Manu propria: Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13.–15. Jahrhundert) 9783205204718, 9783205202882, 9783205204015


126 102 10MB

German Pages [316] Year 2016

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Manu propria: Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13.–15. Jahrhundert)
 9783205204718, 9783205202882, 9783205204015

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Manu propria

Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Band 67

2016 Böhlau Verlag Wien

Manu propria Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13.–15. Jahrhundert) Herausgegeben von Claudia Feller und Christian Lackner

2016 Böhlau Verlag Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Anne de Bretagne schreibt einen Brief an ihren Ehemann Ludwig XII. © St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, ms. fr. F. V. XIV, 8, fol. 1v

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Redaktion: Andrea Sommerlechner Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: General Druckerei, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20288-2



Inhalt Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Christian Lackner Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Claudia Märtl Autographen der Borgia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Martin Wagendorfer Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107 der British Library in London und ihre Schreiber. Ein Addendum zu den Autographa des Eneas Silvius Piccolomini. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Werner Maleczek Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . 69 Irmgard Fees Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert. . . . . 149 Nicholas Vincent The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters and Charters (to 1330). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171

Malcolm Vale With mine own hand. The use of the autograph by English rulers in the later Middle Ages, c. 1350–c. 1480. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Claude Jeay L’autographie comme épiphanie du pouvoir. Écrits et signatures autographes des rois de France dans la seconde moitié du XIVe siècle. . . . . . . . . . . . .

197

Daniela Rando Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“. . . . . 219 Francisco M. Gimeno Blay Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política. . . . . . 229

6 Inhaltsverzeichnis

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Claudia Feller mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim Eigenhändige Briefe der Herzogin Margarethe von Bayern-Landshut an ihren Bruder Herzog Albrecht V. von Österreich. . . . . . . . . . . . . . .

281

Siglenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Beiträgerinnen und Beiträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315



Vorwort Dieser Band versammelt Beiträge zum eigenhändigen Schreiben von Päpsten, Kardinälen, Monarchen, Fürsten und Fürstinnen in Hoch- und Spätmittelalter. Die Beiträge gehen auf Vorträge zurück, die auf einer Tagung am 18. und 19. September 2014 unter dem ­Titel „Manu propria. Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen (13.–15. Jahrhundert)“ an der Universität Wien gehalten wurden. Dem Dekanat der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, dem Institut für ­Österreichische Geschichtsforschung und dem Institut für Geschichte der Universität Wien sowie der Kulturabteilung der Stadt Wien danken wir für die Mitfinanzierung der Tagung. Für die Aufnahme in die Reihe der „Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“ sind wir dessen Leiter, Thomas Winkelbauer, zu Dank verpflichtet. Weiters danken wir der Redaktion, namentlich Andrea Sommerlechner, für die sorgfältige redaktionelle Betreuung des Bandes. Die Drucklegung wurde durch B ­ ettina Waringer und Ursula Huber vom Böhlau Verlag aufmerksam begleitet und ­betreut. Auch dafür sei herzlich gedankt. Wien, April 2016 Claudia Feller und Christian Lackner



Einführung Christian Lackner

Angesichts des Themas „Manu propria. Vom eigenhändigen Schreiben der Mächtigen“ stellen sich vermutlich spontan verschiedene Bilder ein. Man mag an König Philipp II. von Spanien denken, den Rey de los papeles, den bürokratischen Monarchen schlechthin, der mit der Feder in der Hand sein gigantisches, weltumspannendes Imperium ­regiert1. Ganz andere Kontexte evoziert eine Miniatur der französischen Königin Anne de Bretagne aus dem frühen 16. Jahrhundert (siehe Cover des Tagungsbandes). Die Monarchin sitzt hoch aufgerichtet, die Feder in der rechten Hand, vor einem Tisch, auf dem sich diverse Schreibutensilien und ein Buch befinden. In der Linken hält sie ein Taschentuch zum Trocknen der Tränen. Die trauernde Anne de Bretagne ist im Begriff, einen Brief an ihren im fernen Italien kriegführenden Ehemann, König Ludwig XII., zu Papier zu bringen. Der Miniator (Jean Bourdichon bzw. dessen Werkstatt), der das elegante Bildensemble für eine heute in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg verwahrte französische Epitres-Handschrift2 geschaffen hat, präsentiert uns die Königin in dieser Miniatur, die den ersten Brief der Sammlung begleitet, in ihrem fensterlosen Schlafgemach in einem privaten Rahmen, privat freilich in einem relativen Sinne, denn sechs Hofdamen wohnen dem Schreiben der Königin bei; intimes Schreiben also, in einer eingeschränkten Öffentlichkeit, wie sie für eigenhändige Briefe von „Mächtigen“ des ausgehenden Mittelalters anscheinend ganz selbstverständlich imaginiert wurde. Ich unterlasse es an dieser Stelle, eine definitorische Abgrenzung des Gegenstandes zu versuchen, vielmehr sollen drei Quellenbeispiele das Thema beschreiben bzw. den Umfang desselben grob umreißen. Den großen Stiftbrief des österreichischen Herzogs Ru1   Armando Petrucci, Scrivere lettere. Una storia plurimillenaria (Roma–Bari 2008) 105f.: „Filippo II fu un sovrano maniaco della comunicazione scritta a mano, tanto che, per dare ad essa il più alto grado di autorevolezza e di autenticità, egli usava esercitare al massimo la propria personale autografia (caratterizzata da una personale e disordinata corsiva cancelleresca fortemente inclinata a destra e ricca di legamenti) nelle varie fasi della produzione documentaria pubblica emanata a suo nome; e, proprio per questo, fu denominato non soltanto el Rey prudente, ma anche, a ragione, papelero, escritófilo, grafómano, Rey de los papeles.“ 2  Vgl. zur Handschrift Jennifer Britnell, Competition and Cooperation: The Court Poets of Louis XII and Anne of Brittany, in: Court and Humour in the French Renaissance. Essays in Honour of Professor Pauline Smith, hg. von Sarah Alyn Stacey (Bern 2009) 43–56, bes. 51f.; dies., L’Epître héroique à la cour de Louis XII et d’Anne de Bretagne: le manuscrit fr. F. v. XIV.8 de Saint-Pétersbourg. L’analisi linguistica e letteraria 1–2 (2000) 459–484; zuletzt ausführlich Cynthia J. Brown, The Queen’s Library. Image-Making at the Court of Anne of Brittany, 1477–1514 (Philadelphia–Oxford 2011) 202–212; Jonathan Dumont–Alain Marchandisse, Le manuscrit Fr. F. V. XIV, 8 de la Bibliothèque nationale de Russie à Saint-Pétersbourg au prisme de l’analyse littéraire et historique, in: L’Œuvre littéraire du Moyen Âge aux yeux de l’historien et du philologue, hg. von Ludmila Evdokimova–Victoria Smirnova (Paris 2014) 43–63.

10

Christian Lackner

dolf IV. für das Allerheiligenkapitel von St. Stephan in Wien, datierend vom 16. März 1365, setzte ich an den Beginn (Abb. 1)3. Die monumentale Ausmaße zeigende Urkunde schließen eigenhändige Unterfertigungen des Herzogs, seines jüngeren Bruders Albrecht sowie seiner Ehefrau, der Kaisertochter Katharina, und der gleichnamigen Schwester des Herzogs, nachmals Äbtissin im Wiener Klarissenkonvent, ab. Es handelt sich um eines der ganz seltenen Diplome Rudolfs, welche auch andere Unterfertigungen als die Seine aufweisen. Jüngerer Zeitgenosse des aragonesischen Königs Peter IV., dessen außergewöhnliche eigenhändige Schreibpraxis Francisco Gimeno Blay4 in einer großen Monographie vor einigen Jahren eingehend gewürdigt hat, jüngerer Zeitgenosse auch des französischen Königs Karl V., von dem die ältesten bislang bekannten durchgängig eigenhändigen Schriftstücke eines französischen Monarchen herrühren, hat Herzog Rudolf IV. als erster Habsburger zahlreiche seiner Urkunden mit eigenhändigen Unterfertigungen bekräftigt5. Meine beiden folgenden Beispiele gehören zeitlich dem ausgehenden Mittelalter an. Vom römisch-deutschen König Maximilian I. zur Gänze mit eigener Hand geschrieben ist eine auf den 23. Mai 1497 datierte Urkunde (Abb. 2)6. Der Inhalt des Stücks muss als politisch höchst brisant gelten. Wir befinden uns im Kontext der Auseinandersetzungen rund um das Erbe des Wittelsbacher Herzogs Georg von Bayern-Landshut. Dieser hatte 1496 sein Testament gemacht, in dem er für den Fall seines Todes ohne legitime männliche Erben seine älteste Tochter und deren künftigen Gemahl aus der Kurpfalz als Erben der niederbayerischen Lande einsetzte. Der Münchner Herzog Albrecht IV. seinerseits, „offensichtlich stets auf dem Laufenden über die Heidelberger und Landshuter Pläne, die den Hintergrund der Absprache von 1496 bildeten, sicherte sich rasch den Rückhalt der voraussichtlich entscheidenden Figur im sich abzeichnenden Konflikt“7 – des Königs ­Maximilian, welcher in der eigenhändigen Urkunde vom 23. Mai 1497 Albrecht und seine damals lebenden Söhne Wilhelm und Ludwig als recht natürlich erben der Lande Georgs bestätigte und alle anders lautenden Dispositionen für ungültig erklärte. Reinhard Stauber, der erst unlängst auf dieses wichtige Stück nachdrücklich aufmerksam machte, sieht in der intendierten Geheimhaltung dieser Urkunde, die tatsächlich erst im Februar 1504 von Herzog Albrecht von Bayern-München öffentlich präsentiert wurde, den maßgeblichen Beweggrund für die Eigenhändigkeit. „Unter Umgehung der königlichen Kanzlei und damit vieler potentieller Mitwisser“, so Stauber, sei das Stück entstanden8.   Wien, Diözesanarchiv Urk. 1365 III 16.   Francisco M. Gimeno Blay, Escribir, reinar. La experiencia gráfico-textual de Pedro IV el Ceremonioso (1336–1387) (Madrid 2006). 5  Zu Rudolfs Unterfertigungspraxis vgl. Joachim Wild, Vom Handzeichen zur Unterschrift. Zur Entwicklung der Unterfertigung im Herzogtum Bayern. ZBLG 63 (2000) 1–21, hier 9f.: „Wurzeln und zugleich Ziele der Unterfertigung Herzog Rudolfs werden vor allem in dem Verbum stärken (bzw. roborare in lateinischen Urkunden) deutlich. Die eigenhändige Unterschrift möchte vorab eine Unterstützung der in der Korroboratio angekündigten Besiegelung sein … . Seine Unterschrift, die er auch stets Unterschrift nennt, ist einerseits eine Mixtur traditioneller, aus früheren Jahrhunderten bekannter Elemente, andererseits eine individuelle Fortentwicklung.“ – Neben den eigenhändigen Unterfertigungen kennen wir von Rudolf auch zumindest einen autographen Text in einer vielleicht von ihm selbst kreierten Geheimschrift. Vgl. dazu jetzt Stephan Müller, Der Herrscher und sein Alphabet. Zur Geheimschrift Rudolfs des Stifters, in: Wien 1365. Eine Universität entsteht, hg. von Heidrun Rosenberg–Michael Viktor Schwarz (Wien 2015) 42–53, bes. 45f. 6   München, BayHStA, GHA, HU Nr. 831. 7  Reinhard Stauber, Der Landshuter Erbfolgekrieg – Selbstzerstörung des Hauses Wittelsbach?, in: Die Wittelsbacher und die Kurpfalz im Mittelalter. Eine Erfolgsgeschichte, hg. von Jörg Peltzer–Bernd Schneidmüller–Stefan Weinfurter–Alfried Wieczorek (Regensburg 2013) 207–230, bes. 215. 8  Stauber, Der Landshuter Erbfolgekrieg (wie Anm. 7) 215. 3 4

Einführung 11

Gänzlich anders verhält es sich bei dem dritten Fallbeispiel. Es war gewiss nicht das Bedürfnis nach Geheimhaltung, das Kurfürst Friedrich von Sachsen am 17. Dezember 1507 in Memmingen selbst zur Feder greifen ließ, um einige Zeilen an den Markgrafen Francesco II. Gonzaga von Mantua zu senden (Abb. 3)9. Der sächsische Kurfürst, der um ein Werk des herausragenden mantuanischen Hofmalers Andrea Mantegna bat, welches er mit einer entsprechenden Gegengabe vergelten wollte, formuliert an die Adresse seines italienischen fürstlichen Gegenübers: nach dem mir ewer lib dyner fyl fruntschafft und guttes von euch geßaget, ßo habe ich nit lassen wellen ewer lib mit meyner aigen handt zu schriben und in meyner aigen sprach …10. Das heißt doch wohl, dass der eigenhändige Brief etwas zu leisten vermochte, was einem Schreiben von Sekretärshand so nicht möglich war. Und folgerichtig wird der eigenhändige Brief Kurfürst Friedrichs des Weisen denn auch von einem Kanzleischreiben in lateinischer Sprache an den Mantuaner Markgrafen, das unter demselben Datum in Memmingen ausging, gleichsam gedoppelt. Soweit eine erste gleichsam impressionistische Annäherung an den Gegenstand. Wenigstens der zeitliche Rahmen, das spätere Mittelalter nämlich, wurde damit ausgemessen. Es mag überraschen, aber die Thematik des „Eigenhändigen Schreibens der Mächtigen“ ist bisher in der historischen Forschung tatsächlich kaum entsprechend gewürdigt worden. Die Paläographie als historische Hilfswissenschaft wäre hier natürlich in erster L ­ inie angesprochen, zumal dort die Autographenforschung seit einigen Jahrzehnten einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt und zunehmend die Erkenntnis Platz greift, dass das Studium von Autographen einen wesentlichen Beitrag zu einem kulturgeschichtlichen Gesamtpanorama zu leisten vermag11. Unter dem Eindruck der philologisch dominierten Autorforschung konzentrierten sich die paläographischen Arbeiten dabei zuletzt freilich ganz auf literarische Autographen. Symptomatisch dafür ist die Tagung des Comité International de paléographie in Laibach/Ljubljana 7.–10. September 2010, die dem Thema „Medieval autograph manuscripts“ galt12. Ähnlichen Fragen, wie sie die Beiträge des vorliegenden Bandes ansprechen, widmete sich dort einzig Francisco Gimeno Blay mit einer Studie zum eigenhändigen Schreiben des aragonesischen Königs Pedro el Ceremonioso13. Und im Vorwort zu dem 2013 erschienenen Laibacher Tagungsband bezeichnet Stefano Zamponi als Thema des Convegno „gli autografi medievali, cioè lo statuto dei testi (sopratutto testi letterari) scritti dalla mano dei loro autori“14. Nach wie vor sind es die literarischen Autographen, die im Fokus stehen, wenn Eigenhändigkeit zum Thema 9  Mantua, AS, Archivio Gonzaga, busta 514 c. 283; vgl. jetzt Ruth Hansmann, Schilderey von dem gutten maister andrea von mantua für Kurfürst Friedrich den Weisen. Kulturtransfer in höfischen Bildkonzepten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im Alten Reich, in: Kulturtransfer am Fürstenhof. Höfische Austauschprozesse und ihre Medien im Zeitalter Kaiser Maximilians I., hg. von Matthias Müller–Karl-Heinz Spiess–Udo Friedrich (Schriften zur Residenzkultur 9, Berlin 2013) 271–304, bes. 271f. 10   Hansmann, Schilderey (wie Anm. 9) 298. 11   Vgl. jetzt dazu auch Attilio Bartoli Langeli, Autografia e Paleografia, in: Di mano propria. Gli autografi dei letterati Italiani. Atti del Convegno internazionale di Forlì 24–27 novembre 2008, hg. von Guido ­Baldassarri–Matteo Motolese–Paolo Procaccioli–Emilio Russo (Pubblicazioni del Centro Pio Rajna. Sezione Prima. Studi e Saggi 18, Roma 2010) 41–60. 12   Vgl. den Tagungsband Medieval Autograph Manuscripts. Proceedings of the XVIIth Colloquium of the Comité International de Paléographie latine, held in Ljubljana, 7–10 September 2010, hg. von Nataša Golob (Bibliologia 36, Turnhout 2013). 13  Francisco Gimeno Blay, Les autographes de Pierre le Cérémonieux, roi d’Aragon (1336–1387), in: Medieval Autograph Manuscripts (wie Anm. 12) 245–258. 14   Stefano Zamponi, Premessa, in: Medieval Autograph Manuscripts (wie Anm. 12) XI–XIV, hier XI.

12

Christian Lackner

gemacht wird; so geschehen 2008 in Forlì, wo sich eine illustre Runde von vornehmlich Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern zu einer Tagung unter dem Titel „Di mano propria. Gli autografi dei letterati italiani“ versammelte15. Mit dieser Tagung wurde der Anstoß zu einem großen Publikationsprojekt „Autografi dei Letterati Italiani“ gegeben, von dem mittlerweile je ein Band zum 14., 15. und 16. Jahrhundert vorliegt16. Insgesamt sind 10 Bände geplant. Im Vorjahr veröffentlichte die italienische Romanistin G ­ iuseppina Brunetti überdies einen Band mit dem Titel „Gli autografi francesi medievali“17. Es wird nicht überraschen, dass literarische Texte auch hier breiten Raum einnehmen, wohingegen autographe Texte von Personen ohne literarischen Hintergrund kaum Beachtung finden. Der einzige Fürst, der hier aufgenommen wurde, ist Herzog Charles d’Orléans (gest. 1465), der Vater des nachmaligen Königs Ludwig XII. Und es ist völlig klar, dass seine Berücksichtigung sich der literarischen Tätigkeit des Valois-Sprosses verdankt18. Dem lebhaften diesbezüglichen Forschungsinteresse namentlich auf der Apenninenhalbinsel ist noch eine weitere rezente Autographenpublikation geschuldet, Giovanna Muranos Katalogband zu Autographen von Juristen und Notaren im spätmittelalterlichen Italien19. Unter den mit knappen Katalogartikeln vorgestellten Rechtsgelehrten finden sich auch einige wenige Personen, auf die das Etikett „Mächtige“ angewandt werden könnte, wie beispielsweise der nachmalige Papst Pius II., Enea Silvio Piccolomini, dem ein Beitrag Martin Wagendorfers gilt20. Einmal mehr indes trifft auf das Autographenprojekt Giovanna Muranos zu: Ausgangspunkt ist der philologische Autorenbegriff, wiewohl es nicht primär um literarische, sondern um juristische Texte geht. Erlebte die paläographische Beschäftigung mit Autographen im letzten Jahrzehnt einen großen Aufschwung, so blieb das Interesse der im engeren Sinne klassisch-diplomatischen Forschung an der Eigenhändigkeit merkwürdig gering. Die Defizite sind hier noch ganz beträchtlich. Ich meine damit die Erhebung des realen Überlieferungsbefundes, also die Feststellung von Eigenhändigkeit im hoch- und spätmittelalterlichen Schriftgut, ebenso wie die Frage nach der rechtlichen bzw. kulturellen Bedeutung des eigenhändigen Schreibens im Zusammenhang mit den großen epochalen Wandlungsprozessen im Urkundenwesen Alteuropas. Vielfach beschränkte sich die Diplomatik tatsächlich auf die Analyse von Vollziehungsstrich und eigenhändiger Unterfertigung an Urkunden 21. 15  Vgl. den Tagungsband Di mano propria (wie Anm. 11). – Nur ein einziger Beitrag dieses Bandes beschäftigt sich mit dem eigenhändigen Schreiben eines „Mächtigen“: Francesco Montuori, Gli autografi di un re. Le Lettere di Ferrante I d’Aragona a Francesco Sforza, 609–631. 16   Eine Vorstellung des Projekts durch Giuseppina Brunetti, Les „autographes des écrivains italiens“. Serie: des origines jusqu’au XIVe siècle, in: Medieval Autograph Manuscripts (wie Anm. 12) 329–338. Aufgenommen werden nicht nur literarische Autographen der italienischen Schriftsteller und Dichter, sondern auch Akten und Urkunden mit eigenhändigen Passagen derselben (331). – Bis jetzt liegen vor: Autografi dei letterati italiani. Origini e Trecento (Roma 2013); Autografi dei letterati italiani. Il Quatrocento I (Roma 2014); Autografi dei letterati italiani. Il Cinquecento I (Roma 2009). 17  Giuseppina Brunetti, Autografi francesi medievali (Biblioteca di Filologia e Critica VIII, Roma 2014). 18  Brunetti, Autografi francesi medievali (wie Anm. 17) 109–121; vgl. zur Eigenhändigkeit bei Charles d’Orléans zuletzt auch Mary-Jo Arn, The Poet’s Notebook. The Personal Manuscript of Charles d’Orléans (Paris, BnF, MS fr. 25458) (Texts and Transitions. Studies in the History of Manuscripts and Printed Books 3, Turnhout 2008) bes. 33–42. 19  Autographa I.1 Giuristi, giudici e notai (sec. XII–XVI med.), hg. von Giovanna Murano (Centro interuniversitario per la storia delle università italiane. Studi 16, Bologna 2012). 20  Martin Wagendorfer, Enea Silvio Piccolomini, in: Autographa I.1 Giuristi (wie Anm. 19) 216–219. 21  Umfassend Werner Maleczek, Sottoscrizioni autografe come mezzo di convalida (sec. IX–XIII) (Scuola Vaticana di Paleografia, diplomatica e archivistica presso l’Archivio Segreto Vaticano) (Città del Vaticano 2014).

Einführung 13

Ganz vereinzelt nur gerieten durchgängig eigenhändige Schriftstücke und deren Form in den Blick, wie durch Heinrich Koller22 oder jüngst Martin Wagendorfer23 in Bezug auf die Autographen Kaiser Friedrichs III. Und vieles bleibt hier noch offen24: Kann Eigenhändigkeit gleichermaßen für verschiedene Schriftguttypen, Diplom, Mandat, Brief etc. gebraucht werden? Gibt es Formularspecifica für die Eigenhändigkeit? Wie sieht es mit dem rechtlichen Status der Eigenhändigkeit aus? Bezüglich Letzterem sei hier eine Beobachtung von Joachim Wild erwähnt, wonach autographe Schuldurkunden des Wittelsbachers Herzog Christoph aus dem späten 15. Jahrhundert unbesiegelt gewesen seien, d. h. die Eigenhändigkeit der Urkundenschrift übernahm in diesen Fällen anscheinend die Beglaubigungsfunktion. Und Wild wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf „ob hier bereits Anzeichen der Rezeption des römischen Rechts vorliegen“25. Zum theoretischen Diskurs über die herrscherliche Eigenhändigkeit in zeitgenössischen französischen Texten des 14. Jahrhunderts hat vor einigen Jahren Claude Jeay, ausgehend von diplomatischen Analysen, wichtige Anmerkungen gemacht26. Fruchtbare Anregungen für das Thema sind in jüngerer Zeit von der Briefforschung ausgegangen. Fragen der Eigenhändigkeit spielen hier insbesondere für das spätere Mittel­ alter eine zentrale Rolle. Armando Petrucci hat in seiner zuletzt 2008 erschienenen souveränen Synthese „Scrivere lettere. Una storia plurimillenaria“ den Achsenzeit-­Charakter, der dem 14. und 15. Jahrhundert für den Gebrauch der Eigenhändigkeit bei Briefen zukommt, mit dem plakativen Satz „l’Europa reimpara a scriversi“ nochmals stark gemacht27. Der Bogen spannt sich vom Spoletaner Franziskus-Brief-Autographen28 bis zum umfänglichen eigenhändigen Briefnachlass Michelangelo Buonarottis29. Hierher gehört auch die erste Entfaltung der Fürstenkorrespondenz30 im späteren Mittelalter, die in letzZu den französischen Königen vgl. jetzt Claude Jeay, Signature et Pouvoir au Moyen Âge (Mémoires et documents de l’École des chartes 99, Paris 2015). 22   Heinrich Koller, Zur Bedeutung der eigenhändigen Briefe Kaiser Friedrichs III., in: Geschichte der Zentraljustiz in Mitteleuropa. Festschrift für Bernhard Diestelkamp zum 65. Geburtstag, hg. von Friedrich Battenberg–Filippo Ranieri (Weimar–Köln–Wien 1994) 119–129. 23   Martin Wagendorfer, Eigenhändige Unterfertigungen Kaiser Friedrichs III. auf seinen Urkunden und Briefen, in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs–Paul-Joachim Heinig–Martin Wagendorfer (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii 32, Wien–Köln–Weimar 2013) 215–265, bes. 221–226 u. 249–253. 24  Vgl. Christian Lackner, Die Vielgestaltigkeit der spätmittelalterlichen Herrscherurkunde, in: Urkunden und ihre Erforschung. Zum Gedenken an Heinrich Appelt, hg. von Werner Maleczek (VIÖG 62, Wien 2014) 93–107, hier 99–102. 25   Wild, Vom Handzeichen zur Unterschrift (wie Anm. 5) 18. 26  Claude Jeay, La naissance de la signature dans les cours royales et princières de France (XIVe–XVe siècles), in: Auctor et auctoritas. Invention et conformisme dans l’écriture médiévale. Actes du colloque tenu à l’université de Versailles–Saint-Quentin-en-Yvelines (14–16 juin 1999), hg. von Michel Zimmermann (Mémoires et documents de l’École des chartes 59, Paris 2001) 457–475, hier 461f., u. ders., La signature comme marque d’individuation. La chancellerie royale française (fin XIIIe–XVe siècle), in: L’individu au Moyen Age, hg. von Brigitte Miriam Bedos-Rezak (Paris 2005) 59–77, hier 63. 27   Petrucci, Scrivere lettere (wie Anm. 1) 49. 28   Attilio Bartoli Langeli, Gli autografi di frate Francesco e di frate Leone (Corpus Christianorum Autographa medii aevi 5, Turnhout 2000). 29   Il Carteggio di Michelangelo, ed. Paola Barocchi–Renzo Ristori, 5 Bde. (Firenze 1965–1983). Vgl. Michelangelo. Grafia e biografia di un genio (Milano 2000), und zuletzt Deborah Parker, Michelangelo and the Art of Letter Writing (New York 2010). 30   Zum aktuellen Forschungsstand siehe Julian Holzapfl, Fürstenkorespondenz, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch Teilband 3. Hof und Schrift, hg.

14

Christian Lackner

ter Zeit genauer unter die Lupe genommen wurde – ich erwähne nur die eigenhändigen Briefe König Ferrantes von Neapel31. Das autographe Schreiben steht dabei nicht mehr nur als Maßstab für den Fortschritt der Literalität, wie dies noch bei der älteren Forschung weithin der Fall war. Vielmehr gerät die Eigenhändigkeit bei Briefen in ihrer Rolle als Teil der Briefbotschaft, als autonomer Bedeutungsträger in den Blick. Tatsächlich ist die semantische Aufladung des eigenhändigen Schreibens im späteren Mittelalter nicht zu übersehen. Am Beispiel der original überlieferten Briefe Francesco Petrarcas, der auch Entwürfe und Kopien derselben eigenhändig zu Papier brachte, wird die neu gewonnene Bedeutung des autographen Schreibens deutlich. Um nochmals Armando Pe­ trucci zu zitieren: „Corrispondere ... con il massimo numero possibile di contemporanei, di continuo e mediante l’invio di singoli messaggi scritti di sua propria mano“, das sei das Ziel P ­ etrarcas gewesen32. In Abhängigkeit gewiss vom individuellen Bildungshorizont, lateinisch oder volkssprachlich, etabliert sich die Vorstellung vom eigenhändigen Brief-Schreiben als unmittelbarstem Ausdruck, quasi als Kondensat, der Persönlichkeit. So kommt es, dass zu Ausgang des Mittelalters Erasmus von Rotterdam Brief und Eigenhändigkeit als nahezu untrennbar erachten und dem nicht-autographen Brief gleichsam die Briefqualität absprechen konnte. Im Dialog De recta Graeci et Latini sermonis pronunciatione zwischen Bären und Löwen lässt sich Letzterer vernehmen: Epistola digitis alienis scripta vix epistolae nomen promeretur. Multa de suo addunt amanuenses 33. Dass auch die in Ansätzen erkennbare kategoriale Differenzierung der Briefe entlang der Linie „öffentlich/ privat“ daran einen gewissen Anteil hatte, wird man gerne konzedieren. Die „Erfindung“ der Individualität im Spätmittelalter wird ebenso mitgewirkt haben – bezeichnenderweise treten Herrscher-Unterschrift und Herrscherporträt ziemlich zeitgleich um die Mitte des 14. Jahrhunderts entgegen. Welche Rolle der Humanismus mit seinem Kult um Autor und Text gespielt hat, ist eine noch durchaus offene Frage34. Der vorliegende Band, der zwölf Beiträge vereinigt, ist aus einer Tagung hervorgegangen, welche im September 2014 in Wien stattfand. Die Vorträge handelten von Macht und Herrschaft in unterschiedlichsten Ausprägungen, von Päpsten, Kardinälen, Monarchen, Fürsten und Fürstinnen und deren autographem Schreiben. Als geographischvon Werner Paravicini (Residenzenforschung 15/3, Ostfildern 2007) 299–328. – Vgl. auch Cordula Nolte, Pey eytler finster in einem weichen pet geschrieben. Eigenhändige Briefe in der Familienkorrespondenz des Markgrafen von Brandenburg (1470–1530), in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, hg. von Heinz-Dieter Heimann (Potsdam 2000) 177–202; Jürgen Herold, Der Briefwechsel Barbara Gonzagas mit ihrer Familie in Mantua, in: Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof. Begleitbuch zur Ausstellung, bearb. von Peter Rückert (Stuttgart 2011) 132–140; Barbara Gonzaga: Die Briefe/Le Lettere (1455–1508), hg. von Christina Antenhofer–Axel Behne–Daniela Ferrari–Jürgen Herold–Peter Rückert (Stuttgart 2013). 31  Francesco Montuori, L’auctoritas e la scrittura. Studi sulle lettere di Ferrante I d’Aragona (Napoli 2008), u. ders., Gli autografi di un re (wie Anm. 15). 32  Petrucci, Scrivere lettere (wie Anm. 1) 73. 33  Zit. nach A[rthur] S. Osley, Scribes and Sources. Handbook of the Chancery hand in the Sixteenth Century (Boston 1980) 30. 34  Zusammenhänge legt Armando Petrucci im Vorwort zu Gimeno Blay, Escribir, reinar (wie Anm. 4) 15, nahe: „Tanto Pedro IV el Ceremonioso como Francesco Petrarca, dentro de su ámbito respectivo, comprendieron que la fuerza autentificadora de su escritura confería un valor añadido, esencial y decisivo, a la acción de gobierno, en un caso, y/o al acto de la creación literaria y científica, en el otro. Estos cambios anunciaban ya la inminente llegada del Humanismo, con su veneración por los autores y los textos.“

Einführung 15

politischer Referenzraum der Beiträge wurden West-, Süd- und Mitteleuropa in den Blick genommen. Indem das Spätmittelalter in vielen Bereichen der europäischen Schriftkultur einen Paradigmenwechsel markiert, galt diese „Achsenzeit“ als chronologischer Schwerpunkt und Rahmen. Der zeitliche Bogen der Aufsätze spannt sich dementsprechend vom 13. bis ins frühe 16. Jahrhundert. Grundidee und Leitgedanke bei der Konzipierung der Tagung war es, unterschiedliche historische Disziplinen und methodische Zugänge zusammenzuführen. Namentlich paläographische, diplomatische, verwaltungs-, kultur- und kommunikationsgeschichtliche Forschungen sollten gebündelt und wechselseitig fruchtbar gemacht werden. Nur so konnte eine Annäherung an das Thema „Eigenhändigkeit und Macht“ gelingen beziehungsweise erschien es möglich, dessen vielfältige Facetten zu erfassen und adäquat zu würdigen. Gegenüber der Tagung ergeben sich im vorliegenden Band einige Unterschiede. Nicht alle im September 2014 gehaltenen Referate finden sich wieder. Julian Holzapfl und ­Mathias Lawo war es leider nicht möglich, ihre Beiträge für eine Drucklegung aufzubereiten. So tun sich schmerzliche Lücken auf, insbesondere was die Eigenhändigkeit bei römisch-deutschen Königen und Kaisern des späteren Mittelalters betrifft. Und auch das autographe Schreiben in den großen fürstlichen Familien des Heiligen Römischen Reichs hat möglicherweise nicht ganz die gebotene Aufmerksamkeit erhalten. In anderer Hinsicht enthält der Band hingegen ein deutliches Mehr gegenüber der Tagung. Namentlich Werner Maleczeks Beitrag zur Eigenhändigkeit bei den Kardinälen stellt sich als gegenüber der Tagung wesentlich erweitert und überarbeitet dar. So darf der Tagungsband doch für sich in Anspruch nehmen, einen breiten Überblick über Stand und Perspektiven der Forschung zum Thema „Eigenhändiges Schreiben der Mächtigen“ im späteren Mittelalter bieten zu können.

Abb. 1: Großer Stiftbrief Herzog Rudolfs IV. für das Allerheiligenkapitel von St. Stephan in Wien, 16. März 1365. Wien, Diözesanarchiv.

16 Christian Lackner

Abb. 2: Eigenhändige Urkunde König Maximilians I., 23. Mai 1497. München, BayHStA, GHA, HU Nr. 831.

Einführung 17

18 Christian Lackner

Abb. 3: Brief Kurfürst Friedrichs von Sachsen an Markgraf Francesco II. Gonzaga von Mantua, 17. Dezember 1507. Mantua, AS, Archivio Gonzaga, busta 514 c. 283.

Autographen der Borgia Claudia Märtl

Eigenhändige Schreiben spielten in der historischen Beschäftigung mit der Familie Borgia bereits früh eine Rolle. Von allen am Ende des 15. Jahrhunderts politisch aktiven Angehörigen der weitverzweigten iberisch-italienischen Familie1 wird man Autographen in Archiven und Bibliotheken finden können, doch interessieren natürlich in erster Linie Rodrigo Borgia (Alexander VI., 1431–1503) und die vier Kinder, die ihm zwischen 1475 und 1482 von Vannozza Cattanei geboren wurden: Caesar, Joan, Lucrezia und Jofre. Die Wertschätzung der von diesen berühmt-berüchtigten Familienmitgliedern verfassten oder unterzeichneten Schriftstücke hat ihren Ursprung in einer vom Inhalt weitgehend unabhängigen Faszination durch die Originale. Eine Handvoll Schreiben – jene Briefe, die schon im 19. oder frühen 20. Jahrhundert faksimiliert oder abgebildet wurden – kehrt häufig in Abbildungen wieder. Auch heute noch obsiegt die Präsentation von Borgia-Autographen als Anschauungsmaterial in Biographien oder Katalogen gelegentlich über die Auseinandersetzung mit Text und Gestalt dieser Schriftstücke2. Am frühesten fanden eigenhändige Schreiben der Lucrezia Borgia Beachtung, zunächst in der literaturgeschichtlichen Forschung. Schon am Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein kleines Konvolut von Dokumenten Lucrezias bekannt, das aus dem Besitz ­Pietro Bembos in die Biblioteca Ambrosiana in Mailand gelangt war3. Bembos Sammlung 1   Eine Prosopographie vgl. bei Annibale Ilari, Il Liber notarum di Giovanni Burcardo. Appendice: I familiari di Alessandro VI, in: Roma di fronte all’Europa al tempo di Alessandro VI. Atti del convegno (Città del Vaticano–Roma, 1–4 dicembre 1999) 1, hg. von Maria Chiabò et al. (Roma 2001) 249–321, hier 267–321; Artikel mit weiterführenden Literaturangaben zu zahlreichen Mitgliedern der Familie Borja vgl. in Diccionario Biográfico Español 9 (2010) sowie – mit italienischen Namensformen – in DBI 12 (1971). Auf www.elsborja.org findet sich eine Auswahlbibliographie bis zum Jahr 2012 und eine Revista Borja, von der bis 2012/13 vier Ausgaben erschienen sind. Publikationen ab dem Jahr 2012 sind erfasst in dem von Maria Toldrà betriebenen Blog Els Borja, vgl. https://elsborja.wordpress.com/bibliografia-borja-2012/ [31. 05. 2015]. 2  In dem Ausstellungskatalog Los Borja. Del mundo gótico al universo renacentista. Museo de Bellas Artes de València, 22 de diciembre de 2000 al 16 de marzo de 2001 (València 2001), sind einige Briefe Caesar Borgias abgebildet, denen aber die Erläuterungen falsch zugeordnet werden; die Abb. Nr. 105 S. 417 ist identisch mit Nr. 106 S. 418, doch der Text zu Nr. 106 gehört zur Abb. Nr. 107 S. 419. Die Abb. 105/106 muss zum Text Nr. 109 S. 422 gestellt werden. Nr. 112 S. 427 ist ganz falsch beschrieben, es handelt sich um den eigenhändigen Beileidsbrief Caesars an Piero de’ Medici zum Tod seines Vaters Lorenzo, Pisa 13. April 1494. 3  Zusammengebunden in H 246 inf.; zum Folgenden vgl. grundlegend Pio Rajna, I versi spagnuoli di mano di Pietro Bembo e di Lucrezia Borgia serbati da un codice ambrosiano, in: Homenaje ofrecido a Menéndez Pidal 2 (Madrid 1925) 299–321. Rajna, ebd. 302f., berichtigt Bernardo Gatti, Lettere di Lucrezia Borgia a Messer Piero Bembo dagli Autografi conservati in un Codice della Biblioteca Ambrosiana (Milano 1859), der die neun von ihm abgedruckten und in zwei Fällen faksimilierten Briefe sämtlich für eigenhändig gehalten hatte.

20

Claudia Märtl

wird man als Liebesreliquien in einem petrarkistischen Sinne betrachten dürfen. Zu ihr gehörte eine blonde Locke Lucrezias, die ursprünglich in den Band eingelegt war und heute in einer Art Reliquiar präsentiert wird; sie wurde Lord Byron gezeigt, der sich hinterher rühmte, eines der Haare entwendet zu haben. Bembo, der die Fürstin nach 1500 in Ferrara kennenlernte, hatte in Majuskeln LVCRETIAE BORGIAE MANVS auf einem der Schriftstücke notiert, was den ersten Anhaltspunkt zur Identifizierung ihrer Autographen bot4. Von Anfang an betrieb Bembo einen Kult mit den Schreiben der Lucrezia. So teilt er mit, das erste, ihn höchst erfreuende Zeichen, dass er die Huld Lucrezias erlangt habe, sei ihm dadurch zuteil geworden, dass sie auf der Außenseite eines Briefs, den ein Freund an ihn geschrieben hatte, eigenhändig seine Adresse eintrug5. Lucrezia bemerkt auch in ihrem ersten kastilischen Schreiben an ihn, sie verfasse dieses, weil Bembo sich einen Brief von ihrer Hand erbeten habe6. Die Verwendung des Kastilischen sollte ebenso wie die Eigenhändigkeit die Intimität der Kommunikation steigern, da Lucrezia sonst ausschließlich italienisch schrieb. Wie schon lange bekannt ist, verwahren mittel- und oberitalienische Archive beachtliche Mengen von Borgia-Briefen: Im Jahr 1869 zählte ein Forscher in den Beständen der Gonzaga in Mantua 339 Schreiben Lucrezias, die er alle als autograph deklarierte7, im Jahr 1874 zitierte Ferdinand Gregorovius zahlreiche Briefe Lucrezias und Caesars aus den Archiven in Mantua und Modena8. Durch die Faksimilierung eines Schreibens Alexanders VI. an Lucrezia Borgia9 regte Gregorovius auch eine stärkere Beschäftigung mit den Autographen des Papstes an. „Eigenhändigkeit“ ist nicht nur in diesen Publikationen aus dem Zeitalter des Positivismus, sondern noch in vielen jüngeren Darstellungen gewissermaßen die Steigerung von „Originaldokument“ und wird als Argument eingesetzt, um dem Borgia-Bild der Verfasser und Verfasserinnen Überzeugungskraft zu verleihen. Das wachsende Interesse an den biographischen Zeugnissen der Borgia war jedoch lange Zeit keineswegs von adäquaten Bemühungen um deren Edition begleitet. In dieser Hinsicht ist der Forschungsstand durch Publikationen mit lokalem Fokus10, Veröffentlichungen   Vgl. Rajna, I versi spagnuoli (wie Anm. 3) 303.   Vgl. ebd. 309 (Bembo, Familiarium III,14). 6   Vgl. ebd. 303. 7  Vgl. Giovanni Zucchetti, Lucrezia Borgia Duchessa di Ferrara (Milano 1869) 6; Zucchetti druckte etliche Briefe und Auszüge aus Gesandtenberichten der Jahre 1502 bis 1519. 8  Ferdinand Gregorovius, Lucrezia Borgia. Nach Urkunden und Korrespondenzen ihrer eigenen Zeit (Stuttgart 1874); hier benutzt in der 5. Aufl. (Stuttgart–Berlin 1911), die der durch den Verfasser verbesserten 3. Aufl. entspricht. 9   Ebd. Nr. 66; seither häufig nachgedruckt, z. B. bei Charles Émile Yriarte, César Borgia. Sa vie – sa captivité – sa mort 1 (Paris 1889), Abb. nach 208, eigenartigerweise mit der Angabe „en langue espagnole“, obwohl es sich um einen italienischen Text handelt. Der 1939 erstmals erschienenen romanhaften Biographie Lucrezia Borgias von Maria Bellonci waren in den frühen Auflagen – hier überprüft an den Auflagen Milano 1947 und 1949 – Abbildungen von Autographen sowie Anhänge zu den Quellen beigegeben; leider sind diese Teile in den jüngeren Auflagen nur eingeschränkt oder gar nicht mehr vorhanden, und dasselbe gilt für Gregorovius’ Buch. 10   Vgl. Luigi Fumi, Alessandro VI e il Valentino in Orvieto. Notizie storiche raccolte da documenti inediti. Nozze Gamurrini – Giulietti (Siena 1877): drei Briefe Caesars aus den Jahren 1495, 1496, 1503; Alessandro Lisini, Relazioni fra Cesare Borgia e la Repubblica Siena. Bullettino senese di storia patria 7 (1900) 82–150: fünf Briefe Caesars aus den Jahren 1492, 1496, 1500, 1502; Franco Mancini, Lucrezia Borgia governatrice di Spoleto. Archivio storico lombardo 115 (1957) 182–187: fünf Briefe Lucrezias im Kommunalarchiv von Todi, 1499; Patrizia Bianciardi, Cesare Borgia in Umbria, in: Alessandro VI e lo Stato della Chiesa. Atti del convegno (Perugia, 13–15 marzo 2000), hg. von Carla Frova–Maria Grazia Nico Ottaviani (Pubblicazioni degli Archivi di Stato. Saggi 79, Roma 2003) 281–292: sechs Briefe Caesars im Kommunalarchiv von Todi aus den Jahren 1500, 1502, 1503. 4 5



Autographen der Borgia 21

von archivalischem Material in Anhängen11 und Überblicksaufsätze zur italienischen Archivlage12 gekennzeichnet. In einem mittlerweile auf fünf Bände angewachsenen „Diplomatari Borja“ werden Archivdokumente zu den Borgia publiziert13. Eine kritische Edition ihres Briefwechsels ist hingegen nicht zustande gekommen, und es mangelt nach wie vor an einer umfassenden Übersicht oder Regestierung, obwohl bereits wichtige Beiträge zur Erschließung zumal der katalanischen Texte geleistet wurden14. Ein überaus bemerkenswerter Komplex von Borgia-Schreiben aus den Jahren 1493 und 1494 ist im Vatikanischen Archiv und im Kathedralarchiv von Valencia erhalten geblieben15. Es handelt sich umso mehr um einen Glücksfall, als die vatikanische Überlieferung zu Alexander VI. keineswegs besonders üppig ist16 und auffälligerweise Bestände 11  Vgl. Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) 301–371; Edoardo Alvisi, Cesare Borgia Duca di Romagna. Notizie e documenti (Imola 1878) 455–592, zu ergänzen durch Enrico Angiolini, La politica dei Borgia in Romagna, in: Alessandro VI e lo Stato della Chiesa (wie Anm. 10) 147–174; Léon G. Pélissier, Sopra alcuni documenti relativi all’alleanza tra Alessandro VI e Luigi XII (1498–1499). ASRSP 17 (1894) 303–373 und ASRSP 18 (1895) 99–215; Peter de Roo, Material for a History of Pope Alexander VI, his Relatives and his Time, 5 Bde. (Bruges 1924); Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Wahl Innozenz’ VIII. bis zum Tode Julius’ II. (Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters 3,2; Freiburg im Breisgau 5–71924) 1053–1111; Gabriella Zarri, La religione di Lucrezia Borgia. Le lettere inedite del confessore (Roma 2006), mit einem Abdruck von Briefen Lucrezias aus Archiven in Florenz, Mantua und Modena 291–313. 12  Revista Borja 2 (2008/09) enthält u. a. folgende Beiträge: Francesco Senatore, Callisto III nelle corrispondenze diplomatiche italiane. La documentazione sui Borgia nell’Archivio di Stato di Siena, in: ebd. 141–186, bietet eine Liste „Lettere dei Borgia alla Repubblica di Siena (1457–1494)“, die überwiegend Briefe Rodrigo Borgias, allerdings nur bis 1483, aufführt (167–175); Bruno Figliuolo, La corrispondenza diplomatica italiana su Alessandro VI: uno sguardo sommario, in: ebd. 311–313, verzeichnet fünf autographe Briefe Rodrigo Borgias als Kardinal und 56 Schreiben als Papst bis 1499 im Staatsarchiv Mailand (311f.); allgemeiner gehalten ist Anna Maria Oliva, Cesare e Lucrezia Borgia negli archivi e nelle biblioteche italiane. Alcune riflessioni, in: ebd. 315–323, mit Hinweisen zu einigen nach dem Jahr 2000 erschienenen Quellenpublikationen (316). 13   Documents de l’Arxiu del Regne de València (1299–1429) (Diplomatari Borja 1, València 2002); Documents de la Corona d’Aragó (1416–1429) (Diplomatari Borja 2, València 2004); Documents de la Corona d’Aragó (1429–1444) (Diplomatari Borja 3, València 2005); Documents de la Corona d’Aragó (1444–1458) (Diplomatari Borja 4, València 2007); Archivio di Stato di Roma: Documents dels protocols de Camillo Beneimbene (1479–1505) (Diplomatari Borja 5, València 2014). – Mario Menotti, Documenti inediti sulla famiglia e la corte di Alessandro VI (Roma 1917), publizierte Auszüge aus vatikanischen Registern, vor allem solchen der Kammer. 14   Zu der von Miquel Batllori († 2003) vorbereiteten Edition der Briefe in katalanischer Sprache vgl. zuletzt Maria Toldrà, Set cartes catalanes de Cèsar Borja, in: Cèsar Borja, cinc-cents anys després. Tres estudis i una antologia (1507–2007), hg. von Álvaro Fernández de Córdova Miralles–Jon Arrizabalaga–Maria Toldrà (Serie minor Borja 2, València 2009) 131–193. 15   Siehe unten im Anhang eine chronologisch geordnete Übersicht mit Angabe der Archivsignaturen und der Druckorte. Der Kürze halber wird im Folgenden für die Briefe nur auf die Nummern des Anhangs verwiesen. Vgl. auch den Abschnitt „Les cartes del papa Alexandre“ auf: www.elsborja.org/borja17.php (wie Anm. 1). 16  Vgl. Álvaro Fernández de Córdova Miralles, El pontificado de Alejandro VI (1492–1503). Aproximación a su perfil eclesial y a sus fondos documentales. Revista Borja 2 (2008/09) 201–309, mit einem Überblick zu den vatikanischen Archivalien (256–263); ders., Alejandro VI y los Reyes Católicos. Relaciones político-eclesiásticas (1492–1503) (Roma 2005) 12–15, skizziert kurz die „progresiva recuperación de las fuentes“ durch die Forschung zu seinem Thema. Ein Überlieferungszufall hat dafür gesorgt, dass Papiere Ludovico Podocataros (1429–1504), der bis zu seiner Erhebung zum Kardinal im Jahr 1500 Sekretär Borgias seit dessen Kardinalszeit war, in Venedig erhalten blieben; zur Auswertung vgl. Tarsicio de Azcona, Relaciones de Alejandro VI con los Reyes Católicos según el Fondo Podocataro de Venecia, in: Dalla Chiesa antica alla Chiesa moderna, hg. von Mario Fois–Vincenzo Monachino–Felix Litva (Miscellanea Historiae Pontificiae 50, Roma 1983) 145–172; bereits Pélissier, Sopra alcuni documenti (wie Anm. 11), druckt einzelne Dokumente aus diesem Fondo Podocataro.

22

Claudia Märtl

fehlen, die für frühere Päpste des 15. Jahrhunderts vorhanden sind. Die Lücken betreffen vor allem Rechnungslegung und Brevenregister, also gerade die politischen und die Mitteilungsschreiben des Papstes. Unregelmäßigkeiten führten 1497 zur Inhaftierung des Sekretärs Bartolomeo Flores, dem die Ausstellung von über 500 Breven ohne Wissen des Papstes vorgeworfen wurde. Im Jahr 1503 sollte eine Bulle „eine schnellere und zuverlässigere Expedierung der Breven verbürgen …, Fälschungen verhindern und schließlich eine vollständige Registrierung aller Breven“ herbeiführen17. Zumindest für die Breven Alexanders VI. drängt sich so der Verdacht auf, dass die Überlieferungslage nicht immer nur durch die Zerstörungen des Sacco di Roma beeinträchtigt ist, sondern entweder schon während des Pontifikats die Registrierung nachlässig gehandhabt oder beim Tod des Papstes einiges vernichtet wurde18. Selbstverständlich lassen sich von Alexander VI. in der Empfängerüberlieferung verstreut Dokumente finden, an denen er autograph mitgewirkt hat, etwa durch Vermerke oder Unterschriften auf eingereichten Suppliken, Konsistorialurkunden und Motuproprio-Schreiben19. Als Bestandteil der normalen päpstlichen Amtstätigkeit ist das aber nicht besonders überraschend und deshalb auch nicht übermäßig interessant. Von Interesse ist der vatikanisch-valencianische Komplex vielmehr, weil er Bereiche päpstlichen Schreibens enthüllt, die sonst verborgen bleiben. Warum sind diese Dokumente erhalten geblieben, und in welcher historischen Situation20 sind sie anzusiedeln? Alexander VI. war im August 1492 gewählt worden und hatte nach einigen Monaten mit einer intensiven Familienpolitik begonnen, die 1493/94 ihre ersten Erfolge zeitigte: den Zweitgeborenen Joan verheiratete er mit einer Adligen aus der Umgebung Ferdinands von Aragon und schickte ihn im Juli 1493 nach Spanien, um die Heirat zu realisieren, das Herzogtum Gandía zu übernehmen und in der Umgebung der Katholischen Könige Fuß zu fassen; Lucrezia verheiratete er mit Giovanni Sforza, dem Herrn von Pesaro, wohin sie im Juni 1494 reiste, und der erst 12jährige Jofre brach im Herbst nach Neapel auf, um eine uneheliche Tochter des unteritalischen Königs zu heira17   Vgl. Walter von Hofmann, Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation, 2 Bde. (Bibliothek des Kgl. Preußischen Instituts in Rom 12/13, Rom 1914) 1 158 und 233, 2 154 und 159. 18   Thomas Frenz, Die Kanzlei der Päpste der Hochrenaissance (1471–1527) (BDHIR 63, Tübingen 1986) 174f., hat errechnet, dass von 1488 bis 1524 nur für 18% der Monate Brevenregister erhalten sind. Im Vatikanischen Archiv haben sich für Alexander VI. erhalten: ein Register für vier Monate des Jahres 1493 (Dataria Apostolica. Brevia Lateranensia 2); Fragmente aus den Jahren 1500, 1502, 1503 (Dataria Apostolica. Brevia Lateranensia 3 fol. 21r–44v); Originalminuten der Jahre 1498 bis 1502 (Arm. XL vol. 1); Originalminuten aus dem Mai 1502 (A.A., Arm. I–XVIII, 5029). Aus der Empfängerüberlieferung publizierte Antoni Borrás i Feliu S. I., Cartes d’Alexandre VI conservades a l’Arxiu del Palau de Barcelona. Analecta Sacra Tarraconensia 46 (1973) 279–323, 44 Breven der Jahre 1495 bis 1501, überwiegend an die Könige Ferrante und Federico von Sizilien. Einen Eindruck vom Umfang der Überlieferung in italienischen Archiven gibt Maria Grazia Bistoni Colangeli, La presenza di Alessandro VI a Perugia, in: Alessandro VI e lo Stato della Chiesa (wie Anm. 10) 255–263, hier 257 Anm. 7: der Fondo diplomatico des Kommunalarchivs von Perugia enthält 63 Breven Alexanders VI.; vgl. auch Figliuolo, La corrispondenza (wie Anm. 12) zu Mailand. 19   Die Abbildung eines Motuproprio vom 11. Juni 1493 mit der autographen Unterschrift fiat motu proprio R., fiat R., das sich anscheinend in einer römischen Privatsammlung befindet, vgl. bei Mario Menotti, Els Borja, hg. von Miquel Batllori S. I.–Ximo Company (València 1992) 191. 20  Zum Folgenden vgl. zusammenfassend Álvaro Fernández de Córdova Miralles–Miguel Navarro Sorní, Art. Alejandro VI. Diccionario Biográfico Español 2 (2009) 555–563, mit umfangreicher Bibliographie; zu dem am Hof der Katholischen Könige weilenden Nuntius Francesc Desprats, der in dem Briefwechsel eine gewisse Rolle spielt, vgl. Fernández de Córdova Miralles, Alejandro VI (wie Anm. 16) 57–63, mit weiterer Literatur.



Autographen der Borgia 23

ten. Der Älteste Caesar21 hingegen wurde im September 1493 zum Kardinal erhoben und blieb in der Umgebung des Vaters. Die im Vatikan erhaltenen Dokumente umfassen neben den Schreiben der Kinder auch Notizen und Konzepte Alexanders VI.22 sowie viele andere Autographe, etwa von Bischöfen, Kardinälen und Heerführern, und wären gut geeignet, die Verbreitung und Funktionen eigenhändigen Schreibens unter den Führungsschichten am Ende des 15. Jahrhunderts zu illustrieren. Sie bildeten den Inhalt des päpstlichen Schreibtischs am Ende des Jahres 1494. Als der französische König Karl VIII. zur Jahreswende 1494/95 in Rom einmarschierte, flüchtete Alexander VI. in die Engelsburg, offenbar unter Mitnahme seines aktuellen Schriftverkehrs, und in der Engelsburg müssen diese Schriftstücke auch hinterher verblieben und vergessen worden sein, bis sie von einem Archivar des 17. Jahrhunderts, Giovanni Battista Confalonieri, entdeckt und in acht Bänden geordnet wurden23. Er gruppierte sie in -- Briefe von Königen und Fürsten an Alexander VI. (A.A., Arm. I–XVIII, 5020; 105 gezählte Folien), -- Briefe von Kardinälen an Alexander VI. und Briefe anderer Personen an die Kardinäle (A.A., Arm. I–XVIII, 5021; 76 gezählte Folien), -- Briefe von Bischöfen an Alexander VI. (A.A., Arm. I–XVIII, 5022; 122 gezählte Folien), -- Briefe des Francesc Desprats, Nuntius in Spanien, und des Fernando d’Ixer, Tutor des Papstsohnes Jofre, an Alexander VI., in katalanischer Sprache (A.A., Arm. I–XVIII, 5023; 100 gezählte Folien), -- Briefe des Joan de Gandía, anderer Mitglieder der Familie Borgia sowie weiterer Personen an Alexander VI., in katalanischer Sprache (A.A., Arm. I–XVIII, 5024; 153 gezählte Folien), -- Briefe einiger Amtsträger im Kirchenstaat an Alexander VI. (A.A., Arm. I–XVIII, 5025; 124 gezählte Folien), -- Briefe verschiedener Personen (A.A., Arm. I–XVIII, 5026; 121 gezählte Folien), -- Briefe von sieben Damen, darunter Vannozza Cattanei und Lucrezia, an Alexander VI., Briefkonzepte des Papstes und andere Notizen (A.A., Arm. I–XVIII, 5027; 42 gezählte Folien). Dieser Bestand wurde nach einem Hinweis Angelo Mercatis erst 1924 mit der fünften bis siebten Auflage der Papstgeschichte Ludwig von Pastors bekannt, der mit seinen Angaben zur Eigenhändigkeit die Forschung bis in die jüngste Zeit beeinflusste24. 21  Vgl. als aktuelle Synthese Álvaro Fernández de Córdova Miralles, Cèsar Borja en el seu context històric: Entre el pontificat i la monarquia hispànica, in: Cèsar Borja (wie Anm. 14) 11–98. 22  Vgl. Giuliano Gasca Queirazza S. I., Gli scritti autografi di Alessandro VI nel „Archivum Arcis“ (Quaderni di Filologia romanza 3, Torino 1959), mit einer paläographischen und linguistischen Untersuchung sowie einem handschriftengetreuen Abdruck aller autographen Texte Alexanders VI.; zum historischen Inhalt vgl. Miquel Batllori, La correspondència d’Alexandre VI amb els seus familiars i amb els Reis Catòlics, in: ders., La família Borja (Obra completa 4, València 1994) 161–168 (Erstveröffentlichung 1956). 23   Die folgenden Angaben sind dem Indice 1009 fol. 261–263 im Repertoriensaal des Vatikanischen Archivs entnommen. Vgl. auch Giovanni Soranzo, Un prezioso carteggio papale degli anni 1493–1494, in: ders., Studi intorno a papa Alessandro VI (Borgia) (Pubblicazioni dell’Università Cattolica del Sacro Cuore N. S. 34, Milano 1950) 76–91. 24   Seit Pastor, Geschichte 3,2 (wie Anm. 11) Nr. 42–44 S. 1110f., gelten drei Briefe der Vannozza Cattanei in ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027 als eigenhändig, obschon ein Vergleich mit den unzweifelhaft

24

Claudia Märtl

Aus den Monaten, die durch die vatikanischen Bände abgedeckt werden, gibt es fast bis zum Ende auch die Gegenüberlieferung aus dem Umfeld des nach Spanien gereisten Joan de Gandía. Die bei ihm einlaufenden Schreiben Alexanders VI. und Caesars blieben nebst einigen väterlichen Instruktionen erhalten, weil der Papst im Herbst 1494 mit den Nachrichten vom Treiben seines Sohnes sehr unzufrieden wurde, dessen Sekretär nach Rom einbestellte und ihn danach entließ. Bis zu diesem Zeitpunkt sammelte der Sekretär Genís Fira den Schriftwechsel seines Herrn, den er offenbar nach der Entlassung bei sich behielt; schließlich kamen die Dokumente mit seinem Nachlass in das Kathedralarchiv von Valencia25. Der valencianische Bestand gibt also spiegelbildlich zum vatikanischen Teil der Korrespondenz eine überlieferungsgeschichtliche Momentaufnahme aus dem Herbst 1494. Die Borgia-Briefe in Valencia wurden in Ansätzen schon vor 1900 bekannt und sind seither wiederholt gedruckt worden, allerdings fast immer in sprachlich normalisierter Gestalt26. Der Briefwechsel wurde unter den Familienmitgliedern auf Katalanisch und Italienisch geführt. Alexander VI. verwendete zudem gelegentlich für seine Notizen das Lateinische und beherrschte das Kastilische. Die männlichen Familienmitglieder bedienten sich untereinander einer literarischen Variante des Katalanischen27, Lucrezia hingegen erhielt von ihrem Vater Briefe auf Italienisch und schrieb selbst in dieser Sprache28. Der Sprachgebrauch zeigt für das Italienische Phänomene eines Ausgleichs, der durch das kuriale Umfeld, in dem unterschiedlichste Praktiken und Traditionen zusammentrafen, gefördert wurde, und für das Katalanische eine Bevorzugung des Valencianischen, die so nur im „Rom der Borgia“ möglich war, dessen Sprachstand auch auf das Königreich Aragon einwirkte29. autographen Frauenbriefen im selben Konvolut nahelegt, dass dies höchstwahrscheinlich nicht zutrifft und die Schreiben von einem Berufsschreiber stammen. Sie können daher auch nicht als Dokumente weiblichen Sprachgebrauchs herangezogen werden, wie dies der Fall ist bei Rita Fresu, Alla ricerca delle varietà „intermedie“ della scrittura tra XV e XVI secolo. Lettere private di Lucrezia Borgia e di Vannozza Cattanei. Contributi di filologia dell’Italia mediana 18 (2004) 41–82. Vgl. eine Abbildung des als „eigenhändig“ bezeichneten Briefs ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 21 bei Anton Haidacher, Geschichte der Päpste in Bildern. Mit einem geschichtlichen Überblick von Josef Wodka (Heidelberg 1965) 228, und in Archiv-Verlag, Documenta Vaticana (Braunschweig 2006) Nr. 54: Alexander VI. und die Frauen, 1494, sowie die Abb. eines weiteren Briefs, ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 23, in: I Borgia. Roma, Fondazione Memmo. 3 ottobre 2002–23 febbraio 2003 (Roma 2002) Nr. I.20 S. 75. 25  València, Arxiu General de la catedral, 64. – Zu Genís Fira, einer auch in der katalanischen Literaturgeschichte bekannten Figur, vgl. Paulino Iradiel–José Maria Cruselles, El entorno eclesiástico de Alejandro VI. Nota sobre la formación de la clientela política borgiana (1429–1503), in: Roma 1 (wie Anm. 1) 27–58, hier 56 mit Anm. 99. 26  Siehe unten im Anhang die Übersicht zu den Druckorten. Nicht zugänglich war mir Recull epistolar. Edició facsimil de les cartes borgianes de l’Arxiu de la Seu de València, hg. von Miguel Navarro Sorní–Vicent Pons Alós (València 2002). Laut der Rezension von Fernando de Lasala. AHP 40 (2002) 335–337, werden in der 64 Seiten umfassenden Publikation neun in dem valencianischen Bestand enthaltene Schreiben Alexanders VI. mit einer Einleitung und Transkriptionen abgebildet. 27   Vgl. Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 33–56, hier 41, zum katalanischen Sprachgebrauch Alexanders VI.: „è la ‚koinè‘ letteraria del tempo, regolare ed uniforme nella grafia e nella morfologia, appena venata di valenzianismi, intaccata da qualche italianismo soprattutto lessicale“; ferner Miquel Batllori, El català literari dels Borja, in: ders., La família (wie Anm. 22) 157–159 (Erstveröffentlichung 1959); Max Cahner, La correspondència dels Borja, in: Els temps dels Borja (València 1996) 81–95, bes. 90ff. 28   Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 51, charakterisiert das Italienisch Alexanders VI. als „volgare sopraregionale“ mit leichten Einflüssen von Latein und Katalanisch; zum Sprachgebrauch Lucrezias (mit Literatur zur Entwicklung der italienischen Schriftsprache) vgl. Fresu, Alla ricerca (wie Anm. 24), bes. 48ff. 29   Im Hinblick auf das Italienische vgl. Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 52; Fresu, Alla ricerca (wie Anm. 24) 45; zum Katalanischen vgl. Miquel Batllori, El català, llengua de cort a Roma durant



Autographen der Borgia 25

Aus dem gesamten Überlieferungskomplex geht hervor, dass Alexander VI. großen Wert auf eigenhändiges Schreiben legte. Durch Autographe drückte er schon in seiner Zeit als Kardinal und Vizekanzler eine besondere Verbundenheit zu den Adressaten aus. So teilte er dem Markgrafen Ludovico Gonzaga die Erhebung von dessen Sohn Francesco zum Kardinal noch am selben Tag, dem 18. Dezember 1461, manu propria mit30. Rodrigo Borgia hatte Ludovico und Barbara Gonzaga während des Kongresses von Mantua kennengelernt. Das Markgrafenpaar bemühte sich, gewiss in der Absicht, die projektierte Kardinalskreation des Sohnes zu fördern, um ein gutes Verhältnis zu dem jungen Vizekanzler der römischen Kirche. Während die Markgräfin sich um die Wohnungsprobleme des anspruchsvollen Prälaten kümmerte und von diesem später mit Geschenken wertvoller Wäsche beehrt wurde, ging der Markgraf mit ihm auf die Jagd und versorgte ihn mit Falken für die Entenjagd in der römischen Campagna31. Mit seiner Absicht, Ludovico Gonzaga im italienischen Volgare zu schreiben, gab Borgia neben der Eigenhändigkeit des Briefs ein weiteres wichtiges Signal enger Verbundenheit. Das Ergebnis war allerdings ein Kauderwelsch aus Latein, Italienisch und Katalanisch. Seine Schrift, eine nach rechts geneigte, schwungvolle Kursive, weist bereits charakteristische Merkmale auf, die sich noch in den Schreiben der Papstzeit feststellen lassen. Ihre Gestaltung verrät einen eigenen Stilwillen, der Elemente verschiedener Schriftarten kombinierte32. Auffällig ist die Form des R, das in genau der gleichen Gestalt, mit einem waagrecht nach rechts abgespreizten sehr kurzen Querstrich statt einer Cauda, in den Unterschriften Alexanders VI. auf Suppliken und Motuproprio-Schreiben auftritt. Auch als Papst setzte Borgia Eigenhändigkeit zur Erhöhung des Nachdrucks ein. Aus dem zeitlichen Umfeld des vatikanisch-valencianischen Briefkomplexes lassen sich zwei Breven nennen, die Alexander VI. ganz oder teilweise selbst schrieb. Ein Breve an den heranrückenden Karl VIII. ist im eigenhändigen Entwurf des Papstes erhalten geblieben (s. Abb. 1)33. Es war die Antwort auf ein autographes Schreiben des Königs und ermahnte diesen zur Achtung vor der kirchlichen Freiheit. Warum dieser auf dickem weißem Papier els pontificats de Calixt III i Alexandre VI, in: ders., La família (wie Anm. 22) 145–155 (Erstveröffentlichung 1983); zur Rolle der „Roma borjana“ Antoni Ferrando, Sobre l’autoria de les Regles d’esquivar vocables, encara. Els Marges 70 (2002) 67–98, hier 81–88 und 93; ders., La gènesi romana d’una norma lingüística catalana del segle XV, in: Traduzione e continuità di tradizioni, hg. von Nancy de Benedetto–Ines Ravasini (València–Bari 2011) 39–64. 30   Vgl. die Abb. und nicht ganz fehlerfreie Transkription des Schreibens bei Alvaro Ruggeri, Alessandro VI Borgia con ampi ragguagli sulla vita di Lucrezia docile strumento e vittima di disegni politici del padre e del fratello Cesare (Roma 2003) 274f.; das Schreiben war bereits zuvor abgedruckt worden von Alessandro Luzio, Isabella d’Este e i Borgia. Documenti. Archivio storico lombardo Ser. quinta 42 (1915) 115–167, hier Nr. II S. 118f. 31   Vgl. Claudia Märtl, Le papesse. Frauen im Umfeld der römischen Kurie nach der Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Dresden, 26. bis 29. September 1998, hg. von Jan Hirschbiegel–Werner Paravicini (Stuttgart 2000) 411–428, hier 421f.; dies., Alltag an der Kurie. Papst Pius II. (1458–1464) im Spiegel zeitgenössischer Berichte, in: Pius II. „El più expeditivo pontifice“. Selected Studies on Aeneas Silvius Piccolomini (1405–1464), hg. von Zweder von Martels–Arjo Vanderjagt (Leiden–Boston 2003) 107–145, hier 127f.; dies., Die Teilhabe der Kardinäle an der Kirchenregierung, in: Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, hg. von Jürgen Dendorfer–Ralf Lützelschwab (Päpste und Papsttum 39, Stuttgart 2011) 343–361, hier 352. 32   Batllori, La correspondència (wie Anm. 22) 162, und Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 5, bezeichnen diese Variante der Schrift Alexanders VI. als „calligrafia castellana“ bzw. „corsiva castigliana“, doch scheinen bereits Einflüsse humanistischer Schrift, wie z. B. ein unziales E bei Ego, aufgenommen zu sein. 33   ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5029, fol. 212.

26

Claudia Märtl

niedergeschriebene Text nicht abgesendet wurde, ist nicht ganz klar; möglicherweise war eine über der Zeile eingefügte Korrektur der Grund. Das schlichte Äußere kann jedenfalls nicht dafür ausschlaggebend gewesen sein, da bereits Pius II. eigenhändige, doch ganz unscheinbare Papierzettel versandte34. Ungefähr zur gleichen Zeit wie das Schreiben an Karl VIII. verfasste Alexander VI. ein Breve an Ludovico Moro in Mailand, dessen Text in der üblichen Form auf einem querrechteckigen Pergamentstreifen von einem Sekretär niedergeschrieben wurde. Der Papst fügte eine eigenhändige Nachschrift hinzu, in der er den mailändischen Herzog beschwor, den französischen Einmarsch nicht zuzulassen35. Die Schrift dieser eigenhändigen päpstlichen Schreiben, für die Alexander VI. eine relativ breit zugeschnittene Feder benutzte, wirkt im Vergleich zu dem Brief des 30jährigen Borgia vom Jahr 1461 etwas vergröbert, ist aber eindeutig als vom selben Schreiber stammend zu identifizieren. Es handelte sich gewissermaßen um eine „offiziöse“ Variante. In derselben Schrift setzte Alexander VI. den Vermerk Alexander papa VI. manu propria über viele aus Empfängerüberlieferung bekannte Schreiben, die sichtlich von Sekretärshand stammen36. Die Konzepte im vatikanischen Bestand37 verraten, dass der Papst in diesen Fällen einen eigenhändigen Entwurf gemacht hatte und dies den Adressaten wissen lassen wollte. Der Sekretär schrieb den Entwurf ins Reine, formulierte vielleicht manchmal auch Stichpunkte des Papstes aus. Für Entwürfe und Notizen, die er stets mit spitzer Feder schrieb, verwendete Alexander VI. andere Schriften in unterschiedlich sorgfältiger Ausführung; bei lateinischen Teilen des Texts näherte er sich der humanistischen Kursive an, für volkssprachliche Teile gebrauchte er eine gotische Kanzleischrift, wie sie auch in fürstlichen oder städtischen Registern vorkommt38. Offenbar setzte er regelmäßig I(esu)s Ch(risto)s in griechischen Lettern über seine Konzepte39. Außer an Briefentwürfen ist dies auch bei einigen Listen von Notizen zu beobachten, gewissermaßen dictatus papae, in denen sich Alexander VI. vorzugsweise Punkte notierte, die in einer nahen Zukunft umgesetzt werden sollten, wie etwa die Verzeichnung der Wertgegenstände, die Jofre nach Neapel mitgegeben wurden, oder militärische Sicherungsmaßnahmen im Kirchenstaat vor der französischen Invasion (s. Abb. 2)40. Man kann an all dem ablesen, dass Rodrigo Borgia sehr viel selbst geschrieben haben muss und Schrift in verschiedenen Funktionen einsetzte, vom Appellcharakter, den er einem eigenhändigen Breve beilegte, bis zur internen Gedächtnisstütze. Offenkundig gehörten auch Disziplinierung und Kontrolle für ihn zu diesen Funktionen. Seinen Kindern schärfte er ein, dass sie ihm regelmäßig selbst zu schreiben hätten. Von Joan de Gandía 34   Vgl. Martin Wagendorfer, Die Schrift des Eneas Silvius Piccolomini (StT 441, Città del Vaticano 2008) 203, zu einem Breve an Francesco Sforza, das sich im Original erhalten hat. 35   Das Breve vom 4. Dezember 1494 ist bereits erwähnt bei Pastor, Geschichte 3,2 (wie Anm. 11) 403 Anm. 2; eine Abbildung vgl. in Storia d’Italia 4, hg. von Pietro Bianchi (Milano 1965) 1496f. 36  Siehe Anhang Nr. 1, 2, 10, 11, 17, 18, 20, 21, 26. – Joan Llopis, der diese Briefe schrieb, war nicht nur Sekretär, sondern vom August 1492 bis zu seiner Erhebung zum Kardinal im Februar 1496 auch Datar, genoss also das Vertrauen des Papstes in höchstem Maß; vgl. von Hofmann, Forschungen 2 (wie Anm. 17) Nr. 13 S. 101 und Nr. 176 S. 117; Frenz, Kanzlei (wie Anm. 18) Nr. 1287 S. 378; zur Familie Llopis in der Umgebung des Papstes vgl. Iradiel–Cruselles, El entorno (wie Anm. 25) 46–49. 37   Siehe Anhang Nr. 16, 34, 40, 41, 42, 43. 38   Batllori, La correspondència (wie Anm. 22) 162, und Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 5, konstatieren die Verwendung einer gotischen Kursive katalanischer Provenienz mit gelegentlichen Elementen italienischer (humanistischer) Prägung. 39   Vgl. Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 5. 40   Gedruckt ebd. Nr. 8 S. 12–14; Nr. 9–10 S.14f.



Autographen der Borgia 27

verlangte er vor der Spanienreise in einer Instruktion, dass er zweimal pro Monat eigenhändig berichten müsse, und gegenüber Lucrezia beschwerte er sich einmal in einem verschollenen Brief, dass sie ihm nur über einen Sekretär geschrieben hatte, weshalb sie sich umständlich entschuldigte41. Abgesehen vom politischen oder pragmatischen Sinn des eigenhändigen Schreibens lässt sich besonders in den Briefen Alexanders an Lucrezia42 erkennen, dass er den Einsatz der eigenen Hand auch als Demonstration emotionaler Nähe auffasste, die er von nahestehenden Personen erwartete und selbst zu leisten bereit war – und umgekehrt: auf dem Höhepunkt seiner Verärgerung über Joan schrieb er diesem schlicht nicht mehr43. Angesichts des hohen Stellenwerts, den eigenhändiges Schreiben für Alexander VI. besaß, verwundert es nicht, dass er auch das Schreiben anderer manipulierte. In den vatikanischen Bänden zeigt sich das besonders bei zwei Schreiben Caesar Borgias, die als Konzepte in den Unterlagen des Papstes landeten, was allein schon aufschlussreich wäre, aber darüber hinaus griff Alexander VI. noch in diese Texte ein. Hier sei nur ein Beispiel ausgeführt, das Konzept eines Briefs Caesars an seinen Bruder Joan in Spanien (s. Abb. 3)44. Nachdem Alexander VI. den Eindruck gewonnen hatte, dass sich Joan nicht wie gewünscht verhielt, und diesem seine Meinung bereits mitgeteilt hatte, veranlasste er Caesar, ebenfalls einen kritischen Brief an seinen Bruder zu verfassen, in dem er ihn dafür tadelte, dass er seine Ehe noch nicht vollzogen habe, und ihn dazu aufforderte, dies schleunigst nachzuholen. Den Entwurf legte Caesar seinem Vater vor, der dann einen eigenhändigen Zusatz anbrachte, der sich ganz in Briefmanier als Nachschrift gibt. Dieses Postskript sollte offenbar von Caesar in die Reinschrift übernommen werden, aber nicht als Korrektur im Text, sondern eben als Nachtrag, der den Brief authentisch wirken ließ. Die Brüder Caesar und Joan schrieben zwar nicht in der gleichmäßigen Manier von Berufsschreibern, verwendeten aber überaus flüssige Kursiven (s. Abb. 4 und 5). Wie Beherrschung des Katalanischen und Schriftbild nahelegen, erhielten sie Schreibunterricht durch Personen, die von der Iberischen Halbinsel stammten. Ihre Schriften ähneln einander vor allem in jenen Dokumenten, deren Formanspruch aus Eile oder wegen anderer Gründe nicht auf der höchsten Ebene lag, wobei das g, das von Caesar in zwei Ansätzen wie ein o mit unten angehängtem s geschrieben wurde, stets ein wichtiger Unterschied ist. Nehmen sich die beiden Brüder aber zusammen, wie in den Briefen an ihren Vater, so ändert sich der Gesamteindruck der Schrift, was sich besonders bei Caesar auswirkt. In dessen Briefen nähert sich das Schriftbild dann humanistischen Schriften an, die er vermutlich während seiner Studienzeit an den Universitäten Perugia und Pisa, wo er bis zur Papstwahl seines Vaters weilte, als vorbildhaft kennengelernt hatte. Nur ein kurzer Blick sei auf die Schrift des 12jährigen Jofre geworfen, von dem der Papst ebenso wie von seinen älteren Brüdern eigenhändige Briefe erwartete. Sein Schreibunterricht war offenbar an humanistischen Vorstellungen ausgerichtet. Seine Briefe aus Neapel sind in einer etwas steifen humanistischen Kursive in sichtlich unselbständig hingesetzten Zeilen geschrieben und wirken wie von einer Vorlage kopiert (s. Abb. 6)45.   Siehe Anhang Nr. 1, 28, 29.   Vgl. auch das bei Bellonci, Lucrezia (wie Anm. 9) 685 Nr. 9, publizierte eigenhändige Schreiben Alexanders VI. an Lucrezia vom 7. Januar 1502, einen Tag nach ihrer Abreise nach Ferrara. 43  Siehe Anhang Nr. 30. 44  Siehe Anhang Nr. 6; der zweite Fall ist Nr. 7. Auch bei Nr. 32 wird angenommen, dass Alexander VI. diesen Brief aufsetzte, um ihn von einer anderen Person als eigene Verlautbarung schreiben zu lassen. 45  Siehe Anhang Nr. 33, 35, 45, 46. 41 42

28

Claudia Märtl

Caesar kehrte bekanntlich 1498 in den Laienstand zurück und verheiratete sich während eines Frankreichaufenthalts mit einer französischen Fürstin. Ab diesem Zeitpunkt stilisierte er seine Unterschrift auffallend neu und verwendete diese Form gleichbleibend bis zu seinem Tod im Jahr 1507 (s. Abb. 7). Diese neue Unterschrift Caesars wurde 1859 erstmals gemeinsam mit dem Namenszug seines Sekretärs (Agapytus) faksimiliert abgebildet46. Er unterschrieb mit ihr sowohl Briefe als auch Urkunden, Urkunden häufig nur mit seinem Namen ohne weitere Zusätze47. Der Name Cęsar – stets mit e caudata – wird jetzt wesentlich größer als der übrige Text geschrieben, das C mit einem Schweif gestaltet, der die anderen Buchstaben trägt, der Fuß des r rechtwinklig nach rechts geknickt, die Oberlänge des s ebenfalls rechtwinklig geknickt und fahnenartig nach rechts verlängert. Schweif des C und Fuß des r werden zu einem Schnörkel ausgezogen, der ein Auge bildet, in das manchmal ein Punkt gesetzt wird. Größenverhältnisse, abgeknickte Ober- und Unterlängen sowie Schnörkel lassen an die Unterschriften französischer Könige, besonders Ludwigs XI. und Karls VIII., denken48. Die Signatur Caesars fiel bereits Zeitgenossen als besonders charakteristisches Merkmal seiner Schriftstücke auf. So schrieb Niccolò ­Machiavelli in diffamierender Absicht einen anscheinend zur Verbreitung gedachten angeblichen Brief Caesars, in dem er die Unterschrift detailgetreu nachahmte – offenbar hielt er sie für besonders geeignet, um dem Text Glaubwürdigkeit zu verleihen49. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang Caesars Sekretär Agapito Geraldini (ca. 1450–1515)50, der aus einer bekannten umbrischen Humanistenfamilie stammte und sich im Umfeld der sog. römischen Akademie des Pomponio Leto bewegte. Früh schon kam er mit den Borgia in Kontakt und trat 1498 in die Dienste Caesar Borgias ein, dessen Frankreichreise er organisierte. Viele der Briefe aus den späteren Jahren Caesars, dem er über den Sturz nach dem Tod Alexanders VI. hinaus treu blieb, sind von Agapito Geraldini in einer überaus disziplinierten humanistischen Schrift geschrieben. Von seiner Hand stammt auch die in Nürnberg in den Pirckheimer-Papieren überlieferte Liste von Fragen 46  Filippo Ugolini, Storie dei Conti e Duchi d’Urbino 2 (Firenze 1859) Nr. 14, 522f. (Abdruck eines Briefs von Caesar, 1502). 47  Abbildungen vgl. in Los Borja (wie Anm. 2) Nr. 103, Nr. 105–107, Nr. 110, Nr. 112 (Schreiben von 1492, 1494, 1502, 1503 und 1506); I Borgia (wie Anm. 24) Nr. I.46, Nr. II.11–II.13 (Schreiben von 1492, 1502, 1503 und 1506). – Faksimiles und Abbildungen einzelner Dokumente vgl. z. B. bei: Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) Nr. 67 (Brief, 1502); Yriarte, César Borja 1 (wie Anm. 9) Abb. nach 304 (Brief, 1497); Album von Handschriften berühmter Persönlichkeiten vom Mittelalter bis zur Neuzeit, hg. von Karl GeigyHagenbach (Basel 1925) 74 (nur die Unterschrift, ohne Angabe von Herkunft oder Datum); Storia d’Italia 4 (wie Anm. 35) 1505 (Urkunde, 1502); Menotti, Els Borja (wie Anm. 19) 328 Abb. 1 (Urkunde, 1502). Siehe auch die Angaben zu Anhang Nr. 12, 19 und 27 (Briefe von 1493 und 1494). 48  Vgl. Claude Jeay, La naissance de la signature dans les cours royale et princières de France (XIVe–XVe siècle), in: Auctor et auctoritas. Invention et conformisme dans l’écriture médiévale. Actes du colloque de SaintQuentin-en-Yvelines (14–16 juin 1999), hg. von Michel Zimmermann (Paris 2001) 457–475, hier 459 (Abb.) und 469f., sowie die materialreichen Ausführungen bei dems., Signature et pouvoir au moyen âge (Mémoires et documents de l’École des chartes 99, Paris 2015), hier bes. 163‒270. 49  Zum Nachweis der Fälschung und zum politischen Kontext vgl. Cecil H. Clough, Niccolò Machia­ velli, Cesare Borgia, and the Francesco Troche Episode. Medievalia et Humanistica 17 (1966) 129–149, mit Abb. des Briefs. Psychoanalytische Deutungen in der Nachfolge von Hanna F. Pitkin, Fortune is a woman. Gender and politics in the thought of Niccolò Machiavelli (Chicago–London 1984) 40f., spekulieren darüber, ob Machiavelli sich mit der Nachahmung der Unterschrift aus subjektiv empfundener Ohnmacht in die Position des Valentinus versetzen wollte. 50  Vgl. Frenz, Kanzlei (wie Anm. 18) Nr. 42, 271; Dario Busolini, Art. Geraldini, Agapito. DBI 53 (2000) 309–312; Martin Früh, Antonio Geraldini (†1488). Leben, Dichtung und soziales Beziehungsnetz eines italienischen Humanisten am aragonesischen Königshof (Münster u. a. 2005) 147–149.



Autographen der Borgia 29

zu Kriegstechnik, Herstellung von Giften und ähnlichen Themen, die Caesar Borgia an den päpstlichen Geschützmeister Lorenz Beheim richtete51. Agapito stilisiert seinen Namen ebenfalls in sehr auffälliger und stets gleichbleibender Weise, und zwar so, dass der Namenszug oberflächlich betrachtet fast wie eine griechische Kursive aussieht. In allen Dokumenten, die ich im Original einsehen konnte, sind die Unterschrift Caesars und diejenige Agapitos mit derselben Feder und derselben Tinte geschrieben, die sich beide oft deutlich von Feder und Tinte des Brieftexts abheben. Auch sind hin und wieder sowohl der Name Caesars wie auch der des Sekretärs von ein oder zwei kleinen Wellenlinien, ähnlich einer Tilde, begleitet. Daraus lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen, dass der Entwurf der Cęsar-Stilisierung auf den Sekretär zurückgeht; überdies ist es möglich, dass zumindest einige der vermeintlich autographen Unterschriften Caesars von Agapito stammen. Diese Vermutung bedürfte einer paläographischen Überprüfung auf einer ausgedehnten Materialbasis, ist doch die Ausführung vermeintlich eigenhändiger fürstlicher Unterschriften durch Sekretäre in anderem Zusammenhang bereits nachgewiesen worden52. Schließlich noch zur Handschrift der Lucrezia Borgia! Ähnlich wie bei ihren älteren Brüdern ist ihre Schrift gut zu identifizieren, sie unterliegt allerdings Schwankungen, über die man sich schon im 19. Jahrhundert Gedanken machte. Ferdinand Gregorovius befand: „Ihre Handschrift ist wechselnd; bisweilen hat sie starke Züge, die an die auffallend energische Schrift ihres Vaters erinnern, bisweilen ist sie scharf und fein.“53 Im Unterschied zu ihren Brüdern schreibt Lucrezia niemals kursiv, sondern setzt die Buchstaben getrennt aufs Papier (s. Abb. 8). Sie war sicher eine geübte Schreiberin, aber man gewinnt doch den Eindruck, dass ihr Schreibunterricht unterhalb der Kunstfertigkeit Caesars und Joans stehenblieb. Die von Gregorovius konstatierten Ungleichmäßigkeiten sind wahrscheinlich auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen, wie aus dem vatikanischen Briefkonvolut hervorgeht. In einem der ersten erhaltenen Briefe entschuldigt sich die 14jährige Lucrezia, sie habe nicht selber schreiben können, da ihr Arm geschmerzt habe, und stellt außerdem bemerkenswerte Reflexionen über den stilistischen Unterschied zwischen Sekretärsbriefen und Frauenbriefen an54. Bei den Armschmerzen scheint es sich um ein chronisches Leiden gehandelt zu haben, das nach der Jahrhundertwende immer wieder auftrat. Lucrezias Schrift wurde unharmonischer, eckig, teils sogar zittrig; vor allem konnte sie Rundungen nicht mehr in einem zusammenhängenden Zug schreiben55. 51  Die Liste ist verschollen und nur mehr nach den Abbildungen bei Gustavo Sacerdote, Cesare Borgia. La sua vita, la sua famiglia, i suoi tempi (Milano 1950) 582f., zu beurteilen; sie galt bisweilen als ein Autograph Caesars. Zu Beheim vgl. Christa Schaper, Lorenz und Georg Beheim, Freunde Willibald Pirckheimers. Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 50 (1960) 120–221, zur römischen Zeit Beheims bes. 124–145, zur Liste der Fragen 128f. Die Identifikation Agapito Geraldinis als Schreiber führt zu der Konsequenz, dass die Liste nach 1498 zu datieren und im Licht der neuen weltlichen Karrierepläne Caesars zu diesem Zeitpunkt zu interpretieren ist, was auch inhaltlich besser einleuchtet, als dies bei der früheren Datierung kurz nach 1492 der Fall war. 52   Vgl. Heinz Noflatscher, Zur Eigenhändigkeit der Herrscher in der politischen Kommunikation des Ancien Régime (16. bis 18. Jahrhundert), in: Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Christina Antenhofer–Mario Müller (Schriften zur politischen Kommunikation 3, Göttingen 2008) 141–167, hier 149 und 164f., und für Ludwig XI. Jeay, Signature (wie Anm. 48) 192‒249. 53   Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) 30. 54   Siehe Anhang Nr. 29; vgl. Fresu, Alla ricerca (wie Anm. 24) 47. 55   Abbildungen von Briefen Lucrezias aus den Jahren 1494, 1502, 1503, 1504 im Archivio di Stato di

30

Claudia Märtl

Kurz vor Lucrezias Verheiratung mit ihrem dritten und letzten Ehemann Alfonso d’Este übertrug Alexander VI. im Jahr 1501 während einer kurzen Abwesenheit von Rom seiner Tochter Verwaltungsaufgaben, mit der Berechtigung, einlaufende Briefe zusammen mit einem portugiesischen Kardinal zu öffnen. Ferdinand Gregorovius hat dazu schon treffend bemerkt, dass es sich hier um eine Anerkennung Lucrezias als politische Person und künftige Herzogin seitens Alexanders VI. handelte und der Papst damit das Beispiel vieler Fürsten nachahmte, „welche, wenn sie selbst aus ihren Staaten abwesend waren, ihren Frauen die Staatsgeschäfte zu übertragen pflegten“56. Johannes Burckard, dem die Kenntnis dieser Episode zu verdanken ist, überliefert zugleich eine interessante Selbsteinschätzung Lucrezias: als der in einer unbedeutenden Angelegenheit von ihr konsultierte Kardinal zum Scherz sagte, im Konsistorium müssten die Beratungen aber mitgeschrieben werden, antwortete Lucrezia, sie könne gut schreiben (se scire bene scribere)57. Schriftstücke Lucrezias aus dieser Zeit haben sich leider nicht erhalten, wohl aber fünf Schreiben im Kommunalarchiv von Todi, die sie teils autograph ausstellte, als sie 1499 im Auftrag ihres Vaters einige Wochen lang als Gouverneurin in der Festung von Spoleto residierte 58. Bemerkenswerterweise schließt sie vier der fünf Briefe mit der Formel Et bene valete, was eine harmlose Grußformel sein könnte (die sie allerdings sonst nirgends verwendet), aber doch auch an die Papsturkunden des Früh- und beginnenden Hochmittelalters erinnert, die mit eigenhändigem Bene valete von den Päpsten unterzeichnet wurden. Für den Vermerk .ff., den Lucrezia einige Male Briefen an Bembo hinzusetzte, wurde vermutet, dass es sich um eine Abwandlung des fiat handeln könnte, mit dem Päpste Suppliken genehmigten59. Dass Lucrezia als Fürstin zeitüblichen Usancen folgte, zeigt ihre eigenhändige Unterzeichnung der Statuten von Sermoneta, die sie mit der Formel Ita sancimus ex certa scientia Lucretia de Borgia manu propria tätigte60. Ob sie oder ihre Berater sich darüber Mantova vgl. bei Ruggeri, Alessandro VI (wie Anm. 30) 266–273; der Brief 265 ist allerdings entgegen der Beischrift nicht autograph, und bei dem Brief 266 ist nur die Unterschrift eigenhändig; ebenfalls aus Mantua stammen die Abbildungen eigenhändiger Briefe bei Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) Nr. 68, und Zarri, La religione (wie Anm. 11) fig. 19, 222. – Weitere Angaben zu Abbildungen und Faksimiles siehe oben in Anm. 9 und unten Anhang Nr. 23, 24, 37. 56   Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) 157f. 57  Johannes Burckardus, Liber notarum, ed. Enrico Celani (RIS2 32,1,2, Città di Castello 1911–42) 294 Z. 10–22. Diesen Bericht wählte der neapolitanische Künstler Giuseppe Boschetto im Jahr 1866 zum Gegenstand eines Historiengemäldes (Musei e gallerie nazionali di Capodimonte, Napoli), das er unter dem Titel „Lucrezia Borgia“ ausstellte, vgl. Catalogo delle opere esposte nella mostra italiana d’arti belle in Parma 1870 (Parma 1870) Nr. 707. In I Borgia (wie Anm. 24) 280 ist es jedoch mit dem Titel „Lucrezia Borgia governatrice della Chiesa“ abgebildet, in Nachschlagewerken firmiert es unter „Lucrezia Borgia che regge il papato“, neuerdings im Internet bisweilen ergänzt durch „col suo padre“ o. ä. Boschetto stellt dar, wie Lucrezia auf dem Papstthron sitzend ein geöffnetes Schreiben liest, jedoch nicht zusammen mit Alexander VI., sondern in Anwesenheit eines Kardinals, der dem Betrachter den Rücken zuwendet. Den Papstthron, den er nach Raffaels bekannten Portraits von Julius II. und Leo X. gestaltete, extrapolierte Boschetto wohl aus der Angabe Burckards, Lucrezia habe in dieser Zeit die Gemächer des Papstes bewohnt. 58  Abgedruckt bei Mancini, Lucrezia (wie Anm. 10); vgl. zum historischen Hintergrund Maria Grazia Nico Ottaviani, Cesare e Lucrezia Borgia nei loro rapporti con le città e i castelli dell’Umbria, in: Alessandro VI e lo Stato della Chiesa (wie Anm. 10) 265–279, bes. 272–275. 59  Vgl. Rajna, I versi spagnuoli (wie Anm. 10) 308f. 60  Vgl. Giovanni Pesiri, Sermoneta: 1499–1503, in: Roma 1 (wie Anm. 1) 657–704, hier 672 mit Anm. 44. Zum juristischen Hintergrund vgl. Othmar Hageneder, Die Rechtskraft spätmittelalterlicher Papst- und Herrscherurkunden ex certa scientia, non obstantibus und propter importunitatem petentium, in: Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. von Peter Herde–Hermann Jakobs (AfD Beih. 7, Köln–Weimar–Wien 1999) 401–429, hier 410–417.



Autographen der Borgia 31

hinaus mit diplomatischen Aspekten päpstlicher Schriftlichkeit befassten, muss leider offenbleiben. Für die Frage, wie sich Schreibfertigkeiten und Schreibgewohnheiten in den politisch führenden Kreisen am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit entwickelten, stellen die Autographen der Borgia ein besonders aufschlussreiches Beobachtungsfeld dar. Aus der erhaltenen Korrespondenz geht hervor, dass die schriftliche Kommunikation noch wesentlich dichter gewesen sein muss, als die überlieferten Bruchstücke erkennen lassen. Mit eigener Hand zu schreiben, war zumindest in der Generation der Kinder Rodrigo Borgias für alle Mitglieder der Familie selbstverständlich. Die äußere Gestaltung präsentabler Briefe war ihnen entsprechend den zeitüblichen Normen beigebracht worden, wie sich besonders bei einem Vergleich der Konzepte und Briefe Caesars zeigt. Auch inhaltliche Aspekte, die sich in den Briefen der Borgia wiederholen, wie Aufforderungen zu häufigem Schreiben, Klagen über ausbleibende Briefe u. dergl., gehören zum zeitgenössischen Briefstil. Die Borgia entsprachen damit den Standards fürstlicher Schriftlichkeit, wie sie auch in anderen Familien, z. B. bei den Gonzaga, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts galten. Interessante Differenzen, wie etwa die unterschiedliche Virtuosität, mit der kursive Schriftformen beherrscht wurden, oder die Verteilung der Sprachen in den Briefen der Kinder, lassen sich auf die unterschiedlichen Pläne zurückführen, die Alexander VI. für die politische Zukunft seiner Sprösslinge hegte. Mit der Neustilisierung seiner Unterschrift nach dem Wechsel in den Laienstand setzte Caesar Borgia in zweifacher Weise eine Markierung: einerseits orientierte er sich damit sichtbar nach Frankreich, wie es den politischen Absichten des Papstes 1498/99 entsprach, andererseits betonte er in der humanistisch inspirierten Gestaltung des Namens Cęsar seinen Rückbezug auf das antike Vorbild. Alexanders eigener Anteil an dem überlieferten Komplex der Borgia-Autographen bietet insgesamt sicher die vielfältigsten Anknüpfungspunkte für Reflexionen über das „Schreiben der Mächtigen“. Die erhaltenen Papiere zeigen nicht nur einen Papst, der mindestens drei Schriftstile und vier Sprachen beherrscht und sie funktional differenziert einsetzt. Es wird überdies erkennbar, dass er in der alltäglichen Bewältigung politischer Aufgaben sehr viel selbst schrieb, sei es, dass er einlaufende Briefe und Berichte glossierte, Notizen für Gespräche machte oder Vertragsentwürfe aufsetzte. Der Borgia-Papst kreierte sogar mit den manu propria überschriebenen, doch von Sekretärshand ausgefertigten Briefen einen neuen Typ päpstlicher Schreiben, in dem er dem eigenhändigen Entwurf, der hinter diesen Briefen stand, eine politische Funktion zuwies. Am interessantesten sind aber die päpstlichen Stichpunktlisten für demnächst zu erledigende Aufgaben, von denen mehrere erhalten sind. Es fragt sich, ob Alexander VI. mit dieser professionellen Beherrschung von pragmatischer Schriftlichkeit und seinem ausgeprägten Gespür für die symbolischen Aspekte von Schrift eine Ausnahmeerscheinung auf dem Papstthron war. Hinweise auf eine eigenhändige Beteiligung an der Regierung und Verwaltung der Kirche gibt es bereits für frühere Päpste; systematische Recherchen würden hier wahrscheinlich doch Traditionen kurialen Schreibens zu Tage fördern, in die sich auch Alexander VI. einordnen ließe. Aufgrund der historischen Konstellationen wird der vatikanisch-valencianische Komplex der Borgia-Schreiben aus den Jahren 1493 und 1494 in seiner Gänze aber auch in diesem Fall Einmaligkeit beanspruchen können.

32

Claudia Märtl

Anhang Eigenhändige Schreiben Alexanders VI. und seiner Kinder 1493, Juli 31–1494, November 11 Im Folgenden wird eine chronologisch geordnete Übersicht zu den ganz oder teilweise eigenhändigen Briefen und Briefkonzepten Alexanders VI. und seiner Kinder geboten, die im Vatikanischen Archiv, A.A., Arm. I–XVIII, 5021, 5024, 5026 und 5027, und im Kathedral­archiv von València, 64, erhalten sind; Nr. 26 ist aus ungeklärten Ursachen in das Archiv von Urbino gelangt. Außer Acht gelassen wurden jene Notizen Alexanders VI., die nicht Vorstufen zu Briefen darstellen61, sowie drei Briefe Vannozza Cattaneis, die entgegen bisheriger Meinung nicht autograph sind (siehe oben Anm. 24). Nicht berücksichtigt werden auch die Schreiben Alexanders VI. an Giulia Farnese, Lucrezia Borgia und Adriana Mila vom Juni–Juli 1494, deren autographer Charakter von Gasca Queirazza bestritten wird62. Druckorte: Miquel Batllori, El naixement de Joan de Borja i Enríquez, tercer duc Borgià de Gandía, in: ders., La família Borja (Obra completa 4, València 1994) 125–141; Erstveröffentlichung 1957 (Nr. 6, 7, 13, 15). Miquel Batllori, La correspondència d’Alexandre VI amb els seus familiars i amb els Reis Catòlics, in: ders., La família Borja (Obra completa 4, València 1994) 161–168; Erstveröffentlichung 1956 (Nr. 6). Roc Chabás, Alejandro VI y el duque de Gandía. Estudio sobre documentos Valèncianos. El Archivo 7 (1898) 83–139 (Nr. 1, 2). Correspondance des Borgia. Lettres et documents choisis, préfacés et traduits de l’italien, du catalan et du latin par Guy Le Thiec (Paris 2013) (Nr. 4, 5, 8, 10, 12, 13, 16, 19, 24, 25, 28, 29, 30, 34, 36, 41, 42, 44). De València a Roma. Cartes triades dels Borja. Edició i estudi de Miquel Batllori. Pròleg de Modest Prats (Barcelona 1998) (Nr. 3, 4, 5, 8, 11, 16, 28, 31, 34, 35, 36, 37, 45, 46). Epistolari del Renaixement, ed. Max Cahner (València 1977) (Nr. 1, 2, 10, 12, 17, 22, 31). Rita Fresu, Alla ricerca delle varietà „intermedie“ della scrittura femminile tra XV e XVI secolo. Lettere private di Lucrezia Borgia e di Vannozza Cattanei. Contributi di filologia dell’Italia mediana 18 (2004) 41–82 (Nr. 24, 25, 30, 38, 39, 40). Giuliano Gasca Queirazza S. I., Gli scritti autografi di Alessandro VI nell’ „Archivum Arcis“ (Quaderni di Filologia romanza 3, Torino 1959) (Nr. 6, 7, 16, 33, 35, 41, 42, 43, 44). MHS I,5 = Monumenta Historica Societatis Iesu. Annus primus, fasciculus quintus: Sanctus Franciscus Borgia, quartus Gandiae dux et Societatis Iesu praepositus generalis tertius (Madrid 1894) (Nr. 10, 12, 19, 20). Recull epistolar. Edició facsimile de les cartes borgianes de l’Arxiu de la Seu de València, 61  Gedruckt bei Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) Nr. 3–6 S. 8f., Nr. 8–14 S. 12–21, Nr. 16–20 S. 22–26, Nr. 26–27 S. 30f. 62   Pastor, Geschichte 3,2 (wie Anm. 7) Nr. 56,10–12 S. 1087–1090; Gasca Queirazza, Gli scritti (wie Anm. 22) 3 Anm. 4; vgl. jüngst Danilo Romei–Patrizia Rosini, Regesto dei documenti di Giulia Farnese (o. O. 2012) 121–126 (ohne Kenntnis des Beitrags von Gasca Queirazza).



Autographen der Borgia 33

hg. von Miguel Navarro Sorní–Vicent Pons Alós (València 2002) (hier nicht berücksichtigt). Ludwig Freiherr von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Wahl Innozenz’ VIII. bis zum Tode Julius’ II. (Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters 3,2; Freiburg i. Br. 5–71924) 1078–1111 (Nr. 24, 25, 29, 30, 33, 37, 38, 39, 40, 41, 43). Giovanni Battista Picotti, Nuovi studi e documenti intorno a papa Alessandro VI. RStCh 5 (1951) 169–262 (Nr. 28, 33, 41, 44). Danilo Romei–Patrizia Rosini, Regesto dei documenti di Giulia Farnese (o. O. 2012) (Nr. 24, 26, 27, 28, 32, 40, 41, 42, 43, 44). José Sanchis y Sivera, Algunos documentos y cartas privadas que pertenecieron al segundo Duque de Gandía don Juan de Borja. Notas para la Història de Alejandro VI (Anales del Instituto General y Técnico de València, València 1919) (Nr. 1, 2, 10, 11, 17, 18, 12, 19, 20, 22, 31, 32). Maria Toldrà, Set cartes catalanes de Cèsar Borja, in: Álvaro Fernández de Córdova Miralles–Jon Arrizabalaga–dies., Cèsar Borja, cinc-cents anys després (1507– 2007). Tres estudis i una antologia (Biblioteca minor Borja 2, València 2009) 131– 193 (Nr. 6, 7, 12, 19, 28, 45). Filippo Ugolino, Storia dei Conti e Duchi d’Urbino 2 (Firenze 1859) (Nr. 27). Briefe: 1. 1493 Juli 31, Rom. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Genís Fira. Katalanisch. València, Arxiu general de la Catedral 64,1. – Druck: Chabás, Alejandro VI 88–93; Sanchis y Sivera, Algunos documentos 23–25, mit Abb. der ersten Zeile; Epistolari Nr. 2 S. 32–34. – Kastilische Übersetzung: Roque Chabás, Documentos ineditos de Alejandro VI. Soluciones católicas 1 (1893) 169–172. Der Papst trägt seinem Sohn am Ende dieser Instruktion auf, den Text oft zu lesen und mindestens zweimal pro Monat eigenhändig Bericht zu erstatten. 2. (1493) August 3, Rom. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,2. – Druck: Chabás, Alejandro VI 94; Sanchis y Sivera, Algunos documentos 29f.; Epistolari Nr. 3 S. 35f. – Kastilische Übersetzung: Chabás, Documentos (wie Nr. 1) 172f. 3. 1493 September 16, Barcelona. Joan de Gandía an Alexander VI. Unterschrift eigenhändig; Text geschrieben von Genís Fira. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 4. – Druck: De València Nr. 2 S. 42f. 4. (1493) Oktober 13, València. Joan de Gandía an Kardinal Caesar Borgia. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 6. – Druck: De València Nr. 5 S. 49f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 4 S. 31f. 5. (1493) Oktober 13, València. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 13. – Druck: De València Nr. 6 S. 51f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 3 S. 29f.

34

Claudia Märtl

Erwähnt einen eigenen früheren Brief aus Barcelona und einen in Vilafranca erhaltenen Brief (breu) des Papstes (beide Schreiben verschollen). 6. (1493, Oktober) 31, Viterbo. Kardinal Caesar Borgia an Joan de Gandía. Konzept. Nachschrift von Alexander VI. im Namen Caesars. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5021, fol. 3r–v. – Druck der Nachschrift Alexanders VI.: Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 1 S. 7; des gesamten Briefs (mit Auslassungen): Batllori, El naixement Nr. 2 S. 131f.; des ersten Abschnitts: ders., La correspondència 164; des ganzen Briefs: Toldrà, Set cartes Nr. 1 S. 166–169. 7. (1493) Oktober 31, Viterbo. Kardinal Caesar Borgia an don Enrique Enríquez. Konzept auf Katalanisch. Nachschrift von Alexander VI. im Namen Caesars auf Kastilisch. Auf der Rückseite Federproben Caesars. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5021, fol. 4r–v. – Druck: Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 2 S. 7f.; Batllori, El naixement Nr. 3 S. 132–134; Toldrà, Set cartes Nr. 2 S. 169–171. 8. 1493 November 9, València. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol.7–8. – Druck: De València Nr. 9 S. 57–60. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 5 S. 32–36. Erwähnt einen Brief (breu), den er unterwegs erhalten habe, und einen am 6. Oktober datierten Brief des Papstes, der nach seiner Ankunft in València eintraf (beide Schreiben verschollen). 9. 1493 November 20, València. Joan de Gandía an Alexander VI. Unterschrift eigenhändig; Text geschrieben von Genís Fira. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 5. 10. 1493 November 30, Orvieto. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Über dem Brief: Ίς χς. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,4. – Druck: MHS I,5 707–712; Sanchis y Sivera, Algunos documentos 43–46; Epistolari Nr. 4 S. 37–39. – Französische Übersetzung der italienischen Auszüge in Sacerdote, Cesare (wie Anm. 50) 174: Correspondance Nr. 7 S. 40f. Erwähnt einen eigenen, aus Viterbo geschriebenen Brief vom 29. Oktober 1493 (verschollen); siehe Nr. 13. 11. 1493 November 30, Orvieto. Alexander VI. an Jaume de Pertusa und Genís Fira. Über dem Brief: Ίς χς. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,5. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 47; De València Nr. 14 S. 73f. 12. (1493) November 30, Orvieto. Kardinal Caesar Borgia an Joan de Gandía. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,6. – Druck: MHS I,5 712–715; Sanchis y Sivera, Algunos documentos 48–51, mit Abb.; Epistolari Nr. 5 S. 40–41, mit Abb. eines Teils; Toldrà, Set cartes Nr. 3 S. 172–176. – Französische Übersetzung der italienischen



Autographen der Borgia 35

Auszüge in Sacerdote, Cesare (wie Anm. 50) 175: Correspondance Nr. 8 S. 41f. Erwähnt einen früheren Brief ähnlichen Inhalts; ermahnt seinen Bruder, einige Briefe des Kardinals Ascanio Sforza sowie einen gleichzeitig übersandten Brief seines Schwagers Giovanni Sforza zu beantworten (sämtlich verschollen). 13. 1493 Dezember 4, Gandía. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 1–3. – Druck (mit Auslassungen): Batllori, El naixement Nr. 5 S. 135f. – Französische Übersetzung der italienischen Auszüge in Sacerdote, Cesare (wie Anm. 50) 176–178: Correspondance Nr. 9 S. 43f. – Abb. der Datierung und der Unterschrift: Bellonci, Lucrezia (wie Anm. 9) Tafel VII; Abb. der ersten Seite (mit Datum 8. Dezember): Ximo Company, Alexandre VI i Roma. Les empreses artístiques de Roderic de Borja a Itàlia (València 2002) 172 fig. 159; Abb. der ersten Seite mit Transkription: www.elsborja.org/borja17.php [31. 5. 2015]. Antwort auf ein Schreiben des Papstes aus Viterbo (Nr. 10). 14. 1494 Januar 15, València. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 9. 15. 1494 Februar 26, València. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 11–12. – Druck (mit Auslassungen): Batllori, El naixement Nr. 6 S. 136f. Antwort auf ein verschollenes Schreiben des Papstes vom 6. Januar. 16. (1494 März 14–22, Rom) Alexander VI. an Joan de Gandía. Über der Seite: Ίς χς. Das Konzept beginnt mit einer lateinischen Stichpunktsammlung und geht auf Katalanisch in Briefstil über. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 10. – Druck: Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 7 S. 10–12; De València Nr. 20 S. 93–95. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 10 S. 45f. 17. 1494 April 18, Rom. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Über dem Brief: Ihs Maria. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,8. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 59–62; Epistolari Nr. 6 S. 42–45. Erwähnt, je einen Brief des Herzogs und der Herzogin, datiert am 27. Februar in València, erhalten zu haben (verschollen); kündigt einen Brief zu politischen Entwicklungen in Unteritalien an den Nuntius in Spanien, Francesc Desprats, an, den dieser dem Herzog mitteilen werde (Nr. 18). 18. 1494 April 18, Rom. Alexander VI. an seinen Nuntius Francesc Desprats. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,9. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos S. 63–70. 19. 1494 April 18, Rom. Kardinal Caesar Borgia an Joan de Gandía. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,10. – Druck: MHS I,5 716f.; Sanchis y Si-

36

Claudia Märtl

vera, Algunos documentos 72–74, mit Abb.; Toldrà, Set cartes Nr. 4 S. 176–178. – Französische Übersetzung der italienischen Auszüge in Sacerdote, Cesare (wie Anm. 50) 179f.: Correspondance Nr. 11 S. 47f. Kündigt einen Brief des Papstes an (Nr. 17). 20. 1494 Mai 18, Rom. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Über dem Brief: Ίς χς. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,20. – Druck: MHS I,5 718–721; Sanchis y Sivera, Algunos documentos 87f. Kündigt ausführlichere Briefe an den Nuntius Francesc Desprats an, mit dem der Herzog sich in Verbindung setzen solle. 21. 1494 Mai 29, Rom. Alexander VI. an Joan de Gandía; Fischerringsiegel. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria; Text geschrieben von Joan Llopis. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,23. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 92–96; Epistolari Nr. 8 S. 50–55. Erwähnt mehrere Briefe des Herzogs, insbesondere den jüngsten mit einer Bitte um Geld (verschollen). 22. (1494) Juni 6, Neapel. Jofre de Borja an Alexander VI. Über der Seite: IHS. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 38. 23. 1494 Juni 10, Pesaro. Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 1. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,7 S. 1085f.; Fresu, Alla ricerca 69. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 13 S. 51f. – Abb.: Archivio Segreto Vaticano. Profilo storico e silloge documentaria (Firenze 2000) Tav. LXXIV, 153 (mit Abdruck des Texts 152); I Borgia (wie Anm. 24) Nr. I,62 S. 138f. (mit Abdruck des Texts 137); L’Archivio Segreto Vaticano (Città del Vaticano 2009) Nr. 41 S. 106; nur Schlussformel und Unterschrift: Bellonci, Lucrezia (wie Anm. 9) Tafel XVI. Aus demselben Kontext stammen die eigenhändigen Briefe der Giulia Farnese und der Adriana Mila an Alexander VI., gedruckt in Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,6 S. 1084f. und Nr. 56,8 S. 1086; Romei–Rosini, Regesto 109–113. 24. 1494 Juni 25, Pesaro. Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 2–3. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,9 S. 1086f.; Fresu, Alla ricerca 69f.; Romei–Rosini, Regesto 115f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 14 S. 51f. – Faksimile: Documenta Vaticana Nr. 54 (wie Anm. 24). Erwähnt, dass zwei Briefe (brevi) des Papstes eingetroffen seien, einer an sie, der andere an Giulia Farnese (beide Schreiben verschollen). 25. 1494 Juli 8, Pesaro. Lucrezia Borgia und Caterina Gonzaga an Alexander VI. Von der Hand der C. Gonzaga, mit eigenhändiger Unterschrift der beiden. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 4.



Autographen der Borgia 37

26. 1494 Juli 24, Rom. Alexander VI. an Lucrezia Borgia. Erste Zeile: Alexander papa VI. manu propria, Text geschrieben von Joan Llopis. Italienisch. Archivio di Stato di Firenze, Carte d’Urbino, cl. 4, div. G Filza 104, cart. 4. – Druck: Ugolino, Storia 2 Nr. 13 S. 521f.; nach einer Abschrift aus Ugolino bei de Roo, Material 5 (wie Anm. 11) Nr. 208 S. 373f.; Romei–Rosini, Regesto 136f. – Deutsche Übersetzung: Gregorovius, Lucrezia (wie Anm. 8) 70f. Beschwerde über ausbleibende Briefe. 27. (1494) Juli 26, Bassanello. Kardinal Caesar Borgia an Alexander VI. Katalanisch. Über dem Brief: IS. ASV, A.A., Arm. I–XVIII 5021, fol. 1. – Druck: Picotti, Nuovi studi Nr. 8 S. 252 (nur Teile); De València Nr. 26 S. 111f.; Toldrà, Set cartes Nr. 5 S. 178–180; Romei–Rosini, Regesto 138f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 16 S. 55f. – Abb. in ­Bellonci, Lucrezia (wie Anm. 9) Tafel XVIII. 28. 1494 Juli 27, Pesaro. Lucrezia Borgia an Alexander VI. Nur Unterschrift (mit dem Zusatz manu propria) eigenhändig. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 9–10. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,15 S. 1091f.; Romei–Rosini, Regesto 140–142. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 17 S. 56–58. Entschuldigt sich, wegen Schmerzen im rechten Arm nicht selbst schreiben zu können, und erwähnt, einen Brief des Papstes vom 24. Juli (Nr. 26) erhalten zu haben; er müsse in der Zwischenzeit ein Schreiben von ihr (verschollen) bekommen haben. 29. 1494 August 21 (Pesaro). Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 5. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,17 S. 1093f.; Fresu, Alla ricerca 71f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 18 S. 59f. Hat einen Brief (breve) des Papstes erhalten (verschollen) und entschuldigt sich, wegen Armschmerzen nicht selbst geschrieben zu haben (vgl. Nr. 28), was auch den Stil (la dettatura) erkläre; erwähnt, dass sie einen Brief an Caesar Borgia geschrieben hat (verschollen). 30. 1494 September 6, Llombai. Joan de Gandía an Alexander VI.; an seinen Bruder Jofre; an seine Schwester Lucrezia; und an andere Empfänger. Kopien von der Hand Genís Firas. Katalanisch. València, Arxiu General de la Catedral 64,25. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 104–106, 108f., 111f.; nur der Brief an Lucrezia: Chabás, Alejandro VI 111f.; Epistolari Nr. 9 S. 56f.; nur der Brief an den Papst: De València Nr. 32 S. 129–133. Ursprünglich gewiss eigenhändige Beilagen zu einer Instruktion, die der Herzog seinem Gesandten Jeroni Llopis nach Rom mitgeben wollte (Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 98–104), doch unterblieb dessen Reise wegen der französischen Invasion in Italien. Der Herzog hatte seit dem 29. Mai 1494 keinen Brief mehr von Alexander VI. erhalten und insistiert bei Lucrezia Borgia, sie möge ihm und seiner Frau schreiben. 31. 1494 September 17, Gandía. Joan de Gandía an Alexander VI. Kopie eines ursprünglich gewiss eigenhändigen Schreibens. Katalanisch.

38

Claudia Märtl

València, Arxiu General de la Catedral 64,30. – Druck: Sanchis y Sivera, Algunos documentos 113. Übersendet Instruktion und Briefe vom 6. September (Nr. 30) per Boten. 32. (1494) September 21, Monterotondo. Alexander VI. Über der Seite: IS. Konzept für einen Brief an Orsino Orsini, der von Giulio Orsini geschrieben werden sollte. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 42. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,18 S. 1094f.; Picotti, Nuovi studi Nr. 9 S. 252–254, mit Diskussion der Eigenhändigkeit 227f. Anm. 272 und Abb. der letzten Zeilen, Abb. IIa; Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 28 S. 31f., vgl. ebd. S. 4 Anm. zur Autorschaft; Romei–Rosini, Regesto 147–149. 33. 1494 September 22, Neapel. Jofre de Borja an Alexander VI. Nachschrift und Unterschrift eigenhändig; Text geschrieben von Joan de Castellar i Borja. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 40. – Druck: De València Nr. 37 S. 140–142. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 19 S. 60–62. 34. (1494, vor September 30, Rom). Alexander VI. an seinen Nuntius Francesc Desprats. Über der Seite: Ίς χς. Konzept; erste Hälfte katalanisch, zweite Hälfte italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5026, fol. 48r. – Druck: Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 15 S. 21f. (mit Hinweis auf ein nicht autographes vollständigeres Konzept auf fol. 47); De València Nr. 39 S. 145f. 35. 1494 Oktober 2, Neapel. Jofre de Borja an Alexander VI. Katalanisch. Über der Seite: IHS. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 41. – Druck: De València Nr. 41 S. 149f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 20 S. 62–64. 36. 1494 Oktober 4, Gandía. Joan de Gandía an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 14–15. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,21 S. 1098f.; De València Nr. 43 S. 156–158. Erwähnt einen nach der Sendung vom 17. September (Nr. 31) eingetroffenen Brief des Papstes (verschollen); kündigt Entsendung von Jeroni Llopis und Genís Fira an, die dem Papst berichten werden; aus De València Nr. 44 und 45 S. 160f. geht hervor, dass der Brief des Papstes am 6. September datiert war, aus Nr. 52 S. 183 vom 12. November 1494, dass der Papst mit einem weiteren Schreiben (verschollen) einschneidende Maßnahmen im Haushalt des Herzogs, u. a. die Entlassung Firas, verfügte. 37. 1494 Oktober 19 (verbessert aus 29), Pesaro. Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 6. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,25 S. 1101; Fresu, Alla ricerca 71f. – Abb. der Unterschrift: Haidacher, Geschichte (wie Anm. 24) 228. Erwähnt einen eigenen früheren Brief (verschollen). 38. (undatiert). Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 7. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,26 S. 1102; Fresu, Alla ricerca 72.



Autographen der Borgia 39

39. 1494 (Oktober) 21, Pesaro. Lucrezia Borgia an Alexander VI. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 8. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,28 S. 1102; Fresu, Alla ricerca 72. 40. 1494 Oktober 21 (verbessert aus 22), Rom. Alexander VI. an Giulia Farnese. Konzept. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 28r. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,29 S. 1103; Picotti, Nuovi studi Nr. 15 S. 258f., mit Abb. I; Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 21 S. 26f.; Romei–Rosini, Regesto 169f. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 42 S. 104f. 41. (1494) Oktober 22, Rom. Alexander VI. an Adriana Mila. Konzept. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 28r. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,30 S. 1103; Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 22 S. 27; Romei–Rosini, Regesto 171. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 47 S. 117. 42. (1494 Oktober 22, Rom). Alexander VI. an Kardinal Alessandro Farnese. Konzept. Italienisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 28r. – Druck: Pastor, Geschichte 3,2 Nr. 56,31 S. 1103f.; Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 23 S. 28; Romei–Rosini, Regesto 172. 43. (1494) Oktober 21, Rom. Alexander VI. an seinen Familiar Francesc Gacet. Konzept. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 28v. – Druck: Picotti, Nuovi studi Nr. 16 S. 260f., mit Abb. einiger Zeilen, Abb. IIb; Gasca Queirazza, Gli scritti Nr. 24 S. 28f.; Romei– Rosini, Regesto 166–168. – Französische Übersetzung: Correspondance Nr. 57 S. 128f. 44. (1494) Oktober 25, Capodimonte. Kardinal Caesar Borgia an Alexander VI. Katalanisch. ASV, A.A., Arm.I–XVIII, 5021, fol. 2. – Druck: De València Nr. 49 S. 176; Toldrà, Set cartes Nr. 6 S. 180f.; Romei–Rosini, Regesto 174f. 45. 1494 November 8, Neapel. Jofre de Borja an Alexander VI. Über der Seite: IHS. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 45. – Druck: De València Nr. 50 S. 177f. 46. 1494 November 11, Neapel. Jofre de Borja an Alexander VI. Über der Seite: IHS. Katalanisch. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 46. – Abb. der Datierung und der Unterschrift: Bellonci, Lucrezia (wie Anm. 9) Tafel VII. 

40 Claudia Märtl

Abb. 1: Entwurf Alexanders VI. zu einem Breve an König Karl VIII., 1494. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5029, fol. 212r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.



Autographen der Borgia

41

Abb. 2: Notizen Alexanders VI. im Vorfeld der französischen Invasion, 1494. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 151r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

42 Claudia Märtl

Abb. 3: Konzept Caesar Borgias für einen Brief an Joan de Gandía, mit Nachschrift Alexanders VI. (Anhang Nr. 6). ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5021, fol. 3v. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.



Autographen der Borgia 

Abb. 4: Brief Caesar Borgias (Anhang Nr. 27). ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5021, fol. 1r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

43

44 Claudia Märtl

Abb. 5: Brief Joans de Gandía (Anhang Nr. 13). ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 1r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

Autographen der Borgia

Abb. 6: Brief Jofres de Borja (Anhang Nr. 22). ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5024, fol. 38r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

45

46 Claudia Märtl

Abb. 7: Brief Caesar Borgias an Isabella d’Este Gonzaga, 12. Juni 1502. Mantua, AS, Autografi, busta 5 c. 133. Abb. in: I Borgia. Ausstellungskatalog, hg. von Cristina Garbagna (Mailand 2002) 197.

Autographen der Borgia

Abb. 8: Brief Lucrezia Borgias (Anhang Nr. 29). ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5027, fol. 5r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

47



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107 der British Library in London und ihre Schreiber Ein Addendum zu den Autographa des Eneas Silvius Piccolomini Martin Wagendorfer

Das überaus verwickelte Schicksal der Piccolomini-Bibliothek, die im Laufe der Jahrhunderte zu einem großen Teil zerstreut wurde, hatte zur Folge, dass sich heute in zahlreichen Bibliotheken Europas Handschriften aus dem Besitz des Eneas Silvius Piccolomini (1405–1464, als Papst seit 1458 Pius II.1) und seiner Neffen als disiecta membra der einst umfangreichen Büchersammlung finden2, so auch in der British Library in London. Zu nennen ist hier insbesondere Cod. 107 der Sammlung von Charles Burney (1757–1817), die über 500 Handschriften umfasste und für deren Erwerb 1818 den Trustees des British Museum vom House of Commons die erkleckliche Summe von 13.500 Pfund bewilligt wurde3. Die Handschrift ist seit Jahren in der Forschung gut bekannt, aber in ihrer Bedeutung sowohl für die Rezeption der Geographie des antiken Historikers und Geographen Strabo4 im Westen wie auch für die Büchersammlung und die eigenhändigen Zeugnisse des Eneas Silvius Piccolomini noch nicht annähernd adäquat gewürdigt worden5. Dies soll im Folgenden nachgeholt werden. Ein bisher unbeachtetes, aber entscheidendes 1  Als grundlegende bzw. neuere Überblicksartikel mit Hinweisen auf die fast schon unübersehbare weitere Literatur zum Sienesen seien hier nur angeführt: Franz Josef Worstbrock, Art. Piccolomini, Aeneas Silvius (Papst Pius II.). VL² 7 (1989) 634–669; Marco Pellegrini, Art. Pio II. Enciclopedia dei Papi 2 (Roma 2000) 663–685; Johannes Helmrath, Art. Pius II. LThK 3 8 (1999) 322–323; ders., Art. Pius II. NDB 20 (2001) 492–494. 2  Zur Büchersammlung der Piccolomini vgl. Mauro Lenzi, I codici della Libreria. Vicende storiche/The codices of the Library. Their later history, in: La Libreria Piccolomini nel duomo di Siena, hg. von Salvatore Settis–Donatella Toracca (Mirabilia Italiae 7, Modena 1998) 313–320; Martin Wagendorfer, Die Schrift des Eneas Silvius Piccolomini (StT 441, Città del Vaticano 2008) 222–225 (zusammenfassend mit der gesammelten älteren Literatur); zuletzt auch Elisa Novi Chavarria, Sacro pubblico e privato. Donne nei secoli XV–XVIII (Napoli 2009) 167–185. 3  Charles Burney war der Sohn des gleichnamigen berühmten Musikhistorikers und Bruder der Schriftstellerin Fanny Burney, vgl. Lars Troide, Art. Burney, Charles (1757–1817), schoolmaster and book collector. ODNB (2004, online edition 2008): www.oxforddnb.com [2. Mai 2015]. 4  Zu ihm und seiner nicht zu unterschätzenden Bedeutung für die Geschichte der Geographie vgl. zuletzt Stefan Radt, Art. Strabon. Der Neue Pauly. Enyzklopädie der Antike 11 (2001) 1021–1025 (mit der älteren Literatur). 5   Ich verdanke den Hinweis auf die Handschrift, die in Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2), noch nicht aufscheint, Herrn Prof. Anton Scharer (Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien), dem dafür herzlich gedankt sei. Zu einem früheren Hinweis in der Literatur s. unten Anm. 15.

50

Martin Wagendorfer

Detail dürfte eine Neueinschätzung der Handschrift sowie eine Präzisierung ihrer Entstehungsumstände und ihrer Entstehungszeit ermöglichen. Schon im Jahre 1840 wurde Cod. 107 der Sammlung Burney im einschlägigen Katalog des British Museum prägnant, aber völlig zutreffend beschrieben6: „Chartaceus, in 4to. majori, pp. 487, sec. XV.; olim Pii Papae II., cujus gentilitia insignia in primo folio apparent. Strabonis Amaseni de situ orbis Libri novem priores, ex interpretatione Guarini Veronensis, cum ejusdem epistola dedicatoria ad Nicolaum Papam V. Impress. in folio, Venet. 1472. Desiderantur autem pauca in fine octavi libri, et nonus desinit abrupte in verbis ‚ceterum Boetiis ab ipsa vate‘“. Seit damals ist mithin aufgrund des auf fol. 1r angebrachten, von der Tiara gekrönten Familienwappens der Piccolomini bekannt, dass die Handschrift aus dem Besitz des Eneas Silvius stammt und den Text der lateinischen, von Guarino Veronese angefertigten Übersetzung von Strabos Geographie enthält, die hier vor dem Ende des neunten Buches abbricht7. Dennoch scheint der Band danach für weit über hundert Jahre fast unbeachtet geblieben zu sein: Auch in einschlägigen Arbeiten zur Geschichte der Piccolomini-Bibliothek wie jenen von Strnad und Ruysschaert wird er nur en marge oder überhaupt nicht erwähnt8, obwohl dort andere Exemplare von lateinischen Fassungen der Geographie Strabos aus dem Besitz Piccolominis sehr wohl ausführlich gewürdigt werden9. In den Fokus der Forschung geriet der Codex erst in den 1970er Jahren und in anderer Hinsicht, nämlich im Zuge der Untersuchungen des US-amerikanischen Philologen Aubrey Diller zur Textgeschichte und Rezeption von Strabos Geographie10. Der von Diller und Paul Oskar Kristeller bearbeitete Strabo-Artikel im zweiten Band des „Catalogus translationum et commentariorum“ von 1971 nennt die Handschrift unter den Textzeugen der Guarino-Übersetzung der Geographie und weist auf ein wichtiges Faktum 6  Josiah Forshall, Catalogue of Manuscripts in the British Museum N. S. 1. Part II: The Burney Manuscripts (London 1840) 44. 7   Vgl. Abb. 1. In der 1472 in Venedig gedruckten und von mir im händisch foliierten Exemplar 2 Inc. c. a. 149 der Bayerischen Staatsbibliothek in München (BSB-Ink S-595; GW M44100; das Digitalisat unter http:// daten.digitale-sammlungen.de/bsb00060563/images/ [2. Mai 2015]) benützten Ausgabe der Geographie liegt das Textende von Burney 107 am Ende des oberen Drittels von fol. 109v. 8   Vgl. José Ruysschaert, Miniaturistes „romains“ sous Pie II, in: Enea Silvio Piccolomini Papa Pio II. Atti del convegno per il quinto centenario della morte e altri scritti raccolti da Domenico Maffei (Siena 1968) 245–282 (ohne Erwähnung), sowie Alfred A. Strnad, Studia piccolomineana. Vorarbeiten zu einer Geschichte der Bibliothek der Päpste Pius II. und III., in: ebd. 295–390, hier 382 Anm. 288 (mit kurzer Erwähnung). 9  Als Papst verfügte Piccolomini nach Ausweis des darin angebrachten päpstlichen Wappens über folgende weitere Handschriften mit vollständigen oder teilweisen Übersetzungen der Geographie Strabos, die sich heute durchwegs in der Biblioteca Apostolica Vaticana befinden: Vat. lat. 2051 (Buch 11 bis 17 in der Übersetzung des Gregorius Tifernas, vgl. Ruysschaert, Miniaturistes [wie Anm. 8] 248f. und 254 Anm. 50); Vat. lat. 2050 (Buch 1 bis 10 in der Übersetzung Guarinos, vgl. Strnad, Studia [wie Anm. 8] 321 Anm. 109 und 388 Anm. 309); Reg. lat. 1989 (Buch 11 bis 17 in der Übersetzung Guarinos, vgl. Strnad, Studia [wie Anm. 8] 321 Anm. 109; Rino Avesani, Per la biblioteca di Agostino Patrizi Piccolomini vescovo di Pienza, in: Mélanges Eugène Tisserant 6: Bibliothèque Vaticane [StT 236, Città del Vaticano 1964] 1–87, hier 80), und Chiss. J VIII 279 (Buch 1 bis 17 in der Übersetzung Guarinos, vgl. Ruysschaert, Miniaturistes [wie Anm. 8] 268; Strnad, Studia [wie Anm. 8] 319); das Wappen von Gregorio Lolli-Piccolomini trägt Chiss. J VIII 280 (Buch 11 bis 17 in der Übersetzung des Gregorius Tifernas, vgl. Ruysschaert, Miniaturistes [wie Anm. 8] 263, sowie Strnad, Studia [wie Anm. 8] 348). Zu diesen Handschriften vgl. auch Nicola Casella, Pio II e gli Straboni latini. Paideia. Rivista letteraria d’informazione bibliografica 35 (1980) 63–70, sowie ders., Pio II tra geografia e storia: La „Cosmographia“. ASRSP 95 (1972) 35–102; zu den ersten drei genannten und ihren Marginalien auch Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 240–243. 10  Aubrey Diller, The Textual Tradition of Strabo’s Geography. With appendix: The Manuscripts of ­Eustathius’ Commentary on Dionysius Periegetes (Amsterdam 1975); vgl. auch die folgende Anm.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

51

hin, das im Folgenden noch eine entscheidende Rolle spielen wird11: Die Handschrift ist von einer auffallend großen Anzahl verschiedener Hände geschrieben. Dies wurde von Diller und Kristeller dahingehend gedeutet, dass der Text offenbar nicht im Auftrag von Pius II. an der Kurie kopiert worden sei, wie das päpstliche Wappen fol. 1r nahelegen könnte, sondern dass es sich hierbei um „instalments“ handle, „sent to the pope as the work progressed“12. Dahinter steht offenbar die Vorstellung, dass noch während der Anfertigung der lateinischen Strabo-Übersetzung durch Guarino Textabschnitte, also wohl abgeschlossene einzelne Bücher, laufend an den Papst gesandt, dann an der Kurie zu einer Handschrift vereint und mit dem von der Tiara gekrönten Piccolomini-Wappen versehen wurden. Piccolomini zählt bekanntermaßen zu den frühesten Rezipienten der lateinischen Fassung der Geographie und zog gerade in den Jahren seines Pontifikats, insbesondere in seiner 1461 entstandenen Asia, Strabo in umfangreichem Maße als Quelle heran13. Die Interpretation Dillers und Kristellers, aus der leider nicht völlig klar wird, ob mit „sent to the pope“ Nikolaus V. oder Pius II. gemeint ist14, dürfte implizit von einer Notiz im heute in der Oxforder Bodleiana erhaltenen Autograph der Übersetzung ausgehen15, in dem Guarino angibt, die vollendeten ersten beiden Bücher der Übersetzung seien dem Papst übersandt worden – es handelt sich um die einzige Notiz im Autograph, die über den Stand der Arbeit Auskunft gibt. Deren zeitlicher Ablauf ist allerdings durch andere Quellen, vor allem den Briefwechsel Guarinos, detaillierter rekonstruierbar, als dies allein durch das Autograph möglich ist16: Guarino Veronese hatte nach länge-

11   Aubrey Diller–Paul Oskar Kristeller, Strabo, in: Catalogus translationum et commentariorum. Mediaeval and Renaissance Latin Translations and Commentaries 2, hg. von Paul Oskar Kristeller–Ferdinand Edward Cranz (Washington 1971) 225–233, hier 227. 12  Diller–Kristeller, Strabo (wie Anm. 11) 227: „cart. Books I–IX, with dedication A only. Written in instalments by several hands apparently sent to the pope as the work progressed. Arms of Pius II. Catal. Mss. BM. New Series, p. 44.“ 13  Vgl. den diesbezüglichen umfangreichen Eintrag im Register bei Enea Silvio Piccolomini Papa Pio II, Asia, ed. Nicola Casella (Bellinzona 2004) 236 (Register, s. v. Strabo Gnosius) sowie ebd. 12: „Così, riferendosi massicciamente alla geografia, l’autore introduce prevalentemente informazioni tratte da Strabone e da Tolomeo …“; Enea Silvio Piccolomini (Papa Pío II), Descripción de Asia, ed. Domingo F. Sanz (Nueva Roma. Bibliotheca Graeca et Latina Aevi Posterioris 34, Madrid 2010) 41–43; Pii Secundi Pontificis Maximi Commentarii, ed. Ibolya Bellus–Iván Boronkai (Budapest 1993) 219 (Register, s. v. Strabo geographus). Vgl. auch schon die knapp vor dem Pontifikat abgeschlossene Europa: Enee Silvii Piccolominei postea Pii PP. II De Europa, ed. Adrianus van Heck (StT 398, Città del Vaticano 2001) 308 (Register, s. v. Strabo geographus); dazu die beiden oben Anm. 9 genannten Arbeiten von Casella sowie Luigi Guerrini, Un pellegrinaggio secolare. Due studi su Enea Silvio Piccolomini (Roma 2007) 215 (Register, s. v. Strabone); ders., Geografia e politica in Pio II, in: Nymphilexis. Enea Silvio Piccolomini, l’umanesimo e la geografia. Manoscritti Stampati Monete Medaglie Ceramiche (Edizioni dell’Associazione Culturale Shakespeare and Company 2, Roma 2005) 27–51. 14  Dies geht aus der oben Anm. 12 zitierten Stelle nicht eindeutig hervor; beide Interpretationen sind nach dem kodikologischen Befund der Handschrift aber unmöglich, wie gleich zu zeigen sein wird. 15   Oxford, Bodleiana, Canon. class. lat. 301 fol. 42v: Huc usque transcriptum missum est ad pontificem maximum. Sequitur scribendum initium sequentis libri (mir stand nur ein Mikrofilm-Digitalisat der Handschrift zur Verfügung), vgl. Edmund B. Fryde, The Historical Interests of Guarino of Verona and his Translation of Strabo’s „Geography“, in: ders., Humanism and Renaissance Historiography (London 1983) 55–82, hier 76. Zur Handschrift Henricus O. Coxe, Catalogi codicum manuscriptorum bibliothecae Bodleianae pars tertia codices Graecos et Latinos Canonicianos complectens (Oxford 1854) 240f. 16  Zum Folgenden immer noch grundlegend Remigio Sabbadini, La traduzione guariniana di Strabone. Il libro e la stampa. Bullettino ufficiale della società bibliografica italiana N. S. 3 (1909) 5–16; weiters ders., Vita di Guarino Veronese (Genova 1891) 164–166, und ders., La scuola e gli studi di Guarino Guarini Veronese (Catania 1896) 126–130 sowie 239 (Register, s. v. Strabone); Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15).

52

Martin Wagendorfer

rer Suche nach einer Handschrift17 mit dem griechischen Text der Geographie spätestens 1451 einen solchen für die ersten zehn der insgesamt 17 Bücher in Händen (Eton 141, angefertigt 1446/47 für Ciriaco von Ancona18) und arbeitete nachweislich spätestens ab 1453 an der Übersetzung dieser Bücher19, zunächst wohl auf eigene Initiative20, allerdings mit Blick auf den späteren Widmungsträger, Papst Nikolaus V. Von dessen Sekretär Giovanni Tortelli erbat sich Guarino im März 1453 eine weitere Handschrift der griechischen Fassung, um eventuelle Lücken im Text Ciriacos zu füllen bzw. Fehler zu korrigieren21. Im September 1453 hatte er das vierte Buch abgeschlossen, im Juni 1454 arbeitete er am sechsten22. Beim Tode des Papstes im März 1455 hatte Guarino offenbar, wenn die Nachricht über eine erfolgte Honorarzahlung von 1.000 Dukaten stimmt, die ersten zehn ­Bücher Strabos fertig übersetzt23 und machte sich nun an die Übersetzung von Buch 11 bis 1724. Dem erhaltenen Autograph von Guarinos Übersetzung, dem oben schon genannten Cod. Canon. class. lat. 301 der Bodleiana in Oxford, ist der Abschluss der Arbeiten zu entnehmen: absolutus est anno Christi MCCCCLVIII tertio Idus Iulias Ferrariae 25. Im Lichte dieser Chronologie der Guarino-Übersetzung ist damit eine sukzessive Lieferung von „instalments“ an Pius II., der erst im August 1458 zum Papst gewählt wurde, unmöglich. Wenn die Handschrift tatsächlich unter dem Pontifikat Piccolominis angelegt wurde, worauf das Wappen fol. 1 schließen lassen könnte, handelte es sich nicht um „instalments“, und man müsste die zahlreichen Hände von Burney 107 auf andere Weise erklären; oder aber: die Handschrift wurde gar nicht unter Pius II. angefertigt, sondern noch für Nikolaus V. Auch dann wäre allerdings das Erscheinungsbild nur schwer mit dem Adressaten vereinbar. Tatsächlich wandte sich schon einige Jahre nach Erscheinen des Strabo-Artikels im „Catalogus translationum“ Edmund Fryde gegen die Deutung des kodikologischen Befundes durch Diller und Kristeller: Sowohl das stark differierende Schriftniveau und die unterschiedliche Sorgfalt der Hände von Burney 107 als auch das allgemeine Erscheinungsbild des Codex ließen eine solche Interpretation der Entstehung der Handschrift (nämlich für einen amtierenden Papst) höchst unwahrscheinlich erschei  Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 126.   Zur Handschrift vgl. Diller, Textual Tradition (wie Anm. 10) 114–118; Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 74. 19  Im März 1453 schickte Guarino eine Kostprobe – quampiam degustationis gratia particulam – an Giovanni Tortelli, vgl. Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 126. 20  Vgl. Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 74f.; so schon Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 126. 21  Diese Handschrift, wahrscheinlich BAV, Vat. gr. 174, ehemals im Besitz von Isidor von Kiew und sämtliche 17 Bücher der Geographie enthaltend, erreichte Guarino noch im September 1453, vgl. Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 75. 22  Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 126. 23  Vgl. Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 75; Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 126. Der Papst scheint vor seinem Tod jedoch kein Exemplar der Übersetzung dieser zehn Bücher in die Hände bekommen zu haben, jedenfalls scheint in dem nach seinem Ableben angelegten Inventar die Übersetzung Guarinos nicht auf, vgl. Sabbadini, La traduzione (wie Anm. 16) 7 Anm. 1. 24  Diese waren inzwischen – in philologisch befriedigenderer Hinsicht, vgl. Sabbadini, La scuola (wie Anm. 16) 128–130 – von Gregorius Tifernas übersetzt worden. Die editio princeps der lateinischen Übersetzung von Strabos Geographie durch Andrea Bussi (Rom 1469) bietet folgerichtig für die ersten zehn Bücher die Übersetzung Guarinos, für die letzten sieben jene von Gregorius Tifernas, sodass die Guarino-Übersetzung von Buch 11 bis 17 bis heute ungedruckt geblieben ist, vgl. Diller–Kristeller, Strabo (wie Anm. 11) 228f., sowie Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 77f. Piccolomini verfügte als Papst jedoch auch über diesen Text, vgl. oben Anm. 9. 25  So auch in einem Teil der späteren Abschriften, vgl. Sabbadini, La traduzione (wie Anm. 16) 5f. Das von Sabbadini früher selbst vertretene Datum 1456, das in vielen Handschriften aufscheint, ist ein Kopistenfehler, wie Sabbadini a. a. O. gezeigt hat. 17 18



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

53

nen26. Darüber hinaus machte Fryde eine sehr wichtige Beobachtung: er wies nämlich überhaupt als erster und bisher einziger darauf hin, dass sich am Rand des Textes zahlreiche Marginalien befinden, von denen viele von Piccolomini selbst stammen. Eine alternative Deutung, wie man sich den Entstehungsprozess und vor allem auch den Entstehungszeitpunkt von Burney 107 nunmehr vorzustellen habe, legte Fryde allerdings nicht vor: „Lastly, Pius somehow acquired our ms. Burney 107 containing a copy of Guarino’s first draft.“27 Offen sind also noch immer vor allem zwei Fragen: Wann wurde Burney 107 angelegt und in wessen Auftrag? Entscheidende Hinweise liefert der kodikologische und paläographische Befund der Handschrift, dem wir uns nun zuwenden wollen. Die Papierhandschrift Burney 10728 besteht im Grundbestand aus 244 Blättern29, wobei deren Foliierung nur bis 238 reicht, da einzelne leere Seiten – aber nicht sämtliche – mit *-Foliierungen versehen wurden30. Der am Ende des Textes fol. 238r nach den letzten Worten … ceterum Boetiis ab ipsa vate noch vorhandene Reklamant deutet darauf hin, dass ursprünglich noch mehr Text vorhanden war, als das heute der Fall ist31. Der braune Ledereinband der Handschrift trägt die Goldprägung Codex Burneianus und dürfte frühestens vom (abgesehen von Piccolomini) ersten bekannten Besitzer, dem oben erwähnten Charles Burney, angebracht worden sein. Bisher scheinen keinerlei Hinweise auf ältere Besitzer bekannt zu sein; auch die Handschrift selbst enthält keine solchen, etwa in Form von Besitzvermerken o. ä. Entweder waren derartige Spuren nie vorhanden oder sie fielen der heutigen Bindung der Handschrift zum Opfer. Somit ist zumindest aus der Handschrift selbst auch nichts über ihr Schicksal zwischen der Mitte des 15. Jahrhunderts und dem Erwerb durch Burney zu erfahren. Insgesamt lassen sich in der Handschrift zehn Hände unterscheiden32. Auffallend sind dabei vor allem zwei Umstände: Einerseits das schon von Fryde angemerkte stark 26   Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 82, insbesondere Anm. 176: „Burney 107 was copied by a succession of scribes varying degrees of carefulness. This and its general appearance, make impropable A. Diller’s suggestion (in P. O. Kristeller, ed., Catalogus II, 1971, p. 227) that it was ‚written in instalments apparently sent to the pope as the work progressed‘.“ Fryde bezog sich mit „general appearance“ wohl auch auf das PiccolominiWappen fol. 1r, das die letzte Zeile geringfügig überlappt und nicht den Eindruck erweckt, als sei es im Zuge der ursprünglichen Anlage der Hs. entstanden. Vgl. dazu noch unten. 27   Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 82. 28  Vgl. die genaue Lagenformel im Anhang. 29  Dazu kommen noch je drei wohl im Zuge der jetzigen Bindung angebrachte rezentere Schmutzblätter am Beginn und Ende der Handschrift: ursprünglich je zwei Doppelblätter, von welchen jeweils eines mit einem Blatt auf die Innenseite von Vorder- bzw. Hinterdeckel aufgeklebt wurde; die vorderen sind mit I–III, die hinteren mit 238*, 238** und 239* foliiert, dazu kommt noch ein mit 239 gezähltes kleineres Blatt, das auf 238** aufgeklebt ist und Einträge zu Restaurierungen der Hs. enthält. Zur Foliierung generell s. die folgende Anm. 30  Dies ist der Fall bei fol. 44*, 58*, 58**, 58***, 58****, 204*. Neben dieser rezenten Bleistiftfoliierung, auf die sich die folgenden Angaben jeweils beziehen, findet sich noch eine ältere Tintenpaginierung – auf sie bezieht sich Forshall, Catalogue (wie Anm. 6) 44 –, die jeweils nur auf den ungeraden Seiten eingetragen ist. 31   So schon – ohne explizite Begründung, aber wohl auch auf Argumentationsgrundlage des Reklamanten – Fryde, Historical Interests (wie Anm. 15) 82 Anm. 176: „Br. Library, ms. Burney 107, now mutilated part of the way through book 9, but fuller previously“. Problematisch (und von Fryde unbemerkt geblieben) ist dabei allerdings, dass der von Piccolomini selbst am Textende eingetragene Reklamant (responsum) nicht der Textfortsetzung im Druck der Geographie entspricht, vgl. Geographie 1472 (wie Anm. 7) fol. 109v: … eos ab ipsa occisa vate et impietate foelices fore. Auch in unmittelbarer Textnähe ist kein responsum o. ä. zu finden. Andererseits kann das von Piccolomini eingetragene Wort kaum anders denn als Reklamant interpretiert werden; man muss also wohl entweder von einem größeren Textverlust oder von einer Variante in den Handschriften ausgehen, die sich nicht im Druck niederschlug. Dies müsste noch überprüft werden. 32  Vgl. die Handschriftenbeschreibung im Anhang.

54

Martin Wagendorfer

schwankende Niveau bzw. die unterschiedliche Sorgfalt und die wohl auch unterschiedliche Herkunft der Schreiber – italienische Hände wechseln mit Schreibern, die man vom Schriftbild her wohl eher als nordalpine, teils vielleicht auch französisch/„westlich“ angehauchte, einordnen würde. Andererseits gibt es in der gesamten Handschrift keinen einzigen Schreiberwechsel innerhalb einer Lage. In der Regel schreibt jede Hand eine einzige Lage; nur Hand A, C und H schreiben mehr als eine Lage hintereinander. Hand A, C, E und F schreiben nach dem Ende ihres Abschnitts in einem späteren Teil der Handschrift erneut eine oder mehr Lagen. Im Regelfall blieben am Ende der jeweiligen Lage der Rest der letzten Seite oder überhaupt mehrere Seiten leer33. Dieser Befund kann nur auf zweierlei Art und Weise interpretiert werden: zum einen könnte es sich, wie von Diller und Kristeller vorgeschlagen, tatsächlich um „instalments“ handeln, d. h. man hätte im Lauf der Entstehung der Übersetzung Guarinos fertige Abschnitte für einen Auftraggeber kopiert, der die nach und nach eingetroffenen Teile dann am Ende zu einem Band vereint hätte. Diese Kopie wäre dann also, berücksichtigt man die oben erläuterte Chronologie der Übersetzung Guarinos, etwa von 1453 bis 1455 zu datieren und, da sie sich nach Ausweis der Marginalien Piccolominis und seines Papstwappens spätestens in seinem Todesjahr 1464 in seinem Besitz befand, entweder für ihn noch in seiner Zeit am Hof Friedrichs III. angefertigt worden oder nach wenigen Jahren in seinen Besitz gelangt. Nur so ist die „instalments“-Theorie von Diller und Kristeller letztlich zu retten, und damit wären auch die triftigen Einwände Frydes, eine Handschrift mit einem solchen Erscheinungsbild könne kaum für einen Papst angelegt worden sein, vereinbar. Allerdings sprechen einige gewichtige Argumente gegen eine solche Genese der Handschrift: Wenn tatsächlich jeweils fertige Abschnitte der Übersetzung kopiert wurden, wäre hier wohl vor allem an fertige Bücher zu denken, wie das ja auch im Autograph Guarinos in der Bodleiana bezeugt ist34. In Burney 107 wechseln aber die diversen Schreiber fast durchwegs auch innerhalb der Bücher35. Weiters müsste man erklären, warum gegen Ende der Handschrift frühere Hände erneut auftauchen (die Kopie dieser Teile läge mindestens zwei Jahre nach jener der frühesten Abschnitte) und warum Guarino auch offenbar aus Gebieten nördlich der Alpen stammende Schreiber mit der Kopie beauftragte. Vor allem aber spricht der Befund der Wasserzeichen gegen die „instalments“-Theorie: über die gesamte Handschrift hinweg ist nämlich ein Wasserzeichen in Form von zwei Türmen zu beobachten36; man 33  In einigen Fällen gibt es aber auch direkten Anschluss an die folgende Lage, die von einem anderen Schreiber kopiert wurde, ohne dass Platz frei geblieben wäre. Hier wurde offensichtlich zumindest fallweise, wie das etwa bei Hand D gut zu sehen ist, versucht, die eigene Lage möglichst exakt mit dem zu kopierenden Text der vorliegenden Lage zu füllen: ab Mitte jenes Quaternio, den D kopierte, nimmt die Anzahl der Zeilen/Seite, die etwa fol. 45r bei 32 Zeilen, fol. 46r bei 27 Zeilen liegt, deutlich zu; auf der letzten Seite der Lage, fol. 52v, ist nicht nur die Anzahl der Zeilen mit 36 bei einem Höchstwert angelangt, sondern der Text ist nun auch derart gedrängt geschrieben, dass man fast den Eindruck einer neuen Hand gewinnt; nur die letzten beiden Zeilen sind wieder breiter geschrieben, um sie tatsächlich bis zum Rand auszufüllen. 34   S. oben Anm. 15. 35  Vgl. den Anhang. 36   Leider sind die Wasserzeichen in der Handschrift vor allem auf den beschriebenen Blättern sehr schwer zu erkennen. Neben dem Turm-Wasserzeichen (gut sichtbar auf den leeren fol. 58, 58**, 58***, 58****, 76, 203, 238) dürfte zumindest noch ein weiteres Wasserzeichen in der Handschrift vorliegen (eine Schere, fol. 44). Leider war eine Abreibung der Wasserzeichen in der British Library nicht möglich, sodass eine genaue Identifizierung in einschlägigen Repertorien nicht durchgeführt werden konnte; das Turm-Wasserzeichen dürfte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mit AT5000-651_387 der Datenbank „Wasserzeichen des Mittelalters“ (www. wzma.at [2. Mai 2015]) zu identifizieren sein: die Datierung „6. Jahrzehnt 15. Jahrhundert“ würde perfekt zur Entstehungszeit der Handschrift passen, s. dazu unten.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

55

müsste somit annehmen, dass über zwei Jahre hinweg Papier vom selben Papierstapel verwendet wurde. Das entscheidende Argument gegen die Annahme Dillers und Kristellers ist jedoch ein paläographisches: völlig unbemerkt blieb nämlich bisher, dass nicht nur viele Marginalien der Handschrift von Piccolomini stammen, sondern dass auch eine ganze Lage von ihm selbst in seiner bekannten Kursive kopiert wurde! Es handelt sich um Hand I, welche die Lage von fol. 197 bis 204 beschrieb. Hinzu kommt noch, dass die gesamte Handschrift anscheinend unter intensiver Mitwirkung des Sienesen angelegt wurde, stammen doch die am Ende der Lagen eingetragenen Reklamanten fast durchwegs von seiner Hand. Dem entspricht auch ein weiterer, diese Beobachtung flankierender Befund: Zumindest zwei der neun weiteren in der Handschrift begegnenden Hände sind nämlich als Schreiber im Umkreis des Sienesen in den 1450er Jahren auch anderweitig bekannt, eine der beiden ist sogar namentlich einem Familiaren Piccolominis zuzuweisen. Es handelt sich hierbei zunächst um Hand C, die einen erheblichen Anteil der Kopie von Burney 107 verantwortet, nämlich die Folia 20r bis 44r sowie 95r bis 110v37. Die Schrift lässt insgesamt zweifellos eine deutliche Tendenz zur Klärung des Schriftbildes erkennen und verwendet auch nur in sehr geringem Ausmaß Kürzungen; allerdings sind die Einzelformen wie auch der Gesamteindruck deutlich gotisch geprägt 38. Zweifellos handelt es sich hierbei um keine italienische Hand. Tatsächlich ist sie im Umkreis Piccolominis schon vor seinem endgültigen Weggang vom kaiserlichen Hof nach Italien im Mai 1455 nachweisbar, sie schreibt unter anderem mehrere Urkunden, die Piccolomini als päpst­licher Legat ausgestellt hat, sowie Originale von Briefen Piccolominis an die Stadt Siena. Es handelt sich hierbei – die Reihe erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann bei intensiverer Suche ohne Zweifel erweitert werden – zunächst um Briefe Piccolominis an die Stadt Siena aus zwei einschlägigen Konvoluten der Biblioteca Civica von Triest39: Frankfurt, 31. Oktober 1454 (die Unterschrift, nicht jedoch der Haupttext von der Hand Piccolominis)40; Rom, 17. Februar 1457 (ebenfalls mit eigenhändiger Unterschrift)41; Rom, 21. Februar 1457 (mit eigenhändiger Unterschrift)42; weiters um ein Schreiben des Sieneser Bischofs Eneas Silvius an das dortige Domkapitel aus Wien vom 1. Juli 145143. Vor allem aber sind jene Urkunden, die Hand C für den Legaten Piccolomini in den Jahren 1452 bis 1455 mundiert hat, in unserem Zusammenhang von eminenter Bedeutung, da sie einerseits, wie gleich zu zeigen sein wird, nahe am vermutlichen Entstehungsdatum von Burney 107 liegen, andererseits, weil sie die Identifizierung des Schreibers erlauben. Es handelt sich um die Legatenurkunden folgen-

37  Vgl. den Anhang. Hand C beschreibt somit zunächst zwei Quinionen und einen Ternio, in der zweiten Passage zwei Quaternionen; nur Hand A wurde mehr Text anvertraut. 38  Vgl. etwa das konsequent runde Schluss-s und durchgehend verwendetes unziales d, dem an humanistischen Formen nur das – allerdings auch nach o und ähnlichen Buchstaben verwendete – gerade r gegenübersteht. Auffallend ist vor allem das sehr eigenwillig geschriebene, ebenfalls völlig unhumanistische g, das auf der Zeile an der Schnittstelle zwischen dem über der Zeile geschriebenen oberen Teil und dem unter die Zeile reichenden Teil eine Art Kerbe aufweist und stark zum insgesamt sehr eckigen Eindruck der Schrift beiträgt, vgl. Abb. 2. 39  Zu den beiden Konvoluten und ihrer Herkunft vgl. Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 123 Anm. 51 sowie 144 Anm. 47. 40   Ms. Picc. II 44 Nr. 3. 41   Ms. Picc. II 44 Nr. 38. 42   Ms. Picc. II 44 Nr. 40. 43   Siena, Archivio Arcivescovile T II n 30.

56

Martin Wagendorfer

den Datums44: Wien, 29. Dezember 145245; Wien, 8. Jänner 145346; Wiener Neustadt, 1454 (6. März–29. Dezember)47; Wiener Neustadt, 1. Jänner 145548. Mit Ausnahme des vorletzten, zu stark beschädigten Stücks aus dem Stiftsarchiv Göttweig tragen diese Legatenurkunden auf der Plica den Namen des Schreibers: Es handelt sich um Henricus Steinhoff. Der aus Plettenberg im Sauerland stammende und dort auch die Pfarrei innehabende Steinhoff hielt sich nachweislich seit spätestens 1448 im Umkreis Piccolominis unter dessen Familiaren auf, begleitete ihn, wie auch aus den eben zitierten Urkunden ersichtlich, auch in dessen Zeit als päpstlicher Legat und bekleidete im Pontifikat Pius’ II. die Stellung eines cubicularius, ist also auch noch nach 1458 in der engen Umgebung des Piccolomini-Papstes nachweisbar, ehe er wahrscheinlich 1461 die Kurie verließ und am 16. März 1488 in Köln als Kanoniker von St. Aposteln verstarb49. Die zweite im Umkreis Piccolominis nachweisbare Hand ist Hand E. Sie schreibt in Burney 107 die Folia 53v bis 58r sowie 230r bis 238r, also jeweils eine Lage50. Diese Hand ist deutlich humanistischer geprägt als Hand C, was sich vor allem in den Einzelformen widerspiegelt (&-Ligatur; Minuskel-d; ct-Ligatur; humanistisches, fast „dreistöckiges“ g; zwar rundes, aber nicht brezelförmiges Schluss-s wie bei C; gerades r, allerdings nach o und e teils rund; daneben allerdings auch gotische Elemente wie Schluss-m in Form einer 3; insgesamt deutliche Tendenz zur Klärung des Schriftbildes und Reduzierung von Kürzungen). Auch dieser Schreiber ist etwa zur Zeit des endgültigen Weggangs Piccolominis aus Österreich 1455 und damit in der uns interessierenden Zeitspanne in seinem Umkreis nachweisbar, und zwar in Originalbriefen Piccolominis wie etwa in einem Schreiben vom 4. November 1455 aus Rom an die Stadt Siena51; zum anderen ist dieser – bisher noch nicht identifizierte – Schreiber möglicherweise identisch mit jenem Kopisten, der auch maßgeblich bei der Anlage von cvp 3389 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien beteiligt war: also jener wichtigen Handschrift mit Briefen Piccolominis, in der sich auch zahlreiche von der Hand des Sienesen selbst eingetragene und korrigierte Schreiben 44   Sämtliche Urkunden können über www.monasterium.net unter dem betreffenden Datum als Digitalisat eingesehen werden; darauf wird nicht mehr im Einzelnen verwiesen. Für den Hinweis auf die Legatenurkunden, der auch die namentliche Identifizierung des Schreibers ermöglichte, danke ich Frau Prof. Claudia Märtl (LMU München) ganz herzlich. 45   Quellen zur Geschichte der Stadt Wien. II. Abtheilung: Regesten aus dem Archive der Stadt Wien. II. Band: Verzeichnis der Originalurkunden des städtischen Archives 1412–1457, ed. Karl Uhlirz (Wien 1900) 344 Nr. 3495. 46   Quellen, ed. Uhlirz (wie Anm. 45) 345 Nr. 3496. 47  Adalbert Fuchs, Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstiftes Göttweig. II. Theil: 1401–1468 (FRA II/52, Wien 1901) 458f. Nr. 1407. 48   Melk, Stiftsarchiv, 1455 I 01, vgl. Abb. 3. 49  Vgl. zu ihm Christiane Schuchard, Die Deutschen an der päpstlichen Kurie im späten Mittelalter (1378–1447) (BDHIR 65, Tübingen 1987) 246–250; zuletzt (allerdings mit nur lückenhaften Belegen und teils problematisch, so auch ohne Kenntnis der genannten Legatenurkunden Piccolominis) Elke Freifrau von Boeselager, Henricus Steinhoff und sein Kreis – Karrieren zwischen Köln und Kurie. RömQua 94 (1999) 182–201 (mit der älteren Literatur zu Steinhoff, darunter Elmar Hartmann, Das Bildnis Papst Pius’ II. [Enea Silvio Piccolomini] und die Stifterbilder auf dem Plettenberger Altar sowie seine Zuordnung zu den Chorgewölbemalereien in der alten Plettenberger Pfarrkirche. RömQua 70 [1975] 54–78); darüber hinaus vor allem die Einträge zu Steinhoff im Repertorium Germanicum (http://www.romana-repertoria.net/993.html#c2695 [2. Mai 2015]) sowie jüngst Claudia Märtl, Pauca de origine Enee suaque vita. Ein unbekanntes Selbstzeugnis Piccolominis, das erste Buch der Commentarii und Platinas Vita Pii II. DA 71 (2015) 149–174, hier bes. 159–161. 50  Abb. 4. Vgl. den Anhang. 51  Siena, AS, Concistoro 1986, 31. Man vergleiche etwa die übereinstimmende Art und Weise der urKürzungen und der &-Ligaturen



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

57

aus der Zeit vom 6. April 1453 bis 10. Februar 1454 finden, die wohl zeitnah kopiert wurden52. Bei intensiverer Recherche wird man möglicherweise auch noch die eine oder andere in Burney 107 begegnende Hand in Briefen oder Handschriften Piccolominis nachweisen können. Für unsere auf den Auftraggeber der Handschrift zielende Fragestellung reicht der nun vorliegende Befund völlig aus und lässt nur die zweite der oben formulierten Deutungen zu: Burney 107 wurde auf Anweisung Piccolominis und unter dessen persönlicher Beteiligung (in Form einer von ihm selbst geschriebenen Lage sowie der Organisation der Handschrift, die aus seinen Reklamanten ersichtlich ist) von Schreibern aus seinem Umkreis kopiert, und zwar offenbar unter nicht unerheblichem Zeitdruck: Die Aufteilung der Arbeit auf zehn Hände dürfte wohl nur so erklärbar sein, dass hier – zumindest teilweise – gleichsam nach Art eines Pecien-Systems gearbeitet wurde, indem jeder einzelne Schreiber jeweils mit der Abschrift einer Lage der zu kopierenden Vorlage beauftragt wurde. So konnte man in relativ kurzer Zeit einen recht umfangreichen Text kopieren, oder jedenfalls schneller, als dies ein einzelner Schreiber, der die gesamte Vorlage abschrieb, zustande gebracht hätte. So erklären sich nun auch leicht die häufig am Ende der Lagen befindlichen leeren Seiten, die bei einer derartigen Vorgangsweise praktisch unvermeidlich sind. Zu welchem Zeitpunkt ließ Piccolomini aber die Handschrift unter seiner Leitung und Mitarbeit anfertigen? Für die Beantwortung dieser Frage müssen methodisch zwei Überlegungen angestellt, d. h. handschriftenimmanente (Datierung der Wasserzeichen und paläographische Elemente) sowie externe Faktoren bedacht werden (die Chronologie der Entstehung der Guarino-Übersetzung sowie die Kenntnis des Strabo-Textes durch Piccolomini). Beginnen wir mit den externen Faktoren: ein terminus post quem ist durch die Genese der Übersetzung Guarinos gegeben. In Burney 107 sind die ersten acht Bücher der Geographie Strabos sowie ein Teil des neunten vorhanden; der am Ende stehende Reklamant – auch von der Hand Piccolominis – lässt darauf schließen, dass wohl noch mehr Text vorhanden war, als dies heute der Fall ist, vielleicht sogar die gesamten ersten zehn Bücher der Geographie53. Diese waren aber spätestens im März 1455 abgeschlossen, Buch 9 wohl nur unwesentlich früher. Damit gewinnen wir einen terminus post quem, der etwa um den Jahresanfang 1455 liegen dürfte. Dazu passt gut die Kenntnis von Strabos Geographie in der Übersetzung Guarinos durch Piccolomini54: Schon Sabbadini wies vor mehr als hundert Jahren darauf hin, dass der Sienese nicht erst in seinem Pontifikat – aus dieser Zeit stammen die Abschriften des Textes aus seinem Besitz, aber eben mit Ausnahme von Burney 107! – nachweislich die Geographie Strabos benützt hatte, sondern schon in der um die Jahreswende 1457/58 konzipierten Germania55. Möglicherweise lässt sich allerdings ein noch früherer Beleg für die Benützung des 52   Abb. 5. Zur Handschrift und ihrer Datierung Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 171–174 (mit der älteren Literatur); vgl. etwa die identische Form der &-Ligatur, des g usw.; allerdings findet sich in cvp 3389 im Unterschied zu Burney 107 und dem Brief vom November 1455 keine ct-Ligatur, auch der allgemeine Eindruck der Hand ist hier ein anderer, was aber durch den zeitlichen Abstand der Schriftspecimina leicht erklärt werden könnte. Völlige Sicherheit ist schwer zu gewinnen. 53  Vgl. dazu oben Anm. 31; auch das achte Buch, das Piccolomini selbst kopierte, ist unvollständig. 54  In seinen Commentarii weist Pius bei der Würdigung Guarinos ausdrücklich darauf hin, dass dieser den Text Strabos durch seine Übersetzung erst zugänglich gemacht hat, vgl. Pii Commentarii, ed. Bellus–Boronkai (wie Anm. 13) 250 Z. 25f. (lib. V, c. 7): Libros e Gręcis Latinos fecit complures, cuius labore Strabonem legimus. 55   Enea Silvio Piccolomini, Germania, ed. Maria Giovanna Fadiga (Il ritorno dei classici nell’umanesimo IV: edizione nazionale dei testi della storiografia umanistica 5, Firenze 2009) 182 (lib. II c. 4); zur Datierung des autographen Entwurfs in BAV, Vat. lat. 3886 vgl. Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 181–183.

58

Martin Wagendorfer

Textes durch Piccolomini beibringen: In seiner Historia Austrialis beruft sich der Sienese an zwei Stellen auf Strabo, und zwar beide Male erst in der 3. Redaktion des Werkes 56. Diese 3.  Redaktion ist aber recht genau datierbar: sie entstand nach der endgültigen Abreise Piccolominis aus Österreich im Mai 1455 und lag in der heute erhaltenen Form wohl vor seiner Wahl zum Papst im August 1458 vor57. Damit dürfte die Entstehung von Burney 107 zunächst einmal auf die Zeit zwischen Mai 1455 und etwa Ende 1457 einzugrenzen sein, wenn man davon ausgeht, dass hier jener Textzeuge vorliegt, der Piccolomini zum ersten Mal mit der Übersetzung Guarinos und damit dem Text Strabos bekannt machte, was gut zu dem Kompositcharakter unserer Handschrift passen würde. Die handschriften­immanenten Kriterien bestätigen diese Datierung und können sie eventuell sogar noch weiter präzisieren. Zunächst weist das oben schon erwähnte, in der gesamten Handschrift zu findende Turm-Wasserzeichen in das sechste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, was hervorragend mit den bisherigen Datierungsüberlegungen in Einklang zu bringen ist. Vor allem aber spricht ein paläographisches Element für eine Datierung des Textes eher gegen die Mitte der 1450er Jahre, nämlich der Schriftcharakter der Handschrift Piccolominis auf jener Lage, die er zu Burney 107 beisteuerte: es handelt sich hierbei um seine seit den 1440er Jahren gut bezeugte Kursive, die aber noch derart kontrolliert und auch fein geschrieben ist, dass sie wohl kaum mit der von der Gicht geprägten, krakeligen Altersschrift des Papstes zu vereinbaren ist, die schon kurz nach der Mitte des sechsten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts zu beobachten ist58. Damit könnte sich folgendes plausible Szenario ergeben: Piccolomini erhielt möglicherweise auf seinem Weg von Österreich nach Italien im Frühjahr/Sommer 1455 oder bald nach seiner Ankunft in Rom Zugang zu einer frühen Abschrift der Guarino-Übersetzung und ließ, da er über nur wenig Zeit verfügte, von mehreren Schreibern eine Kopie des Textes vornehmen, an der er sich auch selbst beteiligte und deren Lagen er in der Folge eigenhändig mit Reklamanten versah59. In seinem Pontifikat ließ Pius in der Folge das von der Tiara gekrönte Familienwappen auf der ersten Seite des Textes anbringen; von dieser nachträglichen Anbringung zeugt noch heute die nicht ganz perfekte Position des Wappens, das zu einem kleinen Teil die unterste Zeile des Textes überdeckt. Dieses Wappen macht es weiters wahrscheinlich, dass die Handschrift wohl spätestens jetzt auch gebunden worden sein wird und wohl nicht, wie es etwa im Falle von Vat. lat. 7082 oder Chiss. J VII 251 der Biblioteca Apostolica Vaticana anzunehmen ist60, als Arbeitskonvolut 56   Eneas Silvius Piccolomini, Historia Austrialis, ed. Martin Wagendorfer–Julia Knödler, 2 Bde. (MGH, SS rer. Ger., N. S. 24/1–2, Hannover 2009) 2 520 (mit Anm. 39) und 784 (mit Anm. 166); vgl. auch 1 LI (Einleitung). Beide Belege stammen aus den ersten zehn Büchern der Geographie und müssen folglich auf der Übersetzung Guarinos beruhen; bei den bescheidenen Griechisch-Kenntnissen Piccolominis – vgl. Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 58 mit Anm. 233 – ist an eine direkte Benützung des griechischen Textes nicht zu denken. 57   Piccolomini, Historia Austrialis, ed. Wagendorfer–Knödler (wie Anm. 56) 1 Einleitung XX. 58  Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 150–183, auch mit den Belegen zu Äußerungen Piccolominis über seine Erkrankung. Vgl. dort Abb. 8g (Basel, UB, Autographen-Sammlung Geigy-Hagenbach, Nr. 2456, 24. Dezember 1455) sowie 8k (BAV, Vat. lat. 3886, Konzept der Germania, 1457/58) mit Abb. 6 (Burney 107, fol. 197r). 59  Bei dieser Vorlage dürfte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um das heute in der Oxforder Bodleiana liegende Autograph Guarinos gehandelt haben: die Brüche der Abschrift in Burney 107 mit ihren Schreiberwechseln und leeren Seiten am Ende vieler Lagen stimmen, soweit das anhand des Mikrofilm-Digitalisats zu erkennen ist, nicht mit den Lagenenden in Bodleiana, Canon. class. lat. 301 überein. 60   Martin Wagendorfer, Ein von der Hand des Eneas Silvius Piccolomini geschriebenes Exzerpt aus dem Liber certarum historiarum Johanns von Viktring (BAV, Vat. lat. 7082, fol. 96). RHM 47 (2005) 81–121, hier 86, 88, 106.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

59

des Papstes noch längere Zeit in Form von losen Lagen vorlag. Von dieser Bindung ist allerdings heute nichts mehr erhalten, sodass auch eine längere lose Aufbewahrung nicht völlig ausgeschlossen werden kann, die leicht zum heute offenbar vorliegenden Textverlust am Ende der Handschrift hätte führen können. Untersucht werden müsste in jedem Fall noch das Verhältnis zu jenen Handschriften von Buch 1 bis 10 der Guarino-Übersetzung in der Biblioteca Apostolica Vaticana, die aus dem Besitz Piccolominis stammen, und zu ihrer Glossierung. Vor allem müsste noch eruiert werden, ob bei der Kopie dieser Handschriften Burney 107, der zweifellos zu wenig repräsentativ war, um als Exemplar der päpstlichen Bibliothek durchgehen zu können, irgendeine Rolle, eventuell sogar als Vorlage oder zumindest als subsidiär herangezogenes Kollationsexemplar, spielte. Eine solche Untersuchung könnte vielleicht auch darüber Aufschluss geben, ob unsere Handschrift damals noch vollständig in dem Sinne war, dass sie die ersten zehn Bücher der Geographie zur Gänze umfasste, und der Verlust des Textendes erst später eintrat. Auf welchen Wegen die Handschrift in den Besitz von Charles Burney kam, ist, wie oben schon angedeutet, aus der Handschrift selbst heute nicht mehr feststellbar. Somit ist Burney 107 zwar kein genuines eigenhändiges Zeugnis eines „Mächtigen“ – wenn wir darunter nur den Papst Pius II., nicht aber den Bischof von Siena und Humanisten Piccolomini verstehen wollen –, und auch kein exzeptionelles eigenhändiges Zeugnis in paläographischer Hinsicht, da wir gerade aus den 1450er Jahren zahlreiche Autographa Piccolominis erhalten haben, die uns in eindrucksvoller Art und Weise sein eigenhändiges Schreiben vor Augen führen61. Nichtsdestoweniger ist der bisher in der Forschung kaum gewürdigte Codex aber eine eindrucksvolle Quelle für das intellektuelle Profil des Sienesen, für die kaum noch untersuchten Schreiber in seinem Umkreis sowie für die frühe Rezeption der Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie. Er nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als sehr wenige eigenhändige Kopien Piccolominis von Texten anderer Autoren bekannt sind62. Völlig singulär und am ehesten noch mit einer Handschrift in der Biblioteca Comunale degli Intronati in Siena vergleichbar, welche in ihrem zweiten kodikologischen Teil Exzerpte aus der lateinischen Übersetzung von Dio­ dors Bibliotheca historica enthält und ebenfalls teils von Piccolomini selbst geschrieben wurde63, ist allerdings der Kompositcharakter von Burney 107. Es ist bisher keine einzige Handschrift mit Autographa oder aus dem Besitz Piccolominis bekannt, die eine derartige Fülle von Händen aufweist. Man kann darüber hinaus davon ausgehen, dass unsere Handschrift wohl die früheste heute noch existierende Abschrift des GuarinoAutographs darstellt, die fast unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten an Buch 1 bis 10 kopiert wurde. Piccolomini war somit wohl einer der ersten, der in den Besitz dieses für die italienischen Humanisten so ungemein wichtigen Textes kam und ihn auch unmittelbar danach sofort verwertete: zunächst in der 3. Redaktion seiner Historia Austrialis, dann in der Germania und Europa sowie in beeindruckendem Ausmaß in seiner Asia, wofür er allerdings naturgemäß vor allem die Bücher 11 bis 17 der Geographie verwerten konnte. Wie wichtig ihm der Text war, ist auch daran zu erkennen, dass er selbst bei dessen Abschrift Hand anlegte und die Kopie unter seiner Leitung erfolgt sein dürfte. Wir sehen   Wagendorfer, Die Schrift (wie Anm. 2) 136–183.   Vgl. ebd. 101. 63  Siena, Bibliotheca Comunale degli Intronati, K. V. 21. Auf diesen hochinteressanten Band hat erst jüngst Gabriella Pomaro, Codici di Diodoro Siculo in latino: traduttori e dediche. Filologia mediolatina 17 (2010) 151–177, hier bes. die Handschriftenbeschreibung 169f., aufmerksam gemacht. In diesem Teil der Handschrift schreiben neben Piccolomini allerdings nur zwei weitere Hände. 61 62

60

Martin Wagendorfer

ihn also Mitte der 1450er Jahre nicht nur in politischer, sondern auch in literarischer bzw. humanistischer Hinsicht ganz nah am Puls der Zeit64.

Anhang: Handschriftenbeschreibung British Library, Burney 107. Strabo, Geographia (Guarino interprete). Italien, 6. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts. Pap. 290x210. III, 244, III (foliiert 238*, 238**, 239*) Bl. Lagen: (I–1)I + IIII + V10 + (V–1)19 + 2.V39 + III44* + IV52 + V58**** + IV66 + V76 + IV84 + V94 + 2.IV110 + 2.V130 + IV138 + 2.V158 + III164 + 2.V184 + I186 + 2.V205 + 3.IV229 + (V–1)238 + I238** + (I–1)239*. Abweichende Lagenformel von Blattzahl durch die leeren fol. 44*, 58*, 58**, 58***, 58****, 204* bedingt. Lagenformel durch enge Bindung der Hs. nicht immer mit völliger Sicherheit feststellbar (Heftfäden teils nicht sichtbar); insbesondere die fehlenden Gegenblätter durch enge Bindung nicht bestimmbar. Obige Angaben vor allem aufgrund der Reklamanten. Fol. I–III drei rezente papierene Schmutzblätter, ebenso 238*, 238**, 239*. Gegenblatt von fol. I auf Innenseite VD, Gegenblatt von 239* auf Innenseite HD angeklebt. Rechts oben ältere Tintenpaginierung (nur der ungeraden Seiten), darunter rezente Bleistiftfoliierung. Ältere Signaturen: Rezente Bleistiftsignaturen auf Spiegelblatt Innenseite VD: 161d, Iv unten: 161. D. Fol. 2r, 238v: roter Stempel: Museum Britannicum, Fol. 2v, 102v, 118v, 126v, 139v, 148v: roter Stempel: British Museum. Einband: Brauner Burney-Ledereinband. In der Mitte Goldprägung „Codex Burneianus“ in goldener Rankenumrahmung; Rahmen am Rand von VD und HD in Blinddruck, am äußeren Rand von VD und HD jeweils eine Goldrahmung parallel zum Einbandrand. Buchrücken: Fünf Bünde. Ganz oben an den Ecken abgerundetes Papierschildchen mit 161 (Druck), ganz unten ebensolches mit D.3 (Druck). Goldprägungen: Strabonis Geographia. Latine. Mus. Brit. Bibl. Burn. 107. Plut. CLXI. D. Codex M.S. Chartaceus. Unteres und v. a. oberes Kapital beschädigt, auch die Bünde leicht abgerieben. Wasserzeichen: 2 Türme, wohl identisch mit AT5000-651_387 (?); Schere (nicht identifizierbar). Layout je nach Schreiber wechselnd. Ausstattung: Fol. 1r unten: Piccolomini-Wappen gekrönt von Tiara, wohl nachträglich, da Tiara leicht über letzte Zeile reichend. Sonst keine Ausstattung. Die Buchanfänge teils in Kapitalis, der erste Buchstabe der Bücher oder von Sinnabschnitten vergrößert und in Kapitalis. Hände: (1r–10v, 85r–94v, 111r–164v, 187r–196v, 222r–229r) A; (11r–19v) B; (20r–44r, r 95 –110v) C; (45r–52v) D; (53r–58r) E; (59r–66v, 77r–84v, 206r–213r, 230r–238r) F; (67r– 76r) G; (165r–185r) H; (197r–204v) I; (214r–221v) K. 64   Eine ähnlich wichtige Rolle dürfte Piccolomini auch für die Verbreitung oder sogar Fortsetzung der lateinischen Diodor-Übersetzung nach dem Tod Nikolaus’ V. gespielt haben, vgl. Pomaro, Codici (wie Anm. 63) 160–163.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

61

Zahlreiche Marginalien von verschiedenen Händen, darunter auch Hand I (= Eneas Silvius Piccolomini). Inhalt: (Ir–IIIv und 238*–239*) Rezente Vor- und Nachsatzblätter mit vereinzelten Signaturen und rezenten Bleistiftnotizen (zu Restaurierungen etc.). (1r–238r) Strabo, Geographia (Guarino interprete). (1r–2r) Praefatio an Nikolaus V.; (2r–35r) Buch 1; (35r–58r) Buch 2; (59r–91r) Buch 3; (91r–108v) Buch 4; (109r–138r) Buch 5; (138v–164r) Buch 6; (164r–196v und 204r/v: Nachtrag Piccolominis) Buch 7; (204v; 197r–203r) Buch 8 (unvollständig); (231v–238r) Buch 9 (unvollständig, Expl.: … ab ipsa vate). (238v) Leer.

62

Martin Wagendorfer

Abb. 1: London, BL, Burney 107 fol. 1r. Copyright: The British Library Board.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

Abb. 2: London, BL, Burney 107 fol. 110v. Copyright: The British Library Board.

63

Abb. 3: Melk, Stiftsarchiv, 1455 I 01. Abb. aus: Monasterium.net.

64 Martin Wagendorfer



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

Abb. 4: London, BL, Burney 107 fol. 56v. Copyright: The British Library Board.

65

66

Martin Wagendorfer

Abb. 5: Wien, ÖNB, cvp 3389 fol. 116r.



Die Guarino-Übersetzung von Strabos Geographie in Burney 107

Abb. 6: London, BL, Burney 107 fol. 197r. Copyright: The British Library Board.

67



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts Werner Maleczek

1. Die Unterschriften der Kardinäle auf Privilegien Als es im Studienplan für Geschichte an der Universität Wien noch ein AnfängerProseminar aus mittelalterlicher Geschichte gab, lernten die meisten Studierenden in den elementaren Grundzügen der Diplomatik, dass auf päpstlichen Privilegien, feierlich gestalteten Urkunden zwischen dem späten 11. und dem frühen 14. Jahrhundert, mit denen Besitz und Rechte bestätigt und mit denen auch kirchenrechtlich relevante Entscheidungen gefällt werden, die Unterschriften der Kardinäle zu finden sind1. Die Kardinalsunterschriften, die im Eschatokoll der Urkunde oberhalb der großen Datierung stehen, tauchen unter Alexander II. (1061–1073) auf, sind jedoch vor dem Ende des 11. Jahrhunderts selten. Erst unter Paschal II. (1099–1118) nehmen die Kardinalsunterschriften deutlich zu, fallen aber dann wieder leicht ab. In dieser Zeit stellen die Mehrzahl der von den Kardinälen unterschriebenen Papsturkunden echte Entscheidungen dar, die die Rechtsstellung des Empfängers in irgendeiner Weise verändern. Deshalb hat man mit gutem Grund angenommen, dass bis etwa 1130 die Unterschrift auch eine Form einer gewissen Mitbestimmung signalisierte2. Erst unter Innocenz II. werden die Kardinalsunterschriften zur Regel. Seit diesem Pontifikat verschwinden andere Würdenträger völlig aus 1   Vgl. Ludwig Schmitz-Kallenberg, Die Lehre von den Papsturkunden, in: Grundriß der Geschichtswissenschaft, hg. von Aloys Meister (Leipzig–Berlin 1906) 205–215; Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien (Berlin ²1912) 1 76–81; Matthias Kordes, Der Einfluss der Buchseite auf die Gestaltung der hochmittelalterlichen Papsturkunde. Studien zur graphischen Konzeption hoheitlicher Schriftträger im Mittelalter (Hamburg 1993) 200–213; Paulius Rabikauskas, Diplomatica pontificia. Praelectionum lineamenta. Editio quinta emendata et aucta (Roma 1994) 40–45; Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 2, Stuttgart ²2000) 19–23; Peter Rück, Die hochmittelalterliche Papsturkunde als Medium zeitgenössischer Ästhetik, in: Arbeiten aus dem Marburger hilfswissenschaftlichen Institut, hg. von Erika Eisenlohr–Peter Worm (Elementa diplomatica 8, Marburg 2000) 3–29, bes. 9–29; Stefan Hirschmann, Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141–1159) (Europ. Hochschulschriften III/913, Frankfurt/M. u. a. 2001) 39–59. – Zusätzliche Abkürzungen: KB = Kardinalbischof; KD = Kardinaldiakon; KP = Kardinalpriester. 2  Rudolf Hüls, Kardinäle, Klerus und Kirchen Roms 1049–1130 (BDHIR 48, Tübingen 1977), hat die Unterschriften von 1049 bis 1130 zusammengestellt. Ergänzungen durch Johannes Laudage, Rom und das Papsttum im frühen 12. Jahrhundert, in: Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Beiträge zu Ehren von Werner Goez, hg. von Klaus Herbers (Stuttgart 2001) 23–53. – Nun mit verbessertem Verzeichnis der päpstlichen Privilegien mit Kardinalsunterschriften bis 1143 Ulrich Schludi, Die Entstehung des Kardinalkollegiums. Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen (Mittelalter-Forschungen 45, Ostfildern 2014).

70

Werner Maleczek

den Unterschriftenreihen, selbst zu Zeiten der Laterankonzile von 1139, 1179 und 1215, als sich viele hohe Prälaten an der Kurie aufhielten. Ebenfalls unter Innocenz II. wird die Anordnung der Unterschriften streng geregelt, d. h. unter dem Papstnamen stehen die Kardinalbischöfe, links die Kardinalpriester, rechts die Kardinaldiakone, und es wird die Anciennität peinlich genau eingehalten, was auch dazu führt, dass in den Unterschriftenkolumnen Lücken entstehen, wenn der Kardinal wohl an der Kurie anwesend, aber aus irgendwelchen Gründen – vielleicht auch finanziellen Gründen – gehindert war, seine Unterschrift zu leisten. Es ändert sich der Rechtsinhalt der Privilegien: Ganz überwiegend werden mit dieser Urkundenform schon bestehende Rechte und Besitzungen bestätigt, sodass eine Mitbestimmung der Kardinäle, die sich auf diese Weise hätte äußern können, fortan unwahrscheinlich wird. Zum Hauptmerkmal werden die ausführlichen Besitzlisten, die selbstverständlich auf päpstlichen Vorurkunden, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen können, beruhen oder sich auf andere, bei der Impetrierung vorgelegte Besitztitel gründen3. Ab dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts werden Papsturkunden mit Kardinalsunterschriften, die nicht in diese Kategorie fallen, zur Seltenheit. Gibt es, so ist sinnvollerweise zu fragen, für diese eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle Vorbilder und Herleitungen? Für eine ausführliche Erörterung dieser Frage ist hier nicht der Platz, aber so viel kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden4: Seit der Karolingerzeit finden sich auf Synodalurkunden, mit denen mehr oder weniger weitreichende Beschlüsse für die Verwaltung der Kirche in einer Diözese oder einer Kirchenprovinz gefasst werden, die Unterschriften der Teilnehmer der Synode. Da uns gerade aus dem 9. Jahrhundert einige Originale erhalten sind, lässt sich deren Eigenhändigkeit gut nachweisen. Mit der Kirchenreform seit der Mitte des 11. Jahrhunderts und dem Anschwellen der Synoden unter päpstlicher Führung, sei es in Rom, sei es in partibus auf den vielen Reisen der Päpste zwischen Leo IX. und Innocenz II., bleibt ein Teilnehmerkreis der Synoden stabil, nämlich der der Kardinäle, die auf diese Weise allmählich zum Senat der Gesamtkirche werden. Eine Zeitlang finden sich auf Synodalprotokollen die Kardinäle und die teilnehmenden Bischöfe gemeinsam, im Weiteren setzt die zweite Gruppe ihre Unterschrift immer seltener auf das Pergament5. Das päpstliche Privileg 3   Vgl. die bislang einzige Auswertung durch Dietrich Lohrmann, Kirchengut im nördlichen Frankreich. Besitz, Verfassung und Wirtschaft im Spiegel der Papstprivilegien des 11.–12. Jahrhunderts (Pariser historische Studien 20, Bonn 1983). Ergänzungen durch Reinhard Härtel, Additamenta zur Enumeratio bonorum in päpstlichen Privilegien, in: Päpste, Privilegien, Provinzen: Beiträge zur Kirchen-, Rechts- und Landesgeschichte. Festschrift für Werner Maleczek zum 65. Geburtstag, hg. von Johannes Giessauf et al. (MIÖG, Ergbd. 55, Wien 2010) 103–122. 4  Mit zahlreichen Details untersucht von Werner Maleczek, Die eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle – ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit? Mit einem Überblick über eigenhändige Unterschriften auf Urkunden vom Frühmittelalter bis ins 13. Jahrhundert, in: Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, hg. von Stefan Weinfurter (Ostfildern 2012) 239–299, hier 263–269. 5  Ein schönes Beispiel bietet die Urkunde Urbans II. für die südfranzösische Abtei Saint-Gilles vom 18. Februar 1095. Sie wurde schon in Cremona formuliert und datiert, dann aber auf der Synode von Piacenza, die in den ersten Märztagen stattfand, relecta vero et confirmata, also offensichtlich mit den beipflichtenden Unterschriften und einer Schlussformel versehen. Da die Urkunde im Original erhalten ist, lassen sich die dort anwesenden Kardinäle auch von ihrer Schrift her gut von den anderen Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten scheiden. Es unterschrieben eigenhändig zehn Kardinäle, vier Erzbischöfe, sieben Bischöfe und drei Äbte. Weitere Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte interfuerunt bzw. laudaverunt. – Orig.: Paris, BN, Coll. Baluze, ms. 380, Nr. 6, vgl. Catalogue des manuscrits de la Collection Baluze, ed. Lucien Auvray–René Poupardin (Paris 1921) 426; ed. Mansi 20 807–810 = PL 151 399f.; JL 5540; Faksimile: Urkundentafeln der École des chartes Nr. 451. Ich danke herzlich Olivier Guyotjeannin, dass er mir eine Kopie zugänglich machte. Vgl. Georg Gresser, Die



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 71

mit den exklusiven Kardinalsunterschriften steht am Ende dieser Entwicklung. Die Unterschriften der Kardinäle auf den päpstlichen Privilegien stellen ein unvergleichliches Quellenmaterial dar. Es gibt aus dem Hochmittelalter keine Personengruppe, die sich so genau und kontinuierlich verfolgen und damit als eine Beratergruppe des Papstes in einer beschleunigten Entwicklungsphase des monarchischen Papsttums bestimmen lässt 6. Die Anwesenheit an der Kurie und damit die Möglichkeit einer Einflussnahme auf päpstliche Entscheidungen ist mit der Unterschrift zweifelsfrei festgelegt, wobei freilich, wie oben schon angedeutet, der Schluss auf Mitbestimmung nicht oder nur mit großen Vorbehalten zulässig ist. Es kam für den Petenten auf den eindrucksvollen Charakter der Urkunde an, wohl auch auf die symbolische Präsenz des Papstes und seiner engsten Mitarbeiter in der kirchlichen Institution in partibus. Für den ausstellenden Papst und die Kardinäle wurde das Privileg zu einem Mittel der Propaganda, zu einem handgreiflichen Ausdruck der plenitudo potestatis. Der bisher nicht beachtete Bezug zum Galaterbrief des Paulus verdient in dieser Hinsicht eine Überlegung. Dort heißt es nämlich (Gal 6,11): Videte qualibus litteris scripsi vobis mea manu. – „Seht, mit welchen Buchstaben ich euch mit eigener Hand geschrieben habe.“ Bruno Katterbach und Wilhelm Maria Peitz wiesen vor über 90 Jahren überzeugend nach, dass die Kardinäle ganz überwiegend eigenhändig ihre Unterschriften auf die päpstlichen Privilegien setzten7. Mit Hilfe der Kardinalsunterschriften wurden Forschungen zum Kardinalskollegium und zur Geschichte der Kurie immer wieder betrieben8, aber es bleibt noch viel zu tun. Das Göttinger Papsturkundenwerk, das die Sammlung aller Papst­urkunden bis 1198 zum Ziele hat, ist noch lange nicht abgeschlossen, und damit bleibt die chronologische Zusammenstellung aller Privilegien mit Kardinalsunterschriften Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. 1049–1123 (Konziliengeschichte A/20, Paderborn 2006) 294f. 6   Vgl. Geschichte des Kardinalats im Mittelalter, hg. von Jürgen Dendorfer–Ralf Lützelschwab (Päpste und Papsttum 39, Stuttgart 2011), besonders mit den Beiträgen von Claudia Zey, Entstehung und erste Konsolidierung. Das Kardinalskollegium zwischen 1049 und 1143, in: ebd. 63–94; Werner Maleczek, Die Kardinäle von 1143 bis 1216. Exklusive Papstwähler und erste Agenten der päpstlichen plenitudo potestatis, in: ebd. 95–154; Andreas Fischer, Die Kardinäle von 1216 bis 1304: zwischen eigenständigem Handeln und päpstlicher Autorität, in: ebd. 155–224. 7   Bruno Katterbach–Wilhelm Maria Peitz, Die Unterschriften der Päpste und Kardinäle in den „Bullae maiores“ vom 11. bis 14. Jahrhundert, in: Miscellanea Francesco Ehrle 4: Scritti di storia e paleografia (StT 40/4, Roma 1924) 177–274. 8   Die Kardinalsprosopographien von Johannes Matthias Brixius, Die Mitglieder des Kardinalkollegiums von 1130–1181 (Berlin 1912); Hüls, Kardinäle (wie Anm. 2); Barbara Zenker, Die Mitglieder des Kardinalkollegiums von 1130–1159 (Diss. Würzburg 1964), beruhen darauf, in einem gewissen Sinn auch Werner Maleczek, Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III. (Publ. d. Histor. Inst. beim Österr. Kulturinst. in Rom I/6, Wien 1984) 320–324, 359–392, mit Ergänzungen: ders., Zwischen lokaler Verankerung und universalem Horizont. Das Kardinalskollegium unter Innocenz III., in: Innocenzo III. Urbs et Orbis. Atti del Congresso internazionale, Roma, 9–15 settembre 1998, hg. von Andrea Sommerlechner (Nuovi studi storici 55 = Miscellanea della Società romana di storia patria 44, Roma 2003) 1 102–174, bes. 164–174; ders., Das Kardinalskollegium von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, in: Pensiero e sperimentazioni istituzionali nella „Societas Christiana“ (1046– 1250). Atti della sedicesima Settimana internazionale di studio, Mendola, 26–31 agosto 2004, ed. Giancarlo Andenna (Milano 2007) 236–263. – Ebenso Agostino Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia e „Familiae“ cardinalizie dal 1227 al 1254, 2 Bde. (Italia Sacra 18, 19, Padova 1972). – Von Rudolf Hiestand ist eine Zusammenstellung aller päpstlichen Privilegien mit Kardinalsunterschriften zu erwarten. Einschlägig von dems., Das kardinalizische Gefolge der Päpste bei ihren Frankreichaufenthalten von Urban II. bis Alexander III., in: Von Outremer bis Flandern. Miscellanea zur Gallia Pontificia und zur Diplomatik, hg. von Klaus Herbers– Waldemar Könighaus (Abh. d. Akad. d. Wiss. zu Göttingen N. F. 26, Berlin 2013) 191–267.

72

Werner Maleczek

ein Desideratum. Nur für wenige Jahre im späten 12. Jahrhundert ist annähernd Vollständigkeit erreicht9. In noch höherem Maße ist die Lückenhaftigkeit bei der Sammlung der Papsturkunden für die folgenden Jahrhunderte des Mittelalters zu beklagen. Bislang ist das „Censimento“-Projekt, das sich die länderweise Sammlung aller originalen Papst­ urkunden von 1198 bis 1417 vorgenommen hat, ein Fragment geblieben10. Auf jeden Fall lässt sich erkennen, dass die Privilegien mit Kardinalsunterschriften ab der Einführung des neuen Papsturkunden-Typus der „Bulle“ unter Innocenz IV. (1243–1254) zahlenmäßig stark zurückgehen und im 14. Jahrhundert nur noch sporadisch auftauchen11. Die Überlieferung beim Empfänger wird sehr selten, aber es gibt seit dem späten 13. Jahrhundert und dann sporadisch im 14. Jahrhundert feierliche Privilegien, die im päpstlichen Register zusammen mit den Unterschriften der Kardinäle und mit den nachgeahmten Kreuzen vor ihren Namen kopiert wurden12. In den päpstlichen Kanzleiregeln 9  Lucius III. 1181–1185, ed. Katrin Baaken, 2 Bde. (Regesta Imperii IV/4, 2: Papstregesten 1124–1198, Köln u. a. 2006); Urban III., Gregor VIII. 1185–1187, ed. Ulrich Schmidt–unter Mitwirkung von Katrin Baaken (Regesta Imperii IV/3: Papstregesten 1124–1198, Köln u. a. 2006); Clemens III. 1187–1191, ed. Ulrich Schmidt (Regesta Imperii IV/4: Papstregesten 1124–1198, Köln u. a. 2012). 10  Isabella Aurora, I documenti originali pontifici di Bari (1199–1400). AHP 39 (2001) 9–103, Tilmann Schmidt, Die Originale der Papsturkunden in Norddeutschland (Bremen, Hamburg, MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein) (Index actorum Romanorum pontificum 7, Città del Vaticano 2003), und Peter Linehan, Portugalia Pontificia: Materials for the History of Portugal and the Papacy 1198–1417, 2 Bde. (Lissabon 2013), sind die bislang letzten Beiträge. Dort auch alle bisher erschienenen Bände und die gesamte bisherige Literatur. 11  Hingewiesen sei auf das Privileg in forma libelli Benedikts XII. für Bologna vom 14. 6. 1340, in dem die Kardinalsunterschriften nur in einer Kolumne stehen, Giulio Battelli, Acta Pontificum (Exempla Scripturarum 3, Città del Vaticano 21965) Nr. 25. – Ein Privileg Clemens’ VI. für Jumièges vom 2. Dezember 1344 bespricht Max Prinet, Quelques seigns manuels de cardinaux (1344). BEC 89 (1928) 175–182. Auf dieser Urkunde sind die Kreuze vor den autographen Kardinalsunterschriften in mehreren Fällen markant verändert und geben Hinweise auf Wappen oder andere individuelle Erkennungszeichen, z. B. bei Gui de Boulogne ein Buchstabe g und zwei Punkte, bei Étienne Aubert, dem zukünftigen Papst Innocenz VI., ein Stern, bei Giovanni Colonna, KD von S. Angelo, eine Säule, bei Bernard de la Tour, KD von S. Eustachio, ein Turm, usw. 12  Les registres de Nicolas III (1277–1280), ed. Jules Gay et al. (BEFAR 2,14, Paris 1898–1938) 173f., 174–176, 179f. Nr. 458, 459, 475 (18. 3. 1279, 7. 5. 1279, Privilegien für Cluny), 197–213 Nr. 517 (3. 2. 1279, Statuten für das Kapitel von St. Peter im Vatikan); Les registres de Martin IV (1281–1285), ed. Olivier Martin et al. (BEFAR 2,16, Paris 1901–1935) 291–297 Nr. 580, 581 (5. 5. 1284); Les registres d’Honorius IV, ed. Maurice Prou (BEFAR 2,7, Paris 1888) 85f. Nr. 96, 88f. Nr. 97 (17. 9. 1285, Reform des Königreiches Sizilien, die sogen. Constitutio Siciliana), siehe unten 85. – Les registres de Boniface VIII (1294–1303), ed. Antoine Thomas et al. (BEFAR 2,4, Paris 1884) 1 68–71 Nr. 184 (21. 6. 1295, Vertrag von Anagni über das Königreich Sizilien); 415–417 Nr. 1163 (13. 8. 1296, Schutzprivileg für S. Giorgio de Monte Anagnino); 696 Nr. 1839 (15. 5. 1297, Exemtion für S. Spirito al Morrone in Sulmona und die anderen Coelestinerklöster); Bd. 3 (Paris 1921) 141 Nr. 4132 (29. 9. 1301, Rechts- und Besitzbestätigung für S. Croce di Sassovivo). – Die Hinweise auf das 14. Jahrhundert schulde ich z. T. Armand Jamme, dem ich dafür und für zahlreiche weitere wertvolle Anregungen und Quellenstellen herzlich danke. Weitere Hinweise bei Patrick Zuthsi, Changes in the Registration of Papal Letters under the Avignon Popes (1305–1378), in: Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter. Gestaltung – Überlieferung – Rezeption, hg. von Tanja Broser–Andreas Fischer–Matthias Thumser (Forschungen zur Kaiser-und Papstgeschichte des Mittelalters 37, Köln 2015) 237–261, hier 242. – Clemens VI., aus den noch nicht bearbeiteten Bänden der Lettres communes: Bestätigt den päpstlichen Schutz für Fontevrault (Diöz. Angers), 4. 8. 1345 (ASV, Reg. Aven. 79, fol. 255–257, 258–259v). – Nimmt die Klarissen von Denney im Cambridgeshire in seinen Schutz, 30. 4. 1348 (ASV, Reg. Aven. 97, fol. 378v = Reg. Vat. 180, fol. 283v). – Nimmt die Augustinerchorherren von Holy Cross, Oxford, in seinen Schutz, 27. 9. 1350 (ASV, Reg. Aven. 58, fol. 184; Abb. bei Specimina Palaeographica ex Vaticani tabularii Romanorum pontificum registris, ed. Heinrich Denifle–Gregorio Palmieri [Rom 1888] 54, Taf. 58). – Innocenz VI. nimmt die Zisterzienserabtei Whalley (Diöz. Lincoln) in den päpstlichen Schutz, 6. 10. 1359 (ASV, Reg. Aven. 141, fol. 623v–264v). – Bestätigt den Schutz über den Basilianerbischof und die Mönche vom Berg Sinai, 16. 12. 1360



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 73

des 14. Jahrhunderts wurden die Privilegien als möglicher Urkundentyp noch weiter geführt13. Über ihre Verwendung in der Zeit des Großen Schismas wird noch zu sprechen sein. Ab dem Pontifikat Eugens IV. (1431–1447) erleben die Papsturkunden mit Kardinalsunterschriften eine freilich sehr beschränkte Renaissance. Man bezeichnet sie als Konsistorialurkunden, litterae consistoriales. Sie resultieren aus der Wahlkapitulation, die Eugen am 12. März 1431 bestätigte und welche verlangte, dass der Konsens der Kardinäle, wo erforderlich, in Hinkunft durch deren eigenhändige Unterschriften zum Ausdruck gebracht würde14. Diese Bestätigung wurde gleich zur ersten Konsistorialurkunde mit Kardinalsunterschriften, und tatsächlich liegen aus den ersten drei Jahren bis 1434 mindestens 19 derartige Urkunden vor, die in wichtigen kirchenstaatlichen und universalkirchlichen Angelegenheiten ausgestellt wurden. Danach gibt es bis 1437 nur mehr einige wenige gegenüber dem Basler Konzil und den dort vertretenen Legaten, zuletzt anlässlich der Konzilsverlegung nach Ferrara15. Als Sonderfälle von Konsistorialbullen sind die Florentiner Unionsbullen von 1439 zu bewerten16. Ab dem Pontifikat Calixts III. (1455– 1458) tauchen mit Kardinalsunterschriften versehene Konsistorialurkunden, zunächst im Zusammenhang mit Wahlkapitulationen, wieder auf und bleiben mit unterschiedlicher Zielsetzung auch unter den nachfolgenden Päpsten in Übung, wobei unter Sixtus IV. (1471–1484) eine ansehnliche Zahl erreicht wird. Auch im 16. Jahrhundert wurde dieser Usus fortgesetzt17. Sogar im 20. Jahrhundert findet sich Vergleichbares: Die apostolische Konstitution Humanae salutis vom 25. Dezember 1961, mit der das II. Vatikanische Konzil feierlich einberufen wurde, trägt nach der Unterschrift Papst Johannes’ XXIII. sechzig autographe Unterschriften der Kardinäle18. (ASV, Reg. Aven. 144, fol. 559rv). – Bestätigt die Privilegien der Kanoniker von St. Peter im Vatikan, 8. 8. 1361 (ASV, Reg. Aven. 144, fol. 397v–398r). – Urban V. nimmt die Nonnen von Sigena (Diöz. Huesca) nach dem Vorbild Innocenz’ III. in seinen Schutz, 8. 6. 1363, Urbain V [1362–1370]. Lettres communes 2, ed. Michel Hayez (Paris 1969/72) 191 Nr. 6332. – Gregor XI. nimmt den Generalprior und die Brüder des Paulinerordens in seinen Schutz, 17. 10. 1371 (Grégoire XI [1370–1378]. Lettres communes 3, ed. Anne-Marie Hayez [Rome 1993] 221f. Nr. 12252). 13  Michael Tangl, Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200–1500 (Innsbruck 1894) 303–306. Die Titel lauten: De privilegiis domini pape scribendis – Privilegium commune pro ordine sancti Benedicti – Privilegium commune pro monialibus sancti Augustini. Zeitlich erstrecken sich die Muster von Clemens IV. (1261–1264) bis Urban VI. (1378–1394). 14   Annales ecclesiastici 28 (1424–1453), ed. Augustin Theiner (Bar-le-Duc 1864) 88–90. Schon bei Jean Lulvès, Die Machtbestrebungen des Kardinalats bis zur Aufstellung der ersten päpstlichen Wahlkapitulationen. QFIAB 13 (1910) 73–102, hier 79f. Vgl. Thomas Michael Krüger, Überlieferung und Relevanz der päpstlichen Wahlkapitulationen (1352–1552). QFIAB 81 (2001) 228–255, hier 234–237. 15   Thomas Michael Krüger, Konsistorialurkunden in der päpstlichen Herrschaftspraxis. Kontinuität und Wandel nach dem Basler Konzil, in: Nach dem Basler Konzil. Die Neuordnung der Kirche zwischen Konziliarismus und monarchischem Papat (ca. 1415–1475), hg. von Jürgen Dendorfer–Claudia Märtl (Pluralisierung und Autorität 13, Berlin 2008) 357–383, hier 363–366. 16   Epistolae pontificiae ad concilium Florentinum spectantes, ed. Georg Hofmann, 3 Bde. (Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores A, Rom 1940–1946) hier 2 68–79, 123–138; 3 45–65. Abbildungen der insgesamt 18 erhaltenen Unionsbullen in: I tesori dell’Archivio Segreto Vaticano, hg. von Terzo Natalini– Sergio Pagano–Aldo Martini (Firenze 1991) 138; Sacred Books of the Three Faiths: Judaism, Christianity, Islam. Catalogue of the Exhibition in the British Library, hg. von John Reeve (London 2007) 50. 17   Krüger, Konsistorialurkunden (wie Anm. 15) 368–378. Vgl. auch Paolo Cherubini, Lettere concistoriali di Eugenio IV e Sisto IV. Nuovi documenti su Leonardo Della Rovere, nipote di Sisto IV e prefetto di Roma. BISIM 102 (1999) 167–208; Germano Gualdo, Lettere concistoriali di Eugenio IV e Sisto IV. Le lettere concistoriali nel Quattrocento, in: ebd. 209–227 (jeweils mit der Edition von Konsistorialurkunden und Abbildungen von Originalen). 18  ASV, Instrumenta Miscellanea 7934, faksimiliert in: Documenta Vaticana (Braunschweig 2008).

74

Werner Maleczek

Im Folgenden möchte ich aus den etwa 135 Kardinälen, die sich zwischen 1198 und 1304 nachweisen lassen19, einige herausgreifen und ihre autographen Unterschriften präsentieren. Die Funktion dieser eigenhändigen Unterschriften bleibt dieselbe wie seit dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts: Es geht nicht um Mitbestimmung bei päpstlichen Entscheidungen, sondern um die Repräsentation der römischen Kirche, die ihren Brennpunkt wohl im Papst, dem Träger der plenitudo potestatis, hat, die aber auch durch das Kardinalskollegium, das wichtigste Gremium der Mitarbeiter des Papstes, gebildet wird. Seine wichtigste rechtliche Funktion ist die Wahl des Papstes mit Zweidrittelmehrheit, sodass auf den feierlichen Privilegien in einer verschlüsselten Form nicht allein der jeweilige Inhaber der Papstwürde, sondern auch sein Nachfolger aufscheint und die Kontinuität der römischen Kirche symbolisch erfahrbar wird. Nicht die römische Kurie mit ihren Abteilungen, die sich seit dem frühen 12. Jahrhundert in unterschiedlichen Zuständigkeiten ausdifferenzieren, wird in diesen Kardinalsunterschriften sichtbar, sondern die Würde des einzelnen Inhabers des Kardinalats, bei der die Scheidung in die drei Ordines der Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone nur eine wenig bedeutsame Rangordnung darstellt. Als Angehörige des Klerikerstandes und als Männer, die zunehmend wegen ihres Bildungsstandes vom Papst ausgewählt wurden, mussten die Kardinäle natürlich lesen und schreiben können, aber die autographe Unterschrift signalisiert auch einen kulturgeschichtlichen Entwicklungsschub, der sich auch bei Urkunden, die außerhalb der Kurie ausgestellt wurden, als Nachahmung interpretieren lässt20. Bei der folgenden Auswahl der Kardinäle beschränke ich mich auf einige zukünftige Päpste und vernachlässige markante Unterschriften, die etwas vom ausgeprägten Charakter der dahinter stehenden Persönlichkeit verraten könnten. Ich beginne mit Lothar von SS. Sergio e Bacco, dem berühmten späteren Papst Innocenz III., der seit dem Herbst 1190 seine Unterschrift auf Privilegien setzte (Abb. 1)21. Er ist der typische Vertreter einer

Abb. 1: Privileg Coelestins III. für die hersfeldische Propstei Kreuzberg/Werra, 1191 November 12, Unterschrift des Lothar von Segni, KD von SS. Sergio e Bacco (1190–1198). Marburg, Hessisches Staatsarchiv Urk. 57, Nr. 766; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden Nr. 6316.

19  Vgl. die Aufstellung in Geschichte des Kardinalats, hg. von Dendorfer–Lützelschwab (wie Anm. 6) 479–485. Dabei wird von den sogenannten „Auswärtigen Kardinälen“ abgesehen, vgl. Klaus Ganzer, Die Entwicklung des auswärtigen Kardinalats im hohen Mittelalter (BDHIR 26, Tübingen 1963). 20   Vgl. Werner Maleczek, Eigenhändige Unterschriften auf Urkunden vom 8. bis 13. Jahrhundert, in: Urkunden – Schriften – Lebensordnungen. Neue Beiträge zur Mediävistik, hg. von Andreas Schwarcz–Katharina Kaska (VIÖG 63, Wien 2015) 161–192, hier 182f. 21  Seine Unterschrift lautet: + Ego Lotarius sanctorum Sergii et Bachi diaconus cardinalis ss. – Zur Zeit seines Kardinalates vgl. vor allem Michele Maccarrone, Innocenzo III prima del pontificato. ASRSP 66 (1943) 59–134; Wilhelm Imkamp, Das Kirchenbild Innocenz’ III. (Päpste und Papsttum 22, Stuttgart 1983) 1–64; Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 8) 101–104; Ludovico Gatto, Innocenzo III, la famiglia, la giovinezza, in: Innocenzo III. Urbs et Orbis (wie Anm. 8) 1 613–641; John C. Moore, Pope Innocent III (1160/61–1216). To Root Up and to Plant (The Medieval Mediterranean 47, Leiden 2003) 1–24; Olivier Hanne, De Lothaire à Innocent III. L’ascension d’un clerc au XIIe siècle (Aix-en-Provence 2014).



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 75

Abb. 2: Privileg Coelestins III. für das Zisterzienserkloster Heisterbach (bei Königswinter, Nordrhein-Westfalen), 1193 Juni 10, Unterschriften der Kardinaldiakone. Düsseldorf, Hauptstaatsarchiv, Heisterbach, Urk. Nr. 5; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden, Nr. 10729.

jüngeren Generation von Kardinälen, die seit den späten Jahren Alexanders III. dominieren. Ihre Schrift ist klein, regelmäßig, sicher, sie weist nur wenige individuelle Züge auf, wirkt routiniert, so als ob man ihr die ständige Übung des Formulierens ansehen möchte. Weniger positiv könnte man sie auch als angepasst, stromlinienförmig, diszipliniert, zielgerichtet, ausgerichtet bezeichnen (Abb. 2). Der spätere Papst Honorius III., Cencius, hatte schon eine Sprosse der kurialen Karriere-Leiter als Kämmerer der römischen Kirche errungen, als ihn Coelestin III. 1193 zum KD von S. Lucia in Orthea machte22. Da er im Herbst 1194 die Leitung der päpstlichen Kanzlei dazu übernahm und die Privilegien mit der großen Datierung versah, unterschrieb er nicht mehr, sodass man seine markanten Schriftzüge nicht zeigen kann. Unter Innocenz III., im Frühjahr 1200 zum KP von SS. Giovanni e Paolo promoviert, trat er völlig in den Hintergrund, und es sind sogar längere Lücken in der Reihe der Unterschriften auf Privilegien festzustellen (Abb. 3). Dessen Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Hugo oder Hugolinus, wie er sehr oft in den Quellen genannt wird, wurde von Innocenz III. zu Ende des Jahres 1198 wegen eines weiter entfernten Verwandtschaftsverhältnisses in das Kardinalskollegium als KD von S. 22  Seine Unterschrift lautet: + Ego Cencius sanctorum Johannis et Pauli presbiter cardinalis tit. Pamachii ss. – Zu seiner Person vgl. Jane Sayers, Papal Government and England during the pontificate of Honorius III (1216–1227) (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought III/21, Cambridge 1983) 1–7; Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 8) 111–113; ders., Zwischen lokaler Verankerung (wie Anm. 8) 139f.; Pierre-Vincent Claverie, Honorius III et l’Orient latin (1216–1227) (The Medieval Mediterranean 97, Leiden 2013) 18–20.

76

Werner Maleczek

Abb. 3: Innocenz III. gestattet Ebf. Eberhard von Salzburg die Gründung des Bistums Chiemsee (Oberbayern), 1216 Januar 28, Unterschrift des Cencius, KP von SS. Giovanni e Paolo (1200–1216). München, BayHStA, Hochstift Chiemsee, Urkunden 002. Abb. aus monasterium.net.

Abb. 4a: Innocenz III. für das Zisterzienserkloster Pforta (bei Naumburg, Sachsen), 1206 April 29, Unterschrift des Hugo(lin), KD von S. Eustachio (1198–1206). Dresden, Hauptstaatsarchiv, 10001, Ältere Urk. OU. 148b; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden, Nr. 15601.

Abb. 4b: Innocenz III. für das Zisterzienserkloster Rein (Steiermark), 1214 Januar 7, Unterschrift des Hugo(lin), KB von Ostia und Velletri (1206–1227). Rein, Stiftsarchiv, Urk. A II/19. Abb. aus monasterium.net.

Eustachio aufgenommen23. Bald schon nahm er in der kurialen Gerichtsbarkeit und in der Diplomatie einen gewissen Rang ein, sodass er im Frühjahr 1206 zum KP von S. Marco und kurz danach zum KB von Ostia und Velletri promoviert wurde. Als solcher wurde er unter Innocenz III. und dessen Nachfolger Honorius III. zu einer der zentralen Persönlichkeiten der päpstlichen Kurie, prominent in der Gerichtsbarkeit, in der Außen23  Seine Unterschrift lautet: + Ego Hug(o) sancti Eustachii diaconus cardinalis ss. – + Ego Hug(o) Hostiensis et Velletrensis episcopus ss. – Zu seiner Person vgl. Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 8) 126–133; ders., Zwischen lokaler Verankerung (wie Anm. 8) 141–146; als letzte Ergänzung: Johannes Bernwieser, Non modo praedicantis, sed quasi concionantis. Die Friedensrede Hugolins von Ostia und Velletri in Cremona (1218) und ihr politischer Kontext, in: Rhetorik im Mittelalter und Renaissance, hg. von Georg Strack–Julia Kindler (Münchener Beiträge zur Geschichtsforschung 6, München 2011) 63–93.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 77

politik, aber auch in der Frage der neuen religiösen Bewegungen aktiv. Seine Rolle bei der Reglementierung der Dominikaner, der Minoriten und der Damianiten, der Vorläuferin des späteren Klarissenordens, hat eine tiefe Spur in den Quellen hinterlassen24. Als Papst Gregor IX. regierte er die lateinische Kirche von 1227 bis 1241 (Abb. 4a, 4b). Von den unter Gregor IX. ernannten Kardinälen möchte ich Sinibaldus, seinen übernächsten Nachfolger, Papst Innocenz IV. (1243–1254), vorführen25. Er stammte aus der Genueser Familie der Fieschi, studierte das kanonische Recht und trat im letzten Abschnitt des Pontifikates Honorius’ III. in den Dienst der Kurie als auditor litterarum contradictarum. Unter dessen Nachfolger wurde er für kurze Zeit Vorstand der päpstlichen Kanzlei als Vizekanzler und im September 1227 KP von S. Lorenzo in Lucina. An der Kurie wirkte er wegen seiner Rechtskenntnisse bei zahlreichen Prozessen mit, er war zwischen 1235 und 1240 aber auch Rektor der Mark Ancona, ließ sich dort jedoch vertreten, um weiterhin an der Kurie in engem Vertrauensverhältnis zu Gregor IX. tätig sein zu können (Abb. 5).

Abb. 5: Gregor IX. für das Zisterzienserkloster Lilienfeld (Niederösterreich), 1230 Mai 8, Unterschrift des Sinibaldus, KP von S. Lorenzo in Lucina (1227–1243). Lilienfeld, Stiftsarchiv. Abb. aus monasterium.net.

Bei derselben Kreation des Jahres 1227 erhielt auch ein Verwandter Gregors IX., Rainald aus dem Grafenhaus von Jenne, die Kardinalsdiakonie von S. Eustachio zugewiesen und behielt sie bis 1235, als er zum KB von Ostia promoviert wurde. Sein Naheverhältnis zum Orden der Minoriten und der Damianiten trug ihm das Amt deren Protektors und einen rühmenden Platz in deren Historiographie ein. Meist hielt er sich an der Kurie auf, wo die Rechtssprechung seine Hauptbeschäftigung war. 1236/37 erhielt er den Auftrag, in Oberitalien den Frieden zwischen Kaiser Friedrich II. und den Lombarden zu vermitteln. Unter Innocenz IV. trat er etwas zurück, begleitete diesen auch nicht nach Lyon, sondern verwaltete Teile des Patrimonium Petri und unterschrieb päpstliche Privilegien erst wieder ab Dezember 1251. Drei Jahre später wurde er zum Papst Alexander IV. gewählt. Er regierte die Kirche bis 1261 (Abb. 6a, 6b)26. 24  Als jüngste Beiträge: Giovanni Boccali, La Cum omnis vera religio del cardinale Ugolino. Forma vite primitiva per San Damiano ed altri monasteri (Bruxelles, Bibliothèque Royale, Ms. IV. 63). Frate Francesco 74 (2008) 435–477; Marco Rainini, La fondazione e i primi anni del monastero di San Sisto. Ugolino di Ostia e Domenico di Caleruega, in: Il velo, la penna e la parola. Le domenicane, hg. von Gabriella Zarri (Biblioteca di memorie domenicane, Firenze 2009) 49–70. 25   Seine Unterschrift lautet: + Ego Sigenbaldus tituli sancti Laurentii in Lucina presbiter cardinalis ss. – Zu seiner Kardinalszeit vgl. Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia (wie Anm. 8) 1 61–71; ders., Art. Innocenzo IV. Enciclopedia dei papi (Roma 2000) 2 384–393; Alberto Melloni, Innocenzo IV. La concezione e l’esperienza della cristianità come regimen unius personae (Testi e ricerche di scienze religiose N. S. 4, Genova 1990) 23–71. 26  Seine Unterschrift lautet: + Ego Rainaldus sancti Eustachii diaconus cardinalis ss. und + Ego Rainaldus Ostiensis et Velletrensis episcopus ss. – Zu seiner Kardinalszeit vgl. Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia (wie Anm. 8) 1 41–60; Raoul Manselli, Art. Alessandro IV. Enciclopedia dei papi (Roma 2000) 2 393–396. – Eine zufriedenstellende Biographie fehlt.

78

Werner Maleczek

Abb. 6a: Gregor IX. für das Kloster St. Gallen (Schweiz), 1234 Mai 5, Unterschrift des Rainald von Jenne, KD von S. Eustachio (1227–1235). St. Gallen, Stiftsarchiv, Urk. A.4.B.3. Abb. aus monasterium.net.

Abb. 6b: Gregor IX. für das Augustiner-Chorherren-Stift Suben (Oberösterreich), 1236 November 27, Unterschrift des Rainald von Jenne, KB von Ostia und Velletri (1235–1254). Linz, Oberösterr. Landesarchiv, Suben, Urk. 1236 XI 27. Abb. aus monasterium.net.

Schon bei seiner ersten Kreation berief Innocenz IV. im Jahre 1244 Giangaetano aus der mächtigen römischen Familie der Orsini ins Kardinalskollegium und übertrug ihm die Diakonie von S. Nicola in Carcere Tulliano. Dies war sowohl ein Akt der Dankbarkeit als auch der Versuch, seinen Anhang unter den römischen Adelsfamilien zu festigen. In seinem über dreißigjährigen Kardinalat war er an der Kurie vor allem als Auditor in Rechtsverfahren und als Sachverständiger in theologischen Streitigkeiten tätig. Er verstand es, erfolgreich die Interessen des eigenen Clans der Orsini zu wahren. 1262 wurde er zum Vorsteher der Inquisitoren ernannt, 1263 zum Kardinalprotektor der Minoriten, im Jahr darauf zum Kardinalprotektor der Klarissen. An Clemens IV. (1264–1268) band ihn ein besonders vertrautes Verhältnis. Sein Rang unter den Nachfolgepäpsten wechselte, und 1277 wählte das stark ausgedünnte Kolleg ihn als den dienstältesten Kardinal zum Papst. Als Nikolaus III. regierte er bis 1280 (Abb. 7)27.

Abb. 7: Urban IV. für das Prämonstratenser-Kloster Weißenau (bei Ravensburg, Oberschwaben), 1262 Februar 25, Unterschrift des Giangaetano Orsini, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano (1244–1277). Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, B 523 U 77.

27  Seine Unterschrift lautet: + Ego Johannes sancti Nicolai in carcere Tulliano diaconus cardinalis ss. – Zu seiner Kardinalszeit vgl. Richard Sternfeld, Der Kardinal Johann Gaëtan Orsini (Papst Nikolaus III.) 1244– 1277. Ein Beitrag zur Geschichte der Römischen Kurie im 13. Jahrhundert (Historische Studien 52, Berlin 1905); Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia (wie Anm. 8) 1 314–323; Andreas Fischer, Kardinäle im Konklave. Die lange Sedisvakanz der Jahre 1268 bis 1271 (BDHIR 118, Tübingen 2008) 42–56; Franca Allegrezza, Art. Niccolò III, papa. DBI 78 (2013) 351–357.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 79

Simon de Brion, aus einer kleinadeligen Familie der Landschaft Brie stammend, hatte eine kirchliche Karriere in der Umgebung des Erzbischofs von Rouen, Eudes Rigaud, gemacht und wurde von König Ludwig IX. 1260 zum Großsiegelbewahrer und „Kanzler“ am Königshof erhoben. Im Jahr darauf kreierte ihn Urban IV. zum KP von S. Cecilia, welche Funktion er zwanzig Jahre lang wahrnahm. Im Frühjahr 1264 wurde er als Legat nach Frankreich entsandt, um dort mit Karl von Anjou über die Modalitäten einer Übernahme des regnum Sicilie zu verhandeln, was im April des folgenden Jahres zum Abschluss des Vertrages führte. Der fast fünfjährige Aufenthalt in Frankreich war auch mit Predigt für einen Kreuzzug, mit dem Streit an der Universität Paris und anderen Aufgaben ausgefüllt. Das Konklave in Viterbo, das schließlich 1271 zur Wahl Gregors X. führte, machte er mit und blieb unter dessen Pontifikat eine wichtige Figur. 1274 war er auch in Lyon beim Konzil anwesend und wirkte nach dessen Beendigung erneut bis 1279 als Legat in Frankreich, vor allem als Kreuzzugspropagandist, aber auch als Friedensstifter zwischen Philipp III. und dem König von Kastilien. Bis zu seiner Wahl zum Papst Martin IV. (1281–1285) trat er nicht besonders hervor (Abb. 8)28.

Abb. 8: Gregor X. für das Zisterzienserinnenkloster Fille-Dieu (Romont, Kt. Fribourg, Schweiz), 1274 März 7, Unterschrift des Simon de Brion, KP von S. Cecilia (1261–1281). Fille-Dieu, Klosterarchiv.

Der im Jahre 1278 zum KP von S. Pudenziana erhobene Girolamo d’Ascoli war nach einer langen, wohl um die Jahrhundertmitte begonnenen Karriere im Minoritenorden – als Provinzialmagister von Sclavonia (seit 1272) hatte er Verhandlungen mit dem byzantinischen Kaiser Michael VIII. Palaiologos wegen der Kirchenunion zu führen; 1274 wurde er Generalminister, als welcher er ebenfalls im Dienst des Papstes diplomatisch tätig war, so 1276 bis 1279 als Legat in Frankreich – ein enger Vertrauter Nikolaus’ III. und Martins IV. Dieser promovierte ihn 1281 zum KB von Palestrina. Unter Honorius IV. war er vor allem zum Vorteil der Bettelorden und anderer religiöser Bewegungen tätig. Nach einer zehnmonatigen Vakanz wurde er zu Beginn des Jahres 1288 zum Papst gewählt und regierte als Nikolaus IV. bis 1292 (Abb. 9)29. 28  Seine Unterschrift lautet: + Ego Symon tituli sancte Cecilie presbiter cardinalis ss. – Zu seiner Kardinalszeit vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 27) 142–156; S. Cerrini, Art. Martino IV, papa. DBI 71 (2008) 274–277. 29  Seine Unterschriften lauten: + Ego frater Jeronimus, tituli sancte Potentiane presbiter cardinalis ss, und + Ego frater Jeronimus Penestrinus episcopus ss. – Zu seiner Biographie vor der Papstwahl vgl. Antonino Franchi, Nicolaus Papa IV, 1288–1292 (Girolamo d’Ascoli) (Ascoli Piceno 1990) 11–88; Niccolò IV. Un pontificato tra Oriente ed Occidente. Atti del Convegno internazionale di studi in occasione del VII centenario del pontificato di Niccolò IV, Ascoli Piceno 1989, hg. von Enrico Menestò (Spoleto 1991), mit mehreren einschlägigen Bei-

80

Werner Maleczek

Abb. 9: Honorius IV. für die Regularkanoniker am Grand Saint-Bernard (Schweiz), 1286 Juni 11, Unterschriftenkolumne der Kardinalbischöfe: Fr. Bentivenga Bentivegni, KB von Albano (1278–1290), Fr. Latinus Malabranca, KB von Ostia und Velletri (1278–1294), Fr. Girolamo d’Ascoli, KB von Palestrina (1281–1288). Grand Saint-Bernard, Archiv der Regularkanoniker, Coll. gén. XIIIe siècle, AGSB 0212.

Der letzte in dieser Reihe ist Benedetto Caetani, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano 1281–1291, KP von S. Martino 1291–1294, dessen Bedeutung als Papst Bonifaz VIII. (1294–1303) hier keines weiteren Kommentars bedarf30. Aus einer Kleinadelsfamilie der Campagna romana, die ihr Zentrum in Anagni hatte, stammend, wird er unter Alexander IV. in den Quellen als Kanoniker von Anagni, dann von Todi greifbar, wo sein Onkel Petrus Caetani seit 1252 als Bischof wirkte. Rechtsstudien in Spoleto und Perugia, dann aber intensiv in Bologna, vermittelten ihm jenes juristische Wissen, das ihn zeitlebens zu einem virtuosen Förderer der Rechte der römischen Kirche – und auch der eigenen – machte. Seit 1264 in kurialen Diensten, begleitete er bis 1268 als Notar der Kardinallegaten diese nach Frankreich und England. Innocenz V. ernannte ihn 1276 zum päpstlichen Notar, der einen Teil der politischen Korrespondenz aufzusetzen und auch sonst Gutachten zu formulieren hatte31. Unter Hadrian V. (1276) führte er selbstständig eine Mission in Frankreich aus, um die Eintreibung von Kreuzzugsgeldern zu überwachen. Im Auftrag Nikolaus’ III. führte er zusammen mit dem Kardinal Matteo Rosso Orsini 1280 die Verhandlungen zwischen Rudolf von Habsburg und Karl von Anjou. Von Martin IV. 1281 zum Kardinal kreiert, war er nach der Sizilischen Vesper kurz bei letzterem, womit seine nie angefochtene Sympathie für die Anjous vertieft wurde, trotz einer vergeblichen Mission bei König Karl II. in Gaeta. Die größte außen- und kirchenpolitische Wirkung erreichte die 1290/1291 zusammen mit Gerhard Bianchi, KB von Sabina, durchgeführte Legation nach Frankreich, auf der Benedikt sein Verhandlungsgeschick öfters unter Beweis stellte. Die Promotion zum KP von S. Martino (September 1292) beließ ihm seine zahlreichen Pfründen, die er effizient als Grundlage der weitgespannten Besitz- und Machterweiterungen für die Familie Caetani in Latium und in Kampanien einsetzte. Benedikt gehörte beim Konklave Anfang Juli 1294 in Perugia zu den Wählern Coelestins V. und ein halbes Jahr später zu den Betreibern seiner Abdankung. Wegen seiner häufigen Abwesenheit von der Kurie und wegen der zahlenmäßigen Abnahme der feierlichen päpstlichen Privilegien ist seine eigenhändige Unterschrift selten. Dass sie auf trägen; Cesare Cenci, Le „popstillae dominicales“ di Fr. Girolamo d’Ascoli. Antonianum 68 (1993) 485–525; Giulia Barone, Art. Niccolò IV, papa. DBI 78 (2013) 357–360. 30  Zu seiner Biographie vor der Wahl zum Papst jetzt Peter Herde, Bonifaz VIII. (1294–1303) 1: Benedikt Caetani (Päpste und Papsttum 43/1, Stuttgart 2015), mit der gesamten bisherigen Literatur. 31  Als Notar mundierte er nicht die päpstlichen litterae, weswegen auch kein von ihm stammender Schreibervermerk zu finden ist. Benedictus de Anagnia, wie der spätere Bonifaz VIII. vor seiner Kardinalskreation in kurialen Quellen genannt wird, taucht nirgends auf den Originalen auf. Über seine Zeit als Notar vgl. Herde, Bonifaz VIII. (wie Anm. 30) 48–76.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 81

Abb. 10: Nikolaus IV. für das Kloster Prüfening (bei Regensburg, Bayern), 1289 Juli 1, Unterschrift des Benedetto Caetani, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano (1281–1291). München, BayHStA, Kloster Prüfening, Urk. 105.

gemeinsamen Dokumenten des Kardinalskollegiums aufscheint, wird weiter unten zu besprechen sein (Abb. 10). Wenn weiter oben die Unterschrift der Kardinäle auf päpstlichen Privilegien zurückhaltend als Indiz für Mitbestimmung bei Akten päpstlicher Politik interpretiert wurde, so dürfte sich die Bedeutung der Unterschriftslisten ab der Mitte des 13. Jahrhunderts wieder geändert haben. Auf der einen Seite findet der Usus, die Kardinäle auf Rechts- und Besitzbestätigungen, vor allem für Klöster, routinemäßig unterschreiben zu lassen, seine Fortsetzung, was kaum als ohnehin nicht nötige Mitbestimmung zu deuten ist. Auf der anderen Seite ist auf – nicht zahlreiche – feierliche Dokumente hinzuweisen, in denen das Zusammenwirken von Papst und Kardinälen an Wende- oder Brennpunkten kurialer Politik die personell breiter gefasste ecclesia Romana als Zentrum und Zeichen der Gesamtkirche verdeutlicht. Bezeichnenderweise findet sich in der Dispositio dieser Urkunden regelmäßig die Formel de fratrum nostrorum consilio wieder32. Die päpstliche plenitudo potestatis erschien damit in gewisser Weise auch kollegial angelegt. Dafür kann ich einige Beispiele anbieten. Bei der über zwei Jahrzehnte sich hinziehenden Übertragung des Königreiches Sizilien an einen neuen, dem Papst als Oberlehnsherrn gefügigen Herrscher waren die Kardinäle in ihrer Gesamtheit und in ihrer Funktion als Legaten in unterschiedlicher Dichte mit befasst. Schon in der am Konzil in Lyon am 17. Juli 1245 verkündeten Sentenz, mit der Innocenz IV. Kaiser Friedrich II. absetzte, wird die Mitwirkung der Kardinäle unterstrichen und das weitere Geschick des Königreiches nach ihrem Rat in Aussicht gestellt33, und wenig später wehrte sich der Papst gegen den Vorwurf, er habe dies alles ohne ihren Rat ­ ichard, verfügt34. Die bald nach dem Konzil einsetzenden und zunächst auf den Bruder R 32  Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 8) 297–320; Agostino Paravicini Bagliani, De fra­trum nostrorum consilio. La plenitudo potestatis del papa ha bisogno di consigli?, in: Consilium. Teorie e pratiche del consigliare nella cultura medievale, hg. von Carla Casagrande et al. (Micrologus library 10, Firenze 2004) 181–194; ders., De fratrum nostrorum consilio. Bonifacio VIII e il consilium dei cardinali, in: ders., Il potere del Papa: corporeità, autorappresentazione, simboli (Millennio medievale. Strumenti e studi N. S. 21, Firenze 2009) 263–276. 33  Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. G. Alberigo–P. P. Joannou et al. (Bologna 31973) 283 Z. 18: … cum fratribus nostris et sacro concilio deliberatione prehabita … – Z. 32f.: De prefato vero Sicilie regno providere curabimus cum eorundem fratrum nostrorum consilio. 34  Der in der ersten Hälfte des September 1245 verfasste Brief Innocenz’ IV. an das Generalkapitel der Zisterzienser, als ein Insert in den Chronica maiora des Matthäus Paris überliefert (ed. Henry Richard Luard, 7 Bde. [RBS 57/1–7, London 1872–1883] 4 480; Potthast 11873), weist den Verdacht zurück, die Entscheidung sei quasi precipitanter et absque deliberato fratrum et multorum peritorum gefällt worden. Im Gegenteil: Non enim meminimus unquam causam cum tanta deliberatione et diligenti examinatione fuisse excussam et peritorum ac sanctorum mentibus libratam extitisse; adeo quod in secretis aliqui fratrum induerunt personam advocati pro ipso. Und abschließend betont er, in dieser Sache seien er selbst und die Kardinäle bereit zu sterben Parati igitur sumus in hac causa et pro illa usque ad mortem stare; et pro ea et in ea tam omnes fratres nostri quam nos mori … . Vgl. Jochen Johrendt, Zwischen Autorität und Gehorsam. Papst und Kardinalskolleg im 13. Jahrhundert,

82

Werner Maleczek

dann auf Edmund, den noch sehr jungen Sohn des englischen Königs Heinrich III., gerichteten Bemühungen, die sich nach dem Tod des Kaisers am 13. Dezember 1250 intensivierten, wurden durch den päpstlichen Nepoten, mit England sympathisierenden und mit den Verhältnissen auf der Insel vertrauten Kardinaldiakon Ottobuono Fieschi und durch den päpstlichen Notar Albert von Parma geführt35. Der erste Endpunkt dieser Verhandlungen, deren durch das Handeln der Friedrich-Söhne Manfred und Konrad IV. bedingtes Auf und Ab hier nicht verfolgt werden soll, war die am 14. Mai 1254 von Innocenz IV. ausgestellte Urkunde, mit der er die lehnsweise Übertragung des Königreiches an Edmund, wie sie sein Notar vertraglich ausgehandelt und schriftlich fixiert hatte, bestätigte36. In ihr wird, ebenso wie in der Beauftragung des Albert von Parma und in dessen Urkunde, der Rat der Kardinäle gebührend unterstrichen37. In der Erneuerung des Vertrages – nach gescheiterten Verhandlungen mit Manfred – durch Alexander IV. und der am 9. April 1255 ausgestellten umfangreichen Lehnsurkunde gingen Papst und Kardinäle noch einen Schritt weiter: Es wurde nicht nur im Text an mehreren Stellen der Rat der Kardinäle hervorgehoben, sondern die in Neapel anwesenden sechs Kardinäle setzten ihre eigenhändige Unterschrift an der traditionellen Stelle auf das große Pergamentblatt 38. Bekanntlich scheiterten die hochgespannten Erwartungen der Kurie, ein englisches Heer in: Autorität und Akzeptanz. Das Reich im Europa des 13. Jahrhunderts, hg. von Hubertus Seibert–Werner Bomm–Verena Türck (Ostfildern 2013) 65–89, hier 73f. – Analog dazu die Übertragung des Königreiches als Lehen an Edmund, den jüngeren Sohn Heinrichs III. von England, am 14. 5. 1254. Foedera, conventiones, litterae et cuiuscunque acta publica, ed. Thomas Rymer, 4 Bde. (London 1816–1869) I/1 182; Potthast 15364; Jane Sayers, Original papal documents in England and Wales from the accession of Pope Innocent III to the death of Pope Benedict XI (1198–1304) (Oxford 1999) 201 Nr. 449: … de consilio et assensu fratrum nostrorum (Beauftragung Alberts) … de predictorum fratrum nostrorum consilio (Lehnsübertragung); ähnlich an den Notar Albert, 14. 5. 1254; Foedera I/1, ed. Rymer 182; Potthast 15365; Sayers, Original papal documents 202 Nr. 451. 35  Vgl. die detailreiche Studie von Alois Wachtel, Die sizilische Thronkandidatur des Prinzen Edmund von England. DA 4 (1940/41) 98–178, weiters Henry Marc-Bonnet, Richard de Cornouailles et la couronne de Sicile, in: Mélanges d’histoire du moyen âge dédiés à la mémoire de Louis Halphen (Paris 1951) 483–489; ders., Le Saint-Siège et Charles d’Anjou sous Innocent IV et Alexandre IV. RH 200 (1948) 38–65; zum Wirken der Legaten Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 27) 93–96 (mit der gesamten früheren Lit.); Gerd Friedrich Nüske, Untersuchungen über das Personal der päpstlichen Kanzlei 1254–1304. AfD 20 (1974) 39–240, hier 84–86, nicht zu verwechseln mit dem späteren gleichnamigen Skriptor und Kanoniker von St. Peter, zu ihm vgl. Stephan Reinke, Kurie, Kammer, Kollektoren. Die Magister Albertus de Parma und Sinitius als päpstliche Kuriale und Nuntien im 13. Jahrhundert (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 30, Wien–Köln 2012) bes. 7–108; Gerhard Baaken, Ius imperii ad regnum. Königreich Sizilien, Imperium Romanum und Römisches Papsttum vom Tode Kaiser Heinrichs VI. bis zu den Verzichterklärungen Rudolfs von Habsburg (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 11, Köln–Weimar–Wien 1993) 387–413; Björn K. U. Weiler, Henry III of England and the Staufen Empire, 1216–1272 (Woodbridge 2006) 147–171. 36  Orig. in London, TNA, Sayers, Original papal documents (wie Anm. 34) 201 Nr. 449; Foedera I/1, ed. Rymer (wie Anm. 34) 301; MGH Epistolae saeculi XIII e regestis pontificum Romanorum, ed. Karl Rodenberg (Berlin 1894) 3 409f. Nr. 446; Potthast 15364; J. F. Böhmer, Regesta Imperii V. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, bearb. von Julius Ficker–Eduard Winkelmann, 4 Bde. (Innsbruck 1881–1901) Nr. 8732. 37  MGH Epistolae saec. XIII (wie Anm. 36) 3 410 Z. 4f.: negotium ipsum tecum consumandum de consilio et assensu fratrum nostrorum commisimus … (Auftrag); 410 Z. 14f. … in feudum in perpetuum auctoritate apostolica de predictorum fratrum nostrorum consilio confirmamus … . 38   Heute in London, BL, Cotton MS Cleopatra E i, fol. 189–190 (53 x 69,5 cm). Foedera I/1, ed. Rymer (wie Anm. 34) 316–318; Potthast 15784; Regesta Imperii V (wie Anm. 36) Nr. 8974; Sayers, Original papal documents (wie Anm. 34) 218 Nr. 481.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 83

werde, finanziert durch großzügige Abtretung von kirchlichen Abgaben, nach Sizilien ziehen und Edmund auf dem Thron in Neapel installieren. Der Widerstand der englischen Großen wurde immer mächtiger, und auch Heinrich III. scheint deutlich geworden zu sein, dass das Unternehmen für seinen 1245 geborenen Sohn ein irreales Abenteuer war. Außerdem wurde das außenpolitische Interesse Englands nach dem Tod Wilhelms von Holland (28. Jänner 1256) mehr ins Reich gelenkt, was schließlich zur Wahl des jüngeren Bruders König Heinrichs, Richards von Cornwall, zum deutschen König am 13. Jänner 1257 führte. Aber mit dem Parlament von 1258, das den König zur Kapitulation gegenüber den Forderungen der Großen nötigte und seinen Handlungsspielraum in den „Provisionen von Oxford“ stark einschränkte, war es mit dem sizilischen Projekt, das in der Zwischenzeit mehrfach Gegenstand von Verhandlungen zwischen kurialen und englischen Vertretern geworden war, eigentlich vorbei. Den englischen Gesandten, die im Spätherbst 1258 an die Kurie gereist waren, um die Verzögerungen zu erklären und eine Herabsetzung der finanziellen Zusagen zu erreichen, wurde am 18. Dezember eine Antwort an den englischen König und die Barone überreicht, in der Alexander IV. im Einvernehmen mit dem Kardinalskollegium mitteilte, dass die englischen Ansprüche auf Sizilien verwirkt seien, da Heinrich III. seine Zusagen nicht eingehalten habe. Eine Verhandlung mit einem anderen Fürsten wegen der Übergabe Siziliens wurde vorbehalten39. Die formelle Kündigung des Lehnsvertrages erfolgte aber erst Jahre später, unter dem übernächsten Papst Clemens IV., nachdem im Pontifikat Urbans IV. die Kontakte mit dem französischen König und dessen jüngerem Bruder Karl von Anjou wieder enger geknüpft und auch Verhandlungen mit der englischen Seite wiederholt geführt worden waren. Die feierliche Bulla Clemens’ IV. vom 26. Februar 1265, nur drei Wochen nach der Wahl ausgestellt, ist ein erneuter Beleg für das sinnenfällige Zusammenwirken mit dem Kardinalskollegium. Man liest nicht nur wiederholt die Formel de fratrum nostrorum consilio und eine prinzipielle Feststellung über die Mitwirkung des Kardinals­kollegiums (sedes apostolica in agendis tam arduis multam servare consueverit gravitatem et ad concessiones rerum sic grandium et sublimium sine maturo consilio et deliberatione solemni ac expresso consensu cardinalium non procedat), sondern konstatiert wieder die eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle, denen in der Corroboratio vorausgeschickt wurde: … nostra et fratrum nostrorum subscriptionibus ad perpetuam memoriam roborate40. Vom selben Tag datiert auch die zweite, sehr lange und feierliche Bulla, in der die Geschichte der Verhandlungen mit Karl von Anjou dargestellt und die zahlreichen Bedingungen aufgelistet werden, unter deren Erfüllung dieser mit dem Königreich Sizilien belehnt würde. Das Dokument war für den Legaten Simon de Brion, Kardinalpriester von S. Cecilia, bestimmt, der seit dem Frühjahr 1264 in Frankreich weilte, um mit Karl die Modalitäten einer Übernahme des Königreiches zu verhandeln. Auch diese Papsturkunde wurde von den bei der Wahl und 39   Im Original erhalten, London, BL, Cotton MS Cleopatra E I fol. 203f. Foedera I/1, ed. Rymer (wie Anm. 34) 379f.; Regesta Imperii V (wie Anm. 36) Nr. 9178; Sayers, Original papal documents (wie Anm. 34) 281 Nr. 622. Mitwirkung der Kardinäle: … habito super premissis omnium fratrum nostrorum cum multa deliberacione consilio, memoratis nunciis de ipsorum fratrum unanimi voluntate respondimus. 40  Das Original ist verschollen. Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum qui in Galliae bibliothecis delituerant …, ed. Luc d’Achéry (Paris 1723) 3 648–650, das längere Zitat 649 linke Spalte unten; Potthast 19037; Regesta Imperii V (wie Anm. 36) Nr. 9488. – Inseriert ist die Urkunde auch in den Lehensrevers Karls vom 30. April 1265, den man nur aus der Zusammenfassung des Rotulus von Cluny kennt, den Lambert de Barive im Jahre 1773 anfertigte, ed. bei Friedrich Bock, Le trattative per la senatoria di Roma e Carlo d’Angiò. ASRSP 78 (1955) 69–105, hier 102–105, bes. 104.

84

Werner Maleczek

Krönung Clemens’ IV. anwesenden Kardinälen unterschrieben41. In mehreren päpstlichen Dokumenten Urbans IV. vom Mai 1264, die die Legation des Simon betrafen, wurde die Mitwirkung der Kardinäle de fratrum nostrorum consilio herausgestrichen und die Festlegung der Bedingungen, unter denen Karl von Anjou mit dem Königreich belehnt werden sollte, als gemeinsame Arbeit betont42. Als Clemens IV. am 4. November 1265 die von vier Kardinälen vollzogene Übertragung des Königreiches an Karl von Anjou bestätigte, wurde die feierliche, umfangreiche Urkunde erneut von allen in Perugia anwesenden Kardinälen unterfertigt43. Eine Reihe von weiteren, von Kardinälen eigenhändig unterschriebenen Urkunden Innocenz’ IV. und Alexanders IV. steht im weiter gespannten Zusammenhang mit dem negotium Sicilie. Es sind dies mehrere Dokumente zugunsten des Berthold von Hohenburg und seiner Brüder vom 3. November 1254, die die in Neapel anwesenden Kardinäle mit unterfertigten. Berthold, einer der engen Vertrauten Friedrichs II., dem der sterbende Kaiser die Obhut über den jungen Manfred anvertraut und dann der schwerkranke Konrad IV. die Statthalterschaft im Königreich für seinen kleinen Sohn Konrad übertragen hatte, hatte sich gegen Manfred nicht durchsetzen können und deshalb im September 1254 die Seiten gewechselt und sich Innocenz IV. unterworfen44. Dieser bestätigte ihm seine bisherigen Ämter, gewährte eine jährliche Pension von 1500 Goldunzen 41  Das Original scheint ebenfalls verschollen. Spicilegium, ed. d’Achéry (wie Anm. 40) 3 650–659; Potthast 19038; Regesta Imperii V (wie Anm. 36) Nr. 9489. – Eine teilweise Abschrift – mit den Kardinalsunterschriften – befindet sich auch im Registrum super senatoria Urbis, das Nikolaus III. zur Sammlung aller einschlägigen Dokumente anlegen ließ und von dem ein Fragment in BAV, Ottobon. lat. 2546, erhalten ist, Friedrich Bock, Il R(egistrum) super senatoria Urbis di papa Nicolò III. BISIM 66 (1954) 79–113, hier 103–105 Nr. 1. Vgl. Richard Sternfeld, Karl von Anjou als Graf der Provence (1245–1265) (Berlin 1888) 223–227; Édouard Jordan, Les origines de la domination angevine en Italie (Paris 1909, Nachdr. New York 1960) 516–519. – Zum Kardinallegaten Simon vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 27) 142–156, hier 147–149. 42   Les registres d’Urbain IV 2, ed. Jean Guiraud (BEFAR 2,13,2, Paris 1901) 390–393 Nr. 804 vom 3. 5. 1264. – Vom selben Tag für den König von Frankreich, im Original erhalten, Élie Berger, Layettes du Trésor des chartes 4: De l’année 1261 à l’année 1270 (Paris 1902) 98 Nr. 4935; Les actes pontificaux originaux des Archives Nationales de Paris 2: 1261–1304, ed. Bernard Barbiche (Index actorum Romanorum Pontificum 2, Paris 1978) 69 Nr. 1240; Potthast 18889. Les registres d’Urbain IV 2, ed. Jean Guiraud 395f. Nr. 809. 43  Die Unterschriften sind nur im Registrum super senatoria Urbis Nikolaus’ III., ed. Bock, R(egistrum) (wie Anm. 41) 107f. Nr. 3, überliefert. – Die päpstliche Registerüberlieferung: Les registres de Clement IV (1265–1268), ed. Edouard Jordan (BEFAR 2,11, Paris 1893) 66 Nr. 243; Potthast 19434. – Der Konsens zwischen Clemens IV. und dem Kardinalskollegium war im Sommer 1265 großen Belastungen ausgesetzt, als der Papst die Zustimmung der Kardinäle zur Aufnahme eines riesigen Kredits bei römischen Kaufleuten-Ban­ kiers erreichen wollte, um den Krieg Karls von Anjou gegen Manfred um das Königreich Sizilien zu finanzieren. Zweimal holte er sich eine Abfuhr, besonders weil die Kardinäle nicht der Verpfändung der Güter der römischen Kirchen und Klöster zur Sicherung der Kredite zustimmen wollten. Erst bei der dritten Versammlung stimmten die Kardinäle zu. Man weiß diese Details aus einem sehr persönlichen und authentischen Brief Clemens’ IV. vom 3. August 1265 an die nach Rom entsandten Kardinäle Giangaetano und Matteo Rosso Orsini, in dem die Meinungsverschiedenheiten in der Kardinalsversammlung zum Teil in wörtlicher Rede wiedergegeben werden. Der (original erhaltene) Brief ist ediert von Matthias Thumser, Zur Überlieferungsgeschichte der Briefe Papst Clemens’ IV. (1265–1268). DA 51 (1995) 115–168, hier 166–168, und findet sich auch in den kopial überlieferten Epistole et dictamina Clementis pape quarti, vorläufige Online-Edition durch Matthias Thumser (Version 2015; www.mgh.de/datenbanken/clemens-iv [letzter Zugriff: 7. 4. 2016]), hier ep. 54. Zu dem voluminösen Kreditgeschäft vgl. Fedor Schneider, Zur älteren päpstlichen Finanzgeschichte, II. Die große Staatsanleihe für Karl von Anjou und ihre Tilgung. QFIAB 9 (1906) 19–29; auch Jordan, Origines (wie Anm. 41) 552–555. 44  Ines Walter, Art. Bertoldo di Hohenburg. DBI 9 (1967) 582–586; Hans Martin Schaller, Art. Berthold, Mgf. v. Hohenburg. LMA 1 (1980) 2032.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 85

auf L ­ ebenszeit und die von Konrad IV. übertragenen Besitzungen und übertrug seinem Bruder Otto die Grafschaft Cotrone45. Alexander IV. bestätigte dies im Februar 1255 und fügte noch weitere umfangreiche Gunsterweise, auch für den Bruder Ludwig, hinzu, alles in der Form von Privilegien mit Kardinalsunterschriften46. Ebenfalls auf das Königreich Sizilien beziehen sich Papsturkunden aus der Zeit, als Karl von Anjou und seine Nachfolger die Herrschaft dort ausübten und nach der Sizilischen Vesper von 1282 mit dem König von Aragón in Konkurrenz getreten waren. Am 5. Mai 1284 übertrug Martin IV. in zwei Urkunden sogar das aragonesische Königreich und das Königreich Valencia, das er Peter III. als contemptor und contumax abgesprochen hatte, de fratrum nostrorum consilio an Karl von Anjou und ließ diese, im Register mit ­Collatio regni Aragonie und Collatio regni Valentie überschriebenen ausführlichen, mit einigen Inserten versehenen Urkunden von den Kardinälen unterschreiben47. In diese Reihe gehören weiters zwei feierliche Urkunden Honorius’ IV. vom 17. September 1285, die cum fratribus nostris deliberatione prehabita und de ipsorum fratrum consilio et assensu formuliert und mit den Kardinalsunterschriften versehen wurden. Es sind dies die schon von Martin IV. geplanten, durch seinen Tod am 28. März 1285 nicht mehr zustande gekommenen Reformkonstitutionen, die dem Königreich nach dem Tod Karls von Anjou in kirchlicher und weltlicher Hinsicht mehr Festigkeit geben sollten. Beide Urkunden, besonders aber die umfangreichere, im Register mit Constitutio super ordinatione regni Sicilie überschrieben, liegen in mehrfacher originaler Überlieferung vor48. Sogar ein Jahrhundert später entstand ein analoges feierliches Privileg mit Kardinalsunterschriften. Karl von Durazzo, der Konkurrent der Königin Johanna I. von Neapel (1343–1382), nützte die durch das Große Schisma entstandenen Parteiungen für seine Zwecke aus und erwirkte von Urban VI. gegen seine auf der Seite Clemens’ VII. stehende Konkurrentin am 1. Juni 1381 knapp vor seiner Krönung zum König von NeapelSizilien im soeben eroberten Neapel eine Belehnungsurkunde, die nicht nur de dictorum ­fratrum consilio beschlossen wurde, sondern mit ihren Unterschriften versehen war49. Aber 45   Die Originale sind nicht erhalten, aber man kennt die Dokumente aus Hinweisen, teils aus dem Register, teils aus solchen, die für den englischen König bestimmt waren, Sayers, Original papal documents (wie Anm. 34) 207–210 Nr. 464–469. 46  Ebd. 213–215 Nr. 475–478; Potthast 15677, 15678, 15691; Les Registres d’Alexandre IV, ed. Charles Bourel de la Roncière, 3 Bde. (BEFAR 2,15, Paris 1902–1959) 1 62f. Nr. 228, 235, 236; Giulio Battelli, Acta pontificum (Exempla Scripturarum 3, Città del Vaticano ²1965) 18f. Nr. 15. 47   Les registres de Martin IV (1281–1285), ed. Olivier Martin et al. (BEFAR 2,16, Paris 1901–1935) 291–297 Nr. 580, 581; Potthast 22131. 48   Auch die Registereintragungen haben die Kardinalsunterschriften, Registres d’Honorius IV, ed. Prou (wie Anm. 12) 72–89 Nr. 96, 97; Potthast 22290, 22291. – Originale: Bari, Kathedralarchiv Perg. 37, 38; ASV, Instrumenta Miscellanea Nr. 200, 202; Montecassino, Aula III caps. VI Nr. 7, 77; Valencia, Archivo del Reino de Valencia, Fondos en depósito, pergaminos legajo 1 Nr. 7; La Cava, SS. Trinità, arca N Nr. 44, mit den Druckorten erläutert bei Andreas Kiesewetter, Die Regentschaft des Kardinallegaten Gerhard von Parma und Roberts II. von Artois im Königreich Neapel 1285 bis 1289, in: Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Borchardt–Enno Bünz (Stuttgart 1998) 1 477–522, hier 495–498 mit Anm. 92, 93. Vgl. die Edition und Kommentierung bei Javier Serra Estellés, La Constitutio Siciliana del 1285. Il documento originale dell’Archivio del Reino de Valencia, in: La società mediterranea all’epoca del Vespro. XI Congresso di storia della Corona d’Aragona (Palermo–Trapani–Erice, 23–30 aprile 1982), Bd. 4: Comunicazioni (Palermo 1984) 287–314. 49  Annales ecclesiastici 26 (1356–1396), ed. Augustin Theiner (Bar-le-Duc 1872) 398f. Damals als Original noch im Neapolitanischen Kronarchiv. Vgl. Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, 4 Bde. (Paris 1896–1902) 2 8–18, 36, danach ist die kopiale Überlieferung in ASV, Reg. Aven. 26, fol. 322–328,

86

Werner Maleczek

auch die Gegenseite setzte diese beeindruckende Form eines feierlichen Privilegs ein, um das Königreich Sizilien an einen scheinbar verlässlichen Lehnsmann zu übertragen. Am Pfingsttag des Jahres 1385 (21. Mai) leistete der achtjährige Ludwig II. von Anjou, der nach dem Tod seines Vaters Ludwigs I. von Anjou (20. September 1384) dessen Ansprüche auf den Thron in Neapel geerbt hatte, im Papstpalast von Avignon Clemens VII. den Lehnseid, worauf am 28. Mai die entsprechende Urkunde mit 19 Kardinalsunterschriften ausgestellt wurde50. Eine für die Geschichte des Kardinalates im 13. Jahrhundert berühmte Urkunde gehört ebenfalls in diese Kategorie der Urkunden de communi fratrum nostrorum consilio et assensu. Es ist dies die Bulla Nikolaus’ IV. ad perpetuam rei memoriam vom 18. Juli 1289 (Celestis altitudo potentie), mit der den Kardinälen die Hälfte aller Einkünfte, die der römischen Kirche aus den Lehnsreichen England und Sizilien und aus den Provinzen des Patrimonium Petri zuflossen, übertragen wurde. Weiters sollten alle Ernennungen von Rektoren dieser Provinzen und die Auflage anderer Abgaben nur mit Zustimmung der Kardinäle erfolgen51. Mit dieser Urkunde fand das seit der Mitte des Jahrhunderts fassbare Bemühen der Kardinäle, an den regulären Einkünften des Papstes beteiligt zu werden, einen ersten erfolgreichen Abschluss. Frühere finanzielle Zuweisungen hatten den Charakter der Großzügigkeit und der Gunst, nicht aber des verbrieften Rechtes52. Die lückenlos ausgeführten Unterschriften der Kardinäle unterstreichen wohl die Mitwirkung der Adressaten. Wir setzen mit einer Kategorie von Dokumenten fort, die man seit dem späten 11. Jahrhundert kennt, und zwar mit solchen, die von allen oder mehreren Kardinälen ausgestellt und vereinzelt seit dem späten 13. Jahrhundert eigenhändig unterfertigt wurden. Eine Verdichtung ist in Zeiten von Papstschismen und längeren Vakanzen zu beobachten53. Ich stelle zunächst zwei Dokumente des späten 13. bis frühen 14. Jahrhunderts vor. Nach der qualvoll langen, über zwei Jahre währenden Vakanz nach dem Tod Nikolaus’ IV. (4. April 1292), in der sich die Anhänger der Colonna und der Orsini gegenseitig gelähmt und in ASV, Instrumenta miscellanea 2234; Anna Maria Voci, Giovanna I d’Angiò e l’inizio del Grande Scisma d’Occidente. La doppia elezione del 1378 e la proposta conciliare. QFIAB 75 (1995) 178–255. 50  ASV, Reg. Aven. 296, fol. 175r, nach Valois, Schisme (wie Anm. 49) 2 119 Anm. 1. Vgl. die Eintragung bei Jean Le Fèvre, évêque de Chartres, chancelier des rois de Sicile Louis I et Louis II d’Anjou, Journal, ed. Louis Moranvillé (Paris 1887) 111: Dimenche jour de Penthecouste Madame et le Roy furent à la messe du Pape. Apres la messe le Roy auctorisé de sa mère fist hommage et les seremens de l’infeudacion et li fist le Pape investiture par la tradicion de la baniere de l’esglise que tenoit messire Bernard de la Sale, et de la baniere de Secile que tenoit messire Pierre de la Couronne. Apres la messe et leue l’infeudacion au long, le Pape conferma messire Charle et retint le Roy à disner. 51  Orig. in ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 2179, auf dessen großes Format hingewiesen werden soll (75 x 62,5 cm), Codex diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, ed. Augustin Theiner (Romae 1861) 304 Nr. 468 (auch ins Register, freilich ohne Kardinalsunterschriften, übertragen: Les registres de Nicolas IV [1288–1292], ed. Ernest Langlois [BEFAR 2,5, Paris 1886] 391 Nr. 2217); Abb. u. Ed. bei Battelli, Acta Pontificum (wie Anm. 11) 21 Nr. 18; Potthast 23010. 52  Johann Peter Kirsch, Die Finanzverwaltung des Kardinalkollegiums im XIII. und XIV. Jahrhundert (Kirchengeschichtliche Studien II/4, Münster 1895) bes. 3f. 53  Zusammengestellt bei Werner Maleczek, Die Brüder des Papstes. Kardinäle und Schriftgut der Kardinäle, in: Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia, hg. von Klaus Herbers– Jochen Johrendt (Abh. d. Akad. d. Wissenschaften in Göttingen. Phil.-Hist. Klasse, N. F. 5, Berlin 2009) 331–372, bes. 368–371, Ergänzungen bei dems., Kardinalssiegel und andere Abbildungen von Kardinälen während des 13. Jahrhunderts, in: Die Kardinäle des Mittelalters und der frühen Renaissance, hg. von Jürgen Dendorfer–Ralf Lützelschwab (Millennio medievale 95, Strumenti e studi N. S. 33, Firenze 2013) 229–264, hier 235–238.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 87

hatten, einigten sich die Kardinäle schließlich – wohl auf Anregung König Karls II. von Sizilien und auf intensives Betreiben des Latino Malabranca, des Kardinalbischofs von Ostia, hin – am 5. Juli 1294 auf den heiligmäßigen Einsiedler Pietro del Morrone. Zwei auch heute noch im Vatikanischen Archiv aufbewahrte Dokumente zeugen von diesem Akt. Das eine ist der von allen elf Kardinälen besiegelte Brief vom 11. Juli 1294 an Pietro de Morrone, mit dem sie den Einsiedler anflehten, die Wahl anzunehmen, und ihm Gehorsam versprachen. Das andere, einige Tage früher, am 5. Juli 1294, datiert, ist eine Art Protokoll über die vollzogene Wahl und ihre Vorgeschichte. Dieses decretum unterfertigten alle elf Kardinäle eigenhändig und hängten ihre Siegel daran54. Die Unterschriften wurden im Eschatokoll mit dem Verbum roborari gekennzeichnet, wobei sich die Kardinäle nicht mit ihrem Namen und dem Titel begnügten, sondern eine kurze Notiz eigenhändig anfügten: Ego [N. N.] in eundem fratrem Petrum licet absentem expresse consensi eumque nominavi et elegi ac recepi in Romane et universalis ecclesie episcopum et pastorem. Einer von den Kardinälen, Pietro Peregrosso, KP von S. Marco, ließ an seiner Stelle, cum per me non possem, Pietro Colonna, KD von S. Eustachio, unterschreiben (Abb. 11).

Abb. 11: Decretum electionis der elf Kardinäle zur Wahl Coelestins V., 1294 Juli 5, mit sechs eigenhändigen Unterschriften. ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 2177. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

Das andere Dokument steht dem eben besprochenen nahe. Es handelt sich um das decretum electionis vom 5. Juni 1305, mit dem die im Konklave in Perugia versammelten Kardinäle – ursprünglich 19, von denen aber fünf das Konklave verließen – dem Erzbischof von Bordeaux, Bertrand le Got, seine Wahl zum Papst mitteilten und ihn um seine Zustimmung baten. Die Urkunde ist leider nicht im Original erhalten, sondern nur aus dem Druck in Rainaldis Annales Ecclesiastici und aus Mansis Textsammlung zu den Konzilien bekannt55. Der Text bietet eine detaillierte und sehr geglättete Schilderung des 54   Angelo Mercati, Il decreto e la lettera dei Cardinali per l’elezione di Celestino V. BISIM 48 (1932) 1–17 (mit Abb. des gesiegelten Decretum), wiederabgedr. in: ders., Saggi di storia e letteratura 2 (Storia e letteratura 157, Roma 1982) 289–303; I tesori dell’Archivio Segreto Vaticano, hg. von Natalini–Pagano–Martini (wie Anm. 16) 109 (Abb. des gesiegelten Briefes). Vgl. Peter Herde, Cölestin V. (1294) (Peter vom Morrone). Der Engelpapst (Päpste und Papsttum 16, Stuttgart 1981) 71f. 55   Mansi 25 124–127. – Da eine kritische Edition fehlt, kann man über die handschriftliche Überlieferung nichts aussagen. Mansi ließ sich den Text durch den aus Beauvais stammenden Polyhistor Pierre Louvet (1569–1646) aus dem Archiv der Kathedralkirche von Bordeaux abschreiben und mit einer kopialen Überliefe-

88

Werner Maleczek

Wahlvorganges und nach dem Datum die etwas ausführlichere Formel der Zustimmung von 18 Kardinälen, die – nach dem bisherigen Usus zu schließen – eigenhändig war. Sie lautet – mit unerheblichen Varianten: Ego [N. N.] electioni facte de venerabili patre domino Bertrando Burdegalensi archiepiscopo in summum pontificem electo consentio et eam approbo, gratam habeo et acceptam; ipsumque licet absentem in summum pontificem recipio et recepi necnon meum sigillum huic decreto apponi feci et subscripsi. Die hier angekündigte Besiegelung lässt auf eine ähnliche Form wie jene von 1294 schließen56. Dank der detaillierten Berichterstattung, die sich König Jakob II. von Aragón von seinen in Perugia anwesenden Gesandten schicken ließ, weiß man nicht nur über die Vorgänge bei dem nach dem Tod Benedikts XI. (7. Juli 1304) sich fast ein Jahr lang hinschleppenden Konklave gut Bescheid57, sondern auch über das Intrigenspiel mehrerer Kardinäle unmittelbar vor dem entscheidenden scrutinium und die Schwierigkeiten bei der Abfassung des decretum electionis und dem Transport des Schriftstücks nach Bordeaux58. Nach dem Bericht des Raymundus Guillelmi de Entiença, Kanoniker von Huesca, wählten nicht alle 19, sondern nur 15 der damals lebenden Kardinäle. Auch gab es Dissens über die Mitteilung der Stimmenaufteilung. Schließlich gab die Mehrheit der zehn Wähler nach und bestand nicht darauf, dass die fünf Gegner Bertrands erst nachträglich zugestimmt hätten, sondern man gab an, dass omnes concorditer nominaverunt in scrutinio. Auch das Vorgehen der Skrutatoren sollte zunächst unterschiedlich mitgeteilt werden, aber auch diesbezüglich zog man schließlich die Nachricht von der Einhelligkeit vor, wie Raymundus hinzufügt, „die wirkliche Tatsache zurückhaltend“ – factum, qualiter se habuit, nichilominus continendo. Matteo Rosso Orsini, der dienstälteste Kardinal, der seit über vier Jahrzehnten dem Kollegium angehörte und sich selbst Hoffnungen auf die Tiara machte, stand in Opposition. Er war eine der zentralen Figuren in den Verhandlungen der Kurie mit Karl von Anjou und Rudolf von Habsburg während der Siebzigerjahre gewesen und hatte eine wichtige Rolle bei der Wahl Coelestins V. und dann unter Bonifaz VIII. gespielt. Er weigerte sich, seine Unterschrift unter das Wahlinstrument zu setzen, wohl aus Protest gegen die Machinationen seines Neffen Napoleone Orsini, der sich als der eigentliche Drahtzieher der Wahl Bertrands le Got herausstellte. Er sollte das Konklave auch nur einige Monate überleben und starb am 4. September 130559. Drei Gesandte, so fährt der aragonesische Bericht fort, wurden mit dem Überbringen des decretum beauftragt: der Abt des Benediktinerklosters Belloloco, der Thesaurar des Papstes und Pietro da Montichiello, der Thesaurar der Kardinäle60. Sie verließen Perugia am 19. Juni und sollten ihren Auftrag innerhalb von 40 Tagen erfüllen und ja nicht gesondert, sondern immer gemeinsam mit dem Neugewählten rung aus der Sammlung des Jacques Sirmond SJ (1559–1651) vergleichen: Ex ms. R. P. Jac. Sirmondi SJ collato cum apographo authentici diplomatis, quod servatur in tabulario S. Andreae Burdegalensis metropoleos, cum sigillis appensis et singulorum manogrammatis, communicato a Petro Louveto Bellovacensi. 56  Die erste Vita Clementis des Jean de Saint-Victor berichtet ausdrücklich allatum est decretum cum sigillis cardinalium. Vitae Paparum Avenionensium, ed. Étienne Baluze, nouv. éd. par Guillaume Mollat, 4 Bde. (Paris 1914–1922) 1 1. Zum Autor vgl. Charles Samaran, Art. Jean de Saint-Victor. Chroniqueur. Histoire littéraire de la France 41 (Paris 1981) 1–32. 57   Acta Aragonensia, ed. Heinrich Finke, 3 Bde. (Leipzig 1908–1922), hier 1 153–195 Nr. 104–126. 58  Ebd. 1 189–194 Nr. 125 und ders., Aus den Tagen Bonifaz’ VIII. Funde und Forschungen (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen 2, Münster 1900) LXII–LXVI Nr. 16. 59  Zu Matteo Rosso vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 27) 224–241 (mit der älteren Literatur). 60  Zum Letztgenannten vgl. Paul M. Baumgarten, Untersuchungen und Urkunden über die Camera Collegii Cardinalium für die Zeit von 1295 bis 1437 (Leipzig 1898) LVIIIff. und CXCVIIIff.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 89

sprechen. Einer der Kardinäle, so der Aragonese, kam der offiziellen Gesandtschaft sogar noch zuvor und schickte seine Leute zu Bertrand le Got61, der nach der Vita Clementis V des Bernard Gui das decretum am 23. Juli erhielt und sich am nächsten Tag in der Kathedrale von Bordeaux den Namen Clemens V. gab62. Dieser Typus von Kardinalsurkunden wird ab dem Jahr 1378 und dann während der Jahrzehnte des Schismas eine eindrucksvolle Zukunft vor sich haben, als die decreta electionis den Gang der Ereignisse in hohem Maße beeinflussten und die Eigenhändigkeit der Papstwähler eine ähnlich schwere Bedeutung erhielten. Aber davon weiter unten.

2. Autographes von Kardinallegaten Vereinzelt finden sich schon im 12. Jahrhundert eigenhändige Unterschriften von Kardinallegaten auf ihren eigenen Urkunden. In den Jahren 1123 bis 1125 hielten sich Petrus Pierleoni, KP von S. Maria in Trastevere, und Gregor, KD von S. Angelo, als Legaten Calixts II. in Frankreich auf. Die beiden Konkurrenten im Schisma von 1130 unterschrieben mindestens zwei Urkunden eigenhändig und gemeinsam. Bei der einen aus den Jahren 1123/24 für Abt Petrus Venerabilis von Cluny und für die Mönche von Montierneuf handelt es sich um die erneute Bestätigung eines von Urban II. auf dem Konzil von Clermont 1095 gefällten Urteils in einem Streit mit der Abtei Bourgueil (Diöz. Angers), das schon von Paschal II., Gelasius II. und Calixt II. bestätigt worden war. Gerichtsurkunden tragen tendenziell häufiger eigenhändige Unterschriften, sodass man in diesem und dem nächsten Fall Analoges annehmen kann. Die andere von 1124 (nach dem 12. März) ist ebenfalls die Bestätigung eines Urteils, das Bischof Ebaldus von Châlons-surMarne und mehrere Äbte in einem Streit zwischen den Benediktinern von Saint-Pierreaux-Monts (Diöz. Châlons) und den Cluniacensern von Saint-Thibaut in Vitry zugunsten der ersteren gefällt hatten (Abb. 12)63. 61   Finke, Aus den Tagen Bonifaz’ VIII. (wie Anm. 58) LXVI: Set quilibet cardinalis, ut celerius potuit, premiserat suos nuncios cum litteris speciales. – Schon am 2. Juli antwortete Bertrand dem König von Aragón, der ihn zur Wahl beglückwünscht hatte, dass er das decretum noch nicht erhalten hätte. Acta Aragonensia 1, ed. Finke (wie Anm. 57) 197 Nr. 128: … vobis intimantes, quod nondum recepimus decretum electionis, que de nobis dicitur celebrate. 62  Zur Wahl vgl. noch immer den überzeugenden Aufsatz von Heinrich Finke, Die Wahl Clemens’ V., in: ders., Aus den Tagen Bonifaz’ VIII. (wie Anm. 58) 279–290, und das materialreiche Buch von Georges Lizerand, Clément V et Philippe le Bel (Paris 1910) 12–42. Rezenter: Giovanni Fornaseri, Il conclave perugino del 1304–1305. RStCh 10 (1956) 321–344; Anne Gilmour-Bryson, L’elezione di Bertrand de Got (Clemente V) e l’incontro a St. Jean d’Angély: realtà o leggenda? RStCh 53 (1999) 407–445; Sophia Menache, Clement V (Cambridge Studies in Medieval Life and Thougt IV/36, Cambridge 1998) 13–23. – Die ersten Briefe datierte er am 27. Juli 1305, vgl. Patrick Zutshi, Some early letters of Pope Clement V (1305–14) in the Public Record Office. AfD 33 (1987) 323–335. – Vita Clemens V. des Bernard Gui: Vitae Paparum Avenionensium 1, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 54. 63  Ed. Wilhelm Wiederhold–Louis Duval-Arnould, Papsturkunden in Frankreich 2 (Acta Romanorum Pontificum 8, Roma 1985) 625f. Nr. 5; François Villard, Recueil de documents relatifs à l’abbaye de Montierneuf de Poitiers (Archives historiques du Poitou 59, Poitiers 1973) 88 Nr. 58, und Hermann Meinert, Papsturkunden in Frankreich N. F. 1: Champagne und Lothringen (Göttinger Abhandlungen N. F. 3/4, Berlin 1932/33) 196 Nr. 17. Vgl. Stefan Weiss, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis Coelestin III., 1049–1198 (Forschungen zur Kaiser- u. Papstgeschichte des Mittelalters 13, Köln–Wien 1995) 85f. Nr. 7 und 10. Zur Legation vgl. Theodor Schieffer, Die päpstlichen Legaten in Frankreich vom Vertrag von Meersen (870) bis zum Schisma von 1130 (Historische Studien 263, Berlin 1935) 214–218. – In der zweiten Urkunde gibt es eine corroboratio, die die eigenhändige Unterschrift ankündigt: Et ut hec nostra confirmatio in posterum robur obtineat, post manuum nostrarum subscriptionem proprii eam sigilli fecimus impressione signari.

90

Werner Maleczek

Abb. 12: Die beiden Legaten bestätigen Abt Petrus von Cluny und den Mönchen von Montierneuf den Besitz der strittigen Kirche von Saint-Pierre de Migné, 1123/24, mit den eigenhändigen Unterschriften des Petrus Pierleoni, KP von S. Maria in Trastevere (1120–1130), und des Gregor Papareschi, KD von S. Angelo (1116– 1130). Poitiers, Archives départementales de la Vienne, 1 H, Carton 7, pièce 36.

Noch besser lässt sich das Phänomen an den Legatenurkunden des Iacinthus, KD von S. Maria in Cosmedin 1144–1191, zeigen, der als fast Neunzigjähriger zum Papst gewählt wurde und die Kirche bis 1198 leitete64. Von den zahlreichen Legationen, die er im Laufe des fast 50jährigen Kardinalates durchführte, sind die beiden spanischen von 1154/55 und von 1171/74 die folgenreichsten und jene, die auch die meisten Legatenurkunden entstehen ließen65. Auf einigen von ihnen ist seine eigene Hand auch zu sehen66. Ihre Funktion ist nicht eindeutig, aber die formale Nähe zum feierlichen Papstprivileg lässt eine Analogie zu den Kardinalsunterschriften auf diesem Urkundentypus herstellen. Einmal unterschrieb der Legat auch einen Chirograph. Aus dem 13. Jahrhundert sind mir eigenhändige Unterschriften auf Legatenurkunden oder andere autographe Zeugnisse von Kardinallegaten nur sporadisch bekannt geworden. Trotz reicher Literatur zum Legatenwesen und diplomatischer Spezialuntersuchungen, die nicht nur die Legatenurkunden, sondern auch die Legatenregister untersuchen67, 64   Vgl. letzthin den Sammelband: Pope Celestine III (1191–1198). Diplomat and Pastor, hg. von John Doran–Damian J. Smith (Church and Faith in the Medieval West, Aldershot 2008), mit den besonders biographisch ausgerichteten Beiträgen von Anne Duggan, Hyacinth Bobone: Diplomat and Pope, in: ebd. 1–30, und John Doran, A Lifetime of Service in the Roman Church, in: ebd. 31–79. 65   Weiss, Urkunden der päpstlichen Legaten (wie Anm. 63) 173–203; Ingo Fleisch, Rom und die Iberische Halbinsel. Das Personal der päpstlichen Legationen und Gesandtschaften im 12. Jahrhundert, in: Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., hg. von Jochen Johrendt–Harald Müller (Neue Abhandlungen d. Akad. d. Wiss. Göttingen, phil.-hist. Kl. N. F. 2. Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden, Göttingen 2008) 135–190; Damian Smith, The Iberian Legations of Cardinal Hyacinth Bobone, in: Pope Celestine III (wie Anm. 64) 81–111. 66  Weiss, Urkunden der päpstlichen Legaten (wie Anm. 63) 174f. Nr. 2, Nr. 6, 187 Nr. 39. 67  Nicolas Vincent, The Letters and Charters of Cardinal Guala Bicchieri, Papal Legate in England 1216–1218 (The Canterbury and York Society 83, Woodbridge 1996) bes. LXXXIV–XCVI; Falko Neininger, Konrad von Urach († 1227). Zähringer, Zisterzienser, Kardinallegat (Quellen u. Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte N. F. 17, Paderborn 1994), bes. 572–584; Werner Maleczek, Die Urkunden des päpstlichen Legaten Guido, Kardinalpriester von S. Lorenzo in Lucina, aus den Jahren 1265 bis 1267 (Legation nach Skandinavien und Deutschland). AfD 56 (2010) 65–150; ders., Die Urkunden des päpstlichen Legaten Johannes Boccamazza, Kardinalbischofs von Tusculum, aus den Jahren 1286 und 1287 (Legation ins Reich in der Spätzeit König Rudolfs von Habsburg). AfD 59 (2013) 35–132. – Das älteste erhaltene Legatenregister stammt von Hugolin, KB von Ostia, dem späteren Papst Gregor IX., aus den Jahren seiner Oberitalien-Legation der Jahre 1217 bis 1221, Registri dei cardinali Ugolino d’Ostia e Ottaviano degli Ubaldini, ed. Guido Levi (FSI 8, Rom 1890), ders., Documenti ad illustrazione del registro del cardinale Ugolino d’Ostia legato apostolico in Toscana e Lombardia. ASRSP 12 (1889) 5–90; Christine Thouzellier, La légation en Lombardie du cardinal Hugolin (1221). RHE 45 (1950) 508–542. Vgl. Maleczek, Brüder des Papstes (wie Anm. 53) 347. – Auch die anderen erhaltenen Legatenregister enthalten keine Hinweise auf Autographes. Bruchstücke des Registers, das Thomas von Capua, KP von S. Sabina, als Legat bei den Friedensverhandlungen mit Kaiser Friedrich II., die



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 91

müssen wir uns auf weniges beschränken. Ein Zeugnis betrifft den aus Rom stammenden, gebildeten Dominikaner Latino Malabranca, KB von Tusculum (1278–1294), der als Nepote Nikolaus’ III. von diesem in das Kardinalskollegium aufgenommen wurde. Schon ein halbes Jahr später vertraute er ihm einen weiten Legationssprengel in Ober- und Mittelitalien an, die Romagna, Toskana, Trevisaner Mark und Venedig und seine Territorien. Die nachhaltigsten Ereignisse dieser Legation sind Friedensstiftungen in Kommunen, die von internen Kämpfen zerrissen waren, im August 1279 in Bologna, vor allem aber in Florenz, wo sich Latino vom November 1279 bis zum März 1280 aufhielt. Die Legatenurkunde, die zahlreiche Einzelheiten und Maßnahmen zur weiteren Friedenssicherung, ja sogar Bestimmungen zur Verfassung von Florenz enthält, datiert vom 19. Januar 1280. Sie ist im Original erhalten und trägt neben den autographen Unterschriften sechs anderer Bischöfe auch jene des Kardinals. Er fügte seinem Namen auch eine kurze beglaubigende Notiz hinzu: Ego frater Latinus Ostiensis et Velletrensis episcopus apostolice sedis legatus presentem sententiam protuli et propria manu subscripsi et sigillum meum apposui (Abb. 13)68. Die Schriftzüge lassen sich mit seiner Unterschrift auf päpstlichen Privilegien mit zum Frieden von S. Germano 1230 führten, anlegte, haben sich in der sogenannten Reimser Briefsammlung und anderen auf den Kardinal zurückgeführten Werken zur Briefstilistik erhalten. Etwa zwei Dutzend der von Thomas versandten Briefe wurden ediert in Die Aktenstücke zum Frieden von S. Germano 1230, ed. Karl Hampe (MGH Epistolae selectae 4, Berlin 1926) 1–23 und Einleitung VI–IX; vgl. Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, ed. Hans Martin Schaller–Bernhard Vogel (MGH Hilfsmittel 18, Hannover 2002) 314–321 Nr. 188. – Das zeitlich nächste Register stammt von Ottaviano degli Ubaldini, dem päpstlichen Legaten in der Lombardei von 1247 bis 1251, s. oben Registri, ed. Levi, vgl. dens., Il cardinale Ottaviano degli Ubaldini secondo il suo carteggio. ASRSP 14 (1891) 231–303; Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia 1 (wie Anm. 8) 282–299; ders., Il „Registrum causarum“ di Ottaviano Ubaldini e l’amministrazione della giustizia alla Curia Romana nel secolo XIII, in: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, hg. von Erwin Gatz, Bd. 2 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46, Rom 1979) 635–657; Thérèse Boespflug-Montecchi, Aspects de la justice pontificale au XIIIe siècle: l’audience cardinalice d’Ottaviano Ubaldini (1256–1266), in: L’Écrit dans la société médiévale. Textes en hommage de Lucie Fossier, hg. von Caroline Bourlet–Annie Dufour (Paris 1991) 139–149. – Hinzuweisen ist auch auf das Register des Guy Foucois, des späteren Papstes Clemens’ IV., das er über seine Legation nach England in den Jahren 1263–1264 anlegte, Joseph Heidemann, Papst Clemens IV., 1. Bd.: Das Vorleben des Papstes und sein Legationsregister (Kirchengeschichtliche Studien 6/4, Münster 1903) 194–248. – Ebenso auf jenes des Ottobonus Fieschi, KD von S. Adriano, des späteren Papstes Hadrians V., Legat in England 1265–1268, Karl Hampe, Aus einem Register des Cardinals Ottobonus von S. Adrian (etwa 1259–1267). NA 22 (1897) 337–372; Graham Rose, Letters of Cardinal Ottoboni. EHR 15 (1900) 87–120; Natalie Schöpp, Papst Hadrian V. Kardinal Ottobuono Fieschi (Heidelberger Abh. zur mittleren und neueren Geschichte 49, Heidelberg 1916) 123–205. – Der Bericht des Nikolaus, KB von Tusculum, an Innocenz III. über seine Legation nach England im Jahr 1213, ist im Original erhalten, aber er ist nicht autograph. Angelo Mercati, La prima relazione del cardinale Niccolò de Romanis sulla sua legazione in Inghilterra, in: Essays on history pres. to Reginald L. Poole, hg. von Henry W. C. Davis (Freeport 1927) 274–289, wiederabgedr. in: ders., Saggi di storia e letteratura 2 (Storia e letteratura 157, Roma 1982) 175–186. – Siehe auch Dorothy Williamson, Some aspects of the legation of cardinal Otto in England 1237–41. EHR 64 (1949) 145–174, weiters Domenico Corsi, La legazione di Giusfredo Castiglioni a Pisa e Lucca ed il giuramento dei Lucchesi del 1228. Bollettino storico pisano 44/45 (1975/76) 175–223; Peter A. Linehan, A papal legation and its aftermath. Cardinal John of Abbeville in Spain and Portugal, 1228–1229, in: A Ennio Cortese, hg. von Domenico Maffei (Roma 2001) 1 236–256, wiederabgedr. in: ders., Historical memory and clerical activity in medieval Spain and Portugal (Variorum Collected Studies 1011, Farnham 2012) I. 68  Florenz, AS, Diplomatico-a custodia-Strozziane Uguccioni, 1280 gennaio 18, ed. Isa Lori Sanfilippo, La pace del cardinale Latino a Firenze nel 1280. La sentenza e gli atti complementari. BISIM 89 (1980/81) 193–259, hier 201–215. Vgl. Mario Sanfilippo, Guelfi e Ghibellini a Firenze: la „Pace“ del Cardinale Latino (1280). Nuova Rivista Storica 44 (1980) 1–24; vgl. Robert Davidsohn, Der Friede des Kardinals Latino (1280), in: ders., Forschungen zur Geschichte von Florenz 4 (Berlin 1908) 226–258, wiederaufgenommen in: ders.,

92

Werner Maleczek

Abb. 13: Friedensurkunde des Legaten Latino Malabranca, 1280 Januar 18, mit der Unterschrift des Kardinals. Florenz, AS, Diplomatico-a custodia-Strozziane Uguccioni.

Kardinalsunterschriften vergleichen69. Die Dokumente der Friedensstiftung in Bologna und die Konstitutionen, die Latinus in seinem Legationssprengel erließ und die von den dort tätigen Bischöfen verbreitet wurden, weisen jedoch keine autographen Schriftzeugnisse auf70. Ein anderes Zeugnis stellt zugleich einen Sonderfall dar. Gerardo Bianchi aus Parma, KP von SS. XII Apostoli (1278), dann KB von Sabina (1281–1302), hatte eine lange kuriale Karriere hinter sich, als er von Nikolaus III. ins Kardinalskollegium aufgenommen wurde. 1245 war er päpstlicher Subdiakon und Kaplan Innocenz’ IV., seit 1247 ist er als päpstlicher Notar nachweisbar, und unter diesem Papst arbeitete er auch schon als Skriptor, der mit der Sigle Ger. p(ar). die von ihm mundierten Urkunden abzeichnete. Zwanzig Jahre lang, zwischen 1253 und 1273, finden sich die für ihn typischen Siglen (Abb. 14)71. Mit Pfründen reich ausgestattet, wurde er 1277 Auditor litterarum contradictarum, als welcher er ein Formelbuch mit über 60 Musterbriefen zusammenstellte. Als Kardinal wurde er mehrfach in der Diplomatie eingesetzt, so schon 1278 zusammen mit Girolamo d’Ascoli in Frankreich und Spanien, um Frieden zwischen Philipp III. und Alfons X. zu stiften. Nach der Sizilischen Vesper erhielt er 1282 eine wichtige Legation im Königreich Sizilien, die er bis 1289 innehatte, seit 1285 sogar als Regent zusammen mit dem Bruder des verstorbenen Königs Karl von Anjou, Robert von Artois. Nikolaus IV. sandte ihn 1290 zusammen mit Benedikt Caetani, dem späteren Papst Bonifaz VIII., erneut nach Frankreich, wobei er mit der Regelung des Streits zwischen den Mendikanten und dem Säkularklerus sowie mit der Friedensstiftung zwischen Frankreich und Sizilien auf der einen, Aragón auf der anderen Seite beauftragt wurde. Unter Bonifaz VIII., zu dem er ein recht gutes Verhältnis hatte, wurde er 1299 nochmals zur Friedensstiftung nach Sizilien entsandt. Er starb 1302 als über Achtzigjähriger72. Aus der Zeit seines langen Aufenthaltes Geschichte von Florenz 1/2 (Berlin 1908) 152–175; Ulrich Meier, Pax et tranquillitas. Friedensidee, Friedenswahrung und Staatsbildung im spätmittelalterlichen Florenz, in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. von Johannes Fried (VuF 43, Sigmaringen 1996) 489–523, hier 497– 505. Zu Latino vgl. auch Marco Vendittelli, Art. Malabranca, Latino. DBI 67 (2006) 699–703. 69   Vgl. Abb. 9. 70   Gina Fasoli, La pace del 1279 tra i partiti bolognesi. Archivio storico italiano VII/20 (1933) 49–75; Andrea Tilatti, „Legatus de latere domini pape“. Il cardinale Latino e le costituzioni del 1279, in: Scritti in onore di Girolamo Arnaldi, hg. von Andrea Degrandi et al. (Nuovi studi storici 54, Roma 2001) 513–543. 71  Nüske, Untersuchungen über das Personal (wie Anm. 35) 221–223 Nr. 100. 72   Vgl. Peter Herde, Art. Bianchi (Albus, Blancus) Gerardo. DBI 10 (1968) 96–101; ders., Ein Formelbuch Gerhards von Parma mit Urkunden des Auditor litterarum contradictarum aus dem Jahre 1277. AfD 13 (1967) 225–312; ders., Bonifacio VIII canonista e teologo? Dal Consilium (ca. 1277–1280) alla bolla Unam Sanctum (1302), in: Bonifacio VIII. Ideologia e azione politica. Atti del convegno organizzato nell’ambito delle celebrazioni per il VII centenario della morte: Città del Vaticano, Roma, 26–28 aprile 2004, hg. von Ilaria Bonincontro (Roma 2006) 17–42, bes. 25 mit Anm. 56–58. – Jetzt sehr breit, mit starker Betonung der



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 93 Abb. 14: Urban IV. ersucht König Ottokar II. von Böhmen, Propst und Kapitel von Salzburg Hilfe angedeihen zu lassen, 1264 Juli 17, mit Schreiber-Sigle des Gerardo Bianchi, später KP von SS. XII Apostoli (1278), KB von Sabina (1281–1302). Wien, HHStA, AUR 1264 VII 17. Abb. aus m ­ onasterium.net.

Abb. 15: Notariatsinstrument aus der Zeit der Sizilien-Legation des Gerardo Bianchi, 1286 Juni 3, mit eigenhändiger Unterschrift in der Zeugenreihe. BAV, Fondo Chigi, ms. E.VI.184, parte A, perg. 2.

im Königreich Sizilien, in dem er zahlreiche Urkunden ausstellte, hat sich vereinzelt auch ein autographes Zeugnis erhalten73: In einem Notariatsinstrument vom 3. Juni 1286 figuriert der Kardinal eigenhändig in der Zeugenliste (Abb. 15)74. Aber dass Kardinallegaten nicht nur durch ihre eigene Unterschrift mit beigefügten kurzen beglaubigenden Notizen, sondern auch durch eigenhändige Schreiben nachweisbar sind, liegt nahe. Aus Gründen der Geheimhaltung ist dies für das Jahr 1232 explizit bezeugt, wenn auch das Schriftstück selbst aus verständlichen Gründen nicht erhalten blieb. Die Auseinandersetzung Kaiser Friedrichs II. mit dem Lombardenbund spitzte sich nach dem Ausgleich mit dem Papst im Frieden von S. Germano 1230 und der Neuordnung der Verhältnisse im Königreich Sizilien durch die Verabschiedung der Konstitutionen von Melfi (1231) wieder zu, da der Staufer auf einem Reichstag in Ravenna zu Ende des Jahres die Neuordnung Oberitaliens ins Werk setzen wollte. Da sich die Städte des 1226 erneuerten Lombardenbundes weigerten, dort zu erscheinen, und militärisch rüsteten, wurden sie am 14. Januar 1232 geächtet. In diese Auseinandersetzung griff Papst Gregor IX., der durch die Verabschiedung der kaiserlichen Ketzergesetze in Ravenna Friedrich entgegenkommen wollte, im Februar 1232 ein, indem er zwei Legaten zur Vermittlung entsandte, den aus Piacenza stammenden Jakob Pecorara, KB von Palestrina, und den Piemontesen Otto von Tonengo, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano. Verankerung in seiner Parmesaner Heimat: Pietro Silanos, Gerardo Bianchi da Parma (†1302). La biografia di un cardinale-legato duecentesco (Italia Sacra 84, Roma 2010), mit Ergänzungen zu den bisher in der nächsten Anm. zit. Arbeiten. 73  Vgl. Peter Herde, Die Legation des Kardinalbischofs Gerhard von Sabina während des Krieges der Sizilischen Vesper und die Synode von Melfi. RStCh 21 (1967) 1–53, und Kiesewetter, Regentschaft (wie Anm. 48) 482 Anm. 20, mit einer Übersicht über die Legatenurkunden, passim weitere Urkunden und 518–520 drei weitere edierte Urkunden, davon zwei Originale aus Montevergine. 74  BAV, Fondo Chigi, ms. E.VI.184, parte A, perg. 2.

94

Werner Maleczek

Sie begannen ihre Tätigkeit, indem sie die Vertreter der Bundesstädte zu Beratungen nach Bologna beriefen. Dass sie rasch und weitgehend auf die Linie der Liga einschwenkten, zeigt ein geheimer Bericht, den die Gesandten Brescias wohl Anfang März an den Podestà ihrer Heimatstadt schickten. Die Kardinäle hielten keine weiteren Zugeständnisse der Lombarden für nötig und teilten dies auch dem Brescianer Podestà mit. Die Gesandten notierten am Ende ihres Geheimberichtes: „Ihr mögt auch wissen – nach dem, was wir sehen und hören konnten –, dass wir großes Vertrauen zu den Kardinälen haben, besonders weil der eine aus Piacenza stammt und der andere aus der Gegend von Vercelli kommt. Weiters sollt ihr wissen, dass sie diesen kleinen und hier eingeschlossenen Brief mit eigener Hand geschrieben haben.“ Die weitere Entwicklung – Verzögerung der Verhandlungen zwischen dem Kaiser und den Kardinälen, der unbefriedigende Kompromiss Mitte Mai in Padua – braucht uns hier nicht weiter zu beschäftigen75. Bevor ich autographe Zeugnisse von Kardinallegaten des 14. Jahrhunderts vorstelle, möchte ich ein weiteres Beispiel bringen, das ebenfalls in die Kategorie der „Vertraulichkeit“ oder der „Diskretion“ fällt und am päpstlichen Hof selbst seinen Ursprung hat. Zwei besonders geheime litterae clausae Clemens’ V. an den französischen König ­Philipp IV. aus den Jahren 1307 und 1311, die in den Pariser Archives Nationales überlebt haben, schrieb der päpstliche Kämmerer Bertrand des Bordes mit eigener Hand unter Missachtung von Kanzleiregeln, worauf der Papst den König ausdrücklich hinwies. Da er im Dezember 1310 zum KP von SS. Giovanni e Paolo kreiert wurde, freilich schon im September 1311 starb, gehört er, wenn auch nur sehr knapp, zu unserem Thema76. 75   Der Brief aus dem Brescianer Liber Poteris in Constitutiones et acta publica imperatorum et regum … (1198–1272), ed. Ludwig Weiland (MGH Const. 2, Berlin 1896) 203 Nr. 165, das Zitat im originalen Wortlaut: Noveritis insuper, quod secundum quod videre et intelligere potuimus, in cardinalibus magnam fiduciam habemus, maxime quia unus illorum est Placentinus et alius de Vercelensibus partibus. Sciatis, hic scriptam litteram parvam et hic clausam cardinales propria manu scripsisse. – Zu den beiden Kardinälen vgl. Paravicini Bagliani, Cardinali di curia (wie Anm. 8) 76–97, bes. 85, und 114–127, bes. 120. – Zu den Verhandlungen am ausführlichsten Eduard Winkelmann, Kaiser Friedrich II., 2. Bd. (Leipzig 1897, Nachdr. Darmstadt 1963) 338–343, 370–374; Gina Fasoli, Federico II e la Lega lombarda. Linee di ricerca. Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento 2 (1976) 39–74, hier 56–60; Wolfgang Stürner, Friedrich II., Tl. 2: Der Kaiser 1220–1250 (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance, Darmstadt 2000) 271–275. 76  Les actes pontificaux originaux des Archives Nationales de Paris 3: 1305–1415, ed. Bernard Barbiche (Index actorum Romanorum Pontificum 3, Paris 1982) 37 Nr. 2317 (24. August 1307); Vitae Paparum Avenionensium 3, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 58–60. – Actes pontificaux 3, ed. Barbiche 73 Nr. 2412 (19. Januar 1311); ed. Jakob Schwalm, Reise nach Frankreich und Italien im Sommer 1903. NA 29 (1907) 627–629 (nach dem Original); wiederabgedr. in Constitutiones et acta publica, ed. Weiland (wie Anm. 75) 475f. Nr. 515; Regestum Clementis Papae V 6, ed. cura et studio monachorum S. Benedicti (Roma 1887) 132f. Nr. 6816 (aus dem Register). Am Ende des Briefes steht: Et decet, ut credimus, honorem nostrum et tuum, ut premissa secrete teneas, et nos sic secrete tenuimus et tenere intendimus, quod nulli revelavimus, excepto dilecto filio Bertrando tit. sanctorum Iohannis et Pauli presbitero cardinali camerario nostro, qui presentem litteram propria manu scripsit. – Als Kämmerer schrieb Bertrand noch eine Reihe weiterer Briefe Clemens’ V., alles litterae patentes aus dem Jahr 1308, die in Les registres d’Innocent IV, ed. Élie Berger (BEFAR 2,1, Paris 1884–1921) 1 XXXVIII, und in Les actes pontificaux originaux des Archives Nationales de Paris 1: 1198–1261, ed. Bernard Barbiche (Index actorum Romanorum Pontificum 1, Paris 1975) XCIV, verzeichnet sind. – Zu Bertrand, der aus dem Agenais stammte und seit 1305 Kämmerer Clemens’ V. war, vgl. Guillaume Mollat, Art. Bertrand de Bordes. DHGE 8 (1935) 1043f., und verstreute Notizen bei Sophie Menache, Clement V (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought IV/36, Cambridge 1998). – Zur Kanzleianomalie vgl. Patrick Zuthsi, The political and administrative correspondence of the Avignon popes, 1305–1378. A contribution to papal diplomatic in: Aux origines de l’État moderne. Le fonctionnement administratif de la papauté d’Avignon. Actes de la table ronde organisée par l’École française de Rome avec le concours du CNRS, du Conseil général de Vaucluse et de l’Université d’Avignon (Avignon, 23–24 janvier 1988) (Collection de l’École française de Rome 138, Rome 1990) 371–384, hier 379.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 95

Die Diplomatie des avignonesischen Papsttums ist in einigen Sektoren gut erforscht, zum Beispiel bei der Friedensvermittlung im Hundertjährigen Krieg, während andere Bereiche in tieferem Dunkel liegen77. Auch der Untersuchung des Kardinalskollegiums in einzelnen Pontifikaten und herausragenden Persönlichkeiten unter den Purpurträgern des 14. Jahrhunderts wurden substantielle Monographien gewidmet78. Aber das Ergebnis der Durchforstung des umfangreichen Materials nach autographen Zeugnissen ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, reichlich mager. Und ohne die Hilfe von Pierre Jugie wäre es noch magerer ausgefallen. Dessen intime Kenntnis, besonders des Gui de Boulogne, KP von S. Cecilia (1342), KB von Porto (1350–1374), gestattet es, zumindest einige seiner Unterschriften auf Urkunden zu präsentieren. Dieser Kardinal, eine der beherrschenden Figuren des Kollegiums in der avignonesischen Epoche des Papsttums, war wegen seiner hocharistokratischen Herkunft – er war der Sohn der Maria von Flandern und des Grafen Robert VII. von Boulogne – und der Verwandtschaft mit dem französischen Königshaus, aber auch wegen seiner herausragenden intellektuellen Fähigkeiten 77   Hier sind an erster Stelle die Arbeiten von Pierre Jugie zu nennen. Aus seiner Thèse an der École des chartes von 1986 (Le cardinal Gui de Boulogne [1348–1378]. Biographie et étude d’une famille cardinalice; Inhaltsangabe in: École nationale des chartes. Position des thèses soutenues par les élèves de la promotion de 1986 [Paris 1986] 83–92) gingen hervor: Pierre Jugie, L’activité diplomatique du cardinal Gui de Boulogne en France au milieu du XIVe siècle. BEC 145 (1987) 99–127; ders., La légation en Hongrie et en Italie du cardinal Gui de Boulogne (1348–1350). Il Santo. Rivista francescana di storia, dottrina e arte 29 (1989) 29–70; ders., Le vicariat impérial du cardinal Gui de Boulogne à Lucques en 1369–1370. Mélanges de l’École française de Rome. Moyen Âge 103 (1991) 261–357; ders., Cardinaux et chancelleries pendant la papauté d’Avignon: une voie royale vers les honneurs?, in: Offices et papauté (XIVe–XVIIe siècle), hg. von Armand Jamme–Olivier Poncet (Collection de l’École française de Rome 334, Rome 2005) 651–739; ders., Les cardinaux légats et leurs archives au XIVe siècle, in: Offices et papauté (XIVe–XVIIe siècle). Charges, hommes, destins, hg. von Armand Jamme–Olivier Poncet (Collection de l’École française de Rome 386, Rome 2007) 73–96; ders., Les chancelleries des cardinaux légats au XIVe siècle, un outil de communication au service de la papauté, in: Die Kardinäle des Mittelalters (wie Anm. 53) 201–228; weiters Françoise Autrand, Les artisans de paix face à l’État. La diplomatie pontificale et le conflit franco-anglais au XIVe siècle, in: Guerre et concurrence entre les états européens du XIVe au XVIIIe siècle, hg. von Philippe Contamine (Paris 1998) 305–337; Werner Maleczek, Die päpstlichen Legaten im 14. und 15. Jahrhundert, in: Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer C. Schwinges–Klaus Wriedt (VuF 60, Stuttgart 2003) 33–86; Karsten Plöger, England and the Avignon Popes. The Practice of Diplomacy in Late Medieval Europe (London 2005); Blake Raymond Beattie, Angelus Pacis. The Legation of Cardinal Giovanni Gaetani Orsini (1326–1334) (The Medieval Mediterranean 67, Leiden 2007); Andreas Willershausen, Die Päpste von Avignon und der Hundertjährige Krieg. Spätmittelalterliche Diplomatie und kuriale Verhandlungsnormen (1337–1378) (Berlin 2014). 78  Monographien einzelner Päpste enthalten größere Partien über deren Wirken als Kardinäle, etwa Diana S. Wood, Clement VI. The pontificate and ideas of an Avignon pope (Cambridge 1989) 7–11, oder Ludwig Vones, Urban V. (1362–1370). Kirchenreform zwischen Kardinalkollegium, Kurie und Klientel (Päpste und Papsttum 28, Stuttgart 1998) 99–121. – Weiters Carl Arnold Willemsen, Kardinal Napoleon Orsini (1262–1342) (Historische Studien 172, Berlin 1927); Louis Carolus-Barré, Le cardinal de Dormans chancelier de France, „Principal conseiller“ de Charles V, d’après son testament et les Archives du Vatican. Mélanges d’archéologie et d’histoire 52 (1935) 314–365; Norman P. Zacour, Talleyrand. The Cardinal of Périgord (1301– 1364) (Transactions of the American Philosophical Society N. S. 50/7, Philadelphia 1960); Marc Dykmans, Le cardinal Annibal de Ceccano (vers 1282–1350). Étude biographique et testament du 17 juin 1348. Bulletin de l’Institut historique belge de Rome 43 (1973) 145–344; Patrick Nold, Bertrand de la Tour OMin., Life and Works. Archivum Franciscanum Historicum 94 (2001) 275–323; ders., Pope John XXII and his Franciscan cardinal. Bertrand de la Tour and the apostolic poverty controversy (Oxford 2003). – Die Thèse d’État von Pierre Jugie, Le Sacré Collège et les cardinaux de la mort de Benoît XII à la mort de Grégoire XI (1342–1378) (Paris 2010), ist leider im Druck noch nicht erschienen. Die Biogramme des Kardinalskollegiums Clemens’ VI. bei Ralf Lützelschwab, Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg. Ein Beitrag zur kurialen Politik des 14. Jahrhunderts (Pariser Historische Studien 80, München 2007) 424–496, bieten zahlreiche Hinweise, in ähnlicher Weise Vones, Urban V. (s. in dieser Anm. oben) 237–263.

96

Werner Maleczek

Abb. 16: An die Urkunde des Legaten Gui de Boulogne, KP von S. Cecilia (1342–1350), angehefteter Brief des Abtes von Zwettl an den Legaten mit der Befürwortung der von Altenburg gewünschten Inkorporation, darauf die Signatur des Legaten, 1349 September 3. Altenburg Niederösterreich, Stiftsarchiv, 1349 VIII 31.

zu diplomatischen Aufgaben prädestiniert79. 1348 bis 1350 hielt er sich in Ungarn, im östlichen Österreich, in Mähren und in Oberitalien auf. Von dieser Legation gibt es ein eindrucksvolles, bisher nicht beachtetes Zeugnis, wie Guido an ihn herangetragene Suppliken eigenhändig signierte. Im Archiv des Benediktinerstiftes Altenburg bei Horn in Niederösterreich wird zusammen mit der Legatenurkunde vom 18. August 1349, mit der er dem Abt der Zisterzienserabtei Zwettl befahl, die vom Abt von Altenburg in einer Supplik erbetene Zusammenlegung der nicht weit entfernt gelegenen Pfarren Röhrenbach und Strögen und ihre Inkorporation auf die vorgebrachte Begründung hin zu untersuchen, der positive Bericht des Zwettler Abtes vom 31. August aufbewahrt80. Auf dieser signierte der Kardinal eigenhändig unter Angabe des Ortes (Znaim) und des Datums (3. September): Concessum de uno quod voluerint, apud Znoymam Olomucensis diocesis IIII Nonas Septembris (Abb. 16). Die Reise des Kardinals nach Znaim ist bezeugt, denn dort urkundete Guido auch am 25. und 28. August und am 6. September81. Auf der Plica der Supplik notierte offensichtlich ein Angehöriger des Konventes In ultimis duabus lineis apparet signatura propria manus domini cardinalis Guidonis … conservetur unam quam utilis est in Zwetle. 1352 bis 1354 wirkte Guido als Vermittler in der englisch-französischen Auseinandersetzung. Im Herbst des Jahres 1352 reiste er von Avignon nach Paris, wohl aus eigenem Antrieb, um seine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Königshaus und zum französischen Hochadel zu pflegen. Im Jahr 1353 nahm er wiederholt an Sitzungen des französischen Kronrates teil. Aber Papst Innocenz VI., seit Mitte Mai 1352 in Amt und Würden, nützte die Anwesenheit eines seiner vertrautesten Mitarbeiter in der Nähe des Königs aus, um die Friedensgespräche zwischen England und Frankreich, wo seit August 1350 Johann II. der Gute herrschte, wieder in Gang zu bringen82. Nach dem fran79  Neben den Arbeiten von Jugie vgl. auch die kurze Darstellung durch Bernard Guillemain, La cour pontificale d’Avignon. Étude d’une société (BEFAR 201, Paris 1962) 249–251, und das Biogramm durch Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 460–463. 80   Urkunden der Benedictiner-Abtei zum Heiligen Lambert in Altenburg, Niederösterreich K. O. M. B. vom Jahre 1144–1522, ed. Honorius Burger (FRA II/21, Wien 1865) 227–229 Nr. 232, 233. – Vgl. Norbert Marko, Die Pfarre St. Michael zu Röhrenbach, in: 900 Jahre Pfarre St. Michael zu Röhrenbach, 1076–1976 (Röhrenbach 1976) 19–69, hier 32, wo aber die Legation unseres Guido mit der des Guido von S. Lorenzo in Lucina von 1267 verwechselt wird; Gerhard Strauss, 900 Jahre Pfarre Strögen. Heimatkundliche Nachrichten. Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Horn 15–18 (1976) jeweils 1–2. 81  Urkundenbuch des Landes ob der Enns 7 (Wien 1876) 126 Nr. 128 (25. 8. 1349); 127 Nr. 129 (28. 8. 1349); 130f., Nr. 132 (6. 9. 1349). 82  Vgl. dazu Jugie, Activité diplomatique (wie Anm. 77); Jonathan Sumption, The Hundred Years War, Bd. 2: Trial by Fire (Philadelphia 1999) 111–142; Plöger, England and the Avignon Popes (wie Anm. 77)



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 97

zösischen Desaster bei Crécy 1346 war ja kein Friedensvertrag geschlossen worden, sondern ein kurzfristiger Waffenstillstand hatte den anderen abgelöst. Gui gelang es, auch durch ein persönliches Treffen mit dem nach Paris gereisten Henry de Grosmont, Herzog von Lancaster, einem entfernten Neffen des Königs und erfolgreichen Feldherrn in der ersten Phase des Hundertjährigen Krieges, im März 1353, Edward III. und Johann II. die Verhandlungen zwischen Calais und Guînes eröffnen zu lassen. Festzuhalten ist, dass Gui keinen offiziellen Auftrag ausführte und deshalb auch nicht als nuntius oder l­egatus in irgendeinem der kurialen Dokumente bezeichnet wurde. Obwohl beide Delegationen hochkarätig besetzt waren und die französische Seite beträchtliche Konzessionen in territorialer und staatsrechtlicher Hinsicht machte, kam bei der Konferenz nicht mehr heraus als eine Verlängerung des Waffenstillstandes und eine Vertagung der Gespräche auf den 19. Mai 1353. Das schriftliche Dokument vom 10. März 1353 in französischer Sprache, nur in der Abschrift der englischen Kanzlei überliefert83, trägt nach den Siegel­ ankündigungen der englischen und französischen Vertreter die Notiz des Kardinals 84. Ob sie eigenhändig erfolgte oder nicht, mag offen bleiben. Nehmen wir die positive Variante an. Die vereinbarten Verhandlungen kamen zunächst nicht zustande, und es sollte bis zum folgenden Jahr dauern – die komplizierten Verwicklungen mit Karl dem Bösen, König von Navarra, und den unter des Kardinals Vermittlung am 22. Februar 1354 in Mantes abgeschlossenen Friedensvertrag zwischen diesem und Johann II. dem Guten wollen wir hier übergehen –, bis in Guînes am 6. April 1354 das Vertragswerk von englischen und französischen Unterhändlern unterzeichnet wurde, das den Frieden bringen sollte. Er war für Edward III. überaus vorteilhaft, denn er erhielt Aquitanien, Ponthieu und Guînes, Anjou, Touraine und Maine in voller Souveränität übertragen, sollte aber seine Ansprüche auf das französische Königtum aufgeben. Zwei Urkunden wurden dabei ausgestellt: eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis 1. April 1355 und der eigentliche Friedensvertrag, der noch ratifiziert und vom Papst am 1. Oktober 1354 in Avignon veröffentlicht werden sollte. Unter die Verlängerung des Waffenstillstands, wieder in französischer Sprache abgefasst und in der Kopie der englischen Kanzlei überliefert, schrieb der Kardinal die Notiz, die er schon im Vorjahr unter den Waffenstillstand gesetzt hatte und deren Wortlaut weiter oben vermerkt ist85. In diesen Monaten war der Kardinal in brieflichem Kontakt mit dem englischen König und anderen führenden Politikern des Königreiches. Hinweise auf Eigenhändigkeit gibt es in diesen vier überlieferten Texten zwar keine, aber vorstellbar wäre es angesichts der französischen Sprache, des vertrauten Tones, der zahlreichen Verhandlungsdetails und der äußeren, auf einen Brief oder eine littera clausa hinweisenden Merkmale86. Die weiteren diplomatischen Folgerungen 38–40; Willershausen, Päpste von Avignon (wie Anm. 77) 178–204; auch Raymond Cazelles, Société politique, noblesse et couronne sous Jean le Bon et Charles V (Mémoires et documents publ. par la Société de l’École des chartes 28, Genève 1982) 151–156, 163–166. 83  Foedera III, ed. Rymer (wie Anm. 34) 254f. 84  Et nous, cardinal desusdit, pur ce que ces choses ont esté einsi faites, jurées, convenauntes et accordées en nostre presence, comme mediatour avons mis nostre propre seal a ces lettres. 85  Foedera III, ed. Rymer (wie Anm. 34) 275–277. Über die Verhandlungen dieser Monate vgl. auch Friedrich Bock, Some new documents illustrating the early years of the Hundred Years War (1353–1356). Bulletin of the John Rylands Library 15 (1931) 60–99, hier 70–77, 91–93. Die Vermittlung des Kardinals und sein persönlicher Anteil an der Abfassung der Dokumente werden dabei nicht behandelt. 86   Überliefert sind sie in Ms. Laing 351 der Universitätsbibliothek von Edinburgh (dazu vgl. Édouard Perroy, The Diplomatic Correspondence of Richard III [Camden Third Series 47, London 1933] XX– XXVII), ediert von dems., Quatre lettres du Cardinal Guy de Boulogne, 1352–1354. Revue du Nord 36 (1954)

98

Werner Maleczek

und die eigentliche Wirkungslosigkeit des Vertrages von Guînes brauchen uns hier nicht mehr zu beschäftigen. Im Jahre 1359 brach Gui de Boulogne zu seiner dritten Legationsreise auf, die ihn nach Kastilien führte. Dort sollte er König Peter I. „el Cruel“, der seit 1358 exkommuniziert war, von einer Invasion Aragóns abhalten und zu einer Versöhnung mit seiner Ehefrau Blanche de Bourbon beitragen. Es gelang ihm nur, den Beginn der Kampfhandlungen hinauszuzögern. Erst als König Peter I. von Kastilien vor Barcelona eine militärische Niederlage gegen Peter IV. von Aragón hinnehmen musste, konnte der Kardinal Friedensverhandlungen vermitteln, die 1360 in Tudela ihren Anfang nahmen. Das Ergebnis der Unterredungen war ein Friedensvertrag, der von den kastilischen und aragonesischen Unterhändlern am 19. April 1361 in Deza ausgehandelt wurde87. Festgehalten wurde er auf zwei Königsurkunden, einer kastilischen vom 13. Mai und einer aragonesischen vom 14. Mai. Die kastilische, die auch in einer Edition vorliegt, besteht aus zwei Pergamentblättern, da der Text zu umfangreich war. Der Kardinal hinterließ seine eigenhändige Unterschrift an zwei Stellen; am unteren Ende des ersten Blattes gleich dreimal, wohl um die Authentizität zu vertiefen: Guido card(inalis) et ep(iscopu)s Portue(nsis) – Guido card(inalis) – Guido card(inalis) (Abb. 17) und am Ende des zweiten Blattes neben der Unterschrift des Königs Yo, el Rey als eine Art Gegenzeichnung: Et ego, superius scriptus, meum testimonium veritatis supscribo88. Bemerkenswert ist hier, dass die Unterschrift ohne Nennung des Namens und ohne Titel oder Hinweis auf den päpstlichen Auftrag erfolgte, was Gui übrigens öfters praktizierte. Die Funktion dieser Unterschrift manu propria lässt sich unschwer als Bestätigung einer Vermittlungsaktion durch einen Repräsentanten der höchsten kirchlichen Autorität des Abendlandes interpretieren. Die späte-

Abb. 17: Peter „el Cruel“, König von Kastilien, beurkundet den Friedensvertrag mit König Peter IV. „el Ceremonioso“ von Aragón 1361 Mai 13, mit Notiz des Kardinals Gui de Boulogne. Pamplona, Archivo Real y General de Navarra, Cámara de comptos, caja 14, Nr. 98. 159–164, wieder abgedr. bei dems., Études d’histoire médiévale (Publications de la Sorbonne, Paris 1979) 337– 342, mit chronologischen Korrekturen durch Jugie, Activité diplomatique (wie Anm. 77) 124–127. – In ihren äußeren Merkmalen andere Legatenurkunden des Gui z. B. bei Pierre Jugie, Les familiae cardinalices et leur organisation interne au temps de la papauté d’Avignon: esquisse d’un bilan, in: Aux origines (wie Anm. 76) 56f. 87   Vgl. Pierre Jugie, Un discours inédit du cardinal Gui de Boulogne, légat en Espagne, prononcé devant le roi d’Aragon (24 janvier 1359), in: Les prélats, l’Église et la société. Hommage à Bernard Guillemain, hg. von Françoise Bériac-Lainé (Bordeaux 1994) 219–227. 88   José-Maria Mendi, La primera legación del cardenal Guido de Boulogne a España (1358–1361). Scriptorium Victoriense 11 (1964) 135–224, mit der Edition 202–221 unter Auslassung der dreimaligen Unterschrift auf dem ersten Blatt. Zwischen dem ersten und zweiten Blatt ist kein Einschnitt im Text zu erkennen. (In der Edition: 216 Z. 17 … por execucion e libramiento de las cosas contenidas en este tratado pagando a la chancellería los derechos acostumbrados. [§ 35] Item el dicho rey de Aragón mandará, farà e procurarà en todas guisas que los arçobispos e Tarragona e de Zaragoza e los obispos de Valencia, de Tortosa e de Taraçona e el duc de Girona, don Pedro [Ende des Textes auf dem ersten Blatt] de Xérica, el conde de Denia, el conde de Urgell e el Vizconde de Cardona … .) Das Original liegt in Pamplona, Archivo Real y General de Navarra, Cámara de comptos, caja 14, Nr. 98. Vgl. Jugie, Les cardinaux-légats et leurs archives (wie Anm. 77) 84.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 99

ren Legationsreisen des Kardinals, die ihn 1364 zur Freilassung des gefangenen Grafen von Armagnac, zur Nachfolgefrage im Herzogtum Burgund und zum Konflikt zwischen Frankreich und Navarra aufbrechen ließen, und die ihn 1372–1374 wieder nach Spanien führten, können hier ebenso ausgeblendet bleiben wie das Reichsvikariat über Lucca, das er 1369–1370 im Auftrag Kaiser Karls IV. ausübte. Autographe Zeugnisse gibt es davon keine, obwohl die schriftliche Hinterlassenschaft sehr umfangreich ist, worunter die Sammlung von Konzepten aus der Zeit der beiden spanischen Legationen, die im Vatikanischen Archiv unter den Instrumenta Miscellanea eingereiht wurden, besonders hervorzuheben sind89.

Abb. 18: König Karl IV. von Böhmen für Vicomte Roger de Beaufort, den Bruder des Papstes Clemens’ VI., mit Unterschrift des Gui de Boulogne, 1346 Mai 2. Paris, AN, J 768 Nr. 18.

Eine weitere Urkunde, auf der sich Gui de Boulogne mit eigener Hand verewigte, stammt hingegen schon aus den ersten Jahren seines Kardinalats. Er setzte auf die Urkunde des Königs von Böhmen, Johanns (des Blinden) von Luxemburg, vom 2. Mai 1346, Villeneuve-lès-Avignon, am Ende des Textes, quasi als Zeuge die Kurzformel: present moi le card(inal) de Bo(u)l(ogne) (Abb. 18)90. Mit dieser Urkunde gestattete der König dem Vicomte de Beaufort, Guillaume II. Roger, einem Bruder des Papstes Clemens VI. (und Vater des späteren Papstes Gregor XI.), das ihm übertragene Lehen von Condren und Faillouël (bei Chauny, Diöz. Noyon, im heutigen Dép. Aisne) nach Gutdünken zu tauschen. Der Böhmenkönig war zusammen mit seinem Sohn, dem späteren König Karl IV., nach Avignon gekommen, um dort das Einverständnis Clemens’ VI. zur Wahl des jungen Luxemburgers zum Gegenkönig einzuholen und Abmachungen über dessen zukünftiges Verhältnis zur Kurie zu treffen. Das wichtigste Ergebnis dieses Besuchs waren zweifellos die feierlichen, auch heute noch im Original im päpstlichen Archiv erhaltenen Zusicherungen des künftigen deutschen Königs (Wahl in Rense am 11. Juli 1346) und seines Vaters vom 22. April91. Der Böhmenkönig und sein Sohn hielten sich etwa von 89  Vgl. Emil Göller, Aus der Kanzlei der Päpste und ihrer Legaten II: Konzepte aus der Kanzlei des Kardinallegaten Guido von Bologna. QFIAB 10 (1907) 319–324. 90  Original in Paris, AN, J 786 Nr. 18. Für den Hinweis und ein Bild bin ich Pierre Jugie zu Dank verpflichtet. 91  Constitutiones et acta publica imperatorum et regum … (1345–1348), ed. Karl Zeumer–Richard Salomon (MGH Const. 8, Berlin 1910–1926) 12–27 Nr. 9–13. Vgl. dazu die Eintragungen in den Protokollbüchern der päpstlichen Kammer bei Helmut Schröder, Die Protokollbücher der päpstlichen Kammerkleriker 1329–1347. AfK 27 (1937) 121–286, hier 243f. Nr. 105, 105a-c, verarbeitet in den Gästelisten der Päpste bei Stefan Weiss, Die Versorgung des päpstlichen Hofes in Avignon mit Lebensmitteln (1316–1378) (Berlin

100

Werner Maleczek

Ende März 1346 bis in die ersten Tage des Mai in Avignon auf   92. En passant sei hier auch erwähnt, dass eine autographe Notiz des Kardinals auf dem Deckblatt einer Handschrift des 12. Jhs. zu finden ist, die er nach 1350 aus der Bibliothek der Abtei Corbie entlehnte. Damit versprach er die Rückgabe, die freilich nicht erfolgte. Über nicht erkennbare Wege gelangte die Handschrift, die die Historia ecclesiastica tripartita des Cassiodor und Auszüge aus der Historia persecutionis Ecclesiae Africae des Viktor von Vita enthält, in die Bibliothek der Borghese und schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts in die Vatikanische Bibliothek (Abb. 19)93. Abb. 19: Einband von BAV, Cod. Borghes. lat. 30, mit Vermerk von der Hand des Gui de Boulogne.

2002) 502f., weiters Franz J. Felten, Johann der Blinde und das Papsttum, in: Johann der Blinde, Graf von Luxemburg, König von Böhmen 1296–1346, hg. von Michel Pauly (Publications du CLUDEM 14, Luxembourg 1997) 383–417, hier 396–398; Michael Richard Brabänder, Die Einflußnahme auswärtiger Mächte auf die deutsche Königwahlpolitik vom Interregnum bis zur Erhebung Karls IV. (Europ. Hochschulschriften III/590, Frankfurt/M. u. a. 1994) 235–237, und immer noch die materialreiche Zusammenstellung bei Emil Werunsky, Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit (1316–1346) (Innsbruck 1880) 1 407–425. 92   Vgl. Die Ausgaben der apostolischen Kammer unter Benedikt XII., Klemens VI. und Innocenz VI. (1335–1362.), ed. Karl Schäfer (Vatikanische Quellen zur Geschichte der päpstlichen Hof- und Finanzverwaltung 1316–1378 3, Paderborn 1914) 285c, 320c. Die letzten einschlägigen Eintragungen datieren zwischen dem 23. April und dem 1. und 7. Mai: Comederunt cum papa rex Boemie, filius suus, nepos Bauari [= Pfalzgraf Rupert von Bayern] et multi domini cardinales et nobiles. – Comederunt cum papa d. Karolus de Boemia et plures domini cardinales, omnes de Insula et multi alii nobiles. – Das Itinerar des Böhmenkönigs in diesen Wochen: 27. 2.: Prag – 16. und 18. 3.: Trier – 25. 3.: Arlon–Avignon – 17. 5.: Mehun-sur-Yèvre (nordwestlich von Bourges, Herrschaft des Böhmenkönigs) – 28. 5.: Trier, nach Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae 4: 1333–1346, ed. Joseph Emler (Prag 1892) 664–687 Nr. 1669, 1675, 1680, 1709, 1713, zusammengefasst und ergänzt bei Nicolas van Werveke, Itinéraire de Jean l’Aveugle, roi de Bohême et de Luxembourg, in: Publications de la Section historique de l’Institut grand-ducal de Luxembourg 52 (1903) 25–52, hier 48. Vgl. auch die Bemerkungen von Ivan Hlaváček, Verwaltungsgeschichtliche Bemerkungen zum Itinerar Johanns von Luxemburg, in: Johann der Blinde (wie Anm. 91) 121–134, wiederabgedr. bei dems., Höfe, Residenzen, Itinerare, hg. von Mlada Holà et al. (Prag 2011) 177–186. – Die hier besprochene Urkunde vom 2. 5. 1346 ist freilich bislang unbekannt geblieben. 93  Auch diesen Hinweis verdanke ich Pierre Jugie. – BAV, Cod. Borghes. lat. 30, vgl. Anneliese Maier, Codices Burghesiani Bibliothecae Vaticanae (StT 170, Città del Vaticano 1952) 31–32, mit dem Eintrag auf fol. 1r: Ego Guido de Bulonia episcopus Portuensis (et) sancte Rufine sancte Romane ecclesie cardinalis abui hunc librum precario ab abbate monasterii Corbiensis et promisi reddere et in testimonium presentem scripturam manu propria scripsi.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 101

Etwas reicher fällt die Ernte an autographen Zeugnissen bei einer anderen Zentralfigur des Kardinalskollegiums während des avignonesischen Papsttums aus, bei Aegidius (Gil Alvarez) Albornoz. Als ihn Clemens VI. im Dezember 1350 zum KP von S. Clemente ernannte, hatte er schon eine lange kirchliche Karriere hinter sich. Er gehörte zum kastilischen Hochadel und erwarb sich das Vertrauen König Alfons’ XI., der maßgeblich an seiner Ernennung zum Erzbischof von Toledo 1338 beteiligt war und der ihn zu seinem Kanzler machte. Nach des Königs Tod (26. März 1350) fiel er unter dessen Nachfolger Peter „dem Grausamen“ in Ungnade, weswegen er sich zu seiner Sicherheit an die Kurie nach Avignon begab und dort, als etwa Fünfzigjähriger, bald seine Rangerhöhung erlebte und als einziger Spanier im Kardinalskollegium rasch eine dominierende Position einnahm. Aber die Aufgabe seines Lebens erhielt er unter Innocenz VI., der ihn Ende Juni 1353 zum Legaten und Generalvikar in Italien ernannte, um die dem Papsttum entfremdeten Gebiete wieder fest unter dessen Herrschaft zu bringen. Der im Dezember 1353 zum KB von Sabina promovierte Albornoz wirkte bis zu seinem Tod im August 1367 in Italien, unterbrochen nur von einem einjährigen Aufenthalt in Avignon vom Oktober 1357 bis zum September 135894. Während dieser beiden Legationen, die von langen Phasen militärischer Auseinandersetzung, aber auch von erfolgreicher Diplomatie geprägt waren, gelang es Albornoz tatsächlich, alle zum Kirchenstaat gehörenden Territorien nicht nur nominell, sondern auch faktisch wieder der päpstlichen Herrschaft zu unterwerfen und damit eine der Voraussetzungen für die Rückkehr Urbans V. nach Rom im Jahre 1367 zu schaffen95. Die auf dem Parlament in Fano im Jahre 1357 verabschiedeten Constitutiones Aegidianae, das Rechtsbuch für das Patrimonium Petri, das bis 1816 in Kraft blieb, bildeten neben anderen Gesetzestexten die rechtliche Grundlage für die neu gefestigte päpstliche Herrschaft96. Die Erfolge des Albornoz beruhten nicht nur auf Söldnertruppen, die mit massivem Einsatz von Geld angeworben und gehalten wurden97, sondern auch auf einem gut funktionierenden bürokratischen Apparat, dessen Wichtigkeit der ehemalige kastilische Kanzler richtig erkannte und dessen Muster ihm die seit 94   Vgl. neben der soliden, älteren Monographie Francesco Filippini, Il cardinale Egidio Albornoz (Bologna 1933), auch Juan Beneyto, El cardenal Albornoz. Hombre de Iglesia y de Estado en Castilla y en Italia (Madrid 1986), und die Zusammenfassungen bei Adalbert Erler, Aegidius Albornoz als Gesetzgeber des Kirchenstaates (Berlin 1970) 1–27; Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 425–427; Jugie, Sacré collège (wie Anm. 78), vor allem aber die einschlägigen Bände der Studia Albornotiana, hg. vom Real Colegio de España in Bologna, darunter für die Biographie und das Wirken des Kardinals am wichtigsten: El cardenal Albornoz y el Colegio de España, 6 Bde., hg. von Evelio Vendera y Tuells (Studia Albornotiana 11, 12, 13, 35, 36, 37, Bologna 1972–1979). 95   Vgl. Armand Jamme, Forteresses, centres urbains et territoire dans l’État pontifical. Logiques et méthodes de la domination à l’âge albornozien, in: Pouvoir et édilité. Les grands chantiers dans l’Italie communale et seigneuriale, hg. von Élisabeth Crouzet-Pavan (Collection de l’École française de Rome 203, Paris 2003) 375– 417; Stefan Weiss, Delegierte Herrschaft. Innozenz VI., Kardinal Albornoz und die Eroberung des Kirchenstaates, in: Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, hg. von Claudia Zey–Claudia Märtl (Zürich 2008) 67–84; Enzo Petrucci, La chiesa nell’azione del cardinale Egidio de Albornoz. RStCh 65 (2011) 57–100; Eva Schlotheuber–Andreas Kistner, Kaiser Karl IV. und der päpstliche Legat Aegidius Albornoz. DA 69 (2013) 531–614. 96  Vgl. Paolo Colliva, Il cardinale Albornoz, lo Stato della Chiesa, le „Constitutiones Aegidianae“ (1353– 1357). Con appendice il testo volgare delle Costituzioni di Fano dal ms. Vat. Lat. 3939 (Studia Albornotiana 32, Bologna 1977); Wolfgang Weber, Die Constitutiones Sanctae Matris Ecclesiae des Kardinals Aegidius Albornoz von 1357 unter besonderer Berücksichtigung der Strafrechtsnormen (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N. F. 24, Aalen 1982). 97  Vgl. Stefan Selzer, Deutsche Söldner im Italien des Trecento (BDHIR 98, Tübingen 2001) 32, 44, 57, u. ö.

102

Werner Maleczek

Jahrzehnten in Avignon aufblühende kuriale Zentralverwaltung mit ihren immer stärker ausdifferenzierten Unterabteilungen lieferte. Das Personal brachte er zum Teil von dort mit, zum Teil rekrutierte er es in Italien, und schnell funktionierte eine Finanzkammer, eine Pönitentiarie, vor allem aber eine Kanzlei, die einen umfangreichen Urkundenausstoß und den intensiven Schriftverkehr mit der Zentrale in Avignon bewältigte. Während Archive der Legaten im 14. Jahrhundert sonst nur sehr fragmentarisch überliefert sind, stellt jenes des Albornoz die glückliche Ausnahme dar98. Die vom Legaten nach Avignon gesandten Briefe sind wohl verloren, aber jene Innocenz’ VI. an Albornoz haben sich in den päpstlichen Registern erhalten, wobei der Papst von allen wichtigen Schreiben, die er erhielt oder an andere Adressaten sandte, Abschriften übermittelte99. Es erfolgte eine enge Abstimmung, und häufig bestellte der Kardinal auch päpstliche Schreiben an italienische Empfänger. Die schriftliche Hinterlassenschaft des mehr als dreizehnjährigen Wirkens des Legaten ist in hohem Maße erhalten: Die Kurie ließ sich nach seinem Tod die sorgfältig geführten Registerbücher ausfolgen100, das administrative Schriftgut vermachte Albornoz knapp vor seinem Tod testamentarisch seiner in Bologna 1364 errichteten Stiftung zum Unterhalt spanischer Studenten an der Universität, wo es auch heute noch aufbewahrt wird101. Daneben existieren in zahlreichen Archiven Mittelitaliens viele Urkunden und andere Schriftstücke des Legaten, sodass das 1964 erschienene Verzeichnis über 1200 Nummern auflisten konnte102. Die Kanzlei des Kardinals folgte dem avignonesischen Vorbild hinsichtlich des Personals und der Typen der Schriftstücke, wobei die Konzepte entweder durch Sekretäre oder Abbreviatoren oder – und dies ist die uns interessierende Besonderheit – durch den Kardinal selbst in nicht sehr großer Zahl und besonders bei von der Routine abweichenden Texten formuliert wurden103. Diese etwa 20 eigenhändigen Konzepte, alle aus der Zeit der ersten Legation stammend, befinden sich durchwegs im Archiv des Colegio de España, Volumen VI und VII104. Ich präsentiere zwei Beispiele und konfrontiere sie mit vier von ihrem Typ her ganz unterschiedlichen Originalurkunden aus Viterbo, Bologna und Ascoli Piceno, die die hohe Qualität der Kanzlei des Albornoz zeigen: 1. Brief des Aegidius an Kardinal Audoin Aubert. Bericht über die Schwierigkeiten beim Feldzug gegen Giovanni di Vico und dessen Grausamkeiten und Erpressungen von Geld, um seinen Feldzug zu führen. Ein Aufstand gegen ihn in Orvieto wurde blutig niedergeschlagen. Bitte um Truppen. 1354 Februar 11. – Ed. Francesco Filippini, La prima legazione del cardinale   Jugie, Cardinaux légats et leurs archives (wie Anm. 77).   Ediert in: Diplomatario del Cardenal Gil de Albornoz. Cancillería Pontificia. 1: 1351–1353; 2: 1354– 1356; 3: 1357–1359, ed. Emilio Sáez–Regina Sainz de la Meza Lasoli et al. (Barcelona 1976–1995). 100  Daraus z. B. Giulio Battelli, Le raccolte documentarie del Card. Albornoz sulla pacificazione delle terre della Chiesa, in: El Cardenal Albornoz (wie Anm. 94) 1 521–567, wiederabgedr. in: ders., Scritti scelti. Codici – Documenti – Archivi (Roma 1975) 461–507. 101   José Trenchs–Carlos Sáez, Catálogo de los fondos del Archivo albornociano (Bolonia), in: El Cardenal Albornoz 1 (wie Anm. 94) 217–340. – Zum Testament vgl. Berthe M. Marti, 1372: The Spanish College versus the Executors of Cardinal Albornoz Testament, in: El Cardenal Albornoz (wie Anm. 94) 2 93–130. 102  Jean Glénisson–Guillaume Mollat, L’administration des États de l’Église au XIVe siècle. Correspondance des légats et vicaires-généraux. Gil Albornoz et Androin de la Roche (1353–1367) (BEFAR 203, Paris 1964). Dazu kommen über 100 Nummern des zweiten Legaten und zeitweiligen Gegenspielers des spanischen Kardinals, Androin de la Roche, Abt von Cluny, der 1357/58 und 1363/68 wirkte. Ergänzungen in den Bänden El Cardenal Albornoz 1–4 (wie Anm. 94). 103  Vgl. José Trenchs Odena, La cancillería de Albornoz, como legado pontificio. Annuario de estudios medievales 9 (1974/79) 469–487, hier 476. 104  Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) Nr. 19, 20, 25, 28, 73, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 162, 188, 189, 199, 200, 227, 228, 295, wobei die Eigenhändigkeit nicht immer sicher ist. 98 99



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 103

Abb. 20: Brief des Aegidius Albornoz, 1354 Februar 11. Bologna, Colegio de España, vol. VI Nr. 2B.

Albornoz in Italia (1353–1357). Con documenti inediti. Studi Storici 5 (1896) 98–101 Nr. 4. – Regest bei Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) 21 Nr. 19. – Bologna, Colegio de España, vol. VI Nr. 2B – Regest bei Trenchs–Sáez, Catálogo (wie Anm. 101) 293 Nr. 309105. (Abb. 20) 2. Brief des Aegidius an einen Kardinal betreffs seines Einzugs in Viterbo und die Beglaubigung des Bischofs von Bajadoz, den er nach Avignon schickt. (1354 nach Juli 26). – Abbildung bei 105   Die Abb. gibt etwa das letzte Viertel des Briefs wieder; hier werden die ersten zehn Zeilen transkribiert, wobei die Korrekturen und Streichungen unberücksichtigt bleiben. In der Edition von Filippini S. 100 Z. 17–27: Quia, ut dicunt omnes diligentes honorem ecclesie et michi etiam videtur, si terre, quas iste dampnatus detinet, vastari possent in ista estate, quod fructus non coligant, et e converso nostre que seminarunt coligent, cum honore ecclesie terre omnes recuperabuntur, et contra, quod Deus advertat, si ipsi coligere possint fructus et terris obedientibus impedimentum prestare, ut sibi se subiciant necesse est: utrobique est enim fames valida et quecunque terra presentes fructus perdideret oportet quod remaneat sine habitatore quocunque, quia pro certo nulla terra Patrimonii habet sufficientiam nec habere … .

104

Werner Maleczek

Abb. 21: Brief des Aegidius Albornoz an einen Kardinal (1354 nach Juli 26). Bologna, Colegio de España, vol. VI Nr. 6B.

Filippini, Albornoz (wie Anm. 94) nach S. 23, Edition 113f. Nr. 111; Regest bei Glénisson– Mollat, Administration (wie Anm. 102) 36 Nr. 82. – Bologna, Colegio de España, vol. VI Nr. 6B – Regest bei Trenchs–Sáez, Catálogo (wie Anm. 101) 295 Nr. 317106. (Abb. 21) 3. Verbot des Albornoz, in Viterbo an die guelfische oder ghibellinische Partei zu appellieren. Allein Appellationen an die Partei der römischen Kirche sind gestattet, (1357) Juli 21. – Ed. Codex diplomaticus dominii temporalis Santae Sedis 2: 1335–1389, ed. Augustin Theiner (Romae 1862) 350 Nr. 328. – Regest bei Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) 121 Nr. 333. – Viterbo, Archivio comunale, Sezione del Comune no. 560. (Abb. 22) 4. Vollmacht des Albornoz für den Bischof von Bologna, eine Dispens super defectu natalium an Azzo del fù Egano de’ Lambertini, der in Bologna studiert und in den Klerikerstand treten will, zu erteilen. (1361) November 2, Ancona – Regest bei Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) 234 Nr. 702. – Bologna, AS, S. Francesco, T 354-5097, Nr. 21. 5. Befehl des Albornoz an den Erzbischof von Antivari, die Prokurationen für das fünfte und sechste Jahr der zweiten Legation des Kardinals zu zahlen, (1363) August 25, Cesena. – Regest bei Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) 300 Nr. 953. – Bologna, Colegio de España, vol. II Nr. 25. – Regest bei Trenchs–Sáez, Catálogo (wie Anm. 101) 241 Nr. 71. 106  Reverendissime pater et percarissime domine mi. Postquam pridie, videlicet die XlX Iulii, dominacioni vestre scripsi, sequenti die sabbati XXVI dicti mensis accessi Viterbium, ubi fui cum maximo gaudio receptus: verum quia istarum partium negotia talia sunt que omnia per litteras non possunt particulariter intimari, venerabilem patrem dominum fratrem Alfonsum episcopum Pacensem, socium meum, de omnibus plenius informatum, ad sanctitatem domini nostri, paternitatem vestram et alios dominos meos micto, qui dominationi vestre ea verbo latius explicabit, cui supplico dignemini credere in dicendis. Dat. Viterbii.

Abb. 22: Verbot des Aegidius Albornoz, in Viterbo an die guelfische oder ghibellinische Partei zu appellieren, (1357) Juli 21. Viterbo, Archivio comunale, Sezione del Comune Nr. 560.

Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 105

106

Werner Maleczek

6. Auftrag an den Archidiakon von Ascoli Piceno, das Interdikt, das auf der Stadt lastet, aufzuheben und die Bürger von ihren Strafen zu lösen, nachdem sie dem Hl. Stuhl oder seinen Bevollmächtigten einen Treueid geleistet hätten, (1364) Juli 1, Ancona. – Regest bei Glénisson–Mollat, Administration (wie Anm. 102) 324 Nr. 1047. – Ascoli Piceno, Archivio storico del Comune, Perg. R, fasc. 2 Nr. 3.

François Duchesne (1616–1693) veröffentlichte im Quellenband seiner 1660 erschienenen „Histoire de tous les cardinaux françois de naissance“ zwei Briefe des Gilles Aycelin de Montaigu, cardinalis Morinensis, KP von S. Martino ai Monti (1361–1368), KB von Tusculum (1368–1378), die an Herzog Ludwig von Anjou gerichtet und mit 1. und 16. Februar (1377) datiert waren. Sie sind auf französisch geschrieben, zeugen von großer Vertrautheit mit dem Adressaten, sind mit Le tout vostre, le cardinal de Therouanne unterfertigt und könnten eigenhändig geschrieben sein, obwohl der explizite Hinweis fehlt107. Sie entstanden im Zuge einer von Gregor XI. ins Werk gesetzten Vermittlung im Konflikt zwischen Ludwig von Anjou und dem aragonesischen König Peter IV. „el Cerimonióso“ um das Königreich Mallorca. Ludwig (1339–1384), der zweite Sohn König Johanns des Guten von Frankreich, Graf von Anjou seit 1350, einer der umtriebigsten französischen Prinzen in dieser Phase des Hundertjährigen Krieges und in die meisten der politischen Aktionen Westeuropas verwickelt, machte Ansprüche auf das Königreich Mallorca geltend. Dieses war nach einem vorausgegangenen Lehnsprozess zwar 1349 nach dem Schlachtentod König Jakobs III. von Mallorca in Llucmajor an den aragonesischen König übergegangen und besetzt worden, aber der Sohn Jakobs III., Jakob IV., kämpfte nach seiner Flucht aus dem Gefängnis in Barcelona wiederholt gegen seine aragonesischen Vettern und Onkel um sein Erbe, zuletzt im Bündnis mit Ludwig von Anjou seit 1374. Dies führte aber nur zur militärischen Niederlage und zu seinem Tod im Exil im kastilischen Soria im Februar 1375. Da er keine Kinder hatte, gingen seine Ansprüche auf seine Schwester Isabella über, die mit dem Markgrafen von Montferrat verheiratet war. Sie trat diese in mehreren Etappen im Laufe des folgenden Jahres an Ludwig von Anjou ab, der als lieutenant du roi en Languedoc seinen Stützpunkt in Montpellier hatte. Der König von Aragón rief in der heraufziehenden Auseinandersetzung die Vermittlung des Papstes an, der im September 1376 Kardinal Gilles Aycelin de Montaigu mit der Aufgabe betraute108. Gilles war dafür hervorragend qualifiziert, denn er war als Bischof von Thérouanne einige Jahre lang Kanzler des französischen Königs Johann II. und Hauptberater des Herzogs von Berry gewesen und galt nach seiner Aufnahme in das Kardinalskollegium als Vertreter

107   François Duchesne, Preuves de l’histoire de tous les cardinaux françois de naissance (Paris 1660) 613. Danach stammten sie aus der königlichen Chambre des Comptes und sind wohl beim Brand im Jahre 1737 vernichtet worden. 108  Ausführlich beschrieben bei Albert Lecoy de la Marche, Les relations politiques de la France avec le royaume de Majorque (Iles Baléares, Roussillon, Montpellier) (Paris 1892) 2 225–243. Vgl. auch Carl August Willemsen, Der Untergang des Königreiches Mallorka und das Ende der mallorkinischen Dynastie, in: Spanische Forschungen d. Görres-Gesellschaft. Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, hg. von Heinrich Finke, Bd. 5 (Paderborn 1935) 240–296; ders., Jakob II. von Mallorka und Peter IV. von Aragon (1336–1349), in: ebd. Bd. 8 (1940) 81–198; David Abulafia, A Mediterranean emporium. The Catalan Kingdom of Majorca (Cambridge 1994); Ludwig Vones, Krone und Königreich. Die staatsrechtlichen Beziehungen der Krone Aragón zum Königreich Mallorca zwischen Emanzipation, Inkorporation und Integration, in: Fragen der politischen Integration im mittelalterlichen Europa, hg. von Werner Maleczek (VuF 63, Ostfildern 2005) 185–209, bes. 185–187, 206–208.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 107

von deren Interessen an der Kurie109. Über die hauptsächlich in Barcelona geführten und sich bis Anfang 1378 hinziehenden, letztlich aber vergeblichen Verhandlungen weiß man durch mehrere umfangreiche Protokolle gut Bescheid110. In diese fügen sich die beiden Briefe des Kardinals, der eine vom 1. Februar (1377) in Narbonne, der andere am 16. Februar (1377) in Perpignan geschrieben, gut ein.

3. Erster Exkurs: Eigenhändige Schreiben von Päpsten der avignonesischen Epoche und der Schisma-Zeit Als ausgesprochen seltene Exemplare haben einige Briefe von Päpsten zu gelten, die eigenhändig geschrieben wurden. Wir stellen eine Beziehung zu jenen politischen Briefen her, die Clemens V. durch seinen Kämmerer eigenhändig an den französischen König Philipp IV. hatte schreiben lassen111. Die Geheimhaltung vor der Kanzlei oder den engsten Vertrauten ist der plausible Grund. Manchmal handelt es sich um Briefe, die nicht an der Kanzlei vorbeigeschleust wurden, sondern um cedulae interclusae, die in die Briefe, wohl litterae clausae, eingelegt wurden. Diese Technik, vertrauliche Botschaften an den Empfänger zu bringen, reicht bis weit ins 13. Jh. zurück112. Als Beispiel sei hier angefügt, dass Clemens IV. (1265–1268) Ludwig IX. von Frankreich im Herbst 1266 wissen ließ, dass er eine epistolam revocatoriam presentibus interclusam manu propria geschrieben hätte, welche er einem von der Kanzlei verfassten Schreiben beigefügt habe113. Dem Präfekten des Vatikanischen Archivs, Angelo Mercati (1870–1955, im Dienst 1925–1955), gelang es, bei Ordnungsarbeiten neun eigenhändige Entwürfe von Briefen Papst Johannes’ XXII. zu finden114. Fünf weitere Entwürfe stammen aus der Kanzlei. Sie erstrecken sich über die Jahre 1325 und 1332. Bei den eigenhändigen Schreiben – vier an Robert von Anjou, König von Sizilien, eines an Karl von Anjou, Herzog von Kalabrien, den Sohn des vorigen, eines an Bertrand du Poujet, den päpstlichen Legaten in Oberitalien, eines an Karl Robert, den König von Ungarn, eines an seine Frau Sancia, eines an König Karl IV. von Frankreich, eines an Cangrande della Scala, Signore von Verona, eines an die Prälaten und weltlichen Großen von Ungarn – beobachtet man förmlich den über Achtzigjährigen beim Konzipieren, Streichen, Einfügen und Verbessern – zweimal 109  Biographische Notiz bei Anne-Lise Rey-Courtel, Les cardinaux du Midi pendant le Grand Schisme, in: Le Midi et le Grand Schisme d’Occident, hg. von Jean-Louis Biget (Cahiers de Fanjeaux 39, Toulouse 2004) 49–108, hier 58f. 110  Zusammengefasst auch bei Alfred Coville, La vie intellectuelle dans les domaines d’Anjou-Provence de 1348 à 1435 (Paris 1941) 51–56. 111   Siehen oben 94. 112  Vgl. Christoph Egger, Littera patens, littera clausa, cedula interclusa: Beobachtungen zu Formen urkundlicher Mitteilungen im 12. und 13. Jahrhundert, in: Wege zur Urkunde, Wege der Urkunde, Wege der Forschung. Beiträge zur europäischen Diplomatik des Mittelalters, hg. von Karel Hruza–Paul Herold (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 24, Wien 2005) 41–64. 113  1266 Oktober 14, Viterbo. – Druck: Edmond Martène–Ursin Durand, Thesaurus novus anecdotorum (Paris 1717) 2 415 Nr. 390; in der digitalen Vorabedition der dMGH Nr. 270. – Potthast 19838; Les registres de Clément IV, ed. Jordan (wie Anm. 43) 394 Nr. 1139. 114  Angelo Mercati, Dagli Instrumenta Miscellanea dell’Archivio Segreto Vaticano. QFIAB 27 (1936/37) 135–177, hier 137–167, wiederabgedr. in: ders., Saggi di storia e letteratura 2 (Storia e letteratura 157, Roma 1982) 357–408, hier 359–402, mit sorgfältig kommentierter Edition aller Stücke. Heute befinden sie sich in ASV, Instrumenta Miscellanea 7247/1-14, auf der Verso-Seite von Instrumenta Miscellanea 1172 und 1092.

108

Werner Maleczek

von me in nos und nobis – und ist von der regelmäßigen und festen Hand beeindruckt115. Die von der Kanzlei gelieferten Entwürfe korrigierte er mit eigener Hand. Es handelt sich ausschließlich um politische Briefe, deren Inhalt geheim bleiben sollte und die deshalb auch nicht ins Kanzleiregister eingetragen wurden116. Mit Hilfe von Mercatis Aufsatz und den beigefügten Bildtafeln gelang es Anneliese Maier (1905–1971), einer der gelehrtesten Frauen des 20. Jahrhunderts im Umkreis der vatikanischen wissenschaftlichen Institutionen117, die Hand Johannes’ XXII. in mehr als 30 Handschriften der Vatikanischen Bibliothek zu identifizieren118. Johannes XXII. hatte im Jahre 1320 zehn theologische Experten beauftragt, die Frage zu beantworten, ob man Hexen/Hexer und Dämonenbeschwörer als Häretiker betrachten und deshalb durch die Inquisition verfolgen könne. Die kurz darauf eingetroffenen Antworten wurden von einem Schreiber der päpstlichen Kanzlei in eine Handschrift kopiert und dem Papst vorgelegt. Er versah sie mit Randbemerkungen, die bei den ersten Experten zahlreicher sind und nach dem fünften, dem Karmeliter Guido Terreni, ausbleiben119. Auch in der Sammlung der bestellten Gutachten über die Armut Christi und der Apostel vom Jahre 1323 findet man die Hand des Papstes an zahlreichen Stellen120. Johannes XXII. ließ sich eine Sammlung der verschiedenen Ordensregeln zu115   Die vier beigefügten Tafeln betreffen die Briefe vom 10. April und 17. August 1326 an König Robert von Sizilien, vom 31. Oktober 1326 an König Karl IV. von Frankreich und vom 15. Februar 1331 an König Karl Robert von Ungarn. 116  Nr. 9 (an Bertrand du Poujet, 24. 8. 1326), Nr. 10 (an den französischen König, 31. 10. 1326), Nr. 11 (an König Robert von Sizilien, 22. 1. 1327), Nr. 13 (an die Königin von Ungarn, 15. 2. 1331), Nr. 14 (an den geistlichen und weltlichen Adel Ungarns, 15. 2. 1331), Nr. 16 (an König Robert von Sizilien, 13. 3. 1332), sind auch in Jean XXII (1316–1334). Lettres communes, ed. Guillaume Mollat, Bd. 6 (Paris 1912) Nr. 26474, 29691, 29696; Bd. 9 (Paris 1928) Nr. 50744; Bd. 10 (Paris 1930) Nr. 54819, verzeichnet, aber aus den Instrumenta Miscellanea und nicht aus den Registern bezogen. 117   John E. Murdoch–Edith D. Sylla, Anneliese Maier and the history of medieval science, in: Studi sul XIV secolo in memoria di Anneliese Maier, hg. von Alfonso Maierù–Agostino Paravicini Bagliani (Storia e letteratura 151, Roma 1981) 7–13; Annette Vogt, Von Berlin nach Rom. Anneliese Maier (1905–1971), in: „… immer im Forschen bleiben“. Rüdiger vom Bruch zum 60. Geburtstag, hg. von Marc Schalenberg (Stuttgart 2004) 391–407; dies., Anneliese Maier (1905–1971) zwischen der Biblioteca Hertziana und dem Campo Santo Teotonico, in: Orte der Zuflucht und personeller Netzwerke. Der Campo Santo Teotonico und der Vatikan 1933–1955, hg. von Michael Matheus–Stefan Heid (RömQua Suppl. 63, Freiburg 2015) 94–123. 118   Anneliese Maier, Annotazioni autografe di Giovanni XXII in codici vaticani. RStCh 6 (1952) 317– 332, wiederabgedr. in dies., Ausgehendes Mittelalter. Gesammelte Aufsätze zur Geistesgeschichte des 14. Jahrhunderts 2 (Storia e Letteratura 105, Roma 1967) 81–96, mit Zusätzen 492–495, bes. 494. In diesen verweist Maier zusätzlich zu den 17 ursprünglich vermerkten Handschriften noch auf mehr als 13 weitere: dies., Zwei vatikanische Handschriften und ihre Besitzer. RStCh 12 (1958) 261–280; dies., Zur Geschichte eines berühmten Manuskripts (Vat. lat. 3978). RStCh 13 (1959) 355–368, dies., Zu einigen Handschriften der Biblioteca Alessandrina in Rom und ihrer Geschichte. RStCh 18 (1964) 1–12, wiederabgedr. in dies., Ausgehendes Mittelalter 2 107–111, 143 mit Anm. 7, 161 mit Anm. 12. 119  Es handelt sich um BAV, Cod. Borghes. 348, beschrieben von Maier, Codices Burghesiani (wie Anm. 93) 398–400, verarbeitet von ders., Eine Verfügung Johanns XXII. über die Zuständigkeit der Inquisition für Zaubereiprozesse. Archivum Fratrum Praedicatorum 22 (1952) 226–246, wiederabgedr. in dies, Ausgehendes Mittelalter 2 (wie Anm. 118) 59–80. Ediert unter Identifizierung der eigenhändigen Notizen Johannes’ XXII. von Alain Boureau, Le pape et les sorciers. Une consultation de Jean XXII sur la magie en 1320 (Manuscrit B.A.V. Borghese 348) (Sources et documents d’histoire du moyen âge 6, Rome 2004). 120  Es handelt sich um Cod. Vat. lat. 3740, vgl. Louis Duval Arnould, La Constitution „Cum inter nonnullos“ de Jean XXII sur la pauvreté du Christ et des Apôtres: rédaction préparatoire et rédaction définitive. Archivum Franciscanum Historicum 77 (1984) 406–420; ders., Les conseils remis à Jean XXII sur le problème de la pauvreté du Christ et des apôtres (Ms. Vat. Lat. 3740), in: Miscellanea Bibliothecae Apostolicae Vaticanae 3 (StT 333, Città del Vaticano 1989) 121–201; ders., Elaboration d’un document pontifical. Les travaux préparatoires à la constitution apostolique „Cum inter nonnullos“ (12 novembre 1323), in: Aux origines (wie



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 109

sammenstellen, die er ebenfalls mit Notizen versah121. Im Hinblick auf die Heiligsprechung des Thomas von Aquin (eingeleitet 1318, vollzogen 1323) erhielt der Papst eine prächtige Gesamtausgabe von dessen Schriften, die er eifrig benützte und mit zahlreichen Marginalien versah122. Auch in Rechtshandschriften, die für ihn hergestellt wurden, begegnet man seiner Hand123. Bei den unter päpstlicher Vermittlung in den Jahren 1344/45 in Avignon geführten Friedensverhandlungen zwischen englischen und französischen Vertretern wies Clemens VI. das Mitglied der englischen Delegation, John Offord, Dekan von Lincoln und Privatsekretär König Edwards III., darauf hin, dass er seinem Herrn dreimal mit eigener Hand geschrieben habe124. Zwei weitere Briefe, nicht mehr im Original, sondern im Register überliefert, ergänzen diese Nachricht von der Eigenhändigkeit. Der eine vom 25. Mai 1347 war an den Erzbischof von Embrun und an den Bischof von Chartres gerichtet, die den Auftrag hatten, eine von König Philipp VI. verfügte Maßnahme rückgängig zu machen, nach der alle Pfründen eingezogen werden sollten, wenn sich deren Inhaber nicht im Königreich aufhielten. Dies hätte vor allem die in Avignon residierenden Kardinäle betroffen. Offensichtlich hatte Clemens VI. seine Zweifel an der Wirksamkeit des glatten Stils der von der Kanzlei ausgestellten litterae, und so fügte er die eigenhändige cedula an. Sie schließt sehr persönlich: „Glaubt mehr den Taten als den Worten und, falls nötig, handelt entschlossen.“125 Der andere Brief vom 15. Oktober 1347 war an den Kardinallegaten Bertrand de Deux gerichtet, der sich seit dem Sommer in Rom mit Cola di Rienzo herumschlug, obwohl ihm der Papst mehrfach deshalb geschrieben hatte, einmal davon mit eigener Hand126. Anm. 76) 385–409, bes. 395–397. Vgl. Jürgen Miethke, De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (Spätmittelalter und Reformation N. R. 16, Tübingen 2000) 154f. 121   BAV, Cod. Borghes. 242. 122   BAV, Cod. Vat. lat. 731, 732, 738, 745, 747, 757, 784, 785, 787, 807, 814, 2106. Vgl. Antoine Dondaine, La collection des oeuvres de Saint Thomas dite de Jean XXII et Jaquet Maci. Scriptorium 29 (1975) 127–152. 123   BAV, Cod. Borghes. 255, 280 (daraus, fol. 192r, stammt die Abb. in Maier, Annotazioni autografe [wie Anm. 118] nach 332 [96]). 124   Diese Korrespondenz ist abgedruckt bei Joseph M. B. C. Kervyn de Lettenhove, Œuvres de Froissart, Chronique, Bd. 18: Pièces justificatives 1319–1399 (Bruxelles 1874) 213: … coment il ad sovent escript au roy et ascuns foits de sa mayn propre … . Brief des John Offord an einen Rat des Königs, 18. 10. 1344; 216: … et multotius domino tuo scripsimus et trinis vicibus manu nostra … . Brief des John Offord an den Erzbischof von Canterbury über ein Gespräch mit dem Papst, 28. 10. 1344; 219: … nostre Seint-Pière se compleint très-sovent des injuries et duretées feates en vostre roialme d’Engleterre contre son estatt et testat de l’Esglise, et qu’il-mesmes, sire, vous ad fait garnir de tout si bien par vos lieges entrevenants come par ses lettres bullées et autres plus espéciales escriptes de sa mayn propre, en requérant de par Dieu et de par l’Église vostre bénignité … . Brief des John Offord an den König, ohne Datum. – Vgl. Pierre Chaplais, English medieval diplomatic practice 1/1 (London 1982) 20f., wo auch eigenhändige Schreiben Edwards III. und des aragonesischen Königs Peter III. zitiert werden. Zu den Verhandlungen Willershausen, Päpste von Avignon (wie Anm. 77) 124–150. 125   Sequitur tenor cuiusdam cedule manu domini pape scripte, incluse in littera precedenti. Si ducimini, sicut multis videtur, per dilationes, expediret forsitan litteras interim impetrari, ne ad executionem aliquam procedatur, maxime cum novorum recollectio fructuum in istis instet partibus, et de recollectis alterius anni fructibus in Carcassesio executio dicatur fieri valde dura. Factis etiam potius credatis quam verbis, et, si necesse fuerit, spiritum fortitudinis assumatis. – Clément VI. Lettres closes, patentes et curiales se rapportant à la France, ed. E[ugène] Déprez– J[ean] Glénisson–G[uillaume] Mollat, Bd. 2 (Paris 1958) 349f. Nr. 3299. Hinweise schon vor der Edition Guillaume Mollat, Correspondance de Clément VI par cedules. Bullettino dell ’ „Archivio paleografico italiano“ N. S. 2–3 (1956–1957) 176–178, hier 177. 126  Ebd. 393 Nr. 3517, leider nur als Regest wiedergegeben: … cum papa miserit ipsi super facto Nicolai

110

Werner Maleczek

Abb. 23: Urban V. an König Peter IV. von Aragón, 1370 April 10. Barcelona, Archivo de la Corona de Aragón, Autógrafos II-A-6a.

Am 14. August 1366 ließ Urban V. den englischen König Edward III. wissen, dass er ihm schon früher eigenhändig geschrieben habe127. Auf zwei eigenhändige Brief Urbans V. an König Peter IV. von Aragón machte Heinrich Finke aufmerksam und betonte ihren außergewöhnlichen Charakter. Der eine ist vom 10. April 1370, knapp vor der Abreise aus Rom auf dem Rückweg nach Avignon, der andere vom 29. April 1370, schon unterwegs in Montefiascone geschrieben, wo sich der Papst bis Ende August aufhielt (Abb. 23)128. Mit dem einen bestätigte der Papst den Erhalt eines Briefes und dankte allgemein für das Wohlwollen, mit dem anderen bat er ihn um Schiffe und um Unterstützung. Aus der Schisma-Zeit habe ich Hinweise auf einige eigenhändige Briefe Benedikts XIII. an Herzog Ludwig von Orléans gefunden. Am 26. und 29. Januar 1399 bedankte er sich für die Unterstützung in herzlichen Worten129. Ein weiterer Brief an denselben Adressaten von Ende April 1399 findet sich inseriert in die Chronik des engen Vertrauten Benedikts, Martin von Alpartil130.

Laurentii plures litteras quarum una propria manu fuit scripta. – Vgl. Patrick Zuthsi, The political and administrative correspondence of the Avignon popes, 1305–1378. A contribution to papal diplomatic in: Aux origines (wie Anm. 76) 371–384, hier 381. 127  Foedera III/2, ed. Rymer (wie Anm. 34) 798: … per nostras litteras manu propria scriptas. 128  Der zweite mit der Datierung Datum et propria manu scriptum in Monteflescone die penultima Aprilis ist ediert bei Acta Aragonensia 3, ed. Finke (wie Anm. 57) XXIX–XXX, der erste ist nicht ediert, beide heute im Kronarchiv von Barcelona unter der Signatur „Autógrafos II-A-6a, 6b“. Hinweis auch bei Zutshi, Correspondence (wie Anm. 126) 375. 129   Der eine hat als Datum Scriptum manu propria, in palacio, etc. XXVI Januarii, der andere Scriptum hoc ultimum nostra manu, XXIX Januarii. Valois, Schisme 3 (wie Anm. 49) 209; Beschreibung der Quelle, Paris, BN, nouv. acq. lat. 1793, durch Léopold Delisle, Vente de manuscrits du comte d’Ashburnham. Journal des savants (1899) 317–337, hier 328. 130  Da mir die neuere Edition nicht zur Verfügung steht (Martin de Alpartil, Cronica actitatorum temporibus Benedicti XIII Pape, ed. José Angel Sesma Muñoz [Zaragoza 1994]) s. Martin de Alpartils Chronica actitatorum temporibus domini Benedicti XIII. Einleitung, Text der Chronik, Anhang ungedruckter Aktenstücke, ed. Franz Ehrle (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 12, Paderborn 1906) 99f.: Sequitur copia lictere pro duce Aurelianensi scripta manu propria pape, und am Ende des Briefes Script. manu propria etc. Vgl. Valois, Schisme 3 (wie Anm. 49) 219.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 111

4. Kardinäle als Vorsteher der päpstlichen Kanzlei und der Pönitentiarie Die Vorsteher der päpstlichen Kanzlei waren ab 1216, ab dem Beginn des Pontifikates Honorius’ III., keine Kardinäle mehr, ein vicecancellarius leitete das Urkunden- und Registerwesen. Wenn er ein Kardinalat erhielt, legte er dieses Amt unverzüglich zurück. Dies galt – mit unbedeutenden Ausnahmen – fast im gesamten 13. Jahrhundert. Erst in den Pontifikaten zwischen Bonifaz VIII. und Johannes XXII. kam es zu Überschneidungen: Vizekanzler, die den Kardinalshut erhielten, übten weiterhin das Amt aus, und es gab auch welche, die nicht zur Kardinalswürde gelangten. Erst ab 1325 wird nur mehr ein Kardinal an die Spitze der Kanzlei berufen, er hatte weiterhin die Funktionsbezeichnung vicecancellarius, und so blieb es bis ins 20. Jahrhundert131. Die Vizekanzler hinterließen auf den Papsturkunden, die in der Kanzlei hergestellt und dem Petenten übergeben wurden, bis zum Ausgang des Mittelalters keine eigenhändigen Spuren, ungeachtet etwa der Datum per manum-Formel in der großen Datierung der Privilegien. Eigenhändig sind jedoch – wohl seit der Mitte des 13. Jahrhunderts – die sehr kurzen Genehmigungsvermerke und Kanzlei-Anordnungen auf den Suppliken, mit denen Bittsteller an der Kurie einen Gratial- oder Justizbrief zu erreichen suchten. Die Signierung durch den Papst oder seinen Beauftragten erfolgte ab dem späten 13. Jahrhundert, indem der Papst auf den eingereichten Suppliken ein fiat und danach eine Initiale anbrachte oder der Vizekanzler die Supplik mit concessum signierte. Dieser brachte auch neben vereinzelten anderen kurzen Hinweisen den sogenannten Recipe-Vermerk an, mit dem er einem der Abbreviatoren die Anweisung zum Formulieren des Konzeptes erteilte. Dieser bestand in der Regel aus einem Majuskel-R und zwei abgekürzten Namen. Der erste war jener des Abbreviators, der zweite jener des Vizekanzlers selbst. Die originalen Suppliken, zu Tausenden einzeln oder in Form von Rotuli eingereicht, sind im päpstlichen Archiv nur zufällig und sehr selten, in den Empfängerarchiven nicht viel weniger selten überliefert, weil ihre Funktion mit der erreichten päpstlichen littera beendet war132. Die bisher publizierten etwa hundert Originalsuppliken bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts erlauben nichtsdestoweniger Aussagen über die eigenhändige Beteiligung der Vizekanzler133. Die ältesten erhaltenen 131   Vgl. Rabikauskas, Diplomatica Pontificia (wie Anm. 1) 61f.; Übersicht bei Bresslau, Handbuch (wie Anm. 1) 1 249–266 (bis zum späten 15. Jh.); Ergänzungen bei Nüske, Untersuchungen über das Personal (wie Anm. 35) 58–84. – Ich danke herzlich Brigide Schwarz, die auf der von Irmgard Fees und Klaus Herbers im März 2015 veranstalteten Tagung in Erlangen „Papstgeschichte des hohen Mittelalters. Digitale und hilfswissenschaftliche Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte Europas“ ein Referat über „Rolle und Rang des (Vize-) Kanzlers an der Kurie“ hielt und mir den Text zur Verfügung stellte. Ob es je zu einem Druck kommen wird, ist unsicher. 132   Vgl. zum Supplikenwesen, zu erhaltenen Suppliken, ihrer Signierung und Registrierung Ursmer Berlière, Suppliques de Clément VI (1342–1352) (Analecta Vaticano-Belgica 1, Rome–Bruges 1906) IX–XXXIII; ders., Suppliques d’Innocent VI (1352–1362) (Analecta Vaticano-Belgica 5, Rome–Bruxelles 1911) VII– XXIV; Bresslau, Handbuch (wie Anm. 1) 2 1–25, 104–109; Bruno Katterbach, Specimina supplicationum ex registris vaticanis (Rom 1927) 1 V–XVII; Alfred Gawlik, Originalsupplik. LMA 6 (1993) 1457; Frenz, Papsturkunden (wie Anm. 1) 33–35 §§ 31–34; Barbara Bombi, Der Geschäftsgang der Suppliken im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts. Einige Beispiele anhand des Registers des Kurienprokurators Andrea Sapiti. AfD 51 (2005) 253–283; Patrick Zutshi, Petitions to the Pope in the Fourteenth Century, in: Medieval Petitions. Grace and Grievance, hg. von William Mark Ormrod–Gwilym Dodd–Anthony Musson (Woodbridge 2009) 82–98. 133   Ursmer Berlière, Épaves d’archives pontificales du XIVe siècle. Le ms. 775 de Reims. Revue bénédictine 24 (1907) 456–478; 25 (1908) 19–47 (5 signierte Originalsuppliken an Urban V., 21 signierte Originalsuppliken an Gregor XI., 9 beglaubigte Kopien, 25 mit concessum signierte Suppliken, 3 mit audiat signierte

112

Werner Maleczek

Beispiele reichen in das frühe 14. Jahrhundert zurück134. Die von Benedikt XII. veranlassten, aber erst 1342 einsetzenden Supplikenregister, die zunächst nur die vom Papst genehmigten, ab dem späten 14. Jh. auch die vom Vizekanzler genehmigten Suppliken verzeichneten, setzen dessen eigenhändiges Eingreifen voraus, schlagen sich aber in den Eintragungen nicht nieder135. Zurück zu den ältesten erhaltenen Beispielen für autographe Spuren des Vizekanzlers auf Suppliken. Giulio Battelli stellte – in einem seiner letzten Aufsätze, die er als 97jähriger schrieb – aus dem aragonesischen Kronarchiv vier Supplikenrotuli und zwei Einzelsuppliken Jakobs II. von Aragón zwischen 1283 und 1309 vor. Auf dem zweiten Rotulus von 1305136 findet sich nicht nur mehrfach die päpstliche Genehmigung Fiat, Suppliken, weitere Kopien); Émile-A. Van Moé, Suppliques originales adressées à Jean XXII, Clément VI et Innocent VI. BEC 92 (1931) 253–276 (Paris, BN, nouv. acq. lat. 3012, aus dem Einband von ms. lat 4121 herausgelöst, 11 Suppliken); Giulio Battelli, Una supplica e una minuta di Niccolò III. QFIAB 32 (1942) 33–50; ders., Una supplica originale „per fiat“ di Urbano V. Contributo alla storia della Cancelleria pontificia nel sec. XIV, in: Scritti di paleografia e diplomatica in onore di Vincenzo Federici, hg. von Raffaello Morghen (Firenze 1944) 277–292, wiederaufgen. in ders., Exempla Scripturarum 3: Acta Pontificum (Città del Vaticano ²1965) 19f. Taf. 16, 27f. Taf. 26b, und in ders., Scritti scelti. Codici, documenti, archivi (Roma 1975) 25–44, 461–507; Giovanni Muzzioli, Rotulo originale di suppliche per fiat di Benedetto XIII antipapa (Roma 1947); Marie-Hyacinthe Laurent, Trois nouveaux rôles de suppliques „per fiat“ présentés à des papes du XIVe siècle (Vat. lat. 14.000). Mélanges d’archéologie et d’histoire 66 (1954) 219–239 (Johannes XXII., Clemens VII.); Walther Holtzmann, Eine Appellation des Klosters Tremiti an Alexander III. BISIM 66 (1954) 21–39; Franco Bartoloni, Suppliche pontificie dei secoli XIII e XIV. BISIM 67 (1955) 1–188 (23 Suppliken aus dem Fonds der Urkunden der Abtei Sassovivo, heute im Diözesanarchiv von Spoleto, der Kartause Trisulti, dem Kommunalarchiv von Tarquinia, dem Fonds von S. Spirito in Sassia im römischen Staatsarchiv, dem Kapitelarchiv von Alatri und der Kapitelbibliothek von Benevent für Innocenz III., Honorius III. oder Gregor IX., Alexander IV., Martin IV., Nikolaus IV., Bonifaz VIII., Johannes XXII., Gregor XI., Urban VI.); Pierre Gasnault, Quatre suppliques inédites adressées à Jean XXII. Bullettino dell’Archivio paleografico italiano N. S. 2–3 (1956/57) 317–323; Anton Largiadèr, Die Papsturkunden des Staatsarchivs Zürich von Innocenz III. bis Martin V. Ein Beitrag zum Censimentum Helveticum (Zürich 1963) 174f. Nr. 126, 235 Nr. XVI (Gregor XI., 1374); Tullia Gasparrini Leporace, Una supplica originale per „fiat“ del papa Giovanni XXII. BISIM 75 (1963) 247–257; Pierre Gasnault, Trois lettres secrètes sur papier de Clément VII (Robert de Genève) et une supplique originale signée par ce pape, in: Palaeographica diplomatica et archivistica. Studi in onore di Giulio Battelli (Storia e letteratura. Raccolta di studi e testi 139–140, Roma 1979) 2 337–351; Christian Fornwagner, Die Regesten der Urkunden der Benediktinerabtei St. Georgenberg-Fiecht vom 10. Jh. bis 1300 (Tiroler Geschichtsquellen 27, Innsbruck 1989) 48 Nr. 64, 65 (Clemens IV.); Colección documental del archivo de la catedral de Léon 6: 1188–1230, ed. José Maria Fernández Catón (León 1991) 320 Nr. 1856 (Innocenz III.); Recueil des actes de l’abbaye cistercienne de Bonnefont en Comminges, ed. Charles Samaran–Charles Higounet (Collection de documents inédits sur l’histoire de France 8, Paris 1970) 108 Nr. 207 (Innocenz III.); Giulio Battelli, Suppliche al papa di Giacomo II, re di Maiorca e di Giacomo II, re di Aragona. Annuario de Estudios Medievales 31 (2001) 3–24; Harald Müller–Brigide Schwarz, Zwei Originalsuppliken in communi forma pauperum des 14. Jahrhunderts. AfD 51 (2005) 285–304 (aus der Urkundensammlung der Humboldt-Universität Berlin, Clemens VI. und Clemens VII. oder Benedikt XIII.). 134   Battelli, Suppliche (wie Anm. 133). – Auf dem Beispiel von 1261, das Bartoloni, Suppliche (wie Anm. 133) 43–46 Nr. V/1 mit Taf. V, publizierte, steht nur von einer anderen Hand R(ecipe) Ricc(arde), also der Auftrag an den Abbreviator, ohne Nennung des Vizekanzlers. Es könnte dieser freilich gewesen sein. – Vgl. auch Peter A. Linehan–Patrick N. R. Zuthsi, Fiat A. The Earliest Known Roll of Petitions Signed by the Pope (1307). EHR 122 (2007) 998–1015. 135  Vgl. Bruno Katterbach, Inventario dei registri delle suppliche (Città del Vaticano 1932) VII–XX, 1ff.; Patrick N. R. Zutshi, The Origins of the Registration of Petitions in the Papal Chancery in the First Half of the Fourteenth Century, in: Suppliques et requêtes. Le gouvernement par la grâce en Occident (XIIe–XIVe siècles), hg. von Hélène Millet (Collection de l’École française de Rome 310, Paris 2003) 177–191. 136  Ed. Battelli, Suppliche (wie Anm. 133) 13f. (schon in Acta Aragonensia 3, ed. Finke [wie Anm. 57] XVIIf.).



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 113

Abb. 24: Recipe-Vermerk des Pierre Desprez, KP von S. Pudenziana (1320–23), KB von Palestrina (1323– 1361) auf einer an Johannes XXII. gerichteten Supplik, 1333 März 6. Paris, BN, nouv. acqu., lat. 3012, Nr. 2.

sondern danach an zwei Stellen von anderer Hand ein Hinweis auf eine Modifikation der vorgebrachten Bitte und am Ende des Textes der Recipe-Vermerk R(ecipe) Ban. G. R. Battelli weist beide Vermerke dem Vizekanzler zu, wobei Ban. mit dem Abbreviator Bandinus de Senis aufzulösen und G. R. als die Initialen des Vizekanzlers Guilelmus Rufati zu deuten sind. Dies ist niemand anderer als der Mitte Dezember 1305 zum KD von SS. Cosma e Damiano ernannte Guillaume Aruffat des Forges († 24. Februar 1311 als KP von S. Pudenziana). Eine weitere Supplik Jakobs II. weist sogar einen noch präziseren Recipe-Vermerk auf: R(ecipe) Ban. G. R. card., womit die Kardinalswürde des Vizekanzlers explizit bezeugt ist137. Obwohl man davon ausgehen kann, dass alle weiteren Vizekanzler die zu Tausenden dem kurialen Büro der Data communis vorgelegten Suppliken eigenhändig signierten und damit im weitgespannten Prozess der Pfründenvergabe und der päpstlichen Justizverwaltung ein markantes Zeugnis ihrer Zuständigkeit abgaben, kann ich wegen der Seltenheit der Originale dafür nur zwei der Kardinäle präsentieren, die freilich zu den am längsten dienenden und dominanten Figuren der kurialen Bürokratie gehörten. Der eine ist Pierre Desprez, KP von S. Pudenziana (1320–23), dann KB von Palestrina (1323–1361). Er bekleidete das Amt des Vizekanzlers vom Frühjahr 1325 fast vierzig Jahre lang bis zu seinem Tod138. Sein autographes Zeugnis ist der Recipe-Vermerk auf Suppliken Johannes’ XXII. und Innocenz’ VI., die aus dem Einband des ms. lat. 4121 der Bibliothèque Nationale de France herausgelöst und in nouv. acq. lat. 3012 gesammelt wurden (Abb. 24)139. Der andere ist der sogenannte Kardinal von Pamplona, Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), der von seinem Onkel, Innocenz VI., zunächst vom päpstlichen Notar und Kaplan zum Bischof von Pamplona gemacht und ein Jahr später in das Kardinalskollegium berufen wurde. Vizekanzler war er von 1361 bis zur Rückkehr Gregors XI. nach Rom 1377 und dann, nach einigem Schwanken, jener des

137  Ed. Acta Aragonensia 3, ed. Finke (wie Anm. 57) XXVIII, vgl. Linehan–Zuthsi, Fiat A (wie Anm. 134) 1002 mit Anm. 26. – Auch der von den beiden Autoren vorgestellte Rotulus des Ordens von Santiago aus dem Jahr 1307, der unter den Beständen des Klosters Uclés in Madrid, Archivo Histórico Nacional, eingereiht ist, hat am Ende den Vermerk de v. G. R. card. 138  Vgl. Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 488–490; Jugie, Sacré collège (wie Anm. 78). 139  Van Moé, Suppliques (wie Anm. 133) 271 Nr. III: Recipe P. de Fas. Petrus Penestrinus (6. 3. 1333) – 274 Nr. V: Recipe Helias. Petrus Penestrinus (22. 7. 1360).

114

Werner Maleczek

Abb. 25: Recipe-Vermerk des Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), cardinalis Pampilonensis, auf einer an Gregor XI. gerichteten Supplik, 1371 August 20. Reims, Bibliothèque municipale, ms. 775, no 18.

Abb. 26: Recipe-Vermerk des Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), cardinalis Pampilonensis, auf der an Gregor XI. gerichteten Supplik der österreichischen Herzöge, 1374 April 10. Zürich, Staatsarchiv, C II 16, Nr. 23.

avignonesischen Papstes Clemens VII. bis zu seinem Tod 1385140. Seinen Recipe-Vermerk und das concessum … findet man auf zahlreichen Suppliken aus der Zeit Urbans V. und Gregors XI., die Ursmer Berlière in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in der Bibliothèque municipale von Reims, ms. 775, entdeckte (Abb. 25)141. Ein weiteres Beispiel aus dem Züricher Staatsarchiv sei wegen des Österreich-Bezuges genannt. Gregor XI. be140  Vgl. Paul M. Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei. Untersuchungen über die päpstlichen Tabellionen und die Vizekanzler der Heiligen Römischen Kirche im XIII., XIV. u. XV. Jh. (Görres-Gesellschaft, Sekt. Rechts- u. Sozialwiss. 4, Köln 1908) 107–109; Jacques Verger, L’entourage du cardinal Pierre de Monteruc (1356–1385). Mélanges de l’École française de Rome. Moyen-Âge, Temps modernes 85 (1973) 515–546; Jugie, Sacré collège (wie Anm. 78). 141   Reims, Bibliothèque municipale, ms. 775 Nr. 6, 18.; s. oben Anm. 132.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 115

willigte am 10. April 1374 eine Supplik der Herzöge Albrecht III. und Leopold III., mit der sie die Bestätigung des von Heinrich von Linz gegründeten Marien-Klosters auf dem Beerenberg bei Winterthur erbaten. Wieder findet sich die Notiz des Kardinals R(ecipe) G(uillelmus) Baron(is) P(etrus) Pampil(onensis) (Abb. 26)142. Aber nicht allein in der Kanzlei wurden Suppliken eingereicht, sondern auch in der Pönitentiarie, jener Abteilung der päpstlichen Kurie, die seit dem frühen 13. Jahrhundert eine stets wachsende Autonomie entwickelte, eigenes Personal beschäftigte und unter einem Großpönitentiar stand – die Bezeichnung ist seit Clemens V. belegt –, der immer aus dem Kardinalskollegium genommen wurde. Die Pönitentiarie verwaltete für den Papst dessen Absolutions- und Dispensationsgewalt, die seit dem 12. Jahrhundert ständig zugenommen hatte143. Aus dem 14. Jahrhundert, als die Pönitentiarie zur regelrechten Behörde mit mehreren Dutzend Angestellten herangewachsen war, kennt man neben nicht wenigen originalen Urkunden der Kardinalgroßpönitentiare sogar eine originale Supplik aus dem Jahr 1384144. Diese, im Jahr 1899 im Wiener Antiquariat vom russischen ­Diplomatiker Nikolaus Lichačev gekauft und 1906 in den Berichten der St. Petersburger Akademie publiziert145, befindet sich in den Sammlungen der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Unter der vom Prokurator des Bittstellers, Giselbert Sniders de Bouchot, einem Kleriker der Diözese Lüttich, eingereichten und am 28. April 1384 genehmigten Supplik steht Fiat de speciali. lk., welche Sigle mit Lukas aufzulösen ist. Es handelt sich um Luca 142  Zürich, Staatsarchiv, C II 16, Nr. 23. – Guillelmus Baronis, ist als Priester der Diöz. Coutances, Skriptor, Sekretär und Corrector litterarum apostolicarum bezeugt. – Hier ist der Hinweis angebracht, dass die von Geoffrey Barraclough, Minutes of Papal Letters, in: Miscellanea Archivistica Angelo Mercati (StT 165, Città del Vaticano 1952) 109–127, hier bes. 117, gefundenen Konzepte für Pfründenvergaben an pauperes clerici vom Herbst 1316/März 1317, die den Recipe-Vermerk des Vizekanzlers Gaucelme de Jean (unter Johannes XXII., 15. 9. 1316–9. 1. 1319), KP von SS. Marcellino e Pietro (Dez. 1316–1327), KB von Albano (1327–1348) (vgl. Lützelschwab, Flectat cardinales [wie Anm. 78] 453f.; Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei [wie Anm. 140] 96–99) tragen, nicht autograph sind. 143   Das Standardwerk bleibt Emil Göller, Die päpstliche Pönitentiarie, von ihrem Ursprung bis zu ihrer Umgestaltung unter Pius V., 2 Bde. (Bibliothek d. kgl. Preußischen Historischen Instituts in Rom 3,7, Rom 1907–1911), für den älteren Teil zusammengefasst von Borwin Rusch, Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie des 13. Jahrhunderts (Schriften der Albertus-Universität Königsberg 3, Königsberg 1936) 38–46. Für die Geschichte seit dem 15. Jahrhundert, seitdem die Supplikenregister der Pönitentiarie einsetzen, vgl. Filippo Tamburini, Santi e peccatori. Confessioni e suppliche dai Registri della penitenzieria dell’Archivio Segreto Vaticano (1451–1586) (Milano 1995), und die Einleitung zum ersten Band des Repertorium Poenitentiariae Germanicum von Ludwig Schmugge, Eugen IV. 1431–1447 (Tübingen 1998) I–XXV. Vgl. auch Philippe Levillain, Pénitencierie apostolique, in: Dictionnaire historique de la papauté, hg. von dems. (Paris 1994) 1304f. 144   Die Originalurkunden aus dem Wiener HHStA sind ediert in Acta Salzburgo-Aquileiensia 1: Die Urkunden über die Beziehungen der päpstlichen Kurie und Provinz und Diözese Salzburg in der avignonesischen Zeit, 1316–1348, ed. Albert Lang (Graz 1903) 52 Nr. 34d, 70 Nr. 53b, 122 Nr. 139c, 173 Nr. 229a, 235f. Nr. 283ab, 244 Nr. 292b, 270 Nr. 339a, 276 Nr. 344a, 289 Nr. 372a, 300 Nr. 389a, und weitere aufgelistet bei Göller, Pönitentiarie 2 (wie Anm. 143) 86f., und Filippo Tamburini, Note diplomatiche intorno a suppliche e lettere di penitenzieria (sec. XIV–XV). AHP 11 (1973) 149–208, hier 151 und 189–201. – Beispiele aus dem frühen 15. Jh. bei Patrick Zuthsi, Inextricabilis curie labyrinthus. The Presentation of Petitions to the Pope in the Chancery and the Penitentiary during the Fourteenth and First Half of the Fifteenth Century, in: Päpste, Pilger, Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Meyer et al. (Tübingen 2004) 393–410. 145   Vgl. die ausführliche Besprechung von Richard G. Salomon, Eine russische Publikation zur päpstlichen Diplomatik. NA 32 (1907) 459–475. – Tamburini, Note diplomatiche (wie Anm. 144) 157–171, bringt eine Neuedition und einen ausführlichen diplomatischen und historischen Kommentar, Faksimile nach S. 160.

116

Werner Maleczek

de Gentilibus († 1389), einen aus Camerino stammenden Kardinal, der schon vor seiner Kreation zum KP von S. Sisto durch Urban VI. im September 1378 und Ernennung zum Großpönitentiar im Februar 1382 eine längere kirchliche Karriere durchlaufen hatte. Bischof von Nocera 1363, Vikar in spiritualibus der Stadt Rom durch Gregor XI. 1372, wurde er zwischen 1380 und 1388 mehrfach Vikar des Papstes in temporalibus im Herzogtum Spoleto146.

5. Autographes auf Kardinalstestamenten, Autographes von Testamentsexekutoren im Kardinalsrang Aus dem 13. und 14. Jahrhundert ist eine ansehnliche Zahl von Testamenten von Kardinälen erhalten, und nicht wenige werden zusätzlich in Dokumenten erwähnt, die mit deren letzten Willensäußerungen in Zusamenhang stehen. Eigenhändiges ist auf den Testamenten in der Regel nur sporadisch zu erwarten, denn dies war nach dem Testamentenrecht, das sich aus dem antiken römischen Privatrecht, aus dem Kirchenrecht und aus lokalen Rechtsbräuchen des Notarswesens der Apenninenhalbinsel zu einem Teil des Ius commune entwickelt hatte, nur in wenigen Fällen vorgesehen. Die artes notariae behandelten die formalen und inhaltlichen Erfordernisse für ein rechtsgültiges Testament zum Teil ausführlich. Als Bezugspunkt kann hier das Werk des Rolandinus Passagerii aus Bologna († 1300) dienen, dessen Summa (ab etwa 1255), aus mehreren Abhandlungen – darunter die Flos testamentorum – zusammengesetzt, zum lange wirkenden Standardwerk der Notarskunst wurde. Fast zur Gänze wurde es um 1275 in das ebenso lange und weit reichende Speculum iudiciale des Gulielmus Duranti († 1296) übernommen147. Rolandinus’ Summa wurde an der römischen Kurie quasi zum Standardwerk und prägte die auch dort tätigen öffentlichen Notare bis zum Ausgang des Mittelalters und darüber hinaus148. Nach Rolandinus unterscheidet man zwei Typen von Testamenten, jene in scriptis und jene sine scriptis oder nuncupativa. Das Zweitere wird von einem Notar ausgestellt und zeigt alle Charakteristika eines instrumentum publicum. Die Zeugen und der Erblasser unterschreiben nicht und verwenden auch nicht ihre Siegel. Der Inhalt des Testamentes wird den Zeugen bekannt gemacht, und das Notariatsinstrument wird sine sollemnitatibus ausgestellt. Der andere Typus verlangt nach einigen Formalitäten, sollemnitates … que quidem faciunt illud valere, wie dies Rolandinus ausdrückt. Das Testament sollte eigenhändig geschrieben sein, falls der Testator schreibkundig sei, die sieben Zeugen sollten ei  Vgl. die biographische Notiz bei Tamburini, Note diplomatiche (wie Anm. 144) 166f.   Das Werk ist immer noch im Druck des 16. Jhs. zu benutzen: Summa totius artis notariae Rolandini Rudolphini … (Vendig 1546, Nachdr. Bologna 1977). Vgl. Rolandino e l’ars notaria da Bologna all’Europa. Atti del Convegno Internazionale di Studi Storici sulla Figura e l’Opera di Rolandino; Bologna, 9–10 ottobre 2000, hg. von Giorgio Tamba (Per una storia del notariato nella civiltà europea 5, Milano 2002), darin bes. Giovanni Chiodi, Rolandino e il testamento, in: ebd. 459–582. 148   Zu den publici sancte Romane ecclesie auctoritate notarii vgl. Baumgarten, Von der apostolischen Kanzlei (wie Anm. 140) 1. Tl.: Die päpstlichen Notare im 13., 14. und 15. Jahrhundert, 9–68; Geoffrey Barra­ clough, Public notaries and the papal Curia. A calendar and a study of a Formularium notariorum curie from the early years of the 14th century (London 1934) Einleitung, bes. 13–21; Peter Herde, Öffentliche Notare an der päpstlichen Kurie im dreizehnten und beginnenden vierzehnten Jahrhundert, in: Studien zur Geschichte des Mittelalters. Festschrift Jürgen Petersohn, hg. von Matthias Thumser et al. (Stuttgart 2000) 239–259, wiederabgedr. in: ders., Diplomatik, Kanonistik, Paläographie. Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze 3 (Stuttgart 2008) 485–505. 146 147



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 117

genhändig unterschreiben und ihre Siegel verwenden. Diese Form, die ohne Mitwirkung eines Notars zustandekommt, wäre auch als versiegelte littera clausa bis zum Augenblick des offiziellen Öffnens nach dem Tod des Testators aufzubewahren. Dieses Testament in scriptis war schon zur Zeit des Rolandinus ziemlich selten, und er bemerkte in seinem entsprechenden Traktat a consuetudine temporis nostri testamentum in scriptis est quodammodo alienum149. Aber unter den Kardinalstestamenten und den dazu gehörenden Kodizillen des 13. Jahrhunderts, die Agostino Paravicini Bagliani gesammelt und mustergültig ediert hat, gibt es doch zwei mit eigenhändigen Unterschriften: Hugo von Evesham, KP von S. Lorenzo in Lucina (1281–1287), hängte sein Siegel an das am 15. November 1286 datierte Testament, unterschrieb es eigenhändig und ließ es durch sieben Zeugen ebenfalls unterschreiben und besiegeln150. Guglielmo Longo aus Bergamo, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano (1294–1319), setzte unter das am 18. September 1316 in Lyon ausgestellte Testament vor die beiden Beglaubigungen von Notaren eine Bemerkung, die man als eigenhändige Unterschrift deuten kann151. Unter den testamenta nuncupativa gibt es eine Ausnahme von der Regel. Ottobuono Fieschi, KD von S. Adriano (1252–1276), der spätere kurz regierende Papst Hadrian V. (1276), setzte in seinem am 28. September 1275 in Valence ausgestellten Testament unter die beglaubigende Notiz des Notars ein offensichtlich eigenhändiges Ego Ottobonus, sancti Adriani diaconus cardinalis, predictis his subscripsi et signum meum apposui152. Unter den Kardinalstestamenten der avignonesischen Epoche des Papsttums, die ich finden konnte153, begegnet vereinzelt wieder der 149   Vgl. auch die Zusammenfassung bei Agostino Paravicini Bagliani, I testamenti dei cardinali nel Duecento (Miscellanea della Società romana di storia patria 25, Roma 1980) LXXIX–LXXXIII. 150   Ebd., 42, 207–215. – Es ist nicht original überliefert, sondern nur in einer notariellen Kopie, die in einer weiteren Kopie in das Register des Bischof Geoffrey Giffard von Worcester aus dem späten 13. Jahrhundert Eingang fand. Die eigenhändige Notiz des Kardinals lautete: Ego Hugo, miseracione divina tituli sancti Laurentii in Lucina presbiter cardinalis, testamentum meum seu codicillum, ultimam voluntatem et ordinacionem et disposicionem, seu quocumque modo valere potest, condidi, disposui et ordinavi, secundum quod in presenti carta, que coram vobis subscriptis testibus clausa est, continetur, et ad maiorem certitudunem et firmitatetm omnium premissorum, me propria manu subscripsi et solitum meum sigillum in iuncturis filorum, cum quibus clauditur, a tergo apposui. – Zu Hugo und besonders zum Fragment seines Grabmals in S. Lorenzo in Lucina vgl. Maria Elena Bertoldi, Hugo de Evesham. Tracce sulla pietra di un cardinale inglese a Roma (1281–1287), in: Ab Aquilone. Nordic Studies in Honour of Leonard E. Boyle, hg. von Marie-Louise Rodén (Skrifter utgivna av svenska Riksarkivet 14 = Suecoromana 6, Stockholm 1999) 15–25. 151  Ego Guillelmus sancti Nicholai in carcere Tulliano diaconus cardinalis Iacobinum natum Iacobi nepotem mei, heredem michi institui, et supradicta legata legavi prout est scriptum, et meo solito signo signavi, et sigillum aponi feci in testimonium premissorum. Paravicini Bagliani, Testamenti (wie Anm. 149) 410–422, hier 421. Das Testament ist nicht original überliefert. Vgl. Giuseppe Marchetti-Longhi, Il cardinale Guglielmo de Longis de Adraria di Bergamo. La sua famiglia e la sua discidenza (Roma 1961) 81–85. 152   Paravicini Bagliani, Testamenti (wie Anm. 149) 142–163, hier 163. Weder das Original noch eine kopiale Überlieferung liegen vor. Grundlage ist ein Druck aus dem 17. Jh. – Zur Person vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 27) 90–107. 153  Da es darüber noch keine zusammenfassende Darstellung gibt, sei mir erlaubt, die aufgefundenen gedruckten Texte hier in einer überdimensionierten Fußnote in chronologischer Reihenfolge zu präsentieren. Ergänzungen verdanke ich Andreas Kistner, Düsseldorf, der eine Dissertation über Kardinalstestamente der avignonesischen Zeit vorbereitet. Ihm sei an dieser Stelle herzlich für seine Großzügigkeit gedankt. – Michel du Bec Crespin, KP von S. Stefano in Celiomonte (1312–1318), Urkunde der Exekutoren des Test., 12. 7. 1319, mit längerer wörtlicher Wiedergabe des Test. (aus dem Archiv des Pariser Karmeliterkonventes, ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 277–279). – Arnaud d’Aux, KB von Albano (1312–1324), Test. von 1320 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 3, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 309–316). – Nicolas de Fréauville, KP von S. Eusebio (1305–1323), Test. von 1321 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 3, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 332–334). – Arnaud de Via, KD von S. Eustachio (1317–1335), (Hinweis bei Léopold

118

Werner Maleczek

Duhamel, Un neveu de Jean XXII. Le cardinal Arnaud de Via. Bulletin monumental [1883] 401–435). – Pierre Desprez, KP von S. Pudenziana (1320–1323), KB von Preneste (1323–1361), Test. vom 14. 11. 1360 (nicht im Wortlaut erhalten, ausführlich wiedergegeben bei François Duchesne, Histoire de tous les cardinois françois de naissance [Paris 1660] 442–445, vgl. Lützelschwab, Flectat cardinales [wie Anm. 78] 488–490). – Matteo Orsini, KP von SS. Giovanni e Paolo (1327–1338), KB der Sabina (1338–1340/41), Test. vom 19. 4. 1340 (kein Orig., ed. Stefano Forte, Il cardinale Matteo Orsini OP e il suo testamento. Archivum Fratrum Praedicatorum 37 [1967] 181–276, hier 228–262). – Pierre de Mortemart, KP von S. Stefano in Celiomonte (1327– 1335), Test. wiedergegeben in der Urkunde Clemens’ VI. vom 19. 5. 1342 (kein Orig., teilweise Wiedergabe bei Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 305–307). – Annibale von Ceccano, KP von S. Lorenzo in Lucina (1327–1333), KB von Tusculum (1333–1359), Test. vom 17. 6. 1348 (Orig. in Avignon, Archives départementales de Vaucluse, ed. Dykmans, Le cardinal Annibal de Ceccano [wie Anm. 78] 281–312). – Pedro Gómez, KP von S. Prassede (1327–1341), KB der Sabina (1341–1348), Test. vom 26. 2. 1348 (kein Orig., teilweise ed. Pierre Pansier, Testament du cardinal Pedro Gomez. Annales d’Avignon 4 [1916] 76–84). – Elie Talleyrand de Périgord, KP von S. Pietro in Vincoli (1331–1348), KB von Albano (1348–1364), Test. vom 28. 10. 1360 (kein Orig., ed. Martène–Durand, Thesaurus [wie Anm. 113] 1 1468–1477; Duchesne, Histoire [wie oben] 2 [Preuves] 315–319, vgl. Zacour, Talleyrand [wie Anm. 78] 69–72). – Gozzo da Rimini, KP von S. Prisca (1338–1348), Test. vom 16. 8. 1345 (kein Orig., ed. Cesare Clementini, Raccolto istorico della fondatione di Rimino e dell’origine e vite de’ Malatesti, Bd. 2 [Rimini 1627] 28–31; Luigi Tonini, Storia civile e sacra riminese IV.1: Appendice di documenti [Rimini 1880] 165–172). – Bertrand de Deux, KP von S. Marco (1333– 1348), KB der Sabina (1348–1355). Test. nach Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 440 Anm. 266 (in den Archives départementales de Vaucluse, Avignon, überliefert). – Gui de Boulogne, KP von S. Cecilia (1342–1350), KB von Porto (1350–1374), Test. vom 16. 5. 1372 (kein Orig., ed. Étienne Baluze, Histoire généalogique de la maison d’Auvergne 2 [Paris 1708] 180–184). – Pierre Bertrand le Jeune, KP von S. Susanna (1344–1355), KB von Ostia (1355–1361), Test. vom 5. 7. 1361 (kein Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 359–368; vgl. Lützelschwab, Flectat cardinales [wie Anm. 78] 483f.). – Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Maria in Trastevere (1350–1368), KB der Sabina (1368–1369), Kodizill des Test. vom 4. 3. 1366/67 (Orig., ASV, Instrumenta Miscellanea 2333, ed. Thierry Soulard, Codicilles du testament du cardinal Guillaume d’Aigrefeuille l’Ancien. Bulletin de la Société archéologique et historique du Limousin 115 [1988] 68–72). – Audouin Aubert, KP von SS. Giovanni e Paolo (1353–1361), KB von Ostia (1361–1363), Test. vom 3. und 5. 5. 1363 (kein Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 382–387). – Francesco degli Atti, KP von S. Marco (1356–1361), Test. vom 23. 5. 1361 (Hinweis auf das Orig. in den Archives départementales de Vaucluse in Avignon bei Sonia Comte, Les Célestins du Midi, une antenne de la cour de France à Avignon?, in: Le Midi [wie Anm. 109] 175–208, hier 204). – Pierre de la Jugié, KP von S. Clemente, Test. von 1376, (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 141–149). – Aegidius Albornoz, KP von S. Clemente (1350–1356), KB der Sabina (1356–1367), Test. vom 29. 9. 1364 (Orig. in Bologna, Colegio de España, vgl. Marti, 1372: the Spanish College [wie Anm. 101]). – Niccolò Capocci, KP von S. Vitale (1350– 1361), KB von Tusculum (1361–1368), Test. vom 22. 7. 1368 (kein Orig., ed. Alphonsus Ciaconius, Vitae et res gestae pontificum romanorum et S. R. E. cardinalium 2 [Romae 1677] 511–517). – Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), Test. vom 10. 5. 1385 (kein Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 394–397, und Testament du Cardinal Pierre de Monteruc, 10 mai 1385. Bulletin de la Société scientifique historique et archéologique de la Corrèze 12 [1890] 562–570, Kopie des 17. Jhs. in Paris, BN, ms. lat. 4223, fol. 169–173, vgl. Verger, L’entourage [wie Anm. 140]; Rey-Courtel, Les cardinaux du Midi [wie Anm. 109] 53f.). – Pierre de la Forêt, KP von SS. XII Apostoli (1356–1361), Test. vom 22. 6. 1361 (kein Orig., ed. Louis Froger, Notes sur le testament du cardinal Pierre de la Forêt [1361]. La Province du Maine 20 [1912] 273– 291). – Anglic Grimoard, KP von S. Pietro in Vincoli (1366), KB von Albano (1367–1388), Test. und Kodizill vom 11. und 14. 4.1388 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 327–348; dazu vgl. Vones, Urban V. [wie Anm. 78] 135–138). – Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Stefano in Celiomonte (1367–1407), Test. vom 24. 9. 1394 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze– Mollat [wie Anm. 56] 365–368). – Francesco dei Tebaldeschi, KP von S. Sabina (1368–1378), Test. vom 22. 8. 1378 (kopial in den Libri de schismate, ASV, Arm. LIV, vol. 15, fol. 42–43v, erwähnt von Michael Seidlmayer, Die Anfänge des Großen abendländischen Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit [Spanische Forschungen d. Görresgesellschaft II/5, Münster 1940] 208, zur Fälschung des Testaments durch urbanistische Parteigänger ebd. 314f.; vgl. Voci, Giovanna I d’Angiò [wie Anm. 49] 239f.). – Philippe de Cabassole, KP von SS. Marcellino e Pietro (1368– 1370), KB der Sabina (1370–1372), Test. vom 27. 8. 1372 (nach Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 417–



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 119

Abb. 27: Testament des Giacomo Orsini, KD von S. Giorgio in Velabro (1371–1381), 1376 September 20. Rom, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, II.A.07.016.

Typus des Testamentes in scriptis mit der eigenhändigen Unterschrift und der Besiegelung: Jean de Dormans, der frühere Kanzler König Karls V. von Frankreich, KP von SS. Quattro Coronati (1368–1373), hinterließ davon eine schwache Spur154. Giacomo Orsini, KD von S. Giorgio in Velabro (1371–1381), schrieb nicht nur sein am 20. September 1376 in Form einer littera clausa ausgestelltes Testament eigenhändig, sondern machte in der ersten und letzten Zeile auch entsprechende Vermerke (Abb. 27)155. 425, aus dem Archiv der unweit Avignon gelegenen, vom Kardinal geförderten Kartause Bonpas, deren Archivalien heute in den Archives départementales de Vaucluse in Avignon liegen). – Guillaume de la Sudrie, KP von SS. Giovanni e Paolo (1366–1373), Test. vom 20. 9. 1372 (kein Orig., abschriftlich nach einer Regionalgeschichte des 17. Jh., ed. René Fage, Guillaume Sudre, cardinal limousin. Bulletin de la Société scientifique, historique et archéologique de la Corrèze 2 [1879] 635–707, hier 687–707). – Simon Langham, KP von S. Sisto (1368–1373), KB der Sabina (1373–1376), Test. vom 28. 6. 1375 (kein Orig., ed. Richard Widmore, An history of the church of St. Peter, Westminster [London 1751] app. VI, 184–191). – Pierre de Banac, KP von S. Lorenzo in Damaso (1368–1369), Test. vom 26. 9. 1369 (heute verschollenes Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 431–434, wonach sich das Orig. im Archiv der Augustinerabtei Mortemart, heute Dép. HauteVienne, befand). – Guillaume de Chanac, KP von S. Vitale (1371–1383), Test. vom 29. 12. 1383 (Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 275–289). – Pierre Flandrin, KD von S. Eustachio (1371–1381), Test. vom 17. 1. 1381 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 257–262). – Gui de Malsec, KP von S. Croce in Gerusalemme (1375–1383), KB von Preneste (1383–1412), Test. vom 12. 9. 1407 (kein Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 458–464 nach einer Kopie in Paris, BN, Coll. Moreau 1162, fol. 537v). – Jean de la Grange, KP von S. Marcello (1375–1394), KB von Tusculum (1394–1402), Test. vom 12. 4. 1402 (kein Orig., ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 467–474). – Nicolas de Saint-Saturnin, KP von S. Martino (1378–1382), Test. vom 20. 12. 1381 (Orig. in Clermont-Ferrand, Archives départementales du Puy-de-Dôme, 27 H 18, ed. Duchesne, Preuves [wie Anm. 107] 488–492). – Jacques de Menthonay, KP von SS. Marcellino e Pietro (1383–1391), Test. vom 28. 4. 1391 (kein Orig., ed. Louis Du­hamel, Testament du cardinal Jacques de Montenay (28 avril 1391). Annales d’Avignon et du Comtat Venaissin 4 [1916] 147–159). – Pierre de Cros, KP von SS. Nereo ed Achilleo (1383–1388), Test. vom 27. 2. 1388 und 13. 11. 1388 (keine Orig.e, Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 318–327). – Peter von Luxemburg, KD von S. Giorgio in Velabro (1386–1387), Test. vom 29. 6. 1387 (Orig.?, ed. Étienne Fourier de Bacourt, Vie du bienheureux Pierre de Luxembourg [Paris 1882] 199– 204). – Jean de Murol, KP von S. Vitale (1385–1399), Test. vom 19. 9. 1397 (kein Orig., Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat [wie Anm. 56] 380–390). – Pierre Blet, KD von S. Angelo (1395– 1409), Test. vom 28. 9. 1407, zwei Kodizille vom 23. 10. 1409 und 26. 11. 1409 (kein Orig., ed. Léon-Henri Labande, Pierre Blau, cardinal de Saint-Ange. Son testament et son inventaire [1407–1410]. Annales du Midi 7 [1895] 97–107, 167–211, hier 167–188). 154  Carolus-Barré, Le cardinal de Dormans (wie Anm. 78), Edition des Testamentes, Paris, 29. Oktober 1373, 351–364, hier 364, am Ende der Datierung: … testibus ad hec, per me cardinalem prefatum, vocatis specialiter et rogatis, una cum apposicione manuali proprii nominis mei cardinalis supradicti, in huius rei testimonium veritatis. – Am Ende der beglaubigenden Notiz des Notars steht, wohl vom Kopisten einer etwa gleichzeitigen Kopie hinzugefügt, Et erat ac est scriptum in margine, manu propria dicti domini cardinalis, Jo. cardinalis Belvacen(sis), sic volo tenere. 155   Anno Domini MCCCLXXVIo, indictione XIVo, die XX mensis Septembris pontificatus vero sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Gregorii divina providentia pape undecimi anno sesto. Ego Jacobus infrascriptum testamentum feci et manu propria scripsi in forma que sequitur. … Actum et scriptum fuit predictum testa-

120

Werner Maleczek

Eigenhändige Unterschriften von Testamentsvollstreckern aus dem Kardinalsrang sind vereinzelt auch zu finden. Am 26. Mai 1364 stellten die acht von Hugues Roger, KP von S. Lorenzo in Damaso (1342–1363), dem Bruder Papst Clemens’ VI., zu seinen Testamentvollstreckern bestellten Kardinäle ein Inventar des vom Verstorbenen hinterlassenen umfangreichen Bargeldes zusammen, besiegelten es und unterschrieben mit eigener Hand156. Auch der Gründungsakt der von Hugues Roger gestifteten Kollegiatkirche in Saint-Germain-de-Masseré (Dép. Haute-Vienne) vom 31. Dezember 1384 wurde im Namen der beiden Testamentvollstrecker, der Kardinäle Pierre Raymond de Barrière, KP SS. Marcellino e Pietro (1378–1384), und Hugues de Saint-Martial, KD S. Maria in Portico (1361–1403), von einem Notar ausgefertigt. Hugues de Saint-Martial hängte sein Siegel daran und unterschrieb eigenhändig157.

6. Zweiter Exkurs: Autographes von Kardinälen vor ihrer Kreation Die Motive, die einen Papst zur Kreation eines Kardinals veranlassten, bleiben im Allgemeinen verborgen. Wiederholte Versuche der Mitbestimmung des Kardinalskollegiums scheiterten oder waren kurzzeitige Episoden. Überblickt man die Neuaufnahmen über einen längeren Zeitraum, so werden deutlich: Verwandtschaftsverhältnisse, landsmannschaftliche Nähe, gemeinsame Lebensabschnitte, etwa ein Universitätsstudium am selben Ort, Protektion durch Herrscher, Bewährung in kurialen Ämtern, aber auch gesteigerter Bekanntheitsgrad von prominenten Männern von außen. Dabei spielten wissenschaftliche Bildung und Autorschaft von theologischen und kanonistischen Werken zweifellos eine Rolle158. Diesen Autoren gilt im Folgenden die Aufmerksamkeit, sofern sie autographe Spuren hinterließen. Der Zufall der Überlieferung ist in diesem Bereich besonders hoch zu veranschlagen, der Zufall des Findens nicht minder. Jedenfalls stammen diese autographen Zeugnisse in der Regel aus der Zeit vor der Kreation zum Kardinal. Hugo von Saint-Cher, KP von S. Sabina (1244–1263), hatte eine glänzende Karriere als Dominikaner und Lehrer an der Universität Paris hinter sich, als er von Innocenz IV. mentum propria manu mei testatoris predicti. Anno, mense, indictione et die suprascriptis, in civitate Auinioni, in domibus tunc habitationis mee sitis in dicta civitate in parrochia sancti Desiderii. – Das Original in Rom, Archivio Capitolino, Archivio Orsini, II.A.07.016. Online benützbar: www.archiviocapitolinorisorsedigitali.it [letzter Zugriff: 11. 4. 2016]. Das Kodizill vom 13. 8. 1379 (Orig., Archivio Capitolino, ebd., II.A.07.029) ist ein Notariatsinstrument ohne eigenhändigen Anteil des Kardinals. Das Testament ist bislang nicht ediert, Regesten bei Cesare de Cupis, Regesto degli Orsini e dei conti Anguillara. Bollettino della Società di storia patria A.L. Antinori negli Abruzzi 20 (1908) 183, 190. – Zum Kardinal vgl. Edmond-René Labande, L’attitude de Rinaldo Orsini dans la lutte entre les papes de Rome et d’Avignon (1378–1390). Mélanges d’archéologie et d’histoire 49 (1932) 157–180; Berardo Pio, Art. Orsini, Giacomo. DBI 79 (2013) 654–656. 156  Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 127–131 (kopial aus Paris, BN, Coll. Baluze 21, fol. 59–61), z. B. der höchstrangige Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Maria in Trastevere (1350–1368), später KB der Sabina (1368–1369): Ego Guilelmus, tituli sancte Marie in Trans Tyberim presbiter cardinalis, executor, premissis interfui et propria manu hic me subscripsi. Vgl. Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 465f. 157  Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 290–296: Nos Hugo cardinalis et executor prefatus hic nos manu propria subscripsimus et sigillum nostrum apponi fecimus in testimonium premissorum. – Baluze kopierte das Original im Archiv der Kirche. Heute nur kopial überliefert, Paris, BN, Coll. Baluze 21, fol. 54v. 158  Vgl. die entsprechenden Abschnitte im Handbuch Geschichte des Kardinalats, hg. von Dendorfer– Lützelschwab (wie Anm. 6).



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 121

ins Kardinalskollegium aufgenommen wurde. Er verfasste einen Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, Postillen zum Alten und Neuen Testament, sein Tractatus super missam seu speculum ecclesiae fand weite Verbreitung. An den in seinem Pariser Kloster Saint-Jacques vorgenommenen ersten Bibel-Korrektorien hatte er ebenso maßgeblichen Anteil wie an der Entstehung eines biblischen Nachschlagewerkes Concordantiae Bibliae dictae de S. Jacobo159. Die autographen Zeugnisse sind spärlich. Sie beschränken sich auf handschriftliche Korrekturen in Bibelhandschriften160. Matthäus von Acquasparta, KD von S. Lorenzo in Damaso (1288), KB von Porto (1291–1302) und Großpönitentiar, hatte im Minoritenorden Karriere gemacht. Nach Studien unter Eustache d’Arras in Paris lehrte er dort und in Bologna und dann von 1279 an bis zu seiner Wahl zum Generalminister des Ordens (1287) in Rom am studium curiae. Nach seiner Kreation nahm er vor allem diplomatische Aufgaben im Dienste Nikolaus’ IV. und Bonifaz’ VIII., auf dessen Seite er unverbrüchlich stand, wahr und bemühte sich um Ausgleich zwischen den widerstreitenden Strömungen zwischen Spiritualen und der Kommunität161. Seine Werke, vor seiner Kreation geschrieben und zum Teil noch nicht ediert, sind: Concordantiae in quattuor libros sententiarum, der Commentarius in ­libros sententiarum, dessen erster, eigenhändig geschriebener Band sich in der Biblioteca comunale von Todi, ms. 122, befindet. Der zweite und Fragmente des vierten, ebenfalls autograph, werden in Assisi, Biblioteca comunale, ms. 134, aufbewahrt. Weitere Werke sind Kommentare zu den Psalmen, zur Apokalypse und zum Buch Hiob, und mehrere Quaestiones disputatae und eine gewisse Zahl von Sermones. Eigenhändig manu mea geschriebene Texte finden sich ebenfalls in Assisi, Biblioteca comunale, ms. 460 und 461, einige Handschriften versah er mit umfangreichen Marginalien (Todi 44, Assisi 35), und fünf weitere autographe Handschriften, die heute verschollen sind, werden in der von ihm selbst geschriebenen Schenkungsurkunde über seine 76 Bände umfassende Bibliothek an den Sacro Convento und an S. Fortunato in Todi aus dem Jahr 1287 erwähnt162. 159   Vgl. Manfred Gerwing, Art. Hugo v. St. Cher. LMA 5 (1991) 176f.; Paravicini Bagliani, Cardinali di curia (wie Anm. 8) 256–272. Zu den Werken vgl. das Verzeichnis bei Thomas Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi (Roma 1975–1993) 2 269–281, sonst das Sammelwerk (mit breiter Bibliographie) Hugues de Saint-Cher († 1263), bibliste et théologien, hg. von Louis-Jacques Bataillon–Gilbert Dahan– Pierre-Marie Gy (Bibliothèque d’histoire culturelle du moyen âge 1, Turnhout 2005), und Magdalena Bieniak, The soul-body problem at Paris, ca. 1200–1250. Hugh of St-Cher and his contemporaries (Ancient and medieval philosophy I/42, Leuven 2010). 160  Samuel Berger, La Bible française au moyen âge. Étude sur les plus anciennes versions de la Bible écrites en prose de langue d’oïl (Paris 1884, Nachdr. Genf 1967) 153 (Notizen in Paris, BN, lat. 16719-22), und Reiner L. Lops, La Bible de Macé de la Charité VII. L’Apocalypse (Leiden 1982) XVI (Bezug auf Paris, BN, lat. 16722 und die handschriftlichen Korrekturen). 161   Vgl. Giulia Barone, Art. Matteo d’Acquasparta. DBI 72 (2009) 204–208. Zum Wirken als Kardinal vgl. Peter Herde, Matteo d’Acquasparta cardinale, in: Matteo d’Acquasparta francescano, filosofo, politico. Atti del XXIX Convegno storico internazionale Todi, 11–14 ottobre 1992 (Atti dei convegni del Centro italiano di studi sul basso medioevo N. S. 6, Spoleto 1993) 79–108, wiederabgedr. in: ders., Studien zur Papst- und Reichsgeschichte, zur Geschichte des Mittelmeerraumes und zum kanonischen Recht im Mittelalter. Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze 2,2 (Stuttgart 2005) 585–608; Federico Canaccini, Matteo d’Acquasparta tra Dante e Bonifacio VIII (Medioevo 16, Roma 2008). 162  Vgl. Louis-Jacques Bataillon, La predicazione dei religiosi mendicanti del secolo XIII nell’Italia centrale. Mélanges de l’École française de Rome 89 (1977) 691–694, wiederabgedr. in: ders., La prédication au XIIIe siècle en France et Italie. Études et documents (Variorum Collected Studies 402, Aldershot 1993) XII; ders., Le cardinalat vu par un futur cardinal. Un sermon de Matthieu d’Acquasparta. Archivum Franciscanum Historicum 87 (1994) 129–134; ders., Sermons rédigés, sermons reportés (XIIIe siècle) in: Dal pulpito alla navata. La predicazione medievale nella sua recezione da parte degli ascoltatori (secc. XIII–XV). Convegno In-

122

Werner Maleczek

Abb. 28: Schenkungsurkunde des Guillaume de Peyre Godin, später KP von S. Cecilia (1312–1317), KB der Sabina (1317–1336), 1304 August 25. Bayonne, Archives départementales des Pyrénées Atlantiques, section Bayonne, H 55.

Der in Bayonne um 1260 geborene Guillaume de Peyre Godin trat in den Dominikanerkonvent seiner Heimatstadt ein, durchlief die vorgesehene Ausbildung seines Ordens und war ab 1287 dort als lector theologie tätig. Es folgten Aufgaben als Lehrer der Theologie in mehreren französischen Konventen und 1301–1304 die Würde eines Provinzials in der Provinz Provence und Toulouse. Von 1306 bis 1312 war er magister sacri palatii, d. h. er lehrte die Theologie an der päpstlichen Kurie, was ihm 1312 schließlich die Kardinalswürde von S. Cecilia eintrug. 1317 wurde er zum KB der Sabina promoviert, welche Würde er bis zu seinem Tod im Jahre 1336 beibehielt, reich mit Pfründen ausgestattet. Er führte auch mehrere diplomatische Missionen in Frankreich und Kastilien aus. Sein theologisches Werk ist beachtlich: 1299 bis 1301 kommentierte er die Sentenzen des Petrus Lombardus (Lectura Thomasina). Darin und in seiner Quaestio de individuatione und in De causa immediata ecclesiasticae potestatis zeigt er sich als hervorragender Kenner des Thomas von Aquin. Schon vor seiner Übersiedlung an die päpstliche Kurie vermachte er seine reiche Bibliothek dem Konvent von Bayonne. Die von ihm dazu ausgestellte Urkunde vom 25. August 1304, Paris, schrieb er selbst mit eigener Hand (Abb. 28) 163. Spätere ternazionale di Storia Religiosa in Memoria di Zelina Zafarana, Firenze 5–7 giugno 1986, hg. von Gian Carlo Garfagnini (Medioevo e Rinascimento. Annuario del Dipartimento di studi sul Medioevo e il Rinascimento dell’Università di Firenze 3, Firenze 1989) 69–86; Enrico Menestò, La biblioteca di Matteo d’Acquasparta, in: Matteo d’Acquasparta (wie Anm. 161) 257–291. In diesen Kongressakten sind zahlreiche Beiträge zu Matteo, jeweils mit umfangreicher Bibliographie, abgedruckt. Zusammenfassend nun Jacqueline Hamesse, Les autographes de Matthieu d’Acquasparta, in: Medieval autograph manuscripts. Proceedings of the XVIIth Colloquium of the Comité International de Paléographie Latine, held in Ljubljana, 7–10 September 2010, hg. von Nataša Golob (Bibliologia 36, Turnhout 2013) 201–208, und Amandine Postec, Processus et formes d’écriture d’un maître universitaire au XIIIe siècle: Matthieu d’Aquasparta, ses autographes et leurs copies, in: ebd. 209–226. 163  Das Original liegt in den Archives départementales des Pyrénées Atlantiques, section Bayonne, H 55, und kann im Internet eingesehen werden. Ediert wurde die Urkunde von Marie-Hyacinthe Laurent, Le testament et la succession du cardinal dominicain Guillaume de Pierre Godin. Archivum Fratrum Praedicatorum 2 (1932) 84–231, hier 107–111. Vor dem Datum steht: In predicte igitur donationis et recognitionis testimonium sigillum meum apposui presentibus mea propria manu scriptis. – Das Testament und das Kodizill ebd. 114–143, 143–154. Es handelt sich um Notariatsinstrumente. Zu seinem Leben vgl. auch William David MacCready, The Theory of Papal Monarchy in the 14th Century. Guillaume de Pierre Godin, Tractatus de causa immediata ecclesiastice potestatis (Studies and Texts 56, Toronto 1982) 7–33; Adeline Rucquoi, El cardenal legato Guillaume Peyre de Godin. Revista española de derecho canónico 47 (1990) 493–516; Wouter Goris–Martin Pickavé, Die Lectura Thomasina des Guilelmus Petri de Godino (ca. 1260–1336). Ein Beitrag zur Text- und Überlieferungsgeschichte, in: Roma, magistra mundi. Itineraria culturae medievalis. Parvi flores. Mélanges offerts au Père Leonard E. Boyle à l’occasion de son 75e anniversaire, hg. von Jacqueline Hamesse (Textes et études du moyen âge 10/3, Louvain-la-Neuve 1998) 83–109. – Vgl. die Lexikonartikel von Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum (wie Anm. 159) 2 152–155; 4 107; ders.–Guillaume Mollat, Art. Guillaume de Peyre de Godin.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 123

Schriftstücke, wie das Testament vom 22. Dezember 1335 und das Kodizill vom 26. April 1336 sind hingegen nicht mehr autograph. Als Pierre Ameilh zusammen mit anderen sechs verlässlichen Parteigängern im Dezember 1378 von Clemens VII. den Kardinalshut erhielt – KP von S. Marco (bis zu seinem Tod 1389) –, war er fast 70 Jahre alt und hatte eine lange kirchliche Karriere hinter sich. Er stammte aus der Auvergne, trat in den Benediktinerorden ein, genoss eine juristische Ausbildung und profitierte von seiner Nähe zu Gui de Boulogne, den er wiederholt auf dessen Legationen begleitete, ungeachtet der Abtswürde von Saint-Bénigne in Dijon (seit 1355). 1362 erhielt er das Erzbistum von Vienne, schon im darauffolgenden Jahr 1363 das Erzbistum Neapel aus der Hand Urbans V. Dort scheiterte er in den intrigenreichen politischen Winkelzügen zur Zeit der Königin Johanna und musste 1365 eine Art Strafversetzung in das kleine, arme Erzbistum Embrun in den Bergen der nördlichen Provence hinnehmen. Nichtsdestoweniger hielt er sich noch jahrelang weiterhin in Neapel auf und blieb in Beziehungen zu Avignon und Paris. Diese Jahre – vom Juni 1363 bis zum November 1369 – erschließt in großer Genauigkeit ein von Pierre Ameilh selbst unterhaltenes Briefregister mit fast 500 Eintragungen. Es enthält nicht nur zahlreiche von Pierre selbst ausgeführte Korrekturen, Zusätze und Marginalien, sondern auch einige zur Gänze, einige großteils eigenhändig geschriebene Texte164. Eine vatikanische Handschrift mit persönlichen Notizen zu allerlei Zahlensymbolik in Bezug zu Geschichten des Alten Testamentes und zur Weissagung der Zukunft, die seine umfassende Bildung und Belesenheit unterstreichen, geht mit Sicherheit ebenfalls auf Pierre Ameilh zurück, denn in ihr hat sich ein an ihn adressierter Brief erhalten, den er mit seinen Bemerkungen vollschrieb165. Pierre Roger, der spätere Papst Clemens VI. (1342–1352), hatte vor seiner Kreation zum KD von SS. Nereo e Achilleo (1338) eine brillante kirchliche Laufbahn zurückgelegt. Um 1290/91 aus einem kleinadeligen Geschlecht des Limousin geboren, wurde er als Zweitgeborener schon als Kind den Benediktinern von La Chaise-Dieu übergeben. Im Jahre 1307 als Student nach Paris geschickt, absolvierte er den theologischen Studiengang, den er 1323 mit dem Doktorgrad abschloss. In der Folge unterrichtete er das kanonische Recht und trat mit mehreren Traktaten hervor. 1326 wurde er Abt von Fécamp in der Normandie, hielt sich jedoch meist in Paris auf, wo er als Berater König Philipps VI. wirkte. Deshalb vollzog sich sein Aufstieg sehr rasch: 1328 Bischof von Arras, 1329 Erzbischof von Sens, 1330 Erzbischof von Rouen. Meistens war er im Dienst seines DHGE 22 (1988) 986f., und Manfred Gerwing, Art. Wilhelm Petrus v. Godino. LMA 9 (1998) 183. – Von seinen Werken, die z. T. handschriftlich weit verbreitet sind, ist keines autograph. 164   ASV, Arm. 53, vol. 9, ed. in La correspondance de Pierre Ameilh, archevêque de Naples puis d’Embrun (1363–1369), ed. Henri Bresc (Sources d’histoire médiévale 6, Paris 1972), mit der Biographie in der Einleitung (XXX–LIX). Zusammengefasst bei Philippe Genequand, Une politique pontificale en temps de crise. Clément VII d’Avignon et les premières années du Grand Schisme d’Occident (Bibliotheca Helvetica Romana 35, Basel 2013) 432–435. Die Eigenhändigkeit einzelner Eintragungen konstatierte schon Eugène MartinChabot, Le Registre des lettres de Pierre Ameilh, archevêque de Naples (1363–1365), puis d’Embrun (1365– 1379). Mélanges d’archéologie et d’histoire 25 (1905) 273–292, 285f. die Edition von Br. 342. – Die eigenhändig ins Register eingetragenen Briefe sind die Nr. 27 (großteils), 44 (großteils), 190 (großteils), 240, 293, 295, 316, 331, 332, 335, 342, 442, 445, 446, 447. 165   BAV, Cod. Borghes. 354, vgl. Anneliese Maier, Notizie del XIII e XIV secolo da codici borghesiani 4: Un manoscritto del cardinale Petrus Amelii. RStCh 4 (1950) 164–185, hier 176, wiederabgedr. in: dies., Ausgehendes Mittelalter 2 (wie Anm. 118) 35–58, hier 49f.; Henri Bresc, La mystique de la Rome avignonnaise et la numérologie chrétienne de Pierre Ameilh, in: Le Midi (wie Anm. 109) 109–132. Seine Bildung geht aus seinem Bücherbesitz hervor: Marie-Henriette Jullien de Pommerol–Jacques Monfrin, Bibliothèques ecclésiastiques au temps de la papauté d’Avignon 2: Inventaires de prélats et de clercs français (Paris 2001) 470–472.

124

Werner Maleczek

königlichen Herren tätig, auch als Anwalt seiner Interessen in Avignon166. Seine Bildung war sehr breit, die Zeitgenossen beeindruckte er vor allem durch seine Predigten. In der für seine Zeit überaus umfangreichen Bibliothek, die nach seinem Tod die Sammlung der avignonesischen Päpste bereicherte, finden sich auch einige Autographen, überwiegend aus seiner Pariser Zeit: Medizinische Traktate, Disputationes über die Sentenzen des ­Petrus Lombardus (1321), andere Kommentare zum gleichen Werk, ein teilweise erhaltener Psalmenkommentar, die lateinischen Übersetzungen des Kommentars des Averroes zur Nikomachischen Ethik (1312/1316), Quaestiones quodlibetales (1323 und später), ein anderer Psalmenkommentar, Traktate des Aristoteles zur Naturkunde und die entsprechenden Kommentare des Albertus Magnus, ein anderes Fragment eines Sentenzenkommentars, Quaestiones zu Aristoteles und zu den Evangelien, mathematische und astronomische Traktate167. In anderen Handschriften brachte er kurze Kommentare und Marginalien an168. Pierre de la Forêt, KP von SS. XII Apostoli (1356–1361), hatte vor seiner Kreation hohe geistliche und weltliche Würden bekleidet: Professor an der Universität Orléans, Advokat am Parlament, Kanzler des Königreiches 1349, wenige Wochen später Bischof von Tournai, ein Jahr später 1350 Bischof von Paris, 1352 Erzbischof von Rouen, Kanzler des Königreiches Frankreich. Diese Funktion wurde von 1356 bis 1359 unterbrochen, aber König Johann II. setzte ihn wieder ein und behielt ihn in seiner Nähe bis zu seinem Tod im Juni 1361. Dann fungierte er auch als Berater des Regenten, des späteren Karl V. Eine Besonderheit ist seine autographe Unterschrift auf einem feierlichen Privileg König Johanns II. vom Oktober 1353, mit dem dieser eine Urkunde Ludwigs VI. von 1111 für Saint-Denis vidimierte und bestätigte. Es ist tatsächlich eine große, sonst nie belegte Ausnahme, dass der königliche Kanzler im 14. Jahrhundert eigenhändig ein königliches Diplom unterfertigte169. Guy de Malsec, der als cardinalis Pictavensis oder Palestrinus eine der prägenden Persönlichkeiten des Kardinalskollegiums während des Großen Schismas war und maßgeb166   Vgl. John E. Wrigley, Clement VI before his pontificate. The early life of Pierre Roger (1290/91– 1342). Catholic Historical Review 56 (1970) 433–473, und zusammengefasst bei Wood, Clement VI (wie Anm. 78) 7–11, und Lützelschwab, Flectat cardinales (wie Anm. 78) 45–50. 167   BAV, Cod. Borghes. 13, 34, 39, 57, 69, 83, 89, 134, 157, 247. Vgl. Anneliese Maier, Der literarische Nachlaß des Petrus Rogerii (Clemens VI.) in der Borghesiana. Recherches de théologie ancienne et médiévale 15 (1948) 332–356; 16 (1949) 72–98, wiederabgedr. in: dies., Ausgehendes Mittelalter 2 (wie Anm. 118) 255– 315, 503–517; Etienne Anheim, La bibliothèque personnelle de Pierre Roger/Clément VI, in: La vie culturelle, intellectuelle et scientifique à la cour des papes d’Avignon, hg. von Jacqueline Hamesse (Textes et études du moyen âge 28, Turnhout 2006) 1–48; Jacqueline Hamesse, Les instruments de travail utilisés par Jean XXII et Clément VI, témoins de leurs intérêts scientifiques, in: Per scrutationem philosophicam. Neue Perspektiven der mittelalterlichen Forschung. Loris Sturlese zum 60. Geburtstag, hg. von Alessandra Beccarisi et al. (Corpus philosophorum teutonicorum medii aevi, Beih. 4, Hamburg 2008) 332–347, bes. 341–346. 168   BAV, Cod. Borghes. 362 (1314 verfasst, enthält Quaestiones des Thomas von Aquin, seine Sentenzenkommentare, eine Kurzform des Richardus Rufus zum Kommentar des Bonaventura zu Petrus Lombardus), Cod. Borghes. 121 (Quodlibeta des Gottfried von Fontaines, Aegidius Romanus und Jakob von Viterbo), Cod. Borghes. 161 (Traktate des Thomas von York, des John Peckham und Quaestiones des Bonaventura), Cod. ­Borghes. 316 (Kommentar zu den Sentenzen des Wilhelm von Auxerre). 169  Paris, AN K 47 Nr. 23, ed. Octave Morel, La grande chancellerie royale et l’expédition des lettres ro­yaux de l’avènement de Philippe de Valois à la fin du XIVe siècle. 1328–1400 (Mémoires et documents de l’École des chartes 3, Paris 1900) 132–137, Kommentar 131: „anomalie la plus remarquable … le fait diplomatique le plus curieux que j’aie rencontré au XIVe siècle … un des seuls exemples que l’on connaisse“ – Et ego Petrus, cancellarius, archiepicopus Rothomagnesis presentes litteras vidi et relegi et hic manu proria me subscripsi in testimonium veritatis. Cancellarius.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 125

lich für die Wahl Benedikts XIII. verantwortlich wurde, begann seine kuriale Karriere unter Urban V. als Referendar und Kaplan. Von diesem wurde er 1370 zum Bischof von Lodève, im Jahr darauf zum Bischof von Poitiers ernannt, ohne Avignon ernsthaft zu verlassen. 1375 kreierte ihn Gregor XI. zum KP von S. Croce in Gerusalemme, 1383 promovierte ihn Clemens VII. zum KB von Palestrina. Schon als Referendar und Bischof von Poitiers führte er ab Dezember 1371 ein Verzeichnis von speziellen Benefizialreservierungen, das heute noch in den Archives départementales in Avignon erhalten ist und das er als Kardinal bis zum April 1377 fortsetzte170. Martin de Zalva, KP von S. Lorenzo in Lucina (1390–1403), der als enger Vertrauter Clemens’ VII. zu seiner Kardinalswürde gelangte, wird uns als Redaktor der wichtigsten Quellensammlung zum Schisma, der umfangreichen Libri de schismate, gleich begegnen171. Als letztes Beispiel sei hier auf Pierre Ravat hingewiesen, der von Benedikt XIII. im Jahr 1408 als einer seiner getreuesten Gefolgsleute den Kardinalstitel von S. Martino ai Monti erhielt und in seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod im Jahr 1417 jenseits der Pyrenäen lebte. Er war Kanzler der Universität Toulouse gewesen, hatte sich in Diensten des Luna-Papstes in Avignon und auf mehreren Legationsreisen bewährt und wurde 1395 Bischof von Mâcon. Knapp nach seiner Translation auf den Bischofssitz von Saint-Pons-de-Thomières 1398 schickte ihn Benedikt XIII. auf die große Versammlung der französischen Kirche in Paris im Mai dieses Jahres. Auf ihr sollte der hauptsächlich vom (Ehren-)Patriarchen von Alexandrien Simon de Cramaud, der prominentesten Persönlichkeit der französischen Kirche, betriebene Entzug der Obödienz gegenüber Benedikt XIII. vorbereitet werden. Pierre Ravat hielt in mehreren Ansprachen an dessen Rechtmäßigkeit fest. Am 10. Juni erging der königliche Auftrag, dass alle Teilnehmer in Freiheit ihr Votum schriftlich formulieren sollten. Durch einen Glücksfall der Überlieferung sind alle 293 autographen Stimmzettel mit den persönlichen Unterschriften erhalten geblieben172. Ravat blieb bei seiner Meinung, aber er gehörte der Minderheit an. Der von ihm eigenhändig formulierte und unterschriebene Text resümiert die wichtigsten Argumente (Abb. 29)173. Am 28. Juli 1398 wurde der Gehorsamsentzug durch den königlichen Kanzler verkündet. Ravat wurde 1405 von Benedikt XIII. zum Erzbischof von Toulouse erhoben, musste aber seinen Sitz auf königliches Geheiß im darauffolgenden Jahr räumen174. Von Ravat stammt auch die eigenhändige Kommentierung der Informatio seriosa, einer Schrift, die 1399 im Auftrag Benedikts XIII. während dessen Gefangenschaft im Papstpalast von Avignon entstand und eine offizielle Darlegung des ersten (1394/95) und fünften Jahres seines Pontifikates (1398/99) bieten sollte175. Gedacht war sie wohl als 170   Vgl. Michel Hayez, Les réserves spéciales de bénéfices sous Urbain V et Grégoire XI, in: Aux origines (wie Anm. 76) 237–249. 171   Siehe unten 129f. 172   Le vote de la soustraction d’obédience en 1398. Bd. 1: Introduction. Édition et fac-similés des bulletins de vote, ed. Hélène Millet–Emmanuel Poulle (Paris 1988). – Der angekündigte zweite Band ist nie erschienen. 173   Ebd. 112f. Nr. 62, Taf. 62. 174   Zu Ravat vgl. Fabrice Ryckebusch, Vital de Castelmaurou et l’Église de Toulouse dans la tourmente du Schisme, in: Le Midi (wie Anm. 109) 395–441; Barbara von Langen-Monheim, Die Informatio seriosa Papst Benedikts XIII. von 1399. Stufen einer kirchenpolitischen Denkschrift von 1399 bis zum Konzil von Perpignan 1408 (Diss. Aachen 2004) 127f. – Zur Kirchenversammlung von 1398 vgl. Howard Kaminsky, Simon de Cramaud and the Great Schism (New Brunswick [NJ] 1983) 207–243. 175   Zum Teil ediert in Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 399–408

126

Werner Maleczek

Abb. 29: Erklärung des Pierre Ravat, später KP von S. Martino (1404–1417) im Gefolge der Versammlung des französischen Klerus, 1398, Juni/Juli. Paris, AN, J 518, fol. 466f.

Teil einer größeren Abhandlung Benedikts über das Schisma176. Die Informatio seriosa ist unter anderem innerhalb der umfangreichen Dokumentation der Libri de schismate des Martin de Zalva, von der gleich die Rede sein soll, überliefert177. Pierre Ravat erhielt das Material nach Zalvas Tod (22. Oktober 1403) und versah den ersten Teil der Informatio seriosa (zu 1394/95) eigenhändig mit umfangreichen Randglossen, die seine genaue Kenntnis der Vorgänge und seine überragenden intellektuellen Fähigkeiten unter Beweis stellen178. Aber nicht nur dies: in der zweiten Jahreshälfte 1407 fügte er – wieder eigenhändig – eine zusammenfassende Begutachtung an179.

7. Die Epoche des Großen Schismas, die ersten Jahre Die Epoche des Großen Schismas rückt die Kardinäle näher zum Mittelpunkt des Interesses. In den knapp vier Jahrzehnten zwischen 1378 und 1417 fungieren sie relativ häufig als Papstwähler und haben es auch in der Hand, das Schisma fortzusetzen oder zu beenden. Nacheinander und nebeneinander zählt man neun Päpste, zwei avignonesische, vier römische, zwei pisanische und schließlich Martin V. als den fast überall akzeptierten Inhaber des Stuhles Petri. Da jeder der Päpste seine Obödienz zu erweitern und zu stabilisieren suchte, bot die Vergrößerung des jeweiligen Kardinalskollegiums einen erfolgversprechenden Ansatz. Über 120 neue Purpurträger standen ihren jeweiligen Herren bei, diejenigen nicht mitgerechnet, die die Obödienz wechselten. Dabei ging die Bevorzugung von Männern aus dem Süden Frankreichs zu Ende (In den 70 Jahren zwischen Clemens V. und Gregor XI. waren etwa 130 Kardinäle kreiert worden.). Italien rückte wieder in den Vordergrund, wobei die Schwerpunkte zwischen dem Königreich Nr. 238, und Franz Ehrle, Aus den Acten des Afterconcils von Perpignan 1408. Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte 5 (1889) 385–492, jetzt kritisch unter Verwendung aller Handschriften von Langen-Monheim, Informatio seriosa (wie Anm. 174) Quellenanhang 1–22. 176   Vgl. Dieter Girgensohn, Ein Schisma ist nicht zu beenden ohne die Zustimmung der konkurrierenden Päpste. Die juristische Argumentation Benedikts XIII. (Pedro de Luna). AHP 27 (1989) 197–247, hier 241, wo die Informatio seriosa eingeordnet wird. 177  ASV, Arm. LIV, vol. 23, fol. 195r –205r. 178  Vgl. Langen-Monheim, Informatio seriosa (wie Anm. 174) 133–145, und Quellenanhang 59–82. 179  Ebd., fol. 191r–192v. Ed. Ehrle, Aus den Acten (wie Anm. 175) 489–492, und Langen-Monheim, Informatio seriosa (wie Anm. 174) Quellenanhang 23–26.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 127

Neapel (Bonifaz IX.), Venedig (Gregor XII., Johannes XXIII.) und Florenz wechselten. Die Verengung auf Aragón (Benedikt XIII.) erscheint als ein Gegengewicht. Neben der landsmannschaftlich oder nepotistisch begründeten Auswahl der Kandidaten wurde das Motiv, hochqualifizierte, gelehrte Männer zu berufen, immer deutlicher. Die Tätigkeit der Kardinäle veränderte sich nicht grundsätzlich: jede der Kurien hatte wie bisher mehrere Behörden mit qualifiziertem Personal, denen Kardinäle, etwa als Leiter der Kanzlei, der Kammer, der Pönitentiarie und der Gerichtshöfe, vorstanden. Aber die Zahl der Legationen, zumeist Kardinälen anvertraut, stieg deutlich an, um die eigene Obödienz zu stärken und die gegnerische zu schwächen. Am nachhaltigsten wirkte die ideelle Grundlegung des Kardinalates durch den Konziliarismus, der die absolute Stellung des Papstes in Frage stellte und größeren repräsentativen Personengruppen – darunter auch dem Kardinalskolleg – größere Entscheidungsbefugnisse einräumen wollte. In diesem Sinn stellt das Konzil von Pisa 1409 einen Höhepunkt kardinalizischer Machtentfaltung dar. Die durch das Große Schisma gesteigerte Bedeutung der Kardinäle fand ihren Widerhall auch in der Zunahme von Schriftlichkeit. Die Zahl der gemeinsam oder einzeln hervorgebrachten Dokumente wuchs deutlich, die schriftliche Auseinandersetzung mit dem Anhang der jeweiligen „Gegenpäpste“ und die schriftliche Beeinflussung der weltlichen Anhänger brachte erheblich mehr an Quellen hervor180. Bevor das Schriftgut der Kardinäle präsentiert und besonders die Frage der Eigenhändigkeit behandelt werden soll, scheint es sinnvoll, zunächst einige Fakten zum Ausbruch des Schismas von 1378 in Erinnerung zu rufen, um den Hintergrund für die massiv zunehmende Schriftlichkeit auszuleuchten. Nur etwas mehr als 14 Monate regierte der aus Avignon nach Rom zurückgekehrte Gregor XI. in der Ewigen Stadt, und bei seinem Tod am 27. März 1378 herrschte Unfriede im Patrimonium Petri und in Ober- und Mittelitalien. Die römische Bevölkerung hatte Angst, das eben wiedergewonnene Papsttum zu verlieren, und machte Druck auf die Kardinäle – sechs von ihnen waren noch in Avignon –, einen römischen oder doch wenigstens einen italienischen Papst zu wählen. Das am 7. April begonnene Konklave im Vatikan wurde immer wieder gestört, aber die versammelten Kardinäle, elf Franzosen, mehrheitlich aus dem Süden des Landes, vier Italiener und ein Spanier, konnten sich nicht auf einen unter ihnen selbst einigen. Ein geordnetes Wahlverfahren erwies sich bald als unmöglich. Am nächsten Morgen, dem 8. April, entschloss sich ein Teil der Kardinäle, einen Nicht-Kardinal zu wählen, den Erzbischof von Bari, Bartolomeo Prignano, der viele Jahre in Avignon als Mitglied der Kanzlei verbracht hatte und seit der Rückkehr Gregors XI. die Kanzlei als Vertreter des in Avignon zurückgebliebenen Vizekanzlers, Pierre de Monteruc, leitete. Am Nachmittag versuchte die Mehrzahl der Kardinäle, diese Wahl des Prignano zu wiederholen, aber es kam nicht dazu, denn die Volksmenge stürmte das Konklave und erhob den alten römischen Kardinal Francesco dei Tebaldeschi, der sich heftig dagegen sträubte, zum Papst. Die anderen Kardinäle zerstreuten sich, flohen zum Teil in die Engelsburg, zum Teil in ihre festen Quartiere. Am nächsten Tag fanden sich die Kardinäle wieder im Vatikan ein und beendeten den unterbrochenen Wahlgang zugunsten Prignanos, der sich Urban VI. nannte. An der Inthronisation nahmen alle in Rom 180  Vgl. die zusammenfassende Charakterisierung durch Philippe Genequand, Kardinäle, Schisma und Konzil: das Kardinalskolleg im Großen Abendländischen Schisma, in: Geschichte des Kardinalats (wie Anm. 6) 303–334, der 456–458 auch einen Überblick über die Forschungsliteratur bringt. Er ersetzt die entsprechenden Abschnitte von Guillaume Mollat, Contribution à l’histoire du Sacré Collège de Clément V à Eugène IV. RHE 46 (1951) 22–112, 566–594.

128

Werner Maleczek

anwesenden Kardinäle teil und erkannten ihn nach außen hin in den nächsten Wochen als Papst an. Aber bei einem Teil der Wähler gab es Vorbehalte, sie betrachteten die Wahl als erzwungen, Zweifel über die Gültigkeit tauchten rasch auf. Es kam also darauf an, wie sich der neue Papst Urban VI. verhalten würde und ob so die Mängel des Wahlaktes durch einen Konsens geheilt würden. Aber Urban stieß bald seine Wähler und seine Umgebung vor den Kopf, es kam zu Auseinandersetzungen und Zusammenstößen mit den Kardinälen, anderen hohen geistlichen und weltlichen Würdenträgern und widersprüchlichen politischen Entscheidungen. Er wirkte hochfahrend, strich überall seine Machtvollkommenheit heraus und gerierte sich unerträglich autoritär, sodass sich bei seinen Wählern die Überzeugung von einer pathologischen Persönlichkeit, die dem Amt nicht gewachsen sei, verdichtete. Im Juni 1378, als die Kurie traditionell die heiße Stadt verließ, fanden sich die meisten Kardinäle in Anagni ein und kamen nach intensiven Gesprächen zur Überzeugung, dass die Wahl ungültig gewesen sei und dass man entweder zu einer Wiederwahl zusammenkommen oder ein Konzil einberufen oder den nicht voll regierungsfähigen Papst unter Kuratel stellen müsse. Urban verschärfte die Lage, indem er unnachgiebig vollständige Unterwerfung verlangte und auch nicht persönlich in Anagni erschien. Im Juli und im August fielen die Kardinäle von Urban VI. ab, redigierten die entsprechenden Schriftstücke und verschickten diese. Entscheidende Verhandlungen aller Kardinäle fanden von Mitte September an in Fondi statt, etwa 60 km weiter im Süden des Patrimonium und im Schutz der Caetani. Das Konklave fand am 20. September statt, am 21. wurde die Wahl des mit dem französischen König verwandten Robert von Genf, der den Namen Clemens VII. annahm, publiziert, am 31. Oktober wurde er gekrönt. Das Schisma war Realität geworden181. Über die Vorgänge dieses halben Jahres weiß man gut Bescheid, denn bis zum Jahre 1386 wurden in mehreren Kampagnen auf Betreiben der aragonesischen und kastilischen Könige in Rom, Barcelona, Medina del Campo und Avignon etwa 150 Zeugen befragt, um über die umstrittene Wahl Klarheit zu erlangen und die Entscheidung für den 181   Das Werk von Valois, Schisme (wie Anm. 49), ist immer noch unersetzlich. Die ausführliche Darstellung von Etienne Delaruelle–Edmond-René Labande–Paul Ourliac, L’Église au temps du grand schisme et de la crise concilaire (1378–1449), 2 Bde. (Histoire de l’Église 14, Paris 1962–64), ist trotz des über 50 Jahre zurückliegenden Erscheinungsdatums noch immer vorzüglich. – Rezentere Zusammenfassungen: Paul Ourliac, Das Schisma und die Konzilien, in: Die Zeit der Zerreißproben (1274–1449), hg. von Michel Mollat–André Vauchez (Die Geschichte des Christentums 6, Freiburg 1991) 75–132; Heribert Müller, Die kirchliche Krise des Spätmittelalters. Schisma, Konziliarismus, Konzilien (Enzyklopädie deutscher Geschichte 90, München 2012). – Als Nachschlagewerk sehr nützlich: A companion to the Great Western Schism: 1378–1417, hg. von Joëlle Rollo-Koster–Thomas M. Izbicki (Leiden 2009). – Zum Ausbruch des Schismas und dessen ersten Jahren vgl. die immer noch gültigen Werke von Michael Seidlmayer, Die Anfänge des großen abendländischen Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbesondere der spanischen Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft II/5, Münster 1940); Walter Ullmann, The Origins of the Great Schism. A Study in XIVth Century Ecclesiastical History (London ²1967); Olderico Přerovsky, L’elezione di Urbano VI e l’insorgere dello Scisma d’Occidente (Miscellanea della Società romana di storia patria 20, Roma 1960); Roger Charles Logoz, Clément VII (Robert de Genève). Sa chancellerie et le clergé romand au début du Grand Schisme (1378–1394) (Mémoires et documents publiés par la Société d’histoire de la Suisse romande III/10, Lausanne 1974) 39–81; Marc Dykmans, La troisième élection du pape Urbain VI. AHP 15 (1977) 217–264; Genèse et débuts du grand schisme d’Occident. Colloque international, Avignon 25–28 septembre 1978 (Colloques Internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique 586, Paris 1980), und die rezenteren Zusammenfassungen von Armand Jamme, Renverser le pape. Droits, complots et conceptions politiques aux origines du Grand schisme d’Occident, in: Coups d’État à la fin du Moyen Âge? Aux fondements du pouvoir politique en Europe occidentale, hg. von François Foronda et al. (Collection de la Casa de Velázquez 91, Madrid 2005) 433–482, und Genequand, Clément VII (wie Anm. 164) 55–67.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 129

Abb. 30: Notizen des Martin de Zalva, später KP von S. Lorenzo in Lucina (1390–1403), in den Materialien zum Ausbruch des Schismas, 1378 bis 1386. ASV, Arm. LIV, vol. 27, fol. 101r. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

avignonesischen Papst besser abzustützen. Das auf diese Weise zustandegekommene und bis dato oft benützte, aber nur zum geringen Teil kritisch edierte Material ist im Wesentlichen an zwei Orten überliefert: Einerseits im ms. lat 11745 der Bibliothèque Nationale de France, andererseits in der 35 Bände umfassenden Sammlung der Libri de schismate (ASV, Arm. LIV, vol. 14–48). Die im Vatikan verwahrten Libri wurden von einem Anhänger Benedikts XIII., Martino de Zalva, Bischof von Pamplona seit 1377, später dann KP von S. Lorenzo in Lucina (1390–1403), zusammengestellt und zum Teil mit Anmerkungen versehen (Abb. 30)182. Gerade für unser Thema stellen diese durchwegs kopialen 182   Vgl. Andreas Rehberg, Le inchieste dei re d’Aragona e di Castiglia sulla validità dell’elezione di Urbano VI nei primi anni del grande Scisma, in: L’età dei processi. Inchieste e condanna tra politica e ideologia del ’300. Atti del convegno di studio svoltosi in occasione della XIX edizione del Premio internazionale Ascoli Piceno, 30 novembre–1 dicembre 2007, ed. Antonio Rigon–Francesco Veronese (Roma 2009) 249–304; ders., Ein „Gegenpapst“ wird kreiert. Fakten und Fiktionen in den Zeugenaussagen zur umstrittenen Wahl Urbans VI. (1378), in: Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen, hg. von Harald Müller–Brigitte Hotz (Papsttum im mittelalterlichen Europa 1, Wien 2012) 231–259, bes. 233–238; Patrick Zutshi, Continuity and discontinuity in the chanceries of Urban VI and Clement VII, in: ebd., 285–313, bes. 285–287, in Ergänzung und Korrektur von Michael Seidlmayer, Die spanischen „Libri de Schismate“ des Vatikanischen Archivs, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens, hg. von Johannes Vincke (Spanische Forschungen d. Görres-Gesellschaft I/8, Münster 1940) 199–262. Ergänzungen durch Quellenmaterial aus dem Archivo de la Corona de Aragón schon bei Dieter Emeis, Peter IV., Johann I. und Martin von Aragon und ihre Kardinäle (Spanische Forschungen d. Görres-Gesellschaft I/17. Gesammelte Aufsätze zur Kulturge-

130

Werner Maleczek

Überlieferungen eine ertragreiche Fundgrube dar, denn in so manchen Zeugenaussagen werden Kardinäle erwähnt, die in diesen turbulenten Monaten selbst zur Feder griffen. Die Eigenhändigkeit verweist auf die höhere Verantwortung der Entscheidungsträger, auf das größere Gewicht, das sie ihren schriftlichen Äußerungen beimaßen. Dies war auch den Zeitgenossen bewusst. Dies lässt sich in Beziehung setzen zu einem Hinweis des Dietrich von Niem, der in seinem Traktat De scismate berichtet, Papst Urban VI. habe auf der Suche nach Verbündeten gegen Clemens VII. zum Kaiser und zum ungarischen König Ludwig (dem Großen) Gesandte schickt und durch diversis literis propria manu eius scriptis die Gemeinheiten seines avignonesischen Gegenspielers angeprangert183. In allen Details stimmt dieser mehr als dreißig Jahre nach den Ereignissen aus dem Gedächtnis geschriebene Traktat wohl nicht, aber gerade diese Nachricht verdient Glauben. Dietrich war nämlich seit Urban V. an der Kurie angestellt und war schon vor Urbans VI. Wahl dessen Vertrauter, dann ab Frühjahr 1378 Skriptor und Abbreviator in dessen Kanzlei und Augenzeuge der dramatischen Ereignisse in Rom im Laufe des Jahres 1378184. So ist es wahrscheinlich, dass die päpstliche Gesandtschaft unter Bischof Pavo von Poli­gnano um die Mitte des Monats September 1378 dem Kaiser nach Nürnberg oder nach Prag das Handschreiben Urbans VI. mitbrachte, als Karl IV. nicht nur die Urkunde mit der Approbation König Wenzels entgegennehmen konnte, sondern auch eine eingehende Schilderung des sich zuspitzenden Konfliktes erhielt. Jedenfalls entschied sich der Kaiser am 25. September für den römischen Papst und gegen seine rebellischen Kardinäle und engagierte sich unverzüglich für Urban durch entsprechende Gesandtschaften an die nun diesem feindlich gesinnten Kardinäle, an die geistlichen und weltlichen Reichsfürsten und an Königin Johanna von Neapel185. Zunächst soll im Folgenden das autographe Material der ersten Jahre des Schismas in zwei Gruppen vorgestellt werden, zunächst bei Dokumenten, die von allen oder von Gruppen von Kardinälen gemeinsam ausgestellt wurden, dann bei einzelnen von ihnen186. a) Gemeinsame Dokumente der Kardinäle Bei mindestens zwei Schreiben der Kardinäle des Jahre 1378 gibt es eindeutige Hinweise auf Eigenhändigkeit: schichte Spaniens 17, Münster 1961) 94–97. – Zu Martin de Zalva vgl. auch Langen-Monheim, Informatio seriosa (wie Anm. 174) 125–127. 183   Theodericus de Nyem, De scismate libri tres, ed. Georg Erler (Leipzig 1890) 31 cap. 15: Unde dictus Urbanus, sicut erat satis astutus, ipsum adversitate pungente, ad eosdem imperatorem et Lodewicum regem se valde humiliando suos nuncios destinavit diversis literis propria manu eius scriptis de violenciis et iniuriis crebrisque dampnis, quibus per ipsos Clementen et cardinales Gallicos eorumque complices ipse suique curiales et Romani sedulo vexabantur, … . Es sei an dieser Stelle angefügt, dass auch sonst eigenhändige Schreiben von Päpsten der Schismazeit bezeugt sind: s. oben Anm. 129 und 130. 184   Vgl. Hermann Heimpel, Dietrich von Niem (c. 1340–1418) (Westfälische Biographien 2, Münster 1932) 17–31 (Leben und kuriale Dienste), 181–210 („De schismate“, Quellenwert). 185   Vgl. S[amuel] Steinherz, Das Schisma von 1378 und die Haltung Karl’s IV. MIÖG 21 (1900) 599–639, bes. 620–629 (631 wird die Stelle bei Dietrich von Niem als eine zweite Gesandtschaft Urbans im Oktober 1378 gedeutet), und leicht korrigierend Heinz Thomas, Frankreich, Karl IV. und das Große Schisma, in: „Bündnissysteme“ und „Außenpolitik“ im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (ZHF Beih. 5, Berlin 1988) 69–104, bes. 95–100. 186  Bei der langen und oft ergebnislosen Suche in diesem Bereich wurde mir mehrfach Hilfe zuteil durch Brigitte Hotz, Hélène Millet und Dieter Girgensohn, wofür ihnen herzlich gedankt sei. Auch die von Hugues Labarthe initiierte Datenbank „Obédiences.net“ mit ihren Abteilungen „Écrits sur le schisme“ und „Les légations au temps du Grand Schisme“ war oft hilfreich.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 131

1. Schreiben der in Castel S. Angelo nach der ersten Wahl Urbans VI. am 8. April 1378 versammelten sechs Kardinäle an die anderen, mit dem sie ihren Willen bekundeten, bei der Wahl Urbans VI. zu bleiben, Rom, Castel S. Angelo, 9. April 1378187. 2. Erklärung der in Anagni versammelten zwölf Kardinäle und des Kämmerers über die ungültige Wahl Urbans VI., Anagni, 2. August 1378 – Cum propter falsam assertionem (Abb. 31)188.

Abb. 31: Erklärung der in Anagni versammelten zwölf Kardinäle und des Kämmerers über die ungültige Wahl Urbans VI., 1378 August 2. Avignon, Archives départementales de Vaucluse 19 H 64/10.

Diese Urkunde soll mit einigen Sätzen, nicht inhaltlich, wohl aber nach ihren Formalien, erläutert werden. Erhalten blieb sie in den Archives départementales de Vaucluse in Avignon, wo sie sich im Bestand des ehemaligen Cölestinerklosters findet. Dieses ist eine Stiftung Papst Clemens’ VII., der über dem Grab des heiligmäßig lebenden, schon mit 18 Jahren 1387 verstorbenen, von ihm selbst kreierten Kardinals Peter von Luxemburg eine prächtige Kirche und den dazu gehörenden Konvent plante und auch selbst darin bestattet sein wollte189. Das Archiv des gut ausgestatteten und wegen der Wallfahrt durch 187  Annales ecclesiastici 26 (wie Anm. 49) 336. Die handschriftliche Vorlage ist unklar. Hinweise auf Eigenhändigkeit bei den Unterschriften: Jean de Cros, cardinalis Lemovicensis, KB von Preneste: … dictis omnibus consentio et manu propria me subscribo. – Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Stefano in Celiomonte: … dictis omnibus consentio et manu propria me subscribo. – Pierre de Vergne, KD von S. Maria in Vialata: … omnibus precedentibus me subscribo. – Die drei anderen, Gui de Malsec, KP von S. Croce in Gerusalemme, Pierre de Sortenac, cardinalis Vivariensis, KP von S. Lorenzo in Lucina, und Hugues de Montrelaix, cardinalis de Britannia, KP von SS. Quattro Coronati, fügen hinzu: … omnibus (supradictis, premissis) consentio. 188   Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 173–184, Martène–Durand, Amplissima Collectio (wie Anm. 113) 7 433. Orig. in Avignon, Archives départementales de Vaucluse 19 H 64/10, die kopialen Überlieferungen werden hier mit einer Ausnahme nicht vermerkt. Die Ausnahme betrifft das – wohl aus der Kanzlei König Karls V. stammende – Exemplar, das in die offiziösen Grandes Chroniques kopiert wurde: Chroniques des règnes de Jean II et de Charles V, ed. Roland Delachenal (Société de l’histoire de France 375, Paris 1916) 2 324–342 (einschließlich aller Unterschriften mit den Hinweisen auf Eigenhändigkeit). Die Geschichte des Manifestes und seine Vorstufen sind ausführlich behandelt von Dykmans, La troisième élection (wie Anm. 181) 244–247. 189  Zu Peter von Luxemburg, der mit Kaiser Karl IV. und dem französischen König Karl V. entfernt verwandt war und 1384 mit 17 Jahren zum KD von S. Giorgio in Velabro kreiert wurde, vgl. Johannes Helmrath,

132

Werner Maleczek

Abb. 32: Detail von Abb. 31: Notiz des Petrus de Luna, KB von S. Maria in Cosmedin (1375–1394), Papst Benedikt XIII.

die Jahrhunderte reichen Klosters, das bis zur Auflösung im Gefolge der Französischen Revolution 1790 Bestand hatte, nahm einen wohl großen Teil des schriftlichen Nachlasses Clemens’ VII. auf. Die Transferierung der Archivalien der päpstlichen Zentralbehörden von Avignon nach Rom in mehreren Etappen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert sparte das Schriftgut des Cölestinerklosters aus190. Der Form nach handelt es sich um ein mit 13 anhangenden Siegeln versehenes feierliches Notariatsinstrument, das Guilelmus Prefecti, Kleriker der Diözese Évreux, publicus apostolica et imperiali auctoritate notarius, nach dem Auftrag und den Angaben der anwesenden Kardinäle, qui inferius se manibus propriis subscripserunt, im päpstlichen Palast in Anagni formuliert hatte, wobei ein anderer die Reinschrift besorgte. Weitere zwei Notare bezeugten das Dokument ebenfalls durch ihre Signete, und dann unterschrieben eigenhändig – wie sich dies aus dem Schriftbild eindeutig ergibt – zwölf anwesende Kardinäle und nach ihren Unterschriften auch der Kämmerer, Pierre de Cros, Erzbischof von Arles, der als einer der Hauptdrahtzieher der Gehorsamsaufkündigung und der Neuwahl Clemens’ VII. angesehen werden kann191. Die Aktenversendung und Heilungswunder. Peter von Luxemburg (1369–1387) und die Überlieferung seines Kanonisationsprozesses, in: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Festschrift für Matthias Werner, hg. von Enno Bünz et al. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe 24, Köln 2007) 649–672; Otfried Krafft, Heiligsprechungen im Schisma. Chancen und Grenzen eines Mittels der Obödienzfestigung, in: Gegenpäpste (wie Anm. 182) 363–389, hier 374f. – Zur Stiftung, die gemeinsam mit dem französischen König Karl VI. 1393 erfolgte, vgl. Léon-Honoré Labande, La dernière fondation des papes avignonais. Le couvent des Célestins d’Avignon. L’Art. Revue hebdomadaire illustrée 62 (1903) 586–599; 63 (1904) 15–25, 70–78, 153–169, 209–214; Anne-Marie Hayez, Clément VII et Avignon, in: Genèse et débuts (wie Anm. 181) 125–142, hier 133f.; Comte, Les Célestins du Midi (wie Anm. 153) 178–185. – Die Überführung des Leichnams des 1394 verstorbenen Clemens’ VII. erfolgte erst 1401, vgl. Michael Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung (Veröffentlichungen d. MaxPlanck-Instituts für Geschichte 95, Göttingen 1989) 251; Anne Morganstern, Le mécénat de Clément VII et maître Pierre Morel, in: Genèse et débuts (wie Anm. 181) 423–429. Das Grab ist verschwunden, Fragmente befinden sich im Musée Calvet in Avignon. Vgl. dazu auch Logoz, Clément VII (wie Anm. 181) 174–176. 190  Vgl. die Übersicht bei Leonard E. Boyle, A Survey of the Vatican Archives and of its Medieval Holdings. Revised edition (Subsidia Mediaevalia 1, Toronto 2001) 8f., 49, 114–131, und die spezielleren Studien von Franz Ehrle, Die Übertragung des letzten Restes des päpstlichen Archivs von Avignon nach Rom. HJb 11 (1890) 727–729; Fernand Benoît, Les archives du Palais des Papes d’Avignon, du XVe siècle à la fin de la domination pontificale. Mémoires de l’Académie de Vaucluse II/24 (1924) 47–92; Anneliese Maier, Der Handschriftentransport von Avignon nach Rom im Jahr 1566, in: Mélanges Eugène Tisserant 7 (StT 237, Città del Vaticano 1964) 9–27, wiederabgedr. in: dies., Ausgehendes Mittelalter 3 (Storia e letteratura 138, Roma 1977) 167–186; Anna Maria Corbo, Martino V, Eugenio IV e la ricostruzione dell’Archivio papale dopo Costanza. Rassegna degli Archivi di Stato 28 (1968) 36–66; Olivier Rouchon–Bernard Thomas, Les États pontificaux d’Avignon et du Comtat. Archives et histoire (XVIe–XVIIIe siècles), in: Gli archivi della Santa Sede e la storia di Francia, hg. von Giovanni Pizzorusso–Olivier Poncet et al. (Viterbo 2006) 45–59. 191  Vgl. Daniel Williman, The Camerary and the Schism, in: Genèse et débuts (wie Anm. 181) 65–71.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 133

zwölfmal nur durch kleine Varianten unterschiedene Formel lautet, hier nach Petrus de Luna, dem späteren Papst Benedikt XIII., wiedergegeben: Et ego Petrus de Luna, sancte Marie in Cosmedin diaconus cardinalis predictus, premissa omnia et singula, prout supra­ scripta sunt, in mea conscientia assero esse vera, et in eorum testimonium hic manu propria me subscripsi et sigillo proprio sigillavi (Abb. 32). 3. Unter den zahlreichen Befragungen der Kardinäle über die Vorgänge bei der Wahl Urbans VI. soll das Protokoll eines Treffens von Kardinälen in Nizza zu Ende des Jahres 1380 hier vorgestellt werden. Am 17. November übergaben im Quartier des damals dort wohnenden Pierre de Sortenac, KP von S. Lorenzo in Lucina (1375–1384), cardinalis Vivariensis, die beiden Kardinäle Pietro Corsini, KB von Porto (1374–1405), cardinalis Florentinus, und Simon de Brossano, KP von SS. Giovanni e Paolo (1375–1381), cardinalis Mediolanensis, einen Bericht über die Wahl Urbans VI. im April 1378 an ihre sechs Kollegen des clementinischen Kardinalskollegs, nämlich Jean de Cros, cardinalis Lemovicensis, KB von Preneste (1376–1383), Bertrand Lagier, cardinalis Glandatensis, KB von Ostia (1378–1392), Hugo de Montrelaix, cardinalis Britannie, KP von SS. Quattro Coronati (1375–1379), Gérard du Puy, cardinalis Majorismonasterii, KP von S. Clemente (1375–1389), Pierre de Sortenac, cardinalis Vivariensis, KP von S. Lorenzo in Lucina (1375–1384), und Pierre de Vergne, cardinalis de Vernhio, KD von S. Maria in Vialata (1371–1403). Weiters forderten sie sie auf, zu vier Fragen, die die Freiheit bei der Wahl Urbans VI., ihre angebliche Einigkeit, eventuelle Zwänge bei der Krönung und anderes bei den Vorgängen am 8. und 9. April 1378 betrafen, Stellung zu nehmen. Die Empfänger und der dort wohnende Pierre de Sortenac bestätigten dies durch ihre eigenhändige Unterschrift und eine erläuternde Bemerkung192. Die Antworten wurden schriftlich festgehalten und schließlich am 5. Februar 1381 vor Clemens VII. im Papstpalast in Avignon vorgetragen. Andere gemeinsame Dokumente der Kardinäle aus dem Jahr 1378 weisen hingegen keine eigenhändigen Unterschriften auf, sind jedoch von mehreren Vertretern oder von allen Mitgliedern des Kardinalskollegiums besiegelt worden193. 192   Zum Beispiel: Ego episcopus Ostiensis cardinalis predictus, dictus Glandatensis, premissa fore vera assero ut supra dixi. Quare manu mea propria me subscripsi. Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 262–268. Vgl. Valois, Schisme (wie Anm. 49) 1 26 Anm. 3, und 2 361 mit Anm. 1; Marc Dykmans, Du Conclave d’Urbain VI au Grand Schisme. Sur Pierre Corsini et Bindo Fesulani, écrivains florentins. AHP 13 (1975) 207–230, hier 212 Nr. 20. 193  1. Brief der Wähler Urbans VI. an ihre in Avignon verbliebenen Kollegen aus dem Kardinalskollegium, Rom, 19. April 1378 – Quia plerumque, immo plurimum – Nur kopial überliefert, an mehreren Stellen der Libri de schismate in ASV, ed. Césaire E. du Boulay, Historia Universitatis Parisiensis (Paris 1668, Nachdr. Frankfurt/M. 1966) 4 465; Spicilegium, ed. d’Achéry (wie Anm. 40) 1 63f. Ursprünglich von drei Kardinälen besiegelt, hic prioratus locum obtinentium in ordinibus antedictis. Danach Sequuntur nomina tredecim cardinalium, wobei daraus nicht hervorgeht, ob die Unterschriften eigenhändig erfolgten. – 2. Brief der Kardinäle an Kaiser Karl IV., Rom, 8. Mai 1378. – Überliefert in Henry Knightons Chronik, ed. Geoffrey H. Martin (Oxford Medieval Texts, Oxford 1995) 202–207, und in BAV, Vat. lat. 4924, fol. 1v–2v, ed. Walter Brandmüller, Zur Frage nach der Gültigkeit der Wahl Urbans VI. Quellen und Quellenkritik. Annuarium Historiae Conciliorum 6 (1974) 78–120, hier 116–118 Nr. 22, wiederabgedr. in: ders., Papst und Konzil im Großen Schisma (1378–1431). Studien und Quellen (Paderborn 1990) 3–41, hier 38f. Nr. 22. Vgl. Steinherz, Schisma von 1378 (wie Anm. 185) 612. Vgl. die Briefe einzelner Kardinäle an Karl IV., Franz Pl. Bliemetzrieder, Der Briefwechsel der Kardinäle mit Kaiser Karl IV. betreffend die Approbation Wenzels als Römischen Königs (Sommer 1378). Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und dem Cistercienserorden 29 (1908) 120–140, hier bes. 136f. – 3. Erklärung der in Anagni versammelten Kardinäle, der sogenannte Casus, mit dem der gesamten Christenheit mitgeteilt wird, dass sich der frühere Erzbischof Bartholomäus von Bari

134

Werner Maleczek

Abb. 33: Brief der clementinischen Kardinäle an den österreichischen Herzog Leopold III., 1380 Februar 20. Wien, HHStA, AUR 1380 II 20. das Papsttum widerrechtlich angeeignet habe, dass er deswegen exkommuniziert und abgesetzt sei, Anagni, 9. August 1378 – Exigit sancte ac catholice fidei puritas – Davon sind heute noch mindestens zwölf Exemplare im Original erhalten, alle trugen 13 Kardinalssiegel an Pergamentpresseln, die heute nur mehr zum Teil und



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 135

Von den gemeinsamen Schriftstücken der Kardinäle Clemens’ VII., die in den ersten Jahren des Schismas ausgestellt und eigenhändig unterschrieben wurden, soll hier auch ein eindrucksvolles Exemplar aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv vorgestellt werden, das in der Forschung nur wenig beachtet wurde. In der frühen Blüte der Erforschung des österreichischen Spätmittelalters in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Urkunde durch die Chorherren von St. Florian in Oberösterreich gedruckt und geriet wohl auch deshalb in Vergessenheit (Abb. 33). Es ist der feierliche und aufwendig gestaltete Brief der clementinischen Kardinäle an den österreichischen Herzog Leopold III. vom 20. Februar 1380, mit dem dieser ermahnt wurde, dem Treiben des urbanistischen Legaten Pileo da Prata Einhalt zu gebieten194. Die habsburgischen Brüder Albrecht III. und Leopold III. regierten nach dem Tod ihres älteren Bruders Rudolf IV. († 1365) zunächst ihr Länderkonglomerat gemeinsam, verständigten sich aber 1379 auf eine Teilung, die im Vertrag von Neuberg im steirischen Mürztal am 25. September 1379 festgeschrieben wurde, wo Leopold die Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol und die althabsburgischen Gebiete in der heutigen Schweiz, in den nördlich des Rhein gelegenen Vorlanden im Breisgau und im Schwarzwald, im Elsaß und in den von der Mutter, Johanna von Pfirt, stammenden Herrschaften in der Burgundischen Pforte erhielt. Leopold III. hatte schon in den Jahren zuvor Kirchenpolitisches zur Festigung seiner Herrschaftsposition ausgenützt, so etwa indem er es durchsetzte, dass sein Kanzler, Friedrich von Erdingen, 1376 mit dem vakanten Bischofsstuhl von Brixen nach Intervention des Herzogs bei Papst Gregor XI. von diesem providiert wurde. Nach dem Ausbruch des Schismas im Herbst 1378 strebten bekanntermaßen beide Päpste sehr rasch danach, ihre Anhängerschaft zu gewinnen und zu vergrößern, indem sie Legaten zum Teil fragmentarisch erhalten sind, ASV, Instrumenta miscellanea 2988, 2989, 2990, 2992, weiters ASV, A.A., Arm. D 29, D 30, D 31, D 32, D 34, D 37. Eine Abb. von D 31 in: Lux in Arcana. The Vatican Secret Archives reveals itself. Katalog d. Ausstellung Rom Musei Capitolini (Roma 2012) 86f. Die erhaltenen Siegel beschrieben bei Pietro Sella, Inventari dell’Archivio segreto vaticano. I sigilli dell’Archivio vaticano (Città del Vaticano 1937) 1 35–37 Nr. 132–136. Ein Exemplar in Paris, AN, J 515 Nr. 1, woraus die erhaltenen Siegel beschrieben sind bei Louis Douët d’Arcq, Inventaires et documents. Collection de sceaux (Paris 1867) 2 439 Nr. 6191, 6192. Ein weiteres Exemplar in Avignon, Archives départementales de Vaucluse, 19 H 64/3. Ediert in Vitae Paparum Avenionensium 1, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 450–459. – 4. Brief des Kardinalskollegiums an Herzog Ludwig von Anjou, in dem sie ausführliche Informationen durch den zu ihm gesandten Jean de Bar, den Propst von Valence, ankündigen, Anagni, 15. August 1378, litterae clausae, von den ursprünglich 12 Siegeln waren 3 erhalten – Quia urget nos – Vorlage verschollen, ed. du Boulay, Historia universitatis (wie weiter oben) 4 478–479. Die Botschaft der Kardinäle wurde am 29. September 1378 feierlich in Montpellier verlesen, Valois, Schisme (wie Anm. 49) 1 149 Anm. 2. – 5. Brief des Kardinalskollegs an die Universität Paris, in dem eingehende Information durch Pierre de Corbie angekündigt wird, Anagni, 21. August 1378, litterae clausae, ursprünglich durch drei Siegel verschlossen – Scripsisse nos vobis recolimus – Orig. in Paris, AN, M 65a Nr. 4, ed. Chartularium Universitatis Parisiensis III: 1350–1394, ed. Heinrich Denifle (Paris 1894) 555f. Nr. 1609. – 6. Brief von zwölf Kardinälen an König Karl V. von Frankreich über die Wahl Clemens’ VII., Fondi, 19. Oktober 1378 – Providus rerum omnium ordinator – Orig. in Lille, Archives départementales du Nord, B 967 Nr. 10716, von den Siegeln – priorum nostri collegii – nur mehr zwei Fragmente erhalten, ed. Noël Valois, Le rôle de Charles V au début du grand schisme. Annuaire-Bulletin de la Société de l’Histoire de France 24 (1887) 225–255, hier 243–253. 194  HHStA, AUR 1380 II 20. Solange es eine Dauerausstellung von herausragenden Dokumenten im HHStA gab – bis in die frühen Siebzigerjahre des 20. Jhs. – war die Urkunde auch in der Vitrine zu sehen, vgl. Österreichische und europäische Geschichte in Dokumenten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 1. Aufl., bearb. von Erika Weinzierl (Wien 1957) 22 Nr. 43. Fehlerhaft ediert durch Franz Kurz, Österreich unter H. Albrecht dem Dritten I. (Linz 1827) 297–301 Nr. 41, eine Abb. der Unterschriften bei Anton Haidacher, Geschichte der Päpste in Bildern. Eine Dokumentation zur Papstgeschichte von Ludwig Freiherr von Pastor (Heidelberg 1966) 92f.

136

Werner Maleczek

ausschickten. Urban VI. kreierte im September 1378 Pileo da Prata zum Kardinal und entsandte ihn unmittelbar danach ins Reich, wo er erfolgreich wirkte. Er traf dort auf weitgehend der römischen Sache gewonnene Fürsten und König Wenzel, die sich im Februar 1379 auf einem Frankfurter Reichstag für Urban VI. ausgesprochen hatten. Auf einem zweiten Frankfurter Reichstag im September 1379, an dem der Kardinal persönlich teilnahm, wurde das pro-urbanistische Bündnis bekräftigt und ausdrücklich das Wirken clementinischer Legaten im Reich untersagt und damit Guillaume d’Aigrefeuille, der im Dezember 1378 auf Geheiß Clemens’ VII. von Avignon ausgezogen und den französischen König und die französischen Fürsten gewonnen hatte, am Kommen gehindert. Während sich Albrecht III. im Laufe des Jahres 1379 Urban VI. anschloss, entschied sich sein jüngerer Bruder für Clemens VII., der sich seit dem 20. Juni 1379 wieder in Avignon installiert hatte. Leopold III. wurde dafür durch seine Westbindung zum französischen König und zum aufsteigenden burgundischen Herzogtum unter dessen Bruder Philipp dem Kühnen ebenso bestimmt wie durch seine kirchenpolitischen Absichten, die ihm in Avignon größere Aussichten auf Verwirklichung versprachen. Im Sommer 1379 weilte der Hofmeister Leopolds, Peter von Torberg, in Avignon und ließ zwei Supplikenrotuli unterbreiten, um Anhänger und Günstlinge des Herzogs mit Pfründen zu versorgen, und im Winter 1379/80 hielt sich eine hochrangige Delegation des Habsburgers unter der Leitung des Kammermeisters Heinrich Gessler erneut an der Kurie Clemens’ VII. auf und legte ein Bündel mit Supplikenrotuli – 240 Gesuche um Pfründen, davon 220 Expektanzen – vor. Diese betrafen vorzugsweise Diözesen, in oder an deren Grenzen sich Leopolds mittlere und westliche Territorien befanden: Brixen, Chur, Augsburg, Konstanz, Basel und Straßburg. Die Taktik war klar: es sollte der Einfluss des Herzogs über eine gezielte kirchliche Personalpolitik gesteigert werden, obwohl die tatsächliche Inbesitznahme der Pfründen dann mit großen Unsicherheiten belastet war. Als die österreichischen Vertreter Ende Februar 1380 aus Avignon aufbrachen, hatten sie nicht nur ein Bündel von litterae Clemens’ VII. an Bischöfe in Leopolds Einflussgebiet und großzügige Versprechen für den Herzog im Gepäck, sondern auch den hier besprochenen Brief der 12 Kardinäle vom 20. Februar 1380, der von ihnen besiegelt und eigenhändig unterschrieben wor-

Abb. 34: Detail von Abb. 33: Notiz des Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385).



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 137

den war195. Die eigenhändige Unterschrift in den traditionellen drei Kolumnen hatte den – fast bei jedem Kardinal – gleichlautenden Text, hier als Beispiel den etwas längeren beim rangältesten Kardinalpriester Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385) (Abb. 34): Et ego Petrus, tituli sancte Anastasie prebiter cardinalis, omnia suprascripta teneo et vera esse credo et illa, in quibus intrafui, assero et testificor esse vera, in cuius rei testimonium manu propria me subscripsi et sigillum proprium duxi aponendum. Petrus cardinalis Pampiulonensis vulgariter nuncupatus. Dieser Brief der Kardinäle hatte auch sein Gegenstück vom März 1380, in dem 16 clementinische Kardinäle an den Episkopat sowie Fürsten und Städte des Reichs auf ähnliche Weise das Vorgehen und die Behauptungen des Pileo da Prata zurückwiesen und eine kurze Darstellung des bisherigen Verhaltens der Kardinäle schilderten. Auch dieses Dokument wurde von ihnen eigenhändig unterschrieben196. Das letzte der hier vorgestellten gemeinsamen Dokumente der clementinischen Kardinäle datiert vom 10. August 1381 und ist eine Fortsetzung jenes weiter oben schon genannten Protokolls der Aussagen der in Nizza weilenden sechs Kardinäle vom Spätherbst 1380. Es ist als Original im Vatikanischen Archiv erhalten, ist von allen aussagenden Kardinälen besiegelt und eigenhändig unterschrieben, blieb jedoch in der Forschung zum Großen Schisma eigenartigerweise bisher unbeachtet. Den Wortlaut kannte man freilich schon aus einer in den Libri de schismate überlieferten Kopie. Die im Vorjahr gemachten und Clemens VII. im Februar 1381 im Palast von Avignon vorgetragenen Aussagen genügten offensichtlich nicht, um alle Zweifel auszuräumen, sodass die schon einmal in der Sache engagierten italienischen Kardinäle, Pietro Corsini, cardinalis Florentinus, und Simon de Brossano, cardinalis Mediolanensis, dieselben Vertrauensleute, Giulio

Abb. 35: ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 2200, 10. August 1381. Eigenhändige Unterschrift des cardinalis Glandatensis Bertrand Lagier, KB von Ostia (1378–1392). Copyright: Archivio Segreto Vaticano. 195   Eingehend interpretiert von Brigitte Hotz, Leopold III. von Österreich – ein Parteigänger Clemens’ VII. der ersten Schismastunde? Rückdatierte Supplikenrotuli als Quellen landesfürstlich-päpstlicher Kontakte, in: Vielfalt und Aktualität des Mittelalters. Festschrift für Wolfgang Petke zum 65. Geburtstag, hg. von Sabine Arend–Daniel Berger (Bielefeld 2006) 615–632, und dies., Der Ausbruch des großen Abendländischen Schismas als Chance offensiver landesherrlicher Kirchenpolitik. Motive der Parteinahme Herzog Leopolds III. von Österreich für Clemens VII. Francia 37 (2010) 353–374. – Über den gegnerischen urbanistischen Kardinal vgl. Paolo Stacul, Il cardinale Pileo da Prata (Miscellanea della Società romana di storia patria 19, Rom 1957). 196  Nur kopial in ASV, Arm. LIV, vol. 19, fol. 167–168v, überliefert, ed. Stacul, Pileo (wie Anm. 195) 275f. Nr. 9. Die Notiz lautet beispielsweise: Et ego Anglicus Grimoardi episcopus Albanensis sancte Romane ecclesie cardinalis licet cum felicis recordationis domino Gregorio papa supradicto in Ytalia non accesserim set in Avinione remanserim tamen de suprascriptis debite infformatus et certifficatus ad plenum ea omnia teneo et credo ac assero esse vera idcirrco hic me manu propria subscrissi et sigillum proprium apponi mandavi. – Vgl. auch den Hinweis bei Seidlmayer, Die spanischen „Libri de Schismate“ (wie Anm. 182) 199–262, hier 208.

138

Werner Maleczek

Tommasi, den Bischof des Marserlandes, und Thomas de Puppio, nach Nizza schickten und neuerlich die schon vier vorgelegten Fragen zur Wahl Urbans VI. beantworten ließen und drei weitere vorlegten, deren Beantwortung festgehalten wurde. Jede Aussage schließt mit einer ähnlich lautenden eigenhändigen Notiz, hier zum Beispiel die beiden letzten: [Gerardus, tit. s. Clementis presbiter cardinalis, dictus cardinalis Maioris Monasterii] Et ego prefatus cardinalis predictis responsionibus meis me subsripsi propria manu, und [Petrus, tit. s. Marie in via lata diaconus cardinalis dictus cardinalis de Vernhio] Et ego predictus cardinalis predictis responsionibus meis sobscribo [sic] propria manu (Abb. 35)197. b) Dokumente einzelner Kardinäle Originale eigenhändig geschriebene Briefe oder Urkunden einzelner Kardinäle der ersten Jahre der Schisma-Zeit haben sich meines Wissens nicht erhalten, jedoch existieren kopial überlieferte Stücke und Deperdita, die aus den umfangreichen Zeugenverhören der Jahre 1379 bis 1386 erschlossen werden können. Die Vermutung ist naheliegend, dass die Kardinäle viel öfter selbst zur Feder griffen, als dies durch explizite Aussagen bezeugt ist. 1. Bertrand Lagier, KP von S. Prisca (1371), KP von S. Cecilia (1378–1381), cardinalis Glandavensis, dann von Urban VI. zum KB von Ostia promoviert (1378–1392), gab, nachdem er rasch die Seiten gewechselt hatte, in seiner Befragung im Jahr 1379 zu Protokoll, dass er schon vor der ersten Wahl dem Erzbischof von Bari drei Tage hindurch unam cedulam propria manu scriptam habe zukommen lassen, auf dem er ihm seine Stimme beim Konklave zusagte198. 2. Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Stefano in Celiomonte (1367–1401), schrieb knapp nach der Inthronisation Urbans VI. am 18. April 1378 an den in Avignon zurückgebliebenen Pierre de Monteruc, den cardinalis Pampilonensis, und berichtete ihm über die Wahl de manu sua propria199. 3. Peter de Luna, KD von S. Maria in Cosmedin (1375–1394), cardinalis de Aragona, der spätere Papst Benedikt XIII., setzte knapp nach der Inthronisation Urbans VI. am Ostertag 1378 in seinem Privatgemach in Rom Schriftstücke mit eigener Hand auf, die vom Papst handelten und die unter allen Umständen geheim bleiben sollten200. 197  ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 2200. Die kopiale Überlieferung: ASV, Arm. LIV, vol. 19, fol. 155–158v. Hinweise auf die in Nizza unternommene Befragung bei Valois, Schisme (wie Anm. 49) 2 360f.; Dykmans, Du conclave d’Urbain (wie Anm. 192) 212f. Die Siegel sind beschrieben bei Sella, Sigilli (wie Anm. 193) 1 35–37 Nr. 132–136. 198   Annales ecclesiastici 26 (wie Anm. 49) 287; Louis Gayet, Le Grand Schisme d’Occident. Les origines, 2 Bde. (Florenz–Berlin 1889) 2 48 Nr. 19. – Zu diesem Kardinal aus dem Minoritenorden vgl. Adrien van den Wyngaert, Art. Atger (Bertrand). DHGE 4 (1930) 1292f. 199   Nach der Aussage des von Urban VI. im September 1378 kreierten Raoul de Gorse, KP von S. Pudenziana (1378–1382), cardinalis Sistaricensis, in Rom im Sommer 1380. Danach war dieser war am Fronleichnamstag, 17. Juni 1378, zu Aigrefeuille nach Anagni gekommen und hatte ihn auf diesen Brief angesprochen. Aigrefeuille behauptete, er habe diesen de mandato Urbans VI. geschrieben. Raoul de Gorse erkundigte sich daraufhin in Rom bei Pons Béraud, einem mit dem Kardinal Vertrauten, der ihm eine andere Version zur Entstehung des Briefes erzählte. Aigrefeuille habe diesen Brief nicht nur ihm, sondern sogar Urban VI. gezeigt. Dieser habe gesagt: Bene confido, quod scitis ordinare litteras. Mittatis, quia sufficit michi nec curo videre. Pons Béraud bezeichnete den Kardinal als falsus homo. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 181) 257. 200  Nach der Aussage des Fernando Perez Calvillo, Dekan von Tarazona, im September 1379 in Barcelona: … vidit dom. suum cardinalem Aragonie in studio suo secreto scribentem. Et cum deponens intraret, cessavit a scribendo et occultavit scripturam. Et tunc deponens dixit eidem: Senyor, quid est hoc, quare occultatis illam scripturam? Ego credo, quod scribitis de factis pape. Et tunc predictus dom. cardinalis dixit eidem sequencia vel similia verba: Hoc non dicatis! Et vere, si sciretur, quod ego nec aliquis de dom. cardinalibus dubitaremus super ista materia nec



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 139

4. Jean de la Grange, KP von S. Marcello (1375–1394), dann KB von Tusculum (1394–1402), cardinalis Ambianensis, gehörte zu jenen Kardinälen, die im Sommer 1378 mit Kaiser Karl IV. in einzelnen Schreiben wegen der Approbation Wenzels als römischem König in Kontakt traten. Sein Brief endet mit Scriptum manu propria Rome die XXVIII Mai201. 5. Im Laufe des Juni 1378 adressierten mehrere Kardinäle Suppliken an den neugewählten Urban VI., in denen sie sich für ihre Schützlinge mit Wünschen nach Pfründen einsetzten. Ein eigenhändiges Schreiben des Robert von Genf, KP von SS. XII Apostoli (1371–1378), cardinalis Gebennensis, des einige Monate später zum Gegenpapst Clemens VII. Gewählten, datiert wohl vom 19. Juni202. 6. Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), cardinalis Pampilonensis, einer jener altgedienten Kardinäle, die nicht mit Gregor XI. nach Rom zurückgekehrt waren, schrieb am 3. Juli 1378 gemeinsam mit Anglic Grimoard, KB von Albano (1367– 1388), der ebenfalls für den Verbleib des Papsttums in Avignon eintrat, an Urban VI. als Antwort auf dessen Botschaft vom 15. Juni 1378 an die in Avignon verbliebenen Kardinäle einen Brief, in dem von Vorbehalten gegenüber dem neugewählten Erzbischof von Bari noch nichts zu merken war. Es ging um die Engelsburg in Rom, die einem verlässlichen Mann anvertraut werden sollte. Pierre de Monteruc fügte ein eigenhändiges Schreiben an, in dem er über seinen Gesundheitszustand berichtete und die Rückzahlung einer großen Summe Geldes, die Herzog Ludwig II. von Anjou 1377 der apostolischen Kammer geliehen hatte, in Andeutungen thematisierte203. 7. Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (1356–1385), cardinalis Pampilonensis, schrieb am 23. Juli 1379 eigenhändig an Ludwig von Mâle, den Grafen von Flandern (1346–1384), und legte ihm die Gründe dar, warum er auf Seiten Clemens’ VII. stehe204. 8. Pietro Corsini, KP von S. Lorenzo in Damaso (1370–1374), KB von Porto (1374– 1405), cardinalis Florentinus, wies in seinem am 27. Juli 1378 in Tivoli an den Kaiser scriberemus super ea, omnes trucidarentur. Quare amore Dei nulli de mundo faciatis verbum de hoc. Seidlmayer, Anfänge (wie Anm. 181) 325. 201   Kopial überliefert in Basel, UB, Cod. lat. IX A, fol. 79v, ed. Bliemetzrieder, Briefwechsel (wie Anm. 193) 121 Nr. 3. Zum Absender vgl. die unpublizierte Thèse von Charles-Henri Lerch, Le cardinal Jean de la Grange. Sa vie et son rôle politique jusqu’à la mort de Charles V (1350–1380), in: Positions des thèses de l’École des chartes (1955) 59–62; Anne M. Morganstern, The La Grange Tomb and Choir. A Monument of the Great Schism of the West. Speculum 48 (1973) 52–69; Dany Sandron, La fondation par le cardinal Jean de la Grange de deux chapelles à la cathédrale d’Amiens. Une tradition episcopale devenue manifeste politique à la gloire du roi Charles V, in: L’artiste et le clerc. Commandes artistiques des grands ecclésiastiques à la fin du Moyen Âge (XIVe–XVIe siècle), hg. von Fabienne Joubert (Cultures et civilisations médiévales 36, Paris 2006) 155–170. 202  Annales ecclesiatici 26 (wie Anm. 49) 300: Scriptum manu mea hac die sabbati vester humilis Gebennensis. Aus Gayet, Schisme (wie Anm. 198) 2 230 (ausführlichere Übersetzung als Rainaldi!). 203  Gayet, Schisme (wie Anm. 198) 2 213 (den lateinischen Text habe ich leider nirgends gefunden!); vgl. Valois, Schisme (wie Anm. 49) 1 66 Anm. 1, Brief der beiden Kardinäle bei Annales ecclesiastici 26 (wie Anm. 49) 297f.; Valois gibt auch keinen Hinweis auf die Edition des Briefes des Pierre de Monteruc, auch nicht 1 147–149, wo er den Zusatz betreffend Ludwig von Anjou klärt. 204  Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 197f. Das Datum lautet: Scriptum Avinioni, die XXIII mensis Julii, manu propria. Baluze vermerkte in seiner 1693 erschienenen Ausgabe Ex autographo eiusdem cardinalis. – Über den Beginn des Schismas in Flandern und seine weitere Entwicklung vgl. Valois, Schisme (wie Anm. 49) 1 253–262 und 2 224–271, rezent Monique Maillard-Luypaert, Papauté, clercs et laïcs. Le diocèse de Cambrai à l’épreuve du Grand Schisme d’Occident (1378–1417) (Publications des facultés universitaires Saint-Louis 88, Bruxelles 2001) mit den Literaturübersichten in der Einleitung. Zum Kardinal vgl. Verger, Entourage (wie Anm. 140).

140

Werner Maleczek

adressierten Brief, in dem er auf die im Konsistorium vollzogene Approbation Wenzels einging, auf einen früheren manu propria geschriebenen Brief hin205. In seiner Zeugenaussage gegenüber den Beauftragten des Königs Peter von Aragón erwähnt Corsini auch einen Brief an den Kaiser, in den ein handgeschriebener Zettel eingelegt war206. 9. Die drei italienischen Kardinäle Pietro Corsini, KB von Porto (1374–1405), cardinalis Florentinus, Simon de Brossano, KP von SS. Giovanni e Paolo (1375–1381), cardinalis Mediolanensis, und Giacomo Orsini, KD von S. Giorgio in Velabro (1371–1379), richteten nach der Wahl Clemens’ VII. in Fondi am 20. September 1378, bei der sie, wohl anwesend, sich der Stimme enthielten, mit eigener Hand geschriebene Briefe an den Neugewählten207. 10. Giacomo Orsini, KD von S. Giorgio in Velabro (1371–1379), und Pietro Corsini, KP von S. Lorenzo in Damaso (1370–1374), KB von Porto (1374–1405), cardinalis Florentinus, schickten nach dem Zeugnis des Pierre Flandrin, KD von S. Eustachio (1371– 1381), von der Burg S. Giovanni Incarico (zwischen Frosinone und Cassino, etwa 15 km nördl. von Fondi) aus im Spätherbst 1378 an den neu gewählten Papst Clemens VII. manibus propriis einen zustimmenden Brief208. 11. In die Reihe der vorigen erwähnten eigenhändigen Briefe gehören auch jene, die der Pfalzgraf Rupert, der spätere deutsche König (1400–1410), in seinem Brief vom 10. Oktober 1379 an den französischen König Karl V. erwähnt. Nach der Wahl Urbans VI. habe es nicht wenige Briefe von Kardinälen gegeben et alique aliquorum ipsorum manibus propriis, in denen sie die reguläre Wahl und Anerkennung Urbans betonten209. 205   Ed. Bliemetzrieder, Briefwechsel (wie Anm. 193) 127 Nr. 10. Zum Absender vgl. Jacques Chiffoleau, Art. Corsini, Pietro. DBI 29 (1983) 671–673; Anna Maria Voci, Alle origini del Grande Scisma d’Occidente. Coluccio Salutati difende l’elezione di Urbano VI. BISIM 99 (1994) 297–339, hier 334–339 (zwei Briefe an den Kardinal); Luca Gatti, Ubi fui episcopus: Pietro Corsini e la cattedrale, in: Atti del VII centenario del Duomo di Firenze, hg. von Timothy Verdon–Annalisa Innocenti (Firenze 2001) 79–103. 206   … verum fuit quod feci literas scribi imperatori mandante Bartholomeo, qui sciebat me multum notum esse imperatori; verum tamen fuit et est quod scripsi unam cedulam manu mea propria quam secrete inclusi in ipsis literis, per quam imperatori notificavi, quod non adhiberet fiduciam illis, que scripta erant, nisi quatenus expediret, quia negotium aliter se haberet, et ut in brevi ipsum informarem. Et peto quod cedula manu mea propria scripta michi ostendatur, ed. Gayet, Schisme (wie Anm. 198) 2 60 Nr. 30, mit Erläuterungen und Verbesserungen bei Steinherz, Schisma von 1378 (wie Anm. 185) 612f. Anm. 5, wo auch über die Briefe der Kardinäle an den Kaiser insgesamt gehandelt wird. 207  Dies ist die Aussage, die der Legat Clemens’ VII. beim französischen König Karl V., Guy de Malsec, KP von S. Croce in Gerusalemme (1375–1383), cardinalis Pictavensis, vor dem König und der Versammlung der geistlichen und weltlichen Großen in Vincennes am 7. Mai 1379 machte: Vidit tamen postea certas litteras domino nostro Clementi directas et propria manu alterius de dictis tribus dominis cardinalibus transmontanis scriptas. Das Protokoll dieser Versammlung liegt in Avignon, Archives départementales de Vaucluse, Célestins, H 64/1, nach Valois, Schisme (wie Anm. 49) 1 132–136 (wo die Versammlung von Vincennes mit vielen Details beschrieben wird), und 323 Anm. 2. 208  Item constat michi quod dominus Florentinus et dominus de Ursinis se declaraverunt pro parte domini nostri in castro sancti Johannis de Charte, presentibus domino meo de Luna, me, et domino Nicholao de Neapoli cancellario regni Cecilie, et scripserunt domino nostro ut pape manibus propriis. Vitae Paparum Avenionensium 2, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 621f. – Zu Giacomo Orsini s. oben 120, zu Pietro Corsini s. oben 138. – Pierre Flandrin, KD von S. Eustachio (1371–1381), erwähnt in seiner Replik auf die Dubia des Erzbischofs von Toledo, Petrus Tenorio, von Februar 1380 dieses Zusammentreffen. Franz Pl. Bliemetzrieder, Literarische Polemik zu Beginn des großen abendländischen Schismas (Kardinal Petrus Flandrin, Kardinal Petrus Amelii, Konrad von Gelnhausen) (Publikationen d. Österr. Hist. Instituts in Rom 1, Wien–Leipzig 1910) *58–*61, 74f. Zu Flandrin vgl. Tribout de Morembert, Art. Flandrin (Pierre). DHGE 17 (1971) 358f.; Wolfgang D ­ ecker, Art. Fland(r)in, Pierre. LMA 4 (1989) 532f. 209  Deutsche Reichstagsakten 1: König Wenzel (1376–1387), ed. Julius von Weizsäcker (München



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 141

8. Die Wahlkapitulationen von 1394, 1404 und 1406. Zum Konzil von Pisa 1408/09. Statt Einzelzeugnissen während der folgenden Schisma-Zeit nachzuspüren, soll hier eine Gattung von kollektiven Dokumenten vorgestellt werden, auf denen die Kardinäle nicht nur selbst unterschrieben, sondern auch einige formelhafte Worte der Approbation hinterließen, die Wahlkapitulationen. Die erste päpstliche Wahlkapitulation wurde von den Kardinälen nach dem Tod Clemens’ VI. 1352 – wohl nach dem Muster von Vereinbarungen wählender Domkapitel, wo derlei seit dem frühen 13. Jahrhundert bezeugt und im 14. Jahrhundert weiter verbreitet ist – vereinbart, um seinen aus ihrem Kreis gewählten Nachfolger auf Verfügungen zu ihrem Vorteil festzulegen210. Dies betraf ihre Zahl, ihren Besitz, ihre Einkünfte nach dem bisher gültigen Schlüssel, ihre Mitbestimmung bei Vergabe von wichtigen Ämtern und Finanzquellen und ihr ungehindertes Beratungsrecht. Besonders gravierend war die verpflichtende Zustimmung von zwei Dritteln der Kardinäle bei wichtigen Beschlüssen, was zu einer markanten Beschneidung der päpstlichen plenitudo potestatis geführt hätte. Im Original ist das Dokument nicht überliefert, sondern nur in die Konstitution Sollicitudo pastoralis officii des neugewählten Innocenz’ VI. vom 6. Juli 1353 inseriert, mit der dieser die Gültigkeit des Textes aufhob, nachdem er schon beim Wahlvorgang eine Vorbehaltsklausel formuliert hatte und die kanonische Rechtmäßigkeit des Textes hatte feststellen lassen211. Über die Eigenhändigkeit der Kardinäle lässt sich nichts aussagen, aber sie liegt nahe. Bei der Wahl Bonifaz’ IX., des zweiten „römischen“ Papstes der Schismazeit, Ende Oktober/Anfang November 1389 ist von einer Wahlkapitulation der 14 am Konklave beteiligten Kardinäle nichts bekannt212. Nach dem Tod des ersten „avignonesischen“ Papstes der Schisma-Zeit, Clemens’ VII., am 16. September 1394 in Avignon, bereiteten sich 21 Kardinäle auf das Konklave vor, und nur ein einziger Gedanke, wie nämlich das Schisma beendet werden könne, scheint sie bewegt zu haben. Trotz der fieberhaften Bemühungen des französischen und aragonesischen Königs – schon am 22. September hatte man in Paris und in Barcelona die Nachricht vom Tod Clemens’ VII. erhalten, schon vier Tage später war der Bote aus Paris wieder in Avignon 1867) 263f. Nr. 149, auch in Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 225–227 Nr. 210, hier 226: Fuerunt etiam ibidem plures littere cardinalium, in numero citra XVIII, quedam extra Urbem, ubi nullus affuit metus, et alique aliquorum ipsorum manibus propriis, et quamplures per dominum cardinalem Gebennensem scripte, in medium producte, vise, lecte et publicate, inter cetera in effectu continentes, quod dictus dominus noster Urbanus summus pontifex per ipsos dominos cardinales post celebrationem missarum ex instinctu Spiritus Sancti servata iuris forma, fuit electus … . 210  Vgl. Jean Lulvès, Päpstliche Wahlkapitulationen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kardinalats. QFIAB 12 (1909) 212–235; Thomas M. Krüger, Überlieferung und Relevanz (wie Anm. 14); ders., Leitungsgewalt und Kollegialität. Vom benediktinischen Beratungsrecht zum Konstitutionalismus deutscher Domkapitel und des Kardinalkollegs (ca. 500–1500) (Studien zur Germania Sacra N. F. 2, Berlin 2013) 201– 221. – Allgemein vgl. Hans-Jürgen Becker, Art. Wahlkapitulation. HRG 5 (1998) 1086–1089. 211  Innocent VI. Lettres secrètes et curiales, ed. Pierre Gasnault–Marie-Henri Laurent (BEFAR 3/4/1, Paris 1960) 1 136f. Nr. 435. Zur kanonistischen Diskussion vgl. Walter Ullmann, The Legal Validity of Papal Electoral Pacts. Ephemerides iuris canonici 12 (1956) 246–278 (wiederabgedr. in: ders., The Papacy and Political Ideas in the Middle Ages [Variorum Collected Series 44, London 1976] XV). 212  Vgl. Martin Souchon, Die Papstwahlen in der Zeit des großen Schismas. Entwicklung und Verfassungskämpfe des Kardinalates von 1378–1417. 1: 1378–1408, 2: 1408–1417 (Braunschweig 1898–1899) 1 45–49; vgl. Arnold Esch, Art. Bonifacio IX, papa. DBI 12 (1970) 170–183, wenig verändert ders., Art. Bonifacio IX. Dizionario dei papi (Roma 2000) 2 570–581, beruhend auf dems., Bonifaz IX. und der Kirchenstaat (BDHIR 29, Tübingen 1969) hier 1–5.

142

Werner Maleczek

zurück –, die Wahl aufschieben zu lassen und damit Zeit für Verhandlungen mit der Gegenseite zu gewinnen, entschieden sich die Kardinäle für die Wahl, aber unter Festlegung einer zukünftigen Unionsabsicht durch eine Wahlkapitulation. Dieses Vorgehen fand nicht die ungeteilte Zustimmung, denn von den 21 Wählern unterschrieben sie nur 18, und die drei ältesten, Hugo von Saint-Martial, KD von S. Maria in Portico (1361–1403), der schon an der Wahl Urbans V. 1362 teilgenommen hatte, Guillaume d’Aigrefeuille, KP von S. Stefano in Celiomonte (1367–1401), und Pietro Corsini, KD von S. Lorenzo in Damaso, KB von Porto (1374–1405), der cardinalis Florentinus, die 1370 an der Wahl Gregors XI. beteiligt gewesen waren, weigerten sich, weil sie diese Bindung des Papstes für unkanonisch hielten. Der Text dieser Wahlkapitulation verzichtet auf jegliches rhetorisches Beiwerk und enthält nichts über die Vorrechte der Kardinäle, sondern verpflichtet sie und den zukünftig Gewählten zur Union, wobei den Kardinälen deutlich Entscheidungsbefugnis eingeräumt wird213. Das Original, das Martin de Zalva, KP von S. Lorenzo in Lucina (1390–1403), dem späteren unbedingten Parteigänger Benedikts XIII. und Schöpfer und Besitzer der umfangreichen Dokumentation der Wahlen von 1378, übergeben wurde214, ist verloren, von den 16 kopialen Überlieferungen, die Souchon für seine kritische Edition verwerten konnte, hat eine einzige alle Kardinalsunterschriften mit dem Eigenhändigkeitsvermerk, die meisten jedoch zumindest eine215. Das Fehlen dreier Unterschriften lässt mit Klarheit erkennen, dass es sich bei diesem Vermerk nicht um eine Formalität, sondern um das Zeichen der Übernahme von Verantwortung handelt. Als der „römische“ Papst Bonifaz IX. am 1. Oktober 1404 in Rom starb, hatte das Kardinalskollegium 12 Mitglieder, von denen jedoch nur neun an der Wahl des Nachfolgers teilnahmen. Vorsichtig tastende Gespräche über die Union mit gerade in der Stadt weilenden Gesandten Benedikts XIII. verliefen ergebnislos, und die Unruhen auf den Straßen, die König Ladislaus von Neapel unterstützte, legten ein sofortiges Konklave nahe. In der Wahlversammlung wurde die Union eifrig diskutiert, und der Gedanke, die Kardinäle sollten selbst zur Beseitigung des Schismas beitragen, mündete rasch in die Redaktion einer Wahlkapitulation, deren einziges Thema wieder die Union darstellte. Sie verpflichtete den zukünftigen Papst zur unverzüglichen Herstellung der Union, hielt aber auch die Kardinäle, die jetzigen und die zukünftigen, unter Eid zu Anstrengungen für die Union an. Sie wurde am 14. Oktober von vier Notaren und in Gegenwart von acht Zeugen redigiert und den Kardinälen zur Annahme unterbreitet. Eine ausreichende Zahl von Exemplaren dieses von Notaren vervielfältigten Textes sollte jedem Kardinal zur Verbreitung und Bekräftigung dieser selbst auferlegten Verpflichtung zur Verfügung gestellt werden. Nachdem das Dokument in der Kapelle verlesen worden war, erklärten sich die Kardinäle zu seiner Annahme bereit und beeidigten dies und setzten ihre eigen-

213   Text bei Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 212) 2 296–300 Beil. 3, Schilderung der Wahl und Interpretation des Textes 205–231, und Vitae Paparum Avenionensium 1, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 541f. 214   Ehrle, Aus den Acten des Afterconcils (wie Anm. 175) 400 Anm. 1: Aus der Informatio seria der Vorgänge seit der Wahl Benedikts XIII, nach Paris, BN, ms. lat. 1478, fol. 30r–v, und ASV, Arm. LIV, vol. 23, … omnes domini cardinales predicti iuraverunt dictam cedulam et se manibus propriis, tribus eorum exceptis, subscripserunt in ea; fuitque data in custodia reverendissimo patri domino Martino tit. s. Laurentii in Lucina presbitero cardinali, de Pampilona vulgariter nuncupato, … , auch Vitae Paparum Avenionensium 4, ed. Baluze–Mollat (wie Anm. 56) 392. 215  Der Vermerk lautet mit geringen Varianten: Et ego Guido episcopus Penestrinus suprascripta iuravi et promisi et manu mea hic subscripsi. Öfters auch premissa statt suprascripta.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 143

händige Unterschrift darunter216. Das Original ist wieder verschollen und auch von den in Aussicht gestellten Vervielfältigungen hat sich keine erhalten. Es ist bekannt, dass die Unionsbemühungen des am 17. Oktober 1404 gewählten Cosimo de Migliorati, KP von S. Croce in Gerusalemme (seit 1389), cardinalis Bononiensis, wegen der Abhängigkeit von seinem Verwandtschaftsclan, wegen der politischen Wechselfälle im Kirchenstaat und der Abhängigkeit von Ladislaus von Durazzo, dem König von Neapel, über Ansätze nicht hinauskamen. Auch Initiativen der Kardinäle blieben wirkungslos217. Nach seinem Tod am 6. November 1406 nahmen von den 18 dazu berechtigten Kardinälen der römischen Obödienz an der Wahl 14 teil. Wieder stand über dem Konklave der Leitgedanke der Beseitigung des Schismas, aber es herrschte Uneinigkeit, wie diese zu bewerkstelligen sei. Die beiderseitige Abdankung schien den meisten als der am besten gangbare Weg. Nach fünf Tagen des am 18. November begonnenen Konklaves einigten sich die Kardinäle am 23. November auf eine detaillierte Wahlkapitulation und beschworen diese feierlich tactis sacrosanctis evangeliis und bekräftigten das Dokument mit ihrer eigenhändigen Unterschrift. Es sah einen höchst detaillierten Plan vor, nach dem der künftige Papst alsbald Verhandlungen mit dem Gegenspieler mit dem Ziel des beiderseitigen Verzichts aufzunehmen hätte, wobei beide Kardinalskollegien zusammenwirken und die Wahl eines neuen Papstes anstreben sollten. Durch zahlreiche Klauseln sollte der Weg hin zur einseitigen Abdankung ausgeschlossen werden218. Formal gesehen handelte es sich um ein Notariatsinstrument, das von zahlreichen Zeugen beglaubigt und von sechs Notaren unterfertigt wurde. Nach den autographen Unterschriften der Kardinäle findet sich auch die Bestätigung des neugewählten Papstes Gregors XII. – der schon als Angelus, KP von S. Marco, unterschrieben hatte – und die entsprechende Notiz des Notars (Abb. 36)219. Drei Originale mit den autographen Unterschriften sind erhalten geblieben, Kopien müssen in großer Zahl von Rom aus verschickt worden sein, denn den Kardinälen wurde nicht nur je ein Exemplar ausgehändigt, sondern es waren ihnen je nach Wunsch Kopien in Aussicht gestellt worden220. 216  Text bei Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 212) 1 280–284, zum Konklave ebd. 63–68; Valois, Schisme (wie Anm. 49) 3 376–383; wichtige Details auch bei Dieter Girgensohn, Kardinal Antonio Caetani und Gregor XII. in den Jahren 1406–1408. Vom Papstmacher zum Papstgegner. QFIAB 64 (1984) 116–226, hier 129–132. – Erhalten blieb in der nur zweifachen kopialen Überlieferung allein die erste Unterschrift mit der Eigenhändigkeitserklärung: Ego Angelus tit. s. Laurentii in Damaso presbyter cardinalis, sic ut premittitur vovi, promisi et iuravi et in premissorum testimonium hic me propria manu subscripsi. In der Überlieferung aus Wien, ÖNB, cod. 3296, fol. 114v–115v (Abschrift eines Priesters Andreas aus Regensburg, der sich den Text auf dem Konstanzer Konzil beschaffte), steht unter dieser Unterschrift: Et sic omnes et singuli ceteri cardinales in evidens testimonium premissorum hic se propriis manibus subscripserunt. 217  Vgl. Amedeo de Vincentiis, Art. Innocenzo VII. Enciclopedia dei papi (Roma 2000) 2 581–584, und ders., Art. Innocenzo VII, papa. DBI 62 (2004) 447–450. 218  Der Text am besten bei Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 212) 1 285–295. Über das Konklave und die Entstehung des Textes vgl. ebd. 89–114 und Girgensohn, Caetani (wie Anm. 216) 143–154. 219   Zum Beispiel wieder die Unterschrift des ersten Kardinals: Ego Angelus episcopus Ostiensis, cardinalis Florentinus, sic ut premittitur vovi, promisi et iuravi et in testimonium premissorum me propria manu subscripsi. – Die Bestätigung Gregors XII., freilich ohne expliziten Hinweis auf Eigenhändigkeit: Ego Gregorius duodecimus hodie ultima Novembris millesimo quadringentesimo sexto assumptus in Romanum pontificem omnia supradicta sic ut premittitur iuro, voveo, promitto ac confirmo. 220  Originale: 1. ASV, Instrumenta Miscellanea 3859. – 2. Florenz, AS, Diplomatico, Adespote, coperte di libri, 1406 novembre 23 (unten abgeschnitten, sodass die Kardinalsunterschriften bis auf die erste fehlen). – 3. ebd., Diplomatico, Regio Acquisto Strozziane Uguccioni, 1406 novembre 23 (fehlte schon 1978, auch 2015 noch verschollen), ed. Cesare Guasti, Gli avanzi dell’Archivio di un pratese Vescovo di Volterra che fu al Concilio di Costanza. Archivio storico italiano IV/13 (1884) 20–41, hier 29–35. – Im Text selbst am Ende … quorum

144

Werner Maleczek

Abb. 36: Wahlkapitulation der Kardinäle nach dem Tod Innocenz’ VII., 1406 November 23. ASV, Instrumenta miscellanea 3859. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

Die hochgemuten Absichten, die bei der Wahl Gregors XII. fixiert wurden, blieben ohne Erfolg. Der neue „römische“ Papst nahm zwar unverzüglich mit Benedikt XIII. Kontakt auf, um eine persönliche Zusammenkunft mit dem Ziel eines beidseitigen Rücktrittes zu erreichen, aber was daraus in den nächsten eineinhalb Jahren wurde, empfand die europäische Öffentlichkeit zunehmend als Ärgernis und als Manifestation des fehlenden Willens an der hierarchischen Spitze der Kirche, das nun fast schon dreißig Jahre andauernde Schisma zu beseitigen. Die Vertreter beider Seiten konnten sich zwar noch über Savona als den Ort des Treffens der beiden Päpste einigen, aber die angesetzten Termine verstrichen, wiederholt mussten neuerliche Forderungen vorgebracht und erfüllt werden, das gegenseitige Misstrauen bewirkte immer neue Gesandtschaften, und schließlich kamen im Winter 1407/08 die beiden Päpste einander näher, Benedikt XIII. auf seinen Schiffen bis Portovenere am Golf von La Spezia, Gregor XII. zu Land bis Lucca. Nach heutigen Straßen gemessen waren sie nicht mehr als 90 km voneinander entfernt, also etwa drei Tagesreisen weit, aber es war vergeblich. Das Treffen fand nicht statt. Dieses peinliche Hin und Her bewirkte, dass in der Anhängerschaft des römischen und des avignonesischen Papstes, in den Diözesen, den Orden, den Universitäten, aber auch in den beiden Kurien die Überzeugung wuchs, dass zur Beseitigung der Spaltung nun endlich ein anderer, ein wirksamer, ein durch konziliaristische Gedanken seit langem vorbereiteter Weg gewählt werden müsse. Als Gregor XII. Anfang Mai 1408 vier neue Kardinäle kreierte, um das wachsende Misstrauen seiner nächsten Umgebung zu neutralisieren, und er wenig später die Verhandlungen mit Benedikt XIII. abbrach, war das Maß für die alten Kardinäle Gregors voll. Sie verließen ihn und begaben sich nach Pisa. Benedikt konnte die Spaltung im Lager seiner Gegner nicht voll ausnützen, da ihn der neuerliche Abfall Frankreichs, von langer Hand vorbereitet, zwang, das dem französischen König unterstehende Ligurien zu verlassen und sich in den Schutz seines treuesten Anhängers, des aragonesischen Königs Martin I. (1396–1410), zu begeben. Am Vorabend seines Aufbruchs von Portovenere am 16. Juni 1408 berief er ein „allgemeines“ Konzil nach Perpignan auf den 1. November 1408 ein. Die Gegenseite reagierte zwei Wochen später: Gregor XII. berief am 2. Juli 1408 seinerseits eine Generalsynode ein, konnte aber wegen noch fehlender politischer Sicherheiten erst ein halbes Jahr später den Ort, Cividale im Gebiet des instrumentorum quilibet ex ipsis dominis de collegio unum vel plura habere valeat pro eius arbitrio voluntatis. Nach dem Liber pontificalis, ed. Louis Duchesne (Paris ²1955) 2 510, wird von Gregor XII. berichtet: subscripsitque in singulis instrumentis, quorum quilibet cardinalis habebat unum. – Souchon verwendet mehr als ein Dutzend kopialer Überlieferungen zur Herstellung seines Textes.



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 145

Patriarchen von Aquileja, bekanntgeben. Angesichts dieser neuerlichen Verhärtung reifte in den Kardinalskollegien beider Seiten der Entschluss, nun ihrerseits aktiv werden zu müssen und das Schisma synodal zu beseitigen. In Livorno trafen „avignonesische“ und „römische“ Kardinäle einander schon im Mai und Juni zu Gesprächen, die sich nach dem allmählichen Eintreffen weiterer ihrer Kollegen noch verdichteten221. Wahrscheinlich am 24. Juni einigten sich schließlich die Anwesenden auf die Einberufung eines allgemeinen Konzils in eigener Verantwortung, jedenfalls gaben die römischen Kardinäle einem großen Teil ihrer – durchwegs später ausgefertigten – Ladungen dieses Datum. In den folgenden Monaten traten andere Kardinäle dem Bündnis bei, sodass im Herbst 22 Männer aus beiden Obödienzen das entscheidende Gremium bildeten. Sowohl Gregor XII. als auch Benedikt XIII. waren damit keine Kardinäle geblieben, die ihren roten Hut schon vor dem Jahr 1408 hatten. Mit dem Einberufungsschreiben vom 24. Juni, das in den Folgewochen noch ergänzt wurde, beginnt eine Reihe von Dokumenten, die von den beteiligten Kardinälen eigenhändig unterschrieben und durch beigefügte Bemerkungen ergänzt wurden, womit ihre Verantwortung für diese kirchenrechtlich nicht lupenreine Vorgangsweise – ein Konzil ohne einberufenden und vorsitzenden Papst – noch unterstrichen wurde. Im Folgenden wird hier jedoch nicht die Geschichte des Pisaner Konzils von 1409 nacherzählt, sondern es werden nur die Dokumente aufgelistet und knapp kommentiert, wo das eigenhändige Mitwirken der Kardinäle bezeugt ist. Obwohl aus diesen Jahren eine ansehnliche Zahl von individuellen Kardinalsbriefen original und kopial vorliegt, ist ein Beweis der Eigenhändigkeit dabei nicht gelungen222. Bei Briefen, die von mehreren Kardinälen oder ihrer Gesamtheit ausgestellt werden, erfolgte häufig eine Besiegelung durch die drei Prioren des Kardinalskollegs, also durch den jeweils dienstältesten Kardinalbischof, Kardinalpriester und Kardinaldiakon223. 221   Die allgemeine Entwicklung zwischen der Wahl Gregors XII. und der von den Kardinälen verantworteten Einberufung des Konzils überzeugend dargestellt von Dieter Girgensohn, Von der konziliaren Theorie des späteren Mittelalters zur Praxis: Pisa 1409, in: Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Institutionen und Personen, hg. von Heribert Müller–Johannes Helmrath (VuF 67, Ostfildern 2007) 61–94, bes. 69–77. Die Einzelheiten der Verhandlungen zwischen den Kardinälen beider Obödienzen und ihre weiteren Initiativen bis Ende 1408 nachgezeichnet von dems., More sanctorum patrum alias utiliter in ecclesia observato. Die Einberufung des Pisaner Konzils von 1409. Annuarium Historiae Conciliorum 27/28 (1995/96) 325–382, bes. 333–359, die „römische“ Seite noch stärker berücksichtigt schon bei dems., Caetani (wie Anm. 216) 138–193. – Die Darstellung des Pisanum in der von Walter Brandmüller herausgegebenen Reihe der Konziliengeschichte ist von Dieter Girgensohn demnächst zu erwarten. Die Rolle der Kardinäle während des Konzils ist am leichtesten zu verfolgen bei Souchon, Papstwahlen (wie Anm. 212) 2 41–77. 222   Beispielsweise: Johannes, cardinalis Leodiensis, berichtet König Ruprecht von der Wahl Gregors XII., zwischen 3. und 11. 12. 1406, Rom (kopial, Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht 3: 1406–1410, ed. Julius Weizsäcker [Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe 6, München 1888, Nachdr. Göttingen 1956] 175f. Nr. 128). – Landulf, cardinalis Barensis, bittet um Geleitbrief durch Frankfurt, 9. 1. 1409, Mainz (Orig., Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht 3, ed. Weizsäcker 360 Nr. 251). – Landulf, cardinalis Barensis, berichtet König Heinrich IV. von England über seine Erfolge in Deutschland zur Herbeiführung der Kircheneinheit und über die Haltung König Ruprechts, 24. 1. 1409, Aschaffenburg (kop., Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht 3, ed. Weizsäcker 463f. Nr. 278). – Landulf, cardinalis Barensis, verbürgt König Wenzel die Anerkennung von Seiten des Pisaner Konzils, 17. 2. 1409, Prag (Orig., Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht 3, ed. Weizsäcker 585 Nr. 317). – Johannes Vincke, Briefe zum Pisaner Konzil (Beiträge zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 1, Bonn 1940) Nr. 28, 51–53, 57, 61, 67, 77 (Orig.), 79 (Orig.), 114 (Orig.). Ebd. 14 Anm. 36: Verzeichnis der Briefe des Petrus Philargis, cardinalis Mediolanensis, des späteren Papstes Alexander V. – Girgensohn, Caetani (wie Anm. 216) 197–226, veröffentlicht sechs Kardinalsbriefe aus kopialer Überlieferung aus den Jahren 1406 bis 1408. 223  Vincke, Briefe (wie vorige Anm.) Nr. 29, 31–33, 35–38, 41–42, 44–46, 48, 63–65, 75–76.

146

Werner Maleczek

29. Juni 1408, Livorno – Dreizehn Kardinäle aus beiden Obödienzen (auch im Auftrag von weiteren Kollegen) schließen einen förmlichen Vertrag zur Beschreitung des Konzilsweges, wenn die beiden streitenden Päpste nicht abdanken würden224. 30. August 1408, Pisa – Die Kardinäle beider Obödienzen modifizieren den am 29. Juni 1408 geschlossenen Vertrag: Bei von ihnen getroffenen Entscheidungen braucht es nicht mehr Einstimmigkeit, sondern es genügt die Zweidrittel-Mehrheit. Diesem Vertrag treten bei und bekräftigen dies mit Unterschrift eigener Hand und mit dem Siegel: Enrico Minutolo, KB von Tusculum, cardinalis Neapolitanus, und Angelo d’Anna Sommariva, KP von S. Pudenziana, cardinalis Laudensis, am 14. September 1408, Landulfo Maramaldo, KD von S. Nicola in Carcere Tulliano, cardinalis Barensis, am 5. Oktober 1408, und Jean de Brogny, KB von Ostia, am 11. Oktober 1408225. 5. Juni 1409, Pisa – Verurteilung und Absetzung Gregors XII. und Benedikts XIII. durch das Pisaner Konzil226. 8. Juni 1409, Pisa, in der Sakristei des Klosters S. Martino – Vertrag König Wenzels mit den in Pisa versammelten Kardinälen zur Herbeiführung der Kircheneinheit. Versprechen zum Italienzug. Versprechen zur Anerkennung Wenzels durch den zukünftigen Papst227. 10. Juni 1409, Pisa – Während einer Sitzung des Konzils lässt Erzbischof Alamanno Adimario von Pisa das schriftliche und eigenhändig unterschriebene Versprechen aller am Konzil anwesenden Kardinäle, ausgenommen Amadée de Saluces, der erkrankt ist, verlesen, wonach der aus ihrer Mitte gewählte Papst die Kirchenreform in capite et membris betreiben und das Konzil fortsetzen wird. Ein eventuell von außen kommender Papst wird von ihnen dazu angehalten werden228. 224  Kopial, Martène–Durand, Amplissima collectio (wie Anm. 113) 7 798–808. Die Unterschrift des Guy de Malsec, cardinalis Pictavensis (KB von Preneste [1383–1412], avignonesische Obödienz), lautet beispielsweise: Ego Guido episcopus Prenestinus, sancte Romane ecclesie cardinalis, predictis omnibus interfui, consensi, ut in presenti instrumento continetur, et in testimonio premissorum presentem subscriptionem manu propria feci et meum sigillum apponi mandavi. – Auch inseriert in den Vertrag vom 30. August 1408, Mansi 27 101–104. 225  Kopial, ed. Martène–Durand, Amplisima collectio (wie Anm. 113) 7 803–808; Mansi 27 101–106, z. B.: Ego Angelus tit. s. Potentiane, presbyter cardinalis Laudensis, omnibus suprascriptis et singulis interfui, consensum prestiti, promisi, iuravi ac vovi, in premissorum testimonium me propria manu subscripsi, et meum sigillum apponi feci. 226  Kopial, oft gedruckt, in zwei Varianten, z. B. Mansi 26 1146–1447 und Mansi 27 402–404, jedoch durchwegs ohne die Liste der Unterschriften. Diese, nicht ganz vollständig, nach Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 396, fol. 44–51, bei Johannes Vincke, Schriftstücke zum Pisaner Konzil. Ein Kampf um die öffentliche Meinung (Beiträge zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 3, Bonn 1942) 177–205 Nr. 32. Auch in den Libri de schismate, ASV, Arm. LIV, vol. 34, fol. 121–165, mit Abb. zweier Seiten in: Das Geheimarchiv des Vatikan. Tausend Jahre Weltgeschichte in ausgewählten Dokumenten, hg. von Terzo Natalini et al. (Stuttgart–Zürich 1992) 130 Taf. LVIII, LIV. Es unterschreiben zu Beginn 24 Kardinäle, z. B. Ego Antonius Gaytanus episcopus Penestrinus dictus Aquilegensis sancte Romane ecclesie cardinalis pronunciacioni huius sentencie presens fui, consensi et manu propria me subscripsi. 227   Kopial, ursprünglich mit 22 anhangenden Kardinalssiegeln und Siegeln anderer versehen. Im Eschatokoll Atque ad maiorem cautelam prefati reverendissimi domini cardinales (16 Kardinäle sind genannt) in presenti instrumento, quod dictis procuratoribus, ambaxiatoribus et legatis pro prefato serenissimo domino rege recipientibus est assignandum, singuli se manu propria subscripserunt sigillorum suorum munimine roborari. – Nach dem Datum und der Nennung der Zeugen Deinde quilibet cardinalium suprascriptorum subscribit se manu propria in hunc vel consimilem modum: Ego Nycolaus episcopus Albanensis sancte Romane ecclesie cardinalis omnibus suprascriptis interfui et consensi illaque approbo et me propria manu subscripsi. – Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht 3, ed. Weizsäcker (wie Anm. 222) 592–597 Nr. 321. 228  Kopial, es unterschreiben 20 Kardinäle … ad fidem, robur et testimonium premissorum nos omnes su­ pradicti singulariter et divisim manibus propriis hic inferius subscripsimus. Die erste Unterschrift als Beipspiel: Ego



Autographen von Kardinälen des 13. und 14. Jahrhunderts 147

1. Juli 1409, Pisa – Bekanntgabe der einmütigen Wahl Papst Alexanders V. am 26. Juni229.

Zusammenfassung 1. Alle Kardinäle des 13. und 14. Jahrhunderts konnten schreiben und eigenhändig unterschreiben, weil dieses elementare Bildungsgut allen Klerikern eigen war, besonders jenen, die wegen ihrer Qualifikation in die nächste Umgebung des Papstes berufen wurden. 2. Theoretische Überlegungen über Eigenhändigkeit gibt es aus diesen beiden Jahrhunderten nicht. 3. Die meisten eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle des 13. Jahrhunderts finden sich auf päpstlichen feierlichen Privilegien, mit denen bestehende Rechte und Besitzungen kirchlicher Institutionen bestätigt werden. Jene Privilegien, die wesentliche kirchenrechtliche Änderungen herbeiführen oder politisch gravierend sind, wurden zwar auch von den Kardinälen unterschrieben, aber Aussagen über ihre eventuelle Mitbestimmung sind kaum möglich. 4. Ab dem Pontifikat Alexanders IV. (1254–1261) werden die bisher routinemäßig ausgestellten feierlichen Privilegien mit autographen Kardinalsunterschriften deutlich seltener, vor allem wegen des Auftauchens des neuen Urkundentyps „Bulle“. Sie verschwinden nicht zur Gänze und lassen sich auch während des 14. Jahrhunderts noch verfolgen. 5. In einigen Sektoren päpstlicher Politik bleiben die mit Kardinalsunterschriften versehenen Privilegien bis ins späte 14. Jahrhundert erhalten, z. B. im Lehnsverhältnis zum Königreich Neapel-Sizilien. Die Formulierungen der dafür ausgestellten Urkunden lassen verstärkte Mitwirkung der Kardinäle erkennen. 6. Kollektive Kardinalsurkunden, die Gravierendes – besonders beim Wechsel von Pontifikaten – dokumentieren, werden ab dem späten 13. Jahrhundert nicht nur unterschrieben, sondern mit einer kurzen beglaubigenden Notiz versehen, etwa beim Protokoll der Wahl Coelestins V. 1294 oder bei der Mitteilung an Bertrand le Got, Erzbischof von Bordeaux, über seine Wahl zum Papst und der Bitte, die Wahl anzunehmen. 7. Wenn Kardinäle des 13. und 14. Jahrhunderts als Legaten unterwegs waren, setzten sie vereinzelt ihre Unterschrift auf politisch oder kirchenpolitisch wichtige Urkunden und griffen auch sonst manchmal in die Arbeit der von ihnen mitgeführten Legatenkanzlei ein. Vertrauliche Briefe, Signierung von Suppliken, eigenhändige Konzepte von Schreiben, die über Routinemäßiges hinausreichten, lassen sich nachweisen und sind sogar im Original erhalten, wie bei Aegidius Albornoz, dessen schriftlicher Nachlass in erstaunlicher Reichhaltigkeit die Zeiten überdauert hat. 8. Ab dem späten 13. Jahrhundert signierten nicht nur die Päpste eigenhändig eingereichte Suppliken, sondern auch die Vizekanzler, die seit dem frühen 14. Jahrhundert Guido episcopus Penestrinus premissa, sicut suprascripta sunt, promitto. – Johannes Vincke, Acta Concilii Pisani. RömQua 46 (1941) 81–331, hier 300f. Nr. XVI. 229  Kopial, es unterschreiben 22 Kardinäle: … in cuius rei testimonium nos omnes et singuli propriis manibus nos duximus subscribendos, et ita aserimus et harum tenore fatemur. Als Beispiel: Ego Johannes espiscopus Ostiensis sancte Romane ecclesie cardinalis et eiusdem vicecancellarius elegi predictum reverendissimum dominum Allexan­ drum in Romanum pontificem, prout supra scribitur, et manu propria me subscribo in testimonium premissorum. – Vincke, Acta concilii Pisani (wie Anm. 228) 309–314 Nr. XIX.

148

Werner Maleczek

stets Kardinäle waren. Deshalb lässt sich bei einer gewissen Zahl von erhaltenen Originalsuppliken – im Verhältnis zu den vielen Tausenden, die jedes Jahr der päpstlichen Kurie vorgelegt wurden, ist es ein winziger Bruchteil – die abgekürzte Unterschrift und der Hinweis auf einen Abbreviator erkennen. Die beiden langjährigen Vizekanzler der avignonesischen Zeit, Pierre Deprez, KB von Palestrina (im Amt von 1325 bis 1361), und Pierre de Monteruc, KP von S. Anastasia (im Amt von 1361 bis 1377, von 1379 bis 1385), sind auf diese Weise oft dokumentiert. Ähnliches gilt für den Kardinalgroßpönitentiar. 9. Eigenhändige Unterschriften auf Kardinalstestamenten dieser beiden Jahrhunderte sind selten. Als große Ausnahme hat das zur Gänze autographe Testament des Giacomo Orsini, KD von S. Giorgio in Velabro (1371–1381), zu gelten. 10. Mit dem Ausbruch des Großen Schismas 1378 nimmt die Eigenhändigkeit der Kardinäle markant zu. Sie sind als Papstwähler die eigentlich Verantwortlichen für die fast vier Jahrzehnte währende Kirchenspaltung. Dass ihre eigenen Hände viel häufiger als früher nachweisbar sind, hängt nicht allein mit der kräftig gesteigerten Schriftlichkeit der spätmittelalterlichen Epoche zusammen, wofür die Verbreitung des Papiers eine der materiellen Voraussetzungen bildete, sondern auch mit der Vervielfältigung der Texte, die die je eigene Obödienz zu stärken und die der Gegenseite argumentativ zu schwächen suchten. Die Kardinäle waren sich ihrer Verantwortung bewusst und schrieben und unterschrieben deshalb viel häufiger. Die außerordentlich gute Quellenlage zu den ersten Jahren des Schismas lässt ihr individuelles – eigenhändiges und kanzleimäßiges – Schreiben deutlich werden, aber auch die kollektiv ausgestellten Urkunden mit ihren autographen Unterschriften nehmen deutlich zu. 11. Die eindrucksvolle Reihe der Wahlkapitulationen der Jahre 1394, 1404 und 1406 wirkt wie der Erweis persönlicher Verantwortung. Ähnlich sind die kollektiven Dokumente zum Pisaner Konzil – die markantesten sind der Vertrag der beiden Obödienzen zur Beschreitung des Konzilsweges (29. Juni 1408), die Verurteilung und Absetzung von Gregor XII. und Benedikt XIII. (5. Juni 1409), und die Bekanntgabe der Wahl Alexanders V. (1. Juli 1409) –, die von den Kardinälen eigenhändig unterschrieben und mit Beglaubigungsvermerken versehen werden, zu interpretieren. 12. Zwei Exkurse zu eigenhändigen Schreiben der Päpste und zu autographen Zeugnissen von späteren Kardinälen runden die Untersuchung ab.

Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert Irmgard Fees

Sämtliche venezianischen Dogen des 12. und 13. Jahrhunderts, insgesamt 17 an der Zahl, verfügten über grundlegende Schreibkenntnisse*. Die Quellen, die darüber Auskunft geben, sind allerdings eng begrenzt: Es handelt sich ausnahmslos um Urkunden, und die Manifestationen der Schreibkenntnisse bestehen ausschließlich in Unterschriftsformeln. Zeugnisse anderer Art, also nicht urkundlichen Charakters, etwa Briefe, Notizen oder ähnliches, fehlen völlig, und auch die zeitgenössische Historiographie macht keine Aussagen über entsprechende Kenntnisse der Dogen. Die venezianischen Urkunden wiesen bis weit ins 14. Jahrhundert hinein die Form der Charta auf 1, mussten also von den Ausstellern eigenhändig unterfertigt werden. Dokumentierten die Urkunden Käufe und Verkäufe, Handels-, Kredit- oder andere Geschäfte, trugen sie zudem die Unterschriften einer festgelegten Anzahl von Zeugen sowie *  Herrn Dr. Franz-Albrecht Bornschlegel, München, danke ich herzlich für zahlreiche weiterführende Hinweise. 1  Zum Folgenden und zur venezianischen Urkunde allgemein vgl. Leo Santifaller, Beiträge zur Geschichte des Lateinischen Patriarchats von Konstantinopel (1204–1261) und der venezianischen Urkunde (Historisch-Diplomatische Forschungen 3, Weimar 1938) 285–294; Beniamino Pagnin, Il documento privato veneziano 1: Il formulario (Padova 1950) (mehr nicht erschienen); vgl. auch ders., La notitia testium nel documento privato medievale italiano. Atti del Reale Istituto Veneto di Scienze Lettere ed Arti 97.2 (1937–1938) 1–17; ders., L’exemplum nel documento medievale. Atti del Reale Istituto Veneto di Scienze Lettere ed Arti 101, 2 (1943) 201–216; ders., Per uno studio sulla redazione del documento veneziano. Bollettino dell’Archivio Paleografico Italiano N. S. 2–3, 2 (1956–1957) 215–222; ders., Note sull’ignorantia litterarum nei documenti veneziani intorno al Mille. Osservazioni di carattere diplomatico e culturale. Ricerche Medievali 3 (1968) 61–71; Giustiniana Migliardi O’Riordan Colasanti, Prime indagini sull’evoluzione del formulario notarile nel contratto marittimo veneziano (secc. XI–XII), in: Notariado público y documento privado. De los orígenes al siglo XIV. Actas del VII Congreso Internacional de Diplomática, Valencia 1986, 2 (Valencia 1989) 1139–1166; Giustiniana Migliardi O’Riordan, Tipologie di documenti commerciali veneziani. Nolo, mutuo, prestito a cambio marittimo, colleganza. Atlante diplomatico, con la collaborazione di Alessandra Schiavon (Quaderni della Scuola di Archivistica, Paleografia e Diplomatica 1, Venezia 1988); Giustiniana Migliardi O’Riordan, Tipologie di documenti dei secoli IX–XVI. Atlante documentario, con la collaborazione di Manuela Baroni, in: Esempi di scritture dei secoli XII–XVIII, hg. von Maria Francesca Tiepolo et al. (Quaderni della Scuola di Archivistica Paleografia e Diplomatica 2, Venezia 1991); Attilio Bartoli Langeli, Documentazione e notariato, in: Storia di Venezia dalle origini alla caduta della Serenissima 1: Origini – Età ducale, hg. von Lellia Cracco Ruggini–Massimiliano Pavan–Giorgio Cracco–Gherardo Ortalli (Roma 1992) 847–864; ders., Il notariato, in: Genova, Venezia, il Levante nei secoli XII–XIV. Atti del Convegno Internazionale di Studi, Genova–Venezia, 10–14 marzo 2000, hg. von Gherardo Ortalli–Dino Puncuh (Venezia 2001) 73–101; Irmgard Fees, Eine Stadt lernt schreiben. Venedig vom 10. bis zum 12. Jahrhundert (BDHIR 103, Tübingen 2002) 26–48.

150

Irmgard Fees

des Notars. Die Dogenurkunden dagegen wurden vom Dogen selbst unterschrieben sowie von einem kleineren oder größeren Kreis weiterer Amtsträger, deren Anzahl mindestens zwei betrug, in politisch wichtigen Urkunden jedoch auch die Zahl von mehreren Hundert erreichen konnte2. Alle diese Personen unterzeichneten mit der Formel Ego, es folgte der Name, manu mea subscripsi, oder, im Falle einer Zeugenunterschrift, Ego – Name – testis subscripsi. Verfügten Aussteller und Zeugen nicht über Schreibkenntnisse oder waren aus anderen Gründen, etwa Krankheit oder Alter, am Schreiben gehindert, so führte der Notar an ihrer Stelle eine Unterfertigung aus, in der Form: Signum manus – es folgte der Name im Genitiv – qui hec fieri rogavit, oder, im Falle einer Zeugenunterfertigung: Signum manus – Name – testis, in beiden Fällen eingeleitet von einem Kreuzeszeichen, das vom Unterzeichner oder auch vom Notar ausgeführt sein konnte3. Von den Dogen des 12. und 13. Jahrhunderts liegen zahlreiche im Original erhaltene Urkunden vor, aufgrund derer sich nicht nur die Eigenhändigkeit der Unterschrift überprüfen lässt, sondern die es auch ermöglichen, die Unterschriften eines Dogen in verschiedenen Urkunden, oft über Jahre hinweg, zu vergleichen4. Vor dem 12. Jahrhundert ist die Lage schwieriger, denn die älteste im Original überlieferte Dogenurkunde stammt erst aus dem Jahre 10905; für die Zeit davor ist auf die kopiale Überlieferung zurückzugreifen. Nach den derart dokumentierten Unterschriftsformeln zu urteilen, führten auch die 2   Zu den venezianischen Dogenurkunden des frühen und hohen Mittelalters vgl. Vittorio Lazzarini, Originali antichissimi della cancelleria veneziana, in: ders., Scritti di paleografia e diplomatica (Padova 21969) 158–182 (zuerst: Nuovo Archivio Veneto 8, 1904); ders., I titoli dei dogi di Venezia, in: ders., Scritti di paleografia e diplomatica 195–226 (zuerst: Nuovo Archivio Veneto 2, 1903); ders., Lettere ducali veneziane del secoli XIII: Litterae clausae, in: ders., Scritti di paleografia e diplomatica 183–194 (zuerst in: Scritti di paleografia e diplomatica in onore di Vincenzo Federici, Firenze 1944, 225–239); ders., Un privilegio del doge Pietro Tribuno per la badia di S. Stefano d’Altino, in: ders., Scritti di paleografia e diplomatica 133–149; Giovanni Monticolo, La costituzione del doge Pietro Polani (febbraio 1143, 1142 more veneto) circa la processio scolarum. Rendiconti della reale Accademia dei Lincei. Classe di scienze morali, storiche e filologiche. Ser. 5 Bd. 9 (1900) 91–133; Gli atti originali della cancelleria veneziana, ed. Marco Pozza, Bd. 1 (1090–1198), Bd. 2 (1205–1227) (Venezia 1994, 1996) Einleitungen; ders., La cancelleria, in: Storia di Venezia dalle origini alla caduta della Serenissima 2: L’età del comune, hg. von Giorgio Cracco–Gherardo Ortalli (Roma 1995) 349–369; ders., La cancelleria, in: Storia di Venezia dalle origini alla caduta della Serenissima 3: La formazione dello stato pa­ trizio, hg. von Girolamo Arnaldi–Giorgio Cracco–Alberto Tenenti (Roma 1997) 365–387; Attilio Bartoli Langeli, La documentazione ducale dei secoli XI e XII. Primi appunti, in: Studi Veneti offerti a Gaetano Cozzi (Venezia 1992) 31–41; ders., Il notariato (wie Anm. 1); Dino Puncuh, Trattati Genova – Venezia, secc. XII–XIII, in: Genova, Venezia, il Levante (wie Anm. 1) 129–158; Antonella Rovere, L’organizzazione burocratica. Uffici e documentazione, in: ebd. 103–128. – Einen knappen und präzisen Überblick über Sachlage und Forschungsstand gibt Reinhard Härtel, I documenti pubblici di Venezia fra Occidente e Bisanzio (fino al sec. XII), in: Documenti medievali greci e latini. Studi comparativi. Atti del Seminario di Erice (23–29 ott. 1995), hg. von Giuseppe di Gregorio–Otto Kresten (Spoleto 1998) 327–338; vgl. auch Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 59–64; dies., Eine Urkunde des venezianischen Dogen Pietro Polani von 1138/1139. AfD 55 (2009) 67–95; dies., Das Erscheinungsbild der venezianischen Dogenurkunde im Mittelalter, in: Kirche und Frömmigkeit – Italien und Rom. Colloquium zum 75. Geburtstag von Professor Dr. Jürgen Petersohn, Würzburg, 7. und 8. Mai 2010, hg. von Jörg Schwarz–Matthias Thumser–Franz Fuchs (Würzburg 2012); online-Publikation: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:20-opus-69485 [letzter Zugriff: 15. 02. 2016]. 3  Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 36–40. 4  Die Anzahl der Belege ist jedoch keineswegs zu vergleichen mit der ungleich dichteren Überlieferung, wie man sie etwa für die Kardinäle des 12. Jh. vorfindet; vgl. dazu die unten angeführten Arbeiten von Werner Maleczek (Anm. 15). 5  Urkunde von 1090 Juli, Druck: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 1; zu den Gründen für das späte Einsetzen der Originalüberlieferung vgl. ebd. 14–17.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 151

Dogen des 9., 10. und 11. Jahrhunderts ihre Unterschriftsformeln eigenhändig aus, mit Ausnahme eines Dogen des 9. und eines weiteren des 10. Jahrhunderts, die ihre Unterfertigung vom Notar schreiben ließen6. Eine weitere, berühmte Ausnahme gab es an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert: Der Doge Enrico Dandolo, der 1204 in Konstantinopel während des Vierten Kreuzzugs in hohem Alter verstarb, unterschrieb seine Dogenurkunden nicht eigenhändig, sondern ließ die Unterfertigungsformeln von seinem Kanzler ausführen. Es steht jedoch fest, dass er das Schreiben beherrschte, denn es sind mehrere eigenhändig unterschriebene Urkunden aus älterer Zeit überliefert. Enrico Dandolo hatte, durch welche Umstände auch immer, sein Sehvermögen in den Jahren zwischen 1178 und 1183 ganz oder weitgehend eingebüßt7. Der spätere Doge beherrschte zwar das Schreiben8, vermochte es aber gegen Ende seines Lebens nicht mehr praktisch auszuüben. Die Dogen des 13. Jahrhunderts konnten wie ihre Vorgänger im 11. und 12. Jahrhundert sämtlich wenigstens ihre Unterschrift eigenhändig leisten. Sie stellten damit in der venezianischen Gesellschaft ihrer Zeit keine Ausnahme dar. Die politische, ökonomische und soziale Elite der Stadt, soweit sie männlichen Geschlechts war, verfügte über ähnliche Fähigkeiten: Seit Beginn des 12. Jahrhunderts war die gesamte Führungsschicht der Stadt in dieser Weise literat9. Die Dogenurkunden wurden denn auch nicht nur vom Dogen selbst unterzeichnet, sondern von zahlreichen weiteren Männern, seinen Räten, darunter als erste sechs Amtsträger, die iudices genannt wurden, aber auch einer wechselnden, oft sehr hohen Zahl weiterer Personen10. Der Titel iudex darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Führungsschicht, die uns in den Dogenurkunden entgegentritt, aus Laien bestand, die keine universitäre Bildung genossen hatten; die iudices waren keine ausgebildeten Juristen, sondern politische Berater des Dogen, die in die Aufgaben ihres Amtes allmählich hineinwuchsen. Der Karriereverlauf der männlichen Angehörigen der Führungselite, die zudem nahezu ausnahmslos im Handel engagiert waren – aktiv oder seit dem späten 12. und im 13. Jahrhundert zunehmend passiv –, sah immer ähnlich aus: In jüngeren Jahren reisten 6   Die Dogen waren also nicht „bis ins 12. Jahrhundert hinein nachweislich oder wahrscheinlich völlig schriftunkundig“, wie Alfred Wendehorst, Wer konnte im Mittelalter lesen und schreiben?, in: Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, hg. von Johannes Fried (VuF 30, Sigmaringen 1986) 9–33, hier 18 Anm. 73, gestützt auf Heinrich Kretschmayr, Geschichte von Venedig, 3 Bde. (Gotha 1905–1934, Nachdr. Aalen 1964), hier 1 198, annahm. Die an dieser Stelle von Kretschmayr angeführten Beispiele schreibunkundiger Dogen gehören dem 9. und 10. Jh. an. Alle Dogen des 11. Jh., von denen Urkunden überliefert sind, konnten wenigstens ihren Namen schreiben. – Im 9. Jh. unterfertigte in einer der überlieferten Urkunden ein Doge nicht autograph: Pietro Tradonico im Testament des Bischofs Orso von Olivolo von 853; Druck: Documenti relativi alla storia di Venezia anteriori al Mille, ed. Roberto Cessi, 2 Bde. (Padova 1942; Nachdr. hg. von Carlo F. Polizzi, Venezia 1991) 1 Nr. 60 S. 114–118. – Im 10. Jh. kennen wir ebenfalls einen Fall: Tribuno Memmo 982 Dezember 20, Druck: S. Giorgio Maggiore (982–1199) 2, hg. von Luigi Lanfranchi (Venezia 1968) Nr. 1 S. 15–26. 7  Giorgio Cracco, Art. Dandolo, Enrico. DBI 32 (1986) 450–458, hier 450f.: „perse la vista ... tra il 1178 e il 1183“; vgl. auch Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) 22f. mit Anm. 92; 24 mit Anm. 107; vgl. besonders auch Thomas F. Madden, Enrico Dandolo and the rise of Venice (Baltimore 2003) 63–68. 8   Vgl. Madden, ebd., der auch die Qualität der Unterschriften diskutiert; siehe dazu auch unten 160f. 9  Vgl. Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 103–105. 10   Die Zusammensetzung der Unterzeichner und ihre Anzahl wechselt je nach Bedeutung und Rechtsinhalt der Urkunden, aber auch nach Epochen; zu den Unterzeichnern der Dogenurkunden vgl. Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 59–74.

152

Irmgard Fees

sie selbst nach Übersee, etwa nach Konstantinopel, in die Handelsstädte der östlichen Mittelmeerküsten oder nach Ägypten. Mit fortschreitendem Alter übernahmen sie zunächst kleinere, dann größere politische Ämter in der Stadt selbst, wurden als Gesandte in die Levante und die benachbarten Städte geschickt oder fungierten als Podestà in den oberitalienischen Kommunen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren alle diese Ämter zeitlich begrenzt, zumeist auf die Dauer eines Jahres, oft auch auf kürzere Fristen. Die Männer der Führungselite durchliefen demzufolge häufig eine Vielzahl von Ämtern mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen, die sie jeweils für einen begrenzten Zeitraum versahen, bevor sie dann ein anderes Amt übernahmen. Oft wurde ihnen auch ein bereits einmal ausgeübtes Amt mit zeitlichem Abstand erneut übertragen. Das höchste Amt des Gemeinwesens war das des Dogen, in das man auf Lebenszeit gewählt wurde; in seinem Karriereverlauf unterschied sich der Doge jedoch nicht grundsätzlich von den übrigen Männern an der Spitze; er war ein Primus inter pares. Auf die Unterschriften zurückkommend, stellt sich natürlich die Frage, inwieweit man aus der Fähigkeit dieser Leute, eine einfache Unterschrift zu leisten, auf ihre generelle Schreibfertigkeit schließen kann. Zwar bestanden die mittelalterlichen Unterschriftsformeln bekanntlich nicht nur aus dem Namen des Unterzeichnenden, der in Venedig immer zweiteilig war, sich also aus einem Tauf- und einem Familiennamen zusammensetzte, sondern aus einer längeren Formel, im Falle der Dogen aus einem einleitenden Kreuz und der Formel Ego – es folgte der Name – dei gratia dux manu mea subscripsi11. Die Unterschriftsformeln waren aber doch weitgehend stereotyp; ihr Formular lag fest, und es lassen sich nur begrenzt Aussagen darüber machen, wie weit die Schreibkenntnisse der Dogen über diese engen Formeln hinausgingen. Verfolgt man die Dogen jedoch über die längeren Ämterkarrieren hinweg, die sie vor ihrer Wahl in das höchste Amt durchlaufen hatten, so lässt sich feststellen, dass sie viele weitere dieser einfachen Formeln beherrschten, etwa die Termini für die jeweiligen Ämter, die sich seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entwickelten und die in den Formeln mitangeführt wurden, so etwa iudex, consiliator, avocator comunis, procurator operis sancti Marci und ähnliches12. Wenn sie etwa das Amt des sogenannten iudex examinator innegehabt hatten, so hatte es zu ihren Aufgaben gehört, notarielle Abschriften von Urkunden zu beglaubigen13. Ein Beispiel unter vielen ist Pietro Ziani, Doge in den Jahren 1205 bis 1229, der 1189 eigenhändig den Satz schreiben konnte: Ego Petrus Ziani iudex vidi in matre testis sum in filia14, also etwa: Ich, Petrus Ziani, iudex, habe das Original gesehen und bin Zeuge für die Abschrift. Die Schreibkenntnisse gingen demnach über das Ausführen einer immer gleichen, kurzen Unterschriftsformel hinaus, denn die Dogen und die Männer ihrer näheren Umgebung beherrschten eine gewisse Spanne von Varianten und unterschiedlichen Formulierungen. Trotzdem bewegen sich die belegten Niederschriften in sehr engen Grenzen, und es fehlen Quellen, die ein sicheres Urteil darüber erlauben, ob diese Männer etwa in der Lage waren, längere Texte zu schreiben. Was sich jedoch beurteilen lässt, sind die Art und das graphische Niveau der Schrift, der sich die Dogen und neben ihnen die Angehörigen der venezianischen Führungs  Vgl. zu den Unterschriftsformeln: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) 22f.   Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 110–113. 13  Vgl. ebd. 114–130. 14  AS Venezia, CDV 3356, Original von 1180 Juli, Kopie von 1186 April; AS Venezia, S. Cipriano di Murano, in Mensa Patriarcale, Nr. 86 P 50. 11 12



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 153

schicht bedienten. Ähnliche Untersuchungen hat Werner Maleczek für die Unterschriften der Kardinäle in den Papsturkunden des 12. und 13. Jahrhunderts unternommen, also in einer vergleichbaren Zeitepoche15. Im Rahmen dieser Arbeit hat Maleczek einen magistralen Überblick über die Literatur zu eigenhändigen Unterschriften in mittelalterlichen Urkunden geliefert16, auf den hier verwiesen werden kann. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang erneut daran, dass es sich bei den Dogen wie bei ihren politischen Beratern sämtlich um Laien handelte, also um weder für eine geistliche Laufbahn noch universitär ausgebildete Personen. Vergleicht man Unterschriften politisch oder sozial hochrangiger Laien in Italien im frühen und hohen Mittelalter mit denjenigen von Geistlichen, so lässt sich zumeist ein deutlicher Qualitätsabstand feststellen; die laikalen Unterschriften weisen oft unverkennbare Indizien dafür auf, dass ihre Urheber das Schreiben nur schlecht beherrschten und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr als ihre Namen und die erforderliche Unterschriftsformel ausführen konnten. Solche deutlichen Indizien bestehen etwa darin, dass nur Majuskeln verwendet oder Majuskeln und Minuskeln willkürlich miteinander kombiniert werden, die Buchstaben voneinander getrennt stehen und wie mühselig gemalt aussehen, die Buchstabengrößen stark schwanken und ein gerader Zeilenverlauf nicht erreicht wird17. In den Unterschriften der venezianischen Dogen18 begegnet hingegen ein deutlich höheres Niveau, und zwar von den ersten erhaltenen Beispielen an.

Vitale Falier (1084–1096) Die Übersicht beginnt mit einem Dogen des späten 11. Jahrhunderts, Vitale Falier19, dem ersten der venezianischen Dogen, von dem sich eine Urkunde im Original überliefert hat und dessen Unterschrift sich demzufolge begutachten lässt. Über seinen Lebens15   Werner Maleczek, Die eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle – ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit. Mit einem Überblick über die eigenhändigen Unterschriften auf Urkunden vom Frühmittelalter bis ins 13. Jahrhundert, in: Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, hg. von Stefan Weinfurter (Ostfildern 2012) 239–299, besonders 275–298; vgl. auch ders., Sottoscrizioni autografe come mezzo di convalida (sec. IX–XIII) (Scuola Vaticana di Paleografia, Diplomatica e Archivistica: Prolusione accademiche 8, Città del Vaticano 2014); ders., Eigenhändige Unterschriften auf Urkunden vom 8. bis 13. Jahrhundert, in: Urkunden – Schriften – Lebensordnungen. Neue Beiträge zur Mediävistik. Vorträge der Jahrestagung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung aus Anlass des 100. Geburtstags von Heinrich Fichtenau, hg. von Andreas Schwarcz–Katharina Kaska (VIÖG 63, Wien 2015) 161–192; Werner Maleczek, Die rechte Hand des Papstes. Die Authentizität der Kardinalsunterschriften auf päpstlichen Privilegien des 12. und 13. Jahrhunderts (http://hdl.handle.net/11858/00-001S-0000-0023-9A15-6 [13. 8. 2015]). 16  Maleczek, Die eigenhändigen Unterschriften (wie Anm. 15) 245–269, gibt einen Forschungsüberblick über ganz Europa vom 8. bis zum 13. Jh. 17  Abbildungen etwa in Vincenzo Federici, La scrittura delle cancellerie italiane, dal secolo XII al XVII. Facsimili per le scuole di paleografia degli Archivi di Stato, 2 Bde. (Roma 1934) Taf. 25, 27; Wolfgang Huschner, Transalpine Kommunikation im Mittelalter. Diplomatische, kulturelle und politische Wechselwirkungen zwischen Italien und dem nordalpinen Reich (9.–11. Jahrhundert), 3 Bde. (Schriften der MGH 52, Hannover 2003), hier 3 Abb. 8, 39; Maleczek, Die eigenhändigen Unterschriften (wie Anm. 15), Fig. 16, 28, um nur einige Beispiele anzuführen. 18  In der Wiedergabe der Namen der Dogen wird hier dem DBI gefolgt, soweit Artikel zu den Personen vorliegen; die zeitgenössische Form erscheint jeweils in der Transkription der Unterschriften. 19   Vgl. zu ihm Irmgard Fees, Art. Falier, Vitale. DBI 44 (1994) 449–451; vgl. noch Andrea Da Mosto, I Dogi di Venezia (Firenze–Milano 2003) 54–56; Stefano Gasparri, Dagli Orseolo al comune, in: Storia di Venezia 1 (wie Anm. 1) 791–826, hier 809–811.

154

Irmgard Fees

lauf vor Antritt des Dogenamtes 1084 ist nichts bekannt; dass er consiliarius oder iudex war, wie vermutet worden ist20, lässt sich nicht belegen. Seine Unterschrift findet sich in der Urkunde von Juli 1090, die außer der Unterschrift des Dogen noch die von weiteren 134 Männern trägt21.

Abb. 1: Vitale Falier 1090 (Lazzarini, Originali, Taf. XIII).

Die Unterschrift ist zwar nicht flüssig und elegant zu nennen, erscheint aber keineswegs unbeholfen. Die Formel Ego vitalis faletro d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) leitete der Doge mit einem Kreuz ein und beendete sie mit einem Schlusszeichen. Vom Anfangsbuchstaben E im Wort Ego der Unterschriftsformel abgesehen, verwendete er ausschließlich Minuskeln; das Anfangs-E aber unterscheidet sich durch Vergrößerung deutlich vom Buchstaben e im Familiennamen, so dass wohl ein Großbuchstabe intendiert war. Der Doge konnte also eine regelmäßige Minuskelschrift ausführen und beherrschte gängige Kürzungen; seine Schrift erscheint jedoch eher als eine „gebaute“ Schrift und weist nur wenige kursive Elemente auf. Es gelang dem Falier zudem nicht, eine gerade Zeile einzuhalten.

Vitale I. Michiel (1096–1102) Aus der Zeit des Vitale I. Michiel22 sind zwei Dogenurkunden im Original überliefert, eine von 109823, die andere aus dem Jahr 110024; von seinen darin enthaltenen Unterschriften kann hier eine gezeigt werden.

Abb. 2: Vitale Michiel 1098 (Lazzarini, Originali, Taf. XIV).

20  Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 54; unter den von Gerhard Rösch, Der venezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rats. Zur Genese einer Führungsschicht (Kieler Historische Studien 33, Sigmaringen 1989) 59f., zusammengestellten iudices des späten 11. Jahrhunderts findet sich sein Name nicht. 21  1090 März; Original AS Venezia, S. Giorgio Maggiore, B. 121 Proc. 516; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 1. 22  Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 56f.; Gasparri, Dagli Orseolo al comune (wie Anm. 19) 809–811. 23  1098 März; Original AS Venezia, S. Cipriano di Murano, in Mensa Patriarcale, B. 76; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 2. 24  1100 Juli; Original AS Venezia, S. Zaccaria, B. 7 Perg.; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 3.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 155

Auch dieser Doge leitete seine Unterschriftsformel ego vitalis michael d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) mit einem Kreuz ein und beschloss sie mit einem Schlusszeichen, und ebensowenig wie seinem Vorgänger gelang es ihm, einen geraden Zeilenverlauf einzuhalten. Seine Buchstaben, sämtlich Minuskeln, stehen nahezu unverbunden nebeneinander; auffällig erscheint die is-Ligatur am Ende seines Vornamens und das karolingische a mit dreieckigem Bogen. Insgesamt mutet die Unterschrift unbeholfener, kantiger und weniger geläufig an als diejenige von Vitale Falier von 1090.

Ordelaffo Falier (1102–1118) Von Ordelaffo Falier25 sind ebenfalls zwei Dogenurkunden im Original überliefert; sie entstammen den Jahren 110826 und 111227.

Abb. 3: Ordelaffo Falier 1108 (Foto: Fees).

Seine Unterschrift +Ego ordelaf faledro dodoni d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) führte Ordelaffo Falier in beiden Fällen sehr sorgfältig in aufrechten, zumeist voneinander isoliert stehenden Buchstaben aus; seine Schrift wirkt jedoch in keiner Weise unbeholfen. Die Formen der karolingischen Minuskel beherrschte der Doge geradezu mustergültig, der gerade Zeilenverlauf bereitete ihm keine Probleme, und die Oberlängen der Buchstaben versah er mit dreieckigen Sporen. Auffällig ist das Eingangs-E von Ego, das sich von den beiden anderen, im Namen vorkommenden e-Formen unterscheidet; auch in diesem Falle war wie bei Vitale Falier wohl ein Großbuchstabe intendiert. Ein Schlusszeichen findet sich bei Ordelaffo Falier wie bei allen seinen Nachfolgern nicht mehr. Bemerkenswert weniger unter paläographischen als unter sprachlichen und mentalen Gesichtspunkten ist die Tatsache, dass der Name des Dogen in der von ihm in seinen Unterschriften gewählten Form ordelaf faledro28 ein Palindrom ist, also vorwärts und rückwärts gelesen dieselbe Zeichenfolge ergibt.

25   Vgl. zu ihm Irmgard Fees, Art. Falier, Ordelaffo. DBI 44 (1994) 447–449; Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 57f.; Gasparri, Dagli Orseolo al comune (wie Anm. 19) 811–813. 26   1108 September; Original AS Venezia, S. Cipriano di Murano, in Mensa Patriarcale, B. 76; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 4. 27  1112 September; Original AS Venezia, Miscellanea Ducali ed Atti Diplomatici, B. 4; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 5. 28  Bei dem Zusatz Dodoni handelt es sich um den Beinamen eines Zweiges der Familie Falier.

156

Irmgard Fees

Domenico Michiel (1118–1129) Von Domenico Michiel29 ist nur eine einzige Dogenurkunde im Original überliefert; sie stammt aus dem Jahr 112130.

Abb. 4: Domenico Michiel 1121 (Cessi, Politica 367).

Der Doge verwandte in seiner Unterschrift +Ego dominicus michael d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) ein unziales E als ersten Buchstaben des Wortes Ego, ansonsten aber durchgehend leicht unbeholfen wirkende Minuskeln mit zittrigen Langschäften; die Buchstaben neigen sich mal nach rechts, mal eher nach links, die Zeile wird nicht perfekt eingehalten, und das Kürzungszeichen bei gratia fehlt. Insgesamt scheint Domenico Michiel weniger versiert im Schreiben gewesen zu sein als seine Vorgänger.

Pietro Polani (1130–1148) Über das Leben, die Ausbildung und die Karriere des Pietro Polani31 vor seiner Zeit als Doge von Venedig ist, ebenso wie bei allen seinen Vorgängern, nichts Sicheres bekannt; über ihn heißt es lediglich, er sei bei seinem Amtsantritt noch vergleichsweise jung gewesen. Drei seiner Dogenurkunden sind im Original überliefert; sie gehören den Jahren 114032, 114433 und 114534 an; aus einer davon kann die Unterschrift hier vorgestellt werden.

Abb. 5: Pietro Polani 1140 (Da Mosto, L’Archivio di Stato 1, Taf. IV).

Auch diesem Dogen gelang in seiner Unterschrift +Ego petrus polani d(e)i gra(tia) dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) kein gerader Zeilenverlauf; seine Buchstaben, sämtlich Minuskeln, 29  Vgl. zu ihm Marco Pozza, Art. Michiel, Domenico. DBI 74 (2010) 300–303; vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 58–60, 559; Gasparri, Dagli Orseolo al comune (wie Anm. 19) 813–816. 30  1121 November; Original Venezia, Museo Correr, Archivio Zusto; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 6; Abb.: Roberto Cessi, Politica, economia, religione, in: Storia di Venezia 2: Dalle origini del ducato alla IV crociata (Venezia 1958) 67–476. 31  Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 60–62, 559; Andrea Castagnetti, Il primo comune, in: Storia di Venezia 2 (wie Anm. 2) 81–130, hier 81–88; vgl. auch Fees, Eine Urkunde (wie Anm. 2). 32   1140 Oktober; Original AS Venezia, S. Zaccaria B. 11 Perg.; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 8; Abb.: Andrea Da Mosto, L’Archivio di Stato di Venezia. Indice generale, storico, descrittivo ed analitico, 2 Bde. (Roma 1940), hier 1 nach S. 64 (zu 1140 Dezember). 33  1144 April; Original AS Venezia, S. Cipriano di Murano, in Mensa Patriarcale, B. 86; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 9; Abb.: Ebd. Taf. 4. 34  1145 September; Original AS Venezia, S. Giorgio Maggiore, B. 121 Proc. 516; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 10.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 157

einschließlich des vergrößerten Eingangs-E von Ego, wirken unregelmäßig und scheinen ein wenig auf und ab zu tanzen. Der Doge führte seine Unterschrift jedesmal in nahezu identischer, nur mit Mühe zu unterscheidender Form aus, was darauf hindeutet, dass er sie gut beherrschte, selbständig zu Pergament bringen konnte und jedenfalls keine Vorlage nachahmte.

Domenico Morosini (1148–1156) Vom Dogen Domenico Morosini (1148–1156)35 sind als einzigem unter allen Dogen des 12. und 13. Jahrhunderts keine Dogenurkunden im Original erhalten; immerhin weiß man einiges Weniges über seine Laufbahn vor seinem Amtsantritt als Doge: So hielt er sich 1124 in Tyrus auf und war 1147 einer von zwei Gesandten des Dogen Pietro Polani in Konstantinopel.

Vitale II. Michiel (1156–1172) Vom Dogen Vitale Michiel36, dem zweiten dieses Namens aus der Familie Michiel, geboren wahrscheinlich in den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts, sind zwölf Urkunden überliefert, sechs davon im Original: drei aus dem Jahr 116037 und je eine aus den Jahren 116138, 116439 und 117040.

Abb. 6: Vitale II. Michiel 1164 (Gli atti originali 1, ed. Pozza, Taf. 5).

Bei der Unterschrift dieses Dogen lässt sich anders als bei seinen Vorgängern eine gute Zeilenführung konstatieren; zudem ist er der erste unter den hier betrachteten Amtsinhabern, der eine klare Trennung zwischen den einzelnen Wörtern der Formel +ego vitalis mih(ae)l d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) vornahm. Bemerkenswert erscheinen die beiden unterschiedlichen d-Formen, die er verwendete: eine unziale Variante in dux und eine Variante mit einem fahnenähnlichen Ansatz im rechten Winkel in Schreib­ richtung in d(e)i. In diesem Fall ist nicht zu entscheiden, ob sich das Eingangs-e von 35   Vgl. zu ihm Giorgio Ravegnani, Art. Morosini, Domenico. DBI 77 (2012) 110–112; vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 62f.; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 88–90. – Zur einzigen von ihm überlieferten Dogenurkunde von 1152 siehe Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 270 Nr. 40. 36   Vgl. zu ihm Marco Pozza, Art. Michiel, Vitale. DBI 74 (2010) 328–332; vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 63–66; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 90–95, 104–106. 37  1160 Mai; Original Venezia, BNM, Cod. Marc. Lat. XIV 72 (4273) Nr. 1; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 11. – 1160 Mai; Original: AS Venezia, S. Zaccaria, B. 34 Perg.; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 12. – 1160 Mai; Original AS Venezia, S. Zaccaria, B. 34 Perg.; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 13. 38  1161 Juli; Original AS Venezia, Cancelleria Inferiore, Notai, B. 1; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 14. 39  1164 August; Original Venezia, BNM, Cod. Marc. Lat. XIV 71 (2803) Nr. 5; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 15. 40  1170 September; Original AS Venezia, S. Tomà dei Borgognoni di Torcello, in Madonna dell’Orto; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 16.

158

Irmgard Fees

den sonst vom Schreiber gebrauchten e-Formen unterscheidet, da keine weiteren e-Buchstaben vorkommen. Erstmals erscheint bei ihm eine auffällige, bei den späteren Dogen immer wieder zu beobachtende Verbindung zwischen den ersten beiden Buchstaben des Wortes Ego: Das e läuft in einer ausgeprägten Unterlänge aus, die eine Verbindung mit dem Bogen des nachfolgenden g eingeht. Diese charakteristische eg-Ligatur kommt in Venedig auch bei den Unterschriften der zahlreichen übrigen Unterzeichner der Dogenurkunden häufig und schon viel früher als in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vor, ebenso auch bei zahlreichen der Unterschriften in den Handels- und anderen Privaturkunden der Region41. Das Phänomen könnte auf lokale Ausbildungsusancen hindeuten.

Sebastiano Ziani (1172–1178) Sebastiano Ziani42 soll bei seiner Wahl zum Dogen 1172 ein siebzigjähriger Mann gewesen sein, wurde also wohl etwa 1102 geboren. Er ist der erste unter den Dogen, über dessen Karriereverlauf wir gut informiert sind: Bereits 1138 trat er als Unterzeichner einer Urkunde des Dogen Polani in Erscheinung, seit den 1140er Jahren investierte er hohe Summen in den Levantehandel und reiste selbst des öfteren nach Konstantinopel. Zwischen 1156 und 1168 bekleidete er wiederholt das Amt des iudex oder gehörte zum Kreis der sapientes des Dogen Vitale II. Michiel, der ihn 1170 gemeinsam mit Orio Mastropiero in schwieriger Mission als Gesandten nach Konstantinopel schickte. Zudem agierte er als Vogt (advocator) des bedeutenden Klosters Ss. Trinità e S. Michele Arcangelo in Brondolo. Von den fünf Dogenurkunden des Sebastiano Ziani sind drei im Original erhalten; sie stammen aus den Jahren 117343, 117544 und 117645. Wegen des schlechten Erhaltungszustands der Urkunde von 1176 wird hier zum Vergleich eine Unterschrift herangezogen, die der spätere Doge als iudex des Vitale II. Michiel im Jahre 1161 leistete46, in der Form +ego sebastianus ziani iudex m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi).

Abb. 7: Sebastiano Ziani 1161, als iudex (Foto: Fees).

41  Vgl. etwa die Unterschriften in den bei Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 333, 335, 337 und 341, abgebildeten Urkunden. 42   Zu Person, Familie und Geschäften des Dogen vgl. Irmgard Fees, Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig. Die Familie Ziani (BDHIR 68, Tübingen 1988); zu seiner Regierungszeit und Politik Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 66–70, 559; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 95f., 106–108. 43  1173 November; Original AS Venezia, Miscellanea Ducali ed Atti Diplomatici, B. 6; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 17; Abb.: Ebd. Taf. 6; ders., La cancelleria (1995, wie Anm. 2) 356. 44  1175 Juni; Original Venezia, BNM, Cod. Marc. Lat. XIV 71 (2803), Nr. 9; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 18; Abb.: Cessi, Politica (wie Anm. 30) 432; ders., Storia della Repubblica di Venezia (Milano 1968, Nachdr. Firenze 1981) nach 208. 45  1176 Oktober; Original AS Venezia, S. Nicolò di Lido, B. 9 Proc. 77; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 19. 46  Original AS Venezia, Cancelleria Inferiore, Notai B. 1, Atti Marino prete, Nr. 18; Edition: Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 14.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 159

Abb. 8: Sebastiano Ziani 1176 (Foto: Fees).

Die schon bei Vitale II. Michiel beobachtete eg-Ligatur im Wort ego lässt sich auch in der Unterschrift des Sebastiano Ziani, +ego sebastianus ziani d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi), konstatieren. Auffällig sind das zu Anfang und Ende des Taufnamens in gleicher Weise ausgeführte lange s, das von links oben mit einem Anstrich in Form eines kleinen Bogens ausgeführte b, das unziale a und die st-Ligatur.

Orio Mastropiero (1178–1192) Ein Blick auf die Laufbahn und das Leben des späteren Dogen Orio Mastropiero47 – auch Orio Mastropietro oder Malipiero – lässt sich zuerst 1147 werfen, als er sich wohl zu Geschäften in Konstantinopel aufhielt. In den Jahren 1158 bis 1175 bekleidete er unter den Dogen Vitale II. Michiel und Sebastiano Ziani wiederholt das Amt des iudex; 1170 schickte ihn der Doge Michiel gemeinsam mit Sebastiano Ziani als Gesandten zu den schwierigen Verhandlungen mit dem byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos nach Konstantinopel. Von seinen Dogenurkunden sind wenigstens elf im Original erhalten48; die Unterschriften einer Auswahl aus diesen Stücken, die aus einem Zeitraum von zehn Jahren stammen, werden hier vorgestellt.

Abb. 9: Orio Mastropiero 1179 (Storia di Venezia 2 719).

Abb. 10: Orio Mastropiero 1185 (Storia di Venezia 2 360).

47  Vgl. zu ihm Franco Rossi, Art. Mastropiero, Orio. DBI 72 (2008) 76–80; vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 70–72; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 95f., 108–110. 48   Vgl. Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) Nr. 59, 61, 62, 63, 64, 64A, 68, 69, 70, 71, 72 S. 274–278; ob ebd. Nr. 60 S. 275 ein Original ist, ist unsicher; alle außer Nr. 60 und Nr. 64A ediert in Gli atti originali 1, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 20–29.

160

Irmgard Fees

Abb. 11: Orio Mastropiero 1188 (Storia di Venezia 2 59).

Abb. 12: Orio Mastropiero 1189 (Foto: Fees).

In seinen Unterschriften wählte Orio Mastropiero selbst die Form Aurio Mastropetro für seinen Namen: +Ego Aurio mastro pet(ro) d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi). Auffällig ist das Eingangskreuz, dessen Schaft unten leicht nach links ausläuft; deutlich tritt auch in dieser Unterschrift die charakteristische eg-Ligatur bei dem Wort Ego hervor, zumal der Doge beim zweiten Auftreten eines g in gr(ati)a den Buchstaben in anderer Weise ausführte. Der rechte aufgestellte Schaft des a erhält einen Anstrich von links. Unbezweifelbar ist, dass immer derselbe Mann schrieb, dessen kraftvolle, ebenmäßige Schrift über zehn Jahre hinweg nahezu unverändert blieb.

Enrico Dandolo (1192–1205) Enrico Dandolo49 wurde um das Jahr 1107 geboren. Über die ersten sieben Jahrzehnte seines Lebens weiß man trotz der vergleichsweise guten venezianischen Quellenlage in dieser Zeit nichts. Erst in den 1170er Jahren setzen Nachrichten zu seiner Tätigkeit ein, und dann sind die Belege für seine Tätigkeit sehr dicht; so wurde er 1172 als Gesandter nach Konstantinopel geschickt, sofort danach zu Wilhelm II. nach Sizilien. 1172 hielt er sich in Verona auf, 1174 im ägyptischen Alexandria. 1178 war er unter den 40 Wählern des Orio Mastropiero, der ihn 1184 mit einer Gesandtschaft nach Konstantinopel betraute. Aus diesen Daten, die ihn als erfahrenen, im ganzen Mittelmeerraum tätigen Mann zeigen, hat man geschlossen, dass er zuvor weiträumig geschäftlich tätig gewesen sein und sich dabei überwiegend fern von Venedig aufgehalten haben müsse50. Seine Sehkraft hatte sich bereits verschlechtert, bevor er im Alter von etwa 84 oder 85 Jahren zum Dogen gewählt wurde. Keine einzige der in seiner Amtszeit ausgestellten Dogenurkunden konnte er dann eigenhändig unterschreiben. Dass gegen Ende des 12. Jahrhunderts Eigenhändigkeit bei den Unterfertigungen erwartet wurde und deshalb die Tatsache, dass Enrico Dandolo dieser Erwartung nicht nachkommen konnte, ungewöhnlich und erklärungsbedürftig war, zeigt eine Urkunde, die 1195 Auseinandersetzungen zwischen dem venezianischen Kloster S. Zaccaria und der Stadt Verona um Grundbesitz in der Region von Verona beendete51 – eine Einigung, die auch der Doge von Venedig 49  Vgl. zu ihm Cracco, Art. Dandolo (wie Anm. 7); Madden, Enrico Dandolo (wie Anm. 7); vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 72–78, 560; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 110. 50  So Cracco, Art. Dandolo (wie Anm. 7). 51  Original in AS Venezia, S. Zaccaria, B. 40 Perg.; auszugsweise gedruckt bei Wolfgang Hagemann, Contributi per la storia delle relazioni fra Verona e Venezia dal sec. XI al sec. XIII. Monumenta monografica di studi storici veronesi 7 (1950) 5–70, hier Nr. 9 S. 59–61.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 161

unterschreiben sollte. Da dieser seine Unterschrift nicht eigenhändig leisten konnte, trat sein Kanzler an seine Stelle und begründete diese Tatsache ausführlich52: Ego Paternianus da Putheo subdiaconus et incliti ac gloriosi domini Henrici Danduli Venetiarum Dalmatie atque Chroatiae ducis cancellarius iussu prefati domini ducis subscriptionem hanc feci. Dann schrieb er: +Ego Henricus Dandulo Dei gratia Venetiarum Dalmatie atque Chroatiae dux subscribo et suprascriptam dationem confirmo. Dass der Doge vor der Erkrankung, die zu seiner Erblindung oder doch zu einer stark eingeschränkten Sehfähigkeit führte, schreiben konnte, zeigen seine Unterschriften aus älterer Zeit; überliefert sind Unterfertigungen von seiner Hand etwa aus den Jahren 1174 und 117653.

Abb. 13: Enrico Dandolo 1174 (Madden, Enrico Dandolo 66).

Während die 1174 im ägyptischen Alexandria geleistete Unterschrift +Ego henricus da(n)dulo m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) zwar nicht besonders gewandt, aber doch noch „straight, clear, and legible“ erscheint, so Thomas Madden54, gelang Enrico Dandolo zwei Jahre später nur noch eine äußerst unbeholfene Unterfertigung. Zwar konnte er noch Kürzungszeichen für das n und das s von Henricus sowie das n in Dandulo anbringen, die Unterschrift fällt in ihrem Verlauf jedoch stark nach unten hin ab; eine Zeile konnte er also nicht mehr einhalten55. Nach 1176 sind von ihm keine Unterschriften mehr überliefert.

Pietro Ziani (1205–1229) Pietro Ziani56 wurde etwa 1153/55 als Sohn des späteren Dogen Sebastiano Ziani geboren; seit den 1170er Jahren begann er geschäftlich tätig zu werden. Belegt sind Investitionen in den Levantehandel und Reisen nach Konstantinopel. Im Rahmen der Zeremonien um den Frieden von Venedig 1177 nahm er repräsentative Aufgaben wahr; so empfing er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Iacopo im März 1177 Papst Ale­ xander III. im Kloster S. Nicolò auf dem Lido und geleitete ihn in feierlichem Zug in die Stadt. 1179 gehörte er dem Rat des Orio Mastropiero an, 1184 führte er als einer der Gesandten des Dogen Verhandlungen in Konstantinopel zur Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen Byzanz und Venedig; an seiner Seite waren der spätere Doge Enrico   Vgl. dazu Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 72f.   Urkunden von 1174 Sept., Alexandria (AS Venezia, S. Zaccaria B. 35 Perg. Nr. 56), und 1176 Oktober, Rialto (AS Venezia, S. Nicolò di Lido, B. 9 Proc. 77); die Urkunde von 1174 und die Unterschrift von 1176 sind abgebildet bei Madden, Enrico Dandolo (wie Anm. 7) 66f. 54   Ebd. 64f. 55  Vgl. ebd. 65, Abb. ebd. 67. 56   Zu Person, Familie und Geschäften des Dogen vgl. Fees, Reichtum (wie Anm. 42); zu seiner Regierungszeit und Politik Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 78–82, 560; Roberto Cessi, Venezia nel Duecento. Tra oriente e occidente (Venezia 1985) 1–92; Castagnetti, Il primo comune (wie Anm. 31) 112f. 52 53

162

Irmgard Fees

Dandolo sowie Domenico Sanudo. Mehrfach übte er das Amt des iudex aus, sowohl unter Orio Mastropiero wie unter Enrico Dandolo; von 1189 bis 1205 war er Graf von Arbe (Rab). Er gehörte 1192 zu den Wählern des Enrico Dandolo, ist von 1184 bis 1197 als Vogt des großen Benediktinerklosters S. Giorgio Maggiore bezeugt und wurde 1201 zum Podestà der Nachbarstadt Padua gewählt. Nach dem Tod des Enrico Dandolo übernahm er schließlich im Jahre 1205, also im Alter von rund 50 Jahren, das Amt des Dogen von Venedig. 23 Dogenurkunden des Pietro Ziani sind im Original erhalten57, die jedoch nicht alle seine Unterschrift tragen, da neben die traditionellen Dogenurkunden nun Urkunden eines neuen Typs getreten waren. Die bislang untersuchten Urkunden, von der Forschung als Ducali Maggiori bezeichnet, trugen die Unterschriften des Dogen, seiner iudices und anderer Amtsträger und, je nach Rechtsinhalt der Urkunden, auch noch einer kleineren oder größeren Zahl weiterer Unterzeichner; sie herrschten zu Beginn des 13. Jahrhunderts, bis etwa zur Mitte der Amtszeit des Pietro Ziani, noch vor58. Danach wurden jedoch zunehmend die sogenannten Ducali Minori oder Litterae59 verwendet, ein neuer Urkundentypus, von dem es erste, wenige Beispiele bereits in der Amtszeit des Vitale II. Michiel gegeben hatte. Diese Litterae wurden nur noch vom Notar bzw. Kanzler des Dogen unterfertigt, kamen sonst aber ohne Unterschriften aus. Sie wurden stattdessen besiegelt; das Bleisiegel des Dogen ersetzte also die eigenhändigen Unterfertigungen. Die Ducali Maggiori wurden bis in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts verwendet, für Urteile des Dogengerichtes auch noch länger60; sie wurden jedoch mit fortschreitender Zeit immer seltener. Die weniger aufwendigen Litterae nahmen dagegen im Laufe des 13. Jahrhunderts stark zu und verdrängten schließlich die Ducali Maggiori weitgehend. In der Zeit des Pietro Ziani handelte es sich um Litterae apertae; in der Folgezeit, schon seit Iacopo Tiepolo, dem Nachfolger des Pietro Ziani, wurden sie jedoch als Litterae clausae ausgefertigt61. Aus den zahlreichen eigenhändig unterschriebenen Urkunden des Pietro Ziani wird hier eine Auswahl von sechs Stücken aus der Zeit zwischen 1206 und 1215 gezeigt.

Abb. 14: Pietro Ziani 1206 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 1).

57  Gli atti originali 2, ed. Pozza (wie Anm. 2) ediert 22. Ein weiteres im Original erhaltenes Stück von 1229 Februar konnte Rudolf Pokorny in Venezia, Museo Correr, Prov. Div 302c/2, ermitteln: Der Doge, bereits schwer erkrankt, unterschrieb es nicht eigenhändig, sondern ließ die Unterschrift durch den Dogenkanzler Nicolo Girardo ausführen, in der Form: Signum suprascripti domini Petri Ziani ducis iacentis infirmi qui hec fieri rogavit (Rudolf Pokorny sei für seinen Hinweis herzlich gedankt). Pietro Ziani verstarb wenig später, am 14. März 1229; vgl. Fees, Reichtum (wie Anm. 42) 28 mit Anm. 102. 58  Gli atti originali 2, ed. Pozza (wie Anm. 2) 12f. 59  Ebd. 18f. 60  Ebd. 12. 61  Vgl. grundlegend zu den venezianischen Litterae des 13. Jh. Lazzarini, Lettere ducali (wie Anm. 2).



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 163

Abb. 15: Pietro Ziani 1207 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 3).

Abb. 16: Pietro Ziani 1208 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 4).

Abb. 17: Pietro Ziani 1211 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 5).

Abb. 18: Pietro Ziani 1212 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 6).

Abb. 19: Pietro Ziani 1215 (Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 7).

In seiner Unterschrift +ego petrus ziani d(e)i gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) veränderten sich die Charakteristika der Schrift über den Zeitraum von fast einem Jahrzehnt kaum; bemerkenswert sind etwa das ego mit auffälliger eg-Ligatur, der kleine Anstrich des p und das stets wechselnde Schluss-s bei petrus, die besondere Form des z in ziani 62 und das x mit seiner kleinen, nach rechts auslaufenden Unterlänge.

Iacopo Tiepolo (1229–1249) Vor seiner Zeit als Doge hatte Iacopo Tiepolo viel Erfahrung in einer langen Reihe von Ämtern gesammelt63; er gehörte dem Rat des Dogen Pietro Ziani an64 und bekleidete unter anderem das Amt des iudex comunis 65. Als erster übernahm er 1212 den Posten des Duca di Candia (Kreta). 1219 amtierte er als Podestà von Konstantinopel, und 62  Das Zeichen in eindeutig als z zu lesen und zu transkribieren, nicht als ç; zu den Formen des z vgl. Adriano Cappelli, Lexicon abbreviaturarum. Dizionario di abbreviature latine ed italiane (Milano 21929) 405. 63  Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 82–85, 560, mit detaillierten Angaben zu Ämtern, jedoch ohne Nachweise; Cessi, Venezia nel Duecento (wie Anm. 56) 93–157, der vor allem die Politik Tiepolos schildert, jedoch ebenfalls ohne Einzelnachweise; Paolo Preto, Art. T(iepolo), Jacopo. LMA 8 (1997) Sp. 764f. Wo Daten und Ämter zu belegen sind, wird das im Folgenden eigens angeführt. 64  Urkunde von 1208: Gli atti originali 2, ed. Pozza (wie Anm. 2) Nr. 7. 65  Urkunde von 1207: Ebd. Nr. 5.

164

Irmgard Fees

zweimal, 1221 und 1226, wurde er zum Podestà der Nachbarstadt Treviso gewählt66. Als Gesandter Venedigs wohnte er 1226 dem Abschluss des Zweiten Lombardenbundes in Verona bei. Die Dogenurkunden des 13. Jahrhunderts sind anders als diejenigen des 11. und 12. Jahrhunderts nur schwer zu überblicken; Gesamtdarstellungen oder Überblicke über die Bestände fehlen67. Da die Urkunden wie erwähnt seit der Amtszeit des Iacopo Tiepolo zunehmend in Form der Ducali Minori abgefasst wurden und daher keine Unterschriften außer der des Dogenkanzlers tragen68, war eine Unterschrift des Dogen Iacopo Tiepolo nicht zu ermitteln. Stattdessen wird hier eine seiner Unterschriften in älteren Urkunden vorgestellt.

Abb. 20: Iacopo Tiepolo (in Urkunde des Pietro Ziani von 1208 Februar; Gli atti originali 2, ed. Pozza, Taf. 4).

Seine Unterschrift +Ego Iacobus teupulo m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) führte Iacopo Tiepolo sehr sorgfältig und gleichmäßig aus; es handelt sich eher um eine gebaute denn eine kursive Schrift. Die Anfangsbuchstaben von Ego und Iacobus wurden offensichtlich als Großbuchstaben verstanden; die Schrift steht mit ihrer deutlichen Tendenz zur Brechung der Schäfte im Übergang zur gotischen Minuskel. Bemerkenswert erscheinen darüber hinaus das E bei Ego, das zudem einen senkrechten Zierstrich aufweist, und das zweistöckige a mit deutlicher Oberlänge im Wort Iacobus.

Marino Morosini (1249–1253) Vor seiner Zeit im Dogenamt hatte auch Marino Morosini69 eine lange politische Laufbahn durchlaufen. Er war wie Iacopo Tiepolo Duca di Candia gewesen, Podestà von Treviso 122970, zudem Gesandter Venedigs in Genua und vertrat 1245, gemeinsam mit dem späteren Dogen Raniero Zeno und mit Giovanni da Canal, Venedig beim Konzil von Lyon. Schließlich stieg er in das neben dem Dogen höchste weltliche Amt des vene­ zianischen Gemeinwesens auf, das eines Prokurators von San Marco; er musste es aufgeben, als er 1249 im Alter von 68 Jahren zum Dogen gewählt wurde.

66   Marco Pozza, Podestà e funzionari veneziani a Treviso e nella Marca in età comunale, in: Istituzioni, società e potere nella Marca Trevigiana e Veronese (secoli 13–14) sulle tracce di G. B. Verci. Atti del Convegno Treviso 25–27 Settembre 1986, hg. von Gherado Ortalli–Michael Knapton (Roma 1988) 291–303, hier 295, 303. 67  Zu den Dogenurkunden der früheren Zeit kann man sich für die Originale auf Gli atti originali 1 und 2, ed. Pozza (wie Anm. 2), stützen, der die Stücke bis zum Ende der Amtszeit des Pietro Ziani verzeichnet, das letzte von 1227 (zu einem weiteren Original von 1229 siehe aber oben, Anm. 57); von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts vgl. auch die Gesamtübersicht bei Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 259–279. 68  Eine Abbildung einer solchen Dogenurkunde des Iacopo Tiepolo findet sich bei Lazzarini, Lettere ducali (wie Anm. 2) Tav. XVI. 69  Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 85–87, 560f.; Cessi, Venezia nel Duecento (wie Anm. 56) 158–171; Marco Pozza, Art. Zeno. LMA 9 (1998) Sp. 529f. 70  Pozza, Podestà e funzionari (wie Anm. 66) 295, 303.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 165

Abb. 21: Marino Morosini 1250 (Foto: Fees).

Seine Unterschrift+Ego Marinus Mauro cenus dei gr(ati)a dux M(anu) M(ea) s(ub)s(cripsi), hier in einer Urkunde von 1250 April 3071, erscheint gewandt und mit Sorgfalt ausgeführt. Der Doge verwendete für den Anfangsbuchstaben des Wortes Ego ein unziales E mit senkrechtem Zierstrich; Majuskeln stellen auch die Anfangsbuchstaben seines Vorund Familiennames dar, ebenso die beiden M in der Schlussformel mmss. Daneben fallen das schwungvoll ausgeführte Eingangskreuz, das dreifach auftretende doppelstöckige a und die Unterlängen von r, s und x ins Auge.

Raniero Zeno (1253–1268) Raniero Zeno72 (auch: Ranieri oder Raynerius Geno) war vor seiner Zeit als Doge von Venedig mehrfach Podestà einer der Nachbarstädte Venedigs gewesen, so 1229 von Verona und 1235 von Treviso73; über ihn informiert die zeitgenössische Chronik des Martin da Canal74, die der Autor dem Dogen widmete, in ausführlicher Weise: 1240 wurde Raniero Zeno demnach Podestà von Bologna, 1242 Heerführer gegen die dalmatinische Stadt Zara (Zadar), 1245 gemeinsam mit Marino Morosini und Giovanni da Canal Gesandter Venedigs beim Konzil von Lyon; als er 1253 zum Dogen gewählt wurde, bekleidete er das Amt des Podestà in der Stadt Fermo. Dass er sich neben seiner politischen Tätigkeit in großem Maße am Handel und an Geldgeschäften beteiligte, geht aus seinem Testament hervor, das mehrere Staatsanleihen, Darlehen und Handelsverträge erwähnt; nach seinem Tode fanden seine Nachlassverwalter über 130 Colleganze, also Handelsverträge, vor, in die er investiert hatte75.

Abb. 22: Raniero Zeno 1260 (Foto: Fees).

  AS Venezia, Miscellanea Ducali ed Atti Diplomatici, B. 7, C2.   Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 87–90, 561; Cessi, Venezia nel Duecento (wie Anm. 56) 171–236. 73  Pozza, Podestà e funzionari (wie Anm. 66) 295, 303. 74  Martin da Canal, Les Estoires de Venise. Cronaca veneziana in lingua francese dalle origini al 1275, ed. Alberto Limentani (Civiltà veneziana, Fonti e testi 12.3.3, Firenze 1973) 115f., 118f., 126f. 75   Testament von 1268 Juli 7, in: Jacopo Bernardi, Antichi Testamenti tratti della Congregazione di Carità di Venezia (Venezia 1882–1893), vgl. dazu Gino Luzzatto, Il patrimonio privato di un doge del sec. XIII, in: ders., Studi di storia economica veneziana (Padova 1954) 81–87; ders., La commenda nella vita economica 71 72

166

Irmgard Fees

Seine Unterschrift in der Form +Ego Rayneri(us) geno dei gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) in einer Urkunde von 1260 April76 leistete Raniero Zeno in einer gotischen Kursivschrift, die flüssig und gewandt anmutet und darauf schließen lässt, dass der Doge über umfangreiche Schreiberfahrung verfügte. Bemerkenswert erscheint der erste Buchstabe des Wortes Ego, der in gleicher Weise wie bei Iacopo Tiepolo und Marino Morosini mit senkrechtem Zierstrich gestaltet wurde.

Lorenzo Tiepolo (1268–1275) Der Sohn des Dogen Iacopo Tiepolo, Lorenzo Tiepolo77, war 1257 Heerführer gegen Genua78 und bekleidete mehrfach das Amt des Podestà in benachbarten Städten, so in Treviso, Padua79, Fermo und Fano; seit 1268 war er Graf von Veglia (Krk).

Abb. 23: Lorenzo Tiepolo 1274 (Foto: Fees).

Bei seiner Unterschrift in einer Urkunde von 1274 November80 in der Form +Ego laurencius teupulo dei gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) stechen das auffällige Eingangskreuz und das E von Ego ins Auge.

Iacopo Contarini (1275–1280) Iacopo Contarini81 wurde um das Jahr 1193 geboren; im Jahr 1247 war er iudex und consiliator des Bailo Venedigs in Negroponte (Euböa)82, 1252 gehörte er wohl zum Beraterkreis des Dogen Marino Morosini, 1260 ist er als advocator comunis, 1262 und 1263 als iudex in Venedig bezeugt83. Dass er mehrfach Botschafter Venedigs in schwieriger Mission war, lässt sich als Indiz für seine politische Erfahrung werten; so schickte ihn die Stadt 1261 als einen von vier Gesandten zu Papst Urban IV. und 1265 als einen von zwei Gesandten zu Kaiser Michael VIII. Palaiologos nach Konstantinopel. 1267 schließlich wurde er zum Prokurator von S. Marco gewählt, dem höchsten weltlichen Amt außer dei secoli XIII e XIV con particolare riguardo a Venezia, in: ders., Studi di storia economica veneziana (Padova 1954) 59–79; vgl. auch Fees, Reichtum (wie Anm. 42) 74. 76   AS Venezia, Miscellanea Atti Diplomatici e Privati, B. 5 Nr. 3. 77  Vgl. zu ihm Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 90–92; Cessi, Venezia nel Duecento (wie Anm. 56) 237–265. 78  Martin da Canal, Les Estoires de Venise, ed. Limentani (wie Anm. 74) 158. 79   1264; vgl. Pozza, Podestà e funzionari (wie Anm. 66) 295, 303. 80   AS Venezia, Miscellanea Ducali ed Atti Diplomatici, B. 8, C 4. 81   Vgl. Giorgio Cracco, Art. Contarini, Iacopo. DBI 28 (1983) 224–227; vgl. noch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 92f.; die folgenden Angaben stützen sich, wenn nicht anders angegeben, auf Cracco. 82  Fees, Reichtum (wie Anm. 42) 401 Nr. 305. 83  Ebd. 427–429 Nr. 337f. – Die Unterschriften in beiden Stücken stammen, wie ein Vergleich mit der hier abgebildeten zeigt, eindeutig von der Hand des späteren Dogen.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 167

dem des Dogen, zudem dem einzigen neben dem des Dogen, das nicht befristet war. Iacopo Contarini hatte es noch inne, als er 1275 im Alter von 83 oder 84 Jahren zum Dogen gewählt wurde.

Abb. 24: Iacopo Contarini 1277 (Foto: AS Venezia).

Seine Unterschrift findet sich in einer Urkunde von 1277 September 984 in der Form +Ego Jacobus contareno dei gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi). Es handelt sich bei der Schrift um eine gotische Kursive, auch wenn sie weniger ausgeprägt erscheint als bei Raniero Zeno; sie ist regelmäßig und gewandt, zeigt aber Anzeichen einer leicht zittrigen Hand, was vielleicht auf das hohe Alter des Dogen zurückzuführen ist. Bemerkenswert sind das Eingangskreuz, das schon bei seinen Vorgängern zu beobachtende E mit senkrechtem Zierstrich im Wort Ego, der Anstrich beim Anfangsbuchstaben I des Namens Iacobus und die auffälligen Kürzungszeichen in der Formel mmss.

Giovanni Dandolo (1280–1289) Die Karriere des Giovanni Dandolo85 vor seiner Wahl zum Dogen ist nur unter Schwierigkeiten zu rekonstruieren, da er mehrere gleichnamige Zeitgenossen hatte. Sicher scheint, dass er 1266 als Gesandter Venedigs in Genua war und 1274 das Amt des venezianischen Bailo in Syrien mit Sitz in Akkon innehatte, das er auch 1276 noch bekleidete, und dass er nach seiner Rückkehr aus der Levante für ein Jahr dem Maggior Consiglio angehörte. Wahrscheinlich, aber nicht sicher ist zudem, dass er 1265 Podestà von Chioggia, 1267 Podestà von Bologna und gegen Ende der 1270er Jahre Podestà von Capodistria (Koper) war86.

Abb. 25: Giovanni Dandolo 1286 (Foto: Fees).

Bei seiner Unterschrift in einer Urkunde von 1286 September 2387 in der Form +Ego ioh(anne)s dandulo dei gr(ati)a dux m(anu) m(ea) s(ub)s(cripsi) handelt es sich wie bei sei  AS Venezia, Miscellanea Ducali ed Atti Diplomatici, B. 8, C 4, Nr. 19.   Vgl. zu ihm Gerhard Rösch, Art. Dandolo, Giovanni. DBI 32 (1986) 476–478; vgl. auch Kretschmayr, Geschichte (wie Anm. 6) 2, 39, 52, 73, 572, 589; Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 93–95; Alvise Loredan, I Dandolo (Varese 1981) 253–257, 435. 86  Vielleicht war er zudem Graf von Ossero (Osor), Cherso (Cres) oder Zara (Zadar); vgl. Rösch, Art. Dandolo (wie Anm. 85) 476. 87  AS Venezia, Miscellanea Atti Diplomatici e Privati, B. 7 Nr. 24. 84 85

168

Irmgard Fees

nen Vorgängern um eine gotische Kursive, die jedoch weniger gewandt erscheint als etwa bei Raniero Zeno und Iacopo Contarini.

Pietro Gradenigo (1289–1311) Pietro Gradenigo88 wurde 1250 geboren. Er gehörte mehrfach dem Maggior Consi­ glio an (1269/70, 1270/71, 1276/77, 1285/86, 1288/89), wurde 1274 mit sechs anderen Männern als Gesandter Venedigs zu Friedensverhandlungen nach Bologna geschickt und 1279 neben zwei weiteren Männern als provisor nach Istrien. Zweimal übte er das Amt des Podestà im istrischen Capodistria (Koper), einmal im nicht weit von Venedig gelegenen Caorle aus. Bei seiner Wahl zum Dogen 1289 war er mit 39 Jahren noch ungewöhnlich jung, verglichen mit zahlreichen seiner Amtsgenossen.

Abb. 26: Pietro Gradenigo 1300 (Foto: Fees).

Seiner Unterschrift in einer Urkunde von 1300 Juli 2989 in der Form +Ego petrus gradonico dei gr(ati)a dux m(anu) m(ea) scheinen die üblichen beiden Schlussbuchstaben der Formel mmss für subscripsi zu fehlen; sie ist ausgeführt in einer gotischen Kursive und erscheint ähnlich gewandt und geübt wie diejenige des Raniero Zeno. Die Schrift des Dogen kommt der eines professionellen Schreibers, wie es die venezianischen Notare der Zeit waren, durchaus nahe. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die flüssig in einem Zug ausgeführte Grundform des Eingangskreuzes, die Schlaufenbildung bei den Buchstaben p und d und die komplexen Varianten des zweimal auftauchenden g. Auffällig erscheint noch, dass das i in dei einen feinen, aber deutlichen i-Strich trägt, dasjenige in gradonico jedoch nicht. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Unterschriften der Dogen von Venedig vom späten 11. Jahrhundert, also von den ersten erhaltenen Beispielen an, ein gutes Niveau zeigen. Keiner der Dogen, auch nicht in der frühesten Zeit, setzte seine Unterschrift nur aus Majuskeln zusammen. Das Schriftbild lässt bereits am Ende des 11. Jahrhunderts keine Professionalität, aber doch eine gewisse Geläufigkeit beim Schreiben vermuten. So unbeholfen wie andere Laienunterschriften der Zeit sind sie keinesfalls. Ebenfalls deutlich wird, dass sich das Niveau im Laufe der Zeit deutlich erhöhte, bis einige der Dogen des 13. Jahrhunderts eine Schrift beherrschten, die denen der professionellen Notare durchaus nicht unähnlich war. Manche Details, wie etwa die auffällige eg-Ligatur beim ersten Wort Ego der üblichen Unterschriftsformel, die sich bei den Dogen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zeigte, aber im gesamten 12. Jahrhundert beobachtet werden kann, oder 88  Vgl. zu ihm Franco Rossi, Art. Gradenigo, Pietro. DBI 58 (2002) 344–349; vgl. auch Da Mosto, I Dogi (wie Anm. 19) 95–98, 561; Giuseppe Gullino, Una famiglia nella storia. I Gradenigo, in: Grado, Venezia, i Gradenigo. Catalogo della mostra, hg. von Marino Zorzi–Susy Marcon (Venezia 2001) 138–141; Franco Rossi, Quasi una dinastia. I Gradenigo tra XIII e XIV secolo, in: ebd. 155–159, 162–170, 187. 89   AS Venezia, Cancelleria Inferiore, B. 9 Filza 4: Jacobus Bertaldo.



Die Unterschriften der Dogen von Venedig im 12. und 13. Jahrhundert 169

bei dem E mit senkrechtem Zierstrich, ebenfalls im Wort Ego, das im 13. Jahrhundert auftrat, deuten auf lokale Schultraditionen hin, auch wenn wir über die Schulen Venedigs in dieser Zeit kaum etwas wissen90. Bei aller Individualität der Schrift ist erkennbar, dass die Schreiber zunächst eine Form der späten karolingischen Minuskel anwendeten, in der gegen Ende des 12. Jahrhunderts Elemente der Gotisierung sich manifestierten und die sich bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zu einer gotischen Kursive gewandelt hatte. Die Unterschriften folgten demnach der allgemeinen Schriftenwicklung ihrer Zeit und ihrer Umgebung. Die Dogen hatten zumeist vor der Übernahme des höchsten Amtes des venezianischen Gemeinwesens eine lange Karriere hinter sich. Nur wenige gelangten in jungen Jahren in dieses Amt; der jüngste der untersuchten Dogen war wahrscheinlich Pietro Gradenigo, der erst 39 Jahre alt gewesen sein soll, als er das Amt 1289 antrat, oder Pietro Polani, der 1130 Doge wurde und als jung bezeichnet wird, ohne dass man Genaueres wüsste. Eher war ein ausgesprochen hohes Alter bezeichnend, wie bei Sebastiano Ziani, der 1172 mit 70, Enrico Dandolo, der 1192 wohl mit Mitte 80, Marino Morosini, der 1249 mit 68 Jahren, oder Iacopo Contarini, der 1275 mit 83 oder 84 Jahren das Amt antrat. Üblich scheint es gewesen zu sein, dass die Dogen zuvor vielfältige Erfahrungen im Rechtswesen, in den vielfältigen Ämtern, die der Staat zu vergeben hatte, als Gesandte, als Podestà einer der Nachbarstädte oder als Vögte der venezianischen Klöster gesammelt hatten. Für einige der Dogen, deren Leben gut untersucht ist, etwa Sebastiano und Pietro Ziani oder Raniero Zeno, lässt sich konstatieren, dass sie in erheblichem Maße geschäftlich tätig gewesen waren; für die übrigen Dogen lässt sich aber durchaus Ähnliches vermuten. Die Dogen des 11. bis 13. Jahrhunderts unterschieden sich in dieser Hinsicht nicht grundsätzlich von den übrigen Angehörigen der politischen und sozialen Elite Venedigs. Der typische venezianische Adlige bekleidete eines der vielen politischen Ämter, er war nacheinander oder gleichzeitig in Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung tätig, er beglaubigte Urkunden, und er war außerdem Großkaufmann und Handelsherr. Schriftkenntnisse waren für ihn in allen seinen Tätigkeitsfeldern von zentraler Bedeutung. Die unterschiedlichen Bereiche förderten und befruchteten sich in ihrem Gebrauch der Schrift gegenseitig. In Venedig herrschte nicht eine Elite von einigen Wenigen, sondern eine große Anzahl von Männern hatte teil an der Macht; diese Männer wurden jeweils nur für befristete, noch dazu kurze Zeit gewählt und durchliefen im Laufe ihrer Karriere eine Vielzahl von Ämtern. Die Lebensgrundlage der Stadt bildete der Fernhandel, der generell ein größeres Maß an Schriftlichkeit erfordert als Lokalhandel oder Handel über kurze Strecken. Es ist wohl die spezielle Kombination aus Großstadt, Fernhandelsstadt und einem auf breiter personeller Basis gegründeten Herrschaftssystem, die die Schriftlichkeit und die praktischen Schreibfertigkeiten in besonderem Maße förderte, was sich auch und besonders bei den Männern feststellen lässt, die an der Spitze des Gemeinwesens standen.

90  Zu Schulen und Lehrern in Venedig vgl. Documenti per la storia della cultura in Venezia 1: Maestri, scuole e scolari a Venezia fino al 1500, ed. Enrico Bertanza–Giuseppe Dalla Santa (Monumenti storici pubblicati dalla R. Deputazione Veneta di Storia Patria 1, 12, Venezia 1907; Nachdr., hg. von Gherardo Ortalli, Venezia 1993); Gherardo Ortalli, Scuole, maestri e istruzione di base tra Medioevo e Rinascimento: Il caso veneziano (Cultura popolare veneta N. S. 3, Venezia 1993), 2. ed.: Scuole e maestri tra Medioevo e Rinascimento. Il caso veneziano (Bologna 1996) (mit der älteren Literatur); ders., L’istruzione, in: Storia di Venezia 3 (wie Anm. 2) 889–910; Fees, Eine Stadt (wie Anm. 1) 183–194.

The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters and Charters (to 1330) Nicholas Vincent

An essay on the early English royal chancery may seem an unwelcome intruder to this volume devoted to medieval signatures and signing practice*. As is well known to English diplomatists, there is no clear evidence that any king of England before Edward III (1327–1377) ever appended the equivalent of his signature to letters issued in the royal name. The classic study here remains that by Vivian Galbraith, first published in 1935. Investigating „The Literacy of the English Medieval Kings“, Galbraith found no certain proof, before 1330, that any English king could write1. Reading, by contrast, seems to have been a skill claimed by kings from a much earlier date. The evidence here is contestable. Nonetheless, Asser’s „Life of Alfred“, and the corpus of translations into the Anglo-Saxon vernacular circulating under Alfred’s name, leave little doubt that King Alfred (871–899), like various of his Anglo-Saxon predecessors and successors, showed keen interest in literature. Almost certainly this extended to the comprehension, reading and commissioning of such books2. Indeed, without trespassing upon territory now claimed by (though perhaps not best left to) the literary theorists, it seems clear that a claim to the use and patronage of books was a necessary feature of early-medieval royal authority. The claim that „an unlettered king is a crowned ass“ seems first to have been advanced by William of Malmesbury (d. c. 1143)3. Even so, long before this, there was an assumption that literacy and kingship were closely allied and that the power of kings could and should be displayed by means of the written word. *  For assistance with what follows, I am indebted to David Carpenter, Johanna Dale, Susan Kelly, Simon Keynes, Richard Sharpe, Malcolm Vale, and above all to the late Pierre Chaplais. 1   Vivian H. Galbraith, The Literacy of the English Medieval Kings. Proceedings of the British Academy 21 (1935) 201–238, reprinted with revisions in idem, Kings and Chroniclers. Essays in English Medieval History (London 1982) 78–111. 2   For Anglo-Saxon royal patronage of books, there are now excellent introductions by David Pratt, Royal Books in Anglo-Saxon England: The Implications of Books Owned or Given by Kings. Anglo-Saxon England 43 (2015) 297–377, and Richard Gameson, The Earliest English Royal Books, in: 1000 Years of Royal Books and Manuscripts, ed. Kathleen Doyle–Scot McKendrick (London 2013) 3–35. For the specific case of Alfred, see various of the contributions to: Alfred the Great. Papers from the Eleventh-Centenary Conferences, ed. Timothy Reuter (Aldershot 2003), especially the essays by Janet Bately, The Alfredian Canon Revisited: One Hundred Years On, in: ibid. 107–120, and Simon D. Keynes, The Power of the Written Word. Alfredian England 871–899, in: ibid. 175–197. 3   William of Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, ed. Roger A. B. Mynors–Rodney M. Thomson–Michael Winterbottom, 2 vols (Oxford 1998–1999) i 710–711 (book 5 c. 390), and for the reappearance of this formula thereafter, see Nicholas Vincent, The Great Lost Library of England’s Medieval Kings? Royal Use and Ownership of Books, 1066–1272, in: 1000 Years of Royal Books (cit. n. 2) 82, 105 n. 70.

172

Nicholas Vincent

To suppose that Anglo-Saxon kings commissioned or possessed the ability to read books is nonetheless some way from suggesting that kings of England, before 1066, were directly or physically involved in the expedition of letters or charters issued in their names. All such documents were in one sense or another intended for display. Some merely proclaimed the wishes of the king or his officials for immediate or ephemeral purposes: commands for the payment of money, for the implementation of the King’s wishes, and so forth. Others, more elaborately, were intended to advertise the king’s majesty, perhaps none more so than the magnificent „Foundation Charter“ of King Edgar’s New Minster at Winchester, dated 964 and supplied with a full-page purple and gold portrait image of the King, flanked by the Virgin Mary and St Peter, presenting his charter to Christ4. This is in many ways the ancestor of later such portraits incorporated within the initial decorated letters of English royal charters, certainly from the reign of Edward I (1272–1307) onwards and perhaps as early as the reign of King Henry III (1216–1272)5. Most such portrait initials show the King seated in majesty6. Occasionally, however, as in the New Minster charter, and as for example in a charter of Richard II granted in November 1389 to the men of the town of Shrewsbury, we find that such portraits display kings in the act of handling their own letters. Richard II, in his Shrewsbury charter, is portrayed enthroned, stretching out his right hand over the sealed letters that, in this representation, are supported from below by the right hand of his Queen, Anne of Bohemia, here shown standing before the throne7. The gesture of assent or confirmation involved here seems to be a direct throwback to the firmatio by which kings of the far more ancient past had authenticated their letters, by the laying on of the king’s hand or by performatively making the sign of the cross8.

4  For this charter, London, BL, ms. Cotton Vespasian A viii, see Royal Manuscripts. The Genius of Illumination, ed. Scot McKendrick–John Lowden–Kathleen Doyle (London 2011) 25–27, 104–105 no. 5. 5   For the genre here, see Peter Rück, Die Urkunde als Kunstwerk, in: Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende der ersten Jahrtausends, ed. Anton von Euw–Peter Schreiner, 2 vols (Cologne 1991) ii 311–333; Ghislain Brunel, Images du pouvoir royal. Les chartes décorées des Archives nationales XIIIe–XVe siècle (Paris 2005), and the collection of essays Les Chartes ornées dans l’Europe romane et gothique, ed. Ghislain Brunel–Marc H. Smith. BEC 169 part 1 (2011). For the use of such charters in England, Elizabeth Danbury, The Decoration and Illumination of Royal Charters in England, 1250–1509. An Introduction, in: England and Her Neighbours, 1066–1453. Essays in Honour of Pierre Chaplais, ed. Michael Jones–Malcolm Vale (London 1989) 157–180; eadem, Décoration et enluminure des chartes royales anglaises au Moyen-Âge, in: Les Chartes ornées 79–107. 6   For a particularly magnificent early example, see the charter of Edward I issued to the men of Agen in 1286: Agen, Archives départementales Lot-et-Garonne. E. Suppl. (Archives municipales d’Agen) AA3, as drawn to my attention by Elizabeth Danbury. 7   Shrewsbury, Shropshire Record Office 3365/24 (22 November 1389), with an illustration online at http://www.archivezone.org.uk/historic-periods/medieval/shrewsbury-charter-1389/ [24. 2. 2016]. 8  For continental examples of the performative aspects of the granting of royal charters, see Benoît-Michel Tock, La Mise en scène des actes en France au haut moyen âge. FMSt 38 (2004) 287–296; Hagen Keller, The Privilege in the Public Interaction of the Exercise of Power: Forms of Symbolic Communication Beyond the Text, in: Medieval Legal Process. Physical, Spoken and Written Performance in the Middle Ages, ed. Marco Mostert–Paul S. Barnwell (Utrecht Studies in Medieval Literacy 22, Turnhout 2011) 75–108; Georges Declercq, Between Legal Action and Performance: The firmatio of Charters in the Early Middle Ages, in: ibid. 55–73. For the adaptation of such practices in England, see Simon Keynes, Church Councils, Royal Assemblies, and Anglo-Saxon Royal Diplomas, in: Kingship, Legislation and Power in Anglo-Saxon England, ed. Gale R. Owen-Crocker–Brian W. Schneider (Publications of the Manchester Center for Anglo-Saxon Studies 13, Woodbridge 2013) 17–184, at 39–42, 64–68; Charles Insley, Rhetoric and Ritual in Late Anglo-Saxon Charters, in: Medieval Legal Process 109–122.



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

173

The means by which English kings authenticated their letters are associated, from the eleventh century onwards, with the use of seals. No English royal seal impression earlier than the reign of Edward the Confessor (1042–1066) is today known to survive9. The seal of Edward the Confessor, and more generally the language of sealing and signing in Old English seem to represent late adaptations to the Frankish and Ottonian tradition of sealing in wax. Earlier English practice had been concerned more with gesture and occasion than with the manipulation of seal matrices or beeswax10. Even so, kings as early as Alfred clearly had the use of seals, either impressed on their letters and charters en placard, by stamping the wax directly onto the parchment, or carried separately, by the King’s messengers, as a means of authenticating instruments issued in the King’s name11. Such portable seals may well have taken a form not dissimilar to that of the so-called „Alfred Jewel“, a majestic object of gold, enamel and quartz, portraying a King with the inscription „Alfred had me made“. This, as David Hinton long ago argued, was perhaps intended as a decorative book-mark (or aestel ), sent to accompany the translation of Gregory the Great’s „Pastoral Care“ that Alfred commissioned and distributed amongst the monasteries and churches of Wessex12. Its imagery and appearance, nonetheless, may give us some clue as to the form taken by the earliest English royal seals. Besides sealing, from at least the seventh century through to the mid twelfth, the most solemn of English royal diplomas were supplied with outward signs of authentication, including the formality of their script, the use of litterae notabiliores, alpha-omega signs, chrismons or christograms and above all through closing lists of attestations accompanied by crosses traced on to the parchment beside the name of each individual witness13. In modern scholarship, it was originally assumed that these crosses were autograph „signs manual“ written in the hands of the particular kings, bishops or dignitaries against whose 9   Pending the appearance of Simon Keynes’ forthcoming article on The Use of Seals in Anglo-Saxon England, see Keynes, Church Councils (cit. n. 8) 130–135, 137–139. 10   For the use of seals in England before 1066, either pendant or travelling separately from the documents to which they were attached, see Thomas A. Heslop, English Seals from the Mid Ninth Century to 1100. Journal of the British Archaeological Association 133 (1980) 1–16; idem, Art. Seals. The Blackwell Encyclopedia of Anglo-Saxon England, ed. Michael Lapidge–John Blair–Simon Keynes–Donald Scragg (Oxford 1999) 413– 414; idem, Twelfth-century Forgeries as Evidence for Earlier Seals. The Case of St Dunstan, in: St ­Dunstan. His Life, Times and Cult, ed. Nigel Ramsay–Margaret Sparks–Timothy Tatton-Brown (Woodbridge 1992) 299–310, with important clarifications of the meanings of such words as insegel and sigillum by Jane Roberts, What Did Anglo-Saxon Seals Seal When?, in: The Power of Words. Essays in Lexicography, Lexicology and ­Semantics in Honour of Christian J. Kay, ed. Graham D. Caie–Carole Hough–Irené Wotherspoon (Costerus N. S. 163, Amsterdam–New York 2006) 131–157. 11  Roberts, What Did Anglo-Saxon Seals Seal When? (cit. n. 10) esp. 132–135. For an introduction to sealing practices at the English royal chancery, see Paul D. A. Harvey–Andrew McGuinness, A Guide to British Medieval Seals (London 1996). The most substantial guide to the physical evidence here, although neither comprehensive nor reliable, remains Alfred B. Wyon, The Great Seals of England from the Earliest Period to the Present Time (London 1887). For the wands of office carried by later royal messengers, see, for example, the illustration in London, BL, ms. Royal 16.G.vi fol. 343v, reproduced in Nicholas Vincent, Magna Carta. Origins and Legacy (Oxford 2015) 21, and more generally Mary C. Hill, King’s Messengers, 1199–1377. A Contribution to the History of the Royal Household (London 1961). 12  David A. Hinton, A Catalogue of the Anglo-Saxon Ornamental Metalwork 700–1100 in the Department of Antiquities, Ashmolean Museum (Oxford 1974) 29–48, and idem, Gold and Gilt, Pots and Pins. Possessions and People in Medieval Britain (Oxford 2005) 129–131. 13   For some general principles here, Keynes, Church Councils (cit. n. 8) 158–179. For facsimiles and illustrations, see the volumes of photographic reproductions listed ibid., p. 43 n., especially Facsimiles of AngloSaxon Charters, ed. Simon Keynes (Oxford 1991).

174

Nicholas Vincent

names they appear14. It was as „autographed“ letters, signed by the great men of the past, that original charters of William I (1066–1087) or even King Henry II (1154–1189) continued to be marketed by book dealers, long into the twentieth century. J. P. Morgan Jr, for example, the great New York financier, acquired just such a charter of King Henry I (1100–1135), assuming it to have been physically „signed“ by the king in whose name it was issued15. As recently as the 1960s, attempts were still being made to distinguish „original“ signed Anglo-Saxon diplomas, with autograph or non-uniform crosses, from later „monastic copies“ of such documents16. More recently, consensus has swung in the opposite direction, towards the assumption that the vast majority, indeed perhaps all signs manual in England were the work not of their supposed authors but of the scribes and notaries charged with the production of royal letters. Crosses that are clearly too neat or too uniform cannot be considered as „autographs“. Indeed, to identify the „autograph“ of any English king from the eighth through to the twelfth century, by reference to sign manuals, seems today to be considered an entirely futile exercise17. Signs manual, in the Anglo-Saxon tradition, disappeared from English royal diplomatic in the reign of King Stephen (1135–1154)18. Thereafter, we have to wait nearly two hundred years for the reappearance of anything approaching a royal signature. As Galbraith noticed, we have, from c. 1330, a unique letter, surviving in the Vatican Archives, in which King Edward III informs the Pope that any future letter received at the curia bearing the formula Pater Sancte written in a particular style of lettering, here displayed, could be assumed to come from the King in person. Letters not carrying this formula, it was to be assumed, came to the Pope not from the King but from his council19. This is the closest that we come to a royal signature before 1362, when, perhaps in imitation of Castilian royal practice, Edward added his own name Edwardus rex to letters empower  See the remarks of Humfrey Wanley (1672–1726), cited by Keynes, Church Councils (cit. n. 8) 70, 94.   New York, Pierpont Morgan Library MA 1217, acquired from the Carlton Towers sale of 1920 that also included a charter of William I with signs manual sold for £500: Nicholas Vincent, Norman Charters from English Sources. Antiquaries, Archives and the Rediscovery of the Anglo-Norman Past (The Publications of the Pipe Roll Society N. S. 59, London 2013) 83, and cf. p. 75 for another item from this same 1920 sale: a charter of Henry II to the priory of Le Plessis-Grimoult with signs manual, including what purports to be the „signature“ of Thomas Becket as chancellor, supposedly 1155 × 1158, in reality a near-contemporary forgery, now Baltimore, Johns Hopkins University, Milton S. Eisenhower Library, Arthur Freeman deposit. 16   Keynes, Church Councils (cit. n. 8) 70, citing Chartae Latinae Antiquiores. Facsimile-Edition of the Latin Charters Prior to the Ninth Century, ed. Albert Bruckner–Robert Marichal, part III: British Museum London (Olten–Lausanne 1963), whence Albert Bruckner, Zur Diplomatik der älteren angelsächsischen Urkunde. Archivalische Zeitschrift 61 (1965) 11–45, and Pierre Chaplais, Some Early Anglo-Saxon Diplomas on Single Sheets: Originals or Copies? Journal of the Society of Archivists 3 part 7 (1968) 315–336, reprinted in Prisca Munimenta. Studies in Archival and Administrative History presented to A. E. J. Hollaender, ed. Felicity Ranger (London 1973) 63–87. 17  Keynes, Church Councils (cit. n. 8) 66, 70s., 73, 75, 91 („the pretence of autograph crosses“), citing specific instances at p. 94, 114, 116, 165–166, although at p. 41–42 still allowing that such autographs might be admissible in a Frankish context. 18  Here discounting isolated instances supposedly issued by Henry II, the first in 1151, before his accession as King, to the abbey of Fontenay (known today only from a copy of 1420: London, TNA, C 64/12 m.2, whence Regesta Regum Anglo-Normannorum, ed. Henry W. C. Davis–Charles Johnson–Henry A. Cronne– Ralph H. C. Davis, 4 vols (1913–1969) iii no. 325, and the spurious charter for Le Plessis-Grimoult, above n. 15. 19  Galbraith, Literacy (cit. n. 1) 223, dealing with letters of Edward III now in the archives of the Castello di Sant Angelo, reproduced in facsimile in Charles Johnson–Hilary Jenkinson, English Court Hand 1066 to 1500, 2 vols (Oxford 1915) part 2 (facsimiles), plate XXIIb. 14 15



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

175

ing proctors to conclude an Anglo-Castilian truce. Thereafter, Richard II became the first English king to sign his documents with any regularity20. Between the 1140s and the 1330s, meanwhile, there is no evidence whatsoever for an English king physically writing or marking any letter expedited in his name. Instead, during these two centuries we witness a general evolution, away from the diplomas of the Anglo-Saxon period with their solemn dating clauses and signs manual, towards a new style of royal charter, developed from the relative informality of the AngloSaxon writ21. In this process, it was the seal that became the chief outwards symbol of authenticity. The language of royal letters and charters continued to evolve to meet changing needs. From 1189, for example, with the accession of King Richard I (1189–1199), we find the adoption of the first person plural into the king’s style („we/us“ rather than „I/ me“) and the reintroduction, apparently in imitation of papal practice, of precise dating clauses to all royal letters and especially to royal charters22. From the reign of King John (1199–1216) onwards, as a result of the introduction of enrolment to the royal chancery, or at least as a result of the physical survival of the chancery rolls, we find ever greater sophistication in the phrasing and diplomatic of the chancery’s output23. This was accompanied by the elaboration of more precise forms and categories, and by a growing detachment of the itinerant king from his bureaucratized chancery, controlling the king’s Great Seal24. As the chancery ceased to itinerate, so the itinerant king himself now had to work with other seals: the privy seal, and in due course the signet. It was by use of these seals that he communicated his more personal desires. Even here, however, small seal warrants to the Great Seal were written by anonymous scribes, with the King taking no direct role in their writing, and with the process hardening into routine as first the privy seal and then the signet became themselves instruments of bureaucracy rather than of personal royal command25. How then, during the period between the 1150s and 1330, can we hope to distinguish those royal instruments in whose issue and purposes the King himself played a 20  For the „signature“ of 1362, and subsequent examples from the reign of Richard II, see Pierre Chaplais, English Royal Documents. King John-Henry VI, 1199–1461 (Oxford 1971) 71 no. 18a. 21   In general, the best guide to these developments remains Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20). For the influence of the writ, see Richard Sharpe, The Use of Writs in the Eleventh Century. Anglo-Saxon England 32 (2003) 247–291; Teresa Webber, L’Écriture des documents en Angleterre au XII siècle. BEC 165 (2007) 139–165, esp. 141s. 22   Claude Fagnen, Le vocabulaire du pouvoir dans les actes de Richard Coeur de Lion, duc de Normandie 1189–1199, in: Les pouvoirs de commandement jusqu’à 1610. 105ème congrès national des sociétés savantes, Caen 1980 (Actes du Congrès National des Sociétés Savantes 105,1. Section de Philologie et d’Histoire jusqu’à 1610, Paris 1984) 79–93. 23   For the question of when and in what circumstances enrolment was introduced to the English royal chancery, see the debate between Nicholas Vincent, Why 1199? Bureaucracy and Enrolment under John and his Contemporaries, in: English Government in the Thirteenth Century, ed. Adrian Jobson (Woodbridge 2004) 17–48, and David Carpenter, In Testimonium Factorum Brevium. The Beginnings of the English Chancery Rolls, in: Records, Administration and Aristocratic Society in the Anglo-Norman Realm, ed. Nicholas Vincent (Woodbridge 2009) 1–28. 24   The essential study here remains Henry C. Maxwell-Lyte, Historical Notes on the Use of the Great Seal (London 1926). 25   A process delineated by Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20), and at monumental length by Thomas F. Tout, Chapters in the Administrative History of Mediaeval England, 6 vols (Manchester 1920– 1933). For a selection of surviving warrants from 1244 to 1326, deliberately chosen because they cover business with no corresponding Great Seal instrument recorded in the chancery enrolments, see: Calendar of Chancery Warrants Preserved in the Public Record Office. A. D. 1244–1326 (London 1927).

176

Nicholas Vincent

direct role, from those that merely performed routine governmental functions? In the absence of written signs here, we can adopt a number of approaches. In the first place, we learn from chronicles and contemporary witnesses of occasions on which the King, in person, initiated or authorized a particular written act. As the author of the legal treatise known as Bracton informs us, it was not without „many wakeful nights“ on behalf of King Henry II and his advisors that an instrument such as the writ of novel disseisin was first devised26. Very occasionally, we can observe such royal thought processes in action. We are informed, for example, by the anonymous author of the Battle Abbey chronicle of several occasions on which King Henry II took a close personal interest in royal letters or charters, for example at Clarendon in the 1150s, when the King is said to have picked up a sealed charter of his grandfather, King Henry I, declaring his wish that it could be proved a forgery27. The chronicler’s account here forms part of a narrative concerned more for effect than for historical reality. Much that the Battle Abbey Chronicle reports is either invention or make-believe28. Nonetheless, at least one other of the chronicler’s stories can be independently verified. In 1175, the chronicler informs us, the King agreed to confirm the ancient privileges of Battle Abbey. Calling for his de facto chancellor, Master Walter of Coutances, he ordered that a new charter be drawn up not merely referring to the charter of King William I (1066–1087) upon which it was based but including a very specific formula: quoniam inspexi cartam Willelmi proaui mei, in qua prescripte libertates et quietancie et libere consuetudines ab eo prefate ecclesie concesse continebantur  29. As was first noticed by Galbraith, precisely this same formula does indeed occur in a surviving original charter of Henry II, written by a scribe of the royal chancery, ending with more or less precisely the same corroboration that the chronicler specifies: quia inspexi cartam regis Willelmi proaui mei in qua prescripte libertates et quietancie et libere consuetudines ab eo prefate ecclesie concesse continebantur30. As has more recently become apparent, this is not only one of the very earliest charters of Henry II to employ the verb inspicere, but served as the immediate ancestor to an entire species of such inspeximus charters that, from the 1190s, were to offer not just confirmation but word-by-word recitals of earlier documentary evidence. In other words, what the chronicler describes here is an English king personally inaugurating an entirely new category of chancery-produced instrument. Whether or not we choose to believe that it was Henry II rather than his officials who first suggested this change (and the chronicler may have had good reason to exaggerate the King’s personal role), it was 26  Henricus de Bracton, De Legibus et Consuetudinibus Angliae, transl. Samuel E. Thorne, 4 vols (Cambridge, Mass. 1968–1977) iii 25: Cum igitur disseisitus ita negligens fuerit in hac parte quod nolit vel non possit disseisitorem suum reicere, de beneficio principis succurritur ei per recognitionem assisae nouae disseisinae, multis vigiliis excogitatam et inuentam. For Bracton here deliberately echoing Justinian (Cod. 3. 28. 35, proem), see George Garnett, Conquered England: Kingship, Succession and Tenure 1066–1166 (Oxford 2007) 330 n. 27   The Chronicle of Battle Abbey, ed. Eleanor Searle (Oxford 1980) 214–217. 28   Nicholas Vincent, Henry II and the Monks of Battle. The Battle Chronicle Unmasked, in: Belief and Culture in the Middle Ages. Studies presented to Henry Mayr-Harting, ed. Richard Gameson–Henrietta Leyser (Oxford 2001) 264–286. 29   Chronicle of Battle Abbey, ed. Searle (cit. n. 27) 308–313. 30   London, BL, ms. Additional Charter 70981, as printed by Vivian H. Galbraith, A New Charter of Henry II to Battle Abbey. EHR 52 (1937) 67–73, at p. 73, and for the scribe (scribe XL in the standard reckoning of such things), see Terence A. M. Bishop, Scriptores Regis. Facsimiles to Identify and Illustrate the Hands of Royal Scribes in Original Charters of Henry I, Stephen, and Henry II (Oxford 1961) 52 no. 328 and plate xxxiv (a).



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

177

clearly a suggestion plausible to contemporaries that the King might not only handle, or where necessary „dictate“ the production of letters in chancery, but on occasion take an active role in the reform of chancery procedures31. In none of these instances do we hear of the King doing anything more, in a physical sense, than taking charters into his hand or pronouncing upon what should be done with them. On occasion, however, we encounter incidents more like the performative firmatio that was so significant a feature of the issue of royal charters in earlier centuries. Some such acts are the result of wishful thinking on behalf of later historians, none more so than King John’s supposed „signing“ of Magna Carta, at Runnymede in June 121532. As recently as 1924, it was suggested that the parallel slits cut into the bottom of one of the originals of the 1215 Magna Carta were stab marks made by the King’s „knife or a dagger – the visible evidence of [King John’s] fury“33. In reality, they are far more likely to be cuts made by the bookbinder who, in the seventeenth century, mounted this document into a guard book34. In other cases, the reports of such actions are more plausible. Of Henry II, for example, we read in the 1170s of the King physically placing his own charter of privileges for the monks of Canterbury upon the tomb of St Thomas Becket in Canterbury Cathedral35. Henry’s endowment of the abbey of Le Valasse in Normandy is said to have been signified by his placing a gold ring on the abbey’s altar at the time of the abbey’s dedication, this same ring later being used by Henry’s son, King Richard I, either to seal or to add solemnity to his own charter of confirmation36. We have an even fuller account of the granting of another charter of Henry II, freeing the monks of St Albans from the authority of the bishops of Lincoln. The Gesta Abbatum of St Albans, generally attributed to Matthew Paris (d. 1259), but undoubtedly drawing 31   Nicholas Vincent, The Charters of Henry II. The Introduction of the Royal Inspeximus Revisited, in: Dating Undated Medieval Charters, ed. Michael Gervers (Budapest–Woodbridge 2000) 97–120, and for the King, in February 1189, commanding the issue of letters to the monks of Canterbury subsequently „dictated“ (dictauit) by the chancery official, Hubert Walter, see: Epistolae Cantuarienses, ed. William Stubbs (RBS 38,2, London 1865) 281–283 no. 297, part of a detailed account of the production of royal letters noticed by Vincent, Why 1199? (cit. n. 23) 39s. 32   For the eighteenth- and nineteenth-century obsession with portraying this scene, see Miles Taylor, Magna Carta in the Nineteenth Century, in: Magna Carta. The Foundation of Freedom, ed. Nicholas Vincent (London 2014) 136–153, at 141–144. 33   John C. Fox, The Originals of the Great Charter. EHR 39 (1924) 321–336, at 334. 34   Arthur J. Collins, The Documents of the Great Charter of 1215. Proceedings of the British Academy 34 (1948) 233–279, at 271–273. 35   The Historical Works of Gervase of Canterbury, ed. William Stubbs, 2 vols (RBS 73, London 1879– 1880) i 261–262, referring to a charter first issued two years earlier at Marlborough, for which see also The Letters and Charters of King Henry II (1154–1189), ed. Nicholas Vincent et al. (Oxford forthcoming 2017) no. 464. 36   Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 2715 n., citing a description of the charter’s confirmation set out in a further charter of Henry II’s widow, Eleanor of Aquitaine (Rouen, Archives départementales Seine-Maritime 18HP7): referring to the dotem quam dominus noster H(enricus) rex in dedicatione prefate ecclesie dedit ei et per anulum suum super altare obtulit ac deinceps predictus noster filius carta sua eidem confirmavit ecclesie et ipsi carte ipsum sui patris in testimonium appendi fecit anulum. For another gold ring, used before 1162 in the authentication of a charter of Henry II for the bishop of Chichester, the charter itself sealed conventionally in wax but by the fourteenth century preserved together with a ring said to have been supplied by Hugh bishop of Durham at the time of the charter’s issue, see Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 592, citing The Chartulary of the High Church of Chichester, ed. Walter D. Peckham (Sussex Record Society 46, Lewes 1946) 268s. no. 887.

178

Nicholas Vincent

upon earlier written sources, inform us that in 1163, the King was shown the original Anglo-Saxon privileges of St Albans with their sign manuals, here said to have made in gold by the kings of England with their own hands: perhaps the earliest instance, in an English source, of the assumption that Anglo-Saxon signs manual were autographs37. Rather than confirm such unsealed and therefore potentially unauthenticated documents, the King instead drew attention to a sealed charter of his grandfather, Henry I, in which the Anglo-Saxon privileges of St Albans were effectively renewed. It was this latter charter that he chose to confirm. To conclude this agreement, charters were prepared by the royal chancery, by the bishop of Lincoln, sealed by the bishop and his chapter, and by the abbot of St Albans. On this abbatial charter the King put his hand, „placing there a silk lace (laqueus) from his cloak as a sign of witness“38. This same word „lace“ (laqueus) occurs a few years later to describe the silk seal cords or „laces“ that were purchased in 1182, so that the bishops of England could put their seals to the King’s last will and testament39. In other words, what seems to have been offered to the abbot of St Albans in 1163 was a seal cord, taken by the King’s own hand from the King’s own cloak. If so, then this would fit what else we know of the often multicoloured and patterned silks that were used in Henry II’s chancery to seal upwards of 140 of the King’s more solemn charters. From the 1170s onwards, such cords were used with ever greater elaboration and solemnity40. A similar focus upon seal cords as a sign of the King’s personal involvement occurs a few years later, in 1190, when Richard I issued a charter in favour of Richard du Hommet and his wife, Gila de la Haye. This document, unique amongst surviving Plantagenet charters, is sealed on silk cords, 50 centimeters in length, one in green, the other in blue silk with brown lines, both decorated on one side with lozenges, on the other embroidered with French couplets: Jo sui druerie. / Ne me dunez mie. / Ki nostre amur deseivre / La Mort pu[ist ja receivre] („I am a pledge of love. Do not give me away. Let anyone who severs our love receive death.“)41. At least for a period during the twelfth century, it appears, the seal cords of the more solemn royal charters may themselves have served as personalized tokens of firmatio and authentication. Beyond outward physical gestures, we can also hope to trace the degree of the King’s personal involvement by reference to the language of any particular royal letter or charter. The most obvious sign here comes in the formula Teste me ipso. From the reign of Henry II onwards, this served in place of a witness list to increasingly large numbers of 37   Matthew Paris, Gesta Abbatum, in: Chronica Monasterii S. Albani, ed. Henry T. Riley, 7 vols (London 1863–1876) iv part 1 150s., and for the idea here of golden crosses as signs manual, see Nicholas Vincent, The Use and Abuse of Anglo-Saxon Charters by the Kings of England, 1100–1300, in: The Long Twelfth-Century View of the Anglo-Saxon Past, ed. Martin Brett–David Woodman (Studies in early medieval Britain and Ireland, Aldershot 2015) 191–227, at 212–213. 38   Matthew Paris, Gesta Abbatum (cit. n. 37) 156: cui etiam rex manum apposuit, nam laqueum pallii sui pro testimonio apposuit. 39   The Great Roll of the Pipe for the Twenty-Eighth Year of the Reign of King Henry II, A. D. 1181–1182 (The Publications of the Pipe Roll Society 31, London 1910) 159, noting a payment of 4 s. 6 d. made in London pro cera et laqueis ad faciendas cartas episcoporum Anglie de testamento regis. 40  For details here, see the introduction to Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35). 41  Caen, Archives départementales Calvados H668, whence The Itinerary of King Richard I, ed. Lionel Landon (Pipe Roll Society N. S. 13, London 1935) no. 299. The seal cords are described by Léopold Delisle, Notice sur les attaches d’un sceau de Richard Coeur-de-Lion. BEC 14 (1853) 56–62, again in the Bulletin Monumental 20 (1854) 225–234 (with facsimile), and again in Léopold Delisle–Elie Berger, Recueil des actes de Henri II roi d’Angleterre et duc de Normandie concernant les provinces françaises et les affaires de France, 4 vols (Paris 1909–1927) i (Introduction) 237–238.



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

179

royal writs42. Before the 1150s, the phrase me ipso occurs occasionally in royal charters as a means by which the King might refer to himself, as in a charter of King Stephen for the bishop of Lincoln, issued in 1137, referring to land that the bishop used to hold de me ipso43. Thereafter, and excluding a number of proven or suspected forgeries, we find the formula employed in place of a witness list in at least nine of Henry II’s surviving writs and charters, in three instances in writs issued before c. 1173, in the other six in writs and charters of the 1170s or 80s. The implication is that Teste rege ipso introduced in the 1150s or 1160s, yielded place from the 1170s to what was to become the standard formula Teste me ipso44. Before Henry II’s death in 1189, the formula had also been transmitted to the chanceries of Henry’s Queen, Eleanor of Aquitaine, and to the King’s sons, the future kings Richard I and John. Eleanor, indeed, issued a charter at Poitiers as early as 1156 Teste me ipsa, followed by a witness list, headed Testibus his, naming four witnesses45. Apart from once again revealing a degree of innovation in the chancery of Henry II, this reform was in the longer term to have signification implications. Under Kings Richard I and John, and into the early years of King Henry III, letters that employ the Teste me ipso formula can be assumed to have originated from discussions held with the King in person, rather than from negotiation with chancery or other officials in which the King himself played no part. Thereafter, the formula became a mere formality, employed in tens of thousands of writs and letters patent that were routinely issued under the Great Seal, without ever being discussed or handled by the King46. In the meantime, from roughly the 1150s to the 1230s, the formula Teste me ipso implies a degree of direct royal engagement in any particular item of business. Taken together with two other formulas, the first of which appears even earlier in royal documents (witnessed by X per Y), the second known only from the chancery enrolments of John’s reign, after 1199 (witnessed by X pro Z), this allows us potentially to identify not only who was in charge when any particular item of business was negotiated (Teste X), 42   For a fuller analysis here, see the introduction to Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35), and cf. Hilda Prescott, The Early Use of Teste me ipso. EHR 35 (1920) 214–217. 43   Regesta Regum Anglo-Normannorum (cit. n. 18) iii no. 464, and cf. charters of Stephen and of Henry II before his accession as King, ibid. no. 600, 678, 696. 44   Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 451 (Teste rege ipso, before 1173), 532 (Le roy mesmes, before 1173), 572, 622, 671, 835, 847 (before 1173), 1759, 2810, and cf. no. 296 (with incomplete witness list Teste me etc). For proven or suspected forgeries, ibid., no. 969, 1205, 2171, 2225, 2341, 2343, 2344, 2345, and cf. no. 237 (Teste etiam me ipso), 588 (Testis sum ego), 680 (Dat’ per manum nostram), 2796 (Testibus nobis ipsis). 45   For Eleanor, apparently before 1189, Recueil des documents de l’abbaye de Fontaine-le-Comte (xii–xiii siècles), ed. Georges Pon (Archives Historiques de Poitou 61, Poitiers 1982) 36–38 no. 24, 40 no. 26. For charters of Richard as count of Poitou, 1181 × 1189, with lists of several witnesses headed Testibus me ipso or Teste me ipso: Cartulaire de l’abbaye de Sainte-Croix de Bordeaux, ed. Ariste Ducaunnès–Leo Drouyn. ­Archives Historiques du département de la Gironde 27 (1892) 1–157, at 58s. no 34; Paul de Fleury, L’Aumônerie de Saint-Gilles de Surgères. Archives Historiques de la Saintonge et de l’Aunis 6 (1879) 9–22, at 11 no. 3; Paris, BN ms. Périgord 12 fol. 273rv; Rouen, Archives départementales Seine-Maritime H depot Hotel-Dieu A9. For writs of the same Teste me ipso: Le Livre d’Or de Bayonne textes Latins et Gascons du xe au xive siècle, ed. Jean Bidache (Pau 1906) 62 no. 36; Paris, BN mss. Doat 80 fol. 297rv, 330v–301r; Doat 91 fol. 202v–203r; Rôles Gascons, ed. Francisque Michel–Charles Bémont–Yves Renouard, 4 vols (Paris 1885–1962) ii 484–485 no. 1567. For John as son of the King and Lord of Ireland, i. e. 1183 × 1189, Teste me ipso, Chartae, Privilegia et Immunitates. Being Transcripts of Charters and Privileges to Cities, Towns, Abbeys, and Other Bodies Corporate, 1171–1395 (Irish Record Commission, Dublin 1889) 5; Chartularies of St Mary’s Dublin, ed. John T. Gilbert, 2 vols (London 1884) ii 167; Calendar of the Patent Rolls preserved in the Public Record Office. Edward II. A. D. 1307–1313 (London 1894) 161. 46  Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 15–18.

180

Nicholas Vincent

but under whose advocacy or sponsorship such business was transacted (per Y) and on occasion on whose behalf (pro Z)47. Reading through the earliest of the surviving chancery rolls of letters patent (sealed on cords or parchment, so that the letter could be read without breaking the seal) and letters close (sealed in such a way that the wax had to be broken for the letter to be read), we find innumerable instances of such notes of warranty. On the opening page of the great folio edition of King John’s letters close, for example, no less than thirteen of the twenty writs reported there from June 1204 have some sort of note of warranty, most commonly in the form of notes recording that the witness to any particular writ (in this instance either the justiciar Geoffrey fitz Peter, or the bishop of Norwich, John de Gray) was also the negotiator (Teste X per eundem). Others said to have negotiated writs during this period include Peter des Roches, Jocelin of Wells and Ralph the clerk and William of the Chamber. In one instance, a writ witnessed by the justiciar was negotiated via Ralph the clerk (Teste comite Galfrido filio Petri ... per eundum per Radulfum clericum)48. At the end of August 1204, we find a writ witnessed by William Marshal earl of Pembroke but warranted per ipsum regem, presumably with the King as impetrator/negotiator49. Only during the second part of the reign of Henry III, from the 1240s onwards, do these formulas decline into routine. Even then, we have other means of establishing the King’s personal interventions in chancery. One such involves paying close attention to the language of individual royal letters, in the hope of detecting the King’s voice behind the drone of bureaucratic process. An early instance here occurs in a charter of Richard I in favour of his half-brother, William Longuespée earl of Salisbury. As we have already noticed, Richard was the first English king uniformly to adopt the first person plural for his letters and charters50. Yet in a charter sent from Messina in February 1191 we find the King writing to his ministers in England that „we order and firmly command“ that land be assigned to William „my brother“ (frater meus)51. Was this because the scribe had temporarily overlooked the change to first person plural, or because the voice dictating these letters was that of the King in person? 47  The best delineation of the per formula remains that by Sidney Painter, The Reign of King John (Baltimore 1949) 102–104. Per clauses can be found as early as the reign of William Rufus (1087–1100), naming the impetrator or person seeking the writ, as for example in Regesta Regum Anglo-Normannorum (cit. n. 18) i no. 330–332 (per Turold abbot of Peterborough), 461 (witnessed by Eudo dapifer per ipsum); ii no. 957, 1860d; iii no. 160. I am indebted to Richard Sharpe for discussion here. Thereafter, from the reign of Henry II, see Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 408, 586, 622, 913, 1296, 1503, 1581, 1766, 1862, 2228, 2724–2725, of which three (no. 408, 913, 1862) survive as originals with the per formula copied out in full. 48  Rotuli Litterarum Clausarum, ed. Thomas D. Hardy, 2 vols (London 1833–1844) i 1. 49  Ibid. 6b. 50   Before this, we find occasional uses of the first person plural in what otherwise seem to be authentic letters of Henry II, for the most part in diplomatic correspondence with popes, the emperor Frederick I and the kings of France or Spain, none of them surviving as originals, some or all of them perhaps „improved“ by later copyists: Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 40–42, 477–478, 517, 627, 1093–1094, 1669, 2049, 2710–2711, 2969, 2982, 2996, 3016, and cf. no. 2715, 3010, where it signifies joint actions undertaken by the King and others. In other instances, it hints either at possible (no. 2152, 2155, 2649, 2743, 2765–2766, 2940) or almost certain forgery (no. 253, 261, 288, 327, 688, 1618, 1761, 1804, 2670, 3017). 51  London, TNA, DL 10/15 (whence the calendar in Itinerary of Richard I [cit. n. 41] no. 350, 5 February 1191): Mandamus vobis et firmiter precipimus quod stati(m) visis istis lit(ter)is nostris sine dilatione vel obiectione habere faciatis Will(elm)o fratri nostro maneriu(m) nostrum de Kirketun’ in Lindesia cum stauram(en)tis omnibus. ... Volumus et precipimus quod predictus fr(ater) me(us) illud maneriu(m) nostrum predictum habeat et teneat. ... T(este) me ipso .v. die Februar(ii) apud Messana(m). An instance first drawn to my attention, thirty years ago, by Pierre Chaplais.



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

181

Even earlier than this, we find what may be personal touches in various of the letters of Henry II. A charter of the late 1180s, for example, addressed to the abbot and general chapter of Cîteaux, appears to offer a first-hand account of the circumstances in which Henry came to his throne in place of King Stephen „my usurper“ (ablator meus)52. Another letter, issued a few months before Henry’s death in 1189, reminds William Marshal, the future earl of Pembroke, of how frequently William had „moaned“ (planxinsti) of the King’s failure to supply him with anything other than a small fee53. With the sudden and vast increase in our access to the King’s more ephemeral correspondence, following the survival of the chancery rolls, from 1199 onwards, we find so many instances of the personal and the private that only a few examples must suffice here as proof of a far wider phenomenon. Under King John, well-known examples of such private letters include those by which the King explained, in August 1202, that he had forgotten the passwords set to allow outsiders access to his prisoners at Falaise, commanding nonetheless that, should a particular prisoner prove co-operative, he was to be „released from fetters and put in the place where the ring-chains are“54. Royal letters of April 1203 offering credence to a messenger travelling to John’s mother and others of the King’s friends in southern France, report that „the grace of God stands better with us than (our messenger) can possibly tell you“ (gratia Dei melius stat nobis quam ille vob[is] dicere possit). It has been suggested that this represents a coded reference to John’s murder of his nephew, Arthur of Brittany, whose final disappearance occurred at about this time. In reality, given that mentions of „the grace of God“ occur in other royal newsletters, this may simply offer a standard expression of the King’s well-being. There is nonetheless no mistaking the tone of personal vainglory to the letters of April 120355. Similar personal touches abound through to the end of the reign. They are to be found, for example, in letters of July 1214 carefully redrafted so as to promise merely the King’s „indignation“ against those English barons who failed to attend him in France, rather than that „rancour of soul“ that the King had originally threatened56. In 1215, the year of Magna Carta, they are to be found in both trivial and momentous contexts: in a royal writ commanding that „fat goats ... good chickens and the meat of 52   Letters of Henry II, ed. Vincent (cit. n. 35) no. 2541 (Recueil, ed. Delisle–Berger [cit. n. 41] ii no. 682), opening Nouerit uniuersitas vestra quod cum Deo largiente adeptus fuerim regnum Anglie repperi quod tempore regis Steph(an)i ablatoris mei multa dispersa fuerant et a dominiis regni alienata tum in feodis militum tum in elemosinis ecclesiarum. 53   Nicholas Vincent, William Marshal, King Henry II and the Honour of Châteauroux. Archives 25 (2000) 1–15, with commentary by David Crouch, Loyalty, Career and Self-Justification at the Plantagenet Court. The Thought-World of William Marshal and his Colleagues, in: Culture politique des Plantagenêt (1154–1224). Actes du Colloque tenu à Poitiers du 2 au 5 mai 2002, ed. Martin Aurell (Poitiers 2003) 229–240, at 237s. 54  Rotuli Litterarum Patentium, ed. Thomas D. Hardy (London 1835) xii 17b, with commentary at http://magnacartaresearch.org/read/feature_of_the_month/Oct_2014 [24. 2. 2016]. 55  Rotuli Litterarum Patentium (cit. n. 54) 28b, and for other references to „the grace of God“, see ibid. 118b; Radulph de Coggeshall, Chronicon Anglicanum, ed. Joseph Stevenson (RBS 66, London 1875) 1–208, at 137, with commentary at http://magnacartaresearch.org/read/feature_of_the_month/Sep_2014_2 [24. 2. 2016]. For the use of royal newsletters more generally, see John Gillingham, Royal Newsletters, Forgeries and English Historians: Some Links between Court and History in the Reign of Richard I, in: La Cour Plantagenêt (1154–1204). Actes du Colloque tenu à Thouars du 30 avril au 2 mai 1999, ed. Martin Aurell (Poitiers 2000) 171–186. 56  Rotuli Litterarum Patentium (cit. n. 54) 118b, where indignationem has been substituted for the original choice of words, rancorem animi.

182

Nicholas Vincent

hares“ be fed to the King’s hawks at Windsor, as in royal letters suggesting measures to confound the archbishop of Canterbury, Stephen Langton, here described as „a notorious and manifest traitor“57. Similar personal touches persist in letters enrolled under John’s son, King Henry III. Once again, a small selection of examples must suffice. Many readers will be familiar with the panic that ensues when a husband realizes that he has left it too late to supply his wife with a suitable Christmas present. This seems to have been precisely what happened on 19 December 1240, when royal letters were sent to Henry III’s clerk of works, urging him to strive „by day and by night“ to supply a „beautiful“ gold and enamel vessel from which the Queen might drink on Christmas Day58. Some such last-minute demands inevitably end in disappointment. In October 1242, for example, we find the King at Bordeaux writing to the bishop of Carlisle in England, demanding that the bishop provide absurdly optimistic resources (30,000 marks, 300 knights and 500 serjeants) to attend the King in Gascony by the following spring. This letter was supplied with a postscript, apparently dictated by the King in person, urging the bishop not to fail in his task59. A fortnight later, the King wrote again, in mounting anger, threatening dire consequences unless the bishop did more to satisfy his demands60. Two months later, his patience by now entirely exhausted, the King wrote one last time, instructing the bishop „to meddle no more in the King’s business and instead to attend to his own salvation“61. There seems little doubt that what we hear in this instance is not the voice of an impersonalized bureaucracy, but very much the over-optimism, and subsequently the sarcastic exasperation, of the King himself. Humour, like sarcasm, is a notoriously difficult phenomenon to detect in letters of the long distant past. It can nonetheless be found in letters of Margaret of Provence, Queen of France, written to Henry III, her brother-inlaw, in October 1265, clearly in answer to Henry’s request that his own queen, Eleanor of Provence, Margaret’s sister, return to England as soon as possible, Margaret teases Henry (in reality a famously uxorious monarch) with the possibility that, should his wife be de57   See here Rotuli Litterarum Clausarum, ed. Hardy (cit. n. 48) 192 (pingues capras queri faciatis et aliquando bonas gallinas et singulis septim[anis] eis habere faciatis semel carnem leporum); Vivian H. Galbraith, Studies in the Public Records (London 1948) 161s. (proditor nostri notorius est et manifestus). For commentary on these instances, see http://magnacartaresearch.org/read/feature_of_the_month/Mar_2015_3 [24. 2. 2016]. 58   Close Rolls of the Reign of Henry III preserved in the Public Record Office. A. D. 1237–1242 (London 1911) 258: Mandatum est Edwardo filio Odonis quod sub omni festinatione de consilio thesaurarii regis fieri faciat tam de die quam de nocte unum ciphum auri cum pede ad opus regine qui sit ponderis duarum marcarum vel amplius et precii xx. marcarum, ita quod promptus sit contra instans Natale Domini, et quod predicta regina inde bibere possit in predicto festo, et quod prouideat quod intus sit excellentatus aimallo et aliter modis quibus poterit decentius et pulcrius apparatus, et quod tam rex quam regina inde possint esse contenti. For this, and following examples, I am indebted to David Carpenter. 59  Ibid. 518 (7 October 1242): Nec vos latere volumus quod bene sumus experti postquam egimus in partibus remotis quod refriguit in vobis affectio quam erga nos gerere consueuistis et quod in absentia nostra de nobis cura minor habetur. 60  Ibid. 533 (25 October 1242): Nec vos latere volumus quod vobis speciliater inputabimus et quantumcumque personam vestram dilexerimus grauius erga vos mouebimur quam erga aliquem alium, nisi super pecunia nobis uberius mittenda iuxta mandatum nostrum nobis fuerit satisfactum. 61  Close Rolls of the Reign of Henry III preserved in the Public Record Office. A. D. 1242–1247 (London 1916) 58 (8 December 1242): Mandatum est episcopo Karleolensi quod decetero se non intromittat de negociis regis, quia tempus est quod saluti anime sue decetero intendat. … Et substituti sunt ei dominus Eliensis et dominus Wygorniensis. … Et mandatum est domino Eboracensi et Willelmo de Cantilupo quod eum decetero ad agenda regis non admittant.



The Personal Role of the Kings of England in the Production of Royal Letters

183

layed in France, he might be tempted to marry somebody else, perhaps even the countess of Gloucester (a notoriously rich widow, but on this evidence perhaps the last person on earth whom Henry was expected to marry)62. From March 1268, we find what might otherwise be a standard royal mandate to the men of Hereford to assist their new royal constable, demanding that they act „as if for the siege of Troy“. Here, once again, we seem to be in the presence of a controlling intelligence that may well have been that of the King63. Besides such echoes of the King’s voice, royal interventions in the production of letters occasionally leave their mark on the chancery rolls. David Carpenter has explored one such instance, from 1232, when the fall of the King’s chief minister, Hubert de Burgh, was accompanied by a hiatus on the chancery enrolments as the chancery staff struggled to keep pace with political developments and as the King himself assumed responsibility for charters for which Ralph de Neville, the chancellor, refused to take responsibility64. Another such occurred in 1238, when the King attempted to block the promotion of this same chancellor, Ralph de Neville, as bishop of Winchester. On this occasion, to dispatch an embassy to Rome against Neville’s election, the King used the services of clerks of his wardrobe, as the enrolment itself states „with the clerks of the lord King’s chancery being kept in ignorance“, and with the chancery Patent Roll itself apparently being appropriated by the King65. The assumption on this occasion must be that the letters sent to the Pope against Ne­ ville were issued under the King’s privy seal, at this time still the King’s own private possession, used both for personal correspondence and for the issue of warrants commanding actions under the Great Seal kept in the chancery. Kings of England had possessed privy or „secret“ seals since at least the time of Henry II. No impression survives of any such seal before the reign of Edward I, but under Edward, and perhaps under Henry III, the privy seal seems to have displayed the royal arms of England on a shield 66. A century earlier, Henry II’s signet seal perhaps showed a chariot drawn by serpents, in acknowledgement both of the legends of Medea/Melusine, and of the speed with which the King expected his wishes to be fulfilled67. King John may have used a classical portrait bust that had served, before 1199 as his seal whilst Lord of Ireland and count of Mortain68. 62  London, TNA, SC 1/3 no. 138, with commentary by Margaret Howell, Eleanor of Provence: Queenship in Thirteenth-Century England (Oxford 1998) 231–232. 63  Original letters of Henry III, 6 March 1268, preserved as Hereford, Herefordshire Record Office, Hereford City Charters BG/11/1/3: ad eam defendendam ad modum obsidionis Troie. 64  David A. Carpenter, Chancellor Ralph de Neville and Plans of Political Reform, 1215–1258, in: Thirteenth Century England II: Proceedings of the Newcastle upon Tyne Conference 1987, ed. Peter R. Coss– Simon D. Lloyd (Woodbridge 1988) 69–80, at 72–76. 65   Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 26, 56 no. 3: facta fuerunt hec breuia apud Wudestok’ in guarderoba domini regis, clericis de cancellaria domini regis ea ignorantibus eo quod fuerunt contra cancellarium tunc postulatum Winton’, et postea redditus fuit rotulus. 66  Maxwell-Lyte, Great Seal (cit. n. 24) 41; Tout, Chapters (cit. n. 25) i 210–213, v plates i–iv; Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 25, and for another small seal, used more officially as a seal of absence under both Henry III and Edward I, see Nicholas Vincent, The Magna Carta. Sotheby’s Sale Catalogue (New York, 18 December 2007) 46–48. It is one of the more remarkable gaps in our knowledge of English diplomatic that there is still no comprehensive modern study of the Great and deputed seals of England’s medieval kings, beyond Wyon, The Great Seals (cit. n. 11). 67  Nicholas Vincent, The Seals of King Henry II and His Court, in: Seals and their Context in the Middle Ages, ed. Phillipp R. Schofield (Oxford 2015) 7–33, at 14s. 68  Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 24–25; Vincent, Seals of Henry II (cit. n. 67) 15.

184

Nicholas Vincent

We have no examples of original letters issued by Henry II or his sons that definitely passed under their privy or secret seals. After 1199, privy seal writs were haphazardly and far from comprehensively copied into the chancery enrolments both of King John and of Henry III69. The earliest originals to survive date from the 1240s, and take the form of routine warrants to the Great Seal70. Thereafter, so far as we can judge, only a small part of the King’s privy seal correspondence was ever enrolled. Under Edward I, this was done in wardrobe books that themselves have long since perished. Drafts of a selection of the King’s privy seal correspondence were kept in files, stored month by month amongst the records of the King’s wardrobe and privy-seal office. These too were poorly preserved over time, and in 1619 suffered wholesale destruction in a fire in the Banqueting House in Whitehall71. Nonetheless, from the reign of Edward I, sufficient scattered instances survive to be gathered together into an artificial class of documents in the Public Record Office, pasted into guard books and classified in the nineteenth-century as „Ancient Correspondence“ (today, The National Archives class SC 1)72. It is here, for example, that we find drafts or discarded originals of the more confidential or diplomatic correspondence of kings John and Henry III73. Here too, as Pierre Chaplais long ago demonstrated, we can recover the authentic voice of Edward I, writing on the educational needs of his children, on his passion for hunting, and in 1304 famously accusing Patrick of Dunbar, earl of March, of cowardice, taunting him with what began as a scatalogical remark („Whilst the dog shits, the wolf runs off“), thereafter scratched out and replaced with a more literary reference to Audegier, the archetypical coward of French romance74. This, the authentic voice of Edward I, still leaves us some way short of the personal „signatures“ first recorded in 1330 with Edward III’s use of Pater Sancte, and subsequently with the royal sign manual. As Malcolm Vale explains elsewhere in this volume, the royal signature itself was to develop in England in ways that themselves mirror the bureaucratization and multiplication of functions within the royal writing office. Even so, as I hope to have demonstrated, to search for the King’s hand in royal correspondence before the 1330s is by no means an entirely futile pursuit. Even before the king’s sign manual was traced physically upon royal letters and charters, the royal voice and the authenticating presence of kingship can be detected in abundance.

  Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 24–26.   London, TNA, C 81/1/1–1d; SC 1/62 no. 90, as noticed by Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 25. 71  Pierre Chaplais, Privy-Seal Drafts, Rolls and Registers (Edward I–Edward II). EHR 73 (1958) 270– 273; Chaplais, English Royal Documents (cit. n. 20) 34. 72  For which see the three-volume calendar and index by Patricia Barnes et al., List of Ancient Correspondence of the Chancery and Exchequer Preserved in the Public Record Office (Public Record Office Lists and Indexes 15, New York 1963–1968). 73  In many cases printed in Diplomatic Documents Preserved in the Public Record Office, ed. Pierre Chaplais (London 1964), and presumably the source of the draft letter of King John on Stephen Langton noticed above n. 57. 74   Pierre Chaplais, Some Private Letters of Edward I. EHR 77 (1962) 79–86, esp. 79s., noting a letter (London, TNA, SC 1/13 no. 143) printed by Joseph Stevenson, Documents Illustrative of the History of Scotland, 2 vols (Edinburgh 1870) ii 467s., also noticed by Michael Prestwich, Edward I (London 1988) 118. 69 70

With mine own hand The use of the autograph by English rulers in the later Middle Ages, c. 1350–c. 1480 Malcolm Vale

… many [scholars] … copy the practice of princes, and employ secretaries for writing letters. But what will they do when they want their letters to be secret, as kings often do? ... . It would impress anyone to receive a handwritten letter from a king1. Desiderius Erasmus of Rotterdam, 1528

Thus wrote Erasmus of Rotterdam in 1528, praising the merits and virtues of the handwritten letter, authenticated by personal signature. But the great humanist was by no means the first, nor the most prestigious, person to do so. In January 1417, an English king had told one of his envoys, in English, because of the secretness of this matter, I have written this Instruction with mine own hand 2. That king, Henry V of England (1413– 1422), as we shall see, would probably have agreed entirely with Erasmus, just as he also would have agreed with him that the letter written manu propria, validated by signature or sign manual, provided the best guarantee of authenticity. And he did not need to be a Renaissance humanist to believe and advocate that. The subject with which we are concerned has not always, perhaps, received the attention it deserves from historians. Although occasionally noted and commented upon, the implications flowing from the use of both the autograph, and the holograph, in England and its continental possessions, during the later Middle Ages, do not seem to have been fully explored. I use the term „autograph“ to refer to documents signed by their author or originator, but written by another hand or hands. By „holograph“, I refer to documents written entirely in the hand of the person whose signature it carries. Later medieval evidence is, for example, not discussed in a recent, otherwise excellent, book on the diplomatic and other handwritten and signed correspondence of Queen Elizabeth I of England 1  The Collected Works of Erasmus. 25: Literary and Educational Writings 4, ed. Jesse Kelley Sowards (Toronto–Buffalo–London 1985) 391. Erasmus produced an influential treatise on letter writing, his Opus de conscribendis epistolis (Basel 1522). 2  Thomas Rymer, Foedera, conventiones, literae et cujuscunque generis acta publica, 20 vols (London 1727–35) ix 428; contemporary MS copy in London, BL, Cotton MS Caligula D. V., fol. 16–17r; Pierre Chaplais, English Medieval Diplomatic Practice Part 1, Documents and Interpretation (London 1982) i 98–101 no. 65.

186

Malcolm Vale

(1558–1603). While emphasising the significance of the reigns of her Tudor predecessors in this respect, very little consideration is given to the immediately preceding period. The increase in personal letter-writing and the use of the autograph by early modern rulers is there attributed largely to humanistic influences, emanating from Erasmus and other scholars. But what is described as the „new conceptual link between authorship and authority“, demonstrating the „monarch’s active engagement in affairs of state“, was not, I suggest, unknown at a rather earlier period3. It could be argued that it is simply not the case that „authority and authorship had become inextricably linked in European court culture“ only „by the mid-to-late sixteenth century“4. There were signs, by at least 1420, that this was already becoming the case. I have been working recently on the life and reign of the early fifteenth-century king Henry V of England – the so-called, maybe mis-called, „warrior-king“5. One of the more striking aspects of that reign is not only its place in the creation of a national mythology, enshrined and perpetuated by the work of William Shakespeare, but also in less heroic spheres. An enduring legacy of Henry V’s short, nine-year tenure of the English crown was to be found in two other, perhaps more prosaic, areas: first, the creation, adoption, and stabilisation – for the first time – of an English language and idiom of government, politics and administration. Secondly, the use, to a far greater extent than ever before, of the king’s own hand, whether as an autograph signature or sign manual, or in holograph, that is in documents either completely written, or at least annotated, by him. In a published lecture, entitled „Henry V: a Personal Portrait“, given in 1954, the Oxford historian K. B. McFarlane observed: „With Henry V … we enter on a period in which it is not unusual to find the royal wishes set out in the king’s own hand, especially matters too secret for another’s knowledge. To read a man’s own words is to know his mind more intimately than at second-hand.“6 Now English kings were not accustomed to using their own hand in correspondence until the youthful Edward III (1327–1377) agreed, in 1330, to write the words Pater sancte on those of his letters of recommendation to Pope John XXII that he „took particularly to heart“7. But the autograph endorsement of surviving letters and other documents, or their annotation – let alone their actual holograph composition – in the ruler’s own 3  Rayne Allinson, A Monarchy of Letters. Royal Correspondence and English Diplomacy in the Reign of Elizabeth I (Queenship and Power, Basingstoke–New York 2012) 16; eadem, These Latter Days of the World. The Correspondence of Elizabeth I and James VI, 1590–1603. Early Modern Literary Studies 16 (2007) 1–27. 4   Allinson, A Monarchy of Letters (cit. n. 3) 17. Early modern letter-writing has attracted recent attention, especially letters written by women. See Early Modern Women’s Letter Writing, 1450–1700, ed. James Daybell (Basingstoke–New York 2001); Women’s Letters Across Europe, 1400–1700. Form and Persuasion, ed. Jane Couchman–Ann Crabb (Aldershot–Burlington 2005). 5  My book entitled „Henry V. The Conscience of a King“ is to be published in due course by Yale University Press. The present contribution to this volume forms a shortened and revised version of Chapter 2 of the book. 6  Kenneth B. McFarlane, Henry V. A Personal Portrait, in: idem, Lancastrian Kings and Lollard Knights (Oxford 1972) 114–133, at 117. 7   See, and for what follows, Pierre Chaplais, English Diplomatic Practice in the Middle Ages (Hamble­ don–London 2003) 100–102. The autograph Pater sancte was a secret code to enable the pope to identify those recommendations for appointment to ecclesiastical office which carried the king’s warm support. Edward was not yet master in his own house at the time, as his mother Isabella, and Roger Mortimer, were effectively in control. The more general subject of rulers’ literacy is discussed in Vivian H. Galbraith, The Literacy of the medieval English kings. Proceedings of the British Academy 21 (1935) 201–238 (reprint in idem, Kings and Chroniclers. Essays in English medieval history [London 1982] 78–111). For literacy in England at an earlier period see Michael T. Clanchy, From Memory to Written Record. England 1066–1307 (Oxford 21993).



With mine own hand 187

hand, is very rare before the reign of Henry V8. As has been shown, at earlier periods, actual physical contact between rulers and the documents written out and sealed in their names seems to have been relatively slight, if not non-existent9. With the exception of the occasional application of a cross or other mark to the most formal and solemn of charters, all written documents issued in the king’s name were authenticated only by wax seals10. It is, then, my contention that the use of the autograph sign manual, formed by the initial letters of the king’s name and title, or the signature, as well as the composition, annotation and endorsement of documents by the king himself, advanced very markedly during Henry V’s reign. This was in large part a direct result of royal choice and initiative. So was the introduction of the English language, to a far greater extent than had ever been the case before, as a language of government. Apart from a single surviving example from Edward III’s reign of a copy of the king’s signature or sign manual, in the form E. Rex11, Richard II (1377–1399) appears to be the first to use, with any regularity, an initialised sign manual in the abbreviated form Le roy R[ichard] s[econd] or, as a signature, Richard. Like the „secret“ seal under his ancestor Edward II (1307–1327), Richard’s sign manual, together with the signet – the king’s personal seal, mounted on a finger-ring – represented the personal will of the king: a will which, for some of his most powerful subjects was, they believed, exercised unjustly and (some claimed) tyrannically. From such practices, it was thought, despotism might be born. But the usage had taken root. Now the mere ability to form the letters of one’s own name may not betoken any very high level of literacy. The illiterate Joan of Arc could do it. But, taken in conjunction with other evidence, it is clear that later medieval English kings were without doubt fully literate. Henry V and his brothers have been described as „the most bookish group of royal princes in medieval England“ and their education was thorough – Henry was learning Latin by the age of eight, when he was bought Latin grammars12. Of his father’s literacy there can, similarly, be no doubt. Henry IV (1399–1413) could write in his own hand in Anglo-Norman French (i. e. the „English“ French spoken and written in England since 8  For some examples of handwriting, in facsimile, for Richard II and Henry IV see William J. Hardy, The Handwriting of the Kings and Queens of England (London 1893) 13–18. Specimens of Henry V’s hand are on p. 19–29. 9  See, for an unusual example of such physical contact, Nicholas Vincent, The Great Lost Library of England’s Medieval Kings? Royal Use and Ownership of Books, 1066–1272, in: 1000 Years of Royal Books and Manuscripts, ed. Kathleen Doyle–Scot McKendrick (London 2014) 73–112, at 83, citing Gesta abbatum monasterii S. Albani, a Thomas Walsingham … compilata, ed. Henry T. Riley, i (RBS 28,2,1, London 1867–1869) 156: cui etiam rex manum suum apposuit, nam laqueum pallii sui pro testimonio apposuit. 10  See Vincent, The Great Lost Library (cit. n. 9) 84 and n. 85. The practice of applying this kind of sign manual had been discontinued by c. 1170. 11  See London, TNA, C 76/45, m. 5: enrolment of a copy of letters appointing proctors and nuncios to treat with Castile, 22–23 June 1362 where a notarial attestation authenticates omnia et singula, necnon scripturam, E. Rex, manu domini regis propria factam. See Rymer, Foedera, conventiones, literae (cit. n. 2) iii 657; Pierre Chaplais, Master John de Branketre and the office of notary in Chancery, 1355–1375, in: idem, Essays in Medieval Diplomacy and Administration (London 1981) XXII 169–202, at 181s. and 197s. (Appendix III C). Chaplais thought that Edward acted thus „to conform here to Castilian practice“ (p. 181) but did not take the question further. Apart from the pater sancte autograph, we have – as far as is currently known – no original signature from Edward III, as the 1362 document is an enrolled copy on the French Rolls for the 36th year of his reign. 12   McFarlane, Henry V. A Personal Portrait (cit. n. 6) 115s. For the schooling of the medieval English upper classes see, in general, Nicholas Orme, From Childhood to Chivalry. The Education of the English Kings and Aristocracy, 1066–1530 (London–New York 1984).

188

Malcolm Vale

the Norman Conquest of 1066) and in English itself. In a letter, sealed with his signet, of October 1403 he also quoted the Latin tag necessitas non habet legem in his own hand, followed by a holograph postscript in Anglo-Norman13. Henry IV had also employed a sign manual, resembling a royal cypher, formed by the initial letters H. R. (Henricus Rex) or R. H. (Rex Henricus), and the signature Henry. This practice was followed, on a very much larger scale, by his son. Why was this so, and what lay behind Henry V’s apparent readiness to endorse and subscribe letters with his own hand? Some clues to an answer may lie not only in past precedent, but in his own desire that his will should be fully expressed and authenticated not only by the arguably impersonal application of a seal, but by a personal validation. He also appears, as we shall see, to have expected other rulers to act likewise. Now the greater use of the sign manual or signature formed part of a common European movement. In France, a turning-point in its favour occurred during the period c. 1380–1400, although there is evidence for the use of a signature by Jean le Bon in the 1360s14. Recent French scholarship has tended to conceptualize it as one part of a growing movement of „individuation“ and „individualization“. In England, the tendency towards greater lay literacy has begun, if anything, a little earlier15. The literate layman had certainly arrived at various levels of both government and indeed society, with significant consequences for both Church and State. So the emergence of the sign manual and signature may simply represent one facet of a rising level of lay literacy, which was already well under way by 1350 in the higher and middle reaches of society. From this time onwards, visual identification of individuals, by means of their portraits had, of course, also begun to be made16. But there were pragmatic, as well as more general cultural reasons, for these innovations whereby identity could be individualised. It was apparently thought that wax impressions, even of personal seals affixed to documents, were not always sufficient to guarantee their authenticity. Nor, it was claimed, did they fully express the personal wishes or intentions of the writer, normally mediated through a clerk, scribe or secretary. Erasmus could, at a later date, dismiss „a letter written by a third party“ as one which „hardly deserves to be called a letter at all“17. Writing, in Anglo-Norman, to his officers in England, Richard II could therefore issue letters under his privy seal concluding with the note that „to the end that it should more clearly show that this proceeds from our conscious will (de nostre conscience), we have written our name here with our own hand …“18. Although such letters were sealed, they were given greater weight and authority, it seems, by the 13  The two examples are in London, TNA, C 81/1358, no. 4B; C 81/1362, no. 46. See Henry C. Maxwell-Lyte, Historical Notes on the Use of the Great Seal of England (London 1926) 129s. Henry rendered the Latin quotation as nessescitas non habet legem. 14  See the contribution to this volume by Claude Jeay, L’autographie comme épiphanie du pouvoir 197–217. 15  See Kenneth B. McFarlane, The Nobility of later medieval England (Oxford 1973) 41–48, 228–247. 16  See, for the origins and functions of the portrait at this time, Andrew Martindale, Heroes, Ancestors, Relatives and the Birth of the Portrait (The Hague 1988); also, more recently, Mateusz Grzęda, The Pre-History of Portraiture in Central Europe (seminar paper, Univ. Hamburg, 2012; see www. academia.edu/2051095/ The Portrait of Rudolf IV of Austria [22. 2. 2016]); Claude Jeay, Pour une histoire de la signature: Du sceau à la signature, histoire des signes de validation en France (xiiie–xvie siècle). Labyrinthe 7 (2000) 155s. 17  The Collected Works of Erasmus 25, ed. Sowards (cit. n. 1) 391. 18  Anglo-Norman Letters and Petitions from All Souls MS 182, ed. Mary Dominica Legge (Oxford 1941) 157 no. 107: En tesmoign de ce nous avons fait mettre nostre seel a ces presentes. Et affin que mielx appere que ce vient de nostre conscience, y avons nostre noum escript de nostre main.



With mine own hand 189

inclusion of the king’s personal mark of identity and authorship, whether by the sign manual or signature. Even more telling, perhaps, was another instance from Richard’s reign, which gave precise grounds for the use of the king’s own hand. Early in 1395, a disputed and contested election to the bishopric of Exeter was in full cry. The king had already made his wishes well known to the electoral body, naming his candidate for the office. But, writing – again, in Anglo-Norman – to the canons of the cathedral, he told them, in a signet letter, that they would know „that this is our will“, because „we have written our name on these letters … in our own hand“19. Again, it was not thought sufficient, in this particular case, simply to seal the missive with the signet. It had to be validated further by inserting the king’s own name. The extent to which personal promises, commitments and undertakings could (it was hoped) be strengthened by the addition of signs manual and signatures to proposals and agreements was exemplified in Henry V’s dealings with John the Fearless, duke of Burgundy, in September–October 1416. The two rulers, plus the Emperor Sigismund, had met at Calais20. A series of drafts and memoranda, stemming from those meetings, and listing the „articles which the duke of Burgundy shall promise to the king“, survive in various forms21. One of these (in French), on paper, sets out the steps whereby Burgundy’s undertakings could be made more binding and more difficult to deny, avoid or evade, with the words: „To the end that everyone knows that these articles proceed from his own pure and free will, and that he wishes to keep and observe them, at every point, without ever acting to the contrary, the duke shall swear and promise [to keep them], on the faith and loyalty of his body, without fraud or malice, and shall write them out in his own hand, sign them with his sign manual, and apply the privy seal of his arms, the day and place etc [of issue], just as it transpires.“22 The draft is accompanied by a blank sheet of paper, with the note at its base: „Things written in the king’s hand concerning the duke of Burgundy“, with some remaining traces of a seal (probably the signet) in red wax23. Apparently unnoticed by historians, the draft’s indication of the king’s direct involvement in the negotiations could not be clearer. He was also, it seems, largely responsible for devising the ways employed to attempt to hold the slippery and elusive duke to keep his word24. That some, admittedly limited, degree 19   Ibid. 172 no. 116: les uns de vous avez overtement dit que les dites lettres nestoient pas nostres, et ce a cause que vous naviez pas conissance de nostre signet. But the letters were confirmed to estre passez soubz nostre signet de nostre pleine voluntee et verraie conissance and so that they were to know that ce est nostre voluntee, noz avons escriptz en cestes noz lettres [nostre noun] de nostre mein. In the event, Richard’s nominee – his secretary Roger Walden – was not appointed, and Edmund Stafford was provided to the bishopric on 15 Jan. 1395. Cited Chaplais, English Diplomatic Practice (cit. n. 7) 101 n. 137. 20   See Christopher T. Allmand, Henry V (New Haven–London 21997) 109–112. 21  See Rymer, Foedera, conventiones, literae (cit. n. 2) ix 394s.; London, TNA, E 30/ 1068, 1273, 1609; E 28/32, no. 65, 66. 22  Et au fin que chascun sache que cestes articles precedent de sa pure et franche voluntee, et qil le voet garder et observer en chascun point sanz jamais de venir a lencontre, jurera et promectera le dit duc, par la foy et loyaute de son corps, et ce sanz fraude ou mal engin, et les escrira de sa propre main, et ou son signe manuel le signera, et metera son prive seal de ses armes, le jour et lieu etc, ensi qil est de fet: London, TNA, E 28/32, no. 65: draft memorandum, 1 folio, on paper, damaged, n.d., but clearly Sept.–Oct. 1416. 23  London, TNA, E 28/32, no. 66: I folio, paper, endorsed: Choses escrites de la main du Roy touchant le duc de Burgoigne. Traces of a seal en placard appear between the words du and Roy. The (otherwise blank) folio may have acted as the cover or wrapper of the main document, sealed with the signet, in effect a tergo (on the dorse). 24  The author of the Gesta was similarly suspicious of the duke and his behaviour. See Gesta Henrici

190

Malcolm Vale

of success was achieved appears evident from John the Fearless’s subsequent letter, dated October 1416, promising to observe the terms of the Calais agreement. This was „written in our own hand and sealed with our privy seal“, as set out in the articles above25. The letter stated that: „So that everyone shall know that these our letters stem from our full and free will, and that we wish to keep and observe them completely in every point, without ever doing or acting to the contrary in any way, we swear to, and promise [to keep] them by the faith and loyalty of our body, and by the word of a prince26.“ The phrase „by the word of a prince“ was almost exactly reproduced one hundred and fifty years later, when Queen Elizabeth I wrote to the paranoid Tsar Ivan the Terrible, in May 1570, assuring him that he could seek refuge in her domains should he be forced to flee from Russia. The queen, in terms very similar indeed to those used by Henry V and John the Fearless, stated: This wee promise by virtue of these our lettres, and by the word of a Christian prince, in witness whereof and for the further fortificacion of this our lettres, We … doe subscribe this with our owne hand … and have also thereto hanged our privie seale  27. The consistency of terminology here seems worthy of notice, causing us to ponder over the alleged novelty of sixteenth-century innovations in diplomatic practice. In the event, in 1416, an overt Anglo-Burgundian alliance did not materialise. This had to wait for the duke’s murder in 1419, and his son’s subsequent fulfilment of what were to a large extent the terms of the Calais negotiations of 1416. But the fact that Henry chose to put such an emphasis on securing promises signed by the duke, in his own hand, suggests that he expected other rulers and princes to act as he himself often, and increasingly, did. The most striking – and in many ways the most remarkable – of an English king’s known correspondence written in his own hand was a letter, now apparently lost, with which a bemused Pope Martin V was presented at Rome in June 1422. The Vatican Registers (Archivio Segreto) contain a copy of a letter from Martin to Henry V, alluding to „certain letters, which are said to be in your own hand, and in the English tongue (idiomate anglicano), explained to us through an interpreter“28. In continental Europe, English was still largely unknown both as a written and spoken language until the eighteenth century. The pope could have had absolutely no knowledge or understanding of it. The letter from Henry concerned an alleged slight and insult suffered by Thomas Polton, bishop of Chichester, currently the king’s representative at the papal court. A slight to Polton, it was implied, was a slight to the royal majesty itself, and the pope’s reply was conciliatory. Quinti. The Deeds of Henry the Fifth, ed. Frank Taylor–John S. Roskell (Oxford 1975) p. xlix. 25  London, TNA, E 30/1068: 1 folio, paper, a copy or draft: escrit et signe de nostre propre main et sealee du prive seal de nos armes; Rymer, Foedera, conventiones, literae (cit. n. 2) ix 395: escriptes de nostre main et sealeez de notre prive seal, at Calais, Oct. 1416. 26  London, TNA, E 30/1068: Et affin que chascun sache que cestes noz lettres precedent de nostre pure et franche volunte, et que nous les volons garder et observer en toutes en chascun point, sanz jamais de faire ou venir alencontre en aucune manere, nous le jurons et promettons par la foy et loiaute de nostre corps et en parole de prince. 27  Anna R. Bertolet, The Tsar and the Queen: You speak a language that I understand not, in: The Foreign Relations of Elizabeth I, ed. Charles Beem (London 2011) 101–123, at 110; and see Allinson, A Monarchy of Letters (cit. n. 3) 35; Inna Lubimenko, The Correspondence of Queen Elizabeth with the Russian Czars. American Historical Review 19 (1914) 525–542. 28  See Johannes Haller, England und Rom unter Martin V. QFIAB 8 (1905) 249–304, at 294–296; cited Chaplais, English Diplomatic Practice (cit. n. 7) 100, 133. The text referred to certis litteris, que tua propria manu scripte dicuntur in idiomate anglicano, per interpretem nobis expositis and is dated 13 June 1422. No record of it has been found in the Calendar of Papal Letters under that date.



With mine own hand 191

Whatever the case, the incident was exceptional – there is no other recorded example of the king writing in English, in his own hand, to anyone except one of his own kinsmen, kinswomen or subjects. We cannot, at this stage, infer that it represented an outburst of royal anger in the language in which he perhaps felt most comfortable; nor that he was, in effect, defiantly answering one alleged slight with another. The whole matter remains mysterious, and the search for the controversial letter, and for some trace in English archives of the receipt of the pope’s reply, continues. But it does confirm the view, expressed by the king himself, that the use of one’s own hand and of one’s own language or mother tongue were guarantees of authenticity and sincerity. And the pope, it seems, also took the point. In another of the matters that he held very „close to his heart“ – the safe keeping and guarding of his French and Scots prisoners of war – the king was equally insistent. One of the most notable, and noted, surviving records of Henry’s holograph is part of a letter, attributed to the king’s own hand29, written probably in February 1418 to Thomas Beaufort, duke of Exeter. The letter survives only as a fragment of what was clearly a longer missive. As it is, its style and spelling correspond well with the examples of his written interventions which have been more securely identified. The hand in which it is written, however, seems somewhat less practised than that found in the more certain examples of Henry’s handwriting. But the content of the letter could hardly have been of anyone else’s authorship. It also may demonstrate that the personal seal alone was evidently now regarded as, perhaps, conveying a less binding guarantee of adherence to an agreement. The sign manual or signature did not entirely replace it, but was becoming an essential adjunct in certain kinds of transaction. Personal intervention in matters of government could also take direct written form. The king’s concern for the mechanisms of finance and administration was borne out by a resolution, in July 1421, of his council, in England, that an inquiry be conducted into certain items on the accounts of John Spencer, keeper of the wardrobe. These were to be found „In certain rolls of John Spencer’s accounts, seen by the king at Calais, and signed and marked in his [the king’s] own hand … [and they] should conduct a diligent inquisition, certifying to the council of the lord king all that will be found by inquisition, and especially concerning those things where the king has himself written in the margin these words: ‚to be inquired into‘ (ad inquirendum) in his own hand, as well as other things in the said rolls marked at the head with a sign in black ink (punctu nigro) in the king’s hand.“30 The first occurrence of the personal examination, checking and signing of their household and other accounts by English kings has often been attributed, following Francis Bacon’s „History“, to Henry VII (1485–1509)31. But the above evidence to the contrary, which makes Henry V the first known English „businessman-king“ or „bureaucrat-king“ is incontrovertible. 29  London, BL, MS Cotton Vesp. F III, fol. 8r. The hand, although broadly comparable with other autographs attributed to the king, appears less well formed and practised than some other examples. The possibility that the fragment of the letter may be a copy or draft by another hand cannot be entirely ruled out. But the content and style of the text clearly indicates Henry’s authorship. 30  Proceedings and Ordinances of the Privy Council of England, ed. Harris Nicolas (1834) ii, 290: minutes of the council, 4 July 1421; original in London, BL, Cotton MS Cleopatra F. iii, fol. 173. 31  See Francis Bacon, ed. Brian Vickers (Oxford 1996) 178. Bacon (1561–1626) said that he had „seen long since a book of accounts of Empson’s, that had the king’s hand almost to every leaf by way of signing, and was in some places postilled [annotated] in the margent with the king’s hand likewise“. For Henry VII’s chamber finances see David Grummitt, Henry VII, Chamber Finance, and the „New Monarchy“. Historical Research 72 (1999) 229–243, esp. 240–242 for Henry’s personal oversight and signing of Chamber accounts.

192

Malcolm Vale

The value placed by the king on the use of the signet, and of his own hand, is also exemplified by the diplomatic instructions and memoranda which survive from his reign. In January 1417, Sir John Tiptoft was at Constance, as Henry’s envoy to the Church council there. A set of instructions, in English, to which I referred earlier, which the king sent him from England on 25 January, were specific and complex. They concerned secret negotiations which Henry had had with his Agincourt prisoner, the duke of Bourbon, over his potential release and its terms. This had important implications for the future of Henry’s war effort in France, in which he also saw a role for the Emperor Sigismund32. The instructions were also highly secret and confidential, and would be viewed as classified material today. Henry told Tiptoft that he was to divulge the content of his instructions only to „my brother“ the Emperor Sigismund, and that no one was „to have knowledge thereof, without my special order, from my own mouth, or else written with mine own hand and sealed with my signet … [as this is] one of the most secret things that concerns me …“33. To reinforce the point, the king concluded that „because of the secretness of this matter, I have written this Instruction with mine own hand, and sealed it with my signet of the Eagle“34. Little had changed a century or more later, when both Henry VIII and Elizabeth I expressed very similar sentiments, preferring to write letters in their own hand when secrecy was demanded35. But such were the risks of interception of letters, and of the theft of an envoy’s belongings, that the most vital parts of diplomatic and other messages could sometimes be omitted even from their handwritten instructions, to be committed to memory for oral delivery36. Although, unlike the previous case, it was not written entirely in his own hand, another example of a fifteenth-century king’s direct and interventionist manner in affairs of state was a memorandum, or aide-memoire (in effect a „things-to-do“ list), which Henry V drew up late in 142037. Described simply as Memoires, this remarkable document sets out the tasks which the king set for himself before his impending return to England from France in the aftermath of the treaty of Troyes (May 1420). The use of the first person singular is telling – the aide-memoire, on paper, was evidently written out by a French secretary, or at least one with considerable fluency in „court“ French. It bears all the signs of dictation. The king refers to mon partement vers Engleterre („my departure for England“), ma venue en Engleterre („my coming to England“), and to les deniers de ceulx de France que je paieray a beaux frère et uncle de Clarence and Excestre („the money of those of 32  For Henry’s diplomacy with the Emperor and the German princes at this time see London, TNA, C 47/30/9/12: instructions to envoys dated Dec. 1421. 33  Rymer, Foedera, conventiones, literae (cit. n. 2) ix 427s.; Chaplais, English Medieval Diplomatic Practice 1 (cit. n. 2) i 98–101 no. 65. No one was to [have wittyng thereof, witho]wt myn especial commandement, of myn owne mouth’ or els writen w[ith myn owne hand an]d seelyd with my signet … as this was oon’ of the secreest thing[es] that touchis me … . There is a contemporary MS copy, paper, partially damaged by the Cotton fire, in London, BL, Cotton MS Calig. D. V, fol. 16–17r. 34   Rymer, Foedera, conventiones, literae (cit. n. 2) ix 428: for the secreness of this matere, I have written this Instruction with myn owne hande, and seled hit with my signet of thEgle. 35   Allinson, A Monarchy of Letters (cit. n. 3) 4, 81. 36  See, for examples from correspondence with the papal curia, Margaret Harvey, England, Rome and the Papacy, 1417–1464. The Study of a Relationship (Manchester 1993) 86s. 37  London, TNA, E 30/1619: paper, watermarked with a crossbow, 1 folio. The document warrants very close scrutiny. Although undated, it must be before 28 November 1420, as it refers to the fact that the towns of neither Abbeville nor Montreuil had taken the oath to the treaty of Troyes (fol. 1r). Abbeville did so on 28 November, Montreuil on the 30 November. See Allmand, Henry V (cit. n. 20) 147.



With mine own hand 193

France that I will pay to [my] fair brother and uncle of Clarence and Exeter“). Apparently unnoticed by historians, the memorandum bears the endorsement a tergo, meaning that it was drawn up and validated under the signet of the eagle. At its foot are two further lines, in English, in another hand, which bears a strong resemblance to surviving examples of the king’s own autograph. They read: Also to sende to court for thabbot of West[minster] and Also thider for the Rendu [?] of the Chaterhous etc. We may have here yet another instance of a later medieval king at work, in what today might be called the most „hands-on“ manner. Such examples could hardly give a clearer indication of the importance which the king accorded both to his favoured personal seal – the signet of the eagle – and to his own hand, in matters of the very highest political and diplomatic significance. But this did not only apply to the higher reaches of statecraft. In the everyday, humdrum business of government, Henry V used the signet and sign manual probably as no other ruler had done before him. The addition of a brief note, in his own hand, of the king’s wishes, beside the autograph sign manual or cypher, indicates a quite exceptional grasp of detail on his part38. A clutch of endorsed petitions, for example, survives from the year 1421, all of them carrying notes in the king’s own hand. One confirmed a grant made by his brother Thomas, duke of Clarence, recently killed in battle, and reads: „R. H. In the form and manner that our brother’s letters state, while we so wish“ (9 June 1421). The responses to two further petitions were endorsed by the king: „R. H. we wish that he have the 20 marks according to the content of this bill, and the office during our will“ and „R. H. we have granted this bill yielding to our Exchequer 4d per year at the accustomed terms“ 39. Another, dated January 1422, carries the simple autograph endorsement: R. H. We have graunted this bille40. Micro-government was clearly at work here. The very ordinary and uncontroversial nature of these signet letters, and the regular, everyday use of the sign manual, have been commented upon41. But this did not mean that the daily business with which they dealt was thought to be insignificant or trivial, especially in the eyes of the king’s subjects. An English king had to be seen to rule as well as reign – and ruling, in the fifteenth century, could mean the assumption of personal control, or at least close supervision, over every area of government. The knowledge that the king was addressing the issues which most affected the daily lives of his subjects, both greater and lesser, could only contribute to fostering that all-important loyalty and allegiance which a usurping dynasty so much needed 42. Delegation was, of course, essential – but the ultimate authority, and responsibility, rested with the king. Especially 38  Such additions also survive, in very small numbers, from the reign of Henry IV, e. g. the endorsement H.R. Nous prions penser de la mer on a signet letter dated 15 Feb. 1405, concerning the flight of Constance, Lady Despenser and the children of Roger Mortimer, earl of March: London, BL, Cotton MS Vesp. F III, fol. 5; Calendar of Signet Letters of Henry IV and Henry V (1399–1422), ed. John L. Kirby (London 1978) no. 936. 39   Proceedings and Ordinances of the Privy Council, ed. Nicolas (cit. n. 30) ii 302 (petition of William Pomeroy, esquire, 16 Sept. 1421): R. H. we wol he have the 20 mar[k]s after the contenu of his bille and thoffice during our wille; ibid. 304s. (petition of John Feriby, 16 Oct. 1421): R. H. we have granted al this bille yeldyng to our eschequer 4d. by yeer at termes accustumed. 40  London, TNA, E 28/36, no. 19: 5 Jan. 1422. The dorse bears traces of a seal in red wax. 41   See, for example, Allmand, Henry V (cit. n. 20) 363: „Consideration of the content of Henry’s signet letters underlines how uncontroversial they were, and that the signet letter was now an administrative device, not a political one as it had been under Richard II.“ 42   See Gwilym Dodd, Patronage, Petitions and Grace. The „Chamberlains’ Bills“ of Henry IV’s Reign, in: The Reign of Henry IV: Rebellion and Survival, ed. Gwilym Dodd–Douglas Biggs (Woodbridge 2008) 105–135, at 132–134.

194

Malcolm Vale

after his full-scale conquest in France had got under way in the summer of 1417, it was also imperative that his English subjects were assured of the king’s continued concern for English issues. The stream of signet letters, some with autograph endorsements, sent after August 1417 from France, in English, concerning English business, surely demonstrated that the king was not neglectful of his subjects’ needs and demands. Furthermore, it is estimated that only about one-tenth of these letters have survived. Of the surviving 120 out of about 1.200 or so original signet letters sent after that date, one hundred were written from France, dealing very largely with English affairs43. And the sign manual now appeared on so-called „routine“ documents of everyday business, as well as instruments of the higher affairs of state44. In the conduct of those affairs, moreover, the king’s insistence on taking personal responsibility for all decisions, and the subsequent actions that flowed from them, received expression through the personal stamp or mark which the sign manual and the signet represented. What might have once been considered part of the essentially private sphere – personal and secret seals and other means of identification, which under both Edward II and Richard II had been used, controversially, to deal with contentious matters45 – now acquired a public face. The public and private spheres overlapped in another area – the expression of a testator’s last wishes in the form of wills, testaments and their codicils. In Henry V’s case, these contain both passages in English and in his own hand 46. Most interesting of all was the codicil, dated 9 June 1421, which was attached to the king’s last will, which he signed and sealed at Dover the following day, before his next, and last, voyage to France. The „codicil“ was described (in February 1426) as „a certain paper schedule, written in the king’s hand, and sealed (signato) with his signet of the eagle, enclosed within the said testament“47. This is now lost. But we know (from a record on the Parliament Roll) that it ended with the following extremely interesting words: „I have made this will myself, and written it in haste with mine own hand, all interlined and blotted as it is, the ninth day of June“ [1421]48. This must have been the „certificate“ which Henry had promised, in a previous will of 1417, to supply so that beneficiaries and others should be assured of his last wishes. The fact that it was written „in haste“ on the very eve of his departure, and was „interlined and blotted“, may mean that it must have looked very much like a rough draft, with   See Calendar of Signet Letters, ed. Kirby (cit. n. 38) 5.   The sign manual, sometimes with brief further endorsements in the king’s own hand, is found on the following „routine“ documents, including petitions, signet orders and other letters: London, TNA, E 28/32, no. 20; E 28/33, no. 57–58; E 28/34, no. 10, 19, 39, 72; E 28/36, no 19; C 81/ 1364, no. 38; Proceedings and Ordinances of the Privy Council of England, ed. Nicholas H. Nicolas (London 1834) ii 302, 304s., 315s. They date from September 1417 to January 1422. 45  See Allmand, Henry V (cit. n. 20) 362s. for comment. 46   For a fuller discussion of Henry V’s wills and testaments see my Henry V. The Conscience of a King, chapter 7 (forthcoming). 47   Rotuli Parliamentorum, ed. John Strachey et al. (London, 1783) iv 299–300; from London, TNA, C 65/87, m. 4 headed Pro episcopo Dunelm’ de deliberatione testamenti Henrici quinti (at the Leicester Parliament, 18 Feb. 1426): in quadam Cedula Papirea Manu eiusdem Regis scripto, et signeto suo de l’Egle signato, ac infra dictum Testamentum incluso, dated 9 June 1421. Only the beginning and end of the document were spelt out on the Parliament Roll. 48   Rotuli Parliamentorum, ed. Strachey (cit. n. 47) iv 300; Patrick Strong–Felicity Strong, The Last Will and Codicils of Henry V. EHR 96 (1981) 79–102, at 81s.: I have made this will be myself, and written yt in hast with myn owen hande, thus enterlynet and blotted as it is, ye ix day of Jun. 43 44



With mine own hand 195

insertions of the kind that the king himself, as well as his clerks, were wont to write into memoranda and draft letters. But it was, he asserted, to have full authority, and was not to be regarded as any less authoritative than the more formal instruments of his will. The recurrent emphasis in all the king’s formal wills and testaments on their confirmation and „strengthening“, or what Elizabeth I was to call „fortification“ 49, „by subscription in our own hand“ is telling. In conclusion, we are, I believe, dealing with a process which was, in its origins, far more than a simple bureaucratic routine or an empty, formulaic shell. Nor did it owe much, if anything, to the „new conceptual links“ or any forms of „self-fashioning“ invented by Renaissance humanists, emphasising their difference from, and superiority to, their later medieval predecessors. From this time onwards, the use of signatures and signs manual, and the appearance of letters and documents written in the ruler’s own hand, became part of the normal currency and vocabulary, as it were, of political, social and diplomatic intercourse. Once Henry V’s son, Henry VI, came of age, fifteen or so years after his accession to the throne, the autograph and the sign manual began again to appear on the king’s signet and other letters. During his reign, letters under the signet could inform the Chancellor „to the intent that you may truly know that this our writing proceeds from our certain knowledge and [from our] heart, we have signed these our letters with our own hand“50. Under his Yorkist successor and his son’s usurper, Edward IV (1461–1483), the use of the sign manual became common form. Well over half of his surviving signet letters bear it51. And the letters issued under their signets and autographs by those early modern monarchs – Henry VII, Henry VIII and Elizabeth I – reproduced exactly the English styles of address and diplomatic formulae first introduced by Henry V. „Trusty and well beloved, we greet you well“ echoed down the centuries – to this very day – as one indication of the continuity of personal monarchy from an age of dynastic upheaval into one of relative stability; and then into one of constitutional monarchy and Parliamentary democracy. But in the meantime, yet another English, or rather Anglo-Scottish dynasty fell, to the executioner’s axe, in the 1640s. One of the many grievances in the catalogue of alleged abuses of power, which led to Charles I’s execution, was the form, content and upshot of „warrants under his majesty’s signature“52. But, even today, Henry V’s formulations are found on all letters patent of Royal Assent to Acts of the British Parliament. The sign manual Elizabeth R. is affixed; the recipients are addressed as „trusty and well beloved“; and the document is endorsed „By the Queen herself, signed with her own hand“53. Plus ça change … .

  Bertolet, The Tsar and the Queen (cit. n. 27) 110.   London, TNA, C 81/1373, no. 31: to thentent that ye mowe verrely knowe that this oure writing procedeth of oure certain science and of hert, we have signed these oure lettres with oure owen hande (1447). 51  See Jocelyn Otway-Ruthven, The King’s Secretary and the Signet Office in the xvth century (Cambridge 1939, reprint 2008) 26. 52  John Pym, On Grievances in the Reign of Charles I (1640), in: The World’s Famous Orations III, Great Britain 1 (710–1770), ed. William J. Bryan (New York 1906) 50–67, at 21. 53  Francis Bennion, Modern Royal Assent procedure at Westminster. Statute Law Review 2/3 (1981) 133–147, at 138s. 49 50



L’autographie comme épiphanie du pouvoir Écrits et signatures autographes des rois de France dans la seconde moitié du XIVe siècle Claude Jeay

La pratique de l’écrit autographe, chez les rois de France, est somme toute récente puisqu’elle n’apparait qu’au milieu du XIVe siècle sous la dynastie des Valois. Auparavant, aucune occurrence n’a à ce jour été signalée, sauf peut-être une signature sous forme de souscription qui pourrait être de la main de l’un des fils de Philippe le Bel, Philippe V le Long (1316–1322). Il s’agirait là en tout état de cause d’une marque isolée, unique, d’un apax dans l’histoire de la signature des rois de France.

Jean le Bon et la naissance de la signature royale Le roi de France Jean II le Bon (1350–1364) est le premier souverain français à avoir écrit son nom, apposé sa marque sur un document – et qui plus est, à plusieurs de reprises et d’une façon à chaque fois identique. C’est bien l’un des caractéristiques de la signature, qui suppose une réflexion préalable sur l’art et la manière de signer, questionnement qui porte tant sur le contenu – qu’écrira-t-on? –, que sur la forme, à savoir le type d’écriture et le choix du paraphe. Ce qui suppose d’autres interrogations encore: signera-t-on de son nom de baptême, de son patronyme, ou encore d’un surnom? Comment se présentera le paraphe: création originale reflétant la sensibilité et la personnalité, calligraphie inspirée au contraire exclusivement de réalisations existantes – ou plutôt compromis entre ces deux possibilités extrêmes? Le but étant in fine, une fois la signature aboutie et l’effet recherché obtenu, de décliner celle-ci de façon systématique ou en tout cas le plus fidèlement et régulièrement possible autant que de besoin. Un examen attentif de la signature du roi, qui met en valeur son nom de baptême sous la forme en usage à l’époque, Jehan, permet de répondre à cet ensemble de questions et de définir un modèle, une signature royale type, un moule en quelque sorte, dans lequel se couleront ses successeurs immédiats (fig. Fig. 1: Signature de Jean le Bon, d’après Paris, BN, 1). Le nom est écrit en lettres d’assez petit fr. 67, fol. 315. module tracées avec un grand soin et beau-

198

Claude Jeay

coup de minutie; il s’agit d’un véritable exercice de calligraphie et cette écriture n’a rien à voir avec la cursivité de nos signatures actuelles. Elle met en valeur le nom, qui se détache lettre à lettre, sur le papier ou le parchemin. Cette écriture précise alterne traits de plume fins ou plus épais, courbes rondes et angles aigus, les verticales des lettres J et h étant par ailleurs rehaussées de petits ergots. Au total, à considérer la seule écriture, le nom apparaît avec évidence, il se détache nettement, avec immédiateté, du document. Pour ce qui est du paraphe, à présent, celui-ci est composé de plusieurs éléments liés entre eux; une grande verticale qui se confond avec le J initial et se prolonge à l’aide d’une boucle en un trait de soulignement qui lui-même engendre à son tour une autre boucle, un petit n s’inscrivant à la suite comme s’il rallongeait ce trait. Si l’on tenait à tout prix à comparer cette première signature royale avec les signatures de nos jours, on pourrait y voir deux constantes, le trait de soulignement et la (les) boucles finales, encore bien présentes aujourd’hui – n’était cette écriture presque dessinée et si soignée, ces lettres calibrées qui renforcent l’impression de ressemblance d’une signature à l’autre. L’impression globale qui se dégage de l’ensemble, cette fois, nom et paraphe, est un équilibre savamment dosé qui dit d’une certaine façon le nom dans le but de le mettre en valeur, de le présenter un peu à la manière d’un reliquaire ou d’un ostensoir, d’un écrin fait d’encre et de traits de plume. Une fois présentée la signature de Jean le Bon, il convient de considérer sa genèse, de chercher ses origines et les raisons qui ont présidé à son invention. Pour prolonger la comparaison avec notre époque, la différence essentielle est l’absence de cursivité de la signature royale, qui doit à tout prix donner à lire le nom en toutes lettres et sans ambiguïté; il ne peut donc être toléré toute abréviation ou lettre mal formée (ou déformée) et la signature ne peut en aucun cas ne faire que suggérer le nom, qui serait remplacé par une création graphique personnelle mais non signifiante, assemblage rapidement réalisé – mais toujours aussi réfléchi – de traits et de courbes, de lettres et de signes plus ou moins lisibles. En signant, le roi Jean le Bon dit non seulement son nom, mais „s’écrit“. Outre une indispensable lisibilité, l’autre raison de cette écriture régulière, maîtrisée, pour ne pas dire formatée, est l’influence directe de la pratique de chancellerie érigée en modèle. Quoique plus grandes que le texte qui la précède (les lignes d’écriture de la teneur de l’acte), les lettres qui composent la signature se présentent de façon similaire: e anguleux fait de plusieurs traits de plume alternant traits fin et épais, panse arrondie du a, jambages inégaux du n en position finale, hampe du h. Jean le Bon reprend donc à son compte les particularités de l’écriture de chancellerie qu’il fait siennes, au point qu’il est difficile de faire la part des choses entre le nom de baptême Jehan qui inaugure l’acte et ouvre le protocole initial, de la main d’un notaire et secrétaire du roi ou d’un clerc à la solde de celui-ci et ce même nom Jehan, tracé cette fois par le souverain en personne sur un acte du 22 mai 1360 donné à Londres (fig. 2)1. La régularité de l’écriture, en rappelant ainsi immédiatement les lignes qui précèdent, renvoie explicitement au corps du texte, au contenu du document. La signature est ainsi partie intégrante de l’acte, auquel elle est en quelque sorte „connectée“ par ces particularités graphiques communes. Tout dans les signatures 1  Toulouse, Archives Municipales, II 61/8, lettres patentes adressées A noz amez et feauls les prelaz, evesques, abbez, chapitres, colleges religieux et seculiers et autres personnes d’eglise quelconques, contes, barons, chevaliers et autres nobles, communes, universitez, consuls, bourgois et habitans de notre bonne ville et de toutes les autres de notre senechaussee de Tholose, données à Londres le 22 mai 1360. La transcription complète de l’acte est donnée dans (pas de nom d’auteur) Lettre originale avec la signature du roi Jean. BEC 61 (1900) 247–249, spéc. 248s.

Fig. 2: Lettres patentes de Jean le Bon du 22 mai 1360. Ville de Toulouse, Archives municipales, II 61/8. Cliché Ville de Toulouse.

L’autographie comme épiphanie du pouvoir 199

200

Claude Jeay

du roi ou de ses secrétaires, dont il sera question plus loin, les rattache immédiatement à l’acte, duquel elles se détachent tout en étant partie intégrante de celui-ci; les signatures s’inscrivent dans des réseaux de signes, dans une structure complexe dont elles participent, parachevant l’acte, lui apportant sa touche finale et lui conférant sa complétude. Les similitudes entre la pratique de la chancellerie royale et la signature du souverain ne s’arrêtent pas à cette proximité dans l’écriture. En regardant de près cette fois le paraphe qui accompagne le nom, d’autres points de convergence apparaissent, qui laissent également à penser que l’invention de la signature royale par Jean le Bon est une déclinaison directe des usages de ses notaires et secrétaires, dont il a à longueur de temps l’écriture et les signatures sous les yeux, ce qui semble somme toute dans l’ordre naturel des choses. Le paraphe du roi Jean le Bon reprend avant tout la structure du paraphe de ses secrétaires, cette architecture tripartite qui enveloppe le nom sur trois côtés, ces deux verticales plus ou moins travaillées qui interrompent de part et d’autre du nom le trait de soulignement et donnent de la hauteur, de l’amplitude à la composition graphique. Pour ce qui est de la verticale initiale, de deux choses l’une, soit elle est distincte de la première lettre du patronyme, du nom de baptême ou de l’initiale de celui-ci, soit elle se confond avec cette lettre – ou plus exactement c’est la première lettre qui devient à l’aide de quelques artifices graphiques élément du paraphe à part entière. Il en va ainsi de l’initiale J de Jehan, qui occupe cette double fonction, verticale structurante sur laquelle se greffent les petits ergots déjà mentionnés et que deux boucles relient à la fois à la lettre suivante et donc au nom, ainsi qu’au trait de soulignement du paraphe. La fonction essentielle de ce grand J est de „faire tenir ensemble“ les différentes composantes de la signature, d’en structurer tous les éléments pour leur donner une cohérence interne. Mise en regard, la signature du secrétaire qui signe J. Royer est d’une composition similaire (c’est certainement l’inverse, le roi imitant ses secrétaires!) et le J initial y joue un rôle identique, qui rappelle par ailleurs le J de Jehan du début de l’acte, en forme de potence ou de triangle rectangle2. La signature du roi et de son secrétaire ont en commun l’incontournable trait de soulignement et se terminent toutes deux par une boucle qui vient se refermer sur elle-même formant à sa base un petit triangle, quelques points ornant l’ensemble. Il faut dire pour que la description soit complète quelques mots de la petite lettre n, qui parachève la signature du roi de France, et se retrouve aussi à deux reprises dans celle du notaire Royer, successivement en position initiale, puis entre l’initiale du nom de baptême et le patronyme, comme pour marquer une séparation entre les deux. C’est là précisément qu’il faut chercher sa fonction, par exemple dans la mention Par le roy qui précède la signature du secrétaire et qui est elle aussi de sa main, encadrée par deux petits n, à la différence près avec les autres qu’ils ne sont pas en ligature et ne sont donc pas suivis d’une petite boucle en forme de S. Là encore, ce signe n’est que la reprise, l’intégration dans la signature d’une sorte de ponctuation de chancellerie, qui scande les différentes parties de l’acte. Toujours dans l’acte conservé aux archives municipales de Toulouse, il sépare le protocole initial et la formule de salutations du préambule à la toute fin de la deuxième 2  Toulouse, Archives Municipales, II 61/8. J. Royer signe par exemple une autre lettre, qui ne porte pas la signature du roi, adressée à la ville de Montpellier en date du 18 juin [1360], lettre publiée par Roland Delachenal, Histoire de Charles V 2: 1358–1364 (Paris 1909) 443s., pièce justificative no XXXVIII. Voir Emmanuelle Portugal, La culture des notaires-secrétaires royaux au milieu du XIVe siècle. Mémoire de master 2 de l’université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines (2011, non publié), qui poursuit actuellement ses recherches en thèse de doctorat: eadem, La culture des notaires secrétaires royaux au milieu du XIVe siècle. Étude sociale et documentaire.



L’autographie comme épiphanie du pouvoir 201

ligne; on le retrouve plus bas, au cœur du texte, juste avant le dispositif et l’ordre Nous vous requerons, prions et mandons, pour distinguer ces deux parties du discours; c’est encore ce petit n qui est apposé à la toute fin de l’acte, juste après le millésime de la date. Il ressort de cette rapide comparaison que les notaires et secrétaires du roi se sont inspiré de l’écriture des actes dont ils ont la charge pour imaginer leur signature à partir de la fin du XIIIe siècle et plus largement, diplomatiquement parlant, des caractères externes des documents3. Le souverain a ensuite repris plus d’un demi-siècle plus tard les paraphes de chancellerie pour réaliser sa propre signature. Il ne s’agit donc pas à proprement parler d’une création, c’est-à-dire d’une réalisation ex nihilo, mais d’une invention brillante, survenue à point nommé et dont le succès sera à la mesure de sa portée et de sa force originelles.

Les signatures des notaires et secrétaires du roi au milieu du XIVe siècle La réalité est cependant comme toujours plus prosaïque et riche de nombreuses exceptions, qui conduisent à relativiser ou à tout le moins à nuancer ce propos général sur la signature au plus haut niveau de l’État en ce milieu du XIVe siècle. Je dirais simplement ici que les notaires du roi adoptent pour la plupart un paraphe en manière d’encadrement sur trois côtés tel qu’il a été décrit plus haut, avec une initiale plus ou moins travaillée, un trait de soulignement et une boucle finale, le tout rehaussé de petits ornements. D’une signature à l’autre, les variantes sont nombreuses, puisque chaque notaire doit à la fois faire preuve d’originalité et marquer son appartenance au corps prestigieux des secrétaires du roi en gardant lisible la structure d’origine, identifiable au premier regard. Certains ne conservent pas la totalité des éléments, comme le notaire qui appose sa signature Seris sur un mandement de Jean le Bon, après la mention hors-teneur également de sa plume (Par le roy a la relacion du conseil ou vous estiés) (fig. 3)4: la signature ne comprend pas de verticale initiale, le S de plus grand module se refermant simplement sur lui-même comme un cercle, mais on notera a contrario que toutes les autres composantes attendues sont bien là et à leur place, petit n initial, trait de soulignement et n final surmonté d’une boucle en manière de paraphe. On retrouve ces mêmes petits n dans la mention qui précède – et les écritures de la signature et de la mention sont rigoureusement identiques. Il serait possible de multiplier les exemples de ces petits écarts, de ces omissions partielles, toujours est-il que les notaires signent en chancellerie grosso modo d’une seule et même façon, en sorte que les occurrences les plus éloignées du modèle d’origine – les plus sobres, en quelque sorte – ne font que confirmer la règle. Il ne faut toutefois pas mettre sur le même plan les signatures dont usent les notaires et secrétaires du roi en chancellerie et leurs signatures sur les lettres closes et autres lettres dites hors chancellerie, bien plus simples, voire dépourvues de paraphe, à l’image de la signature de Yves Derian, notaire de Jean le Bon puis de son fils Charles V (1364–1380), qui contresigne

3  Autre exemple dans le même document, le R majuscule de la mention hors-teneur est rigoureusement identique à celui du R de Royer dans la signature. 4  Toulouse, Archives Municipales, AA 35/117, mandement du 13 novembre 1360 adressé A noz tres chers feaux et bien amez les capitolx, bourgois et habitans de Tholouse. Peut-être s’agit-il de Robert de Serryz, nommé dans la liste des notaires et secrétaires au service du roi Jean le Bon annexée au Reglement pour les notaires du roy donné vers le 7 décembre 1361 (Ordonnances des rois de France de la troisième race recueillies par ordre chronologique 3 [Paris 1775] 534).

Fig. 3: Mandement de Jean le Bon du 13 novembre 1360. Ville de Toulouse, Archives municipales, AA 35/117. Cliché Ville de Toulouse.

202 Claude Jeay

Fig. 4: Lettre close de Jean le Bon du 3 décembre [1357]. Archives de la Ville de Montpellier, Louvet 1866 (D 19, pièce 43). Cliché Ville de Montpellier.

L’autographie comme épiphanie du pouvoir 203

204

Claude Jeay

une lettre close à la ville de Montpellier signée par le roi (fig. 4)5. La signature du notaire est réduite à sa plus simple expression, le nom de baptême en latin, Yvo, souligné d’un trait discret, agrémenté d’un point de part et d’autre et le Y surmonté d’un pointage. Il est important de noter que la signature royale est en revanche toujours identique, qu’elle soit apposée sur un acte de chancellerie ou sur une lettre close. Les origines de la première signature royale et sa forme sont désormais bien établies. Reste à voir dans quelles circonstances celle-ci est apparue.

Une invention née de la guerre de Cent Ans Jean le Bon n’a pas commencé à signer dès son accession au trône, à la mort de son père Philippe VI de Valois (1328–1350), le 22 août 1350, événement d’importance qui aurait pu être déterminant, d’autant plus que le prince avait par le passé déjà apposé sa signature sur l’un ou l’autre manuscrit qu’il appréciait tout particulièrement, en manière d’ex-libris, alors qu’il était duc de Normandie. Le souverain personnalise de la sorte une Histoire des croisades en français et le premier volume d’un exemplaire du Miroir historial français, associant sa signature à la formule autographe Ce livre est le duc de Normendie et de Guienne. Jehan (fig. 5)6. Ce sont à ce jour les seuls mots tracés par le futur Jean II entre 1331 et 1350 (à l’exception bien sûr de son nom de baptême) et dont l’autographie est attestée. Il suffit en effet de comparer l’écriture de la formule et de la signature pour constater qu’elles sont de la même main. Pour autant, alors qu’il a déjà choisi sa signature dont il a usé entre les pages de quelques manuscrits, Jean, une fois devenu roi de France ne pense pas à faire usage de ce signe en tant que personnage public, l’apposant sur les documents qui matérialisent et rendent exécutoires ses décisions (peut-être n’en a-t-il tout simplement pas besoin). Il ne reprend donc pas immédiatement sa signature – qui se présentait dès le début sous une même forme – pour l’apposer sur sa production documentaire, passant ainsi de l’environnement feutré de sa „librairie“ à son cabinet de travail où lui sont soumis les différents actes élaborés en son nom. Aucune signature de Jean le Bon n’est à signaler pendant toute la première moitié du règne. Fig. 5: Ex-libris de Jean le Bon, d’après Alfred Franklin, Les anciennes bibliothèques de Paris: églises, monastères, collèges, etc. (Paris 1867–1873).

5  Montpellier, Archives Municipales, Louvet 1866 (D 19, pièce 43), lettre close du 3 décembre [1357]. Yves Derian possède encore une troisième signature, en tant que notaire apostolique, qui s’inspire d’un modèle totalement différent utilisé par le notariat méridional et méditerranéen, le seing manuel en forme d’ostensoir (Paris, AN, J 286, no10, acte de février 1377 [n. st.]). 6  Paris, BN, Histoire des croisades, fr. 67, et Leyde, Bibliothèque de l’Université, Miroir historial français, Vossianus gallicus fol. 3A, une signature de Jean le Bon, très effacée, est apposée au fol. 418v. Le second tome de ce second ouvrage est conservé à Paris, Bibliothèque de l’Arsenal, ms. 5080 (il ne comporte pas d’ex-libris). Voir Léopold Delisle, Le livre royal de Jean de Chavenges. Notice sur un manuscrit du musée Condé. BEC 62 (1901) 330, et idem, Recherches sur la librairie de Charles V 1 (Paris 1907) 331s., et Paulin Paris, Les manuscrits françois de la bibliothèque du roi, leur histoire et celle des textes allemands, anglois, hollandois, italiens, espagnols, de la même collection 1 (Paris 1836) 79.

Fig. 6: Lettre close de Jean le Bon de septembre [1358]. Archives de la Ville de Montpellier, Louvet 1869 (D 19, pièce 46). Cliché Ville de Montpellier.

L’autographie comme épiphanie du pouvoir 205

206

Claude Jeay

C’est en 1357 que Jean II le Bon signe pour la première fois un document, une lettre close – qui n’est donc pas établie en chancellerie mais dans l’entourage immédiat du roi – et c’est alors seulement que la signature royale investit les sphères du pouvoir et de la politique7. Peut-être s’agit-il d’une lettre du 19 juillet, toute la difficulté étant de dater les lettres closes, dont la date comporte le quantième et le mois mais très rarement le millésime; la mention de réception apposée au dos, voire un contexte documentaire étayé, permettent parfois de pallier cette lacune8. Au regard de l’itinéraire du roi, la lettre étant donnée à Londres, celle-ci a nécessairement été rédigée pendant la première captivité du roi en Angleterre, conséquence dramatique de la désastreuse bataille de Poitiers le 19 septembre 1356. L’exil du roi de France sur le sol anglais couvre la période allant du 4 mai 1357 au 5 juillet 13609. Jean le Bon passant l’été 1359 au château de Hertford, la lettre n’a pu être écrite qu’en 1357 ou 135810. En tout état de cause, le roi signe une autre lettre le 3 décembre 1357, datée de Windsor et dont le millésime est cette fois attesté par une mention de réception inscrite au dos11. La missive est adressée à la ville de Montpellier et Jean II le Bon y annonce que les conditions de paix avec l’Angleterre ont été enfin conclues ainsi que sa prochaine délivrance. La signature autographe accompagne cette grande nouvelle et atteste de l’issue heureuse du conflit (mais à quel prix!) si longtemps attendue. En suivant la chronologie, le souverain a signé par la suite de loin en loin d’autres lettres, écrivant par exemple aux gens des comptes à Paris le 18 mars 1358, toujours au sujet des négociations diplomatiques avec l’Angleterre et pour faire état de ses besoins d’argent 12. Il s’adresse quelques mois plus tard depuis Londres à nouveau à la ville de Montpellier, cette fois, pour solliciter une contribution financière au paiement de la rançon dont les termes ont été définis dans les négociations avec le roi d’Angleterre Édouard III (fig. 6)13. L’année suivante, Jean le Bon signe une autre lettre aux communes de la sénéchaussée de Beaucaire en date du 20 juin 1359 afin de demander une participation financière pour sa délivrance (fig. 7)14. On recense dès 1360 davantage de signatures, en particulier après 7   Dans l’état actuel des dépouillements et au vu du corpus ainsi constitué. De nouvelles lettres seront certainement mises au jour dans les années à venir dans les fonds d’archives publiques, qui amèneront à préciser la chronologie. Je remercie Nicholas Vincent, qui a entrepris de m’aider à localiser d’autres lettres de Jean le Bon. 8   Paris, BN, Picardie 238, no 24 (ancienne collection Grenier), lettre du 19 juillet [1357 ou 1358]. Voir Claude Jeay, La naissance de la signature dans les cours royales et princières de France (XIVe–XVe siècles), dans: Auctor et auctoritas: invention et conformisme dans l’écriture médiévale. Actes du colloque de Saint-Quentinen-Yvelines, 14–16 juin 1999, ed. Michel Zimmermann (Mémoires et documents de l’École des chartes 59, Paris 2001) 457–475, spéc. 458–461, et idem, Signer au Moyen Âge, dans: Signé Fébus, comte de Foix, prince de Béarn, ed. Véronique Lamazou-Duplan (Paris–Pau 2014) 86–91. 9   Jean Deviosse, Jean le Bon (Paris 1985) 378–484, et Louis-Claude Douët d’Arcq, Comptes de l’argenterie des Rois de France au XIVe siècle (Paris 1851) 278–283. Le second séjour du roi Jean le Bon en Angleterre, qui revient se constituer prisonnier, ne dure que du 3 janvier au 8 avril 1364, date de sa mort. 10   Alfred Giraud, Signatures du roi Jean. BEC 16 (1855) 44. 11  Recepta die XXIX januarii Mo CCC LVIII. La lettre ayant été enregistrée le 29 janvier 1358 (n. st.), sa date complète est forcément le 3 décembre de l’année précédente, soit 1357. Montpellier, Archives Munici­ pales, Louvet 1866 (D 19, pièce 43), lettre close du 3 décembre [1357], contreseing de Yves Derian. Publiée par Delachenal, Histoire 2 (cit. n. 2) 393s., pièce justificative no XVI. 12  Cette lettre est également datée de Windsor, signée par le roi mais non contresignée. Elle est publiée par Delachenal, Histoire 2 (cit. n. 2) 400s., pièce justificative no XXII. 13  Montpellier, Archives Municipales, Louvet 1869 (D 19, pièce 46), lettre de septembre 1358 (le quantième, laissé en blanc, n’a pas été complété), signée par le roi et non contresignée. La mention dorsale (Recepta die XVI novembris Mo CCC LVIII) autorise de dater sûrement la lettre de l’année 1358. Cette lettre a elle aussi été publiée par Delachenal, Histoire 2 (cit. n. 2) 432s., pièce justificative no XXX. 14  Montpellier, Archives Municipales, Louvet 1870 (D 19, pièce 47), lettre donnée le 20 juin 1359 à

Fig. 7: Lettre close de Jean le Bon du 20 juin 1359. Archives de la Ville de Montpellier, Louvet 1870 (D 19, pièce 47). Cliché Ville de Montpellier.

L’autographie comme épiphanie du pouvoir 207

208

Claude Jeay

la ratification du traité de Brétigny en mai 1360, puisque le roi de France doit acheter sa liberté, conditionnée par le versement d’une forte somme d’argent qui le conduit à solliciter, voire à presser les nombreuses villes et communautés d’habitants du royaume15. Jean le Bon écrit pour ce faire à la ville d’Agde depuis Londres le 15 juin 136016, comme il s’est précédemment adressé, le jour même de la signature du traité et dans les jours qui ont immédiatement suivi, à de nombreuses villes du royaume en sorte qu’il serait certainement possible d’élargir le corpus de signatures royales moyennant des recherches dans les fonds anciens des principaux services d’archives communales voire départementales17. Deux missives de Jean le Bon à la ville de Reims des 8 et 14 juin 1360 font appel à l’amour des sujets pour leur roi, qui cherchent à toucher leur sensibilité et exciter leur zèle pour activer la levée de subsides et concourir de la sorte à la libération et au retour de leur souverain18 alors qu’il écrit, le 8 juin toujours, aux habitants de La Rochelle pour les inviter à se rendre à Calais discuter des conditions de la paix avec quelques représentants dépêchés par la ville (et certainement obtenir de l’argent …)19. Dans une autre lettre du 15 août 1361, le roi va jusqu’à faire suivre l’adresse A noz amez et feaus les generaus tresoriers des aydes de notre royaume, inscrite sur la petite bande de papier qui clôt la lettre cachetée par son signet personnel, des mots Pour notre delivrance, qui n’ont rien à voir avec l’adresse administrative, si l’on peut dire, mais insistent sur l’objet suprême et urgent de la missive (fig. 8)20. À vrai dire, il s’agit plutôt d’un court message, d’un billet pour introduire son envoyé, le secrétaire Pierre Blanchet, chargé de discuter des termes financiers de la rançon, qui comporte en tout et pour tout trois lignes commençant mot pour mot comme l’adresse complétée des mots Pour notre delivrance 21. Le roi signe également une lettre pour le cardinal de Montaigu au sujet des finances de Languedoc postérieure Hertford, dont l’année peut être établie avec certitude grâce à la mention de réception (Recepta die XVIII augusti Mo CCC LVIIII); elle n’est pas contresignée. Document publié Delachenal, Histoire 2 (cit. n. 2) 434s., pièce justificative no XXXII. 15   Deviosse, Jean le Bon (cit. n. 9) 445–452, et Françoise Autrand, Charles V (Paris 1994) 391–400. Édouard III d’Angleterre n’accorde au roi Jean le Bon ses lettres de délivrance que le 24 octobre 1360. Douët d’Arcq, Comptes de l’argenterie (cit. n. 9) 283s. 16   Cette lettre a été découverte et publiée par Paul Meyer, Lettre du roi Jean à la communauté d’Agde. Annuaire-bulletin de la Société de l’histoire de France (1863) 14–18, qui montre que la missive, datée du 15 juin, est certainement de l’année 1360: Jean le Bon y fait explicitement allusion à deux reprises à la paix, c’est-à-dire au traité de Brétigny ratifié le 8 mai 1360 (ibid. 17). La présence du roi est attestée à Londres du 28 mars au 30 juin 1360 (ibid. 15s. et Douët d’Arcq, Comptes de l’argenterie [cit. n. 9] 281s. Agde, Archives Municipales, AA 20, no 1). 17   „Un grand nombre de villes durent recevoir des lettres du genre de celles que je publie; c’était un bon moyen d’exciter leur zèle.“ Meyer, Lettre du roi (cit. n. 16) 16. 18   Ibid. 16, l’auteur conclut par ailleurs que la datation de ces deux lettres confirme le millésime de 1360 pour la missive à la ville d’Agde. Reims, Archives Municipales, C 734, liasse 6. 19  Meyer, Lettre du roi Jean (cit. n. 16) 16, et Thomas Rymer–Robert Sanderson, Foedera, Conventiones, litterae et cujuscunque generis acta publica, inter reges Angliae et alios quosvis imperatores, reges, pontifices, principes, vel communitates ab ineunte saeculo duodecimo viz. ab anno 1101, vol. 3 part 1 (editio tertia, Hagae Comitis 1740) 210, qui donne une transcription complète de cette courte lettre. 20  Paris, AN, J 641, no 136, lettre du 15 août. Voir Robert-Henri Bautier, Documents impériaux et royaux de l’Europe médiévale (Paris 1977) 49, pour ce qui concerne le contenu et la justification du millésime. 21  La transcription in extenso donne: De par le roy. Les generaus tresoriers des aydes de notre royaume pour notre delivrance. Nous envoions par devers vous m[aistre] P[ierre] Blanchet notre secretaire pour vous dire notre volenté sur la besoigne de Adam de Beruwik [sic, pour Berwick], laquele nous avons tant a cuer comme nous povons. Si le creez [dans la marge: et acomplissez] tout ce qu’il vous dira sur ce de par nous. Donné au Bois le XVe jour d’aoust. Jehan.

Fig. 8: Lettre close de Jean le Bon du 15 août [1361]. Paris, AN, J 641, no136. Cliché Atelier photographique des Archives nationales.

L’autographie comme épiphanie du pouvoir 209

210

Claude Jeay

de quelques mois22. Pour boucler provisoirement la liste et en attendant la découverte d’autres lettres signées de Jean le Bon, il convient pour finir de mentionner l’une des toutes premières missives, découverte dès le milieu du XIXe siècle, que Jean le Bon adresse à son fils Charles (le futur Charles V) alors duc de Normandie, signée dans la marge inférieure et non contresignée, datée du 26 novembre à Windsor et donc elle aussi rédigée pendant la captivité en Angleterre23. Depuis la première signature en 1357, le roi signe de temps en temps des lettres, mais sans pour autant que cette pratique soit systématique, loin s’en faut. Tout au plus peut-on dire qu’elle se fait plus fréquente, mais tout au long du règne, certaines lettres sont revêtues du nom du roi tracé de sa main et d’autres en restent dépourvues; aucune logique, semblet-il, ne gouverne cette façon de faire, qui n’est ni en fonction des destinataires, ni de l’objet pas plus que de la chronologie. Jean le Bon ne signe pas la lettre qu’il envoie à un destinataire pourtant prestigieux, le prince de Galles, fils d’Édouard III d’Angleterre dit le Prince Noir24, ni des missives à son trésorier Pierre Scatisse25. Bien d’autres lettres par ailleurs ne comportent pas non plus la signature du roi, qui ne signe pas telle lettre à certaines communautés d’habitants alors qu’il a la même année parfois apposé son nom sur des lettres destinées à d’autres villes du royaume. Cette pratique nouvelle échappe dans les premiers temps à tout formalisme et toute règle. Le roi signe par ailleurs en 1360 ses premiers actes de chancellerie, ce qui montre que la pratique tend à se généraliser peu à peu, comme les lettres patentes du 22 mai 1360 à la ville de Toulouse dont il a été question plus haut. Il ne signe cependant pas, parmi bien d’autres actes de chancellerie, un mandement du 22 janvier 1362 (n. st.) validé du sceau du Châtelet de Paris en l’absence du grand26. La signature, après avoir investi la scène politique avec les lettres closes, s’étend ensuite à l’univers codifié et besogneux de la chancellerie et des actes royaux, s’inscrivant de fait dans les processus qui président à l’élaboration de la production documentaire administrative. Mais la signature n’a dans tous les cas – c’est-à-dire quel que soit le document sur lequel elle est apposée – aucune fonction de validation. Ce qui pose maintenant la question de la place de la signature et de son rôle. Pourquoi Jean le Bon s’est-t-il mis à signer au beau milieu de son règne, alors qu’il n’avait pas jugé utile d’inaugurer cette pratique dès qu’il est monté sur le trône?

La signature d’un roi lointain et absent C’est en 1357, au milieu de l’année ou à sa toute fin, selon que la lettre du 19 juillet au dauphin Charles date de ce même millésime ou de l’année suivante, que Jean le Bon 22   Bautier, Documents impériaux et royaux (cit. n. 20) 49. Lettre du 27 novembre 1361. Paris, AN, J 590, no 1612. 23  Cette lettre appartenait à la collection M. P. O’Callaghan et a été publiée dans le bulletin de la Philo­ biblon Society: P. O’Callaghan, Letter from King John of France to his Son Charles (Bibliographical and historical miscellanies 1, London 1854) document no 12. Le document a ensuite changé de main et rejoint la célèbre collection de documents autographes Barbet (vente des 15–16 novembre 1932, no 136 du catalogue), avant d’être mis en vente dernièrement à Drouot (vente des 15–16 mars 2005, commissaire-priseur Piasa, expert Thierry Bodin, no 536 du catalogue). 24  Paris, AN, J 641, no 137, 26 août [1361?]. 25  Paris, AN, J 590, no 169 et no 1610, respectivement des 28 novembre [?] et 2 janvier [?]. Les deux lettres sont exclusivement signées par les secrétaires Yves Derian et Thibaut Hocie. 26  Reims, Archives Municipales, C 734, liasse 6. Donné a Paris le XXIIe jour de janvier l’an de grace mil CCC soixante et un soubz le seel de nostre Chastellet de Paris en l’absence de nostre grant.



L’autographie comme épiphanie du pouvoir 211

commence à signer. Le roi de France prend donc pour la première fois la plume après qu’il a posé le pied sur le sol anglais puisqu’il embarque au mois de mai, soit quelques semaines, voire quelques mois tout au plus après avoir quitté contraint et forcé son royaume. Alors seulement le souverain, en exil, loin de sa terre et des siens, prend à plusieurs reprises la plume depuis sa prison de Londres, de Windsor ou d’ailleurs – prison dorée, certes, mais prison quand même – pour entreprendre d’écrire son nom sur quelques lettres créant de la sorte un précédent, une première, avec ce geste inédit et la trace qu’il laisse sur le papier. Jean le Bon, inventeur de la signature royale. En serrant la chronologie et en replaçant dans le temps les premières occurrences du signe nouveau, le lien de cause à effet est mis au jour, évident. La signature offre l’opportunité au roi, désormais grand absent, de se manifester par document interposé, d’affirmer sa présence de façon tangible, incontestable, d’occuper toujours le terrain et les esprits, d’abolir en quelque sorte la distance qui le sépare du royaume. Par-delà la mer, depuis l’autre côté du Channel, Jean le Bon veut rester présent à tout prix et la signature lui en offre le moyen en lui donnant la possibilité de „s’écrire“, de s’inscrire dans le document qui en vient ainsi à dire et incarner sa personne. Le destinataire a ainsi entre les mains et sous les yeux un document que le roi lui-même a touché pour le revêtir de sa propre marque, faisant de sa signature une émanation directe de sa personne, prolongement de sa main et par extension de son corps, érigeant celle-ci en véritable épiphanie du pouvoir souverain. Dans le contexte particulier dans lequel elle voit le jour, la signature est d’emblée érigée en trait d’union, elle crée un lien privilégié entre le souverain et ses destinataires, ses sujets, elle est un vecteur qui rapproche, unit – et donne de fait une puissance inédite au document, lui conférant une force exécutoire exceptionnelle. C’est pourquoi ces premières signatures de Jean le Bon ne peuvent qu’être autographes, c’est leur raison d’être et elles n’auraient aucun sens tracées par d’autres, à plus forte raison puisqu’elles n’ont (à tout le moins pas encore) de fonction dans le processus de validation. Les formules de corroboration ou mentions d’annonce des signes de validation font parfois état de la présence de la signature, pour renforcer son caractère autographe et bien attirer l’attention sur la présence exceptionnelle de ce signe, qui devait en tout état de cause, annoncé ou non, faire une forte impression sur les destinataires et autres bénéficiaires de lettres et actes royaux. La signature autographe a également pour but d’attester la volonté expresse du roi, de faire savoir que le roi lui-même est directement à l’origine de la décision et qu’il a inspiré la teneur du document. C’est bien le sens de la mention qui figure juste avant l’annonce de la date sur les lettres patentes du 22 mai 1360: Et pour ce que vous sachiez que ce vient de notre volenté et conscience nous y avons escript notre nom de notre propre main. Quand il écrit à son fils Charles, le roi Jean ne fait pas état de sa signature autographe. Les lettres aux habitants de Montpellier du 3 décembre 1357, de septembre 1358 et du 20 juin 1359, pourtant signées par le roi et portant sur le sujet essentiel de la rançon et de sa libération, ne comportent pas de telle mention. La signature n’est pas non plus annoncée dans la lettre de créance en faveur de Pierre Blanchet adressée aux généraux, trésoriers des aides. L’apposition d’une formule annonçant la signature, elle, obéit à une règle établie, à savoir que la signature est annoncée sur les actes de chancellerie alors qu’elle n’est pas (encore) considérée comme un signe de validation, contrairement à la signature du notaire et surtout au grand sceau; et qu’elle n’est en revanche jamais mentionnée dans les lettres closes avant la date. Là encore, la signature matérialise en quelque sorte la présence du roi dans le document et lui confère une force exécutoire incontestable. Le roi ayant sans ambiguïté fait connaître sa décision, le destinataire de la lettre ne peut

212

Claude Jeay

être que l’instrument de la mise en œuvre de la décision, qu’il s’agisse de son fils, premier personnage du royaume en son absence, à qui il demande dans les deux lettres qu’il lui adresse dont il est question ici d’exécuter ses ordres et de se plier à sa volonté, ou qu’il se tourne vers ses officiers et autres gens de finances. La signature a cependant une autre raison d’être encore, celle d’honorer l’heureux destinataire de la missive, auquel le roi a pris la peine de se manifester directement en écrivant une à une les lettres de son nom. Prendre la plume revient à accorder une faveur, à distinguer le destinataire parmi les autres (sans que l’on comprenne bien pourquoi telle lettre à telle communauté d’habitants est signée et telle autre ne l’est pas …). Cette caractéristique de la signature, à savoir sa rareté, sa présence extraordinaire est inhérente – consubstantielle – à sa naissance. C’est dans des circonstances exceptionnelles – pendant ou suite à sa captivité en terre étrangère – que le roi Jean s’est mis à signer parfois quelques lettres, puis certains actes de chancellerie. À circonstances exceptionnelles, mesure exceptionnelle. En définitive, signer tous les documents rabaisserait rapidement la signature du rang de symbole, de signe – avec une dimension quasi-mystique – au rang d’un simple signe de validation qui, quoique indispensable n’a d’autre fonction que de participer d’un processus. Alors qu’elle transcende le document en en faisant un monument politique participant de l’autorité et de la grandeur royales, elle serait ramenée aux contingences qui participent de l’élaboration des actes. Deux beaux passages du Songe du vieil pelerin de Philippe de Mézières illustrent à merveille la portée exceptionnelle de la signature et son impact sur les destinataires des lettres et bénéficiaires des actes royaux. L’ouvrage est certes postérieur à la période qui nous occupe puisqu’il date de 1389 et est destiné à l’éducation du jeune Charles VI (1380–1422), mais il résume bien toute la problématique de l’autographie de la signature royale. Il s’agit d’une longue allégorie dans laquelle la reine Vérité s’adresse à son fils et dont voici un bref extrait: „Il convient bien pour les étrangers, comme on l’a dit, mais pas souvent pour tes sujets, dans certaines situations qui réclament le secret et touchent à ta royale majesté, que tes lettres soient signées de ta propre main.“27 27   Songe du Vieux Pèlerin de Philippe de Mézières, ed. Joël Blanchard (Paris 2008) 714. Les deux passages méritent d’être cités in extenso: En outre, cher fils, dit la reine, tu t’es engagé, en suivant toujours l’œuvre de ton père, dans une très grande servitude qui n’est pas très vertueuse, à savoir de signer les lettres royales de ta propre main, celles qui sont destinées à tes sujets: cette tâche est une perte de temps à la limite du ridicule. Je ne dis pas que quand tu écris au pape et aux grands seigneurs étrangers ou à tes parents, que ce ne soit pas un signe de grand amour que ces lettres soient signées de ta main et non pas par d’autres; car souvent, cher fils, tes officiers et sujets ne donneraient pas un denier pour une lettre qui se monte à cent livres, bien scellée au-dehors du sceau royal et au-dedans écrite en partie de ta propre main et signée par toi. Et ainsi le suppliant se trouvera trompé par ta promesse faite de bouche et signée de ta propre main pour sa plus grande douleur, pour le déshonneur de ta royale majesté et pour le grand préjudice du pur besant de ma précieuse forge. Et il y a pis encore, cher fils, dit la reine, c’est que tes officiers, receveurs ou trésoriers répondent parfois aux suppliants qui leur présentent ta lettre signée que tu leur as dit oralement ou par écrit et fait le commandement exprès de n’obéir en aucun cas à tes lettres, signées ou non signées. Cher fils, si cela est vrai, je n’en pourrais dire ni écrire du bien, car une telle pratique, contraire en tout point à mon besant précieux, n’appartient nullement à la majesté naturelle et royale. On trouve ce genre de chose dans le gouvernement des tyrans, dont les manières sont trompeuses et dans la bouche de qui on ne trouvera jamais vérité, selon le mot de saint Augustin. Si l’on veut créer un nouveau monde, pas seulement un roi, mais un simple chrétien, ne devrait ni mentir par écrit ni prononcer volontairement un mensonge … . En résumé, cher fils, il ne convient pas que ta personne royale soit trop familière, comme cela a été dit plus haut, ni dans les contacts ni dans la signature des lettres à tes sujets, car si tu agis ainsi et si tu en prends la peine, à quoi serviront tes secrétaires et tes notaires, qui ont prêté serment et juré le secret à ta royale majesté, quand tes sujets ne tiendront pas compte des lettres royales écrites par les notaires, signées et scellées du propre sceau royal? Si tu suis mon conseil, cher fils, tu supprimeras cette pratique personnelle et, confiant dans la vertu du besant de ma forge et de celui de ma sœur Bonne Aventure, tu donneras autorité effective dans le navire français aux lettres écrites par tes notaires et secrétaires et scellées de ton sceau, comme cela se fait ailleurs dans les royaumes et empires de



L’autographie comme épiphanie du pouvoir 213

C’est bien un usage raisonné, maîtrisé qui est de rigueur, car c’est la rareté de la signature royale (nécessairement autographe) qui fait tout son prix. La signature royale est née d’un évènement exceptionnel, la longue captivité du roi de France en Angleterre et représente en quelque sorte le roi – mieux, elle incarne la présence du souverain et cristallise la magnificence royale – par document interposé et donc en son royaume. La signature royale a par-delà cet usage de circonstance un potentiel exceptionnel qui se révèle peu à peu au gré de son utilisation dans les années 1357–1360, qui pose forcément la question de son inscription dans la durée. La signature royale, épiphénomène, ou tradition nouvelle?

La promotion de la signature royale par les premiers Valois Le fils aîné de Jean le Bon, le dauphin Charles, duc de Normandie puis régent du royaume avant de monter sur le trône sous le nom de Charles V (1364–1380), a lui aussi signé au moins un manuscrit et plusieurs documents. La signature semble donc promise à un bel avenir ou à tout le moins assurée de perdurer quelque temps, survivant ainsi à la mort du roi Jean survenue pendant sa seconde captivité le 8 avril 1364. Cette continuité était somme toute prévisible, puisque Charles avait lui aussi commencé par inscrire son nom dans les pages d’un manuscrit, un volume en français des Institutes de sa librairie, reprenant à son compte l’usage de son père y compris pour ce qui concerne la forme (fig. 9)28. La toute première signature du prince ressemble en effet beaucoup à celle du roi Jean, dont il reproduit le paraphe presque à l’identique, adoptant également une écriture de chancellerie caractéristique. La signature est tracée avec soin et de petite dimension. Elle est suivie tout en bas du feuillet d’une mention autographe Cest livre est de mons. le dauphin de Viennois, l’ensemble constituant un ex-libris. Le futur Charles V se détache quelque peu de cette première occurrence et de fait du modèle paternel en modifiant son paraphe une première fois sur un acte du 1er avril 1359, commençant par là-même à signer la production de la chancellerie royale29. Il adopte quelques mois plus tard sa signature définitive, encore plus travaillée, d’une rare perfection formelle et surtout de bien plus grande taille. Cette évolution progressive et réfléchie montre s’il était besoin que la signature fait sens et relève autant du signe d’authentification que du symbole car rien n’est laissé au hasard. Par la suite, Charles utilisera cette signature à l’exclusion de toute autre et n’en changera pas une fois devenu roi de France, signant de la sorte inFig. 9: Première signature de Charles V, d’après Paris, BN, fr. 1064, fol. 85v. différemment des lettres closes et des actes de chancellerie tout au long de son règne30. Le la chrétienté. Il convient bien, pour les étrangers, comme on l’a dit, mais pas souvent pour tes sujets, dans certaines situations qui réclament le secret et touchent à ta royale majesté, que tes lettres soient signées de ta propre main. 28  Paris, BN, fr. 1064, fol. 85v. Au sujet des autres ex-libris datant du règne, voir Claude Jeay, La naissance de la signature (cit. n. 8) 462s. 29  Paris, BN, fr. 25701, no 170. 30  Les documents sont regroupés en fonction de leur lieu de conservation puis classés chronologiquement pour chacun d’eux: Paris, BN, fr. 25701, no 170 (1er avril 1359), 299 (22 novembre 1363) et 309 (21 septembre [?]); fr. 25704, no 546 (13 janvier [1374], avec mention autographe); fr. 20616, no 23 (6 juin [1372]); fr. 5044, no 6 (25 octobre [1375]) et 8 ([11 novembre 1376], autographe); NAF 7978, no 2, ordre aux gens des comptes

214

Claude Jeay

nombre de signatures croît parallèlement à la production documentaire, mais également parce que le roi se met à signer plus régulièrement, davantage de lettres, de mandements, de lettres patentes voire de chartes (d’où peut-être la mise en garde du Songe). Le caractère exceptionnel de la signature royale, toujours autographe, demeure cependant, le nombre d’expéditions signées étant toutes proportions gardées faible au regard du volume total. En apposant pour la première fois son nom sur une charte, Charles V construit un objet diplomatique totalement nouveau, mettant la signature en réseau avec les autres occurrences du nom dans le document, qui entrent en résonance les unes avec les autres pour scander le document, lui imprimer un rythme, le marquer du nom du roi31. Car c’est bien le nom de baptême du roi qui apparaît à différents endroits et sous différentes formes; il ouvre l’acte, suivi de la titulature et c’est ce même nom, en latin cette fois, par lequel débute la légende du grand sceau (Karolus Dei Gracia Francorum Rex)32. Il est tantôt écrit sur le parchemin, tantôt gravé dans la cire, de couleur différente en fonction de la typologie documentaire – verte pour une charte, acte à valeur perpétuelle. S’ajoute sur les actes les plus ornés, sur quelques rares réalisations historiées, une représentation figurée du roi, ce qui est précisément le cas de la charte signée qui nous intéresse ici. Ce beau document est certes moins spectaculaire que la célèbre charte relative à l’hôtel SaintPol, demeure royale33, mais il présente un intéressant petit buste du roi dont le profil aux traits fins et précis, „au vif“ comme on disait alors, soit d’après-nature, qui s’inscrit dans la courbe du C initial34. Il s’agit certainement du plus bel exemple de mise en scène totale du nom et de la figure du roi et, partant, de la royauté, ce qui est en soi déjà remarquable; mais Charles V va plus loin encore – jusqu’à accompagner sa signature d’une mention autographe, voire écrire une missive tout entière de sa main.

de faire rendre aux trésoriers mille francs qu’ils ont avancés au roi sur la rançon quand il vint à Amiens (3 décembre 1360). D’autres sont aux Archives nationales: Paris, AN, J 381, no 8A (= AE II 387, 5 mars [1368], mention autographe) et K 49, no 343 (= AE II 386, 7 décembre [1367], autographe); J 458, no 1 bis: lettre à Girart de Montaigu et Jean Tabari, leur enjoignant de faire les lettres touchant le mariage de Hongrie dans la forme que Bureau de la Rivières, et son premier chambellan, maître Aleaume Boitel, lui ont écrit. La signature royale est précédée d’une formule d’annonce: Et pour ce qu’il vous appere que ce procède de notre conscience, avons en ces presentes escript notre nom de notre main (17 décembre 1375); J 458, no 9: Instructions baillies par le roy nostre sire à l’arcevesque de Tours, le sire de Reneval, maistre Aleaume Boitel, Guy de Morges, ses conseillers, et maistre Pierre de Corbie, son secrétaire, envoiez par lui devers nostre Saint Père et la royne de Sécile, sur ce qu’ilz ont à faire à cause de leur dite messagerie (31 mai 1376); la signature Charles n’est précédée d’aucune formule. Les archives municipales de Reims conservent une lettre close de Charles V du 27 mars [1373?] (Reims, Archives Municipales, C 734, liasse 6). Loire-Atlantique, Archives Départementales, E 92-4, acte du 22 mai 1380. Une lettre de Charles V est passée en vente en 2005, par laquelle le roi ordonne à son receveur de payer ses gages au capitaine de Mantes (Beauté-sur-Marne, 2 août [?], vente Drouot des 15–16 mars 2005, expert Thierry Bodin, no 425 du catalogue 89–90, le document provient de la collection Barbet [15–16 novembre 1932, no 51]). 31  Georges Tessier, Diplomatique royale française (Paris 1962) 249. 32  Martine Dalas, Les sceaux de rois et de régence (Corpus des sceaux 2, Paris 1991) 218. 33   Paris, AN, J 154/5 (= AE II 383, juillet 1364). Ghislain Brunel, Images du pouvoir royal: les chartes décorées des Archives nationales XIIIe–XVe siècle (Paris 2005) 125–129. 34  Paris, AN, J 358, no 12, un second original est coté J 358, no 12 bis (Brunel, Images [cit. n. 33] 142–149). Les deux originaux sont signés par le roi. La formule de corroboration de ce second acte est proche de la précédente: Et que ce soit chose establie et perpétuelle a tousjours mais, nous, roy et duc dessuzdiz avons signé de noz propres mains ces présentes lettres et fait mettre et appendre noz seaulx en ycelles. Et voulons et consentons que elles puissent estre escriptes et multipliées en ceste forme par plusieurs foiz. Donné a Paris ou mois de janvier, l’an de grace mil trois cens soixante.



L’autographie comme épiphanie du pouvoir 215

Fig. 10: Lettre autographe de Charles V au trésorier Pierre Scatisse du 7 décembre [1367?]. Paris, AN, K 49, no 343 [= AE II 386]. Cliché Atelier photographique des Archives nationales.

Sur une lettre close au vicomte de Rouen, Charles V fait suivre son nom et son paraphe d’un ordre empreint de menace: Gardez que il n’y ait de fautey35. Une autre formule autographe conclut une missive à son trésorier Pierre Scatisse au bas d’une lettre concernant le paiement de la rançon de Bertrand Duguesclin, un peu plus longue et explicite que la précédente, Gardez que en se n’ait fautey commant quy soit quer il touche notre oneur trez grandemant. Escrit de notre main36. Toujours en matière de finances, Charles V appuie l’ordre qu’il donne au receveur des aides Nicolas Turcquart en annonçant sa signature d’une phrase pressante au tutoiement direct et efficace, qui tout en étant de la main du secrétaire et appartenant au corps même de la lettre, fait son effet: Et pour que tu saches que ce vient de notre conscience avons cy dedens escript notre nom de notre main 37. Les mentions autographes ou l’annonce de la signature dans la formule de corroboration se feront plus fréquentes, notamment dans le domaine des finances, afin de garantir la bonne exécution de l’ordre donné. La signature royale et les mots qui l’accompagnent sont révélateurs – sont la manifestation expresse – de l’implication toute personnelle du roi, qui montre ainsi la part qu’il prend dans le gouvernement, qu’il décide et préside aux affaires 35   Paris, BN, fr. 25704, no 546, lettre close du 13 janvier [1374?], reproduite dans Tessier, Diplomatique royale française (cit. n. 31) planche XIV. Voir au sujet de l’écriture de Charles V Delisle, Recherches sur la librairie (cit. n. 6) 337–345. 36  Paris, AN, J 381, no 8A (= AE II 387), lettre close du 5 mars [1368]. 37  Paris, BN, fr. 20616, no 23, lettre datée du 6 juin [1372].

216

Claude Jeay

du royaume. La lettre autographe constitue l’aboutissement de ce processus. Deux lettres entièrement de la main de Charles V sont conservées, l’une adressée au trésorier Pierre Scatisse, déjà rencontré, l’autre à Marguerite de Brabant, comtesse de Flandre (fig. 10)38; ce corpus, modeste mais d’une exceptionnelle qualité, met bien au jour les raisons de l’autographie, avant tout l’importance accordée à l’objet de la missive qui amène le souverain à prendre la plume, mais aussi l’honneur qu’il fait au destinataire – alors que la signature seule constitue déjà au XIVe siècle un témoignage de faveur exceptionnel. La contrepartie de cette marque d’attention est cependant une obéissance sans délai ni discussion, le roi qui prend le temps et le soin de manifester son intérêt pour une affaire en particulier, attend à ce que son écrit soit suivi d’effet, c’est là en quelque sorte pour le destinataire le prix à payer de l’autographie. La lettre à Pierre Scatisse concerne – toujours – le paiement de la rançon du connétable Bertrand Duguesclin, celle adressée à la comtesse de Flandre relevant de la diplomatie, deux domaines essentiels dans lesquels le roi intervient directement, en personne, avec pour résultat une autographie plus ou moins poussée, signature, mention ou lettre tout entière.

Fig. 11: Première signature de Charles VI, d’après Delisle, Recherches sur la librairie (cit. n. 6) 331s.

Fig. 12: Seconde signature de Charles VI, d’après Delisle, Recherches sur la librairie (cit. n. 6) 331s.

Charles VI (1380–1422) a pris la plume à son tour pour signer une partie de sa nombreuse correspondance et également changé de signature en 1393, abandonnant un paraphe décalqué sur celui de son père, la magnificence en moins, pour une réalisation plus sobre encore, consistant simplement en deux petits signes disposés de part et d’autre du nom de baptême (fig. 11 et 12). L’une ou l’autre mention de la main du souverain a bien été conservée, mais aucune lettre autographe39, ce qui laisse à penser que l’autographie a connu son âge d’or sous Charles V. Pour ce qui concerne Charles VI, la longue maladie du roi a certainement accéléré ce phénomène de dilution de l’autographie, l’apposition de la marque royale étant par la force des choses progressivement confiée à des secrétaires de confiance40. Quoi qu’il en soit, les raisons de cette continuité graphique d’un document et d’un règne à l’autre sont multiples, qui expliquent pourquoi Jean le Bon, Charles V et Charles VI ont successivement signé de loin en loin quelques documents. À celles déjà évoquées plus haut pour ce qui concerne plus particulièrement Jean le Bon, s’ajoute la fragilité dynastique, les Valois étant contestés de toutes parts, dans comme à l’extérieur du royaume. La signature leur permet tout à la fois de matérialiser leur présence dans les plus hautes sphères du pouvoir et de s’inscrire dans le sillage des Capétiens à travers la reprise 38  Leurs cotes sont respectivement Paris, AN, K 49, no 343 (= AE II 386), lettre du 7 décembre [1367?], et Paris, BN, fr. 5044, no 8, lettre du 11 novembre [1376?]. Les deux lettres sont présentées dans Bautier, Documents impériaux et royaux (cit. n. 20) 53. 39  Nantes, Bibliothèque Municipale, collection Labouchère, ms. 668, fol. 7. 40  Jeay, La naissance de la signature (cit. n. 8) 464–469.



L’autographie comme épiphanie du pouvoir 217

du paraphe des notaires et secrétaires du roi, qui eux ont commencé à signer dès le dernier quart du XIIIe siècle. Dans le contexte foisonnant et porteur de „l’effervescence emblématique“ (Michel Pastoureau), la signature est d’emblée imaginée comme un emblème à part entière qui dit, affirme, porte haut l’identité d’un puissant personnage aux côtés du portrait, des devises et des badges.

Conclusion: la signature comme instrument de pouvoir À l’origine de la signature royale inventée par Jean le Bon se confondent motivations conjoncturelles et raisons structurelles. Par la force des choses, tout d’abord, le roi s’invite par l’intermédiaire de la signature dans les affaires politiques et diplomatiques du royaume, de façon intéressée – il y va de sa délivrance – comme en raison de ses prérogatives, jusqu’à en faire une affaire de principe, imposant par exemple à son fils la nomination de tel de ses agents ou le dédommagement de tel autre. Il a beau être en captivité et au loin, Jean le Bon est et reste le roi et veut – et doit – à ce titre toujours être obéi. Jean le Bon a d’autres raisons encore de prendre de temps en temps la plume, outre imposer sa volonté et appuyer ses ordres: honorer certains destinataires de ses missives, mais aussi remercier, insister, presser, lorsqu’il s’agit d’obtenir de ses sujets de l’argent pour acheter sa liberté, ce pourquoi il écrit, parfois à plusieurs reprises, aux villes et communautés d’habitants de tout le royaume. Ce sont bien les événements et les circonstances qui l’ont conduit à faire écrire toutes ces lettres et – parfois – à les signer. Par-delà la situation politique et les contingences matérielles, toutefois, Jean le Bon et ses successeurs Charles V et Charles VI ont d’emblée considéré le potentiel du signe nouveau qu’ils ont tour à tour imaginé et perfectionné, et dont ils ont exploré avec imagination, justesse et surtout un grand sens politique les différents usages. Par sa signature le roi s’inscrit dans l’acte, trace tangible d’un geste éphémère, preuve qu’il a touché le document, qu’il l’a vu et en a approuvé la teneur et dont il est par ailleurs à l’origine. Ainsi, grâce à la signature, le souverain se matérialise en quelque sorte dans le document. Écrire (ou par extension choisir de ne pas écrire) de sa main est en soi un acte politique. La signature royale, apparue au début de la guerre de Cent Ans est rapidement devenue un instrument de gouvernement et de pouvoir efficace, doté d’un double rôle d’authentification et de représentation symbolique participant de la construction de l’identité et de la constellation emblématique des rois et des princes d’Europe occidentale. Elle sera dès le XVe siècle dotée en outre d’un pouvoir de validation qui lui assurera une démultiplication sans nulle autre pareille, mais entraînera aussi la dilution progressive de l’autographie au profit de signatures royales tracées par des secrétaires habilités à ce faire en sorte que la signature royale se banalisera jusqu’à devenir un (simple) signe de validation comme les autres, parmi d’autres. Le temps des épiphanies de papier sera alors inexorablement révolu.



Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“ Daniela Rando

1463 berichtet Johannes Hinderbach (1418–1486) vom Erwerb zweier Kodizes, welche die Laus Marie des Kartäusers Konrad von Haimburg enthielten: der erste stammte aus dem Nachlass seines Vorgängers in der Pfarrei Mödling, der zweite war von ihm selbst aufgetrieben worden, „im Ganzen und als Ganzes ähnlich, von derselben Hand (eiusdem manus), mit derselben graphischen Form und derselben Qualität des Schreibstoffs“1. Zehn Jahre später konnte er in Trient einen liber mit Sicherheit dem ehemaligen Bischof Friedrich von Wangen († 1218) zuschreiben, prout et alii … de hac litera et manu unius notarii sui, und hinzufügen, dass eius manus et signum habentur in registro et libro veterano ecclesie, tempore eiusdem domini episcopi Frederici scripto et compilato2. Unter die Wenigen, welche die littere vetuste von Büchern und alten Privilegien lesen konnten, reihte er sich selbst mit Stolz ein, weil er in der Lage gewesen wäre, die (allerdings falsche) Bulle Karls des Großen und Hadrians I. für das Kloster Kempten, manibus amborum subscriptam, zu entziffern3. In verschiedener Weise bewies also Hinderbach (1418 geboren, rund 30 Jahre später am Hof Friedrichs III. als secretarius und consiliarius, 1452 Doktor in Padua, von 1465 bis zum Tod Bischof von Trient4) sein Augenmerk für die manus, nämlich Schreiber zu identifizieren, Kopien zu beglaubigen, membra disiecta verschiedener Handschriften zuzuordnen. In dieser Fähigkeit spiegelten sich seine an den Universitäten Wien und Padua erworbenen Kompetenzen, die er in der Praxis am Hof Friedrichs III. verfeinern konnte. Schon in Italien hatte er zur Erwerbung des Doktortitels in decretis die „Bibel“ des päpstlichen Urkundenwesens, den Titel 20 des V. Buches der Dekretalen De crimine falsi, der die 1   … et aliam partem huic per omnia similem et eiusdem manus et forme et conformem in scriptura et qualitate … habet Conradus. BCTn, Hs. 1785 fol. 1r–4v. Die Anmerkung ist zum größten Teil schon transkribiert in Pro bibliotheca erigenda. Manoscritti e incunaboli del vescovo di Trento Iohannes Hinderbach (1465–1486), hg. von Fabrizio Leonardelli (Trento 1989) scheda 8, S. 61. Zum Kontext siehe hier und im Folgenden Daniela Rando, Johannes Hinderbach (1418–1486). Eine „Selbst“-Biographie (Berlin 2008); auf dieses Werk sei für weitere Detailfragen verwiesen. 2  Ymmo fuit olim domini Friderici episcopi Tridentini de Wanga, prout et alii hanc inscriptionem cum inthimacione anathematis habentes et de hac litera et manu unius notarii sui. Eius manus et signum habentur in registro et libro veterano ecclesie, tempore eiusdem domini episcopi Frederici scripto et compilato, prout ex eius themate ac prefacione constat 1212. Pro bibliotheca erigenda (wie Anm. 1) scheda 30, S. 112. 3  BCTn, Hs. 1556 fol. 995r. 4  Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1).

220

Daniela Rando

bekannten Briefe Innozenz’ III. wiedergab, grundlegend studiert; später am Kaiserhof war er vielfach mit dem Archiv- und Kanzleiwesen konfrontiert und konnte so seine Kenntnis für Fragen der Diplomatik ausbauen5. Darüber hinaus literarisch ambitioniert6, bot sich dem Juristen dort Gelegenheit, durch die Freundschaft mit dem Langzeit-Amtskollegen am Hof, Enea Silvio Piccolomini7, seinen Feinsinn für das Schriftwesen weiter zu schärfen. In der Tat besaß er eine Kopie von dessen De liberorum educatione aus dem Jahr 1450, die er intensiv glossierte, bei Eneas Empfehlung an den jungen Ladislaus Postumus hinsichtlich der Grammatik als doctrina bene scribendi konnte er sich eine Bemerkung zum Schreibduktus Calixts III. nicht versagen – nach seiner Meinung schrieb jener Papst aus Altersgründen littere pessime et defectuose 8. Die Aussagekraft der Schreibhand, der persönlichen Handschrift, prägt die Randnoten zu Manuskripten und Inkunabeln von Hinderbachs Bibliothek, eine Vielzahl von mehreren tausend Anmerkungen. Am Seitenrand seiner Bücher, dem „Raum des Lesers“9, verfasste Hinderbach bevorzugt Glossen, oft flüchtig, manchmal wohlüberlegt, meistens in rasch dahingeworfenem Schriftduktus, seltener bedächtig-ausgeschrieben10. Noch am Vorabend seines Todes nutzte er diese „scaffali della memoria“11 intensiv, auf der zweifachen Ebene von Erzählung und Aufzeichnung mit philologischer Genauigkeit, bis hin zur Namensunterzeichnung. Als „Selbst-Zeugnisse“, d. h. Texte, in denen „der Autor ... etwas über sein persönliches Leben und seine Gefühle erzählt“, und die „individuell-menschliches Verhalten rechtfertigen, Ängste offenbaren, Wissensbestände darlegen, Wertvorstellungen beleuchten“12, stellen seine Marginalien eine Art „inneren Monolog“ dar. Indem sie Auskunft über viele Einzelheiten des persönlichen Lebenswegs geben, werden sie zu Orten der memoria und Selbstreflexion13.   Ebd. 120.   Mariarosa Cortesi, Il vescovo Johannes Hinderbach e la cultura umanistica a Trento, in: Bernardo Clesio e il suo tempo, hg. von Paolo Prodi (Roma 1988) 477–502; Mariano Welber, Manoscritti trentini e attività letteraria di Johannes Hinderbach, in: Il principe vescovo Johannes Hinderbach (1465–1486) fra tardo Medioevo e Umanesimo. Atti del Convegno promosso dalla Biblioteca Comunale di Trento, 2–6 ottobre 1989, hg. von Iginio Rogger–Marco Bellabarba (Bologna 1992) 65–94. 7  Vater, Lehrer und Wiederbegründer der lateinischen Litterae, so Hinderbach in seiner Obödienzrede vor Papst Pius II.: Alfred Strnad, Johannes Hinderbachs Obedienz-Ansprache vor Papst Pius II. Päpstliche und kaiserliche Politik in der Mitte des Quattrocento. RHM 10 (1967) 43–182, hier 169. Vgl. Johannes Helmrath, Vestigia Aeneae imitari. Enea Silvio Piccolomini als „Apostel“ des Humanismus. Formen und Wege seiner Diffusion, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. von Johannes Helmrath–Ulrich Muhlack–Gerrit Walther (Göttingen 2002) 99–141, hier 100. 8   BCTn, Hs. W 109 fol. 25r. 9   „Spazio che appartiene al lettore“: Michele Feo, „Sì che pare a’ lor vivagni“. Il dialogo col libro da Dante a Montaigne, in: Agnolo Poliziano poeta scrittore filologo. Atti del Convegno internazionale di studi (Montepulciano, 3–6 novembre 1994), hg. von Vincenzo Fera–Mario Martelli (Firenze 1998) 245–294, hier 246. 10   Zur Typologie der Marginalia Adolfo Tura, Essai sur les marginalia en tant que pratique et documents, in: Scientia in margine. Etudes sur les marginalia dans les manuscrits scientifiques du Moyen Age à la Renaissance, hg. von Danielle Jacquart–Charles Burnett (Genève 2005) 261–387. 11  Vgl. Maddalena Signorini, „Tracce“ petrarchesche: tipologia, analisi, datazione, in: Medieval Autograph Manuscripts. Proceedings of the XVIIth Colloquium of the Comité International de Paléographie Latine, hg. von Nataša Golob (Bibliologia 36, Turnhout 2013) 227–244, hier 229. 12  Winfried Schulze, Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung „Ego-Dokumente“, in: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, hg. von dems. (Selbstzeugnisse der Neuzeit 2, Berlin 1996) 11–30, hier 28. 13  In Bezug auf die bekannten Marginalien Francesco Petrarcas vgl. Loredana Chines, Loqui cum libris, in: Motivi e forme delle Familiari di Francesco Petrarca. Gargnano del Garda (2–5 ottobre 2002), hg. von Claudia Berta (Milano 2003) 366–384; Marco Baglio, Tibi Grecorum dedit hic attingere metas. Le postille a Virgi5 6



Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“ 221

Eine kleine Anzahl von Marginalien wurde von Hinderbach unterschrieben, manchmal mit der Spezifizierung manu propria, sonst nur Name oder Sigle eingeschlossen. Ausgehend von „Les surprises de la signature“14, möchte ich zuerst diese Unterzeichnungen analysieren, dann das eigenhändige Schreiben als besondere Chiffre des Gelehrtenhabitus deuten und schließlich dem Regierungsstil als Fürstbischof nachgehen. Ein erstes, prägnantes Beispiel ist Hinderbachs Transkription der lex mundi, nämlich die adhortatio Konstantins bei seiner angeblichen Bekehrung aus den Actus Silvestri, bekanntlich eine Fälschung. Begeistert fand er sie fide catholice plenissima, elegantissima et notabilissima und lobte den stilus (stilus Lactantii per omnia). So schrieb er sie in einer umfangreichen Marginalie am Rand einer seiner Inkunabeln ab und versah sogar die Abschrift mit einer klassischen Beglaubigungsformel: Iohannes antistes Tridentinus manu propria exemplavit et inseruit15. Bei anderen Glossen mit ausdrücklicher Unterschrift informieren zuerst Randnoten über Umstände und Zwecke des Handschriftenerwerbs, speziell pro Bibliotheca erigenda, nämlich der Kathedralbibliothek, oder besondere Bestimmungen zur Bücheraufbewahrung (volo et dispono ut ...)16. Hinderbachs Autorschaft durch Unterschrift wird weiter bei autobiographischen Aufzeichnungen erklärt, etwa bei seinem Geburtsdatum, dann seinen Erhebungen zum Propst und Bischof in Trient, sowie bei für ihn wichtigen Vorschriften oder Vorhaben, deren Umsetzung den Nachfolgern zugewiesen wurde: z. B. beklagte er in einer Anmerkung zum Speculum historiale den misslichen Umstand, dass sich einige Frauen im Chorraum des Domes von Trient bis hin zum Hauptaltar so drängelten, dass Priester und Sänger ins Chorgestühl zurückgedrückt wurden. Daher war er entschlossen, den vorderen Teil des Chores durch einen Lettner vom Hauptschiff abzutrennen; sein Vorhaben ließ sich aber nicht zu Lebzeiten realisieren und ist nur durch einen Schriftvermerk überliefert mit der genauen Aufforderung an seine Nachfolger zur Umsetzung – einer der vielen Missstände, die er bei seinem Amtsantritt in Trient als reformbedürftig vorgefunden hatte17. Im selben Tenor schreibt er eine Glosse, lio, in: Francesco Petrarca, Le postille del Virgilio Ambrosiano, hg. von Marco Baglio–Antonietta Nebuloni Testa–Marco Petoletti. Presentazione di Giuseppe Velli (Roma–Padova 2006) 62–92; Marco Petoletti, Servius altiloqui retegens archana Maronis: le postille a Servio, in: ebd. 93–143; Marco Petoletti, Francesco Petrarca e i margini dei suoi libri, in: Di mano propria. Gli autografi dei letterati italiani. Atti del Convegno internazionale di Forlì 24–27 novembre 2008, hg. von Guido Baldassarri–Matteo Motolese–Paolo Procaccioli–Emilio Russo (Roma 2010) 93–121, bes. 121 (Petrarcas signa mee manus). Zum Thema marginalia vgl. auch den Sammelband Talking to the Text. Marginalia from Papyri to Print. Proceedings of a Conference held at Erice, 26 september–3 october 1998, as the 12th Course of International School for the Study of Written Records, hg. von Vincenzo Fera–Giacomo Ferraù–Silvia Rizzo (Messina 2002), bes. Marco Petoletti, Nota valde et commenda hoc exemplum. Il colloquio con i testi, in: ebd. 355–399, hier 367; Maurizio Campanelli, Scrivere in margine, leggere il margine: frammenti di una storia controversa, in: ebd. 851–939, hier 860–865, 880–882; Vincenzo Fera–Silvia Rizzo, Conclusioni, in: ebd. 979–988, hier 979–982, 984f. 14  So der geheimnisvoll-raunende Titel eines Essays von Béatrice Fraenkel, die 1988 die Unterschrift nach ihren historischen, logisch-semantischen und graphischen (d. h. in Bezug auf ein Schriftsystem) Aspekten untersuchte: Béatrice Fraenkel, Les surprises de la signature, signe écrit. Langue et Société 44/1 (1988) 5–31. Vgl. auch dies., La signature. Genèse d’un signe (Paris 1992), und dies., La signature come exposition du nom propre, in: L’écriture du nom propre, hg. von Anne-Marie Christin (Paris 1998) 215–232; Roy Harris, Rethinking Writing (London 2000) 162–166. 15  Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1) 9 Anm. 19. 16  Vgl. Pro bibliotheca erigenda (wie Anm. 1) scheda 1–2, 10 usw. 17  BCTn, inc. 423 (ISTC iv00284000), l. XVII, cap. 54. Vgl. Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1) 310.

222

Daniela Rando

die er in ähnlicher „Bitterkeit“ unterzeichnet (Johannes Tridentinus episcopus dolens annotavit) über die Vorschrift der tabula chori mit rubrica seu ordo responsoriarum et antiphonarum an alle Priester und Diener der Kirche, damit keiner von ihnen nach eigenem Gutdünken (secundum capud suum) sein Gebet verrichten sollte18. Am häufigsten mit Unterschrift versehen sind jedoch die Anmerkungen zu historischen Texten oder Nachrichten, die als echte Zusätze, additiones, gelten können – der Terminus wurde auch von Hinderbach benutzt: Nachträge über eigene Erlebnisse bzw. Auszüge aus anderen Werken. Charakteristisch ist z. B. das Profil des bekannten Juristen Antonio ­Roselli, das Hinderbach als additio bei den berühmten Persönlichkeiten aus ­Arezzo hinzufügte, die Flavio Biondo in seiner Italia illustrata rühmte19. Ähnliche Zusätze erscheinen in Wörterbüchern, die Hinderbach mit einem (angeblich) fehlenden Stichwort ergänzte, oder auch bei verschiedenen Handschriften, die nach derselben Methode mit Glossen philologisch-bibliographischer Natur versehen wurden: beim Kolophon einer Bibelkonkordanz vermerkte Hinderbach Lücken hinsichtlich Ort, Provinz, Orden und Kloster des Verfassers Conradus de Alemania; in anderen Fällen unterschrieb er fantasievolle Paraetymologien zum Wort Ghermanus/Germanus oder zum Namen Bernhard20. Zahlreich und eigentümlich sind schließlich additiones zu seinen liturgischen Texten, die sich wegen der Ritenverschiedenheit bei den verwendeten Buchvorlagen als unerlässlich erwiesen – die Liturgie war damals noch das weite Feld der consuetudines, des religiösen „Partikularismus“. Im Vergleich zur Gesamtmasse der Marginalien wurde hier bereits ein „höheres“ Niveau der individuellen Ausprägung erreicht – seine Unterschrift als „signe d’identité et de validation“21: Hinderbach erklärte seine Autorschaft jeweils als Zeitzeuge herausragender Ereignisse; als auctoritas bei Textemendationen (die additiones galten ja als Bereicherung und Verbesserung des Textes wie die regelmäßig bei der Lektüre vorgenommene Berichtigung von Buchstaben und Einzelwörtern); schließlich als Chronist/Erzähler des Selbst und des Zeitgeschehens – keine so außerordentliche Rolle für einen Gelehrten, den Friedrich III. offiziell mit der Fortsetzung der Historia Austrialis Enea Silvios beauftragt hatte22. Hinderbachs Unterzeichnung als compilator, commentator und auctor (so nach der Unterscheidung von Bonaventura da Bagnoregio)23 geht daher vielfach mit dem Bewusstsein für die Qualität seiner Emendationen einher, mit dem Stolz auf die geleistete Arbeit, mit dem Wunsch nach Andenken und Ruhm. Insbesondere die Unterschrift manu propria zielte darauf ab, seine Autorschaft dem Publikum gegenüber zu versichern: so etwa bei einer ideellen Sodalitas von Gelehrten,   BCTn, Hs. 1556 fol. 369r. Vgl. Rando, Johannes Hinderbach 10.   Wien, ÖNB, cvp Ser. nov. 2960 fol. 20r. Vgl. Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1) 62. 20   Vgl. auch Wien, ÖNB, cvp Ser. nov. 2960 fol. 106r, wo Hinderbach auf die Spolien aus der Antike im Haus der Capodilista in Padua anspielt. 21   Béatrice Fraenkel, La signature: du signe à l’acte. Sociétés & Représentations 25 (2008/1) 13–23; online unter www.cairn.info/revue-societes-et-representations-2008-1-page-13.htm [6. November 2015]. 22   Daniela Rando, Geschichtsschreibung auf dem Prüfstand. Johannes Hinderbach als Leser von Enea Silvios Historia Austrialis, in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs–Paul-Joachim Heinig–Martin Wagendorfer (Wien–Köln–Weimar 2013) 59–75, hier 61, 72–74. 23  Vgl. Armando Petrucci, Minuta, autografo, libro d’autore, in: il libro e il testo. Convegno Urbino, 20–23. 9. 1982, hg. von Cesare Questa (Urbino 1984) 399–414, zuletzt in: ders., Scrivere e leggere nell’Italia medievale, hg. von Charles M. Radding (Milano 2007) 165–186, hier 168; aufgegriffen u. a. durch Micol Long, L’autografia d’autore. Cambiamenti nella realizzazione del libro e nella sua concezione dal XII secolo all’invenzione della stampa. Doctor Virtualis 11 (2012) 97–119, hier 106. 18 19



Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“ 223

auch im Hinblick auf eine mögliche Verbreitung und den Austausch von Texten, bei seinen Nachfolgern am Bischofssitz bis hin zu den Erben seiner Bibliothek und zu seiner Nachwelt (ad futuram memoriam, ad memoriam posterorum), in einem Spiel von nahen/ fernen und gegenwärtigen/zukünftigen Lesern24. Damit stilisierte er gleichzeitig die eigene Selbstdarstellung, er ging mit seinem „individual self-display“ auf die „Bühne“. Bezeichnenderweise veränderten sich im Laufe der Zeit seine Unterzeichnungsformeln: als Student unterschrieb er mit seinem Vor- und Familiennamen, abgekürzt in Io. Hin.; dabei blieb er bis in die frühen sechziger Jahre, gelegentlich mit einer Zwischenformel, bei der neue, ehrenvolle kirchliche Ämter miteinbezogen wurden: Iohannes Hinderbach prepositus et electus oder Iohannes Hinderbach electus Tridentinus, ausnahmsweise mit einem y als erstem Vokal des Familiennamens – eine Überkorrektur, die vielleicht mit der in Rom praktizierten humanistischen Orthographie zu tun hatte; diese Variante erscheint in einer sorgfältig in humanistischer Schreibweise abgeschriebenen Handschrift von Flavio Biondo25. Erst nach der Bischofsweihe stabilisierte sich seine Unterschrift in den Marginalien als Johannes Tridentinus, Johannes episcopus Tridentinus, manchmal als antistes Tridentinus. Nicht mehr der Einzelne, sondern das Amt zeichnete sich ab, selbst in den intimsten Marginalien; Hinderbach hatte seinen Nachnamen aufgegeben – den er übrigens mütterlicherseits übernommen hatte –, um sich ganz mit seinem neuen Amt zu identifizieren, in Übereinstimmung mit der kirchlichen Praxis. Der Übergang vom Namen/Nachnamen zum Namen mit Amtsbezeichnung stand in Einklang mit dem Übergang vom Ego der vierziger und fünfziger Jahre zum späteren Nos, dem Pluralis Majestatis, dem bischöflichen Amt entsprechend. Wie Privat-Öffentliches und Persönlich-Unpersönliches zusammenspielen konnten, zeigt das Marginale, in dem Hinderbach an sein eigenes Geburtsdatum erinnerte: bei der Unterzeichnung des annus nativitatis nostre erschien wieder der Pluralis mit der unpersönlichen, amtlichen Form des antistes Tridentinus26. Von der Identifizierung mit dem Amt, hinter das die Person zurücktrat, lassen sich jedoch einige Ausnahmen beobachten – die übliche Selbstdarstellung wurde also je nach Gelegenheit artikuliert. Ein Beispiel stammt aus den späten siebziger Jahren, die Unterzeichnung des Entwurfs eines carmen zu Ehren des seligen Simon27 – im Jahre 1475 galt dieser als (mutmaßliches) Opfer eines Ritualmords seitens der Juden von Trient, und Hinderbach versuchte mit allen Kräften, den Kult zu fördern und beim Apostolischen Stuhl zu legitimieren28. Das carmen adressierte er an seine Freunde Bartolomeo Platina und den „römischen Dichter“ Pomponio Leto, mit der Unterzeichnung sowohl als antistes wie auch als Hinderbach – sogar mit y: Bischof von Trient, aber doch Literat des Säkulums, der gewissermaßen seine Kollegen der Artes Liberales ansprach. Das Gleiche findet sich in einem Brief, der als kalligraphische Kopie erhalten ist, aber sicherlich von ihm 24  Vgl. in Bezug auf Petrarca, Petoletti, Servius altiloqui retegens archana Maronis (wie Anm. 13) 115: „Ai margini del codice è affidato un compito alto: diventare ricettacolo di erudizione, di esperienze, di sensazioni, destinate in prima istanza a sé, ma aperte eventualmente alla fruizione di altri lettori. Il Virgilio ambrosiano si configura perciò come tempio della memoria e della sapienza, il libro aperto sul leggio di Petrarca in una sorta di ritratto ideale da consegnare ai contemporanei e lasciare in eredità ai posteri“, vgl. auch 118f. 25   BCTn, Hs. W 3498. 26   Vgl. Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1) 212 Anm. 105. 27  ASTn, APV, sez. lat., capsa 69 n. 201e. 28   Vgl. zuletzt Anna Esposito–Diego Quaglioni, Processi contro gli Ebrei di Trento (1475–1478), Kapitel II/1 processi alle donne (1475–1476) (Padova 2008), bes. die bibliographischen Hinweise in der Premessa IX–XIII.

224

Daniela Rando

entworfen wurde, in dem er mit dem Humanisten Raffaele Zovenzoni aus Istrien korrespondierte, und zwar auf „hohem“ Niveau. Die intitulatio lautet Iohannes Hynderbach divina pietate Antistes Tridentinus Raphaeli Jovenzono Tergestino poetae; die datatio nicht, wie üblich, in castro Boniconsilii, sondern Ex arce nostra Boniconsilii Tridentini, die Zeitangabe pridie kalendas aprilis 1475 29. Noch aufschlussreicher ist die intitulatio eines auch nur als Kopie erhaltenen Briefes an den venezianischen „Senator“ Paolo Morosini: Iohannes Hinderbach decretorum doctor Dei et apostolice sedis gratia ac imperialis maiestatis favore Tridentinorum antistes 30. Die sicherlich von ihm entworfene Formel klingt programmatisch: er betonte seine Qualifikation (Promotion im kanonischen Recht), die ihm erlaubte, auf Augenhöhe mit dem Gelehrten zu diskutieren – Morosini hatte die für ihn wichtige antijüdische Abhandlung De aeterna Christi temporalique generatione in Judaicae improbationem Perfidie verfasst, und Hinderbach bezieht sich im Brief darauf. Ebenso beabsichtigt ist in der intitulatio der Verweis auf die kaiserliche Gunst: ein Signal an Morosini, spätestens ab 1461 „einer der bevorzugten Vermittler des Kaisers in Venedig“31, um den Venezianer für die Causa des kleinen Simon zu gewinnen. Aus vielen Detailbeobachtungen nun ein erstes Fazit: Die Eigenhändigkeit der Marginalien Hinderbachs, mit oder ohne Unterschrift, ungewöhnlich in ihrem Umfang, erscheint als nicht überraschendes, aber doch ganz eigentümliches Ergebnis seines beruflichen und bildungsmäßigen Werdegangs – anfangs wurde sein sicherer Blick für die Feinheiten der Diplomatik erwähnt – in einem anregenden Umfeld am Kaiser- und Papsthof; all das mündete in die Autographie, sei es die Epistolographie, die Hinderbach früh praktizierte, sei es das autoriale Schreiben als Historiker, auf der Linie der alten Verbindung Notar/Scriptor/Geschichtsschreiber sowie der herkömmlichen Briefschreibung – laut Forschungshypothese von Micol Long das Experimentierfeld der frühen eigenhändigen Schreibpraxis: Ihre Merkmale waren Erzählung und Aufzeichnung, Beglaubigungswille und -kraft, Autobiographisches und Selbststilisierung. Auch bei der Regierung seines Fürstbistums erwies sich Hinderbach als antistes mit der Feder in der Hand: eigenhändige Glossen erscheinen zahlreich in den sogenannten Libri Feudorum, bei Rechnungsbüchern und Inventaren einzelner Schlösser, bei Synodalstatuten und Archivalien, ähnlich wie in den Handschriften seiner Bibliothek, sogar in gegenseitiger Abhängigkeit von deren Lektüre und Kommentar. Von Anfang an sichtete Hinderbach persönlich das umfangreiche Archivmaterial, insbesondere die Libri Feudorum seiner unmittelbaren Vorgänger32: Aus den dichten Anmerkungen und scharfer Kritik an seinen Vorgängern (z. B. an Alexander von Masowien, deceptus et circumventus) lässt sich ein gewisser Aktionsplan ablesen, mit genauen und einschlägigen Anweisungen zur Erneuerung der Lehen; der Kritik an Unbestimmtheiten und Ungenauigkeiten (clausule generales, contra stilum, dura clausula …) folgen Abänderungsvorschläge oder Leitlinien für das zukünftige Handeln: provideatur, ne preiudicetur ... advertendum; häufig auch:   ASTn, APV, sez. lat., capsa 69 n. 10 fol.1r–2r.   Ebd. capsa 69 n. 74 fol. 1r. 31  So Ingrid Baumgärtner, Die Standeserhebung des Rechtsprofessors Bartolomeo Cipolla. Venedig auf dem Reichstag von Regensburg 1471 und die Türkengefahr, in: Kultur, Politik und Öffentlichkeit. Festschrift für Jens Flemming, hg. von Dagmar Bussiek–Simona Göbel (Kassel 2009) 35–67, hier 44. 32  Gian Maria Varanini, Il vescovo Hinderbach e le comunità rurali trentine, in: Il principe vescovo (wie Anm. 6) 171–191, hier 173–179. 29 30



Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“ 225

provideatur in proxima ne preiudicetur ecclesie; contra comunem consuetudinem ecclesiarum parochiarum, quare advertendum. Genauso ging er mit den Rechnungsbüchern um, angetrieben „durch den manischen Willen, alles kontrollieren und vidimieren zu wollen“33: caute super hoc deliberandum et agendum, denn es sei valde preiudiciale ecclesie et tendit ad noxam quod sic omnia bona successive ad eos pervenire poterunt et cessabunt omnes collecte et affictus episcopatus34. Die Spenden für den seligen Simon wurden sogar eigenhändig von ihm verbucht35. Das persönliche Engagement zeigen u. a. auch mehrere Briefe an seinen Verwalter in Val di Non (Nonsberg) und Val di Sole aus den Jahren 1468–1480 – eine beschränkte, aber wertvolle Anzahl von Mandaten, manchmal sogar in Schönschrift, die nur in der Empfängerüberlieferung erhalten sind. In Bezug auf die Landgemeinden betonte Hinderbach dabei immer wieder seine Vorrechte als Bischof und dominus: so etwa bei der Begnadigung von in erster Instanz Verurteilten, bei der Prüfung der Suppliken, bei Straferlass durch persönliche Übereinkunft – bezeichnend ist die häufig vorkommende Formel nobiscum composuit et concordavit; se nobiscum concordavit36. Selbst in dieser kleinen Sammlung sind eigenhändige Anmerkungen Hinderbachs bei Suppliken vorhanden, wie direkte Prüfung und Eingriff bezeugen, bevor sie ins jeweilige Tal zurückgesendet wurden – auch diese Suppliken sind zusammen mit den Briefen im Empfängerarchiv aufbewahrt: si [constiterit], sumus contenti ut depennatur Io. T. [den Namen des Verurteilten aus dem Bannbuch]; die Strafe extinguatur, denn nichil probavit neque deduxit ut supra. Ioh. Trid.; [scribatur] Iacobo de Roccabruna massario ut se informat de suprascriptis et, si sic est, nobis rescribat ...; puniatur propter iniurias verbales et transgressionem ... secundum placitum nos­ trum. Iohannes Tridentinus [subscripsit]  37. In ähnlichem Regierungsstil leitete Hinderbach seine Diözese. Persönlich engagierte er sich für das liturgische Leben, wie Vorschriften für die tabula chori und die vita communis des Stifts Bozen belegen – dessen Satzungen wurden von ihm penibel gelesen und korrigiert38. Wie bereits erwähnt, prüfte er akribisch die überkommenen Synodalstatuten und übte eine strenge Kontrolle bei Klerus und Laien aus, wie u. a. das neue Registrum fratrum et presbyterorum in dyocesi Tridentina admissorum belegt39. Bei der Bestätigung des PfarrerWahlrechts, die sein Vorgänger einer Kirchengemeinde erteilt hatte, schrieb er deshalb eigenhändig die Registrierung vor40, und auf die Beschwerden einer Gemeinde gegen ihren Kaplan reagierte er unversöhnlich mit einer Notiz am Rand: fiat et conducatur huc ad nos  41. Durch handschriftliche Anweisungen dieser Art auch bei weiteren Quellen lässt sich   Ebd. 182.   Beispiele ebd. 175–177. 35   Frumenzio Ghetta, Johannes Hinderbach, amministratore: i registri delle offerte della chiesa di S. Pietro a Trento, in: Il principe vescovo (wie Anm. 6) 193–252, hier 194 und Appendice 207–208, 226 Anm. 43, 227 Anm. 46 usw. 36  Hier nehme ich wieder auf: Varanini, Il vescovo Hinderbach (wie Anm. 32) 183. 37  ASTn, Archivio Salvadori Roccabruna, capsa 6 n. 1. 38   ASTn, APV, sez. lat., capsa 46 n. 1. 39   Vgl. Daniela Rando, Religiosi ac presbyteri vagabundi. Vescovi e disciplina clericale dai Registri delle ammissione nella diocesi di Trento (1478–1493), in: La parrocchia nel Medio evo. Economia, scambi, solidarietà, hg. von Agostino Paravicini Bagliani–Véronique Pasche (Roma 1995) 169–207. 40  ASTn, APV, sez. lat., capsa 10 n. 49. 41   Ebd. capsa 7, Nr. 85. Vgl. Enrico Mariani, Istituzioni ecclesiastiche in un territorio ai confini fra Brescia e Trento. La pieve di Tignale e la chiesa di San Pietro, in: Archeologia e storia della chiesa di San Pietro di Tignale, hg. von Gian Pietro Brogiolo (Mantova 2005) 83–124, hier 96 Anm. 186. 33 34

226

Daniela Rando

Hinderbachs selbstverantwortete Regierungspraxis als Fürst und Bischof erkennen: Lernen/ Wissen als Voraussetzung zum Regieren – daher Vorprüfungen und Revisionen –, zum Führen durch die eigene Hand, manu propria – daher seine Kontroll- und Vidimierungsmanie. Was bedeutet mit der Feder regieren? Nach Bourdieus Nomenklatur verfügte Hinderbach über ein hohes „kulturelles Kapital“: ein „inkorporiertes“ (durch seine Herkunftsfamilie von Hochschullehrern), „institutionalisiertes“ (das Studium an den Universitäten mit Doktortitel) und „objektiviertes“ Kapital (durch die Anhäufung von Büchern und Antiquitäten)42, aus dem er als „gelehrter“ Rat, Gesandter, secretarius, consiliarius und Bischof schöpfte. Wissen als „hermeneutische Erfahrung“, als „Fähigkeit, sich kulturelle Ressourcen anzueignen und auf sie zurückzugreifen“43: Wenn mit den Worten Donald Schöns Wissen im Handeln besteht, unser Wissen in unserem Handeln liegt, wird bei Hinderbach das knowing-in-action deutlich44. Ein Zeichen dieses „angewandten Wissens“, der „Umsetzung“ des kulturellen Kapitals, liegt in seiner Fähigkeit und Bereitschaft zur direkten, eigenhändigen Schriftlichkeit. Tatsächlich speiste sich Hinderbachs Regierung aus Lektüre und Schreiben, in engem Kontakt mit den gelesenen und glossierten Büchern. Das Übereinkommen mit einer Gemeinde, das schon mehrere Vorgänger bestätigt hatten und Hinderbach in einem Liber feudorum vorfand, gab ihm die Gelegenheit, die series episcoporum am Rand zu rekonstruieren – damit wurden seine „genealogische memoria“ und sein historisches Interesse geweckt; bei der Revindikation im Lagertal und in Riva del Garda gegenüber dem Bischof von Verona 1469 konnte er sich in einem Brief auf eine alte (aber höchst unwahrscheinliche) Schenkung des Kaisers Theodosius berufen, von der er in der legenda beati Vigilii, des Schutzpatrons der Tridentiner Kirche, Kenntnis erhalten hatte45. Ein beeindruckender Fall der Wechselbeziehung zwischen Lektüre/Gerichtsverfahren/ eigenhändiger memoria stammt noch einmal aus einem Marginale: Beim berühmt-berüchtigten Prozess gegen die Juden in Trient hatte die Jüdin Brunetta allen „Maßnahmen“ des Trientner Podestà widerstanden, ein Geständnis abzulegen, daher wurde sie als unter einer Art Verzauberung stehendes Opfer betrachtet. Als Hinderbach davon hörte, fiel ihm eine hagiographische Erzählung des Speculum Historiale bei Vinzenz von Beauvais über Verzauberungen und die dort vermerkte Abhilfe ein – menschlicher Urin als wirksames Gegenmittel. Die Schriftstelle zeigte er dem Podestà und las sie ihm vor, und am nächsten Tag fand die Probe aufs Exempel statt: Der Podestà ließ Brunetta von Kopf bis Fuß mit dem Urin eines Jünglings waschen, und die Jüdin begann sofort mit ihrem Schuldgeständnis; sie erzählte alles, was sie vorher verweigert hatte – so notierte Hinderbach in seiner Glosse im Speculum46. Die Marginalien „erzählen“ und zeigen 42  Zum kulturellen Kapital Bourdieus vgl. u. a. Kai Maaz, Soziale Herkunft und Hochschulzugang. Effekte institutioneller Öffnung im Bildungssystem (Wiesbaden 2006) 56f. 43  Laura Kajetzke, Wissen im Diskurs. Ein Theorienvergleich von Bourdieu und Foucault (Wiesbaden 2008) 141. 44  Donald Schön, The Reflective Practitioner. How Professionals Think in Action (New York 1983) 49; vgl. Olaf Katenkamp, Implizites Wissen in Organisationen. Konzepte, Methoden und Ansätze im Wissensmanagement (Wiesbaden 2011) 144. 45  Varanini, Il vescovo Hinderbach (wie Anm. 32) 174. 46   Rando, Johannes Hinderbach (wie Anm. 1) 378. Hinderbachs Notiz ist in Frage zu stellen: Anna Esposito, Vite di donne: le ebree nel giudizio inquisitorio, in: Esposito–Quaglioni, Processi contro gli Ebrei di Trento (wie Anm. 28) 27–55, hier 43–46.



Mit der Feder in der Hand regieren – Johannes Hinderbach „revisited“ 227

konkret, wie Hinderbach mit seinem kulturellen Kapital umgehen und aus ihm schöpfen konnte. Angewandtes Wissen, Wissen im Handeln, eigenhändiges Schreiben als Kennzeichen des Wissens im Handeln und ein Handeln, das sich eher am „Wissen“ festklammerte; denn bei der kritischen Lage, die Hinderbach im Bistum geerbt hatte, waren seine konkreten Aktionsmöglichkeiten eher begrenzt: Erst zwei Jahre nach seinem Einzug in die Diözese konnte er endlich die Temporalien in Besitz nehmen und auch durch die langen 20 Jahre seiner Amtszeit hindurch sah er sich vielfachen Pressionen des eigenen Vogts, des Herzogs bzw. Erzherzogs Sigismunds von Österreich, ausgesetzt, beispielsweise nach den Unruhen am Nonsberg (1477)47. Wie schon bei Nikolaus von Kues wurde die systematische und genaue Prüfung der schriftlichen Quellen zum Mittel der Verteidigung und Wiedergewinnung der Rechte seiner Kirche; in dieser Auseinandersetzung, aber auch durch die innere Neuorganisation seines Fürstbistums war Hinderbach auf seine philologischen, historischen und juristischen Kenntnisse angewiesen. Seine litterae, im echten und übertragenen Sinn, wurden zur letzten Instanz gegenüber den arma und der Übermacht des Habsburgers48.

  Varanini, Il vescovo Hinderbach (wie Anm. 32) 185f.   Daniela Rando, Macht der Schrift – Ohnmacht der Gelehrten? Philologie im Dienst der Politik am Beispiel von Trient und Brixen (15. Jahrhundert), in: Schriftkultur zwischen Donau und Adria bis zum 13. Jahrhundert. Akten der Akademie Friesach „Stadt und Kultur im Mittelalter“, Friesach (Kärnten), 11.–15. September 2002, hg. von Reinhard Härtel–Günther Hödl (†)–Cesare Scalon–Peter Štih (Klagenfurt 2008) 547–564, hier 549–557, 561–564. 47 48



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política Francisco M. Gimeno Blay

1. Huellas indudables de autografía El 12 de octubre de 1504, en Medina del Campo, la reina Isabel1 otorgaba su testamento2 ante Gaspar de Grizio3, notario público por la autoridad apostólica, secretario del Rey e de la Reyna, nuestros señores, e su escribano público en la corte e en todos sus reynos y señoríos. La Reina, una vez concluida la datación, tópica y crónica, colocó, como era costumbre, su firma autógrafa habitual: Yo la Reyna. El rogatario asistió, como fedatario público, a la declaración de voluntad de la Reina (fui presente al otorgamiento que la reyna doña Ysabel, nuestra señora, fiso d’este su testamento e postrimera voluntad) acompañado de los siguientes testigos: en uno con don Juan de Fonseca, obispo de Córdoba 4, e don Fadrique de Portogal, obispo de Calahorra5, e don Valeriano Ordóñez de Villaquirán, obispo de Cibdad Rodrigo6, e

1   Agradezco a los profesores José V. Boscá, Juan Carlos Galende Díaz, Mª Luz Mandingorra, Vicent Pons Alós, José M. Ruiz Asencio y Elisa Varela las informaciones que me han proporcionado a lo largo de la investigación que se expone seguidamente. Esta investigación se ha beneficiado de las ayudas concedidas al proyecto: „Documentación real de la Edad Media conservada en archivos valencianos: edición crítica y estudio“ (HAR2012/36.656). 2   Simancas (Valladolid), Archivo General, Patronato Real 30-2. Facsímil del testamento original en Testamento de Isabel la Católica. V centenario, coordinación y versión actualizada Manuel Barrios Aguilera, presentación Miguel Ángel Ladero Quesada (Granada 2004), incluye una versión actualizada del texto en p. 45–57, la claudatio notarial en p. 56s. Editado en Testamento de Isabel la Católica, ed. Archivo general de Simancas (Valladolid 1944) 7–43, claudatio notarii en p. 41–43, y en Antonio de la Torre y del Cerro, Testamentaría de Isabel la Católica (Valladolid 1968) 445–475, la claudatio en p. 473–475; véase asimismo Tarsicio de Azcona, Isabel la Católica. Estudio crítico de su vida y su reinado (Madrid 31993) 925–932. 3  „Entre los que componían el Consejo que la reina formó para la educación del príncipe … figuraba Gaspar de Gricio como secretario. Pero es nombrado de los reyes por su albalá dado en Alcalá de Henares a 16 de noviembre de 1497. … Gaspar de Gricio era hermano de Dª Beatriz Galindo, la latina.“, cfr. Mª Concepción Solana Villamor, Cargos de la casa de los Reyes Católicos (Universidad de Valladolid. Cuadernos de la Catedra de Paleografía y Diplomática 3, Valladolid 1962) 86. 4   Cfr. Hierarchia catholica medii aevi sive summorum pontificum, S. R. E. cardinalium, ecclesiarum antistitum series ab anno 1431 usque ad annum 1503 perducta e documentis tabularii praesertim vaticani collecta, digesta, ed. Conradus Eubel (Monasterii 21914) 136. 5  Cfr. ibid. 114. 6  Cfr. ibid. 130.

230

Francisco M. Gimeno Blay

el doctor Pedro de Oropesa7 e el doctor Martín de Angulo8 e el liçençiado Luis Çapata9, del su Consejo, e Sancho de Paredes10, su camarero, para ello llamados e rogados por testigos. Estos no se limitaron, única y exclusivamente, a escuchar cuanto ordenaba la Reina. Su presencia confería solemnidad al acto y atribuía autoridad al documento escrito. Sin embargo no es esta la circunstancia que más interesa en esta ocasión. Quisiera reclamar, ahora, la atención sobre la particularidad de la escritura autógrafa. La Reina, sabedora de la importancia que en la génesis documental adquiría esta manera de proceder, anunciaba ella misma: e lo firmé de mi nombre e mandé sellar con mi sello estando presentes llamados e rogados por testigos … los quales me lo vieron firmar de mi nombre. Así pues, el acto de la firma, aunque su escritura era de sobra conocida por todos ellos, fue público y en el mismo firmó y exhibió sus habilidades y competencias gráficas. Los testigos, que suscribieron de manera autógrafa el testamento, recuerdan esta circunstancia indicando que estuvieron presentes en el momento en el que la Reina escribió su nombre, precediendo a la claudatio notarial y a las suscripciones de los testigos. Todos ellos, sin excepción, refieren en sus respectivas suscripciones que vieron firmar el documento a la Reina (ilust. 1)11. El 23 de noviembre del mismo año 1504, en la villa de Medina del Campo, Isabel incorporaba, en esta ocasión, nuevas informaciones a su testamento por medio de su codicilo (E porque esto sea firme e no venga en dubda otorgué esta carta de codiçillo ante Gaspar 7   Nombrado por los Reyes en Granada, el 30 de septiembre de 1491, cfr. Solana Villamor, Cargos de la casa de los Reyes Católicos (cit. n. 3) 46; véase también Amalia Prieto Cantero, Casa y descargos de los Reyes Católicos (Valladolid 1969) 126, 130, 199, 347, 506s. 8  Nombramiento de Martín Fernández de Angulo como miembro del Consejo por la Reina en Alcalá de Henares, el 30 de marzo de 1498, cfr. Solana Villamor, Cargos de la casa de los Reyes Católicos (cit. n. 3) 47; véase también Prieto Cantero, Casa y descargos (cit. n. 7) 86, 196s., 201, 292–298, 321–326. 9   „Albalá de la Reina de Alcalá de Henares, a 10 de abril de 1498, nombrando al licenciado Luis de Zapata de su consejo“, cfr. Solana Villamor, Cargos de la casa de los Reyes Católicos (cit. n. 3) 48; véase también Prieto Cantero, Casa y descargos (cit. n. 7) 83, 95s., 321, 326, 338–341, 364, 368, 402, 416. 10   Cfr. La casa de Isabel la católica. Edición preparada y anotada, ed. Antonio de la Torre [y del Cerro] (Biblioteca Reyes Católicos. Documentos y textos 4, Madrid 1954) 191; véase también Prieto Cantero, Casa y descargos (cit. n. 7) 30–33, 47, 50–53, 59, 73s., 76s., 81, 91, 93, 97, 178, 184, 201, 311, 317, 330s., 363, 473, 533, 537. 11  [1] Yo don Juan Rodríguez de Fonseca, obispo de Córdoba, fuy presente por testigo al otorgamiento que la reyna doña Ysabel, nuestra señora, fizo d’este testamento y g e l o v y f y r m a r e lo vy sellar con su sello e lo fyrmé de mi nombre y sellé con mi sello; J. episcopus Cordubensis. [2] Yo don Fadrique de Portogal, obispo de Calahorra, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reyna doña Ysabel, nuestra señora, fizo d’este testamento y g e l o v y fyr mar y lo vy sellar con su sello y lo firmé de my nombre y sellé con my sello. El Obispo de Calahorra [rúbrica]. [3] Yo don Valeriano Ordóñez de Villaquirán, obispo de Çibdad Rodrigo, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reina, nuestra señora, hizo d’este testamento, e g e l o v i f i r m a r e lo vi sellar con su sello e lo firmé de mi nombre e sellé con mi sello. D. Episcopus Civitatensis [rúbrica]. [4] Yo el doctor Martín Fernandes de Angulo, arçediano de Talavera, del Consejo de Sus Altezas, fui presente por testigo al otorgamiento que la Reyna, nuestra señora, hizo d’este testamento, e ge lo vi f i r m a r e lo vi sellar con su sello e lo firmé de mi nombre e sellé con mi sello. M. Doctor Archidiaconus de Talavera [rúbrica]. [5] Yo el doctor Pedro de Oropesa, del Consejo de Sus Altezas, fuy presente por testigo al otorgamiento que la reyna doña Ysabel, nuestra señora, hizo d’este testamento e g e l o v i f i r m a r e lo vi sellar con su sello e lo firmé de mi nombre e lo sellé con el dicho sello del dicho doctor Angulo, por no tener sello. Petrus, doctor [rúbrica]. [6] Yo, el licenciado Luis Çapata, del Consejo de Sus Altezas, fuy presente por testiguo al otorgamiento que la Reyna, nuestra señora, fizo d’este testamento e g e l o v i s e l l a r e f i r m a r d e s u n o m b re e porque es verdad firmélo de my nombre e sellélo con mi sello. El Licenciado Çapata. [7] Yo Sancho de Paredes, camarero de la Reyna nuestra señora, fuy presente por testigo al otorgamiento que Su Alteza hyzo d’este testamento y s e l o v y f y r m a r d e su nombre y lo vy sellar con su sello y porque es verdad lo fyrmé de my nombre y lo sellé con my sello. Sancho de Paredes [rúbrica]; Cfr. Simancas (Valladolid), Archivo General, Patronato Real 30-2. Ed.: Testamento de Isabel la Católica, ed. Archivo general de Simancas (cit. n. 2) 41–43, claudatio; Torre y del Cerro, Testamentaría (cit. n. 2) 473–475, claudatio.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 231

de Grizio, mi secretario, e los testigos que lo sobrescribieron e sellaron con sus sellos, que fue otorgada en la villa de Medina del Campo a veynte e tres días del mes de noviembre año del nasçimiento del nuestro Salvador Jhesuchristo de mil e quinientos e quatro años e lo firmé de mi nombre ante los dichos testigos e lo mandé sellar con mi sello. Yo la Reyna [Rubricado])12. También, ahora, requirió los servicios del mismo notario, Gaspar de Grizio13, quien levantó acta de todo lo acontecido. Según afirma el notario, la Reina recuerda que firmó el codicilo estando también presentes los testigos, en esta ocasión: Fadrique de Portogal, obispo de Calahorra, e don Valeriano Ordóñez de Villaquirán, obispo de Çibdad Rodrigo, el doctor Pedro de Oropesa e el doctor Martín Fernandes Angulo e el licenciado Luis Çapata, todos del su Consejo. Y, del mismo modo que manifiesta el testamento, los testigos afirman que vieron a la Reina firmar de manera autógrafa también el codicilo14. Los dos testimonios referidos constituyen, sin lugar a dudas, una evidencia que convierte la firma de ambos documentos, testamento y codicilo, en una prueba irrefutable de la práctica relacionada con la firma autógrafa por parte de la Reina. Descubren la importancia que concedía la Reina a su firma. No obstante, para estudiar las prácticas de escritura de la reina Isabel la Católica, además de las pruebas mencionadas, se dispone de otros muchos testimonios que permiten conocer los contextos de uso y de utilización de las formas gráficas empleadas por esta soberana de finales de la Edad Media. Su aventura gráfica representa un episodio extraordinario como tendremos la posibilidad de recons­ truir en páginas sucesivas a lo largo de este paseo por las huellas incontestables supérstites. Isabel fue consciente, desde bien temprano, de la importancia de la utilización de la escritura personal. Esta es la razón por la cual ella misma se excusaba con sus interlocutores cuando no les escribía íntegramente una carta de manera autógrafa. Así sucedía el 27 de abril de 1493, desde Barcelona, cuando se dirigió a su prima anunciándole que ella habría deseado escribir completamente la carta, sin embargo sus obligaciones no se 12  Cfr. Madrid, Biblioteca Nacional, ms Vitr 6/6. Facsímil del codicilo original en Testamento de Isabel la Católica. V centenario (cit. n. 2); editado también por Torre y del Cerro, Testamentaría (cit. n. 2) 477–485, la claudatio en p. 484s.; véase asimismo Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 932–937. 13   E yo, Gaspar de Grizio, notario público por la auctoridad apostólica, secretario de la reyna nuestra señora e su escribano e notario público en la su corte e en todos los sus regnos e señoríos, fui presente al otorgamiento de Su Alteza fizo d’este codicilo en uno con don Fadrique de Portogal, obispo de Calahorra, e don Valeriano Ordóñez de Villaquirán, obispo de Çibdad Rodrigo, e el doctor Pedro de Oropesa e el doctor Martín Fernándes Angulo e el licenciado Luis Çapata, todos del su Consejo, llamados e rogados por testigos para ello, los quales vieron firmarlo a Su Alteza de su mano e la vieron sellar con su sello, el qual yo el dicho notario vi firmar a Su Alteza, e los dichos testigos después de çerrado con cuerdas lo sobrescribieron e firmaron e sellaron con sus sellos e Su Alteza mandó a sus testamentarios que lo compliesen e executasen, e al dicho otorgamiento este codicilo escribí en estas tres hojas con esta en que va mi signo e lo firmé de mi nombre en fin de cada plana e ençima fize tres rayas de tinta e lo sellé con el signo acostumbrado en testimonio de verdad rogado e requerido [signo notarial con la leyenda: Fiat justicia]. 14   [1] Yo don Fadrique de Portugal, obispo de Calahorra, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reyna nuestra señora hizo d’este codecillo e g e l o v i f i r m a r e otorgar e firmé aquí mi nombre e lo sellé con mi sello. El Obispo de Calahorra. [2] Yo don Valeriano Ordóñez de Villaquirán, obispo de Cibdad Rodrigo, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reyna nuestra señora hizo d’este codecillo, e g e l o v i f i r m a r e otorgar, e firmé aquí mi nombre e lo sellé con mi sello. Episcopus Civitatem. [3] Yo el doctor Martín Fernández de Angulo, arcediano de Talavera, del Consejo de Sus Altezas fuy presente por testigo a otorgamiento que la Reyna nuestra señora hizo d’este codecillo, e ge l o v i f i r m a r e otorgar, e firmé aquí mi nombre e sellé con mi sello. M. Doct. Archidiaconus de Talavera. [4] Yo el doctor Pedro de Oropesa, del Consejo de Sus Altezas, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reyna nuestra señora hizo d’este codecillo y g e l o v i f i r m a r e otorgar e firmé aquí mi nombre e lo sellé con el sello del dicho doctor Angulo por no tener sello. Petrus, doctor. [5] Yo, el licenciado Luis Zapata, del Consejo de Sus Altezas, fuy presente por testigo al otorgamiento que la Reyna nuestra señora fizo d’este codecillo e g e l o vi otorgar e f i r m a r e firmé aquí mi nombre y lo sellé con mi sello. Licenciatus Zapata.

232

Francisco M. Gimeno Blay

lo habían hecho posible, por este motivo incorporó al fin del documento la postdata: Condesa pryma: Quysiera que fuera esta de my mano y con muchas ocupacyones no pude15. De igual modo, en la carta que dirigió a fray Hernando de Talavera, desde Zaragoza, el 4 de diciembre de 1493, le indicaba lo que significaba para ella la actividad de escribir, expresándolo con las siguientes palabras: Y dello y de otras muchas [cosas] huviera escrito y pescudado si supiera esto, y algo a estorbado a esto el poco espacio que tengo para escrivir, y que reçivo pena en ello de esta manera: que querría tanto decir y, tiniendo tan poco espacio, confúndese el entendimiento … y dexo de dezir muchas [cosas] de lo que querría, y lo que digo, muy desconçertado, y esto me pena, que si tuviese espacio, sin duda no ay pasatiempo en que yo más huelgue [que el escribir]16. Los testimonios citados prueban suficientemente que Isabel era muy consciente de la importancia de la escritura como instrumento de comunicación ente personas privadas, es decir en el ambiente familiar, y también, por supuesto, para dirigirse a las personas que estaban sometidas a su autoridad soberana e incluso le servían para establecer relaciones diplomáticas con otras autoridades contemporáneas. Ella, seguramente, sabía que la escritura transmitía valores implícitos que sus corresponsales conocían bien, tales como la proximidad o estima, el sentimiento afectuoso y de aprecio, por haber dedicado un tiempo a escribir el texto. Al mismo tiempo, la escritura suplía la presencia física17. La extensión del territorio sometido a la autoridad de los Reyes Católicos: la Corona de Castilla, que incorporó después de 1492 el reino nazarí de Granada y las tierras de América, requería que las órdenes fuesen escritas. La extensión del territorio aconsejaba reemplazar las viejas formas de gobierno, sustituyendo la presencia física por la escritura. De otro modo resultaba imposible gobernar el reino. Juan Luis Vives, durante la primera mitad del siglo XVI, exponía muy bien esta transformación en el dialogo que dedicó a la escritura; allí puede leerse: uoces sunt animorum signa inter praesentes, literae inter absentes18. Y Elio Antonio de Nebrija había escrito en su gramática española, publicada en Granada el año 1492: La causa de la invención de las letras primeramente fue para nuestra memoria, et después, para que por ellas pudiéssemos hablar con los absentes et los que están por venir19. 15   Sevilla, Archivo Ducal de Medinaceli, Sección Archivo Histórico, caja 1, doc. nº 35-r-7 (olim: Feria, C-I-34), cfr. Juan Carlos Galende Díaz, La escritura de la reina Isabel la Católica: análisis paleográfico. Archivo secreto: revista cultural de Toledo 2 (2004) 44–51; Agustín Millares Carlo–José M. Ruiz Asencio, Tratado de paleografía española, 3 vols. (Madrid 31983), facs. 294; Series de los más importantes documentos del archivo y biblioteca del excelentísimo señor duque de Medinaceli, elegidos por su encargo y publicados a sus expensas por Antonio Paz y Meliá. Iª serie histórica. Años 860–1814 (Madrid 1915) 83, doc. LXV; Manuel Romero Tallafigo–Laureano Rodríguez Liáñez–Antonio Sánchez González, Arte de leer letras antiguas (Huelva 1995) 228s., lám. 51. 16  Zaragoza, 4 de diciembre de 1493. El Escorial, Biblioteca del Monasterio, ms L.I.3, fol. 13r, cfr. Vicente Rodríguez Valencia, Isabel la católica en la opinión de españoles y extranjeros. Siglos XV al XX., 3 vols. (Valladolid 1970) III 43s.; Elisa Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica. Arqueología de un patrimonio escrito (Salamanca 2004) 187. 17  Sobre este aspecto resultará de interés la consulta del itinerario de los reyes para así conocer el movimiento constante de la corte, cfr. Antonio Rumeu de Armas, Itinerario de los Reyes católicos (1474–1516) (Madrid 1974). 18  Cfr. Juan Luis Vives, Los diálogos (Lingvae latinae exercitatio). Estudio introductorio, edición crítica y comentario de Mª Pilar García Ruiz (Colección de Pensamiento Medieval y Renacentista 65, Pamplona 2005) 204. 19   Cfr. Antonio de Nebrija, Gramática de la lengua castellana, ed. Antonio Quilis (Madrid 1980) 111. Idea expuesta, en términos parecidos, en idem, De vi ac potestate litterarum. Edición, traducción y facsímil Antonio Quilis–Pilar Usábel (Madrid 1987) 36–38 (Capitulum primum: Voces, res, conceptvs et litteras qvadrare debere).



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 233

Pero, ¿cuáles son las huellas indubitadas de autografía encontradas? Como se ha visto, tanto en el testamento como en el codicilo, la Reina utilizó en la signatura autógrafa el pronombre personal de primera persona del singular (Yo), al que le acompaña el artículo determinado femenino singular y el sustantivo Reina20. La signatura autógrafa de Isabel, sea como Infanta, como Princesa o como Reina, presenta siempre la misma estructura. El espacio de la intervención gráfica está delimitado por dos líneas verticales curvadas y ondulantes, al principio y al final. Unas líneas descendentes, dirección izquierda-derecha, y dos paralelas ascendentes, con idéntica trayectoria, cierran la suscripción. Ahora bien, la intervención autógrafa de la Reina no se limitó, única y exclusivamente, a la firma; una vez que había aprendido a escribir, su propia circunstancia vital le proporcionó infinidad de situaciones en las cuales ella mostró su capacidad escribiendo y ciertamente no renunció a exhibirla. Sucedió así a lo largo de toda su vida como prueban las suscripciones autógrafas. En todas ellas firmó empleando los sustantivos indicativos de su posición en la línea sucesoria empleados a lo largo de toda su vida, primero como Infanta hasta el año 1468 (Infante), después como Princesa, entre 1468 y 1474 (Prinçesa), y, finalmente, Reina, a partir de 1474 (Reyna). El pronombre personal proclamaba siempre la autografía del texto al que acompañaba. Además, existen muchas ocasiones en las cuales la Reina comenzó su intervención autógrafa utilizando la expresión: De mi mano; de ese modo, reclamaba, especialmente, la atención del destinatario sobre la intervención autógrafa. Podía suceder que aquél no conociese la escritura de la Reina, y por este motivo concluía el texto indicando esta circunstancia completamente excepcional. Todas las formas gráficas empleadas para advertir y reclamar la atención del interlocutor sobre el autógrafo real permiten identificar las características de la escritura empleada por la reina Isabel. Asimismo, han hecho posible conocer las prácticas de escritura derivadas de una aventura gráfica femenina excepcional en el tránsito a la modernidad, anun­ ciando las profundas transformaciones que se producirían en el conjunto del cuerpo social. La experiencia gráfica de la Reina Católica constituye una historia completamente singular. Sin embargo ¿cuáles fueron los contextos y ambientes en los que la Reina empleó la escritura? La respuesta a dicho interrogante exige elaborar un censo de todos los autógrafos conocidos. Constituyen todos ellos los testimonios de una modernidad que llama la atención, que produce admiración doble por tratarse de una mujer que escribe y por ser, además, reina, es decir una „foemina reginaque scribens“. No en vano Hernando del Pulgar decía de ella: Era mujer muy aguda e discreta, lo qual vemos raras vezes concurrir en una persona; fablaua muy bien, e era de tan exçelente ingenio, que en común de tantos e tan ardúos negoçios como tenía en la gobernaçión de sus rreynos, se dio al trabajo de aprender letras latinas, e alcançó en tiempo de vn año saber de ellas tanto, que entendía qualquier habla o escritura latina21.

20  Cfr. Jesús Muñoz y Rivero, Firmas de los reyes de España (desde el siglo IX hasta nuestros días) (Madrid 1887), firma número 47. 21   Cfr. Fernando del Pulgar, Crónica de los Reyes Católicos. Edición facsímil. Edición y estudio por Juan de Mata Carriazo. Presentación por Manuel González Jiménez. Estudio preliminar por Gonzalo Pontón, 2 vols. (Granada 2008) i 76s.

234

Francisco M. Gimeno Blay

2. Regina scribens Ciertamente, las prácticas de escritura de la Reina Católica constituyen una novedad de finales de la Edad Media. Ya se ha referido, con anterioridad, el fenómeno singular que representa el comportamiento de una „Regina scribens“. Paradójicamente este fenómeno no ha tenido la fortuna de ser estudiado de forma erudita y rigurosa convenientemente. En ocasiones algunos paleógrafos han descrito las formas de la escritura sin analizar las razones que indujeron a la Reina a escribir22. La historiografía española del mencionado período ha olvidado también la escritura de la Reina Católica y jamás se ha cuestionado todo lo que concierne a la alfabetización de Isabel en particular y del resto de mujeres nobles alfabetizadas. Sólo durante los últimos años ha comenzado a estudiarse el proceso de alfabetización elemental seguido por la Reina Católica, proceso y contenido sobre el que se volverá más delante23. La Reina utilizó la escritura en múltiples ocasiones y el resultado fue un conjunto heterogéneo de textos. Todos ellos responden a los múltiples acontecimientos políticos y personales que rodearon a la Reina durante toda su vida. Independientemente de la extensión de las diversas intervenciones textuales localizadas, pueden distinguirse los siguientes contextos de uso en los cuales ella empleó la escritura. 2.1. Firma autógrafa La vida deparó a Isabel numerosísimas oportunidades en las que se requería su firma autógrafa para dar la conformidad con un texto o, simplemente, para revestirlo de autoridad y solemnidad al mismo tiempo. Ella no renunció a suscribir los documentos que le presentaban, al contrario cada ocasión debió de representar un momento de singular relieve y trascendencia en el ejercicio de gobierno. Con la expresión lacónica, breve y concisa: La Infante, Yo, la Prinçesa, Yo, la Prinçesa e Reyna y Yo, la Reyna, firmó muchos de los instrumenta publica redactados por la Cancillería real. Puede encontrarse, por consiguiente, la firma de Isabel en ciertos documentos reales tales como la carta real de merced, el albalá, la carta misiva, la cédula real o la sobrecarta24. La singularidad de la suscripción autógrafa no se agota en su misma excepcionalidad. Llama la atención, no obstante, la propia estructura textual. En ninguna ocasión se ha localizado el empleo del nombre propio de la reina, Isabel, como sucedía en otros ambientes. Desde mediados del siglo XIV, entre los nobles y aristócratas europeos, la mayor parte de suscriptores de los documentos emplearon el

22  Cfr. por ejemplo los recientes trabajos de Juan Carlos Galende Díaz, Documentación de la reina Isabel la Católica en el monasterio de Santa María de Guadalupe. Estudio paleográfico de su escritura autógrafa. Bienes culturales 4 (2004) 133–140; idem, La escritura de la reina Isabel la Católica (cit. n. 15); o el de Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica (cit. n. 16) 188–195. 23   Cfr. Nicasio Salvador Miguel, Isabel la católica. Educación, mecenazgo y entorno literario (Centro de Estudios Cervantinos, Colección Historia y Literatura, nº 1, Alcalá de Henares 2008); María Isabel del Val [Valdivieso], Isabel la Católica y la educación. Aragón en la Edad Media 19 (2006) 555–562; eadem, La educación en la corte de la reina Católica. Miscelánea Comillas 69 (2011) 255–273. 24  Cfr. María de la Soterraña Martín Postigo, La cancillería castellana de los Reyes Católicos (Valladolid 1959) 32, 34, 133, 135, 138, 144; véase, además, el estudio de Juan Antonio Montalbán [Jiménez], Documentos de los Reyes Católicos. Las cartas reales del archivo municipal de Murcia: soporte y sellos (1468–1504). Murgetana 117 (2007) 19–36: p. 23s.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 235

nombre o el apellido, extrañamente se sirvieron de su título de forma aislada25. Una investigación, no exhaustiva, sobre las formas de suscripción empleadas en la Corona de Castilla ha permitido conocer que Sancho IV, siendo infante utilizó la fórmula: el infante don Sancho26, y una vez rey firmó Yo el Rey 27. Sus sucesores en el trono hasta el acceso al mismo de Isabel emplearon idéntica fórmula como suscripción, unos utilizaron el pronombre personal de primera persona en singular y otros se sirvieron del plural mayestático28. Del mismo modo las reinas consortes emplearon idéntica formula (Yo la Rreyna) como por ejemplo Beatriz de Portugal29 (1373–ca. 1420), esposa de Juan I de Castilla; o Catalina de Láncaster (Yo la Reyna)30 (1373–1418), madre de Juan II y abuela de Isabel la Católica. 25   Cfr. los estudios de Béatrice Fraenkel, La signature. Genèse d’un signe (Paris 1992); eadem, L’auteur et ses signes, en: Auctor et auctoritas: invention et conformisme dans l’écriture médiévale. Actes du colloque de Saint-Quentin-en-Yvelines, 14–16 juin 1999, ed. Michel Zimmermann (Mémoires et documents de l’École des chartes 59, Paris 2001) 413–427; Francisco M. Gimeno Blay, Escribir, reinar. La experiencia gráfico-textual de Pedro IV el Ceremonioso (1336–1387) (Madrid 2006); idem, Les autographes de Pierre le Cérémonieux, roi d’Aragon (1336–1387), en: Medieval Autograph Manuscripts. Proceedings of the XVIIth Colloquium of the Comité International de Paléographie Latine, held in Ljubljana, 7–10 September 2010, ed. Nataša Golob (Bibliologia 36, Turnhout 2013) 245–258; Claude Jeay, La naissance de la signature dans les cours royale et princières de France (XIVe–XVe siècle), en: Auctor et auctoritas 457–475; idem, La signature comme marque d’individuation. La chancellerie royale française (fin XIIIe–XVe siècle), en: L’individu au Moyen Âge. Individuation et individualisation avant la modernité, ed. Brigitte Mirian Bedos-Rezak–Dominique Iogna-Prat (Aubier 2005) 59–77; y Signé Fébus, comte de Foix, prince de Béarn, Marques personelles, écrits et pouvoir autour de Gaston Fébus, ed. Véronique Lamazou-Duplan (Paris–Pau 2014), especialmente los estudios de Claude Jeay, Signer au Moyen Âge, en: ibid. 86–91, de Philippe Charon, Signer chez les princes d’ÉvreuxNavarre, contemporains et proches du roi en France, en: ibid. 92–95, de Véronique Lamazou-Duplan–Ghislain Brunel, Signé Fébus. Le surnom en signature, en: ibid. 96–111, de Dominique Bidot-Germa–Véronique Lamazou-Duplan, Signatures béarnaises au temps de Fébus, en: ibid. 112–115, y de Guilhem Ferrand, Les comtes d’Armagnac ont-ils signé au XIVe siècle?, en: ibid. 116s. 26   Burgos, Archivo Municipal, Sección Histórica nº 2932, cfr. edición en Emiliano González Díez, Colección diplomática del Archivo Municipal de Burgos (822–1369) (Burgos 21984) 212s. 27  Cfr. Muñoz y Rivero, Firmas de los reyes (cit. n. 20), firma nº 36 del año 1284. 28  Cfr. ibid. Véanse las firmas 37 (Fernando IV, año 1295), 38 (Alfonso XI, año 1312), 39 (Pedro I el cruel, año 1350), 40 (Enrique II, año 1369), 41 (Juan I, año 1379), 42 (Enrique III, año 1390), 43 (Juan II, año 1406), 44 (Enrique IV, año 1454), 45 (Alfonso V de Portugal, casado con la Beltraneja y titulado rey de Castilla). A título orientativo, sobre las modalidades de suscripción de diversos monarcas de la Península Ibérica pueden consultarse algunos ejemplos reproducidos en colecciones de facsímiles. Por lo que respecta a los mo­ narcas portugueses cfr. Eduardo Nunes, Album de paleografia portuguesa, vol. I. (Lisboa 1969) (facs. 31 [1385, El Rey], 32 [1395, Johanes], 38 [1410, El Rey], 41 [1422, El Rey], 42 [1426, El Rey], 46 [1436, Infante don Fer­ nando], 56 [1461, El Rey], 57 [1471, El Rey, Prinçepe], 58 [1471, El Rey], 63 [1487, El Rey] y 65 [1494, El Rey], y Avelino de Jesus da Costa, Álbum de paleografia e diplomatica portuguesas (Coimbra 61997) (facsímiles 106 [1394, El Rey], 110 [1423, El Rey], 117 [1448, El Rey], 118 [1449, El Rey], 119 [1449, El Rey], 122 [1451, El Rey], 135 [1487, El Rey], 136–137 [1494, El Rey], 144 [1513, El Rey], 149 [1472, El Rey], 156 [1506, El Rey], etc.). En relación al reino de Navarra cfr. Millares Carlo–Ruiz Asencio, Tratado de paleografía española (cit. n. 15) (facs. 364 [1412, Charles], 367 [1450, Yo el rey Juan]). Las fórmulas de suscripción empleadas por los reyes de la Corona de Aragón pueden consultarse en Tabla cronológica de los condes soberanos de Barcelona desde don Wifredo I el Velloso hasta el actual monarca el señor don Fernando IV y VII de las Españas, que Dios guarde, con el facsímile de sus respectivas firmas y signos autógrafos para distinguir sus diplomas de los espedidos por otros condes particulares de la marca española, especialmente los de un mismo o semejante nombre que florecieron en los siglos X y XI y figuran asimismo para su cotejo y aclaración de muchas verdades históricas, ed. Próspero de Bofarull y Mascaró (Barcelona 1833). 29   Valladolid, Archivo Histórico Provincial, s. l., s. f., cfr. Jonás Castro Toledo, Colección diplomática de Tordesillas. 909–1474 (Fuentes documentales para la historia de Valladolid 1, Valladolid 1981) 176s., documento de 15 de noviembre de 1389. 30  Burgos, Archivo Municipal, Sección Histórica nº 176 (documento datado en Valladolid el 20 de marzo de 1411, cfr. Juan Antonio Bonachía Hernando–Julio Antonio Pardos Martínez, Catálogo documental del

236

Francisco M. Gimeno Blay

2.1.1. La Infante La intervención autógrafa más antigua localizada pone al descubierto la firma de un documento datado en Cardeñosa (Ávila) el 4 de julio del año 1468 (ilust. 2)31. La Infanta notifica en dicho documento la enfermedad de Alfonso y solicita, además, que el concejo municipal nombre procuradores, recordándoles, asimismo, que cuando sobrevenga el óbito de su hermano será ella la legítima heredera: E ya vosotros sabéis que en el caso que Nuestro Señor de su vida otra cosa dispusiese, la subçesyón destos reynos e señoríos de Castilla e de León pertenesçen a mí como su legítyma heredera e subçesora que soy32. Se desconocen, en la actualidad, las circunstancias que envolvieron las primeras intervenciones gráficas. Y, lógicamente, no se pueden valorar como se merecen las motivaciones que le indujeron a escribir. El testimonio citado recientemente es el único localizado en el que utiliza la formula La Infante. La utilización de esta firma encuentra su límite ad quem en los acuerdos de Guisando, es decir entre el 18 y 24 de septiembre de 146833, momento a partir del cual fue jurada como Princesa de la corona de Castilla, y proclamará su nueva situación como Princesa, legítima heredera e subcesora en los regnos de Castilla et de Leon34. 2.1.2. Yo la Prinçesa Entre los años 1468 y 1474, Isabel firmó la documentación con la fórmula Yo, la Prinçesa, como testimonian muchos documentos, originales y copias, expedidos durante esos años. Posiblemente, una de las primeras veces en las que utilizó la expresión Yo, la Prinçessa sea la carta, datada el 24 de septiembre de 1468, en la cual el rey Enrique IV y su hermana notifican a la ciudad de Segovia el resultado de los acuerdos alcanzados en las reuniones celebradas en Guisando35, aunque ya lo había hecho con anterioridad. En efecto, inmediatamente después de la muerte de su hermano Alfonso, ocurrida el 5 de julio de 1468, firmó algunos documentos empleando la formula ya mencionada36. Su padre Archivo Municipal de Burgos. Sección Histórica [931–1515] [Salamanca 1983] 215 nº 462) y nº 177 (documento datado en Valladolid el 30 de mayo de 1411, cfr. ibid. 215 nº 464). 31   Murcia, Archivo Municipal, Legajo 4272, nº 1, publicado por Juan Torres Fontes, Estudio sobre la crónica de Enrique IV del Dr. Galíndez de Carvajal (Murcia 1946) 505s.; idem, La contratación de Guisando. Anuario de Estudios Medievales 2 (1965) 399–428: p. 416, doc. 1. Rafael Martín Ramos reproduce la firma La Infante, de un documento datado el 27 de abril de 1468, pero no indica el lugar de conservación del mismo (cfr. Rafael Martín Ramos, Isabel la Católica: su personalidad a través de la escritura. Bienes culturales. Revista del Instituto del Patrimonio Histórico español 4 [2004] 141–149: p. 142, figura 1). 32   Murcia, Archivo Municipal, Legajo 4272 nº 1, cfr. Torres Fontes, Estudio sobre la crónica de Enrique IV (cit. n. 31) 505s.; idem, La contratación de Guisando (cit. n. 31) 416, doc. 1. 33  Cfr. Pulgar, Crónica de los Reyes Católicos (cit. n. 21) I 14–16, capítulo II; Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 141–153; María Isabel del Val [Valdivieso], Isabel la católica, princesa (1468–1474) (Valladolid 1974) 73–92. 34   Cfr. Tarsicio de Azcona, Isabel la Católica. Estudio crítico de su vida y su reinado (Biblioteca de Autores Cristianos 237, Sección Historia y Hagiografía, Madrid 1964) 126. El mismo autor, algunos años después, escribió: „5. Enrique IV, velando por la paz y la tranquilidad y a fin de alejar la guerra, declaró a Isabel ‚Princesa primera legítima heredera del dicho Rey e de los dichos regnos e señoríos e después de la vida del dicho serenísymo señor Rey ser reyna e señora de los dichos reynos e señoríos‘.“, cfr. Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 145. 35  Segovia, Archivo Histórico 9-30-7, 6483 fol. 364, al pie del documento se lee: Yo el Rey. Yo la Princesa, citado por Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 149, n. 31. 36   La investigación practicada ha permitido conocer los siguientes documentos: (1) 1468, julio, 20. Ávila. Confirmación de Isabel a Gonzalo Chacón de los oficios de contador mayor y mayordomo de su casa. Firma: Yo la Princesa. Madrid, Real Academia de la Historia 9-30-7-6483 fol. 352s., cfr. Val [Valdivieso], Isabel la católica,



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 237

Juan II previó en su testamento, otorgado el 21 de julio de 1454, la posibilidad de que Isabel se convirtiese en reina en caso de fallecer Enrique y también Alfonso, este último antes de los catorce años o después, pero sin dejar hijos o hijas legítimos, dándose esta circunstancia proponía el rey que aya e herede los dichos mis regnos la dicha Infanta doña Isabel e sus descendientes legítimos37. Sin embargo, no es esta la única fórmula empleada que se puede leer en los documentos de los años mencionados, es decir entre 1468 y 1474. En efecto, el año 1469 se casaron Isabel y Fernando de Aragón. Gracias a dicho matrimonio Isabel se convirtió automáticamente en reina de Sicilia y continuó siendo Princesa de Castilla (ilust. 3)38. Muchos documentos muestran la firma empleada durante estos años y entonces la Princesa escribía: Yo la Prinçesa y Reyna. Un documento datado en Alcalá de Henares el día 8 de julio de 1472, firmado: Yo, la Prinçesa y Reyna, proporciona, además, la siguiente intitulación: Doña Ysabel, por la graçia de Dios, princesa de Asturias, legítima heredera de los reynos de Castilla e de León, reyna de Çeçilia, princesa de Aragón39. Significativamente, contra la norma diplomática de la escritura documental, que ordena la exposición de los dominios territoriales atendiendo a sus respectivas categoría o rango, Isabel escribió, primero, el título de princesa de Asturias, heredera legítima de los reinos de León y de Castilla y, con posterioridad, los otros títulos que ella recibía como consorte a resultas de su matrimonio con Fernando de Aragón, es decir: los de reina de Sicilia y princesa de la Corona de Aragón. También Fernando antepuso su condición de príncipe de Asturias a la de rey (El Príncipe-Rey) en la carta autógrafa que le escribió a Isabel desde Zaragoza durante la primera decena del mes de diciembre del año 147440. La precedencia de la casa de Castilla en la intitulación del tenor documental encuentra su justificación en la concordia de Segovia, firmada el 15 de enero de 1475, en la que se proponía lo siguiente: Primeramente que la intitulación en las cartas patentes de justicia e en los pregones e la moneda, en los sellos, sea común a ambos los dichos sennores rey e reyna seyendo presentes o absentes, pero que el nombre del dicho señor rey aya de preçeder, e las armas de Castilla e de León preçedan a las de Siçilia e Aragón41. Fernando respetó escrupulosamente el orden expositivo, siendo ya rey de Castilla, como lo prueba, entre otros muchos testimonios, la intitulación: Lo rey de Castella, Leó e de Sicília, primogènit d’Aragó en una carta dirigida al magnífich e amat conceller nostre en Guillem Caera, racional de la ciutat de València, datada en la nostra vila de Valladolid a VIIII de maig de l’any mil CCCCLXXV. Yo el Rey 42. Del mismo modo, las leyendas de los sellos utilizados por los Reyes Católicos ponen al descubierto el cumplimiento de esta norma. Algunas de las utilizadas muestran los si-

princesa (cit. n. 33) 364s., doc. 2; (2) 1468, julio, 30. Ávila, Carta inserta en documento de 1474, diciembre, 22. Segovia. Firma: Yo la Prinçesa. Simancas, Archivo General, Registro General del Sello, legajo 1 fol. 23, cfr. Val [Valdivieso], Isabel la católica, princesa (cit. n. 33) 549s., doc. 55. 37  Cfr. Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 16s. 38   Véase el documento datado el 16 de junio de 1471 en Medina de Rioseco, cfr. Barcelona. Archivo de la Corona de Aragón, Autógrafos I1n. 39   Simancas, Archivo General, Casa y sitios reales, legajo 11 nº 2, cfr. Val [Valdivieso], Isabel la católica, princesa (cit. n. 33) 503–505, firma en p. 505, doc. 42. 40  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 1, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos de España don Fernando y doña Isabel que se conservan en el Archivo de Simancas 1474–1502, ed. Amalia Prieto Cantero (Valladolid 1971) 16. 41  Cfr. Martín Postigo, La cancillería castellana (cit. n. 24) 20. 42  Valencia, Archivo Municipal, Misivas de reyes, carta nº 195.

238

Francisco M. Gimeno Blay

guientes textos: (1) Ferdinandus et Helisabet, Dei gracia, reges Castelle, Legionis et Cicilie43; (2) Ferdinandus et Elisabet, Dei gratia, rex et Regina Castelle et Legionis, Aragonum, Sicilie et Granate, etc.44. 2.1.3. Yo, la Reyna Finalmente, desde el 13 de diciembre de 1474, coronada reina de Castilla, Isabel utilizó la signatura: Yo, la Reyna. La firma, como en las ocasiones anteriores presenta siempre la misma estructura gráfica y textual, la única excepción es el cambio del sustantivo. En múltiples ocasiones, la Reina firmó acompañada por su marido el rey Fernando el Católico. En esta segunda circunstancia ella siempre suscribe al mismo nivel que su esposo, pero inmediatamente después a juzgar por el orden y el tiempo de escritura. No cabe ninguna duda de que el momento en el cual los reyes firmaban los documentos constituía una ocasión especial en la que se ponía en escena la autoridad real. Dicha puesta en escena, presumiblemente, tenía lugar en las dependencias de la Cancillería o en el palacio de residencia de los reyes, en presencia de los miembros de su séquito o incluso de los del Consejo real. Se desarrollase en un ambiente o en otro constituía, sin lugar a dudas, una oportunidad excepcional para distanciarse de un conjunto social, analfabeto en su mayoría: firmar de manera autógrafa les permitía afirmar su personalidad y ejercer la autoridad. Además, nunca como ahora, la escritura suplió la presencia física de los reyes. Los destinatarios de la documentación firmada, bien fuera indistintamente por ambos monarcas o bien de manera separada por cada uno de ellos, percibirían a la llegada de los documentos o de las cartas la presencia in absentia de la persona que la había firmado. De forma lacónica, pero contundente, la Reina o el Rey advertían su presencia gráfica y recordaban la autoridad de la que se sentían revestidos. 2.2. Post data La firma del documento por parte de los reyes, sea de forma conjunta o separada, daba por concluido el proceso de la génesis documental e iniciaba la fase conclusiva del mismo, es decir la traditio chartae o consigna del mismo al destinatario. La acción de gobierno y las relaciones familiares le depararon a Isabel la oportunidad de mostrar públicamente sus competencias alfabéticas. La brevedad y concisión de la signatura no permitía imaginar las múltiples circunstancias en las que la escritura se situaba entre la vida privada y el gobierno de súbditos y territorios. En todas ellas se asiste a un incremento notable de la extensión del texto, condicionado por las necesidades comunicativas y la enjundia del asunto que se despacha. La Reina, como si se tratase de una captatio benevolentiae, solía excusarse ante el des43  Cfr. Filemón Arribas Arranz, Sellos de placa de las chancillerías regias castellanas (Valladolid 1941) 125s., nº 31, lám. XIII; Ferran de Sagarra, Sigil·lografia catalana. Inventari, descripció i estudi dels segells de Catalunya, vol. I (Barcelona 1915) 227, nº 114; María Luisa Cabanes Catalá, Sellos de placa, monedas y signos rodados de los Reyes Católicos. Bienes culturales. Revista del Instituto del Patrimonio Histórico Español 4 (2004) 61–67: p. 64. 44  Cfr. Arribas Arranz, Sellos de placa de las chancillerías regias castellanas (cit. n. 43) 129, nº 36, lám. XIV; Araceli Guglieri Navarro, Catálogo de sellos de la sección de sigilografía del Archivo Histórico Nacional. I: Sellos reales (Madrid 1974) 444s., nº 606; Cabanes Catalá, Sellos de placa, monedas y signos rodados (cit. n. 43) 65. Véanse, además, otros sellos en Sagarra, Sigil·lografia catalana (cit. n. 43) 227, nº 112; 238, nº 175.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 239

tinatario porque no había tenido el tiempo suficiente para escribir íntegramente la carta45, como puede leerse en el documento datado en Barcelona el 27 de abril del año 1493, mencionado anteriormente. En esta ocasión, Isabel escribió a su prima en los siguientes términos: Condesa pryma: Quysiera que fuera esta de my mano y con muchas ocupacyones no pude. Rueg’os que syenpre me escryváys de vuestra buena dyspusycyón y de vuestro parto que sea todo como deseáys. De my mano. Yo la Reyna 46. Recapitulemos la información que proporciona la intervención de la Reina. Con el texto añadido al final del tenor de la carta escrita por el escribano, es decir después de la datación, Isabel se excusa ante su prima la condesa de Feria por no haber escrito completamente la misiva en cuestión; le ruega que le escriba informándole sobre su estado de salud, concretamente sobre el embarazo, el parto y el periodo de lactancia sucesivos. La intervención concluye con la declaración de autografía: De my mano, y, seguidamente, la firma autógrafa. Sin embargo, esta manera especial de buscar la proximidad y al mismo tiempo mostrar el afecto y la cercanía propia del ambiente familiar, alcanzó también el espacio público, especialmente cuando el emisor pretende conseguir su objetivo y utiliza esta proximidad para condicionar la decisión del destinatario del mensaje. De ese modo, el 16 de julio del año 1484, escribió la reina Isabel desde Córdoba: Al Prior de Guadalupe sobre frey Juan de Avilés47, a propósito de la presencia en la corte de fray Juan Avilés, quien según Isabel debía permanecer allí porque ella precisaba de sus consejos. Al concluir la explicación realizada por el escribano, la Reina incorporó un texto breve destinado directamente al Prior del monasterio de Guadalupe mediante el cual ella, personalmente, le solicitaba su permiso para que Juan de Avilés permaneciera junto a ella, mientras ella así lo precisara. Deseo que la Reina expone del siguiente modo: Venerable padre: Esto os ruego mucho que fagáys, que presto se despachará esto48 y se podrá yr. De my mano. Yo la Reyna.

45  La excusa ante el destinatario por parte del remitente constituye una práctica habitual, sirvan a modo de ejemplo algunas cartas de Alfonso el magnánimo y de su esposa la reina María de Castilla, cfr. Mª Luz Mandingorra, Avetla como de mi mano. Autógrafos de Alfonso el magnánimo en el Archivo del Reino de Valencia. Boletín de la Sociedad Castellonense de Cultura 84 (2008) 167–178, y eadem, Entre dos reinos. Cartas de María de Castilla, reina de Aragón. Ars Longa 23 (2014) 41–58. 46   Sevilla, Archivo Ducal de Medinaceli, Sección Archivo Histórico, caja 1, doc. nº 35-r-7 (olim: Feria, C-I-34), cfr. Galende Díaz, La escritura de la reina Isabel la Católica (cit. n. 15) 44–51; Millares Carlo– Ruiz Asencio, Tratado de paleografía española (cit. n. 15), facs. 294; Paz y Melia, Series de los más importantes documentos (cit. n. 15) 83, doc. LXV; Romero Tallafigo–Rodríguez Liáñez–Sánchez González, Arte de leer letras antiguas (cit. n. 15) 228s., lám. 51. 47   Guadalupe, Archivo del Monasterio de Santa María de Guadalupe, Legajo 4, doc. 76; cfr. Galende Díaz, Documentación de la reina Isabel la Católica (cit. n. 22). 48   Añadido en interlínea.

240

Francisco M. Gimeno Blay

Sin duda, este añadido final constituye una perfecta captatio benevolentiae. No es posible desatender la súplica, sino orden, implícita en la nota añadida por Isabel. La presencia de esta lacónica anotación autógrafa condicionaba, necesariamente, la respuesta del Prior del monasterio de Guadalupe. 2.3. Ordenar escribiendo La costumbre de incorporar adiciones al finalizar los documentos hizo que, con mayor o menor frecuencia, la Reina utilizase billetes para escribir textos concisos que contenían órdenes internas o informaciones de gobierno, como la datada en Valladolid el 19 de enero del año 1481, dirigida a Gómez Manrique (ilust. 4). El tenor de la cual discurre del siguiente modo: Gómez Manryque: En todo caso venyd luego, que donna Juana a estado muy mal y estava mejor, y a tornado a recaer 49 de que le dyxeron que no venýades. De my mano. Yo la Reyna50. Como se puede apreciar se trata de un texto carente de cualquier formalidad di­ plomática porque el receptor del mismo conoce perfectamente la escritura de la reina y no las precisa; es más, cabe incluso pensar que estaba acostumbrado a recibir billetes de este estilo y conocía esta práctica de relación entre la monarca y sus súbditos. Con toda seguridad las personas del entorno familiar conocían su escritura autógrafa, para aquellos que la desconocían destinaba la declaración de autografía (De my mano), acompañándola, además, de la firma autógrafa: Yo la Reyna. Todo ello transmitiendo la orden concreta y la voluntad de la soberana. 2.4. Dirigirse a los poderosos Del gobierno de los súbditos a las instancias más elevadas de la sociedad. La Reina utilizó, también, la escritura para ponerse en contacto con el papa Alejandro VI. En este contexto el recurso a la escritura, puede responder a diversos considerandos: (1) la Reina ha decidido escribir personalmente para evitar, de ese modo, la publicidad que supondría la redacción del texto por parte de un secretario o de un notario y su tramitación por la cancillería; (2) la Reina muestra proximidad y afecto al destinatario; (3) ella, finalmente, escribe porque quiere atraer la atención del Papa. El tenor documental muestra siempre   Continúa tachado: va.   Toledo, Archivo Municipal, cajón 1º, legajo 4, nº 64z, cfr. Esteban Terreros y Pando, Paleografía española, que contiene todos los modos conocidos que ha habido de escribir en España, desde su principio y fundación hasta el presente, a fin de facilitar el registro de los archivos y lectura de los manuscritos y pertenencias de cada particular; juntamente con una historia sucinta del idioma común de Castilla y demás lenguas, o dialectos, que se conocen como propios en estos reynos. Substituida en la obra del Espectáculo de la Naturaleza en vez de la paleografía francesa (Madrid 1758) 36s., lám I; Galende Díaz, Documentación de la reina Isabel la Católica (cit. n. 22). 49 50



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 241

el respeto humilde hacia la autoridad, utilizando expresiones apropiadas que demuestran la sumisión. Comportamiento que no maravilla en modo alguno, ya que desde antiguo la doctrina del ars dictandi ha estimado fundamental en la génesis documental tener presente la condición social de los actores de la documentación. Así, Conrado de Mure, en la Summa de arte prosandi se refería a la necesidad de prestar atención a la persona a la que se le dirigía la carta, es decir al cui  51, y de igual modo convenía estar atentos a la salutatio, entendida como quidam titulus seu oratio salutis, affectum indicans, a statu seu conditione personarum non discrepans, y distinguía en la salutatio tres elementos: la persona salutans, la persona salutata y, finalmente, la qualitas et modus salutandi  52. Ciertamente, del año 1499 se conserva en el Archivo General de Simancas53 el borrador de una carta dirigida al papa Alejandro VI, en la cual le indica que ella ha destinado como embajadores en la Corte Pontificia de Roma a Iñigo de Córdoba y al doctor Felipe Ponce. El texto de la mencionada carta dice así: † Muy Santo Padre El Rey, mi señor, y yo embiamos a Vuestra Santidad a don Ýnigo de Córdoba y al dotor Ponçe, anbos de nuestro Consejo, nuestros embaxadores, los quales suplycarán a Vuestra Santidad algunas cosas de nuestra parte, que son servicio de Nuestro Senor y de vuestra Santidad … ¿umilmente? suplyco que les qyera dar … fe y recebyrlos con el amor … con que se dize, pues allen … nemos a esa Santa sylla … nos mueve y necesyta, se aze con tanto amor y afecyón a vuestra persona que a nadye daríamos ventaja. Nuestro Señor guarde vuestra muy santa persona a bueno e próspero regymyento de su unyversal Yglesia. De vuestra Santidad … . La custodia de este documento en el Archivo General de Simancas obliga a explicar su existencia, ya que debía de haberse conservado en los archivos de la corte pontificia. Circunstancia que invita a pensar que el texto simanquino es más bien el borrador de una carta que se expidió en forma y se consignó al destinatario o bien se trata de un original no finalizado y consecuentemente no remitido a su destinatario. Además, la carta concluye incompleta con el saludo final de vuestra santydad, al que le falta el nombre del autor de la acción jurídica, es decir la reina Isabel a juzgar por la escritura autógrafa del resto. El Archivo secreto Vaticano conserva, sin embargo, en la actualidad un conjunto de cartas que los Reyes Católicos remitieron al pontífice Alejandro VI, firmadas unas por

51  Tertio „cui“ mittat, scilicet suo superiori, uel suo pari, uel suo inferiori, Conradus de Mure, Summa de arte prosandi, cfr. Briefsteller und formelbücher des eilften bis vierzehnten jahrhunderts, ed. Ludwig Rockinger (Quellen und Erörterungen zur Bayerischen und Deutschen Geschichte 9,1, München 1863, reprint New York 1971) 405–512: p. 431. 52  Cfr. ibid. 461. 53  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos nº 12; transcripción en Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40) 67–69, carta 12ª.

242

Francisco M. Gimeno Blay

Fernando54 y por Isabel (ilust. 6)55, de forma aislada, y otras por ambos monarcas de forma conjunta (ilust. 7)56. La materialidad de todas las cartas es idéntica, escritas íntegramente por un escribano de la cancillería real, dispuesto el texto de forma apaisada y colocado en el tercio superior del mismo, emplean la escritura humanística cursiva, en la mayor parte de los casos, y sólo en una ocasión han utilizado la cortesana muy influida por la humanística. Concluido el tenor de la misiva, el copista añade la despedida en el margen inferior derecho: De vuestra Santidad, muy umill e devota hija, que los santos pies y manos de vuestra Santidad besa, que completa de forma autógrafa la misma Isabel incorporando: la Reyna de Castylla, de Aragón y de Granada57, proceder que observa igualmente el rey Fernando, escribiendo autógrafamente la parte conclusiva: el rey de Castilla, de Aragón y de Granada (De vuestra Santidad, muy homil y devoto fijo que vuestros santos pies y manos besa, el rey de Castilla, de Aragón y de Granada58). La distinta tonalidad de la tinta y sus grafías particulares anuncian la participación de los soberanos. En otras ocasiones el monarca escribe íntegramente la despedida, circunstancia que solo se encuentra entre las cartas firmadas por Fernando59. De igual modo sucedió cuando ambos fueron los actores de la acción jurídica, ocasiones en las que la carta exhibe una suscripción doble al pie del documento, en primer lugar la de Fernando y en segundo la de Isabel; también en esta circunstancia se encuentra unas veces la despedida escrita por el copista y los reyes60, o completamente autógrafa por ambos61. Por último, custodia el mismo archivo la copia imitativa de una carta datada en Madrid el 6 de octubre del año 149462. 2.5. La correspondencia con el rey Fernando Afortunadamente, se conservan en la actualidad un ramillete de misivas intercambiadas entre la reina Isabel y su esposo el rey Fernando II de Aragón. El conjunto está constituido por quince cartas, de las cuales solamente dos las escribió Isabel (ilust. 5)63 y Fernando las trece restantes64. La información transmitida por todas ellas es de carácter 54   Città del Vaticano, ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5020, fol. 1r–v (De Medina del Campo a XXI de março anno de mil CCCC LXXXXIIII); 2r–v ([Escri]ta en la mi villa de [Me]dina del Campo a XXVII días del mes de abril anno mil[…]); 3r–v (De Barcelona a veynte de agosto anno de mil CCCCLXXXXIII); 5r–v (Ex opido Barchinone XVIIII octobris anno a nativitate Domini Mº CCCCLXXXX tercio); 6r–v (Ex oppido Barchinona VIII die octobris anno a nativitate Domini Mº CCCC LXXXX tercio) y 7r–v (De Barcelona a XXVI de octubre anno de mil CCCC LXXXXIII). 55   Ibid. fol. 12r–v (Escripta en la villa de Medina del Campo a XXX dias del mes de abril de mill e quatroçientos e noventa e quatro annos). 56   Ibid. fol. 4r–v (De Segovia a XXXI de agosto anno de mil CCCC LXXXXIIII); 8r–v (Escripta en la nuestra villa de Tordesillas a XXV días de mayo de M CCCC XCIIII annos); 9r–v (De la villa de Arévalo a tres de julio anno de mil CCCC LXXXXIIII); 10r–v (Escripta en la nuestra çibdat de Barçelona a quatro días de julio de M CCCC XCIII annos) y 11r–v (De la nuestra villa de Perpinyan el primero de octubre anno de mil CCCC LXXXXIII). 57   Ibid. fol. 12r. 58   Ibid. fol. 1r. 59   Ibid. fol. 3r, 5r, 6r, 7r. 60   Ibid. fol. 4r–v, 8r–v y 9r–v, sobre esta última cfr. Miguel Batllori, La familia de los Borjas. Edición y traducción al cuidado de Jerónimo Miguel (Madrid 1999) 224s. 61   Città del Vaticano, ASV, A.A., Arm. I–XVIII, 5020, fol. 10r–v, 11r–v. 62   Ibid. fol. 16v–17r, cfr. Batllori, La familia de los Borjas (cit. n. 60) 225–227. 63  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 9 y 10, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40) 51–59, nº 9ª y 10ª. 64  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 1–8, 11, 13–16, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40) 9–50 y 71–90.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 243

privado, aunque al mismo tiempo incorporan noticias sobre la situación política de la Península Ibérica, es decir de los reinos de Castilla y León y de la Corona de Aragón. De las dos escritas por la Reina la primera está datada En Córdoba, a XVIII de mayo [1486], sin la mención del año, pero con toda seguridad se trata del año 1486; la segunda datada, igualmente, En Córdoba a 30 de mayo [1486], del mismo año. Para los Reyes Católicos, ciertamente, la escritura de estas cartas constituyó un canal de comunicación privilegiado, permitiendo a los dos disponer conjuntamente de un espacio privado y personal, muy particular que les permitía mantener una conversación íntima entre ellos, en la cual podían afrontar e intentar resolver los problemas más acuciantes y perentorios, pertenecientes tanto al dominio de la vida familiar como a la esfera política. Constituyó, sin lugar a dudas, un espacio de comunicación excepcional para los esposos y reyes, en el que se superponen y entremezclan sin solución de continuidad informaciones de diversa índole, privadas y públicas. Por lo que respecta a su materialidad, todas las cartas conservadas están escritas sobre papel, en las que se halla dispuesto el texto de forma vertical, adoptando forma oblonga. Comienzan con una cruz, a la que acompaña una letra (F) y la dirección de la carta: My Señor, todo ello justificado en el centro. A continuación, a línea tirada, discurre íntegramente el tenor de la carta sin interrupción alguna. Las dos cartas dirigidas al rey Fernando concluyen con la rúbrica de la Reina, sin firma. Incorpora, al final, la dirección: Al Rey, mi señor. El aspecto que presentan las cartas que Fernando dirigió a su esposa es idéntico. Utilizaron, ambos, un mismo modelo de mise en page, lo que autoriza a suponer que ambos imitaron modelos precedentes. No conservan indicios que permitan saber si se entregaron al destinatario abiertas o cerradas ya que no se menciona la utilización de sello alguno; no obstante, si se aprecian las dobleces del plegado de las mismas65, de tal modo que el texto quedaría oculto, ya que en el exterior se lee la dirección. Las cartas autógrafas intercambiadas entre Isabel y Fernando, aún siendo un número reducido, ofrecen información de gran significación que permite comprender lo que supuso para ellos este canal comunicativo. La carta se presenta como una fuente de información capital que les permite dialogar cuando están separados abordando los problemas que les afectan (me escribe y aze saberme cómo está da alegre, me debe escribir y azerme saber cómo se halla vuestra señoría66; ya le escreuý cómo estoy bien y aquella callentura no fue más67; la reina mi ermana me escribió, y el cardenal, estas cartas que aquí van68; y porque es escritura larga no sé si lo podrá llevar este correo pero luego yrá con otro69). Y en estas misivas los interlocutores se prodigan en proporcionar noticias pertenecientes a la esfera de la política (Anoche vino un coreo de Inglaterra y son las cartas de onze y doze d’este mes; De Italia ni Francia no sé más sino que me escribieron anoche los ofeciales de Perpiñán asiéndome saber la 65  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos nº 1–7, 9, 11–13, 15 y 16, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40) p. 16, 21, 29s., 35s., 47, 48s., 57, 66, 69, 79s., 85, 89. 66  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 2, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 2, p. 21. 67  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 9, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 9, p. 57. 68  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 80. 69  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 4, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 14, p. 81.

244

Francisco M. Gimeno Blay

ida de la gente francesa a la frontera, y artillería70) todos ellos asuntos que desearían despachar de común acuerdo, ya que como indica en una ocasión el rey Fernando en la unión reside su fuerza (porque entramos juntos nos ayudamos tanto que es la vida, y ya es tiempo que todo nuestro poder se alle junto71). Otras noticias afectan al ámbito familiar y tratan aspectos relativos a la salud de la esposa e hijos (Suplicole que me aga saber cómo está, y esté muy alegre que espero en Nuestro Señor 72; me mande azer saber  73; la venida de mis yjos sea en buena ora que mucho la deseo por hablar al príncipe a mi voluntad 74) y como no podía ser de otro modo las noticias familiares se entremezclan con la política (suplicole que me aga saber lo que determina y el dýa que ha de ser el cerco donde quiera que fuere75). El rey incluso proporciona consejos a la reina sobre el itinerario que debe practicar en algunos viajes (por cierto no debe vuestra señoría venir por Medina[celi], sino por Almaçán, que de Cigüenza asta Moreal malos pedazos de camino hay76). Semejante riqueza informativa les genera desasosiego cuando se produce una ausencia de misivas (tantos son los mensajeros que allá tenemos que sin cartas se vienen no por mengua de papel ni de no saber escrebir77; Tanto abía que no abía abido carta de vuestra señoría78; En aver venido correo y no me aver traído carta de vuestra señoría de mano ajena o suya y averse purgado, no a sido para mí sino mucha pena79). Por el contrario, la recepción de las mismas genera un sentimiento de alegría y contento por las nuevas que transmiten (lo que en las cartas que me truxo beso las manos a vuestra señoría80; Beso las manos a vuestra señoría por las cartas que con Salazar y Man de Aragón recebí 81), razón por la cual se desea que lleguen con frecuencia (Entre tanto que aca estoy suplico a vuestra señoría que más a menudo vengan las cartas que por mi vida muy tardías vienen82). Maravilla, finalmente, que ambos concluyen sus cartas respectivas con expresiones que muestran el afecto mutuo de ambos cónyuges

70   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 80. 71  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 3, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40) nº 3, p. 30. 72  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 11, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 11, p. 66. 73   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 79. 74   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 14, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 14, p. 81. 75  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 9, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 9, p. 57. 76  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 80. 77  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 2, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 2, p. 21. 78  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 8, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 8, p. 49. 79  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 79. 80   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 3, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 3, p. 29. 81  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 7, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 7, p. 48. 82  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 8, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 8, p. 50.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 245

entre sí (esclavo de vuestra señoría83; De cansado acabo besando las manos de vuestra senoría84; Sabe Dios lo que me pesa de mañana no ver a vuestra señoría, que juro por vuestra vida y mía que nunca tanto amé. Y acabo con más deseo de servir a vuestra señoría que nunca85; Beso las manos de vuestra senoría86; Plega a Nuestro Señor que en el determinar y en el ¿obrar?, en todo ayude a vuestra senorýa y le guarde más que a mí, y acabo besándole las manos, y todos nuestros ijos se las besan y están buenos 87; Suplico a vuestra señoría que me aga saber cómo están mis yjos, y beso las manos 88; y acabo besando las manos de vuestra señoría que Nuestro Señor guarde más que a todos, como deseo89; Beso mil veces las manos a vuestra señoría por la merced que me yzo con las cartas de viii y de x que me escribió 90), así como la sumisión y respeto que se profesan mutuamente (Vuestro siervo91). 2.6. Agenda: el despacho con los secretarios De todos los escritos autógrafos de la Reina el más importante, atendiendo a su extensión y considerando la modernidad que supone por su estrecha relación con la acción de gobierno, es el manuscrito conocido como Memorial de las cosas que tenía que despachar con sus secretarios, conservado en la biblioteca de la Real Academia de la Historia (ilust. 8)92. Se trata de una verdadera „agenda“ que le sirve para tomar decisiones futuras, incorpora un listado con los diversos aspectos de la política internacional que la Reina desea tratar con sus secretarios o con las personas que menciona en la misma. La anotación es breve y somera, sin embargo proporciona siempre las claves que posibilitan reconstruir la situación política. Conviene reclamar la atención sobre la presencia de la letra f al co­ mienzo de algunas de las anotaciones, mientras que hay otras en las que no aparece. Puede ser que la letra mencionada indique simplemente que se trata de un asunto resuelto definitivamente. Algunos ejemplos servirán para dar cuenta de la importancia del memorial: [01] F. Enbyar a Roma. [02] F. Enbyar a Venecya, [03] F. Escrebyr a Gonçalo Fernández y leer su carta …, [07] Y lo de su venyda y lo que ha de azer en Cylya que es procurar paz y que 83  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 1, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 1, p. 16. 84  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 3, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 3, p. 30. 85   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 4, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 4, p. 36. 86   Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 5, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 5, p. 47. 87  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 9, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 9, p. 57. 88  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 11, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 11, p. 66. 89  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 13, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 13, p. 80. 90  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 14, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 14, p. 81. 91  Simancas, Archivo General, Casa Real, Autógrafos Reyes Católicos, nº 7, cfr. Cartas autógrafas de los Reyes Católicos, ed. Prieto Cantero (cit. n. 40), nº 7, p. 49. 92  Madrid, Real Academia de la Historia, San Román, caja 3ª, nº 4, cfr. Miguel Ángel Ochoa Brun, Memorial autógrafo de la reina Isabel para el despacho con sus secretarios, en: Isabel la Católica en la Real Academia de la Historia, ed. Luis Suárez Fernández (Madrid 2004) 268–270; sobre la diplomacia de los Reyes Católicos cfr. idem, Historia de la Diplomacia española, vol. IV (Madrid 21995).

246

Francisco M. Gimeno Blay

le daremos mucha autoridad para ello más que el cargo de vyrey no es menester porque sté más libre, [05] Lo del rey don Fadrique en los que estamos, y lo del mensajero turco, [10] F. Despachar al Obispo de Córdova y hablar oy con él, etc.93. El documento no está datado, no obstante por las informaciones que proporciona debe de situarse en noviembre de 1500, como señala Miguel Ángel Ochoa Brun. Atendiendo al contenido, la Reina „menciona al rey Federico de Nápoles, que comenzó su reinado en 1496, y al embajador en Francia Juan Gralla, que fue enviado en 1498. Alude a la boda de María con Manuel I de Portugal. Como ésta se celebró en octubre de 1500 y la Reina cita el proyecto de mandar una embajada a Roma ,en Navidad‘, el documento tal vez se pueda situar en noviembre de 1500.“94 El Marqués de San Román propuso como fecha del documento el año 1491 sin proporcionar los elementos críticos en los que se basaba para realizar dicha información. Paradójicamente, tratándose de un autógrafo íntegro de la Reina, no ha merecido todavía una edición crítica que haga justicia a la importancia capital de dicho texto, tanto en su dimensión material como atendiendo al contenido político y diplomático que transmite. Urge, en consecuencia, editarlo convenientemente, identificando todas las circuns­ tancias, acontecimientos históricos y personajes mencionados a lo largo del memorial. La modernidad de este texto reside en el hecho de anticiparse a los acontecimientos. En este dominio, la escritura ya no es un mero reflejo de la realidad, no es tampoco la memoria y el testimonio de un acontecimiento superado, pretérito; contrariamente, contribuye per se a decidir y definir el futuro. 2.7. Testimonios indirectos Una historia de las prácticas de escritura de la reina Isabel no puede olvidar un conjunto de testimonios escritos que de forma indirecta recuerdan que ella utilizó la escritura de forma habitual a lo largo de toda su vida. Como se ha señalado, la empleó para registrar asuntos de enjundia política y también otros textos de menor importancia como por ejemplo los ex libris indicando la propiedad de algunos de los libros de su colección particular. Los albaceas testamentarios, con gran celo, tomaron nota y aludieron a cuantas intervenciones gráficas encontraron; todas estas ponen de relieve la personalidad de esta reina de finales de la Edad Media. El memorial de despacho con los secretarios no fue la única ocasión en la que la reina se sirvió de la escritura para recordar y ordenar la actividad de gestión y gobierno. Los albaceas testamentarios se refieren en cierta ocasión a cinco memoriales, todos de mano de la reyna, nuestra señora. La extensión del texto es importante, sin embargo, a juicio de la persona que hace el inventario tienen escaso valor, y no son memoriales de ynportancia, sin aludir al contenido de los mismos95. Además la escritura le sirvió para dejar constancia de 93  Para la reconstrucción del ambiente político en el que surge este autógrafo resultarán de interés Alonso de Santa Cruz, Crónica de los Reyes Católicos. Edición y estudio por Juan de Mata Carriazo, I: 1491–1504 (Sevilla 1951), y Luis Suárez Fernández–Manuel Fernández Álvarez, La España de los Reyes Católicos (1474–1516), vol. II (Historia de España 17, Madrid 1969). 94   Cfr. Ochoa Brun, Memorial autógrafo de la reina Isabel (cit. n. 92) 268. 95  Çinco memoriales, todos de mano de la reyna, nuestra señora, que aya santa gloria, el uno es un pliego entero, y está escripta una plana; y el otro está media plana en la una hoja y en la otra hoja, que está cortada, está hasta treze rrenglones. Y otras tres fojas son escriptas, todas de mano de Su Altesa. Y no son memoriales de ynportancia, salvo de cosas que Su altesa manda prover con unos y con otros por entonçes. Cfr. Simancas, Archivo general, Contaduría



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 247

la propiedad de algunos de sus libros en los que a guisa de exlibris Isabel anotó: Este libro es mío. Yo la Reyna. Así el 31 de diciembre de 1504 mientras los albaceas elaboraban el inventario de la testamentaría haciendo el arqueo de los bienes encontraron Vn libro con vnas coberturas leonadas que está escripto de dentro en la tabla drecha: „Este libro es mío. Yo la Reyna“, en el qual están veynte e dos hojas de pergamino estoriadas, cada vna por la vna parte, e algunas cosidas e otras sueltas96, o Vn libro con vnas coberturas leonadas, qu’está escripto de dentro o en la tabla derecha: „Este libro es mío. Yo la Reyna“. En el qual están 223 hojas de pergamino estor[i]adas cada vna por la vna parte, e algunas cosidas e otras sueltas. Apreçióse cada estoria en vn ducado97. *** La erudición hispana ha atribuido a Isabel unas cuantas anotaciones marginales en diversos libros manuscritos custodiados en la Real Biblioteca del monasterio de San Lorenzo de El Escorial98. Recientemente E. Ruiz99 ha afirmado que paleográficamente la escritura de los marginalia no coincide con las formas empleadas por la Reina.

3. Aprendiendo a escribir Hasta este momento se han examinado algunos de los textos autógrafos supérstites de la reina Isabel la Católica. Alcanzado el final de nuestro recorrido, leyéndolos y descubriendo los ambientes y los contextos en los cuales ella utilizó la escritura, ha llegado el momento de formular algunos interrogantes relativos a su educación gráfica. ¿Dónde aprendió a escribir? ¿a qué edad? ¿con quién? A pesar de la ausencia de informaciones sobre el particular, se revela de interés, especialmente para diseñar el marco general del entramado cultural y ambiente en el que se formó Isabel la Católica, el Jardín de nobles doncellas, obra escrita por fray Martín de Córdoba a finales del año 1468, y destinada a la illustrísima y muy poderosa señora la reyna doña Ysabel, señora nuestra, hija legítima & primogénita del clementíssimo & de resplandeciente memoria el rey don Juan postrimero de este nombre100. El objetivo del mencionado texto era el de proporcionar las herramientas que ayudarían a la infanta en caso de que en el futuro accediese al trono como reina, según su autor lo exponía en el capítulo quinto: Agora diré de las doncellas que han de auer & seguir la nobleza que ouieron de sus parientes, sea doblada por nobles uirtudes, & así sean dignas de principiar & de regir los súbditos pueblos101. Allí, amén de encontrar una defensa explícita de los estudios en la formación de la futura reina, se localizarán modelos de comporta­ miento entre los que se menciona a Santa Catalina, que hera hija de rey & hera instruýda en todas las artes liberales. Modelo que sirve para conjurar la exclusión educativa de algunas mayor de cuentas, 1ª ép., leg. 81, pl. 1br, ed. Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica (cit. n. 16) 187 y 305. 96   Simancas, Archivo General, Contaduría mayor de cuentas, 1ª ép., leg. 81, pl. VI, tercera arca; ed. Torre y del Cerro, Testamentaría (cit. n. 2) 17; Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica (cit. n. 16) 187. 97   Simancas, Archivo General, Contaduría mayor de cuentas, leg 192, pl. I, ed. Torre y del Cerro, Testamentaría (cit. n. 2) 351. 98  Concretamente los mss b.II.19; h.II.14; S.II.9; T.III.4; X.III.4; Z.II.4, Z.III.4. 99  Cfr. Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica (cit. n. 16) 191–195. 100  Cfr. Martín de Córdoba, Jardín de nobles doncellas. A critical edition and study, ed. Harriet Goldberg (North Carolina Studies in the romance languages and literatures, Chapel Hill 1974) 135. 101  Cfr. ibid. 213.

248

Francisco M. Gimeno Blay

propuestas pedagógicas contemporáneas (Assí que estas tres puniciones comprehendieron a las escuras & pleueyas hembras, más no a las altas dueñas como es nuestra señora, la Princesa, por lo qual deue captar algunas oras del dia en que estudie & oya tales cosas que sean propias al regimiento del reyno102). Avanzada su vida „comenzó el estudio del latín, ya en su madurez, y lo aprendió acaso con Beatriz Galindo, la mujer humanista más notable de su tiempo, aunque no la única, pues son también nombres de recordar los de Lucía Medrano, maestra en Salamanca, o Francisca de Lebrija, que lo fue en Alcalá“103. Tarsicio de Azcona se refirió a los primeros años del aprendizaje y concretamente a la „alfabetización de los saberes elementales“ en los siguientes términos: „Desconocemos cómo, cuándo y con quién aprendió Isabel las primeras letras; no hay inconveniente en pensar que, si la cámara de la reina madre no podía sostener a maestros o preceptores para su casa, no faltaba personal religioso que podía llenar ese oficio.“104 Para reconstruir los primeros pasos de la educación, tal vez pueda servir el modelo que la Reina puso en práctica con sus hijos: el príncipe Juan105 y sus hermanas las infantas106. De la instrucción de estas últimas decía Tarsicio de Azcona que „Recibieron la educación que se estilaba en aquel tiempo en las casas reales: educación bajo el signo específico de la sabiduría sagrada procedente de la Biblia y de los textos litúrgicos. Para eso se imponía el aprendizaje del latín, que todos los infantes estudiaron a fondo.“107 Nicasio Salvador Miguel recuerda que su padre, Juan II, en su testamento datado el 8 de julio de 1454, „había recomendado que la instrucción de sus hijos pequeños la dirigieran, bajo la supervisión de la madre, sus tres testamentarios: fray Lope de Barrientos, el prior Gonzalo de Illescas y su camarero Juan de Padilla … . Se trataba de personas de reconocido prestigio, cuyo perfil político e intelectual, unido a su incontestable lealtad al monarca, demuestra la sabiduría de la elección; los tres, con sus funciones minuciosamente detalladas, se constituían junto con la reina como una especie de consejo de familia.“108 Este último autor ha reconstruido, hipotéticamente, el proceso seguido en la formación infantil de Isabel109, y la situación difiere escasamente de la propuesta que se puede leer en un manuscrito gramatical de la segunda mitad del siglo XV, conservado en Madrid en la Real Biblioteca110. La propuesta pedagógica es la siguiente:   Cfr. ibid. 244.   Cfr. Miguel Ángel Ladero Quesada, La España de los Reyes Católicos (Madrid 32014) 421s. 104   Cfr. Azcona, Isabel la Católica (cit. n. 2) 57. 105   Cfr. Diego Clemencín, Elogio de la reina católica doña Isabel. Edición facsímil. Estudio preliminar por Cristina Segura Graíño (Granada 2004) 383–387 y 480; Ladero Quesada, La España de los Reyes Católicos (cit. n. 103) 193. 106  Cfr. Ladero Quesada, La España de los Reyes Católicos (cit. n. 103) 196. 107   Citado por ibid. 196. 108   Cfr. Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 89s. 109   Cfr. ibid. 118–122. 110   Madrid, Real Biblioteca, ms II–1344 fol. 116v; cfr. Catálogo de la Real Biblioteca, Tomo XI. Manuscritos, vol. I (Madrid 1994) 636; Américo Castro, Glosarios latino-españoles de la Edad Media (Madrid 1936) XVIII–XIX; Francisco M. Gimeno Blay, Aprender a escribir en la Península Ibérica: De la Edad Media al Renacimiento, en: Escribir y leer en Occidente, ed. Armando Petrucci–Francisco M. Gimeno Blay (Valencia 1995) 125–144: p. 130; idem, Aprender a escribir en el Antiguo Régimen, en: Historia ilustrada del libro escolar en España. Del Antiguo Régimen a la Segunda República, ed. Agustín Escolano Benito (Madrid 1997) 291–314: p. 296; Ángel Gómez Moreno, Gramática de Palacio: un nuncio de Nebrija. Revista de Literatura Medieval 1 (1989) 41–51: p. 46; Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 129; Víctor Infantes, De las primeras letras. Cartillas españolas para enseñar a leer de los siglos XV y XVI. Preliminar y edición facsímil de 34 obras (Salamanca 1998) 26. 102 103



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 249

Item nota el orden que has de tener en enseñar a leer: Lo primero: enséñale la señal de la crux e los .X. mandamientos en romance e demóstrale todas las preguntas para en defensión de la gente pagana o hebrea. Lo segundo IIIIor oraciones dominicales: Ave Maria, Pater noster, Credo, Salve Regina vulgarmente, porque todo fiel christiano, siete años pasados, es obligado, e otras cosas que de necesidad como a verdadero christiano ocurrir pueden. Lo tercero el a.b.c., conoscer las letras, ansí vocales como consonantes, e juntar, e por sillabas deletrear, scilicet: ba, be, bi, bo, bu; e las IIIIor oraciones sobredichas en latino. El modelo de aprendizaje de las primeras letras se mantuvo invariable durante mucho tiempo, especialmente a lo largo del siglo XVI como prueban las „beceroles“ impresas en Mallorca el año 1566111. El libro comienza con las letras del alfabeto, continúa con la combinación de sílabas y después la Oratio dominicalis: el Pater noster, la salutatio angelica: Ave Maria; el simbolum apostolorum: Credo; ad virginem Mariam: Salve Regina; la responsio misse: Sancti Spiritus; Iudica me, Deus, et discerne causam (Ps 42, 1), luego, en catalán, los: Deu manaments; y, finalemente, los peccats mortals. De igual modo, también en la formación del nieto de Isabel, el futuro Felipe II, en el aprendizaje de las primeras letras se utilizó el mismo curriculum112. Conviene recordar que este modelo no fue privativo de las instituciones de ámbito ibérico como testimonian, entre otros, el manuscrito de aprendizaje utilizado por el emperador Maximiliano I (22 marzo 1459–† 12 enero 1519)113; allí se encuentran: el alfabeto de la escritura gótica textual y el Pater noster (fol. 3r), la salutatio angelica, el Credo (fol. 4r); el canticum Simeonis: Nunc dimittis (Lc 2, 29), la doxología (fol. 6v), la doxología, la oratio Pentecostes (Veni, Sancte Spiritus, reple tuorum corda) (fol. 7r), la oratio Pentecostes; el Alleluia, la Salve Regina (fol. 7v); Salve Regina, el Sanctus (fol. 8r), „Stufengebete“ (Ad eum qui letificat iuventutem meam … confiteor Deo patri) (fol. 9v); „Stufengebete“, la Oratio mensae (Benedicite Deus oculi) (fol. 11r); la bendición de la mesa (Benedicite Deus edent pauperes) (fol. 12v); la acción de gracias para la mesa (fol. 13v); la oración de acción de gracias y la oración para el benefactor (fol. 14r); cisioianus (fol. 15v); final del cisioianus [decembris]; un alfabeto gótico cursivo, el Vater unser, el Ave Maria, el Credo (fol. 17v); la abreviatura: Ihs (fol. 20r) y diversas letras adornadas del alfabeto latino (fol. 20v–26v). Del siglo XVI conserva la Bayerische Staatsbibliothek de Múnich el cuadernno titulado: Exempla scribendi (sunt precationes) in usum Ferdinandi Bavariæ Ducis114. El contenido del mencionado ejemplar es el siguiente: (fol. 2r) Literæ, vocales, (fol. 2v) Consonantes, Semiuocales, Mute, Dipthongi, (fol. 3r) Oracio dominica, (fol. 3v) Salutacio angelica, Simbolum fidei, (fol. 4v) Decem precepta Dei, (fol. 6r) Mathei 22, (fol. 6v) Benedictio mensæ, (fol. 7r) Graciarum actio, (fol. 7v) Precacio pueris mane dicenda, Precatio vesperi dicenda, (fol. 8v) Precacio ad Spiritum Sanctum, (fol. 9r) Salve Regina, (fol. 9v) Canticum Marie. Magnificat 111  Madrid, Biblioteca Nacional, R-11.693, nº 2; Gimeno Blay, Aprender a escribir en la Península Ibérica (cit. n. 110) 130s.; Gimeno Blay, Aprender a escribir (cit. n. 110) 296s. y 306s.; Infantes, De las primeras letras (cit. n. 110) 1 149s., nº XV. 112  Cfr. el magnífico estudio de José Luis Gonzalo Sánchez-Molero, Felipe II. La educación de un „felicísimo príncipe“ (1527–1545) (Madrid 2013) 256–323. 113   Wien, ÖNB, cod. 2368, reproducción en Heinrich Fichtenau, Die Lehrbücher Maximilians I. und die Anfänge der Frakturschrift (Hamburg 1961) facs. 1–30. 114   München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 651, cfr. Catalogus codicum latinorum Bibliothecae regiae Monacensis, Tom. I pars I. Codices num. 1–2329 complectens (Monachii 21892) 169.

250

Francisco M. Gimeno Blay

anima mea …, (fol. 10v) Canticum Simeonis, (fol. 11r) Sanctus, Sanctus, Sanctus, Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis, (fol. 11v) Da pacem, Domine, in diebus nostris …, In nomine domini nostri Iesuchristi surrexi … . Recapitulemos. Isabel, en ambiente familiar115, en cualquier dependencia – acompañada tal vez por su madre – pudo comenzar la instrucción de las primeras letras, la lectura y con posterioridad la escritura. Miguel Ángel Ladero ha reclamado la atención sobre el „importante papel que jugó en su educación y en la de su hermano Alfonso, Gonzalo Chacón (aprox. 1428–1507)“116. El testimonio de Pedro Gracia Dei permite imaginar algunas de las salas de palacio como el escenario en el que se practicaban diversos aprendizajes. Dice así: Entré una sala do vi enseñar Todos los pages a un grand maestro, Porque fuese cada uno diestro De ser enseñado y saber enseñar En leer, scriuir, tañer y cantar, dançar y nadar, luchar, esgrimir arco y ballesta, llatinar y decir, xedrez y pelota saber bien iugar117. El recuerdo de todos sus antepasados que supieron escribir debió de actuar como acicate y sirvió de motivación. Los autógrafos de su padre Juan II118 o su hermano Alfonso119, así como el recuerdo de su abuela Catalina de Láncaster120, por poner algunos ejemplos, alimentarían a buen seguro el deseo de aprender, tal vez incluso con avidez. La similitud del polo de atracción gráfica de su escritura y la de Luis de la Cerda 121, quinto conde y primer duque de Medinaceli, permite abonar la hipótesis de un modelo común   Cfr. Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 103 n. 73.   „Gonzalo Chacón (aprox. 1428–1507), comendador santiaguista de Montiel, antiguo hombre de confianza de don Álvaro de Luna: Chacón sería desde julio de 1468 mayordomo y contador mayor de la casa de Isabel, ya princesa“, cfr. Ladero Quesada, La España de los Reyes Católicos (cit. n. 103) 186. 117  Cfr. Pedro Gracia Dei, Crianza e virtuosa doctrina dedicada a la muy esclarecida señora Doña Isabel primera, Infante de Castilla, en: Opúsculos literarios de los siglos XIV a XVI (Sociedad de Bibliófilos Españoles vol. XXIX, Madrid 1892) 388, citado por Álvaro Fernández de Córdova Miralles, La corte de Isabel I. Ritos y ceremonias de una reina (1474–1504) (Madrid 2002) 102 n. 391. 118   Cfr. la carta de don Juan II a Don Pedro Fernández, señor de Aguilar (24 de abril, s. a.), íntegramente autógrafa como recuerda el propio rey: De mi mano, XXIII, d’abril en Tordesillas. Archivo Duque de Medinaceli, Priego, Medinaceli, C-1ª-15, reproducción en Paz y Melia, Series de los más importantes documentos (cit. n. 15) 41, doc. XXXI, ilustración 13 (a). 119  Véase la carta del príncipe don Alfonso a don Alonso, señor de la casa de Aguilar, a la que el príncipe añade una postdata autógrafa. Archivo Duque de Medinaceli, legajo 341, número 25, cfr. Paz y Melia, Series de los más importantes documentos (cit. n. 15) 70ss., doc. LVI, ilustración 13(b); Joaquín González Moreno, Serie documental española (Sevilla 1977) 75, nº 352. 120   Véase, por ejemplo, el documento „XXXII. Carta de la reina doña Catalina, mujer de Enrique III, a Gómez Suárez de Figueroa (25 de junio, s. a.)“, firmada: Yo la reina. Archivo Duque Medinaceli, Feria. Medinaceli, C-1-8, cfr. Paz y Melia, Series de los más importantes documentos (cit. n. 15) p. 41s., doc. XXXII. 121  El duque incorporó al final de una carta datada en la villa de Cogolludo a XXVII de mayo la siguiente despedida: Las manos reales de vuestra alteza besa, Luys. Cfr. Paz y Melia, Series de los más importantes documentos (cit. n. 15) 52–54, lám. 9 (b). La biografía del primer duque de Medinaceli puede consultarse en Francisco Fernández de Béthencourt, Historia genealógica y heráldica de la monarquía española casa real y grandes de España, vol. V (Madrid 1904) 207–224. 115 116



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 251

de aprendizaje de la escritura entre los miembros de la nobleza, que bien pudo practicarse compartiendo un mismo espacio físico o no. Isabel debía solamente comenzar a dibujar el alfabeto que encontraba en los libros de oración, allí localizaría los modelos a partir de los cuales podía ejercitarse122. La situación debía de diferir escasamente de la que describió Juan Luis Vives en su diálogo sobre la escritura, donde el humanista proponía lo siguiente sobre el aprendizaje de la escritura: MAN.: Cedo jam nobis, si uidetur, exemplar. MAG.: Primum abecedarium, deinde syllabatim, tum uerba coniuncta ad hunc modum: disce puer, quibus fias sapientior et proinde melior; uoces sunt animorum signa inter praesentes, litterae inter absentes. Haec effingite et redite huc a prandio uel cras, ut scripturam vestram emendem123. ¿Cuándo comenzó a escribir? Isabel nació el 22 de abril del año 1451 en Madrigal de las Altas Torres (Ávila). Su madre se instaló en Arévalo el año 1454: „En Arévalo van a permanecer la viuda y sus hijos hasta los últimos meses de 1461, es decir, los años en que debe colocarse buena parte de la formación infantil de Isabel … .“124 La estancia en Arévalo (Ávila) se prolongó hasta el año 1461. Así pues Isabel permaneció allí desde los 3 años hasta los 10. Habitando en Arévalo transcurrió su primer septenio125. Los pedagogos contemporáneos recomendaban comenzar los estudios a partir de los siete años, es decir durante el segundo periodo de siete años, entre los 7 y los 14. Así lo explicaba Elio A. de Nebrija en su tratado sobre la educación de los hijos, de liberis educandis. En el capítulo VI puede leerse: Quo tempore pueris incipiendum est dare operam litteris et moribus. Qui hominis aetatem per hebdomadas, hoc est, per septenia diviserunt, in quae puerorum exercitia partiti sunt, fortasse non male dixerunt. Nam et Aristoteles in primo septenio parcendum esse teneris putat, duoque adiunxit septennia quae sunt disciplinis acommodanda, alterum post primum septennium ad pubertatem, alterum a pubertate ad annum primum vigesimum 126. Así pues, podemos suponer que el aprendizaje de Isabel comenzó a partir del año 1458, aproximadamente; sin embargo cabe la posibilidad que la Infanta comenzara con anterioridad atendiendo a la recomendación relativa a la educación femenina que puede leerse en la Partida segunda, título VII, ley XI: Quales amas e ayas deben auer las fijas de los reyes, e cómo deuen ser guardadas. … E desque ouieren entendimiento para ello, déuenlas fazer aprender ler, en manera que lean bien las oras, e sepan leer en salterio …127. Lucio Marineo 122   El ambiente gráfico en el que aprendió a escribir la Reina Isabel puede reconstruirse gracias a la colección de facsímiles de manuscritos relacionados con la Reina editados recientemente por Elisa Ruiz García, El imaginario de una reina. Páginas selectas del patrimonio escrito de Isabel la Católica (Toledo 2007). 123   Cfr. Vives, Los diálogos (cit. n. 18) 204s. 124   Cfr. Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 95, y Ladero Quesada, La España de los Reyes Católicos (cit. n. 103) 53s. 125  Cfr. Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 116s. 126   Cfr. Elio Antonio de Nebrija, La educación de los hijos, ed. León Esteban–Laureano Robles (Valencia 1981) 116 (texto latino) y 117 (texto español). El texto citado se publicó en versión española por Ángeles Galino, Textos pedagógicos hispanoamericanos (Madrid 41982) 179s. („[Cuando se debe iniciar la instrucción y educación de los niños]. Quiza no opinaran mal aquellos que dividieron la vida del hombre en septenios. Aristóteles estima que en el primer septenio se ha de tener consideración con los niños. Añade, además, dos septenios que han de ser acomodados a la educación: el primero desde los siete hasta la pubertad, el segundo desde ésta hasta los veintiún años.“). 127   Cfr. Las siete partidas del sabio rey don Alonso el nono, nueuamente glosadas por el licenciado Grego-

252

Francisco M. Gimeno Blay

Sículo proporciona a este respecto una información de capital importancia. Refiriéndose a la mocedad del futuro rey Fernando aludía al momento en el que solía iniciarse el estudio de los saberes elementales en los siguientes términos: „mas siendo de edad de siete años, en la cual convenía aprender letras, dio señales de excelente ingenio y de gran memoria. Mas la maldad de los tiempos y envidia de la fortuna cruel, impidieron el gran ingenio del Príncipe, que era aparejado para las letras, y lo apartaron de los estudios de las buenas artes; porque comenzando a enseñarse a leer y escribir, como en España se acostumbra, y entrando ya en Gramática, movióse la guerra que Don Carlos, mal persuadido de algunos, hizo cruelmente contra su padre; y así fue quitado de las letras.“128 Es posible, por consiguiente, que cuando, el año 1461, ella se instaló en la corte de su hermano Enrique IV, en Segovia, conociese ya la escritura y supiese escribir; recuérdese que la suscripción más antigua localizada pertenece a este período, como ya se ha indicado, concretamente el año 1468 (julio, 4. Cardeñosa, Ávila). Entre el 18 y el 24 de septiembre del año 1468, después de los acuerdos de Guisando, se convirtió en Princesa heredera de la corona de Castilla y León. Cuando fue coronada el 12 de diciembre del año 1474, incorporaba la escritura a la acción de gobierno no solo para firmar las cartas como se ha examinado anteriormente. Su padre, el rey Juan II, había previsto en su testamento que Isabel fuese la heredera si sus hermanos morían sin descendencia: aya e herede los dichos mis regnos la dicha infanta dona Isabel, mi fija, e sus descendientes legítimos e de legítimo matrimonio nascidos129. En relación con el aprendizaje, convendrá plantearse todavía algunos interrogantes sea sobre los materiales utilizados como sobre los modelos gráficos empleados en las muestras a partir de las cuales se ejercitó Isabel. La respuesta a estas cuestiones se encuentra precisamente en el análisis paleográfico de los testimonios recuperados. La escritura autógrafa de Isabel se sitúa en una encrucijada en la que confluyen diferentes escrituras. La primera, la gothica textualis rotunda, que la Reina conocía perfectamente a través de los libros de la liturgia latina (libros de horas, Misal, etc. ) que utilizaba para orar, o, incluso, los manuscritos bíblicos; se encuentra, asimismo, en su escritura elementos procedentes de escrituras cursivas documentales, como por ejemplo la letra R, ejecutada de forma caligráfica en su uso librario; finalmente, el ductus denuncia la imitación, tal vez, de las formas de la humanística cursiva. Sin embargo, el análisis de la escritura deberá ser minucioso, ya que el „pôle d’attraction graphique“130, „l’idea platonica della scrittura“ en palabras de Giorgio Cencetti 131, lo configuran todas las escrituras que se han mencionado. La escritura autógrafa de la Reina Católica presenta una ligera inclinación hacia la derecha. Tiende a ligar todas las letras que constituyen una sola palabra. No se aprecian, rio López del Consejo Real de Indias de su Magestad (Salamanca 1555). 128   Cfr. Lucío Marineo Sículo, Vida y hechos de los Reyes Católicos (Madrid 1943) 21. 129  Texto citado por Salvador Miguel, Isabel la católica (cit. n. 23) 95s. 130   Sobre el concepto de „pôle d’attraction graphique“ cfr. Armando Petrucci, Scrittura, alfabetismo ed educazione grafica nella Roma del primo cinquecento: Da un libretto di conti di Maddalena pizzicarola in Trastevere. Scrittura e Civiltà 2 (1978) 163–207: p. 167 („In un caso come il nostro … è sembrato quello di riconoscere il modello, scolastico e ‚normale‘, cui ciascuna di esse si richiamano e di cui ciascuna di esse si rifà più o meno direttamente, i ‚poles d’attraction‘ cui esse si richiamano e di cui ciascuna ripete in qualche modo i caratteri di fondo.“). 131  Cfr. Giorgio Cencetti, Lineamenti di storia della scrittura latina (Bologna 1954) 53 („In ciascuna épo­ca e in ciascun luogo gli atteggiamenti delle scritture spontanee dei singoli individui [le ,mani‘, le ,calligrafie‘ di ciascuno] possono essere più o meno diverse: hanno, peraltro, tutte qualche cosa in comune, se non altro il modello ideale, lo schema, lo stampo, si potrebbe dir quasi l’idea platónica dei segni alfabetici.“).



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 253

en general, modificaciones importantes que afecten a la estructura de su forma originaria como por ejemplo las ligaduras: ch o os; Isabel escribía redoblando el trazo de algunas letras tales como: p, q, e y; la d, originalmente, uncial; s, alta, realizada de un único trazo, sin levantar la pluma del papel y próxima a f y r; para la r, emplea dos formas, una muy próxima a la redonda tironiana, y la segunda es la R, de origen cursivo. Esta forma denuncia la presencia de escrituras góticas cursivas en la configuración de la „idea platónica de la escritura“ de la Reina, las cuales pueden reconocerse en letras tales como m, n, u, entre otras. Utiliza, además, la tilde de abreviación sobre n indicando la omisión de una segunda n en „senor“ por „sennor“. Por lo que respecta a las abreviaturas emplea el signo general para indicar la falta de una consonante nasal (m o n); para anunciar la presencia de una abreviatura por contracción (vra: por vuestra), o la línea horizontal localizada sobre la q para indicar que, entre otras. La escritura autógrafa de Isabel la católica es muy próxima, por lo que respecta al modelo, a la utilizada por otras mujeres pertenecientes a la nobleza castellana y al entourage de la Reina como, por ejemplo, Beatriz Galindo132; aspecto que sin embargo resultará necesario estudiar con detenimiento para así conocer mejor las causas y razones que explican este fenómeno. Convendría señalar, finalmente que la escritura de la Reina católica fue ejecutada con esmero y seguridad, rapidez y firmeza, una constante que permaneció invariable a lo largo de toda su vida.

  Cfr. Ruiz García, Los libros de Isabel la Católica (cit. n. 16) 189.

132

254

Francisco M. Gimeno Blay

Ilust. 1. Simancas (Valladolid), Archivo General, Patronato Real, Legajo 30-2. Copyright: España. Ministerio de Educación, Cultura y Deporte.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 255

Ilust. 2. Murcia, Archivo Municipal, Legajos 4272, nº 1.

Ilust. 3. Barcelona, Archivo de la Corona de Aragón, Autógrafos I1n. Copyright: España. Ministerio de Educación, Cultura y Deporte.

256 Francisco M. Gimeno Blay



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 257

Ilust. 4. Toledo, Archivo Municipal, cajón 1º, legajo 4, número 64z.

258

Francisco M. Gimeno Blay

Ilust. 5 (a–b). Casa y Sitios Reales, Legajo 47, 9 (r–v). Copyright: España. Ministerio de Educación, Cultura y Deporte.



Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 259

Ilust. 6. Ciudad del Vaticano, ASV, A.A., Anm. I–XVIII, 5020, fol. 12r–v. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

260 Francisco M. Gimeno Blay

Ilust. 7. Ciudad del Vaticano, ASV, A.A., Anm. I–XVIII, 5020, fol. 4r–v. Copyright: Archivio Segreto Vaticano.

Prácticas de escritura de Isabel la Católica: Entre privacidad y política 261

262

Francisco M. Gimeno Blay

Ilust. 8. Madrid, Real Academia de la Historia, San Román, caja 3ª, nº 4, fol. 1r.

L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

Dans son œuvre célèbre intitulée „Histoire des ducs de Bourgogne“, parue pour la première fois entre 1824 et 1826, Prosper de Barante a fait figurer, dans la suite d’illustrations qui accompagnait son texte, des reproductions des sceaux, des armoiries et des signatures autographes des princes dont il voulait raconter l’histoire. À propos de Philippe le Hardi, il écrit: „Nous nous sommes adressés à MM. Michelet, des archives du royaume, Champolion-Figeac, de la bibliothèque royale; aux bibliothécaires de Lille, de Dijon, de Bruxelles, pour avoir la signature de Philippe-le-Hardi. Les réponses de ces savants ont été unanimes: tout fait présumer que cette signature n’existe pas. Il faut donc croire que, vaillant chevalier, Philippe-le-Hardi, comme tous les barons du moyen âge, dédaignait la science des clercs.“1 Ce jugement sans appel correspond à une réalité documentaire: on ne connaît aucun acte ni aucune lettre du premier duc de Bourgogne de la Maison de Valois authentifiés par une signature autographe ou, a fortiori, portant une mention de sa main2. Peut-on en conclure que ce prince ignorait l’écriture? Le fait, s’il n’est pas invraisemblable, n’en est pas moins sujet à caution étant donné que ce fils de roi de France appartenait à une famille au sein de laquelle l’usage de la signature est bien attesté: on conserve, par exemple, des actes signés de la main du roi Jean le Bon et de ses fils Charles V, Jean, duc de Berry, et Louis I er d’Anjou3. De Charles V et du duc de Berry on observe également des marques d’appartenance autographes portées sur des manuscrits qui indiquent une parfaite maîtrise de l’écriture. Ainsi: Ce livre du sacre dez rois de France est à nous, Charles le Ve de notre nom, roy de France, et le fimes coriger, ordener, escrire et istorier l’an M CCC LXV. Charles.

1  Amable-Guillaume-Prosper Brugière, baron de Barante, Histoire des ducs de Bourgogne de la Maison de Valois, vol. 1 (Paris 61842) frontispice. 2  Claude Jeay, Signature et pouvoir au Moyen Âge (Mémoires et documents de l’École des chartes 99, Paris 2015) 292s. 3   Jeay, Signature (cit. n. 2) 92–108, 272–291; idem, La signature dans la constellation emblématique des ducs d’Anjou (XIVe–XVe siècles), dans: Autoportrait et représentation de l’individu au Moyen Âge et à la Renaissance, ed. Élisabeth Gaucher-Rémond. Le Moyen Âge 122/1 (2016) sous presse.

264

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

Fig. 1: Livre de couronnement de Charles V, Londres, BL, Cotton Tiberius B VIII, fol. 74v.

Ou encore: Ce livre est au duc de Berry. Jehan. Les princes de la Maison de Valois avaient été formés à la culture littéraire et il serait étonnant que Philippe le Hardi ait reçu une éducation différente de celle de ses frères, sauf à considérer que, Philippe étant le cadet de la famille, sa formation a pu être négligée. Toutefois, son goût bien connu pour les livres et pour les thèmes de la littérature de son temps semble montrer qu’il était loin de „dédaigner la science des clercs“4. Il est certain, en revanche que l’usage de la signature, de même que celui de la marque de propriété autographe, totalement absente de la collection de manuscrits ayant appartenue à ce duc de Bourgogne, ne se retrouvent ni dans sa vie publique ni dans sa vie privée. Il en va tout autrement de son fils Jean sans Peur (1371–1419). On est bien renseigné sur son apprentissage de la lecture et de l’écriture commencé alors qu’il était âgé de trois ans5. Celui-ci donna d’incontestables résultats: les archives conservent (ou conservaient) un certain nombre de documents revêtus de sa signature et même un acte comportant une mention de sa main. C’est en effet avec le principat de ce duc que commence l’usage de l’autographe princier dans la pratique politique et administrative bourguignonne. Il n’est pas inutile d’esquisser ici une typologie des actes permettant de s’interroger sur la raison d’être de cet usage. Un premier type de document est constitué par certains traités d’alliance passés avec d’autres princes et dans le contenu desquels la signature autographe était tout autant un signe de validation que la manifestation évidente de l’implication et de l’intervention personnelles du duc. Ainsi en est-il du traité d’assistance mutuelle scellé au Quesnoy-leComte le 21 juillet 1405, par Jean sans Peur, son frère Antoine, „duc de Limbourg, comte de Rethel et gouverneur de Brabant“, et son beau-frère Guillaume de Bavière, comte de 4  Richard Vaughan, Philip the Bold. The Formation of the Burgundian State (Woodbridge ²2002) 188– 207; Patrick M. de Winter, La bibliothèque de Philippe le Hardi duc de Bourgogne (1364–1404) (Documents, études et répertoires, Paris 1985). 5  Bertrand Schnerb, Jean sans Peur. Le prince meurtrier (Paris 2005) 29.



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 265

Fig. 2: Aristote, Du ciel et du monde, trad. fr. Nicole Oresme, Paris, BN, fr. 1082, fol. 209v.

266

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

Fig. 3: Mandement de Jean sans Peur au receveur de Lens en date du 27 juin 1411. Lille, Archives départementales du Nord, B 1884, no 53287.

Hainaut, Hollande et Zélande. Avant la mention de la date de temps et de lieu, la clause de corroboration annonce ce recours à la signature: En tesmoing de toutes ces chouses et confirmation de verité nous, Jehans, Guillaumes, Anthones susdis, avons ces presentes lettrez fait seeller de nos seeaulx secrés et signees de nostres signés manuels. Plus bas, sur le repli, l’acte est signé Jehan, Guillaume, Anthoine6. Ainsi en est-il également du traité d’alliance militaire passé à Paris le 2 avril 1413 (n. st.) entre le duc de Bourgogne et Archibald IV, comte de Douglas, dont la clause de corroboration précise, là encore, l’usage de la signature autographe: En tesmoing de ce nous, duc de Bourgoigne et conte de Douglas, avons ces présentes faictes en double, seellees des seaulx de noz armes et signees de noz saings manuelz 7. L’acte porte plus bas les signatures Jehan, Archebald. Jean sans Peur a également apposé sa signature au bas d’actes politiques de haute portée, en particulier à l’issue du manifeste qu’il fit rédiger à Hesdin le 25 avril 1417 et que, dans le contexte de la guerre civile des Armagnacs et des Bourguignons, il adressa aux bonnes villes du royaume, avant de prendre les armes en vue de reconquérir le pouvoir8. Plusieurs exemplaires signés de la main du duc sont conservés9. 6  Dijon, Archives départementales de la Côte-d’Or; Urbain Plancher, Histoire générale et particulière de Bourgogne, vol. 3 (Dijon 1748, reprint Paris 1974) preuve CCXLVII; Ordonnances de Jean sans Peur, 1405–1419, ed. Jean-Marie Cauchies (Recueil des ordonnances des Pays-Bas Série 1: 1381–1506. Section 1: Ordonnances de Philippe le Hardi, de Marguerite de Male et de Jean sans Peur 1381–1419 3, Bruxelles 2001) 31 no 24. On peut prendre également l’exemple du traité de Melun du 5 septembre 1412, par lequel Jean sans Peur, Charles, duc d’Orléans, Jean, duc de Bourbon, et Philippe d’Orléans, comte de Vertus, formèrent une alliance bien éphémère. Ce traité était signé Jehan, Charles, Jehan, Philippe. Plancher, Histoire générale 3 preuve CCLXXX. 7   Dijon, Archives départementales de la Côte-d’Or, B 11937. Voir Bertrand Schnerb, Anglais et Écossais dans les armées des ducs de Bourgogne au début du XVe siècle, dans: Guerra y Diplomacia en la Europa Occidental 1280–1480. XXXI Semana de Estudios Medievales, Estella 19–23 juillet 2004 (Pampelune 2005) 323–335. 8   Plancher, Histoire générale 3 (cit. n. 6) preuve CCCIII. 9   Voir, par exemple: Paris, AN, AE II 435 et J 963 no 7.



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 267

On trouve également la signature de Jean sans Peur sur certaines lettres closes „De par le duc de Bourgogne“, auxquelles il entendait donner une valeur et une force particulières et dans lesquelles il voulait clairement manifester sa volonté afin de montrer que les ordres ou les décisions que ces lettres portaient n’étaient pas subreptices. Ainsi en est-il de la missive qu’il adressa, le 1er décembre 1414, aux gens de la Chambre des comptes de Lille, probablement à la demande de son secrétaire Guillaume Vignier, pour préserver les intérêts de ce dernier10. De par le duc de Bourgoingne, conte de Flandres, d’Artois et de Bourgoingne. Tres chiers et bien amés. Savoir vous faisons que se, par inadvertence, importunité de requerans ou autrement en quelque manière que ce soit, depuis nostre partement de Lille, nous avons fait ou ordonné aucune chose prejudiciable a nostre amé et feal secretaire et compere11 maistre Guillaume Vignier, au regard de son office de brelenc en nostre ville de Lille, si voulons nous et nous plaist que dudit brelenc et des droiz, prouffit et emolumens qui y appartiennent, il joysse sa vie durant plainement et entierement selon la forme et teneur du don que pieça fait lui en avons, et mesmement par la forme et manière que octroyé et confermé le luy avons derrenierement audit lieu de Lille par noz lettres patentes desquelles il vous est apparu et encores apparra se mestier est par dela. Si vous mandons et commandons tres expressement et a chascun de vous par ces presentes que vous y tenez la main pour nostre dit secretaire en telle maniere que aucun empeschement ne lui soit mis en son dit brelenc ne es revenues d’icelluy en quelque manière ne pour quelconque cause que ce soit. Car afin que vous sachiez et congnoissiez certainement que ce procede de nostre vraye entencion et que nostre vouloir est que ainsi se face, nous avons cy dessoubz mis nostre nom de nostre propre main. Tres chier et bien améz, Nostre Seigneur soit garde de vous. Escript en nostre ville de Beaune, le premier jour de decembre. Jehan Bordes. Une lettre portant la signature autographe du duc était réputée avoir plus de force que si elle n’était authentifiée que par un sceau ou un signet, car cette signature était la trace de l’intervention directe et personnelle du prince. C’est le cas, par exemple, pour une lettre close datée de Provins, le 13 mai 1419, par laquelle Jean sans Peur écrivait à un écuyer de Bourgogne, qui ne manifestait aucun empressement à répondre à des convocations antérieures, pour lui ordonner de venir le plus rapidement possible auprès de lui le mieulx honnorablement et le plus grandement et efforcement acompaignié de gens d’armes et de trait. La formule de corroboration précisait le rôle d’authentification joué par la signature: Escript a Provins soubz nostre seing manuel afin que a cestes adjoustez plus grant foy12. L’usage de la signature destinée à renforcer l’autorité et la force exécutoire d’une injonction du prince se retrouve dans certains mandements donnés, toujours sous forme de lettres closes „De par le duc de Bourgogne“, portant ordre à un officier ducal d’effectuer 10   Lille, Archives départementales du Nord, B 18 770. Au dos: De monseigneur. Aportees XIX de decembre l’an mil CCCC XIIII. Touchans l’office de maistre Guillaume Vignier de brelenc de Lille. Et plus bas: A noz améz et feaulx les gens de noz comptes a Lille. 11  L’un des fils de Guillaume Vignier était le filleul du duc de Bourgogne. Pierre Cockshaw, Prosopographie des secrétaires de la cour de Bourgogne (1384–1477) (Instrumenta 16, Ostfildern 2006) 99 (Guillaume Vignier y est, par erreur, appelé Viguier). 12  Dijon, Archives départementales de la Côte-d’Or, B 11 876.

268

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

Fig. 4: Lille, Archives départementales du Nord, B 18 770.

un versement – ce type de mandement, en effet, suscitait souvent des résistances qu’il fallait vaincre. En juin 1411, par exemple, Jean sans Peur dut apposer sa signature sur un tel mandement adressé au receveur de Lens qui refusait de verser une somme de 47 francs d’or à un écuyer de son hôtel13. De par le duc de Bourgoingne, conte de Flandres, d’Artois et de Bourgoingne. Chier et bien amé, nostre amé et feal escuier eschançon Charles de Recourt a levé sur vous une descharge de quarante sept frans et ycelle vous a presentee pour en estre contenté. Neantmoins, vous ne lui en avez aucune chose vous [sic, pour: voulu] paier sanz avoir sur ce mandement de nous. Pour quoy nous, qui voulons ledit Charles estre plainement paié d’icelle descharge, attendu les fraiz et missions qui lui a convenu et convient soustenir pour soy armer et mettre sus pour nous servir, comme mandé lui avons, vous mandons tres expressement que ladicte somme de XLVII fr. vous lui bailliez et delivrez en prenant de lui vostre acquit, et en ce ne faites aucune faulte. Et afin que vous sachiez que c’est nostre plaisir nous avons signé ces lettres de nostre propre main. Chier et bien amé, Nostre Seigneur soit garde de vous. Escript en nostre ville d’Arras le XXVIIe jour de juing. Jehan Bordes. 13

  Lille, Archives départementales du Nord, B 1884 no 53287.



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 269

C’est dans un contexte administratif et financier similaire que le duc renforça, par une mention autographe (la seule connue) et sa signature, un mandement du 9 septembre 1408, adressé au bailli de Bruges pour lui donner l’ordre de payer 500 écus d’or à un grand seigneur écossais, Alexandre Stuart, comte de Mar, qu’il voulait intégrer à son armée avant la campagne de Liège. La formule menaçante employée par le duc devait, préventivement, vaincre les velléités de résistance du bailli14: Bailli, acomplissez ce que je vous escri ou sinon je vous monstrerai qu’il m’en desplera! Plus bas se trouve la signature du prince Jehan précédant celle du secrétaire Fortier.

Fig. 5: Bruxelles, Archives Générales du Royaume, Acquits de Lille no 2087 (original perdu), reproduit dans Vaughan, John the Fearless, fig. 3.

À partir de 1416, l’usage de la signature du prince se modifia. Le 10 juin de cette année-là Jean sans Peur apposa sa signature à un acte normatif générateur de droit donné sous forme de lettres patentes, à savoir la prisée de la seigneurie flamande de Kaprijke qui avait été vendue à un conseiller ducal, maître Daniel Alaerts15. Dans cet acte, l’apposition de la signature en tant que signe de validation venant s’ajouter au sceau fait l’objet d’une annonce développée qui en éclaire parfaitement la signification: Et affin que ce soit ferme chose et estable a tousjours mais et que chascun sache et puisse trouver en temps ad venir que tout ce que dit est a esté fait, vient et procede de nostre propre mouvement, voulenté et plaisir, 14  Bruxelles, Archives Générales du Royaume, Acquits de Lille no 2087 (original perdu). Voir une reproduction dans Richard Vaughan, John the Fearless. The Growth of Burgundian Power (Woodbridge ²2002) fig. 3. 15  Ordonnances de Jean sans Peur, ed. Cauchies (cit. n. 6) 417 no 253.

270

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

pour les causes avant dites et pour la bonne et singuliere affeccion que avons audit maistre Daniel et non pas a la requeste ou poursuite d’icelui, qui en tout ce que dit est nous a voulu et veult obeyr et complaire, avons fait mettre nostre seel a ces presentes et en ycelles cy dessoubz escript nostre propre nom de nostre main meismes16. L’apposition d’une signature à un acte lié à une faveur ducale semble la première du genre. En tout état de cause, elle précède de quelques mois une ordonnance donnée à Hesdin le 2 novembre 1416, par laquelle le duc, constatant que beaucoup de lettres de don étaient attribuées sans véritable contrôle, conditionna à l’avenir la validité de tels actes à la présence de sa signature parmi les signes de validation17: … avons par la deliberacion de nostre conseil, voulu et ordonné, voulons et ordonnons par ces presentes que tous les dons et remissions, tant de sommes d’argent comme amendes, forfaitures, confiscations, rentes a vie, seignouries, bois et autres choses quelxconques, tant de nostredit demaine que autrement, que doresenavant ferions ou pourrions a quelque personne ou personnes que ce soit ou puist estre, soient de nulle valeur ou effect … se premierement elles n’estoient signees de nostre propre main. Comme on pouvait s’y attendre, et contrairement à ce qui avait été prévu, on ne constate nullement, par la suite, un usage systématique de la signature du prince sur les lettres de don. La majeure partie fut validée par la seule apposition du grand sceau ou du sceau du secret. Il est toutefois juste de constater qu’à partir de l’élaboration de cette ordonnance, l’usage de la signature ducale, jusqu’alors réservé à certains actes diplomatiques et politiques et aux lettres closes „De par le duc de Bourgogne“, s’étendit à des actes d’administration concernant le domaine et les finances donnés sous forme de lettres patentes: on trouve par exemple un don en faveur de Pierre de Le Delst, chevalier et conseiller du duc, donnée à Lille le 14 janvier 1417, signé en marge Jehan, ce qui semble correspondre à l’application de l’ordonnance du mois de novembre précédent18. On relève encore la signature ducale au bas de textes normatifs, comme l’ordonnance du 29 janvier 1417 (n. st.) fixant le taux des frais journaliers d’ambassades et de voyages effectués par des conseillers et officiers ducaux, la clause de corroboration précisant: En tesmoing de ce nous avons soubzscript nostre nom de nostre propre main et fait mettre nostre seel secret en absence du grant a ces presentes19. On le voit, durant le principat de Jean sans Peur, l’usage de l’autographe a évolué, passant du domaine politique et diplomatique à celui de l’administration, dans lequel, il fit une percée en tant que moyen de validation. Le caractère personnel de la signature et de la mention autographe était un argument pour manifester la volonté du prince et son intervention directe dans le processus de prise de décision: Et affin qu’il vous appere que ceste chose vient et procede de nostre voulenté et ordonnance, nous, a ces presentes, avons mis nostre nom, peut-on lire à la fin d’un acte donné à Lagny le 3 août 1419 par lequel Jean sans Peur reconnaissait solennellement la franchise judiciaire de la seigneurie de Termonde à l’égard du Conseil de Flandre20. On ne saurait toutefois omettre qu’en matière de signature, le duc Jean disposait d’un „secrétaire de la main“ ante litteram en la personne de Philippe Musnier, dit Jossequin, son garde des joyaux et homme de confiance, dont le chroniqueur Enguerrand de Monstrelet écrit que Jean sans Peur lui faisoit porter son seel de secret et signer lectres de sa main comme se ledit duc les eust signees, et y avoit peu de difference   Ibid.   Ibid. 422–423 no 258. 18  Lille, Archives départementales du Nord, B 1908 no 54 202. 19  Ordonnances de Jean sans Peur, ed. Cauchies (cit. n. 6) 434 no 265. Voir aussi l’ordonnance du 16 mars 1417 (n. st.). Ibid. 434–436 no 266. 20  Ibid. 497 no 307. 16 17



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 271

du signe que contrefaisoit ledit Phelippe Jossequin a l’encontre de cellui que faisoit ledit duc de sa propre main21. Le duc Jean sans Peur ayant été assassiné sur le pont de Montereau le 10 septembre 1419, son fils Philippe le Bon (1396–1467), en lui succédant en tant que duc de Bourgogne, reprit les usages politiques et administratifs de son père. Parmi ceux-ci, figurait le recours à la signature autographe. Philippe, qui avait bénéficié d’une formation intellectuelle soignée, avait été très tôt familiarisé avec les pratiques de gouvernement. Il reçut en particulier des délégations de pouvoir qui, à partir de 1411, l’amenèrent à jouer un rôle de plus en plus important en Flandre. L’associant étroitement à l’action gouvernementale et préparant sa succession, son père lui demanda en particulier, à partir de 1411, de confirmer certains de ses actes concernant le comté de Flandre et c’est dans ce cadre que Philippe, qui portait alors le titre de comte de Charolais, commença à apposer sa signature. Les premières occurrences, datant d’avril et juillet 1411, montrent que, dans ce cas, le recours à la signature en tant que signe de validation était rendu nécessaire parce que le jeune prince, alors âgé de 15 ans, ne disposait pas encore d’un sceau personnel; il était, d’ailleurs, explicitement prévu que la validation des actes concernés devrait être par la suite confirmée par l’apposition du sceau: Et nous, Phelippe de Bourgoingne, conte de Charolois, promectons pour nous et noz successeurs les choses dessus dittes et chascune d’icelles tenir a tousjours fermes et estables et les loons, greons, consentons et approbons en signe et tesmoing de nostre nom, que avons a grigneur corroboration des choses dessus dittes escript de nostre proppre main en cestes pour ce que encoires ne avons ou usons point de seel, promectans en bonne foy, au plus tost que aurons et userons de seel, le mectre a cestes. Fait a Arras, le jeudy absolut, le IXe jour dudit mois d’avril l’an dessus dit [1411 n. st.]. À partir de 1414, Philippe, détenant désormais un sceau, put recourir à la signature pour des usages plus spécifiques. Venons-en à présent aux autographe et signature dans le chef de Philippe le Bon, duc de Bourgogne en titre. Il apparaît que, dans le corpus de sources de son principat, les textes autographes deviennent plus fréquents. Alors que, comme on l’a vu, on n’en connaît qu’un seul pour Jean sans Peur, l’on peut en pointer un certain nombre (dont certains conservés) pour son fils et successeur. Sur le plan typologique, on peut en distinguer au moins trois catégories. En premier lieu, le duc a rédigé de sa main des lettres closes dans le cadre d’une correspondance privée dont on n’a pas de traces pour le principat précédent: c’est le cas des lettres adressées par le duc à son neveu Jean, duc de Clèves, éditées par Armand Grunzweig en 192522. Elles sont entièrement de sa main. En deuxième lieu, la correspondance politique et diplomatique entretenue par Philippe le Bon avec le roi de France et les princes français offrent non seulement des exemples de recours systématique à la signature, mais aussi d’utilisation de mentions autographes destinées à renforcer l’authentification du document et d’y ajouter une marque plus personnelle. Ainsi dans une lettre adressée en novembre 1454 par Philippe le Bon à son cousin Charles, duc d’Orléans23, le texte, rédigé 21  Enguerrand de Monstrelet, Chronique, ed. Louis-Claude Douët-d’Arcq, vol. 3 (Paris 1859) 351. Sur la carrière de ce personnage, voir Schnerb, Jean sans Peur (cit. n. 5) 371–381. 22   Armand Grunzweig, Quatre lettres autographes de Philippe le Bon. Revue belge de Philologie et d’Histoire 4 (1925) 431–437. 23   Ce document (Paris, BN, fr. 5041, fol. 18r) est transcrit dans Pierre Champion, Vie de Charles d’Orléans (1394–1465) (Bibliothèque du XVe siècle 13, Paris 1911) 458s., et reproduit dans Richard Vaughan, Philip the

272

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

par un secrétaire du duc, est complété par une mention autographe par laquelle Philippe demande à son correspondant d’accorder créance à ceux qui allaient lui fournir, oralement, des informations; ces quelques lignes servaient aussi de signe d’authentification: Monseigneur, vous sarés tout par Jehan d’Amancier et mon chancellier. Plus ne puis pour le present escrire, sy le me pardonnés, je vous en prie comme le vostre qui est et sera tel, du petit povoir que j’ay. Phelippe. En troisième lieu, on connaît au moins un exemple de missive ducale dont la teneur se résume à une formule de ce type: il s’agit d’un billet autographe de Philippe le Bon que l’on peut dater sans erreur du 11 septembre 1432, dans lequel le duc s’adresse à Nicolas Rolin, son chancelier, et à Antoine de Toulongeon, son maréchal de Bourgogne, en les apostrophant d’une manière assez peu protocolaire: Chancellier et mareschal, fix de pustain, creés Jehan de Moisy de ce qu’il vous dira de par moy comme moy mesmes. Escript et signé de ma bonne et digne main a Louvain le XIe jour de septembre. Phelippe 24. Il est vrai qu’on retrouve là, translaté dans le domaine de l’action gouvernementale, le style direct et cru qui est bien attesté dans la correspondance échangée entre Philippe le Bon et le duc de Clèves (Monseigneur Fin Fin, je me recommande à toutes vos bouelz …). Toutefois, l’utilisation d’une adresse aussi particulière renforçait à coup sûr l’authentification du message, car qui, sinon le duc lui-même, aurait pu recourir à un vocable dont il avait probablement l’usage lorsqu’il s’adressait à ses familiers? Parmi cet objet d’étude de grande ampleur qu’est la signature de Philippe le Bon, lequel ne pourra être finement appréhendé que parallèlement à la collecte de sa correspondance, nous avons choisi de porter notre regard sur la présence de la signature ducale, agrémentée d’un paraphe, dans un corpus très strictement circonscrit de 70 documents originaux25 repérés parmi l’ensemble de la documentation à caractère comptable et financier conservée aux Archives du Nord à Lille, une riche collection réunissant notamment un très grand nombre de quittances et de mandements26. La signature apparaît sur une très large majorité de documents en parchemin qui sont aussi des actes à suscription ducale, non scellés, auxquels viennent s’ajouter quelques lettres closes „De par le duc“, sur papier, à signet plaqué, du type de celles que l’on dit parfois conclues par une signature non autographe27. Très logiquement, seules ces dernières lettres comportent celle d’un secrétaire28. Good. The Apogee of Burgundy (Woodbridge ²2002) 190s. 24   Dijon, Archives départementales de la Côte-d’Or, B 11 942 no 225. 25   Soit, dans l’ordre chronologique: Lille, Archives départementales du Nord, B 1936 no 55517; B 1955 no 57011; B 1958 45, no 57285, 46, no 57286, 4, no 57281, 49, no 57289, 42, no 57282, 43, no 57283, 44, no 57284; B 20178 no 156234; B 1985 no 59256; B 1984 no 59102; B 1992 no 59834, 59838, 59832, 59831, 59839, 59830, 59833; B 1995 no 60045, 60044; B 1997 no 60122, 60121, 60119, 60123; B 1995 no 60117; B 2001 no 60237, 60238, 60265, 60239; B 20178 no 156235; B 2003 no 60316, 60374, 60318, 60319; B 2013 no 61108; B 2010 no 60911; B 2011 no 60956; B 2013 no 61104, 61102, 61092; B 3375 no 113529, 113513; B 2013 no 61103, 61109; B 2018 no 61368, 61358, 61360, 61364, 61362; B 2021 no 61561, 61576, 61572, 61566; B 2023 no 61727, 61741, 61732, 61734, 61739, 61729, 61737, 61724, 61731, 61722, 61738, 61744; B 2027 no 61909, 61918; B 2031 no 62185, 62186. 26  Une version plus développée du présent propos est publiée dans Jonathan Dumont–Alain Marchandisse, La signature dans les lettres du duc de Bourgogne Philippe le Bon, dans: L’épistolaire politique II. Authentiques et autographes (VIe–XVIe s.), ed. Bruno Dumézil–Laurent Vissière (Cultures et civilisations médiévales, Paris 2016) sous presse. 27  Voir à ce propos et pour le cas français Béatrice Fraenkel, La signature. Genèse d’un signe (Bibliothèque des Histoires, Paris 1992) 95. 28  Les lettres concernées sont Lille, Archives départementales du Nord, B 1955 no 57011; B 1958 45, no



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 273

L’occurrence initiale, à l’entame de la première période circonscrite dans notre corpus, est datée du 1er décembre 142629. Philippe y promet à Henri Goethals, doyen du chapitre cathédral de Liège, le remboursement d’une somme de 1000 couronnes que celui-ci lui a prêtée. Ce texte, très court, nous permet d’emblée de préciser la nature des actes qui composent notre collection. Pour la majeure partie d’entre eux, il s’agit de mandements ducaux, principalement des ordres envoyés par le duc à ses officiers, même si l’on compte également des promesses de paiement qui sont autant de reconnaissances de dettes, diverses quittances et même le texte d’un marché négocié par la duchesse Isabelle de Portugal. Il en va du présent texte comme de bien d’autres, dans le recueil: manifestement ils concernent des affaires à forte teneur privée. Aussi bien, le parfum d’intimité qui s’en dégage est renforcé par les termes y usités, qui entretiennent volontairement une certaine opacité sur les affaires en question. Philippe déclare en effet ici avoir reçu cet argent pour aucunes noz besoingnes et affaires secretes. L’on apprendra par la suite30 que le prêt devait contribuer à financer le siège de Zevenbergen, en 1427, dans le cadre de la guerre qui opposait Philippe le Bon et Jacqueline de Bavière pour la succession au comté de Hollande. Comme bien d’autres, ce texte de 1426, dans lequel Philippe promet de loyaumment rendre et bien payer l’argent prêté et précise que son seing manuel en fait foi, engage très directement la personne du duc, tout particulièrement ses finances, et révèle l’importance de la signature comme signe de cet engagement. Cette constatation peut également être faite à la lecture d’une lettre close, datée de Dijon le 13 mars 1435, dans laquelle Philippe enjoint la Chambre des comptes de Lille de faire en sorte que son valet de chambre et peintre, Jan Van Eyck (ca. 1395–1441), puisse jouir de la pension à vie qu’il lui a octroyée31. Philippe intervient donc ici personnellement pour assurer des revenus à l’un des membres de son Hôtel, qui plus est le peintre par excellence de sa cour, régulièrement sollicité par lui32. Les autres documents de cette première période du principat de Philippe le Bon s’attachent à une institution tout à fait spécifique de l’État bourguignon: la Garde des joyaux ducaux. Créée par Philippe le Hardi en 1395–1396, cette officine placée sous le contrôle du garde du même nom avait la mission de prendre soin des parures ducales, mais aussi, plus globalement, d’un large ensemble de ses biens précieux: l’or, la vaisselle d’or et d’argent, les vêtements et ornements de sa chapelle ainsi que sa bibliothèque personnelle. Toutes ces pièces pouvaient, le cas échéant, être mises en gage afin de générer des liquidités ou encore d’apaiser les créanciers33. Sous le règne de Philippe le Bon, elle 57285; B 1958, 46, no 57286; B 1958, 4, no 57281; B 1958, 49, no 57289; B 1958, 42, no 57282; B 1958, 43, no 57283; B 1958, 44, no 57284; B 1984 no 59102; B 2010 no 60911. 29   Ibid., B 1936 no 55517 (s.l., 1er décembre 1426). 30   Ibid., B 1937 no 55566: le 16 décembre 1427, un mandement ducal préconise le remboursement à Goethals, par la Chambre des comptes de Lille, de la somme en question, affectée audit siège. 31   Ibid., B 1955 no 57011 (Dijon, 13 mars 1435), éd. dans William Henry James Weale, Hubert and John van Eyck. Their Life and Work (Londres–New York 1908) XLII–XLIII, doc. 24 (document mal daté), replacé dans son contexte par Jacques Paviot, La vie de Jan van Eyck selon les documents écrits. Revue des Archéologues et Historiens d’Art de Louvain 23 (1990) 83–93, spéc. 89s. 32  Ibid. 83–93. 33  Robert-Henri Bautier–Janine Sornay, Les sources de l’histoire économique et sociale du Moyen Âge, t. 2: Les États de la Maison de Bourgogne, vol. 1: Archives centrales de l’État bourguignon (1384–1500). Archives des principautés territoriales, 1: Les principautés du Sud (Paris 2001) 55; Andrée Van Nieuwenhuysen, Les finances du duc de Bourgogne Philippe le Hardi (1394–1404). Économie et politique (Université libre de Bruxelles, Travaux de la Faculté de Philosophie et Lettres 90, Bruxelles 1984) 394; Jacques Paviot, Jacques de

274

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

se mue en une sorte de caisse privée confiée aux bons soins d’un homme de confiance du duc, Jean de Lachenel ou Lachenal, dit Boulogne, et est alimentée par des revenus divers provenant de la Chambre des comptes de Lille. Le duc pourra y puiser à loisir afin d’éviter les désagréments causés par des fonctionnaires récalcitrants, mais aussi pour pallier les lenteurs inhérentes à cette même administration, le garde des joyaux pouvant, en effet, contrairement aux autres officiers de finance, opérer des achats sans recourir au receveur général des finances34. Entre octobre 1437 et mars 1438, plusieurs lettres closes seront envoyées par Philippe le Bon à Jean de Lachenel. Par quatre d’entre elles35, tout d’abord, il l’enjoint à remettre divers joyaux à Jean Abonnel, dit Le Gros, son receveur général des finances, à Guy Guilbaut, son trésorier, au clerc de ce dernier, Thomas Malet, à d’autres encore, afin de garantir des emprunts. Le 14 octobre 1437, il a toutefois soin de préciser qu’il convient de préserver les joyaux nécessaires à la célébration des festes de la Toussains et de nostre ordre a la saint Andry prochains, la Toison d’or s’entend, et ceux qu’il porte habituellement à ces occasions36. Trois autres documents, de même nature et relatifs à la Garde des joyaux, n’ont aucun rapport avec les précédents. L’un, le 26 janvier [1438]37, a pour objet la remise de 3000 florins du Rhin à Richard Juif, le maître des chambres aux deniers du duc, ou à Humbert de Plaine, pour les dépenses de l’Hôtel. Les deux autres mettent en scène deux personnages importants du temps: à Jean de Bourgogne, comte d’Étampes, il devra être conféré 700 livres sur l’argent de son mariage38; c’est également parmi celui-ci que devront être puisés les 1000 ridders qui constitueront certaines provisions tres prouffitables au relievement du povre peuple d’entre les rivieres de Somme et d’Oyse, promises à Étienne de Vignolles, alias La Hire, l’un des compagnons de Jeanne d’Arc, dans le cadre des négociations menées par le comte d’Étampes avec les capitaines au service de Charles VII, alors que la guerre faisait rage en Picardie et dans les villes de la Somme39. À la suite d’une première série de lettres attestant que le duc signait dans des matières qui le concernaient au premier chef, une seconde renforce ce sentiment. Elles sont cette fois relatives à une nouvelle institution mise en place par le duc dans les années 1440: l’Épargne, „une caisse privée, servant, avant toute autre chose, à suffire aux besoins immédiats et imprévus40“ du duc sans que celui-ci ne soit forcé d’en référer à la recette générale des finances, en d’autres termes une véritable caisse noire pour le duc. Celle-ci était déjà en place le 6 août 144641. On peut l’imaginer, l’Épargne, cet organe de pouvoir totalement entre les mains du duc, se révéla être l’un de ses outils privilégiés dès lors qu’il s’agisBrégilles, garde des joyaux des ducs de Bourgogne Philippe le Bon et Charles le Téméraire. Revue du Nord 77 (1995) 313–320, spéc. 314s. 34  P[ierre] Kauch, Le Trésor de l’épargne, création de Philippe le Bon. Revue belge de Philologie et d’Histoire 11 (1932) 703–719, spéc. 707s. Ces remarques sont également valables pour l’Épargne dont il sera question infra. 35  Lille, Archives départementales du Nord, B 1958 45, no 57285 (Damme, 14 octobre [1437]), 49, no 57289 (Arras, 25 février [1438]; une écriture plus récente indique „1436“ sur le document), 43, no 57283 (Arras, 12 mars 1438), 44, no 57284 (Arras, 19 mars [1438]). Les dates des trois documents datés de façon imprécise, sont établies, avec grande vraisemblance, par comparaison avec celle, très précise, de ibid., B 1958 43, no 57283. 36  Ibid., B 1958 45, no 57285. 37   Ibid., B 1958 46, no 57286. 38   Ibid., B 1958 4, no 57281 (Arras, 1er février 1438). 39   Ibid., B 1958 42, no 57282 (Arras, 8 mars 1438). 40  La définition la plus complète de l’Épargne est donnée par Kauch, Le Trésor de l’épargne (cit. n. 34) 704. 41  Bautier–Sornay, Les sources de l’histoire économique et sociale (cit. n. 33) 56; Kauch, Le Trésor de l’épargne (cit. n. 34) 708.



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 275

sait de satisfaire ses goûts de luxe, de mener une politique de prestige faite d’achats coûteux de denrées rares et précieuses ou encore d’offrir ces dernières en cadeaux à des hôtes de marque lors d’événements importants. Il nous faut cependant signaler, en exergue, que pendant les premières années de fonctionnement de l’Épargne, soit entre 1442 et 1446, certaines matières qui seront plus tard de son seul ressort connaissent encore parfois un traitement par la recette générale des finances. C’est par exemple le cas d’affaires liées à des joyaux et à de l’orfèvrerie, telle celle qui est évoquée par cette lettre close du 15 mars 1445 dans laquelle le duc prie le receveur d’Hesdin, Jean Gibert, de remettre de la vaisselle et quelque joyau à David de Brimeu, bailli de ladite ville, pour le baptême du fils de feu Colard Le Flamand, valet servant du duc42. À l’inverse, durant toute la période qui nous occupe, des matières qui, normalement, échappent à l’Épargne, c’est-à-dire relatives au fonctionnement de l’État bourguignon et non aux affaires privées du duc, seront parfois traitées par celle-ci, sans que l’on sache vraiment pourquoi. Il en va ainsi de cet achat de pièces d’artillerie, le 3 décembre 1456, au dénommé Lambert Leleu, ouvrier de bombardes de Mons43. Quoi qu’il en soit, il convient de dire avec force que, parallèlement à ceux relevant de la Garde des joyaux, l’on voit apparaître, dans un second volet de notre corpus textuel, couvrant la période 1446–1459, un grand nombre de signatures ducales sur des documents destinés à l’Épargne. Il est possible de dresser une typologie des affaires concernées par cette documentation. Comme à la période précédente, plusieurs actes rassemblés, dix pour être précis, ne permettent en aucune manière d’identifier les affaires dont ils rendent compte de façon sibylline, le duc estimant ne pas avoir à se justifier pour des dépenses affectées à sa cassette privée44. Un deuxième ensemble de textes sont relatifs aux membres de l’Hôtel ducal. Si, là encore, plusieurs d’entre eux ne permettent pas d’identifier les affaires auxquelles ils se rattachent, des textes plus explicites s’offrent parfois au lecteur. L’on découvre, par exemple, un mandement daté du 1er septembre 1453 qui octroie à Jean (II) Hinckaert, conseiller et maître veneur du duc, un remboursement de 142 livres, 16 sous pour ses frais lors des parties de chasse organisées par le duc près de Hesdin entre octobre et décembre 145245. Pour l’achat des chevaux et oiseaux de proie nécessaires à ses activités cynégétiques, l’une de ses distractions favorites, Philippe n’hésite pas à consacrer quelque argent de l’Épargne46. Les officiers ducaux en charge de ses animaux de proie jouissent à ce titre de rétributions tout à fait spécifiques47. Toujours à propos de l’Hôtel ducal apparaissent également des pièces ayant trait aux frais occasionnés à certains serviteurs par les campagnes militaires du duc. Le 21 avril 1453, à ce titre, il est fait mention d’un certain Jean Valon, aide de fourrière, que le duc équipe de pied en cap pour l’armee que presentement mettons sus 48, vraisemblablement lors des guerres qu’il mena, en 1452–1453, contre les Gantois. Par un autre   Lille, Archives départementales du Nord, B 1984 no 59102 (Bruxelles, 15 mars 1445).   Ibid., B 2023 no 61738 (Louvain, 3 décembre 1456). 44  Ibid., B 1992 no 59833 (Gand, 18 janvier 1447); B 1995 no 60044 (Bruges, 20 avril 1444); B 1997 no 60123 (Bruxelles, 19 décembre 1447); B 1995 no 60117 (s.l., décembre 1447); B 2001 no 60265 (Hesdin, 7 août 1448); B 2018 no 61368 (Dijon, 8 novembre 1454); B 2021 no 61566 (La Haye, 23 décembre 1455); B 2023 no 61727 (Bruges, 1er avril 1456); B 2023 no 61732 (Bruges, 15 avril 1456); B 2027 no 61918 (Bruges, 10 mars 1458); B 2031 no 62185 (Bruges, 19 avril 1458). 45  Ibid., B 2013 no 61092 (Lille, 1er septembre 1453). 46  Ibid., B 1995 no 60045 (Bruges, 15 avril 1447); B 1992 no 59834 (Bruxelles, 8 novembre 1446). 47  Ibid., B 2023 no 61729 (La Haye, 20 juillet 1456). 48  Ibid., B 2013 no 61104 (Lille, 21 avril 1453). 42 43

276

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

document, du 8 novembre 1456, Henri de Heyck, esprivitier du duc, et ses compagnons se trouvent remboursés pour les dépenses qu’ils ont consenties en la guerre d’Utrecht en nostre compaignie 49, autrement dit la campagne militaire menée alors par le duc dans l’évêché d’Utrecht afin de placer son fils bâtard David sur le trône épiscopal. Philippe le Bon a également à cœur d’entretenir les différents logis qu’il possède dans ses États. Nous disposons, par exemple, de plusieurs pièces relatives à des travaux effectués en l’hostel verd du duc à Bruges durant les années 1448–1449. Les 24 et 31 juillet 1448, selon deux de nos documents, les travaux ont débuté50. Deux autres mandements, datés respectivement des 24 janvier 1449 et 29 septembre 1448, signalent la construction de deux nouvelles chambres51 et explicitent tout l’intérêt que le duc porte à l’aménagement des jardins, aménagement pour lequel il sollicite un certain Jacquemart du Bos52. Viennent ensuite une série de pièces montrant que Philippe le Bon a le souci de son salut et de celui de ses ancêtres. Il distribue ainsi plusieurs aumônes dont certaines sont dites secretes53. Philippe fonde également des messes pour les défunts, qu’il s’agisse des ames de tous les trespassez generalment54 ou celle de personnages bien spécifiques, tel son fils le Grand bâtard Corneille de Bourgogne, tué à Rupelmonde, le 16 juin 1452, face aux révoltés gantois55. Nous disposons également d’un document fort intéressant, daté du 19 décembre 1447, dans lequel le duc de Bourgogne verse diverses sommes d’argent à des ecclésiastiques, notamment certains évêques des Innocents, de Louvain en Brabant où il était venu entendre la messe; par la même occasion, il distribue plusieurs pensions à des chanteurs originaires d’autres contrées – Cambrésis, pays de Liège et Savoie – qui lui ont plu et qu’il désire retenir dans sa chapelle56. Soin de l’âme rime ici avec plaisir des sens, mélomanie et … préservation de ses intérêts. Mais les dépenses les plus importantes demeurent assurément celles auxquelles le duc consent pour l’érection des tombeaux de ses ancêtres. C’est ainsi que, le 29 décembre 1454, Philippe fait remettre au sculpteur Jacques de Gérines, dit Koperslager, la somme de 500 couronnes d’or sur les 2000 qu’il lui doit afin que l’artisan livre dans les deux ans un tombeau en laiton et en pierre d’Antoing, en l’église Saint-Pierre de Lille, pour le comte de Flandre Louis de Male, son épouse, Marguerite de Brabant, ainsi que leur fille, Marguerite de Male, la grand-mère de Philippe57. Ce texte fait d’ailleurs écho à un contrat du 29 octobre 1453 passé par Isabelle de Portugal ou nom de monseigneur le duc, son époux – lequel signe le document –, avec le même artisan et où sont décrits point par point les divers éléments du tombeau58. Le souci d’honorer la mémoire des défunts de la maison de Bourgogne se manifeste également à l’endroit de la sœur de Philippe, Anne de Bourgogne, épouse de Jean de Lancastre, duc de   Ibid., B 2023 no 61731 (Bruxelles, 8 novembre 1456).   Ibid., B 2001 no 60237 (Hesdin, 24 juillet 1448), 60238 (Hesdin, 31 juillet 1448). 51   Ibid., B 2003 no 60374 (Lille, 24 janvier 1449). 52   Ibid., B 2001 no 60239 (Hesdin, 29 septembre 1448). 53  Ibid., B 1992 no 59832 (Gand, 1er janvier 1447); B 2021 no 61572 (La Haye, 20 décembre 1455). 54   Ibid., B 2023 no 61739 (La Haye, 24 mai 1456). 55  Ibid., B 2018 no 61364 (Bruges, 28 mars 1455); 61379 (1er avril 1455). 56   Ibid., B 1997 no 60119 (Bruxelles, 19 décembre 1447). 57  Ibid., B 2018 no 61358 (Dijon, 29 décembre 1454), éd. dans Alexandre Pinchart, Jacques de Gerines, batteur de cuivre du XVe siècle, et ses œuvres. Bulletin des Commissions royales d’Art et d’Archéologie 5 (1866) 114–136, spéc. 126; Lille, Archives départementales du Nord, B 2023 no 61722. 58  Ibid., B 3375 no 113513 (Lille, 29 octobre 1453), éd. dans Jules Houdoy, Tombeaux de Baudouin V et de Louis de Male, comtes de Flandres. Revue des Sociétés savantes des Départements, Sér. 6, 3 (1er semestre 1876, 1877) 517–522, spéc. 520–522. 49 50



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 277

Bedford, pour qui il fait ériger un tombeau dans l’église du couvent des célestins de Paris, ainsi qu’en atteste le paiement d’une somme de 138 livres, 7 sous, 6 deniers à la veuve du sculpteur Guillaume Vluten59. À côté de nombreuses affaires spécifiques, souvent liées à des achats de biens60 ou à des dettes que le duc éponge auprès de ses créanciers61, l’on entrevoit parfois des affaires insolites. Il en va par exemple ainsi du balenier ducal Notre-Dame de Boulogne, amarré dans le port de l’Écluse, auquel le duc tient tout particulièrement puisque, le 12 août 1452, on le voit consacrer 368 écus d’or à des réparations au navire62 et, pratiquement quatre ans plus tard, le 5 avril 1456, aux mêmes fins, y ajouter 1000 écus d’or, remis entre les mains du Portugais João Pires, appelé maistre de nostre balenier par le duc63. Entre temps, le balenier avait subi de lourdes avaries lors d’un accrochage, non loin de Barcelone, avec un bâtiment catalan. Mais l’activité qui mobilise la plupart des ressources de l’Épargne et sur laquelle se focalise donc l’attention du duc demeure l’achat de joyaux, de bijoux, de pièces d’orfèvrerie et de manuscrits enluminés, en d’autres termes des objets précieux, extrêmement coûteux, qui auparavant étaient achetés par la Garde des joyaux. Parmi tous ces marchands et ces artisans qui s’empressent d’honorer les commandes de leur fastueux client, quelques noms apparaissent plus souvent que d’autres, preuve de la confiance que Philippe leur accorde. Ainsi Étienne de La Poele, orfèvre à Bruxelles, à qui il achète le 19 novembre 1447 plusieurs bijoux dont une broche en or pour son escherpe ainsi que des annelets d’or assiz a trois de noz manteaulx 64. Il recourt à nouveau à ses services en 1449 pour des garnitures d’or sur un coutel de Turquie, une aiguiere de vaire ainsi que pour les réparations apportées à des objets en or, tel le baston d’or dont on touche nostre viande et nostre colier de la Toison d’or  65. Un autre artisan, Guillaume Vlueton, le quasi-homonyme du sculpteur évoqué plus haut, actif à Bruges entre 1453 et 1460, offre souvent ses services au duc de Bourgogne. Ainsi, en mai 145566, il est rétribué pour des tasses d’argent, tandis qu’en juillet 1456, l’orfevre et varlet de chambre du duc livre plusieurs pièces d’or et d’argent67. Enfin, considérés par le duc et son garde de l’Épargne comme des biens de même nature que joyaux ou pièces d’orfèvreries, c’est-à-dire des objets destinés à être échangés ou vendus au besoin, les manuscrits peints trouvent également une place de choix au sein de cet ensemble de commandes prestigieuses. Un mandement ducal du 3 avril 145568 est à ce titre tout à fait éclairant. Philippe le Bon y dédommage Jean le Doux, l’un de ses maîtres 59  Lille, Archives départementales du Nord, B 2013 no 61109 (Lille, 1er février 1454), 61724; B 2027 no 61909. 60  Ibid., B 20178 no 156235 (Arras, 31 décembre 1448). 61  Ibid., B 2011 no 60956 (s.l., 15 mars 1453). Voir aussi ibid., B 2013 no 61102 (Lille, 22 avril 1453). 62  Ibid., B 20178 no 156234 (Bruxelles, 12 août 1452). 63  Ibid., B 2023 no 61741 (Bruges, 5 avril 1456). 64  Ibid., B 1997 no 60121 (Bruxelles, 19 novembre 1447). 65  Ibid., B 2003 no 60319 (Bruges, 28 juin 1449). 66  Ibid., B 2021 no 61561 (Bruges, 10 mai 1455). 67  Ibid., B 2023 no 61737 (La Haye, 20 juillet 1456). 68  Ibid., B 2018 no 61362 (Bruges, 3 avril 1455), éd. dans Jacques Paviot, Mentions de livres, d’auteurs, de copistes, d’enlumineurs, de miniaturistes („historieurs“) et de librairies dans les comptes généraux du duc de Bourgogne Philippe le Bon (1419–1467), dans: Miscellanea in memoriam Pierre Cockshaw (1938–2008), ed. Frank Dalemans–Ann Kelders–Annelies Op de Beeck, vol. 2: Aspects de la vie culturelle dans les Pays-Bas méridionaux (XIVe–XVIIIe siècle) (Archives et Bibliothèques de Belgique no spéc. 82, Bruxelles 2009) 413–446, spéc. 438s.

278

Alain Marchandisse – Bertrand Schnerb

des comptes à Lille, d’une somme de 75 écus d’or et 44 gros qu’il a payés à l’historieur et enlumineur Jean le Tavernier pour plusieurs parties de histoires et enluminures de livres. Il est entre autres question d’un livre d’Heures orné d’une crucifixion avec des cavaliers ainsi que d’une image de la Vierge à l’enfant, de plusieurs livres de l’histoire de Troie et de lettrines peintes dans un récit des hauts faits de Godefroid de Bouillon. Au final, durant la période qui s’étend de la création de l’Épargne, dans les années 1442/1446, à la fin de la décennie 1450, le duc Philippe de Bourgogne signe quasiment sans arrêt des mandements et des quittances qui reflètent ses centres d’intérêts personnels, qui touchent des affaires et des personnes qui lui tiennent à cœur, des actes qui impliquent directement sa personne. Cependant, ce gisement documentaire ne va pas tarder à se tarir. La dernière occurrence de notre corpus est datée du 22 avril 145869. Nous terminerons cette évocation de la pratique autographique, en tout ou par le biais de la signature, chez les quatre premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois, par quelques réflexions rapides sur cette problématique appliquée au duc Charles le Téméraire, dont les actes, au sein d’une production diplomatique ducale qui va croissant avec le temps, sont évidemment très nombreux. Si nous nous penchons derechef sur un corpus de nouveau limité, par exemple les actes ducaux conservés aux Archives de l’État à Milan, soit ceux qui, émis par Charles, reflètent les relations établies entre le duché lombard et celui de Bourgogne, nous constatons que, pour la période comprise entre le 11 septembre 1468 et le 18 août 1476, sur les 26 documents envoyés à Milan, 21 sont signés de la main du duc70. Il s’agit pour l’essentiel de lettres adressées au duc de Milan Galeazzo Maria Sforza. Ici comme partout où nous avons eu à connaître de documents émis par Charles le Téméraire, une immense majorité porte la signature ducale. Reste à présent à tenter d’établir une typologie au sein de cette forêt documentaire. Le travail reste à faire. *** En guise de conclusion, nous nous bornerons à reprendre les grandes lignes de notre propos. Comme nous avons pu le montrer, l’usage de l’autographe par les ducs de Bourgogne de la Maison de Valois a connu une évolution marquée. À l’origine, au temps de Philippe le Hardi, pour des raisons qui restent obscures, le duc de Bourgogne n’a recouru à aucune forme de signe autographe, alors que l’on sait bien que les princes de sa famille en usaient de manière assez fréquente. Par la suite, sous le principat de Jean sans Peur, le „seing manuel“ commence à apparaître au bas des actes ducaux. L’usage que ce deuxième duc de Bourgogne fait de l’autographe répond à deux réalités. En premier lieu, le nom du prince écrit de sa main sur des documents d’une haute valeur politique (traités d’alliance et manifestes), correspond à une affirmation forte de son implication personnelle dans un acte de grande portée. En second lieu, l’apposition de la signature du prince a été intégrée à l’ensemble des signes de validation des actes administratifs et financiers. Jean sans Peur a utilisé son „seing manuel“, conjointement avec l’usage du sceau – d’abord, semble-t-il, le sceau secret puis le grand sceau – pour authentifier certains actes et en accentuer la force exécutoire (et   Lille, Archives départementales du Nord, B 2031 no 62186.   Carteggi diplomatici fra Milano sforzesca e la Borgogna, ed. Ernesto Sestan, vol. 1: 8 marzo 1453–12 luglio 1475 (Rome 1985) no 152, 161, 162, 178, 179, 197, 214, 215, 220, 222, 312; vol. 2: 26 luglio 1475–19 ottobre 1476 (Rome 1987) no 365, 379, 415, 476, 484, 555, 581, 590, 616, 649. 69 70



L’usage de la signature par les premiers ducs de Bourgogne de la Maison de Valois 279

ici apparaît aussi la mention autographe qui, encore plus que la signature, montre l’intérêt direct porté par le prince à l’objet de l’acte). Au temps de Philippe le Bon, l’évolution de l’usage de l’autographe se poursuit tant sur le plan quantitatif (le nombre d’occurrences des signatures du prince s’accroît de manière considérable et une étude statistique serait utile pour connaître le nombre d’actes signés conservés – ou mentionnés – ce qui permettrait de prendre la mesure du phénomène) que sur le plan du champ d’application: comme nous avons pu le voir, au domaine administratif et financier s’ajoutent, dans ce champ, le domaine de la correspondance diplomatique et la sphère du privé (très mal connue, il faut le souligner, pour les ducs de Bourgogne de la Maison de Valois). Nous avons vu, du reste, que l’usage de la signature apparaît de façon particulièrement dense dans un cadre qui se situe à la limite entre l’action administrative et le domaine privé, c’est-à-dire la gestion de la Garde des joyaux et de l’Épargne – encore faudrait-il ici déterminer si le recours fréquent à la signature pour authentifier les mandements concernant ces deux institutions financières ne répondait pas à une exigence normative. En tout état de cause, la période du principat de Philippe le Bon est marquée par un développement notable de l’usage de la signature, accompagné d’un recours aux textes autographes, tant dans le domaine privé que dans la correspondance diplomatique et administrative. Par la suite, sous le duc Charles le Téméraire, un phénomène de „banalisation“ du recours à la signature autographe se manifeste, le dernier duc de Bourgogne-Valois signant un très grand nombre de documents diplomatiques, administratifs et financiers, cette pratique massive étant à la fois l’indice d’une implication renforcée du prince dans le fonctionnement du gouvernement de l’État bourguignon et aussi, sans doute, de sa volonté d’établir un contrôle étroit sur le fonctionnement des institutions.

mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim Eigenhändige Briefe der Herzogin Margarethe von Bayern-Landshut an ihren Bruder Herzog Albrecht V. von Österreich Claudia Feller

Drei im Jahr 1425 von Herzogin Margarethe, der Gemahlin Herzog Heinrichs XVI. von Bayern, eigenhändig geschriebene Briefe an ihren Bruder Herzog Albrecht V. von Österreich stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags und bringen über die Schreiberin und ihr Verhältnis zu Ehemann und Bruder einiges bisher Unbekanntes zutage. Die mit dem Beinamen „die Reichen“ versehenen bayerischen Herzoge Heinrich XVI.1, Ludwig IX.2 und Georg3, welche in Folge das Teilherzogtum Bayern-Landshut regierten, ihre geschickte Finanzverwaltung und ihre, speziell unter Ludwig IX., ausgesprochen prunkvolle Hofhaltung waren in der Vergangenheit Gegenstand diverser Studien4. Zugleich haben Amalie von Sachsen, die Gemahlin Herzog Ludwigs, und die polnische Königstochter Hedwig, die Gemahlin Herzog Georgs, mit dem Fokus auf die jeweili-

1  Zu seiner Person vgl. August Kluckhohn, Heinrich der Reiche, Herzog von Bayern. Ein Lebens- und Charakterbild. VHVN 10 (1864) 362–374; Karin Kaltwasser, Herzog und Adel in Bayern-Landshut unter Heinrich XVI. dem Reichen (1393–1450) (Regensburg 2004); Bernhard Glasauer, Herzog Heinrich XVI. (1393–1450) der Reiche von Bayern-Landshut. Territorialpolitik zwischen Dynastie und Reich (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 5, München 2009). 2  Zu Herzog Ludwig IX. vgl. August Kluckhohn, Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern. Zur Geschichte Deutschlands im 15. Jahrhundert (Nördlingen 1865). 3  Zu Herzog Georg vgl. Reinhard Stauber, Herzog Georg von Bayern-Landshut und seine Reichspolitik. Möglichkeiten und Grenzen reichsfürstlicher Politik im wittelsbachisch-habsburgischen Spannungsfeld zwischen 1470 und 1505 (Münchener Historische Studien, Abt. Bayerische Geschichte 15, Kallmünz 1993). 4   Vgl. dazu Michael Cramer-Fürtig–Reinhard Stauber, Der Burghauser Schatz der Reichen Herzöge. Bemerkungen zur Quellenlage und Probleme der Größenbestimmung. VHVN 114/115 (1988/89) 5–27; Beatrix Ettelt, Das Herzogtum Bayern-Landshut 1392–1479, in: Bayern-Ingolstadt. Bayern-Landshut. 1392– 1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt, hg. vom Stadtarchiv Ingolstadt, red. von ders. (Landshut 1992) 81–95; Reinhard Stauber, Territorium, Dynastie und Reich. Grundzüge der auswärtigen Politik Herzog Georgs des Reichen von Niederbayern (1479–1503), in: Bayern-Ingolstadt. Bayern-Landshut 100–107; Walter Ziegler, Hof- und Staatshaushalt der „reichen Herzöge“ von Niederbayern (1450–1503), in: Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Gerhard Fouquet–Jan Hirschbiegel–Werner Paravicini (Residenzenforschung 21, Ostfildern 2008) 277–302; Irmgard Biersack, Die Hofhaltung der „reichen Herzöge“ von Bayern-Landshut (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte 2, Regensburg 2006).

282

Claudia Feller

gen Hochzeitsfeierlichkeiten das Interesse der Forschung auf sich gezogen5. Auf österreichischer Seite liegen, wie zu anderen habsburgischen Herrschern, auch zur Person bzw. Regierung Herzog Albrechts V. (geb. 10. August 1397), des nachmaligen Königs Al­ brechts  II., einzelne Untersuchungen vor6. Im Gegensatz dazu waren über seine Schwester, wie über viele andere Fürstinnen des Spätmittelalters, bislang nur spärliche Informationen aus urkundlichen und chronikalen Quellen bekannt, auf die zum besseren Verständnis ihrer Briefe im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Herzogin Margarethe von Österreich und Herzog Heinrich von Bayern-Landshut Die Heiratsverhandlungen Margarethe, Tochter Herzog Albrechts IV. von Österreich und der Herzogin Johanna Sophia von Bayern aus der Linie Straubing-Holland, war die einzige Schwester Herzog Albrechts V. Folgt man den Angaben einer frühneuzeitlichen historiographischen Quelle, so war Margarethe älter als ihr Bruder7; nichtsdestoweniger liegen Tag und Jahr ihrer Geburt im Dunkeln, die Literatur nennt u. a. den 26. Juni 13968. Als Albrecht IV. im Jahr 1404 früh verstarb – Johanna Sophia sollte ihren Gemahl nur um wenige Jahre 5   Zur Hochzeit Herzog Ludwigs von Bayern mit Amalie von Sachsen im Jahr 1452 vgl. kurz Josef Franz Knöpfler, Burg Trausnitz ob Landshut a. d. Isar. Geschichtlicher Führer durch dieselbe (Landshut an der Isar 1924) 17f. – Zur sogenannten Landshuter Hochzeit von 1475 vgl. exemplarisch Sebastian Hiereth, Zeitgenössische Quellen zur Landshuter Fürstenhochzeit 1475. VHVN 85/1 (1959) 1–64; ders., Der wieder entdeckte Originalbericht des Klosterschreibers Hans Seybold über die Landshuter Hochzeit vom Jahre 1482. VHVN 102 (1976) 115–120; Alfons Beckenbauer, Eine Momentaufnahme aus der europäischen Geschichte: Die Polenhochzeit in Landshut 1475. VHVN 120/121 (1994/1995) 9–51; Johann Dorner, Herzogin Hedwig und ihr Hofstaat. Das Alltagsleben auf der Burg Burghausen nach Originalquellen des 15. Jahrhunderts (Burghauser Geschichtsblätter 53, Burghausen 2002) 17–55. 6   Zu seiner Person und Regierungszeit vgl. Franz Kurz, Österreich unter K. Albrecht dem Zweyten, 2 Bde. (Wien 1835); Wilhelm Wostry, König Albrecht II. (1437–1439) 2 Bde. (Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft 12 u. 13, Prag 1906–1907); Günther Hödl, Albrecht II. Königtum, Reichsregierung und Reichsreform 1438–1439 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta imperii 3, Wien–Köln–Graz 1978); Gerda Koller, Princeps in Ecclesia. Untersuchungen zur Kirchenpolitik Herzog Albrechts V. von Österreich (AÖG 124, Wien 1964); Johannes Seidl, Stadt und Landesfürst im frühen 15. Jahrhundert. Studien zur Städtepolitik Herzog Albrechts V. von Österreich (als deutscher König Albrecht II.) 1411–1439 (Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 5, Linz 1997). 7  Mit seiner Gemahlinn Johanna Herzoginn aus Bayrn / zeugte er [d. i. Herzog Albrecht IV.] / vor dem Sohn / eine Tochter / Margaretham ... . Johann Jakob Fugger, Spiegel der Ehren des Höchstlöblichsten Kayser- und Königlichen Erzhauses Oesterreich, ed. Sigmund von Birken (Nürnberg 1668) 402. 8  Die in der Literatur zuweilen angegebenen Daten 26. Juni 1396 bzw. 26. Juni 1395 – ihr Ursprung ist unklar – bereiten insofern Probleme, als sich Margarethe gemäß dem Wortlaut der Urkunde von (Gegen-)Papst Alexander V. vom 12. November 1409 (s. 285f.) zum Ausstellungszeitpunkt im dreizehnten Lebensjahr befand. Demnach müsste der eigentliche Zeitpunkt ihrer Geburt zwischen Ende 1396 und 11. November 1397 fallen. Allerdings wäre ihr Geburtsdatum in diesem Fall zeitlich mit jenem ihres Bruders Albrecht, welches mit dem 10. August 1397 angegeben wird – auch hier ist unklar, auf welcher Quellengrundlage es fußt –, unvereinbar. Cyrille Debris stellt daher als Möglichkeit das Jahresende 1398 (freilich mit Fragezeichen versehen) in den Raum, welche Lösung aber angesichts der einzigen gesicherten Quelle, der Urkunde Alexanders V. von 1409, sowie der historiographischen Angaben bei Fugger (siehe die vorhergehende Anm.) gleichfalls unbefriedigend erscheint. Vgl. Cyrille Debris, Tu, felix Austria, nube. La dynastie de Habsbourg et sa politique matrimoniale à la fin du Moyen Âge (XIIIe–XVIe siècles) (Histoires de famille. La parenté au Moyen Âge 2, Turnhout 2005) 560f.



mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 283

überleben, sie starb 1410 –, übernahm Herzog Wilhelm von Österreich als Senior des Gesamthauses die Vormundschaft über seine beiden noch unmündigen Kinder9. Auch Margarethes zukünftiger Bräutigam, der 1386 geborene Heinrich, Sohn Herzog Friedrichs von Bayern und der Magdalena Visconti, hatte den Vater bereits in jungen Jahren verloren (1393) und stand anschließend unter Vormundschaft seiner herzoglichen Oheime aus den Linien Bayern-Ingolstadt und Bayern-München. Das Jahr 1404, in welchem Magdalena Visconti verstarb, markiert gleichzeitig den Beginn seiner selbständigen Regierung10. Nur kurze Zeit später, am 14. März 1405, setzten Verhandlungen über eine Eheschließung mit Margarethe von Österreich ein: Herzog Wilhelm von Österreich e schloss in seinem und in Herzog Albrechts Namen, der zu seinen jarn noch nicht ist komen und des gerhab wir sein, für Herzogin Margarethe ein erstes Heiratsabkommen mit Herzog Heinrich XVI. von Bayern aus der Linie Bayern-Landshut. Vereinbart wurde dabei, dass Margarethe, vom Sankt Georgstag an gerechnet, innerhalb zweier Jahre in Wels übergeben werden sollte. Binnen einer weiteren Jahresfrist sollten die Herzoge von Österreich Herzog Heinrich zu Wels außerdem die Summe von 28.000 fl. gter Ungrischer und Ducaten als Heiratsgut und Heimsteuer für Margarethe aushändigen. Wären sie nicht in der Lage diese Summe aufzubringen, so sollten Burg und Stadt Enns samt Gericht, Maut, Ungeld und der gewöhnlichen Stadtsteuer, weiters Burg und Herrschaft Kammer am Attersee (Kamer in dem Atergw)11 mit dem Gericht und Kasten, welche eine jährliche Gülte von 2.800 fl. einbrächten, als Pfand eingesetzt werden. Darüber hinaus enthielt der Heiratsbrief weitere finanzielle Garantien: Sollten die Verpfändungen nicht den festgesetzten Ertrag abwerfen, so würden zusätzlich Verschreibungen auf die reiche Maut zu Linz erfolgen. Herzog Heinrich dagegen verpflichtete sich dazu, seiner Braut eine Morgengabe und Widerlage von insgesamt 42.000 fl. Ungrischer oder Ducaten zukommen zu lassen. Andernfalls würde er ihr die Städte und Burgen (Alt-)Ötting sowie Julbach, Ernegg und e Wald (O ttingen, Julbach, Ernegg und Wald )12 mit einer jährlichen Gülte von 4.200 fl. pfandweise überantworten. An Margarethe wurden damit insgesamt Besitzungen in der Höhe von 70.000 Gulden bzw. mit einer jährlichen Gülte von 7.000 Gulden (2.800 fl. und 4.200 fl.) verpfändet. Erbrächten die Verschreibungen nicht die veranschlagten Beträge, so sollte Heinrich ihr die Differenz auf den Zoll zu Braunau verschreiben. Im Falle des Todes bzw. bei Kinderlosigkeit waren weitere Regelungen vorgesehen13. 9   Vgl. Christian Lackner, Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365–1406) (MIÖG Ergbd. 41, Wien–München 2002) 26. 10   Vgl. Glasauer, Herzog Heinrich XVI. (wie Anm. 1) 51–73. 11   Debris identifiziert Kammer irrtümlich mit Kammern in der Obersteiermark unweit von Leoben, wenngleich er die (korrekte) Lokalisierung am Attersee nicht gänzlich ausschließt. Vgl. Debris, Tu, felix Austria (wie Anm. 8) 452 Anm. 249. 12   Altötting: Kreisstadt und Lkr., Bayern; Julbach: Gmde., Lkr. Rottal-Inn, Bayern; Ernegg: Gmde. Ering, Lkr. Rottal-Inn, Bayern; Wald: Gmde. Garching an der Alz, Lkr. Altötting, Bayern. Diese Identifizierung findet sich auch bei Debris, Tu, felix Austria (wie Anm. 8) 452. Glasauer dagegen spricht von „Stadt und Feste Öttingen sowie Julbach, Bruck und Wald“. Vgl. Glasauer, Herzog Heinrich XVI. (wie Anm. 1) 108. 13   München, GHA HU 2021 (1405 März 14); Abschriften in Wien, HHStA FU 364 (unvollst.); München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 64v–66v; München, BayHStA Pfalz-Neuburg Heiraten und Testamente 61. Vgl. Eduard Maria Lichnowsky[–Ernst Birk], Geschichte des Hauses Habsburg 5: Vom Regierungsantritt Herzog Albrecht des Vierten bis zum Tode König Albrecht des Zweiten (Wien 1841) Nr. 689; Kurz, K. Albrecht der Zweyte 1 (wie Anm. 6) 20. – Zwei entsprechende Gegenurkunden Herzog Heinrichs sind überliefert in Wien, HHStA, FU 363/1 und FU 363/2; Abschrift in München, BayHStA Neuburger Copial­bücher 44 fol. 67v–69r. Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 Nr. 690 und 691 (jew. 1405 März 14). Zum Inhalt der Urkunde vgl. auch Debris, Tu, felix Austria (wie Anm. 8) 452f. – Zum Vergleich: Herzog Hein-

284

Claudia Feller

Herzog Wilhelm starb am 15. Juli 1406, und noch im selben Jahr übernahm Herzog Leopold IV. die Vormundschaft über Herzog Albrecht14. Im April 1407 verlängerten die Herzoge Heinrich und Leopold, kurz bevor die zwischen Heinrich und dem mittlerweile verstorbenen Herzog Wilhelm in der Heiratsurkunde anberaumte Frist verstrichen war, den auf den künftigen St. Georgstag festgesetzten Termin für die Übergabe der Braut durch Herzog Leopold um ein weiteres Jahr15. Am 27. September 1408 erklärte Herzog Heinrich, er würde seine Verpflichtungen gegenüber den Herzogen Ernst und Albrecht von Österreich, Bischof Georg von Passau, Reinprecht von Wallsee und anderen genannten Landherren in Österreich einhalten, und – vor dem Hintergrund der Streitigkeiten um die Vormundschaft über Albrecht V. – versprach er gleichzeitig, ihnen auf unser [Heinrichs] selbs sold, kost und schden 300 Spieße zur Unterstützung in ihrer Auseinandersetzung mit Herzog Leopold und dem Bischof von Freising sowie Rittern und Knechten in Österreich zu schicken. Dafür habe er von den Herzogen Ernst und Albrecht von Österreich 4.000 fl. unter der Bedingung erhalten, dass, falls die Heirat mit Margarethe zustande käme, diese Summe von ihrem Heiratsgut abgezogen würde. Fände die Eheschließung jedoch nicht statt, so sollte der Betrag retourniert werden. Herzog Leo­ pold, dem Bischof von Freising sowie Rittern und Knechten in Österreich würde er unverzüglich absagen [die Fehde ankündigen], und wir und unser volkch sullen und wellen si angreiffen und beschedigen, so wir pest mgen16. Im Rahmen eines weiteren Bündnisses mit Herzog Ernst, welches am 9. Dezember 1407 für zwei Jahre (bis zum St. Georgstag) zum Vorteil Herzog Albrechts abgeschlossen wurde, verpflichtete sich Herzog Heinrich, im Falle eines Angriffes auf Ernst binnen eines Monats auf unser selbs kst und schden 100 Spieße und 100 Schützen gts volks und geraysiges zegs zu schicken, welche Herzog Ernst auf Herzog Heinrichs Unkosten (kost und schden) für die Dauer von zwei Monaten zur Verfügung stehen sollten. Sollte Ernst sie länger benötigen, sollten sie auf sein selbs kost und unser schden weiter bei ihm bleiben. Vom Bündnisfall ausgenommen waren lediglich König Ruprecht, sämtliche bayerischen Herzoge, Herzog Albrecht von Österreich, Erzbischof Eberhard von Salzburg sowie Bischof Georg von Passau17. Streitigkeiten zwischen den Herzogen Leopold und Ernst, die sich um Regierung, Herrschaftsteilung und die Vormundschaft über Herzog Albrecht entzündet hatten, mündeten in jahrelange bewaffnete Auseinandersetzungen, die auch die Stände miteinbezogen. Sie führten am 13. März 140918 zu einem Schiedsspruch seitens König Sigismunds rich vereinbarte 1403 für die Heirat seiner Schwester Magdalena mit Graf Johann Meinhard VII. von Görz ein Heiratsgut von 25.000 fl. gtter Unnger und Duckaten. München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 151r–153r (1403 Dezember 18, Hall in Tirol). 14  Rerum Austriacarum Scriptores 3, ed. Adrian Rauch (Wien 1794) 466f. Nr. 12 (1406 September 14). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 796 (1406 September 14), 797 und 798 (beide 1406 September 16); Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 31–42; Alois Niederstätter, Das Jahrhundert der Mitte. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. 1400–1522 (Österreichische Geschichte, Wien 1996) 239. 15  Die Urkunde Herzog Heinrichs datiert vom 17. April 1407. Wien, HHStA AUR 1407 IV 17. Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 867 (irrtümlich zu 1407 April 7); Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 20f. – Die Urkunde Herzog Leopolds stammt vom darauf folgenden Tag. München, GHA HU 2022; Abschrift in München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 67r (jeweils 1407 April 18). 16  Wien, HHStA AUR 1407 (!) IX 27; gedruckt in Rerum Austriacarum Scriptores 3, ed. Rauch (wie Anm. 14) 483–485; Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1044 und 1045 (1408 September 27). 17  Wien, HHStA AUR 1407 XII 9. 18  Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 295–302 Beil. XIV; vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1078 (1409 März 13).



mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 285

von Ungarn, der eine gemeinsame Übernahme der Vormundschaft durch die beiden Herzoge Ernst und Leopold vorsah. Damit verbunden war eine Teilung jener Einkünfte, die aus derselben erwuchs19. Nun wurden auch die Heiratsverhandlungen, die sich bey dem heiligen stuol ze Rome und auch hie in den lannden habent verlauffen, auf Vermittlung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg und anderer wieder aufgenommen, wie eine von den beiden österreichischen Herzogen am 29. September 1409 ausgestellte Urkunde belegt. Die darin getroffenen Vereinbarungen betrafen die vom Zeitpunkt der Ausstellung einer päpstlichen Dispens abhängige Übergabe der Braut zu Wels sowie die Bezahlung des – nachdem 4.000 fl. bereits beglichen worden waren20 – noch ausstehenden Heiratsgutes von 24.000 fl. Davon würden die österreichischen Herzoge an Herzog Heinrich 12.000 fl. Unger und ducaten bis Lichtmess zu Wels, die anderen 12.000 fl. ab Lichtmess binnen eines Jahres ebenfalls zu Wels bezahlen. Sollte eine Verzögerung bezüglich der ersteren 12.000 fl. eintreten, würden Heinrich und Margarethe für eine Gülte von 1.200 fl. pfandweise die Burg und Stadt Enns sowie Burg und Herrschaft Kammer erhalten. Würden auch die anderen 12.000 fl. nicht beglichen, so sollte ihnen dafür weiters eine Gülte von 1.200 fl. auf die genannten Schlösser zuteilwerden. Bis zur Ablösung würde ihnen von je 1.000 fl. eine Gülte von 100 fl. ohne Abschlag ihres Hauptgutes zufallen. Allfällige weitere Abgänge sollten ihnen auf die Maut zu Linz verschrieben werden21. Herzog Heinrich seinerseits verpfändete seiner künftigen Gemahlin am selben Tag für Heiratsgut, Heimsteuer, Widerlage und Morgengabe in der Höhe von insgesamt 70.000 Gulden (28.000 fl. Heiratsgut und Heimsteuer, 42.000 fl. Morgengabe und Widerlage) die Stadt (Alt-)Ötting und die Burgen Julbach, Ernegg und Wald mit 7.000 fl. jährlicher Gülte. Würden die Stadt (Alt-)Ötting und die Burgen nicht diesen Ertrag abwerfen, sollte die Differenz unverzüglich aus der Maut zu Braunau erstattet werden22. Bischof Georg von Passau bestätigte im Oktober 1409, dass Herzog Heinrich ihm eine Urkunde, in welcher der Herzogin Margarethe Heiratsgut, Morgengabe und Widerlage in der Höhe von insgesamt 70.000 Gulden zugestanden wurde, überantwortet habe. Sobald das geschicht, das er bey der obgenannten seiner gemaheln eelichen gelegen ist, hätte der Bischof diese Urkunde seinerseits den Herzögen Leopold, Ernst und Albrecht von Österreich auszuhändigen23. Da zwischen Heinrich XVI. und Margarethe eine Verwandtschaft im dritten Grad (sed quia tercio consanguinitatis gradu invicem coniuncti estis) bestand, war es notwendig, für die Eheschließung eine päpstliche Dispens einzuholen. Später als zunächst erhofft, erteilte (Gegen-)Papst Alexander V. die Dispens erst am 12. November 1409. In der von ihm ausgestellten Urkunde wird angeführt, Margarethe befinde sich in ihrem dreizehnten Lebensjahr (que ut asseritur in tertiodecimo tue etatis anno constituta existis)24. 19  Zu den Auseinandersetzungen um die Vormundschaft vgl. Niederstätter, Jahrhundert der Mitte (wie Anm. 14) 239–242; Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 1–158; Max Vancsa, Geschichte Niederund Oberösterreichs 2 (Allgemeine Staatengeschichte 3. Abt.: Deutsche Landesgeschichten 6, Stuttgart–Gotha 1927) 203–247; Heinrich Ritter von Zeissberg, Zur Geschichte der Minderjährigkeit Herzog Albrechts V. von Österreich. AÖG 86 (1899) 455–550. 20   Vgl. Wien, HHStA AUR 1407 (!) IX 27. Dazu siehe oben. 21   München, GHA HU 2023 (1409 September 29, Wien); vgl. Glasauer, Herzog Heinrich XVI. (wie Anm. 1) 111. 22  Wien, HHStA FU 390; vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1111 (1409 September 29). 23  München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 69v (1409 Oktober 13). 24  München, BayHStA Pfalz-Neuburg Urk. chronolog. Reihe 1409 XI 12, und Wien, HHStA FU 392.

286

Claudia Feller

Herzog Leopold IV. starb am 3. Juni 1411, und mit seinem Tod endete auch die Vormundschaft Herzog Ernsts über Herzog Albrecht V.25. Der nunmehr volljährige Herzog forderte am 26. Juli 1412 von den Städten Krems und Stein Rechnung über die ihnen auferlegte Steuer zur Ausstattung seiner Schwester Margarethe und über jene zur Begleichung der mährischen Schulden26. Darüber hinaus kam nun Bewegung in die sich schon seit Jahren hinziehenden Heiratsverhandlungen. Am 4. Oktober 1412 beurkundete Herzog Heinrich einen mit Herzog Albrecht geschlossenen Vertrag, demzufolge man sich bezüglich seiner Heirat mit Herzogin Margarethe, die bereits seit geraumer Zeit verschoben wäre, an König Sigismund gewandt hätte, dessen Urteilsspruch beide Seiten Folge leisten würden. Man habe außerdem vereinbart, dass Herzog Albrecht seine Schwester am 17. November 1412 in Wels an Herzog Heinrich übergeben würde. Zu Wels sollte Albrecht auch bis zum künftigen Lichtmesstag, dem 2. Februar 1413, die Summe von 12.000 fl. Unger und Dukaten begleichen, welche abgesehen von dem durch Schiedsspruch des Königs festzulegenden Betrag sowie jenen 4.000 Gulden, welche Heinrich bereits zuvor empfangen habe, noch offen wäre. Im Fall einer verbindlichen Zusage der 12.000 fl. bis zum Lichtmesstag sollten der Pfleger und die Bürger zu Enns sowie der Pfleger zu Kammer der von ihnen geleisteten Gelübde entbunden werden. Geschähe das nicht, sollten der Pfleger und die Bürger von Enns mit der Burg und Stadt Enns, Reinprecht von Wallsee, Hofmeister und Hauptmann ob der Enns, oder Caspar von Starhemberg mit der Burg und Herrschaft zu Kammer huldigen, außerdem Burg und Stadt Enns sowie Burg und Herrschaft Kammer um die genannte Summe verpfändet werden. Die Widerlagsurkunde, welche Heinrich seiner Gemahlin übergeben sollte und die gegenwärtig Bischof Georg von Passau innehätte, sollte bis zum zuvor genannten Schiedsspruch in dessen Gewahrsam bleiben 27. Hochzeit zu Landshut Nach all den bisherigen Verzögerungen erfolgte die Übergabe der Braut zu Wels nun offenbar planmäßig, denn am 25. November 1412 fand endlich die Hochzeit zwischen Heinrich XVI. und Margarethe statt. Chronikale Quellen führen dabei die Stadt Landshut als Schauplatz der Feierlichkeiten an28. Über deren Ablauf sind, anders als im Falle der Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1120; Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 21. – Herrgotts Taphographia berichtet fälschlicherweise, dass Margarethe der päpstlichen Urkunde zufolge 14 Jahre alt gewesen wäre (quae tum annos quatuordecim habuisse). Marquard Herrgott–Rustenus Heer– Martin Gerbert, Taphographia principum Austriae, in qua marchionum, ducum, archiducumque Austriae, utriusque sexus, monumenta funerea, omnis generis, pleraque typis aeneis expressa, proferuntur 1 (Monumenta augustae domus Austriacae 4, Sankt Blasien 1772) 216. 25  Vgl. Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 149–152; von Zeissberg, Minderjährigkeit (wie Anm. 19) 511. 26  Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1130; gedruckt bei Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 325f. Nr. 19. 27  Wien, HHStA FU 410 (1412 Oktober 4, Pramerdorf ). Gegenurkunde Herzog Albrechts, München, GHA HU 2025 (1412 Oktober 4); Abschriften in München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 70r– 71v und fol. 74rv (ohne Tagesdatum). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1343. 28  Vgl. den Eintrag im Breve Chronicon Bavaricum: Eodem die celebravit Dux Hainricus nuptias Lanczhuttae cum filia Alberti Ducis Austriae, & sorore Alberti Ducis Austriae, postea Regis Romanorum, Ungariae, & Bohemiae: ex qua genuit Ludwicum Ducem. Scriptores Rerum Austriacarum 2, ed. Hieronymus Pez (Leipzig 1725) Sp. 425; zum Ort der Hochzeit vgl. auch Fugger, Spiegel der Ehren, ed. von Birken (wie Anm. 7) 508.



mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 287

berühmt gewordenen „Landshuter Hochzeit“ von Heinrichs Enkel Georg dem Reichen und seiner Braut, der polnischen Königstochter Hedwig, keine Details bekannt. Zwei Tage nach der Zeremonie, am 27. November, verzichtete Herzogin Margarethe gegenüber ihrem Bruder Herzog Albrecht sowie gegenüber Herzog Ernst und Herzog Friedrich und ihren Erben und Nachkommen auf alle ihre Ansprüche und Forderungen an den österreichischen Ländern und Herrschaften mit Ausnahme ihres eigenen Heiratsgutes sowie – falls ihr Bruder ohne Hinterlassen männlicher Leibeserben sterben sollte – des Heiratsgutes ihrer Mutter Johanna von Bayern. Die Urkunde ist in der etwa 80 km von Landshut entfernten Stadt Burghausen, in der Herzogin Margarethe mit ihrem Hofstaat fortan leben sollte, ausgestellt. Will man den diesbezüglichen Quellenangaben absolute Glaubwürdigkeit zubilligen, so legten die Brautleute und ihre Begleiter damit eine für die knappe zur Verfügung stehende Zeit recht ambitionierte Reise zurück29. Während sich Herzog Heinrich vorwiegend in seiner Burg zu Landshut aufhielt, kam Burghausen durch Margarethes ständige Präsenz die faktische Stellung einer zweiten Residenz zu. Die Burg oberhalb des Städtchens Burghausen, welche durch Herzog Georg noch einmal umfassend ausgebaut und erweitert werden sollte, war durch ihre topographische Lage in fast idealer Weise gegen Angreifer geschützt und wurde aus diesem Grund sowohl für die Verwahrung des kostbaren Gold- und Silberschatzes der „Reichen Herzoge“30, als auch die Unterbringung prominenter fürstlicher Gefangener, so des Erzbischofs Pilgrim von Salzburg, des Grafen von Ortenburg oder – zur Zeit Margarethes – des Grafen Kaspar Törring und Herzog Ludwigs „des Bärtigen“ von Bayern-Ingolstadt31, genutzt32. Margarethe gebar hier insgesamt sechs Kinder, nämlich Johanna (geb. 1413, gest. am 20. Juli 1444 in Mosbach), Albrecht (geb. 1414, gest. um das Jahr 1416 in Burghausen), Friedrich (geb. 1415, gest. am 7. Juni 1416 in Burghausen), Ludwig (geb. am 23. Februar 1417, gest. am 18. Januar 1479 in Landshut), Elisabeth (geb. 1419, gest. am 1. Januar 1451 zu Landshut) und Margarethe (geb. 1420, gest. zu einem unbekannten Zeitpunkt im Kloster Seligenthal), von denen aber nur vier – Johanna, Ludwig, Elisabeth und die früh ins Kloster eingetretene Margarethe – überlebten33. Herzogin Margarethe 29   Wien, HHStA FU 412/1 (1412 November 27); Abschrift in München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 73r–74r (ohne Ort), sowie Wien, HHStA FU 412/3 (mit dem – gestrichenen – Datum 1431). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1358. Unter den Signaturen Wien, HHStA FU 412/2 und FU 412/4, finden sich zu dieser Urkunde zwei undatierte Entwürfe auf Papier, die, wie der Beginn der Narrationes verdeutlicht, aus einer Zeit stammen, als Herzog Albrecht noch minderjährig war und Herzog Wilhelm als Gerhab (Vormund) der beiden Geschwister fungierte (Als der hochgeborne furste unser liber vetter herczog Wilhelm herczog ze Osterrich etc. an stat sein selbs und unsers liben bruders herczog Albrechts, der zue seinen beschaiden jaren nicht ist komen, und als unser gerhab … .). Terminus ante quem dieser beiden Konzepte ist der 15. Juli 1406, an welchem Tag Herzog Wilhelm verstarb. Obwohl die Corroboratio, wie in der letztendlich ausgestellten Urkunde von 1412, vier anhängende Siegel ankündigt, enthalten beide Entwürfe auf der Vorderseite aufgedrückte Siegel (FU 412/2 zwei aufgedr. Siegel, davon eines unter Papierdecke; FU 412/4 ein aufgedr. Siegel). 30  Vgl. dazu Cramer-Fürtig–Stauber, Burghauser Schatz (wie Anm. 4). 31  Vgl. Karl Stechele, Zur Geschichte der Haft Ludwigs „des Gebarteten“ in Burghausen. Altbayerische Monatsschrift 13/1 (1915/16) 32–42, hier 37. 32  Zur Burg in Burghausen vgl. zuletzt Brigitte Langer, Burg zu Burghausen. Amtlicher Führer. Mit einem Verzeichnis der Staatsgalerie von Johann Georg Prinz von Hohenzollern (München 2004); vgl. auch Karl Stechele, Die Burg zu Burghausen. Ein Beitrag zur Baugeschichte der Burg, mit 12 Zeichnungen nach Sandtners Modell. Altbayerische Monatsschrift 14/3 (1917/18) 1–28. 33  Hic Albertus habuit thori consortem dominam Iohannam filiam comitis Hollandie, Zelanndie et Hannonie, ex qua genuit dominam Iohannam [sic! recte Margaretham], que post duci Hainrico in Lanntzhuet consimiliter

288

Claudia Feller

selbst lebte bis zu ihrem Tod am 24., 25. oder 29. Dezember 1447 zu Burghausen34 und wurde, anders als ihr Gemahl Heinrich (gest. am 30. Juli 1470), der seine letzte Ruhe im Zisterzienserinnenkloster Seligenthal bei Landshut finden sollte35, in der Grablege der Wittelsbacher in Raitenhaslach beigesetzt36. Misshelligkeiten Vergangene und möglicherweise auch zukünftige Vorbehalte bzw. Differenzen dürften sich vor allem aufgrund säumiger bzw. ausbleibender Zahlungen von Seiten Herzog ­Albrechts gegenüber Herzog Heinrich ergeben haben. Am 18. November 1412 beurkundete Herzog Heinrich von Bayern zu Wels, dass ihm Herzog Albrecht die bis zum künftigen Lichtmesstag zugesprochene Summe von 12.000 Gulden heut beczalt und ausgericht hätte37. Gleichzeitig entband er Pfleger, Rat, Bürger und die gancz gemain der Stadt Enns sowie Engelhard Gruber, den Pfleger von Burg und Herrschaft Kammer im Attergau, von sociata est, que ei peperit Iohannam post ducis Ottonis uxorem Bavarie et palatini Reni et dominum Ludovicum, qui et hoc anno MCCCCLo post transitum patris paternam subintravit hereditatem, et alteram Elisabeth, quam sibi iunior de Wirtennberg matrimonio iunxit. Thomas Ebendorfer, Chronica Austriae, ed. Alphons Lhotsky (MGH SS rer. Germ. N. S. 13, Berlin–Zürich 1967) 319f. – Ladislaus Suntheim berichtet: Ex qua [d. i. Margarethe] genuit filium Ludovicum, qui Dives cognominatus fuit, & tres filias Johannam, Elisabeth & Margaretham. Johanna filia Heinrici & Margarethae de Austria uxor Ottonis senioris Ducis Bavariae de Novo-Foro dicti, genuit ei filios & filias. Elisabeth alia filia Heinrici & Margarethae uxor Udalrici Comitis de Wirtemberg, qui Gotznieswurtz dictus fuit, genuit ei pueros. Margaretha tertia filia Hainrici & Margarethae, fuit monialis in suburbio oppidi Landzhuet, Vallis Felix dicitur, vulgò Saldntal. Ladislai Sunthemii … Familiae Germaniae Principum illustratae hactenus ineditae, in: Rerum Boicarum Scriptores nusquam antehac editi quibus vicinarum quoque gentium nec non Germaniae universae Historiae ex monumentis genuinis historicis et diplomaticis plurimum illustrantur 2, ed. Andreas Felix Oefele (Augsburg 1763) 557–644, hier 567. – Veit Arnpeck, Chronica Baioariorum, in: ders., Sämtliche Chroniken, ed. Georg Leidinger (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte N. F. 3, München 1915) 1–443, hier 360f.; ders., Bayerische Chronik, in: ebd. 445–705, hier 613f.; vgl. Christian Häutle, Genealogie des erlauchten Stammhauses Wittelsbach von dessen Wiedereinsetzung in das Herzogthum Bayern (11. Sept. 1180) bis herab auf unsere Tage (München 1870) 113f. 34   Über den genauen Todestag herrscht unter den Chronisten Uneinigkeit: Sein hausfrau, frau Margret, ist vor im gestorben, als man zelet vierzehenhundert und sibenundvierzig jar, am christabent [24. Dezember]; ligt zu Raitenhaslach. War künig Albrechts, des fünften herzogen ditz namens in Österreich, schwester. Johannes Turmair’s genannt Aventinus Bayerische Chronik 2, ed. Matthias von Lexer (Johannes Turmair’s genannt Aventinus Sämmtliche Werke 5, München 1886) 589. – Arnpeck nennt den Weihnachtstag (25. Dezember) 1447 als den Todestag Margarethes. Vgl. Arnpeck, Chronica Baioariorum (wie Anm. 33) 362; ders., Bayerische Chronik (wie Anm. 33) 614. – Die Vierte Bairische Fortsetzung zur sächsischen Chronik berichtet zu ihrem Tod: Do man zalt von Christi gepurd vierzechenhundert jar und in dem 48. jar an sand Thomas tag des heiligen pischofs von Kandelberek [29. Dezember] do starb die hochgeborn fraw, fraw Margret, unsers genädigen herren herzog Hainrichs gemachel, aine von Österreich. Sächsische Weltchronik. Vierte Bairische Fortsetzung, in: MGH Deutsche Chroniken 2, ed. Ludwig Weiland (Hannover 1877, Nachdr. München 1980) 352–384, hier 376f. 35  Zur Bestattung Heinrichs im Kirchenschiff von Seligenthal, im Grab seines Vaters Friedrich, vgl. Georg Spitzlberger, Die Gräber der Wittelsbacher in der Abteikirche Seligenthal, in: ders., Das Herzogtum BayernLandshut und seine Residenzstadt 1392–1503 (Landshut 1993) 16–21, hier 17. 36  An Herzogin Margarethe erinnert in der Klosterkirche von Raitenhaslach lediglich eine gemalte Erinnerungsinschrift aus der Zeit von 1739–1743, in der sie gemeinsam mit anderen dort begrabenen Mitgliedern des Hauses Wittelsbach Erwähnung findet. Vgl. Die Inschriften der Stadt Burghausen vor dem Jahre 1805. Teil 2: Die Inschriften des Stadtteils Raitenhaslach, ed. Johann Dorner (Burghauser Geschichtsblätter 38, Burghausen 1982) 99f. Nr. 131; ders., Herzogin Hedwig (wie Anm. 5) 172 (Abb.). 37  Wien, HHStA FU 411 (1412 November 18, Wels); Abschrift in München, BayHStA Neuburger Copial­bücher 44 fol. 72r (ohne Datum). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1351.



mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 289

allen ihren Eiden und Gelübden gegenüber ihm und seiner Gemahlin Margarethe38. Den Empfang über weitere 6.000 fl., die Albrecht nach dem Urteilsspruch König Sigismunds bis zum 29. September 1413 zu begleichen hatte, quittierte Heinrich erst am 6. Dezember 201339. Gesichert ist demnach eine Zahlung von 22.000 fl. an Heinrich, während gemäß Urkunde vom 29. September 1409 bezüglich Heiratsgut und Heimsteuer noch eine Summe von 28.000 fl. vereinbart war40. Ein Schiedsspruch vom 28. November 1415 führte dazu, dass zwischen Margarethes Bruder Albrecht und ihrem Gemahl Heinrich schwelende Zwistigkeiten beigelegt wurden41. Drei Tage später, am 1. Dezember 1415, verpflichteten sich die Herzoge Heinrich und Albrecht, einander drei Jahre lang gegen jeden feindlichen Angriff mit hundert Spießen beizustehen. Davon ausgenommen waren König Sigismund und König Wenzel, Herzog Ernst und Herzog Friedrich von Österreich, Herzog Wilhelm und Herzog Johann von Bayern, der Burggraf von Nürnberg, Erzbischof Eberhard von Salzburg und Bischof Georg von Passau42. Nichtsdestoweniger belegt Margarethes Korrespondenz ein Jahrzehnt später eindrucksvoll, dass ein beiderseitiges Misstrauen hinsichtlich finanzieller Belange zwischen den Herzogen von Österreich und von Bayern-Landshut weiterhin aufrecht blieb.

Margarethes Briefe Formale Beschreibung und innerer Aufbau Von Herzogin Margarethe sind insgesamt drei litterae clausae aus Papier aus dem Jahr 1425, die an Herzog Albrecht V. adressiert sind, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien überliefert43. Sie belegen, dass die Herzogin (noch) Jahre nach ihrer Eheschließung in brieflichem Kontakt zu ihrem Bruder stand. Die Briefe fanden einzig in dem von Ernst Birk erstellten Regestenanhang zur „Geschichte des Hauses Habsburg“ des Fürsten Eduard Maria von Lichnowsky knappe Erwähnung und blieben von der Forschung bislang unbeachtet44. Formal entsprechen die Schriftstücke, wie in der habsburgischen Kanzlei ab den 1370er Jahren – inspiriert von den Gepflogenheiten der Reichskanzlei unter Karl IV. – zunehmend üblich, dem Typus der litterae clausae in ihrer jüngeren Form45. Anders als 38   München, BayHStA Neuburger Copialbücher 44 fol. 72v (ohne Datum). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1352 (1412 November 18). 39  Wien, HHStA FU 415 (1413 Dezember 6). Vgl. Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1425. 40  München, GHA HU 2023 (1409 September 29). Dazu vgl. 285. 41  Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1594 (1415 November 28). 42  München, BayHStA Pfalz-Neuburg Auswärtige Staaten 620 (1415 Dezember 1). Regesta sive Rerum Boicarum Authographa e Regni Scriniis fideliter in Summas contracta 12, bearb. von Maximilian von Freyberg (München 1849) 211f.; Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 1595 und 1596 (beide 1415 Dezember 1). Vgl. Kurz, K. Albrecht der Zweyte (wie Anm. 6) 1 197–199. 43  Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1, fol. 6–12. 44  Lichnowsky[–Birk], Geschichte 5 (wie Anm. 13) Nr. 2342 (1425 September 9), 2353 (1425 Oktober 21), 2371 (1425 Dezember 12). 45   Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 9) 221f.; Julian Holzapfl, Kanzleikorrespondenz des späten Mittelalters in Bayern. Schriftlichkeit, Sprache und politische Rhetorik (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 159, München 2008) 110; Harry Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland

290

Claudia Feller

im Typus der älteren Form, der während der sechziger und frühen siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts gebraucht wurde, aber auch darüber hinaus Verwendung fand und der eine in den Textblock integrierte Intitulatio und Devotionsformel aufwies (und damit den offen versandten Schriftstücken glich), war die Intitulatio im Fall der jüngeren Form aus dem Textblock herausgelöst: Dabei war seitens der Herzoge von Österreich gegenüber Empfängern, deren Rang im Verhältnis zum Absender niedriger war, eine mittig oberhalb des Textblocks angeordnete (und mit einer Devotionsformel verbundene) Intitulatio üblich. Richtete sich der Brief dagegen an rangmäßig höherstehende Adressaten, etwa an Papst oder König, aber auch an Fürsten annähernd gleicher Stellung, so wurde die mit einer Devotionsformel verbundene Intitulatio des Absenders unter den Brieftext gesetzt; dabei rückte die zwei- bis dreizeilige Nennung des Absenders im Fall der österreichischen Herzoge zumeist an den linken Rand46. Grundsätzlich konnten aber im System der Gleich- und Unterordnung eines Absenders weitere Nuancierungen des gesellschaftlichen Rangverhältnisses zum Empfänger dargestellt werden, indem die unterhalb des Schriftblocks befindliche Intitulatio des Absenders in der Horizontale weiter in die Mitte oder gar rechtsbündig gesetzt wurde. So ist auch in den Briefen Margarethes der Vorname der Absenderin samt ihrem verwandtschaftlichen Bezug zum Adressaten im Wortlaut Margreta, ewr trewe swester  47 bzw. Margreta, ewr getrewe swester  48 unterhalb des Schriftblocks zweizeilig geschrieben, dabei aber mittig bzw. halblinks, in einem Fall auch halbrechts angeordnet. Damit gilt für ihre Briefe, was Holzapfl auf Grundlage von Briefen bayerischer Herzoge im 15. Jahrhundert beobachtet hat, dass nämlich „die Mittelposition innerhalb der grundsätzlichen Gleichrangigkeit des Reichsfürstenstandes die respektvolle Unterstellung unter die Autorität und Dignität des Adressaten signalisieren“ konnte49. Rückwärtig weisen ihre Briefe eine Adresse auf, die zweizeilig geschrieben und senkrecht zur Laufrichtung des Brieftextes ausgerichtet ist. Die Adresse, deren Schrift mit jener des Briefinhalts übereinstimmt, ist auf dem ungeöffneten Stück sichtbar, wobei sich links der gefaltete obere, rechts der offene untere Rand der littera befindet50. Im Oktober 1423 übergab König Sigismund Herzog Albrecht und dessen Gemahlin Elisabeth, Sigismunds alleiniger Erbin, die Markgrafschaft Mähren, welche Erwerbung sich auch in der Adresse der an Albrecht gerichteten vorliegenden Briefe widerspiegelt51. Margarethes Briefe beginnen jeweils mit einer Anrede (Hochgeborner furst, herczen lieber brder …52) samt Gruß- und Benevolenzformel, die zusammengezogen sind und auf diese Weise eine Einheit bilden (… swesterleichew lieb und trew und was wir allzeit gucz in stter frewntschaft vermugen zw allen zeiten vran53). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Tatsache, dass Margarethe stets ihre verwandtschaftliche und Italien 1 (Leipzig 21912) 66f.; Theodor Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger (1346–1437) (Stuttgart 1882) 79. 46  Vgl. Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 9) 221; Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45) 82–87. 47  Editionsanhang Nr. 1. 48   Editionsanhang Nr. 2 und 3. 49  Vgl. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45) 84. 50  Vgl. Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 9) 221; Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45). 51  Vgl. dazu Berthold Bretholz, Die Übergabe Mährens an Herzog Albrecht V. von Österreich im Jahre 1423 (Beiträge zur Geschichte der Husitenkriege in Mähren). AÖG 80 (1894) 249–349. 52  Editionsanhang Nr. 1, 2 (geringfügig abweichende Schreibweise) und 3. 53  Editionsanhang Nr. 1, eine ähnliche Variante in Nr. 2 und 3.

mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 291



Beziehung zum herzoglichen Bruder (swesterleichew lieb und trew) sowie das zwischen den Geschwistern bestehende freundschaftliche Verhältnis (in stter frewntschaft) betont. In einer Erweiterung der Grußformel äußert sie anschließend den Wunsch und die Freude darüber, ihren Bruder bzw. diesen und seine Gemahlin gesundt, wolmgend und mit all ewrn sachen in geluckleichem wessen54 zu wissen. Im Kontext der Briefe verwendet Margarethe, abgesehen von den reinen Personalpronomina ir, ewr und ew (ewch), vornehmlich die in der Fürstenkorrespondenz beliebte Anrede55 ewr lieb56, in Ausnahmen auch ewr lieb und trew 57, ewr frewntschaft 58 oder lieber bruder 59. Das Eschatokoll enthält neben der Nennung des Ortes – in allen Schriftstücken Burghausen – jeweils eine Datierung nach dem Heiligenkalender unter Angabe der „minderen Zahl“ (Jahresangabe unter Weglassung des Jahrhunderts). Margarethes Schreiben sind insgesamt vier auf separaten Beiblättern unterschiedlicher Abmessungen geschriebene Nachträge beigeschlossen60. Sie selbst bezeichnet diese Papierstücke, wie auch in der zeitgenössischen Kanzleiterminologie üblich, als Zettel (zedel 61). Einem Brief einen oder mehrere, meist kleinformatige Beiblätter beizugeben, war in der Fürstenkorrespondenz des Spätmittelalters gängige Praxis. Im Allgemeinen stehen die einseitig beschrifteten Zettel nicht für sich allein, sondern sind nur als Beilage(n) zu einem Brief beabsichtigt und verständlich. Dies erklärt auch das üblicherweise Fehlen von Adresse, Absender und Datierung und den insgesamt vereinfachten Formelsatz62. Im vorliegenden Fall beginnen die Beiblätter mit der Anrede Sunder herczen lieber brder, bitt wir ewr lieb63 bzw. direkt mit dem Kontext (Auch mag dann ewr lieb64; Auch sold der brief   65; Sunder mug wir nicht gelassen66). Im Anschluss an den Kontext kann eine Vertrauensformel angefügt sein (wann wir ew doch in lieb noch laid nichcz versweigen mgen, und das macht grsser woltrawen67; und vermerch ewr lieb uns unser schr(eiben) in gt, als wir ewr lieb als gcz getrawen68). Sowohl in den Briefen als auch den Beiblättern merkt Margarethe häufig an, Albrecht möge in einer genannten Angelegenheit nach seinem Belieben verfahren und empfiehlt sich im Rahmen einer Vertrauensformel seiner brüderlichen Liebe und Treue (Tt und last in den sachn nach ewrem gevaln, wann wir uns mit alen sachen in ewr brderleichew lieb und trew bevelchen69; Wir bevelchen uns in ewr brderleiche trew. Und tt und last mit unsern sachen, als ob sy ewr selbs sein70).   Editionsanhang Nr. 1, eine ähnliche Variante in Nr. 2 und 3.   Vgl. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45) 140. 56   Editionsanhang, passim. 57  Editionsanhang Nr. 1. 58  Editionsanhang Nr. 1, 2, 3a. 59  Editionsanhang Nr. 1, 2, 3, 3a. 60  Zur Zuordnung der Beiblätter vgl. die Editionsrichtlinien unten 302. 61  Editionsanhang Nr. 2a, 3a. 62  Vgl. Julian Holzapfl, Fürstenkorrespondenz, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift, hg. von Werner Paravicini, bearb von Jan Hirschbiegel–Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15.III, Ostfildern 2007) 299–328, hier 306f. 63   Editionsanhang Nr. 3a. 64   Editionsanhang Nr. 2a. 65   Editionsanhang Nr. 1a. 66  Editionsanhang Nr. 1b. 67   Editionsanhang Nr. 2a. 68  Editionsanhang Nr. 1b. 69  Editionsanhang Nr. 1. 70  Editionsanhang Nr. 3a. 54 55

292

Claudia Feller

Generell lag die Funktion von Beiblättern zu spätmittelalterlichen Briefen in erster Linie darin, „zunächst Vergessenes, erst nach der Ausfertigung Erfahrenes oder Vertrauliches“71 anzufügen. Margarethes Nachträgen in Zettelform dürfte dagegen kein verstärktes Geheimhaltungsinteresse zugrunde liegen; die von ihr verfassten Beiblätter unterscheiden sich zwar in der Form, kaum aber hinsichtlich ihres Inhalts von den Briefen, denen sie beigelegt sind72. Eigenhändigkeit Herzog Rudolf IV. von Österreich (geb. 1339, gest. 1365) ließ die in Spätantike und merowingischer Zeit gebräuchliche Unterfertigung von Urkunden 73, die in der Zwischenzeit aufgegeben worden war, für die Kanzlei der österreichischen Herzoge wieder aufleben. Unter die von ihm ausgestellten Urkunden setzte er eine eigenhändige Unterfertigung, welche, zwischen zwei Kreuze gesetzt, üblicherweise den Wortlaut Wir der vorgenant herzog Ruodolf sterken disen prief mit dirr underschrift unser selbs hant aufwies. Für Urkunden in lateinischer Sprache war eine lateinische Version vorgesehen. Bei weniger bedeutsamen Beurkundungen gebrauchte Rudolf generell, ebenfalls zwischen zwei Kreuzen, die schlichtere Variante Hoc est verum74. Rudolfs Brüder Albrecht III. und Leo­pold III. waren wie er des Schreibens kundig75, dasselbe gilt für seine Schwester Katharina, die in den Clarissenorden zu Wien eingetreten war76; allerdings setzten die Geschwister nach Rudolfs frühem Tod die Praxis, Urkunden auf diese Weise zu unterfertigen, nicht fort77. Von der nachfolgenden Generation (Wilhelm, Albrecht IV. etc.) sind keine Schriftzeugnisse erhalten, nicht einmal eine Unterschrift78. Erst von Kaiser Friedrich III. liegen neben persönlichen Aufzeichnungen in seinem Notizbuch 79 auch   Vgl. Holzapfl, Fürstenkorrespondenz (wie Anm. 62) 306.   Zu Briefzusätzen in Zettelform und ihren unterschiedlichen Funktionen vgl. Holzapfl, Kanzleikorres­ pondenz (wie Anm. 45) 273–280; ders. Fürstenkorrespondenz (wie Anm. 62) 306f. 73   Vgl. Peter Classen, Kaiserreskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum Problem der Kontinuität zwischen Altertum und Mittelalter (Byzantina keimena kai meletai 15, Thessaloniki 1977) 60–65, 114–116, 160–165; Waldemar Schlögl, Die Unterfertigung Deutscher Könige von der Karolingerzeit bis zum Interregnum durch Kreuz und Unterschrift. Beiträge zur Geschichte und zur Technik der Unterfertigung im Mittelalter (Münchener Historische Studien, Abt. Geschichtl. Hilfswissenschaften 16, Kallmünz 1978). 74   Vgl. zuletzt Alexander Sauter, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (Mittelalter-Forschungen 12, Ostfildern 2003) 199f. 75  Siehe etwa den Stiftsbriefs der Universität Wien vom 12. März 1365, der in lateinischer und deutscher Ausfertigung von den Herzogen Rudolf IV., Albrecht III. und Leopold III. eigenhändig unterschrieben wurde – vgl. Viktor Flieder, Stephansdom und Wiener Bistumsgründung. Eine diözesan- und rechtsgeschichtliche Untersuchung (Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien 6, Wien 1968) 194 –, sowie das Privileg für den Kanzler Bischof Johann von Brixen vom 1. September 1370, das ebenfalls die eigenhändigen Unterfertigungen Albrechts und Leopolds aufweist. Vgl. Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 9) 229. 76  Siehe den im Original überlieferten zweiten (großen) Stiftsbrief des Allerheiligenkapitels zu St. Stephan in Wien, den neben Herzog Rudolf IV., seiner Gemahlin Katharina von Böhmen und seinem Bruder Herzog Albrecht III. auch seine Schwester Katharina, Clarissin zu Wien, unterfertigte. Wien, Diözesanarchiv Urk. von 1365 März 16. Vgl. Flieder, Stephansdom (wie Anm. 75) 153f. und 254–266 (Edition). 77   Vgl. Joachim Wild, Vom Handzeichen zur Unterschrift. Zur Entwicklung der Unterfertigung im Herzogtum Bayern. ZBLG 63 (2000) 1–21, hier 9–11. 78   Vgl. Lackner, Hof- und Herrschaft (wie Anm. 9) 229. 79   Vgl. Alphons Lhotsky, AEIOV. Die „Devise“ Kaiser Friedrichs III. und sein Notizbuch, in: ders., Aufsätze und Vorträge 2: Das Haus Habsburg, hg. von Hans Wagner–Heinrich Koller (Wien 1971) 164–222, bes. 178–222. 71 72



mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 293

eigenhändige Unterfertigungen auf seinen Urkunden80 sowie gänzlich eigenhändig geschriebene Schriftstücke (handgeschriften) vor81. In den bayerischen Teilherzogtümern war eine Unterfertigung von Urkunden im 14. Jahrhundert dagegen nicht üblich. Schließlich führte Herzog Ludwig VII. (der Bärtige) von Bayern-Ingolstadt nach seiner Rückkehr aus Frankreich 1415, wo er am Hof seiner Schwester Isabeau de Bavière und ihres Ehemannes König Karl VI. von Frankreich gelebt hatte, eine eigenhändige Unterfertigung ein, die er aus seinem Namen (in der französischen Form Loys) und verschiedenen graphischen Zeichen bildete. Sein Sohn Ludwig VIII. bediente sich gleichfalls eines derartigen Zeichens, das jenem des Vaters ähnelte. Etwa 20 Jahre nach dem Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt setzte in Bayern-Landshut, beginnend mit Herzog Heinrich dem Reichen, ebenfalls die Unterfertigung mit eigenhändigen Handzeichen ein. Heinrich reduzierte dabei seinen Namen auf den Anfangsbuchstaben h und fügte darunter auf einer Doppellinie die Devise Wolt got hinzu. Häufig unterlegte er diesen Leitspruch mit einer Basislinie, von der aus er links und rechts je ein Tannenbäumchen emporragen ließ82. Auch vereinzelte eigenhändige Schreiben bayerischer Herzoge sind aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefert, etwa ein Brief Herzog Albrechts III. von Bayern-München 1435 an seinen Vater Herzog Ernst oder ein Schreiben Herzog Ludwigs VIII. von Bayern-Ingolstadt an Albrecht III. 83. Daneben haben sich abschriftliche bzw. indirekte Belege erhalten, die gleichfalls darauf hinweisen, dass bayerische Fürsten mitunter selbst zur Feder griffen. Demnach verfassten etwa Herzog Ernst von Bayern-München (1424/25) und Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (1428) eigenhändige Schriftstücke84. Margarethes Briefe stellen die frühesten eigenhändigen Schreiben dar, die von einer Herzogin aus dem Haus Habsburg überliefert sind. In einem der Briefe bittet Margarethe ihren Bruder: und last uns wissen, ob ir unser geschr(ift) erkent, wan wir ewr hant wol erkennen, und wir haben den brief und zedel mit unser selbs hant in gach eil geschr(iben)85. Ein andermal fordert sie ihn mit den Worten ewr verschr(iben) antwurt mit ewr selbs hant in gter groser gehaim wegern wir zw wissen herwiderumb zur eigenhändigen Beantwortung ihres Briefes auf 86. Die Äußerungen belegen, dass Albrecht seiner Schwester, zumindest gelegentlich, ebenfalls von eigener Hand schrieb. Sie dokumentieren außerdem, dass sie der eigenhändigen Abfassung der von ihm versandten Briefe – wohl nicht nur aus dem Aspekt der Sicherheit und Geheimhaltung – einigen Wert beimaß. Leider sind uns zu den Briefen Margarethes keinerlei Antwortschreiben von Seiten ihres Bruders erhalten 80   Vgl. Martin Wagendorfer, Eigenhändige Unterfertigungen Kaiser Friedrichs III. auf seinen Urkunden und Briefen, in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs–Paul-Joachim Heinig–Martin Wagendorfer (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J.F. Böhmer, Regesta Imperii 32, Wien–Köln–Weimar 2013) 215–265. 81  Vgl. Heinrich Koller, Zur Bedeutung der eigenhändigen Briefe Kaiser Friedrichs III., in: Geschichte der Zentraljustiz in Mitteleuropa. Festschrift für Bernhard Diestelkamp zum 65. Geburtstag, hg. von Friedrich Battenberg–Filippo Ranieri (Weimar–Köln–Wien 1994) 119–129; Christian Lackner, Die Vielgestaltigkeit der spätmittelalterlichen Herrscherurkunde, in: Urkunden und ihre Erforschung. Zum Gedenken an Heinrich Appelt, hg. von Werner Maleczek (VIÖG 62, Wien 2014) 93–107, hier 101. 82  Vgl. Wild, Handzeichen (wie Anm. 77) 11–15. 83  Vgl. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45) 77–79; 358. 84  Vgl. ebd. 359f. 85  Editionsanhang Nr. 3a. 86  Editionsanhang Nr. 1b.

294

Claudia Feller

geblieben. Von Herzog Albrecht V. ist, soweit bisher bekannt, überhaupt nur ein eigenhändiges Schriftstück überliefert: Es handelt sich dabei um eine Schuldurkunde aus dem Jahr 1435 zugunsten seines Vetters Friedrich IV. Die Eigenhändigkeit dieses Dokuments belegt der darin enthaltene Passus geschribn mit unser hand 87. Ein Vergleich der Schrift Albrechts V. mit jener seiner Schwester Margarethe zeigt, dass es sich in beiden Fällen um kleinteilige gotische Kursiven handelt. Albrechts Schrift ist sehr regelmäßig und mit einer überraschend genauen Zeilenführung, Margarethes Schrift wirkt unruhiger, sowohl in der Zeilenführung als auch hinsichtlich der einzelnen Buchstabenformen. Auffällig ist, dass Margarethes Briefe gänzlich auf graphische Gliederungselemente in Form von Satzzeichen verzichten und in ihrem Ausdruck insgesamt sehr stark an einer mündlichen Sprechweise orientiert sind. Diese Tatsache erschwert die Lesbarkeit ihrer Originalbriefe in erheblichem Maße. Auch der Gebrauch von Kürzungen ist keineswegs einheitlich und zeigt eine gewisse Unsicherheit. Diese Beobachtungen lassen insgesamt darauf schließen, dass Margarethe nur eine kurze und sehr eingeschränkte Ausbildung, die sich auf die bloße Fähigkeit des Schreibens beschränkte, genossen hat. Briefaustausch Der Austausch von Briefen zwischen Albrecht und Margarethe dürfte auf unterschiedliche Art und Weise erfolgt sein. Allem Anschein nach erhielt Albrecht von Margarethe gewisse Briefe auf offiziellem Weg, etwa wenn ein Vertrauter Herzog Heinrichs, z. B. Alban Closner88, ohnehin zu ihm gesandt wurde. Andere Passagen ihrer Briefe betonen dagegen das geheime Element der geschwisterlichen Korrespondenz: Wenn er ihr hinkünftig über seine eigenen Boten in gehaim schreiben würde, so möge er diese anweisen, die Briefe nur ihr selbst und niemand anderem auszuhändigen oder sie ihm wieder zurückbringen89. Überhaupt befand sich Margarethe in steter Sorge, ein von ihr verfasster Brief könnte Albrecht nicht erreicht haben90, und auch umgekehrt bat sie ihren Bruder um Auskunft, ob er an ihn adressierte Briefe beantwortet hätte oder nicht91.

  HHStA AUR 1435 IV 26. Vgl. Lackner, Vielgestaltigkeit (wie Anm. 81) 100f.   Der niederbayerische Adelige Alban Closner (von der Klosen, Chlosner, Klosner) zu Arnstorf war in den Jahren 1425 bis 1452 herzoglicher Rat, zwischen 1433 und 1450 Hofmeister Herzog Heinrichs und anschließend bis 1456 Hofmeister Herzog Ludwigs. Vgl. Christian Hesse, Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich. Die Funktionseliten der lokalen Verwaltung in Bayern-Landshut, Hessen, Sachsen und Württemberg. 1350–1515 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 70, Göttingen 2005) 754 Nr. 6015; München, BayHStA KU Vilshofen 1437 XII 11; Passau Domkapitel Nr. 4779 (1439 II 27); KU Aldersbach 1442 IX 17; KU Altötting-Chorstift 1446 II 15; KU Raitenhaslach 1446 VI 24, vgl. Regesten der Urkunden des Zisterzienserklosters Raitenhaslach 1351–1803, bearb. von Edgar Krausen (Burghausen 1989) 100 Nr. 250 (1446 Juni 24); Passau Domkapitel Urk. Nr. 1554 (1446 X 6); Passau Domkapitel Urk. Nr. 1916 (1451 XII 2). 1437 bezeichnet er sich in einer littera clausa als Pfleger bei der Rotte, 1457 wird er im Rahmen einer Urkunde, in welcher er als Aussteller fungiert, als ritter, pfleger z Reychenberg an der Rot tituliert. München, BayHStA KU Vilshofen 1437 XII 11; KU Aldersbach 1457 XI 4. Als Pfleger von Pfarrkirchen begegnet er zwischen 1448 und 1455 (möglicherweise – mit Unterbrechungen – sogar zwischen 1418 und 1464), als Pfleger von Eggenfelden zwischen 1439 und 1449. Vgl. Hesse, Amtsträger 754 Nr. 6015. 89  Editionsanhang Nr. 3a. 90  Editionsanhang Nr. 2a. 91  Editionsanhang Nr. 3a. 87 88

mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 295



Wiederholt wird in Margarethes Briefen eine Person erwähnt, welche als Barbra d[ie] Pernerin oder schlicht als Pernerin bezeichnet wird92. Sie spielte im Rahmen der brieflichen Korrespondenz der beiden Geschwister insofern eine zentrale Rolle, als auch über sie ein Austausch von Briefen, über welche Margarethes Gemahl Heinrich nicht Kenntnis erlangen sollte, erfolgte; daneben wurden gegebenenfalls weitere Informationen bzw. mündliche Nachrichten über sie übermittelt. Barbara Perner war die Ehefrau des steirischen Ritters Georg (Jörg) Perner. Im Jahr 1411 belehnte Graf Hugo von Montfort die beiden Brüder Dietrich und Georg Perner mit den drei Höfen unterm Stein, am Rehberg und im Feld sowie mit einer Mühle im Froudental 93. Aus einer Urkunde vom 20. Februar 1424 geht hervor, dass Georg, Sohn Konrads des Perner, mit seinem Bruder Dietrich eine Erbteilung vorgenommen und an diesen und dessen Erben die halbe Burg zu Schachen (mein halbs haws zu Schachn) verkauft hatte94. Georgs Ehefrau Barbara entstammte offenbar dem Salzburger Ministerialengeschlecht der Kuchler, welches im 12. Jahrhundert erstmals urkundlich fassbar wird. Barbara war die Schwester von Konrad (V.) und Hans Kuchler, beide Erbmarschälle des Erzstiftes Salzburg und bayerische Lehensträger. Sie war in erster Ehe mit Wilhelm von Rohr verheiratet, aus welcher Ehe ein Sohn, Bernhard von Rohr, hervorging. Nach dem frühen Tod ihres ersten Ehemannes vermählte sie sich mit dem steirischen Ritter Georg Perner, mit dem sie sowohl einen gemeinsamen Sohn, Hans Perner, als auch eine Tochter, Gertraud, die später den Adeligen Lienhard Arberger ehelichen sollte, hatte95. In seinem Testament vom 10. August 1436, das Hans Kuchler zu Friedburg, der letzte männliche Angehörige seines Geschlechts, kurz vor seinem am 8. September 1436 erfolgten Ableben ausstellte, bezeichnete er seine Schwester als die edel mein liebe Schwester Babara Herrn George des Pern seel. Wittib96. Einer am 29. November 1438 ausgestellten Urkunde ist zu entnehmen, dass Barbara zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war97. Die im Innviertel gelegene Herrschaft und das Gericht Friedburg, welche die Kuchler zu dieser Zeit innehatten, befindet sich in rund 40 Kilometern Entfernung von Burghausen. Die Familie besaß allerdings auch ein Stadthaus zu Burghausen, das die Kuchler von Urban Simon dez Chnesner Sun erworben hatten98 und das sich, in der Zaglau und damit zwischen Burgberg und Salzach gelegen, in nur geringer Distanz zur herzoglichen Burg befand. Dies ergibt sich aus einer Urkunde vom 24. April 1406, mittels derer Konrad Pfunzner, Bürger zu Burghausen, und seine Ehefrau jährliche Gülten in der Höhe von 18 Pfund Pfennigen für eine ewige Messe stifteten. Unter den dafür eingesetzten Immobilien wird auch ein haws vnd hofstat in der Czagellaw, zunechst an des Kuchlars haws genannt99.   Editionsanhang Nr. 2, 3a.   Vgl. Hans Pirchegger, Landesfürst und Adel in Steiermark während des Mittelalters 2 (Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark 13, Graz 1955) 198. 94  Urkunden-Buch der Familie Teufenbach, ed. Vincenz Brandl (Brünn 1867) 203 Nr. 246. 95   Vgl. Walter Aspernig, Haus und Herrschaft als Altersversorgung. Ein Beitrag zur Besitzgeschichte von Pixendorf, Bezirk Tulln, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. UH 76 (2005) 38–47, hier 44. 96  Vgl. Monumenta Boica 5 (Wien 1765) 516–523, hier 522 (1436 August 10). 97   Zum Geschlecht der Kuchler vgl. Walter Brugger, Die Kuchler. Ein Salzburger Ministerialengeschlecht. Das Salzfass. Heimatkundliche Zeitschrift des Historischen Vereins Rupertiwinkel N. F. 1 (1967) 14–16, 35–37, 62–65; N. F. 2 (1968) 20–24, 41–47, 70–74; N. F. 3 (1969) 12–14, 44–54, hier bes. 44–54. 98  Monumenta Boica 5 (wie Anm. 96) 513–516, hier 514 (1432 Juli 13). 99   Burghauser Urkundenbuch 1025–1503, Bd. 1: Urkunden Nr. 1–500 (1025–1456 Januar 26), ed. Johann Dorner (Burghauser Geschichtsblätter 54, Burghausen 2006) 244–246 Nr. 197, hier 245 (1406 April 24). 92 93

296

Claudia Feller

Die geringe Entfernung zwischen der herzoglichen Burg und dem Stadthaus der Kuchler dürfte eine Übergabe der Briefe an Angehörige des Geschlechts der Kuchler begünstigt haben. Möglicherweise erfolgte durch diese die Weiterbeförderung an Barbara Perner, welche die Briefe ihrerseits an Herzog Albrecht V. von Österreich übergab bzw. übergeben ließ. Letztlich dürfen diese Überlegungen bzw. Indizien aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der genaue Modus der Briefübermittlung ungeklärt ist100. Inhalt der Briefe Es ist nicht einfach, Margarethes Briefen gerecht zu werden, da in den darin transportierten Mitteilungen und Gedankengängen so viel Unterschiedliches an Emotionen mitschwingt. Die Schreiberin scheint, hervorgerufen durch das Verhalten ihres Ehemannes Heinrich, stark verunsichert; mitunter wirkt sie dennoch recht energisch, was sich in ihren überaus konkreten Aufforderungen an den Bruder widerspiegelt. Der Inhalt der Schriftstücke kreist um mehrere, zum Teil wiederkehrende Themenkomplexe: Im Mittelpunkt steht Margarethes Beziehung zu ihrem Ehemann Heinrich. Margarethe ist sehr beunruhigt wegen Heinrichs Verhalten ihr gegenüber; sie bittet daher ihren Bruder, dieser möge mit Alban Closner, der als Gesandter Heinrichs mit Briefen zu ihm komme, über sie sprechen und sich im Vertrauen erkundigen, weshalb sich sein Schwager ihr gegenüber so befremdlich und grob verhalte (slch frmdleich und hertes halten umb­ sunst gen uns hiet) und wodurch sie dieses Gebaren ihres Ehemannes verschuldet habe. Es wäre ihr hilfreich, wenn Heinrich im Umgang mit ihr besser und nit als herrleichen101 auftreten würde und sie nicht so großen Mangel leiden ließe (es hulf uns gar wol gen unserem herrn und gmachel, das er uns in allen dingen passer und nit als herrleichen hielt, dann bizher geschech ist, und uns nicht als grssen abganck haben liess)102. Die Dialog- und Handlungsanweisungen, die Margarethe ihrem Bruder in diesem Zusammenhang erteilt, sind äußerst konkret: Albrecht solle Closner demnach mitteilen, dass es auch ihm missfallen würde, wenn seine Schwester ein schuldhaftes Verhalten an den Tag gelegt hätte. Über das Gespräch, so ist Margarethe überzeugt, würde Closner an Heinrich Bericht erstatten103. In ihren Schreiben erwähnt Margarethe mehrfach eine Person namens Werlich104. Es liegt nahe, dass es sich dabei um Kaspar Werlich handelt, der in den Excerpta Genealogica Reicherspergensia im Jahr 1430105, in urkundlichen Quellen 1434106 sowie zwischen 1446 100   Eine Recherche nach Immobilien in Wien im Besitz von Barbara und Georg Perner, von wo aus eine Übergabe der Briefe an Herzog Albrecht V. hätte organisiert werden können, erbrachte ein negatives Ergebnis. Lediglich Hans Perner von Pernegg, Angehöriger einer anderen Linie (nämlich der Hauptlinie) des Geschlechts, besaß hier nachweislich ein Haus zwischen Schauflergasse und Hofkanzlei (alt Nr. 6), das er zu einem unbekannten Zeitpunkt an Hans von Ebersdorf verkaufte. Von diesem gelangte das Haus 1442 erblich an dessen Söhne Veit und Hans von Ebersdorf. Wien, WStLA, Hs. W 190/1–7 (Typoskript): Paul Harrer(-Lucienfeld), Wien – seine Häuser, Menschen und Kultur, 7 Abt. in 16 Bden. und 2 Registerbden., hier bes. Bd. 6/­ 2. Teil (21957). Zum Geschlecht der Perner vgl. allgemein von Stramberg, Pernegg, Perneck, in: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste 3. Sektion/17. Teil (Leipzig 1842) 156–160. 101   hêrlich adj., -liche adv. herrlich; stolz, hochgemut. Vgl. Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (Stuttgart 381992) 87. 102  Editionsanhang Nr. 1. 103  Editionsanhang Nr. 1. 104  Editionsanhang Nr. 1b, 2, 3. 105  Hier findet sich der Eintrag Kaspar Woerlich, Kuchelmeister. Monumenta Boica 4 (München 1765) 510. 106  Burghauser Urkundenbuch 1, ed. Dorner (wie Anm. 99) 388–390 Nr. 339, hier 389f. (1434 August 24).



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 297

und 1448 als herzoglicher Küchenmeister zu Burghausen belegt ist107. Margarethe berichtet, sie habe mit ihrem Ehemann über Werlich und diverse andere Anliegen gesprochen, was er sehr unfreundlich aufgenommen habe. Er habe ihr daraufhin zornig urlawb (mhd. urloup: die Erlaubnis zu gehen, Verabschiedung108) gegeben und ihr bedeutet, dass sie zu Albrecht heimkehren sollte, wenn sie ihr gegenwärtiges Leben als so unangenehm ansähe (Als wir dann von des Wrlochs wegen auch tan und unser notdurft erzelt haben, das ward uns frm[d] und gar unfrewntleich aufgenomen, wann wir melten mit demselben auch ander unser ntdrft. Daruber was gar churczew antwurt, dann under andern worten ward uns zw gesprochen, hiet wir dann ein so args leben, so solt wir wider haim zw ewch varn)109. Margarethe meint dazu, dass, seit sie hier im Lande wäre, ihr nie etwas herter gemt hat, dann das er uns maint allso ein stumpfacz urlawb zu geben110. Wiederholt bittet sie Albrecht ihr mitzuteilen, was er von Closner in dieser Angelegenheit erfahre, wobei Margarethe ihrem Bruder genaue Gesprächsanweisungen erteilt111. Auch bei anderer Gelegenheit berichtet Margarethe über ihre konkrete Lebenssituation: Es mangle ihr an vielen Dingen, und ihr Hof wäre insgesamt schlecht und insbesondere mit Amtleuten besetzt, die viel zur Entfremdung zwischen ihnen beitragen würden (wir msten vil abgangs und mangel in allen sachen haben, und es wr unser hof gar swachleich weseczt und sunder mit amtlewten, dy uns vil frmdnus gen im machten)112. Auch bezüglich ihrer heirat- und vermchtbrief wendet sich Margarethe an den Bruder. Ihr Ehemann Heinrich wolle wissen, wo sich diese befinden würden, er hiet ir nye gesechen noch gehrt. Der Begriff vermchtbrief  113 ist unbestimmt, vermutlich ist damit Margarethes Erbverzichtserklärung gegenüber ihrem Bruder Albrecht und den Herzogen Ernst und Friedrich gemeint. Margarethe schreibt, sie hätte Heinrich mitgeteilt, dass der verstorbene Bischof Georg von Passau die Briefe seinerzeit über Andreas Herleinsperger114 an Albrecht übersandt hätte. Nun bitte sie Albrecht um eine Abschrift dieser Dokumente. Sollte bei den vier Besitzungen und Burgen eine Einkommensminderung (merckleicher abgang) eingetreten sein, so möge Albrecht Heinrich bitten, dass diese erstattet würde. Heinrich denke nur daran, dass es schlecht sei, dass Albrecht die Urkunden in seinen 107  Vgl. Hesse, Amtsträger (wie Anm. 88) 768 Nr. 6196; Burghauser Urkundenbuch 1, ed. Dorner (wie Anm. 99) 482–484 Nr. 438 (1447 Februar 2, Burghausen). 108  Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (wie Anm. 101) 260. 109   Editionsanhang Nr. 1b. 110   Editionsanhang Nr. 1b. 111   Editionsanhang Nr. 1b, 2a. 112   Editionsanhang Nr. 3. 113  Mhd. vermecht: Vermächtnis. Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (wie Anm. 101) 274. 114   Bei Andreas Herleinsperger handelt es sich um einen Adeligen aus dem Land ob der Enns. 1393 war er von Bischof Georg von Hohenlohe zum Pfleger und Landrichter von Velden eingesetzt worden, welche Funktion er bis 1413 innehatte. In den Jahren 1401 und 1413 ist Andreas Herleinsperger außerdem als Pfleger zu Neuburg am Inn belegt. Daneben begegnet er 1413 in der Funktion eines Verwesers der Hauptmannschaft ob der Enns. 1415 setzte Herzog Albrecht V. Andreas Herleinsperger als Administrator des Benediktinerstiftes Kremsmünster ein, welche Funktion er bis 1419 ausübte. Herleinsperger war außerdem durch den Hauptmann des Landes ob der Enns, Reinprecht von Wallsee, damit betraut worden, das Stift Schlägl zu visitieren und Reformmaßnahmen durchzusetzen, welche Aufgabe er 1420 zu einem Abschluss brachte. Zwischen 1420 und 1425 scheint Andreas Herleinsperger außerdem als Vicedom des Hochstiftes Passau auf. Andreas Herleins­ perger, der am 28. Juni 1424 sein Testament aufsetzte, dürfte am 7. oder 8. November 1425 verstorben sein, wie aus der Inschrift an seinem Grabstein in der Spitalkirche zu Eferding hervorgeht. Vgl. Isfried H. Pichler, Andreas Herleinsperger oder: ein Ritter reformiert zwei Klöster. Festschrift Rudolf Zinnhobler zum 70. Geburtstag, hg. von Herbert Kalb–Roman Sandgruber (Linz 2001) 143–153.

298

Claudia Feller

Händen habe, er denke aber nicht daran, was der Inhalt besagen würde und ob dieser nachteilig wäre oder nicht. Sie selbst habe überschlagen, dass der Abgang jährlich wohl mindestens 1500 Gulden betrage115. Wiederholt und mit Nachdruck äußert Margarethe den Wunsch, ihren Bruder wiederzusehen. Sie und die Kinder seien gesund, sie habe aber ein gancz belangen und verdryessen nach ewr lieb116. Einmal schreibt Margarethe, ihr Bruder möge sich bei ihrem Ehemann dafür verwenden, dass sie sich bald treffen könnten, damit sie ihm ihre aktuelle Lage und ihre Vermögenssituation (vermchcz) offenlegen könne. Er solle sich viel Muße nehmen, zu ihr zu kommen, denn es sei noch nie so nötig gewesen. Nach Möglichkeit sollte Albrecht auch seine Gemahlin mitbringen117. Margarethes Briefe lassen auf ein inniges Verhältnis zu ihrem Bruder Albrecht schließen und offenbaren, dass Albrecht über Margarethes Heirat hinaus eine Art Beschützerrolle einnahm. Zurückzuführen sein dürfte diese Funktion auf die Jahre nach dem Tod ihres Vaters Albrecht IV., später auch der Mutter, als Albrecht die wohl stärkste Bezugsperson für Margarethe war. Zum besseren Verständnis der engen Verbindung, die zwischen den beiden Geschwistern bestand, ist eine Quellenstelle aufschlussreich, die auf Hertneid von Pottendorf, Marschall von Österreich, Leopold von Eckhartsau, Hofmeister, und Hans den Neidecker, Kammermeister Albrechts V., zurückgeht: Mitte des Jahres 1410 brach in Wien eine Seuche aus, der im Laufe des Jahres vermutlich auch Herzogin Johanna, die Witwe Albrechts IV. und Mutter von Albrecht und Margarethe, zum Opfer fallen sollte. Da man insbesondere um Herzog Albrechts Wohlergehen fürchten musste, forderte Herzog Leopold im September 1410 den Hofmeister Albrechts V., Leopold von Eckhartsau, und dessen Kammermeister, Hans den Neidecker, auf, mit diesem nach Wiener Neustadt zu reiten. Die nähere Umgebung Albrechts, zu der neben den beiden Genannten auch Hertneid von Pottendorf und Achaz von Velben zählten, hatte bezüglich eines geeigneten Aufenthaltsortes für den jungen Herzog zunächst gänzlich divergierende Vorstellungen. Erst im September dieses Jahres, nach erneuter dringender Aufforderung Herzog Leopolds, geleiteten sie ihn nach Wiener Neustadt, wo sich Albrecht insgesamt acht Tage – vom 20. bis 28. September – aufhielt, bevor er am 28. September auf die etwa 15 Kilometer entfernte und im Piestingtal gelegene Burg Starhemberg gebracht wurde. Albrechts Schwester Margarethe traf am selben Tag auf Starhemberg ein. Leopold hatte nämlich angeordnet, dass unser jungs frewl aus dem lauff, der dann ze Wienn dieselb zeit was, daz ma[n] die auh gen Starhemberg bringen solt, vmb ain soelhs, nahdem vnd vnser fraw von Hollant saelig abgegangen was zu derselben zaeit, daz si dann daselbs zu Starhemberg bei einander w[aeren] vnd ir kurczweil mit einander hieten, damit si soelhs vngemahs vnd laids von irer mueter wegen vergessen118. Diese kurze Quellenstelle verdeutlicht die Vertrautheit im Umgang und das gute Einvernehmen, das zwischen den beiden Geschwistern bestanden haben dürfte. Herzogin Margarethe und Herzog Heinrich Ein Vergleich der Briefe mit anderen Quellen bietet zum Verhältnis zwischen Margarethe und Heinrich folgendes Bild: Abgesehen von urkundlichen Aufzeichnungen, welche     117  118  115 116

Editionsanhang Nr. 3. Editionsanhang Nr. 2. Editionsanhang Nr. 3a. Vgl. von Zeissberg, Minderjährigkeit (wie Anm. 19) 539.

mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 299



sich inhaltlich fast ausschließlich auf die Eheanbahnung und die Heiratsverhandlungen mit ihrem späteren Gemahl Herzog Heinrich XVI. beziehen, waren über die Angehörigen der herzoglichen Familie aus der Linie von Bayern-Landshut bislang vorrangig Informationen aus historiographischem Schriftgut bekannt. Äußerlich wird Herzog Heinrich von Aventin als clainer jeher frischer herr119, an anderer Stelle – mit Bezug auf sein Bildnis im Predigerkloster zu Landshut – als ain clainer brauner herr120 beschrieben. Ladislaus Suntheim überliefert, der Herzog wäre auch als Heinricus Niger bezeichnet worden, quia niger fuit121. Hinsichtlich seines Wesens fällt die überwiegende Anzahl der Beschreibungen wenig schmeichelhaft aus: Nachdem Heinrich 1408 einen Aufstand von Bürgern zu Landshut gewaltsam niedergeschlagen hatte122, hätte ihn Herzog Ludwig der Bärtige von Bayern aus der Linie Bayern-Ingolstadt als bluethund (pluethunt) bezeichnet123. An diesem soll Herzog Heinrich zur Zeit des Konstanzer Konzils überdies einen Mordversuch verübt haben124. Demgegenüber berichten mehrere Chronisten von Heinrichs Reichtümern125 sowie seiner als umsichtig zu charakterisierenden Arbeitsauffassung und Personalauswahl126. In seinen manpären jaren war er nach Füetrer und anderen gar ain güetiger, fridlicher fürst, der sich zudem sehr um Frieden und Sicherheit in seinem Herrschaftsgebiet bemühte127.   Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 545.   Ebd. 540. 121   Ladislai Sunthemii … Familiae Germaniae Principum, ed. Oefele (wie Anm. 33) 567. 122   Also wurden ir vil getödt, plent und sunst vertriben mit weyben und kinden. Auch liess man niemant von seinem guet nicht widerfaren; es nam der hertzog gar mit all, das ich armer Vlrich Füetrer mit andern meinen geswistergeiten wol klagen mag, wan manig frumer man wol waiss, das des unwillen mein vatter säliger auch umb etlich tausent guldin werd kam. Ulrich Füetrer, Bayerische Chronik, ed. Reinhold Spiller (Quellen und Erörterungen zur Bayerischen und Deutschen Geschichte. N. F. 2. Bd., 2. Abt., München 1909) 210. – Auch Ladislaus Suntheim berichtet vom gewalttätigen Vorgehen Heinrichs. Is multos cives in Landshuet decollari praecepit & nonnullos expulit & etiam aliquos taxavit. Ladislai Sunthemii … Familiae Germaniae Principum, ed. Oefele (wie Anm. 33) 567. – Arnpeck, Chronica Baioariorum (wie Anm. 33) 359f.; ders., Bayerische Chronik (wie Anm. 33) 611f. Vgl. Max Spindler, Handbuch der bayerischen Geschichte 2 (München 21988) 591. 123  Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 535 und 544. – Auch die Bezeichnungen Heinrichs als sutor & carnifex werden Ludwig dem Bärtigen durch Suntheim zugeschrieben. Ladislai Sunthemii … Familiae Germaniae Principum, ed. Oefele (wie Anm. 33) 567. 124  Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 545f.; Arnpeck, Chronica Baioariorum (wie Anm. 33) 341f., 344f.; Arnpeck, Bayerische Chronik (wie Anm. 33) 598f.; vgl. Spindler, Handbuch 2 (wie Anm. 122) 252–255. 125   Er was diemütig gen aller mänigklich, dann das er das gelt zu über vil lieb hett. Füetrer, Bayerische Chronik, ed. Spiller (wie Anm. 122) 211f. – Und was nit in gutten vermügen in augen seiner regirung, aber ward reich, samet groß schätz. Darumb gab man im ainen nachnomen, das ist: Hertzog Hainrich, der, der den turn zu Purckhawsen voller gulden hat. Ebd. – Man hat in nur den „reichen“ herzogen in Bairn g’nent, hat den turn zu Purkhausen mit gelt angefült. Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 541. Sein vater, oftg’nanter herzog Heinrich, hat den turn zu Burghausen mit gelt angefült, hat die supplication selbs angenomen, die leut selbst gehört und abgefertigt. Hat also viel gelt und ainen grossen schatz gesamlet, das man in und seine nachkomen nur die reichen herzog g’nent hat. Ebd. 589. – Auch Suntheim berichtet in ähnlicher Weise, wenngleich mit eindeutig negativer Konnotation, über den Herzog: Fuit parcus & avarus & congregavit magnum thesaurum … . Ladislai Sunthemii … Familiae Germaniae Principum, ed. Oefele (wie Anm. 33) 567. 126  Er nam auch zu allen seinen ampten vermügent leut, die guet wart hetten, sy wärn edel oder nit, gab in guet söld und sprach: Dy sind mir gutt umb mein vordrung, mügen dester mynder abtragen, müsen sich fürchten. Füetrer, Bayerische Chronik, ed. Spiller (wie Anm. 122) 211. – Ist vast genau auf das guet gewesen. Hat iederman selbs gehört und selbs abgefertigt kürzlich. Wo er ainen sach, fragt er in von im selbs, was er zu schaffen hett; und wo er ainen, so er in verhört het, weiter sach, fragt er in, was er verharrt zu hof, das sein verzert, ob er nicht abgefertigt wär. Hat kainen canzler wöllen haben, sagt, er gehöret nur ainem kaiser zue. Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 540. 127  Wie dem allem, als diser hertzog Hainrich zu manpären jaren kam, ward er gar ain güetiger, fridlicher fürst 119 120

300

Claudia Feller

Während in der wissenschaftlichen Literatur daher lange Zeit eine sehr kritische Sicht auf Herzog Heinrich XVI. dominierte, fällt seit einigen Jahren eine positivere Betrachtungsweise auf, welche sich nicht zuletzt auf eine stärkere Fokussierung seiner wirtschaftspolitischen Maßnahmen und seiner soliden Verwaltung zurückführen lässt128. Die getrennt vom herzoglichen Ehemann ausgeübte Hofhaltung der Herzoginnen in Burghausen und das Verhältnis der jeweiligen Ehegatten zueinander erlebt in jüngerer Zeit ebenfalls eine gnädigere Bewertung129. Zur Untermauerung dieser These wird jedoch insbesondere auf die Hofhaltung der Herzoginnen Amalie und Hedwig hingewiesen, aus deren Lebenszeit entsprechende Haus- und Hofhaltungsordnungen bzw. wirtschaftliche Quellen vorhanden sind130. Auf die Lebensweise der Herzogin Margarethe auf Burghausen und deren eheliche Situation lässt die finanzielle und personelle Ausstattung des Hofes unter Amalie bzw. Hedwig aber letztendlich keine verallgemeinernden Rückschlüsse zu. Was Margarethe selbst betrifft, sind die Quellen keineswegs auskunftsfreudig. In einer Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik wird berichtet, Margarethe wäre nach eigenen Aussagen auch ain gefangene irs gemachels, wann si in chain sloß irs gemachels nie chom, wann in daz sloß zu Purckausen. Aus dem do chom si nie piz an ir end des todes131. Durchwegs negativ ist Aventins Beschreibung der Situation Herzog Ludwigs, welche indirekt jene von dessen Mutter Margarethe mit einschließt. Er beschreibt, Ludwig wäre bis in das dreiunddreissigist jar zu Burkhausen im frauenzimer bei der mueter erzogen worden, hat viel gelitten, grossen mangl an gelt claidern und pferden gehabt. Der vater war ser karg, wolt im nichts geben, ist dannoch im überaus seer gehorsam gewesen, wiewol im sein indrist rät rieten, er solt sich haimlich zu seinem vetern, seiner mueter brueder künig Albrecht, römischen behamischen und ungerischen künig, erzherzog in Österreich, tuen; aber er wolt den vater nit belaidigen132. Ein bisher unveröffentlichtes Dokument aus dem Geheimen Hausarchiv in München mit der Überschrift Unser, herczog Albrechts, antwurtt auf des Ahaimer werbung ist, was das Verhältnis der einzelnen Personen zueinander betrifft, ebenfalls in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Es handelt sich dabei um eine Antwort Herzog Albrechts von Österreich auf eine ihm seitens des Ahaimer133 überbrachte werbung: Gesandte brachten beim Adres saund auszrichtig guets gerichts, und rawber und der geleich übeltätter, so er die zu wegen pracht, den macht niemant gnad bei im erlangen. Umb des willen stuend alls sein sein land in stätem und guetem frid. Er diente unser lieben frawen mit grosser andacht. Er was diemütig gen aller mänigklich, dann das er das gelt zu über vil lieb hett. Füetrer, Bayerische Chronik, ed. Spiller (wie Anm. 122) 210f. – Ist ein diemüetiger fürst, ain gueter haushaber gewesen, doch zeicht man in, er hab die Juden und das rotwild zu vast lieb gehabt; hat den paurn die hunt und zeun gewert. Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 589. Das rotwild sol er zu ser lieb gehabt und gehait haben, hat den pauern die rüden genomen, die zeun gewert. Doch hat er gueten frid im land gehalten, kain reuterei (wie damals der brauch) oder wie es die kaufleut nennen, rauberei, gar nit gelitten. Die kaufleut hiessen sein land „im Rosengarten“, die reuter clagten und sagten, es möcht sich auch kain wolf in seinem land enthalten und dem strang entrinnen. Ebd. 540f. – Zu Herzog Heinrich vgl. zusammenfassend Spindler, Handbuch 2 (wie Anm. 122) 247f. 128   Vgl. z. B. Stephanie Rilling, Studien zu Heinrich dem Reichen von Bayern-Landshut. Aspekte der Sanierung des Herzogtums Anfang bis Mitte des 15. Jahrhunderts. VHVN 116/117 (1990/91) 141–208. 129   Vgl. Dorner, Herzogin Hedwig (wie Anm. 5) 15 (mit entsprechenden Verweisen), 182f. 130   Vgl. Joseph Baader, Haus- und Hofhaltungsordnungen Herzogs Ludwig des Reichen von Nieder­ bayern für das Residenzschloß Burghausen, während des Aufenthalts seiner Gemahlin Herzogin Amalie dortselbst. OA 36 (1877) 25–54; Dorner, Herzogin Hedwig (wie Anm. 5) 89–97 u. a. 131  Sächsische Weltchronik. Vierte Bairische Fortsetzung (wie Anm. 34) 377. 132  Aventin, Bayerische Chronik 2, ed. Lexer (wie Anm. 34) 590f., hier 591. 133  Angehöriger des bayerischen Geschlechts der Ahaim (Aham, Aheimer), viell. der herzogliche Rat



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 301

ten ein Anliegen nicht nur mündlich vor, sondern übergaben gleichzeitig eine schriftliche Fassung, die werbung134. Dabei stellte auch die schriftliche Entgegnung Albrechts für den bayerischen Herzog ihrerseits eine werbung dar, die diesem vermutlich ebenfalls auch mündlich vorgetragen wurde. Das undatierte Blatt Papier, auf beiden Seiten beschriftet, ist unterhalb der Überschrift in vier Absätze untergliedert, in denen unterschiedliche Anliegen vorgebracht werden. Albrecht hätte demnach seinen Schwager bereits zahlreiche Male gebeten, unser liebe swester, sein gemaheln, ze haltten als ainer furstin zugepret, und ihr, wenn an den ihr verschriebenen Einkünften und Erträgen ein Abgang einträte, diesen zur Gänze zu erstatten. Er habe bereits erfahren, dass sein Schwager gewillt wäre, sich so zu verhalten und dies auszuführen; bislang wäre das aber noch nicht geschehen, weshalb er den Schwager neuerlich auffordere. Anschließend folgt eine Passage, in der Albrecht anmerkt, dass – sofern Heinrich sich in dieser Weise verhalten werde – sie beide oder ihre Bevollmächtigten bezüglich beider Länder Missstände, Forderungen und anderer Angelegenheiten auch in beidseitiger Übereinkunft Gerichtstage abhalten und besuchen könnten. Der nächste Absatz ist Albrechts Neffen, dem Sohn Herzog Heinrichs und Margarethes, gewidmet: Sofern Heinrich sich gegenüber seiner Schwester in der oben beschriebenen Weise verhalte, dann so wellen wir denselben unsern hem gern bey uns sehen und liebleich haltten. Wann er ihn senden und mit wem und mit wievielen Personen er ihn umgeben wolle, sei Herzog Heinrich vorbehalten. Falls es diesem notwendig zu sein scheine, so wolle er seinem Neffen gerne seiner lantlet ainen zgeben, der ime diene und des lannds siten hie underweise. Der letzte Absatz beschäftigt sich wiederum mit Albrechts Schwester Margarethe. Heinrich solle Albrecht seine Schwester Margarethe schicken, damit wir ain zeit miteinander frleich sein. Albrecht habe ihn schon oft darum gebeten und Heinrich ihn diesbezüglich immer wieder vertröstet135. Das Dokument bestätigt demnach inhaltlich jene Vorwürfe, welche Margarethe in ihren Briefen an den Bruder gegen ihren Ehemann Heinrich vorbringt und die die Sicherstellung ihrer standesgemäßen Hofhaltung und das Erstatten allfälliger Einkommensminderungen betreffen. Darüber hinaus offenbart sich darin auch das gute Verhältnis der beiden Geschwister zueinander, und der Wunsch nach einem Treffen wird ausgesprochen. Der Inhalt des Dokuments lässt vermuten, dass die werbung einerseits zeitnah zu Margarethes Briefen datiert werden kann, und zeigt außerdem, dass Herzog Albrecht sich sehr wohl der Probleme Margarethes annahm und auf die in ihren Briefen vorgebrachten Bitten und Anliegen in entsprechender Weise reagierte. Dennoch: Margarethes ausdrücklichem Wunsch, ihre Briefe samt den Beilagen (Zettel) zu zerreißen136, ist Albrecht nicht nachgekommen137. ­ eorg II. von Ahaim (Linie der Ahaimer zu Hagenau), 1408–1410 Hofmeister Herzog Heinrichs, gest. um G 1430. Vgl. Konrad Meindl, Genealogische Abhandlung über das altbairische Adelsgeschlecht der Ritter, Freiherren und Grafen von Aham auf Hagenau, Wildenau und Neuhaus. VHVN 20 (1878) 279–310, hier 320–324. 134  Zur werbung vgl. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz (wie Anm. 45) 305f. 135  München, GHA HU 2026; ediert in Editionsanhang Nr. 4. 136  Editionsanhang Nr. 2a. 137  Die Bitte des Absenders bzw. der Absenderin, einen Brief zu vernichten, ist im Spätmittelalter keineswegs singulär und findet sich beispielsweise auch in der Korrespondenz der englischen Familie Paston oder in jener von Albrecht Achilles von Brandenburg. Vgl. Diane Watt, Medieval Women’s Writing. Works by and for Women in England, 1100–1500 (Cambridge 2007) 142; Holzapfl, Fürstenkorrespondenz (wie Anm. 62) 319 (Brief von Albrecht Achilles, Ansbach, 1480 Februar 4).

302

Claudia Feller

Editionsanhang Editionsrichtlinien Grundsätzlich erfolgt die Wiedergabe der im Anhang edierten Texte buchstabengetreu, mit Ausnahme von u und v (bzw. U und V   ), die ihrem Lautwert entsprechend gebraucht werden. Auch die graphischen Zeichen i und j (bzw. I und J   ) werden generell ihrem Lautwert entsprechend verwendet. Die Großschreibung beschränkt sich auf Satzanfänge, lateinische Nominaldatierungen des christlichen Festkalenders sowie Eigennamen. Die Briefe (Anhang Nr. 1–3a) beinhalten im Original keinerlei syntaktische Abgrenzungen in Form von Interpunktion bzw. erkennbaren Satzanfängen. Sämtliche Satzzeichen (und damit verbunden auch die Großschreibung bei Satzanfängen) wurden somit von der Bearbeiterin eingefügt und dienen der einfacheren Lesbarkeit des Textes. Auch die Zusammenschreibung oder Trennung von Wörtern erfolgt sinngemäß. Deutlich erkennbar übergeschriebene Buchstaben (a, o) werden als solche wiedergegeben, zwei deutlich erkennbare supraskribierte aufsteigende Punkte werden als übergeschriebenes e dargestellt. Eindeutige Kürzungen werden kommentarlos aufgelöst, nicht eindeutige Abbreviaturen werden durch runde Klammern gekennzeichnet. Eine Besonderheit in den Briefen Herzogin Margarethes, auf die hingewiesen werden soll, stellen die langen s dar, die gelegentlich, wenn auch nicht immer, einen Strich aufweisen, der gemeinhin eine anschließende Kürzung anzeigt. Dabei ist auffällig, dass diesem Zeichen im vorliegenden Text keineswegs durchgehend die Bedeutung einer Kürzung zukommt; zuweilen weisen auch Buchstaben, die als bloßes langes s gelesen werden müssen, dieses Kürzungszeichen auf. Die Edition enthält einen textkritischen Apparat: Unsichere Lesungen sind in den Textanmerkungen als solche gekennzeichnet. In den Sachanmerkungen wurde der Versuch unternommen, die im Text vorkommenden Personen zu identifizieren. Die Zuordnung der Beiblätter zu den einzelnen Briefen ist trotz Bemühens nicht zweifelsfrei möglich. Es wurde daher entschieden, jene Zuordnung beizubehalten, die der gegenwärtigen archivalischen Reihung entspricht (auf der Rückseite jeweils mit Bleistift Foliierung samt Datum des zugehörigen Briefes) und auf Josef Kallbrunner zurückgeht (April 1904)138. Edition 1

1425 September 9, Burghausen

Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1 fol. 10–12 (fol. 10 und 11: Beiblätter) Fol. 12 (littera clausa, eigenhändig): 29,5 x 22,5 cm; auf der Rückseite rotes Siegel (Wappensiegel der Herzogin Margarethe) unter Papierdecke zum Verschluss aufgedrückt

138

  Bleistiftvermerk mit Nachname und Datum, Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1, fol. 4r.



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 303

[fol. 12 r] Hochgeborner furst, herczen lieber brder, swesterleichew lieb und trew und was wir allzeit gucz in stter frewntschaft vermugen zw allen zeiten vran. Das ewr lieb gesundt, wolmgend und mit all ewrn sachen in geluckleichem wessen wr, das erfrewt uns allzeit von ewr lieb in hercz zw wissen und vernemen, als wol billeich ist. Als dann unser lieber getrewer hera Alban Klssnr139 yeczt von unsers hern und gemachel undb unsern wegen in botschaft und mit briefen zw ewr lieb komend ist, bitt wir ewr lieb mit aller frewntschaft, mg das yndert gesein, das ir dann unseren herrn und gmahel und uns darinn nicht verzeichen, sunder ewchc frewntleich darinn weweissen und uns gewerren welt, als wir als gcz zw ewr lieb hoffen; und hieten auch gedingen, es hulf uns gar wol gen unserem herrn und gmachel, das er uns in allen dingen passer und nitd alsd herrleichene hielt, dann bizher geschech ist, und uns nicht als grssen abganck haben liessf. Mag aber des ye nicht gesein, des wir nicht trawen, so well wir dannach ewr lieb und trew in allen unseren sachen enpfr haben. Als wir ewr lieb dann vr aus unserem wessen ein tail verschr(iben) haben, lassen wir ewr lieb in gter gehaim wissen, das sich das laider nichczg noch gepesserth hat; bit wir ewr frewntschaft, ob es ewi gt dewcht und ewr gevallen wr, das ir dann an herj Alban Klsnrk mit frag chmt von unser wegen, wann ir im doch nw auf sein potschaft und werbung gancz geantwurt habt, und hiet im erzelt aus denselben sachen, wazzl ir verstndt, das dann fget zw melden; und das wr vor gter zeit an ewch gelangt und des west ir ein warhait, als dann sicher allso ist. Undm nent nicht, wer es an ew pracht hab; und das ewr lieb zw dem Klssnr sprch, ir mcht nicht gelawben, das ewr swager slchn frmdleich und herteso halten umbsunst gen uns hiet, wir verschuldten es ye mit etwew; und dasp ewr lieb den Ksnarq fragt, wasr oder umb wew das wr. Tt das in gehaim und spracht, ir trawet im sunder darzwe. Sprch er dann, er west kain schuld, als wir zw got hoffen, das uns mit warhait nyemt kain schuld mg geben, darumb wir solches verdienn, das dann ewr lieb sprch, wolt er ewchs nit sagens, so wolt ir doch hinfr ewrn swager selb fragen oder ewrt rt zw im darumb senden; wann solt wirs verschuldn, das solt ewch recht als laid und als grsser missvallen sein als ewrm swager selb, und das wr sicher mgleich, aberu wir getrawn zw got, das es sich in nichtew vindv, nw versten wir anders nicht, dannw es wr uns ncz, wann der Klsnrx unserm hery gemachel gar gehaim ist, undz trft im es als wol gesagen als den rat, den er indert hat. Und wie ir in gefragt und mit im daraus geredt hiet, das wurd er im als gar aigenleich erzellen. Tt und last in den sachn nach ewrem gevaln, wann wir uns mit alen sachen in ewr brderleichew lieb und trew bevelchen. Datumb Burckhausen am suntag nach Maria Nativitatis anno XXVaa. Margreta, ewr trewe swester Adresse rückseitig: [fol. 12 v] Dem hochgeboren fursten und hern herczog Albrechten ze Osterreich etc. unserem herczn lieben brderbb.

139

  Zu Alban Closner vgl. Anm. 88.

304

Claudia Feller   Nach dem h unterhalb des Kürzungszeichens kleines Loch.   Folgt gestrichen und. c  Über der Zeile eingefügt. d–d   Am linken Rand notiert und mittels Vermerkzeichen als an dieser Stelle einzufügen gekennzeichnet. e  Wohl im Wortinneren von d (?) zu rr korrigiert. f  Mit überflüssigem Kürzungszeichen. Zuvor gestrichen lieb. g   cz verschrieben, korrigiert. h  ss irrtümlich mit überflüssiger Kürzung. i   ew über der Zeile eingefügt. j  Folgt gestrichen h. k   s irrtümlich mit überflüssiger Kürzung. l  Am Wortende r zu zz korrigiert. m  Zuvor gestrichen v. n   Zuvor gestrichen solch. o   Zuvor gestrichen hert. p   Zuvor gestrichen d. q  sic! s irrtümlich mit überflüssiger Kürzung. r  Folgt gestrichen d. s   Zuvor gestrichen sagan (?). t   Erster Buchstabe korrigiert. u   Zuvor gestrichen und. v  d irrtümlich mit überflüssiger Kürzung. w  Zuvor gestrichen das. x   s irrtümlich mit überflüssiger Kürzung. y   her über der Zeile eingefügt. z   Am Wortende kleines Loch. aa  Anschließend Zeilenfüllsel. bb  Anschließend Zeilenfüllsel. a

b

1a Fol. 10 (Beiblatt, eigenhändig): 21 x 4 cm [fol. 10 r] Auch sold der brief ewr lieb mit dem Klsnr hinab chomen sein, das macht sich dy zeit nach unserm willen nicht gefgen. Wr der Klsnar noch bey ewr lieb, wrs dann ewr gevall, so dawcht uns ein meldung aus den sachn gen im nicht arg, sunder uns nucz sein. 1b Fol. 11 (Beiblatt, eigenhändig): 24,5/25 x 12,5/13,5 cm [fol. 11r] Sunder mug wir nicht gelassen, wir mssen ewr lieb auch zw wissen tn, das sich in der zeit von des Wrleichs140 wegen, von dem wir ewr lieb vor auch versch(riben) haben, verloffen hat, und das verchund wir ew in ganczem wolgetrawn, wann ewr lieb verstet wol, das wir hie nyemt haben, an den wir bringen, was wir gebrechens haben, dann an unsern her und gmahel. Als wir dann von des Wrlochs wegen auch tan und unser notdurft erzelt haben, das ward uns frm[d]a und gar unfrewntleich aufgenomen, wann wir melten mit demselben auch anderb unser ntdrft. Daruber was gar churczew antwurt, dann under andern worten ward uns zw gesprochen, hiet wir dann ein so args   Vermutl. Kaspar Werlich, herzogl. Küchenmeister zu Burghausen. Zu seiner Person vgl. oben 296f.

140



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 305

leben, so solt wir wider haim zw ewch varn. – Das uns sicher chain ding, dy weil wir hie im lande sein gewessn, nye herter gemt hatc, dann das er uns maint allso ein stumpfacz urlawb zw geben; und wr wir also snell gewessen und hieten sein gevolgt, erbeut ewr lieb selb wol, was gcz oder gelimpfen da bey gewessen und auch noch wr! Aber daruber antwurt ich nit andres, dann ich hab sein noch nit sin. War es ewr gevalen und dewcht es ewch gt sein, so sch wir gard gern, das ir das vor allen dingen gen dem Kssnre gemelt hiet, und sprcht, ob wir des gevolgt hieten, wye ir ew das solt an haben genmen oder wes ir in solcher mss gewrtenf mitsamt uns wrt; und ir west auch des ein wrhait, das es allso geschechen und gen uns geredt worden wr, als dann sicher und laider also ist, wann wir nmen nichcz darumbg, dash wir an ew solten bring andres, dann das sich allso erfundi, und glawb ewr lieb uns nicht allain umb unser schr(eiben), sunder fragt uns gar aigenleich nach an allen den enten, da ir selbs welt; wo sich dann unser schuld ervindt, da sol ewr lieb selb gewalt haben, uns ser darumb zw straffen. Auch wolt ewr lieb uns in den sachen geberen, darumb der Kosnrj zw ewr lieb kumt, mcht ir wol unsern her und gmahel piten haissen, das er im uns pas enpfolchen lies sein dann wizher geschechen ist. Main wir, das wr uns gt und wurdt ir allso an denk Ksnrl chomn, und das es ew gt zame , bit wir ewr lieb, was ew der Kasnrm daruber zw anwurt geb, das ir unsn das wissen last, und ob ir ichcz gen im gemeldt habt oder nicht, und dasso nr in gar grsser gehaim geschech und bey gewisser potschaft, well ewr lieb uns dann auf des Klosnrp werbung auch antwrt tn, das mgt ir dannoch wol ofennwar tn, und verstet man unser schr(eiben) nr dester myner, ewr verschr(iben) antwurt mit ewr selbs hant in gter groser gehaim wegern wir zw wissen herwiderumb, und vermerch ewr lieb uns unser schr(eiben) in gt, als wir ewr lieb als gcz getrawen.   Fehlt irrtümlich ein Buchstabe.   Zuvor gestrichen ander. c   Zuvor gestrichen hal. d  Folgt gestrichen gar. e   sic! f  Folgt gestrichen w (?). g  darumb über der Zeile eingefügt. h   Folgt gestrichen das i  Zuvor gestrichen erfund. j   sic! k  Zuvor gestrichen das. l  sic! m  sic! n  in gestrichen, über der Zeile uns eingefügt. o   Letztes s mit überflüssiger Kürzung. p  Zuvor gestrichen Ko. a

b

2 1425 Oktober 21, Burghausen Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1 fol. 8–9 (fol. 8: Beiblatt) Fol. 9 (littera clausa, eigenhändig): 29 x 21,5/22 cm; auf der Rückseite rotes Siegel zum Verschluss aufgedrückt, fast vollständig abgefallen; unterhalb des Textes zwei große, durch Feuchtigkeit hervorgerufene Löcher

306

Claudia Feller

[fol. 9 r] Hochgebrner frst, herczen lieber brder, swesterleichew lieb mit ganczen trewn und was wir allzeit gcz vermgen zw allen zeiten voran. Das ewr lieb wolmgend, gesundt und in geluckleichem wessen wr, das brcht uns sunder grssa frewd in herczen, von ewr lieb allzeit zw wissen und vernemen als pilleich ist; und wir lassen ewr lieb wissen, das wir auch von den gnaden gocz gesundt sein mitsamt unsern kinden, dann sunder hab wir ein gancz belangen und verdryessen nach ewr lieb, und schen ewch gar gern, und wr auch unser grssew notdrft; und wir pitten ewr frewntschaft mit allem vleis, ir welt unser nicht vergessen und uns ewer lieb bevolchen lassen sein, als wir dann ein gancz getrawen zw ewr lieb sttichleich als gcz haben. Sunder getraw wir ewr lieb wol, ir welt uns dick von ewrm wolgeen verkunden und wissen lassn, wann des sey wir allzeit fr und williges herczn zw wissen und vernemen. Auch mag ewr lieb wol dy Pernerin141 fragen vormb urlawb, das man uns geben hat, das uns sunder gar hart met, und als ant tt, das wir gern woltn, das wr es nicht westen noch nymer daran gedchten; und das geschach auch, als von des Wrleichs wegen nicht mer mcz wir ewr lieb zw dissen zeitenc darausd schr(eiben), der allmachtig got hab ew allzeit in seinr ht. Datumb Burckhawsen an suntag nach Lucas ewangelista XXV annoe. Margreta, ewr getrewe swesterf Adresse rückseitig: [fol. 9 v] Dem hochgeborn furs[te]ng unsserm herczen lieben brueder herczog Albrecht e zw Osterreich etc.   Zweites s mit überflüssiger Kürzung.   Über der Zeile eingefügt. c  Über der Zeile eingefügt. d   s mit überflüssiger Kürzung. e  Anschließend Zeilenfüllsel. f  Vor dem s Verschreibung. g   Textverlust durch Loch. a

b

2a Fol. 8 (Beiblatt, eigenhändig): 22 x 8 cm [fol. 8r] Auch mag dann ewr lieb wol von dem urlawb etwas melden gen dem Klssnr oder ob der andren rt in der zeit zw ewr lieb km, und fraget, ob wirs doch verschult hieten oder nicht und umb wew es wr. Und spracht, ir west ein aigenschaft, das es all so ergangen wr, und sprcht, es tt ew gar ant, als wir ew dann getrawn, es sey ew mitsamt uns ein missvallen. Hiet wirs aber verschult, das war ewa auch ein misvalen mitsamt ewrem swager; wr es aber umb sunst, als ir dann noch andrs nicht verstndtb, das tt ew gar andt, und ir west nicht, wes ir ew mitsamt uns daruber versechen solt und wesc wir gewarten. Dawcht das ewr lieb gut, so tt es, ob es zw schulden km, wir main, es war uns nicht schad. Wir 141

  Zu Barbara Perner, Ehefrau des steirischen Ritters Georg (Jörg) Perner, vgl. oben 295f.



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 307

wissen nicht, ob ewr lieb der nachst brief wrden ist oder nicht; wir heten enpfolchen, wend man in geantwrten solt; fund man dene nicht, das man es weleiben liessf. Ob sy dy zeit nit zw Wyen wrn, darumb schr(eiben) wir ewr lieb dy zedel, wann wir ew doch in lieb noch laid nichczg versweigen mgen, und das macht grsser woltrawen; reist brief und zedel.   Folgt gestrichen ein (?).   Zuvor gestrichen verst[...] (?). c   s mit überflüssiger Kürzung. d   Unsichere Lesung; folgt ein Buchstabe gestrichen. e  Nach dem d irrtümlich er-Kürzung. f   Zweites s mit überflüssiger Kürzung. g  Folgt gestrichen versch[...] (?). a

b

3 1425 Dezember 12, Burghausen Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1 fol. 6–7 (fol. 6: Beiblatt) (Abb. 1) Fol. 7 (littera clausa, eigenhändig): 30/30,5 x 22,5 cm; auf der Rückseite rotes Siegel zum Verschluss aufgedrückt, gänzlich abgefallen [fol. 7 r] Hochgeborner furst, herczen lieber brder, swesterleiche lieb mit ganczn trew und was wir gucz in stter frewntschaft vermugen zw allen zeiten voran. Das ewr lieb mitsamt ewrer gemachel, unser lieben swester, gesundt unda wolmgundem wessen wr, das wr uns in herczen sunder grssb frewd bringend als billeich ist. Dann lassen wir ewr lieb wissen, das uns unser herr und gemachel in kurcz gefragt hat umb unser heirat- und vermchtbrief, wo dy sein, und sprach, er west nychcz darumbc. Da sagt wir im, als uns ewr lieb vr langst bey her Andre Herlensperger142 enpoten ht, wye bischolf Jorg von Passaw saliger143 ewch dy brief bey her Andre Herlenssperger geschickt hiet, und wrn allso in ewr gewalt. Da antwurt er uns, wye ir im dann als dick darumb enptend wrt, er wolt ew hinfr sagen haissen, wir hietn im gesagt, ir hiet sy als wir doch imd gesagt haben. Bit wir ewr lieb, ob es ewr rat und gevallen wr, seind ir doch dy brief nw habt, das ir yeczt unserem herr und gemachel selbs hiet gesagt, das ir dy brief habt, und hiet in der ein abgeschr(ift) lassen hrn, was sy doch ausweissend wren, das er nicht gesprechen mcht, er west nichcz darumb, er hiet ir nye gesechen noch gehrt; und wir schn gern, das ir verscht hiet, das er ew hiet raiten lassn, was glt dy IIII stuck und geslosse nur yeczt hieten; so wrd ewr lieb dann selbs wol hren, ob sy bringen mchten, was dy brief ausweissendf. Fund es sich recht, das wr gt, fund sich aber ein merckleicher abgang, da ewr lieb verstnd, der zw meldeng wr, so traw wir ew wol, ir bit in, das es erstatet wrd; wann unser gemahel gedenckt nit verrer, dannh wann ir dy brief habt, so sey es gar slecht, und gedenchkt nit, wasi dy brief ausweisend, ob das auch slecht wr oder nit, solcz zw schulden kmen, da der allmchtig got vr sey. Wir haben auch uberslagn, das der abganck jrleich wol auf XV hundert guldein zw allermynsten brcht. Da tue ewr lieb   Zu Andreas Herleinsperger vgl. Anm. 114.   Graf Georg von Hohenlohe war in den Jahren 1390–1423 Bischof von Passau. Vgl. August Leidl, Die Bischöfe von Passau 739–1968 in Kurzbiographien (Neue Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung 38, Passau 21978) 31f. 142 143

308

Claudia Feller

im nach ewr selbs gevallen, wann uns all unser sach nach ewrem willen allerliebst sind. Auch dewe cht es ew gt und geraten sein, so sch wir gar gern, das ewr lieb gen unserem gemachel etwasj ausk unserem wessen gemeldt hiet, sunder das erl uns in eim zrn ein so snelles urlawb gab, und hies uns zw ew allso vrn umb dhain ander schuld, dann das wir unser notdrft von des Wrleichs und ander unsers wessen wegen auch meldten und gen im in gehaim dan noch merm redten zwissenn unser baider; und sagt im nr, das wir ewchs zw stund verschr(iben) haben, wann wir es hie auch nit pergn und sein anlawgeno sten; auch sch wir gern, das ir gen unserem gemachel gemelt hiet, es war anp ewch gelangt, wir msten vil abgangs und mangel in allen sachen haben, und es wr unser hof gar swachleich weseczt und sunder mit amtlewten, dy uns vil frmdnus gen im machten, und pt in, das er des nicht hinfur tt und lies ewch und uns im lieber dann solch lewt sein, das wolt ir mit frewntschaft um inq mitsamt uns verdnen pas dann solch lewt. Fragett in auch mit wew wir es umb in verworechten, und brcht es nr in der massen an in, als in fragweis unser wessen und als irs auf unser selbs schld hiet; und verdinen darumb ir zornig an uns wrt, als pilleich wr, solcz von unser selb schuld wegen sein, das ab[er]r gott will nymer geschechen sol und bizher nyes ist; undt ptt in, das er ew sagt, mit wew wirs verdnten, da wolt ir uns mitsamt im umb straffenu; erfund sich dann chain ursach, als wir zw got hoffen, so ptt in, das er ew und im selbs und uns zw lieb und ern als vil tt und uns hielt nach seim und unserem zwgehren. Datumb Burkhawsen, an mitwochn nach unser lieben frawn tag, als sy enpfangen ist anno XXVv. Margreta, ewr getrewe swester Adresse rückseitig: [fol. 7v] Dem hochgeboren fursten unserm herczen lieben brder herczog Albrechten ze Osterreich und marcgraf zw Mrchern etc. e

  Anschließend fehlt in.   Zweites s mit überflüssiger Kürzung. c   Wortteil umb über der Zeile eingefügt. d   Über der Zeile eingefügt. e  ss mit überflüssiger Kürzung. f  Erstes s mit überflüssiger Kürzung. g   mellen (?) gestrichen, über der Zeile melden eingefügt. h   Zuvor gestrichen das. i   Zuvor gestrichen das. j  s mit überflüssiger Kürzung. k  s mit überflüssiger Kürzung. l   Folgt Verschreibung in Form eines senkrechten Schaftes. m  mer über der Zeile eingefügt. n   Zuvor gestrichen zw. o  Unsichere Lesung, anlangen (?). p  Folgt ein Buchstabe gestrichen. q   Zuvor gestrichen im (?). r   Fehlt wohl irrtümlich er-Kürzung. s  Folgt gestrichen ist. t   Zuvor gestrichen und. a

b



mit ewr selbs hant in gter groser gehaim 309   Zuvor gestrichen st[.] (?).   Beim Zahlzeichen V kleines Loch.

u v

3a Fol. 6 (Beiblatt, eigenhändig): 30 x 7,5/8 cm (Abb. 2) [fol. 6r] Sunder herczen lieber brder, bitt wir ewr lieb, ir welt ewren vleis darczw kern, das wir uns in kurcz zwsamen fgen, so well wir ewr lieb ausa all unserem wessn und von unnsers vermchcz wegen wol zw erkennen geben. Dabey ir wol versten wrt, das uns grss notdurft anligend wr; undb pitt unseren herrc und gmachel yeczt allso, wann esd ewch recht sey, das er uns des vergn, und wo sich ewr lieb zw uns fgen werd, bat wir ewr frewntschaft mit allem vleis, das ire ewr gemachel, unser liebe swester, auch dabey habt; und getrawn ew wol, ir westelt ewr sach als lang etleich, damit ir als vil mss, ewch zw uns zw kmen, nemt, wan des ward uns nye noch so recht ntdurftig. Und last unsf wissen, wye dy antwurt von unserem gemachel werd, und ob ir ichcz gen im melt; undg last uns wissen, ob ew ein brief bey Barbra der Pernerin vonh uns worden sey oder nit und wye es darumb gestalt sey. Auch wann ir uns hinfr bey ewr selbs poten in gehaim schr(eiben) welt, so haist den poten bevelchen, das sy uns dy brief in unser selbs hant und anders nmt gebn oder ewchs hin wider pringen; auch west wir gern, ob ir uns auf dy nachstn zwen brief icht her geschr(iben) hiet, sunder auf den, den wir ew bey der Pernerin gesent haben, oder ob ir gen dem Kssnri icht meltj hiet. Lieber bruder, wir pittn ewr lieb, ir welt uns unserem herr und gmachel enpfelchen. Wir bevelchen uns in ewr brderleiche trew. Und tt und last mit unsern sachen, als ob syk ewr selbs sein; und last uns wissen, ob ir unser geschr(ift) erkent, wan wir ewr hant wol erkennen, und wirl haben den brief und zedel mit unser selbs hant in gach eil geschr(iben).   s mit überflüssiger Kürzung.   Zuvor ein Buchstabe gestrichen. c  Über der Zeile eingefügt. d   Folgt ein Buchstabe gestrichen. e  Zuvor gestrichen ir. f  Zuvor gestrichen und. g  Zuvor gestrichen unl. h   Zuvor gestrichen vo (?). i   sic! j  Zuvor gestrichen gemein. k  Folgen Buchstaben gestrichen. l  Folgt ein Buchstabe gestrichen. a

b



Claudia Feller

4 München, GHA HU 2026 Kanzleihand

Undatiert [um 1425]

Unser, herczog Albrechts, antwurtt auf des Ahaimer144 werbung Als wir vor zeiten mit dem hochgeborn fursten herczog Hainreichen herczogen in Bayern etc., unserm lieben swager, in gegenwurtikait .. des von Passaw145 geredt und im nachmaln ettwieofft emboten und begeret haben, unser liebe swester, esein gemaheln, ze haltten als ainer furstin zugepret und daz in uns und das haws von Osterreich ere etc. und mit seinen phlegern und ambtleten schaff daz si ir nach lautt irs gemechtbriefs geloben und ob an den rennten und ntzen, die er ir verschriben hat, icht abgang wr, daz er die vollicleich erstatt etc.; darauf uns der von Schawnberg146 yecz in gegenwrtikait .. des Ahaimer von unsers egenanten swagers wegen erczelt hat wie derselb unser swager willig sey, das also ze tn und zu volfrn. Ist noch unser begerung an sein freuntschaft seyd daz uncz her nicht beschehen ist, daz sein freuntschaft daz dann noch furderleich tn welle, uns so das also geschiecht, so sein wir willig im freuntschaft und guten willen zu beweisen als verr wir kunnen und mgen; wir wellen auch dann gern von unser baider lannd und let geprechen, vordrung und anderr sachen wegen frewntleich tg durch uns oder unser anwelt an gelegen steten mit im beschen, damit die zu ennd pracht werden am fgleichisten und das gesein mag. Item als er uns emboten hat von seins suns, unsers hems, wegen, ist unser antwurtt, so sein freuntschaft unser swester in obgeschribmer mass halttet und frsehet, dann so wellen wir denselben unsern hem gern bey uns sehen und liebleich haltten; und wenn er uns den dann schikhen und mit wem oder wievil personen er in beseczen wil, das seczen wir in sein freuntschaft, wie im das fgsam und gevelcleich sey; und bedunket es sein freuntschaft notdrftig sein, so wellen wir unserm hem auch gern unserr lantlet ainen zgeben, der ime diene und des lannds siten hie underweise. Auch ist unser begerung, so wir ettwas gemssigt werden von unsern geschefften, die wir yecz vorhannden haben und wir des an sein freuntschaft begern, daz er uns dann unser swester herablass, damit wir ain zeit miteinander frleich sein, als wir in vor offt darumb gepeten und er uns des vertrst hat.

  Angehöriger des bayerischen Geschlechts der Ahaim (Aham, Aheimer). Vgl. dazu Anm. 133.   In den Jahren 1390–1423 war Graf Georg von Hohenlohe, von 1423/24–1451 Leonhard von Laiming Bischof von Passau. Vgl. Leidl, Bischöfe von Passau (wie Anm. 142) 31–33. 146  Angehöriger der Grafen von Schaunberg, viell. Graf Johann (II.) von Schaunberg, der in hohem Maße das Vertrauen Herzog Albrechts V. genoss. Johann (II.), 1424 und 1437 als Landmarschall in Österreich belegt, wurde nach Albrechts Berufung auf den Königsthron zu seinem und „des Reichs Hofmeister“ und Rat bestellt. Er starb am 16. November 1453. Vgl. Jodok Stülz, Zur Geschichte der Herren und Grafen von Schaunberg. Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Classe 12 (1862) 147–358, hier bes. 202–209. 144 145

Abb. 1: Brief der Herzogin Margarethe an Herzog Albrecht V., 12 Dezember 1425 (Editionsanhang Nr. 3). Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1 fol. 7r.

mit ewr selbs hant in gueter groser gehaim 311

Abb. 2: Beiblatt zum Brief vom 12. Dezember 1425 (Editionsanhang Nr. 3a). Wien, HHStA Fam. Korr. A Kt. 38-1 fol. 6r.

312 Claudia Feller

Siglenverzeichnis A.A. AfD AfK AHP AN AÖG

Archivum Arcis Archiv für Diplomatik Archiv für Kulturgeschichte Archivum Historiae Pontificiae Archives Nationales Archiv für Österreichische Geschichte (bis Bd. 33: für Kunde österreichischer Geschichts-Quellen) APV Archivio del Principato vescovile di Trento AS Archivio di Stato ASRSP Archivio della Società Romana di Storia Patria ASTn Archivio di Stato di Trento ASV Archivio Segreto Vaticano AUR Allgemeine Urkundenreihe BAV Biblioteca Apostolica Vaticana BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München) BCTn Biblioteca Comunale (Trento) BDHIR Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom BEC Bibliothèque de l’École des chartes BEFAR Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome BISI(M) Bullettino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo (e Archivio Muratoriano) BL British Library BN Bibliothèque Nationale de France BNM Biblioteca Nazionale Marciana (Venezia) CDV Codice Diplomatico Veneziano cvp Codex Vindobonensis Palatinus DA Deutsches Archiv für Erforschung (bis 1944: Geschichte) des Mittelalters DBI Dizionario Biografico degli Italiani DHGE Dictionnaire d’Histoire et de Géographie Ecclésiastiques EHR English Historical Review FMSt Frühmittelalterliche Studien FRA Fontes Rerum Austriacarum FSI Fonti per la Storia d’Italia FU Familienurkunde GHA Geheimes Hausarchiv HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte HU Hausurkunde(n) JL Philipp Jaffé–Samuel Loewenfeld–Ferdinand Kaltenbrunner–

314 Siglenverzeichnis

Paul Ewald, Regesta Pontificum Romanorum, 2 Bde. (Leipzig 1885– 1888). KU Klosterurkunde(n) LMA Lexikon des Mittelalters LThK Lexikon für Theologie und Kirche Mansi Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio (Florenz–Venedig 1757–1798, Nachdr. Graz 1960– 1961). MGH Monumenta Germaniae Historica SS Scriptores (die weiteren Reihen in verständlichen Kürzungen) MIÖG (MÖIG) Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (1923 –1942: des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung; 1944: des Instituts für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien) NA Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde NDB Neue Deutsche Biographie OA Oberbayerisches Archiv ODNB Oxford Dictionary of National Biography ÖNB Österreichische Nationalbibliothek PL Jean Paul Migne, Patrologia Latina, 221 Bde. (Paris 1844–1865, 2 1878–1891). Potthast August Potthast, Regesta Pontificum Romanorum, 2 Bde. (Berlin 2 1874–1875). QFIAB Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken RBS Rerum Britannicarum Scriptores RH Revue Historique RHE Revue d’Histoire Ecclésiastique RHM Römische Historische Mitteilungen RIS (RIS2 ) Ludovicus Antonius Muratori, Rerum Italicarum Scriptores ... . Mailand 1723–1751, bzw. Editio altera. Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italiani ... ordinata da Lodovico Antonio Muratori. Nuova edizione riveduta ... . Città di Castello (ab 1917: Bologna) 1900ff. RömQua Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und (für) Kirchengeschichte RStCh Rivista di Storia della Chiesa in Italia StT Studi e Testi TNA The National Archives (London) UH Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich VHVN Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern VIÖG Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VL2 Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon (2. Auflage) VuF Vorträge und Forschungen WStLA Wiener Stadt- und Landesarchiv ZBLG Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte

Beiträgerinnen und Beiträger Prof. Dr. Irmgard Fees LMU München, Historisches Seminar Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Deutschland [email protected] Dr. Claudia Feller Universität Wien, Institut für Österreichische Geschichtsforschung Universitätsring 1 1010 Wien [email protected] Univ.-Prof. Dr. Francisco M. Gimeno Blay Universitat de València, Departamento de Historia de la Antigüedad y de la Cultura Escrita Avenida Blasco Ibáñez, 28 46010 Valencia España [email protected] Dr. Claude Jeay Archives départementales d’Ille-et-Vilaine 1 rue Jacques-Léonard, Bâtiment Archives départementales 35000 Rennes France [email protected] Univ.-Prof. Dr. Christian Lackner Universität Wien, Institut für Österreichische Geschichtsforschung Universitätsring 1 1010 Wien [email protected] emer. o. Univ.-Prof. Dr. Werner Maleczek Universität Wien, Institut für Österreichische Geschichtsforschung Universitätsring 1 1010 Wien [email protected]

316 Beiträgerinnen und Beiträger

Dr. Alain Marchandisse Université de Liège Département des Sciences historiques, Histoire du Moyen Âge tardif et de la Renaissance 39, rue Pirka, 4540 Amay Belgique [email protected] Prof. Dr. Claudia Märtl LMU München, Historisches Seminar Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Deutschland [email protected] Prof. Dr. Daniela Rando Università degli Studi di Pavia, Dipartimento di Studi Umanistici Piazza del Lino, 2 27100 Pavia Italia [email protected] Prof. Dr. Bertrand Schnerb Université de Lille 3 11 bis, rue de la Faisanderie 60500 Chantilly France [email protected] Dr. Malcolm Vale St. John’s College St. Giles, Oxford OX1 3JP United Kingdom [email protected] Prof. Dr. Nicholas Vincent University of East Anglia School of History Faculty of Arts and Humanities Norwich NR4 7TJ United Kingdom [email protected] Univ.-Prof. Dr. Martin Wagendorfer Universität Innsbruck, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Innrain 52d 6020 Innsbruck [email protected]