umweltveränderungen (Preise, angebotene und nachgefragte Mengen, Gesetze usw.) erfolgen unendlich schnell. Homogenität der Güter E s gibt keine Präferenzen in zeitlicher, örtlicher, persönlicher, sachlicher Sicht. V o l l k o m m e n e Markttransparenz Alle Marktpartner haben eine totale Kenntnis über alle Vorgänge auf dem Markt.

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Ist nur eine der vier Bedingungen nicht erfüllt, so sprechen wir von einem unvollkommenen Markt. Die folgende tÜbersicht zeigt die sechs möglichen Kombinationen (Marktbilder) von Marktformen und vollkommenen bzw. unvollkommenen Markttypen. ^ ^ ^ ^ Markttyp

vollkommener Markt

unvollkommener Markt

Polypol

vollkommene Konkurrenz

unvollkommene Konkurrenz

Oligopol

vollkommenes Oligopol

unvollkommenes Oligopol

Monopol

vollkommenes Monopol

unvollkommenes Monopol

Marktforrn^—

Es liegt auf der Hand, daß vollkommene Märkte in der Praxis so gut wie nicht existieren. Gleichwohl ist die Annahme der Vollkommenheit aus modelltheoretischen Überlegungen interessant. Die gleiche Einschränkung gilt für die Darstellung der Marktformen. Zwar sind reine Monopole, Oligopole und Polypole nicht ganz ausgeschlossen, in der wirtschaftlichen Wirklichkeit dominieren jedoch Mischformen aus mindestens zwei Marktformen. Nur in Sonderfällen kann es Märkte geben, bei denen sich die vorhandenen Marktformen den Modellen annähern. Da die Marktformen und Markttypen unterschiedliche Grade des Wettbewerbs darstellen, sind die preispolitischen Möglichkeiten in den einzelnen Marktbildern sehr verschieden. Theoretisch hat der vollkommene Monopolist als Anbieter in einem Abnehmermarkt, der durch das Marktbild des vollkommenen Polypols (= vollkommene Konkurrenz) gekennzeichnet ist, die größte Möglichkeit einer aktiven Preispolitik. Die äußeren Bestimmungsgründe der Preispolitik sind indessen nicht nur Marktform und Markttyp, sondern auch die Preiselastiirität der Nachfrage. Hierunter verstehen wir das Ausmajß der

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Nachfrageänderung als Folge: einer Preisänderung. Ks isl üblich, die Veränderungen in Prozent gegenüber dem Istxu,stand auszudrücken. So ergibt sich ein Flastizitatskoeffizicnt als Quotient aus Mengenänderung und Preisänderung: K = M : P. Normale Elastizität liegt vor, wenn eine Preiserhöhung zu einem Mengenriickgang führt und umgekehrt. Dabei müssen die Veränderungsraten durchaus nicht: genau gleich sein. Ist - unter Vernachlässigung der Vorzeichen - eine Preisänderung mit einer genau gleich großen Mengenänderung verbunden, so hat der Plastizitätskoeffizient den Wert 1. Je stärker er von 1 hin nach 0 tendiert, umso unelastischer ist die Nachfrage. Wirken sich Preisänderungen überhaupt nicht auf die Nachfrage aus, so liegt starre Nachfrage vor. Je höher andererseits der Elastizitätskoeffizient über 1 liegt, umso elastischer ist die Nachfrage. Dies ist der Fall, wenn geringfügige Preisänderungen große Mengenänderungen nach sich ziehen. Führt eine Preiserhöhung nicht, wie erwartet, zu einem Mengenrückgang, sondern zu einer Mengenzunahme, so sprechen wir von inverser Elastizität. Das gleiche gilt für den umgekehrten Fall (Preisreduktion führt zu Mengenrückgang). b ) Interne Bestimmungsgründe Neben den äußeren Bestimrnnngsgründen der anbieter- und nachfragersCniktura bhängigen Marktbilder und der produktabhängigen Nachfrageelastizität werden die Möglichkeiten der Preispolitik einer Unternehmung von innerbetrieblichen Daten bestimmt. Es sind dies die Kosten, die der Unternehmung in Abhängigkeit von Kapazität und Kapazitätsauslastung (Ausbringungsmenge) entstehen. Der Spielraum der Preispolitik liegt zwischen dem maximal erzielbaren Marktpreis und dem m i n i m a l e n Kostenpreis. Die Preispolitik muß also zugleich marktorientiert und kostenorientiert sein.

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J e stärker die Marktmacht eines Anbieters ist (Monopolist, starre Nachfrage), um so größer sind seine Möglichkeiten der aktiven Preispolitik im Rahmen seiner Kostensituation. Je schwächer andererseits der einzelne Anbieter im Markt ist (polypolistische Angebotsform, elastische Nachfrage), umso geringer sind seine Möglichkeiten, den geforderten Preis selbst zu bestimmen. E r wird eine adaptive Preispolitik treiben, d.h. sich im Rahmen seiner Kostenmöglichkeiten dem Marktpreis anpassen. 2 . Preisbildung in der Praxis W i r hatten gesehen, daß Preispolitik sowohl markt- als auch kostenorientiert sein muß. Unverkennbar dominiert in weiten Teilen der Praxis die mtarktorien ticrtc Preispolitik. Die Ursache hierfür: Noch immer gibt es Unternehmungen, die keine Kostenrechnung praktizieren und folglich über ihre eigene Kostengestaltung keinen Aufschluß haben. Aber auch da, w o dieses Instrument vorhanden ist, wird es häufig nur zur Nachkalkulation der Preise angewandt, nicht zu ihrer Festsetzung aufgrund von Kostenüberlegungen. V o r allem im Bereich der Konsumgüter ist eine marktorientierte Preispolitik unerläßlich, unabhängig davon, ob eine Vorkalkulation stattfindet oder nicht. Marktorientiertes Preisverhalten kann sogar bedeuten, unter vorübergehendem oder längerem Verzicht auf Kostendeckung den Preis alleine nach Marktgesichtspunkten festzusetzen. Eine v o r übergehende IJnterdeckung nimmt man häufig in Kauf bei Neueinführungen von Produkten; eine längerfristige oder andauernde Unterdeckung bei einem Produkt kann im Rahmen der Mischkalkulation durch andere Produkte getragen werden. Eine Beeinflussung der Mengenumsätze, und damit des Gesamtgewinns, über den Preis ist im übrigen nur in Ausnahmefällen, und dann auch meist nur für kurze Dauer, möglich. Für die Marktbeeinflussung spielt der Preis - ganz im Gegensatz zu den Annahmen der nationalökonomischen Theorie - oft nur eine untergeordnete Rolle. Selbst solche Unternehmen, die aufgrund ihrer Marktmacht zum Durchsetzen einer aktiven Preispolitik befähigt wären, benutzen oft vorzugsweise andere Instrumente zur Marktbeeinflussung.

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Möglichkeiten des Preiswettbewerbs werden häufig von den Anbietern in gegenseitiger Absprache selbst ausgeschlossen. Dies kann durch formelle Kartellverträge aber auch durch stillschweigende Übereinkünfte erfolgen. Der Wettbewerb wird dann auf anderen Gebieten geführt, z.B. durch die Produktpolitik, durch die Werbung, durch den Service. Sonderformen der Preispolitik kennen wir im Handel, und z w a r in Form der Preisbindung und der P r e i s e m p f e h l u n g . Bei der vertikalen Preisbindung (auch Preisbindung der zweiten Hand genannt) verpflichtet der Lieferant den Händler, das Erzeugnis zu einem genau festgesetzten Preis abzugeben. Der Händler kann mit diesen Fxzeugnissen also keine eigene Preispolitik treiben. Seit Anfang 1 9 7 4 spielt die Preisbindung der zweiten Hand, die früher für weite Bereiche des Markenartikelwesens zutraf, praktisch keine Rolle mehr. Die Preisbindung ist nur noch für ganz wenige Güter, darunter Verlagserzeugnisse (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften) erlaubt. Bedeutung hat aber noch das Instrument der "unverbindlichen Preisempfehlung". Dem Händler wird v o m Hersteller ein Preis empfohlen, den er v o m Endverbraucher verlangen soll (aber nicht verlangen muß). Preisempfehlungen werden vom Handel durchweg begrüßt, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Für die Masse der kleinen und mittleren Handelsgeschäfte ist die Preisempfehlung eine Kalkulationshilfe, die die selbständige Errechnung des Verkaufspreises erspart. Auch enthebt der aufgedruckte empfohlene Richtpreis den Händler von der Mühsal der eigenständigen Preisauszeichnung. Andere Händler, besonders die großen unter ihnen, benutzten den aufgedruckten empfohlenen Preis durch gezieltes Unterbieten als Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit des Geschäftes, demonstriert durch seine Preiswürdigkeit. Artikel ohne Preisbindung oder -empfehlung werden im Handel gewöhnlich mit Hilfe einer A u f s c h l a g s k a l k u l a t i o n auf die Selbstkosten berechnet. Aus Vereinfachungsgründen werden die Zuschläge in der Regel nicht für jeden Artikel einzeln, sondern nach Artikelgruppen oder sogar als genereller Branchenaufschlag festgesetzt. Selbstverständlich gibt es auch hierbei Abweichungen, nämlich erhöhte Zuschläge bei risikobehafteten Artikeln, niedrigere bei Sonderangeboten oder Aktionsware.

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3. Preisdifferenzderimg Z u m Unterschied v o n der Produktdifferenzierung, bei der vcr^ schiedene Preise für ein "gleiches" Gut durch Variationen der Produktqualität gerechtfertigt sind, sprechen w i r v o n Preisdifferenzierung in den Fällen, w o für ein und dasselbe Gut unterschiedliche Preise gefordert werden. Die wichtigsten Spielarten der Preisdifferenzierung sind die räumliche, die zeitliche und die nach Abnehmelgruppen. Räumliche (regionale, geographische) Preisdifferenzierung liegt vor, w e n n beispielsweise für den Inlandsmarkt andere Preise verlangt w e r d e n als für den Auslandsmarkt. Zeitliche Preisdifferenzierung ist häufig als Saisonpreisangebot gekennzeichnet. Beispiele hierfür sind jahreszeitlich unterschiedliche Preise f ü r Hausbrand (Kohlen, Heizöl), für landwirtschaftliche Produkte (Kartoffeln), für touristische Angebote (Saisonpreise). W ä h r e n d die regionale und temporale Preisdifferenzierung z w a r marktorientiert, in starkem Maß aber auch kostenorientiert ist (im S o m m e r verkaufte Heizenergie spart Lagerkosten; ein preisw e r t e r Urlaubsplatz in der Vorsaison trägt zur Fixkostendegression bei), ist die Preisdifferenzierung nach Abnehmergruppen ausschließlich marktorientiert. Sie liegt vor, w e n n für Abnehmergruppen unterschiedlicher Struktur, z.B. Kaufkraft, identische oder weitgehend gleiche Güter zu verschiedenen Preisen angeboten w e r d e n . Um die offensichtlichen Preisdifferenzen für die verschiedenen Abnehmei^gruppen zu kaschieren (zum Beispiel Jeans, die ü b e r U S - S h o p s v o r w i e g e n d an Teenager verkauft w e r d e n und Jeans, die über exquisite Fachgeschäfte an kaufkräftige Herrschaften verkauft werden), w e r d e n oft Kleinigkeiten am Produktäußeren variiert. Dadurch kann es sich bei derartigen Preisdifferenzieriingen scheinbar um Produktdifferenzierungen handeln.

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I V . Konditionenpolitik Unter finanziellem Aspekt wird der Markt nicht nur durch die Preispolitik gestaltet. Das gesamte Entgelt für die lieferung einer Ware oder Leistung setzt sich zusammen aus dem Preis und den zugehörigen geldwerten Leistungen. 1. l i e f er- und Leistungsbedingimgem Sowohl im Verkehr zwischen Hersteller und Handel wie auch zwischen Händler und Endverbraucher erfolgen die lieferungen und Leistungen unter gewissen Bedingungen. Diese Bedingungen rechnen als Bestandteil zum Lieferumfang der Ware selbst. Zu den Lieferbedingungen gehören beispielsweise Angaben über die Zustellung der W a r e ("frei Haus"), über das Umtauschrecht, über Gewährleistung (Garantie). Bei technischen Gebrauchsgütern kann zum l i e f erumfang die ("kostenlose") Montage gehören, eine Unterweisung in der Handhabung, die Gratisübernahme der ersten Wartung (z.B. bei Kraftfahrzeugen). Im Rahmen der Gewährleistungsbedingungen kann ein Umtausch gegen ein anderes Erzeugnis, eine Minderung (Teilrückzahlung) oder eine Wandlung (Rücknahme der Ware gegen Erstattung des Kaufpreises) vereinbart sein. 2. Zahlungsbedingungen Eng verwandt mit den Liefer- und Leistungsbedingungen sind die Konditionen über die Zahlungsmodalitäten. Hierbei wird Ort und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung als Gegenleistung für die Ubergabe der Ware festgelegt. Es können Zuschläge vereinbart werden (z.B. für Ratenzahlung, für Zahlungsverzug). Eine wichtige Rolle spielen Abschläge für verschiedene Zwecke oder Funktionen. Da wäre zunächst der Skonto zu erwähnen, der in seinem Wesen ein Preisnachlaß für sofortige Zahlung darstellt. Davon zu unterscheiden ist der Rabatt, der für bestimmte Funktionen oder ILeistungen eingeräumt wird. Ein Funktionsrabatt

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liegt beispielsweise vor, wenn ein Handelsgeschäft zur Abgeltung seiner Handlungskosten einen Nachlaß erhält. Der Mengenrabatt erklärt sich v o n selbst: Der Abnehmer erhält für die Leistung der Abnahme einer großen Menge eine Preisermäßigung. Skonti und Rabatte siud gerechtfertigt, weil die damit honorierten Leistungen b z w . Funktionen beim Lieferanten entsprechende Kosten einsparen. Der Barzahlungsskonto spart Zinsen, der (Handels-)Funktionsrabatt erspart dem Hersteller eigene Distributionskosten, der Mengenrabatt erspart ihm die Kosten vieler Einzellieferungen. 3. Kreditfinanzierung, Leasing W i r d dem Abnehmer v o m Lieferanten ein Kredit auf Ziel eingeräumt (lieferung sofort, Zahlung erst in X Monaten), so sprechen w i r v o n einer Kreditfinanzierung. W e n n derartige Geschäfte in großem Umfang vereinbart werden (z.B. bei Investitionsgütern, aber auch bei Konsumgütern, etwa im Versandhausbereich), so schaltet der Lieferant hierzu eine eigene oder befreundete Bank (Hausbank) ein. Seit einer Reihe v o n Jahren besteht die Möglichkeit, Investitionsgüter zu "mieten", anstatt w i e herkömmlich ihr Eigentum zu erwerben und sie langfristig zu finanzieren. Diese Art der Beschaffung (andere Autoren sprechen von Finanzierung) nennt man Leasing. Juristisch unterscheidet sich der Leasingnehmer v o m Mieter ganz entscheidend, weshalb der im Bereich der langlebigen Konsumgüter eingeführte Terminus "Miet-Kauf" nicht ganz zutreffend ist. Die Modalitäten des Leasing-Vertrages sind unterschiedlich. In der Praxis haben drei Varianten Bedeutung: Entweder gibt der Leasing-Nehmer nach Ablauf des Leasing-Vertrag es den Gegenstand zurück (und verlängert gegebenenfalls mit einem neuen Modell den Vertrag zu gleichen Konditionen) oder er verlängert den Vertrag mit dem gleichen Objekt zu einem niedrigeren Tarif oder er erwirbt das LeasingObjekt zu einem geringen Preis als Eigentum.

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V . Servicepolitik Ein bedeutsamer Bestandteil der Produktpolitik nach dem Kauf einer W a r e sind Kundendienst und Kundenpflege. W i r fassen sie unter dem Oberbegriff S e r v i c e p o l i t i k zusammen. 1. K u n d e n d i e n s t Im Bereich der Investitionsgüter, aber auch im Bereich der langlebigen Konsumgüter, besteht über den eigentlichen Kaufabschluß hinaus während der gesamten Lebensdauer des gekauften Gutes ein mehr oder weniger intensives Kunden-LieferantenVerhältnis. Dieser K u n d e n d i e n s t erstreckt sich auf Wartung, Instandhaltung und Reparaturen (unter Einschluß v o n Garantiebzw. Gewährleistungsarbeiten). Durch den Kundendienst hat der Lieferant die Möglichkeit, den Kontakt zum Käufer bis zur W i e derb eschaffung bzw. für Zusatzabschlüsse oder Erweiterungsinvestitionen aufrecht zu erhalten. 2. Kundenpflege Unter K u n d e n p f l e g e verstehen wir die Fortführung von Kontakten durch den Hersteller nach dem Kauf ohne die Bindung vertraglicher Verpflichtungen, wie sie im Kundendienst gegeben sind. Die Kundenpflege hat das alleinige Ziel, den Kontakt mit dem Kunden über die Lebensdauer des einmal gekauften Produkts hinaus aufrecht zu erhalten und seine Firmen- bzw. Markentreue zu stabilisieren. Man spricht hier auch von A f t e r - S a l e s Service. Maßnahmen der Kundenpflege sind unter anderem persönliche Besuche von Repräsentanten der Lieferfirma, individuelle Anschreiben (z.B. Glückwünsche zu persönlichen und allgemeinen Feiertagen), Zusendung von Informationsschriften, Haus- oder Kundenzeitschriften.

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B. DISTRIBUTIONSPOLITIK Das Leistungsangebot realisiert sich einmal im Produkt und zum zweiten in der Art und Weise, wie das Produkt an den Nachfrag e r gelangt. Mit letzterem befaßt sich die Distributionspolitik. I.

Standortpolitik

Zunächst befassen wir uns mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine Unternehmung die Vertriebsfunktion an einem Ort (z.B. am Produktionssitz) unterhalten soll (zentraler Vertrieb), bzw. unter welchen Bedingungen der Vertrieb an mehreren Orlen organisiert sein soll (dezentraler Vertrieb). Ks handelt sich dabei um Fragen des optimalen Standorts, w e s halb wir den Begriff Standortpolitik verwenden. Gutenberg spricht in diesem Zusammenhang v o n V e r t r i e b s s y s t e m . 1. Z e n t r a l e r V e r t r i e b W e n n ein Hersteller oder Importeur seine Produkte nur v o m Untemehmensstandort aus vertreibt, haben wir es mit zentralem V e r t r i e b zu tun. Dabei spielt es keine Rolle, o b die Vertriebsorganisation unternehmenseigen oder ausgegliedert ist. Diese Vertriebsstrategie finden wir in weiten Bereichen der Investitionsund Produktionsgüterherstellung. Im Konsumgütersektor trifft der zentrale Vertrieb auf den echten Versandhandel zu, der seine Erzeugnisse ausschließlich postalisch oder durch Versanddienste und nicht über eigene oder fremde Verkaufsstellen vertreibt. 2 . Dezentraler V e r t r i e b Soll eine größere Kundennähe angestrebt werden, so geht man auf den dezentralen V e r t r i e b über, indem Vertriebsstellen an mehreren Standorten eingerichtet werden. I I . V e r k a u f s p o l i t i k im engeren S i n n Während ein zentraler Vertrieb in der Regel vertriebseigen organisiert ist, bietet sich beim dezentralen Vertrieb die Alternative, den Verkauf (physische Distribution) mit betriebseigenen Kräften oder über ausgegliederte Institutionen vorzunehmen. Da es

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hierbei um die Frage der Organisation des Verkaufs (auch im juristischen Sinn) geht, möchten wir von V e r k a u f s p o l i t i k im e n g e r e n S i n n sprechen. Gutenberg bezeichnet dieses Problem als W a h l der A b s a t z f o r m . 1. B e t r i e b s e i g e n e r V e r k a u f B e t r i e b s e i g e n e V e r k a u f s o r g a n e sind folgende Personen bzw. Institutionen:

I n h a b e r (bei kleineren Unternehmungen), Geschäftsführer, Reisende, Verkaufsniederlassungen, Werksfilialen, V e r k a u f s a b t e i l u n g (beim Einsatz anderer Verkaufsorgane unter Umständen nur für den Innendienst zuständig).

Die bisher aufgezählten Personen und Institutionen sind rechtlich und wirtschaftlich unselbständig. Eine Sonderstellung nehmen w e r k s g e b u n d e n e U n t e r n e h m e n (Vertragshändler) ein, da sie wohl rechtlich selbständig, wirtschaftlich aber vom Herstellerunternehmen abhängig sind. W e gen der starken wirtschaftlichen Bindung wollen wir sie gleichwohl als Institution des betriebseigenen Verkaufs bezeichnen. W i e schon erwähnt, kommen Inhaber oder Geschäftsführer als betriebseigene Verkaufsorgane v o r allem bei kleineren Firmen in Frage. B e i großen Objekten im Investitionsgüterbereich fungieren sie jedoch durchaus ebenfalls als Verkaufsorgane, wenn auch hier in der Regel neben anderen. Reisende sind der klassische Verkaufsaußendienst im Konsumgüterbereich und in Teilen des Investitionsgüterbereiches. Genau wie Inhaber und Geschäftsführer können die Reisenden ihre Verkaufstätigkeit sowohl gegenüber Wiederverkäufern als auch gegenüber letzten Abnehmern (gewerbliche Verwender und private Endverbraucher) ausüben.

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Im Falle des Einsatzes anderer betriebseigener (und auch ausgegliederter) Verkaufsorgane hat eine Verkaufsabteilung lediglich innerbetriebliche, auftragsabwickelnde Funktion. W e r d e n dagegen keine anderen Verkaufsorgane eingesetzt, s o kann eine Verkaufsabteilung einziges vertriebseigenes Verkaufsorgan sein. Dabei handelt es sich dann um das System des zentralen Vertriebs. Die Verkäufe werden aufgrund schriftlicher, Btx- oder telefonischer Anfragen der Kundschaft postalisch oder durch Z,ustelldienste abgewickelt (z.B. so beim Versandhandel). V c r k a u f s n i e d e r l a s s u n g e n und Fabrikfilialen haben nicht nur, wie die betriebseigenen Verkaufspersonen, die Funktion der akq u i s i t o r i s c h e n Distribution, indem sie Kaufverträge abschließen. Sie nehmen darüber hinaus auch die Funktion der p h y s i s c h e n Distribution wahr, d.h. die W a r e kann dort wie in einem Handelsgeschäft unmittelbar bezogen werden. Niederlassungen und Filialen finden wir häufig im Gebrauchsgüterbereich, z.B. bei Kraftfahrzeugen und elektrischen Haushaltsgeräten, aber auch bei Schuhen, Bohnenkaffee, Textilien. Bei den werksgebundenen Unternehmen handelt es sich um rechtlich selbständige Unternehmer (Händler), die durch Exklus i w e r t r a g an den Hersteller gebunden sind. Auch diese Erscheinungsform finden wir in der Automobilbranche als V e r t r a g s händler. Werksfilialen und werksgebundene Unternehmen sind oftmals Folge oder Vorstufe vertikaler Kooperation. 2. Ausgegliederter Verkauf W e n n die Verkaufspolitik im engeren Sinn nicht v o n betriebseigenen Kräften vorgenommen wird, sprechen wir von a u s g e gliedertem V e r k a u f . Es handelt sich dabei um rechtlich und (weilgehend) wirtschaftlich selbständige Personen oder Institutionen. E s sind dies im einzelnen:

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Handelsvertreter, Handelsmakler, Kommissionäre, die meist lediglich akquisitorisch tätig sind und Handelsgeschäfte, die auch die physische Distribution besorgen. Die W a h l der Alternative betriebseigener oder ausgegliederter Verkauf ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Neben Branchen- und Kostenüberlegungen entscheiden v o r cillem Fragen der optimalen Lenkung der Verkaufsorgane. W i r wollen dies an der Beschreibung der V o r - und Nachteile des Einsatzes von Reisenden und Handelsvertretern bei M a r kenartikeln im Konsumgüterbereich demonstrieren. Vorteile des Reisenden (zugleich Nachteile des Vertreters) Ständige Einsatzbereitschaft, ausschließlich für eigene Firma tätig, Zeit für Schulung und Unterweisung, kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden, kontrollierbar, unmittelbar weisungsgebunden. Nachteile des Reisenden (zugleich Vorteile des Handelsvertreters) Hohe Einarbeitungskosten, Grundgehalt auch bei geringer Auslastung, betriebsblind durch immer gleiche Produktpalette.

Der Hauptvorteil des Reisenden (und damit des betriebseigenen Verkaufs insgesamt) ist die Möglichkeit des strafferen Einsatzes. Dem steht der Hauptnachteil der relativ hohen Kosten gegenüber.

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III. Absatzwegepolitik (Handelspolitik) Nach der Diskussion der Standortwahl für die Vertriebsorganisation und der Frage der Ein- oder Ausgliederung des Verkaufs wenden wir uns nunmehr dem Problem zu, auf welchen W e g e n die physische Distribution, also der Absatz der W a r e , an den letzten Abnehmer gelangen soll. W i r bezeichnen diesen Komplex als Absatzwegepolitik oder, da mit Ausnahme des direkten Absatzes der unabhängige Handel eingeschaltet ist, als Handelspolitik. Der Themenkreis deckt sich mit dem, den Gutenberg A b s a t z w e g e nennt. Grundsätzlich hat ein Produktionsunternehmen zwei absatzpolitische Möglichkeiten: Entweder liefert man unmittelbar von der eigenen Verkaufsoiganisation an den letzten Abnehmer (direkter Absatz) oder man schaltet zwischen die eigene Verkaufsorganisation und den letzten Abnehmer unabhängige, selbständige Absatzmittler ein ( indirekter Absatz). E s ist zu betonen, daß diese Zweiteilung nicht mit der nach betriebseigenem und ausgegliedertem Verkauf identisch ist. Beide Verkaufspolitiken erlauben jeweils beide Absatzwegepolitiken. 1. Direkter A b s a t z V o n direktem Absatz sprechen wir, wenn die Lieferung der W a r e (physische Distribution) an den Endverbraucher oder letzten Verwender unmittelbar, also ohne Einschaltung des Handels, erfolgt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Verkaufsverhandlung, der juristische Verkaufsakt (akquisitorische Distribution) durch eine betriebseigene Institution vorgenommen wurde, z . B . einen Reisenden, oder eine ausgegliederte Institution, z.B. einen freien Handelsvertreter. In vielen Fällen bietet der direkte Absatz außerordentliche Vorteile für den Produzenten, besonders wenn er mit der Verkaufspolitik des betriebseigenen Verkaufs kombiniert ist. E s besteht dann ein unmittelbarer Kontakt zwischen Hersteller und letztem Verbraucher. Dieser Kontakt erlaubt die Rückkopplung von Verbraucherwünschen an den Hersteller, die im Fall der Z w i schenschaltung des Handels verloren ginge.

Drittes Kapitel: Markt-Gestaltung

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Das häufig genannte Argument der Kostenersparnis durch Vermeidung des Zwischenhandels spricht dagegen nur scheinbar für den direkten Absatz. Weder ist für den Hersteller die Wahl des direkten Absatzweges im allgemeinen kostengünstiger noch ist die vom Endverbraucher so bezogene Ware preiswerter: Die eingesparte Vergütung, die der Hersteller dem Handel für dessen Funktion überlassen muß (Handelsspanne), muß er in Form (erhöhter) eigener Vertriebskosten einsetzen. Dadurch kann die W a r e in aller Regel für den Endverbraucher nicht billiger sein, als wenn er sie über den Handel bezieht. In Märkten mit verhältnismäßig wenigen potentiellen Abnehmern, z.B. im Investitionsgütersektor, war der direkte Absatz schon immer eine bevorzugte Vertriebsform. Aber auch auf dem Konsumgütersektor scheint er an Boden zu gewinnen. Ist der Verzicht auf die Einschaltung des Handels im Investitionsgüterberreich mit der geringen Zahl der Verkaufshandlungen und damit geringen Auslastungsmöglichkeit des Handels sowie der starken Beratungsbedürftigkeit zu erklären, so spricht für die Wahl des direkten Absatzes bei Konsumgütern die intensive Bearbeitungsmöglichkeit der Kunden. Direkter Absatz kommt in drei Varianten vor: Als stationärer Verkauf in werkseigenen Filialen oder werksgebundenen Geschäften, als postalischer oder durch Auslieferungsdienste vorgenommener Verkauf über den Versandhandel, als Haustürverkauf durch Handelsvertreter oder Reisende (Direktverkäufer, Hausierer). Beispiele des Verkaufs über Werksfilialen oder werksgebundene Unternehmen haben wir bereits erwähnt; sie betreffen den Konsumgütersektor, und zwar von Verbrauchs- bis zu Ge~ brauchsgütern, genauso wie den Sektor der Produktionsgüter. Auch Handelsvertreter und Reisende sind als "Direktverkäufer" im Produktions- und Investitionsgüterbereich tätig, indem sie gewerbliche Endabnehmer bearbeiten. Im Bereich der Konsumgüter hat sich ihr Einsatz auf bestimmte Warengattungen konzentriert. Um nur einige Beispiele zu nennen: Kosmetika, Elektrogeräte, Zeitschriften.

98

Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

Streng genommen müßte der (freie!) Handelsvertreter in den Fällen, w o er nicht nur die akquisitorische, sondern auch die physische Distribution vornimmt, zum indirekten Absatz gerechnet werden. Man könnte ihn dann als ambulanten Händler ansehen. 2 . Indirekter A b s a t z Indirekter Absatz liegt vor, wenn zwischen den Verkaufsorganen und den letzten Verwendern oder Verbrauchern selbständige Absatzmittler eingeschaltet sind. Handelt es sich dabei um nur eine Gruppe von Absatzmittlern, z.B. nur den Großhandel oder nur den Einzelhandel, so sprechen wir vom einstufigen indirekten Absatzweg. Sind mehrere Absatzmittlergruppen mit der Verteilung der W a r e n zum F-ndvcrbraucher hintereinander befaßt, nämlich der Großhandel und der v o n diesem belieferte Einzelhandel, so liegt ein mehrstufiger indirekter Absatzweg vor. Im Konsumgüterbereich war ursprünglich die Inanspruchnahme des Handels die Regel, wenn man einmal vom Direktverkauf handwerklicher Erzeugnisse absieht. Trotz der teilweise erheblichen Bedeutung und steigenden Tendenz des direkten Absatzweges in manchen Branchen bzw. Produktbereichen hat der indirekte Absatzweg, also die Inanspruchnahme des Handels, seine dominierende Stellung behalten. Bei den meisten Konsumgütern, die keine speziellen Zielgruppen haben, sondern allen Verbrauchern angeboten werden, ist ein unmittelbarer, direkter Absatz vom Hersteller an den Endverbraucher überhaupt nicht realisierbar. Das Schaubild 1 befaßt sich mit den Möglichkeiten der Absatzwegepolitik. Dabei wird nach dem Verkauf durch betriebseigene und durch ausgegliederte Organe, also in bezug auf die Verkaufspolitik im engeren Sinn, unterschieden. Zusätzlich ist gekennzeichnet, in welchen Fällen ein direkter oder ein indirekter Absatzweg vorliegt.

Drittes Kapitel:

I

Inhaber. Geaehiftsfuhrer «•.

Reisende .

'

Niederlassungen. Filialen V

99

ausgegliederte Organe

I betriebseigen« Organe f 1 ""

t

Markt-Gestaltung

\ Versand

Werksgebundene Unternehmen')

v

1

(Freie) HandelsVertreter

Manier Kommissionare

±

±

Großhandel

I Großhandel]

\l>

3:

Verbraucher — Verwender

') Rechtlich ausgegliedert, wirtschaftlich betriebseigen >) Direkter Absau Indirekter einstufiger Absatz *) Indirekter zweistufiger Absatz

Schaubild

1: Möglichkeiten

der

Absatzwegepolitik

3. Franchising Eine besondere Form der Absatzwegepolitik betreiben Hersteller bzw. Anbieter von Dienstleistungen, die selbständigen Partnern eine Lizenz zur Führung eines Betriebes unter einem bestimmten Namen gewähren. Der Anbieter (Franchise-Geber) stellt seine Erfahrungen bei der Einrichtung und Gestaltung der Handelsgeschäfte zur Verfügung, er sorgt für die Anlieferung der Ware, für Werbung und Verkaufsförderung. Der Franchise-Nehmer vertreibt die Waren unter Gebietsschutz, allerdings als selbständiger Unternehmer auf eigenes Risiko. Als Gegenleistung bezahlt er dem Franchise-Geber eine Franchise-Gebühr. Beim Franchising handelt es sich um eine zweifellos interessante Variante überbetrieblicher Absatzkooperationen. Vereinzelt wird in der Literatur das Franchising im Rahmen der betriebseigenen Verkaufsorgane behandelt. Zweifellos hat das

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Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

Franchising-System v i e l e Gemeinsamkeiten mit dem S y s t e m d e s Vertragshändlers b z w . dem w e r k s g e b u n d e n e n Unternehmen. Darüber hinaus ist f ü r das Franchising kennzeichnend, daß neben der zunehmenden Verbreitung im H a n d e l {Ihr Platz, Obi Heimwerkermärkte, Benetton, Bleyle, Falke, Nordsee ) das Prinzip v o r allem im D i e n s t l e i s t u n g s b e r e i c h verbreitet ist, v o n Gaststätten über Hotels, Tankstellen bis z u chemischen Reinig u n g e n (McDonalds, Wiener Wald, JRroper-Sltop ). 4. S e l e k t i v e A b s a t z p o l i t i k W ä h r e n d die meisten den indirekten A b s a t z w e g beschreitenden Hersteller daran interessiert sind, daß ihre Erzeugnisse in m ö g lichst vielen Handelsgeschäften angeboten w e r d e n , gibt es auch das umgekehrte Bedürfnis. Bei verschiedenen Produktgruppen ist es üblich, die Erzeugnisse nur über eine verhältnismäßig kleine Anzahl ausgewählter Fachgeschäfte zu vertreiben. Verbunden ist diese s e l e k t i v e A b s a t z p o l i t i k meist mit dem einstufig e n indirekten Absatz, d.h., daß der Hersteller ohne Einschaltung des Großhandels unmittelbar an die ausgewählten Einzelhändler liefert. Diese Strategie findet sich ausschließlich bei hochwertigen und hochpreisigen Erzeugnissen, deren Wertschätzung auf Seiten des Endverbrauchers durch die Exklusivität der Verkaufsstätten noch erhöht w e r d e n soll. W i r kennen dieses System bei teuren Kosmetika (Depositäre), bei feinmechanischen und elektrischen Erzeugnissen w i e z.B. Uhren, Computern oder Fernsehgeräten ("autorisierter Vertragshändler"). Nach Aufhebung der Preisbindung haben verschiedene Hersteller versucht, ihre Erzeugnisse auf dem W e g e der selektiven A b satzpolitik durch V e r t r i e b s b i n d u n g v o r dem Preisverfall zu retten. Händler, die die vom W e r k offiziell oder inoffiziell empfohlenen Preise nennenswert unterboten, w u r d e n v o n der weiteren Belieferung ausgeschlossen. 5. E x k u r s : D i e S t r u k t u r d e s H a n d e l s J e nachdem, o b ein Handelsgeschäft an W i e d e r v e r k ä u f e r b z w . Weiterverarbeiter verkauft oder aber an letzte Verwender, unterteilen w i r den Handel in G r o ß h a n d e l und E i n z e l h a n d e l .

Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

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a) Großhandel Die Großhandelsbetriebe können wir nach mehreren Kriterien unterscheiden. Nach dem Tätigkeitsgebiet haben wir den Einfuhr- und Ausfuhrgroßhandel einerseits, den Binnengroßhandel andererseits. Nach der Richtung der Großhandelstätigkeit kennen wir den Sammelgroßhandel und den Absalzgroßhandel. Nach der Sortimentsbreite unterscheiden wir den Sortimentsgroßhandel und den Fach- oder Spezialgroßhandel. Uns interessiert v o r allem der Absatzgroßhandel, und zwar sowohl in der Ausprägung des Sortimenters (mit breitem Angebot) als auch des Spezialisten (mit schmalem, aber tiefem Angebot). Beim Absatzgroßhandel unterscheiden wir nach der Art des Bedienungs- bzw. Liefersystems in den Bedienungsgroßhandel und den Selbstbedienungsgroßhandel. Die klassische Großhandelsform ist die des Bedienungsgroßhandels, auch Zustell- oder Iiefergroßhandel genannt. Der Großhandel übernimmt hierbei neben der Sortiments- und Lagerfunktion auch die Transportfunktion bis hin zu seinem Abnehmer. Eine Variante des Bedienungsgroßhandels liegt beim sogenannten Streckengeschäft vor. Im W e g e des Streckengeschäfts verkaufte Ware wird vom Großhändler weder selbst gelagert noch angeliefert. Er sorgt jedoch dafür, daß die über ihn bestellte Ware vom Hersteller ab dessen Fabriklager an den Kunden unmittelbar ausgeliefert wird. Das Streckengeschäft hat erhebliche Bedeutung bei Warenarten, deren Transport und Lagerung besondere Anforderungen stellen. Das gilt zum Beispiel für v o luminöse, relativ geringwertige Produkte, die durch den zusätzlichen Umschlag über Großhandelslager unnötig verteuert wurden . (Beispiel: Baustoffe) Im Konsumgüterbereich wird das Streckengeschäft beispielsweise bei leicht verderblichen oder sonst transport- und lagerempfindlichen Waren eingesetzt, etwa bei Frischkäse oder Tiefkühlkost. Beim Selbstbedienungsgroßhandel ist der Transport der Waren ab Großhandelslager Sache des Käufers. Der Großhändler ver-

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Drittes

Kapitel:

Markt-Gestaltung

ziehtet auf die Anlieferfunktion und kann daher preiswerter anbieten. Meistens liefert der Selbstbedienungsgroßhandel nur gegen sofortige Zahlung aus, teilweise werden noch nicht einmal Schecks angenommen, sondern nur Bargeld. In diesem Fall spricht man vom Cash-and-Carry-Großhandel (Cash = Kasse, Carry = Transportieren). Ursprünglich zur preiswerten Belieferung des Einzelhandels gedacht, verlagert sich die Kundenstruktur der C&C-Großhandlungen zunehmend auf den Bereich des Nicht-Einzelhandels, d.h. auf den Bereich der Großverbraucher und sonstigen Weiterverarbeiter. Eine Aufweichung des Kreises der Einkaufsberechtigten in Richtung auf private Endverbraucher ist bei manchen C&C-Großhandlungen zu bemerken, die dadurch faktisch zu Verbrauchermärkten werden. Fachgroßhandlungen mit schmalem Sortiment haben sich neben dem alles führenden Sortimentsgroßhandel vor allem bei solchen Artikelgruppen etabliert, die einer besonderen Bearbeitung bedürfen. Das ist etwa bei leicht verderblichen Gütern gegeben (Blumengroßhandel, Fier-Butter-Käse-Großhandel, Fischgroßhandel). Diese Spezial-Großhandlungen üben neben ihrer Absatzfunktion häufig auch die Funktion des Sammelgroßhandels aus, indem sie die Waren bei einer Vielzahl oft kleiner Lieferanten aufkaufen ("Aufkaufgroßhandel"). Eine weitere Unterscheidung der Großhandelsunternehmungen ist die nach dem Grad der Selbständigkeit. Es gibt den selbstäntligen, unabhängigen Großhandel und den Gruppengroßhandel, der in unterschiedlichem Ausmaß von Handelsgruppen abhängig ist. Schließlich gibt es herstellereigene Großhandelsbetriebe. Meistens spielen sie die Rolle einer ausgegliederten Verkaufsorganisation. b ) Einzelhandel. Die Vielfalt der Formen ist im Einzelhandel noch größer als im Großhandel. Seit dem letzten Weltkrieg haben sich die Strukturen, die Betriebsgrößen, die Verkaufsmethoden und Anbiettechniken stark verändert.

Drittes Kapitel: Markt-Gestaltung

103

Die ursprünglich dominierenden selbständigen Einzelhandelsgeschäfte haben - bei heute schon geringer Anzahl und weiter abnehmender Tendenz - inzwischen eine kaum noch nennenswerte Umsatzbedeutung erreicht. Ihre frühere Stellung haben einerseits Großbetriebe des Einzelhandels, andererseits Einzelhandels-Zusammenschlüsse eingenommen. Eine wichtige Rolle spielt außerdem noch der Versandhandel. (1) Großbetriebe des Einzelhandels Zu den Großbetrieben zählen die klassischen Formen der Kaufhäuser (breites, auch tiefes Sortiment bei bestimmten Artikeln bzw. Bedarfsgruppen, z.B. Textilkaufhaus) und W a r e n häuser (breites, aber oft flaches "Vollsortiment"). Aber auch die neueren Formen der Großbetriebe des Einzelhandels, die Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser, ziehen steigende Marktanteile auf sich. Der Verbrauchermarkt unterscheidet sich v o m Supermarkt (dem klassischen "größeren" Geschäftstyp des Einzelhandels, Mindestgröße 400 qm) nicht nur durch eine größere Verkaufsfläche von mindestens 1000 qm, sondern v o r allem durch einen höheren Anteil von Non-Food sowie das Angebot von "Hartwaren", das sind Möbel, Hausrat, Textilien, Autozubehör, Heimwerkerbedarf und anderes. Das Sortiment eines Verbrauchermarktes unterscheidet sich allenfalls in der Gewichtung, nicht aber grundsätzlich von dem eines Warenhauses. Manche Verbrauchermärkte nennen sich folgerichtig auch SB-Warenhaus. Neuerdings finden sich mehr und mehr SB-Warenhäuser, die in der Form eines Gemeinschaftswarenhauses gegründet werden. Eigentümer ist dabei nicht einer oder eine Gesellschaft, sondern die einzelnen Abteilungen bzw. Sortimentsbereiche werden von selbständigen, unabhängigen Kaufleuten in ein gemeinsames Haus, unter ein Dach gebracht und selbständig betrieben. Bei den Kaufleuten handelt es sich meist um Einzelhändler, die ihre traditionellen Handelsgeschäfte weiterführen und in der Beteiligung im Gemeinschaftswarenhaus lediglich den veränderten Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher Rechnung tragen.

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Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

Während die Supermärkte "den Verbrauchern nachgehen", also in den Wohngebieten und innerstädtischen Einkaufsgegenden angesiedelt sind, haben sich Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser in den Randzonen der Städte oder auch in den Zwischenzonen zwischen Ballungsgebieten niedergelassen. Zu dieser Standortpolitik gibt es mehrere Gründe: Erstens sind dort die Grundstückspreise noch am niedrigsten, zweitens bieten die Rand- und Außenlagen die Gelegenheit, ein großräumiges Einzugsgebiet zu erschließen und drittens lassen sich nur außerhalb der Stadtkerne genügend Parkplätze für die Kunden bereitstellen. Schließen sich mehrere Großbetriebe des Einzelhandels zu einer räumlichen Gemeinschaft, aber jeweils in eigenen Häusern und unter eigener Firmierung, zu einem gebündelten Angebot aller Bedarfe an Produkten und Dienstleistungen zusammen, so sprechen wir von einem Einkaufszentrum. Es handelt sich dabei nicht um einen Großbetrieb des Einzelhandels, sondern um ein Nebeneinander verschiedener Formen, die auch durchaus miteinander konkurrieren: Klassische Waren- und Kaufhäuser neben Supermärkten und Fachgeschäften. Wegen der überörtlichen Anziehungskraft eines solchen riesigen Angebots finden wir die Einkaufszentren nur in Ballungsgebieten mit Millionenbevölkerung im näheren Umkreis. Eine weitere Gruppe von Großbetrieben des Einzelhandels sind die F'ilial-Unternehmen. Vielleicht ist es bemerkenswert, daß die einzelne Filiale, die von einem Kunden besucht wird, zum Unterschied von einem Warenhaus oder Verbrauchermarkt nicht als "Großbetrieb" erlebt wird. Filiiiibetriebe des Einzelhandels sind Unternehmungen mit mindestens fünf Verkaufsstellen. ( 2 ) Einzelhandels-Zusammenschlüsse Iin Bereich der Hinzeihandels-Xusammenschlüsse begegnen wir drei Spielarten: Den Konsumgenossenschaften, den Einkaufsgenossenschaften und den freiwilligen Ketten.

Drittes Kapitel: Markt-Gestaltung

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Die K o n s u m g e n o s s e n s c h a f t e n waren anfänglich Zusammenschlüsse von Verbrauchern, mit der Absicht, durch gemeinsamen Einkauf preiswerte W a r e zu beziehen und sie über eigene Geschäfte nur an Mitglieder zu vertreiben. Nach und nach wurde dieses Prinzip verändert und erweitert, z.B. durch die Errichtung eigener Produktionsstätten und schließlich durch die Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte für alle Verbraucher, gleich o b Mitglied der Genossenschaft oder nicht. Die konsumgenossenschaftlichen Einzelhandelsgeschäfte waren bzw. sind, genau w i e die sie versorgenden Großhandlungen, Eigentum der Genossenschaften, also letztlich der Genossen. Ein völlig anderes Prinzip finden wir bei den H i n k a u f s g e n o s s e n s c h a f t e n vor. Iiier haben sich nach w i e v o r selbständige Einzelhändler zu gemeinsamem Einkauf zusammengeschlossen, d.h., eigene Großhandelsfirmen auf genossenschaftlicher Basis gegründet. Als äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zur Einkaufsgenossenschaft firmieren die Einzelhandelsgeschäfte zwar juristisch unter dem Namen des selbständigen Inhabers, jedoch unter dem gemeinsamen Mantel der Genossenschaftsbezeichnimg (Edeka, Rewe). Die ursprünglich alleinige Funktion des gemeinschaftlichen Finkaufs wurde erweitert auf gleichartige äußere und innere Ladengestaltung, allgemeine Betriebsberatung, bis hin zur gemeinsamen W e r b u n g für eigene (Handels-)Marken. Die dritte Gruppe der Einzelhandelszusammenschlüsse, die freiwilligen Ketten (z.B. SPAR), bilden scheinbar den losesten Zusammenschluß. Selbständige Einzelhändler finden sich im B e reich eines oder mehrerer Großhandlungen zu einer Markt-Kooperation zusammen. Die Selbständigkeit ist allerdings nur juristischer Art, die wirtschaftliche Bindung an die Kette ist derart umfassend, daß bei den meisten kettenangehörigen Einzelhändlern kaum noch von selbständigen Kaufleuten gesprochen werdet) kann. In noch höherem Maß als beim einkaufsgenossenschaftlichen Einzelhändler ist der Angehörige einer freiwilligen Kette einer Abnahmeverpflichtung beim Kettengrossisten unterworfen . Z w a r bietet die Kette bzw. der regional zuständige Kettengrossist umfangreiche Serviceleistungen bis hin zu I.adenbau, Sortimentszusammenstellung, Gebietsschutz und Publikumswerbung, doch ist der Händler nicht viel freier als der Geschäftsführer einer Filiale.

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Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

Vorteile ergeben sich für die gesamte Kette durch die geballte Nachfragemacht gegenüber den Herstellern, wodurch günstige Preise ausgehandelt werden können. Diese Preisvorteile können den Verbrauchern weitergegeben werden. IV. Vertriebsorganisation Abschließend befassen wir uns im Rahmen der Distributionspolitik mit den Möglichkeiten der innerbetrieblichen Organisation der Vertriebsfunktion. (Vgl. hierzu die Schaubilder 2 und 3 ) 1. Organisationsform Verkaufs-Abteilung Die historische F o r m der innerbetrieblichen Organisation der Vertriebsfunktion ist die einer Verkaufs- oder Vertriebsabteilung. Diese Organisationsform ist auch heute noch weit verbreitet, v o r allen in mittleren und kleinen Unternehmungen. Die Verkaufsabteilung ist zuständig für den Einsatz des Außendienstes und die Abwicklung der vom Außendienst hereingegebenen Aufträge. Andere absatzwirtschaftliche Funktionen außer der Abwicklung der Verkaufsgeschäfte selbst werden von der Verkaufsabteilung nicht ausgeübt. Entweder werden derartige Funktionen (z.B. Marktforschimg, Werbung, Verkaufsförderung) im Unternehmen überhaupt nicht praktiziert und sind somit auch nicht institutionalisiert oder es gibt entsprechende Abteilungen bzw. Stellen außerhalb des Organisationsbereichs der Verkaufsabteilung. Eine Zusammenarbeit mit diesen Funktionen erfolgt, da es sich um gleichberechtigte Linien handelt, entweder freiwillig-kollegial, also mehr sporadisch und zufällig, oder kraft Veranlassung durch die oberste Geschäftsleitung. Bei einer organisatorischen Variante des gleichen Prinzips sind die Funktionen Marktforschung und Werbung aus der Linie herausgenommen und der Geschäftsleitung unmittelbar als Stabsstellen angegliedert. Diese Konstellation ist in den seltensten Fällen geeignet, ein harmonisches und erfolgreiches Zusaminenspiel des Verkaufs mit den anderen Marketingfunktionen zu gewährleisten.

Drittes

Kapitel:

Markt-Gestaltung

107

| Geschäft sleitung"^ Einkauf

Produktion

Finanzen

Verkaut

Verwaltung

Verkaufsgruppe 1 Verkaufsgruppe 2 Verkaufsgruppe 3

Geschaftsieitung Produktion

Einkauf

Finanzen

Verwaltung

Verkauf

WerbeAbteilung

Verkaufsgruppe 1 Verkaufsgruppe 2 Verkaufsgruppe 3

Marktforschung Einkauf

Produktion

GeschaHsleUung



Werbung

Verkauf

Verwaltung

Verkaufsgruppe 1 Verkaufsgruppe 2 Verkaufsgruppe 3

Schaubild

2 Organisationsformen

des Vertriebs

(I),,

Verkaufs-Abteilung'

2. Orgaiiisationsform Unechte Marketing-Abteilung Unzufrieden mit den Nachteilen des Nebeneinanderheroperierens der mit Marketingaufgaben befaßten Abteilungen bzw. Funktionen gingen manche Firmen dazu über, die "Hilfsfunktionen" des Verkaufs w i e Marktforschung und W e i bung dem Verkaufsbereich organisatorisch einzugliedern. Auch dort, w o man das so beschaffene Gebilde "Marketingabteilung" nannte und nicht den althergebrachten Namen Verkaufsabteilung beibehielt, w a r damit allein noch nicht die Voraussetzung für ein effizientes Absatz-Marketing geschaffen. Die Unechte Marketing-Abteilung ist nicht viel mehr als eine Verkaufsabteilung, die sich mit modischen Funktionen w i e Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations oder Marktforschung schmückt.

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Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

3. Organisationsform Echte Marketing-Abteilung Erst die Einführung des Marketing-Direktors bzw. die Statusund Funktionsanhebung des Ressortchefs Absatz, Verkauf oder Marketing in den Rang der traditionell dominierenden Ressorts Produktion oder Finanzen ermöglicht in der Praxis den theoretisch optimalen Einsatz der Markeiingleistungen und damit auch der eigentlichen Vertriebsfunktion. In der Echten Marketingabteilung sind neben dem traditionellen Bereich Verkauf oder Vertrieb, der für die physische Distribution der Waren zuständig ist, alle anderen Marketingfunktionen integriert. Das sind nicht nur die schon erwähnten, stärker dem Verkauf zuzuordnenden Instrumente Ab s a tzm arktfo rschung, Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations und Absatzplanung, sondern auch vor allem die traditionell von anderen Ressorts wahrgenommenen Funktionen der Produkt- und Preispolitik wie Entwicklung neuer Produkte, Produktplanung und gestaltung, Preisgestaltung. Die letztgenannten Funktionen sind beim Prinzip der echten Marketingabteilung aus der Verantwortung der Ressorts Produktion und Finanzen genommen und dem Ressort Marketing übertragen. Bei der geschilderten Otganisationsstruktur wird der Marketingbereich gewöhnlich in die Teilbereiche Verkauf (oder Absatz oder Vertrieb) einerseits und Marketing-Services andererseits unterteilt. Die Marketingdienste sind die anderen aufgeführten Funktionen der Planung und Kontrolle des Verkaufs. Innerhalb des eigentlichen Vertriebsbereichs gibt es zwei organisatorische Möglichkeiten. Entweder ist der Vertrieb als reine Verkaufsabteilung klassisch strukturiert, was bedeutet, daß das Leistungsangebot der Marketing-Services ähnlich wie beim Prinzip der unechten Marketing-Abteilung entweder nur freiwillig oder auf jeweiliges Geheiß der obersten Marketingleitung durch den Verkauf in Anspruch genommen wird.

Drittes Kapitel: Markt-Gestaltung

109

2 ..Unechte Marketing-Abteilung"

Verkaufsgruppe 1 Verkaufsgruppe 2 Verkaufsgruppe 3 Werbung Marktforschung

•) oder: Marketing

3 ..Echte Marketing-Abteilung"

Verkaufsgruppe 1 Verkaufsgruppe 2 Verkaufsgruppe 3

II II II II

Marktforschung Werbung Verkaufsförderung. PR

3a. ..Echte Marketing-Abteilung mit Product-Management"

VG 1 PM 1 VG 2 4 * P M 2 PM 3 VG 3

Schaubild

3

Organisationsformen

des Vertriebs

Marktforschung Werbung VF. PR

(II),,Marketing-Abteilung"

Bei der anderen Variante ist die Zusammenarbeit zwischen Marketing-Diensten und Verkauf in allen Phasen automatisch garantiert. Es handelt sich hierbei um das System des Product-Managements.

110

Drittes Kapitel:

Markt-Gestaltung

Man kann sich den Product-Manager als eine Art Marketing-Direktor im Kleinen vorstellen. Jeder Product-Manager ist zuständig für eine oder mehrere Marken, und zwar sowohl für den Verkauf (definiert in Umsatzergebnissen), als auch für den Einsatz aller Marketing-Dienste wie Werbung, Verkaufsförderung usw. Durch rangmäßige Gleichstellung mit dem Leiter der Werbeabteilung, der Marktforschung usw. einerseits und den Außendienst-Verkäufern andererseits ist durch die Etablierung des Product-Managers die reibungslose Zusammenarbeit zwischen dem Verkauf und den Marketing-Diensten gewährleistet.

VIERTES KAPITEL Markt-Kommunikation Die beeinflussende Information als Voraussetzung der Leistungsverwertung Dieses Kapitel behandelt die verschiedenen Instrumente, die dem Anbieter einer Leistung (Produkt oder Dienstleistung) zur Verfügung stehen, um den Verbraucher zu informieren und zu beeinflussen. Der Einsatz solcher Instrumente im beschriebenen Sinn wird neuerdings Marketing-Kommunikation oder MarktKommunikation genannt. W i r wollen uns im ersten Abschnitt mit der Theorie der MarktKommunikation auseinandersetzen. Im Anschluß daran beschreiben wir die Instrumente der beeinflussenden Information, nämlich Absatzwerbung, Public Relations, Verkaufsförderung und Personal Selling. A. Z U R T H E O R I E D E R MARKT-KOMMUNIKATION I. Begriffsbestimmung 1. Kommunikation Unter Kommunikation verstehen wir den Austausch von Nachrichten und Informationen oder die Verständigung durch Übermittlung von Informationen. Aus diesen beiden Definitionen geht hervor, daß es sich nicht um eine einseitige Nachrichtenübermittlung handelt, sondern um eine zweiseitige: Einen Austausch von Informationen zwischen einem Sender und einem Empfänger. Den einseitigen Nachrichtenfluß wollen wir als Information, den zweiseitigen als Kommunikation bezeichnen.

112

Viertes Kapitel:

Markt-Kommunikation

2 . Markt-Kommunikation W e n n wir die Reaktionen der Verbraucher auf die Information durch die Anbieter informationstheoretisch als Rückkopplung verstehen, also als Reaktion auf das Verhalten der Anbieter, so können wir den Begriff Markt-Kommunikation in Anlehnung an Häseloff wie folgt definieren: Markt-Kommunikation ist die Übermittlung von Botschaften durch den Anbieter an potentielle Abnehmer/Verbraucher zum Z w e c k der Steuerung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen (Aktion) und die dadurch erzielte Beeinflussung der Adressaten im intendierten Sinn (Reaktion). I I . Ablauf der Markt-Kommunikation W i r können uns den Ablauf der Markt-Kommunikation als kybernetischen Regelkreis vorstellen. Das folgende Schaubild demonstriert einen Marktkommunikationsvorgang, nämlich die Werbung für ein Waschmittel und die Wirkung der Werbemaßnahme. Sender (Kommunikator) ist der Hersteller des Waschpulvers. Über den Kanal (Medium) Tageszeitung bringt er seine Nachricht (Botschaft oder Kommunique) in Form einer Werbeanzeige an die Empfänger (Kommunikant), hier an alle Hausfrauen. Die Rückkopplung (Feedback) besteht im positiven Fall darin, daß die angesprochenen Verbraucher auf die Werbung reagieren. Die Reaktion muß nicht unbedingt der Kauf der Ware sein; entsprechend den Werbezielen liegt eine positive Reaktion auch schon in Vorstufen zum Kauf, z.B. der Markenkenntnis, der Markenpräferenz, der Probierabsicht. Wird die Werbeanzeige dagegen nicht gesehen oder nicht beachtet, so kommt keine Kommunikation zustande; die Werbung war in bezug auf diesen Verbraucher eine einseitige Information.

Viertes Kapitel:

Markt-Kommunikation

113

Botschaft TZ-Anzeige Sender

Kanal

(Waschmittelhersteiler)

(Tageszeitung)

N

Empfänger (Hausfrauen in einer Stadt)

Rückkopplung (Markenkenntnis. Markenpräferenz. Probierneigung. Kauf der Ware) Schaubild

4: Ablauf

der

Marktkommunikation

Im folgenden schildern wir den Ablauf der Marktkommunikation bei den einzelnen Elementen des kybernetischen Regelkreises. 1. Beim Kommunikator Voraussetzung einer erfolgreichen Aussendung von Botschaften an die Verbraucher ist die Kenntnis des Ist-Zustandes. Der Kommunikator muß sein Wissen über den Markt vervollständigen und aktualisieren. Hierzu bedient er sich des Mittels der Marktforschung. Anhand dieser Marktkenntnis kann er seine Beeinflussungsabsichten konkretisieren. Im Anschluß hieran muß die Nachricht, das Kommunique, gestaltet werden. Dazu ist eine Ubertragimg in Zeichen und S i g nale erforderlich, wobei gewährleistet sein muß, daß die Kommunikanten, also die Angehörigen der Zielgruppe, den Zeichen und Signalen die gleiche Bedeutung beimessen. Es muß beispielsweise sichergestellt sein, daß bei einer Werbedrucksache eine verwendete antike Schrifttype, die auf die Tradition der anbietenden Firma hinweisen soll, vom Empfänger auch so aufgefaßt wird, und nicht etwa im Sinne von veraltet oder rückständig. Es ist ferner zu beachten, daß die Nachricht nicht nur dem Kommunikator, sondern auch dem Empfänger wichtig erscheint.

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Viertes Kapitel:

Markt-Kommunikation

Andernfalls wird sie sich im Konzert konkurrierender Angebote kaum abheben können. Schließlich muß sie so gestaltet sein, daß sie leicht gelernt und gemerkt werden kann, damit ein langfristiger Kommunikationserfolg möglich ist. Im Zusammenhang mit dem Fixieren des Kommuniques wählt der Kommunikator die tJbertragungskanäle aus, mit denen die Botschaften an die Empfänger gelangen sollen. Konkret gesprochen bedeutet dies die Auswahl der Medien. Dabei ist auf die Zielgruppenadäquatheit zu achten, damit die Kanäle die Zielgruppen ohne große Verluste ( Streuverluste) erreichen. 2. Beim Kommunikanten Nachdem der Kommunikator das Kommunique über den Kanal an die Zielgruppe herangetragen hat, interessiert uns deren R e aktion. Grundbedingung für die Iiiformationsaufnahme des Kommuniques ist die physische Erreichbarkeit der Zielgruppe durch die gewählten Kanäle. W e r eine bestimmte Zeitschrift nicht liest, kann eine darin enthaltene Anzeige nicht wahrnehmen. W e r nicht selbst zum Einkaufen in den Supermarkt geht, kann eine Warendemonstration durch eine Propagandistin nicht erleben. Die tatsächliche Erreichbarkeit durch die Medien allein genügt indessen nicht. Die Botschaft muß vom Empfänger entziffert werden, und zwar in der vom Kommunikator beabsichtigten Bedeutung. Erst wenn der Angesprochene die Botschaft, zum Beispiel einen Public-Relations-Beitrag in einer Zeitschrift, im Sinne des Absenders versteht, kann er auch in dessen Sinn reagieren. Die aufgenommene und richtig verstandene Botschaft beeinflußt die Gefühle und Bedürfnisse des Empfängers. Sein Wissen, seine Meinungen, seine Wertvorstellungen und damit letztlich seine Verhaltensweisen werden berührt. Im Empfänger werden kognitive (erkenntnismäßige) und emotionale (gefühlsmäßige) Prozesse in Gang gesetzt. Kroebet^Riel bezeichnet die Beeinflussung als einen psychischen Prozeß. E r berichtet von Untersuchungen, wonach mit steigender Emotionalisierung von Botschaften die Erfolgs Wirkungen zunehmen. Die ausgelösten Emotionen seien aber nur

Viertes Kapitel:

Markt-Kommunikation

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dann zweckmäßig, wenn das Individuum auf bestimmte Vcrhaltensziele gelenkt werde. S o sei es nötig, daß kognitive Pro/esse durch sachliche (rationale) Informationen ausgelöst würden, die geeignete Verhaltensziele bewußt machen. Pin Beispiel soll das Gesagte verdeutlichen. In einer Werbeanzeige f ü r Weinbrand löst die Art des I^andschaftshintergrundes im Betrachter der Anzeige bestimmte E m o tionen aus, w e c k t bestimmte Gefühle, die zu einer Spannung im Individuum führen. Die sachlichen Angaben zum Produkt machen dem Betrachter das Verhaltensziel "Kauf des Weinbrands" bewußt, wodurch sich die Spannung abbauen läßt. Die gesamte Beeinflussung durch eine Botschaft erfolgt in Phasen oder Stufen. Ein bekanntes Beeinflussungsmodell ist die A i d a - F o r m e l der Werbewirkung. Danach läuft die W e r b e w i r k u n g beim Individuum in folgenden vier Phasen ab:

A I D A

= = = =

Attention Interest Desire Action

Aufmerksamkeit für W e r b u n g Interesse am Angebot Drang nach Besitz Aktion (Kaufhandlung)

Die Beeinflussungsabsicht des Kommuniques zielt letztlich auf einen Rückkopplungseffekt zum Kommunikator, im Idealfall auf die Vornahme der Kaufhandlung. W i e w i r beim Schaubild sahen, muß jedoch die Rückkopplung nicht immer unmittelbar und f ü r den Kommunikator erkennbar an ihn zurückgehen. Die Kenntnis einer Marke, die Wertschätzung eines Dienstleistungsangebots, auch die Handlungsabsicht (zum Kauf eines Produkts, zur W a h l einer Partei, zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung) sind f ü r den Kommunikator nicht unmittelbar vom Markt her erkennbar. E r kann allerdings derartige Rückkopplungsergebnisse durch das Instrument der Meinungsforschung ermitteln.

116

Viertes Kapitel:

Markt-Kommunikation

3. Exkurs: Die sogenannte zweistufige Kommunikation Iin kybernetischen Modell gelangt die Botschaft über einen Kanal an den Empfänger und erzielt dort die beabsichtigte Beeinflussung. Das kann entweder ein Kanal der persönlichen Kommunikation sein (der direkten, unmittelbaren Kommunikation) wie z.B. ein Gespräch oder aber ein Kanal der Massenkommunikation (indirekte, anonyme, Medien-Kommunikation) wie z.B. die Werbung im Fernsehen. Lange Zeit nahm man an, daß ein über die Massenkommunikation ausgesendetes Kommunique allein in der Lage sei, die Zielgruppe quantitativ und qualitativ ausreichend im Sinne des Kommunikationsziels zu beeinflussen. Beginnend in den späten Vierziger Jahren haben zunächst amerikanische Kommunikationsforscher (Katz, Lazarsfeld, Berelson, Lasswell u.a.) herausgefunden, daß die Annahme der direkten Verhaltenssteuerung oder Meinungsbeeinflussung durch Massenmedien ein zu vereinfachtes Modell der tatsächlich ablaufenden Prozesse darstellt. Unabhängig von der Beeinflussimg durch Massenmedien wird laut Kroebei^Riel das Verhalten des einzelnen in erster IJnie durch die persönliche Kommunikation mit solchen Leuten beeinflußt, die ihm nahestehen. Wenn soeben von einem zu vereinfachten Modell der Annahme einer direkten Steuerung durch Massenmedien gesprochen wurde, so ist jetzt hervorzuheben, daß auch die häufig anzutreffende gegenteilige Meinung - Kommunikation durch Massenmedien könne nur bei Ergänzung durch persönliche Kommunikation wirksam werden - simplifiziert ist.

Haseloff sagt zwar, daß die über Massenmedien in Gang gesetzte Kommunikation in der Regel in zwei Stufen erfolge: 1. Indirekte Kommunikation (Streuung von Botschaften über Massenmedien), 2. Direkte Kommunikation (Weitergabe der Botschaften im unmittelbaren Gespräch).

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Er schränkt aber diese "Regel" insofern ein, als er der Massenkommunikaüon doch eine eigenständige Beeinflussungsmöglichkeit zugesteht: Die über Medien gestreute Botschaft könne "ihre Zielgruppen" erreichen und überzeugen.

Diese Zielgruppen seien zum einen potentielle Verbraucher und zum anderen "Induktoren", die weniger durch Produktinteresse als vielmehr durch allgemeine werbliche Aufgeschlossenheit und durch Interesse an Innovationen gekennzeichnet seien. (Der Induktor ist weilgehend mit dem Meinungsführer identisch).

Hierzu ist unbedingt anzumerken, daß die beiden definierten Zielgruppen in der Praxis äußerst selten allein angesprochen werden. In der Regel gilt die kommunikative Ansprache einem größeren Kreis potentieller Interessenten. Versteht man HaseJoffs "potentielle Verbraucher" dagegen als Hauptzielgruppe einer werblichen Strategie, dann konstatiert er mit seiner Einschränkung die generelle Gültigkeit der einstufigen Kommunikation, nämlich die durch Massenmedien allein. Gelegentlich wird in der Literatur der Rolle des Meinungsführers eine Multiplikator- oder Verstärkerwirkung zugeschrieben. Neuere empirische Untersuchungen in der Bundesrepublik kommen indes zu anderen Ergebnissen. Sch warzcnauer weist nach, daß der Anteil der Hausfrauen, die sich Einfluß auf andere zuschreiben, etwa genauso groß ist wie der Anteil derjenigen, die nach eigener Angabe beeinflußt werden. Wesentlicher ist aber der Befund, daß beide Gruppen weilgehend identisch sind.

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Auch in amerikanischen Untersuchungen ist festgestellt worden, daß die "Givers" und die "Askers" häufig dieselben Personen sind. Weiter hat man dort ermittelt, daß bei drei Vierteln der Fälle ein Meinungsaustausch, also keine einseitige Meinungsbeeinflussung, stattgefunden hat. Wir können festhalten: Die Hypothese der zweistufigen K o m munikation (Two-Step-Flow) hat in der Markt-Kommunikation Gültigkeit. Nach bisherigen Einsichten und Untersuchungen tritt sie jedoch nicht immer in Aktion, sondern nur bei Entscheidungen von einigem Risiko und Gewicht. Für andere Entscheidungen kann ausschließlich massenmediale Beeinflussung ausreichen. Die zweite Stufe der persönlichen Beeinflussung wirkt in aller Regel nicht im Sinne einer quantitativen Verstärkung, einer Multiplikation. Zur Beeinflussung einer großen Quantität von Kommunikanten ist es daher erforderlich, auch bei Annahme der unterstützenden Beeinflussung durch "Meinungsführer", die gewünschte große Quantität von Kommunikanten insgesamt durch Massenmedien anzusprechen. III. Störungen der Markt-Kommunikation W i r können unschwer erkennen, wie vielfältig die Störungsmöglichkeiten sind, die den Kommunikationsablauf verfälschen, erschweren, hemmen oder unterbrechen können. Störmöglichkeiten liegen bei allen Komponenten des kybernetischen Regelkreises, beim Kommunikator, beim Kommunique, beim Kanal und, vor allem, beim Kommunikanten, dem Empfänger der Botschaft. W i r beschränken uns darauf, einige wichtige Störmöglichkeiten beim Kommunikanten zu diskutieren. 1. Technische B l o c k a d e Eine Störung des Kommunikationsablaufs kann beim Empfänger dadurch entstehen, daß er die Botschaft nicht erhält. Hiermit sind nicht die Störungen beim Kanal gemeint, sondern Störungen, die der Kommunikant selbst (meist unbeabsichtigt) verursacht. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein Individuum der Zielgruppe ist zwar Fernsehbesitzer, also theoretisch durch Fernsehwerbung erreichbar, hat aber während der Ausstrahlung

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des Spots das Gerät nicht eingeschaltet. Oder: Ein anderer ist zwar im allgemeinen regelmäßiger Leser einer Zeitung, liest aber eine Ausgabe mit einem Public-Relations-Artikel nicht. Dieses Phänomen wird in der Mediaforschung unter dem Stichwort Kontakt-Chancen behandelt. Dabei geht es um den Übergang vom Werbeträgerkontakt zum Werbemittelkontakt. Es handelt sich wohlgemerkt nicht um Störvaiiable beim Medium (Kanal) oder beim Kommunique (Anzeige, Spot usw.) sondern beim Empfänger. Abschließend sei noch einmal unterstrichen, daß es sich bei der Technischen B l o c k a d e um rein physische Tatbestände handelt. 2 . Selektive Wahrnehmung Angesichts der Vielzahl von inneren und äußeren Reizen ist es offenkundig, daß das Individuum die bei ihm eintreffenden Nachrichten selektiert. Selektive Wahrnehmung ist die Auswahl von Reizen, die wahlgenommen werden, und die Aussonderung von Reizen, die nicht wahrgenommen werden. Die Selektion geschieht automatisch, also unbewußt, aufgrund der Interessen- und Bedürfnissituation des Kommunikanten. Sie ist weiterhin vom Schwierigkeitsgrad der Aufnahme der Nachricht abhängig. Die interessen- und bedürfnisabhängige Selektion des Wahlgenommenen kann in der täglichen Lebenserfahrung beobachtet werden: Niemals sieht man soviele Kinderwagen in den Straßen, als wenn in der eigenen Familie ein "Freudiges Ereignis" bevorsteht. Oder: Interessiert man sich für den Kauf eines italienischen Luxusautos, so glaubt man mit einem Mal, auf Schritt und Tritt dieser doch relativ seltenen Marke zu begegnen. Die Erscheinung der selektiven Wahrnehmung kann man als eine Herabsetzung der Wahrnehmungsschwelle ansehen. Andererseits kann die Aussonderung von Reizen zu Störungen im Kommunikationsablauf führen. Wenn die Motiv- und Bedürfnislage einer Zielperson nicht auf "Zigarren" eingestellt ist, sorgt die selektive Wahrnehmung dafür, daß sie eine entsprechende Werbung nicht "sieht".

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3. Reaktanz Eine andere Art der Störung des Kommunikationsablaufs beim Kommunikaten ist die Reaktanz. Hierunter verstehen wir eine besondere Art des Widerstands gegen Meinungsbeeinflussung. Die Wirksamkeit der auf Meinungsbeeinflussung gerichteten Kommunikation wird immer dann verringert, wenn der Kommunikant glaubt,

vom Kommunikator manipuliert zu werden, sich mit einer falschen Urteilsbildung ins Unrecht zu setzen, gesellschaftlich mißbilligt zu werden.

Voraussetzung für das Auftreten von Reaktanz ist, daß der Kommunikant den ausgeübten Druck auf seine Verhaltens- oder Meinungsfreiheit subjektiv wahrnimmt und daß die bedrohte Freiheit als wichtig empfunden wird. Der Kommunikant steht dann unter dem Eindruck, wichtige und tatsächlich auch vorhandene Wahlalternativen würden ihm beschnitten. Dieser Eindruck stellt sich immer dann ein, wenn die Zielpersonen (z.B. einer Werbung) glauben, der Kommunikator wolle sie gegen ihre eigene Meinung zu einem Standpunkt "bekehren". Je glaubwürdiger die Botschaft (auch der übermittelnde Kanal, auch der Kommunikator), umso weniger ist Reaktanz zu erwarten. IV. Das zentrale Problem der Kommunikationsforschung: Die Interdependenzen von Reiz und Empfänger Die kommunikative Beeinflussung beim Empfänger hängt auf das engste mit den Reizen zusammen, die von den Kommuniques ausgehen.

Viertes Kapitel: Markt-Kommunikation Haseloff sowohl als auch Kroeber-Riel Fragestellung von Jetnis und Hovland

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rücken die klassische in den Vordergrund:

W i e wirken gleiche Reize auf verschiedene Empfänger? und W i e wirken verschiedene Reize auf gleiche Empfänger?

W e d e r in der Theorie noch in der Praxis ist es bisher in ausreichendem Maß gelungen, Umfang und Auswirkung von Kommunikationsanstrengungen (Reize, Stimuli) auf die Kaufentscheidungen der Kommunikanten (Rezipienten) zu messen. Abschließend stellen wir den Ablauf der kommunikativen B e einflussung in Schaubild 5 dar. W i e wir sehen, gehen Reize auf den Kommunikanten nicht nur v o m Kommunique aus, sondern auch unmittelbar v o m Kommunikator und v o m Kanal. Weitgehend ungeklärt ist der innere Verarbeitungsprozeß der Stimuli, die den Kommunikanten schließlich zur Reaktion, also der Rückkopplung, leiten.

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Beeinflussungsabsicht Stimuli

Kommunikator

Kanal

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Kommunique

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Prozeß der Informationsverarbeitung

Reaktionen Beeinflussungsziel

Schaubild

5: Von

der Beeinflussungsabsicht

zum

Beeinflussungsziel

Der Kommunikator Waschmittelfirma s o w i e der Kanal Zeitschriften wirken nicht nur mittelbar durch das Kommuniqu6 Waschmittel-Anzeige auf die Kommunikanten = Verbraucher ein, sondern auch unmittelbar durch ihre Images. B

ABSATZWERBUNG

Die Absatzwerbung ist zweifellos das bedeutsamste Instrument der Marktkommunikation. Deshalb sei ihr bei der Darstellung der kommunikativen Elemente der breiteste Raum gewährt. W i r verstehen Absatzwerbung als Teilgebiet der Wirtschaftswerbung, welche wiederum dem Gesamtkomplex Werbung unterzuordnen ist. Die meisten gängigen Definitionen des Begriffes W e r b u n g (und damit auch der Absatzwerbung), wie die von Seyffert und Behrens, enthalten Hinweise auf die Freiwilligkeit bzw. Zwangfreiheit, mit der sie beeinflussen soll. W e n n auch die Absatzwerbung sicher keinen konkreten Z w a n g ausübt - ohne

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einen gewissen psychischen Druck ist sie in aller Regel wirkungslos. W i r halten die These von der Konsumentensouveränität für nicht bewiesen und nicht beweisbar. Der souveräne Konsument ist nur mit Hilfe der Fiktion des Homo Oeconomicus denkbar. Diesen aber gibt es nicht, schon gar nicht in seiner Rolle als (privaten) Verbraucher. Wenn Absatzwerbung nicht in der Lage ist, einen Verbraucher auch zu ungewollten Handlungen zu leiten, kann sie ihre Funktion nicht erfülleil. Aus diesen Überlegungen heraus halten wir eine Definition des Phänomens Absatzwerbung für angemessen, bei der die Frage der Freiwilligkeit bzw. der Abwesenheit von Zwang ausgeklammert ist. In Anlehnung an Haseloff kommen wir zu folgender Aussage: Absatzwerbung ist geplante öffentliche Kommunikation durch bezahlten Medieneinsatz mit dem Ziel einer ökonomisch wirksamen Information, Beeinflussung und Verhaltenssteuerung. I. Arten der W e r b u n g Die Werbimg, hier immer verstanden als Absatzwerbung, läßt sich nach verschiedenen Kriterien unterteilen. W i r behandeln im folgenden die bei der praktischen Anwendung der Absatzwerbung bedeutsamen Unterschiede der einzelnen Werbearten. 1. Nach Adressaten: Händlerwerbung - Verbraucherwerbung Ein werbungtreibender Hersteller kann die Werbemaßnahmen an die (Fjid-)Verbraucher richten (private und gewerbliche) oder an die vorgelagerten Stufen des Handels bzw. sonstige A b satzmittler und Absatzhelfer. Für einen Baustoff-Fabrikanten kommen z.B. folgende Absatzmittler (Händler) in Frage: Baustoff-Großhandel, BaustoffEinzelhandel , Bau- und Hobby-Märkte; ferner die Absatzhelfer

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(Bedarfsberater), Architekten, Bauunternehmen, Planungsbüros, Ingenieurbüros. Letztere können Kaufentscheider oder wenigstens Kaufbeeinflusser für den letzten Abnehmer sein. Die Werbung gegenüber den Absatzmittlern und Absatzhelfern unterscheidet sich meist in den Zielen, der inhaltlichen Aussage und den benutzten Medien von der Verbraucherwerbung. Als Verbraucher kommen (private) Endverbraucher und (gewerbliche) Großverbraucher in Betracht. In unserem Beispiel der Eigenheim-Bauherr einerseits und Bauträger, Baugenossenschaften, Baufirmen oder auch andere große Unternehmen mit eigenem Baubedarf andererseits. Mit der Händlerwerbung (= an die Händler gerichtet) sollte nicht die Handelswerbung ( = Werbung des Handels) verwechselt werden. Letztere hat als Adressaten natürlich (nur) die Verbraucher. 2. Nach Anzahl der Umworbenen: Mengenumwerbung - Einzelumwerbung Je nachdem, ob eine mehr oder weniger große (anonyme) Vielzahl oder ob (bekannte) Einzelpersonen durch die Werbung angesprochen werden, sprechen wir von Mengenumwerbung oder I'jnzclumWerbung. Dieses Begriffspaar ist weitgehend identisch mit einem anderen Begriffspaar, nämlich Mediawerbimg einerseits und Direktwerbung andererseits. V o n Media Werbung sprechen wir, wenn als Werbeträger Massenmedien eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang spricht man häufig von den "tarifgebundenen Massenmedien", was darauf hindeutet, daß die Einschaltkosten in diesen Massenmedien nicht der freien Vereinbarung unterliegen, sondern in Preislisten (Tarifen) festgelegt sind. Mediawerbung (siehe unter Punkt 6.) liegt vor bei Werbung in Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, dem Fernsehen, dem Rundfunk, dem Filmtheater, durch Plakatanschlag, um die wichtigsten zu nennen. All diesen Medien ist gemein, daß sie eingesetzt werden, wenn es darum geht, eine Vielzahl von nicht namentlich oder einzeln bekannten und erreichbaren Personen durch die Werbung anzusprechen.

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Das typische Mittel der Einzelumwerbung ist das persönliche Gespräch, der Werbebrief, der persönlich übergebene Prospekt. Während die Mengenumwerbung hauptsächlich von den überregionalen Anbietern (Hersteller, Handel, sonstige Dienstleister) praktiziert wird, ist die Einzelumwerbung vor allem eine Domäne der lokalen Anbieter, und hier wiederum besonders des Einzelhandels. Oftmals ist die exakte Zuordnung einer Werbemaßnahme zur Mengenumwerbung oder Einzelumwerbung nicht möglich. Der Versand eines Werbeprospekts durch die Bundespost als Wurfsendung "an alle Haushalte" in einer Stadt ist zweifellos ein Akt der Mengenumwerbung. Andererseits handelt es sich genauso sicher um eine Maßnahme der Einzelumwerbung, wenn derselbe Prospekt durch einen individuell geschriebenen Brief eines örtlichen Einzelhändlers an eine bestimmte Adresse verschickt wird. 3. Nach Anzahl der Werbungtreibenden: Individualwerbung - Kollektivwerbung Die weitaus meisten Maßnahmen der Absalzwerbung werden von einzelnen Werbungtreibenden bzw. für einzelne Marken veranstaltet. Wenn ein Brauer für sein Bier wirbt, ein Versandhaus für seine Kollektion, eine Luftlinie für die Inanspruchnahme ihrer Dienste, so handelt es sich um Individualwerbung. Häufig begegnen wir jedoch Werbemitteln, hinter denen mehrere Werbungtreibende stehen, sei es anonym oder mit Namensbzw. Markennennung. Von mehr als einem Werbungtreibenden veranlagte Werbemaßnahmen bezeichnen wir als Kollektivwerbung. Bedeutende Untergruppen sind die Gemeinschaftswerbung, die Sammelwerbung und die Verbundwerbung. Von Gemeinschaftswerbung sprechen wir, wenn mehr oder weniger alle Anbieter einer Branche sich zusammentun und für ihre Produktgruppe bzw. Dienstleistungsgattung werben, ohne daß die Firmen- oder Markennamen der einzelnen Beteiligten erwähnt werden. Sie begegnet uns häufig bei Produktgruppen landwirtschaftlicher Erzeugnisse, z.B. als GerneinschaftsWerbung für Wein, für Käse, für Milch, für Obst oder für Blumen. Andererseits ist sie vornehmlich bei solchen Produktgruppen anzutreffen, deren Anbieterstruktur sehr zersplittert ist, was

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schließlich häufig mit einem fehlenden "Markenartikelcharakter" der beworbenen Produkte einhergeht. Beispiele sind die Gemeinschaftswerbung watten.

Schuhe,

die

Gemeinschaftswerbung

Kra-

Werben mehrere Werbungtreibende einer Branche bzw. mehrere Anbieter gleicher Produkte oder Leistungen gemeinsam unter Nennung ihrer Marken- bzw. Firmennamen, so handelt es sich um Sammelwerbung. Diese Erscheinungsform der Kollektivwerbung finden wir eher auf regionaler oder lokaler Ebene. Als Beispiele dieser Werbeart nennen wir eine Sammelwerbung der Dortmunder Brauereien, der Bielefelder Oberhemdenfabrikanten oder der sieben Möbeleinzelhandelsgeschäfte in der Münchener Einkaufsstraße "Im Ted", /.war wird bei der Sammelwerbung genau wie bei der Gemeinschaftswerbung vordergründig für die Produktgruppe geworben, zusätzlich aber wird eine Art Individualwerbung mitpraktiziert, da alle Beteiligten an der Sammelwerbung mit Firmen- oder Markennamen erscheinen. Eine weitere Unterart der Kollektivwerbung ist die Verbundwerbung. Von ihr sprechen wir, wenn branchenfremde Firmen sich zu einer gemeinsamen Werbeaktion zusammentun. In solchen Fällen ist das Bindeglied nicht die gleiche Produkt- oder Dienstleistungsgruppe, sondern eine andere Gemeinsamkeit. Das kann der geographische Standort der Werbungtreibenden sein (Beispiel: Die Einzelhändler einer Kreisstadt) oder der Verwendungszusammenhang der angebotenen Güter (Werbung für Die Hschrunde, bei der Hersteller von Porzellan, Besteck und Tischdecken kooperieren; oder die Werbung eines Reiseveranstalters, einer Fluglinie, eines Freizeitkleidung-Herstellers und einer Erfrischungsgetränke-Marke unter dem Motto "Urlaub"). 4. Nach Werbeinhalt: Informative W e r b u n g - Suggestive Werbung Dieses Gegensatzpaar zur Kennzeichnung des werblichen Inhalts hat in der Literatur noch kaum Eingang gefunden. Zumindest der Terminus suggestive Werbung ist eher von Werbegegnern oder Werbekritikern in die Diskussion gebracht worden als von der Werbewissenschaft.

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Für den Werbepraktiker bedeutet die Unterscheidung jedoch sehr viel: W ä h r e n d der Begriff informative W e r b u n g für sich allein gesehen nichts weiter bedeutet, als daß es sich um W e r b e botschaften handelt, die dem Werbeempfänger "Informationen" bieten, unabhängig vom Nutzen oder der Bedeutung für den einzelnen Verbraucher, meint informative W e r b u n g als Gegensatz zur suggestiven W e r b u n g etwas anderes. Bei dieser systemkritischen oder zumindest verbraucherpolitischen Unterscheidung wird mit der Forderung nach einer informativen W e r b u n g der Anspruch auf eine totale Information des Werbeempfängers erhoben. Die W e r b u n g muß - so die Werbekritiker - nicht nur alle wissenswerten positiven Informationen über die angebotene W a r e oder Leistung enthalten, sondern auch über etwaige Produktnachteile informieren. S o wird z.B. gefordert, daß bei Pharmazeutika, Lebensmitteln, Haushalts-Chemikalien auf vorgekommene oder denkbare Nebenwirkungen hingewiesen wird, die beim Verzehr, beim Gebrauch oder der Handhabung der Erzeugnisse auftreten oder auftreten können. Bei Gebrauchsgütern, etwa Waschmaschinen oder Kassettenrecordern, würde die Erfüllung der Forderung nach "informativer Werbung" in diesem Sinn die Angabe der voraussichtlichen Haltbarkeit oder Nutzungsdauer einschließen. E s steht außer Frage, daß eine derartige " W e r b u n g " ihre verkaufsfördernde Funktion nur noch schwerlich würde erfüllen können. Unter suggestiver W e r b u n g ist in diesem Zusammenhang ein Werbestil zu verstehen, der, statt sachlich zu informieren, bloß zum Kauf verleitet. Andere Werbekritiker sprechen in derselben Bedeutung von manipulierender W e r b u n g . Sie verstehen hierunter Werbeäußerungen, die den Verbraucher im Gegensatz zu seinen wirklichen Bedürfnissen und seinen eigentlichen W ü n schen zum Kauf von W a r e n geradezu zwingen und damit seine freie Entscheidung beeinträchtigen. V o m Standpunkt des neutralen Werbetheoretikers w i e auch aus den Erkenntnissen der Praxis muß festgehalten werden, daß jede (wirksame) W e r b u n g informative und suggestive Elemente ent-

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hält, ja enthalten muß. Rein informative Werbung gibt es nicht, kann es genauso wenig geben wie rein suggestive Werbung. Jedes Werbemittel, z.B. eine Anzeige, die scheinbar ausschließlich informiert, enthält auch suggestive Elemente. Umgekehrt ist ein vermeintlich auf rein suggestive Beeinflussung ausgelegtes Werbemittel nicht ohne Information. W i r wollen das an zwei Beispielen verdeutlichen. Die Anhänger der "informativen" Anzeigenwerbung sehen den Idealzustand ihrer Forderung in einer schlichten Textanzeige erfüllt, ohne Farbe, ohne Bilder, allenfalls mit einer bescheidenen Produktabbildung. Der Text soll sachlich die Produkteigenschaften beschreiben, darunter auch (wie bereits erwähnt) die Produktnachteile. Nun ist es aber ein Trugschluß anzunehmen, eine Textanzeige enthalte keine suggestiven Elemente. Die Anordnimg der Schrift, die gewählte Schrifttype, die Textmenge im Vergleich zur Anzeigengröße, die Aufteilung der Textblöcke, alle diese Faktoren sind geeignet, den Leser der Anzeige (unbewußt) über die wahrgenommenen sachlichen Informationen hinaus zu beeinflussen, d. h. zu manipulieren, ihm etwas zu suggerieren. Aber nicht nur die Optik des Werbemittels wirkt in dieser Richtung, auch die Semantik (Sprachbedeutung) des Textes kann Beeinflussungen hervorrufen, die über die rational erlebte Wortbedeutung hinausgehen oder sie in andere Richtungen lenken. Sachlich besteht zweifellos kein Unterschied zwischen folgenden Aussagen aus Anzeigen für Personenkraftwagen:

" Vier Vorwärtsgänge, ein Rückwärtsgang..." " Vierganggetriebe..."

Aber sagen beide Aussagen genau dasselbe?

Oder:

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" ... Mittelschaltung..." " ...Knüppelschaltung..." Wirkt die "Knüppelschaltung" nicht sportlicher, jugendlicher im Vergleich zur seriösen, gemäßigteren "Mittelschaltung"? Nun ein Musterbeispiel einer angeblich rein suggestiven Anzeige ohne jeden informativen Wert. Eine solche Anzeige stelle man sich großformatig vor, sehr bunt, mit viel Atmosphäre und Hintergrund, mit nicht unbedingt zum Produkt gehörenden Personen (nackte Mädchen in einer Baumaschinenwerbung), ohne oder mit sehr wenig Text. Aber bereits die Erwähnung des Markennamens (ohne diesen wird man ja kaum von einer Werbeanzeige sprechen können) bedeutet eine Information. Und auch die Art der Werbung, nämlich, daß sie großformatig, bunt, ablenkend erscheint, bringt Informationen, wenn auch keine wirklichen Textaussagen. Wir fassen zusammen: Jede Werbung enthält informative und suggestive Elemente. Die Gewichte können allerdings erheblich in Richtung auf die eine oder andere Ausprägung verteilt sein. 5. Nach Werbegegenstand: Markenwerbung - Firmenwerbung Nach der Art des Werbeobjekts können wir diese beiden Varianten unterscheiden. Im Falle der Identität von Marken- und Firmennamen ist diese Differenzierung gegenstandslos. Bei der Markenwerbung wird nur der Markenname des Erzeugnisses herausgestellt, wobei es unerheblich ist, ob zusätzlich, etwa als Herstellerhin weis, der Firmenname (klein gedruckt) miterwähnt wird. Letzteres Verhalten ist bei solchen Herstellern festzustellen, die eine Vielzahl von Erzeugnissen unter verschiedenen Marken bewerben, um den Hinweis auf die Herstellerfirma als werbliche Klammer einzusetzen.

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Von Firmeiiwerbung sprechen wir, wenn nicht für ein einzelnes Markenprodukt, sondern für das gesamte Angebot einer Herstellerfirma geworben wird. Auch hier gibt es zwei Varianten: FirmenWerbung ohne Namensnennung der einzelnen Produkte und Finnenwerbung, bei der (klein gedruckt) die einzelnen Markennamen erwähnt werden. Die Strategien der Markenwerbung einerseits und der Firmenwerbung andererseits schließen sich nicht gegenseitig aus. Gar nicht selten ist ein Nebeneinander beider Werbelinien zu beobachten. Man spricht dann gerne von "Verkaufswerbung", um die kurzfristige Funktion der Markenwerbung zu kennzeichnen und von "Imagewerbung" oder " Goodwill-Werbung", wenn man die eher langfristig angelegte beeinflussende Absicht der Firmenwerbung charakterisieren will. Im beschriebenen Sinn wird Firmenwerbung zur Vermittlung der "Corporate Identity" eingesetzt. Auf diese Weise wird zur Schaffung eines von der Unternehmung gewünschten "Corporate Image" beigetragen. Auch die Überschneidung mit Public-Relations-artigen Maßnahmen ("PR-Anzeigen") liegt nahe. 6 . Nach Ubertragungskanälen: Mediawerbung - Direktwerbung Diese Unterscheidung deckt sich weitgehend mit der unter Punkt 2. getroffenen nach Umworbenen. Das Unterscheidungs-Kriterium ist allerdings nicht die Größe der Umworbenen-Gruppe, sondern die Art der ausgewählten Werbeträger. Mediawerbung, also Werbung mit Hilfe (tarifgebundener) Massenmedien, wird praktisch ausschließlich für MengenumWerbung im Sinne der Unterscheidung nach Punkt 2. eingesetzt. Insoweit sei auf die Ausführungen dort verwiesen. Direktwerbung aber ist nicht unbedingt ausschließlich ein Medium der Einzelumwerbung.

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Im großen Stil eingesetzt kann mit Mitteln der Direktwerbung durchaus der Effekt einer MengenumWerbung erzielt werden. Ein typisches Instrument der Direktwerbung ist der "direkt" zugestellte Prospekt. Wird der Prospekt als Beilage in einer Zeitung oder Zeitschrift verteilt, so handelt es sich um eine Maßnahme der Mediawerbung. W i r d er dagegen postalisch oder durch Verteilerorganisationen zugestellt, auf der Straße, auf einer Ausstellung, im Geschäft persönlich ausgehändigt, so haben wir es mit Direktwerbung zu tun. Auch zugeschickte Kataloge, W a renproben, Werbebriefe, Einladungen zu Modenschauen (wie auch diese Veranstaltungen selbst), Warendemonstrationen oder Probeausschank im Handel, Probenabgabe durch den Händler, Besuche von Hausierern ("Direktverkäufer") sind Maßnahmen der Direktwerbung. II. Z i e l e der Werbung Werbung wird letztlich immer mit der Absicht betrieben, über kurz oder lang durch Umsatzerfolge Gewinne zu machen. Z w a r gibt es daneben auch außerökonomische Werbeziele: Ein Unternehmer kann Werbung treiben, um seine Verwandten, seine Freunde und Bekannten zu beeindrucken. Dieses Vorgehen ist häufig gekoppelt mit der Inanspruchnahme besonders renommierter Werbegestalter und/oder dem Einsatz in ausgefallenen Medien. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein kleiner Hersteller von regionaler Bedeutung läßt von einem berühmten Regisseur einen Fernsehspot drehen und im Z D F ausstrahlen. Oft wird Werbung in mäzenatischer Absicht getrieben: Firmen unterstützen Sportvereine oder kulturelle Institutionen durch z.B. Insertion in Vereins- oder Organisationszeitschriften, durch die Bereitstellung von Wettbewerbspreisen oder ähnlichem. Wenn hierbei die Werbewirkung als gering oder nicht gegeben erachtet wird, liegt tatsächlich Mäzenatentum vor. W i r d aber mit einer mehr oder weniger großen "Werbewirkung" gerechnet, so sprechen wir eher von Sponsoring. Von den ökonomischen W e r b e z i e l e n sollen die vier in der Werbepraxis am meisten vorkommenden beschrieben werden.

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1. EinführungsWerbung Von Einführungswerbung sprechen wir, wenn ein neues Produkt im Markt eingeführt wird. Sie unterscheidet sich in mancher Hinsicht von Werbemaßnahmen mit anderen Zielen. Die Differenzierung kann sowohl die Mediastrategie als auch die Werbekonzeption, also die inhaltliche Aussage der Werbung, betreffen. Darüber hinaus ist Hinführungswerbung in aller Regel durch eine besondere Konzentration des Werbeeinsatzes gekennzeichnet. Der Werbepraktiker spricht in diesem Zusammenhang von "Klotzen, nicht Kleckern". Besonders bei Einführungen in hartumkämpften, durch etablierte Marken besetzten Märkten ("Gesättigte Märkte"), sind "laute" Werbekampagnen nötig, um beim Verbraucher ein Minimum an Resonanz zu wecken. Sehr beliebt ist es, bei Finführungskampagnen alle in Anspruch genommenen Werbeträger zunächst einmal gleichzeitig einzusetzen, damit das "Werbekonzert" durchdringt. Zahlreiche Hinführungskampagnen nehmen in der Werbegestaltung speziell auf dieses Werbeziel Rücksicht. In diesem Zusammenhang sei nur an das beliebte und nachgewiesenermaßen hervorragend wirkungsvolle Adjektiv "neu" erinnert, das als Blickfang auf Anzeige, Prospekt oder Plakat auch den flüchtigen Betrachter schon erkennen läßt, daß es sich um eine Produktneuheil handelt. W i r möchten noch darauf hinweisen, daß auch Wieder^Einführungen ("Relaunch") von Produkten, die über längere Zeit in der Distribution und in der Werbung nicht mehr in Erscheinung getreten sind, zu Produkteinführungen gehören. 2. Marktfestigungswerbung Der Versuch der Einführung einer Marke kann zweierlei Ergebnisse haben: In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle - jedenfalls bei heiß umkämpften Produktgruppen im Konsumgüter bereich - wird die Einführung mit einem Fehlschlag, emem "Flop" enden. W a r dagegen die Einführungswerbung (neben allen anderen Marketingaktivitäten) erfolgreich, so ergibt sich für die Marke eine Phase der Marktfestigung, der Konsolidierung. Hierauf

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stellt sich auch die werbliche Zielsetzung ein. W a r es das Ziel der Einführungswerbung, innerhalb einer bestimmten Zeit einen bestimmten Bekanntheitsgrad zu erzielen, einen bestimmten Käuferanteil zu gewinnen, so hat die Werbung in der anschließenden Phase der Marktfestigung die Aufgabe, derartige Markterfolge zu halten und entsprechend der Marketing-Zielsetzung weiter auszubauen. In der Media-Strategie wird in der Phase der Marktfestigungswerbung der Einsatz der verschiedenen Werbeträger reduziert. Zum einen kann die Häufigkeit der Einschaltungen in den einzelnen Medien insgesamt zurückgenommen werden, zum anderen werden die verschiedenen Medien nicht mehr alle gleichzeitig, sondern abwechselnd eingesetzt oder einzelne gar nicht mehr. Während in der Einführungsphase die Werbeausgaben als Investition in die Zukunft angesehen werden (nicht allzu selten sind kurzfristig die Werbeausgaben höher als der erzielte Umsatz!), sucht man in der Phase der Konsolidierungswerbung die Aufwendungen langsam so weit zu vermindern, daß sie in einem vertretbaren Verhältnis zum Umsatz und damit zum Rohgewinn stehen. In der werblichen Gestaltung wird der Neuigkeitscharakter des Produktes nicht mehr in dem Ausmaß betont wie in der vorangegangenen Einführungsphase. Dem Verbraucher gegenüber wird das Produkt vielmehr als eine etablierte Marke angeboten, die sich im Markt bereits Vertrauen erworben hat. 3. Markterhaltungswerbung, Erinnerungswerbung Hat sich eine Marke erst einmal fest etabliert - wie immer man das definieren mag -, so kann man versuchen, die Werbekosten auf das nötige Maß zu reduzieren. Es kommt dann darauf an, die Werbimg quantitativ so weit zu vermindern, daß unter Berücksichtigung der übrigen Marketing-Instrumente eine gewünschte Marktentwicklung nicht gefährdet wird. Die gewünschte Marktentwicklung kann lauten: Beibehaltung des Marktanteils, Beibehaltung des absoluten Umsatzes in einem expandierenden Markt, Steigerimg des Marktanteils in einem bestimmten, festgelegten Ausmaß usw. Trotz «iiier Wirkungsforschung gilt noch immer der in allen Werbe- und Marketing-Büchern zitierte, verschiedenen Autoren in den Mund gelegte Satz: "Ich weiß, daß ich die Hälfte meiner

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Werbegelder zum Fenster hinauswerfe. Leider weiß ich nur nicht, welche Hälfte." Dank der weilgehend unmöglichen Zurechenbarkeit der Werbeausgaben auf den Marketing-Erfolg kann in allen beschriebenen Phasen der werblichen Zielsetzung immer nur zwischen einem Zuviel (= zu teuer) und einem Zuwenig ( = wirkungslos) hin und her operiert werden. Auf dieses Problem kommen wir im Abschnitt Werbeplanung noch einmal zurück. Abschließend möchten wir zur Verdeutlichung die drei Werbeziele mit den Flugphasen eines Düsenflugzeugs vergleichen. Die Emführungswerbung ist der Start, die MarktfestigungsWerbung der Steigflug, die Markterhaltungswerbung der Reiseflug. Zum Start braucht man die volle Kraft. Zur Marktfestigung, um weiter Höhe zu gewinnen, ist immer noch überdurchschnittlich viel Treibstoff erforderlich. Erst wenn die Reisehöhe erreicht ist, können die Motoren gedrosselt werden. W e r glaubt, nach einem Markterfolg auf die Werbung verzichten zu können, weil die Marke "von allein läuft", handelt wie der Flugzeugführer, der nach Erreichen der Reisehöhe die Treibstoffzufuhr abstellt: Er stürzt ab. 4. Abwehrwerbung Ein besonderes Werbeziel liegt vor, wenn es gilt, mit werblichen Mitteln Angriffe der Konkurrenz abzuwehren. Zum Unterschied von den langfristig geplanten Werbephasen mit dem Ziel der Einführung, der Marktfestigung oder der Markterhaltung ist Abwehrwerbung durch kurzfristige Reaktion gekennzeichnet. Häufig weist sie auch in der Gestaltung bzw. der werblichen Aussage Besonderheiten auf, indem sie beispielsweise ausdrücklich auf Konkurrenzbehauptungen Bezug nimmt. Dies sollte unabhängig davon geschehen, ob die Konkurrenzattacke